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German Pages 2156 Year 2008
Marsch-Bamer/Schäfer (Hrsg.) Handbuch börsennotierte AG
Handbuch
börsennotierte
AG Aktien-und Kapitalmarktrecht herausgegeben von
Prof. Dr. Reinhard Marsch-Barner Prof. Dr. Frank A Schäfer
2. neu bearbeitete Auflage
2009
oUs Verlag Dr.OttoSchmidt Köln
Bearbeiter Dr. Michael Amold Rechtsanwalt, Stuttgart Dr. Torsten Busch Rechtsanwalt, Frankfurt a.M. Volker Butzke Rechtsanwalt, Frankfurt a.M. Dr. Henrik Drinkuth Rechtsanwalt, Harnburg Dr. Thomas Eckhold Rechtsanwalt, Düsseldorf Dr. Andreas Gätsch Rechtsanwalt, Düsseldorf Dr. Wolfgang Groß Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.
Prof. Dr. Reinhard Marsch-Barner Rechtsanwalt, Frankfurt a.M. Honorarprofessor der Universität Göttingen Dr. Andreas Meyer Rechtsanwalt, Frankfurt a.M. Dr. Jörg Mimberg Rechtsanwalt, Düsseldorf Dr. Stefan Mutter Rechtsanwalt, Stuttgart Prof. Dr. RalfNonnenmacher Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Berlin Honorarprofessor der Universität Frankfurt a.M.
Dr. Timo Holzborn Rechtsanwalt, München
Prof. Dr. Frank A. Schäfer, LL.M. Rechtsanwalt, Düsseldorf Hcn1orarprofessor der Universität Bochum
Dr. Lutz Robert Krämer Rechtsanwalt, Frankfurt a.M.
Attomey at Law, Frankfurt a.M.
Mark Strauch
Dr. Eberhard Vetter Rechtsanwalt, Köln
Zitierempfehlung: Verfasser in Marsch-Barner/Schäfer jHrsg.l, Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § ... Rz ....
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verz:eiclmet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 info®otto-schmidt.de www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-31166-7 ©2009 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Ühersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeichenmg und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: Schäper, Bonn Druck und Verarbeitung: K.ösel, Krugzell Printed in Germany
Vorwort In den letzten Jahren haben die Aktiengesellschaften, insbesondere die Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse gehandelt werden, im Mittelpunkt zahlreicher Reformüberlegungen und daran anschließend vieler neuer Rechtsvorschriften gestanden. Die Flut der Normen, die vom deutschen und europäischen Gesetzgeber gleichermaßen ausging, betrifft ganz unterschiedliche Aspekte wie die Unternehmensführung, die externe Kontrolle der Unternehmen, die Erhöhung der Transparenz oder die Stärkung der Rechte der Anleger. Die damit verbundenen Zielsetzungen werden nicht mehr nur über das Aktienrecht, sondern gleichzeitig und zunehmend über das Kapitalmarktrecht und das Recht der Rechnungslegung umgesetzt, ohne dass dabei die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Rechtsbereichen und ihre Wechselwirkung immer erkannt werden. Die Anforderungen an das Wissen und Können aller an der „börsennotierten AG“ beteiligten Personen sind durch diese Entwicklung enorm gestiegen. Dies gilt in erster Linie für die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat dieser Gesellschaften sowie für deren interne und externe Berater. Es gilt aber auch für die Aktionäre selbst, gleichgültig, ob es sich dabei um private oder institutionelle Anleger handelt. Die Kenntnis der notwendigen Zusammenhänge ist schließlich auch bei den staatlichen Stellen erforderlich, die, wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, große Teile des „gelebten“ Kapitalmarktrechts zu überwachen oder, wie die Gerichte, über Streitigkeiten zu entscheiden haben. Autoren, Herausgeber und Verlag wollen mit dem vorliegenden Buch ein Handbuch zur Verfügung stellen, das alle notwendigen Grund- und Detailkenntnisse des modernen Aktien- und Kapitalmarktrechts vermittelt. Dabei wird, anders als dies bislang üblich ist, Wert darauf gelegt, dass die aktien- und kapitalmarktrechtlichen Regelungsbereiche nicht getrennt, sondern zusammen, in ihrem wechselseitigen Aufeinander-Bezogensein, dargestellt werden. Dieser „ganzheitliche“ Ansatz entspricht nicht nur den Bedürfnissen der Praxis, sondern ist auch für die wissenschaftliche Durchdringung des heutigen „Aktienkapitalmarktrechts“ unerlässlich. Dieses Rechtsgebiet hat sich in bemerkenswerter Dynamik weiterentwickelt. In den drei Jahren seit der 1. Auflage sind zahlreiche weitere Gesetze in Kraft getreten, die nur oder vor allem die börsennotierten Gesellschaften betreffen. Dazu gehören das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), das damals nur im Entwurf vorlag, das Wertpapierprospektgesetz (WpPG), das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG), das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG), das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz, das Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz (VorstOG) sowie das Gesetz über das elektronische Handelsregister (EHUG) und das Risikobegrenzungsgesetz. Alle diese Gesetze sind in der jetzigen 2. Auflage berücksichtigt. Außerdem haben in der Zwischenzeit einige börsennotierte Aktiengesellschaften die Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) angenommen. Deshalb wurde ein Kapitel über die Besonderheiten der börsennotierten SE eingefügt. Die einzelnen Beiträge dieses Werks stehen in der wissenschaftlichen Verantwortung der jeweiligen Autoren. Die neuesten Gesetze wurden, soweit einschlägig, bis August 2008 berücksichtigt. Das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) lag in der Fassung des Regierungsentwurfs vom 21.5.2008 vor, das Gesetz zur Umsetzung
VII
Vorwort der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) in der Fassung des Referentenentwurfs vom 6.5.2008. Wir haben vielen Lesern für Fragen und Anregungen zu danken und hoffen darauf auch in Zukunft. Frankfurt a.M./Düsseldorf, im Oktober 2008
VIII
Reinhard Marsch-Barner Frank A. Schäfer
Inhaltsübersicht Seite Vorwort . . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis. . . . Autorenverzeichnis . . . Literaturverzeichnis . . Abkürzungsverzeichnis
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. VII . XIII . XXV . XXIX . XXXIII
1. Kapitel Einführung § 1 Entwicklung zu einem Sonderrecht der börsennotierten Aktiengesellschaft . § 2 Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Besonderheiten der börsennotierten Europäischen Gesellschaft . . . . . . . . .
1 19 61
2. Kapitel Satzung und Aktie § 4 Die Satzung der börsennotierten AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5 Die Aktie im Rechtsverkehr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 6 Besondere Aktiengattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81 132 184
3. Kapitel Börsennotierung § § § § § §
7 8 9 10 11 12
Das Konzept von Börsennotierung und Aktienplatzierungen . . . . . . . . Übernahme und Platzierung von Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Börsenzulassung: Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren Due Diligence und Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Platzierung und Börsenzulassung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . Börsen- und wertpapierhandelsrechtliche Zulassungsfolgepflichten . . . .
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207 265 370 401 510 575
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609 646 670 682 695
4. Kapitel Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten § § § § §
13 14 15 16 17
Insiderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ad hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Directors’ Dealings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation . . . . . . . . . . . . . . Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten von Stimmrechtsanteilen
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IX
Inhaltsübersicht Seite
5. Kapitel Vorstand § § § § §
18 19 20 21 22
Der Vorstand im Organisationsgefüge der Aktiengesellschaft Bestellung und Anstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beendigung von Bestellung und Anstellung . . . . . . . . . . . . Unternehmensleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Haftung des Vorstands. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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725 757 782 798 807
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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849 856 868 892 928 971 987 1022
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1033 1047 1076 1089 1137
Rechte und Pflichten des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Spruchverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige individuelle Klagerechte der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bestellung von Sonderprüfern und besonderen Vertretern, das Klagezulassungsverfahren sowie sonstige Antragsrechte der Aktionärsminderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1143 1161 1250 1268
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6. Kapitel Aufsichtsrat § § § § § § § §
23 24 25 26 27 28 29 30
Der Aufsichtsrat innerhalb der Verfassung der AG . . . Zusammensetzung und Größe des Aufsichtsrates . . . . Begründung, Dauer und Beendigung der Mitgliedschaft Kompetenzen des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . Innere Ordnung des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes . . . . Verträge der AG mit Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . .
7. Kapitel Hauptversammlung § § § § §
31 32 33 34 35
Bedeutung und Zuständigkeit der Hauptversammlung . Vorbereitung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . Ablauf der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung . . . . Dokumentation der Hauptversammlung . . . . . . . . . .
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8. Kapitel Rechtsstellung der Aktionäre § § § § §
X
36 37 38 39 40
Inhaltsübersicht Seite
9. Kapitel Kapitalmaßnahmen § § § § § § § § § § §
41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51
Die Erhöhung des Grundkapitals: Überblick . . . . . . . . . . . . . . . Ordentliche Kapitalerhöhung gegen Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . Genehmigtes Kapital. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedingte Kapitalerhöhung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . Maßnahmen der Kapitalherabsetzung: Überblick . . . . . . . . . . . . Ordentliche Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinfachte Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien . . . . . . . . . . . Erwerb und Veräußerung eigener Aktien. . . . . . . . . . . . . . . . . . Wandel- und Optionsanleihen Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 52 Anlegerschutz bei Wandel- und Optionsanleihen, Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1301 1308 1377 1406 1437 1461 1464 1486 1503 1521
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1546
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1583
10. Kapitel Die Beteiligung von Mitarbeitern am Unternehmen § 53 Stock Options . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 54 Sonstige Mitarbeiterbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1595 1647
11. Kapitel Rechnungslegung, Prüfung und Publizität § § § § §
55 56 57 58 59
Jahresabschluss . . . . . . . . . . . . . . Konzernabschluss . . . . . . . . . . . . . Unterjährige Finanzberichterstattung Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1669 1709 1740 1757 1830
§ 60 Öffentliche Übernahme börsennotierter Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . .
1839
12. Kapitel Öffentliche Übernahmen
13. Kapitel Der Rückzug von der Börse § 61 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1965
XI
Inhaltsübersicht Seite § 62 Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 63 Kaltes Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1980 2037
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2061
XII
Inhaltsverzeichnis* Seite Vorwort . . . . . . . . . . Inhaltsübersicht . . . . . Autorverzeichnis . . . . Literaturverzeichnis . . Abkürzungsverzeichnis
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. VII . IX . XXV . XXIX . XXXIII
1. Kapitel Einführung § 1 Entwicklung zu einem Sonderrecht der börsennotierten Aktiengesellschaft . I. II. III. IV. V. VI.
Die Aktiengesellschaft im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die börsennotierte AG als Leitbild der neueren Gesetzgebung . Weitere Anpassungen an die Sicht des Kapitalmarkts . . . . . . Ausbau des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuere Entwicklung des Bilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1
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2 4 11 14 15 17
§ 2 Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
I. Bedeutung der Corporate Governance für die börsennotierte AG . . . . . . . . II. Der Deutsche Corporate Governance Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Neuere Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22 38 52
§ 3 Besonderheiten der börsennotierten Europäischen Gesellschaft . . . . . . . . . I. II. III. IV. V.
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die börsennotierte SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Besonderheiten der börsennotierten SE . SE-Gründung unter Beteiligung börsennotierter AG . Besondere Gestaltungsmöglichkeiten in der SE . . . .
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61 62 63 64 65 70
2. Kapitel Satzung und Aktie § 4 Die Satzung der börsennotierten AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
I. Begriff und Funktionen der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schaffung der Rechtsform „Aktiengesellschaft“ im zeitlichen hang mit dem Börsengang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Inhalt der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Satzungsrelevante Regelungen außerhalb der Satzung . . . . . V. Auslegung der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Änderung der Satzung und Satzungsdurchbrechung . . . . . . . VII. Mängel der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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84
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85 92 117 119 120 125
. . . . . . . . . Zusammen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
* Ausführliche Inhaltsverzeichnisse finden sich zu Beginn eines jeden Paragraphen.
XIII
Inhaltsverzeichnis Seite § 5 Die Aktie im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. II. III. IV. V. VI.
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135 147 151 158 170 178
§ 6 Besondere Aktiengattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
184
I. II. III. IV.
Die Aktie als kapitalmarktfähiges Beteiligungspapier . Aktienarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktiengattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbriefung und Verwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . Verfügungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vinkulierung von Namensaktien . . . . . . . . . . . . . .
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Überblick und rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stimmrechtslose Vorzugsaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Tracking Stocks“, „Redeemable Shares“ und Investmentaktiengesellschaft Exkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
185 192 200 204
3. Kapitel Börsennotierung § 7 Das Konzept von Börsennotierung und Aktienplatzierungen . . . . . . . . . . . I. II. III. IV. V.
Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalerhöhung und Umplatzierung . . . . . . . . . Börsen, Marktsegmente und Indizes (Deutschland) Öffentliche und private Platzierung . . . . . . . . . . Zeitplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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207 209 211 228 247 253
§ 8 Übernahme und Platzierung von Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
265
I. Einschaltung der Emissionsbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zeitlicher Ablauf einer Emission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
266 274 315
§ 9 Börsenzulassung: Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren . . .
370
I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.
. . . . . . . .
371 376 387 395 396 397 399 400
§ 10 Due Diligence und Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
401
I. II. III. IV.
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zulassungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Beendigung“ der Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen der Zulassung: Zulassungsfolgepflichten, Kosten . Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
börsennotierten Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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404 435 461 482
§ 11 Platzierung und Börsenzulassung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
510
I. Einführung in die gesetzlichen Grundlagen der US-Wertpapierregulierung . . II. Börsennotierte Angebote in den Vereinigten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . .
511 529
XIV
Due Diligence bei der Legal Opinions . . . . . Comfort Letter . . . . . Prospekthaftung . . . .
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Inhaltsverzeichnis Seite III. IV. V. VI. VII. VIII.
Von der Registrierungspflicht befreite Angebote . Die EU-Prospektrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . Wertpapieremissionen in Frankreich . . . . . . . . . Wertpapieremissionen in Italien . . . . . . . . . . . Wertpapieremissionen in Spanien . . . . . . . . . . Wertpapieremissionen im Vereinigten Königreich
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538 548 549 559 563 569
§ 12 Börsen- und wertpapierhandelsrechtliche Zulassungsfolgepflichten . . . . . . .
575
I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zulassungsfolgepflichten im regulierten Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Freiverkehr (§ 48 BörsG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
577 584 606
4. Kapitel Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten § 13 Insiderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehungsgeschichte, europarechtliche Grundlagen und Bedeutung des Insiderrechts für börsennotierte Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsvoraussetzungen der Insiderverbote nach WpHG . . . . . . . . . III. Ausgesuchte Einzelfälle in der Unternehmenspraxis . . . . . . . . . . . . . . IV. Unternehmensinterne Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Sanktionen und Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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609
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610 612 628 642 644
§ 14 Ad hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
646
I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX.
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647 650 652 659 661 665 666 667 667
§ 15 Directors’ Dealings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
670
Ad hoc-Publizität als Teil der Unternehmenspublizität . . . . . . . . . . . . . Europarechtliche Grundlagen und Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tatbestandsvoraussetzungen bei Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . . . Tatbestandsvoraussetzungen bei der Weitergabe von Insiderinformationen . Befreiung von Veröffentlichungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Form und Inhalt der Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigungsveröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Missbrauch der Publizitätspflicht und Nutzung von Kennzahlen . . . . . . . Folgen von Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Entwicklung der Pflicht zur Mitteilung und Veröffentlichung Geschäften durch Führungspersonen in Deutschland . . . . . . II. Anwendungsbereich von § 15a WpHG . . . . . . . . . . . . . . . III. Melde- und Veröffentlichungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
von . . . . . . . . . . . .
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671 672 677 681
§ 16 Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . .
682
I. Formen fehlerhafter Kapitalmarktinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftung des Emittenten für fehlerhafte Ad hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . III. Haftung der Verwaltungsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
683 685 695
§ 17 Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten von Stimmrechtsanteilen . . . .
695
I. Entstehungsgeschichte und Regelungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XV
Inhaltsverzeichnis Seite II. Meldepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Veröffentlichungspflicht von Inlandsemittenten (§ 26 WpHG) . . . . . . . . . . IV. Nachweispflichten und Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
701 723 724
5. Kapitel Vorstand § 18 Der Vorstand im Organisationsgefüge der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . I. Der Vorstand als Organ im Verhältnis zu Aufsichtsrat und Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vertretung der Gesellschaft durch den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . III. Binnenorganisation des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenarbeit mit Aufsichtsrat, Hauptversammlung und Aktionären
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727 739 746 752
§ 19 Bestellung und Anstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
757
I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.
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758 758 759 765 778 779 780 782
§ 20 Beendigung von Bestellung und Anstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
782
Rechtstatsächliche Rahmenbedingungen . . . . . Unterscheidung von Bestellung und Anstellung Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versorgungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiederbestellung und Vertragsverlängerung . . . Besonderheiten im Konzern . . . . . . . . . . . . . Ad hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. „Ordentliche“ Beendigung von Bestellung und Anstellung . . . . . . . . . II. Einvernehmliche Trennung durch Aufhebungsvertrag und Niederlegung III. Streitige Trennung durch Widerruf der Bestellung und Kündigung des Anstellungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Besonderheiten der Versorgungszusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Besonderheiten der Unternehmensumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . .
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725
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783 784
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787 795 797
§ 21 Unternehmensleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
798
I. II. III. IV. V.
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798 799 802 803 803
§ 22 Die Haftung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
807
I. II. III. IV. V. VI. VII.
XVI
Unternehmensplanung . . . . . . . . . . Investor Relations und Kapitalmarkt Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten im Konzern . . . . . . Verlustanzeige und Insolvenz . . . . .
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Binnenhaftung und Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft (Binnenhaftung) Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber den Aktionären . . . . . . . . . . . Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalmarktrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
811 811 833 835 838 842 845
Inhaltsverzeichnis Seite
6. Kapitel Aufsichtsrat § 23 Der Aufsichtsrat innerhalb der Verfassung der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . I. II. III. IV.
Der Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . Der Aufsichtsrat als Pflichtorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis des Aufsichtsrates zu anderen Organen der AG Kollegialorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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849 849 852 853 856
§ 24 Zusammensetzung und Größe des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . .
856
I. Gesetzliche Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Statusverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
857 863
§ 25 Begründung, Dauer und Beendigung der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat . . . I. II. III. IV.
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869 882 884 890
§ 26 Kompetenzen des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
892
Die allgemeine Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates Personalkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung . . Mitwirkung bei Geschäftsführungsmaßnahmen . . . . . .
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I. II. III. IV.
Begründung der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . Amtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beendigung der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat . . . Rechtsfolgen der unwirksamen Aufsichtsratswahl .
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§ 27 Innere Ordnung des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. II. III. IV.
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929 930 932 941
§ 28 Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
971
Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Delegationsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Innere Ordnung und Arbeitsweise . . . . . . . . . . . . . Praktische Verbreitung von Aufsichtsratsausschüssen
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I. II. III. IV. V. VI.
Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsordnung des Aufsichtsrates Vorsitz und Stellvertreter . . . . . . . . Arbeitsweise des Aufsichtsrates . . . .
894 910 913 917
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972 973 974 976 979 983
§ 29 Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes . . . . . . . . . . . . . . . . . .
987
I. Rechtsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Klagerechte des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . .
989 1006 1017
§ 30 Verträge der AG mit Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1022
I. Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern gemäß § 114 AktG . . . . . . II. Kreditverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern gemäß § 115 AktG . . . . . . . .
1023 1030
XVII
Inhaltsverzeichnis Seite
7. Kapitel Hauptversammlung § 31 Bedeutung und Zuständigkeit der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . .
1033
I. Bedeutung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zuständigkeit der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1034 1038
§ 32 Vorbereitung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1047
I. Organisatorische Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einberufung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1049 1051
§ 33 Ablauf der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1076
I. II. III. IV.
Teilnahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leitung der Hauptversammlung . . . . . . . . Teilnehmerverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . Geschäftsordnung der Hauptversammlung .
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§ 34 Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. II. III. IV. V.
Rederecht . . . . . . . . . Auskunftsrecht . . . . . Antragsrecht . . . . . . . Stimmrecht . . . . . . . . Beschlüsse und Wahlen
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1077 1082 1085 1087 1089
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1092 1098 1110 1117 1126
§ 35 Dokumentation der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1137
I. Notarielle Niederschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Andere Niederschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1137 1141
8. Kapitel Rechtsstellung der Aktionäre § 36 Rechte und Pflichten des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. II. III. IV. IV.
Die Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . Keine Übertragbarkeit einzelner Mitgliedschaftsrechte Gleichbehandlungsgebot (§ 53a AktG) . . . . . . . . . . Mitgliedschaftliche Treupflicht . . . . . . . . . . . . . . .
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1144 1148 1149 1150 1154
§ 37 Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1161
I. Die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage im System der aktienrechtlichen Klage- und Antragsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Anfechtungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Nichtigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Spezielle Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe bei einzelnen Beschlussgegenständen und ihre gerichtliche Geltendmachung (§§ 250 bis 255 AktG)
XVIII
1164 1165 1196 1226 1231
Inhaltsverzeichnis Seite VI. Das Freigabeverfahren (§§ 246a, 319 Abs. 6, 327e Abs. 2 AktG, § 16 Abs. 3 UmwG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1240 1249
§ 38 Das Spruchverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1250
I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.
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1251 1252 1253 1254 1257 1260 1264 1267
§ 39 Sonstige individuelle Klagerechte der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1268
Überblick . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . Gerichtliche Zuständigkeit . Antragsberechtigung . . . . . Antragstellung . . . . . . . . . Mündliche Verhandlung des Beendigung des Verfahrens . Kosten . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichts . . . . . . . . . . . . . . .
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I. „Auskunftserzwingungsverfahren“ (§ 132 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . II. Gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates (§ 98 AktG); gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds (§ 104 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die „allgemeine Aktionärsklage“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Schadensersatzklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Weitere individuelle Klagerechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1274 1274 1276 1277
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§ 40 Die Bestellung von Sonderprüfern und besonderen Vertretern, das Klagezulassungsverfahren sowie sonstige Antragsrechte der Aktionärsminderheit . I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern (§ 142 Abs. 2 AktG) . . . . . . III. Gerichtliche Bestellung besonderer Vertreter zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen (§ 147 Abs. 2 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Klagezulassungsverfahren (§§ 148 f. AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . .
1278
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1279 1279
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1286 1290
§ 41 Die Erhöhung des Grundkapitals: Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1301
9. Kapitel Kapitalmaßnahmen I. Formen der Kapitalerhöhung . . . . . . II. Grundzüge der Emissionstechnik der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . III. Kapitalmarktrechtliche Aspekte . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalerhöhung der börsennotierten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1301 1302 1304
§ 42 Ordentliche Kapitalerhöhung gegen Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1308
I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.
1310 1310 1322 1331 1340 1349 1363 1366
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalerhöhungsbeschluss . . . . . . . . . . Besonderheiten der Sachkapitalerhöhung . Bezugsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittelbares Bezugsrecht . . . . . . . . . . . . Bezugsrechtsausschluss . . . . . . . . . . . . Zeichnung der Aktien . . . . . . . . . . . . . Erbringung der Einlage . . . . . . . . . . . . .
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XIX
Inhaltsverzeichnis Seite IX. Anmeldung und Eintragung im Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Fehlerhafte Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Verwässerungsschutz Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1369 1374 1376
§ 43 Genehmigtes Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1377
I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX.
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1378 1379 1385 1391 1398 1400 1401 1404 1405
§ 44 Bedingte Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1406
I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.
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1407 1408 1413 1426 1429 1429 1433 1437
§ 45 Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1437
I. II. III. IV. V. VI. VII.
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermächtigungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezugsrecht und Bezugsrechtsausschluss . . . . . . . Ausnutzung der Ermächtigung . . . . . . . . . . . . . Durchführung der Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . Fehlerhafte Durchführung der Kapitalerhöhung . . Das genehmigte Kapital als Abwehrmaßnahme bei Genehmigtes Kapital und Greenshoe . . . . . . . . . Arbeitnehmeraktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wesen der bedingten Kapitalerhöhung . . . . . Zwecke der bedingten Kapitalerhöhung . . . . . Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedingtes Kapital und Sacheinlagen . . . . . . . Anmeldung, Eintragung und Bekanntmachung Bezugsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezugserklärung und Aktienausgabe . . . . . . . Anpassung Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übernahmeangeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . des bedingten Kapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalerhöhungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschlussvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmeldung und Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuordnung der neuen Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkungen auf Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertpapierrechtlicher Vollzug der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln .
1438 1440 1442 1447 1450 1456 1459
§ 46 Maßnahmen der Kapitalherabsetzung: Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1461
I. Formen der Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kapitalmarktrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1461 1463
§ 47 Ordentliche Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1464
I. II. III. IV. V. VI. VII.
Inhalt und Zweck der ordentlichen Kapitalherabsetzung . Kapitalherabsetzungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmeldung und Wirksamwerden der Kapitalherabsetzung Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wertpapierrechtliche Abwicklung der Kapitalherabsetzung Börsenrechtlicher Vollzug der Kapitalherabsetzung . . . . . Anmeldung der Durchführung der Kapitalherabsetzung . .
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1465 1466 1472 1477 1482 1485 1486
§ 48 Vereinfachte Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1486
I. Zweck und Besonderheiten der vereinfachten Kapitalherabsetzung . . . . . . . II. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1487 1488
XX
Inhaltsverzeichnis Seite III. IV. V. VI. VII. VIII. IX.
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1493 1494 1495 1496 1497 1499 1503
§ 49 Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . .
1503
I. II. III. IV. V. VI.
Beachtung des Verfahrens der ordentlichen Kapitalerhöhung . . . Verbindung mit Kapitalerhöhung bzw. freiwilligen Zuzahlungen Verwendung der herabgesetzten Eigenkapitalposten . . . . . . . . . Rücklagendotierung bei zu hoch angenommenen Verlusten . . . Thesaurierungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bekanntmachung des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . .
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1504 1510 1518 1518 1519 1520
§ 50 Erwerb und Veräußerung eigener Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1521
V. VI. VII. VIII. IX.
Eigene Aktien in der Kapitalverfassung der Aktiengesellschaft . . . . . . Verbot der Zeichnung eigener Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgewählte Einzelfälle des erlaubten Erwerbs eigener Aktien . . . . . . Durchführung des Erwerbs und Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Erwerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Behandlung eigener Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veräußerung eigener Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dritt- und Umgehungsgeschäfte, Inpfandnahme . . . . . . . . . . . . . . . . Rechenschaftslegung (§ 71 Abs. 3 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalmarktrechtliche Parameter bei Erwerb und Veräußerung eigener Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. II. III. IV.
Formen der Kapitalherabsetzung durch Einziehung . . . . . . . . . . . . . . Einziehungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmeldung und Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einziehungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmeldung und Eintragung der Durchführung der Kapitalherabsetzung Einziehung von Aktien aus vernichteten Kapitalerhöhungen . . . . . . . .
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1522 1526 1529
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1534 1538 1539 1542 1543
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1543
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§ 51 Wandel- und Optionsanleihen Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. II. III. IV.
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wandelschuldverschreibungen (Wandel- und Optionsanleihen) . Gewinnschuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Genussrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1546 1548 1559 1579 1580
§ 52 Anlegerschutz bei Wandel- und Optionsanleihen, Gewinnschuldverschreibungen und Genussrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1583
I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. AGB-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anlegerschutz im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1583 1585 1588
10. Kapitel Die Beteiligung von Mitarbeitern am Unternehmen § 53 Stock Options . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1595
I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zweck von Aktienoptionsplänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aktienrechtlicher Rahmen für Aktienoptionspläne . . . . . . . . . . . . . . . . .
1598 1601 1602
XXI
Inhaltsverzeichnis Seite IV. V. VI. VII. VIII. IX. X.
Inhaltliche Eckpunkte von Aktienoptionsplänen . Repricing von Stock Options . . . . . . . . . . . . . Arbeitsrechtliche Gesichtspunkte . . . . . . . . . . Besonderheiten im Konzern . . . . . . . . . . . . . . Besteuerung von Aktienoptionen . . . . . . . . . . . Bilanzrechtliche Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . Kapitalmarktrechtliche Gesichtspunkte . . . . . . .
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§ 54 Sonstige Mitarbeiterbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. II. III. IV. V. VI.
Zweck und Verbreitung von Modellen der Mitarbeiterbeteiligung Arten von Mitarbeiterbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktienrechtliche Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsrechtliche Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerrechtliche Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalmarktrechtliche Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1607 1619 1623 1630 1631 1636 1640 1647
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1648 1650 1658 1661 1662 1667
§ 55 Jahresabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1669
11. Kapitel Rechnungslegung, Prüfung und Publizität I. II. III. IV. V.
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1670 1674 1680 1685 1703
§ 56 Konzernabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1709
I. II. III. IV. V. VI.
Bedeutung und Zwecke des Jahresabschlusses Verantwortlichkeit des Vorstands . . . . . . . . Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats . . . . . . Für den Inhalt maßgebliche Normen . . . . . . Änderung des Jahresabschlusses . . . . . . . . .
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Bedeutung und Zwecke des Konzernabschlusses nach Verantwortlichkeit des Vorstands . . . . . . . . . . . . . Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . Für den Inhalt maßgebende Normen . . . . . . . . . . . Rechnungslegung nach IAS/IFRS . . . . . . . . . . . . . . Enforcement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IAS/IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 57 Unterjährige Finanzberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. II. III. IV. V.
Bedeutung und Zwecke der unterjährigen Finanzberichterstattung Verantwortlichkeit des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maßgebliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Änderung von Zwischenabschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1741 1743 1744 1745 1756
§ 58 Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1757
XXII
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1740
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I. Prüfung des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besonderheiten bei der Prüfung des Konzernabschlusses . . . . . . . . . III. Prüfung oder prüferische Durchsicht von Zwischenabschlüssen und Zwischenlageberichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Prüfung des Abhängigkeitsberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1710 1712 1714 1716 1728 1738
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1759 1816
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1821 1821
Inhaltsverzeichnis Seite § 59 Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Neuregelung der Publizität durch das Gesetz über das elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Offenlegungspflichten und -fristen für Jahresabschluss und Konzernabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterjährige Publizitätspflichten nach WpHG und Börsenordnung . . . . IV. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1830
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1830
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1832 1837 1838
§ 60 Öffentliche Übernahme börsennotierter Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . .
1839
12. Kapitel Öffentliche Übernahmen I. II. III. IV. V.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablauf öffentlicher Erwerbsangebote . . . . . . . . . . . . . . . Übernahme- und Pflichtangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . Übernahmerechtlicher Squeeze-out und Andienungsrecht . Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1843 1850 1908 1952 1957
§ 61 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1965
13. Kapitel Der Rückzug von der Börse I. II. III. IV. V.
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1969 1971 1972 1976 1977
§ 62 Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1980
I. II. III. IV. V. VI. VII.
Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Börsenplätze, Marktbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . Gründe für und gegen einen Rückzug von der Börse . Folgen eines Rückzugs von der Börse für die Anleger Ausprägungen des Rückzugs von der Börse . . . . . . .
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2037
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§ 63 Kaltes Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1981 1982 1986 2022 2022 2033 2035
Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . Zulässigkeit des kalten Delisting . Börsenrechtliche Implikationen . . Fungibilitätsausgleich . . . . . . . .
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I. II. III. IV.
Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zulassungsentziehung: Rücknahme oder Widerruf von Amts wegen . Börsenentlassung: Widerruf auf Antrag des Emittenten . . . . . . . . . Rechtsfolgen des Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2038 2039 2040 2060
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2061
XXIII
Autorenverzeichnis Dr. Michael Arnold ist Rechtsanwalt und Partner der Partnerschaftsgesellschaft Gleiss Lutz in deren Stuttgarter Büro. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt im Gesellschaftsrecht, dort insbesondere im Bereich des Aktien- und Konzernrechts. Seine Tätigkeit umfasst zudem Mergers & Acquisitions, insbesondere das Übernahmerecht. Er hat auf diesen Gebieten zahlreiche wissenschaftliche Beiträge veröffentlicht und ist ständiger Mitarbeiter der Fachzeitschrift „Die Aktiengesellschaft/AG-Report“. Dr. Torsten Busch trat nach Studium und Referendariat in Hamburg 1991 in das Frankfurter Büro von Hengeler Mueller ein und ist seit 1996 Partner dieser Sozietät. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt im Bereich Börsengänge, Umplatzierungen, Kapitalerhöhungen, öffentliche Übernahmen und Wandel- bzw. Umtauschanleihen. Volker Butzke, Rechtsanwalt und Syndikus, ist seit 1987 in der Rechtsabteilung der Deutsche Bank AG tätig. Seine Schwerpunkte liegen vor allem im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. Er ist neben anderen Veröffentlichungen vor allem Autor eines Standardwerks zur Hauptversammlung. Dr. Henrik Drinkuth ist Rechtsanwalt und Partner von CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern, Hamburg. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Kapitalgesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie in der Beratung bei Unternehmenskäufen und -verkäufen und Private Equity-Transaktionen. Dr. Drinkuth ist Autor von Veröffentlichungen zum Gesellschaftsrecht sowie zum Übernahmerecht und ist Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg. Dr. Thomas Eckhold ist als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Handels- und Gesellschaftsrecht in der Sozietät Sernetz Schäfer Rechtsanwälte in Düsseldorf tätig, in der er national und international tätige Unternehmen und Konzerne berät. Er ist Autor und Mitautor kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtlicher Veröffentlichungen, u.a. im Kommentar Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze. Dr. Andreas Gätsch ist Rechtsanwalt und Partner von Sernetz Schäfer Rechtsanwälte in Düsseldorf. Zuvor war er für eine führende internationale Sozietät in Köln, London und Düsseldorf tätig. Er berät deutsche und ausländische Unternehmen im Gesellschaftsund Konzernrecht sowie bei nationalen und grenzüberschreitenden M&A-Transaktionen. Dr. Gätsch ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen in den Bereichen des Gesellschafts- und Konzernrechts. Dr. Wolfgang Groß, Rechtsanwalt, ist Partner der Anwaltssozietät Hengeler Mueller und in deren Frankfurter Büro tätig. Davor war er mehr als zehn Jahre Syndikus einer deutschen Großbank. Er berät Unternehmen in gesellschaftsrechtlichen Themen, im Zusammenhang mit Umstrukturierungen, auf dem Gebiet des Unternehmenskaufs und der Unternehmensübernahme und in kapitalmarktrechtlichen Fragen des Börsengangs, der Kapitalerhöhung und bei Equity Linked Produkten. Er ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. Dr. Timo Holzborn begann nach Bankausbildung und rechtswissenschaftlichem Studium seine berufliche Laufbahn bei der Deutsche Börse AG in Frankfurt am Main als Rechtsanwalt in der Vorstandsabteilung und war dann bei der Frankfurter Wertpapierbörse in der Wertpapierzulassung beschäftigt. Er war darüber hinaus bei der Geschäftsstelle der Übernahmekommission zuständig für die Auslegung des Übernahmekodex. Im Anschluss war Dr. Holzborn fast sechs Jahre bei der Anwaltspartnerschaft Nörr Stiefenhofer Lutz und wechselte 2007 zur internationalen Kanzlei Heisse
XXV
Autorenverzeichnis
Kursawe Eversheds, wo er weiterhin im Bereich Kapitalmarkt-, Aktien- und Gesellschaftsrecht tätig ist. Er ist Lehrbeauftragter der Universität Düsseldorf. Neben der Autorenschaft von Fachbüchern und Publikationen im Bereich Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht begleitet er kapitalmarktrechtliche Gesetzgebungsverfahren. Dr. Lutz Robert Krämer ist Rechtsanwalt in der internationalen Anwaltssozietät White & Case LLP in Frankfurt am Main, wo er als Partner im Bereich Gesellschaftsund Kapitalmarktrecht börsennotierte Gesellschaften und Investmentbanken berät. Vor seinem Wechsel zu White & Case LLP Anfang 2007 war er zunächst seit 1991 sechs Jahre als Syndikus bei einer deutschen Großbank in Frankfurt und sodann 10 Jahre im Kapitalmarktbereich einer internationalen Sozietät in Frankfurt, seit dem Jahre 2000 als Partner, tätig. Schwerpunkte seiner Beratungstätigkeit sind Börsengänge, Kapitalerhöhungen, Unternehmensübernahmen sowie die Beratung von Vorständen und Aufsichtsräten bei Corporate Governance-Fragen. Dr. Krämer ist Autor einer Vielzahl von Veröffentlichungen im Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht. Professor Dr. Reinhard Marsch-Barner war über 30 Jahre Syndikus in der Rechtsabteilung der Deutschen Bank AG in Frankfurt. Er hat dort schwerpunktmäßig in den Bereichen Corporate Governance sowie Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht gearbeitet. Seit Oktober 2008 ist er als Of Counsel in einer internationalen Anwaltskanzlei tätig. Seit 1995 hat er an der Georg-August-Universität in Göttingen einen Lehrauftrag für Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. Im Oktober 2002 wurde er dort zum Honorarprofessor ernannt. Professor Dr. Marsch-Barner ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen im Bereich des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts u.a. in den Büchern „Kallmeyer, Kommentar zum Umwandlungsgesetz“, „Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder“, „Baums/Thoma, Kommentar zum WpÜG“ sowie „Spindler/Stilz, Kommentar zum AktG“. Dr. Andreas Meyer, Rechtsanwalt, ist Syndikus der Deutsche Bank AG in Frankfurt am Main. Zuvor war er als Rechtsanwalt in einer internationalen Anwaltssozietät in Frankfurt am Main und London tätig. Er befasst sich vor allem mit Fragen des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts. Dazu gehört insbesondere die Begleitung internationaler Kapitalmarkttransaktionen wie Aktien- und Anleiheemissionen, einschließlich Wandel- und Umtauschanleihen, sog. High Yield Bonds und Block Trades. Ein weiterer Schwerpunkt seines Betätigungsfelds ist die Beratung in M&A-Transaktionen. Dr. Meyer ist Autor in Veröffentlichungen zum Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht und referiert regelmäßig bei Fachseminaren zu gesellschaftsrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Themen. Dr. Jörg Mimberg ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Sernetz Schäfer Rechtsanwälte in Düsseldorf, in der er national und international tätige Unternehmen und Konzerne berät. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Gesellschafts-, Umwandlungs- und Kapitalmarktrecht. Nach seinem Studium war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Universität Bochum tätig und hat bei Professor Dr. Uwe Hüffer zu einem konzernrechtlichen Thema promoviert. Dr. Mimberg ist Autor und Mitautor verschiedener Veröffentlichungen im Bereich des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts. Dr. Stefan Mutter, Rechtsanwalt, ist Partner der Partnerschaftsgesellschaft Gleiss Lutz in Stuttgart. Im Mittelpunkt seiner anwaltlichen Tätigkeit steht das Aktien-, Konzern-, Umwandlungs- und Übernahmerecht. Er berät Vorstände und Aufsichtsräte in Fragen der Corporate Governance und ihrer Anstellung bzw. Vergütung. Dr. Mutter ist Autor mehrerer einschlägiger Bücher und ausgewiesen durch mehr als 175 Veröffentlichungen, u.a. als ständiger Mitarbeiter der Fachzeitschrift „Die Aktiengesellschaft/AG-Report“.
XXVI
Autorenverzeichnis
Professor Dr. Rolf Nonnenmacher, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, ist seit 1987 Partner und seit 2005 Sprecher des Vorstands der KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG in Berlin. Schwerpunkt seiner fachlichen Tätigkeit ist die Abschlussprüfung bei großen deutschen Aktiengesellschaften. Professor Dr. Nonnenmacher gehörte der Regierungskommission Corporate Governance an. Er lehrt als Honorarprofessor Wirtschaftsprüfung an der Universität Frankfurt am Main und veröffentlichte zahlreiche Beiträge zu Fragen des Bilanzrechts, der Abschlussprüfung und der Unternehmensbewertung. Professor Dr. Frank A. Schäfer, LL.M., war über 10 Jahre Leitender Syndikus in einer Düsseldorfer Privatbank und in dieser u.a. zuständig für die rechtliche Betreuung der Anlageberatung und Vermögensverwaltung, des Emissionsgeschäftes, der Börseneinführungen und der Börseneinführungs- und Verkaufsprospekte. Seit einigen Jahren ist Professor Dr. Schäfer Partner der überörtlichen Rechtsanwaltssozietät Sernetz Schäfer und betreut neben gesellschaftsrechtlichen vorwiegend bank- und kapitalmarktrechtliche Mandate. Professor Dr. Schäfer ist durch zahlreiche einschlägige Veröffentlichungen hervorgetreten, so u.a. als Herausgeber eines Kommentars zum WpHG/BörsG/VerkProspG und als Mitautor von Werken zum Bankrecht und zur Haftung für fehlerhafte Wertpapierdienstleistungen. Seit Oktober 2003 ist Dr. Schäfer Honorarprofessor an der Ruhr-Universität Bochum. Mark Strauch absolvierte das Studium der Rechtswissenschaften an der Vanderbilt University Law School und ist als Attorney-at-Law in New York zugelassen. Mark Strauch arbeitete sechs Jahre in New York, bevor er 1991 in Frankfurt am Main seine Tätigkeit als Rechtsberater aufnahm. Seit 2000 ist Mark Strauch Partner der Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer. Er gehört den Praxisgruppen Unternehmens- und Finanzrecht an und ist schwerpunktmäßig im Kapitalmarktrecht tätig. Seine Mandanten sind vor allem deutsche, US-amerikanische und internationale Unternehmen sowie Investmentbanken. Mark Strauch ist Autor einer Vielzahl von Veröffentlichungen im US- und Kapitalmarktrecht. Dr. Eberhard Vetter, Rechtsanwalt, ist Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln. Er verfügt über Erfahrungen aus der eigenen Mitgliedschaft in verschiedenen Aufsichtsräten und berät Unternehmen vorwiegend auf dem Gebiet des Aktienund Konzernrechts sowie im internationalen Industrieanlagengeschäft. Bis 2002 war er Bereichsleiter in der Holdinggesellschaft eines Versicherungs- und Finanzdienstleistungskonzerns. Zuvor war er von 1981 bis 1995 in der Rechtsabteilung (zuletzt Chefsyndikus) eines Unternehmens des Maschinen- und Anlagenbaus tätig.
XXVII
Literaturverzeichnis* Achleitner Handbuch Investment-Banking, 3. Aufl. 2002 Adler/Düring/Schmaltz Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995 ff. Assmann/Lenz/Ritz Verkaufsprospektgesetz, 2001 Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider (Hrsg.) Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 2005 Assmann/Uwe H. Schneider (Hrsg.) Wertpapierhandelsgesetz, 4. Aufl. 2006 Assmann/Schütze Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl. 2007 Baumbach/Hopt Handelsgesetzbuch, 33. Aufl. 2007 Baumbach/Hueck Aktiengesetz, 13. Aufl. 1968 Baums (Hrsg.) Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001 Baums/Thoma (Hrsg.) WpÜG (Loseblatt) Beck’scher Bilanz-Kommentar Handelsrecht und Steuerrecht – §§ 238 bis 339, 242e HGB, 6. Aufl. 2006 Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, herausgegeben von Hoffmann-Becking und Rawert, 9. Aufl. 2006 Beck’sches Handbuch der AG herausgegeben von Welf Müller und Rödder, 2004 Bosch/Groß Das Emissionsgeschäft, 1998 Bürgers/Körber Heidelberger Kommentar zum Aktiengesetz, 2008 Claussen Bank- und Börsenrecht, 4. Aufl. 2008 Ehricke/Ekkenga/Oechsler WpÜG, 2003 Eilers/Rödding/Schmalenbach Unternehmensfinanzierung. Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Rechnungslegung, 2008 Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl. 2008 Emmerich/Habersack Konzernrecht, 8. Aufl. 2005 Fleischer (Hrsg.) Handbuch des Vorstandsrechts, 2006 Geibel/Süßmann WpÜG, 2002 Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff Aktiengesetz, 1974 ff. v. Godin/Wilhelmi Aktiengesetz, 4. Aufl. 1971 Groß Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2006 Großkommentar zum Aktiengesetz herausgegeben von Hopt und Wiedemann, 4. Aufl. 1992 ff. Grunewald Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2005 Haarmann/Schüppen (Hrsg.) Frankfurter Kommentar zum Erwerbs- und Übernahmegesetz, 2. Aufl. 2005 Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.) Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2008 Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.) Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008 Hachenburg Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Großkommentar, 8. Aufl. 1989 ff. * Ausführliche Literaturübersichten zu Beginn der einzelnen Paragraphen.
XXIX
Literaturverzeichnis
Happ Aktienrecht, 3. Aufl. 2007 Hauschka Corporate Compliance. Handbuch der Haftungsvermeidung im Unternehmen, 2007 Heidel (Hrsg.) Aktienrecht und Kapitalmarktrecht. Kommentar, 2. Aufl. 2007 Henn Handbuch des Aktienrechts, 7. Aufl. 2002 Henze Aktienrecht – Höchstrichterliche Rechtsprechung, 5. Aufl. 2002 Hirte Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2006 Hoffmann/Preu Der Aufsichtsrat, 5. Aufl. 2003 Hoffmann/Lehmann/Weinmann Mitbestimmungsgesetz, 1978 Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.) Handbuch Corporate Governance, 2003 Hüffer Aktiengesetz, 8. Aufl. 2008 Jäger Aktiengesellschaft, 2004 Kallmeyer Umwandlungsgesetz, 3. Aufl. 2006 Keidel/Kuntze/Winkler Freiwillige Gerichtsbarkeit. Kommentar zum FGG, 15. Aufl. 2003 Kölner Kommentar zum Aktiengesetz herausgegeben von Zöllner, 2. Aufl. 1986 ff. und von Zöllner und Noack, 3. Aufl. 2004 ff. Kölner Kommentar zum WpHG herausgegeben von Hirte und Möllers, 2007 Kölner Kommentar zum WpÜG herausgegeben von Hirte und von Bülow, 2003 Kropff Aktiengesetz Textausgabe 1965, 1965 Kümpel Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004 Kümpel/Hammen/Ekkenga (Hrsg.) Kapitalmarktrecht (Loseblatt) Lenenbach Kapitalmarkt- und Börsenrecht, 2002 Lutter Information und Vertraulichkeit, 3. Aufl. 2006 Lutter (Hrsg.) Holding-Handbuch, 4. Aufl. 2004 Lutter Umwandlungsgesetz, 4. Aufl. 2009 Lutter/Hommelhoff GmbH-Gesetz, 16. Aufl. 2004 Lutter/Krieger Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl. 2008 Michalski (Hrsg.) GmbH-Gesetz, 2002 Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Band 4 Aktiengesellschaft, herausgegeben von Hoffmann-Becking, 3. Aufl. 2007 Münchener Kommentar zum AktG herausgegeben von Kropff und Semler, 2. Aufl. 2000 ff. und herausgegeben von Goette und Habersack, 3. Aufl. 2008 ff. Münchener Vertragshandbuch herausgegeben von Heidenhain und Meister, Band 1 Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2005 Nirk/Ziemons/Binnewies Handbuch der Aktiengesellschaft (Loseblatt) Obermüller/Werner/Winden neu bearbeitet von Butzke Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl. 2001 Palandt BGB, 67. Aufl. 2008 Potthoff/Trescher Das Aufsichtsratsmitglied, 6. Aufl. 2003 Raiser/Veil Recht der Kapitalgesellschaften, 4. Aufl. 2006 Raiser Mitbestimmungsgesetz, 4. Aufl. 2002 Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex, 3. Aufl. 2008
XXX
Literaturverzeichnis
Roth/Altmeppen Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 5. Aufl. 2005 Schaaf Die Praxis der Hauptversammlung, 2. Aufl. 1999 Schäfer/Hamann (Hrsg.) Kapitalmarktgesetze (Loseblatt) Schanz Börseneinführung, 3. Aufl. 2007 Schimansky/Bunte/Lwowski Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007 Schlüter Börsenhandelsrecht, 2. Aufl. 2003 Schmidt, Karsten Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002 Schmidt Karsten/Lutter Marcus (Hrsg.) Aktiengesetz, 2008 Scholz Kommentar zum GmbH-Gesetz, 9. Aufl. 2000/2002, 10. Aufl. 2006/2007 Scholze Das Konsortialgeschäft der deutschen Banken, 1973 Schütz/Bürgers/Riotte (Hrsg.) Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, 2004 Schwark Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004 Schwintowski/Schäfer Bankrecht, 2. Aufl. 2004 Semler Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 2. Aufl. 1996 Semler/v. Schenck (Hrsg.) Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 2. Aufl. 2004 Semler/Stengel (Hrsg.) Umwandlungsgesetz, 2. Aufl. 2007 Semler/Volhard (Hrsg.) Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, 2. Aufl. 2003 Semler/Volhard (Hrsg.) Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen Band 1: Unternehmensübernahme, 2001 Band 2: Gesetzliches Übernahmerecht, 2003 Spindler/Stilz Aktiengesetz, 2007 Ulmer/Habersack/Henssler Mitbestimmungsrecht. Kommentierung des MitbestG, der DrittelbG und der §§ 34 bis 38 SEBG, 2. Aufl. 2006 Vortmann (Hrsg.) Prospekthaftung und Anlageberatung, 2000 Widmann/Mayer Umwandlungsrecht (Loseblatt) Wiedemann Gesellschaftsrecht, Band I, Grundlagen, 1980 Wlotzke/Wissmann/Koberski/Kleinsorge Mitbestimmungrecht. Kommentar, 3. Aufl. 2008 Würdinger Aktienrecht und das Recht der verbundenen Unternehmen, 4. Aufl. 1981 Zöllner Wertpapierrecht, 14. Aufl. 1987
XXXI
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.E. a.F. ABl. EG ABl. EU ABS Abs. AcP ADHGB ADR ADS AG AGB AGG AICPA AktG Alt. AngVO Anh. Anm. AnSVG AnwBl. AO AR ArbRB Art. ARUG Aufl.
anderer Ansicht am Ende alte Fassung Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Amtsblatt der Europäischen Union Asset Backed Securities Absatz Archiv für die civilistische Praxis Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch American Depositary Receipts Adler/Düring/Schmaltz Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz American Institute of Certified Public Accountants Aktiengesetz Alternative Angebotsverordnung Anhang Anmerkung Anlegerschutzverbesserungsgesetz Anwaltsblatt Abgabenordnung Aufsichtsrat Der Arbeits-Rechts-Berater Artikel Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie Auflage
BaFin BAG BAnz. BAWe BayObLG BB Bd. BDA BDI BDSG BeckBilKomm. Begr. BetrAVG BetrVG BFH BFuP BGB BGBl. BGH BGHZ BHO BilKoG BilMoG BilReG BImSchG
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Bundeanzeiger Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater Band Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bundesverband der Deutschen Industrie Bundesdatenschutzgesetz Beckscher Bilanz-Kommentar Begründung Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeshaushaltsordnung Bilanzrechtskontrollgesetz Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bilanzrechtsreformgesetz Bundes-Immissionsschutzgesetz
XXXIII
Abkürzungsverzeichnis
BKR BMJ BNotO BörsG BörsO FWB BörsZulV BOFWB BRAO BR-Drucks. BStBl. BT-Drucks. BuB BUrlG BVerfG BVerfGE
Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesministerium der Justiz Bundesnotarordnung Börsengesetz Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse Börsenzulassungs-Verordnung Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrats-Drucksache Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache Bankrecht und Bankpraxis Bundesurlaubsgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts
CCZ CEO CESR CFO
Corporate Compliance Zeitschrift Chief Executive Officer Committee of European Securities Regulators Chief Financial Officer
D&O DAI DAJV DAV DAX DB DBAG DBW DCGK DepotG DiskE Diss. DJT DNotZ DrittelbG DRS DStR DSW DVFA
Directors & Officers Deutsches Aktieninstitut Deutsch-amerikanische Juristenvereinigung Deutscher Anwaltverein Deutscher Aktienindex Der Betrieb Deutsche Börse AG Die Betriebswirtschaft Deutscher Corporate Governance Kodex Depotgesetz Diskussionsentwurf Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Notar-Zeitschrift Drittelbeteiligungsgesetz Deutscher Standardisierungsrat Deutsches Steuerrecht Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
DZWir E EBIT EBITDA EBT Eds. EFG EfzG EGAktG EHUG ErfK EStG EU EuGH EuroEG
XXXIV
Entwurf Earnings Before Interest and Taxes Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization Earnings Before Taxes Editors Entscheidungen der Finanzgerichte Entgeltfortzahlungsgesetz Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister Erfurter Kommentar Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof Euro-Einführungsgesetz
Abkürzungsverzeichnis
EUWAX EWiR EWIV EWR
European Warrant Exchange Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum
f., ff. FamFG
folgende, fortfolgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Financial Accounting Standards Board Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanz Betrieb Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzmarktförderungsgesetz Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Fußnote Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz Festschrift Frankfurter Wertpapierbörse
FASB FAZ FB FGG FFG FinDAG Fn. FRUG FS FWB GenG GesR GewStG GewStR GEX GG G/H/E/K GmbH GmbHG GmbHR Großkomm. GoB GVBl. GVG GWG
Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Gesellschaftsrecht Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuerrichtlinien German Entrepreneurial Index Grundgesetz Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Großkommentar Grundsätze ordnungmäßiger Buchführung Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Geldwäschegesetz
HdJ HGB h.L. h.M. Hrsg. HRV HV
Handbuch des Jahresabschlusses Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber Handelsregisterverfügung Hauptversammlung
i.d.F. i.d.R. i.E. i.e.S. i.V.m. IAS IASB IDW IDW PH IDW PS IFLR IFRS InsO InvG
in der Fassung in der Regel im Ergebnis im engeren Sinne in Verbindung mit International Accounting Standards International Accounting Standards Board Institut der Wirtschaftsprüfer IDW Prüfungshinweise IDW Prüfungsstandards International Financial Law Review International Financial Reporting Standards Insolvenzordnung Investmentgesetz
XXXV
Abkürzungsverzeichnis
IPO ISIN IStR JbFSt JR JZ
Initial Public Offer International Securities Identification Number Internationales Steuerrecht Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Juristische Rundschau Juristenzeitung
K&R KAGG KapAEG KapErhG KapInHaG KapMuG KG KGaA KölnKomm. Komm. KonTraG KoR KostO KStG KWG
Kommunikation & Recht Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz Kapitalerhöhungsgesetz Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kölner Kommentar Kommentar Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Kapitalmarktorientierte Rechnungslegung Kostenordnung Körperschaftsteuergesetz Kreditwesengesetz
LAG LG lit. LM LStDV LStR LVwVfG
Landesarbeitsgericht Landgericht litera Lindenmaier/Möhring Lohnsteuer-Durchführungsverordnung Lohnsteuerrichtlinien Landesverwaltungsverfahrensgesetz
m.w.N. MD&A MDR MgVG
mit weiteren Nachweisen Management’s Discussion and Analysis Monatsschrift für Deutsches Recht Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung Million Mitbestimmungsergänzungsgesetz Mitbestimmungsgesetz Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Die Aktiengesellschaft
Mio. MitbestErgG MitbestG MittRhNotK MoMiG MünchHdb. AG NASDAQ NaStraG n.F. NJOZ NJW NJW-RR NotBZ Nr. NVersZ
XXXVI
National Association of Securities Dealers Automated Quotation Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung neue Fassung Neue Juristische Online Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Nummer Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht
Abkürzungsverzeichnis
NYSE NZA NZG
New York Stock Exchange Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
ÖBA OECD OFD oHG OLG OWiG
Österreichisches BankArchiv Organisation for Economic Cooperation and Development Oberfinanzdirektion Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
PartGG ProspRL ProspV
Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Prospektrichtlinie EU-Prospektverordnung
R RdA RefE RefG RegE REIT REITG RG RGZ RIW RNotZ RL Rpfl. Rspr. Rz.
Richtlinie Recht der Arbeit Referentenentwurf Reforngesetz Regierungsentwurf Real Estate Investment Trust Gesetz über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen Reichsgericht Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Rheinische Notar-Zeitschrift Richtlinie Der Deutsche Rechtspfleger Rechtsprechung Randzahl
S. s. SCE SE SEAG SEBG SEC SEEG SE-VO SOX SprAuG SpruchG StBerG StGB StückAG StuW
Seite siehe Societas Cooperativa Europaea; Europäische Genossenschaft Societas Europaea; Europäische Gesellschaft SE-Ausführungsgesetz SE-Beteiligungsgesetz Securities and Exchange Commission Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft SE-Verordnung Sarbanes Oxley Act Sprecherausschussgesetz Spruchverfahrensgesetz Steuerbereinigungsgesetz Strafgesetzbuch Stückaktiengesetz Steuer und Wirtschaft
TranspRLDV TransPuG TUG Tz. TzBfG
Transparenzrichtlinie-Durchführungsverordnung Transparenz- und Publizitätsgesetz Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Textziffer Teilzeit- und Befristungsgesetz
u.a. ÜbK
unter anderem Übernahmekodex
XXXVII
Abkürzungsverzeichnis
UMAG UmwBerG UmwG UmwStG US GAAP US GAAS UStG u.U.
Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts Umwandlungsbereinigungsgesetz Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz US Generally Accepted Accounting Principles US Generally Accepted Auditing Standards Umsatzsteuergesetz unter Umständen
VAG VerkProspG VerkProspVO VermbG VersR VG VGH vgl. VGR VO VVaG VVG VW VwGO VwVfG VwVG
Versicherungsaufsichtsgesetz Verkaufsprospektgesetz Verkaufsprospektverordnung Vermögensbeteiligungsgesetz Versicherungsrecht Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Gesellschaftsrechtliche Vereinigung Verordnung Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Versicherungsvertragsgesetz Versicherungswirtschaft Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz
WG WiB WKN WM WpAIV WPg WpHG WPK WPO WpPG WpÜG WpÜG-AngVO WpÜG-GebVO WuB
Wechselgesetz Wirtschaftsrechtliche Beratung Wertpapier-Kennnummer Wertpapier-Mitteilungen Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung Die Wirtschaftsprüfung Wertpapierhandelsgesetz Wirtschaftsprüferkammer Wirtschaftsprüferordnung Wertpapierprospektgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz WpÜG-Angebotsverordnung WpÜG-Gebührenverordnung Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht
ZBB ZCG ZfB ZfbF ZfgK ZGR ZHR Ziff. ZInsO ZIP zit. ZNotP ZPO ZRP ZVerwWiss ZZP
Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Corporate Governance Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für die Notarpraxis Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Verwaltungswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess
XXXVIII
1. Kapitel Einführung §1 Entwicklung zu einem Sonderrecht der börsennotierten Aktiengesellschaft
I. Die Aktiengesellschaft im Wandel .
Rz. 1
II. Die börsennotierte AG als Leitbild der neueren Gesetzgebung . . . . . .
5
1. EU-Harmonisierung . . . . . . . . . .
5
2. Verbesserung der Unternehmensführung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Weitere Anpassungen an die Sicht des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . 24
7
1. Steigerung des Unternehmenswertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
3. Anpassung des Aktienrechts an den Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . a) Ausstattung der Aktien . . . . . . b) Rückkauf eigener Aktien . . . . . c) Vereinheitlichung des Stimmrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Teilnahme an der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtsverlust der Aktionäre . . . f) Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Vergütung durch Aktienoptionen h) Ausschluss von Minderheitsaktionären . . . . . . . . . . . . . . . i) Deutscher Corporate Governance Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 12 13 14 15 17 18 19
Rz. j) Führungssystem und Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2. Unternehmensbewertung . . . . . . 25 3. Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4. Auskunftsrecht des Aktionärs . . . 28 5. Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . 29 6. Börseneintritt und Börsenaustritt . 30 7. Aktuelle Gesetzgebungsvorhaben . 32 IV. Ausbau des Kapitalmarktrechts . . . 33
20
V. Neuere Entwicklung des Bilanzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
21
VI. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Schrifttum: Albach/Corte/Friedewald/Lutter/Richter, Deregulierung des Aktienrechts: Das Drei-Stufen-Modell, 1988; Assmann, Corporate Governance im Schnittfeld von Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht, in FS Kümpel, 2003, S. 1; Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001; Baums/Drinhausen, Weitere Reform des Rechts der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, ZIP 2008, 145; Baums/Keinath/ Gajek, Fortschrittte bei Klagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse? Eine empirische Studie, ZIP 2007, 1629; Bayer, Aktionärsrechte und Anlegerschutz, ZHR Sonderheft 71, 2002, S. 137; Bayer, Empfehlen sich besondere Regeln für börsennotierte und für geschlossene Gesellschaften?, Gutachten E zum 67. Deutschen Juristentag, 2008; Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. I, Entwicklung des Aktienrechts, 2007; Fleischer, Das Aktiengesetz von 1965 und das neue Kapitalmarktrecht, ZIP 2006, 451; Fleischer, Der deutsche „Bilanzeid“ nach § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB, ZIP 2007, 97; Habersack, Der Finanzplatz Deutschland und die Rechte der Aktionäre, ZIP 2001, 1230; Habersack, Das Aktiengesetz und das Europäische Recht, ZIP 2006, 445; Hommelhoff, Anlegerinformationen im Aktien-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht, ZGR 2000, 748; Lutter, Stellungnahme zur Aktienrechtsreform 1997, AG 1997, Sonderheft S. 52; Lutter, Gesellschaftsrecht und Kapitalmarkt, in FS Zöllner, Bd. I, 1998, S. 363; Merkt, Zum Verhältnis von Kapitalmarktrecht und Gesellschaftsrecht in der Diskussion um die Corporate Governance, AG 2003, 126; Möllers, Kapitalmarkttauglichkeit des
Marsch-Barner
|
1
§1
Einführung
deutsche Gesellschaftsrechts, AG 1999, 433; Mülbert/Steup, Das zweispurige Regime der Regelpublizität nach Inkrafttreten des TUG, NZG 2007, 761; Schiessl, Ist das deutsche Aktienrecht kapitalmarkttauglich?, AG 1999, 442; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002; Schwark, Prospekthaftung und Kapitalerhaltung in der AG, in FS Raisch, 1995, S. 269; Seibt, Kapitalmarktrechtliche Überlagerungen im deutschen Aktienrecht, in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Hrsg.), Band 3, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2000, 2001, S. 37; Spindler, Deregulierung des Aktienrechts?, AG 1996, 53; J. Vetter, Modifikation der aktienrechtlichen Anfechtungsklage, AG 2008, 177; Wiesner, Zur Deregulierung des Aktienrechts, WM 1988, 1841; Zöllner, Aktienrechtsreform in Permanenz – Was wird aus den Rechten des Aktionärs?, AG 1994, 336.
I. Die Aktiengesellschaft im Wandel 1
Gesetzliche Regelungen der Aktiengesellschaft finden sich auf deutschem Boden seit Anfang bzw. Mitte des 19. Jahrhunderts1. Im Unterschied zu dem relativ stabilen, jedoch deutlich jüngeren Recht der GmbH hat das Aktienrecht grundlegende Wandlungen erfahren und eine wechselvolle Geschichte durchlebt2. Erheblich geschwankt hat dabei auch die wirtschaftliche Bedeutung der Aktiengesellschaft. Dennoch ist die Aktiengesellschaft durch die Jahrhunderte bis heute das wichtigste Sammelbecken für Risikokapital bei gleichzeitiger Beschränkung des Risikos auf die geleistete Einlage geblieben. Seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts hat die Bedeutung der Aktiengesellschaft im Wirtschaftsleben der Bundesrepublik sogar deutlich zugenommen3. Im Oktober 2007 gab es in Deutschland 14953 Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, von denen 1103 börsennotiert waren4. Ein besonderer Zuwachs an Aktiengesellschaften war im Rahmen der „New Economy“ und des Aufschwungs der Aktienmärkte zum Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts zu verzeichnen5. Danach ist die Gesamtzahl der AG zwar gesunken, die Zahl der börsennotierten Gesellschaften ist aber erneut angestiegen6. Da die AG neben den Sonderformen KGaA und SE die einzige Gesellschaft mit an der Börse handelbaren Anteilen ist, zeigt diese Entwicklung die enge Verbindung zwischen der Lage an den nationalen wie internationalen Kapitalmärkten und dem Recht der Aktiengesellschaft.
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In der Begründung des Regierungsentwurfs zur Aktienrechtsreform 1965 heißt es zu den Zielen der Gesetzgebung: Durch die Neuregelung „wird zugleich der gesellschaftspolitischen Aufgabe, immer weitere Schichten und Kreise unseres Volkes an dem Produktionsvermögen der Wirtschaft zu beteiligen und einer Massierung des Kapitals in Händen weniger Personen entgegenzuwirken, wirksam gedient und eine für die Verwirklichung der Forderung breitester Streuung des Eigentums auf dem Gebiet des Aktienwesens entscheidende Voraussetzung geschaffen“7. Diese Aussage spiegelt die Erkenntnis, dass die Aktiegesellschaft die am besten geeignete Rechtsform für die Eigenkapitalversorgung mittelgroßer oder großer Unternehmen ist. Um die Rechtswirklichkeit diesem Anspruch zu nähern, findet seit über zwanzig Jahren eine inten1 Vgl. neben dem Code de Commerce das Preußische Gesetz über Aktiengesellschaften von 1843 und das ADHGB von 1861. 2 Vgl. Assmann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, Einl. Rz. 21 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 II 2, S. 761 ff. 3 Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftrecht, S. 23. 4 DAI-Factbook, S. 01-1 und 02-1-1, Stand Oktober 2007. 5 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 II 1b, S. 759 f. und Wittkowski, ZHR 167 (2003), 120, 131 f. 6 DAI-Factbook, S. 02-1-1, Stand Oktober 2007. 7 Kropff, Aktiengesetz, S. 14.
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sive Diskussion über die geeignete Struktur der Aktiengesellschaft statt1. Zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung der Unternehmen wurde vorgeschlagen, einen „zweiten Börsenmarkt“ einzurichten, der als Kapitalmarkt für andere Gesellschaftsformen als die AG bzw. KGaA zugänglich sein sollte2. Diese Überlegungen scheiterten jedoch letztlich an den technischen Schwierigkeiten, die ein börsenmäßiger Handel von Anteilen an anderen Gesellschaften mit sich bringen würde3. Das Gegenmodell von Albach und Lutter wollte drei Typen der Aktiengesellschaft, die „Private AG“, die „Offene AG“ und die „Große AG“, entwickeln und auf diese Weise dem Markt verschiedene Formen der Aktiengesellschaft entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen zur Verfügung stellen4. Die Strategie einer Differenzierung des (Einheits-)Aktienrechts hat sich letztlich durchgesetzt. Während die grundsätzliche Ausrichtung des Aktienrechts auf die Publikumsgesellschaft mit einer Vielzahl von Anlegern beibehalten bzw. verstärkt wurde, wurden für die „kleine AG“ mit einem überschaubaren Aktionärskreis verschiedene Erleichterungen eingeführt und das Recht der Aktiengesellschaft im Übrigen auf den Kapitalmarkt und die Anlegerinteressen ausgerichtet5. Mit dieser Orientierung wird zusätzlich zu dem herkömmlichen Kreis der an der Aktiengesellschaft Interessierten, nämlich der Aktionäre, der Mitarbeiter und der Gläubiger, ein weiterer Kreis von Interessenten berücksichtigt, nämlich die noch nicht an der Aktiengesellschaft beteiligten künftigen Kapitalanleger. Darüber hinaus gibt es eine zunehmende Differenzierung zwischen den unternehmerisch beteiligten Aktionären mit Beteiligung ab einem bestimmten Schwellenwert und den unterhalb dieser Schwelle „bloß“ kapitalmäßig beteiligten Anlegern, deren Interessen nicht notwendigerweise identisch sind mit denen der unternehmerisch beteiligten Aktionäre. Diese Unterscheidung hat vor allem Bedeutung für bestimmte Minderheitenrechte und den Ausschluss einer Minderheit durch den Großaktionär6.
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Die Berücksichtigung der Interessen des Kapitalmarktes und der Kapitalanleger geht nicht ohne Friktionen mit den Grundsätzen des Aktienrechts von statten. Beispielhaft genannt seien hier die Prospekthaftungsansprüche von Kapitalanlegern aus §§ 44, 45 BörsG sowie die Ansprüche von im Rahmen der Ad hoc-Publizität fehlerhaft informierten Kapitalanlegern nach §§ 37b, 37c WpHG gegen die Gesellschaft einerseits und der Grundsatz der Kapitalerhaltung mit dem Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 AktG andererseits7. Das Aktienrecht enthält eine ausgereifte Be-
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1 Vgl. Albach/Corte/Friedewald/Lutter/Richter, Deregulierung des Aktienrechts, 1988; Reuter, Welche Maßnahmen empfehlen sich, insbesondere im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, um die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen langfristig zu verbessern?, Gutachten B zum 55. DJT, 1984, S B 44 ff.; K. Schmidt, JZ 1984, 771 ff. 2 Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, Börsenzugang für kleine und mittlere Unternehmen, 2 Bde., 1987 und 1989. 3 In der Praxis gibt es immer wieder Versuche, einen derartigen Markt bereits auf der Basis des geltenden Rechts zu organisieren, so zuletzt der Versuch der Düsseldorfer Börse im Jahre 2004, unter dem Namen GEFOX ein Handelssegment für Kommanditanteile einzurichten. 4 Vgl. Albach/Corte/Friedewald/Lutter/Richter, Deregulierung des Aktienrechts, S. 34 ff.; Assmann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, Einl. Rz. 497 ff.; kritisch zu dem Drei-Stufen-Modell Wiesner, WM 1988, 1841. 5 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 II 1c, S. 760. 6 Vgl. §§ 142 Abs. 2, 147 Abs. 2 Satz 2, 148 Abs. 1 Satz 1, 327a AktG; zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über den Squeeze-out BVerfG v. 30.5.2007 – 1 BvR 390/04, WM 2007, 1329 = AG 2007, 544 und BVerfG v. 28.8.2007 – 1 BvR 861/06, WM 2007, 1884 = AG 2007, 821. 7 Vgl. zu diesem Konflikt Schwark, Prospekthaftung und Kapitalerhaltung in der AG, in FS Raisch, S. 269 ff., Fleischer, ZIP 2006, 451, 456; LG Bonn v. 1.7.2007 – 1 O 552/05, WM 2007, 1695 sowie unten § 10 Rz. 344.
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grifflichkeit, die die hinter dem geltenden Recht stehenden Wertungen häufig nicht unmittelbar erkennen lässt. Die Ausrichtung des Aktienrechts an weiteren, auf dem Kapitalmarktrecht basierenden Gesichtspunkten führt leicht zu Wertungswidersprüchen und gibt Anlass, die nicht immer selbstverständlichen Wertungen des Aktienrechts zu hinterfragen1.
II. Die börsennotierte AG als Leitbild der neueren Gesetzgebung 1. EU-Harmonisierung 5
In den ersten drei Jahrzehnten nach der Reform von 1965 hat sich das Aktienrecht nicht wesentlich verändert. In dieser Zeit sind zwar die meisten gesellschaftsrechtlichen EU-Richtlinien ergangen2. Deren Umsetzung ins deutsche Aktienrecht hat aber kaum zu grundlegenden Änderungen geführt, was darauf zurückzuführen ist, dass diese Richtlinien nicht unwesentlich von deutschen Rechtsvorstellungen geprägt waren und deshalb nur in entsprechend begrenztem Umfang Anpassungsbedarf entstand. Eine weitergehende Harmonisierung vor allem der inneren Organisation der Aktiengesellschaft, wie sie mit der fünften Richtlinie über die Struktur der Aktiengesellschaft sowie die Befugnisse und Verpflichtungen ihrer Organe3 angestrebt wurde, ist letztlich nicht zustande gekommen. Teile der damaligen Richtlinien werden inzwischen als zu streng und zu wenig flexibel angesehen. So sind die Restriktionen der ersten Richtlinie in Bezug auf den Erwerb eigener Aktien und die Einbringung von Wertpapieren als Sacheinlage bei Gründung und Kapitalerhöhungen wieder gelockert worden4.
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Zu einer weiteren Quelle für Änderungen des Aktienrechts entwickeln sich immer stärker die EU-Richtlinien im Bereich des Kapitalmarktrechts und die dazu ergangenen Umsetzungsgesetze. Hierzu zählen etwa die Insider-Richtlinie5 sowie die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie6, die jeweils durch die Marktmissbrauchs-Richtlinie7 bzw. durch die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente8 ersetzt wurden, die Übernahme-Richtlinie9, die Richtlinie zur Änderung der Offenlegungspflichten10 sowie die Transparenzrichtlinie11. Im Gegensatz zu den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien sind die kapitalmarktrechtlichen Richtlinien weniger durch deutsches Rechts1 Vgl. dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 22 II 2b, S. 657 f. 2 Vgl. die Erste Richtlinie v. 9.3.1968 (Publizitätsrichtlinie), die Zweite Richtlinie v. 13.12.1976 (Kapitalrichtlinie), die Dritte Richtlinie v. 9.10.1978 (Verschmelzungsrichtlinie); dazu ausführlich Bayer/J. Schmidt in Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. I, 2007, S. 1 und Habersack, ZIP 2006, 445. 3 Vorschlag einer Fünften Richtlinie vom 9.10.1972 i.d.F. vom 12.8.1983, ABl. EG Nr. C 240 v. 9.9.1983, S. 2. 4 Vgl. die Richtlinie 2006/68/EG vom 6.9.2006 zur Änderung der Richtlinie 77/91/EWG vom 21.9.2004, ABl. EG Nr. L 264 v. 25.9.2006, S. 32. 5 Richtlinie vom 13. November 1989 (89/592/EWG), ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30. 6 Richtlinie vom 10. Mai 1993 (93/22/EWG), ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27. 7 Richtlinie vom 28. Januar 2003 (2003/6/EG), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. 8 Richtlinie vom 21. April 2004 (2004/39/EG), ABl. EG Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1. 9 Richtlinie vom 21. April 2004 (2004/25/EG), ABl. EG Nr. L 142 v. 30.4.2004, S. 12. 10 Richtlinie 2003/58/EG vom 15.7.2003 zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformern, ABl. EG Nr. L 221 v. 4.9.2003, S. 13. 11 Richtlinie 2004/109/EG vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpatiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38.
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denken als vielmehr durch anglo-amerikanische Rechtsvorstellungen geprägt. Daher führen die auf den Kapitalmarkt bezogenen Richtlinien tendenziell zu einem größeren Anpassungsbedarf als die gesellschaftsrechtlichen Richtlinien. 2. Verbesserung der Unternehmensführung Stark geprägt wurde das heutige Aktienrecht zudem durch zahlreiche Gesetzesänderungen der letzten Jahre, die nicht auf Harmonisierungsbestrebungen in der EU beruhen, sondern von der Absicht des deutschen Gesetzgebers getragensind, die Aktiengesellschaft zu einer modernen und effizienteren Rechtsform auszubauen. Mit dem Gesetz zur kleinen Aktiengesellschaft und zur Deregulierung des Aktienrechts von 19941 hat eine regelrechte Welle von Gesetzesänderungen eingesetzt, die eine ständige Reformdiskussion nach sich gezogen und zu weiteren Gesetzesänderungen geführt hat. Die Intensität der Diskussion wird dadurch gesteigert, dass die Aktiengesellschaft sowohl im Blick des Gesellschaftsrechts als auch des Kapitalmarktrechts und damit auch gelegentlich kollidierender Zielvorstellungen steht. Inzwischen werden nahezu laufend neue Gesetzesvorhaben erörtert, die sich auf die Aktiengesellschaft auswirken. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar. Das viel zitierte Wort Zöllners von der „Aktienrechtsreform in Permanenz“2 gilt unverändert. Dabei ist allerdings festzustellen, dass sich das Recht jedenfalls der börsennotierten Aktiengesellschaft inzwischen nicht mehr nur aus dem Aktiengesetz, sondern auch aus einer Reihe weiterer Gesetze, insbesondere dem WpHG, dem WpÜG und dem HGB, ergibt.
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Ein Ziel dieser Gesetzesänderungen bestand zunächst darin, die Zusammenarbeit von Vorstand und Aufsichtsrat zu verbessern und zugleich die Verantwortlichkeit jedes dieser beiden Organe zu stärken. Zu diesem Zweck wurden durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) von 19983 und das Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) von 20024 die Berichtspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat verdeutlicht (§ 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG), die Sitzungsfrequenz des Aufsichtsrats erhöht (§ 110 Abs. 3 AktG) und die Rechte des einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes gestärkt (§§ 90 Abs. 3 Satz 2, 110 Abs. 1 Satz 1 AktG). Die Verantwortung des Vorstandes für die Einrichtung eines Frühwarnsystems wurde durch § 91 Abs. 2 AktG klargestellt5. Um die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrates zu betonen, ist in das Gesetz eine Verpflichtung zur Aufstellung eines Zustimmungskatalogs aufgenommen worden. Damit soll erreicht werden, dass der Aufsichtsrat bei Geschäften von grundlegender Bedeutung mitwirkt (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG). Außerdem wurde zur Stärkung der Unabhängigkeit der Abschlussprüfung die Entscheidung über die Erteilung des Prüfungsauftrages vom Vorstand auf den Aufsichtsrat verlagert (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG). Das Gesetz zur Unternehmensintegri-
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1 BGBl. I 1994, 1961. 2 Zöllner, AG 1994, 336. 3 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998, BGBl. I 1998, 786, s. dazu die Beiträge in AG 1997, Sonderheft August. 4 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) vom 19.7.2002, BGBl. I 2002, 2681; dazu Ihrig/Wagner, BB 2002, 789 und Seibert, NZG 2002, 608. 5 Vgl. dazu auch die auf börsennotierte Aktiengesellschaften beschränkte Prüfungspflicht des Abschlussprüfers zur Einrichtung und Eignung des Frühwarnsystems gemäß § 317 Abs. 4 HGB.
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tät und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) von 20051 hat für Vorstand und Aufsichtsrat die business judgment rule kodifiziert (§§ 93 Abs. 1 Satz 2, 116 Satz 1 AktG) und in diesem Zusammenhang die Durchsetzung von Sonderprüfungen und Schadensersatzansprüchen gegen Verwaltungsmitglieder durch Aktionäre erleichtert (§§ 142 Abs. 2, 148 Abs. 1 Satz 1 AktG). Gewissermaßen zum Ausgleich wurde versucht, dem Missbrauch der Anfechtungsklage entgegen zu wirken (§§ 243 Abs. 4, 245 Nr. 1, 246a, 248a AktG). Trotz dieser Reform ist die Zahl der berufsmäßigen Anfechtungskläger allerdings weiter gestiegen2. Im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) soll deshalb erneut versucht werden, das professionelle Klagewesen zurück zu drängen. Die bislang vorgesehenen Erleichterungen beim Freigabeverfahren sind dazu allerdings nicht ausreichend3. 9
Diese und andere Änderungen beziehen sich meist nicht ausdrücklich auf die börsennotierten Gesellschaften. Diese sind aber das Ziel des Gesetzgebers. Auf sie vor allem sind die neuen Bestimmungen ausgerichtet. Wegen dieses Zusammenhangs ist der Einwand erhoben worden, dass der Anwendungsbereich einzelner Verschärfungen wie z.B. die Verpflichtung zur Einrichtung eines Frühwarnsystems zu weit gezogen ist und eigentlich nur börsennotierte Gesellschaften erfasst sein sollten4.
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Soweit das Gesetz ausdrücklich die börsennotierte AG anspricht, gilt dabei die Legaldefinition des § 3 Abs. 2 AktG. Danach sind alle Gesellschaften börsennotiert, deren Aktien zum Handel an einem Markt zugelassen sind, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum mittelbar oder unmittelbar zugänglich ist. Diese Regelung umfasst nach der Neufassung des BörsG5 den Handel im regulierten Markt (§§ 32 ff. BörsG), nicht aber den Freiverkehr (§ 48 BörsG). Bei dem geregelten und überwachten Markt kann es sich auch um einen ausländischen Markt handeln. Aktiengesellschaften mit Sitz in Deutschland sind deshalb auch dann als börsennotierte Gesellschaften im Sinne des Aktienrechts anzusehen, wenn ihre Aktien ausschließlich an einer ausländischen Börse gehandelt werden6. 3. Anpassung des Aktienrechts an den Kapitalmarkt
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Ein weiteres Ziel der Gesetzesänderungen der letzten Jahre war die Anpassung des deutschen Aktienrechts an die Usancen und Erwartungen der internationalen Kapitalmärkte und damit vor allem an die Standards des anglo-amerikanischen Rechtskreises. Dem dienten zahlreiche Änderungen, die im Folgenden nur kurz angesprochen werden sollen.
1 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005, BGBl. I 2005, 2802; dazu näher Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252 und Fleischer, NJW 2005, 3525. 2 Siehe dazu die Studie von Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629 ff. 3 Vgl. § 246a AktG und § 16 UmwG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 6.5.2008; kritisch dazu Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2008, 541 ff.; vgl. dazu auch J. Vetter, AG 2008, 177. 4 Hüffer, § 91 AktG Rz. 5; Merkt, AG 2003, 126, 131. 5 Art. 2 des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (FRUG) vom 16.7.2007, BGBl. I 2007, 1330, 1351. 6 Hüffer, § 3 AktG Rz. 6; Lingemann/Wasmann, BB 1998, 853, 854.
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Um die Kapitalanlage in deutschen Aktien zu fördern, wurden mit dem Stückaktiengesetz1 und dem Namensaktiengesetz2 die Stückaktie eingeführt, der Mindestnennbetrag der Nennbetragsaktie herabgesetzt und das Recht der international vorherrschenden Namensaktie modernisiert. Im Zuge der Umstellung auf Euro haben fast alle börsennotierten Gesellschaften die Stückaktie eingeführt. Eine Reihe großer Publikumsgesellschaften hat darüber hinaus ihre bisherigen Inhaberaktien auf Namensaktien umgestellt. Die bei der Namensaktie erhoffte Transparenz des Aktienregisters hat sich allerdings nicht eingestellt. Insbesondere die Bestände vieler institutioneller Aktionäre werden nicht offen, sondern verdeckt über so genannte „nominees“ eingetragen. Um die Transparenz insoweit zu verbessern, haben die Gesellschaften mit dem Risikobegrenzungsgesetz3 die Möglichkeit erhalten, die Eintragung so genannter Legitimationsaktionäre im Aktienregister durch die Satzung zu begrenzen und in dieser einen Auskunftsanspruch über die „wahren Berechtigten“ vorzusehen.
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b) Rückkauf eigener Aktien Den Gesellschaften wurde bereits durch das KonTraG erlaubt, innerhalb eines bestimmten Rahmens eigene Aktien zu erwerben und wieder in den Markt zu geben und auf diese Weise ein „pulsierendes Aktienkapital“4 zu schaffen. Auch diese Neuerung, mit der ein bis dahin nicht umgesetztes Wahlrecht der Kapitalrichtlinie5 ausgenutzt wurde, gilt formell für alle Aktiengesellschaften. Der Sache nach sind aber in erster Linie die börsennotierten Gesellschaften angesprochen. Der Erwerb oder die Veräußerung über die Börse sind in § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG im Hinblick auf diese Ausrichtung besonders erwähnt. Dem Gleichbehandlungsgrundsatz des § 53a AktG wird damit, wie das Gesetz ausdrücklich klarstellt, entsprochen. Mit dieser Lockerung der bis dahin geltenden Beschränkungen sollte das Finanzierungsinstrumentarium der deutschen Gesellschaften in einem weiteren Punkt an die internationale Praxis angeglichen werden6. Nach der inzwischen geänderten Kapitalrichtlinie können auch mehr als 10 % des Grundkapitals zurückerworben werden7. Ob und inwieweit der deutsche Gesetzgeber diesen erweiterten Spielraum übernimmt, bleibt abzuwarten.
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c) Vereinheitlichung des Stimmrechts Im Rahmen des KonTraG wurde die Ausgabe neuer Aktien mit Mehrstimmrechten, die schon früher nur eingeschränkt zulässig war, endgültig untersagt (§ 12 Abs. 2 AktG). Zugleich wurde die Begründung von Höchststimmrechten nur noch nicht börsennotierten Gesellschaften gestattet (§ 134 Abs. 1 Satz 2 AktG)8. Mit Blick auf den 1 Gesetz über die Zulassung von Stückaktien (StückAG) vom 25.3.1998, BGBl. I 1998, 590. 2 Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (NaStraG) vom 18.1.2001, BGBl. I 2001, 123. 3 Vgl. § 67 AktG i.d.F. des Gesetzes zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) vom 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1666; zum Gesetzentwurf im Überblick Wilsing/Goslar, DB 2007, 2467. 4 Lutter, AG 1997, Sonderheft August, S. 52, 56. 5 Vgl. insbesondere Art. 19 der Kapitalrichtlinie. 6 So ausdrücklich Begr. RegE zum KonTraG, ZIP 1997, 2059. 7 Vgl. Art. 19 Abs. 1 der Kapitalrichtlinie i.d.F. der Änderungsrichtlinie vom 6.9.2006, ABl. EG Nr. L 264 v. 25.9.2006, S. 32. 8 Übergangsregelungen finden sich dazu in § 5 EGAktG.
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Kapitalmarkt sollen sich Stimmrecht und Eigentum grundsätzlich entsprechen. Vor allem Höchststimmrechte stellen zudem eine Beeinträchtigung des Kapitalmarktes dar, weil sie Übernahmen behindern und damit die Kursphantasie beeinträchtigen1. Der Grundsatz „eine Aktie, eine Stimme“ ist in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern besonders stark entwickelt2. d) Teilnahme an der Hauptversammlung 15
Zur Verbesserung der Teilnahme an der Hauptversammlung wurde die Stimmrechtsvertretung durch die Kreditinstitute auf eine interessenfreie Vertretung ausgerichtet3 und in der praktischen Bedeutung zurückgedrängt. Als Variante der Vertretung in der Hauptversammlung wurde eine Spielart des US-Proxy-Voting in Form gesellschaftseigener Stimmrechtsvertreter eingeführt (§ 134 Abs. 3 Satz 3 AktG). Ein Markt für Stimmrechtsvertreter ist daraufhin zwar noch nicht entstanden. Ob ein solcher Markt überhaupt wünschenswert ist, ist allerdings auch fraglich4. Im Rahmen der Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie soll die Stimmrechtsvertretung weiter erleichtert und flexibler ausgestaltet werden5.
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Ergänzt wurden diese Regelungen durch Vereinfachungen für die Teilnahme an der Hauptversammlung. So kann die Satzung für die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht Erleichterungen vorsehen (§ 134 Abs. 3 Satz 2 AktG). Die Vollmacht kann danach statt schriftlich ggf. auch durch Fax oder E-Mail erteilt werden. Außerdem ist das Hinterlegungserfordernis als Voraussetzung für die Hauptversammlungsteilnahme bei Inhaberaktien gestrichen worden. Die Teilnahmeberechtigung kann stattdessen durch eine Bankbescheinigung geführt werden, die auf einen bestimmten Tag vor der Hauptversammlung (so genanntes Record Date) ausgestellt ist (§ 123 Abs. 3 AktG i.d.F. des UMAG). e) Rechtsverlust der Aktionäre
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Als eine besonders drastische Sanktionierung von kapitalmarktrechtlichen Vorgaben hat der Gesetzgeber den – zumindest vorübergehenden – Rechtsverlust der ge- oder verbotswidrig handelnden Aktionäre vorgesehen. Kommt ein Aktionär seiner Pflicht nach §§ 21, 22 WpHG zur Information der Gesellschaft über seinen 3 % oder einen höheren Schwellenwert erreichenden bzw. über- oder unterschreitenden Stimmrechtsanteil nicht oder nicht rechtzeitig nach, so führt dies nach § 28 WpHG zum Rechtsverlust aus diesen Aktien. Gleiches gilt nach § 59 WpÜG für einen Aktionär, der entgegen § 35 WpÜG kein Pflichtangebot abgibt. Da dieser mit der Verletzung der kapitalmarktrechtlichen Pflichten automatisch eintretende Rechtsverlust häufig nicht erkannt wird, können sich daraus auch für die Gesellschaft weitreichende Konsequenzen ergeben6. Durch das Risikobegrenzungsgesetz wurde die Sanktion dahin
1 Vgl. Begr. RegE zum KonTraG, ZIP 1997, 2059, 2064. 2 Siehe dazu den Bericht von ISS Europe, ECGI und Shearman über das Proportionalitätsprinzip in der EU vom 18.5.2007, veröffentlicht auf der Internetseite der EU-Kommission, SEC 2007, 1705. 3 Vgl. insbesondere §§ 128 Abs. 1 und 2, 135 Abs. 1 Satz 3 AktG. 4 Kritisch etwa Assmann in FS Kümpel, 2003, S. 1, 11. 5 Siehe dazu die §§ 134, 135 AktG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 6.5.2008. 6 Zu dem Anfechtungsrisiko siehe z.B. OLG München v. 17.3.2005 – 23 W 2406/04, NZG 2005, 1017 f.
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verschärft, dass der Rechtsverlust bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung bis zu sechs Monate dauern kann1. f) Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen Bereits durch das Gesetz zur kleinen AG und zur Deregulierung des Aktienrechts von 1994 wurde der Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre im Rahmen einer Kapitalerhöhung ausdrücklich für zulässig erklärt, sofern die Erhöhung zehn Prozent des Grundkapitals nicht übersteigt und die neuen Aktien in der Nähe des Börsenkurses ausgegeben werden (§ 186 Abs. 3 Satz 4 AktG)2. Mit einer solchen bezugsrechtsfreien Kapitalerhöhung sollte den Gesellschaften eine kurzfristige Kapitalaufnahme ermöglicht werden. Außerdem sollte den Gerichten ein Signal gegeben werden, um den Ausschluss des Bezugsrechts nicht von übertriebenen Voraussetzungen abhängig zu machen, ein Aspekt, der vor allem die börsennotierten Gesellschaften betrifft. Die Erleichterung gilt nicht nur für die ordentliche Kapitalerhöhung, sondern auch beim genehmigten Kapital (§ 203 Abs. 1 AktG) und – mit gewissen Anpassungen – auch für die Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen und Genussrechten (§ 221 Abs. 4 Satz 2 AktG)3.
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g) Vergütung durch Aktienoptionen Vom Gesetzgeber aufgegriffen wurde auch die im angelsächsischen Bereich vorherrschende Sicht des principal-agent Konflikts, nach der es u.a. wichtig ist, die finanziellen Interessen des Managements mit denen der Aktionäre zu verknüpfen. Um diesem Ziel zu entsprechen, wurden die Ausgabe selbständiger Aktienoptionen zugelassen und die rechtlichen Grundlagen für die Auflegung von Aktienoptionsprogrammen für Mitarbeiter und Vorstandsmitglieder näher geregelt (§§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 192 Abs. 2 Nr. 3, 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG)4. Von der Steuerungswirkung solcher Vergütungselemente hat der Gesetzgeber durchweg positive Impulse erwartet5. Inzwischen mehrt sich allerdings die Kritik an dieser Vergütungsform, da die Kurssteigerung nicht immer mit der persönlichen Leistung der Begünstigten korrespondiert.
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h) Ausschluss von Minderheitsaktionären Als Mangel des deutschen Rechts ist auch das Fehlen einer Regelung zum Ausschluss von Minderheitsaktionären empfunden worden. Für einen solchen so genannten Squeeze Out besteht vor allem dann ein Bedürfnis, wenn eine börsennotierte Gesellschaft nur noch wenige außenstehende Aktionäre hat, deren Aktien vom Hauptaktionär über ein Abfindungsangebot aber nicht vollständig aufgekauft werden können. Der Gesetzgeber hat deshalb im Zusammenhang mit dem WpÜG das AktG um einen Abschnitt über den Ausschluss von Minderheitsaktionären (§§ 327a ff. AktG) er-
1 § 28 Satz 3 und 4 WpHG i.d.F. des Gesetzes zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) vom 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1666. 2 Vgl. das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 9.8.1994, BGBl. I 1994, 1961 f. 3 Siehe dazu näher Hüffer, § 221 AktG Rz. 43a m.w. N. 4 Zur Unzulässigkeit der Teilnahme an Optionsprogrammen durch Aufsichtsräte siehe nachfolgend unter Rz. 26 f. sowie § 29 Rz. 42. 5 Vgl. Begr. RegE zum KonTraG, ZIP 1997, 2059, 2067.
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gänzt1. Diese Regelung gilt formal zwar für alle Aktiengesellschaften, in erster Linie sind aber die börsennotierten Gesellschaften angesprochen. Im Rahmen der Umsetzung der Übernahmerichtlinie ist diese Regelung zudem durch einen speziellen übernahmerechtlichen Squeeze-out ergänzt worden (§§ 39a ff. WpÜG)2. i) Deutscher Corporate Governance Kodex 21
Nach angelsächsischem Vorbild wurde schließlich eine Regierungskommission gebildet, die einen Deutschen Corporate Governance Kodex verabschiedet hat (dazu näher unten § 2 Rz. 42). Dieser Kodex enthält über das Gesetz hinaus national und international anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung. Ziel ist es dabei, neben den inländischen Anlegern vor allem auch die ausländischen Anleger anzusprechen und deren Vertrauen zu gewinnen. Dieser Kodex richtet sich explizit nur an die börsennotierten Gesellschaften3. Diese sind zwar nicht verpflichtet, diesen Standards zu folgen, müssen aber offenlegen, inwieweit sie den Empfehlungen des Kodex folgen oder davon abweichen (§ 161 AktG). Etwaige Abweichungen sollen auch begründet werden4. j) Führungssystem und Mitbestimmung
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Die meisten der angeführten Neuerungen sind Anpassungen an Regelungen, die in anderen Ländern bereits bestanden. Es handelt sich damit im Wesentlichen um Anpassungen, um die Aktiengesellschaft als Teilnehmerin des internationalen Kapitalmarkts handlungsfähig zu machen. Die AG mit Sitz in Deutschland steht im Rahmen der inzwischen vor allem innerhalb der EU erreichten Kapitalverkehrsfreiheit in- und ausländischen Anlegern offen. Sie steht damit in Konkurrenz zu den entsprechenden Rechtsformen in anderen Ländern. Dabei stellt das deutsche dualistische Führungssystem aus Vorstand und Aufsichtsrat eine Besonderheit dar, die im Ausland vor allem wegen der paritätischen Mitbestimmung im Aufsichtsrat eher kritisch gesehen wird. An dieser Besonderheit dürfte sich aus politischen Gründen vorerst nichts ändern. Selbst eine angedachte Verkleinerung der Aufsichtsräte wurde nicht verwirklicht5. Auch die von der Bundesregierung eingesetzte „zweite“ BiedenkopfKommission hat keine Änderungen vorgeschlagen6. Eine Auflockerung dieses Modells ist daher gegenwärtig nur bei einem Wechsel in die SE möglich. Die SE bietet dabei zugleich die Option, auch für Gesellschaften mit Sitz in Deutschland eine monistische Führungsstruktur einzurichten. Davon haben bisher nur wenige, jeweils nicht der Unternehmensmitbestimmung unterliegende Gesellschaften Gebrauch gemacht (siehe dazu näher unten § 3).
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Die sich aus dem dualistischen Führungssystem ergebenden Beschränkungen haben nur in Einzelfällen zu einer Aufteilung des Vorstandes in einen Zentralvorstand 1 Zur Kritik am Geltungsbereich der Regelung siehe Drygala, AG 2001, 291, 297 f.; Fleischer, ZGR 2002, 757, 770 ff.; Habersack, ZIP 2001, 1230, 1232 ff.; Hüffer, § 327a AktG Rz. 4; Merkt, AG 2003, 126, 133. 2 Siehe dazu LG Frankfurt v. 2.8.2007 – 3-5 O 138/07, EWiR § 39a WpÜG 1/07 (Wilsing/Ogorek). 3 Vgl. den vorletzten Absatz der Präambel des Kodex. 4 Vgl. die Empfehlung in Ziff. 3.10 Satz 2 DCGK und § 161 AktG i.d.F. des RegE eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067. 5 Siehe Art. 5 des RefE des KonTraG mit der beabsichtigten Änderung von § 7 MitbestG, ZIP 1996, 2193, 2197. 6 Vgl. dazu den Bericht von Bernhardt, BB 2007, 381.
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und nachgeordnete Bereichsvorstände geführt. In nur wenigen Fällen ist versucht worden, einen starken Vorstandsvorsitzenden in Anlehnung an einen Chief Executive Officer (CEO) angelsächsischer Prägung zu etablieren. Die in §§ 77, 78 AktG verankerte Gesamtverantwortung des Vorstandes setzt solchen Modifikationen ohnehin Grenzen.
III. Weitere Anpassungen an die Sicht des Kapitalmarkts 1. Steigerung des Unternehmenswertes Die zunehmende Ausrichtung der börsennotierten AG auf die Anforderungen des Kapitalmarktes hat sich auch auf die Diskussion um die Ziele der Unternehmensführung ausgewirkt. Der Shareholder Value, d.h. das Interesse der Aktionäre an einer Steigerung des Unternehmenswertes und damit auch des Aktienkurses ist als zulässige, wenn nicht sogar verpflichtende Orientierung anerkannt1. Die Interessen der Aktionäre bilden zwar zusammen mit den Interessen der Gläubiger, der Arbeitnehmer und der Öffentlichkeit das so genannte Unternehmensinteresse. Die Interessen der Aktionäre dürfen dabei aber bevorzugt berücksichtigt werden. Diese Sichtweise wird durch den Deutschen Corporate Governance Kodex bestätigt. Danach ist der Vorstand bei der Unternehmensleitung nicht nur an das Unternehmensinteresse gebunden, sondern auch zur Steigerung des nachhaltigen Unternehmenswertes verpflichtet (Ziff. 4.1.1 DCGK).
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2. Unternehmensbewertung Der Börsenkurs spielt auch bei der Unternehmensbewertung eine wichtige Rolle. So hat die Rechtsprechung, angeführt vom BVerfG2, anerkannt, dass bei der Bemessung von Abfindungen und Ausgleichsleistungen in Unternehmensverträgen und bei der Eingliederung der Börsenkurs nicht vernachlässigt werden darf. Er stellt bei aller Zufälligkeit und Zeitgebundenheit den aktuellen Verkehrswert dar und muss deshalb bei der Bewertung von Aktien zumindest als Untergrenze beachtet werden. Diese Erkenntnis, zu der sich die Rechtsprechung nur langsam durchgerungen hat, gilt inzwischen auch bei der Abfindung im Falle des Delisting3 und beim Ausschluss von Minderheitsaktionären4. Ob und inwieweit sie auch bei der Verschmelzung eine Rolle spielt, ist im Einzelnen noch unklar5. In jüngster Zeit mehren sich jedoch die Stimmen, die eine stärkere Berücksichtigung des Börsenkurses verlangen6.
1 Vgl. Kort in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 76 AktG Rz. 53 f.; siehe dazu auch Fleischer in Hommelhoff/Hopt/Weber, Hdb. Corporate Governance, 2002, S. 129, 134 ff.; Mülbert in FS Röhricht, 2005, S. 421; Hüffer, § 76 AktG Rz. 12, jeweils m.w. N. 2 BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94 – „DAT/Altana“, ZIP 1999, 1436 = AG 1999, 566; BGH v. 12.3.2001 – II ZB 15/00, NJW 2001, 2080; OLG Düsseldorf v. 31.1.2003 – 19 W 9/00 AktE, AG 2003, 329; OLG Hamburg v. 7.8.2002 – 11 W 14/94, NZG 2003, 89, 90 f.; dazu auch Hüffer/ Schmidt-Aßmann/Weber, Anteilseigentum, Unternehmenswert und Börsenkurs, 2005. 3 Vgl. BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01 – „Macrotron“, ZIP 2003, 387 = AG 2003, 273; BayObLG v. 28.7.2004 – 3 Z BR 87/04, NZG 2004, 1111, 1112. 4 Hüffer, § 327b AktG Rz. 5; Schnorbus in K. Schmidt/Lutter, § 327b AktG Rz. 3. 5 OLG Stuttgart v. 4.2.2000 – 4 W 15/98, NZG 2000, 744; OLG Stuttgart v. 6.7.2007 – 20 W 5/06, AG 2007, 705; OLG München v. 14.5.2007 – 31 Wx 87/06, AG 2007, 701. 6 Vgl. z.B. Stilz, ZGR 2001, 875, 891 ff.; W. Müller in FS Röhricht, 2005, S. 1015, 1032; Krieger in MünchHdb. AG, § 70 Rz. 135.
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3. Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrates 26
Soweit es nicht um den Schutz der Aktionäre als Anleger geht, hat die Rechtsprechung die Bedeutung des Börsenkurses allerdings wieder eingeschränkt. So hat der BGH eine Ausrichtung der Vergütung des Aufsichtsrates auf Aktienoptionen und damit auf den Börsenkurs als seiner Kontrollfunktion abträglich bezeichnet1. Diese Wertung gilt aber nur für die Vergütung des Aufsichtsrates, der im Rahmen seiner Beratungs- und Überwachungsfunktion nicht an der Geschäftsführung beteiligt ist. Im Anschluss an die ablehnende Haltung des BGH hat der Gesetzgeber auch eine Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern durch Wandel- oder Optionsschuldverschreibungen ausgeschlossen2. Dies steht im Widerspruch zur Begründung des KonTraG, wo es noch hieß, dass der früher gewählte Weg über die Gewährung von Options- und Wandelschuldverschreibungen nicht abgeschnitten werden soll3.
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Für die Vergütung des Vorstandes gelten die Bedenken des BGH nicht. Deshalb verwundert es, wenn bisweilen Zweifel geäußert werden, ob der Börsenkurs überhaupt Bezugsgröße für die Vergütung des Vorstandes sein dürfe4. Noch nach dem Regierungsentwurf des KonTraG sollten in den Aktienoptionsprogrammen die jeweiligen „Kursziele“ genannt werden. Diese Ausrichtung allein auf den Börsenkurs ist erst im endgültigen Gesetzestext auf „Erfolgsziele“ erweitert worden5. Auch damit ist in erster Linie aber der Börsenkurs gemeint6. 4. Auskunftsrecht des Aktionärs
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Das Kapitalmarktrecht hat die Rechtsstellung der Aktionäre nicht nur beim Stimmrecht und der Abfindung, sondern auch beim Auskunftsrecht beeinflusst. So hat das Kammergericht versucht, den Umfang des Auskunftsrechts des Aktionärs unmittelbar aus seiner Eigenschaft als Kapitalanleger abzuleiten7. Das Auskunftsrecht umfasse bei einer börsennotierten Gesellschaft auch solche Informationen, die für eine sachgerechte Aktienanalyse und Unternehmensbewertung erforderlich seien8. Dieser Ansatz übersieht allerdings, dass das Auskunftsrecht nur einen Ausschnitt aus der Vielzahl der Informationsmöglichkeiten des Aktionärs darstellt. Die Informationen in der Hauptversammlung beziehen sich nur auf die Hauptversammlung als Beschlussorgan. Die Informationen, die dem Schutz des Aktionärs als Kapitalanleger dienen, ergeben sich in erster Linie aus dem Kapitalmarktrecht9 und zunehmend auch dem Recht der Rechnungslegung. Auch bei der börsennotierten AG sind Auskunftsverlangen deshalb nur berechtigt, wenn die Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist (§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG). 1 BGH v. 16.2.2004 – II ZR 316/02 – „Mobilcom“, ZIP 2004, 613, 614 = AG 2004, 265; siehe dazu auch § 29 Rz. 42 f. 2 Vgl. § 221 Abs. 4 Satz 2 AktG i.d.F. des UMAG vom 22.9.2005, BGBl. I 2005, 2802. 3 Vgl. Begr. RegE zum KonTraG, ZIP 1997, 2059, 2067. 4 Vgl. LG Düsseldorf v. 22.7.2004 – XIV 5/03 – „Mannesmann“, ZIP 2004, 2044, 2049; krit. insoweit Kort, NJW 2005, 333, 336; zur Ausrichtung der Vergütung auf den Börsenkurs der Muttergesellschaft LG München I v. 23.8.2007 – 5 HK O 10734/07, WM 2008, 81, 83. 5 Vgl. Begr. RegE zum KonTraG, ZIP 1997, 2059, 2067 zu § 193 Abs. 2 Nr. 3 AktG-E. 6 Vgl. Hüffer, § 193 AktG Rz. 9. 7 So insbesondere KG v. 24.8.1995 – 2 W 1255/95, WM 1995, 1927, 1928; dazu abl. Hüffer, § 131 AktG Rz. 2 und 19a m.w. N. 8 KG v. 28.8.1993 – 2 W 6111/92, ZIP 1993, 1618, 1619 = AG 1994, 83; KG v. 30.6.1994 – 2 W 4531 und 4642/93, WM 1994, 1479, 1483; KG v. 24.8.1995 – 2 W 1255/95, ZIP 1995, 1585, 1587. 9 Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 15; Seibt in Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2000, S. 37, 43 f.
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Sonderrecht der börsennotierten AG 5. Transparenz
Transparenz ist einer der tragenden Grundsätze des Kapitalmarktrechts. Auf ihm beruhen z.B. die Regelungen zur Ad hoc-Publizität (§ 15 WpHG), die Mitteilungspflichten bei bestimmten Beteiligungen (§§ 21, 22 WpHG) und die Pflicht zur Offenlegung von Übernahmehindernissen (§§ 289 Abs. 4, 315 Abs. 4 HGB). Dem Transparenzgebot entspricht auch das Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz (VorstOG)1, das die Gesellschaften zur individualisierten Offenlegung der Vorstandsvergütung verpflichtet. Nach der Gesetzesbegründung soll es allerdings darum gehen, die Hauptversammlung in die Lage zu versetzen, die Höhe der vom Aufsichtsrat festgesetzten Vorstandsbezüge besser zu kontrollieren2. Bei dieser Zielsetzung verwundert die Beschränkung des Gesetzes auf börsennotierte Gesellschaften3. Um mehr Transparenz geht es auch bei den Informationspflichten, die durch das Risikobegrenzungsgesetz eingeführt wurden. Danach müssen die Erwerber wesentlicher Beteiligungen Auskunft über ihre Ziele und die Herkunft ihrer Mittel geben4. Damit sollen heimliche Übernahmen erschwert werden.
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6. Börseneintritt und Börsenaustritt Eine wichtige Frage ist, wer in der AG darüber entscheidet, ob die Aktien der Gesellschaft an die Börse gebracht oder wieder von der Börse genommen werden sollen. Nachdem der BGH die Holzmüller-Doktrin in ihrer praktischen Bedeutung eingeschränkt und im Wesentlichen auf den Gesichtspunkt der Mediatisierung gestützt hat5, ist der Börsengang eine Entscheidung, die im Rahmen der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes liegt6. Rein tatsächlich ist die Börseneinführung häufig allerdings mit einer Kapitalerhöhung verbunden, so dass dann auch die Hauptversammlung in die Entscheidung einbezogen ist7.
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Bei dem umgekehrten Vorgang des Delisting hat der BGH neben der kapitalmarktrechtlichen Regelung in § 39 (früher § 43) BörsG einen besonderen aktienrechtlichen Schutz entwickelt. Danach ist jedenfalls beim vollständigen Delisting, gestützt auf Art. 14 Abs. 1 GG, ein zustimmender Beschluss der Hauptversammlung erforderlich. Außerdem muss die Gesellschaft oder der Hauptaktionär ein Abfindungsangebot unterbreiten, dessen Höhe im Spruchverfahren überprüft werden kann8. Mit dieser Rechtsfortbildung wird der Rückzug von der Börse nicht allein dem Kapitalmarktrecht überlassen, sondern von zusätzlichen gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen abhängig gemacht.
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1 Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz – VorstOG) vom 3. 8.2005, BGBl. I 2005, 2267. 2 Vgl. die Begründung in BT-Drucks. 15/5577, S. 5. 3 Fleischer, ZIP 2006, 451, 458. 4 Vgl. § 27a Abs. 1 WpHG i.d.F. des Gesetzes zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) vom 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1666. 5 Vgl. BGH v.26.4.2004 – II ZR 155/02, ZIP 2004, 993 = AG 2004, 384; BGH v. 20.11.2006 – II ZR 226/05, ZIP 2007, 24 m. Anm. v. Falkenhausen = AG 2007, 203. 6 Reichert, AG 2005, 150, 157; a. A. Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 119 AktG Rz. 37. 7 Vgl. dazu Seibt in Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2000, S. 37, 60 f., der unter dem Eindruck der Holzmüller-Entscheidung von 1982 (BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 = AG 1982, 158) noch von einer Strukturentscheidung ausgeht. 8 Zu den Einzelheiten siehe § 62 Rz. 32 ff.
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7. Aktuelle Gesetzgebungsvorhaben 32
Zurzeit ist der Gesetzgeber mit der Umsetzung mehrerer EU-Richtlinien, insbesondere zum Bilanzrecht, befasst (siehe dazu Rz. 35 ff.). Umzusetzen ist daneben auch die Richtlinie zur Ausübung der Aktionärsrechte1. Diese Richtlinie bezieht sich ausdrücklich nur auf Gesellschaften, deren Aktien zum Börsenhandel innerhalb der EU zugelassen sind2. Inhaltlich geht es darum, die Rechte der Aktionäre im Zusammenhang mit der Hauptversammlung zu harmonisieren und an das Internetzeitalter anzupassen. So soll die Einberufung der Hauptversammlung einer börsennotierten Gesellschaft im elektronischen Bundesanzeiger, auf der Internetseite der Gesellschaft und EU-weit bekannt gemacht werden3. Im Rahmen dieser Novellierung des AktG sollen weitere Fragen, wie die elektronische Stimmabgabe, das Depotstimmrecht der Banken sowie eine Beschleunigung der Freigabeverfahren im Anschluss an Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen geregelt werden. Diskutiert wird auch der Erlass von Bestimmungen, um die Vorstandsvergütungen bei den börsennotierten Gesellschaften zu begrenzen4. Bei dieser Diskussion geht es nicht darum, das Aktienrecht den Bedürfnissen der börsennotierten Gesellschaften weiter anzupassen. Die börsennotierten Gesellschaften sind hier vielmehr als Unternehmen, die im Blickfeld der Öffentlichkeit stehen, Gegenstand einer gesellschaftspolitisch motivierten Einflussnahme.
IV. Ausbau des Kapitalmarktrechts 33
Neben diesen sehr unterschiedlichen Einflüssen des Kapitalmarktes auf das Aktienrecht sieht sich die börsennotierte AG inzwischen von einem rasch wachsenden Recht des Kapitalmarktes umgeben. Innerhalb weniger Jahre hat sich das Kapitalmarktrecht zu einem eigenständigen Rechtsgebiet entwickelt. Es handelt sich dabei neben zivilrechtlichen Elementen wie den §§ 37a, 37d ff. WpHG oder § 59 WpÜG vorwiegend um Wirtschaftsverwaltungsrecht, das die sich aus der Börsenzulassung ergebenden besonderen organisatorischen Anforderungen und Verpflichtungen zum Gegenstand hat. Zu diesem Rechtsbereich gehören die durch das TUG5 stark ausgeweiteten Vorschriften zur Offenlegung wesentlicher Beteiligungen (§§ 21 ff. WpHG) sowie die durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz geänderten Bestimmungen über das Insiderrecht (§§ 12 ff. WpHG) und die Ad hoc-Publizität (§ 15 WpHG). Allein dieser Rechtsbereich ist für die interne Organisation der börsennotierten AG von erheblicher Bedeutung. Hinzu kommt, dass das eigentliche Börsenrecht neben den Vorschriften über die Börsenzulassung und die Organisation der Börsen zahlreiche Zulassungsfolgepflichten bereit hält. Schließlich liegt mit dem WpÜG eine Kodifikation 1 Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. EG Nr. L 184 v. 14.7.2007, S. 17; dazu näher Ratschow, DStR 2007, 1402; Zetzsche, NZG 2007, 686; Noack, NZG 2006, 321. 2 Vgl. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie. 3 Vgl. §§ 121 Abs. 4, Abs. 4a und § 124a AktG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 6.5.2008. 4 Siehe Bericht der SPD-Arbeitsgruppe „Angemessenheit und Transparenz von Managerbezahlungen“ vom 28.4.2008. 5 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – TUG) vom 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10; dazu näher Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471 und 550.
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des Übernahmerechts vor, das in vielerlei Hinsicht auf das Aktienrecht zurückwirkt. Zu denken ist hier vor allem an das Neutralitätsgebot aus § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG einerseits und aus §§ 76, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG andererseits. Zu erwähnen sind außerdem die Sonderregelungen des § 33 WpÜG zu möglichen Abwehrmaßnahmen im Falle einer so genannten feindlichen Übernahme. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Übernahmerichtlinie1 sind diese Bestimmungen um eine Wahlmöglichkeit (Opt-in) zugunsten des strengeren Europäischen Neutralitätsgebotes (§ 33a WpÜG) erweitert worden. Diese Gebiete des Kapitalmarktrechts sind verhältnismäßig jung. Sie befinden sich zudem noch in der Entwicklung. Dabei geht die Initiative zur Weiterentwicklung in erster Linie vom europäischen Gesetzgeber aus. Zu einem europäischen Binnenmarkt gehört zweifellos auch ein weitgehend harmonisiertes Kapitalmarktrecht. Die Geschwindigkeit, mit der diese Harmonisierung voranschreitet, ist beeindruckend. Aus der Sicht der betroffenen Unternehmen wirkt sie allerdings auch belastend, zumal sich die EU nicht mehr auf allgemeine Richtlinien beschränkt, sondern mehr und mehr dazu übergeht, Detailfragen selbst im Wege unmittelbar geltender Rechtsverordnungen zu regeln. Dadurch wächst die Komplexität des anwendbaren Rechts. Mitunter werden auch kapitalmarktrechtliche Vorschriften parallel zu gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen erlassen. So enthalten die im Rahmen der Umsetzung der Transparenzrichtlinie erlassenen §§ 30a bis 30g WpHG detaillierte Regelungen zur Einberufung und Vorbereitung der Hauptversammlung einer börsennotierten AG ohne jede Abstimmung mit den entsprechenden Vorschriften des AktG. Durch solche Überschneidungen wird die bisherige systematische Geschlossenheit des AktG in Frage gestellt2.
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V. Neuere Entwicklung des Bilanzrechts Die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes erfordert in allen Bereichen, die sich auf den Kapitalmarkt beziehen, eine stärkere Angleichung. Dazu gehört auch das Recht der Rechnungslegung, zumindest der börsennotierten Gesellschaften. Das deutsche Bilanzrecht wurde zunächst zusammen mit dem Aktienrecht novelliert, um in bestimmten Fragen die Offenlegung der börsennotierten Gesellschaften zu verbessern3. Für die Offenlegung der Rechnungslegungsunterlagen gelten inzwischen einheitliche Regeln für alle so genannten Inlandsemittenten4.
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Auf Grund der neueren EU-Richtlinien ist der Anwendungsbereich der kapitalmarktbezogenen Bestimmungen der Rechnungslegung inzwischen auf alle kapitalmarktorientierten Unternehmen erweitert worden. Darunter sind Unternehmen zu verstehen, die einen organisierten Markt im Sinne von § 2 Abs. 5 WpHG durch von ihr ausgegebene Wertpapiere in Anspruch nehmen oder bei denen die Zulassung solcher Wertpapiere zum Handel beantragt ist (vgl. z.B. §§ 267 Abs. 3 Satz 2, 293 Abs. 5, 315a
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1 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote (Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 8.7.2006, BGBl. I 2006, 1426; dazu näher Seibt/Heiser, AG 2006, 301; Merkt/Binder, BB 2006, 1285 und Meyer, WM 2006, 1135. 2 Hoffmann-Becking, Status:Recht 2008, Heft 1, S. 19. 3 Vgl. z.B. §§ 285 Nr. 10, 317 Abs. 4, 321 Abs. 4 HGB, 4 Vgl. §§ 2 Abs. 7, 37v WpHG i.V.m. § 325 HGB; zur Regelungstechnik kritisch Mülbert/Steup, NZG 2007, 761.
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Abs. 2 HGB)1. Dies können Unternehmen in beliebiger Rechtsform wie z.B. eine GmbH mit börsennotierten Genussscheinen oder Inhaberschuldverschreibungen sein. Tatsächlich betroffen sind in erster Linie aber auch hier die börsennotierten Aktiengesellschaften. 37
Bei den Sonderregeln für die kapitalmarktorientierten Unternehmen geht es zunächst um die Klarstellung, dass für diese bestimmte Erleichterungen bei der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung, dem Anhang und dem Lagebericht nicht gelten (§§ 267 Abs. 3 Satz 2, 293 Abs. 5 HGB). Kapitalmarktorientierte Unternehmen sind darüber hinaus verpflichtet, ihre konsolidierten Abschlüsse nach den Internationalen Rechnungslegungsstandards der EU-Verordnung vom 19. Juli 20022 aufzustellen (§ 315a HGB). Damit soll erreicht werden, dass innerhalb der EU zumindest die konsolidierten Abschlüsse dieser Unternehmen nach einheitlichen Regeln, den International Financial Reporting Standards (IFRS), erstellt und damit untereinander vergleichbar werden. Über die Harmonisierung dieser Abschlüsse hinaus kann künftig auch der konsolidierte Abschluss eines Mutterunternehmens ohne Börsenzulassung (§ 315a Abs. 3 HGB) und sogar der Einzelabschluss jeder Kapitalgesellschaft nach den IFRS erstellt werden. Für den Einzelabschluss gilt dies allerdings nur zur Information im Rahmen der Offenlegung (§ 325 Abs. 2a HGB).
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Nach einer Reihe von Bilanzskandalen in den Jahren 2001 bis 2003, vor allem in den USA, ging es darum, das verlorene Vertrauen der Anleger in die Zuverlässigkeit der Rechnungslegung zurück zu gewinnen. Die EU hat darauf u.a. mit der Transparenzrichtlinie3 reagiert. Im Rahmen deren Umsetzung4 wurde auch in Deutschland der so genannte Bilanzeid eingeführt. Die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften haben danach bei der Unterzeichnung zu versichern, dass der Jahresabschluss „nach bestem Wissen“ ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermittelt5. Zur weiteren Angleichung und Verbesserung der Rechnungslegung wurden danach die Abschlussprüferrichtlinie6 und die so genannte Abänderungsrichtlinie7 erlassen. Deren Umsetzung er-
1 So auch die Definition in § 264d HGB i.d.F. des RegE eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067. 2 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechungslegungsstandards, ABl. EG Nr. L 243 v. 11.9.2002, S. 1. 3 Richtlinie 2004/109/EG der Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. 4 Vgl. Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) vom 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10. 5 Vgl. § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB sowie die entsprechenden §§ 289 Abs. 1 Satz 5, 297 Abs. 2 Satz 4, 315 Abs. 1 Satz 6 HGB, jeweils i.d.F. des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (TUG); zum Bilanzeid näher Fleischer, ZIP 2007, 97. 6 Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 157 v. 9.6.2006, S. 87. 7 Richtlinie 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2006 zur Änderung der Richtlinien des Rates 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss, 86/635/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen, ABl. EG Nr. L 224 v. 16.8.2006, S. 1.
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Sonderrecht der börsennotierten AG
folgt mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)1. Dabei soll die Aussagekraft der HGB-Einzelabschlüsse verbessert und eine inhaltliche Annäherung an die IFRS erreicht werden. Mit dem BilMoG werden zugleich wichtige Aspekte der Corporate Governance geregelt. Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften sollen künftig in ihren Lagebericht eine Erklärung zur Unternehmensführung aufnehmen. Diese soll neben der Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG Angaben zur Unternehmensführung und zur Arbeitsweise von Vorstand und Aufsichtsrat enthalten2. Die Gesellschaften werden zudem verpflichtet, in ihrem Lagebericht die wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess zu beschreiben3. Dem Aufsichtsrat oder einem Prüfungsausschuss muss künftig mindestens ein unabhängiges Mitglied mit Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung angehören4. Außerdem wird der Aufgabenbereich des Prüfungsausschusses gesetzlich geregelt5. Für die börsennotierte AG bedeutet dies, dass sich damit wichtige Elemente ihrer Corporate Governance nicht mehr nur aus dem AktG, sondern neben dem Kapitalmarktrecht nun auch aus dem Bilanzrecht ergeben. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, stellt sich die Frage, ob nicht die verschiedenen Vorschriften zu den börsennotierten Gesellschaften besser in einem Börsengesellschaftrecht zusammengefasst werden sollten.
VI. Ausblick Die Aktiengesellschaft ist – von der KGaA und der SE als Nebenformen abgesehen – die einzige Rechtsform, die für einen Börsengang offen steht. Die Aktiengesellschaft mit einer größeren Anzahl von Aktionären ist zugleich das Leitbild des AktG6. Die grundsätzliche Kapitalmarktoffenheit der AG ist im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere des Zusammenwachsens der nationalen Kapitalmärkte, in der letzten Zeit stärker betont worden. Die Besonderheiten der börsennotierten Aktiengesellschaft werden bei der Novellierung des Aktienrechts zunehmend berücksichtigt. Dies geschieht nicht immer ausdrücklich, sondern auch durch allgemein gefasste Regelungen, die in ihrer praktischen Auswirkung aber vor allem die börsennotierte AG betreffen. Dazu hat die Rechtsprechung zahlreiche Sonderregeln entwickelt, die sich auf den Umstand der Börsennotierung beziehen.
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Ob sich auf Grund dieser vielfältigen Ansätze schon von einem Sonderrecht der börsennotierten AG sprechen lässt, erscheint zum jetzigen Zeitpunkt eher zweifelhaft. Die Regelungen, die sich auf die börsennotierte Gesellschaft beziehen, ergeben kein geschlossenes Bild der börsennotierten AG, sondern betreffen nur verschiedene Aspekte, die untereinander in keinem zwingenden systematischen Zusammenhang stehen. Dies gilt etwa für die Offenlegung anderweitiger Mandate bei der Bekanntmachung des Wahlvorschlags für die Aufsichtsratswahl (§ 125 Abs. 1 Satz 3 AktG)
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1 RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067. 2 § 289a HGB i.d.F. des RegE eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067; dazu näher Lentfer/Weber, DB 2006, 2357 und Kuthe/Geiser, NZG 2008, 172. 3 §§ 289 Abs. 5, 315 Abs. 2 Nr. 5 HGB-E; dazu näher Hommelhoff/Mattheus, BB 2007, 2787. 4 § 264d HGB i. V. m. §§ 100 Abs. 5, 107 Abs. 3 und 4 AktG i.d.F. des RegE eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 6.5.2008; dazu näher Habersack, AG 2008, 98. 5 §§ 107 Abs. 3 Satz 3, 124 Abs. 3 Satz 2 AktG i.d.F. des RegE eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 21.5.2008. 6 Vgl. Zöllner in KölnerKomm. AktG, 1984, Einl. Rz. 89 f.
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§1
Einführung
auf der einen und die Erleichterung des Bezugsrechtsausschlusses bei der Ausgabe neuer Aktien in der Nähe des Börsenkurses (§ 186 Abs. 3 Satz 4 AktG) auf der anderen Seite1. 41
Das Aktienrecht wird allerdings ergänzt durch ein rapide wachsendes Kapitalmarktrecht, in dessen Zentrum die börsennotierte AG steht. Aktien- und Kapitalmarktrecht ergänzen und durchdringen sich wechselseitig, sodass das Recht der börsennotierten AG nur noch durch die Berücksichtigung beider Rechtsbereiche erfasst werden kann. Hinzukommt das neuere Bilanzrecht mit seinen ergänzenden Bestimmungen für die kapitalmarktorientierten Gesellschaften. Damit erfährt das Börsengesellschaftsrecht eine weitere, dritte Dimension mit einem leicht erweiterten Anwendungsbereich. Diese zunehmende, nicht immer aufeinander abgestimmte Auffächerung des Rechts der börsennotierten Gesellschaften erfordert von den betroffenen Unternehmen eine breite, integrative Sicht, um allen Anforderungen Rechnung zu tragen.
42
Die Führungskräfte der börsennotierten AG und ihre Berater müssen alle drei Rechtsgebiete und ihre Weiterentwicklung im Auge behalten. Es erscheint deshalb angebracht, diese Rechtsgebiete nicht getrennt, sondern als zusammenhängende Materie zu verstehen und darzustellen.
43
Die bisherige Entwicklung ist zugleich an einem Punkt angelangt, an dem eine kritische Bestandsaufnahme der besonderen Anforderungen an die börsennotierten Gesellschaften im Vergleich zu den nicht börsennotierten Gesellschaften angebracht ist. Einen wichtigen Beitrag dazu leisten die Thesen, die auf dem 67. Deutschen Juristentag im September 2008 erörtert wurden. Gutachter2 und Referenten3 sind sich weitgehend einig, dass die rechtliche Ausdifferenzierung zwischen den börsennotierten und nicht börsennotierten Gesellschaften fortgesetzt und vertieft werden sollte. Gleichzeitig werden aber auch Korrekturen für den Bereich der börsennotierten Gesellschaften als erforderlich angesehen. Das betrifft zum einen die stärkere Akzeptanz des Börsenkurses als Grundlage für Abfindungen, z.B. beim Squeeze out oder bei Umwandlungsvorgängen. Notwendig erscheint sodann eine Neuorientierung bei der Ausgestaltung der Rechte der typischen Anleger-Aktionäre, für die der Vermögensschutz im Vordergrund steht. Erforderlich ist in diesem Zusammenhang vor allem eine grundlegende Reform des Beschlussmängelrechts, um das Problem der professionellen Anfechtungskläger zu lösen4. Dazu gehört neben einer Einschränkung der Anfechtungsbefugnis auch eine Beschränkung der Gründe, die zu einer (rückwirkenden) Nichtigerklärung von Hauptversammlungsbeschlüssen führen können. Schließlich ist zu klären, ob nicht der Bereich der börsennotierten Gesellschaft neu definiert werden sollte. Nachdem das Bilanzrecht an die Kapitalmarktorientierung anknüpft, liegt es nahe, den Begriff der börsennotierten Gesellschaft in § 3 Abs. 2 AktG entsprechend anzupassen. Das von Bayer5 aufgezeigte Fernziel einer Zusammenfassung aller für die börsennotierten Gesellschaften relevanten Vorschriften in einem „Börsengesellschaftsrecht“ erscheint angesichts all dieser zunächst noch zu klärenden Fragen eher utopisch.
1 Siehe dazu auch Habersack/Schürnbrand in Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. I, Rz. 71; Bayer, Gutachten E zum 67. Deutschen Juristentag, S. 60. 2 Bayer, Gutachten E zum 67. Deutschen Juristentag, Erfurt 2008. 3 Professoren Francioni, Mülbert, Wymeersch und Krieger. 4 Siehe dazu die Vorschläge von Baums/Drinhausen, ZIP 2008, 145 und J. Vetter, AG 2008, 177. 5 Bayer, Gutachten E zum 67. Deutschen Juristentag, S. 58 ff. und These 9.
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§2
Corporate Governance
§2 Corporate Governance Rz. I. Bedeutung der Corporate Governance für die börsennotierte AG . .
1
1. Begriff der Corporate Governance .
1
2. Unterschiedliche Interessen . . . . . a) Vielzahl von Aktionären . . . . . b) Interessen von Aktionären und Management . . . . . . . . . . . . . c) Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . .
4 4
3. Vergleich der Führungssysteme . . . a) Begrenzte Aussagekraft von Systemvergleichen . . . . . . . . . . . . b) Dualistisches Führungssystem . . c) Monistisches Führungssystem . . d) Konvergenz der Führungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Wahlrecht zwischen monistischem und dualistischem Führungssystem . . . . . . . . . . . . .
9
4. Entwicklung von Corporate Governance Standards . . . . . . . . . . . . . a) Corporate Governance als globales Thema . . . . . . . . . . . . . . . b) Entwicklung nationaler Kodizes . c) Entwicklung in Deutschland . . . 5. Bewertung guter Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bewertung durch den Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung durch Anleger und Ratingagenturen . . . . . . . . . . c) Bewertung durch Kreditgeber . .
5 6
9 11 14 17 21 23 23 26 29
. 35 . 35 . 37 . 41
Rz. 3. Stand des Kodex in der internationalen Diskussion . . . . . . . . . . . . 47 4. Umsetzung des Kodex in den Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . 56 5. Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Jährliche Erklärung . . . . . . . . . b) Erklärung von Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . c) Änderungen der Entsprechenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . d) Änderungen des Kodex . . . . . . . e) Überprüfung der Entsprechenserklärung . . . . . . . . . . . . . . . f) Corporate Governance Bericht . . 6. Haftung für fehlerhafte Entsprechenserklärungen . . . . . . . . . . . . a) Verstoß gegen § 161 AktG . . . . b) Ersatzansprüche der Gesellschaft c) Ersatzansprüche Dritter . . . . . . aa) Ansprüche aus unerlaubter Handlung . . . . . . . . . . . . . bb) Ansprüche aus culpa in contrahendo (§§ 311, 280 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ansprüche aus spezialgesetzlicher Prospekthaftung . . . . dd) Ansprüche aus zivilrechtlicher Prospekthaftung . . . . ee) Ansprüche wegen unterlassener Ad hoc-Mitteilung . . . .
62 62 66 68 69 71 73 74 74 77 78 79 83 84 85 86
III. Neuere Entwicklungen . . . . . . . . 87
II. Der Deutsche Corporate Governance Kodex . . . . . . . . . . . . . . . 42
1. Weltweite Vertrauenskrise . . . . . . 87
1. Funktionsweise des Kodex . . . . . . 42
3. Entwicklung in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
2. Verhältnis der Kodexempfehlungen zum Gesetzesrecht . . . . . . . . . . . 45
2. Entwicklung in den USA . . . . . . . 88
4. Entwicklung in Deutschland . . . . 103
Schrifttum: Zur Corporate Governance im Allgemeinen: Assmann, Corporate Governance im Schnittfeld von Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht, in FS Kümpel, 2003, S. 1; Bassen, Private Corporate-Governance Ratings – Eine vergleichende Analyse, in FS Hartmut Schmidt, 2006, S. 529; Baums/Buxbaum/Hopt (Eds.), Institutional Investors and Corporate Governance, 1994; Borges, Selbstregulierung im Gesellschaftsrecht – zur Bindung an Corporate Governance Kodizes, ZGR 2003, 508; Drobetz/Zimmermann, Corporate Governance und Unternehmensbewertung in der Schweiz, in FS Hartmut Schmidt, 2006, S. 493; Feddersen/Hommelhoff/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Corporate Governance – Optimierung der Unternehmensführung und der Unternehmenskontrolle im deutschen und amerikanischen Aktienrecht, 1996; Götz, Corporate Governance multinationaler Konzerne und deutsches Unternehmens-
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Einführung
recht, ZGR 2003, 1; Hommelhoff/Lutter/Schmidt/Schön/Ulmer (Hrsg.), Corporate Governance, ZHR-Beiheft 71, 2002; Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge (Eds.), Comparative Corporate Governance – The State of the Art and Emerging Research, 1998; Hopt/Wymeersch (Eds.), Comparative Corporate Governance – Essay and Materials, 1997; Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003; Merkt, Zum Verhältnis von Kapitalmarktrecht und Gesellschaftsrecht in der Diskussion um die Corporate Governance, AG 2003, 126; Ruhwedel/Epstein, Eine empirische Analyse der Strukturen und Prozesse in den Aufsichtsräten deutscher Aktiengesellschaften, BB 2003, 161; Schiessl, Leitungs- und Kontrollstrukturen im internationalen Wettbewerb, ZHR 167 (2003), 235; Uwe H. Schneider, Die Revision der OECD-Principles of Corporate Governance 2004, AG 2004, 249; Uwe H. Schneider, Gute Corporate Governance für Staatsunternehmen, AG 2005, 493; Schwarz/Holland, Enron, WorldCom … und die Corporate-Governance-Diskussion, ZIP 2002, 1661. Zum Deutschen Corporate Governance Kodex: Abram, Ansprüche von Anlegern wegen Verstoßes gegen § 161 AktG oder den Deutschen Corporate Governance Kodex – ein Literaturbericht, ZBB 2003, 41; Austmann, Die gesellschaftsrechtliche Kautelarpraxis unter dem Deutschen Corporate Governance Kodex, in RWS-Forum 25, Gesellschaftsrecht 2003, S. 407; Bachmann, Der „Deutsche Corporate Governance Kodex“: Rechtswirkungen und Haftungsrisiken, WM 2002, 2137; Bauer, Abfindungs-Caps in Vorstandsverträgen – gute Corporate Governance?, BB 2007, 1793; Bauer/Arnold, Sind Abfindungs-Caps in Vorstandsverträgen wirklich zu empfehen? – Zur Überarbeitung des Deutschen Corporate Governance Kodex, BB 2008, 1692; Berg/Stöcker, Anwendungs- und Haftungsfragen zum Deutschen Corporate Governance Kodex, WM 2002, 1569; Bernhardt, Der Deutsche Corporate Governance Kodex: Zuwahl (comply) oder Abwahl (explain)?, DB 2002, 1841; Bernhardt, Sechs Jahre Deutscher Corporate Governance Kodex – Eine Erfolgsgeschichte?, BB 2008, 1686; Bertrams, Die Haftung des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex und § 161 AktG, 2004; Bürkle, Corporate Compliance als Standard guter Unternehmensführung des Deutschen Corporate Governance Kodex, BB 2007, 1797; Claussen/Bröcker, Der Corporate Governance-Kodex aus der Perspektive der kleinen und mittleren Börsen-AG, DB 2002, 1199; Cromme, Vorwort zum Deutschen Corporate Governance Kodex, ZIP 2002, 452; Dörrwächter/Trafkowski, Anmerkungen zum Abfindungs-Cap in Nummer 4.2.3 n. F. des Deutschen Corporate Governance Kodex, NZG 2007, 846; Entwurf IDW Prüfungsstandard: Auswirkungen des Deutschen CorporateGovernance-Kodex auf die Abschlussprüfung (IDW EPS 345), WPg 2002, 1379; Gelhausen/ Hönsch, Deutscher Corporate Governance Kodex und Abschlussprüfung, AG 2002, 529; Gelhausen/Hönsch, Folgen der Änderung des Deutschen Corporate Governance Kodex für die Entsprechenserklärung, AG 2003, 367; Gruber, Der unabhängige Finanzexperte im Aufsichtsrat nach dem Referentenentwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes, NZG 2008, 12; Habersack, Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss nach dem BilMoG, AG 2008, 98; Handelsrechtsausschuss des DAV: Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechte-Richtlinie (ARUG), NZG 2008, 534; Heintzen, Der Deutsche Corporate Governance Kodex aus der Sicht des deutschen Verfassungsrechts, ZIP 2004, 1933; Hirte, Das Transparenz- und Publizitätsgesetz, 2003; Hütten, Unternehmenseigener Corporate-Governance-Kodex – Zulässigkeit und Sinnhaftigkeit in Zeiten von TransPuG und Deutschem Kodex, BB 2002, 1740; Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003; Ihrig/Wagner, Corporate Governance: Kodex-Erklärung und ihre unterjährige Korrektur, BB 2002, 2509; Hoffmann-Becking, Abfindungsleistungen an ausscheidende Vorstandsmitglieder, ZIP 2007, 2101; Hüffer, Die Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern nach Ziff. 5.4.2. DCGK, ZIP 2006, 637; Ihrig/Wagner, Reaktion börsennotierter Unternehmen auf die Änderung des „Deutschen Corporate Governance Kodex“, BB 2003, 1625; Kiethe, Falsche Erklärung nach § 161 AktG – Haftungsverschärfung für Vorstand und Aufsichtsrat?, NZG 2003, 559; Kollmann, Aktuelle Corporate-Governance-Diskussion in Deutschland – Deutscher Corporate-Governance-Kodex der Regierungskommission sowie Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG), WM Sonderbeilage Nr. 1/2003; Körner, Comply or disclose: Erklärung nach § 161 AktG und Außenhaftung des Vorstands, NZG 2004, 1148; Kort, Interessenkonflikte bei Organmitgliedern der AG, ZIP 2008, 717; Krieger, Interne Voraussetzungen für die Abgabe der
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Corporate Governance
Entsprechenserklärung nach § 161 AktG, in FS Ulmer, 2003, S. 365; Kuthe/Geiser, Die neue Corporate Governance-Erklärung – Neuerung des BilMoG in § 289a HGB-RE, NZG 2008, 172; Lieder, Das unabhängige Aufsichtsratsmitglied, NZG 2005, 569; Lutter, Die Erklärung zum Corporate Governance Kodex gemäß § 161 AktG, ZHR 166 (2002), 523; Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, ZIP 2007, 841; Lutter, Interessenkonflikte und Business Judgment Rule, in FS Canaris, 2007, S. 245; Lutter, Der Bericht des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung, AG 2008, 1; Meder, Der Nominierungsausschuss in der AG – Zur Änderung des Deutschen Corporate Governance Kodex 2007, ZIP 2007, 1538; Nowak/Rott/Mahr, Wer den Kodex nicht einhält, den bestraft der Kapitalmarkt?, ZGR 2005, 252; Nagel, Unabhängigkeit der Kontrolle im Aufsichtsrat und Verwaltungsrat: Der Konflikt zwischen der deutschen und der angelsächsischen Konzeption, NZG 2007, 166; Oser/Orth/Wader, Beachtung der Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex, BB 2004, 1121; Peltzer, Handlungsbedarf in Sachen Corporate Governance, NZG 2002, 593; Peltzer, Organisation der Meldung der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG, DB 2002, 2580; Peltzer, Deutsche Corporate Governance, 2003; Peltzer, Reparaturbedarf des Kodex – kritische Anmerkungen zu kontraproduktiven und änderungsbedürftigen Aussagen des DCGK, in FS Priester, 2007, S. 573; Pfitzer/Oser/Wader, Die Entsprechens-Erklärung nach § 161 AktG – Checkliste für Vorstände und Aufsichtsräte zur Einhaltung der Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex, DB 2002, 1120; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 3. Aufl.2008; Ruhnke, Prüfung der Einhaltung des Deutschen Corporate Governance Kodex durch den Abschlussprüfer, AG 2003, 371; Schiessl, Deutsche Corporate Governance post Enron, AG 2002, 593; Schlitt, Die strafrechtliche Relevanz des Corporate Governance Kodexes. DB 2007, 326; Schüppen, Der Kodex – Chancen für den Deutschen Kapitalmarkt! DB 2002, 1117; Schüppen, To comply or not to comply – that’s the question! „Existenzfragen“ des Transparenz- und Publizitätsgesetzes im magischen Dreieck kapitalmarktorientierter Unternehmensführung, ZIP 2002, 1269; Seibert, Im Blickpunkt: Der Deutsche Corporate Governance Kodex ist da, BB 2002, 581; Seibert, UMAG und Hauptversammlung – Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts, WM 2005, 157; Seibert, Aktionärsforum und Aktionärsforumsverordnung nach § 127a AktG, AG 2006, 16; Seibert, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), ZIP 2008, 906; Seibt, Deutscher Corporate Governance Kodex und Entsprechens-Erklärung (§ 161 AktG-E), AG 2002, 249; Seidel, Der Deutsche Corporate Governance Kodex – eine private oder doch eine staatliche Regelung?, ZIP 2004, 285; Seidel, Kodex ohne Rechtsgrundlage, NZG 2004, 1095; Semler/Wagner, Deutscher Corporate Governance Kodex – Die Entsprechenserklärung und Fragen der gesellschaftsinternen Umsetzung, NZG 2003, 553; Strieder, Offene Punkte bei der Entsprechenserklärung zum Corporate Governance Kodex, DB 2004, 1325; Strieder, DCGK Praxiskommentar, 2005; Theusinger/Liese, Rechtliche Risiken der Corporate Governance-Erklärung, DB 2008, 1419; Thümmel, Die Abweichung von der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG, CCZ 2008, 141; Ulmer, Der Deutsche Corporate Governance Kodex – ein neues Regulierungsinstrument für börsennotierte Aktiengesellschaften, ZHR 166 (2002), 150; E. Vetter, Deutscher Corporate Governance Kodex, DNotZ 2003, 748; E. Vetter, Die Änderungen 2007 des Deutschen Corporate Governance Kodex, DB 2007, 1963; Weber-Rey, Gesellschafts- und aufsichtsrechtliche Herausforderungen an die Unternehmensorganisation, AG 2008, 345; v. Werder/Talaulicar, Kodex Report 2008: Die Akzeptanz der Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex, DB 2008, 825; v.; Wicke, Der CEO im Spannungsverhältnis zum Kollegialprinzip – Gestaltungsüberlegungen zur Leitungsstruktur der AG, NJW 2007, 3755. Zur Entwicklung in der EU: DAV-Stellungnahme zum Aktionsplan der EU-Kommission zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance, ZIP 2003, 1909; Zur Entwicklung des Europäischen Gesellschaftsrechts: Stellungnahme der Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht (Group of German Experts on Company Law) zum Report of the High Level Group of Company Law Experts on a modern Regulatory Framework for Company Law in Europe, ZIP 2003, 863; Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht im Wandel – Bemerkungen zum Aktionsplan der EG-Kommission betref-
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fend die Modernisierung des Gesellschaftsrechts und die Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union, NZG 2004, 1; Teichmann, Corporate Governance in Europa, ZGR 2001, 645; Wiesner, In Brüssel werden die Grundlagen der Abschlussprüfung neu geordnet, ZIP 2003, 1186. Zum Sarbanes-Oxley Act: Block, Neue Regelungen zur Corporate Governance gemäß Sarbanes-Oxley Act, BKR 2003, 774; Emmerich/Schaum, Auswirkungen des Sarbanes-Oxley Act auf deutsche Abschlussprüfer – Berufsaufsicht, Registrierung, Unabhängigkeit, WPg 2003, 677; Ferlings/Lanfermann, Unabhängigkeit von deutschen Abschlussprüfern nach Verabschiedung des Sarbanes-Oxley Acts, DB 2002, 2117; Gruson/Kubicek, Der SarbanesOxley Act, Corporate Governance und das deutsche Aktienrecht, AG 2003, 337 und 393; Hilber/Hartung, Auswirkungen des Sarbanes-Oxley Act auf deutsche WP-Gesellschaften: Konflikte mit der Verschwiegenheitspflicht der Wirtschaftsprüfer und dem Datenschutz, BB 2003, 1054; Hütten/Srohmann, Umsetzung des Sarbanes-Oxley Act in der Unternehmenspraxis, BB 2003, 2223; Kersting, Auswirkungen des Sarbanes-Oxley-Gesetzes in Deutschland: Können deutsche Unternehmen das Gesetz befolgen?, ZIP 2003, 233; Reiter, Der Schutz des Whistleblowers nach dem Sarbanes-Oxley Act im Rechtsvergleich und im internationalen Arbeitsrecht, RIW 2005, 168; Schwarz/Holland, Enron, WorldCom … und die Corporate Governance-Diskussion, ZIP 2002, 1661; Stengel/Willms, Sarbanes-Oxley Act – Der Anpassungsbedarf für deutsche Unternehmen hält sich in Grenzen, DAJV, 2003, 77; Strauch, Der Sarbanes-Oxley Act und die Entwicklungen im US-Aufsichtsrecht, NZG 2003, 952.
I. Bedeutung der Corporate Governance für die börsennotierte AG 1. Begriff der Corporate Governance 1
Über „Corporate Governance“ wird schon seit langem diskutiert. Dies gilt vor allem für die angelsächsischen und angelsächsisch geprägten Länder, während dieses Thema in Deutschland erst seit einigen Jahren systematisch erörtert wird1. Im Allgemeinen wird dabei unter Corporate Governance der rechtliche und faktische Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens, d.h. das gesamte System der Unternehmensführung, verstanden2. Dazu gehören neben der Organisation der Unternehmensleitung, insbesondere den Kompetenzen der Leitungsorgane – im System der deutschen AG Vorstand und Aufsichtsrat – auch die Ziele, denen diese Organe verpflichtet sind. Ergänzend zu der internen Führungsstruktur wird das Verhältnis der Unternehmensleitung nach außen, vor allem zu den Trägern des Unternehmens, den Aktionären, diskutiert. Diese externe Corporate Governance betrifft auch das Verhältnis zu den sonstigen Personengruppen, mit denen das Unternehmen verbunden ist. Diese so genannten stakeholder, insbesondere die Arbeitnehmer des Unternehmens, die Gläubiger einschließlich der Banken sowie die Öffentlichkeit in Gestalt der Kommunen und der Finanzverwaltung spielen im Rahmen der Corporate Governance Debatte eine je nach Betrachter sehr unterschiedliche Rolle. Überhaupt 1 Vgl. z.B. die Beiträge in Feddersen/Hommelhoff/Uwe H. Schneider, Corporate Governance, 1996. 2 Vgl. v. Werder in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 1 sowie den so genannten Cadbury Report, 1992, S. 2, wo Corporate Governance definiert ist als „the system by which companies are directed and controlled“; zu den verschiedenen Definitionen von Corporate Governance siehe Hopt/Prigge in Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/ Prigge (Hrsg.), Comparative Corporate Governance, 1998, Preface S. V.; aus US-amerikanischer Sicht Hess in Feddersen/Hommelhoff/Uwe H. Schneider, Corporate Governance, S. 9, 10 f.; siehe zu den unterschiedlichen Definitionen auch die Übersicht von Weil, Gottshal & Manges LLP, Comparative Matrix of Corporate Governance Codes relevant to the European Union and its Member States, Annex V, 2002.
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Corporate Governance
finden sich in der Corporate Governance Diskussion, die nicht nur juristisch, sondern vor allem auch betriebswirtschaftlich geführt wird, unterschiedliche Akzentsetzungen. In den USA werden z.B. die Beziehungen zu den Kapitalgebern in den Mittelpunkt gestellt, während in der europäischen Debatte stärker auch auf das Verhältnis zu den übrigen stakeholdern eingegangen wird1. In der neueren Diskussion wird das Thema Corporate Governance in verschiedene Richtungen erweitert. Die Überlegungen zur Führung und Kontrolle des Unternehmens beschränken sich nicht mehr auf die Organisation der Unternehmensleitung. Als Reaktion auf die Bilanzskandale in den USA werden vor allem die Rechnungslegung und die Berichterstattung darüber sowie die Zusammenarbeit mit dem Abschlussprüfer in die Betrachtung mit einbezogen. Dabei geht es insbesondere um die ordnungsgemäße Bilanzierung sowie die Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, z.B. durch die Einschränkung zusätzlicher Beratungsleistungen außerhalb der Abschlussprüfung2.
2
Daneben wird das Thema auf den gesamten Ordnungsrahmen außerhalb der Unternehmen ausgedehnt. So wird ergänzend zu den gesellschaftsrechtlichen Fragen der Unternehmensführung zunehmend die Rolle des Unternehmens auf den verschiedenen Märkten für Kapital, Unternehmenskontrolle und Managementleistungen in den Blick genommen. Zur Corporate Governance gehört danach auch das gesamte Bank-, Börsen- und Kapitalmarktrecht einschließlich des Anlegerschutzes und des Rechts der Unternehmensübernahmen3. Dies entspricht dem kapitalmarktorientierten Ansatz der angelsächsischen Länder. In Deutschland und in Kontinentaleuropa wird der Begriff allerdings mehr noch im Sinne der internen Corporate Governance mit dem Schwerpunkt auf den gesellschaftsrechtlichen Zusammenhängen verwendet4.
3
2. Unterschiedliche Interessen a) Vielzahl von Aktionären Die Diskussion um eine angemessene Corporate Governance betrifft in erster Linie die börsennotierte Aktiengesellschaft. Zwar stellt sich die Frage nach der zweckmäßigen Führungsstruktur auch bei geschlossenen Gesellschaften wie z.B. Familienunternehmen oder Unternehmen im Staatsbesitz. Die richtige Unternehmensführung wird in diesen Fällen aber eher als interne Angelegenheit der relativ wenigen Anteilseigner angesehen5. Bei der börsennotierten Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien oder SE ist dagegen schon die Ausgangssituation anders. Die Anteilseigner sind hier bei großem Streubesitz nicht nur zahlreicher, sie haben häufig einzeln we-
1 Hopt, Corporate Governance: Aufsicht oder Markt?, in Heidelberger Forum, Band 109, 2000, S. 9, 12; Assmann in FS Kümpel, S. 1, 4. 2 Vgl. § 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 HGB i.d.F. des BilReG. 3 Siehe dazu näher Merkt, AG 2003, 126, 126 und Teichmann, ZGR 2001, 645, 657 ff. 4 Schwarz/Holland, ZIP 2002, 1661, 1662 f. 5 Vgl. den Governance Kodex für Familienunternehmen vom Sept. 2004 mit der ergänzenden Betonung der Familien-Governance, www.kodex-fuer-familienunternehmen.de; zur Corporate Governance öffentlicher Unternehmen Ruter, Der Aufsichtsrat 2004, 7, sowie Uwe H. Schneider, AG 2005, 493 ff. mit Blick auf die OECD-Grundsätze. Für Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes bereitet das BMF einen Public Corporate Governance Kodex (PCGK) vor. Einen derartigen Kodex hat z.B. die Freie Hansestadt Bremen (Senatsbeschluss v. 16.1.2007).
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nig Einfluss und sind untereinander kaum verbunden1. Ihre Interessen sind deshalb weitaus weniger koordiniert als die der Aktionäre einer geschlossenen Gesellschaft2. b) Interessen von Aktionären und Management 5
Hinzu kommt, dass die Interessen der Anteilseigner als Träger des wirtschaftlichen Risikos und die Interessen des Management als handelnder Personen auseinanderfallen können (so genannter Principal-Agent-Konflikt)3. Insbesondere besteht die Gefahr, dass das Management, auch aufgrund seines Informationsvorsprungs, eigene Interessen zu Lasten der Anteilseigner verfolgt. Um diese Gefahr zu mindern, ist einerseits erforderlich, dass der Informationsvorsprung des Managements durch sinnvolle Offenlegungspflichten nach außen eingeschränkt wird. Die Information der Anleger ist dabei so zu verbessern, dass diese das Verhalten der Unternehmensführung nachvollziehen und überwachen können. Transparenz gegenüber dem Kapitalmarkt ist deshalb ein wesentliches Element guter Corporate Governance. Um die Interessen der Eigentümer zu wahren, wird es außerdem als erforderlich angesehen, für das Management finanzielle Anreize zu schaffen, die zu einem den Interessen der Anleger entsprechenden Verhalten führen. Als geeignetes Vergütungsinstrument wurden deshalb lange Zeit Aktienoptionen angesehen, weil sie das gemeinsame Interesse von Management und Anlegern an einer nachhaltigen Wertsteigerung des Unternehmens verbinden. Diese Art der Vergütung wird inzwischen eher kritisch gesehen4. c) Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse
6
Zur Analyse der unterschiedlichen Interessen, die in und mit einer börsennotierten Gesellschaft verfolgt werden, gehört die Frage, ob das Unternehmen primär im Interesse der Aktionäre oder auch im Interesse der übrigen, am Unternehmen als Vertragspartner beteiligten Personen, also insbesondere der Gläubiger und Arbeitnehmer, aber auch der Kommunen und der sonstigen Öffentlichkeit, geführt werden soll. Der erste Aspekt wird unter dem Stichwort Shareholder value diskutiert, der zweite wird als Stakeholder-Ansatz bezeichnet. Die Vor- und Nachteile der jeweiligen Ausrichtung werden vor allem aus ökonomischer Sicht beleuchtet5.
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In den verschiedenen nationalen Rechtskreisen gibt es dazu historisch gewachsene unterschiedliche Auffassungen. So dominiert in den angelsächsischen Ländern traditionell der Shareholder value-Gedanke. Das deutsche Recht geht mit der starken Berücksichtigung der Gläubigerinteressen im Gesellschafts- und Bilanzrecht sowie der Verankerung der Mitbestimmung im Aufsichtsrat von einer mehr pluralistischen Zielsetzung der Unternehmensleitung aus. Diese komplexe Zielsetzung wird unter dem Begriff des Unternehmensinteresses zusammengefasst. Dieser Begriff ist aller1 Die Einrichtung des Aktionärsforums gemäß § 127a AktG hat daran wenig geändert, vgl. dazu Seibert, WM 2005, 157, 158 f. und Seibert, AG 2006, 16. 2 Vgl. Teichmann, ZGR 2001, 645, 651 ff. 3 Siehe dazu v. Werder in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 3, 7 m.w. N. 4 Vgl. dazu auch OLG München v. 7.5.2008 – 7 U 5618/07, ZIP 2008, 1237, 1239 ff., = AG 2008, 593, das die Ausrichtung von Aktienoptionen am Kurs der Muttergesellschaft im faktischen Konzern als unzulässig ansieht. 5 Siehe z.B. Schmidt/Weiß in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 107 ff. sowie v. Werder in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 3, 7 ff., und Fleischer in Spindler/Stilz, § 76 AktG Rz. 30 f., jeweils m.w. N.
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dings so offen und unpräzise, dass er als Orientierungshilfe für Leitungsentscheidungen wenig hergibt und der Unternehmensleitung damit einen eher weiten Ermessensspielraum einräumt1. Auch aus der Sicht der deutschen Tradition ist klar, dass erfolgreiches Wirtschaften eine renditeorientierte Unternehmensführung verlangt; nur auf diese Weise kann der Bestand des Unternehmens erhalten und gesichert werden2. Im Deutschen Corporate Governance Kodex wird dementsprechend versucht, die unterschiedlichen Aspekte miteinander zu verbinden. Der Vorstand ist danach bei der Leitung des Unternehmens nicht nur an das Unternehmensinteresse gebunden, sondern auch der Steigerung des nachhaltigen Unternehmenswertes verpflichtet3. Die Aktionärsinteressen sind damit innerhalb der verschiedenen Interessen zwar hervorgehoben, aber nicht allein maßgebend. Mit der Betonung einer Steigerung des nachhaltigen Unternehmenswertes soll der Blick auf eine langfristige Unternehmenspolitik gelenkt werden. Eine Ausrichtung auf kurzfristige Kursgewinne ist nicht erwünscht4.
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3. Vergleich der Führungssysteme a) Begrenzte Aussagekraft von Systemvergleichen In der Vergangenheit sind immer wieder systemvergleichende Überlegungen angestellt worden. So wurde untersucht, ob etwa das angelsächsische System der Unternehmensleitung mit einem einheitlichen Board und seiner klaren Ausrichtung auf die Aktionärsinteressen dem deutschen dualistischen Führungssystem, bestehend aus Vorstand und Aufsichtsrat, mit der Ausrichtung auf das umfassendere Unternehmensinteresse überlegen ist5. Denkbare Ansätze für einen solchen Vergleich sind neben der Board-Struktur der Einfluss und die Zusammensetzung der Aktionäre, das Ausmaß der Kontrolle durch den Aufsichtsrat und den Kapitalmarkt, das Finanzierungssystem und die sonstigen rechtlichen Rahmenbedingungen wie das Wettbewerbs- und Übernahmerecht. Nach welchen Kriterien der Erfolg eines Systems gemessen werden soll, ist angesichts der verschiedenen Ansatzmöglichkeiten allerdings offen und wird auch sehr unterschiedlich gesehen6.
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Dass das eine oder andere System für falsche Entwicklungen weniger anfällig oder sogar wirtschaftlich erfolgreicher ist, konnte bislang nicht festgestellt werden. Die ökonomische Analyse einzelner Erfolgsfaktoren wie der jeweils bestehenden Anreize für das Management auf der einen und der Effizienz der Kontrollen auf der anderen Seite
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1 Vgl. Hüffer, § 76 AktG Rz. 15. 2 Vgl. z.B. Hüffer, § 76 AktG Rz. 13; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 76 AktG Rz. 17 sowie Schilling, BB 1997, 373, 375 ff., Mülbert, ZGR 1997, 129, 142 f. und Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 76 AktG Rz. 12. 3 Vgl. Ziff. 4.1.1 des Kodex; zur Rezeption des Shareholder Value-Ansatzes Groh, DB 2000, 2153, 2158; Fleischer in Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 1 Rz. 29 ff.; Fleischer in Spindler/Stilz, § 76 AktG Rz. 32 ff.; Zöllner, AG 2003, 2, 7 f. 4 Vgl. Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 608 ff. 5 Vgl. z.B. Kaplan in Hopt/Wymeersch (Eds.), Comparative Corporate Governance, 1997, S. 195 ff.; Roe in Baums/Buxbaum/Hopt (Eds.), Institutional Investors and Corporate Governance, 1994, S. 23 ff.; für eine eindeutige Überlegenheit des US-Corporate Governance Systems – vor Enron – der Business Roundtable, ein Zusammenschluss US-amerikanischer CEO’s, siehe Schwarz/Holland, ZIP 2002, 1661. 6 Vgl. z.B. aus ökonomischer Sicht Macey in Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge (Hrsg.), Comparative Corporate Governance, 1998, S. 903 ff.
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hat zu keinen eindeutigen Ergebnissen geführt1. Jedes System hat Stärken und Schwächen, deren wechselseitiger Einfluss schwer messbar ist. Dies gilt umsomehr, als die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern sehr verschieden sind. Tatsächlich hat es in beiden Systemen spektakuläre Unternehmenszusammenbrüche gegeben. Kein System kann auch für sich in Anspruch nehmen, gegen Betrug oder Machtmissbrauch gefeit zu sein. b) Dualistisches Führungssystem 11
Die Stärke des dualistischen Systems liegt in der klaren Trennung zwischen Führung und Kontrolle. Aus dieser Trennung ergibt sich allerdings auch eine gewisse Schwäche. Als Folge der organisatorischen Verselbständigung des Aufsichtsrates ist dieser nämlich nicht Teil der Unternehmensführung, sondern steht neben dieser. Daher haben die Mitglieder des Aufsichtsrats gegenüber den Vorstandsmitgliedern bezüglich des Unternehmensgeschehens ein Informationsdefizit, was ihre Aufgabenwahrnehmung erschwert. Hinzu kommt, dass der Aufsichtsrat am Tagesgeschäft kaum beteiligt ist und seine Aufgabe deshalb vorwiegend als Überwachungstätigkeit versteht2. Wichtig wäre demgegenüber, den Aufsichtsrat zumindest in die strategische Planung des Vorstands miteinzubeziehen3.
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Ein weiteres Problemfeld des dualistischen Systems, wie es in Deutschland besteht, ist die Mitbestimmung. Durch die zwingend vorgeschriebene Besetzung der Aufsichtsräte mit Arbeitnehmervertretern hat der Aufsichtsrat neben den Aktionärsinteressen auch die sozialen Belange der Belegschaft zu wahren. Diese nehmen, vor allem bei paritätischer Zusammensetzung des Aufsichtsrates4, mitunter sogar den größten Teil der Sitzungszeit in Anspruch5. Die Mitbestimmung kann dazu führen, dass wirtschaftlich zweckmäßige oder sogar notwendige Entscheidungen, die sich negativ auf die im Unternehmen Beschäftigten auswirken, aufgeschoben, unterlassen oder durch Kompromisse verwässert werden. Der Aufsichtsratsvorsitzende hat zwar ein zweites Stimmrecht, mit dem er Patt-Situationen im Aufsichtsrat zugunsten der Anteilseignerseite auflösen kann6. Von dieser Möglichkeit wird praktisch aber so gut wie nie Gebrauch gemacht, um das Gleichgewicht der beiden „Bänke“ zu wahren. In diesem Zusammenhang wird gelegentlich allerdings auch betont, dass der institutionalisierte Interessenausgleich, wie er im Aufsichtsrat vorgesehen ist, letztlich im Interesse des gesamten Unternehmens liege und in der Praxis nicht zu wirtschaftlich unverträglichen Konsequenzen geführt habe.
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Folge der Mitbestimmung insbesondere nach dem MitbestG 1976 ist jedenfalls, dass die Aufsichtsräte der größeren Unternehmen mit 16 oder 20 Mitgliedern für eine effiziente Überwachung und Beratung zu groß sind. Obwohl dieses Problem allgemein bekannt ist, sind bislang alle Forderungen nach einer Verkleinerung des Aufsichts1 Siehe z.B. C. Mayer in Balling/Hennessy/O’Brien (Eds.), Corporate Governance, Financial Markets and Global Convergence, 1998, 235 ff. 2 Die nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG zu erstellenden Zustimmungskataloge beschränken sich auf Geschäfte von grundlegender Bedeutung, vgl. Ziff. 3.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex. 3 Vgl. Ziff. 3.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex sowie Albach in Hommelhoff/ Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 361, 365. 4 Vgl. §§ 1 Abs. 1, 7 MitbestG; siehe zur Zusammensetzung des Aufsichtsrates ausführlich unten § 24. 5 Semler in Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge (Hrsg.), Comparative Corporate Governance, S. 267, 276. 6 Siehe §§ 29 Abs. 2, 31 Abs. 4 und 5 MitbestG.
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rates auf z.B. zehn oder zwölf Mitglieder am Widerstand der Gewerkschaften gescheitert1. Erst mit der SE besteht die Möglichkeit, die Größe des Aufsichtsrats in der Satzung z.B. auf zehn Mitglieder festzulegen2. Bei den Unternehmen mit ausländischer Belegschaft wird zunehmend auch die Legitimation der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat in Zweifel gezogen, da diese nur von der inländischen Belegschaft gewählt werden3. Dies gilt nach der geltenden Rechtslage selbst dann, wenn die Mehrzahl der Mitarbeiter im Ausland beschäftigt ist. Die Interessen dieser Mitarbeiter sind deshalb im Aufsichtsrat regelmäßig nicht vertreten4. Mit der inzwischen möglichen Umwandlung in eine SE lässt sich allerdings zumindest eine „Europäisierung“ der Arbeitnehmerbank erreichen. Vor dem Hintergrund dieser europarechtlichen Entwicklung wird vielfach eine grundlegende Reform der Mitbestimmung verlangt5. Die Ende 2005 eingesetzte „zweite“ Biedenkopf-Kommission konnte sich in ihrem Abschlussbericht allerdings auf keine gemeinsamen Vorschläge einigen6. c) Monistisches Führungssystem Das Hauptproblem des monistischen Systems besteht darin, dass die im Board bestehende Machtfülle, die in der Regel auf das Executive Committee delegiert ist, nicht genügend kontrolliert wird. Es fehlt ein Gegengewicht innerhalb des Board7. Dies ist vor allem bei Interessenkonflikten problematisch, etwa wenn das Board über seine eigene Vergütung beschließt. In der Vergangenheit wurde versucht, diese strukturelle Schwäche dadurch auszugleichen, dass in das Board zunehmend Externe bestellt wurden, die nicht zugleich Angestellte des Unternehmens sind. Als Mitglieder eines Ausschusses wie z.B. des Compensation Committee nehmen diese „non executives“ bestimmte Kontrollaufgaben wahr. Sie sollen dabei vom Management unabhängig sein. Je nach Bedeutung soll der einzelne Ausschuss mehrheitlich oder – im Falle des Audit Committee – sogar ausschließlich mit unabhängigen Board-Mitgliedern besetzt sein8. Auf diese Weise ist innerhalb des Board eine zunehmende Zweiteilung zwischen den executive und den unabhängigen non-executive directors entstanden, die eine gewisse Annäherung an das dualistische System bedeutet.
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Vor allem bei den Boards US-amerikanischer Gesellschaften ist ein weiterer Kritikpunkt die starke Stellung des Chief Executive Officers (CEO), der überwiegend zugleich Chairman des Board ist und damit großen Einfluss auf die Zusammensetzung und die Entscheidungen dieses Gremiums hat. Insoweit wird immer wieder gefordert, die Posten von CEO und Chairman zu trennen9. In Großbritannien wird die Tren-
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1 Vgl. Neubürger in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 177, 190 f. 2 Vgl. Art. 40 Abs. 3 SE-VO i. V. m. § 17 Abs. 1 SEAG und dazu Habersack, AG 2006, 3345 ff. 3 Vgl. §§ 9 ff. MitbestG. 4 Siehe dazu Neubürger in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 177, 182 f. 5 Vgl. z.B. v. Werder, Modernisierung der Mitbestimmung, Diskussionspapier v. 26.11.2003, mit dem Vorschlag, die Mitbestimmung im Aufsichtsrat durch ein separates Konsultationsorgan zu ersetzen; umfassende Reformvorschläge auch im Bericht der Kommission Mitbestimmung von BDA und BDI vom November 2004. Vgl. auch Raiser, Gutachten B zum 66. DJT, mit dem Vorschlag einer Öffnungsklausel für unternehmensspezifische Regelungen, sowie dazu Rieble, NJW 2006, 2214 und Reichold, JZ 2006, 812. 6 Siehe dazu den Bericht von Bernhardt, BB 2007, 381. 7 Vgl. zum US-amerikanischen Führungssystem Schwarz/Holland, ZIP 2002, 1661, 1664 ff. 8 Vgl. von Hein, RIW 2002, 501, 505 f. 9 Vgl. die entsprechende Forderung der Blue-Ribbon Commission on Public Trust and Private Enterprise der amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlervereinigung The Conference Board.
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nung beider Funktionen zwar schon seit längerem als best practice empfohlen1. Nach dem Higgs-Report2 wird diese Trennung aber noch nicht überall praktiziert. 16
Ein wesentliches Merkmal der angelsächsischen Corporate Governance besteht darin, dass alle Entscheidungen, insbesondere solche, die mit einem möglichen Interessenkonflikt verbunden sind, offengelegt werden. Mit diesem Postulat nach weitgehender Transparenz soll auch dem Kapitalmarkt ermöglicht werden, eine gewisse Kontrolle über das Unternehmen und seine Führung auszuüben. d) Konvergenz der Führungssysteme
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Die Frage, ob das eine oder andere System „besser“ ist, hat inzwischen deshalb an Bedeutung verloren, weil eine zunehmende Angleichung beider Systeme stattfindet3. So ist bei den deutschen Aktiengesellschaften zu beobachten, dass die Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat verstärkt wird, um die sich aus der funktionalen Trennung beider Organe ergebenden Nachteile zu reduzieren. Der Deutsche Corporate Governance Kodex spricht ausdrücklich von einem engen Zusammenwirken beider Organe4. In den Aufsichtsräten werden zur besseren Zusammenarbeit mit dem Abschlussprüfer vermehrt Audit Committees gebildet, die nicht vom Aufsichtsratsvorsitzenden geleitet werden5. Damit soll die Unabhängigkeit des Audit Committee, das im deutschen System allerdings ein Ausschuss des Aufsichtsrates bleibt, gestärkt werden6. Bei der Organisation der Vorstände finden sich bisweilen auf Grund entsprechender Geschäftsverteilung starke Vorsitzende oder Sprecher, was bisweilen als Übernahme des CEO-Modells interpretiert wird. Tatsächlich sind einer solchen Übernahme durch den im Aktiengesetz verankerten Grundsatz der Gesamtverantwortung aber Grenzen gesetzt7. Selbst in den angelsächsischen Ländern ist die Entwicklung zu einem starken CEO auch wieder rückläufig8.
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Was die Rechtsstellung der Aktionäre betrifft, so wurde das Recht der Namensaktie, die international vorherrscht, modernisiert9. Außerdem wurden für die Hauptversammlung in Anlehnung an das Proxy System gesellschaftseigene Stimmrechtsvertreter zugelassen10. Ergänzend dazu wurde für Inhaberaktien ein so genanntes Record
1 So auch im Combined Code on Corporate Governance vom Juli 2003. 2 Siehe den Bericht von Derek Higgs, Review of the role and effectiveness of non-executive directors, January 2003, S. 23. 3 Dazu näher Böckli in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 201, 214 ff. 4 Vgl. Ziff. 3.1 des Kodex. 5 Vgl. Ziff. 5.2 Abs. 2 Satz 2 des Kodex; zur Umsetzung siehe v. Werder/Talaulicar, DB 2008, 825, 828. 6 Vgl. Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 967. 7 Siehe dazu von Hein, ZHR 166 (2002), 464 und Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745. 8 Kort in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 77 AktG Rz. 55; Wicke, NJW 2007, 3755, 3758. 9 Vgl. Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz – NaStraG) vom 18.1.2001, BGBl. I 2001, 123 sowie die Änderungen des § 67 AktG durch das Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) v. 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1666. 10 Vgl. § 134 Abs. 3 Satz 3 AktG i.d.F. des Namensaktiengesetzes vom 18.1.2001, BGBl. I 2001, 123.
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Date eingeführt1. Teilnahme- und stimmberechtigt sind danach nur die Aktionäre, die ihre Aktionärseigenschaft an einem bestimmten Tag vor der Hauptversammlung nachgewiesen haben. Einheitlicher Nachweisstichtag ist für die börsennotierten Gesellschaften der Beginn des 21. Tages vor der Versammlung (§ 123 Abs. 3 Satz 3 AktG). Um die Interessen von Aktionären und Management besser in Einklang zu bringen, wurden selbständige Aktienoptionen (Stock Options) als Mittel der Vergütung von Mitarbeitern und Vorständen zugelassen2. Diese Form der Vergütung steht insbesondere nach den Bilanzskandalen in den USA allerdings in der Kritik. Gefordert wird neben einer Begrenzung der Gewinnmöglichkeiten („cap“)3 vor allem eine Bilanzierung des Aufwandes4. Letztere ist durch den IFRS Standard 2 Aktienbasierte Vergütung inzwischen vorgeschrieben5. Weitere Angleichungen finden sich in anderen Rechtsbereichen. So gilt aufgrund des WpHG auch für den deutschen Kapitalmarkt weitgehende Transparenz bei Insiderinformationen, Aktiengeschäften der Organmitglieder und Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften (§§ 15, 15a, 21 f. WpHG). Die Unternehmen können nach international üblichen Usancen eigene Aktien zurückerwerben und später wieder in den Markt geben (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG). Die Konzernbilanzierung durfte zunächst wahlweise nach internationalen statt nach deutschen Rechnungslegungsgrundsätzen, insbesondere IAS/IFRS oder US-GAAP, erfolgen6, womit den Interessen ausländischer Investoren entgegengekommen würde. Innerhalb der EU ist seit 1.1.2005 allerdings nur noch die Bilanzierung nach IAS/IFRS erlaubt7. Diese Form kann zu Informationszwecken auch für den Einzelabschluss gewählt werden8. Für den Einzelabschluss nach HGB ist inzwischen eine moderate Annäherung an die IFRS vorgesehen9.
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Bei dieser fortschreitenden Konvergenz handelt es sich allerdings, wie die Beispiele zeigen, weniger um ein Sich-Aufeinanderzubewegen der unterschiedlichen Systeme, sondern mehr um eine Anpassung des deutschen Rechts an angelsächsische oder international übliche Standards. Dabei werden zugleich die verbleibenden Divergenzen deutlich10. So verbleibt die Verantwortung beim monistischen System trotz einer gewissen Arbeitsteilung zwischen internen und externen Mitgliedern stets beim Board als Einheit. Umgekehrt ist im dualistischen System nach wie vor der Vorstand für die
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1 Vgl. § 123 Abs. 3 AktG i.d.F. des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und zur Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005, BGBl. I 2005, 2802; für Namensaktien ergibt sich eine ähnliche Wirkung daraus, dass ab einem bestimmte Zeitpunkt vor der Hauptversammlung keine Umschreibungen im Aktienregister mehr vorgenommen werden, näher dazu Noack/Zetzsche, AG 2002, 651, 656 und Hüffer, § 123 AktG Rz. 13 m.w. N. 2 Vgl. §§ 192 Abs. 2 Nr. 3, 193 Abs. 2 Nr. 4 sowie § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG, eingeführt durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998, BGBl. I 1998, 786. 3 Vgl. Ziff. 4.2.3 Abs. 3 Deutscher Corporate Governance Kodex i.d.F. vom 6.6.2008. 4 Siehe dazu z.B. Schildbach, DB 2003, 893. 5 Siehe dazu näher Ekkenga, DB 2004, 1897 und Küting/Dürr, WPg 2004, 609. 6 Vgl. § 292a HGB, eingeführt durch das Gesetz zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen (Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz – KapAEG) vom 20.4.1998, BGBl. I 1998, 707. 7 Vgl. EU-Verordnung Nr. 1606/2002 vom 19.7.2002, ABl. EG Nr. L 243, S. 1. 8 Vgl. Ernst, BB 2003, 1487, 1489 und § 325 Abs. 2a HGB i.d.F. des Bilanzrechtsreformgesetzes (BilReG) vom 4.12.2004, BGBl. I 2004, 3166. 9 Vgl. RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) v. 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067. 10 Vgl. Böckli in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 201, 218 f.
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Festlegung der Geschäftspolitik zuständig. Daran ändert auch die enge Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat nichts. Das deutsche Aktienrecht erlaubt zudem nur in Grenzen die Annäherung der Position des Vorstandsvorsitzenden an die eines angelsächsischen CEO (siehe dazu bereits oben Rz. 17). Schließlich kann die Forderung, dass die Mehrheit der Board-Mitglieder unabhängig sein soll, nicht ohne weiteres auf den Aufsichtsrat übertragen werden, weil dessen aus der Belegschaft gewählte Arbeitnehmervertreter von vornherein nicht als unabhängig angesehen werden können1. Der Deutsche Corporate Governance Kodex begnügt sich deshalb mit der Empfehlung, dass dem Aufsichtsrat eine nach seiner Einschätzung ausreichende Anzahl unabhängiger Mitglieder angehören soll2. e) Wahlrecht zwischen monistischem und dualistischem Führungssystem 21
Manche Länder wie Frankreich und Italien gewähren ihren Aktiengesellschaften ein Wahlrecht, ob sie die Unternehmensleitung monistisch oder dualistisch organisieren wollen3. In Deutschland ist wegen der Mitbestimmung im Aufsichtsrat die dualistische Struktur vorgeschrieben. Allerdings wird bei der Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea) wahlweise eine Leitung durch Vorstand und Aufsichtsrat oder durch einen einheitlichen Verwaltungsrat zur Verfügung gestellt4. Es wäre konsequent, wenn dieses Wahlrecht nicht nur der deutschen SE, sondern auch der Aktiengesellschaft eingeräumt würde. Dabei sollte allerdings die paritätische Mitbestimmung beim monistischen System im Interesse einer effizienten Unternehmensleitung deutlich abgeschwächt werden5.
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Die EU-Kommission hat sich in ihrem Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance vom 21.5.2003 dafür ausgesprochen, zumindest den börsennotierten Unternehmen in der EU generell die Wahl zwischen dem monistischen und dem dualistischen System zu eröffnen6. Bei der Umsetzung einer entsprechenden Richtlinie soll auf die Erfahrungen aus der Anpassung der nationalen Rechtsvorschriften an die Verordnung über das Statut der SE und die Richtlinie über die Beteiligung der Arbeitnehmer der SE zurückgegriffen werden7. Die Kommission folgt damit einem Vorschlag der von ihr eingesetzten Exper-
1 Böckli in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 201, 219; ebenso die Empfehlung der EU-Kommission vom 6.10.2004 zu den Aufgaben der nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder, Anhang II 1(b). 2 Kritisch dazu Strieder, DCGK, S. 118. 3 Dazu Hopt in Hommelhoff/Lutter/Schmidt/Schön/Ulmer (Hrsg.), Corporate Governance, ZHR-Beiheft 71, 2002, S. 28, 45; zu Frankreich Guyon in FS Lutter, 2000, S. 83, 85; zu Italien Weigmann in FS Lutter, 2000, S. 203, 208 f., Magelli/Masotto, RIW 2004, 903, 911 f. und Steinhauer, EuZW 2004, 364 f. 4 Vgl. Art. 39 ff. und 43 ff. der Verordnung vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001, S. 1 i.V.m. §§ 15 ff. und 20 ff. des SE-Ausführungsgesetzes (SEAG) vom 22.12.2004, BGBl. I 2004, 3675. 5 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Diskussion über die paritätische Mitbestimmung im Verwaltungsrat einer deutschen SE Jacobs in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2006, § 35 SEBG Rz. 22 ff. m.w. N. 6 Vgl. die Ausführungen unter Ziff. 3.1.3 des Aktionsplans und dazu Habersack, NZG 2004, 1, 6 f. 7 Siehe dazu die SE-VO vom 8.8.2001, ABl. EG Nr. L 294, S. 1, und das Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) vom 22.12.2004, BGBl. I 2004, 3675.
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tengruppe zum Gesellschaftsrecht, die in ihrem Bericht vom 4.11.2002 ein solches Wahlrecht empfohlen hatte1. Dieser Vorschlag ist allgemein begrüßt worden2. 4. Entwicklung von Corporate Governance Standards a) Corporate Governance als globales Thema Die Corporate Governance ist naturgemäß ein besonderes Anliegen der institutionellen Investoren und ihrer Interessenverbände, vor allem im angelsächsischen Rechtskreis. Es geht nämlich um die Forderung, dass die Unternehmen für die Anleger so effizient wie möglich geführt werden. Die großen Pensionsfonds in den USA, z.B. CalPERS3 oder TIAA-CREF4, und in Großbritannien, z.B. Hermes5, haben zu diesem Zweck schon seit längerem allgemeine Corporate Governance Standards, z. T. ergänzt durch spezielle Standards für einzelne Länder, darunter auch für Deutschland6, entwickelt. Diese Standards dienen als Forderungskatalog wie auch als interne Anlagerichtlinien. Sie werden den Unternehmen, in deren Aktien investiert wird, vorgelegt, um sie auf die in diesen Richtlinien zusammengestellten Grundsätze zu verpflichten. Diese Grundsätze betreffen ganz unterschiedliche Aspekte wie z.B. die Zusammensetzung des Board, die Rechte der Aktionäre, insbesondere bei der Stimmrechtsausübung, die Bezahlung des Managements, die Beurteilung der Performance des Board, die strategische Planung des Unternehmens sowie seine soziale Verantwortung. Um die Beachtung dieser Standards zu überprüfen, führen die Pensionsfonds regelmäßig Gespräche mit den Unternehmen. Dabei werden den Unternehmen mitunter konkrete Forderungen gestellt, die sich auch im Stimmverhalten in der Aktionärsversammlung niederschlagen.
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Neben den institutionellen Anlegern gibt es zahlreiche andere Vereinigungen und Einrichtungen, die sich mit einer Verbesserung der Corporate Governance beschäftigen und dazu Vorschläge, Berichte, Richtlinien oder Kodizes entwickelt haben. Träger dieser weltweiten Corporate Governance-Diskussion sind sowohl einzelne Unternehmen, die für ihren eigenen Bereich Corporate Governance Grundsätze veröffentlicht haben7, wie Zusammenschlüsse von Unternehmen8 oder von Spitzenmanagern9, Forschungsinstitute10, einzelne Börsen11 und deren Aufsichtsbehörden12. Auch interna-
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1 Siehe unter Ziff. III.4.1a; der Bericht ist veröffentlicht unter http://europa.eu.int/comm/ internal_market/en/company/company/modern/index.htm. 2 Siehe die Stellungnahme der Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863, 869 zum Bericht der High Level Group sowie die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV vom August 2003 zum Aktionsplan der EU-Kommission; vgl. auch Maul/Lanfermann, BB 2003, 1289, 1292 und allgemein Schiessl, ZHR 167 (2003), 235, 249 f. 3 California Public Employees’ Retirement System; www.calpers-governance.org. 4 Teachers Insurance and Annuity Association-College Retirement Equities Fund; www.tiaacref.org. 5 Hermes Pension Management Ltd; www.hermes.co.uk. 6 Vgl. z.B. die Germany Markets Principles von CalPERS. 7 Vgl. die Corporate Governance Guidelines von General Motors, veröff. unter www.gm.com. 8 Vgl. z.B. The Conference Board, www.conference.board.org. 9 Vgl. z.B. The Business Roundtable, www.brtable.org. 10 Vgl. z.B. das American Law Institute (ALI) mit den Principles of Corporate Governance: Analysis and Recommendations, 1994, und dazu Hopt in Hommelhoff/Rowedder/Ulmer, Max Hachenburg, 3. Gedächtnisvorlesung, 2000, S. 9, 14 ff., oder das European Corporate Governance Institut (ECGI) in Brüssel. 11 Siehe z.B. die Corporate Governance Rules der New York Stock Exchange vom 4.11.2003; www.nyse.com. 12 Vgl. z.B. die zahlreichen Ausführungsbestimmungen der SEC zum Sarbanes-Oxley Act von 2002, dazu die Übersicht von Lanfermann/Maul, DB 2003, 349.
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tionale Organisationen wie die OECD und die Weltbank haben sich mit der Thematik befasst. Von der OECD wurden 1999 vielbeachtete Grundsätze der Corporate Governance aufgestellt, die vor allem den Unternehmen und Regierungen in Ländern mit einer sich erst entwickelnden Marktwirtschaft als Leitfaden für die Unternehmenspraxis und die Gesetzgebung dienen sollen1. In der aktualisierten Fassung von 2004 werden Themen wie die Verbesserung von Rechnungslegung und Abschlussprüfung sowie die Präzisierung der Pflichten und der Unabhängigkeit externer Board-Mitglieder aufgegriffen2. Außerdem werden Fragen behandelt, die sich bei Konzernverbindungen ergeben wie z.B. die Offenlegung von gruppeninternen Geschäftsbeziehungen. Auch wenn sich die OECD-Grundsätze nicht als übernationaler Modell-Kodex, sondern nur als Mindeststandards verstehen, dürften sie einen gewissen Anpassungsdruck auf die bestehenden nationalen Kodizes ausüben. 25
Die inhaltlichen Schwerpunkte dieser global geführten Diskussion sind, von nationalen Besonderheiten abgesehen, weitgehend ähnlich. Im Vordergrund steht die Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung gegenüber den Aktionären und sonstigen „stakeholdern“. Bei der Besetzung des Board und seiner Ausschüsse wird die Bedeutung unabhängiger Mitglieder betont. Dabei wird die Unabhängigkeit unterschiedlich definiert; auch die erforderliche Anzahl solcher Mitglieder wird unterschiedlich gesehen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Zuverlässigkeit der Berichterstattung gegenüber dem Kapitalmarkt sowie die Verschärfung der Haftung des Managements für richtige und vollständige Informationen. Weitere Themen sind die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, die Vergütung des Management sowie die Offenlegung von Geschäftsbeziehungen mit verbundenen Parteien. b) Entwicklung nationaler Kodizes
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In Europa wurden in den 90er Jahren zahlreiche Kommissionen eingesetzt, die sich mit Fragen der Corporate Governance in dem jeweiligen Land beschäftigt haben. Eine Vorreiterrolle hat dabei Großbritannien gespielt. Dort haben nacheinander mehrere Ausschüsse einzelne Aspekte der Corporate Governance untersucht und dazu jeweils ausführliche Berichte mit konkreten Handlungsempfehlungen erstellt3. Diese Empfehlungen wurden 2000 zunächst zu dem so genannten Combined Code of Best Practice zusammengeführt4. Aufgrund weiterer Ausschussberichte5 wurde dieser Kodex überarbeitet. Er wurde 2003 von der Börsenaufsicht als Combined Code on Corporate Governance verabschiedet. Die Befolgung der Grundsätze dieses Kodex ist zwar nicht Pflicht; sie wird aber allen britischen Gesellschaften nahegelegt, deren Aktien an der Londoner Börse gehandelt werden. Eine gewisse faktische Bindung an diese Grundsätze ergibt sich dabei daraus, dass die Gesellschaften ihrem Jahresabschluss eine Erklärung beifügen müssen, aus der sich ergibt, wie sie die Grundsätze 1 Seibert, AG 1999, 337, 340 ff. 2 Siehe dazu Uwe H. Schneider, AG 2004, 429 sowie die Stellungnahme des IDW in WPg 2004, 215. 3 Vgl. Cadbury Report von 1992, insbesondere zu den Aufgaben und der Zusammensetzung des board; Greenbury Report von 1995 zur Vergütung der Board Members und der Führungskräfte; Hampel Report von 1998, insbesondere zu den Erfahrungen aus dem Cadbury Konzept; Turnbull Proposals von 1999 zur Verbesserung der internen Kontrolle. 4 The Combined Code: Principles of Good Governance and Code of Best Practice, derived by the Committee on Corporate Governance from the Committee’s final report and from the Cadbury and Greenbury Reports, May 2000. 5 Higgs Report (Review on the role and effectiveness of non-executive directors, Januar 2003) und Smith Report (Audit Committees Combined Code Guidance, Januar 2003); siehe zu diesen Berichten auch Just, RIW 2004, 199.
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des Kodex anwenden. Außerdem müssen sie bestätigen, dass sie entweder diese Grundsätze befolgt haben oder, wenn dies nicht der Fall ist, begründen, warum sie abgewichen sind („comply or explain“)1. Auch wenn der Kodex nicht rechtsverbindlich ist, stellt er damit in Großbritannien faktisch die wichtigste Rechtsquelle für die Corporate Governance börsennotierter Gesellschaften dar. In anderen Ländern Europas hat es ähnliche Kommissionen gegeben, die sich ebenfalls mit den verschiedenen Aspekten der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften befasst haben. Auf diese Weise verfügen inzwischen die meisten Mitgliedsländer der EU über einen oder mehrere nationale Corporate Governance Kodizes oder verwandte Regelwerke2. Diese Kodizes oder Kommissionsberichte enthalten vielfach allerdings nur unverbindliche Empfehlungen, deren Befolgung den Unternehmen freisteht. Dies gilt z.B. für die beiden Viénot-Berichte3 in Frankreich, die inzwischen von dem Bouton-Bericht4 abgelöst wurden, oder für die Niederlande mit dem Peters Report von 19975. Auch der Schweizer Code of Best Practice von 2001 und der österreichische Corporate Governance Kodex von 2002 sind freiwillige Selbstregulierungen. Dagegen folgt der Deutsche Corporate Governance Kodex von 2002 dem britischen Vorbild. Die Befolgung der Empfehlungen dieses Kodex ist zwar ebenfalls freiwillig. Die börsennotierten Gesellschaften müssen aber jährlich erklären, ob sie die Empfehlungen des Kodex beachtet haben oder nicht und ob sie dies künftig tun wollen. Abweichungen vom Kodex sind offenzulegen und in einem Corporate Governance Bericht zu begründen6.
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Angesichts der Vielfalt europäischer Corporate Governance Kodizes stellt sich die Frage, ob und wie innerhalb der EU eine Harmonisierung auf diesem Gebiet erreicht werden kann. Zu diesem Zweck hat die EU-Kommission eine vergleichende Studie der Corporate Governance Kodizes erstellen lassen, die im Januar 2002 vorgelegt wurde7. Eine von der EU-Kommission eingesetzte Expertengruppe von Gesellschaftsrechtler hat ergänzend untersucht, inwieweit eine Vereinheitlichung dieser Kodizes möglich ist. In ihrem Abschlussbericht vom 4.11.20038 hat die Expertengruppe festgestellt, dass im Gesellschaftsrecht der Mitgliedstaaten der EU noch zu große Unterschiede vorhanden sind und es deshalb nicht sinnvoll erscheint, einheitliche europäische Corporate Governance Regeln aufzustellen. Der entscheidende Anstoß zur Entwicklung solcher Regeln solle zudem vom Markt, also von den Gesellschaften, den Investoren und den Börsen kommen. Allerdings empfiehlt die Gruppe, dass jeder Mitgliedstaat der EU einen nationalen Corporate Governance Kodex als maßgebend bestimmt. Die Weiterentwicklung dieser Kodizes solle sodann auf freiwilliger Basis koordiniert werden. Dieser Analyse hat sich die EU-Kommission im
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1 Vgl. Ziff. 4 der Präambel des Combined Code. 2 Vgl. die Übersichten über die verschiedenen nationalen Corporate Governance Berichte und Kodizes in der vergleichende Studie von Weil, Gotshal & Manges LLP vom Januar 2002, Comparative Matrix of Corporate Governance Codes relevant to the European Union and its Member States, sowie auf der website des European Corporate Governance Institute (www.ecgi.org). 3 Viénot-Bericht I von 1995 und Viénot-Bericht II von 1999. 4 Pour un meilleur gouvernement des entreprises cotées: Rapport du groupe de travail présidé par Daniel Bouton vom 23.9.2002. 5 Peters Report & Recommendations, Corporate Governance in the Netherlands, 27.6.1997. 6 § 161 AktG und Ziff. 3.10 des Deutschen Corporate Governance Kodex. 7 Siehe die Studie von Weil, Gotshal & Manges LLP vom Januar 2002, Comparative Matrix of Corporate Governance Codes relevant to the European Union and its Member States. 8 Vgl. das Konsultationspapier der Hochrangigen Expertengruppe auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts vom 4.11.2002, unter Ziff. 6, abrufbar auf der website der EU-Kommission, www.europa.eu.int/comm/internal_market/en/company/company/modern/consult/reporten.pdf.
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Grundsatz angeschlossen. Allerdings will sie die Koordinierung der nationalen Kodizes durch ein Europäisches Corporate-Governance-Forum fördern1. c) Entwicklung in Deutschland 29
In Deutschland wurden Corporate Governance Grundsätze lange Zeit abgelehnt. Grund dafür war die Überzeugung, dass das Aktienrecht ausreichende rechtliche Rahmenregeln enthält, die zudem – anders als das angelsächsische Gesellschaftsrecht – weitgehend zwingendes Recht darstellen2. Mit diesem gesetzlichen Regelungsansatz ist zugleich ein einheitlicher Standard für alle Aktiengesellschaften gewährleistet, wobei – soweit sinnvoll – zwischen börsennotierten und nicht notierten Aktiengesellschaften differenziert wird. Soweit sich dieser Standard im einzelnen als verbesserungsbedürftig erweist, können Verbesserungen ohne weiteres im Aktiengesetz selbst vorgenommen werden, wie dies auch mehrfach geschehen ist3. Der wesentliche Inhalt des Aktienrechts sollte zudem nicht privater „Normsetzung“ überlassen bleiben, sondern ist Teil des staatlich gesetzten Ordnungsrahmens der Wirtschaft4. Soweit ein Kodex gesetzliches Recht nur wiederholt, ist er überflüssig. Soweit er das Gesetz ergänzt, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zu den gesetzlichen Regelungen. Für die Adressaten ist schließlich jede Art von Regeln, auch wenn sie sich als „Selbstregulierung“ versteht, eine zusätzliche Regulierung. Entlastet werden dadurch nicht die Unternehmen, sondern allenfalls der Gesetzgeber5.
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Diese grundsätzliche Kritik hat die Entwicklung von deutschen Corporate Governance Regeln allerdings nicht aufhalten können. Zu groß war das Bedürfnis, den Erwartungen und Gewohnheiten internationaler Investoren entgegen zu kommen. Dabei spielt auch eine Rolle, dass das deutsche dualistische System der Unternehmensführung ausländischen Anlegern vielfach fremd vorkommt. Ein Deutscher Corporate Governance Kodex kann deshalb auch dazu dienen, das deutsche System verständlicher zu machen.
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Diese Überlegungen wurden zunächst von privater Seite aufgegriffen. In Frankfurt/ Main schloss sich eine Gruppe von Wissenschaftlern und Praktikern6 zu der so genannten Grundsatzkommission Corporate Governance zusammen, die im Januar 2000 einen von ihr erarbeiteten Code of Best Practice veröffentlichte7. Darin wurden allgemeine Führungsgrundsätze aufgestellt und vor allem die Rolle des Aufsichtsrates betont. Kurz darauf stellte in Berlin eine ähnliche Gruppe (so genannter Berliner Ini-
1 Vgl. Aktionsplan der EU-Kommission zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance vom 21.5.2003 unter Ziff. 3.1.4 und ABl. EG Nr. L 321 v. 22.10.2004, S. 53. 2 Vgl. § 23 Abs. 5 AktG. 3 In diesem Sinne die Kritik des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2001, 181, und von Hüffer, § 76 AktG Rz. 15b an einem deutschen Corporate Governance Kodex. 4 Vgl. Claussen/Bröcker, AG 2000, 481, 482 f. 5 Vgl. Hüffer, § 76 AktG Rz. 15c. 6 Professoren Baums, Feddersen, Nonnenmacher, von Rosen, Uwe H. Schneider sowie die Herren Hartmann, R. Koehler, Hocker, Schindelhauer und Strenger. 7 Januar 2000 mit geänderter Fassung vom Juli 2000, DB 2000, 238; dazu Uwe H. Schneider/ Strenger, AG 2000, 106, 109.
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tiativkreis)1 einen German Code of Corporate Governance2 vor, der den Akzent stärker auf den Vorstand und betriebswirtschaftliche Aspekte setzte. Daneben gab es einige Unternehmen wie z.B. die Deutsche Bank AG, die eigene, auf die Besonderheiten der jeweiligen Gesellschaft zugeschnittene Corporate Governance Grundsätze veröffentlichten. Neben diesen privaten Initiativen hat die Bundesregierung eine Regierungskommission Corporate Governance eingesetzt, die das deutsche System der Unternehmensführung untersuchen und Vorschläge zur Verbesserung erarbeiten sollte3. Diese Kommission legte im Juli 2001 ihren Bericht mit zahlreichen Vorschlägen zur Änderung des deutschen Aktien- und Kapitalmarktrechts vor4. Ein Vorschlag ging dahin, einen einheitlichen deutschen Corporate Governance Kodex zu erstellen. Dazu solle eine weitere Kommission gebildet werden, die sich mit der Ausarbeitung und Weiterentwicklung eines solchen Kodex befasst. Die Kommission schlug außerdem eine Reihe von Gesetzesänderungen vor. Mit dem Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) vom 25.7.20025 wurde ein erster Teil dieser Vorschläge umgesetzt. Weitere Teile folgen mit dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und zur Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG)6.
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Zur Ausarbeitung eines deutschen Corporate Governance Kodex wurde die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex gebildet7. Diese Kommission hat im Februar 2002 den Deutschen Corporate Governance Kodex beschlossen, der im August 2002 vom BMJ veröffentlicht wurde und seitdem wirksam ist. Die Aufgabe dieser Kodex-Kommission hat sich damit nicht erledigt. Die Kommission ist vielmehr als Dauereinrichtung vorgesehen; sie soll den Kodex jährlich überprüfen und erforderlichenfalls an neuere Entwicklungen anpassen. Inzwischen hat die Kommission den Kodex bereits mehrfach geändert, indem einzelne Empfehlungen an die gesetzliche Entwicklung angepasst und neue Empfehlungen in den Kodex aufgenommen wurden8.
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1 Diesem Kreis gehörten an: Prof. v. Werder, Graf Henckel von Donnersmarck, Prof. W. Bernhardt, Dr. Grosche, Nelles, Dr. Peltzer, Prof. Pohle, Dr. Titzrath; hinzugezogen wurden außerdem die Herren Dürr und Dr. E. F. Schröder. 2 Vom 6.6.2000, abgedruckt in DB 2000, 1573 ff.; dazu v. Werder (Hrsg.), German Code of Corporate Governance (GCCG), 2000; Peltzer/v. Werder, AG 2001, 1 und Pohle/v. Werder, DB 2001, 1101. 3 Vorsitzender Prof. Baums, weitere Mitglieder Dr. Achleitner, Bury, Dr. Eick, Andrea Fischer, Dr. Geiger, Dr. Hartmann, Prof. Henzler, Hocker, Koch-Weser, Kopper, Prof. Lutter, Prof. Nonnenmacher, Putzhammer, Schindelhauer, Gerhard Schmid, Schmoldt, Dr. Seifert, Stiegler, Strenger, Dr. Tacke, Margareta Wolf, Zwickel. 4 Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance – Unternehmensführung Unternehmenskontrolle Modernisierung des Aktienrechts, 2001; zusammenfassender Bericht von Baums in Hommelhoff/Lutter/Schmidt/Schön/Ulmer (Hrsg.), Corporate Governance, ZHR-Beiheft 71, 2002, S. 13 sowie von Lutter in Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2001, 2002, S. 47; siehe auch die Würdigung durch Hopt in Hommelhoff/Lutter/Schmidt/Schön/Ulmer (Hrsg.), Corporate Governance ZHR-Beiheft 71, 2002, S. 27 sowie die Stellungnahme des DAV Handelsrechtsausschusses in BB 2003, Beilage 4. 5 BGBl. I 2002, 2681. 6 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom. 7 Vorsitz bis 30.6.2008 Dr. Cromme, ab 1.7.2008 Prof. K.-P. Müller, weitere Mitglieder der Kommission sind (seit 1.7.2008) Frau Weber-Rey sowie die Herren Dr. Achleitner, Dr. Gelhausen, Hocker, Kley, Potthoff, Putzhammer, Strenger, Schatz, Dr. Wiedeking und Prof. v. Werder. 8 Vgl. die Übersicht über die Änderungen des Kodex auf der Internetseite der Regierungskommission Corporate Governance (www.corporate-governance-code.de).
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§2 34
Einführung
Charakteristisch für den deutschen Corporate Governance Kodex ist, dass die Befolgung seiner Empfehlungen zwar freiwillig ist. Die börsennotierten Gesellschaften sind aber gemäß § 161 AktG gesetzlich verpflichtet, alljährlich zu erklären, ob den Empfehlungen des Kodex „entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden“ (so genannte Entsprechenserklärung). Der Kodex ergänzt diese Verpflichtung um die Empfehlung, jährlich im Geschäftsbericht über die Corporate Governance des Unternehmens zu berichten und dabei eventuelle Abweichungen von den Empfehlungen des Kodex zu erläutern1. Eine Pflicht zur Begründung von Abweichungen wird sich künftig unmittelbar aus § 161 AktG ergeben2. Im Ergebnis entspricht dieses System dem britischen „comply or explain“ Konzept. Zu weiteren Einzelheiten des Kodex siehe Rz. 42 ff. und der Entsprechenserklärung Rz. 62 ff. 5. Bewertung guter Corporate Governance a) Bewertung durch den Kapitalmarkt
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Nach verbreiteter Auffassung führt die Beachtung guter Corporate Governance zu einer Steigerung des Unternehmenswertes am Kapitalmarkt. In welchem Umfang dies geschieht, ist allerdings unklar und empirisch kaum nachweisbar. Laut einer Umfrage von McKinsey sind die Anleger bereit, für die Aktien eines gut geführten Unternehmens eine Prämie zu zahlen, die bei deutschen Unternehmen bis zu 20 % betragen soll3. Aus derartigen Meinungsäußerungen lassen sich allerdings kaum allgemein gültige Zusammenhänge ableiten. Dazu sind die Einzelaspekte guter Corporate Governance und ihre Wechselwirkungen viel zu komplex. Der Erfolg eines Unternehmens beruht auch auf zahlreichen anderen Faktoren außerhalb der Corporate Governance4. Neuere Untersuchungen zum Deutschen Corporate Governance Kodex haben dementsprechend ergeben, dass der Inhalt der Entsprechenserklärungen gemäß § 161 AktG keinen nennenswerten Einfluss auf den Börsenkurs hat5.
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Nach verschiedenen Studien soll sich eine gute Corporate Governance zumindest in einem höherem Aktienkurs und damit niedrigeren Eigenkapitalkosten niederschlagen6. Inwieweit solche Studien nicht nur theoretische Überlegungen wiedergeben, hängt u.a. auch davon ab, ob der Kapitalmarkt die interne Corporate Governance eines Unternehmens überhaupt hinreichend beurteilen kann. Dazu wird eine Analyse der öffentlich zugänglichen Informationen häufig nicht ausreichen. Notwendig sind vielmehr auch Informationen darüber, wie innerhalb des Unternehmens eine gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung tatsächlich gelebt wird. Dem Kapitalmarkt auch diesen Einblick zu vermitteln, ist eine Aufgabe, die in den Unternehmen vor allem den Investor Relations-Abteilungen zufällt.
1 Ziff. 3.10 Satz 2 des Kodex. 2 Vgl. § 161 AktG i.d.F. des RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) vom 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067. 3 Coombes/Watson, Three Surveys on Corporate Governance, in The McKinsey Quarterly, 4/2000, S. 74 ff.; ähnlich das Ergebnis in McKinsey Global Investor Survey, July 2002; dazu u.a. Hopt, Beiheft ZHR 71 (2002), 27, 52; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 168 sowie Wels/Scholz, Corporate Governance wird zum Schlüsselkriterium für Investoren, FAZ vom 8.7.2002, S. 18. 4 v. Werder in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 3, 20 f. 5 Nowak/Rott/Mahr, ZGR 2005, 252 ff; vgl. auch Bernhardt, BB 2008, 1686, 1690 f. 6 Drobetz/Schillhofer, Gute Coporate Governance senkt die Kapitalkosten, FAZ v. 13.1.2002, S. 20.
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Corporate Governance b) Bewertung durch Anleger und spezielle Ratingagenturen
Da eine gute Corporate Governance für die Unternehmen selbst wie für alle Anleger von großem Interesse ist, wird zunehmend versucht, die Corporate Governance der börsennotierten Gesellschaften zu bewerten1. In den USA sind es vor allem die institutionellen Anleger, die Richtlinien für die Bewertung der Unternehmen bzw. ihr Führungsgremium (board) entwickelt haben2. Dabei wird jährlich eine Liste mit den Gesellschaften veröffentlicht, die bei der regelmäßigen Überprüfung am schlechtesten abschneiden. Außerdem werden an das Management dieser Gesellschaften konkrete Forderungen gerichtet. Werden diese nicht erfüllt, so führt dies zu Kritik in der Aktionärsversammlung oder zu einem demonstrativen Verkauf der Anteile3.
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Um die Corporate Governance unterschiedlicher Unternehmen vergleichbar zu machen, müssen Kriterien entwickelt werden, die als „benchmark“ für alle vergleichbaren Unternehmen gelten. Als Sollgrößen für deutsche Gesellschaften können insbesondere die Empfehlungen und Anregungen des Deutschen Corporate Governance Kodex herangezogen werden. Diesen ist die jeweilige Umsetzung dieser Standards im Unternehmen und deren Überwachung als Ist-Zustand gegenüberzustellen. In einem weiteren Schritt sind die Ergebnisse dieses Vergleichs auszuwerten und erforderlichenfalls in geeignete Verbesserungsmaßnahmen umzusetzen. Ein solcher mehrstufiger Evaluierungsprozess kann nicht nur für die Anleger, sondern auch für die Unternehmen selbst von Nutzen sein.
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Einen ersten Versuch einer externen Corporate Governance Bewertung hat in Deutschland die Berufsvereinigung der Analysten, die DVFA4, unternommen. Sie hat dazu eine so genannte Score Card entwickelt, die, orientiert an den Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex, eine Reihe von Kriterien auflistet, deren Vorliegen mit bestimmten Punkten bewertet wird. Dieses Bewertungsraster soll vor allem ausländischen Investoren und Analysten, aber auch den Unternehmen selbst helfen, die jeweiligen Führungsgrundsätze kritisch zu prüfen5. In der Praxis spielt dieses sehr schematische Verfahren bislang jedoch nur eine begrenzte Rolle6.
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Eine andere Linie der aktuellen Entwicklung geht dahin, die Corporate Governance der Unternehmen einem umfassenderen Rating zu unterwerfen, das mehr oder weniger einheitlich für alle börsennotierten Unternehmen, auch in verschiedenen Ländern, anwendbar ist. So gibt es eine Reihe von Firmen, die solche Bewertungen anhand von zum Teil sehr umfangreichen Kriterienkatalogen anbieten7. Da einheitliche globale oder europäische Standards fehlen, wird dabei meist auf international anerkannte Grundsätze zurückgegriffen, wie sie etwa in den Corporate Governance Principles der OECD niedergelegt sind. Aus diesen Grundsätzen wird ein Analysegitter mit thematischen Schwerpunkten (z.B. Rechte und Pflichten der Aktionäre, Bekenntnis zum Shareholder value, Transparenz, Board Struktur) entwickelt. Als Ergebnis der
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1 Vgl. Zur Schweiz Drobetz/Zimmermann in FS Hartmut Schmidt, 2006, S. 493 ff. 2 Vgl. z.B. CalPERS, U. S. Corporate Governance Principles, 1998. 3 Vgl. dazu Brinkner/Muth, Einfluss institutioneller Anleger auf börsennotierte Unternehmen wächst, FAZ v. 11.11.2003, S. 6. 4 Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management, Arbeitskreis Corporate Governance unter dem Vorsitz von Prof. Böcking. 5 Siehe dazu Strenger in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 697, 700. 6 Zu einem anderen Bewertungsmodell siehe Nowak/Rott/Mahr, WPg 2004, 998. 7 Siehe die Übersicht bei Strenger in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 697, 713 sowie die vergleichende Analyse von Bassen in FS Hartmut Schmidt, 2006, S. 529 ff.
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Analyse wird ein Rating-Bericht geliefert, der auf Wunsch des Kunden – institutionelle Investoren, D&O Versicherungen, Unternehmen und Anwälte – veröffentlicht wird1. Mit solchen Berichten ist in Zukunft vermehrt zu rechnen. Dabei ist – entsprechend der Entwicklung beim Kreditrating – zu erwarten, dass derartige Berichte auch ohne Mitwirkung der betroffenen Unternehmen erstellt und veröffentlicht werden. c) Bewertung durch Kreditgeber 41
Eine gute Corporate Governance kann auch ein Aspekt sein, der bei der Kreditvergabe nach den Vorgaben von Basel II eine Rolle spielt2. Immerhin handelt es sich um einen wichtigen Faktor bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit. Im Vordergrund der Kreditwürdigkeitsprüfung stehen allerdings quantitativ messbare Faktoren wie Ertragskraft, Liquidität, Kapitalisierung und Bilanzrelationen. Die eher „weichen“ Faktoren der Corporate Governance wie z.B. die Qualität des Managements lassen sich im Rahmen eines schematischen Ratingverfahrens allenfalls als Nebenaspekt unterbringen, wobei zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass es sich dabei um vorwiegend subjektive Einschätzungen handelt.
II. Der Deutsche Corporate Governance Kodex 1. Funktionsweise des Kodex 42
Eines der Hauptziele des am 26.2.2002 veröffentlichten Deutschen Corporate Governance Kodex ist es, die in Deutschland geltenden Grundsätze guter Corporate Governance kurz und knapp zusammenzufassen. Der weit überwiegende Teil des Kodex besteht deshalb in einer Wiedergabe des geltenden, über mehrere Gesetze, insbesondere AktG, HGB, WpHG, WpÜG und die verschiedenen Mitbestimmungsgesetze verstreuten Rechts. Diese Wiedergabe ist zwangsläufig verkürzt und lediglich als Überblick gedacht3. Der Kodex dient damit der Information über das System der Unternehmensführung in Deutschland, vor allem für ausländische Investoren4. Er liegt deshalb auch in englisch, französisch, italienisch und spanisch vor.
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Darüber hinaus wendet sich der Kodex mit zurzeit 84 Verhaltensempfehlungen und 20 Anregungen5 an die Vorstände und Aufsichtsräte der börsennotierten AG und KGaA. Die Empfehlungen sind mit „soll“ gekennzeichnet. Bei den Anregungen heißt es im Kodex „sollte“ oder „kann“. Weder die Empfehlungen noch die Anregungen sind für die Adressaten des Kodex verbindlich. Bezüglich der Empfehlungen sind die Unternehmen aber verpflichtet, jährlich dem Kapitalmarkt gegenüber zu erklären, ob den Empfehlungen „entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden“. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 161 AktG, der zur Umsetzung des Kodex im Rahmen des Transparenz- und Publizitätsgesetzes vom 19.7.20026 in das AktG eingefügt worden ist. Die ersten so genannten Entsprechenserklärungen mussten noch im Jahre 2002 abgegeben werden; sie konnten sich auf die Erklärung beschränken, welchen Empfehlungen „entsprochen wird oder wel1 Siehe dazu Murtfeld, RATINGaktuell, 5/2003, 16 ff. 2 Siehe dazu Kollmann, WM Sonderbeilage Nr. 1/2003, 1, 3. 3 Zu einzelnen inhaltlichen Ungenauigkeiten siehe Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 366 f. und Seidel, ZIP 2004, 285, 292 f. 4 Vgl. Abs. 1 der Präambel des Kodex. 5 Nach dem Stand der Kodex-Änderungen vom 6.6.2008. 6 BGBl. I 2002, 2681.
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che Empfehlungen nicht angewendet werden“1. Alle nachfolgenden Entsprechenserklärungen müssen neben der Absichtserklärung für die Zukunft auch eine Erklärung zur Befolgung des Kodex in der Vergangenheit enthalten. Ergänzend zu der Verpflichtung, sich zur Befolgung des Kodex zu erklären, sieht der Kodex in Ziff. 3.10 vor, dass eventuelle Abweichungen von den Kodexempfehlungen im Geschäftsbericht erläutert werden. Auch wenn es sich dabei nur um eine Empfehlung des Kodex handelt, die nicht zwingend befolgt werden muss, entspricht dieses System im Ergebnis weitgehend dem Vorbild des „comply or explain“ nach englischem Recht.
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2. Verhältnis der Kodexempfehlungen zum Gesetzesrecht Die Empfehlungen des Kodex sind keine Rechtsquelle2. Sie sind nicht von einer staatlichen Stelle, sondern einem privaten Gremium beschlossen worden. Sie werden zwar vom Bundesjustizministerium bekanntgemacht und erst dadurch wirksam3. Die Rechtskontrolle, die das Ministerium dabei ausübt4, verleiht den Kodex-Empfehlungen aber keinen normativen Charakter. Die Empfehlungen stellen auch keine Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabes der §§ 93 Abs. 1 Satz 1, 116 Satz 1 AktG dar5. Nach seiner Präambel enthält der Kodex zwar allgemein anerkannte Standards guter Unternehmensführung. Die verbindliche Konkretisierung gesetzlicher Bestimmungen ist aber den Gerichten vorbehalten6. Die Empfehlungen sind auch kein Handelsbrauch im Sinne von § 346 HGB, da es jedenfalls aus heutiger Sicht an einer langjährigen Übung fehlt7. Bisweilen werden die Empfehlungen des Kodex als „soft law“ bezeichnet8. Mit dieser – interpretationsbedüftigen – Bezeichnung ist allerdings nicht mehr gesagt als dass es sich um Verhaltensregeln unterhalb verbindlicher Rechtsnormen handelt.
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Eine mit den Kodex-Empfehlungen vergleichbare Regulierung stellen die Standards für die Konzernrechnungslegung dar, die gemäß § 342 HGB vom Deutschen Rechnungslegungsstandardisierungsrat beschlossen und vom Bundesjustizministerium amtlich bekannt gemacht werden. Die Zusammensetzung des Standardisierungsrates und das Verfahren seiner Entscheidungsfindung sind allerdings gesetzlich geregelt. Bei der Kodex-Kommission fehlen entsprechende Regelungen. Deshalb wird die Auffassung vertreten, die Empfehlungen des Kodex oder § 161 AktG seien mit dem Rechtsstaats- oder Demokratiegebot (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 und 22 Abs. 2 GG) nicht verein-
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1 § 15 EGAktG. 2 Siehe dazu näher Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 160 und Bachmann, WM 2002, 2137, 2139 sowie LG München I v. 22.11.2007 – 5 HK O 10614/07, ZIP 2007, 2360, 2361. 3 Vgl. § 161 AktG. 4 Dazu näher Seibert, BB 2002, 581, 582 sowie Seidel, ZIP 2004, 285, 288, der den Kodex der Bundesregierung zurechnen will. 5 Bachmann, WM 2002, 2137, 2139; Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1571; Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353, 355; a. A. wohl Schüppen, ZIP 2002, 1269, 1271. 6 Hommelhoff/Schwab in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 51, 57. 7 Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1571; Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353, 355; Hommelhoff/ Schwab in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 51, 56; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 176 f. 8 Vgl. z.B. Pressemitteilung des BMJ vom 20.8.2002; Schüppen, ZIP 2002, 1268, 1278 und E. Vetter, DNotZ 2003, 748, 754; kritisch dazu Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 161 und Bachmann, WM 2002, 2137, 2142.
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bar1. Diese Kritik ist im Ergebnis nicht berechtigt, weil die Empfehlungen des Kodex keine unmittelbare rechtliche Relevanz haben. Soweit von Empfehlungen abgewichen wird, ist dies für die Adressaten mit keinen rechtlichen Nachteilen verbunden2. Die Verpflichtung, sich zu den Empfehlungen zu erklären, ergibt sich aus dem Gesetz (§ 161 AktG) und ist damit ausreichend legitimiert. 3. Stand des Kodex in der internationalen Diskussion 47
Ein wichtiges Anliegen des Kodex besteht darin, die Führung der börsennotierten Unternehmen zu verbessern und an internationale Standards anzugleichen. Im Kodex werden deshalb gezielt Punkte angesprochen, die als Schwachstellen des deutschen Systems empfunden werden. So wird entsprechend der Erwartung internationaler Anleger betont, dass es die Aufgabe des Vorstandes ist, den Unternehmenswert nachhaltig zu steigern (Ziff. 4.1.1). Im AktG steht diese Ausrichtung der Unternehmensführung nicht; sie ist mit dem Rentabilitätsgrundsatz aber durchaus vereinbar. Mit der Betonung der Nachhaltigkeit wird zugleich einem kurzfristigen Shareholder ValueDenken eine Absage erteilt3. Im Übrigen bleiben Vorstand und Aufsichtsrat auf das Unternehmensinteresse verpflichtet (Ziff. 4.1.1 und 5.1.1).
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Das duale Führungssystem wird so dargestellt, dass Vorstand und Aufsichtsrat eng zusammenarbeiten (Ziff. 3.1) und der Aufsichtsrat in alle grundlegenden Entscheidungen eingebunden ist (Ziff. 5.1.1). Dies bedeutet eine Annäherung an das monistische System, entspricht aber nicht durchweg der (noch) bestehenden Praxis. Die paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat, für die vor allem bei angelsächsischen Investoren wenig Verständnis besteht, wird im Kodex nur in der Präambel erwähnt und damit in ihrer Bedeutung eher heruntergespielt. Dabei besteht weitgehend Einigkeit, dass die Mitbestimmung in der derzeitigen Ausprägung einer guten Corporate Governance eher im Wege steht.
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Während sich das Aktiengesetz mit Interessenkonflikten von Vorstands- und Aufsichtsratsgliedern nur vereinzelt befasst4, werden diese vom Kodex nach angelsächsischem Vorbild generell angesprochen (Ziff. 4.3 und 5.5). Der Kodex empfiehlt die Offenlegung von Interessenkonflikten innerhalb des Organs sowie beim Vorstand auch gegenüber dem Aufsichtsrat und beim Aufsichtsrat auch gegenüber der Hauptversammlung (Ziff. 4.3.4, 5.5.2, 5.5.3). Vor allem die Berichterstattung über die Behandlung von Interessenkonflikten im Aufsichtsrat in dessen Bericht an die Hauptversammlung hat zu einer erhöhten Aufmerksamkeit geführt5. Dies gilt für die Auswirkung etwaiger Mängel auf die Beschlussfassung über die Entlastung6 ebenso wie für die Haftungsfreistellung gemäß §§ 93 Abs. 1 Satz 2, 116 Satz 1 AktG7. 1 Hommelhoff/Schwab in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 51, 60; Seidel, NZG 2004, 1095; Wolf, ZRP 2002, 59, 60; kritisch auch Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353, 355; Seibt, AG 2002, 249, 250; Kiethe, NZG 2003, 559, 560; gegen die verfassungsrechtlichen Bedenken ausführlich Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/ v. Werder, Rz. 51 ff. und Heintzen, ZIP 2004, 1933 ff. 2 Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 164. 3 Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Rz. 608. 4 Vgl. §§ 88, 89, 100, 105, 114 AktG; siehe auch die Übersicht von Kort, ZIP 2008, 717 ff. 5 Vgl. E. Vetter, ZIP 2006, 257, 261; Lutter, AG 2008, 1, 9. 6 Vgl. z.B. LG München I v. 16.8.2007 – 5 HK O 17682/06, BB 2008, 581 zur Nichtigerklärung der Entlastung des Aufsichtsrates wegen fehlender Berichterstattung an die Hauptversammlung; siehe dazu auch Peltzer in FS Priester, 2007, S. 573, 587 f. 7 Dazu näher Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 68; Lutter, ZIP 2007, 841, 847; Lutter in FS Canaris, 2007, S. 245, 248 ff.; einschränkend Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 15.
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Zur Zusammensetzung der Aufsichtsrates verlangt der Kodex neben der erforderlichen fachlichen Qualifikation (Ziff. 5.4.1), dass dem Aufsichtsrat auch eine nach seiner Einschätzung ausreichende Anzahl unabhängiger Mitglieder angehört (Ziff. 5.4.2 Satz 1). Diese Empfehlung gilt praktisch nur für die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat. Ein Aufsichtsratsmitglied ist dabei dann als unabhängig anzusehen, wenn es in keiner geschäftlichen oder persönlichen Beziehung zu der Gesellschaft oder deren Vorstand steht (Ziff. 5.4.2 Satz 2)1. Auf internationaler Ebene spielt die Unabhängigkeit der non-executives und die Auseinandersetzung mit den Anforderungen an diese Unabhängigkeit eine zentrale Rolle. Diese Diskussion passt auf das deutsche Recht nur eingeschränkt, weil mit der hier vorgeschriebenen Aufgabenverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat bereits ein System der „Checks and Balances“ besteht, das sich grundsätzlich bewährt hat2. Angesichts der verschärften Anforderungen an die Unabhängigkeit, wie sie durch den Sarbanes Oxley Act (siehe dazu näher unten Rz. 88 ff.) eingeführt wurden und auch von der EU-Kommission3 befürwortet werden, wird dieses Thema in Deutschland aber weiter diskutiert werden müssen4. Dies gilt umsomehr, als nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz die Unabhängigkeit mindestens eines Mitglieds des Aufsichtsrats oder Prüfungsausschusses auch ein gesetzliches Postulat ist5. Um jedenfalls eine sachgerechte Auswahl der Kandidaten zu gewährleisten, empfiehlt der Kodex die Einrichtung eines Nominierungsausschusses (Ziff. 5.3.3)6 und folgt damit den Empfehlungen der EU-Kommission.
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In Anlehnung an die Bedeutung des Audit Committee im angelsächsischen Rechtskreis empfiehlt der Kodex die Bildung eines Prüfungsausschusses, der ebenfalls als Audit Committee bezeichnet wird (Ziff. 5.3.2). Tatsächlich ist seine Funktion als teils vorbereitender, teils beschließender Ausschuss des Aufsichtsrats nicht gleichbedeutend mit der eines eigenständigen Audit Committee angelsächsischer Prägung7. Wichtiger ist jedoch, dass mit dem Prüfungsausschuss ein Gremium benannt ist, das sich schwerpunktmäßig mit der Rechnungslegung, der Abschlussprüfung und dem internen Risikomanagement befasst. Diese Aufgaben entsprechen weitgehend den Aufgaben, die dem Prüfungsausschuss nach der EU-Empfehlung von 2005 haben sollte8. Seine Überwachungsfunktion wird dort allerdings mit der Forderung unterstrichen, dass die Mehrheit der Ausschussmitglieder unabhängig sein sollte, während der Aufsichtsrat und seine Ausschüsse im deutschen Recht schon per se nicht Teil der Geschäftsführung sind. Im Rahmen der Umsetzung der Bestimmungen der Ab-
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1 Zur Ziff. 5.4.2 DCGK näher Lieder, NZG 2005, 569 ff. und Hüffer, ZIP 2006, 637 ff. 2 Cromme in Cromme, Corporate Governance Report 2002, S. 17, 22. 3 In ihrem Aktionsplan vom 21.5.2003 hat sich die EU-Kommission unter Ziff. 3.1.3 dafür ausgesprochen, auf EU-Ebene gewisse Mindeststandards der Unabhängigkeit zu etablieren. Diese werden in einem Anhang II zu der „Empfehlung zur Stärkung der Rolle von nicht geschäftsführenden Direktoren und Aufsichtsratsmitgliedern“ vom 6.10.2004 (ABl. EU Nr. L 52 v. 25.2.2005, S. 51) näher definiert. 4 Vgl. dazu Nagel, NZG 2007, 166 sowie Säcker, AG 2004, 180 ff. und Roth/Wörle, ZGR 21004, 565. 5 Vgl. §§ 100 Abs. 5, 107 Abs. 4 AktG i.d.F. des RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 21.5.2008, BTDrucks. 16/10067. 6 Siehe dazu näher Meder, ZIP 2007, 1538. 7 Vgl. Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Rz. 991. 8 Vgl. Anhang I Ziff. 4 der Empfehlung der Kommission vom 15.2.2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern/börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats, ABl. EG Nr. L 52 v. 25.2.2005, S. 51.
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schlussprüferrichtlinie1 muss dem Prüfungsausschuss künftig mindestens ein unabhängiges Mitglied mit Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung angehören2. Als weitere Aufgabe weist der Kodex dem Prüfungsausschuss die Befassung mit Fragen der Compliance zu. Diese Erweiterung ergibt sich aus der Nähe zum Risikomanagement3. 52
Die Frage nach der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers wird in der Ziff. 7.2 des Kodex entsprechend dem aktuellen Diskussionsstand behandelt. Der Abschlussprüfer soll dem Aufsichtsrat gegenüber alljährlich vor Erteilung des Prüfungsauftrages seine Unabhängigkeit versichern und alle im vorausgegangenen Jahr erhaltenen Zusatzaufträge einschließlich der daraus erzielten Vergütung mitteilen. Der Abschlussprüfer soll zudem verpflichtet werden, alle während der Prüfung auftretenden möglichen Ausschluss- oder Befangenheitsgründe unverzüglich offenzulegen. Außerdem soll er über die gesetzliche Redepflicht in § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB hinaus verpflichtet werden, den Aufsichtsrat über alle wesentlichen Feststellungen oder Vorkommnisse zu unterrichten, die für seine Kontrolltätigkeit wichtig sind. Nach dem Entwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes soll der Abschlussprüfer seine Unabhängigkeit in einem besonderen Abschnitt des Prüfungsberichts erklären. Außerdem soll er gesetzlich verpflichtet werden, den Aufsichtsrat oder Prüfungsausschuss über Umstände zu informieren, die seine Befangenheit besorgen lassen. Das Gleiche gilt für über die Abschlussprüfung hinaus erbrachte Zusatzleistungen4.
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Unter dem Eindruck der Verschärfungen durch den Sarbanes Oxley Act (siehe dazu unten Rz. 97) ist die Abschlussprüfung auch im deutschen Recht stärker gesetzlich reguliert worden5. So sind dem Abschlussprüfer bestimmte prüfungsnahe Beratungsdienstleistungen verboten (vgl. §§ 319 Abs. 3 Nr. 3, 319a Abs. 1 Nr. 2 HGB). Die aufgewendeten Honorare sind gemäß §§ 285 Nr. 17, 314 Abs. 1 Nr. 9 HGB offenzulegen6. Außerdem sind die gesetzlichen Ausschlussgründe erweitert worden. Neben diesen gesetzlichen Regelungen werden auch Ergänzungen des Kodex diskutiert7. Dabei geht es u.a. um eine Verdrängung des Vorstandes aus der Erteilung des Prüfungsauftrages sowie um die Besetzung des Prüfungsausschusses mit sachkundigen Mitgliedern. Zum Erfordernis der Sachkunde sieht der Entwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes vor, dass dem Aufsichtsrat oder Prüfungsausschusss mindestens ein
1 Vgl. Art. 41 der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 157 v. 9.6.2006, S. 87. 2 Vgl. §§ 100 Abs. 5, 107 Abs. 4 AktG i.d.F. des RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067 und dazu Habersack, AG 2008, 98. 3 Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 992a; zu den Aufgaben des Prüfungsausschusses insoweit auch Bürkle, BB 2007, 1797 und Weber-Rey, AG 2008, 345, 348 f. 4 Vgl. § 321 Abs. 4a HGB und § 172 Abs. 1 Satz 3 AktG i.d.F. des RegE des BilMoG vom 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067. 5 Vgl. die §§ 319, 319a HGB i.d.F. des Gesetzes zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG) vom 4.12.2004, BGBl. I 2004, 3166; zu den Anforderungen an die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers Veltins, DB 2004, 445 und Lenz, BB 2004, 707. 6 Siehe dazu auch die Änderungen nach dem RegE des BilMoG vom 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067. 7 Siehe dazu näher Baetge/Lutter (Hrsg.), Abschlussprüfung und Corporate Governance, Bericht des Arbeitskreises „Abschlussprüfung und Corporate Governance“, 2003.
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unabhängiges Mitglied angehört, das über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügt1. Die Empfehlungen des Kodex, die auf eine größere Transparenz bei der Veröffentlichung von Unternehmensdaten hinauslaufen, entsprechen den üblichen internationalen Anforderungen. Zu nennen sind hier die Veröffentlichung eines Finanzkalenders (Ziff. 6.7), die Gleichbehandlung aller Informationsempfänger (Ziff. 6.3 und 6.4; „Fair Disclosure“) und die stärkere Nutzung des Internet als Informationsmedium (Ziff. 6.4). Die frühere Empfehlung zur Offenlegung der individuellen Vergütung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder ist durch das Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen2 weitgehend obsolet geworden. Die jetzige Regelung (Ziff. 4.2.4) referiert nur noch die geltende Rechtslage. Geblieben ist aber die Empfehlung, auch die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder im Corporate Governance Bericht individualisiert auszuweisen (Ziff. 5.4.7 a. E.). Die frühere Empfehlung zur Veröffentlichung des Aktienbesitzes von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern (Ziff. 6.6) wurde weitgehend durch § 15a WpHG ersetzt. Die stärkere Nutzung des Internet wird im Zuge der Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie gesetzlich verankert werden3.
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Nur am Rande befasst sich der Kodex mit Fragen, die sich bei Konzernverbindungen ergeben. So verwendet der Kodex zwar mehrfach den Begriff „Unternehmen“, wenn er zusammen mit der Gesellschaft auch deren Konzernunternehmen meint (siehe drittletzter Absatz der Präambel). Auf die Besonderheiten des Konzerns, z.B. bei der Berichterstattung des Vorstands (Ziff. 3.4), den Zustimmungserfordernissen des Aufsichtsrats (Ziff. 3.3) oder bei Aktienoptionsplänen (Ziff. 4.2.3), geht der Kodex aber nicht näher ein4. Zur Erläuterung der Beziehungen zu „nahestehenden Personen“ wird nur auf die anwendbaren Rechnungslegungsvorschriften verwiesen (Ziff. 7.1.5)5. Diese Zurückhaltung liegt daran, dass das AktG – im Unterschied zu den meisten ausländischen Rechtsordnungen – ausführliche Regelungen zum faktischen und zum Vertragskonzern enthält. So werden die Geschäftsbeziehungen verbundener Unternehmen im faktischen Konzern im Abhängigkeitsbericht dargestellt (§ 312 AktG). Die meisten ausländischen Rechte verlangen demgegenüber eine weitergehende offene Berichterstattung, was dazu führen wird, dass sich das deutsche Rechtssystem auch insoweit erheblichem Anpassungsdruck ausgesetzt sieht.
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4. Umsetzung des Kodex in den Unternehmen Die Unternehmen können auf den Kodex auf verschiedene Weise reagieren. Sie können seine Empfehlungen vollständig oder teilweise befolgen; sie können ihn auch insgesamt ablehnen oder durch eigene Standards ersetzen6. Viele Unternehmen folgen nicht nur den meisten Empfehlungen des Kodex, sondern haben die Empfehlungen, 1 Vgl. §§ 100 Abs. 5, 107 Abs. 4 AktG i.d.F. des RegE des BilMoG vom 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067. 2 Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz – VorstOG) vom 3.8.2005, BGBl. I 2005, 2267. 3 Siehe dazu den RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) vom 6.5.2008. 4 Kritisch zur Vernachlässigung konzernbezogener Sachverhalte im Kodex Uwe H. Schneider in FS Nobel, 2005, S. 337 ff. 5 Vgl. §§ 285 Nr. 21, 314 Abs. 1 Nr. 13 HGB i.d.F. des RegE des BilMoG vom 21.5.2008, BTDrucks. 16/10067; vgl. dazu auch IAS 24 und US-GAAP FAS 57 zu den Related Party Disclosures. 6 Zu einem generellen „Opt-out“ Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 172.
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deren Befolgung sie nach außen erklären, zusätzlich in ihr internes Regelwerk übernommen. Zu diesem Zweck können vor allem die Geschäftsordnungen für Vorstand und Aufsichtsrat durch die Übernahme bestimmter Empfehlungen und Anregungen ergänzt werden1. Bei einzelnen Regelungen genügt die Aufnahme in die Geschäftsordnung allerdings nicht. So ist für die Übernahme der Empfehlungen zur Vergütung des Aufsichtsrates (Ziff. 5.4.5) im Hinblick auf § 113 AktG ein Beschluss der Hauptversammlung oder eine Satzungsänderung erforderlich. Andere Empfehlungen wie z.B. der Begrenzung der konzernfremden Aufsichtsratsmandate für die Vorstände börsennotierter Gesellschaften (Ziff. 5.4.3) können zwar in die Satzung aufgenommen werden (§ 100 Abs. 4 AktG). Die Flexibilität für ein ausnahmsweises Abweichen von der jeweiligen Empfehlungen wird dadurch aber eingeschränkt. 57
Einige Kodex-Empfehlungen wenden sich an die Organmitglieder persönlich, indem diese z.B. Interessenkonflikte offenlegen sollen (Ziff. 4.3.4. und 5.5.2.). Solche individuellen Verpflichtungen können, soweit Vorstandsmitglieder angesprochen sind, in deren Anstellungsverträge aufgenommen werden2. Von den Aufsichtsratsmitgliedern, mit denen keine Dienstverträge geschlossen werden, können – z.B. für deren Offenlegungspflicht (Ziff. 5.5.2) – entsprechende individuelle Verpflichtungserklärungen eingeholt werden. Anstelle solcher einzelvertraglicher Regelungen dürfte es allerdings auch ausreichen, wenn die entsprechenden Empfehlungen als persönliche Verpflichtung der Organmitglieder in die jeweilige Geschäftsordnung aufgenommen werden und diese dann einstimmig beschlossen wird (vgl. dazu unten § 27 Rz. 5)3. Für den Vorstand ist bei Geschäftsordnungsfragen ohnehin Einstimmigkeit erforderlich (§ 77 Abs. 2 Satz 2 AktG).
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Manche Unternehmen haben zur Umsetzung des Kodex eigene Corporate Governance Grundsätze aufgestellt und in diese die von ihnen akzeptierten Empfehlungen und Anregungen des Kodex übernommen. Rechtlich notwendig ist ein solches Vorgehen nicht, da nach § 161 AktG die jährliche Erklärung zur Befolgung der KodexEmpfehlungen ausreicht und durch eigene Corporate Governance Grundsätze auch nicht ersetzt wird. Die Aufstellung solcher Grundsätze kann gleichwohl sinnvoll sein, wenn das Unternehmen über die Empfehlungen des Kodex deutlich hinausgehen will oder im Rahmen solcher Grundsätze branchenmäßige oder unternehmensindividuelle Besonderheiten z.B. in der Führungsorganisation darstellen möchte4. Anlass für unternehmensspezifische Corporate Governance Grundsätze kann auch eine Auslandsnotierung sein. So verlangt z.B. die New Yorker Börse von den bei ihr notierten Gesellschaften eigene Corporate Governance Grundsätze. Dieses Erfordernis gilt zwingend allerdings nur für US-amerikanische und nicht für ausländische Gesellschaften5.
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Die Übernahme einzelner Kodex-Regeln in das interne Regelwerk der Gesellschaft führt dazu, dass die rechtlich unverbindlichen Empfehlungen und Anregungen des Kodex für die einzelnen Organmitglieder rechtlich verbindlich werden. Diese Verbindlichkeit folgt allerdings nicht aus dem Kodex oder aus § 161 AktG, sondern daraus, dass es sich dann um eine Pflicht aus dem Anstellungsvertrag, der Geschäftsord1 Zu den verschiedenen Umsetzungsmöglichkeiten Seibt, AG 2002, 249, 258 ff.; Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 536 ff.; Semler/Wagner, NZG 2003, 553, 557 f. und Austmann in RWS-Forum 25, Gesellschaftsrecht 2003, S. 407. 2 Siehe dazu näher Seibt, AG 2002, 249, 259 und Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 536 f. 3 Vgl. Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 537; E. Vetter, DNotZ 2003, 748, 759. 4 Vgl. Hütten, BB 2002, 1740 f.; kritisch zu solchen Grundsätzen Austmann in RWS-Forum 25, Gesellschaftsrecht 2003, S. 407, 424. 5 Vgl. Ziff. 4b) (i) und 11 der Corporate Governance Rules der NYSE.
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nung oder der Satzung handelt. Ein Verstoß gegen diese Pflichten ist immer eine Pflichtwidrigkeit im Sinne der §§ 93 Abs. 1 Satz 1, 116 Satz 1 AktG1. Manche Unternehmen haben nicht nur ihr internes Regelwerk an den Kodex angepasst, sondern darüber hinaus einen Corporate Governance Beauftragten bestellt. Dabei handelt es sich meist um den Leiter der Rechts- oder Compliance-Abteilung oder das Vorstandsmitglied, das intern für Fragen der Corporate Governance zuständig ist. Die Aufgabe eines solchen Corporate Governance Beauftragten besteht vor allem darin, die Einhaltung der Empfehlungen und Anregungen des Kodex, soweit diese übernommen wurden oder nach der Entsprechenserklärung befolgt werden sollen, zu überwachen2. Diese Aufgabe ist eine sinnvolle und auch notwendige Vorarbeit, um bei der Abgabe der Entsprechenserklärung eine zuverlässige Aussage darüber treffen zu können, ob und inwieweit die Empfehlungen des Kodex tatsächlich beachtet wurden. Sie kann z.B. durch die Erstellung von Checklisten3 und, sofern vorhanden, die Einbindung verschiedener Stabsabteilungen des Unternehmens erleichtert werden. Für den Aufsichtsrat empfiehlt es sich, die entsprechende Aufgabe einem vorbereitenden Ausschuss zuzuweisen4.
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Die Empfehlungen des Kodex werden nach den bisher abgegebenen Entsprechenserklärungen ganz überwiegend akzeptiert5. Bei den DAX-30-Unternehmen ist diese Akzeptanz fast vollständig, während kleinere Gesellschaften häufiger von den Empfehlungen des Kodex abweichen. Einzelne kleinere Unternehmen haben den Kodex auch gänzlich abgelehnt6. Die Ablehnungen bei den DAX-30-Unternehmen konzentrieren sich auf bestimmte Empfehlungen, die offenbar (noch) nicht als „best practice“ empfunden werden. Dies gilt vor allem für den Einzelausweis der Vergütung für die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder (Ziff. 4.2.4 und 5.4.5 Abs. 3) und die Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehalts bei der D&O Versicherung (Ziff. 3.8 Abs. 2). Bei anderen Gesellschaften werden vielfach noch keine international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätze angewendet (Ziff. 7.1). Schwierigkeiten bereitet auch die Einhaltung der Fristen für die Veröffentlichung des Konzernabschlusses und der Zwischenberichte (Ziff. 7.1.2)7.
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5. Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG a) Jährliche Erklärung Die Entsprechenserklärung muss jährlich einmal abgegeben werden. Ein bestimmter Zeitpunkt ist dafür nicht vorgeschrieben. Meist wird die Erklärung gegen Ende des Geschäftsjahres oder zusammen mit der Feststellung des Jahresabschlusses beschlossen. Im Anhang zur Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung ist anzugeben, dass die Entsprechenserklärung abgegeben und den Aktionären zugänglich gemacht worden ist (§ 285 Nr. 16 HGB). Im Konzernanhang ist für jede in den Konzernabschluss einbezogene börsennotierte Gesellschaft anzugeben, dass die Erklärung nach § 161 AktG 1 Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 536. 2 Siehe dazu näher Peltzer, DB 2002, 2580 f und Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 1603. 3 Vgl. Pfitzer/Oser/Wader, DB 2002, 1120, 1122 f. 4 Seibt, AG 2002, 249, 254. 5 Siehe die Berichte v. Werder/Talaulicar/Kolat, DB 2003, 1857 ff. und DB 2004, 1377 ff., v. Werder/Talaulicar, DB 2005, 841 ff., DB 2006, 849 ff., DB 2007, 869 ff., DB 2008, 825 ff. sowie Oser/ Orth/Wader, DB 2003, 1337 ff. 6 Oser/Orth/Wader, DB 2003, 1337, 1338; v. Werder/Talaulicar/Kolat, DB 2004, 1377, 1379. 7 Zu den Einzelheiten siehe v. Werder/Talaulicar/Kolat, DB 2003, 1857 ff. und DB 2004, 1377 ff.
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abgegeben wurde (§ 314 Abs. 1 Nr. 8 AktG). Die Entsprechenserklärung muss zusammen mit dem Jahresabschluss zum Handelsregister eingereicht werden (§ 325 Abs. 1 Satz 1 HGB). Die Notwendigkeit einer eigenhändigen Unterzeichnung durch alle Organmitglieder ergibt sich daraus nicht; die Erklärung nach § 161 AktG ist lediglich in schriftlicher Verkörperung beizufügen1. 63
Die Erklärung ist unabhängig davon den Aktionären dauerhaft zugänglich zu machen (§ 161 Satz 2 AktG). Dafür genügt es, wenn die Erklärung in die Internetseite der Gesellschaft eingestellt wird2. Diese sollte vorsorglich nicht nur für Aktionäre, sondern für jedermann zugänglich sein. In der geplanten Änderung des Gesetzes wird dies dahin klargestellt, dass die Erklärung dauerhaft „öffentlich“ zugänglich zu machen ist3. Hat die Gesellschaft keine Internetseite, genügt es, wenn die Erklärung entsprechend § 175 Abs. 2 AktG in dem Geschäftsraum zur Einsicht ausgelegt wird und Kopien mitgenommen werden können4. Vorsorglich sollte die Erklärung auch in den Gesellschaftsblättern bekanntgemacht werden5. Nach der Gesetzesbegründung braucht nur die Entsprechenserklärung in ihrer aktuellen Fassung zugänglich gemacht zu werden6. Da sich allerdings jede Erklärung in ihrem Vergangenheitsbezug auf die davor abgegebene Erklärung bezieht, empfiehlt es sich, zusammen mit der aktuellen Erklärung auch die jeweils vorangegangene Erklärung zu veröffentlichen7.
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Nach dem Wortlaut des § 161 AktG muss erklärt werden, ob den Kodex-Empfehlungen „entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden“. Die Erklärung bezieht sich damit zunächst auf die Vergangenheit. Bei die Aussage, ob und inwieweit den Empfehlungen des Kodex in der Vergangenheit entsprochen wurde, handelt es sich um eine reine Wissenserklärung8. Vorstand und Aufsichtsrat müssen sich deshalb jeweils für ihren Bereich vergewissern, inwieweit die Kodex-Empfehlungen in der Vergangenheit tatsächlich beachtet wurden. Soweit es um die Befolgung der Empfehlungen geht, die sich an die einzelnen Organmitglieder richten, müssen diese befragt werden9. Auf welchen Zeitraum sich der vergangenheitsbezogene Teil der Erklärung bezieht, ist nicht ausdrücklich festgelegt. Da die Entsprechenserklärung als fortlaufende Unterrichtung des Kapitalmarkts gedacht ist, dürfte der seit der letzten Erklärung vergangene Zeitraum gemeint sein. Die einzelnen Erklärungen können dann als ununterbrochene Kette (follow up) verstanden werden. Der Kodex empfiehlt deshalb, frühere Erklärungen fünf Jahre lang auf der Internetseite zugänglich zu halten (Ziff. 3.10 Satz 4).
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Die Erklärung muss außerdem eine Aussage darüber enthalten, ob und inwieweit den Kodex-Empfehlungen künftig entsprochen wird. Ob die Worte „wird“ und „werden“ 1 Vgl. Hüffer, § 161 AktG Rz. 22; Pfitzer/Oser/Wader, DB 2002, 1120, 1121; a. A. Gelhausen/ Hönsch, AG 2002, 529, 533; Hirte, Das Transparenz- und Publizitätsgesetz, Rz. 1, 36; Kiethe, NZG 2003, 559, 560; Schüppen, ZIP 2002, 1269, 1272; für eine Unterzeichnung entsprechend der Vertretungsberechtigung Strieder, DB 2004, 1325, 1327. 2 Vgl. Begr. RegE zu § 25 Satz 1 AktG, BT-Drucks. 14/8769 = NZG 2002, 213, 217. 3 Vgl. § 161 Abs. 2 AktG i.d.F. des RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067. 4 Hirte, Das Transparenz- und Publizitätsgesetz, Rz. 1, 38. 5 Hüffer, § 161 AktG Rz. 23. 6 BT-Drucks. 14/8769 = NZG 2002, 213, 225. 7 Weitergehend Hirte, Das Transparenz- und Publizitätsgesetz, Rz. 1, 35, wonach alle abgegebenen Erklärungen abrufbar gehalten werden sollen. 8 Gelhausen/Hönsch, AG 2003, 367, 369; Hüffer, § 161 AktG Rz. 14; Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 371; Pfitzer/Oser/Wader, DB 2002, 1120, 1121; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 161 AktG Rz. 28. 9 Hüffer, § 161 AktG Rz. 12 und 14; Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 372.
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in § 161 Satz 1 AktG Präsenz oder Futur bedeuten, ist unklar. Gewollt ist nach der Gesetzesbegründung aber nicht nur eine Erklärung, die sich auf den Zeitpunkt ihrer Abgabe, sondern auf die Zukunft bezieht1. Sie kann daher nicht z.B. auf das laufende Geschäftsjahr beschränkt werden2. Gerade die Aussage zum künftigen Verhalten ist für die Anleger von besonderem Interesse. Bei diesem Teil der Entsprechenserklärung handelt es sich allerdings um eine bloße Absichtserklärung, die nicht bindend ist. Vorstand und Aufsichtsrat können die Entsprechenserklärung insoweit nach ihrer Abgabe jederzeit wieder ändern oder ganz aufheben. b) Erklärung von Vorstand und Aufsichtsrat Nach dem Gesetz wird die Entsprechenserklärung von Vorstand und Aufsichtsrat abgegeben. Dazu sind getrennte Beschlüsse beider Organe erforderlich. Für den Beschluss des Vorstands ist grundsätzlich Einstimmigkeit erforderlich, während für die Beschlussfassung des Aufsichtsrats, sofern nichts anderes bestimmt ist, einfache Mehrheit genügt3. Vorstand und Aufsichtsrat werden in der Regel eine gemeinsame, inhaltlich übereinstimmende Erklärung beschließen. Rechtlich notwendig ist dies aber nicht; auch voneinander abweichende Erklärungen sind denkbar4. Für die Darstellung der Gesellschaft gegenüber dem Kapitalmarkt wäre eine solche offene Uneinigkeit der Führungsorgane allerdings wenig vorteilhaft.
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Bei der Abgabe der Erklärung ist die Zuständigkeit der Organe im Innenverhältnis zu beachten, d.h. der Vorstand gibt die Erklärung in erster Linie für seinen Bereich und der Aufsichtsrat für die an ihn gerichteten Empfehlungen ab5. Der Aufsichtsrat entscheidet grundsätzlich durch das Plenum. Eine Delegation an einen Ausschuss ist nach § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG zwar nicht ausgeschlossen. Sie kommt wegen der Bedeutung der Entsprechenserklärung aber nur insoweit in Betracht, als es um bloße Ausführungsfragen wie z.B. die Anpassung der Entsprechenserklärung an eine Änderung der Aufsichtsratsvergütung durch die Hauptversammlung (Ziff. 5.4.5 des Kodex i. V. m. § 113 AktG) geht6.
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c) Änderungen der Entsprechenserklärung Wird die Entsprechenserklärung während des Geschäftsjahres geändert, muss die neue Erklärung unverzüglich auf der Internetseite der Gesellschaft veröffentlicht werden. Dies folgt aus ihrem Charakter als Dauererklärung, mit der eine stets aktuelle Unterrichtung des Kapitalmarktes erreicht werden soll. Die Erklärung muss inhaltlich zutreffend sein7. Sie ist deshalb bei einer beabsichtigen Abweichung vom Kodex 1 Begr. RegE TransPuG BT-Drucks. 14/8769, S. 22; in diesem Sinne auch Seibert, BB 2002, 581, 583; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 170 f.; Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365; Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 529; LG Schweinfurt v. 1.12.2003, WPg 2004, 339, 340; gegen eine zukunftsgerichtete Erklärungspflicht Seibt, AG 2002, 249, 251 und Schüppen, ZIP 2002, 1269, 1273. 2 Seibert, WPg 2004, 341 und Henze, Der Aufsichtsrat 2004, 11; a. A. LG Schweinfurt v. 1.12.2003, WPg 2004, 339, 340. 3 Hüffer, § 161 AktG Rz. 12 und 13. 4 Hüffer, § 161 AktG Rz. 11; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 161 AktG Rz. 23; Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 369; a. A. Seibt, AG 2002, 249, 253. 5 Hüffer, § 161 AktG Rz. 10; E. Vetter, DNotZ 2003, 748, 754. 6 Ihrig/Wagner, BB 2002, 2509, 2513 und Bertrams, Die Haftung des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex und § 161 AktG, S. 158 f.; gegen jede Delegationsmöglichkeit Hüffer, § 161 AktG Rz. 13; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 496; Seibt, AG 2002, 249, 253. 7 Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 534; Ihrig/Wagner, BB 2002, 2509, 2510 und BB 2003, 1625, 1627; E. Vetter, DNotZ 2003, 748, 761; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 161 AktG Rz. 43.
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§2
Einführung
für die Zukunft oder bei einer nachträglich erkannten Unrichtigkeit im vergangenheitsbezogenen Teil unverzüglich zu korrigieren; die berichtigte Fassung ist den Aktionären unverzüglich zugänglich zu machen1. Bei entsprechender Kursrelevanz kann eine Änderung der Entsprechenserklärung u. U. auch eine mitteilungspflichtige Tatsache im Sinne des § 15 WpHG darstellen. Die Unterlassung dieser Mitteilung kann dann eine Schadensersatzpflicht der Gesellschaft begründen (§ 37b WpHG). d) Änderungen des Kodex 69
Wird der Kodex geändert, indem z.B. neue Empfehlungen aufgenommen oder bisherige Empfehlungen erweitert werden, so treten diese Änderungen mit der Bekanntmachung der neuen Fassung des Kodex im elektronischen Bundesanzeiger in Kraft. Die Unternehmen können auf die Änderungen sofort reagieren und ihre zukunftsbezogene Entsprechenserklärung auf die neuen bzw. geänderten Empfehlungen erstrecken. Rechtlich notwendig ist eine solche Ergänzung der Entsprechenserklärung aber nicht. Das Gesetz sieht nur eine jährliche Erklärung vor (§ 161 Satz 1 AktG). Dabei ist der Kodex in der bei Abgabe der Erklärung geltenden Fassung zugrunde zu legen. Änderungen des Kodex, die danach eintreten, brauchen erst bei der nächsten turnusmäßigen Entsprechenserklärung berücksichtigt zu werden2.
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Der vergangenheitsbezogene Teil der Erklärung knüpft in der Regel an die zuletzt abgegebene und veröffentlichte Entsprechenserklärung an. Diese beruht auf der damals geltenden Fassung des Kodex. Eine Ergänzung des Kodex um neue Empfehlungen erfordert daher keine Anpassung des vergangenheitsbezogenen Teils der Entsprechenserklärung3. Diese statische Ausrichtung der Entsprechenserklärung gilt auch im umgekehrten Fall, wenn im Kodex Empfehlungen gestrichen oder zu Anregungen herabgestuft werden4. e) Überprüfung der Entsprechenserklärung
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Die Entsprechenserklärung ist nicht Teil der Rechnungslegung und deshalb auch nicht Gegenstand der jährlichen Abschlussprüfung. Der Abschlussprüfer prüft nur formal, ob die Entsprechenserklärung fristgerecht abgegeben und den Aktionären zugänglich gemacht wurde (§§ 285 Nr. 16, 314 Abs. 1 Nr. 8 HGB; § 161 AktG)5. Ist dies nicht Fall, kann er den Bestätigungsvermerk einschränken (§ 322 Abs. 4 HGB). Liegt die Erklärung dagegen vor, braucht der Abschlussprüfers nicht zu prüfen, ob sie inhaltlich richtig und vollständig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Abschlussprüfer bei der Durchführung seiner Tätigkeit feststellen sollte, dass die Erklärung falsch ist, etwa weil bestimmten Empfehlungen tatsächlich nicht entsprochen wurde. § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB statuiert zwar eine Redepflicht des Abschlussprüfers; diese gilt aber nur bei schwerwiegenden Verstößen gegen Gesetz oder Satzung.
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Um gleichwohl eine gewisse Inhaltskontrolle der Entsprechenserklärung zu erreichen, wird dem Aufsichtsrat in Ziff. 7.2.3 Abs. 2 des Kodex empfohlen, mit dem Abschlussprüfer eine Erweiterung seines Prüfungsauftrags zu vereinbaren. Der Ab1 Ihrig/Wagner, BB 2002, 2509 ff. und BB 2003, 1625, 1627; Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 534 f.; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 171. 2 Gelhausen/Hönsch, AG 2003, 367, 368 f.; Hüffer, § 161 AktG Rz. 15; IDW PS 345, WPg 2003, 1002, 1003; Ihrig/Wagner, BB 2003, 1625, 1627. 3 Gelhausen/Hönsch, AG 2003, 367, 369 f.; Ihrig/Wagner, BB 2003, 1625, 1627. 4 Siehe dazu Gelhausen/Hönsch, AG 2003, 367, 370 f. 5 Vgl. dazu den Prüfungsstandard IDW PS 345, WPg 2003, 1002 sowie Ruhnke, AG 2003, 371, 373 ff.
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§2
Corporate Governance
schlussprüfer soll aufgrund dieser Vereinbarung den Aufsichtsrat informieren bzw. im Prüfungsbericht vermerken, wenn er bei der Durchführung der Abschlussprüfung Tatsachen feststellt, die eine Unrichtigkeit der Entsprechenserklärung ergeben1. Ob der Abschlussprüfer danach über Verstöße gegen den Kodex berichten kann, hängt im Wesentlichen davon ab, inwieweit solche Verstöße für ihn erkennbar sind. f) Corporate Governance Bericht Der Kodex empfiehlt in Ziff. 3.10, dass Vorstand und Aufsichtsrat alljährlich im Geschäftsbericht über die Corporate Governance des Unternehmens berichten. Dabei sollen im Sinne des „comply or explain“ etwaige Abweichungen von den Kodex-Empfehlungen erläutert werden. Ergänzend angeregt wird auch eine Stellungnahme zu den Kodex-Anregungen. Zum weiteren Inhalt dieses Berichts enthält der Kodex keine Hinweise. Es bietet sich jedoch an, die Entsprechenserklärung noch einmal insgesamt in den Corporate Governance Bericht aufzunehmen und dabei nicht nur die Abweichungen vom Kodex, sondern auch andere relevante Aspekte der jeweiligen Corporate Governance zu erläutern. So können z.B. Besonderheiten des Führungssystems dargestellt oder die Vergütung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder näher erläutert werden. Im Rahmen der Modernisierung des Bilanzrechts soll § 161 AktG dahin geändert werden, dass Abweichungen von den Empfehlungen des Kodex stets zu begründen sind2.
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6. Haftung für fehlerhafte Entsprechenserklärungen a) Verstoß gegen § 161 AktG Falls Vorstand oder Aufsichtsrat keine Entsprechenserklärung abgeben, liegt ein Verstoß gegen § 161 AktG vor3. Das Gleiche gilt, wenn die Entsprechenserklärung den Aktionären nicht dauerhaft zugänglich gemacht wird. Ein solcher Verstoß gegen § 161 AktG ist zugleich ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten der Gesellschaft gegenüber (§§ 93, 116 AktG). Sollte der Gesellschaft aus dem Verhalten ihrer Organe ein Schaden entstanden sein, sind Vorstand und Aufsichtsrat persönlich ersatzpflichtig. Die Hauptversammlung kann den Pflichtenverstoß zum Anlass nehmen, die Entlastung zu verweigern. Wird sie dennoch erteilt, kann bei schwerwiegenden Verstößen der Entlastungsbeschluss angefochten werden4.
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Eine Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht liegt auch vor, wenn die Entsprechenserklärung zwar abgegeben wurde, inhaltlich aber falsch ist5. § 161 AktG schreibt nicht nur die Abgabe der Erklärung als solche vor. Vielmehr verlangt das Gesetz offenzulegen, welche Empfehlungen nicht angewendet wurden bzw. werden.
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1 Siehe dazu näher Gelhausen/Hönsch, AG 2002, 529, 534 f. 2 Vgl. § 161 Abs. 1 Satz 1 AktG i.d.F. des RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067. 3 Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353; Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 527; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 165. 4 Vgl. BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01 – „Macrotron“, ZIP 2003, 387, 388 = AG 2003, 273; Hüffer, § 161 AktG Rz. 31; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 161 AktG Rz. 61 f.; Theusinger/ Liese, DB 2008, 1419, 1422; LG München I v. 31.1.2008 – 5 HK O 15082/07, ZIP 2008, 745 = EWiR § 161 AktG 2/08 Ogorek/Witte; OLG München v. 23.1.2008 – 7 U 3668/07, WM 2008, 645, 648; Thümmel, CCZ 2008, 141, 143. 5 Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1577; Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353, 354; Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 527; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 165; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 161 AktG Rz. 151; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 161 AktG Rz. 60.
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§2
Einführung
Wird z.B. verschwiegen, dass bestimmten Empfehlungen nicht entsprochen wurde, wird gegen diese Pflicht verstoßen. Eine falsche Erklärung stellt deshalb einen Gesetzesverstoß und damit eine Pflichtwidrigkeit gemäß § 93 Abs. 1 AktG dar. 76
Kein Verstoß gegen § 161 AktG ist dagegen die bloße Nichtbefolgung von Empfehlungen des Kodex als solche. Die Verhaltensempfehlungen des Kodex verstehen sich zwar als Standards guter Unternehmensführung und -überwachung. Sie sind aber weder Rechtsnormen noch enthalten sie eine Konkretisierung allgemeiner Sorgfaltspflichten (siehe oben Rz. 45). Den Gesellschaften steht die Befolgung der Kodex-Empfehlungen ausdrücklich frei. Die Nichtbefolgung muss nur offengelegt werden. Soweit Kodex-Regelungen in das interne Regelwerk der Gesellschaft transformiert worden sind, ist ein Verstoß gegen diese Bestimmungen allerdings pflichtwidrig (siehe oben Rz. 59). b) Ersatzansprüche der Gesellschaft
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Soweit Vorstand und Aufsichtsrat ihre Sorgfaltspflichten der Gesellschaft gegenüber verletzen, haften sie dieser bei schuldhaftem Verhalten auf Schadensersatz (§§ 93 Abs. 2 Satz 1, 116 Satz 1 AktG). Wird eine Entsprechenserklärung überhaupt nicht oder inhaltlich unrichtig abgegeben, wird der Gesellschaft daraus allerdings nur selten ein Schaden erwachsen1. c) Ersatzansprüche Dritter
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Denkbar ist, dass Anleger zumindest auch im Vertrauen auf eine positive Entsprechenserklärung Aktien der Gesellschaft kaufen und ihnen daraus später infolge des inzwischen gesunkenen Kurses Verluste entstehen. Stellt sich heraus, dass die zum Zeitpunkt des Erwerbs bestehende Entsprechenserklärung falsch war, so ergibt sich die Frage, ob den Anleger wegen ihrer Verluste Ersatzansprüche gegen die Gesellschaft oder die einzelnen Organmitglieder zustehen.
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aa) Ansprüche aus unerlaubter Handlung. § 823 Abs. 1 BGB könnte Anspruchsgrundlage sein, wenn ein Verstoß gegen die Empfehlungen des Kodex als Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre zu werten wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Das Mitgliedschaftsrecht in einer Aktiengesellschaft ist zwar als sonstiges Recht im Sinne von § 823 BGB anerkannt2. Ein Verstoß gegen den Kodex richtet sich aber weder gegen den rechtlichen Bestand des Mitgliedschaftsrechts selbst noch den Kernbestand der damit verbundenen Einzelrechte3. Er trifft zudem alle Aktionäre gleich und ist deshalb nicht geeignet, als Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht einzelner Anleger qualifiziert zu werden.
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Anspruchsgrundlage könnte § 823 Abs. 2 BGB sein, sofern ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz vorliegt. Der Kodex selbst mit seinen Empfehlungen kommt als Schutzgesetz schon deshalb nicht in Betracht, weil er kein staatlich gesetztes Recht enthält4. 1 Hüffer, § 161 AktG Rz. 25; zu einzelnen Konstellationen Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353, 362. 2 Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 470; OLG München v. 1.10.2002 – 30 U 855/01, ZIP 2002, 1989, 1993 = AG 2003, 106. 3 Abram, ZBB 2003, 41, 44 f.; Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1578; Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353, 358; Hüffer, § 161 AktG Rz. 28; Seibt, AG 2002, 249, 256; Sester in Spindler/Stilz, § 161 AktG Rz. 50; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 161 AktG Rz. 70. 4 Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1578; Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353, 358; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 161 AktG Rz. 71.
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§2
Corporate Governance
Auch § 161 AktG ist nicht als Schutzgesetz anzusehen. Zweck dieser Vorschrift ist es, die Unternehmensleitungen zu einem bestimmten Verhalten anzuhalten. Der Schutz des Vermögens der Anleger ist dagegen nicht das Anliegen des Gesetzes1. Als Schutzgesetze kommen insbesondere die allgemeinen strafrechtlichen Bestimmungen in Betracht. So macht sich nach § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG strafbar, wer als Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrats die Verhältnisse der Gesellschaft unrichtig wiedergibt oder verschleiert. Von diesem begrenzten Anwendungsbereich ist die Entsprechenserklärung regelmäßig nicht erfasst2. Daher greift auch § 331 Nr. 1 HGB nicht ein, selbst wenn die Entsprechenserklärung im Anhang des Jahresabschlusses wiederholt wird3. Bei vorsätzlichem Handeln kommt unter besonderen Umständen ein Verstoß gegen § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug) sowie auch Betrug oder Untreue (§§ 263, 266 StGB) in Betracht4. § 20a WpHG mit dem Verbot der Marktmanipulation ist dagegen wegen seines allgemeinen, auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes gerichteten Zwecks nicht als Schutzgesetz anzusehen5.
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In einer falschen Entsprechenserklärung kann in seltenen Fällen auch eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung von Anlegern liegen. Dies würde dann Ansprüche gegen die handelnden Organmitglieder aus § 826 BGB begründen6.
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bb) Ansprüche aus culpa in contrahendo (§§ 311, 280 Abs. 1 BGB). Eine falsche Entsprechenserklärung könnte nach den Grundsätzen der Haftung aus vertragsähnlicher Beziehung zu Schadensersatzanprüchen von Anlegern führen. Die Erklärung dient allerdings nicht der Geschäftsanbahnung (§ 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB), sondern gehört zu den jährlichen Berichtspflichten, die mit der Rechnungslegung im Zusammenhang stehen. Mit der an die Allgemeinheit gerichteten Entsprechenserklärung wird insbesondere auch kein persönliches Vertrauen im Sinne von § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB in Anspruch genommen7.
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cc) Ansprüche aus spezialgesetzlicher Prospekthaftung. Die spezialgesetzlichen Regeln zur Prospekthaftung, insbesondere die § 44 Abs. 1 BörsG, § 13 VerkProspG, setzen voraus, dass die falsche Entsprechenserklärung in einer Angebotsunterlage (Prospekt) enthalten ist. Dies kann bei einer Gesellschaft, deren Aktien an die Börse gebracht werden, durchaus der Fall sein. Nach § 5 Abs. 1 WpPG muss ein Prospekt zum öffentlichen Angebot oder zur Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel sämtliche Angaben enthalten, um dem Publikum ein zutreffendes Urteil über die Wertpapiere zu ermöglichen.
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1 Abram, ZBB 2003, 41, 45; Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1579; Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353, 359; Seibt, AG 2002, 249, 256; im Erg. auch Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 161 AktG Rz. 71; Schlitt, DB 2007, 326, 328. 2 Kiethe, NZG 2003, 559, 565, 566; Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353, 360; Körner, NZG 2004, 1148, 1150; Seibt, AG 2002, 249, 256; vgl. auch BGH v. 19.7.2004 – II ZR 402/02 – „Infomatec“, ZIP 2004, 1593, 1596; a. A. Abram, ZBB 2003, 41, 46 und Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1579. 3 Abram, ZBB 2003, 41, 46; Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353, 359; a. A. Hommelhoff/Schwab in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 51, 72. 4 Zur strafrechtlichen Relevanz des Kodex Schlitt, DB 2007, 326; zu § 264a StGB näher Hommelhoff/Schwab in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 51, 73 und Kiethe, NZG 2003, 559, 566. 5 Abram, ZBB 2003, 41, 46; im Ergebnis ebenso Hommelhoff/Schwab in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 51, 77; beide zur alten Gesetzesfassung. 6 Siehe dazu näher Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353, 360. 7 Abram, ZBB 2003, 41, 43; Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1580; Hüffer, § 161 AktG Rz. 30; Kiethe, NZG 2003, 559, 565; Körner, NZG 2004, 1148, 1150; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 161 AktG Rz. 77.
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Einführung
Die Entsprechenserklärung dürfte danach bei einem Börsengang in den Prospekt aufzunehmen sein. Ist die Erklärung falsch, hängt es vom Einzelfall ab, ob damit eine wesentliche Prospektangabe unrichtig oder unvollständig ist1. 85
dd) Ansprüche aus zivilrechtlicher Prospekthaftung. Die gegenüber der spezialgesetzlichen Prospekthaftung subsidiären Grundsätze der zivilrechtlichen Prospekthaftung greifen schon bei leichter Fahrlässigkeit ein. Allerdings müsste danach die Entsprechenserklärung, so wie sie auf der Internetseite der Gesellschaft steht, als Prospekt angesehen werden können. Die Entsprechenserklärung ist zwar für eine Vielzahl von Interessenten bestimmt, sie ist aber nicht unmittelbar auf die Gewinnung von Anlegern gerichtet. Sie enthält in der Regel auch keine Informationen, die für die Beurteilung einer Anlage in Wertpapieren der Gesellschaft von Bedeutung sind. Denn zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und Aussichten der Gesellschaft enthält die Erklärung keine Aussagen. Eine Haftung unter diesem Gesichtspunkt scheidet deshalb aus2.
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ee) Ansprüche wegen unterlassener Ad hoc-Mitteilung. Eine weitere Anspruchsgrundlage können die §§ 37b und c WpHG bilden. Danach haften allerdings nicht die Organmitglieder persönlich. Zum Schadensersatz verpflichtet ist bei schuldhaft unterlassener Ad hoc-Mitteilung im Sinne von § 15 WpHG nur die Gesellschaft. Ein Anlass zu einer Ad hoc-Mitteilung kann im Einzelfall gegeben sein, wenn die Gesellschaft z.B. von einer für den Aktienkurs wichtigen Empfehlung abweicht3.
III. Neuere Entwicklungen 1. Weltweite Vertrauenskrise 87
Nach einer Reihe von Bilanzskandalen und Unternehmenszusammenbrüchen in den USA, aber auch in Europa, wurde es als notwendig angesehen, die Verantwortlichkeit des Management für die Unternehmensführung und dabei vor allem für die Rechnungslegung und Berichterstattung stärker zu betonen, damit das Vertrauen der Anleger in die Verlässlichkeit der von den Unternehmen veröffentlichten Daten wieder hergestellt werden kann. Dazu genügte es nicht mehr, allein auf die Selbstregulierungskräfte des Marktes zu vertrauen. Notwendig wurden vielmehr Verschärfungen der zwingenden staatlichen Rahmenordnung und damit entsprechende gesetzliche und administrative Regelungen. Die Umsetzung dieser Regelungen in den Unternehmen ist z. T. mit erheblichen Kosten verbunden. Ob diesen Kosten ein entsprechender Nutzen gegenübersteht, ist offen. 2. Entwicklung in den USA
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In den USA wurde am 30.7.2002 als Reaktion auf die zahlreichen und gravierenden Verstöße gegen die geltenden Bilanzierungsregeln der so genannte Sarbanes Oxley
1 Vgl. Abram, ZBB 2003, 41, 43; Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1582; Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353, 361. 2 Abram, ZBB 2003, 41, 44; Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1580; Hommelhoff/Schwab in Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, 2003, S. 51, 79; Kiethe, NZG 2003, 559, 565; Körner, NZG 2004, 1148, 1149; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 161 AktG Rz. 75; siehe zum Prospektbegriff auch BGH v. 19.7.2004 – II ZR 402/02 – „Infomatec“, ZIP 2004, 1593, 1595. 3 Siehe dazu näher Borges, ZGR 2003, 508, 532 ff.; Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353, 361.
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§2
Corporate Governance
Act (SOX) erlassen1. Hauptziel dieses Gesetzes, das durch umfangreiche Ausführungsbestimmungen der Securities Exchange Commission (SEC)2 als bundesstaatlicher Aufsichtsbehörde präzisiert und ergänzt wurde, ist die Wiederherstellung des Vertrauens der Anleger darauf, dass alle entscheidungsrelevanten Informationen, die börsennotierte Gesellschaften dem Kapitalmarkt geben, richtig und vollständig sind. Gegenstand der neuen Bestimmungen sind vor allem die Zuverlässigkeit der Rechnungslegung und im Zusammenhang damit die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Audit Committee und Abschlussprüfer sowie die Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers. Die neuen Bestimmungen gelten auch für deutsche Unternehmen, deren Aktien an einer US-amerikanischen Börse wie der NYSE oder NASDAQ unmittelbar oder in Form von ADRs3 notiert sind4. Dabei gehen diese Bestimmungen, auch soweit sie in die innere Organisation der Unternehmen eingreifen, vom US-amerikanischen Board-System aus und passen deshalb nicht immer auf die Verhältnisse bei einer deutschen AG. Im einzelnen geht es, soweit die Führung und Kontrolle der Unternehmen berührt ist, um folgende Bereiche:
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Der Vorstandsvorsitzende (CEO) und der Finanzvorstand (CFO) haben in allen wesentlichen Punkten die Richtigkeit und Vollständigkeit der Rechnungslegung und der Berichterstattung darüber (Form 20-F) schriftlich zu bestätigen5. Für eine wissentlich falsche Bestätigung haften sie unter erheblicher Strafandrohung persönlich6. In Bezug auf Nicht-US-Gesellschaften gilt dies nur für den Jahresbericht (Form 20-F), nicht auch für die laufenden Berichte nach dem Formblatt 6 K. Nach deutschem Recht ist der Vorstand insgesamt für die Rechnungslegung verantwortlich. Der Jahres- und Konzernabschluss ist deshalb von allen Vorstandsmitgliedern zu unterschreiben7.
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Die Geschäftsleitung ist verpflichtet, wirksame interne Kontrollverfahren für die Rechnungslegung und die bei der SEC einzureichenden Veröffentlichungen einzurichten. Dass solche Kontrollen bestehen und dass sie wirksam sind, haben CEO und CFO persönlich schriftlich zu bestätigen8. Über das interne Kontrollsystem ist zudem jährlich mit einer Bewertung seiner Effizienz zu berichten9. Auch nach deutschem Recht ist der Vorstand für die Richtigkeit der Rechnungslegung und der damit zusammenhängenden Berichte des Unternehmens verantwortlich. Er hat ergänzend ein Frühwarnsystem einzurichten, um existenzgefährdende Entwicklungen rechtzeitig erkennen zu können (§ 91 Abs. 2 AktG). Wie dies intern sichergestellt wird, ist im We-
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1 Public Law 107–204, 30 July 2002 (H. R. 3763) Sarbanes Oxley Act of 2002, An act to protect investors by improving the accuracy and reliability of corporate disclosures made pursuant the securities laws, and for other purposes; zum Inhalt David C. Donald, US-amerikanisches Kapitalmarktrecht und Corporate Governance nach Enron, 2002, Arbeitspapier Nr. 104 des Instituts für Bankrecht der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, sowie Atkins, Der Konzern 2003, 260 ff. 2 Siehe dazu Lanfermann/Maul, DB 2003, 349 ff. 3 American Depositary Receipts. 4 Buxbaum, IPRax 2003, 78; zu den Auswirkungen auf deutsche Unternehmen ausführlich Arbeitskreis „Externe und Interne Unternehmensüberwachung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V., BB 2004, 2399 ff. 5 Sec. 302 (a) SOX mit den Ausführungsbestimmungen des Release No. 33–8124 Certification of Disclosure in Companies’ Quarterly and Annual Reports vom 29.8.2002. 6 Sec. 906 SOX: Ahndung mit bis zu 5 Mio. USD Geldstrafe und bis zu 20 Jahren Haft. 7 Vgl. § 245 Satz 1 HGB und Budde/Kunz in BeckBilkomm., 6. Aufl., § 245 HGB Rz. 2; OLG Karlsruhe v. 22.11.1986 – 15 U 78/84, AG 1989, 35. 8 Vgl. im Einzelnen Sec. 302 (a) (4) SOX. 9 Vgl. Sec. 404 SOX und Release No. 33–8238.
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§2
Einführung
sentlichen eine Ermessensfrage1. Die Erfüllung dieser allen Vorstandsmitgliedern obliegenden Sorgfaltspflicht muss allerdings nicht besonders bestätigt werden2. 92
Um sicher zu gehen, dass die Mitglieder der Geschäftsführung nicht von fehlerhaften Jahresabschlüssen profitieren, sind diese verpflichtet, alle finanziellen Vorteile, die sie auf Grund eines fehlerhaften Abschlusses erzielt haben, herauszugeben. Erhaltene Boni und andere anreizorientierte Zahlungen sind demgemäß zurück zu gewähren; ein aus der Veräußerung von Aktien erzielter Gewinn ist an die Gesellschaft abzuführen3. Im deutschen Recht lässt sich eine ähnliche Gewinnabschöpfung nur über das Bereicherungsrecht sowie vertragliche Regelungen mit den einzelnen Vorstandsmitgliedern erreichen4.
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Um die Unabhängigkeit des Management sicherzustellen, sind Kredite der Gesellschaft an Board-Mitglieder und andere Führungskräfte grundsätzlich verboten5. Dieses Verbot geht über die in §§ 89, 115 AktG enthaltenen Regelungen, die zur Kreditgewährung an Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder eine Einwilligung des Aufsichtsrates verlangen, weit hinaus. Für US-Banken gelten allerdings Ausnahmen, die auch für Nicht-US-Banken gelten6. Für deutsche Banken enthält § 15 KWG bereits zusätzliche Anforderungen an die Beschlussfassung und die Dokumentation solcher und anderer Kreditgewährungen.
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Über das deutsche Recht hinaus ist die SEC befugt, Führungskräfte bei Verstößen gegen die Anti-Fraud-Bestimmungen ihres Postens zu entheben7. Bei fehlender Eignung zur Amtsführung kann ein Berufsverbot ausgesprochen werden8. Im deutschen Recht kann grundsätzlich nur der Aufsichtsrat Vorstandsmitglieder abberufen. Soweit wie z.B. im Bankenbereich die BaFin als Aufsichtsbehörde fungiert, kann auch diese eine Abberufung von Geschäftsleitern vornehmen9. Um das Rechtsbewusstsein zu stärken, sollen die Unternehmen nach den US-Regelungen offenlegen, ob für ihre im Finanzbereich tätigen obersten Führungskräfte ein „Ethik-Kodex“ besteht10. Das deutsche System kennt keine vergleichbaren Selbstverpflichtungen auf Regeln, die ohnehin gelten.
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Die Befugnisse des im Board-System verbreiteten Prüfungsausschusses (Audit Committee) werden durch den Sarbanes Oxley Act in mehrfacher Hinsicht gestärkt. Zur Einrichtung eines solchen Ausschusses sind alle börsennotierten US-Gesellschaften verpflichtet11. Die Mitglieder eines solchen Ausschusses müssen sämtlich unabhängig sein, wobei die Unabhängigkeit im Wesentlichen dahin definiert wird, dass das Mitglied keine der Gesellschaft nahestehende Person (affiliated person) ist und von ihr außer dem Honorar für die Mitgliedschaft im Audit Committee keine Bezüge erhält12. Für Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat einer deutschen mitbestimmten 1 Vgl. Hüffer, § 91 AktG Rz. 7 und Fleischer, AG 2003, 291, 298. 2 Nach § 317 Abs. 4 HGB hat allerdings der Abschlussprüfer bei börsennotierten Gesellschaften die Einrichtung eines Frühwarnsystems und seine grundsätzliche Eignung zu prüfen. 3 Sec. 304 SOX. 4 Vgl. Kersting, ZIP 2003, 233, 237. 5 Sec. 402 SOX. 6 Vgl. Release No. 34–49616 Foreign Bank Exemption from the Insider Lending Prohibition of Exchange Act Section 13 (k). 7 Sec. 1105 SOX. 8 Sec. 305 SOX. 9 Vgl. z.B. § 36 KWG sowie dazu Fleischer, WM 2004, 157, 159. 10 Sec. 406 SOX. 11 Vgl. Sec. 301 (2) SOX und Nr. 6 der Corporate Governance Rules der NYSE. 12 Siehe dazu Sec. 301 SOX und SEC-Releases No. 33–8238 und 34–47968 sowie Block, BKR 2003, 774, 781.
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§2
Corporate Governance
AG hat die SEC eine Ausnahme zugelassen. Diese gelten als unabhängig, soweit sie nicht, wie unter Umständen der Vertreter der leitenden Angestellten, Geschäftsführungsfunktionen (executive functions) wahrnehmen1. Diese Einschränkung entspricht dem deutschen Recht (vgl. § 6 Abs. 2 MitbestG). Ehemalige Vorstandsmitglieder können Mitglied eines Audit Committee sein. Die von ihnen bezogenen Pensionsleistungen stehen als feste Zahlungen für frühere Dienste der Unabhängigkeit nicht entgegen2. Der Prüfungsausschuss ist für die Ernennung des Abschlussprüfers, die Erteilung des Prüfungsauftrags und die Honorarvereinbarung mit diesem sowie seine Überwachung zuständig3. Dies gilt für deutsche Unternehmen mit der Einschränkung, dass der Abschlussprüfer von der Hauptversammlung bestellt wird (§ 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG, § 318 HGB). Der Prüfungsausschuss hat außerdem Beschwerden und Eingaben von Mitarbeitern zur Buchführung, Rechnungslegung und Abschlussprüfung entgegenzunehmen. Die Beschwerden oder Anzeigen können dabei auch anonym erfolgen (whistleblowing)4. Jedes Audit Committee soll unter seinen Mitgliedern mindestens einen Finanzsachverständigen (financial expert) haben5. Wer dies ggf. ist, hat der Aufsichtsrat nach den von der SEC festgelegten Kriterien sorgfältig zu prüfen.
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Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers soll durch mehrere Maßnahmen sichergestellt werden. So wird die Zulässigkeit von Dienstleistungen außerhalb der Abschlussprüfung, insbesondere die Beratungstätigkeit, stark eingeschränkt. Soweit Beratungsaufträge zulässig sind, müssen sie vom Audit Committee vorab genehmigt werden. Die persönliche Unabhängigkeit des Abschlussprüfers wird durch zahlreiche Beschränkungen sichergestellt6. Die Abschlussprüfer werden zudem der Aufsicht einer neuen Bundesbehörde, dem Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB), unterstellt7. Diese Aufsicht erstreckt sich auch auf Wirtschaftsprüfer im Ausland, sofern diese an der Prüfung eines in den USA gelisteten Unternehmens mitwirken. Soweit die Aufsicht Zugang zu den Arbeitspapieren deutscher Abschlussprüfer beansprucht, kollidiert dies mit ihrer Verschwiegenheitspflicht.
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Neben den Vorschriften des Sarbanes Oxley Act und den Durchführungsbestimmungen der SEC gibt es zusätzliche Regeln der US-Börsen, darunter auch der NYSE und der NASDAQ, zur Verbesserung der Corporate Governance der dort jeweils notierten Unternehmen. Für ausländische Gesellschaften sehen die Corporate Governance Rules der NYSE vor, dass mindestens einmal im Jahresbericht oder auf der Internetseite der Gesellschaft alle Abweichungen von der US amerikanischen Corporate Governance dargestellt und begründet werden8. Dies muss nicht im Detail erfolgen, sondern kann in einer allgemeinen Darstellung geschehen. Dies bedeutet, dass vor allem das dualistische Führungssystem und die Mitbestimmung im Aufsichtsrat erläutert werden müssen.
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1 Vgl. Kersting, ZIP 2003, 2010, 2012. 2 Vgl. Kersting, ZIP 2003, 2010, 2012; Block, BKR 2003, 774, 781 allgemein zum Bezug von Pensionen; a. A. Stengel/Detweiler/Willms, DAJV-NL 2/03, S. 77. 3 Sec. 301 SOX und Release No. 33–8173 Standards Relating to Listed Company Audit Committees vom 9.4.2003. 4 Siehe dazu näher Reiter, RIW 2005, 168 ff. sowie ArbG Wuppertal v. 15.6.2005 – 5 BV 20/05, NZA-RR 2005, 476 zur Mitbestimmungspflichtigkeit eines entsprechenden Verhaltenskodex. 5 Sec. 407 SOX und Release No. 33–8177 und 33–8177a. 6 Sec. 206 SOX und Release No. 33–8183. 7 Sec. 101, 102 SOX. 8 Vgl. Ziff. 11 der NYSE-Corporate Governance Rules.
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§2
Einführung
3. Entwicklung in der Europäischen Union 99
Im Auftrag der EU-Kommission hat eine Expertengruppe unter dem Vorsitz von Jaap Winter1 untersucht, in welcher Weise die in der EU bestehenden gesellschaftsrechtlichen Regelungen modernisiert werden können. In ihrem Abschlussbericht vom 4.11.20022 hat sich die Gruppe zwar gegen einen EU-einheitlichen Corporate Governance Kodex ausgesprochen (siehe dazu oben Rz. 28), zugleich aber eine Reihe von Vorschlägen zur Verbesserung der Corporate Governance unterbreitet. Die EU-Kommission hat die meisten dieser Vorschläge aufgegriffen und in einem Aktionsplan „Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union“ zusammengefasst3. Danach sollen die börsennotierten Unternehmen in der EU u.a. jährlich in einem Corporate Governance Statement über ihre Corporate Governance berichten. Die nicht-geschäftsführenden BoardMitglieder bzw. Aufsichtsräte sollen zumindest in ihrer Mehrheit unabhängig sein. Bestimmte Entscheidungen wie die Wahlvorschläge für das Management oder die Überprüfung der Buchführung und Rechnungslegung sollen ihnen vorbehalten bleiben. Alle Organmitglieder sollen für die Richtigkeit der Finanzinformationen ihres Unternehmens gesamtschuldnerisch haften. Im Übrigen soll in allen EU-Ländern ein Wahlrecht zwischen dem dualistischen und dem monistischen Board-System eingeführt werden (siehe dazu bereits oben Rz. 22). Die Hauptpunkte dieses Aktionsplans sollen nach und nach mit einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen umgesetzt werden.
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Als erstes hat die EU-Kommission eine „Empfehlung zur Einführung einer angemessenen Regelung für die Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften“ sowie eine „Empfehlung zu den Aufgaben der nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitglieder sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs/Aufsichtsrats“ verabschiedet4. In der zuerst genannten Empfehlung wird die jährliche Veröffentlichung einer „Vergütungserklärung“ mit näheren Erläuterungen zur Vergütungspolitik in Bezug auf die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder vorgeschlagen. Diese Vergütungserklärung soll der Hauptversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden, wobei die Abstimmung auch lediglich beratenden Charakter haben kann. Außerdem soll die den Organmitgliedern im Geschäftsjahr gewährte Vergütung individuell offen gelegt werden. In der zweiten Empfehlung geht es darum, die Rolle der nicht geschäftsführenden Direktoren, im dualistischen System also der Aufsichtsratsmitglieder, zu stärken. Dazu wird die Einrichtung eines Nominierungs-, Vergütungs- und Prüfungsausschusses empfohlen, deren Mitglieder mehrheitlich unabhängig sein sollten. Zur Prüfung der Unabhängigkeit enthält der Anhang II der Empfehlung einen detaillierten Kriterienkatalog. Die EU-Kommission
1 Group of High Level Experts on Company Law, der neben Prof. Winter die Herren J. S. Christensen, Prof. Klaus J. Hopt, Prof. José M. G. Garcia und Jonathan Rickford angehörten. 2 Siehe dazu Maul, DB 2003, 27 ff., Wiesner, BB 2003, 213 ff. sowie die Stellungnahmen einer deutschen Experten-Gruppe unter Federführung von Lutter zum Konsultationsdokument (ZIP 2002, 1310) und zum Abschlussbericht (ZIP 2003, 863); siehe außerdem die Stellungnahmen des IDW in WPg 2002, 776 und des Handelsrechtsausschusses des DAV in NZG Beilage 13/2003. 3 Mitteilung der EU-Kommission vom 21.5.2003, KOM (2003), 284 endg.; siehe dazu die Stellungnahme des IDW in WPg 2003, 1020 und des Handelsrechtsausschusses des DAV in ZIP 2003, 1909. 4 Beide Empfehlungen vom 6.10.2004; siehe zur Vergütungsempfehlung auch ABl. EG Nr. L 385 v. 29.12.2004, S. 55; allgemein zur Entwicklung der Europäischen Corporate Governance Maul/Lanfermann, BB 2004, 1861.
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§2
Corporate Governance
schlägt sodann eine Richtlinie zur Stärkung der Aktionärsrechte vor1. Damit soll vor allem die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung der Mitgliedsrechte, insbesondere auch die grenzüberschreitende Ausübung des Stimmrechts, erleichtert werden. Außerdem beabsichtigt die Kommission eine Änderung der Rechnungslegungs-Richtlinien2. Dabei soll vor allem die gemeinsame Verantwortung der Vorstandsmitglieder für die Unternehmensabschlüsse bekräftigt werden. Die börsennotierten Gesellschaften sollen zudem eine jährliche Corporate Governance-Erklärung abgeben, in der sie u.a. über die Einhaltung eines nationalen Corporate Governance Kodex berichten. Um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Bestätigungsvermerke der gesetzlichen Abschlussprüfer zu stärken, hat die EU-Kommission am 16.5.2002 eine umfangreiche „Empfehlung zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers in der EU-Grundprinzipien“ verabschiedet3. Diese Empfehlung ist für die Mitgliedstaaten nicht verbindlich; die Kommission hat aber weitergehende Maßnahmen angekündigt, falls die Empfehlung nicht umgesetzt werden sollte. Am 21.5.2003 hat die EU-Kommission ergänzend eine Mitteilung zur „Stärkung der Abschlussprüfung in der EU“ veröffentlicht4. Ziel dieser Mitteilung ist vor allem eine Modernisierung der 8. Gesellschaftsrechtlichen Richtlinie, um allen gesetzlichen Abschlussprüfungen in der EU ein einheitliches prinzipienbasiertes Regelwerk zugrunde zu legen. Die Konkretisierung dieser Prinzipien soll später über einen Regulierungsausschuss für Abschlussprüfung erfolgen5.
101
Zur Umsetzung dieser Vorhaben sind mehrere Richtlinien beschlossen worden. In der Richtlinie zur Änderung der 4. und 7. Bilanzrichtlinie vom 14.6.2006 (so genannte Abänderungsrichtlinie)6 wird die kollektive Verantwortung der Leitungsorgane für die Aufstellung des konsolidierten Abschlüsse und Lageberichte festgeschrieben. Die Jahresabschlüsse und konsolidierten Abschlüsse müssen Angaben über die Geschäfte mit nahe stehenden Unternehmen und Personen enthalten. In den Lagebericht ist zudem eine Erklärung zur Unternehmensführung aufzunehmen, in der u.a. Abweichungen von dem für die Gesellschaft maßgeblichen Unternehmensführungskodex offen zu legen sind. In der so genannten Abschlussprüferrichtlinie vom 17.5.20067 werden die Anforderungen an die Ausbildung, Zulassung und Registrierung der Abschlussprüfer, ihre Berufsgrundsätze, insbesondere Unabhängigkeit und Verschwiegenheit, sowie die Standards für die Abschlussprüfung und die Erteilung des Bestätigungsvermerks geregelt. In diesem Zusammenhang wird auch die Einrichtung eines Prüfungsausschusses bei Unternehmen von öffentlichem Interesse, ins-
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1 Vgl. das Konsultationspapier der Generaldirektion Binnenmarkt vom 16.9.2004 zur Einführung einer angemessenen Regelung zur Stärkung der Aktionärsrechte. 2 Vorschlag für eine Richtlinie zur Abänderung der Richtlinie 78/660/EWG und 83/349/EWG hinsichtlich der Jahresabschlüsse bestimmter Arten von Unternehmen und konsolidierter Abschlüsse vom 28.10.2004. 3 ABl. EG Nr. L 191 v. 19.7.2002, S. 22. 4 ABl. EG Nr. C 236 v. 2.10.2003, S. 2; siehe dazu Wiesner, ZIP 2003, 1186 ff. 5 Siehe dazu kritisch Wiesner, ZIP 2003, 1186, 1187. 6 Richtlinie 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2006 zur Änderung der Richtlinie des Rates 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss, 86/635/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen, ABl. EG Nr. L 224 v. 16.8.2006, S. 1. 7 Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 157 v. 9.6.2006, S. 87.
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§2
Einführung
besondere börsennotierten Gesellschaften, vorgesehen. Am 11.7.2007 wurde die so genannte Aktionärsrechte-Richtlinie1 verabschiedet, die die individuellen Aktionärsrechte im Zusammenhang mit der Hauptversammlung vor allem börsennotierter Gesellschaften vereinheitlicht und dabei u.a. auch eine stärkere Nutzung des Internet vorsieht. 4. Entwicklung in Deutschland 103
In Deutschland hat es seit Mitte der 90er Jahre zahlreiche Novellierungen des Aktiengesetzes und anderer, vor allem die börsennotierte AG betreffenden Gesetze gegeben, sodass schon zu Beginn dieser Entwicklung von einer „Aktienrechtsreform in Permanenz“ gesprochen wurde2. Ziel dieser nahezu jährlichen Regulierungen3 war, das Aktien- und Kapitalmarktrecht und damit auch die Corporate Governance der deutschen Unternehmen an die Erfordernisse der zunehmend international verflochtenen Märkte anzupassen (siehe dazu ausführlich oben § 1). Zu der staatlichen Regulierungsebene ist dabei der Deutsche Corporate Governance Kodex als neue Regelungsebene unterhalb des staatlichen Gesetzesrechts hinzugekommen (siehe dazu oben Rz. 41 ff.). Sowohl die gesetzlichen Bestimmungen als auch die Empfehlungen des Kodex werden ständig weiter entwickelt. Die Bundesregierung hatte im September 2002 ein 10-Punkte-Programm und am 25.2.2003 einen „Maßnahmenkatalog zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes“ vorgestellt. Dieses Programm ist inzwischen durch mehrere Gesetze verwirklicht worden. Dabei ging es vor allem um die Umsetzung der restlichen Vorschläge der Baums-Kommission mit dem „Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts“4 und dem „Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten“5. Damit wurden die Kontrollrechte der Aktionäre verstärkt, indem sie leichter eine Bestellung von Sonderprüfern erreichen (§ 142 AktG) und etwaige Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihre Organmitglieder im eigenen Namen geltend machen können (§ 148 AktG).
104
Im Gegenzug zu diesen Belastungen der Unternehmen ist durch eine gesetzliche Verankerung der „business judgment rule“ in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG klargestellt worden, dass die Organmitglieder im Verhältnis zu ihrer Gesellschaft keiner Erfolgshaftung unterliegen (siehe dazu § 22 Rz. 18 ff.). Vor dem Hintergrund der ARAG-Entscheidung des BGH6, wonach die Organe grundsätzlich zur Verfolgung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft verpflichtet sind, hat diese Verrechtlichung eher zu einer verstärkten Inanspruchnahme der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat beigetragen. Daneben ist das Anfechtungsrecht wegen der Verletzung von Informationsrechten eingeschränkt werden (§ 243 Abs. 4 AktG). Für Beschlüsse über Kapitalmaßnahmen und zu Unternehmensverträgen wurde ein Freigabeverfahren eingeführt
1 Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. EG Nr. L 184 v. 14.7.2007, S. 17; siehe dazu Noack, NZG 2006, 321; Ratschow, DStR 2007, 1402; Pluskat, WM 2007, 2135 ff.; Zetzsche, NZG 2007, 686. 2 Zöllner, AG 1994, 336. 3 Gemeint sind vor allem KonTraG, StückAG, KapAEG, NaStraG, 4. FinanzmarktFördG, WpÜG, TransPuG, UMAG, VorstOG und Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz. 4 UMAG v. 22.9.2005, BGBl. I 2005, 2802. 5 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – KapMuG vom 16.8.2005, BGBl. I 2005, 2437. 6 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 ff. = AG 1997, 377 und dazu Kurzwelly in Krieger/Uwe H. Schneider, Hdb. Managerhaftung, § 14.
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Corporate Governance
(§ 246a AktG). Damit soll vor allem missbräuchlichen Anfechtungsklagen entgegengewirkt werden (siehe dazu § 37 Rz. 183 ff.). Im Anschluss an diese Regelungen wurden in der Öffentlichkeit zunehmend die steigenden „Managerbezüge“ kritisiert. Die damalige Empfehlung des Kodex zu einer individuellen Offenlegung der Vergütung (Ziff. 4.2.4 a. F.) wurde dabei zwar von der großen Mehrzahl der DAX-Gesellschaften, nicht aber auch von den übrigen börsennotierten Gesellschaften befolgt. Die Bundesregierung sah sich deshalb veranlasst, die individuelle Offenlegung der Vorstandsgehälter von börsennotierten Gesellschaften gesetzlich vorzuschreiben, was mit dem Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz (VorstOG) verwirklicht wurde1. Tatsächlich hat allerdings auch die Pflicht zur Offenlegung der Vorstandsbezüge deren weiteres Ansteigen nicht verhindert. Inzwischen wird deshalb erneut diskutiert, ob und ggf. wie die Vorstandsbezüge begrenzt werden können2. Gegenstand der derzeitigen Debatte ist vor allem eine Begrenzung der Aktienoptionen und Abfindungen. Der Kodex enthält auch dazu bereits Empfehlungen. So sollen bei den Vergütungskomponenten mit langfristiger Anreizwirkung wie den Aktienoptionen außerordentliche Steigerungen mit einem Cap begrenzt werden (Ziff. 4.2.3 Abs. 3). Abfindungen wegen vorzeitiger Beendigung des Vorstandstätigkeit sollen höchstens zwei Jahresvergütungen bzw. im Falle eines Kontrollwechsel höchstens drei Jahresvergütungen, jeweils aber nicht mehr als die Vergütung für die restliche Vertragslaufzeit betragen (Ziff. 4.2.3 Abs. 4 und 5)3. Außerdem soll das Vergütungssystem für den Vorstand einschließlich der wesentlichen Vertragselemente nicht mehr nur von einem Ausschuss, sondern vom Gesamtaufsichtsrat beschlossen werden (Ziff. 4.2.2 Abs. 1)4.
105
Im Übrigen steht für den Gesetzgeber die Umsetzung der jüngsten EU-Richtlinien im Vordergrund. So soll mit dem Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG)5 die Einrichtung von Prüfungsausschüssen, wie sie Art. 41 der Abschlussprüferrichtlinie vorsieht, näher geregelt werden. Die Einrichtung eines solchen Ausschusses soll zwar freiwillig bleiben. Mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrates oder des Prüfungsausschusses muss aber unabhängig sein und über Sachverstand auf den Gebieten der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen6. Über die Aufgaben gemäß Ziff. 5.3.2 des Kodex hinaus soll sich der Prüfungsausschuss vor allem mit der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses, der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems, der Revision und der Abschlussprüfung befassen7. Ergänzend dazu sollen die kapitalmarktorientierten Gesellschaften die wesentlichen Merkmale ihres internen Kontroll- und Risikomanagementsystems im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess im Lagebericht darstellen8. In der Entsprechens-
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1 Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz – VorstOG) vom 3.8.2005, BGBl. I 2005, 2267. 2 Vgl. den Bericht der SPD-Arbeitsgruppe „Angemessenheit und Transparenz von Managerbezahlungen“ vom 28.4.2008 sowie die Vorschläge des DGB für ein gesetzliches Maßnahmenbündel zur Regulierung der Vorstandsvergütung vom 3.6.3008. 3 Zu den Empfehlungen zur Begrenzung der Abfindungen siehe Bauer, BB 2007, 1793; Dörrwächter/Trafkowski, NZG 2007, 846; Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101 und E. Vetter, DB 2007, 1963, 1965 f. 4 Kritisch dazu Bauer/Arnold, BB 2008, 1692, 1696 f. 5 RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067. 6 §§ 100 Abs. 5, 107 Abs. 4 AktG i.d.F. des RegE des BilMoG vom 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067, und dazu Gruber, NZG 2008, 12 und Habersack, AG 2008, 98 ff. 7 § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG i.d.F. des RegE des BilMoG vom 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067. 8 §§ 289 Abs. 5, 315 Abs. 2 Nr. 5 HGB i.d.F. des RegE des BilMoG vom 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067.
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§2
Einführung
erklärung gemäß § 161 AktG sollen künftig etwaige Abweichungen auch begründet werden. Außerdem soll diese Erklärung Teil einer umfassenderen und europarechtlich vereinheitlichten Erklärung zur Unternehmensführung werden1. 107
In Vorbereitung ist außerdem das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechte-Richtlinie (ARUG)2. Mit diesem Gesetz sollen in erster Linie die Vorschriften des AktG über die Aktionärsrechte im Zusammenhang mit der Hauptversammlung an die Richtlinie angepasst werden3. Dabei geht es vor allem um einen Ausbau der elektronischen Kommunikation zwischen den Gesellschaften und ihren Aktionären. Außerdem soll das Vollmachtstimmrecht der Banken vereinfacht werden. Schließlich soll ein weiterer Versuch unternommen werden, die in letzter Zeit stark angestiegenen professionellen Anfechtungsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse4 einzudämmen. Dazu sollen die Verfahren zur Freigabe von Registereintragungen beschleunigt werden. Die bisherigen Vorschläge dürften die Aktivitäten der immer zahlreicher werdenden Berufskläger allerdings nicht nennenswert beeinträchtigen5.
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Unabhängig von der Umsetzung aktueller EU-Richtlinien wird versucht, mit dem Risikobegrenzungsgesetz6 den Einfluss aktiver Finanzinvestoren auf die Unternehmen einzuschränken. Zu diesem Zweck sind bei Mitteilungen von Finanzinstrumenten (§ 25 WpHG) die Stimmrechte aus etwaigen Aktien hinzuzurechnen. Erreicht ein Investor 10 % der Stimmrechte oder eine höhere Schwelle im Sinne der §§ 21, 22 WpHG, hat der Meldepflichtige innerhalb von 20 Handelstagen die mit dem Stimmrechtserwerb verfolgten Ziele und die Herkunft der dafür verwendeten Mittel offen zu legen (§ 27a WpHG). Damit soll ein Anschleichen „unerwünschter“ Aktionäre früher erkannt werden. Spezielle Rechtsfolgen sind bei Verstößen gehen die neuen Informationspflichten allerdings nicht vorgesehen. Praktisch bedeutsamer dürfte deshalb die Ausweitung des „acting in concert“ auf koordinierte Verhaltensweisen sein, die – außerhalb der Hauptversammlung – auf eine dauerhafte oder erhebliche Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zielgesellschaft gerichtet sind (§ 20 Abs.2 WpHG, § 30 Abs. 2 WpÜG). Dem Schutz der Unternehmen dienen schließlich auch Überlegungen zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung, nach denen der Erwerb wesentlicher Beteiligungen durch Dritte von außerhalb der EU bei Vorliegen einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung untersagt werden kann7.
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Um die Verbesserung der Transparenz geht es dagegen bei den im Rahmen des Risikobegrenzungsgesetzes ebenfalls verabschiedeten Änderungen des § 67 AktG. Die Gesellschaften, die Namensaktien ausgegeben haben, können in der Satzung vorsehen, dass die Eintragung sog. Legitimationsaktionäre im Aktienregister nur bis zu einer bestimmten Höchstgrenze zulässig ist (§ 67 Abs. 1 Satz 3 AktG). Außerdem kann in der Satzung bestimmt werden, dass unter bestimmten Voraussetzungen der wahre Inhaber der Aktien zu offenbaren ist (§ 67 Abs. 2 Satz 2 AktG). Inwieweit diese Regelungsangebote von den Gesellschaften genutzt werden, bleibt abzuwarten. 1 § 289a HGB i.d.F. des RegE des BilMoG vom 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067; siehe dazu näher Kuthe/Geiser, NZG 2008, 172 ff. 2 Vgl. RefE des ARUG vom 6.5.2008, und dazu Seibert, ZIP 20008, 906; Drinhausen/Keinath, BB 2008, 1238; Noack, NZG 2008, 441 und Zetzsche, Der Konzern 2008, 321. 3 Siehe dazu näher im Zusammenhang unten in § 34. 4 Siehe dazu die Untersuchung von Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629 ff. 5 Siehe dazu die Kritik des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2008, 534, 541 ff. sowie die Vorschläge von Baums/Drinhausen, ZIP 2007, 145 ff. und J. Vetter, AG 2008, 177 ff. 6 Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) vom 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1666. 7 Vgl. RegE eines dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung vom 20.8.2008.
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§3
Besonderheiten der börsennotierten SE
§3 Besonderheiten der börsennotierten Europäischen Gesellschaft I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1
II. Die börsennotierte SE . . . . . . . . .
4
III. Rechtliche Besonderheiten der börsennotierten SE . . . . . . . . . . .
Rz. 3. Gemeinsame Tochter-SE . . . . . . . 27 4. Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . 28 5. Tochter-SE . . . . . . . . . . . . . . . . 30
8
1. Gesellschaftsrechtliche Regelungen 10
V. Besondere Gestaltungsmöglichkeiten in der SE . . . . . . . . . . . . . 31
2. Kapitalmarktrechtliche Regelungen 14
1. Sitzverlegung . . . . . . . . . . . . . . 32
IV. SE-Gründung unter Beteiligung börsennotierter AG . . . . . . . . . . 17
2. Monistische Führungsstruktur . . . 37 3. Corporate Governance . . . . . . . . 43
1. Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . 18
4. Mitbestimmung im Aufsichtsrat . . 49
2. Holding-SE . . . . . . . . . . . . . . . . 24
5. Europäische Identität . . . . . . . . . 59
Schrifttum: Blanquet, Das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft, ZGR 2002, 20; Bonani/Melot de Beauregard, Mitbestimmung in der Societas Europaea, GmbHR 2005, 195; Casper, Der Lückenschluss im Recht der Europäischen Aktiengesellschaft, in FS Ulmer, 2003, S. 51; Drinhausen/van Hulle/Maul, Handbuch zur Europäischen Gesellschaft (SE), 2007; Eder, Die monistisch verfasste Societas Europaea – Überlegungen zur Umsetzung eines CEOModells, NZG 2004, 544; Grobys, Das geplante Umsetzungsgesetz zur Beteiligung von Arbeitnehmern in der Europäischen Aktiengesellschaft, NZA 2004, 779; Habersack, Schranken der Mitbestimmungsautonomie in der SE, AG 2006, 345; Habersack, Konzernrechtliche Aspekte der Mitbestimmung in der Societas Europaea, Der Konzern 2006, 105; Heckschen, Die SE als Option für den Mittelstand, in FS Westermann, 2008, S. 999; Hirte, Die Europäische Aktiengesellschaft, NZG 2002, 1; Hoffmann-Becking, Organe: Strukturen und Verantwortlichkeiten, insbesondere im monistischen System, ZGR 2004, 355; Kallmeyer, Das monistische System in der SE mit Sitz in Deutschland, ZIP 2003, 1531; Kämmerer/Veil, Paritätische Arbeitnehmermitbestimmung in der monistischen Societas Europaea – ein verfassungsrechtlicher Irrweg?, ZIP 2005, 369; Kowalski, Praxisfragen bei der Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Europäische Gesellschaft (SE), DB 2007, 2243; Marsch-Barner, Zur monistischen Führungsstruktur einer deutschen Europäischen Gesellschaft (SE), in Kohler/Obermüller/Wittig, Gedächtnisschrift Bosch, 2006, S. 99; Marsch-Barner, Die Rechtsstellung der Europäischen Gesellschaft (SE) im Umwandlungsrecht, in Liber amicorum Happ, 2006, S. 161; Merkt, Die monistische Unternehmensverfassung für die Europäische Aktiengesellschaft aus deutscher Sicht, ZGR 2003, 650; Merkt, Die Europäische Gesellschaft als börsennotierte Gesellschaft, in Lutter/Hommelhoff (Hrsg.), Die Europäische Gesellschaft, 2005, S. 179; Nagel, Ist die Europäische Aktiengesellschaft (SE) attraktiv?, DB 2004, 1299; Oechsler, Die Sitzverlegung der Europäischen Aktiengesellschaft nach Art. 8 SE-VO, AG 2005, 373; Rehberg, Die missbräuchliche Verkürzung der unternehmerischen Mitbestimmung durch die Societas Europaea, ZGR 2005, 859; Reichert, Die SE als Gestaltungsinstrument für grenzüberschreitende Verschmelzungen ins deutsche Recht, Der Konzern 2006, 821; Reichert/ Brandes, Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der SE: Gestaltungsfreiheit und Bestandsschutz, ZGR 2003, 767; Seibt/Reinhard, Umwandlung der Aktiengesellschaft in die Europäische Gesellschaft (Societas Europaea), Der Konzern 2005, 407; C. Teichmann, Gestaltungsfreiheit im monistischen Leitungssystem der Europäischen Aktiengesellschaft, BB 2004, 53; Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft, 2. Aufl. 2005; Thoma/Leuering, Die Europäische Aktiengesellschaft – Societas Europaea, NJW 2002, 1449; Vossius, Gründung und Umwandlung der deutschen Europäischen Gesellschaft (SE), ZIP 3005, 741; Walden/MeyerLandrut, Die grenzüberschreitende Verschmelzung zu einer Europäischen Gesellschaft: Pla-
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nung und Vorbereitung, DB 2005, 2119; Wollburg/Banerjea, Die Reichweite der Mitbestimmung in der Europäischen Gesellschaft, ZIP 2005, 277.
I. Einleitung 1
Die Europäische Gesellschaft (Societas Europaea oder SE) ist eine eigenständige Rechtsform neben der AG, die in Deutschland seit Ende 2004 zur Verfügung steht. Im Unterschied zur AG ist die SE keine rein deutsche, sondern eine supranationale Gesellschaft. Das auf sie anzuwendende Recht ergibt sich in erster Linie aus den europäischen Rechtsgrundlagen, nämlich der Verordnung über das Statut der SE1 und der ergänzenden Richtlinie über die Beteiligung der Arbeitnehmer2. Ergänzend gelten die Bestimmungen des deutschen Einführungsgesetzes zur SE3. Dieses Einführungsgesetz besteht aus zwei Teilen, nämlich dem Gesetz zur Ausführung der SE-Verordnung (SEAG)4, das sich mit der Gründung und dem Aufbau dem SE befasst, und dem SE-Beteiligungsgesetz (SEBG)5, mit dem die Bestimmungen der SE-Beteiligungsrichtlinie in das deutsche Recht umgesetzt worden sind. Soweit sich aus dem Recht der SE steuerliche Besonderheiten ergeben, sind diese im SE-Steuereinführungsgesetz geregelt6.
2
Nach diesem komplexen Regelwerk ist die SE eine Sonderform der Aktiengesellschaft. Sie ist wie diese eine juristische Person mit einem in Aktien zerlegten Grundkapital (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 SE-VO). Auf eine SE mit Sitz in Deutschland finden demgemäß die Vorschriften über Aktiengesellschaften weitgehend entsprechende Anwendung. Besonderheiten ergeben sich vor allem daraus, dass die Grundlagen der SE, insbesondere die Modalitäten ihrer Gründung, im europäischen Recht geregelt sind und das Recht des Sitzstaates der SE nur nachrangig und ergänzend anwendbar ist7. Außerdem richtet sich die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im SE-Betriebsrat und im Aufsichtsorgan der Gesellschaft in erster Linie nach der mit der Arbeitnehmervertretung getroffenen Vereinbarung8. Nur wenn eine solche Vereinbarung nicht erreicht wird, gilt die gesetzliche Auffangregelung9.
3
Die Regelungen zur SE enthalten keine Bestimmungen, die nur für eine börsennotierte SE gelten. Zwischen börsennotierter und nicht börsennotierter SE wird nicht einmal unterschieden. Die verschiedenen Gründungsformen, insbesondere die SEGründung im Zuge einer grenzüberschreitenden Verschmelzung10 oder durch Umwandlung einer AG11, sind aus der Sicht des Kapitalmarktes neutral. Dies gilt auch 1 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001, S. 1. 2 Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer, ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001, S. 22. 3 Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG) v. 22.12.2004, BGBl. I 2004, 3675. 4 BGBl. I 2004, 3675 ff. 5 BGBl. I 2004, 3686 ff. 6 Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG) v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782. 7 Vgl. zur Hierarchie der Rechtsquellen Art. 9 SE-VO. 8 Vgl. § 21 SEBG. 9 Vgl. §§ 22 ff. SEBG. 10 Artt. 2 Abs. 1, 17 ff. SE-VO. 11 Artt. 2 Abs. 4, 37 SE-VO.
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für das Erfordernis, dass die SE nur von Gesellschaften und Körperschaften, nicht aber von natürlichen Personen gegründet werden kann1. Dass die SE börsenfähig sein kann, wird damit aber nicht ausgeschlossen, sondern als selbstverständlich unterstellt.
II. Die börsennotierte SE Mit der Schaffung der SE als europäischer Kapitalgesellschaft sollen den Unternehmen vor allem bessere Möglichkeiten zu Kooperation und Zusammenschluss über die Grenzen der einzelnen Mitgliedstaaten hinweg eröffnet werden2. Der Zugang der SE zum Kapitalmarkt spielt dabei keine besondere Rolle. Die SE wird nicht wie die AG in Deutschland als Rechtsform für den Kapitalmarkt, sondern als Standardgesellschaftsform betrachtet, die auch für kleine und mittelgroße Unternehmen attraktiv sein soll3. Dieser Grundeinstellung entspricht es, dass das Mindestkapital der SE nur mit 120 000 Euro festgesetzt wurde4. Diese Größenordnung reicht für einen Börsengang bei weitem nicht aus. Dafür müssen der voraussichtliche Kurswert der zuzulassenden Aktien oder das Eigenkapital der Gesellschaft mindestens 1,25 Mio Euro betragen5.
4
In den Erwägungsgründen zur SE-VO wird allerdings betont, dass bei einer öffentlichen Aufforderung zur Zeichnung von Wertpapieren einer SE die für die AG maßgebenden einzelstaatlichen Bestimmungen gelten6. Daraus folgt, dass die SE jedenfalls börsenfähig ist. Außerdem sind, wie die Art. 9 und 10 SE-VO bestätigen, alle Bestimmungen, die für eine börsennotierte AG gelten, auch von einer börsennotierten SE zu beachten. Solche börsennotierten Gesellschaften sind inzwischen schon entstanden.
5
Trotz anfänglicher Skepsis hat es in den letzten Jahren eine Reihe von SE-Gründungen und Umwandlungen in die SE gegeben. Relativ viele davon wurden in Deutschland gegründet7. Unter den Gesellschaften, die in Deutschland die Rechtsform der SE angenommen haben, befinden sich auch mehrere börsennotierte Gesellschaften wie z.B. Fresenius, Allianz, BASF und Porsche. Andere börsennotierte Unternehmen haben erklärt, dass sie einen Wechsel in die SE prüfen.
6
Dass die börsennotierte SE inzwischen Teil der Unternehmenswirklichkeit geworden ist, zeigt sich u.a. daran, dass in der Präambel des Deutschen Corporate Governance Kodex neben der AG auch die SE aufgeführt wird8. Dass auch eine börsennotierte SE die jährliche Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG abgeben muss, folgt zwar schon aus Art. 9 SE-VO. Die ausdrückliche Erwähnung der SE im Kodex zusammen mit einem Hinweis auf die besonderen Gestaltungsmöglichkeiten dieser Rechtsform, nämlich das monistische Führungssystem und eine Mitbestimmung kraft Verein-
7
1 Vgl. Art. 2 SE-VO. 2 Vgl. insbesondere den zehnten Erwägungsgrund der SE-VO. 3 Vgl. den 13. Erwägungsgrund der SE-VO sowie Blanquet, ZGR 2002, 20, 34 ff. und Merkt in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 179, 180. 4 Art. 4 Abs. 2 SE-VO. 5 Art. 43 Abs. 1 Wertpapierzulassungs-Richtlinie 2001/34/EG v. 28.5.2001, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.6.2002 sowie § 2 BörsZulV. 6 Zwölfter Erwägungsgrund der SE-VO. 7 Von den 127 SE, die Anfang Januar 2008 registriert waren, hatten 58 ihren Sitz in Deutschland, Bayer/J. Schmidt, AG-Report 2008, R 103. 8 Ergänzung des Kodex v. 14.6.2007, veröffentlicht im elektronischen Bundesanzeiger v. 8.8.2008.
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barung, verdeutlicht aber die Bedeutung, die die börsennotierte SE inzwischen in der Unternehmenspraxis erlangt hat.
III. Rechtliche Besonderheiten der börsennotierten SE 8
Die börsennotierte SE unterliegt grundsätzlich allen für die AG geltenden Vorschriften (Art. 9 Abs. 1c ii SE-VO). Dabei sind die Vorgaben des europäischen Rechts, vor allem aus der SE-VO, vorrangig zu beachten. Im Bereich der gesellschaftsrechtlichen Regelungen gibt es auf Grund dieser Vorgaben einige, durchaus bemerkenswerte Unterschiede zwischen dem Recht des SE und dem der AG. Diese Unterschiede erlauben der SE verschiedene von der AG abweichende Gestaltungen. Im Bereich des Kapitalmarktrechts gelten für die börsennotierte SE mit Sitz in Deutschland allerdings die gleichen Vorschriften wie für eine börsennotierte deutsche AG.
9
Bei der Verweisung auf das nationale Recht handelt es sich um eine Sachnormverweisung, sodass die Regeln des IPR keine Anwendung finden1. Die Verweisung schließt ungeschriebene Rechtsgrundsätze und Richterrecht ein. Sie ist zudem dynamisch, bezieht sich also auf das nationale Recht in seiner jeweiligen Fassung2. 1. Gesellschaftsrechtliche Regelungen
10
Besondere gesellschaftsrechtliche Bestimmungen, die nur für eine börsennotierte SE gelten, gibt es nicht. Einzelne Regelungen sind für die börsennotierte SE aber von besonderer Bedeutung. So gelten die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates, die ein höheres Grundkapital für Gesellschaften vorsehen, die bestimmte Arten von Tätigkeiten ausüben, auch für die SE mit Sitz in dem betreffenden Mitgliedstaat (Art. 4 Abs. 3 SE-VO). Gedacht ist dabei vor allem an Kreditinstitute und andere Finanzdienstleister3. Erfasst sind aber auch die Kapitalanforderungen, die z.B. für die Zulassung von Aktien zum Börsenhandel nach § 2 BörsZulV gelten4. In diesem Zusammenhang ist auch Art. 9 Abs. 3 SE-VO zu erwähnen, wonach besondere Vorschriften des einzelstaatlichen Rechts, die für die von der SE ausgeübte Geschäftstätigkeit anzuwenden sind, auf die SE uneingeschränkt Anwendung finden.
11
Soweit eine SE kapitalmarktfähige Wertpapiere wie Aktien, Schuldverschreibungen und sonstige vergleichbare Papiere herausgibt, gelten dafür die Vorschriften, die auch für eine AG gelten (Art. 5 Abs. 3 SE-VO)5. Die SE kann damit alle Wertpapierformen nutzen, die auch sonst an den Finanzmärkten verwendet werden6.
12
Nach Art. 9 Abs. 1c ii SE-VO unterliegt eine SE mit Sitz in Deutschland den für eine deutsche AG geltenden Bestimmungen. Dies sind in erster Linie die Vorschriften des AktG, aber auch z.B. die für die AG geltenden Vorschriften des HGB oder des UmwG. Soweit § 3 Abs. 2 AktG an die Börsennotierung anknüpft, gilt diese Legaldefinition auch für die börsennotierte SE. Für die börsennotierte SE gelten damit zugleich alle
1 Schwarz, SE-VO, 2006, Einl. Rz. 25; Schäfer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2006, Art. 9 SE-VO Rz. 9; Casper in Spindler/Stilz, AktG, Art. 9 SE-VO Rz. 9; Austmann in MünchHdb. AG, § 82 Rz. 15. 2 Schwarz, SE-VO, 2006, Einl. Rz. 133; Austmann in MünchHdb. AG, § 82 Rz. 15. 3 Casper in Spindler/Stilz, AktG, Art. 5 SE-VO Rz. 3. 4 Merkt in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 179, 187. 5 Casper in Spindler/Stilz, AktG, Art. 5 SE-VO Rz. 6. 6 Merkt in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 179, 188.
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aktienrechtlichen Sonderregeln, die in den letzten Jahren für börsennotierte Aktiengesellschaften geschaffen worden sind (siehe dazu § 1 Rz. 11 ff.). Für die SE gilt nach Art. 9 Abs. 1b und c SE-VO eine ähnliche Satzungsstrenge wie für die AG gemäß § 23 Abs. 5 AktG. Dies ist zwar keine Besonderheit der börsennotierten SE. Die Satzungsstrenge bedeutet aber eine weitgehende Standardisierung im Interesse der Handelbarkeit der Aktien. Sie dient damit dem Anlegerschutz wie der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes1.
13
2. Kapitalmarktrechtliche Regelungen Aus Art. 9 Abs. 1c ii SE-VO2 folgt, dass für eine SE mit Sitz in Deutschland wie für eine inländische AG das deutsche Kapitalmarktrecht gilt. Dieses umfasst das Börsenrecht mit dem BörsG, der Börsenzulassungs-VO und der Börsenordnung der jeweiligen Börse. Eine SE muss danach zur Zulassung ihrer Aktien im amtlichen Handel wie jede andere Emittentin mindestens drei Jahre als Unternehmen bestanden und ihre Jahresabschlüsse für die drei dem Zulassungsantrag vorangegangenen Jahre offen gelegt haben (§ 3 Abs. 1 BörsZulV). Während dieses Zeitraums muss das Unternehmen nur als solches, nicht aber notwendig in der Rechtsform der SE, bestanden haben3. Hinsichtlich der Zulassungsfolgepflichten sind vor allem die Anforderungen der Frankfurter Wertpapierbörse mit der Aufteilung des amtlichen Handels in den General Standard und den Prime Standard von Bedeutung4. Soweit die Wertpapiere einer SE mit Sitz in Deutschland an einer ausländischen Börse notiert sind, ist selbstverständlich deren Recht zu beachten5.
14
Für die von der SE ausgegebenen Aktien gelten die Bestimmungen des AktG mit der danach möglichen Ausgestaltung als Namens- oder Inhaberaktien (Art. 5 SE-VO). Ergänzend finden die allgemeinen Vorschriften, z.B. des BGB für die Übertragung der Aktien und des DepotG für die Sammelverwahrung, Anwendung6.
15
Für eine börsennotierte SE mit Sitz in Deutschland gelten außerdem die Vorschriften des WpHG mit dem Insiderrecht (§§ 12 ff.) und der Ad hoc-Mitteilungspflicht (§ 15) sowie das Übernahmerecht des WpÜG.
16
IV. SE-Gründung unter Beteiligung börsennotierter AG Die SE-VO kennt in Art. 2 und 3 SE-VO insgesamt fünf Formen der Gründung einer SE, nämlich die Gründung im Zuge einer Verschmelzung, durch Bildung einer Holding-SE oder einer gemeinsamen Tochter-SE sowie durch Umwandlung oder Gründung einer Tochter-SE durch eine bereits bestehende SE. Gründer können in allen diesen Fällen nur bestimmte juristische Personen und Personengesellschaften sein. Ist eine börsennotierte AG an der Gründung beteiligt, ergeben sich daraus im All1 Schwarz, SE-VO, 2006, Rz. 52 zu Art. 6. 2 Merkt in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 179, 188; abw. Casper in Spindler/Stilz, AktG, Art. 5 SE-VO Rz. 6 und Art. 9 SE-VO Rz. 14, wonach sich die Anwendbarkeit des Kapitalmarktrechts aus den Vorgaben des Staates ergibt, in dem die SE gelistet ist bzw. ihren Zulassungsantrag gestellt hat. 3 Vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 1–12 BörsZulV Rz. 4 f.; Heidelbach in Schwark, § 3 BörsZulV Rz. 2; Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 3 BörsZulV Rz. 2. 4 Siehe dazu Abschn. IV der BörsO der FWB i.d.F. v. 29.7.2008. 5 Blanquet, ZGR 2002, 20, 53; Merkt in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 179, 189; Casper in Spindler/Stilz, AktG, Art. 9 SE-VO Rz. 14. 6 Merkt in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 179, 190.
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gemeinen keine Besonderheiten. Neben den Anforderungen des Gründungsrechts sind auch die einschlägigen kapitalmarktrechtlichen Vorschriften zu beachten. Dazu gehören vor allem das Insiderrecht (§§ 12 ff. WpHG) und die Ad hoc-Mitteilungspflicht (§ 15 WpHG). Die verschiedenen Gründungsvarianten sollen im Folgenden nur kurz skizziert werden. 1. Verschmelzung 18
Eine SE kann durch Verschmelzung von Aktiengesellschaften aus der EU oder dem EWR entstehen, sofern mindestens zwei der beteiligten AG dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen (Art. 2 Abs. 1 SE-VO). So kann z.B., wie bei der Bildung der Allianz SE, eine italienische SpA grenzüberschreitend auf eine deutsche AG verschmolzen werden (Verschmelzung zur Aufnahme). Die aufnehmende AG wandelt sich dann mit Wirksamwerden der Verschmelzung in eine SE um (Art. 17 Abs. 2 Satz 2 SE-VO). Entsprechendes gilt, wenn die beteiligten Aktiengesellschaften im Wege der Verschmelzung zur Neugründung fusionieren. Die aus der Verschmelzung entstehende neue Gesellschaft ist dann eine SE (Art. 17 Abs. 2 Satz 3 SE-VO). Dabei kann die neue SE ihren Sitz auch in einem anderen Mitgliedstaat als dem Sitz der Gründungsgesellschaften nehmen1.
19
Das Verschmelzungsverfahren entspricht im Wesentlichen dem aus dem UmwG bekannten Ablauf2. Die Geschäftsleitungen der beteiligten Gesellschaften müssen jeweils einen Verschmelzungsplan mit den Mindestangaben nach Art. 20 SE-VO aufstellen. Dazu gehört auch die Satzung der künftigen SE (Art. 20 Abs. 1h SE-VO). Der Verschmelzungsplan ist von gerichtlich zu bestellenden Sachverständigen zu prüfen (Art. 22 SE-VO). Außerdem ist ein für alle Aktionäre bestimmter einheitlicher Verschmelzungsbericht zu erstellen (Art. 22 Abs. 1 SE-VO). Die Hauptversammlungen der beteiligten Gesellschaften beschließen dann über den jeweiligen Verschmelzungsplan (Art. 23 Abs. 1 SE-VO). Die Eintragung der Verschmelzung erfolgt im Register einer jeden beteiligten Gesellschaft. Für die Wirksamkeit der Verschmelzung ist jedoch die Eintragung im Register der aufnehmenden oder neuen Gesellschaft maßgebend (Art. 26 Abs. 1 SE-VO). Die anderen beteiligten Register haben dazu für ihren Verfahrensabschnitt eine Bescheinigung zu erstellen (Art. 25 Abs. 2 SE-VO).
20
Hat die künftige SE ihren Sitz im Ausland, ist den widersprechenden Aktionären einer beteiligten deutschen AG im Verschmelzungsplan ein Barabfindungsangebot zu unterbreiten (§ 7 SEAG). Dies kann zu einer erheblichen Liquiditätsbelastung führen3. In einem solchen Fall ist auch der Gläubigerschutz modifiziert. Anders als nach § 22 UmwG können die Gläubiger schon vor der Eintragung Sicherheit verlangen. Die Eintragung der Verschmelzung kann erst erfolgen, wenn die Vorstandsmitglieder der übertragenden Gesellschaft(en) versichern, dass allen Gläubigern Sicherheit geleistet worden ist (§§ 8, 13 SEAG). Eine weitere Besonderheit gegenüber einer inländischen Verschmelzung besteht darin, dass ein Spruchverfahren zur Überprüfung der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses oder der Barabfindung bei einer deutschen übertragenden AG nur stattfindet, wenn dem die anderen Gesellschaften, deren 1 Bayer in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, Art. 17 Rz. 3; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, Anhang Rz. 27; Reichert, Der Konzern 2006, 821, 828. 2 Siehe zum Verschmelzungsverfahren näher Bayer in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 25, 32 ff.; Drinhausen in Drinhausen/van Hulle/Maul, Handbuch zur Europäischen Gesellschaft (SE), 2007, S. 59 ff.; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, Anhang Rz. 8 ff.; Walden/Meyer-Landrut, DB 2005, 2119 ff.; Vossius, ZIP 2005, 743 ff. 3 Kritisch dazu J. Vetter in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 111, 145.
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Rechtsordnung ein solches Verfahren nicht kennt, ausdrücklich zugestimmt haben (Art. 25 Abs. 3 Satz 1 SE-VO). Dabei steht das Spruchverfahren allen Aktionären offen, die mit dem Umtauschverhältnis nicht einverstanden sind1. Wird die Zustimmung nicht erteilt, kann der Verschmelzungsbeschluss abweichend von § 14 Abs. 2 UmwG auch mit der Bewertungsrüge angefochten werden (vgl. § 7 Abs. 5 und 7 SEAG). Bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung kann das Umtauschverhältnis damit ein besonderes Anfechtungsrisiko darstellen, zumal es noch keine einheitlichen Bewertungsgrundsätze innerhalb der EU gibt2. Die künftige SE kann erst eingetragen werden, wenn eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer geschlossen wurde oder die Verhandlungsfrist abgelaufen ist, ohne dass eine Vereinbarung zustande gekommen ist (Art. 12 Abs. 2 SE-VO). Im ersten Fall gilt die vereinbarte Mitbestimmung (§ 21 SEBG). Im zweiten Fall gilt eine gesetzliche Auffangregelung für den SE-Betriebsrat (§§ 22 ff. SEBG) und für die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsorgan der SE (§§ 34 ff. SEBG). Für die Mitbestimmung im Aufsichtsrat setzt sich danach die Mitbestimmung mit der höchsten Anzahl von Arbeitnehmervertretern durch (§ 35 Abs. 2 SEBG). Ist an der Verschmelzung eine dem deutschen MitbestG unterliegende AG beteiligt, gilt die paritätische Mitbestimmung regelmäßig auch für die SE. Eine Ausnahme besteht nur für die Fälle, in denen die Zahl der bislang mitbestimmten Mitarbeiter unter 25 % aller von der Verschmelzung betroffenen Arbeitnehmer liegt (§ 34 Abs. 1 Nr. 2 SEBG). Diese Regeln gelten grundsätzlich auch bei allen anderen SE-Gründungen. Die Schwellenwerte für das Arbeitnehmerquorum sind allerdings unterschiedlich3.
21
Für die Verhandlungen über die Mitbestimmung ist auf Arbeitnehmerseite ein besonderes Verhandlungsgremium zu bilden. Dafür ist ein Zeitraum von bis zu 10 Wochen vorgesehen (§ 11 Abs. 1 SEBG). Die sich dann anschließenden Verhandlungen können bis zu sechs Monate dauern. Dieser Zeitraum kann einvernehmlich auf höchstens ein Jahr verlängert werden (§ 20 SEBG).
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Die Hauptversammlung jeder an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaft kann sich vorbehalten, die Eintragung der Verschmelzung von einer Genehmigung der erzielten Mitbestimmungsregelung4 abhängig zu machen (Art. 23 Abs. 2 Satz 2 SE-VO). Damit kann sich das Gründungsverfahren um eine weitere Hauptversammlung verzögern. Um dies zu vermeiden, empfiehlt es sich, das Mitbestimmungsverfahren so frühzeitig einzuleiten, dass das endgültige Mitbestimmungsmodell bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Verschmelzung feststeht.
23
2. Holding-SE Aktiengesellschaften können eine SE auch als Holding gründen, wenn mindestens zwei von ihnen dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen oder seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat unterhalten (Art. 2 Abs. 3 SE-VO). Bei der Gründung einer Holding-SE bleiben die an der 1 Vgl. Begr. RegE SEEG, BT-Drucks. 15/3405, S. 32 und Austmann in MünchHdb. AG, § 83 Rz. 39. 2 Vgl. dazu Achleitner in Cromme, Corporate Governance Report 2007, S. 48, 54. 3 Vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 3a und b SEBG: mindestens 50 % bei einer Holding-SE und einer TochterSE. 4 Entgegen dem Wortlaut der VO kann sich der Zustimmungsvorbehalt auch auf die gesetzliche Auffangregelung beziehen, Bayer in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, Art. 23 SE-VO Rz. 15.
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Gründung beteiligten Gesellschaften bestehen. Deren Aktionäre erhalten jedoch Gelegenheit, einen bestimmten Mindestprozentsatz ihrer Aktien an den Gründungsgesellschaften gegen die Ausgabe von neuen Aktien der SE in diese einzubringen (Artt. 32 Abs. 2, 33 Abs. 1 und 4 SE-VO). Es handelt es sich damit um eine Sachgründung, bei der die Gründungsgesellschaften zu Tochtergesellschaften der SE werden. 25
Die Gründung erfolgt gemäß Artt. 32, 33 SE-VO in zwei Stufen1. Zunächst müssen die Aktionäre der beteiligten Gesellschaften über den gemeinsamen, von Sachverständigen geprüften Gründungsplan anhand des Prüfungsberichts und eines Gründungsberichts beschließen. In einem zweiten Schritt haben die Aktionäre sodann ihre Aktien an der jeweiligen Gründungsgesellschaft innerhalb von drei Monaten im Umfang von mehr als 50 % in die neue SE zum Zwecke ihrer Gründung einzubringen.
26
Auf diesem Wege können sich Gesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten zu einem Konzernverbund unter einheitlicher Leitung der neuen Holding-SE zusammenschließen. Für eine Zusammenführung bislang unabhängiger börsennotierter Gesellschaften ist dieser Weg allerdings wegen seiner Dauer problematisch. Dies gilt nicht nur für das eigentliche Gründungsverfahren, sondern auch für die begleitenden Verhandlungen über die Mitbestimmung im Aufsichtsorgan der künftigen Holding. Eine an der Gründung beteiligte deutsche AG muss ihren Aktionären zudem ein Abfindungsangebot unterbreiten, wenn sich der Sitz der künftigen Holding-SE im Ausland befindet oder wenn die SE ihrerseits abhängig im Sinne von § 17 AktG ist (§ 9 SEAG). Als Besonderheit kommt weiter hinzu, dass unklar ist, ob die Aufforderung an die Aktionäre der Gründungsgesellschaften, ihre Aktien einzubringen, ein öffentliches Übernahmeangebot im Sinne der §§ 29 ff. WpÜG darstellt2. Ein Risiko stellt – wie bei der Verschmelzung – auch die Ermittlung des Umtauschverhältnisses dar, da für grenzüberschreitende Zusammenschlüsse bislang kein harmonisiertes Bewertungsverfahren existiert. Verglichen damit ist das herkömmliche Verfahren eines parallelen Übernahmeangebotes einer NewCo, wie es bei der Bildung der DaimlerChrysler AG praktiziert wurde, deutlich schneller und sicherer3. 3. Gemeinsame Tochter-SE
27
Nach Art. 2 Abs 3 SE-VO können Gesellschaften mit Sitz und Hauptverwaltung in der EU eine Tochter-SE durch Zeichnung ihrer Aktien gründen, sofern mindestens zwei von ihnen dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen oder seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegende Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben. Bei der Gründung einer solchen gemeinsamen Tochter-SE handelt es sich um eine Bar- oder Sachgründung nach dem Aktienrecht des Sitzstaates der SE4. Ein Gründungsplan ist dafür nicht erforderlich. In der Regel werden die Gründungsgesellschaften allerdings eine mehr oder weniger formalisierte Vereinbarung über die Gründung der gemeinsamen Tochter treffen. An den Zeitpunkt dieser Vereinbarung knüpft § 4 Abs. 2 Satz 3 SEBG die Pflicht zur Unterrichtung der Arbeitnehmervertretungen über das Gründungsvorhaben. Bei der Gründung handelt es sich um eine Geschäftsfüh1 Zu den einzelnen Verfahrensschritten Marsch-Barner in Lutter, Holding-Handbuch, § 15, S. 933 ff.; Vossius, ZIP 2005, 741, 744 ff. und Drinhausen in Drinhausen/van Hulle/Maul, Handbuch zur Europäischen Gesellschaft (SE), 2007, S. 82 ff. 2 Vgl. dazu verneinend Brandes, AG 2005, 177, 179, 186; ebenso Marsch-Barner in Lutter, Holding-Handbuch, § 15 Rz. 94 ff. 3 Vgl. dazu Reichert, Der Konzern 2006, 821, 830. 4 Zum Gründungsablauf Vossius, ZIP 2005, 741, 746 f.
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rungsmaßnahme. Ein Beschluss der Hauptversammlung ist dazu ist auf Seiten einer beteiligten deutschen AG nur in den Fällen des § 179a AktG oder bei einer Maßnahme nach den Kriterien der Holzmüller/Gelatine Rechtsprechung erforderlich1. 4. Umwandlung Der einfachste Weg zur Umwandlung einer börsennotierten AG in eine (börsennotierte) SE ist der Formwechsel. Dieser ist zulässig, wenn die AG mit Sitz und Hauptverwaltung in der Gemeinschaft seit mindestens zwei Jahre eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegende Tochtergesellschaft hat (Art. 2 Abs. 4 SE-VO). Für die Umwandlung gelten Art. 37 SE-VO und Art. 15 Abs. 1 SE-VO i.V.m. §§ 190 ff. UmwG2. Als Besonderheit ist dabei zu beachten, dass der Sitz der Gesellschaft anlässlich des Formwechsels nicht in einen anderen Mitgliedstaat verlegt werden darf (Art. 37 Abs. 3 SE-VO). Damit soll einer Flucht aus der Mitbestimmung vorgebeugt werden3. Dieser Gesichtspunkt spielt auch insofern eine Rolle, als eine Rückumwandlung der SE in eine AG frühestens nach zwei Jahren möglich ist (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 SE-VO)4. Der deutsche Gesetzgeber hat die Mitbestimmung außerdem dadurch abgesichert, dass in der SE im Falle einer Umwandlung zumindest das gleiche Ausmaß an Mitbestimmung gewährleistet werden muss wie in der Ausgangsgesellschaft (§ 21 Abs. 6 SEBG).
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Das Umwandlungsverfahren entspricht dem Formwechsel nach dem UmwG5. Die Geschäftsleitung hat einen Umwandlungsplan nebst einem Umwandlungsbericht zu erstellen. Beide müssen offen gelegt werden. Außerdem hat eine vereinfachte Prüfung der Vermögensverhältnisse zu erfolgen (Art. 37 Abs. 6 SE-VO). Im Anschluss hieran kann dann die Hauptversammlung über den Formwechsel beschließen (Art. 37 Abs. 7 SE-VO). Mit der Eintragung der Umwandlung im Handelsregister ist das Verfahren abgeschlossen. Ein Abfindungsangebot muss nicht unterbreitet werden. Der europäische Gesetzgeber hat in der Umwandlung einer AG in eine SE gleicher nationaler Prägung zu Recht keine wesentliche Rechtsformverschiedenheit gesehen6.
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5. Tochter-SE Die fünfte Gründungsform geht davon aus, dass bereits eine SE besteht. Diese kann eine oder mehrere weitere SE in einem beliebigen Mitgliedstaat gründen (Art. 3 Abs. 2 SE-VO). Für die Gründung einer solchen Tochter-SE gelten gemäß Art. 15 Abs. 1 SE-VO die Vorschriften des AktG über die Gründung gegen Bar- oder Sacheinlagen. Eine Tochter-SE kann daneben auch durch Ausgliederung gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG gegründet werden7.
1 Austmann in MünchHdb. AG, § 83 Rz. 59 und 61 m.w.N. 2 Schwarz, SE-VO, 2006, Art. 37 Rz. 10; Austmann in MünchHdb. AG, § 83 Rz. 62 m.w.N.; Vossius, ZIP 2005, 741, 747 f. 3 Casper in Spindler/Stilz, AktG, Art. 37 SE-VO Rz. 6; Seibt in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Art. 37 SE-VO Rz. 4. 4 Vgl. dazu Casper in Spindler/Stilz, AktG, Art. 66 SE-VO Rz. 4. 5 Siehe dazu näher Bayer in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 25, 59 ff.; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, Anhang Rz. 98 ff.; Seibt/Reinhard, Der Konzern 2005, 407 ff.; Kowalski, DB 2007, 2243 ff.; Drinhausen in Drinhausen/van Hulle/Maul, Handbuch zur Europäischen Gesellschaft (SE), 2007, S. 107 ff. 6 Dies entspricht der Wertung des § 250 UmwG für den Formwechsel zwischen AG und KGaA. 7 Schwarz, SE-VO, 2006, Art. 3 Rz. 29; Bayer in Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 25, 29; Marsch-Barner in Liber amicorum Happ, 2006, S. 161, 165 f.
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V. Besondere Gestaltungsmöglichkeiten in der SE 31
Die auf die SE anwendbaren Vorschriften erlauben verschiedene rechtliche Gestaltungen, die bei der AG nicht möglich sind. Solche Besonderheiten wie z.B. die Möglichkeit, den Aufsichtsrat durch Vereinbarung mit der Arbeitnehmerseite von 20 auf 12 Mitglieder zu verkleinern (siehe dazu näher Rz. 43 ff.), sind zwar nicht davon abhängig, ob die betreffende SE börsennotiert ist. Sie sind unter Umständen aber gerade für börsennotierte Gesellschaften von Interesse und können daher für diese ein Motiv sein, um in die Rechtsform der (börsennotierten) SE zu wechseln. Die Gestaltungsmöglichkeiten, um dies es geht, ergeben sich aus den gesetzlichen Bestimmungen oder aus einer entsprechenden Regelung in der Satzung. 1. Sitzverlegung
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Die SE ist – neben der EWIV1 und der SCE2 – die einzige Gesellschaftsform, die ihren Satzungssitz in ein anderes Land innerhalb der EU und des EWR verlegen kann. Das Verfahren dazu ist in Art. 8 SE-VO i.V.m. den §§ 12 ff. SEAG näher geregelt. Zwar soll künftig auch der AG ermöglicht werden, ihren Verwaltungssitz ins EU-Ausland zu verlegen3, ohne dass ein solcher Beschluss nichtig wäre oder zur Auflösung der Gesellschaft führt4. Dies liegt auf der Linie der europarechtlichen Entwicklung5. Die Verlegung des Satzungssitzes nach der SE-VO geht aber weiter, da sie mit einem Wechsel des anwendbaren Rechts verbunden ist. Eine SE, die ihren satzungsmäßigen Sitz ins Ausland verlegt, unterstellt sich damit künftig dem ausländischen Gesellschaftsrecht. Eine AG, die nur den Sitz ihrer Verwaltung ins Ausland verlegt, bleibt dagegen weiter eine AG nach deutschem Aktienrecht. Mit der Sitzverlegung kann somit die Unterstellung der Gesellschaft unter eine andere Rechtsordnung erreicht werden, was aus unterschiedlichen Gründen von Interesse sein kann. Eine solche Sitzverlegung ist für die AG nach geltendem Recht nicht möglich6.
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Die EU-Kommission hat lange Zeit das Ziel verfolgt, allen Kapitalgesellschaften die Möglichkeit einer Sitzverlegung innerhalb der EU zu eröffnen7. Infolge der Rechtsprechung des EuGH zur Zulässigkeit einer Verlegung des Verwaltungssitzes aufgrund der Niederlassungsfreiheit gemäß Artt. 43, 48 EG-Vertrag8 hat sich dieses Vorhaben auf die Verlegung des Satzungssitzes beschränkt. Dazu sollte ein Entwurf der 14. Richt1 Vgl. Art. 13 EWIV-VO. 2 Vgl. Art. 7 SCE-VO i.V.m. § 11 SCEAG. 3 Vgl. § 5 AktG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG). 4 Vgl. zur Auflösungsbeschluss die früher h.M., vgl. OLG Hamm v. 1.2.2001 – 15 W 390/00, ZIP 2001, 791; BayObLG v. 7.5.1992 – 3 Z BR 14/92, ZIP 1992, 842; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl. 2006, § 4a Rz. 10; für die Annahme einer Nichtigkeit des Verlegungsbeschlusses entspr. § 241 Nr. 3 AktG dagegen Kindler in MünchKomm. BGB IntGesR, 3. Aufl. 1999, Rz. 399; Leible in Michalski, GmbHG, 2002, Syst. Darst. 2, Rz. 133; Triebel/von Hase, BB 2003, 2409, 2414; offen lassend BayObLG v. 11.2.2004 – 3 Z BR 175/03, ZIP 2004, 806; OLG Brandenburg v. 30.11.2004 – 6 Wx 4/04, ZIP 2005, 489. 5 Vgl. EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Maduro v. 22.5.2008 – Rs. C-210/06, ZIP 2008, 1067 (Cartesio) und dazu Behme/Nohlen, NZG 2008, 496. 6 Vgl. zur GmbH OLG Brandenburg v. 30.11.2004 – 6 Wx 4/04, ZIP 2005, 489 und OLG München v. 4.10.2007 – 31 Wx 36/07, ZIP 2007, 2124, jeweils m.w.N.; zum Wegzug aus europarechtlicher Sicht EuGH v. 27.9.1988 – Rs. 81/87 – „Daily Mail“, NJW 1989, 2186. 7 Vgl. Ziff. 6 des Aktionsplans zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union, Mitteilung der EU-Kommission v. 21.5.2003, KOM (2003) 284 endg. 8 Vgl. EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – „Überseering“, BB 2002, 2402.
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Besonderheiten der börsennotierten SE
linie über die Sitzverlegung vorgelegt werden1. Inzwischen ist dieses Projekt aber zurückgestellt worden2. Die SE bleibt damit vorerst die einzige Rechtsform, in der eine börsennotierte Gesellschaft ihren satzungsmäßigen Sitz innerhalb der EU verlegen kann. Die Verlegung des Sitzes einer deutschen SE ins Ausland hat allerdings ihren Preis. Die Sitzverlegung erfolgt zwar identitätswahrend, soweit es um den Fortbestand der juristischen Person geht3. Mit ihr ändert sich aber das anwendbare nationale Recht, das die SE zu einem großen Teil prägt4. Die Sitzverlegung ähnelt daher einer wirtschaftlichen Neugründung, wie sie sich beim Formwechsel vollzieht.5 Gläubiger und Minderheitsgesellschafter werden deshalb stärker geschützt als bei einer innerstaatlichen Sitzverlegung.
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Um die Durchsetzung von Forderungen, die vor der Sitzverlegung entstanden sind, zu erleichtern, wird zunächst fingiert, dass die SE insoweit weiter ihren Sitz im Wegzugstaat hat (Art. 8 Abs. 16 SE-VO). Die Gläubiger können daher wählen, ob sie die SE im Zuzugsstaat oder weiter im Wegzugsstaat verklagen wollen. Große praktische Bedeutung dürfte diese Regelung indessen nicht erlangen, da im bisherigen Sitzstaat meist ohnehin ein Betrieb oder eine Niederlassung zurückbleibt6.
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Praktisch wichtiger ist das Recht auf Sicherheitsleistung gemäß Art. 8 Abs. 7 SE-VO i.V.m. § 13 Abs. 1 SEAG. Gläubigern, die glaubhaft machen, dass durch die Sitzverlegung die Erfüllung ihrer Forderungen gefährdet wird, ist danach Sicherheit zu leisten. Voraussetzung dafür ist, dass die Gläubiger ihren Anspruch innerhalb von zwei Monaten nach Offenlegung des Verlegungsplans nach Grund und Höhe schriftlich anmelden. Dieser Anspruch auf Sicherheitsleistung ähnelt auf den ersten Blick der Regelung in §§ 22, 204 UmwG. Anders als beim Formwechsel nach dem UmwG ist die Sicherheitsleistung aber Voraussetzung für die Eintragung und damit das Wirksamwerden der Sitzverlegung. So hat der Vorstand nach Art. 8 Abs. 7 SE-VO i.V.m. § 13 Abs. 3 SEAG zu versichern, dass allen Gläubigern, die einen Anspruch auf Sicherheitsleistung haben, eine angemessene Sicherheit geleistet wurde. Ein einziger Rechtstreit um einen Anspruch auf Sicherheitsleistung steht damit einer Eintragung der Sitzverlegung entgegen7. Will die Gesellschaft diese „Registersperre“ überwinden, muss sie praktisch jede geltend gemachte Forderung, ggf. unter dem Vorbehalt des § 814 BGB, absichern oder begleichen.
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2. Monistische Führungsstruktur Ein anderer Vorteil liegt darin, dass die SE zurzeit die einzige Gesellschaft ist, die bei der Führungsstruktur ein Wahlrecht zwischen dem dualistischen und dem monistischen System eröffnet. Dieses Wahlrecht ist in Artt. 39 ff., 43 ff. SE-VO und im SEAG näher geregelt. Es besteht nicht nur bei der Gründung der SE; die SE kann 1 Zum Text des Vorentwurfs dieser Richtlinie siehe ZIP 1997, 1721 ff. sowie dazu näher Priester, ZGR 1999, 36 ff. 2 Vgl. Rede von EU-Kommissar McCreevy v. 27.6.2007 in Berlin. 3 Vgl. Schwarz, SE-VO, 2006, Art. 8 Rz. 1; Oechsler, AG 2005, 373, 374. 4 Vgl. dazu Casper in FS Ulmer, 2003, S. 51 ff. und Reichert, Der Konzern 2006, 821, 825; vgl. auch Lutter/Hommelhoff, Die Europäische Gesellschaft, S. 2, wonach das Recht der SE zu 40 % europäisch und zu 60 % national bestimmt ist. 5 Oechsler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2006, SE-VO Art. 8 Rz. 3; Schröder in Manz/Mayer/ Schröder, 2005, Art. 8 SE-VO Rz. 18 f.; Casper in Spindler/Stilz, AktG, Art. 8 SE-VO Rz. 1. 6 Schwarz, SE-VO, 2006, Art. 8 Rz. 71. 7 Casper in Spindler/Stilz, AktG, Art. 8 SE-VO Rz. 18.
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auch danach das Führungssystem wechseln1. Hinsichtlich der dualistischen Struktur von Vorstand und Aufsichtsrat werden die Bestimmungen des Aktienrechts lediglich ergänzt (§§ 15 ff. SEAG). Die monistische Struktur ist dagegen im Einzelnen ausformuliert (§§ 20 ff. SEAG). Im monistischen System gibt es nur ein Leitungsorgan, den Verwaltungsrat. Dieser Verwaltungsrat leitet die Gesellschaft, bestimmt die Grundlinien ihrer Tätigkeit und überwacht deren Umsetzung (§ 22 Abs. 1 SEAG). Der Verwaltungsrat vereinigt damit Funktionen von Vorstand und Aufsichtsrat in einem Organ. 38
Das SEAG hat für das monistische Führungssystem zusätzlich vorgeschrieben, dass ein oder mehrere geschäftsführende Direktoren bestellt werden müssen (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SEAG). Diese Bestellung obliegt dem Verwaltungsrat, der sowohl eigene Mitglieder als auch Externe zu geschäftsführenden Direktoren bestellen kann. Die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungsrates muss aber aus nicht geschäftsführenden Mitgliedern bestehen (§ 40 Abs. 1 Satz 2 SEAG). Die geschäftsführenden Direktoren haben nach außen hin eine ähnliche Stellung wie die Vorstandsmitglieder im dualistischen System (§ 40 Abs. 2 Satz 1 SEAG). Im Innenverhältnis sind sie aber den Weisungen des Verwaltungsrates unterworfen (§ 44 Abs. 2 SEAG). Sie können von diesem auch jederzeit abberufen werden (§ 40 Abs. 5 SEAG). Insofern ähnelt ihre Stellung derjenigen von GmbH-Geschäftsführern2.
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Die Wahl eines monistischen Führungssystems kann aus unterschiedlichen Gründen von Interesse sein3. Für einen ausländischen Konzern, dessen Gesellschaften üblicherweise monistisch strukturiert sind, kann es z.B. von Vorteil sein, dass auch die Tochtergesellschaften in Deutschland monistisch organisiert sind. Eine inländische Familiengesellschaft kann daran interessiert sein, den Vertreter des Mehrheitsaktionärs statt zum Vorsitzenden des Vorstands oder des Aufsichtsrates zum Vorsitzenden des Verwaltungsrates zu bestimmen. Dieser Vorsitzende des Verwaltungsrates kann zugleich Vorsitzender der Geschäftsführung sein und damit die Funktionen eines Chairman und eines CEO im angelsächsischen Sinne miteinander verbinden4. In dieser Rolle kann ihm auch ein Vorschlagsrecht für die Bestellung der geschäftsführenden Direktoren eingeräumt werden. Es kann also eine Machtkonzentration etabliert werden, wie sie bei der Aktiengesellschaft nicht möglich ist. Eine solche Machtkonzentration wird wohl nur bei kleineren Gesellschaften in Betracht kommen. Bei börsennotierten Gesellschaften dürften die Funktionen von Leitung und Überwachung dagegen zu trennen sein5.
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Weniger geeignet ist das monistische System allerdings bei Gesellschaften, die der paritätischen Mitbestimmung unterliegen. Der Umfang der Mitbestimmung im Aufsichtsrat oder im Verwaltungsrat einer SE kann grundsätzlich zwar frei ausgehandelt werden. Der Spielraum dafür ist allerdings dadurch begrenzt, dass im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen die gesetzlichen Auffangregelungen eingreifen. Wird keine Einigung erzielt, gilt unter Umständen die paritätische Mitbestimmung auch für den Verwaltungsrat. Gehören diesem geschäftsführende Mitglieder an, bezieht 1 Thoma/Leuering, NJW 2002, 1449, 1451; Hirte, NZG 2002, 1, 5; Heckschen in FS Westermann, 2008, S. 999, 1010. 2 Merkt, ZGR 2003, 650, 663; Nagel, NZA 2004, 833, 836; Marsch-Barner in Gedächtnisschrift Bosch, 2006, S. 99, 105. 3 Zu weiteren Einzelheiten siehe Marsch-Barner in Gedächtnisschrift Bosch, 2006, S. 99 ff. 4 Vgl. Begr. RegE zu § 40 SEAG, abgedruckt bei Neye, Die Europäische Aktiengesellschaft, 2005, S. 140; Eder, NZG 2004, 544, 546; Kallmeyer, ZIP 2003, 1531, 1534; Teichmann, BB 2004, 53, 55; Marsch-Barner in Gedächtnisschrift Bosch, 2006, S. 99, 108. 5 Teichmann, BB 2004, 53, 55; zum US-amerikanischen Recht v. Hein, RIW 2002, 501, 506.
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Besonderheiten der börsennotierten SE
sich die Mitbestimmung auch auf diese (§ 35 Abs. 2 SEAG). Die Mitbestimmung erstreckt sich damit auf die Leitung der Gesellschaft. Eine Beschränkung der Arbeitnehmervertretung auf nicht geschäftsführende Funktionen, wie sie aus verfassungsrechtlichen Gründen nahe liegen würde1, ist im Gesetz nicht vorgesehen worden. Eine solche Beschränkung lässt sich praktisch nur dadurch erreichen, dass von vornherein nur Externe zu geschäftsführenden Direktoren bestellt werden2. Darin liegt dann allerdings eine verdeckte dualistische Struktur, bei der sich die Frage stellt, ob dazu unbedingt das monistische System gewählt werden muss. Die SE-VO sieht als Vorkehrung gegen eine Überparität der Arbeitnehmervertreter vor, dass der Vorsitzende des Verwaltungsrates bei paritätischer Mitbestimmung nur ein Vertreter der Aktionäre sein kann (Art. 45 Satz 2). Ihm steht bei Stimmengleichheit ein nicht abdingbarer Stichentscheid zu (Art. 50 Abs. 2). Nach § 35 Abs. 3 SEAG wächst dem Verwaltungsratsvorsitzenden außerdem eine zusätzliche Stimme zu, wenn ein geschäftsführendes Mitglied des Verwaltungsrates aus rechtlichen Gründen gehindert ist, an der Beschlussfassung teilzunehmen. Ein solcher Fall liegt z.B. vor, wenn über den Anstellungsvertrag eines dem Verwaltungsrat angehörenden geschäftsführender Direktors beschlossen werden soll. Die Regelung soll verhindern, dass es bei Stimmverboten aufgrund von Interessenkollisionen zu einer Majorisierung der Anteilseignervertreter durch die Arbeitnehmervertreter im Verwaltungsrat kommt3. Dieses Ziel wird indessen nicht erreicht, wenn der Verwaltungsratsvorsitzende selbst auch geschäftsführender Direktor ist. In diesem Fall spricht einiges dafür, dass das zusätzliche Stimmrecht dem stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates zufällt4. Gesichert ist diese Lösung aber nicht. Eine andere Möglichkeit zur Vermeidung von Interessenkonflikten besteht darin, entsprechende Beschlussgegenstände einem Ausschuss zuzuweisen, dem ausschließlich nicht geschäftsführende Verwaltungsratsmitglieder angehören5. Dazu ist allerdings festzuhalten, dass Entscheidungen in Leitungsfragen einem Ausschuss nicht übertragen werden können (§§ 34 Abs. 4 Satz 2, 22 Abs. 1 SEAG). Die Verantwortung bleibt damit bei den nicht geschäftsführenden Verwaltungsratsmitgliedern unter Einschluss etwaiger Arbeitnehmervertreter6.
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Angesichts dieser Implikationen ist davon auszugehen, dass von einer Aktiengesellschaft, die der paritätischen Mitbestimmung im Aufsichtsrat unterliegt, das monistische System nicht gewählt werden wird. Die Gesellschaften, die sich bisher für die monistische Struktur entschieden haben, sind demgemäß auch durchweg Gesellschaften, deren Verwaltungsrat keine Arbeitnehmervertreter angehören7.
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3. Corporate Governance Das Recht der SE erlaubt verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten, die unter dem Gesichtspunkt einer Verbesserung der Corporate Governance von Interesse sein können. 1 Vgl. Kallmeyer, ZIP 2003, 1531, 1534; Reichert/Brandes, ZGR 2003, 767, 788 ff.; Teichmann, BB 2004, 53, 56; gegen eine verfassungskonforme Reduktion Köstler, ZGR 2003, 800, 834 f. und Kämmerer/Veil, ZIP 2005, 369, 375 f. 2 Austmann in MünchHdb. AG, § 85 Rz. 20. 3 Vgl. BT-Drucks. 15/4053, S. 59 und dazu Reichert/Brandes in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2006, Art. 50 SE-VO Rz. 42. 4 Dafür Reichert/Brandes in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2006, Art. 50 SE-VO Rz. 44; skeptisch Austmann in MünchHdb. AG, § 85 Rz. 20. 5 Reichert/Brandes in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2006, Art. 50 SE-VO Rz. 46. 6 Austmann in MünchHdb. AG, § 85 Rz. 22. 7 Vgl. z.B. Mensch und Maschine Software SE, Conrad Holding SE und Conrad Electronics SE.
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Zu erwähnen ist vor allem die Möglichkeit, den Aufsichtsrat zu verkleinern. Es ist allgemein anerkannt, dass Aufsichtsräte mit 16 oder 20 Mitgliedern, wie sie das MitbestG verlangt, zu groß sind, um eine effektive Überwachung und Beratungstätigkeit auszuüben. Zwar sind die Aufsichtsräte dazu übergegangen, einen großen Teil ihrer Arbeit in Ausschüsse zu delegieren. Damit ist das Größenproblem zwar entschärft, aber nicht gelöst. 44
Die SE bietet demgegenüber die Möglichkeit, die Größe des Aufsichtsrates nach den Bedürfnissen des Unternehmens zu gestalten. Da die SE nicht per se dem MitbestG unterliegt1, gelten dessen Vorgaben nicht. Nach der SE-VO muss der Aufsichtsrat nur aus mindestens drei Personen bestehen2. Eine höhere Zahl muss durch drei und bei einer paritätischen Besetzung auch durch zwei teilbar sein. Theoretisch könnte also ein mitbestimmter Aufsichtsrat aus lediglich sechs Personen bestehen. Viele der Aktiengesellschaften, die zur SE übergegangen sind, haben diese Gelegenheit genutzt, um ihren Aufsichtsrat auf 12 Mitglieder zu verkleinern oder auf diese Größe festzuschreiben3.
45
Aus wieviel Mitgliedern sich der Aufsichtsrat einer SE zusammensetzt, ist nach der SE-VO in der Satzung festzulegen4. Diese Möglichkeit stößt bei den Gesellschaften mit einem mitbestimmten Aufsichtsrat auf großes Interesse5. Allerdings ist umstritten, ob nicht die Größe des Aufsichtsrates auch Gegenstand der mit der Arbeitnehmerseite zu schließenden Mitbestimmungsvereinbarung sein kann. Diese hätte dann Vorrang (Art. 12 Abs. 4 SE-VO). Nach Art. 4 Abs. 2g der Richtlinie zur Beteiligung der Arbeitnehmer6 bezieht sich die Mitbestimmungsvereinbarung aber nur auf den zahlenmäßigen Anteil der Arbeitnehmer und nicht auf die Gesamtgröße des Aufsichtsrates. Nach dieser zutreffenden Ansicht kann die Größe des Aufsichtsrates abschließend in der Satzung bestimmt werden7.
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In Bezug auf den Aufsichtsrat bestehen noch weitere Gestaltungsmöglichkeiten. Zunächst ist zwingend vorgesehen, dass im Falle paritätischer Besetzung der Vorsitzende des Aufsichtsrates ein Vertreter der Aktionäre ist (Art. 42 Satz 2 SE-VO). Bei Stimmengleichheit im Aufsichtsrat gibt seine Stimme automatisch den Ausschlag (Art. 50 Abs. 2 SE-VO). Anders als nach § 29 Abs. 2 MitbestG ist somit keine zweite Abstimmung erforderlich, bei der der Aufsichtsratsvorsitzende erst sein Zweitstimmrecht einsetzen kann. Anders als in der AG muss auch der stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates aus den Reihen der Anteilseignervertreter bestellt werden (Art. 42 Satz 2 SE-VO). Für den Fall, dass der Aufsichtsratsvorsitzende verhindert ist, kann vorgesehen werden, dass der Stichentscheid diesem Stellvertreter zusteht. 1 2 3 4 5
§ 47 Abs. 1 Nr. 1 SEBG. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 SE-VO und Art. 20 SE-VO i.V.m. § 95 Satz 2 AktG. Vgl. z.B. Allianz SE, Fresenius SE, MAN Diesel SE und BASF SE. Artt. 39 Abs. 4, 40 Abs. 3, 43 Abs. 2 SE-VO. Insbesondere die Allianz SE und die BASF SE haben die Möglichkeit der Verkleinerung genutzt; zur Allianz siehe auch Achleitner in Cromme, Corporate Governance Report 2007, S. 48, 51. 6 Richtlinie 2001/86/EG des Rates zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer v. 8.10.2001, ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001, S. 22. 7 Reichert/Brandes in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2006, Art. 40 SE-VO Rz. 70; Habersack, AG 2006, 345, 351 f.; Kallmeyer, AG 2003, 197, 200; Austmann in MünchHdb. AG, § 85 Rz. 37; a.A. Drygala in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, Art. 40 SE-VO Rz. 20 f.; Hennings in Manz/Mayer/Schröder, 2005, Art. 4 SE-RL Rz. 28; Kienast in Jannott/Frodermann, Hdb. Europäische Aktiengesellschaft, 2005, § 13 Rz. 386; Krause, BB 2005, 1221, 1226; Oetker, ZIP 2006, 1113, 1116; Seibt, AG 2005, 413, 422; Schwarz, SE-VO, 2006, Einl. Rz. 288.
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§3
Besonderheiten der börsennotierten SE
Auf diese Weise lässt sich das leichte Übergewicht der Anteilseignerseite zusätzlich absichern1. Eine weitere Erleichterung besteht darin, dass der Aufsichtsrat die Vorstandsmitglieder mit einfacher Mehrheit bestellen und abberufen kann (Art. 50 Abs. 1b SE-VO). Dabei muss kein Arbeitsdirektor als gleichberechtigtes Mitglied der Geschäftsleitung (§ 33 Abs. 1 Satz 1 MitbestG) bestellt werden. Dies hat zur Folge, dass in der Satzung dem Vorsitzenden des Vorstandes ein Vetorecht eingeräumt werden kann2. Anders als nach dem AktG können die Mitglieder der Vorstands wie auch des Aufsichtsrates für eine Amtszeit von bis zu sechs Jahren bestellt werden (Art. 46 Abs. 1 SE-VO). Der vorgesehene Zeitraum muss in der Satzung festgelegt sein, wobei eine Festlegung der Höchstdauer genügt. Die Festlegung im Einzelfall bleibt darin dem Bestellungsorgan überlassen3.
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Für die Hauptversammlung der SE gelten im Wesentlichen die gleichen Bestimmungen wie im Aktienrecht. Eine Besonderheit besteht darin, dass die ordentliche Hauptversammlung innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres zusammentritt (Art. 54 Abs. 1 Satz 1 SE-VO), während dieser Zeitraum sonst acht Monate beträgt (§ 175 Abs. 1 Satz 2 AktG). Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass die Beschlüsse der Hauptversammlung mit der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen gefasst werden (Art. 57 SE-VO). Eine Kapitalmehrheit ist daneben nicht erforderlich4. Die im Aktienrecht vor allem bei Strukturänderungen notwendige Drei Viertel-Kapitalmehrheit ist aber als entsprechende Stimmenmehrheit zu berücksichtigen5. Für die Änderung der Satzung bedarf es grundsätzlich einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen. Die Satzung kann jedoch, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, die einfache Stimmenmehrheit genügen lassen, wenn mindestens die Hälfte des gezeichneten Grundkapitals vertreten ist (Art. 59 SE-VO i.V.m. § 51 SEAG). Diese Regelung bedeutet im Verhältnis zum Aktienrecht eine Erschwernis. Danach ist für Satzungsänderungen neben der einfachen Stimmenmehrheit (§ 133 Abs. 1 AktG) zwar noch eine Drei Viertel-Kapitalmehrheit erforderlich (§ 179 Abs. 2 Satz 1 AktG). Die Satzungen börsennotierter Gesellschaften lassen insoweit aber meist die einfache Kapitalmehrheit genügen (§ 179 Abs. 2 Satz 2 AktG).
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4. Mitbestimmung im Aufsichtsrat Ein weiterer Gesichtspunkt, der für die Gründung einer SE sprechen kann, ist die Möglichkeit, die Mitbestimmung im Aufsichtsrat nach dem DrittelbG oder dem MitbestG zu modifizieren oder durch ein anderes Modell zu ersetzen. Eine SE mit Sitz in Deutschland unterliegt weder dem einen noch dem anderen Gesetz6. Allerdings sind die an der Gründung einer SE beteiligten Gesellschaften verpflichtet, über die künftige Mitbestimmung im Überwachungsorgan der SE mit einer Arbeitnehmervertretung zu verhandeln. Diese Verhandlungen sind grundsätzlich ergebnisoffen und zwin1 Schwarz, SE-VO, 2006, Art. 50 Rz. 38 f.; a.A. Teichmann in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, Art. 50 SE-VO Rz. 24. 2 Reichert/Brandes in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2006, Art. 50 SE-VO Rz. 31. 3 Hoffmann-Becking, ZGR 2004, 355, 364; Reichert/Brandes in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2006, Art. 46 SE-VO Rz. 3; Schwarz, SE-VO, 2006, Art. 46 Rz. 13 ff.; a.A. Teichmann in Lutter/ Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, Art. 46 SE-VO Rz. 4. 4 Spindler in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, Art. 57 SE-VO Rz. 13. 5 Casper in Spindler/Stilz, AktG, Art. 57, 58 SE-VO Rz. 5; Schwarz, SE-VO, 2006, Art. 57 Rz. 10; Spindler in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, Art. 57 SE-VO Rz. 13; a.A. Maul in Drinhausen/van Hulle/Maul, Handbuch zur Europäischen Gesellschaft (SE), 2007, S. 166. 6 Vgl. § 47 Abs. 1 Nr. 1 SEBG i.V.m. § 1 DrittelbG und § 1 MitbestG.
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§3
Einführung
gen nicht zu einer Übernahme der bei den Gründungsgesellschaften bestehenden Mitbestimmung. Die Mitbestimmung im Aufsichtsorgan der SE kann von der Mitbestimmung in den Gründungsgesellschaften abweichen. Diese kann abgeschwächt oder sonst wie geändert werden. Bei den Verhandlungen ist allerdings das Selbstorganisationsrecht des Aufsichtsrates zu wahren. In einer Mitbestimmungsvereinbarung können daher weder die Bildung von Ausschüssen noch die Bestimmung des Vorsitzenden oder seiner Stellvertreter verbindlich geregelt werden1. 50
Bei der SE-Gründung durch Umwandlung ist der Verhandlungsspielraum zusätzlich eingeengt. Im Zuge eines solchen Formwechsels ist es von Gesetzes wegen ausgeschlossen, dass das Verhandlungsergebnis zu einer Minderung der Mitbestimmungsrechte führen kann2. Eine dagegen verstoßende Vereinbarung ist unwirksam (§ 134 BGB). Eine Flucht aus der Mitbestimmung ist auf diese Weise nicht möglich. Allerdings lässt sich diese Sperre umgehen, wenn die neue SE nicht über einen Formwechsel, sondern über eine Verschmelzung gegründet wird. Der einfachste Weg dazu ist die Verschmelzung einer ausländischen Tochter-AG auf die inländische AG-Mutter3. Die Nutzung dieser gesetzlich eröffneten Möglichkeit ist kein Verstoß gegen das Missbrauchsverbot des § 43 SEBG4.
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Normalerweise werden die Verhandlungen nicht zur einer Einschränkung oder gar Abschaffung der Mitbestimmung führen. Das liegt vor allem an der gesetzlichen Auffangregelung, die bei einem Scheitern der Verhandlungen eingreift. Vor dem Hintergrund dieser Absicherung besteht für die Arbeitnehmerseite keinerlei Anreiz zu irgendwelchen Kompromissen. Hinzukommt, dass die an den Verhandlungen regelmäßig beteiligten Gewerkschaftsvertreter darauf achten, dass die bisherige Mitbestimmung nicht verwässert wird. Eine Abschwächung der Mitbestimmung im Aufsichtsrat ist daher allenfalls bei geschlossenen Gesellschaften, eventuell auch gegen Zugeständnisse bei der betrieblichen Mitbestimmung, zu erwarten.
52
Über die gesetzliche Auffangregelung ist aber nur das schon bestehende Mitbestimmungsstatut geschützt. Dieser Gesichtspunkt ist z.B. dann von Bedeutung, wenn sich eine Gesellschaft kurz davor befindet, in den Geltungsbereich des DrittelbG oder des MitbestG zu gelangen. Eine Gesellschaft, die z.B. 450 oder 1900 Mitarbeiter beschäftigt und weitere Akquisitionen beabsichtigt, kann, wenn sie sich vorher in eine SE umwandelt, vermeiden, dass sie durch ein späteres Anwachsen der Belegschaft auf über 500 bzw. über 2 000 Mitarbeiter in den Geltungsbereich des DrittelbG bzw. des MitbestG gelangt5. Ebenso kann eine Gesellschaft, die dem MitbestG unterliegt und damit rechnet, dass sie bei einem weiteren Ansteigen der Belegschaft ihren Aufsichtsrat von bisher 12 auf 16 oder 20 Mitglieder erweitern muss, durch einen rechtzeitigen Wechsel in die SE vermeiden, dass diese Regelungen zum Zuge kommen6. Erhöht sich die Belegschaft erst in der SE auf über 10 000 bzw. über 20 000, muss der Aufsichtsrat nicht ergänzt werden. Ein Überschreiten der genannten
1 Habersack, AG 2006, 345, 349. 2 Vgl. §§ 15 Abs. 5, 16 Abs. 3, 21 Abs. 6, 34 Abs. 1 Nr. 4, 35 Abs. 1 SEBG. 3 Vgl. den Fall der Conrad Electronics SE, die durch die Herein-Verschmelzung ihrer österreichischen Tochter-AG entstanden ist und deren Verwaltungsrat keine Arbeitnehmervertreter angehören. 4 Vgl. Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, Einl. SEBG Rz. 216; Oetker in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, § 43 SEBG Rz. 6. 5 Siehe dazu Heckschen in FS Westermann, 2008, S. 999, 1013 f. 6 Ein Beispiel ist die Fresenius AG, die sich vor dem Erwerb der Helios-Kliniken in eine SE umgewandelt hat.
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§3
Besonderheiten der börsennotierten SE
Schwellenwerte führt auch nicht dazu, dass über die bei der Gründung der SE festgelegte Mitbestimmung neu verhandelt werden muss1. Die Mitbestimmung im Aufsichtsrat kann somit in bestimmten Konstellationen vermieden oder auf dem erreichten Niveau „eingefroren“ werden. Dies bedeutet allerdings auch umgekehrt, dass eine dem MitbestG unterliegende AG, die sich in eine SE umwandelt, zur paritätischen Besetzung des Aufsichtsrates auch dann verpflichtet bleibt, wenn ihre Belegschaft später auf unter 2 000 Mitarbeiter absinken sollte2. Das Statusverfahren gemäß §§ 97 ff. AktG, das bei einem Herausfallen aus dem Anwendungsbereich des MitbestG Anwendung findet, gilt für die SE nicht.
53
Die Festschreibung der Mitbestimmung bei der Gründung der SE wird dann durchbrochen, wenn strukturelle Änderungen geplant sind, die geeignet sind, die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer zu mindern (§ 18 Abs. 3 Satz SEBG). In solchen Fällen ist die SE-Leitung verpflichtet, ein neues, vereinfachtes Verhandlungsverfahren einzuleiten, das bei einem Scheitern zur gesetzlichen Auffangregelung nach dem geänderten Sachverhalt führt3. Was unter „strukturellen Veränderungen“ zu verstehen ist, ist allerdings unklar. Die Gesetzesbegründung erwähnt als Beispiel die „Aufnahme“ eines mitbestimmen Unternehmens durch eine SE, in der es bisher keine Mitbestimmung gibt4. Ob damit schon ein bloßer Beteiligungserwerb gemeint ist, erscheint zweifelhaft, da in einem solchen Fall die Mitbestimmung weder in dem Beteiligungsunternehmen noch in der SE gemindert wird5. Gemeint sein könnte eine Verschmelzung auf die SE, die als solche, da sie sich nach den Regeln des UmwG vollzieht6, nicht zu einer Modifikation der Mitbestimmung bei der SE führt7. Dementsprechend dürfte es nur um Vorgänge gehen, die sich auf der Ebene der SE selbst abspielen und damit korporativen Charakter haben8.
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Die strukturellen Änderungen müssen zudem geeignet sein, die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer zu mindern. Dabei geht es nicht nur um Beteiligungsrechte in der SE, sondern, wie das Beispiel in der Gesetzesbegründung zeigt, auch um Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer in einem von der SE übernommenen Unternehmen. In diesem Unternehmen müssen allerdings schon Beteiligungsrechte wie z.B. nach dem MitbestG bestehen9. Eine Mitbestimmung, die sich erst aus der Zusammenrechnung der Arbeitnehmerzahlen von SE und Beteiligungsunternehmen ergeben würde, genügt nicht. Eine Minderung von Beteiligungsrechten liegt auch dann nicht vor,
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1 Austmann in MünchHdb. AG, § 85 Rz. 47; Habersack, Der Konzern 2006, 105, 107 f.; Jacobs in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2006, § 18 SEBG Rz. 18; Müller-Bonani/Melot de Beauregard, GmbHR 2005, 195, 197 f.; Wollburg/Banerjea, ZIP 2005, 277, 282 f. 2 Vgl. Wollburg/Banerjea, ZIP 2005, 277, 282 f.; Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, Vor § 34 SEBG Rz. 210 f.; Habersack, Der Konzern 2006, 105, 109. 3 § 18 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 1 Abs. 4 SEBG. 4 Begr. RegE SEEG, BT-Drucks. 15/3405, S. 50. 5 Jacobs in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2006, § 18 SEBG Rz. 17; siehe dazu auch Habersack, Der Konzern 2006, 105, 109 f.; Wollburg/Banerjea, ZIP 2005, 277, 278 f., 280 f.; Grobys, NZA 2005, 84, 91; a.A. Austmann in MünchHdb. AG, § 85 Rz. 48; Köstler in Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft, S. 331, 371. 6 Vgl. zur Beteiligung einer SE an Umwandlungen nach dem UmwG Marsch-Barner in Liber amicorum Happ, 2006, S. 161, 169 ff. 7 Vgl. Wollburg/Banerjea, ZIP 2005, 277, 282; Jacobs in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2006, § 18 SEBG Rz. 16. 8 Wollburg/Banerjea, ZIP 2005, 277, 279; Habersack, Der Konzern 2006, 105, 109; Jacobs in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2006, § 18 SEBG Rz. 12; zurückhaltend Austmann in MünchHdb. AG, § 85 Rz. 48; abl. Köstler in Theisen/Wenz, Die Europäische Aktiengesellschaft, S. 331, 371. 9 Wollburg/Banerjea, ZIP 2005, 277, 279 f.; Austmann in MünchHdb. AG, § 85 Rz. 49.
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§3
Einführung
wenn das Beteiligungsunternehmen infolge der Übernahme aus einem Konzern ausscheidet, in dem es bisher an dessen Mitbestimmung beteiligt war. Dieser Verlust beruht nicht auf der sich erst anschließenden Aufnahme in die SE1. 56
Die SE darf schließlich nicht dazu missbraucht werden, den Arbeitnehmern generell Beteiligungsrechte zu entziehen oder vorzuenthalten (§ 43 Satz 1 SEBG). Dieses allgemeine Missbrauchsverbot ist strafrechtlich sanktioniert (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 SEBG). Ein Missbrauch wird vermutet, wenn innerhalb eines Jahres nach Gründung der SE strukturelle Änderungen vorgenommen werden, die den Arbeitnehmern Beteiligungsrechte vorenthalten oder entziehen (§ 43 Satz 2 SEBG). Bei Vorliegen eines sachlichen Grundes für die Änderung ist diese Vermutung widerlegt2.
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Möglichkeiten zu einer Modifizierung der Mitbestimmung ergeben sich nicht nur bei der Gründung einer SE. Sie bestehen auch bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung nach dem UmwG3 und dem Gesetz zur Umsetzung der Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten (MgVG)4. Auch bei einer solchen Verschmelzung ist die Mitbestimmung in erster Linie Verhandlungssache. Allerdings ist der Prozentsatz der Arbeitnehmer, der zur Anwendung der gesetzlichen Auffangregelung führt, unterschiedlich hoch. Nach dem SEBG5 muss sich die Mitbestimmung auf mindestens 25 % der betroffenen Arbeitnehmer beziehen, nach dem MgVG6 liegt dieser Prozentsatz bei 33 1/3 %. Je nachdem, in welcher Konstellation ein Zusammenschluss stattfinden soll, kann damit bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung nach dem UmwG i.V.m. dem MgVG ein größerer Verhandlungsspielraum gegeben sein. Unabhängig von diesem Unterschied kann aber generell festgestellt werden, dass die SE durchaus geeignet ist, das bisherige System der Mitbestimmung im Aufsichtsrat aufzulockern.
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Wird – wie insbesondere bei der Umwandlung einer mitbestimmten AG – auch in der SE ein mitbestimmter Aufsichtsrat gebildet, so sind die auf die Arbeitnehmer entfallenden Sitze entsprechend der Anzahl der jeweils Beschäftigten auf die beteiligten Mitgliedstaaten zu verteilen (§ 34 SEBG). Die sich daraus unter Umständen ergebende „Europäisierung“ der Arbeitnehmerbank wird im Allgemeinen als positiver Nebeneffekt des Wechsels in die SE gewertet7. Eine Besetzung des Aufsichtsrates auch mit ausländischen Arbeitnehmern kann sicher dazu beitragen, dass die unterschiedlichen Kulturen in international tätigen Unternehmen besser zusammenwachsen8. Die Zusammensetzung des Aufsichtsrates in der SE führt in der Regel aber auch dazu, dass im Aufsichtsrat kein leitender Angestellter mehr vertreten ist. Dies gilt insbesondere bei einer Verkleinerung des Aufsichtsrates auf 12 Mitglieder9.
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Wollburg/Banerjea, ZIP 2005, 277, 279 f.; Austmann in MünchHdb. AG, § 85 Rz. 49. Oetker in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, § 43 SEBG Rz. 7. §§ 122a ff. UmwG. BGBl. I 2006, 3332. § 34 Abs. 1 Nr. 2a SEBG. § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MgVG. Vgl. Achleitner in Cromme, Corporate Governance Report 2007, S. 48, 52. Lutter in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, Einl. SE-VO Rz. 41. Vgl. den gegenüber §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 15 Abs. 2 Nr. 2 MitbestG begrenzten Minderheitenschutz der leitenden Angestellten in §§ 6 Abs. 4, 36 Abs. 3 SEBG.
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§3
Besonderheiten der börsennotierten SE 5. Europäische Identität
Als weiteres Motiv für die SE wird häufig angeführt, dass diese Rechtsform gut geeignet ist, um die internationale und vor allem europäische Ausrichtung eines Unternehmens zu verdeutlichen und nach innen und außen zu dokumentieren. Dieser Gesichtspunkt der europäischen Corporate Identity hat zwar eher nachgeordnete Bedeutung, darf aber dennoch nicht unterschätzt werden1. Der Wechsel in die SE setzt nicht nur einen formalen Bezug zu mehreren Mitgliedstaaten in der Europäischen Union voraus, sondern ist auch ein Bekenntnis zur Verankerung in dieser Union. Das supranationale Element kann etwa bei einem „Merger of Equals“ psychologisch hilfreich sein. Kleinere Gesellschaften können außerdem versucht sein, sich mit der Rechtsform SE zu schmücken, um damit eine europäische Bedeutung zu demonstrieren, die möglicherweise gar nicht vorhanden ist. Solche Marketingaspekte spielen bei größeren Unternehmen eher keine oder nur eine geringe Rolle.
1 Siehe dazu Lutter in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2008, Einf. Rz. 33 und Heckschen in FS Westermann, 2008, S. 999, 1008.
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2. Kapitel Satzung und Aktie §4 Die Satzung der börsennotierten AG
I. Begriff und Funktionen der Satzung
Rz. 1
II. Schaffung der Rechtsform „Aktiengesellschaft“ im zeitlichen Zusammenhang mit dem Börsengang . . .
7
1. Wechsel der Rechtsform . . . . . . .
8
2. Neugründung einer Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Notarielle Errichtung, insbesondere Satzungsfeststellung . . . . . b) Übernahme der Aktien . . . . . . c) Bestellung des ersten Aufsichtsrats und des ersten Vorstands . . d) Leistung der Einlagen . . . . . . . e) Gründungsbericht und Gründungsprüfung . . . . . . . . . . . . . f) Registergerichtliches Verfahren und Eintragung . . . . . . . . . . . .
11 12 16 17 18 19 20
III. Inhalt der Satzung . . . . . . . . . . . 22 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Der Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Zwingende aktienrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . c) Zulassung von Abweichungen (§ 23 Abs. 5 Satz 1 AktG) . . . . . d) Ergänzungen (§ 23 Abs. 5 Satz 2 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Folgen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 5 AktG . . . . . . . . . . . . . 3. Notwendige Satzungsbestimmungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . a) Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unternehmensgegenstand . . . . d) Geschäftsjahr . . . . . . . . . . . . e) Dauer der Gesellschaft . . . . . . f) Höhe des Grundkapitals . . . . . g) Nennbetrags- oder Stückaktien h) Aktiengattungen . . . . . . . . . . i) Inhaber- oder Namensaktien . . j) Zahl der Vorstandsmitglieder .
. . . . . . . . . . .
25 26 27 28 29 30 30 31 32 34 35 36 37 38 39 40
Rz. k) Bekanntmachungen . . . . . . . . . 41 l) Sonstige notwendige Satzungsbestimmungen . . . . . . . . . . . . 42 4. Fakultative Satzungsbestimmungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Bestimmungen . . . . b) Grundkapital und Aktien . . . . . c) Der Vorstand . . . . . . . . . . . . . d) Der Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . e) Die Hauptversammlung . . . . . . f) Jahresabschluss und Gewinnverwendung . . . . . . . . . . . . . . g) Schlussbestimmungen . . . . . . . h) Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . .
43 44 45 49 50 58 67 69 70
IV. Satzungsrelevante Regelungen außerhalb der Satzung . . . . . . . . . 73 1. Aktionärsvereinbarungen . . . . . . . a) Stimmbindungsvereinbarungen . b) Verfügung über Aktien betreffende Vereinbarungen . . . . . . . c) Einfluss auf gesellschaftliches Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . .
73 74 75 77
2. Geschäftsordnungen . . . . . . . . . . 78 V. Auslegung der Satzung . . . . . . . . 79 1. Körperschaftsrechtliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2. Individualrechtliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 VI. Änderung der Satzung und Satzungsdurchbrechung . . . . . . . . . . 82 1. Änderung der Satzung . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Beschluss der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonstige Erfordernisse, Befristung und Bedingung . . . . . . . . . . . . d) Anmeldung zum Handelsregister e) Eintragung im Handelsregister . . f) Fassungsänderungen durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . .
82 82 86 87 89 90 92
2. Satzungsdurchbrechungen . . . . . . 93
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§4
Satzung und Aktie
Rz. VII. Mängel der Satzung . . . . . . . . . . 94 1. Fehlerhafte Gründungssatzung . . . 95 a) Vor der Registereintragung . . . . 95 b) Nach der Registereintragung . . . 96 2. Fehlerhafte Satzungsänderungen . . 99 a) Nichtigkeit und Anfechtbarkeit . 100
Rz. b) Folge: rückwirkende Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Behebung von Satzungsmängeln a) Bestätigung . . . . . . . . . . . . b) Heilung . . . . . . . . . . . . . . c) Änderung der Satzung . . . . .
. . . .
. . . .
105 105 106 107
Schrifttum: Baums/Kiem; Die Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital, in FS Hadding, 2004, S. 741; Bayer, Empfehlen sich besondere Regelungen für börsennotierte und nichtbörsennotierte Gesellschaften? (Kurzfassung des Gutachtens zum 67. DJT), Beilage zu NJW Heft 21/2008, S. 21; Beuthien/Gätsch, Vereinsautonomie und Satzungsrechte Dritter, ZHR 156 (1992), 459; Beuthien/Gätsch, Einfluss Dritter auf die Organsbesetzung und Geschäftsführung bei Vereinen, Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, ZHR 157 (1993), 483; Bork, Gerichtsstandsklauseln in Satzungen von Kapitalgesellschaften, ZHR 157 (1993), 48; Butzke, Hinterlegung, Record Date und Einberufungsfrist – Überlegungen und praktische Hinweise für die ersten Hauptversammlungen nach Inkrafttreten der Gesetzesänderungen durch das UMAG –, WM 2005, 1981; Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, 1998; Diekmann, Änderungen im Wertpapier- und Übernahmegesetz anlässlich der Umsetzung der EU-Übernahmerichtlinie in das deutsche Recht, NJW 2007, 17; Dornseifer, Die Neugestaltung der Investmentaktiengesellschaft durch das Investmentänderungsgesetz, AG 2008, 53; Dürr, Nebenabreden und Willensbildung in der GmbH, BB 1995, 1365; Eckhold, Struktur und Probleme des Aktienrechts der Investmentaktiengesellschaft unter Berücksichtigung des Entwurfs des Investmentänderungsgesetzes, ZGR 2007, 654; Ekkenga, Insichgeschäfte geschäftsführender Organe im Aktien- und GmbH-Recht unter besonderer Berücksichtigung der Einmann-Gesellschaft, AG 1985, 40; Finken/Decher, Die Umstrukturierung des Familienunternehmens in eine Aktiengesellschaft – Offene Fragen zur formwechselnden Umwandlung (§§ 376 ff. AktG), AG 1989, 391; Gätsch/Mimberg, Der Legitimationsnachweis nach § 123 Abs. 3 AktG in der Fassung des UMAG bei börsennotierten Gesellschaften, AG 2006, 746; Geßler, Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen und Satzungsbestimmungen – §§ 241 Nr. 3, 23 Abs. 5 AktG, § 25 MitbestG 1976 –, ZGR 1980, 427; Götz, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats nach dem Transparenz- und Publizitätsgesetz, NZG 2002, 599; Götze, „Gelatine“ statt „Holzmüller“ – Zur Reichweite ungeschriebener Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung, NZG 2004, 585; Göz/Holzborn, Die Aktienrechtsreform durch das Gesetz für Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts – UMAG, WM 2006, 157; Grundmann/Möslein, Die Goldene Aktie – Staatskontrollrechte in Europarecht und wirtschaftspolitischer Bewertung, ZGR 2003, 317; Grunewald, Die Auslegung von Gesellschaftsverträgen und Satzungen, ZGR 1995, 68; Habersack, Unwirksamkeit „zustandsbegründender“ Durchbrechungen der GmbH-Satzung sowie darauf gerichteter schuldrechtlicher Nebenabreden – Besprechung der Entscheidung BGH NJW 1993, 2246 –, ZGR 1994, 354; Habersack/Schürnbrand, Die Bestätigung fehlerhafter Beschlüsse, in FS Hadding, 2004, S. 391; Handelsrechtsausschuss des DAV, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), NZG 2004, 555; Happ, Stimmbindungsverträge und Beschlussanfechtung – Besprechung der Entscheidung BGH WM 1983, 334 –, ZGR 1984, 168; Hasselbach/Schumacher, Hauptversammlung im Internet, ZGR 2000, 258; Hellermann, Aktienrechtliche Satzungsstrenge und Delegation von Gestaltungsspielräumen an den Vorstand, NZG 2008, 561; Henze, Treuepflichten der Gesellschafter im Kapitalgesellschaftsrecht, ZHR 162 (1998), 186; Hermanns, Die Investmentaktiengesellschaft nach dem Investmentmodernisierungsgesetz – eine neue Gesellschaftsform, ZIP 2004, 1297; Hirte, Die aktienrechtliche Satzungsstrenge: Kapitalmarkt und sonstige Legitimation versus Gestaltungsfreiheit, in Lutter/ Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, ZGR-Sonderheft 13, 1998, S. 61; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2006; Hoffmann-Becking, Der Einfluss schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarungen auf die Rechtsbeziehungen in der Kapitalgesellschaft, ZGR 1994, 442; Kallmeyer, Der Einsatz von Spaltung und Formwechsel nach dem
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§4
Die Satzung der börsennotierten AG
UmwG 1995 für die Zukunftssicherung von Familienunternehmen, DB 1996, 28; Kindl, Beschlussfassung des Aufsichtsrats und neue Medien – Zur Änderung des § 108 Abs. 4 AktG, ZHR 166 (2002), 335; Kollmorgen/Hoppe/Feldhaus, Die deutsche REIT-Aktiengesellschaft – Mustersatzung mit Erläuterungen, BB 2007, 1345; Koppensteiner, „Holzmüller“ auf dem Prüfstand des BGH, Der Konzern 2004, 381; Kort, Aktien aus vernichteten Kapitalerhöhungen, ZGR 1994, 291; Lieder, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats nach neuer Rechtslage, DB 2004, 2251; Lutter, Die Eintragung anfechtbarer Hauptversammlungsbeschlüsse im Handelsregister, NJW 1969, 1873; Lutter/Leinekugel, Kompetenzen von Hauptversammlung und Gesellschafterversammlung beim Verkauf von Unternehmensteilen, ZIP 1998, 225; Marsch-Barner, Treuepflichten zwischen Aktionären und Verhaltenspflichten bei der Stimmrechtsbündelung – Prinzipienbildung und Differenzierung in der Praxis –, ZHR 157 (1993), 172; Martens, Nachgründungskontrolle beim Formwechsel einer GmbH in eine AG, ZGR 1999, 548; Mertens, Satzungs- und Organisationsautonomie im Aktien- und Konzernrecht, ZGR 1994, 426; Mimberg, Schranken der Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung im Internet – die Rechtslage nach dem Inkrafttreten von NaStraG, Formvorschriften-AnpassungsG und TransPuG –, ZGR 2003, 21; Mimberg, Die Frist zur Einberufung der Hauptversammlung nach dem UMAG, AG 2005, 716; W. Müller, Die Änderungen im HGB und die Neuregelung der Sachdividende durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz, NZG 2002, 752; Neuling, Präsenzpflicht in der Bilanzsitzung des Aufsichtsrats, AG 2002, 610; Noack, Hauptversammlung der Aktiengesellschaft und moderne Kommunikationstechnik – aktuelle Bestandsaufnahme und Ausblick, NZG 2003, 241; Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, 1994; Priester, Kapitalausstattung und Gründungsrecht bei Umwandlung einer GmbH in eine AG: zum Umgang mit § 378 AktG, AG 1986, 29; Rödder/ Herlinghaus/von Lishaut, UmwStG, 2008; C. Schäfer, Besondere Regelungen für börsennotierte und nichtbörsennotierte Gesellschaften?, NJW 2008, 2536; C. Schäfer, Beschlussanfechtbarkeit bei Beschlussvorschlägen durch einen unterbesetzten Vorstand – Besprechung der Urteile BGH NJW 2002, 1128 „Sachsenmilch III“ und BGH ZIP 2002, 216 „Sachsenmilch IV“, ZGR 2003, 147; K. Schmidt, Schiedsfähigkeit von GmbH-Beschlüssen – Eine Skizze mit Ausblicken auf das Recht der AG und der Personengesellschaften –, ZGR 1988, 523; K. Schmidt, Heilung kartellverbotswidriger Satzungsänderungen nach § 242 AktG? – Zum Verhältnis zwischen Art. 85 Abs. 2 EGV und 242 AktG –, AG 1996, 385; Simon/Zetzsche, Aktionärslegitimation und Satzungsgestaltung – Überlegungen zu § 123 AktG i.d.F. des UMAG, NZG 2005, 369; Spindler, Die Reform der Hauptversammlung und der Anfechtungsklage durch das UMAG, NZG 2005, 825; Spindler, Deregulierung des Aktienrechts?, AG 1998, 53; Stein, Rechtsschutz gegen gesetzeswidrige Satzungsnormen bei Kapitalgesellschaften, ZGR 1994, 472; Temme/Küperkoch, Heilung und „Reparatur“ fehlerhafter Kapitalerhöhungsbeschlüsse, GmbHR 2004, 1556; Thoma/Reuter, „Shrinking the Atlantic“ – Der Zusammenschluss von Daimler-Benz und Chrysler, M&A Review 1999, 314; Trendelenburg, Auswirkungen einer nichtigen Kapitalerhöhung auf die Wirksamkeit nachfolgender Kapitalerhöhungen bei Aktiengesellschaften, NZG 2003, 860; Ulmer, Verletzung schuldrechtlicher Nebenabreden als Anfechtungsgrund im GmbH-Recht?, NJW 1987, 1849; Ulmer, Der Deutsche Corporate Governance Kodex – ein neues Regulierungsinstrument für börsennotierte Aktiengesellschaften, ZHR 166 (2002), 150; Waclawik, Zulässigkeit und Regelungsmacht satzungsmäßiger Treuepflicht- und Gerichtsstandsregeln bei der Aktiengesellschaft, DB 2005, 1151; Wagner, Aufsichtsratssitzung in Form der Videokonferenz – Gegenwärtiger Stand und mögliche Änderungen durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz, NZG 2002, 57; Winter, Organisationsrechtliche Sanktionen bei Verletzung schuldrechtlicher Gesellschaftervereinbarungen? Eine Skizze zur Abgrenzung von Organisationsrecht und „satzungsergänzendem“ Schuldrecht bei Kapitalgesellschaften, ZHR 154 (1990), 259; Winter, Die Anfechtung eintragungsbedürftiger Strukturbeschlüsse de lege lata und de lege ferenda, in FS Ulmer, 2003, S. 699; Zöllner, Folgen der Nichtigkeit einer Kapitalerhöhung für nachfolgende Kapitalerhöhungen. Zur Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre auf strukturändernde Beschlüsse bei Kapitalgesellschaften, in FS Hadding, 2004, S. 725; Zöllner, Die Bestätigung von Hauptversammlungsbeschlüssen – ein problematisches Rechtsinstitut, – Bemerkungen aus Anlass der Entscheidung des BGH v. 15.12.2003 – II ZR 194/01, AG 2004, 204 –, AG 2004, 397; Zöllner/Winter, Die Folgen der Nichtigerklärung durchgeführter Kapitalerhöhungsbeschlüsse, ZHR 158 (1994), 59.
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§4
Satzung und Aktie
I. Begriff und Funktionen der Satzung 1
Privatrechtliche Personenverbände und Gesellschaften entstehen auf rechtsgeschäftlicher Grundlage1. Dies gilt auch für die Aktiengesellschaft, für deren Gründung die Feststellung der Satzung erforderlich ist, die das Gesetz in diesem Stadium noch als Gesellschaftsvertrag bezeichnet (§ 2 AktG). Sind an der Gründung mehrere Personen beteiligt, hat die Gründung Vertragscharakter, während im Falle der Einmanngründung2 an die Stelle des Vertrages die einseitige Gründungserklärung des Gründers tritt. Jeweils handelt es sich jedoch um eine rechtsgeschäftliche Maßnahme. Die Satzungsfeststellung erfolgt im Rahmen eines notariellen Errichtungsakts. Dem schließen sich die Aufbringung des Grundkapitals und die Anmeldung und Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister an. Durch die Registereintragung erlangt die Gesellschaft Rechtsfähigkeit. Auf die Eintragung besteht ein Rechtsanspruch, wenn der Gründungsvorgang und insbesondere die festgestellte Satzung den gesetzlichen Anforderungen genügt („System der Normativbestimmungen“)3.
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Die Aktiengesellschaft ist ebenso wie der bürgerlich-rechtliche Verein, die GmbH und die Genossenschaft eine privatrechtliche Körperschaft4. Das bedeutet, dass sie organschaftlich organisiert und vom Bestand und Wechsel ihrer Mitglieder unabhängig ist. Der Zweck der Gesellschaft ist auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet5. Nach § 3 Abs. 1 AktG gilt sie daher, auch wenn der Gegenstand ihres Unternehmens nicht im Betrieb eines Handelsgewerbes besteht, als Handelsgesellschaft (Formkaufmann). Die Satzung bildet die Verfassung der Gesellschaft6. In ihr werden, soweit dies nicht bereits durch das Aktiengesetz weitgehend zwingend (§ 23 Abs. 5 AktG) geschehen ist, die grundlegenden Verhältnisse der Gesellschaft geregelt7: die Identität der Gesellschaft (Name, Sitz, Unternehmensgegenstand) und ihre Organisation (Gesellschaftsorgane und deren Zuständigkeiten), die Rechte und Pflichten zwischen der Gesellschaft und ihren Mitgliedern (Beitragspflicht sowie Teilhabe- und Vermögensrechte der Aktionäre) sowie die Finanzordnung der Gesellschaft (Grundkapital, genehmigtes Kapital, Rücklagenbildung, Ausschüttungsregeln). Diese Satzungsbestimmungen gelten für die gegenwärtigen und künftigen Aktionäre sowie – soweit sie Außenwirkung haben – für die Gläubiger der Gesellschaft und damit für einen unbestimmten Personenkreis. Ihnen kommt körperschaftsrechtlicher Charakter zu8.
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Das bedeutet: Die Gründung der Gesellschaft, in deren Zusammenhang die Feststellung der Satzung erfolgt, ist rechtsgeschäftlich einzuordnen. Die festgestellte Satzung erfährt durch die Willensübereinstimmung sämtlicher Gründer ihre Legitimation. Nach Gründung der Gesellschaft stellt die Satzung die vom Gründerwillen unabhängige Verfassung der Gesellschaft dar und ist daher wie objektives Recht zu behandeln, 1 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I 1a, S. 75. 2 § 2 AktG wurde entsprechend geändert durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts v. 2.8.1994, BGBl. I 1994, 1961. 3 Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung der Rechtsform Aktiengesellschaft oben § 1 Rz. 1 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 II, S. 758 ff. 4 Vgl. Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2006, Rz. 1.3 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 I 2, S. 755 f.; Hüffer, § 1 AktG Rz. 2; auch Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459 ff. 5 So die Terminologie in den §§ 21, 22 BGB in Abgrenzung zum so genannten Idealverein. § 3 Abs. 1 AktG stellt hingegen nicht auf den Gesellschaftszweck, sondern auf den Unternehmensgegenstand ab. 6 So ausdrücklich § 25 BGB für den rechtsfähigen Verein. 7 Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 32. 8 BGH v. 11.10.1993 – II ZR 155/92 – „IBH“, BGHZ 123, 347, 350 = AG 1994, 78.
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was insbesondere bei der Auslegung und revisionsgerichtlichen Überprüfung von Satzungsbestimmungen eine Rolle spielt1. Neben den körperschaftsrechtlichen Bestimmungen kann die Satzung auch so genannte individualrechtliche Regelungen enthalten. Darunter versteht man Bestimmungen, die nicht körperschaftsrechtlich, sondern nur schuldrechtlich wirksam vereinbart werden können, wie Vereinbarungen der Gesellschaft mit Dritten oder mit Gesellschaftern oder Vereinbarungen der Gesellschafter untereinander, wenn diese nicht auf der Mitgliedschaft fußen2. Derartige Bestimmungen spielen im Satzungstext börsennotierter Gesellschaften nur eine untergeordnete Rolle, kommen aber als schuldrechtliche Vereinbarungen außerhalb der Satzung häufiger vor (dazu unten Rz. 73 ff.).
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Aufgrund der vom Gesetzgeber insoweit in den Vordergrund gestellten kapitalmarktrechtlichen Ausrichtung der Aktiengesellschaft ist die Möglichkeit, ihre Satzung frei zu gestalten (so genannte Satzungsautonomie), weitgehend eingeschränkt. Es gilt vielmehr der Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG). Dies mag für Publikumsgesellschaften und insbesondere börsennotierte Aktiengesellschaften erforderlich sein, wird aber den anderen Erscheinungsformen der Aktiengesellschaft, wie der „kleinen Aktiengesellschaft“, der der Gesetzgeber 1994 Sonderbestimmungen gewidmet hat, oder der Einmann-Aktiengesellschaft, deren Gründung der Gesetzgeber 1995 zugelassen hat, nur bedingt gerecht. Im Ergebnis führt die Satzungsstrenge dazu, dass die Satzungen von Aktiengesellschaften und insbesondere börsennotierter Aktiengesellschaften inhaltlich ein weitgehend gleichförmiges Erscheinungsbild haben.
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Die Festlegung des Unternehmensgegenstands, der hinreichend konkretisiert in der Satzung bezeichnet werden muss (§ 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG), dient der Information der Allgemeinheit über den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft3. Darüber hinaus begrenzt er die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands zwar nicht im Sinne eines rechtlichen „Könnens“, wohl aber im Sinne eines rechtlichen „Dürfens“ und dient insoweit dem Schutz der Aktionäre vor Kompetenzüberschreitungen durch den Vorstand4.
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II. Schaffung der Rechtsform „Aktiengesellschaft“ im zeitlichen Zusammenhang mit dem Börsengang Unternehmen, die den Kapitalmarkt zur Aufnahme von Eigenkapital nutzen wollen, existieren regelmäßig bereits über einen längeren Zeitraum5. Die Zeiten, dass Unter1 BGH v. 4.10.1956 – II ZR 121/55, BGHZ 21, 370, 373 ff.; BGH v. 6.3.1967 – II ZR 231/64, BGHZ 47, 172, 179 ff.; BGH v. 11.11.1985 – II ZB 5/85, BGHZ 96, 245 ff. = AG 1986, 164; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I 1b, S. 76 f. 2 Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 39. 3 BGH v. 3.11.1980 – II ZB 1/79, WM 1981, 163, 164. 4 Die im anglo-amerikanischen Rechtsraum anerkannte „Ultra-Vires-Doktrin“, nach der der Unternehmensgegenstand die Rechts- und Handlungsfähigkeit der Gesellschaft und damit die Handlungsmacht des Vorstands im Außenverhältnis beschränkt, findet im deutschen Recht keine Anwendung. Maßnahmen des Vorstands, die den statutarisch definierten Unternehmensgegenstand überschreiten, sind im Außenverhältnis wirksam und berechtigen und verpflichten daher die Gesellschaft gegenüber dem Dritten, stellen aber im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und handelndem Vorstandsmitglied eine Pflichtverletzung dar. Dazu näher K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 V 2, S. 214 ff. 5 Nach § 3 Abs. 1 BörsZulV muss der die Zulassung seiner Aktien zum Börsenhandel beantragende Emittent mindestens drei Jahre als Unternehmen bestanden und seine Jahresabschlüsse in den drei dem Zulassungsantrag vorausgehenden Geschäftsjahren entsprechend den hierfür geltenden Vorschriften offengelegt haben.
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nehmen bereits bei ihrer Gründung den Börsengang innerhalb kurzer Zeit anstreben, sind zumindest vorerst vorbei. Nicht notwendig ist es jedoch, dass das Unternehmen in dem nach § 3 Abs. 1 BörsZulV vorgesehenen Dreijahreszeitraum vor dem Börsengang in der Rechtsform der Aktiengesellschaft bestanden hat. Es genügt vielmehr, dass es in dieser Zeit in anderer Rechtsform betrieben wurde und vor dem Börsengang umgewandelt wird1. Da nur börsenfähige Wertpapiere zum Börsenhandel zugelassen werden2, stehen deutschen Unternehmen, die ihre Anteile hier zum Handel an der Börse zulassen wollen, nur die Rechtsformen der Aktiengesellschaft, der Kommanditgesellschaft auf Aktien und seit Herbst 2004 auch der Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea – SE) zur Verfügung3. Um einen liquiden Handel zu gewährleisten, muss bei der Beantragung der Zulassung von Aktien zum regulierten Markt nach § 2 Abs. 1 BörsZulV der voraussichtliche Kurswert der Aktien oder das Eigenkapital der Gesellschaft mindestens 1,25 Mio. Euro betragen. Das der Schaffung von Marktliquidität dienende Erfordernis ausreichender Streuung (§ 9 BörsZulV) gilt als gegeben, wenn 25 % des Grundkapitals der Gesellschaft an die Börse gebracht werden4. 1. Wechsel der Rechtsform 8
Soll ein noch nicht als Aktiengesellschaft verfasstes Unternehmen an die Börse gebracht werden, kann der Wechsel der Rechtsform in eine Aktiengesellschaft durch einen Formwechsel im Sinne der §§ 190 ff. UmwG erfolgen5. Die für den Formwechsel im Einzelnen zu beachtenden umwandlungsgesetzlichen Vorschriften unterscheiden sich je nach Rechtsform des formwechselnden Rechtsträgers6. Generell bedarf es für einen Formwechsel neben der Erstattung eines Umwandlungsberichts (§ 192 UmwG) eines notariell zu beurkundenden Umwandlungsbeschlusses (§ 193 UmwG), der von den Anteilsinhabern des formwechselnden Rechtsträgers in einer Versammlung gefasst wird und, im Falle des Formwechsels in eine Aktiengesellschaft, neben dem in § 194 UmwG bestimmten Inhalt auch die Feststellung der Satzung der Ak-
1 Vgl. Heidelbach in Schwark, § 3 BörsZulV Rz. 2. 2 Der Begriff des Wertpapiers ist in § 1 Abs. 11 Satz 2 KWG und in § 2 Abs. 1 WpHG gleichlautend sowie in § 1 Abs. 1 DepotG ähnlich definiert (dazu unten § 5 Rz. 12). Aus den Erfordernissen des Börsenhandels (anonymer Massenmarkt, schnelle Geschäftsabschlüsse und Geschäftsabwicklung) folgt, dass börsenfähige Wertpapiere vertretbar im Sinne des § 91 BGB und zirkulationsfähig, d.h. in besonders hohem Maße umlauffähig, sein müssen. 3 Dabei spielt die KGaA nur eine untergeordnete Rolle: Von den derzeit im DAX 30 notierten Unternehmen ist lediglich die Henkel KGaA in dieser Rechtsform verfasst. Zu ersten praktischen Erfahrungen mit der SE vgl. unten Rz. 10a. 4 Im Einzelnen zu den Zulassungsvoraussetzungen unten § 9 Rz. 11 ff. 5 Vgl. Kallmeyer, DB 1996, 28, 29 f. Auch möglich ist die Verschmelzung des bestehenden Rechtsträgers auf eine von ihm gegründete Aktiengesellschaft oder die Übertragung der dem bestehenden Rechtsträger gehörenden Wirtschaftsgüter des Aktiv- und Passivvermögens auf der Grundlage des Umwandlungsrechts oder im Wege der Einzelübertragung auf eine neu gegründete Aktiengesellschaft. Zu dieser Gestaltung, die insbesondere bei Börsengängen von Unternehmensteilen eine Rolle spielt, sogleich unter 2. (Rz. 11). 6 In § 191 Abs. 1 UmwG unter den formwechselfähigen Rechtsträgern nicht genannt sind das einzelkaufmännische Unternehmen, die BGB-Gesellschaft und die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV). Zur Formwechselfähigkeit der EWIV vgl. Decher in Lutter, § 191 UmwG Rz. 2; Meister/Klöcker in Kallmeyer, § 191 UmwG Rz. 6; dort auch zur Formwechselfähigkeit einer im Geltungsbereich des UmwG gegründeten SE. Näher zur SE vgl. oben § 3.
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tiengesellschaft beinhalten muss1. Unter Vorlage dieses Beschlusses und der sonst erforderlichen Unterlagen ist der Formwechsel dann zum Handelsregister anzumelden2. Er wird grundsätzlich erst mit Eintragung wirksam (§ 202 UmwG) mit der Folge, dass der formwechselnde Rechtsträger unter Wahrung seiner Identität3 in der im Umwandlungsbeschluss bestimmten neuen Rechtsform, bei einem Formwechsel zur Vorbereitung eines Börsenganges also in der Rechtsform der Aktiengesellschaft, weiter besteht und die Anteilsinhaber des formwechselnden Rechtsträger Aktionäre der neuen Aktiengesellschaft werden4. Nach § 197 UmwG sind auf den Formwechsel in die Aktiengesellschaft die aktienrechtlichen Gründungsvorschriften mit Ausnahme der Vorschriften über die Bildung und Zusammensetzung des ersten Aufsichtsrats grundsätzlich anwendbar, soweit das Umwandlungsgesetz nichts anderes bestimmt. Für den Inhalt der Satzung, die in dem Beschluss über die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft festzustellen ist, gelten somit grundsätzlich die aktienrechtlichen Vorschriften, insbesondere §§ 23 Abs. 3 und 4, 26, 27 AktG. Sonderregelungen enthalten §§ 241 Abs. 1 Satz 1 und 243 Abs. 3 UmwG. Für den Fall des Formwechsels einer GmbH in eine Aktiengesellschaft sieht § 243 Abs. 1 Satz 2 UmwG vor, dass Festsetzungen über Sondervorteile, Gründungsaufwand, Sacheinlagen und Sachübernahmen, die in dem Gesellschaftsvertrag der formwechselnden GmbH enthalten sind, in die Satzung der Aktiengesellschaft zu übernehmen sind. Diese Festsetzungen müssen insgesamt 30 Jahre in der Satzung verbleiben, wobei die beim formwechselnden Rechtsträger zurückgelegten Zeiten mitgerechnet werden (§ 26 Abs. 5 AktG)5. Ob dies auch gilt, wenn Sachkapitalerhöhungen in der Satzung der GmbH nicht dokumentiert wurden, oder wenn eine Personengesellschaft im Wege des Formwechsels in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird, für die eine dem § 243 UmwG entsprechende Vorschrift fehlt, ist im juris-
1 Bei einem Formwechsel in eine Aktiengesellschaft gilt dies nach § 218 Abs. 1 UmwG für eine formwechselnde Personenhandelsgesellschaft, nach § 225c UmwG für eine formwechselnde Partnerschaftsgesellschaft, nach § 243 UmwG für eine formwechselnde Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform, nach § 263 UmwG für eine formwechselnde eingetragene Genossenschaft, nach § 276 UmwG für einen formwechselnden rechtsfähigen Verein, nach § 294 UmwG für einen VVaG, der kein kleiner Verein i.S.d. § 53 VAG ist (§ 291 Abs. 1 UmwG) und nach § 302 UmwG für eine formwechselnde Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts. 2 Vgl. §§ 198 Abs. 1 bzw. Abs. 2, 222, 225c 246, 265, 278, 296, 302 UmwG. Daneben gelten §§ 36, 37 AktG, soweit sie nicht durch die umwandlungsgesetzlichen Regelungen verdrängt werden (Meister/Klöcker in Kallmeyer, § 197 UmwG Rz. 29 ff.). 3 Das Wesen des Formwechsels besteht, da keine Vermögensübertragung stattfindet, im Wechsel der Rechtsform unter Wahrung der Identität des Rechtsträgers (vgl. Decher in Lutter, § 190 UmwG Rz. 1 ff.; Meister/Klöcker in Kallmeyer, § 190 UmwG Rz. 6). Das soll zivilrechtlich auch für den Formwechsel einer Personenhandelsgesellschaft in die Kapitalgesellschaft gelten (Decher in Lutter, § 190 UmwG Rz. 3 ff.; kritisch Vossius in Widmann/Mayer, § 190 UmwG Rz. 27 („bloße Fiktion“)). Steuerrechtlich finden beim Formwechsel einer Personenhandelsgesellschaft in eine Aktiengesellschaft gemäß § 25 UmwStG die §§ 20 bis 23 UmwStG entsprechende Anwendung. Zu der (bislang) umstrittenen Frage, ob aufgrund der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 EStG) in der Steuerbilanz der Kapitalgesellschaft eine Buchwertfortführung zwingend ist (so Tz. 20.30 des Umwandlungssteuererlasses, GmbHR 1998, 444) oder ein steuerliches Bewertungswahlrecht besteht (so die wohl herrschende Meinung), vgl. Schaumburg/Schumacher in Lutter, Anh. 1 nach § 304 UmwG Rz. 32 m.w.N.; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/von Lishaut, § 20 UmwStG Rz. 147 f.). 4 Ausnahmen gelten für den persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA (§ 247 Abs. 3 UmwG) und können für Mitglieder eines VVaG, die diesem weniger als drei Jahre vor Beschlussfassung über den Formwechsel angehört haben, in dem Umwandlungsbeschluss vorgesehen werden (§ 294 Abs. 1 Satz 2 UmwG). 5 Vgl. dazu Rieger in Widmann/Mayer, § 243 UmwG Rz. 22.
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tischen Schrifttum umstritten1 und von der Rechtsprechung – soweit ersichtlich – bislang noch nicht entschieden. Zur Vermeidung von Haftungsrisiken ist eine Aufnahme zu empfehlen. 10
Bei einem Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Aktiengesellschaft oder KGaA gelten in den ersten zwei Jahren nach Eintragung des Formwechsels die aktienrechtlichen Nachgründungsvorschriften der §§ 52, 53 AktG2. Für den Formwechsel einer KGaA in eine Aktiengesellschaft und umgekehrt gelten die Nachgründungsvorschriften nach einer entsprechenden Neufassung von § 245 Abs. 2, 3 UmwG nicht3. Gleiches gilt für den Formwechsel einer GmbH in eine Aktiengesellschaft oder KGaA, wenn die GmbH vor Wirksamwerden des Formwechsels bereits länger als zwei Jahre in das Register eingetragen war (§ 245 Abs. 1 Satz 3 UmwG).
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Erste praktische Erfahrungen konnten auch in Deutschland mit der seit Herbst 2004 existierenden Rechtsform der Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea – SE) gemacht werden (vgl. im Einzelnen zur SE § 3). Die Gründung einer SE kann unter anderem durch die Verschmelzung von bestehenden Aktiengesellschaften erfolgen, wenn diese nach dem Recht eines EU-Mitgliedsstaates gegründet worden sind, ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung in der Gemeinschaft haben und mindestens zwei von ihnen dem Recht verschiedener Mitgliedsstaaten unterliegen (Art. 2 Abs. 1 SEVO)4. Auch die formwechselnde Umwandlung einer nationalen Aktiengesellschaft in eine SE ist möglich, wenn sie seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedsstaates unterliegende Tochtergesellschaft hat (Art. 2 Abs. 4 SEVO)5. 2. Neugründung einer Aktiengesellschaft
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Insbesondere wenn nicht ein Unternehmen insgesamt, sondern nur ein Teil eines Unternehmens an die Börse gebracht werden soll, erfolgt die rechtliche Verselbständigung dieses Unternehmensteils regelmäßig in einer neu gegründeten Aktiengesellschaft. In diesem Fall werden die zu dem betreffenden Unternehmensteil gehörenden Wirtschaftsgüter des Aktiv- und Passivvermögens auf der Grundlage des Umwandlungsgesetzes6 oder im Wege der Einzelübertragung auf die neue Gesellschaft übertragen. Ebenfalls zur Gründung einer neuen Aktiengesellschaft kann es kommen, wenn zwei oder mehr bereits börsennotierte Gesellschaften miteinander verbunden werden 1 Für Festsetzungen: Zöllner in KölnKomm. AktG, 1. Aufl. 1981, § 378 AktG Rz. 4; gegen Festsetzungen: Priester, AG 1986, 29, 32; Finken/Decher, AG 1989, 391, 396. 2 § 220 Abs. 3 UmwG; vgl. auch Bärwaldt in Semler/Stengel, § 197 UmwG Rz. 55; Meister/Klöcker in Kallmeyer, § 197 UmwG Rz. 44; einschränkend Martens, ZGR 1999, 548 ff. 3 So bereits zuvor die h.M.: vgl. Bärwaldt in Semler/Stengel, § 197 UmwG Rz. 55; Decher in Lutter, § 197 UmwG Rz. 44; Rieger in Widmann/Mayer, § 197 UmwG Rz. 215. 4 Als erste große deutsche Aktiengesellschaft wurde die Allianz AG 2006 in eine SE umgewandelt, indem sie nach mehreren vorbereitenden Maßnahmen im Rahmen der grenzüberschreitenden Verschmelzung einer italienischen Tochtergesellschaft der Allianz AG auf diese mit Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister am Sitz der Allianz AG die Rechtsform einer SE annahm (Art. 17 Abs. 2 Satz 2 und Art. 29 Abs. 1 lit. d SE-VO). 5 Die Fresenius AG wurde gemäß Art. 2 Abs. 4 i.V.m. Art. 37 SE-VO formwechselnd in die Fresenius SE umgewandelt, nachdem die außerordentliche Hauptversammlung der Gesellschaft im Dezember 2006 hierzu ihre Zustimmung erteilt hatte. Auch die Hauptversammlung der BASF AG hat im April 2007 der formwechselnden Umwandlung der Gesellschaft in eine Societas Europaea unter der Firma BASF SE zugestimmt. Sitz des Unternehmens und der Hauptverwaltung soll weiterhin Ludwigshafen bleiben. Die Eintragung der Umwandlung im Handelsregister ist im Januar 2008 erfolgt. 6 In Betracht kommt insbesondere die Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG.
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sollen1. Der Vorgang der Gründung wird nachfolgend – soweit für die Satzung relevant – unter Auswahl einiger wesentlicher Problemfelder kurz dargestellt2. a) Notarielle Errichtung, insbesondere Satzungsfeststellung aa) Im Rahmen der Gründung der Gesellschaft wird die Satzung durch notarielle Beurkundung festgestellt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 AktG). Bei der Satzungsfeststellung handelt es sich um das Kernstück des notariellen Errichtungsvorgangs. In der notariellen Gründungsurkunde müssen die Angaben nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AktG enthalten sein, nämlich der3 oder die Gründer, bei Nennbetragsaktien der Nennbetrag und bei Stückaktien die Zahl, der Ausgabebetrag und, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der Aktien, die jeder Gründer übernimmt, sowie der eingezahlte Betrag des Grundkapitals. Die Satzung wird der Gründungsurkunde regelmäßig als Anlage beigefügt4. Welche Bestimmungen die Satzung enthalten muss bzw. kann, wird unten im Einzelnen erläutert (vgl. Rz. 30 ff. und Rz. 43 ff.).
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bb) Stellvertretung beim Gründungsvorgang ist möglich. Allerdings bedürfen Bevollmächtigte einer notariell beglaubigten Vollmacht (§ 23 Abs. 1 Satz 2 AktG). Dies entspricht im Wesentlichen der Situation bei der GmbH5 und stellt insbesondere bei Einmanngründungen eine Quelle tiefgreifender rechtlicher Probleme dann dar, wenn der Handelnde entweder nicht oder nicht formwirksam bevollmächtigt war6.
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cc) Die Gründung der Gesellschaft und insbesondere die Feststellung ihrer Satzung in nicht-deutscher Sprache ist heute grundsätzlich als zulässig anerkannt7. Erforderlich ist allerdings, dass die Gesellschaft der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister eine deutsche Übersetzung in beglaubigter Form beifügt. Gleiches dürfte im Zusammenhang mit der Anmeldung von Änderungen nicht-deutschsprachiger Satzungen gelten.
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1 Beispiele: Gründung der DaimlerChrysler AG, auf die die Aktionäre der Daimler-Benz AG und der Chrysler Corp. ihre Aktien im Rahmen von Sachkapitalerhöhungen gegen Gewährung von Aktien an der DaimlerChrysler AG übertragen haben (vgl. dazu Thoma/Reuter, M&A Review 1999, 314 ff.); Zusammengehen der Thyssen AG und der Fried. Krupp AG Hoesch-Krupp zur ThyssenKrupp AG im Wege der Verschmelzung zur Neugründung. 2 Ausführlich zur Gründung von Aktiengesellschaften Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, §§ 3 ff.; Mulert in Happ, Aktienrecht, 2.01 (Bargründung), 2.04 (Sachgründung) und 2.05 (Einpersonen-Gründung); Hölters in Münchener Vertragshdb., Bd. 1, Gesellschaftsrecht, Abschnitt V, 1. bis 25. 3 Zwar spricht § 23 Abs. 2 Nr. 1 AktG nur im Plural von „die Gründer“, seit dem Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts v. 2.8.1994 (BGBl. I 1994, 1961) ist aber die Einmanngründung auch bei der Aktiengesellschaft zulässig (vgl. § 2 AktG). 4 Die Angaben nach § 23 Abs. 2 AktG, insbesondere die Aktienübernahmeerklärung, sind keine rechtlich notwendigen Bestandteile der Satzung und sind in dieser regelmäßig auch nicht enthalten (vgl. Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 65; Limmer in Spindler/Stilz, § 23 AktG Rz. 24). A.A. Pentz (in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 55), der m.E. nicht hinreichend zwischen dem Gründungsvorgang und der hierüber aufzunehmenden notariellen Urkunde einerseits sowie der Satzung andererseits unterscheidet. 5 Nach § 2 Abs. 2 GmbHG ist die Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages bei der GmbHGründung durch Bevollmächtigte nur aufgrund einer notariell errichteten oder beglaubigten Vollmacht zulässig. 6 Dazu Wachter, GmbHR 2003, 660 ff.; jüngst Grooterhorst, NZG 2007, 605 ff. (jeweils zur GmbH). 7 LG Düsseldorf v. 16.3.1999 – 36 T 3/99, GmbHR 1999, 609 f. (zur GmbH).
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dd) Bei der Frage, ob eine Satzungsfeststellung im Ausland vor einem nicht-deutschen Notar möglich ist, sind zwei Problemkreise zu unterscheiden, nämlich zum einen die Geltung des Ortsstatuts gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB und zum anderen die Frage der Gleichwertigkeit der Amtshandlungen eines ausländischen Notars mit denen eines deutschen Notars1. Das im Schrifttum in diesem Zusammenhang hervorgehobene Kostenproblem2 stellt sich allerdings bei der Gründung der Aktiengesellschaft nur eingeschränkt, da der Geschäftswert der für die Gründung anfallenden notariellen Gebühren dem Ausgabebetrag des übernommenen Grundkapitals entspricht, maximal jedoch 5 Mio. Euro beträgt (§ 39 Abs. 4 KostO)3. b) Übernahme der Aktien
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Mit der Übernahme aller Aktien (Zeichnung) durch die Gründer ist die Gesellschaft errichtet (§ 29 AktG). Die errichtete, aber noch nicht im Handelsregister eingetragene Gesellschaft wird als Vorgesellschaft bezeichnet. Gründer sind dabei diejenigen Aktionäre, die die Satzung festgestellt haben (§ 28 AktG). Aus § 23 Abs. 2 Nr. 2 AktG wird gefolgert, dass auch die Übernahme der Aktien durch die Gründer der notariellen Form bedarf und mit der Satzungsfeststellung in einer Urkunde erfolgen muss (so genannte „Einheitsgründung“)4. Mit der Übernahmeerklärung wird die Einlageverpflichtung des Gründers gegenüber der Gesellschaft begründet. Übernimmt ein Gründer, bei dem es sich um ein Unternehmen handelt, mehr als 25 % oder die Mehrheit der Aktien, muss dies der Gesellschaft unverzüglich schriftlich mitgeteilt (§ 20 Abs. 1, 4 AktG) und von der Gesellschaft in den Gesellschaftsblättern bekannt gemacht werden (§ 20 Abs. 6 AktG)5. Für die Zeit der Nichterfüllung der Mitteilungspflichten nach § 20 Abs. 1, 4 AktG bestehen die Rechte aus den Aktien des mitteilungspflichtigen Unternehmens nicht (§ 20 Abs. 7 AktG). c) Bestellung des ersten Aufsichtsrats und des ersten Vorstands
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Die Gründer haben den ersten Aufsichtsrat der Gesellschaft und den Abschlussprüfer für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr zu bestellen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 AktG). Da die Bestellung ebenfalls der notariellen Beurkundung bedarf (§ 30 Abs. 1 Satz 2 AktG), ist es zweckmäßig, wenn auch nicht notwendig, sie mit der Satzungsfeststellung zu verbinden. Der erste Aufsichtsrat bestellt den ersten Vorstand (§ 30 Abs. 4 AktG). d) Leistung der Einlagen
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Vor der Anmeldung müssen die Leistungen auf die Einlagen in der gesetzlich geforderten Höhe endgültig zur freien Verfügung des Vorstands erbracht sein. Bei Bareinlagen muss mindestens ein Viertel des geringsten Ausgabebetrages (§ 9 Abs. 1 AktG) und, im Falle einer Überpari-Ausgabe, das gesamte Aufgeld eingezahlt worden sein 1 Im Einzelnen Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008 § 23 AktG Rz. 30 ff.; Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 23 AktG Rz. 16 ff. 2 Jäger, Aktiengesellschaft, § 7 Rz. 3, S. 95; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 27 II 1, S. 785. 3 Die bei der Bargründung einer Aktiengesellschaft maximal (d.h. bei einem Gründungskapital von 5 Mio. Euro oder mehr) anfallenden notariellen Errichtungskosten belaufen sich im Falle einer Einmanngründung auf ca. 12 500,– Euro, im Falle einer Mehrpersonengründung auf ca. 20 000,– Euro. 4 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 3 Rz. 10; Jäger, Aktiengesellschaft, § 7 Rz. 7, S. 98. 5 BGH v. 24.4.2006 – II ZR 30/05, WM 2006, 1151 ff. = AG 2006, 501 = BB 2006, 1408 f. (m. Anm. Theusinger/Klein).
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Die Satzung der börsennotierten AG
(§ 36a Abs. 1 AktG). Die Vorschrift des § 36 Abs. 2 Satz 2 AktG, nach der im Falle der Einmann-Gründung der Gründer für den Restbetrag Sicherheit zu leisten hatte, ist durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) aufgehoben worden. Sacheinlagen sind grundsätzlich vollständig zu leisten (§ 36a Abs. 2 Satz 1 AktG). e) Gründungsbericht und Gründungsprüfung Nach § 32 AktG haben die Gründer über den Gründungshergang einen schriftlichen Bericht (Gründungsbericht) zu erstatten. In diesem sind bei Sachgründungen die wesentlichen Umstände darzulegen, die die Angemessenheit der Leistungen für Sacheinlagen beinhalten. Insbesondere, aber nicht ausschließlich auf der Grundlage des Gründungsberichts müssen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats den Hergang der Gründung prüfen (§ 33 Abs. 1 AktG). Unter den in § 33 Abs. 2 AktG genannten Voraussetzungen ist eine Prüfung durch einen oder mehrere Gründungsprüfer erforderlich, bei denen es sich regelmäßig um Wirtschaftsprüfer bzw. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften handelt.
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f) Registergerichtliches Verfahren und Eintragung Im Rahmen des Eintragungsverfahrens hat das Registergericht zu prüfen, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet ist (§ 38 Abs. 1 AktG). Dies umfasst unter anderem die Überprüfung der durch die Gründer festgestellten Satzung auf mangelhafte, fehlende oder nichtige Bestimmungen. Das Fehlen oder die Nichtigkeit von Satzungsbestimmungen rechtfertigt die Ablehnung der Eintragung durch das Registergericht nur nach Maßgabe des durch das Handelsrechtsreformgesetz vom 22.6.19981 eingeführten § 38 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AktG2, also wenn die Bestimmung, ihr Fehlen oder ihre Nichtigkeit
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– Tatsachen oder Rechtsverhältnisse betrifft, die nach § 23 Abs. 3 AktG oder auf Grund anderer zwingender gesetzlicher Vorschriften in der Satzung bestimmt sein müssen oder die in das Handelsregister einzutragen oder von dem Gericht bekanntzumachen sind, – Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, oder – die Nichtigkeit der Satzung zur Folge hat. Die Eintragung der Gesellschaft und deren Bekanntmachung sind in §§ 39, 40 AktG geregelt. Durch die Eintragung entsteht die Aktiengesellschaft als juristische Person (§ 41 Abs. 1 Satz 1 AktG). Gründungsmängel können nach Eintragung der Gesellschaft nur noch in eingeschränktem Umfang geltend gemacht werden (dazu unten Rz. 96 ff.). Die Handelndenhaftung, nach der für Rechtsgeschäfte, die im Rahmen
1 BGBl. I 1998, 1474. 2 Vgl. im Einzelnen Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 38 AktG Rz. 66 ff. In Bezug auf in § 38 Abs. 3 AktG nicht genannte Satzungsmängel soll eine Prüfung ebenso wie Belehrungen, Gegenvorschläge und Zwischenverfügungen unterbleiben müssen, da sie zu einer Verzögerung des Eintragungsverfahrens führen würde (vgl. Hüffer, § 38 AktG Rz. 12; weniger strikt Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 38 AktG Rz. 68). Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass das Registergericht seine Amtspflichten überschreitet, wenn es auf evidente Satzungsmängel hinweist, die nicht § 38 Abs. 3 AktG unterfallen.
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der Vorgesellschaft eingegangen worden sind, die insoweit Handelnden persönlich haften (§ 41 Abs. 1 Satz 2 AktG), erlischt mit Eintragung der Gesellschaft1.
III. Inhalt der Satzung 1. Allgemeines 22
§ 23 Abs. 3 und 4 AktG bestimmt den gesetzlich notwendigen Mindestinhalt der Satzung2 (dazu im Einzelnen Rz. 30 ff.). Danach muss die Satzung enthalten: die Firma und den Sitz der Gesellschaft, den Unternehmensgegenstand, die Höhe des Grundkapitals, die Zerlegung des Grundkapitals in Nennbetrags- oder in Stückaktien, bei Nennbetragsaktien deren Nennbeträge und die Zahl der Aktien jedes Nennbetrages, bei Stückaktien deren Zahl, ob die Aktien auf den Inhaber oder den Namen lauten, die Zahl der Mitglieder des Vorstands oder die Regeln, nach denen diese Zahl festgelegt wird, sowie Bestimmungen über die Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft. Aussagen über die Gattung der Aktien und die Zahl der Aktien jeder Gattung muss die Satzung nur treffen, wenn mehrere Gattungen von Aktien vorhanden sind3. Teils werden Angaben zum Geschäftsjahr, obwohl gesetzlich nicht vorgesehen, als notwendiger Satzungsbestandteil angesehen4. Durch § 23 Abs. 3 und 4 AktG wird zugleich klargestellt, dass die dort genannten Gegenstände nur in der Satzung, nicht aber außerhalb der Satzung durch schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen den Gründern bzw. Aktionären geregelt werden können5. Sie können zwar geändert, nicht aber gänzlich aus der Satzung gestrichen werden.
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In der Satzung außerdem anzugeben sind der Gründungsaufwand (§ 26 Abs. 2 AktG), einzelnen Aktionären oder Dritten eingeräumte Sondervorteile (§ 26 Abs. 1 AktG) sowie im Falle der Sachgründung der Gesellschaft die nach § 27 Abs. 1 AktG erforderlichen Angaben über den Gegenstand der Sacheinlage oder Sachübernahme, die Person, von der die Gesellschaft den Gegenstand erwirbt, sowie den Nennbetrag bzw. die Stückzahl der auszugebenden Aktien bzw. die Vergütung. Die statutarischen Festsetzungen nach §§ 26 Abs. 1 und 2, 27 Abs. 1 AktG können erst geändert werden, wenn die Gesellschaft fünf Jahre im Handelsregister eingetragen ist (§§ 26 Abs. 4, 27 Abs. 5 AktG), sie können erst beseitigt werden, wenn die Gesellschaft dreißig Jahre im Handelsregister eingetragen ist und die den Festsetzungen zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse seit mindestens fünf Jahren abgewickelt sind (§§ 26 Abs. 5, 27 Abs. 5 AktG). Entweder die Satzung oder der Aufsichtsrat hat zu bestimmen, dass der Vorstand bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vornehmen darf (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG).
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Darüber hinaus können in die Satzung eine Reihe weiterer Bestimmungen aufgenommen werden, die nicht notwendigerweise Inhalt der Satzung sein müssen, die aber, wenn sie geregelt werden sollen, nur in der Satzung geregelt werden können (fakul1 Hüffer, § 41 AktG Rz. 25 m.w.N.; Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 41 AktG Rz. 109. 2 Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 64. Weitere notwendige Satzungsbestimmungen ergeben sich aus anderen spezialgesetzlichen Regelungen, z.B. für Rechteverwertungs- und Investmentaktiengesellschaften (vgl. Pühler in Happ, Aktienrecht, 1.01 Rz. 1, S. 25; Dornseifer, AG 2008, 53, 57). 3 Insoweit zählen Bestimmungen über die Gattung von Aktien, obwohl in § 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG genannt, nicht zum gesetzlich notwendigen Mindestinhalt der Satzung. 4 Pühler in Happ, Aktienrecht, 1.01 Rz. 5, S. 37; a.A. Wiesner in MünchHdb. AG, § 9 Rz. 2. 5 Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 64.
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tative Satzungsbestimmungen) (dazu im Einzelnen Rz. 43 ff.). Dazu gehören: die Schaffung unterschiedlicher Aktiengattungen (§§ 11, 23 Abs. 3 Nr. 4 a.E. AktG), die Umwandlung von Inhaber- in Namensaktien bzw. umgekehrt auf Verlangen eines Aktionärs (§ 24 AktG), Vertragsstrafen für den Fall nicht rechtzeitiger Einlagenzahlung (§ 63 Abs. 3 AktG), die Vinkulierung der Übertragung von Namensaktien (§ 68 Abs. 2 AktG), die Aufstellung persönlicher Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in Vorstand und Aufsichtsrat, Geschäftsführungs- oder Vertretungsregelungen (§§ 77, 78 AktG), die Möglichkeit der Befreiung von dem Verbot der Mehrvertretung (§ 181 Alt. 2 BGB), die Festlegung der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder (§ 95 Satz 2 AktG), Entsenderechte in Bezug auf Aufsichtsratsmitglieder (§ 101 Abs. 2 AktG), Bestimmungen über die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats (§ 108 Abs. 2 AktG), Teilnahme ermächtigter Dritter an Aufsichtsratssitzungen (§ 109 Abs. 3 AktG), die Festsetzung der Aufsichtsratsvergütung (§ 113 AktG) sowie von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Mehrheitserfordernisse für die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 103 Abs. 1 Satz 3 AktG) und Kapitalmaßnahmen (§§ 182 Abs. 1 Satz 2, 186 Abs. 3 Satz 3, 193 Abs. 1 Satz 2, 202 Abs. 2 Satz 3 AktG). Weitere statutarische Gestaltungsmöglichkeiten, wie die Erweiterung des Auskunftsrechts der Aktionäre unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach § 53a AktG, die Begründung zusätzlicher Publizitätspflichten oder die Schaffung zusätzlicher Gesellschaftsorgane werden im Schrifttum diskutiert1. 2. Der Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) a) Allgemeines Der Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) besagt, dass die Satzung der Gesellschaft von den Vorschriften des Aktiengesetzes nur abweichen kann, wenn dies ausdrücklich zugelassen ist. Ergänzende Bestimmungen der Satzung sind zulässig, es sei denn, dass das Aktiengesetz eine abschließende Regelung enthält. Die Vorschrift ist 1965 (damals als § 23 Abs. 4 AktG) in das Aktiengesetz eingeführt worden, kodifizierte aber nach Auffassung des Gesetzgebers die seinerzeit bereits herrschende Auffassung2. Inhaltlich führt die Bestimmung zu einer vorrangigen Geltung der aktiengesetzlichen Vorschriften für das Innenrecht der Aktiengesellschaft und damit im Ergebnis zu einer weitgehenden Aufgabe des Prinzips der Vertragsfreiheit im Bereich des Aktienrechts3. Dies unterscheidet die Aktiengesellschaft grundlegend von der GmbH, in Bezug auf deren Innenverhältnis der Grundsatz der gesellschaftsvertraglichen Gestaltungsfreiheit gilt. Zweck des § 23 Abs. 5 AktG soll es sein, die Satzungen der Aktiengesellschaft im Sinne der (Börsen-)Verkehrsfähigkeit der von der Gesellschaft ausgegebenen Aktien zu standardisieren4. Jeder Aktionär, auch der zukünftige, soll sich darauf verlassen können, dass die Satzung keine ungewöhnlichen Bestimmungen enthält5. § 23 Abs. 5 AktG erhält damit eine kapitalmarktbezogene 1 Vgl. im Einzelnen Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 160 f. 2 Überblick zur Entwicklung von Rechtsprechung und juristischem Schrifttum bei Hirte in Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, ZGR-Sonderheft 13, S. 61, 63 ff. 3 Barz in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1973 ff., § 23 AktG Rz. 18; Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 167; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 23 AktG Rz. 84. 4 Barz in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1973 ff., § 23 AktG Rz. 18; Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 150; Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 167. 5 Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 150; ähnlich Hüffer, § 23 AktG Rz. 34.
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Prägung. Ob die Regelung zur Verfolgung dieses Zwecks erforderlich ist, ist bereits mehrfach hinterfragt und im Ergebnis verneint worden1. Denn die Bestimmungen des § 23 Abs. 5 AktG gelten nicht nur für börsennotierte Publikumsgesellschaften, sondern auch für Aktiengesellschaften mit geschlossenem Gesellschafterkreis, bei denen eine Ungleichbehandlung mit der GmbH kaum gerechtfertigt erscheint2. Andererseits enthält das Aktiengesetz eine Reihe von Öffnungsmöglichkeiten, die der wünschenswerten Standardisierung der Satzungen börsennotierter Gesellschaften entgegenstehen. So kann die Satzung für satzungsändernde Beschlüsse der Hauptversammlung abweichend von der nach § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG erforderlichen Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals eine andere, größere oder kleinere3, für eine Änderung des Unternehmensgegenstands jedoch wiederum nur eine größere Kapitalmehrheit bestimmen (§ 179 Abs. 2 Satz 2 AktG) und weitere Erfordernisse aufstellen (§ 179 Abs. 2 Satz 3 AktG). Auch bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen kann die Satzung für den Kapitalerhöhungsbeschluss abweichend von der grundsätzlich erforderlichen Dreiviertelmehrheit eine andere Kapitalmehrheit vorsehen, für die Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht allerdings wiederum nur eine größere Kapitalmehrheit (§ 182 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AktG). Soll das Bezugsrecht der Aktionäre bei der Kapitalerhöhung ausgeschlossen werden, bedarf der Kapitalerhöhungsbeschluss einer Mehrheit von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals, wobei die Satzung allerdings eine größere Kapitalmehrheit und weitere Erfordernisse bestimmen kann (§ 186 Abs. 3 Sätze 2 und 3 AktG). Bereits diese wenigen Beispiele verdeutlichen, dass insbesondere für die börsennotierte Aktengesellschaft ein Handeln des Gesetzgebers wünschenswert wäre, das zu einer Vereinfachung und Vereinheitlichung der für diese geltenden gesetzlichen Bestimmungen führt. Schritte in Richtung auf ein Sonderaktienrecht für börsennotierte Aktiengesellschaften sind in jüngerer Zeit durch die Abschaffung der Höchststimmrechte4 bei diesen Gesellschaften (§ 134 Abs. 1 Satz 2 AktG) durch das KonTraG, durch die Möglichkeit unterschiedlicher Aufsichtsratssitzungsfrequenzen bei börsen- und nicht-börsennotierten Gesellschaften (§ 110 Abs. 3 AktG) sowie durch die Einführung der Entsprechenserklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex (§ 161 AktG) jeweils durch das TransPuG und die Einführung unterschiedlicher Möglichkeiten der Legitimation der Aktionäre für die Hauptversammlung (§ 123 Abs. 3 AktG) durch das UMAG gemacht worden5. Im Rahmen des Ende September 1 Hirte in Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, ZGR-Sonderheft 13, S. 61 ff.; Spindler, AG 1998, 53 ff.; vgl. auch Mertens, ZGR 1994, 426 ff. Jüngst Pleßke, Die Satzungsstrenge im Aktienrecht – Mehr Gestaltungsfreiheit für die kapitalmarktferne Aktiengesellschaft, 2007; Nodoushani, NZG 2008, 452 f. 2 Vgl. auch Grundmann/Möslein, ZGR 2003, 317, 361 f.; Hirte in Lutter/Wiedemann (Hrsg.), Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, ZGR-Sonderheft 13, S. 61 ff.; Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 23 AktG Rz. 53. 3 BGH v. 28.11.1974 – II ZR 176/72, NJW 1975, 212 f. = AG 1975, 16; BGH v. 29.6.1987 – II ZR 242/86, NJW 1988, 260, 261 = AG 1987, 348; LG Frankfurt/Main v. 13.11.2001 – 3/4 O 14/01, AG 2002, 356, 357; Hüffer, § 179 AktG Rz. 19 f. 4 Zur Europarechtswidrigkeit von § 2 Abs. 1 (Stimmrechtsbeschränkung auf 20 %), § 4 Abs. 3 (Herabsetzung der Sperrminorität auf 20 %) und § 4 Abs. 1 (Entsenderecht des Bundesrepublik Deutschland und des Landes Niedersachsen in den Aufsichtsrat) des VW-Gesetzes vgl. EuGH v. 23.10.2007 – Rs C-112/05, ZIP 2007, 2068 ff. = AG 2007, 817 = EuZW 2007, 697 ff. (m. Anm. Pießkalla). 5 Darüber hinaus enthält das Aktiengesetz weitere Sonderregelungen für börsennotierte Gesellschaften: Nichtgeltung der Mitteilungspflichten nach §§ 20, 21 AktG (§§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 5 AktG); Auskunftsrecht in Bezug auf Eintragungen im Aktienregister (§ 67 Abs. 6 Satz 2 AktG); Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei Erwerb und Veräußerung eigener Aktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 4 AktG); erläuternder Bericht zu den Angaben nach §§ 289 Abs. 4, 315
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2008 stattgefundenen 67. DJT hat die wirtschaftsrechtliche Abteilung die Frage „Empfehlen sich besondere Regelungen für börsennotierte und für nichtbörsennotierte Gesellschaften?“ diskutiert. Dabei stand insbesondere auch ein Mehr an Gestaltungsfreiheit durch Lockerung des Grundsatzes der Satzungsstrenge für die nichtbörsennotierte Aktiengesellschaft im Blickpunkt1. b) Zwingende aktienrechtliche Regelungen Zwingend sind die organschaftliche Struktur der Aktiengesellschaft, d.h. das Vorhandensein von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung2, und die Bestimmungen des Aktiengesetzes, die die Zuständigkeit der Gesellschaftsorgane und ihre Zusammensetzung regeln3. Ebenfalls zwingend sind die grundsätzliche Geltung des Gebots der Gleichbehandlung der Aktionäre (§ 53a AktG)4 sowie die gesetzlich vorgesehenen Minderheitsrechte. Eine Ausnahme bildet insoweit § 122 Abs. 1 Satz 2 AktG: Danach kann die Satzung das Recht, die Einberufung der Hauptversammlung zu verlangen, an eine andere Form und an den Besitz eines geringeren Anteils am Grundkapital als in § 122 Abs. 1 Satz 1 AktG vorgesehen5 knüpfen. Auch die Sorgfalts- und Verschwiegenheitspflichten der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat können statutarisch weder verschärft noch gemildert werden. Zwingend ist auch das Erfordernis der Zustimmung der Vorzugsaktionäre zu einer Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs nach § 141 Abs. 1 AktG6. Auch kann statutarisch ein Schiedsgerichtsverfah-
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Abs. 4 HGB (§§ 120 Abs. 3, 175 Abs. 2 AktG); Ort der Hauptversammlung (§ 121 Abs. 5 Satz 2 AktG); Angabe von Mitgliedschaften in anderen Aufsichtsräten im Zusammenhang mit Wahlvorschlägen in Bezug auf Aufsichtsratsmitglieder (§ 125 Abs. 1 Satz 3 AktG); zwingende notarielle Beurkundung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 130 Abs. 1 AktG); Bekanntmachungen im Zusammenhang mit Haftungsklagen (§ 149 AktG); Angaben zur Bildung von Ausschüssen sowie zur Sitzungsanzahl im Prüfungsbericht des Aufsichtsrats zum Jahresabschluss (§ 171 Abs. 2 Satz 2 AktG); vereinfachter Bezugsrechtsausschluss (§ 186 Abs. 3 Satz 4 AktG); Bekanntmachung der Beendigung einer Anfechtungsklage (§ 248a AktG); Stimmrechtsausschluss bei Aufsichtsratswahl bei wechselseitiger Beteiligung (§ 328 Abs. 3 AktG); verschärfte Strafandrohung bei Geheimhaltungspflichtverletzung (§ 404 Abs. 1, 2 AktG). Eine an einem organisierten Markt notierte Aktiengesellschaft gilt darüber hinaus unabhängig von der Erfüllung der Größenkriterien des § 267 HGB als große Kapitalgesellschaft (§ 267 Abs. 3 Satz 2 HGB). Ihr Jahresabschluss unterliegt daher strengeren handelsrechtlichen Rechnungslegungs- und Publizitätsvorschriften sowie einer Pflichtprüfung. Zu der Ausbildung eines Sonderrechts der börsennotierten Aktiengesellschaft vgl. oben § 1; zu den für die börsennotierte Aktiengesellschaft geltenden Rechnungslegungsvorschriften vgl. unten §§ 55 ff. Vgl. Bayer, Beilag zu NJW Heft 21/2008, S. 2123 ff.; C. Schäfer, NJW 2008, 2536 ff. Die am 8.10.2004 in Kraft getretene Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (Verordnung [EG] Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001, ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001, S. 1) sieht in ihren Artt. 38 ff. ein durch entsprechende Satzungsgestaltung auszuübendes Wahlrecht zwischen dem dualistischen System (Bildung eines Leitungsorgans und eines Aufsichtsorgans) und dem monistischen System (Bildung eines Verwaltungsorgans mit Leitungs- und Aufsichtsfunktion) vor. So auch der 4. Abschnitt (§§ 15 ff.) des am 28.12.2004 verkündeten Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft vom 22.12.2004 (BGBl. I 2004, 3675 ff.). Zur Möglichkeit, Geschäftsordnungen für Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung zu erlassen, vgl. unten Rz. 78. Vgl. Bungeroth in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 53a AktG Rz. 17 ff.; Henze/Notz in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2004, § 53a AktG Rz. 84; Hüffer, § 53a AktG Rz. 5. Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AktG ist eine Hauptversammlung einzuberufen, wenn Aktionäre, deren Anteile zusammen 5 % des Grundkapitals erreichen, dies schriftlich unter der Angabe des Zwecks und der Gründe verlangen. Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 156; a.A. Zöllner in KölnKomm. AktG, 1. Aufl. 1985, § 141 AktG Rz. 7.
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ren nicht vorgesehen werden, soweit das Aktiengesetz Rechtsschutz durch staatliche Gerichte anordnet1. c) Zulassung von Abweichungen (§ 23 Abs. 5 Satz 1 AktG) 27
Zulässig sind Abweichungen von den gesetzlichen Vorschriften, wenn das Aktiengesetz dies ausdrücklich zulässt (§ 23 Abs. 5 Satz 1 AktG). Die Befugnis zur Abweichung von den aktiengesetzlichen Vorschriften und der Umfang der zulässigen Abweichung müssen sich aus dem Gesetz selbst, ggf. durch Auslegung, ergeben2. Unzulässig soll es sein, wenn die Satzung dem Vorstand – außerhalb der Festlegung des Unternehmensgegenstands und des Gesellschaftszwecks – Vorgaben in Bezug auf die Führung des Gesellschaftsunternehmens macht3. Dementsprechend soll die Satzung den Vorstand bzw. Aufsichtsrat nicht zur Befolgung der Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex’ verpflichten können4. d) Ergänzungen (§ 23 Abs. 5 Satz 2 AktG)
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Ergänzungen der aktiengesetzlichen Regelungen sind zulässig, es sei denn, dass das Gesetz eine abschließende Regelung enthält. Das Aktiengesetz selbst lässt in einer Reihe von Bestimmungen Ergänzungen zu5. Ob die übrigen Bestimmungen des Aktiengesetzes abschließend sind, ist durch Auslegung zu ermitteln. Nach der Formulierung des § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG („es sei denn“) ist das nur ausnahmsweise der Fall. Ergänzungen liegen vor, wenn das Aktiengesetz selbst keine Regelung enthält oder die vorhandene gesetzliche Regelung weitergeführt wird, ohne in ihrem Regelungsgehalt angetastet zu werden6. e) Folgen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 5 AktG
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Ob Satzungsbestimmungen, die gegen zwingendes Aktienrecht und damit gegen § 23 Abs. 5 AktG verstoßen, nichtig sind, ist umstritten7. Teils wird von der Nichtigkeit ausgegangen, wobei ganz überwiegend auf die in § 241 Nr. 3 AktG genannten Nich-
1 BGH v. 29.3.1996 – II ZR 124/95, BGHZ 132, 278, 282 = AG 1996, 318; Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 156 und Rz. 161; K. Schmidt, ZGR 1988, 523, 537. 2 Hüffer, § 23 AktG Rz. 35 f.; Aufstellungen derjenigen aktienrechtlichen Vorschriften, die Abweichungen zulassen, finden sich bei Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 155, Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 177 bis 185, und Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 23 AktG Rz. 56. 3 Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 194. 4 Pühler in Happ, Aktienrecht, 1.01 Rz. 1, S. 27 f.; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 174 f. 5 Z.B. § 25 Satz 2 AktG (Bekanntmachungen), § 39 Abs. 2 AktG (Dauer der Gesellschaft), § 55 Abs. 2 AktG (Vertragsstrafen für den Fall der Verletzung von Nebenverpflichtungen), § 63 Abs. 3 AktG (Vertragsstrafen für den Fall nicht rechtzeitiger Einlageneinzahlung), § 68 Abs. 2 AktG (Vinkulierung), § 100 Abs. 4 AktG (persönliche Anforderungen für die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat), § 113 Abs. 1 Satz 2 AktG (Aufsichtsratsvergütung), § 119 Abs. 1 (Rechte der Hauptversammlung), § 121 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 AktG (Gründe für Einberufung der Hauptversammlung und Einberufungsrecht), § 237 Abs. 1 Satz 2 AktG (Zwangseinziehung). 6 Hüffer, § 23 AktG Rz. 37; ausführlich Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 157 bis 161; Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 23 AktG Rz. 57. 7 Dabei wird vereinzelt zwischen Satzungsregelungen, die bereits in der Gründungssatzung enthalten sind, und solchen, die auf einem satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluss beruhen, unterschieden (so Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 162 ff.). Generell zu Satzungsmängeln unten Rz. 94 ff.
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tigkeitsgründe zurückgegriffen wird1, vereinzelt aber auch die Nichtigkeitsfolge ohne Rückgriff auf § 241 AktG direkt aus § 23 Abs. 5 AktG hergeleitet wird2; teils wird eine differenzierende Auffassung vertreten3. Der BGH hat diese Frage bislang offenlassen4. Gegen die Annahme der Nichtigkeit spricht, dass nach dem Wortlaut des § 241 Nr. 3 AktG gerade nicht jeder Verstoß gegen zwingende Vorschriften, sondern nur die Verletzung von Normen, die ausschließlich oder überwiegend im Interesse der Gläubiger der Gesellschaft oder im öffentlichen Interesse gegeben sind, zur Nichtigkeit führt5. Daher sollte maßgeblich darauf abgestellt werden, ob die verletzte zwingende Vorschrift dem vom Gläubigerinteresse oder öffentlichen Interesse getragenen aktienrechtlichen Regelungskern zuzurechnen ist6. 3. Notwendige Satzungsbestimmungen im Einzelnen a) Firma Die Firma der Gesellschaft gehört zu den notwendigen Satzungsbestandteilen (§ 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG). Nach § 4 AktG muss die Firma der Gesellschaft als Rechtsformzusatz die Bezeichnung „Aktiengesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung („AG“) enthalten. Das in § 4 Abs. 1 AktG a.F. enthaltene Gebot, dass die Firma der Gesellschaft im Regelfall dem Gegenstand des Unternehmens zu entnehmen sei, ist durch das Handelsrechtsreformgesetz7 aufgehoben worden. Damit richtet sich die Firmenbildung nach den insoweit geltenden Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs (§§ 17 ff. HGB), so dass nunmehr Sach-, Personen- und Phantasiefirmen und Mischformen uneingeschränkt zulässig sind, solange die handelsrechtlichen Anforderungen (Kennzeichnungseignung, Unterscheidungskraft, Verbot der Irreführung) und marken- und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften gewahrt bleiben8. Investmentaktiengesellschaften müssen nach § 98 InvG abweichend von § 4 AktG die Bezeichnung „Investmentaktiengesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung („InvAG“) enthalten; Investmentaktiengesellschaften mit Teilgesellschaftsvermögen müssen darüber hinaus den Zusatz „mit Teilgesellschaftsvermögen“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnungen enthalten9. Die durch das Gesetz über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen (REITG) vom 28.5.200710 eingeführten REIT-Aktiengesellschaften müssen nach § 6 REITG die Bezeichnung „REIT-Aktiengesellschaft“ oder „REIT-AG“ in ihrer Firma führen. 1 K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 241 AktG Rz. 56, der solche Beschlüsse als mit dem Wesen der Gesellschaft unvereinbar ansieht; ähnlich Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 203; Wiesner in MünchHdb. AG, § 6 Rz. 12. 2 Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 162 ff. 3 Hüffer, § 241 AktG Rz. 19; Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 241 AktG Rz. 61; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1. Aufl. 1985, § 241 AktG Rz. 115; Semler in MünchHdb. AG, § 41 Rz. 15. 4 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211, 216 f. = AG 1987, 152; BGH v. 29.6.1987 – II ZR 242/86, NJW 1988, 260, 261 = AG 1987, 348. 5 Vgl. insb. Hüffer, § 241 AktG Rz. 19; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1. Aufl. 1985, § 241 AktG Rz. 115. 6 Ähnlich Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 241 AktG Rz. 61; vgl. auch Zöllner in KölnKomm. AktG, 1. Aufl. 1985, § 241 AktG Rz. 115, der nach der Verzichtbarkeit der betroffenen Position unterscheiden will. Vgl. im Einzelnen unten § 37 Rz. 21. 7 Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften vom 22.6.1998, BGBl. I 1998, 1474. 8 Vgl. im Einzelnen Pühler in Happ, Aktienrecht, 1.01 Rz. 3, S. 33 f. 9 Vgl. Dornseifer, AG 2008, 53, 62 f. 10 BGBl. I 2007, 914.
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b) Sitz 31
Die Satzung muss den Sitz der Gesellschaft enthalten, der durch den in der Satzung genannten Ort bestimmt wird (§§ 23 Abs. 3 Nr. 1, 5 Abs. 1 AktG). Dabei hat statutarischer Sitz in der Regel der Ort zu sein, an dem die Gesellschaft einen Betrieb hat oder an dem sich ihre Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird (§ 5 Abs. 2 AktG)1. Ausnahmen hiervon sind zulässig, wenn dafür ein schutzwürdiges Interesse besteht2. Der Sitz einer nach deutschem Aktienrecht gegründeten Aktiengesellschaft muss in Deutschland liegen, da andernfalls die Durchführung eines Registerverfahrens mangels Bestimmbarkeit der Zuständigkeit nicht durchführbar wäre3. Eine Verlegung des statutarischen Sitzes ins Ausland unter Wahrung der rechtlichen Identität der Gesellschaft ist nach derzeit geltender Rechtslage nicht möglich4. Die Begründung eines Doppelsitzes kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn erhebliche im Unternehmensinteresse liegende Gründe ein Abweichen vom im Interesse des Verkehrsschutzes bestehenden Grundsatz des einen Gesellschaftssitzes rechtfertigen5. Durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) sind in § 5 Abs. 1 AktG die Worte „im Inland“ ergänzt und § 5 Abs. 2 AktG insgesamt gestrichen worden6. Durch die Gesetzesänderung soll es deutschen Gesellschaften ermöglicht werden, einen Verwaltungssitz zu wählen, der nicht mit dem notwendigerweise im Inland liegenden Satzungssitz übereinstimmen muss und auch außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets liegen kann. Diese Möglichkeit kann insbesondere für im Ausland tätige Tochtergesellschaften börsennotierter Aktiengesellschaften interessant sein.
1 Die am 8.10.2004 in Kraft getretene Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001, ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11. 2001, S. 1) sieht in Art. 7 Satz 1 vor, dass die SE nur einen Sitz in dem Mitgliedstaat haben kann, in dem sich ihre Hauptverwaltung befindet. § 2 des SE-Ausführungsgesetzes (SEAG) vom 22.12.2004 (BGBl. I 2004, 3675 ff.), der vorsieht, dass die Satzung als Sitz der SE den Ort zu bestimmen hat, an dem die Hauptverwaltung geführt wird, ist durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) insgesamt gestrichen worden. 2 Hüffer, § 5 AktG Rz. 8. So kann z.B. ein wirtschaftliches Interesse an der Beibehaltung des Satzungssitzes trotz Änderung der für diesen maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse durch Verlagerung von Geschäftsleitung, Verwaltung oder Produktion eine Abweichung von § 5 Abs. 2 AktG rechtfertigen (vgl. Pühler in Happ, Aktienrecht, 1.01 Rz. 4, S. 35). 3 BGH v. 21.11.1955 – II ARZ 1/55, BGHZ 19, 102, 105; BGH v. 19.2.1959 – II ZR 22/58, BGHZ 29, 320, 328 = AG 1959, 172; Hüffer, § 5 AktG Rz. 5. 4 Vgl. OLG München v. 4.10.2007 – 31 Wx 36/07, WM 2007, 2292 f. = EWiR 2007, 715 f. (m. Anm. Neye); BayObLG v. 11.2.2004 – 3 Z BR 175/03, BB 2004, 570 = NZG 2004, 1116 (mit krit. Anm. Wachter, EWiR 2004, 375); Hüffer, § 5 AktG Rz. 12; kritisch zur geltenden Rechtslage zumindest für das EU-Ausland Hüffer, § 1 AktG Rz. 37. Der im Referentenentwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen vom 7.1.2008 enthaltene Entwurf eines Art. 10b EGBGB enthält lediglich eine Kollisionsnorm über den Wechsel des anwendbaren Rechts beim grenzüberschreitenden Rechtsformwechsel, ohne diesen selbst zuzulassen. Zulässig ist hingegen die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland, wenn der statutarische Sitz im Gründungsstaat erlaubterweise beibehalten wird (vgl. BGH v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98, AG 2003, 386 f.). Vgl. zur Unzulässigkeit von Wegzugsbeschränkungen für Gesellschaften innerhalb der EU Schlussanträge von GA P. Maduro v. 22.5.2008 – Rs. C-210/06, ZIP 2008, 1067 ff. Vgl. auch EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03, Der Konzern 2006, 66 = AG 2006, 80; Grohmann/Gruschinske, GmbHR 2008, 27 ff. 5 AG Essen v. 5.1.2001 – 89b AR 1241/00, AG 2001, 434, 435 (Verschmelzung Thyssen/Krupp); Hüffer, § 5 AktG Rz. 10; Pühler in Happ, Aktienrecht, 1.01 Rz. 4, S. 36 f. 6 Gleichlautende Änderungen sind bei der für die GmbH geltenden Parallelvorschrift des § 4a GmbHG erfolgt.
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§4
Die Satzung der börsennotierten AG c) Unternehmensgegenstand
Die nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG erforderliche Angabe des Unternehmensgegenstands bezweckt, Dritte über den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft zu informieren und zugleich die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands zu begrenzen (§ 82 Abs. 2 AktG)1. Der Unternehmensgegenstand ist nicht identisch mit dem Gesellschaftszweck. Der Gesellschaftszweck bezeichnet den Sinn und Zweck des gesellschaftsrechtlichen Zusammenschlusses, der regelmäßig in der Gewinnerzielungsabsicht liegt, während der Unternehmensgegenstand das hierfür eingesetzte Mittel beschreibt2. Die nicht leicht zu treffende Abgrenzung ist von Bedeutung, da eine Änderung des Unternehmensgegenstands durch einen Beschluss der Hauptversammlung mit der in § 179 Abs. 2 Satz 2 AktG vorgesehenen qualifizierten Mehrheit erfolgen kann, während für eine Änderung des Gesellschaftszwecks darüber hinaus die Zustimmung aller Aktionäre erforderlich ist3. Für die Beschreibung des Unternehmensgegenstands nicht genügend sind bloße Leerformeln, das Gesetz verlangt vielmehr eine hinreichend konkrete Angabe der von dem Unternehmen betriebenen Tätigkeiten4. Zulässigkeitsschranken ergeben sich aus den §§ 134, 138 BGB und – insbesondere für eine Reihe von freiberuflichen Tätigkeiten – aus spezialgesetzlichen Vorschriften5. Darüber hinaus sind für bestimmte Unternehmensgegenstände öffentlichrechtliche Genehmigungspflichten zu beachten6. Da der Vorstand nicht nur verpflichtet ist, die Grenzen des in der Satzung beschriebenen Unternehmensgegenstands im Rahmen seiner Geschäftsführung einzuhalten (§ 82 Abs. 2 AktG)7, sondern auch gehalten ist, den statutarischen Unternehmensgegenstand aktiv auszufüllen8, besteht Anpassungsbedarf im Hinblick auf den statutarischen Unternehmensgegenstand, wenn die Gesellschaft in neuen, in der Beschreibung des Unternehmensgegenstands nicht genannten Geschäftsbereichen auf Dauer tätig werden oder aber in der Satzung genannte Geschäftsbereiche dauerhaft einstellen will9. Wird die statutarische Erweiterung des Unternehmensgegenstands notwendig, ist streitig, ob diese vor Aufnahme der entsprechenden Geschäftstätigkeit erfolgen muss10 oder auch erst danach erfolgen kann11. 1 BGH v. 3.11.1980 – II ZB 1/79, WM 1981, 163, 164; BayObLG v. 22.6.1995 – 3 Z BR 71/95, NJW-RR 1996, 413 f.; Hüffer, § 23 AktG Rz. 21. 2 Vgl. im Einzelnen Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 70 ff.; Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 90 ff.; auch Hüffer, § 23 AktG Rz. 21 f.; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 23 AktG Rz. 43. 3 So die herrschende Meinung: vgl. KG v. 3.9.2004 – 14 U 333/02, AG 2005, 90 f.; Hüffer, § 179 AktG Rz. 33; Pühler in Happ, Aktienrecht, 1.01 Rz. 7, S. 38; Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 179 AktG Rz. 10; Stein in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 179 AktG Rz. 129, 133. 4 Hüffer, § 23 AktG Rz. 24; Einzelheiten bei Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 80 ff. § 9 VAG verlangt für Versicherungsunternehmen die Angabe des Versicherungszweigs. 5 Vgl. Angaben bei Hüffer, § 23 AktG Rz. 23. Besondere Anforderungen gelten für den Unternehmensgegenstand der Investmentaktiengesellschaft nach § 96 Abs. 2 InvG (dazu Eckhold, ZGR 2007, 654, 657 ff.) und der REIT-AG nach § 1 Abs. 1 REITG (dazu Kollmorgen/Hoppe/ Feldhaus, BB 2007, 1345 ff., insb. 1347 f.). 6 Überblick bei Hüffer, § 37 AktG Rz. 14; Kleindiek in K. Schmidt/Lutter, § 37 AktG Rz. 33. 7 Hüffer, § 82 AktG Rz. 9. 8 OLG Stuttgart v. 14.5.2003 – 20 U 31/02, AG 2003, 527, 532; Hüffer, § 179 AktG Rz. 9a; Krieger in MünchHdb. AG, § 69 Rz. 5 m.w.N.; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 227 f. 9 Wiesner in MünchHdb. AG, § 9 Rz. 19 f.; Krieger in MünchHdb. AG, § 69 Rz. 5 f. 10 Krieger in MünchHdb. AG, § 69 Rz. 6 (ggf. unter aufschiebender Bedingung); Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 228. 11 OLG Stuttgart v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693, 696 (nächste HV); Wollburg/Gehling in FS Lieberknecht, 1997, S. 133, 142 ff.
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§4 33
Satzung und Aktie
Da börsennotierte Gesellschaften ihr Unternehmen regelmäßig nicht oder zumindest nicht ausschließlich unmittelbar selbst, sondern zumindest auch über eine Reihe von Tochtergesellschaften und Beteiligungen betreiben, ist dieser Umstand bei der Beschreibung des Unternehmensgegenstands zu berücksichtigen1. Trotz Bestehens einer Konzernklausel in der Satzung der Gesellschaft sollen Maßnahmen, die zwar von dieser Klausel gedeckt sind (wie etwa die Einbringung einer wirtschaftlich bedeutsamen unmittelbaren Tochtergesellschaft der Gesellschaft in eine 100 %ige Tochtergesellschaft), nach Auffassung des BGH ausnahmsweise und in engen Grenzen dann Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung auslösen, wenn sie Veränderungen nach sich ziehen, die denjenigen zumindest nahekommen, die allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden können2. d) Geschäftsjahr
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Obwohl im Aktiengesetz nicht ausdrücklich erwähnt3, zählt die Angabe des Geschäftsjahrs zu den notwendigen materiellen Satzungsbestimmungen4. Das Geschäftsjahr kann bei Gründung der Gesellschaft frei gewählt werden5, es sollte aber aufgrund der Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses „für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres“ (§ 242 HGB) mit dem Ultimo des betreffenden Monats enden. Die Dauer des Geschäftsjahres darf zwölf Monate nicht überschreiten (§ 240 Abs. 2 Satz 2 HGB). Die durch Satzungsänderung erfolgende Änderung des Geschäftsjahres ist bei Bestehen eines vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahres ohne weiteres möglich, wenn das Geschäftsjahr an das Kalenderjahr angepasst werden soll. Hingegen ist die Umstellung auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Geschäftsjahr steuerlich nur im Einvernehmen mit dem Finanzamt wirksam (§ 7 Abs. 4 Satz 3 KStG). e) Dauer der Gesellschaft
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Soll die Dauer der Gesellschaft auf einen bestimmten Zeitraum befristet werden (§ 262 Abs. 1 Nr. 1 AktG), ist eine entsprechende Bestimmung in die Satzung aufzunehmen (§ 39 Abs. 2 AktG).
1 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 – „Gelatine“, AG 2004, 384, 385 f. = ZIP 2004, 993, 995 (m. Anm. Altmeppen) und BGH v. 26.4.2004 – II ZR 154/02, ZIP 2004, 1001, 1002 f., jeweils im Anschluss an BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 – „Holzmüller“, BGHZ 83, 122, 130 ff. = AG 1982, 158; Götze, NZG 2004, 585, 586; Hüffer, § 23 AktG Rz. 24a; eingehend Pühler in Happ, Aktienrecht, 1.01 Rz. 9, S. 41 ff. (dort auch zur Holdingklausel). 2 So BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 – „Gelatine“, AG 2004, 384, 387 = ZIP 2004, 993, 996 (m. Anm. Altmeppen) und BGH v. 26.4.2004 – II ZR 154/02, ZIP 2004, 1001, 1002 f., kritisch zu dem vom BGH zugrunde gelegten Verständnis von „ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnissen“ und Satzung Koppensteiner, Der Konzern 2004, 381, 382. 3 § 39 Abs. 2 AktG erwähnt lediglich Satzungsbestimmungen über die Dauer der Gesellschaft. 4 Hüffer, § 23 AktG Rz. 3; Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 40. A.A. Wiesner in MünchHdb. AG, § 9 Rz. 2, Fn. 2; vgl. auch OLG Stuttgart v. 7.5.1992 – 8 W 72/92, WM 1993, 1754 f.: statutarische Übertragung des Bestimmungsrechts bezüglich des Geschäftsjahrs auf die Geschäftsführung einer GmbH. 5 Insbesondere muss es nicht mit dem Kalenderjahr übereinstimmen (§ 7 Abs. 4 Satz 2 KStG).
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§4
Die Satzung der börsennotierten AG f) Höhe des Grundkapitals
Die Höhe des Grundkapitals ist nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 AktG zwingend in der Satzung anzugeben1. Bei der Gründung der Gesellschaft muss ihr Grundkapital mindestens 50 000,– Euro betragen (§ 7 AktG)2. Aufgrund spezialgesetzlicher Bestimmungen kann die Bildung eines höheren Grundkapitals bzw. die Einzahlung eines höheren als des in § 36a AktG vorgesehenen Einlagebetrages erforderlich sein3. Für die erstmalige Zulassung von Aktien einer Gesellschaft zum regulierten Markt verlangt § 2 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV, dass der voraussichtliche Kurswert der zuzulassenden Aktien oder, falls dieser nicht geschätzt werden kann, das Eigenkapital der Gesellschaft im Sinne des § 266 Abs. 3 Buchst. A HGB mindestens 1,250 Mio. Euro beträgt4 (zu den Zulassungsvoraussetzungen im Einzelnen § 9 Rz. 13 ff.). Die faktischen Marktanforderungen an die Börsenreife von Unternehmen setzen ein deutlich höheres Grundkapital voraus5.
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g) Nennbetrags- oder Stückaktien Die Satzung muss Angaben zur Zerlegung des Grundkapitals in Nennbetrags- oder in Stückaktien, bei Nennbetragsaktien die Nennbeträge und die Zahl der Aktien jedes Nennbetrags bzw. bei Stückaktien deren Zahl enthalten (§ 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG). 1 Eine Ausnahme bildet die durch das am 1.1.2004 in Kraft getretene und durch das Investmentänderungsgesetz vom 21.12.2007 (BGBl. I 2007, 3089) wesentlich geänderte Investmentgesetz vom 15.12.2003 (BGBl. I 2003, 2676) geschaffene Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital. Deren Vorstand ist gemäß § 104 InvG ermächtigt, das Grundkapital bis zu dem in der Satzung bestimmten Höchstbetrag wiederholt durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen zu erhöhen (statutarisch genehmigtes Kapital). Dabei wird durch die Ausgabe der neuen Aktien das Grundkapital erhöht, ohne dass es dazu einer Registereintragung bedarf (§ 104 Satz 3 InvG). Vgl. dazu im Einzelnen Baums/Kiem in FS Hadding, S. 741 ff.; Dornseifer, AG 2008, 53, 60 ff.; Eckhold, ZGR 2007, 654, 671 ff.; Hermanns, ZIP 2004, 1297 ff. 2 Für Gesellschaften, die ab dem 1.1.2002 eingetragen werden, besteht das vor diesem Zeitpunkt für die Angabe des Grundkapitals geltende Wahlrecht zwischen D-Mark und Euro nicht mehr (§ 1 Abs. 2 Satz 3 EGAktG); dazu unten § 5 Rz. 10. Zur angemessenen Höhe des Grundkapitals einer AG vgl. Eidenmüller/Engert, AG 2005, 97 ff. 3 Das Grundkapital einer REIT-AG muss mindestens 15 Mio. Euro betragen (§ 4 REITG). Erhöhte Eigenmittelanforderungen gelten für Unternehmen in der Finanz- oder Versicherungswirtschaft (§ 33 KWG bzw. §§ 5 Abs. 4, 53c VAG). Das Grund- oder Stammkapital von Unternehmensbeteiligungsgesellschaften muss mindestens 1 Mio. Euro betragen und voll geleistet werden (§ 2 Abs. 4 UBGG). Kapitalanlagegesellschaften müssen nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 InvG mit einem Anfangskapital (nicht notwendigerweise Grundkapital) von mindestens 300 000,– Euro ausgestattet sein, ebenso wie Investmentkapitalgesellschaften nach § 97 Abs. 1 Nr. 1 InvG. Für Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaften sieht § 28 Abs. 6 Satz 2 WPO bei Antragstellung einen Reinvermögensnachweis in Höhe des gesetzlichen Mindestbetrags von Grundbzw. Stammkapital vor. Die am 8.10.2004 in Kraft getretene Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (Verordnung [EG] Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001, ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001, S. 1) sieht in Art. 4 Abs. 2 für die SE ein gezeichnetes Kapital von mindestens 120 000,– Euro vor. Vgl. auch Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 7 AktG Rz. 14 ff. 4 § 2 Abs. 1 BörsZulV gilt für Nennbetrags- und Stückaktien gleichermaßen und geht insoweit als Spezialvorschrift dem § 2 Abs. 3 BörsZulV, der für nennwertlose Wertpapiere eine Mindestanzahl von 10 000 verlangt, vor (Heidelbach in Schwark, § 2 BörsZulV Rz. 2; a.A. Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 23 Rz. 22). Dabei dürfte es sich angesichts eines im Zusammenhang mit einem Börsengang regelmäßig erwarteten Mindestgrundkapitals von 10 Mio. Euro (so Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 23 Rz. 50) eher um ein theoretisches Problem handeln. 5 Vgl. Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 23 Rz. 22: Mindestgrundkapital von 10 Mio. Euro.
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§4
Satzung und Aktie
Nennbetragsaktien müssen auf mindestens einen Euro lauten, höhere Nennbeträge auf volle Euro lauten (§ 8 Abs. 2 AktG). Stückaktien lauten auf keinen Nennbetrag, der auf die einzelne Stückaktie entfallende anteilige Betrag des Grundkapitals darf einen Euro jedoch nicht unterschreiten (§ 8 Abs. 3 AktG). Grundsätzlich ist die Gesellschaft bei der Bestimmung des Aktientyps frei1. Ein Nebeneinander von Nennbetragsund Stückaktien ist allerdings nicht zulässig. Wohl aber können Nennbetragsaktien unterschiedliche Nennbeträge haben2. h) Aktiengattungen 38
Bestimmungen über die Gattungen der Aktien und die Zahl der Aktien jeder Gattung muss die Satzung nur enthalten, wenn mehrere Gattungen von Aktien bestehen (§ 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG). Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Satzung keine derartigen Bestimmungen enthalten muss, wenn nur eine Gattung von Aktien besteht. Mehrere Gattungen von Aktien bestehen, wenn die Aktien ihren Inhabern verschiedene Rechte gewähren oder verschiedene Pflichten auferlegen (vgl. unten § 5 Rz. 44 ff. sowie ausführlich § 6 Rz. 1 ff.). Besonderheiten sieht § 99 InvG für die Aktienklassen einer Investmentaktiengesellschaft vor3. i) Inhaber- oder Namensaktien
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Die Satzung muss bestimmen, ob die Aktien auf den Inhaber oder den Namen ausgestellt werden (§ 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG). Dabei geht es um die Verbriefung der Mitgliedschaft in Inhaber- oder Namensaktien (§ 10 Abs. 1 AktG)4. Diese Frage kann grundsätzlich nach Zweckmäßigkeitserwägungen entschieden werden, es sei denn, die Ausgabe einer bestimmten Form von Aktienurkunden ist ausnahmsweise gesetzlich vorgeschrieben. Eine Pflicht der Gesellschaft, von sich aus Aktienurkunden auszustellen, besteht – wie § 214 Abs. 4 Satz 1 AktG zeigt – nicht5. Wohl aber besteht ein mitgliedschaftlicher Anspruch der Aktionäre auf Verbriefung, der allerdings durch die Ausstellung einer oder mehrerer sämtliche Mitgliedschaftsrechte verbriefende Globalurkunden erfüllt werden kann, wenn durch die Satzung der Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils nach § 10 Abs. 5 AktG ausgeschlossen ist (dazu unten § 5 Rz. 15). Von der Möglichkeit des § 10 Abs. 5 AktG wird in der Praxis ganz überwiegend Gebrauch gemacht, um die Aktien in Girosammelverwahrung verwahren und im Effektengiroverkehr übertragen zu können (dazu im Einzelnen unten § 5 Rz. 67 f. und 81 ff.). Demgegenüber hat § 24 AktG, nach dem die Satzung bestimmen kann, dass auf Verlangen eines Aktionärs seine Inhaberaktien in Namensaktien bzw. seine Namensaktien in Inhaberaktien umzuwandeln sind, in der Praxis nur eine geringe Bedeutung.
1 Vgl. Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 8 AktG Rz. 43; vgl. auch Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 8 AktG Rz. 5. 2 Zu Nennbetrags- und Stückaktien sowie zur Umwandlung der einen in die andere Aktienform vgl. unten § 5 Rz. 7 ff. 3 Vgl. Eckhold, ZGR 2007, 654, 663; Fischer, NZG 2007, 133 ff. 4 Nach § 10 Abs. 2 AktG müssen Aktien auf den Namen lauten, wenn sie vor der vollen Leistung des Ausgabebetrages ausgegeben werden. Zu weiteren Ausnahmen vgl. unten § 5 Rz. 36. 5 Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 10 AktG Rz. 10.
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§4
Die Satzung der börsennotierten AG j) Zahl der Vorstandsmitglieder
Die Satzung muss eine Bestimmung über die Zahl der Mitglieder des Vorstands oder die Regeln, nach denen diese Zahl festgelegt wird, enthalten (§ 23 Abs. 3 Nr. 6 AktG). Genügend ist die Angabe einer bestimmten Mindest- und Höchstzahl von Vorstandsmitgliedern in der Satzung1. Ebenfalls ausreichend ist, wenn die Satzung die Festlegung der Zahl der Vorstandsmitglieder dem Aufsichtsrat überlässt2. Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern (§ 94 AktG) sind in die Berechnung mit einzubeziehen. Bei Aktiengesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als 3 Mio. Euro verlangt § 76 Abs. 2 Satz 2 AktG, dass der Vorstand aus mindestens zwei Personen besteht, es sei denn, die Satzung bestimmt, dass er nur aus einer besteht. Eine Satzungsbestimmung, nach der der Vorstand aus einer oder mehreren Personen besteht, genügt dem3. Diese Bestimmung ist insofern zweckmäßig, als sie vermeidet, dass der Vorstand wegen Unterschreitens der nach § 76 Abs. 2 Satz 2 AktG erforderlichen Mindestzahl von Vorstandsmitgliedern handlungsunfähig wird4, solange zumindest noch ein Vorstandsmitglied vorhanden ist. Ziff. 4.2.1 DCGK enthält die Empfehlung, dass der Vorstand aus mehreren Personen bestehen soll. Sonderregelungen gelten für mitbestimmte Aktiengesellschaften, die einen Arbeitsdirektor bestellen müssen und bei denen daher ein mehrköpfiger Vorstand erforderlich ist5.
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k) Bekanntmachungen Nach § 23 Abs. 4 AktG muss die Satzung Bestimmungen über die Form der Bekanntmachungen der Gesellschaft enthalten. § 23 Abs. 4 AktG betrifft lediglich freiwillige Bekanntmachungen. In Bezug auf so genannte Pflichtbekanntmachungen, d.h. solche, die aufgrund Gesetzes oder der Satzung in den Gesellschaftsblättern zu veröffentlichen sind6, verlangt § 25 AktG die Veröffentlichung in den Gesellschaftsblättern, d.h. im elektronischen Bundesanzeiger und, wenn die Satzung dies vorsieht, in anderen Blättern oder elektronischen Informationsmedien7. Freiwillige Bekanntmachungen sind solche, die von Gesetz oder Satzung vorgesehen sind, ohne dass sie in den Gesellschaftsblättern veröffentlicht werden müssen, wie zum Beispiel die Bekanntmachung der Aufforderung des Vorstands, die Einlagen einzuzahlen (§ 63 Abs. 1 Satz 2 AktG), oder die Veröffentlichung von Quartalsberichten8. Die Form dieser Bekanntmachungen kann in der Satzung frei gewählt werden. Bei börsennotierten Gesellschaften ist es jedoch üblich, auch insoweit den elektronischen Bundesanzeiger zu wählen. Für die Übermittlung von Informationen an die Inhaber zugelassener Aktien im Wege der Datenfernübertragung verlangt der auf Grund des Transparenzrichtlinie-
1 LG Köln v. 10.6.1998 – 91 O 15/98, AG 1999, 137 f.; Hüffer, § 23 AktG Rz. 31; Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 136; einschränkend Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 23 AktG Rz. 74 und Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 154. 2 BGH v. 17.12.2001 – II ZR 288/99 – „Sachsenmilch IV“, AG 2002, 289 = NZG 2002, 817, 818 = EWiR § 76 AktG 1/2002, 317 (Zetzsche); Hüffer, § 23 AktG Rz. 31; Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 138; C. Schäfer, ZGR 2003, 147, 155 ff.; zweifelnd Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 160. 3 LG Köln v. 10.6.1998 – 91 O 15/98, AG 1999, 137 f.; Hüffer, § 76 AktG Rz. 22. 4 BGH v. 12.11.2001 – II ZR 225/99 – „Sachsenmilch III“, BGHZ 149, 158 ff. = AG 2002, 241 ff. 5 Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 76 AktG Rz. 100; dazu auch unten § 19 Rz. 14. 6 Z.B. Einberufung der Hauptversammlung (§ 121 Abs. 3 Satz 1 AktG). 7 Dazu Mimberg, ZGR 2003, 21, 25 ff. 8 Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 143.
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§4
Satzung und Aktie
Umsetzungsgesetzes (TUG) vom 5.1.20071 in das Gesetz eingefügte § 30b Abs. 3 Nr. 1 WpHG unter anderem, dass die Hauptversammlung dem zugestimmt hat. Dem kommen börsennotierte Gesellschaften regelmäßig durch die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in ihre Satzung nach. Ziff. 2.3.2 DCGK enthält eine Empfehlung zur elektronischen Übermittlung der Hauptversammlungseinladung und -unterlagen. l) Sonstige notwendige Satzungsbestimmungen 42
Außerdem in die Satzung aufzunehmen sind Festsetzungen über einzelnen Aktionären oder Dritten eingeräumte Sondervorteile und den Gründungsaufwand (§ 26 Abs. 1 und 2 AktG) sowie in Bezug auf Sacheinlagen und Sachübernahmen (§ 27 Abs. 1 AktG). Nach dem durch das TransPuG geänderten § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG muss die Satzung oder der Aufsichtsrat bestimmen, dass der Vorstand bestimmte Arten von Geschäften nur mit der Zustimmung des Aufsichtsrats vornehmen darf (dazu unten § 26 Rz. 24 ff.). 4. Fakultative Satzungsbestimmungen im Einzelnen
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Typischerweise wird die Satzung insbesondere von börsennotierten Aktiengesellschaften in die Abschnitte „Allgemeine Bestimmungen“, „Grundkapital und Aktien“, „Der Vorstand“, „Der Aufsichtsrat“, „Die Hauptversammlung“, „Jahresabschluss und Gewinnverwendung“ sowie „Schlussbestimmungen“ gegliedert. Nachfolgend wird anhand dieses Gliederungsschemas eine Auswahl der in Satzungen börsennotierter Aktiengesellschaften (neben den bereits zuvor unter 3. (Rz. 30 ff.) dargestellten notwendigen Satzungsbestimmungen) typischerweise anzutreffenden fakultativen Satzungsbestimmungen dargestellt. a) Allgemeine Bestimmungen
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Unter den Allgemeinen Bestimmungen finden sich regelmäßig die Regelungen zu Firma und Sitz der Gesellschaft sowie zu ihrem Unternehmensgegenstand (dazu bereits oben Rz. 30 ff.). b) Grundkapital und Aktien
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aa) Neben dem notwendig in der Satzung anzugebenden Grundkapital empfiehlt es sich, ein genehmigtes Kapital in die Satzung aufzunehmen. Nach § 202 AktG kann der Vorstand bereits in der Gründungssatzung oder aber durch Satzungsänderung für die Dauer von höchstens fünf Jahren nach Eintragung der Gesellschaft bzw. der Satzungsänderung ermächtigt werden, das Grundkapital der Gesellschaft um höchstens die Hälfte des im Ermächtigungszeitpunkt vorhandenen Grundkapitals durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen zu erhöhen. Das genehmigte Kapital, das den Vorstand unter bestimmten Voraussetzungen auch zum Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre ermächtigen kann, gehört heute zum Standard in den Satzungen börsennotierter Gesellschaften und verschafft dem Vorstand Flexibilität bei der Kapitalbeschaffung und dem Einsatz neuer Aktien der Gesellschaft als Akquisitionswährung (vgl. im Einzelnen unten § 43).
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bb) In der Praxis als Instrument für Unternehmensakquisitionen nicht durchgesetzt hat sich hingegen das bedingte Kapital (§§ 192 ff. AktG; dazu im Einzelnen § 44). Die1 BGBl. I 2007, 10.
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ses dient in erster Linie der Unterlegung von Mitarbeiteroptionen sowie von Umtausch- oder Bezugsrechten aus Wandel- oder Optionsschuldverschreibungen. Es ist rechtlich nicht notwendig, das bedingte Kapital in die Satzung aufzunehmen, obwohl die Aufnahme üblicherweise erfolgt und aus Informationsgründen sinnvoll ist1. Bei den Änderungen des Satzungstextes, die infolge der Ausgabe von Bezugsaktien und dem damit einhergehenden Wirksamwerden der Kapitalerhöhung (§ 200 AktG) erforderlich werden, handelt es sich um Fassungsänderungen, die die Hauptversammlung dem Aufsichtsrat übertragen kann (§ 179 Abs. 1 Satz 2 AktG). cc) Der durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts2 1994 eingeführte und durch das KonTraG3 1998 geänderte § 10 Abs. 5 AktG ermöglicht es, den Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils in der Satzung auszuschließen (dazu § 5 Rz. 15). Von dieser Möglichkeit machen börsennotierte Gesellschaften ganz überwiegend Gebrauch. Sie werden dadurch in die Lage versetzt, den grundsätzlich bestehenden Verbriefungsanspruch des Aktionärs durch Ausstellung einer oder mehrerer Globalurkunden zu erfüllen. Diese können dann bei der Clearstream Banking AG als einziger in Deutschland zugelassener Wertpapiersammelbank girosammelverwahrt und im Effektengiroverkehr stückelos übertragen werden. Bei der REIT-Aktiengesellschaft ist der Verbriefungsanspruch bereits durch Gesetz ausgeschlossen (§ 5 Abs. 2 REITG).
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dd) Nach § 68 Abs. 2 AktG kann die Satzung die Übertragung von Namensaktien an die Zustimmung der Gesellschaft binden (Vinkulierung). Eine Störung des Börsenhandels im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 2 BörsZulV wird durch die Vinkulierung dann nicht bewirkt, wenn die betroffenen Aktien blankoindossiert und in die Girosammelverwahrung einbezogen sind (dazu unten § 5 Rz. 82 und 104 f.). Wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der freien Übertragbarkeit der Mitgliedschaft nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig ist hingegen ein satzungsändernder Hauptversammlungsbeschluss, durch den das Erfordernis einer Unterschriftsbeglaubigung auf Kosten des betreffenden Aktionärs als Wirksamkeits- oder Nachweiserfordernis für die Übertragung von (nicht verbrieften) Namensaktien nachträglich eingeführt werden soll4.
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c) Der Vorstand Die Zahl der Mitglieder des Vorstands oder die Regeln, nach denen diese zu bestimmen ist, gehört zu den notwendigen Satzungsbestandteilen (dazu bereits oben Rz. 40). Neben den insbesondere in § 76 Abs. 3 AktG und in Spezialgesetzen5 genannten Eignungsvoraussetzungen für Vorstandsmitglieder können in der Satzung weitere vorgesehen werden, solange dem Aufsichtsrat ein ausreichendes Auswahlermessen verbleibt6. Ziff. 5.1.2 DCGK empfiehlt, eine Altersgrenze für Vorstandsmitglieder festzulegen; dies kann in der Satzung erfolgen7. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind grundsätzlich sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung und Vertretung befugt (§§ 77 Abs. 1 Satz 1, 78 Abs. 2 Satz 1 AktG). Hinsichtlich der Geschäftsführungsbefugnis kann die Satzung oder die Geschäftsord1 2 3 4 5 6
Frey in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, Vor §§ 192–201 AktG Rz. 23. BGBl. I 1994, 1961. BGBl. I 1998, 786. BGH v. 20.9.2004 – II ZR 288/02, ZIP 2004, 2093, 2094 = AG 2004, 673; dazu unten § 5 Rz. 78. Vgl. etwa § 7a VAG, § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 KWG. Vgl. Hüffer, § 76 AktG Rz. 26 m. zahlr. Nachweisen auch zur Gegenmeinung, insb. in Bezug auf mitbestimmte Gesellschaften. 7 Hüffer, § 23 AktG Rz. 38.
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nung des Vorstands, hinsichtlich der Vertretungsbefugnis nur die Satzung etwas Abweichendes bestimmen. Aufgrund der flexibleren Handhabbarkeit erfolgen Regelungen in Bezug auf die Geschäftsführung (Mehrheitsprinzip, Ressortverteilung etc.) regelmäßig in der Vorstandsgeschäftsordnung. Das Gesamtvertretungsprinzip wird in der Satzung regelmäßig durch eine Bestimmung ersetzt, nach der die Gesellschaft entweder durch zwei Vorstandsmitglieder oder durch ein Vorstandsmitglied gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten wird1. Darüber hinaus sollte statutarisch die Möglichkeit vorgesehen werden, dass der Aufsichtsrat einem, einzelnen oder allen Vorstandsmitgliedern Einzelvertretungsmacht und Befreiung von dem Verbot der Mehrvertretung (§ 181 Alt. 2 BGB) einräumen kann2. Hingegen ist eine Befreiung der Vorstandsmitglieder von dem Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 Alt. 1 BGB) nicht möglich, da die Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich nach § 112 AktG zwingend durch ihren Aufsichtsrat vertreten wird. Die Satzung kann die Kompetenz zum Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand auf den Aufsichtsrat übertragen und Einzelfragen der Geschäftsordnung bindend regeln (§ 77 Abs. 2 AktG). Hiervon sollte Gebrauch gemacht werden, wenn die Geschäftsordnung des Vorstands einen Katalog zustimmungspflichtiger Maßnahmen enthalten soll3. d) Der Aufsichtsrat 50
Die Größe und Zusammensetzung des Aufsichtsrats der mitbestimmungsfreien Gesellschaft regelt § 95 AktG: Danach besteht der Aufsichtsrat aus drei Mitgliedern. Die Satzung kann eine bestimmte höhere Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern festsetzen, die durch drei teilbar sein muss. Die Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder ist vom Grundkapital der Gesellschaft abhängig. Abweichende Bestimmungen gelten für Gesellschaften, die dem Mitbestimmungsgesetz, dem Montan-Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz unterliegen. Bei diesen Gesellschaften sowie solchen, für die Vorschriften des § 76 Abs. 1 BetrVG 1952 bzw. seit 1.7.2004 des Gesetzes über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (Drittelbeteiligungsgesetz – DrittelbG)4 gelten, setzt sich der Aufsichtsrat aus Anteilseignerund Arbeitnehmervertretern sowie ggf. einem oder mehreren weiteren Mitgliedern zusammen, bei den übrigen Gesellschaften nur aus Mitgliedern, die durch die Aktionäre gewählt werden. Ein Hinweis in der Satzung, welchem Mitbestimmungsrecht die Gesellschaft unterliegt, ist weder gesetzlich erforderlich noch üblich und sollte im Interesse größerer Flexibilität bei Änderungen des mitbestimmungsrechtlichen Status unterbleiben5.
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Über die in § 100 Abs. 1 und 2 AktG und in den Ziff. 5.4 des DCGK festgelegten persönlichen Eignungsvoraussetzungen hinaus kann die Satzung weitergehende persönli1 Hüffer, § 78 AktG Rz. 16 bis 18. 2 Vgl. § 78 Abs. 3 Satz 2 AktG in Bezug auf die Vertretungsmacht. Ob hinsichtlich der Befreiung vom Verbot der Mehrvertretung eine statutarische Ermächtigung erforderlich ist, ist streitig: bejahend KG v. 21.3.2006 – 1 W 252/05, GmbHR 2006, 653 (zur GmbH); Hüffer, § 78 AktG Rz. 7; jetzt auch Wiesner in MünchHdb. AG, § 23 Rz. 22; differenzierend Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 78 AktG Rz. 118; verneinend: Ekkenga, AG 1985, 40, 42; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 78 AktG Rz. 69. Vorsorglich sollte jedenfalls eine entsprechende Satzungsregelung vorgesehen werden. 3 Dazu unten Rz. 56; vgl. auch Ziff. 3.3 DCGK. 4 BGBl. I 2004, 974. 5 Die Änderung des mitbestimmungsrechtlichen Status erfolgt dann allein nach Durchführung eines Statusverfahrens (§§ 96 Abs. 2, 97, 98 AktG), ohne dass zusätzlich eine Änderung der Satzung erforderlich ist.
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che Voraussetzungen nur für die von der Hauptversammlung ohne Bindung an einen Wahlvorschlag zu wählenden oder die nach der Satzung zu entsendenden Aufsichtsratsmitglieder festlegen (§ 100 Abs. 4 AktG). Die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner erfolgt grundsätzlich durch die Hauptversammlung; allerdings kann die Satzung für bestimmte Aktionäre oder für die jeweiligen Inhaber bestimmter Aktien das Recht vorsehen, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden (§ 101 Abs. 2 AktG)1. Nach § 102 Abs. 1 AktG können Aufsichtsratsmitglieder nicht länger als bis zur Beendigung der Hauptversammlung bestellt werden, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach Beginn der Amtszeit beschließt, wobei das Geschäftsjahr, in das der Beginn der Amtszeit fällt, nicht mitgerechnet wird. Auch wenn eine Beschlussfassung über die Entlastung des Aufsichtsrats für das betreffende Geschäftsjahr (etwa aufgrund einer Vertagung der Entlastungsentscheidung) nicht erfolgt, endet das Aufsichtsratsamt nach der Rechtsprechung des BGH in dem Zeitpunkt, in dem die Hauptversammlung spätestens über die Entlastung hätte entscheiden müssen2. Im Ergebnis läuft dies auf eine maximal fünfjährige Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder hinaus. Satzungsregelungen börsennotierter Gesellschaften orientieren sich regelmäßig an dieser gesetzlichen Vorgabe, enthalten aber ebenso regelmäßig für die von Anteilseignerseite zu wählenden Mitglieder die Möglichkeit einer kürzeren Bestellung. Ziff. 5.4.6 DCGK enthält die Anregung, Veränderungserfordernissen durch die Wahl bzw. Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern zu unterschiedlichen Terminen und für unterschiedliche Amtsperioden Rechnung zu tragen. Da hiervon ohne Offenlegung in der Erklärung nach § 161 AktG abgewichen werden kann, bleiben Satzungsgestaltungen zulässig, die eine zeitgleiche Amtsperiode für sämtliche Aufsichtsratsmitglieder zum Inhalt haben3. Die Wiederwahl von Aufsichtsratsmitgliedern ist zulässig, die Satzung kann diese Möglichkeit jedoch beschränken oder ausschließen4. Die Wahl von Ersatzmitgliedern ist in § 101 Abs. 3 AktG geregelt und der Disposition der Satzung entzogen5.
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Die Möglichkeit der Amtsniederlegung durch Aufsichtsratsmitglieder auch ohne das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist allgemein anerkannt6. Üblich sind Satzungsregelungen, die die ohne wichtigen Grund erfolgende Amtsniederlegung an eine ange-
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1 OLG Hamm v. 31.3.2008 – 8 U 222/07, BB 2008, 1136 ff. (m. Anm. Ogorek/v. d. Linden); Vorinstanz: LG Essen v. 29.6.2007 – 45 O 15/07, AG 2007, 797 (zur Begründung eines Entsenderechts durch Satzungsänderung in der Satzung der ThyssenKrupp AG); zum Entsenderecht vgl. auch Seeling/Zwickel, BB 2008, 622 ff.; im Einzelnen unten § 25. 2 BGH v. 24.6.2002 – II ZR 296/01, DB 2002, 1928 f. = AG 2002, 676 f.; vgl. auch Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 40 m.w.N.: „acht Monate seit Ende des vierten Geschäftsjahrs nach dem Amtsbeginn“; kritisch weiterhin Hüffer, § 102 AktG Rz. 3: drei Monate nach Ablauf der beschlusslosen Hauptversammlung bzw. drei Monate nach Ablauf der Achtmonatsfrist des § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG. Findet eine ordentliche Hauptversammlung fristgemäß statt und wird lediglich kein Entlastungsbeschluss gefasst (z.B. wegen einer Vertagung der Entlastungsentscheidung), sollte auf das Ende der Hauptversammlung abgestellt werden. 3 Vgl. Pühler in Happ, Aktienrecht, 1.01 Rz. 40, S. 76. 4 Vgl. Hüffer, § 102 AktG Rz. 6, dort auch zu der Möglichkeit der vorzeitigen Wiederwahl. 5 Die Amtszeit eines Ersatzmitglieds erlischt spätestens mit Ablauf der Amtszeit des weggefallenen Aufsichtsratsmitglieds (§ 102 Abs. 2 AktG). Die Satzung kann daher lediglich eine kürzere Amtszeit vorsehen, deren Beendigung z.B. von der Nachwahl eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung abhängig machen. Für die Nachwahl gilt die für die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern gesetzlich vorgesehene Dreiviertelmehrheit des § 103 Abs. 1 Satz 2 AktG oder aber das in der Satzung hierfür vorgesehene abweichende Mehrheitserfordernis (vgl. BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211, 216 = AG 1987, 152; BGH v. 25.1.1988 – II ZR 148/87, NJW 1988, 1214 = AG 1988, 139; Hüffer, § 101 AktG Rz. 13a; Pühler in Happ, Aktienrecht, 1.01 Rz. 43, S. 80 f.). 6 Hüffer, § 103 AktG Rz. 17.
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messene Frist knüpfen sowie den Adressaten und die Form der Niederlegungserklärung festlegen1. 54
Die §§ 107 bis 110 AktG2 enthalten Regelungen über die innere Ordnung des Aufsichtsrats und Aufsichtsratssitzungen, die vom Gesetzgeber bewusst nicht abschließend gefasst sind, sondern Raum für eine entsprechende Gestaltung durch die Satzung und/ oder eine Geschäftsordnung belassen3. Ob die Satzung oder die Geschäftsordnung zur Regelung dieser Frage gewählt wird, hängt von grundsätzlichen Erwägungen ab4: Während eine Satzungsregelung im Hinblick auf den bekundeten Aktionärswillen eine größere „Legitimationswirkung“ besitzt, bietet die vom Aufsichtsrat selbst zu erlassende Geschäftsordnung eine deutlich höhere Flexibilität im Hinblick auf eventuell notwendig werdende Anpassungen. Ziff. 5.1.3 DCGK enthält die Empfehlung, dass sich der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung geben soll. Nach § 107 Abs. 1 AktG hat die Satzung eine Bestimmung über die Wahl des Vorsitzenden des Aufsichtsrats und mindestens eines Stellvertreters zu treffen5. Ziff. 5.2 DCGK enthält Empfehlungen im Hinblick auf die Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsratsvorsitzenden, die insbesondere in der Koordination der Arbeit im Aufsichtsrat und in der Aufrechterhaltung des regelmäßigen Kontakts zum Vorstand bestehen sollen. Bei börsennotierten Gesellschaften muss der Aufsichtsrat zwei Sitzungen im Kalenderhalbjahr abhalten (§ 110 Abs. 3 AktG)6. Jedenfalls für diese Gesellschaften kann die Satzung eine höhere Sitzungsfrequenz vorsehen7. Die umstrittene Frage, ob die Aufsichtsratsmitglieder zu ihren Sitzungen körperlich zusammentreten müssen, ist durch den durch das TransPuG neu gefassten § 110 Abs. 3 AktG, der nunmehr nicht mehr das „Zusammentreten zu Sitzungen“, sondern das „Abhalten von Sitzungen“ vorsieht, dahingehend geregelt worden, dass Präsenzsitzungen zwar die Regel sein sollen, dass aber in Ausnahmefällen Sitzungen auch per Telefon- oder Videokonferenz abgehalten werden können8. Der durch das NaStraG neu gefasste § 108 Abs. 4 AktG sieht vor, dass auch schriftliche, fernmündliche oder andere vergleichbare Formen der Beschlussfassung des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse vorbehaltlich einer näheren Regelung durch die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats zulässig sind, wenn kein Aufsichtsratsmitglied diesem Verfahren widerspricht. Allerdings ist nach herrschender Auffassung für die Bilanzsitzung des Aufsichtsrats, in der über die Billigung des Jahres- und ggf. Konzernabschlusses entschieden wird, die persönliche Anwesenheit der Aufsichtsratsmitglieder erforderlich, damit auf diese Weise der direkte Austausch mit dem ebenfalls zur Anwesenheit verpflichteten Abschlussprüfer (§ 171 Abs. 1 Satz 2 AktG) gewährleistet ist9. Die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats sollte Bestimmungen hinsichtlich der Form und Frist der Einberufung von Aufsichtsratssitzungen und der Tagesordnung enthalten10. Die Be-
1 Angemessen ist eine Frist von einem Monat. Adressat der Erklärung sollte der Vorstand oder der Aufsichtsratsvorsitzende sein. Für die Erklärung sollte Textform (§ 126b BGB) vorgesehen werden. 2 Teils abweichende oder ergänzende Bestimmungen enthalten §§ 27 bis 29, 31, 32 MitbestG. 3 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 652; Hüffer, § 107 AktG Rz. 1. 4 Vgl. Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 402. 5 Dazu Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 656 ff. 6 Bei nicht-börsennotierten Gesellschaften kann der Aufsichtsrat beschließen, dass nur eine Sitzung im Kalenderhalbjahr abzuhalten ist (§ 110 Abs. 3 Satz 2 AktG). 7 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 688. 8 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/8769, S. 17. Näher dazu Kindl, ZHR 166 (2002), 335 ff.; Wagner, NZG 2002, 57 ff.; auch Götz, NZG 2002, 599, 601 f. 9 Vgl. Neuling, AG 2002, 610 ff. 10 Dazu Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 690 ff.
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schlussfähigkeit des Aufsichtsrats kann, soweit sie nicht gesetzlich geregelt ist1, durch die Satzung bestimmt werden (§ 108 Abs. 2 Satz 1 AktG). Zwingend erforderlich ist, dass mindestens die Hälfte der Mitglieder, nach denen der Aufsichtsrat nach Gesetz oder Satzung zu bestehen hat, jedenfalls aber drei Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen (§ 108 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AktG)2. Die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder kann im Einzelfall von der Hauptversammlung bewilligt oder aber in der Satzung festgelegt werden (§ 113 Abs. 1 Satz 2 AktG). Sie soll nach § 113 Abs. 1 Satz 3 AktG in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder und zur Lage der Gesellschaft stehen. Nach Ziff. 5.4.7 DCGK sollen die Mitglieder des Aufsichtsrats neben einer festen eine erfolgsorientierte Vergütung erhalten, die auch auf den langfristigen Unternehmenserfolg bezogene Bestandteile enthält3. Der Vorsitz und stellvertretende Vorsitz im Aufsichtsrat sowie der Vorsitz und die Mitgliedschaft in Aufsichtsratsausschüssen sollen berücksichtigt werden.
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Durch das TransPuG ist die bis dahin in § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG vorgesehene Möglichkeit, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen, in eine entsprechende Pflicht umgewandelt worden, der die Hauptversammlung in der Satzung oder der Aufsichtsrat in der Geschäftsordnung Rechnung tragen können4. Aus Gründen der Flexibilität empfiehlt es sich, einen Katalog zustimmungspflichtiger Maßnahmen nicht in der Satzung, sondern in einer vom Aufsichtsrat erlassenen Geschäftsordnung des Vorstands vorzusehen5.
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Nach § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG kann die Hauptversammlung die Befugnis zur Änderung der Satzung, die nur deren Fassung betreffen, dem Aufsichtsrat übertragen. Dies geschieht üblicherweise in der Satzung.
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e) Die Hauptversammlung Die Hauptversammlung ist in den durch das Gesetz oder die Satzung bestimmten Fällen sowie dann einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert (§ 121 Abs. 1 AktG). Die Hauptversammlungstätigkeit bei börsennotierten Gesellschaften beschränkt sich typischerweise auf die einmal jährlich in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres (§ 175 Abs. 1 Satz 2 AktG) stattfindende ordentliche Hauptversammlung, die den festgestellten Jahresabschluss und Lagebericht und ggf. den gebilligten Konzernabschluss und Konzernlagebericht entgegennimmt6, über die Verwendung eines ggf. vorhandenen Bilanzgewinns, über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat7 sowie
1 Zu den mitbestimmungsrechtlichen Regelungen vgl. unten § 27 Rz. 50. 2 Zur Beschlussfassung, insbesondere den Mehrheitserfordernissen, vgl. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 712 ff., 730 ff. 3 Aktienoptionen kommen nach dem Urteil des BGH v. 16.2.2004 – II ZR 316/02, AG 2004, 265 f., als Vergütungsbestandteile für Aufsichtsratsmitglieder allerdings nicht in Betracht. 4 Zur neuen Rechtslage Lieder, DB 2004, 2251 ff. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 39 ff. 6 Nach § 173 Abs. 1 AktG stellt ausnahmsweise die Hauptversammlung den Jahresabschluss fest, wenn Vorstand und Aufsichtsrat dies beschlossen haben oder der Aufsichtsrat den Jahresabschluss nicht gebilligt hat. Hat der Aufsichtsrat eines Mutterunternehmens im Sinne des § 290 Abs. 1, 2 HGB den Konzernabschluss nicht gebilligt, so entscheidet ebenfalls die Hauptversammlung über die Billigung. 7 Nach § 120 Abs. 3 Satz 1 AktG soll die Verhandlung über die Entlastung mit der Verhandlung über die Verwendung des Bilanzgewinns verbunden werden.
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regelmäßig über die Wahl des Abschlussprüfers1 beschließt. Sonstige in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallende Maßnahmen wie die Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern, die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG, Kapitalmaßnahmen oder Satzungsänderungen werden im Rahmen der ordentlichen Hauptversammlung üblicherweise mitbehandelt. Dass die Satzung einer börsennotierten Aktiengesellschaft über die darüber hinaus gesetzlich vorgesehenen Einberufungsgründe2 sonstige Einberufungsgründe enthält, ist angesichts des mit der Abhaltung von Hauptversammlungen bei Publikumsgesellschaften verbundenen organisatorischen, zeitlichen, personellen und finanziellen Aufwands regelmäßig nicht der Fall. 59
§ 122 Abs. 1 Satz 1 AktG sieht vor, dass eine Minderheit von mindestens fünf Prozent der Aktionäre berechtigt ist, vom Vorstand schriftlich unter Angabe von Zweck und Gründen die Einberufung einer Hauptversammlung zu verlangen. Dieses Recht kann statutarisch an eine andere Form und einen geringeren Anteil am Grundkapital geknüpft werden (§ 122 Abs. 1 Satz 2 AktG). Die Einberufung erfolgt durch den Vorstand. Die Einberufung ist in den Gesellschaftsblättern und damit jedenfalls im elektronischen Bundesanzeiger bekanntzumachen. Die für den Fall, dass die Aktionäre der Gesellschaft namentlich bekannt sind, in § 121 Abs. 4 AktG vorgesehene Möglichkeit der Einberufung durch eingeschriebenen Brief kommt bei börsennotierten Publikumsgesellschaften regelmäßig nicht in Betracht. Die Einberufungsfrist beträgt nach der Neufassung des § 123 AktG durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.20053 mindestens dreißig Tage, berechnet auf den Tag der Hauptversammlung bzw. den letzten Tag der Anmeldungsfrist (§ 123 Abs. 1, 2 Satz 2 AktG)4. Sie kann statutarisch verlängert werden. Wird im Zusammenhang mit einem öffentlichen Erwerbsangebot in Bezug auf Aktien der Zielgesellschaft von dieser eine Hauptversammlung einberufen, ist die Einberufung bis spätestens zwei Wochen vor dem Tag der Versammlung möglich (§ 16 Abs. 4 Satz 1 WpÜG).
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Nach § 121 Abs. 5 AktG kann die Satzung Bestimmungen über den Ort der Hauptversammlung enthalten. Lediglich bei Fehlen jeglicher Satzungsbestimmung soll die Hauptversammlung am Sitz der Gesellschaft bzw. kann sie, wenn die Aktien der Gesellschaft an einer deutschen Börse zum amtlichen Markt zugelassen sind, auch am Sitz der Börse stattfinden. Die Satzungsregelung kann auch mehrere mögliche Hauptversammlungsorte zur Auswahl stellen, solange dem Einberufungsorgan dadurch keine uneingeschränkte Auswahlfreiheit eingeräumt wird5. Üblich sind Satzungsregelungen, wonach die Hauptversammlung am Sitz der Gesellschaft oder in einer anderen deutschen Stadt mit mehr als einer bestimmten Einwohnerzahl6 oder am Sitz
1 Vgl. Ziff. 2.2.1 DCGK. 2 Insbesondere Einberufungspflicht bei einem Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals (§ 92 Abs. 1 AktG), bei finanzdienstleistungsaufsichtsrechtlichen Prüfungen (§ 44 Abs. 5 KWG) oder versicherungsaufsichtsrechtlichen Prüfungen (§ 83 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VAG). 3 BGBl. I 2005, 2802. 4 Dazu Mimberg, AG 2005, 716. 5 Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 121 AktG Rz. 58 ff. 6 So z.B. § 16 Abs. 1 der Satzung der Deutsche Bank AG; Abschnitt VI. Ziffer 19 Abs. 1 der Satzung der Henkel KGaA; § 15 der Satzung der ThyssenKrupp AG.
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der Gesellschaft oder an einem deutschen Börsenplatz1 stattfindet2. Nach wie vor umstritten ist die Zulässigkeit einer Satzungsregelung, die die Möglichkeit der Durchführung der Hauptversammlung an einem Ort im Ausland vorsieht3. Die Satzung kann die Teilnahme an der Hauptversammlung oder die Ausübung des Stimmrechts davon abhängig machen, dass sich die Aktionäre vor der Versammlung anmelden (§ 123 Abs. 2 AktG)4. Satzungsbestimmungen, die darüber hinausgehende Anforderungen für die Teilnahme an oder die Stimmrechtsausübung auf der Hauptversammlung beinhalten, sind unzulässig5. Die Anmeldung muss der Gesellschaft spätestens am siebten Tag vor der Versammlung zugehen, es sei denn, die Satzung enthält eine kürzere Frist (§ 123 Abs. 2 Satz 3 AktG)6. Nach § 123 Abs. 4 AktG sind Fristen, die von der Hauptversammlung zurückrechnen, jeweils vom nicht mitzählenden Tag der Versammlung zurückzurechnen; fällt das Ende der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder einen am Sitz der Gesellschaft gesetzlich anerkannten Feiertag, so tritt an die Stelle dieses Tages der zeitlich vorhergehende Werktag. Nach § 123 Abs. 3 AktG in der Neufassung durch das UMAG kann die Satzung darüber hinaus für Inhaberaktien bestimmen, wie die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung oder zur Ausübung des Stimmrechts nachzuweisen ist. Insoweit genügt bei börsennotierten Gesellschaften ein in Textform erstellter besonderer Nachweis des Anteilsbesitzes durch das depotführende Institut, der sich auf den einundzwanzigsten Tag vor der Hauptversammlung zu beziehen hat (so genanntes „Record Date“)7 und, soweit die Satzung keine kürzere Frist vorsieht, der Gesellschaft bis spätestens am siebten Tag vor der Versammlung zugehen muss; im Verhältnis zur Gesellschaft gilt für die Teilnahme an der Hauptversammlung oder die Ausübung des Stimmrechts als Aktionär nur, wer den Nachweis erbracht hat8. Für Namensaktien verbleibt es bei der Regelung des § 67 Abs. 2 AktG9. Die Satzungen börsennotierter Gesellschaften (§ 3 Abs. 2 AktG) dürften zwischenzeitlich angepasst worden sein; an1 So z.B. § 14 Abs. 3 der Satzung der Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA; § 13 Abs. 1 der Satzung der Infineon Technologies AG. 2 Wird im Zusammenhang mit einem öffentlichen Erwerbsangebot in Bezug auf Aktien der Zielgesellschaft von dieser eine Hauptversammlung einberufen, ist die Gesellschaft abweichend von § 121 Abs. 5 AktG bzw. etwaigen Satzungsregelungen bei der Wahl des Versammlungsortes frei (§ 16 Abs. 4 Satz 2 WpÜG). 3 Vgl. Hüffer, § 121 AktG Rz. 15 f.; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 121 AktG Rz. 60; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 121 AktG Rz. 48 f. 4 Die in § 123 Abs. 2 AktG a.F. vorgesehene Möglichkeit der Hinterlegung ist durch das UMAG abgeschafft worden. 5 OLG Düsseldorf v. 11.7.1991 – 6 U 59/91, AG 1991, 444, 445; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 123 AktG Rz. 17 m.w.N. 6 Nach Ansicht des OLG München verstößt eine aufgrund einer entsprechenden Satzungsermächtigung erfolgende Abkürzung der Anmeldefrist durch den Vorstand in der Hauptversammlungseinladung gegen § 123 Abs. 2 Satz 3 AktG und führt daher zur Anfechtbarkeit gefasster Beschlüsse (OLG München v. 26.3.2008 – 7 U 4782/07, WM 2008, 1072, 1073 f.; Vorinstanz: LG München I v. 30.8.2007 – 5 HKO 2797/07, ZIP 2007, 2111, 2113). Vgl. auch Hellermann, NZG 2008, 561 ff. 7 Das LG Frankfurt/Main wendet, wenn das Record Date auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällt, § 123 Abs. 4 AktG an und leitet bei einem Verstoß dagegen die Nichtigkeit gefasster Hauptversammlungsbeschlüsse aus § 121 Abs. 3 AktG ab (LG Frankfurt/Main v. 2.10.2007 – 3–5 O 196/07, NZG 2008, 112 ff.). 8 Zu den Neuregelungen des § 123 AktG vgl. Butzke, WM 2005, 1981 ff.; Gätsch/Mimberg, AG 2006, 746 ff.; Kiefner/Zetzsche, ZIP 2006, 551; Simon/Zetzsche, NZG 2005, 369 ff. 9 Die Anregung, ein „Record Date“ nicht lediglich für Inhaberaktien, sondern auch für Namensaktien vorzusehen, um insoweit zu einer Gleichbehandlung beider Aktienarten zu gelangen (vgl. Handelsrechtsausschuss des DAV, Stellungnahme zum RefE UMAG, NZG 2004, 555, 557), ist vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen worden.
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dernfalls gilt die Übergangsregelung des § 16 Satz 2 EGAktG, nach der für den Zeitpunkt der Hinterlegung oder der Ausstellung eines sonstigen Legitimationsnachweises auf den Beginn des einundzwanzigsten Tages vor der Versammlung abzustellen ist1. 62
Den Vorsitz in der Hauptversammlung überträgt die Satzung üblicherweise dem Aufsichtsratsvorsitzenden oder einem anderen Aufsichtsratsmitglied der Anteilseignerseite2. Nach dem durch das UMAG eingefügten § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG kann die Satzung (oder die Geschäftsordnung der Hauptversammlung) den Versammlungsleiter ermächtigen, das Frage- und Rederecht der Aktionäre zeitlich angemessen zu beschränken und dazu das Nähere zu bestimmen3.
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Der Aktionär kann sich auf der Hauptversammlung vertreten lassen. § 134 Abs. 3 Satz 2 AktG verlangt für die Vollmacht Schriftform, wenn die Satzung keine Formerleichterung vorsieht4. Die Art und Weise der Stimmrechtsausübung richtet sich nach der Satzung (§ 134 Abs. 4 AktG). Diese überlässt die Festlegung üblicherweise dem Versammlungsleiter, der damit auf der Hauptversammlung flexibel agieren kann. Gleiches gilt regelmäßig für die weiteren Einzelheiten der Abstimmung. Üblich ist die Verwendung von Stimmkarten und die Auszählung der Stimmen nach dem Additions- oder Subtraktionsverfahren5. Zunehmend Verbreitung finden auch in Deutschland die im Ausland bereits seit längerem üblichen elektronischen Abstimmungsverfahren (so genanntes „Televoting“), die eine Auszählung der Stimmen unmittelbar nach dem Abstimmungsvorgang zu dem einzelnen Tagesordnungspunkt, die sofortige Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses und damit Beschlussverkündung und -feststellung zulassen6.
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Satzungsbestimmungen in Bezug auf die Beschlussfähigkeit der Hauptversammlung bilden bei börsennotierten Gesellschaften die Ausnahme. Die Beschlüsse der Hauptversammlung bedürfen grundsätzlich der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (einfache Stimmenmehrheit), soweit nicht das Gesetz oder die Satzung eine größere Mehrheit oder weitere Erfordernisse verlangen (§ 133 Abs. 1 AktG)7. Lediglich bei Wahlen kann die Satzung andere Bestimmungen treffen (§ 133 Abs. 2 AktG) und z.B. die relative Mehrheit genügen lassen8. Das Aktiengesetz enthält eine Reihe von Bestimmungen, nach der die Beschlussfassung außer der einfachen Stimmen1 Dazu OLG Stuttgart v. 12.10.2007 – 20 U 13/07, ZIP 2008, 182. 2 Hüffer, § 129 AktG Rz. 18; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 129 AktG Rz. 29; kritisch zu dieser Praxis Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 118 AktG Rz. 20: „Systemfehler“. 3 Dazu OLG Frankfurt/Main v. 12.2.2008 – 5 U 8/07, NZG, 2008, 432 f. (Unzulässigkeit konkreter Beschränkung in der Satzung); vgl. auch Göz/Holzborn, WM 2006, 157, 163; Spindler, NZG 2005, 825, 826. 4 Verbreitet wird statutarisch die Vollmachtserteilung auf elektronischem Wege zugelassen. Für Hauptversammlungen im Zusammenhang mit öffentlichen Übernahmeangeboten hat die Gesellschaft den Aktionären die Erteilung von Stimmrechtsvollmachten soweit nach Gesetz und Satzung möglich zu erleichtern (§ 16 Abs. 4 Satz 4 WpÜG). 5 Hüffer, § 133 AktG Rz. 23 f.; vgl. im Einzelnen § 34 Rz. 140 ff. 6 Vgl. HV-Magazin 2/2004: „Die vollelektronische Hauptversammlung – Commerzbank nutzt integratives HV-Konzept“. 7 So kann die für die Abberufung der von der Hauptversammlung ohne Bindung an einen Wahlvorschlag gewählten Aufsichtsratsmitglieder nach § 103 Abs. 1 AktG erforderliche Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen statutarisch abgesenkt oder verschärft werden (Hüffer, § 103 AktG Rz. 4). Hingegen ist die Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen bei Beschlussfassungen der Hauptversammlung über die Zustimmung zu Geschäftsführungsmaßnahmen nach § 111 Abs. 4 Sätze 3 bis 5 AktG zwingend (Hüffer, § 111 AktG Rz. 20). 8 Hüffer, § 133 AktG Rz. 32 f.
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§4
Die Satzung der börsennotierten AG
mehrheit einer qualifizierten Mehrheit von in der Regel drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals bedarf. Diese Kapitalmehrheit kann statutarisch teils herabgesetzt oder erhöht1, teils nur erhöht2 werden. In den Satzungen börsennotierter Gesellschaften wird typischerweise vorgesehen, dass die Beschlüsse der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit der Stimmen und, soweit eine Kapitalmehrheit erforderlich ist, mit einfacher Mehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals gefasst werden, soweit nicht das Gesetz oder die Satzung zwingend etwas anderes vorschreibt3. Ob eine solche allgemeine Satzungsregelung auch für den Beschluss über die ordentliche Kapitalerhöhung nach § 182 AktG gilt, ist streitig4. Nach § 118 Abs. 3 AktG kann die Satzung oder die Geschäftsordnung der Hauptversammlung bestimmen, dass eine Übertragung der Hauptversammlung in Ton und Bild erfolgen darf. Die durch das TransPuG eingefügte Bestimmung schafft lediglich eine Regelungskompetenz. Eine Verpflichtung der Gesellschaft zur Übertragung besteht ebensowenig wie ein darauf gerichteter Rechtsanspruch der Aktionäre oder anderer Personen. In welchem Umfang und wohin die Hauptversammlung übertragen werden soll, kann die Satzung oder die Geschäftsordnung der Hauptversammlung entweder selbst festlegen oder in das Ermessen der Verwaltung5 stellen. Ziff. 2.3.4 DCGK enthält die Anregung, dass die Gesellschaft den Aktionären die Verfolgung der Hauptversammlung über moderne Kommunikationsmedien wie z.B. das Internet ermöglichen sollte. Trotz der durch das TransPuG geschaffenen Regelungsmöglichkeiten verbleibt es nach herrschender Meinung bei dem Grundsatz der Präsenzhauptversammlung6. Nicht möglich ist es daher, eine Internet-Hauptversammlung in dem Sinne vorzusehen, dass über das Internet zugeschaltete Aktionäre an der Hauptversammlung teilnehmen7. Erfolgt eine Übertragung der Hauptversammlung, besteht für den einzelnen Aktionär in Bezug auf die Übertragung und/oder Aufzeichnung seines Redebeitrags kein Widerspruchsrecht. 1 Z.B.: Satzungsänderungen mit Ausnahme von Änderungen des Unternehmensgegenstands (§ 179 Abs. 2 AktG); ordentliche Kapitalerhöhung gegen Einlagen mit Ausnahme der Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht (§ 182 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 AktG). 2 Z.B.: Änderung des Unternehmensgegenstands (§ 179 Abs. 2 AktG); Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht (§ 182 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 AktG); Bezugsrechtsausschluss (§ 186 Abs. 3 Sätze 2 und 3 AktG); Schaffung eines bedingten Kapitals (§ 193 Abs. 1 AktG); Schaffung eines genehmigten Kapitals (§ 202 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AktG). 3 Vgl. Pühler in Happ, Aktienrecht, Abschnitt 1.01 Rz. 86, S. 132 f. 4 Bejahend Krieger in MünchHdb. AG, § 59 Rz. 14; verneinend Hüffer, § 179 AktG Rz. 18, 35 und § 182 AktG Rz. 8; Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 179 AktG Rz. 12. 5 Dabei ist streitig, ob die Festlegung durch den Vorstand als Einberufungsorgan oder den Versammlungsleiter getroffen werden kann (vgl. Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 118 AktG Rz. 96). 6 Vgl. Hüffer, § 118 AktG Rz. 5a und 12; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 118 AktG Rz. 24, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen auch zur Gegenmeinung und zu Reformüberlegungen. 7 Vgl. Mimberg, ZGR 2003, 21, 45 ff.; a.A. Hasselbach/Schumacher, ZGR 2000, 258 ff. Zulässig und auch praktisch ohne Weiteres möglich ist es allerdings, dass der per Internet zugeschaltete Aktionär seinem auf der Hauptversammlung körperlich anwesenden Vertreter Weisungen erteilt bzw. vorab erteilte Weisungen im Verlauf der Versammlung ändert (vgl. Noack, NZG 2003, 241, 245). Ziff. 2.3.3 DCGK enthält entsprechende Empfehlungen bzw. Anregungen. Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008 (abrufbar unter www.bmj.de) sieht eine Änderung des § 118 AktG vor, die es Aktionären künftig ermöglichen soll, aufgrund entsprechender Satzungsregelungen im Wege der elektronischen Kommunikation an der Hauptversammlung teilzunehmen und ihre Rechte auszuüben bzw. ihre Stimmen schriftlich abzugeben. Näheres zu dem RefE des ARUG Seibert, ZIP 2008 906 ff.; Noack, NZG 2008, 441 ff.
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Satzung und Aktie
Nach § 118 Abs. 2 AktG sollen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats an der Hauptversammlung teilnehmen. Die Satzung kann jedoch bestimmte Fälle vorsehen, in denen die Teilnahme von Mitgliedern des Aufsichtsrats im Wege der Bildund Tonübertragung erfolgen darf. Der ebenfalls durch das TransPuG eingeführte Satz 2 der Bestimmung erlaubt es dem Satzungsgeber, die Mitglieder des Aufsichtsrats für im Einzelnen zu präzisierende Fälle von der grundsätzlich bestehenden Pflicht zur persönlichen Teilnahme zu befreien und ihnen die Teilnahme auf telekommunikativem Wege zu ermöglichen. Für börsennotierte Gesellschaften wird dieses Verfahren nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen1. f) Jahresabschluss und Gewinnverwendung
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Nach § 150 Abs. 1 AktG hat die Gesellschaft zwingend eine gesetzliche Gewinnrücklage zu bilden2. In diese sind nach § 150 Abs. 2 AktG jährlich fünf Prozent des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses einzustellen, bis die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklagen nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 HGB zusammen mindestens zehn Prozent des Grundkapitals der Gesellschaft betragen. Die Satzung kann insoweit eine höhere Obergrenze vorsehen, bei der es sich jedoch immer um einen Teil der Grundkapitalziffer handeln muss, die die Grundkapitalziffer somit weder erreichen noch überschreiten darf3. Die statutarische Bestimmung eines höheren jährlichen Zuweisungsbetrages über die fünf Prozent hinaus ist hingegen unzulässig4. Eine Verpflichtung zur Einstellung von Teilen des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen kann die Satzung nur für den Fall vorsehen, dass ausnahmsweise die Hauptversammlung den Jahresabschluss feststellt (§§ 58 Abs. 1, 173 AktG). Stellt – wie im Regelfall – der Aufsichtsrat den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluss fest (§ 172 AktG), so können Vorstand und Aufsichtsrat nur einen Teil des Jahresüberschusses, höchstens jedoch die Hälfte, in andere Gewinnrücklagen einstellen (§ 58 Abs. 2 Satz 1 AktG). Allerdings kann die Satzung Vorstand und Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren oder kleineren Teils des Jahresüberschusses ermächtigen, wobei auf Grund einer solchen Satzungsbestimmung Vorstand und Aufsichtsrat keine Beträge in andere Gewinnrücklagen einstellen dürfen, wenn die anderen Gewinnrücklagen die Hälfte des Grundkapitals bereits übersteigen oder nach der Einstellung übersteigen würden (§ 58 Abs. 2 Satz 2, 3 AktG. Satzungen börsennotierter Gesellschaften ermächtigen Vorstand und Aufsichtsrat auf Grundlage von § 58 Abs. 2 Sätze 2, 3 AktG gelegentlich zur Einstellung eines größeren Teils als der Hälfte des Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen, begrenzt auf maximal die Hälfte des Grundkapitals. Ebenfalls möglich ist die statutarische Ermächtigung des Vorstands zur Zahlung eines Abschlags auf den voraussichtlichen Bilanzgewinn an die Aktionäre nach Ablauf des Geschäftsjahres auf Basis eines vorläufigen Jahresabschlusses (§ 59 AktG).
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Nach dem durch das TransPuG eingefügten § 58 Abs. 5 AktG kann die Hauptversammlung, sofern die Satzung dies vorsieht, hinsichtlich des verteilungsfähigen Bilanzgewinns anstelle der üblichen Bardividende auch eine Sachausschüttung beschließen5. Die Aufnahme einer solchen Bestimmung in die Satzung, bei der es sich um 1 Vgl. Begr. RegE zu § 118 Abs. 2, abgedruckt in NZG 2002, 213, 223; auch Kubis im MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 118 AktG Rz. 80. 2 § 13 REITG sieht eine Pflicht zur Ausschüttung von 90 % des handelsrechtlichen Überschusses der REIT-AG vor; § 150 AktG findet auf die REIT-AG keine Anwendung. 3 Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 150 AktG Rz. 19. 4 Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 150 AktG Rz. 13. 5 Dazu W. Müller, NZG 2002, 752, 757 ff.
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Die Satzung der börsennotierten AG
eine die Handlungsoptionen der Hauptversammlung erweiternde Ermächtigung handelt, ist zweckmäßig. Ein Automatismus ist damit nicht verbunden, die Sachdividende bedarf jeweils im Einzelfall eines Hauptversammlungsbeschlusses. g) Schlussbestimmungen Hier werden regelmäßig die Bestimmungen in Bezug auf die Entstehung der Gesellschaft und den Gründungsaufwand, soweit dieser von der Gesellschaft zu übernehmen ist, aufgenommen.
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h) Sonstiges Grundsätzlich ist auch bei der Aktiengesellschaft über die gesetzlich vorgesehenen Gesellschaftsorgane hinaus die Bildung weiterer Gesellschaftsorgane möglich. Diesen können allerdings keine Aufgaben zugewiesen werden, die gesetzlich einem der notwendigen Gesellschaftsorgane zugewiesen sind1. Insbesondere Gesellschaften in der Finanzdienstleistungsbranche bilden gelegentlich beratende Gremien, die die Fühlungnahme und Pflege der Geschäftsbeziehungen mit Kreisen der Wirtschaft zur Aufgabe haben2; auch bei börsennotierten Familiengesellschaften finden sich Gremien, denen durchaus weit reichende Befugnisse zukommen3. Als Gesellschaftsorgan sind solche Gremien allerdings nur dann zu qualifizieren, wenn sie ihre Grundlage und Zuständigkeiten in der Satzung der Gesellschaft erhalten4. Die Schaffung eines zusätzlichen Gesellschaftsorgans bei börsennotierten Aktiengesellschaften, insbesondere wenn sie sich an einen internationalen Anlegerkreis wenden, dürfte allerdings nur ausnahmsweise zu empfehlen sein, da bereits das in Deutschland bestehende „Two-Tier-System“ der gesetzlich institutionalisierten Trennung von Leitung durch den Vorstand und Überwachung durch den Aufsichtsrat bei anglo-amerikanischen Interessenten, denen in erster Linie das einstufige „Board-System“5 geläufig ist, erheblichen Erklärungsbedarf hervorruft.
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Der allgemeine Gerichtsstand einer Aktiengesellschaft wird nach § 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch ihren (statutarischen) Sitz bestimmt. Wird die Gesellschaft von einer Partei mit Sitz in Deutschland verklagt, so muss die Klage auch ohne Gerichtsstandsvereinbarung in der Regel am Sitz der Gesellschaft erhoben werden. Will die Gesellschaft ihrerseits eine Person mit Sitz in Deutschland klageweise in Anspruch nehmen, so kann sie dies nach § 22 ZPO im Gerichtsstand der Mitgliedschaft und damit an ihrem allgemeinen Gerichtsstand tun. Die Aufnahme einer entsprechenden Gerichtsstandsklausel in die Satzung der Gesellschaft kann aber dann erwägenswert sein, wenn an der Gesellschaft im Ausland ansässige Aktionäre beteiligt sind bzw. dies zu erwarten ist6. Wird eine solche Gerichtsstandsklausel nachträglich durch Sat-
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1 Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 477 f. 2 Vgl. § 8 der Satzung der Deutsche Bank AG: „regionale Beraterkreise der Gesamtbank und Bezirksbeiräte“. 3 Vgl. den „Gesellschafterausschuss“ nach Abschnitt VII. der Satzung der Henkel KGaA. 4 Vgl. im Einzelnen Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 467 ff.; Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 484 ff. 5 Im Board sitzen sowohl die Executive Directors, denen die Geschäftsführung obliegt, als auch die für die Überwachung zuständigen Non-Executive Directors. Anders als beim zweistufigen System nimmt der Chief Executive Officer (CEO), dessen Position mit der des Vorstandsvorsitzenden vergleichbar ist, häufig zugleich auch die Stellung des Chairman of the Board (COB), die mit der des Aufsichtsratsvorsitzenden vergleichbar ist, ein. Ein Wahlrecht zwischen dem monistischen und dualistischen System sehen die Regelungen in Bezug auf die Europäische Gesellschaft (SE) vor (vgl. oben § 3 Rz. 37; hier auch Rz. 26 Fn. 2). 6 Vgl. im Einzelnen Bork, ZHR 157 (1993), 48 ff.
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Satzung und Aktie
zungsänderung eingefügt, bindet sie sämtliche Aktionäre, d.h. auch diejenigen, die dem Beschluss nicht zugestimmt haben1. Statutarische Schiedsklauseln sind nach h.M. wegen Verstoßes gegen § 23 Abs. 5 AktG unzulässig2. 72
Soweit erkennbar als erste börsennotierte Aktiengesellschaft in Deutschland hat die Infineon Technologies AG auf ihrer Hauptversammlung am 25.1.20053 eine Satzungsänderung beschlossen, durch die die im Aktienrecht richterrechtlich anerkannte Treuepflicht der Aktionäre4 ausdrücklich in die Satzung aufgenommen wurde. Nach der beschlossenen Satzungsregelung ist jeder Aktionär kraft seiner Mitgliedschaft gegenüber seinen Mitaktionären verpflichtet, deren Interessen, auch im Rahmen einer rechtlichen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, zu beachten. Die im ursprünglichen Beschlussvorschlag ebenfalls vorgesehene Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft sowie eine Schadensersatzverpflichtung desjenigen Aktionärs, der die Treuepflicht leichtfertig bzw. im Falle der Stimmrechtsausübung vorsätzlich verletzt, sind nach heftiger Kritik von Investoren und Aktionärsvereinigungen nicht umgesetzt worden5. Ziel der Gesellschaft war es, mit der Satzungsänderung zu verhindern, dass sich einzelne Anteilseigner (so genannte „räuberische Aktionäre“) zu Lasten der anderen Gesellschafter bereicherten, außerdem wollte man auf in den USA angekündigte Sammelklagen von Kleinaktionären reagieren können6. Das LG München I hat eine gegen den satzungsändernden Beschluss erhobene Anfechtungsklage abgewiesen7. Ob die von Infineon beschlossene Satzungsregelung Schule machen wird, bleibt abzuwarten8.
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Gestaltungsmöglichkeiten, die der Satzung vorbehalten sind, ergeben sich aus den durch das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 8.7.20069 eingeführten §§ 33a ff. WpÜG10. Die Bestimmungen der Übernahmerichtlinie vom 21.4.200411 zum Verhinderungsverbot (Verbot von Verteidigungsmaßnahmen des Vorstands oder Aufsichtsrats der Zielgesellschaft, die geeignet sind, einen Bieter an dem Erwerb oder der Ausübung der Kontrolle über die Zielgesellschaft zu hindern) und zur Durchbrechungsregel (Außerkraftsetzung von Regelungen in Bezug auf die Zielgesellschaft und ihre Aktien im Fall einer Übernahme, die die Übernahme hemmen oder behindern würden) sind als so genanntes Opt-Out-Recht konzipiert, d.h. die Mitgliedstaaten 1 EuGH v. 10.3.1992 – Rs C-214/89, Slg. 1992, 1769 = AG 1992, 264, 265; BGH v. 11.10.1993 – II ZR 155/92, BGHZ 123, 347, 351 f.; jüngst LG München I v. 13.4.2006 – 5 HKO 4326/05, AG 2007, 255, 258 f.; vgl. auch Mülbert, ZZP 118 (2005), 313 ff. 2 Vg. Hüffer, § 246 AktG Rz. 19 m.w.N. auch zur Gegenauffassung; vgl. auch Behme, BB 2008, 685 ff. 3 Die HV-Einladung und der geänderte Beschlussvorschlag sind abrufbar unter www.infineon. com. 4 BGH v. 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 194 f. = AG 1988, 135 ff.; BGH v. 22.6.1992 – II ZR 178/90, NJW 1992, 3167, 3171 = AG 1993, 28 ff.; BGH v. 20.3.1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 142 ff. = AG 1995, 368 ff.; BGH v. 5.7.1999 – II ZR 126/98, BGHZ 142, 167, 169 ff. = AG 1999, 517 ff.; vgl. im Einzelnen § 36 Rz. 28 ff. 5 Vgl. Artikel im Handelsblatt vom 12.1.2005: „Infineon reagiert auf Aktionärsschützer und Investoren-Kritik“. 6 Vgl. Artikel in der FAZ vom 11.12.2004, S. 16: „Aktionärsschützer gegen Satzungsänderung bei Infineon“. 7 LG München I v. 13.4.2006 – 5 HKO 4326/05, AG 2007, 255, 257 f. 8 Vgl. Pühler in Happ, Aktienrecht, 1.01 Rz. 1, S. 27; Waclawik, DB 2005, 1151 ff.; Wastl, NZG 2005, 17, 19. 9 BGBl. I 2006, 1426. 10 Dazu Diekmann, NJW 2007, 17 ff. m.w.N.; vgl. auch Kiem in Baums/Thoma (Hrsg.), §§ 33a ff. WpÜG. 11 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Übernahmeangebote.
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konnten wählen, ob sie diese Regelungen in das nationale Recht übernehmen oder den Status quo des nationalen Rechts in Hinblick auf Abwehrmaßnahmen gegen Übernahmen beibehalten wollten. Der deutsche Gesetzgeber machte im Gegensatz zur Mehrheit der EU-Länder von dem Opt-Out Gebrauch und verzichtete auf entsprechende Vorschriften. Gleichzeitig wurde den Zielgesellschaften durch die neu eingefügten §§ 33a, 33b WpÜG die Möglichkeit gegeben, sich durch entsprechende Satzungsbestimmungen freiwillig den Regelungen der europäischen Übernahmerichtlinie zum Verhinderungsverbot und/oder zur Durchbrechungsregel zu unterwerfen (freiwilliges Opt-In). Macht die Satzung hiervon Gebrauch, kann die Hauptversammlung für die Dauer von 18 Monaten einen Vorbehalt der Gegenseitigkeit beschließen, der zur Folge hat, dass die optierten Bestimmungen keine Anwendung finden, wenn der Bieter oder ein ihn beherrschendes Unternehmen nicht seinerseits entsprechenden Regelungen unterliegt (§ 33c WpÜG). Von den durch das Risikobegrenzungsgesetz vom 12.8.20081 für die Inhaber wesentlicher Beteiligungen eingeführten Mitteilungspflichten gemäß § 27a WpHG, kann abgesehen werden, wenn die Satzung des Emittenten dies vorsieht (§ 27a Abs. 3 WpHG). Ebenfalls durch das Risikobegrenzungsgesetz eingeführt wurde der neue § 67 Abs. 1 Satz 3 AktG, der der Gesellschaft die Möglichkeit gibt, die grundsätzlich zulässige Eintragung von Legitimationsaktionären ins Aktienregister durch Satzungsregelung einzuschränken. Auch können statutarisch entsprechende Offenlegungsbestimmungen vorgesehen werden (vgl. insgesamt § 5 Rz. 69 ff.).
72b
IV. Satzungsrelevante Regelungen außerhalb der Satzung 1. Aktionärsvereinbarungen Im Zusammenhang mit der Gesellschaft stehende schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen einzelnen oder allen Aktionären treten in vielfältigen Gestaltungen auf und werden heute allgemein für zulässig erachtet2.
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a) Stimmbindungsvereinbarungen Ein typischer Fall einer solchen Aktionärsvereinbarung ist der Stimmbindungsvertrag3. Durch diesen verpflichten sich die beitretenden Aktionäre, ihr Stimmrecht auf der Hauptversammlung in einer bestimmten Weise einheitlich auszuüben. Die Gestaltungen, die insoweit in Bezug auf den Zweck, die Dauer und die Art und Weise der internen Entscheidungsfindung bestehen, sind vielfältig. Typisches Beispiel für eine Stimmbindung ist die Poolung von Familienaktionären, etwa im Zusammenhang mit dem Börsengang der Gesellschaft, die der Aufrechterhaltung des Einflusses der Familie auf die Gesellschaft dient. Derartige regelmäßig umfassende, mit Verfügungsbeschränkungen (dazu sogleich Rz. 75) einhergehende und auf lange Dauer angelegte Stimmbindungsvereinbarungen führen jedenfalls dann, wenn dem Pool die für eine Majorisierung der Hauptversammlung ausreichende Zahl von Stimmrechten angehört, dazu, dass die entscheidende Willensbildung nicht auf der Hauptversammlung der Gesellschaft, sondern bereits vorab bei der Entscheidungsfindung
1 BGBl. I 2008, 1666. 2 Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 238, 256 ff. 3 Vgl. ausführlich Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442 ff.; Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2006, Rz. 3 269 ff.
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innerhalb des Pools stattfindet1. Bei börsennotierten Gesellschaften sind im Zusammenhang mit dem Abschluss von Stimmbindungsvereinbarungen die für die Berechnung der Schwellenwerte für Mitteilungspflichten nach § 21 WpHG bzw. für die Kontrollerlangung (§ 29 Abs. 2 WpÜG) relevanten Zurechnungstatbestände der § 22 Abs. 2 WpHG, § 30 Abs. 2 WpÜG zu beachten (dazu unten § 17 Rz. 33 ff., und § 60 Rz. 201 ff.). b) Verfügung über Aktien betreffende Vereinbarungen 75
Auch Verfügungsbeschränkungen treten in verschiedensten Erscheinungsformen auf. Beim Familienpoolvertrag stellen sie neben der Stimmbindung ein Mittel dar, um eine Veräußerung von Aktien an Familienfremde und damit eine Schwächung des Einflusses der Familie auf die Gesellschaft zu erschweren2. Erreicht wird dies regelmäßig durch Vereinbarung von Andienungspflichten des veräußerungswilligen Aktionärs gegenüber den Mitgliedern des Familienpools, denen damit korrespondierende Vorkaufsrechte zustehen. Allerdings wirken diese Regelungen nur schuldrechtlich und hindern den veräußerungswilligen Familienaktionär daher nicht an der wirksamen Übertragung seiner Aktien3. Eine Verbindung der schuldrechtlich vereinbarten Andienungs- und Vorkaufsregelungen mit der „dinglich“ wirkenden Vinkulierung in dem Sinne, dass die Zustimmung zur Aktienveräußerung nach § 68 Abs. 2 AktG erst erteilt werden darf, wenn das Andienungsverfahren ordnungsgemäß durchlaufen worden ist4, kommt für die börsennotierte Gesellschaft nicht in Betracht.
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Insbesondere wenn Private-Equity-Unternehmen Beteiligungen an (börsennotierten) Gesellschaften erwerben, versuchen sie, schuldrechtliche Vereinbarungen mit anderen maßgeblich beteiligten Aktionären abzuschließen, in denen sich diese für den Fall des Beteiligungsverkaufes durch den Private-Equity-Investor zu einem Mitverkauf an den Käufer verpflichten (Mitverkaufsverpflichtung). Durch die Möglichkeit des Verkaufs eines Mehrheitspaketes an einen Finanz- oder strategischen Investor wird der Ausstieg aus dem Investment erleichtert. c) Einfluss auf gesellschaftliches Innenverhältnis
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Welchen Einfluss die vorstehend skizzierten schuldrechtlichen Vereinbarungen auf das Innenverhältnis der Aktiengesellschaft und insbesondere der börsennotierten Aktiengesellschaft haben, ist bislang noch nicht abschließend diskutiert worden5. Für das GmbH-Recht nimmt der BGH ein „Durchschlagen“ solcher Vereinbarungen auf die Gesellschaftsebene an, wenn sämtliche Aktionäre durch die Vereinbarung gebunden sind; ein von der Satzung gedeckter, der schuldrechtlichen Vereinbarung aber widersprechender Beschluss soll dann angefochten werden können6. Zwar ist es faktisch so gut wie ausgeschlossen, dass bei einer börsennotierten Gesellschaft alle Aktionäre sich einer derartigen schuldrechtlichen Vereinbarung anschließen. Jedoch wird die korporationsrechtliche Wirkung einer schuldrechtlichen Vereinbarung von Teilen 1 Vgl. Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442, 443. 2 Vgl. den Hinweis auf die Übertragungsbeschränkung auf Grund des „Aktienbindungsvertrages der Familie Henkel“ in Abschnitt II. Ziffer 7. der Satzung der Henkel KGaA. 3 Dinglich wirkende rechtsgeschäftliche Verfügungsverbote oder -beschränkungen sind unzulässig (§ 137 Satz 1 BGB). 4 Vgl. Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442, 443. 5 Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 47. 6 BGH v. 20.1.1983 – II ZR 243/81, NJW 1983, 1910, 1911 = AG 1983, 249; BGH v. 27.10.1986 – II ZR 240/85, NJW 1987, 1890 ff.; ausführlich dazu Hoffmann-Becking, ZGR 1994, 442, 448 ff.; kritisch Happ, ZGR 1984, 168, 173 ff.; Ulmer, NJW 1987, 1849, 1853.
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des juristischen Schrifttums bereits dann bejaht, wenn ihr zwar nicht sämtliche Aktionäre, aber eine zur Änderung der Satzung genügende Mehrheit der Aktionäre beigetreten ist1. 2. Geschäftsordnungen Für den Vorstand und die Hauptversammlung ist die Möglichkeit, sich eine Geschäftsordnung zu geben, gesetzlich vorgesehen (§§ 77 Abs. 2, 129 Abs. 1 Satz 1 AktG). Für den Aufsichtsrat wird diese Möglichkeit trotz Fehlens einer gesetzlichen Vorschrift allgemein bejaht2. Die Kompetenz zum Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand liegt primär beim Aufsichtsrat und nur nachrangig beim Vorstand selbst3. Hingegen liegt die Kompetenz zum Erlass einer Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat beim Aufsichtsrat selbst4. Soll die Geschäftsordnung des Vorstands einen Katalog zustimmungspflichtiger Maßnahmen enthalten (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG), empfiehlt es sich, die Erlasskompetenz statutarisch dem Aufsichtsrat zuzuweisen. Von der durch das KonTraG gesetzlich in § 129 Abs. 1 Satz 1 AktG geregelten Möglichkeit der Hauptversammlung, sich eine Geschäftsordnung zu geben, in der Fragen wie die Befugnisse des Versammlungsleiters, die Ausgestaltung des Rede- und Fragerechts und der Stimmauszählung geregelt werden können, wird in der Praxis nur sehr vereinzelt Gebrauch gemacht (vgl. im Einzelnen § 33 Rz. 39 ff.). Inhaltlich müssen sich die Geschäftsordnungen für die Gesellschaftsorgane jeweils im Rahmen der durch das Aktiengesetz und die Satzung der Gesellschaft gesetzten Grenzen halten.
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V. Auslegung der Satzung Bei der Auslegung von Satzungsbestimmungen ist zwischen solchen mit körperschaftsrechtlichem und solchen mit individualrechtlichem Charakter zu unterscheiden (zu der Unterscheidung bereits oben Rz. 4).
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1. Körperschaftsrechtliche Bestimmungen Zwar haben der Vorgang der Gründung einer Aktiengesellschaft und insbesondere die Satzungsfeststellung privatrechtsgeschäftlichen Charakter. Jedoch ist die Aktiengesellschaft körperschaftlich verfasst und damit vom Bestand ihrer Mitglieder unabhängig. Dies gilt in besonderem Maße für die börsennotierte Gesellschaft. Für die körperschaftsrechtlichen Bestimmungen der Satzung bedeutet dies, dass diese grundsätzlich objektiv – einem Gesetz vergleichbar – auszulegen sind5. Die Auslegung hat von dem 1 Noack, Gesellschaftervereinbarungen bei Kapitalgesellschaften, S. 167; (abweichend) Dürr, BB 1995, 1365, 1367; Winter, ZHR 154 (1990), 259, 268 f. 2 Vgl. Hüffer, § 107 AktG Rz. 23. 3 Vgl. im Einzelnen unten § 18 Rz. 68 ff.; Ziff. 4.2.1 DCGK lässt die Frage der Erlasskompetenz offen. 4 Vgl. Ziff. 5.1.3 DCGK; im Einzelnen § 27 Rz. 3 ff. 5 Ständige Rechtsprechung: BGH v. 9.6.1954 – II ZR 70/53, BGHZ 14, 25, 36 f.; BGH v. 29.1.1962 – II ZR 1/61, BGHZ 36, 296, 314 = AG 1962, 74; BGH v. 13.7.1967 – II ZR 238/64, BGHZ 48, 141, 143 f. = AG 1968, 54; BGH v. 11.10.1993 – II ZR 155/92 – „IBH“, BGHZ 123, 347, 350 f. = AG 1994, 78. In BGH v. 11.11.1985 – II ZB 5/85, BGHZ 96, 245, 250 = AG 1986, 164, wurde der Gründerwille ausnahmsweise deswegen berücksichtigt, da sich der Gesellschafterkreis seit der Gründung der Gesellschaft nicht verändert hatte. Dies kommt bei der börsennotierten Gesellschaft faktisch nicht in Betracht. Aus dem juristischen Schrifttum vgl. Grunewald, ZGR 1995, 68; Hüffer, § 23 AktG Rz. 39 f.; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 23 AktG Rz. 93 ff., insb. 99 ff.; Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 47 ff., insb. 49 ff.; Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 29 ff.
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Satzung und Aktie
Wortlaut der Bestimmung auszugehen. Zu berücksichtigen sind daneben der Zweck der betreffenden Regelung sowie ihr Sinnzusammenhang und ihr systematischer Bezug zu den anderen Bestimmungen der Satzung1. Außerhalb der Satzungsurkunde liegende Umstände sind nur insoweit zu berücksichtigen, wie sie über allgemein zugängliche Quellen, insbesondere Registerunterlagen, verfügbar sind. Insoweit nicht dokumentierte Vorgänge, insbesondere Willensäußerungen der Gründer, die keinen Eingang in die Satzungsurkunde gefunden haben, müssen bei der Satzungsauslegung außer Betracht bleiben2. Aufgrund ihrer Auslegung nach objektiven Gesichtspunkten unterliegen die körperschaftsrechtlichen Bestimmungen der Satzung der Nachprüfung durch das Revisionsgericht3. 2. Individualrechtliche Bestimmungen 81
Soweit in der Satzung individualrechtliche Regelungen enthalten sind (was bei börsennotierten Gesellschaften nur ausnahmsweise der Fall ist), sind diese nach den allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen über die Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) auszulegen4.
VI. Änderung der Satzung und Satzungsdurchbrechung 1. Änderung der Satzung a) Allgemeines 82
Nach § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG werden Satzungsänderungen von der Hauptversammlung beschlossen. Für die Einberufung der Hauptversammlung und die Bekanntmachung der Tagesordnung gelten die allgemeinen Vorschriften (vgl. dazu § 32, dort insb. Rz. 48). Nach dem durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 5.1.20075 eingeführten § 30c WpHG sind beabsichtigte Änderungen der Satzung einer Gesellschaft, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, unverzüglich nach der Entscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat, der Hauptversammlung die Änderung der Satzung vorzuschlagen, spätestens aber zum Zeitpunkt der Einberufung der Hauptversammlung, der BaFin und der jeweiligen Geschäftsführung (der Börse) zu melden.
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Die für Beschlussfassungen über Satzungsänderungen zu beachtenden allgemeinen Verfahrensregelungen sind in den §§ 179 ff. AktG enthalten. Erforderlich ist ein mit einfacher Stimmenmehrheit (§ 133 Abs. 1 AktG) und – wenn die Satzung nicht eine kleinere oder größere Kapitalmehrheit vorsieht – mit einer Kapitalmehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals zu fassender Hauptversammlungsbeschluss (§ 179 Abs. 2 AktG). Die Satzung kann weitere Erfordernisse vorsehen. Der Vorstand hat Satzungsänderungen zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AktG). Mit der Eintragung in das Handelsregister wird die Satzungsänderung wirksam (§ 181 Abs. 3 AktG).
1 Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 30. 2 Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 32. 3 Ständige Rechtsprechung: BGH v. 29.1.1962 – II ZR 1/61, BGHZ 36, 296, 314 = AG 1962, 74; BGH v. 11.10.1993 – II ZR 155/92 – „IBH“, BGHZ 123, 347, 350 f. = AG 1994, 78. 4 Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 35. 5 BGBl. I 2007, 10.
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Die Satzung der börsennotierten AG
Den aktiengesetzlichen Bestimmungen über Satzungsänderungen unterliegen nur die körperschaftsrechtlichen Bestandteile der Satzung. Die Änderung in der Satzung enthaltener schuldrechtlicher Regelungen richtet sich nach den insoweit geltenden schuldrechtlichen Bestimmungen.
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Die Satzung der Aktiengesellschaft muss abänderbar sein und bleiben. Eine Satzungsbestimmung, die die Abänderbarkeit der Satzung oder einzelner ihrer Bestimmungen ausschließt oder in einem Maße einschränkt, die einem Ausschluss faktisch gleichkommt, ist nichtig1. Unzulässig ist es daher bei einer Publikumsgesellschaft, Satzungsänderungen von der Zustimmung aller Aktionäre abhängig zu machen.
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b) Beschluss der Hauptversammlung Die Änderung der Satzung setzt einen Beschluss der Hauptversammlung voraus. Dieser bedarf außer der einfachen Stimmenmehrheit nach § 133 Abs. 1 AktG einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst. Die Satzung kann eine andere, auch kleinere Kapitalmehrheit vorsehen, das Erfordernis einer Kapitalmehrheit muss aber gewahrt bleiben2. Für eine Änderung des Unternehmensgegenstandes und bestimmte Kapitalmaßnahmen kann sie jedoch nur eine größere Kapitalmehrheit bestimmen3. Das Aktiengesetz enthält hinsichtlich der Mehrheitsanforderungen darüber hinaus weitere Sonderregelungen4. In den Satzungen börsennotierter Gesellschaften wird typischerweise vorgesehen, dass Hauptversammlungsbeschlüsse, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, mit einfacher Stimmenmehrheit und, soweit das Gesetz eine Kapitalmehrheit verlangt, mit einfacher Kapitalmehrheit zu fassen sind5.
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c) Sonstige Erfordernisse, Befristung und Bedingung Das Aktiengesetz selbst macht in einer Reihe von Fällen die Wirksamkeit von satzungsändernden Hauptversammlungsbeschlüssen vom Eintritt weiterer Bedingungen, wie z.B. dem Sonderbeschluss der Aktionäre einer bestimmten Gattung von Aktien (§ 179 Abs. 3 AktG) oder der Zustimmung der durch die Begründung von Nebenverpflichtungen oder der Anteilsvinkulierung nachteilig betroffenen Aktionäre (§ 180 Abs. 1, 2 AktG), abhängig. Auch können Satzungsänderungen vom Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung abhängen6. Weitere Erfordernisse können in 1 Hüffer, § 179 AktG Rz. 3; Stein in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 179 AktG Rz. 56 f.; Zöllner in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 2. 2 Hüffer, § 179 AktG Rz. 19; Stein in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 179 AktG Rz. 90, 93. 3 Bei bestimmten Satzungsänderungen, insbesondere bestimmten Kapitalerhöhungen, verlangt das Gesetz eine Mindestkapitalmehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals: z.B. bei Kapitalerhöhungen gegen Einlagen unter Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht (§ 182 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AktG) oder unter Ausschluss des Bezugsrechts (§ 186 Abs. 3 Sätze 2 und 3 AktG), bei bedingtem Kapital (§ 193 Abs. 1 AktG) oder genehmigtem Kapital (§ 202 Abs. 2 Satz 2 AktG). 4 Unter anderem für die Herabsetzung der statutarisch festgesetzten Aufsichtsratsvergütung (§ 113 Abs. 1 Satz 4 AktG) und für Entscheidungen über Satzungsbestimmungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Aufsichtsrats im Statusverfahren (§§ 97 Abs. 2 Satz 4, 98 Abs. 4 Satz 2 AktG). 5 Zu Bestimmtheitsanforderungen vgl. Stein in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 179 AktG Rz. 91. 6 Z.B. Änderung der Satzung von Versicherungsunternehmen (§§ 13 Abs. 1, 5 Abs. 3 Nr. 1 VAG); genehmigungspflichtige Änderungen des Unternehmensgegenstands (vgl. Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 37 AktG Rz. 72 ff.; Hüffer, § 37 AktG Rz. 14).
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der Satzung der Gesellschaft aufgestellt werden (§ 179 Abs. 2 Satz 3 AktG)1. Diese spielen bei börsennotierten Gesellschaften aber faktisch keine Rolle. 88
Die Hauptversammlung kann die Satzungsänderung auch in der Weise beschließen, dass sie erst zu einem bestimmten Zeitpunkt (Befristung) oder bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses (aufschiebende Bedingung) wirksam wird2. Dies kommt etwa bei der Anpassung der Satzung an eine geänderte Rechtslage oder bei miteinander in Sachzusammenhang stehenden Satzungsänderungen in Betracht. Alternativ besteht die Möglichkeit, den Vorstand in dem Hauptversammlungsbeschluss anzuweisen, die Satzungsänderung nicht vor einem bestimmten Zeitpunkt bzw. Ereignis zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden3. Aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zulässig ist es hingegen, die Geltung der Satzungsbestimmung selbst von einer Bedingung abhängig zu machen4. d) Anmeldung zum Handelsregister
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Der Vorstand5 hat die Satzungsänderung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AktG). Genügend ist die Anmeldung durch Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl. Eine Vertretung von Vorstandsmitgliedern bei der Anmeldung ist nur zulässig, wenn die Anmeldung keine Erklärungen enthält, für deren Richtigkeit die Anmeldenden zivil- oder strafrechtlich verantwortlich sind6. Die Anmeldung selbst und eine etwaige Vollmacht zur Anmeldung bedürfen der öffentlichen Beglaubigung (§ 12 Abs. 1, 2 HGB). Inhaltlich genügt es grundsätzlich, wenn die Anmeldung auf das notarielle Protokoll des Hauptversammlungsbeschlusses und die sonstigen bei Registergericht einzureichenden Unterlagen Bezug nimmt. Betrifft die Satzungsänderung hingegen einen der in § 39 AktG genannten Gegenstände (Firma, Sitz, Unternehmensgegenstand, Höhe des Grundkapitals, Vertretungsbefugnis der Vorstandsmitglieder, Dauer der Gesellschaft, genehmigtes Kapital), sind die geänderten Satzungsbestandteile hinreichend konkret in zusammengefasster Form zu bezeichnen, ohne dass allerdings der Wortlaut der geänderten Bestimmung selbst angegeben werden muss7. Der Anmeldung sind der vollständige Wortlaut der Satzung, versehen mit der Bescheinigung eines Notars, dass die geänderten Bestimmungen der Satzung mit dem Beschluss über die Satzungsänderung und die unveränderten Bestimmungen mit dem zuletzt zum Handelsregister eingereichten vollständigen Wortlaut der Satzung übereinstimmen, gegebenenfalls erforderliche staatliche Genehmigungen sowie die notarielle Niederschrift des Hauptversammlungsbeschlusses beizufügen8. Handelt es sich um eine Fassungsänderung durch den Aufsichtsrat, ist der entsprechende Aufsichtsratsbeschluss einzureichen. 1 Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 133 ff. Zu Möglichkeiten des Dritteinflusses auf die Satzungsgestaltung vgl. Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 477 f. 2 Hüffer, § 179 AktG Rz. 25 f.; Stein in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 179 AktG Rz. 46 ff.; Zöllner in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 195 ff. 3 Zöllner in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 195. 4 Hüffer, § 179 AktG Rz. 26; Stein in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 179 AktG Rz. 50. 5 Bei Maßnahmen der Kapitalerhöhung oder -herabsetzung auch der Vorsitzende des Aufsichtsrats (§§ 184 Abs. 1 Satz 1, 188 Abs. 1, 195 Abs. 1, 203 Abs. 1, 207 Abs. 1, 223, 229 Abs. 3, 237 Abs. 4 Satz 5 AktG). 6 Hüffer, § 181 AktG Rz. 4. Dies ist z.B. bei Kapitalerhöhungen nach § 399 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 AktG der Fall. 7 BGH v. 16.2.1987 – II ZB 12/86, WM 1987, 1100, 1101 (GmbH); Hüffer, § 181 AktG Rz. 6; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 181 AktG Rz. 12 f.; Zöllner in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 181 AktG Rz. 8. 8 Hüffer, § 181 AktG Rz. 7 ff.; ausführlich Zöllner in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 181 AktG Rz. 10 ff. (dort auch zu evtl. sonst erforderlichen Unterlagen).
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Die Satzung der börsennotierten AG e) Eintragung im Handelsregister
aa) Anders als im Zusammenhang mit der Gründung der Gesellschaft (§ 38 AktG) schreibt das Gesetz für Satzungsänderungen eine registergerichtliche Prüfung nicht vor. Dennoch ist anerkannt, dass dem Registergericht eine Prüfungsbefugnis in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Satzungsänderung zusteht1. Umstritten ist allerdings der Umfang seiner materiellen Prüfungsbefugnis. Da das Registergericht die Funktion einer Rechtsaufsichtsbehörde wahrnimmt2, ist es zu einer Prüfung der Zweckmäßigkeit der neuen Satzungsbestimmung nicht befugt3. Das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes nach § 241 Nr. 1 bis 4 AktG berechtigt das Gericht hingegen, die Eintragung abzulehnen. Haftet dem satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluss nur ein zur Anfechtung berechtigender Mangel an, ohne dass innerhalb der Monatsfrist Anfechtungsklage erhoben wird, ist der Beschluss endgültig wirksam und das Gericht daher gehalten, die Satzungsänderung einzutragen4. Soweit eine Befugnis zur Eintragungsverweigerung im Falle der Verletzung von gesetzlichen Vorschriften behauptet wird, durch die auch Drittinteressen geschützt werden5, dürften ohnehin nur Vorschriften in Betracht kommen, die zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind und deren Verletzung einen Nichtigkeitsgrund nach § 241 Nr. 3 Var. 3 AktG darstellt. Dass die registergerichtliche Prüfungsbefugnis eher einschränkend zu interpretieren ist, zeigt auch die durch das Handelsrechtsreformgesetz von 1998 eingefügte Bestimmung des § 38 Abs. 3 AktG, die das Registergericht lediglich aus den darin genannten Gründen zur Verweigerung der Eintragung der Gesellschaft berechtigt (dazu oben Rz. 20).
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bb) Nach § 181 Abs. 3 AktG wird die Satzungsänderung erst mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam. An ein rechtskräftiges, einer Anfechtungsklage stattgebendes Gestaltungsurteil ist das Registergericht gebunden6. Die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluss allein hindert die Eintragung der Satzungsänderung hingegen rechtlich nicht. Eine Registersperre, wie sie bei der Eingliederung (§ 319 Abs. 5 Satz 2 AktG), dem Squeeze-Out (§§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 5 Satz 2 AktG) und umwandlungsrechtlichen Maßnahmen (§ 16 Abs. 2 Satz 2 UmwG) vorgesehen ist, besteht für Satzungsänderungen nicht. Solange ein Anfechtungsurteil fehlt, liegt es im Ermessen des Gerichts, ob es die Eintragung vornimmt7. In der Praxis neigen die Registergerichte in dieser Konstellation
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1 OLG Karlsruhe v. 17.7.2001 – 14 Wx 62/00, EWiR 2002, 739 f.; Hüffer, § 181 AktG Rz. 12; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 181 AktG Rz. 21 ff.; Zöllner in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 181 AktG Rz. 29 ff. 2 Nach Hirte (Kapitalgesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2006, Rz. 6.8) und Wiedemann (in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, Vor § 182 AktG Rz. 82) soll es für börsennotierte Gesellschaften auch die Funktion einer Kapitalmarktaufsicht ausüben. 3 Hüffer, § 181 AktG Rz. 12. 4 A.A. Hüffer, § 181 AktG Rz. 14; Stein in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 118 AktG Rz. 48; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 181 AktG Rz. 25. Wiedemann meint, dass der Beschluss nach § 181 Abs. 3 AktG erst mit Eintragung wirksam wird. Er unterscheidet dabei nicht hinreichend zwischen dem Hauptversammlungsbeschluss, der grundsätzlich sofort mit Feststellung und Protokollierung wirksam wird, und der beschlossenen Satzungsänderung, die erst mit Eintragung wirksam wird. Wie hier: Semler in MünchHdb. AG, § 39 Rz. 74; OLG Köln v. 9.6.1981 – 2 Wx 11/81, GmbHR 1982, 211 f. (zur GmbH). 5 Lutter, NJW 1969, 1873 ff.; Hüffer, § 181 AktG Rz. 14; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 181 AktG Rz. 25. 6 Hüffer, § 243 AktG Rz. 54; Stein in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 181 AktG Rz. 39. 7 Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 243 AktG Rz. 126; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 243 AktG Rz. 72; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1. Aufl. 1985, § 243 Rz. 41 ff.
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Satzung und Aktie
häufig zu einer Aussetzung des Eintragungsverfahrens gemäß § 127 FGG (ab 1.9.2009 § 381 i.V.m. § 21 FamFG)1, es sei denn, die Anfechtungsklage erscheint offensichtlich oder mit zumindest weit überwiegender Wahrscheinlichkeit unzulässig oder unbegründet2. Die Erhebung der Anfechtungsklage führt damit zu einer „faktischen Registersperre“. Die damit verbundene Blockadewirkung machen sich Aktionäre immer wieder zunutze, um durch Erhebung einer Anfechtungsklage eigennützige Interessen gegenüber der Gesellschaft durchzusetzen3. f) Fassungsänderungen durch den Aufsichtsrat 92
Nach § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG kann die Hauptversammlung die Befugnis zu Änderungen der Satzung, die nur deren Fassung betreffen, dem Aufsichtsrat übertragen. Genügend ist ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluss, üblich ist die Erteilung einer entsprechenden Ermächtigung in der Satzung. Ermächtigt werden kann nur der Aufsichtsrat insgesamt als Organ der Gesellschaft, nicht einzelne Aufsichtsratsmitglieder oder -ausschüsse. Fassungsänderungen sind Änderungen der sprachlichen Fassung des Satzungstextes, die den Inhalt der Satzung unverändert lassen. Der Aufsichtsrat beschließt über die Fassungsänderung nach den für seine Beschlussfassung geltenden gesetzlichen und statutarischen Bestimmungen. Der Beschluss ist zu protokollieren und dem Vorstand zum Zwecke der Registeranmeldung zuzuleiten. 2. Satzungsdurchbrechungen
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Eine Änderung der Satzung kommt nur durch das vorstehend beschriebene formelle Verfahren zustande. Ein Abweichen des Vorstands oder des Aufsichtsrats von den Bestimmungen der Satzung ist daher unzulässig. Ihm kann mit der Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen, ggf. auch mit der Abberufung des betreffenden Organmitglieds begegnet werden. Fasst hingegen die Hauptversammlung einen Beschluss, der von den Bestimmungen der Satzung abweicht, ohne diese formell zu ändern, so spricht man von einer Satzungsdurchbrechung4. Dies ist nach herrschender Auffassung zulässig, wenn es sich um ein einmaliges, so genanntes „punktuelles“ Abweichen handelt und die Hauptversammlung mit der für eine Änderung der betreffenden Satzungsbestimmung erforderlichen Mehrheit entschieden hat, die Maßnahme trotz der Abweichung von der bestehenden Satzung als rechtmäßig anzusehen5. Hingegen sind zustandsbegründende Satzungsdurchbrechungen unzulässig6. 1 Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG). Nach Art. 112 FGG-RG hält der Rechtsausschuss ein Inkrafttreten des Gesetzes zum 1.9.2009 für sachgerecht. 2 Vgl. Winter in FS Ulmer, S. 699, 701. Vgl. den durch das UMAG eingeführten § 246a AktG, der allerdings nur für Kapitalmaßnahmen und Unternehmensverträge gilt. 3 Zum Missbrauch der Anfechtungsbefugnis, Blockadewirkung der Anfechtungsklage und Registersperre vgl. unten § 37 Rz. 92 ff., Rz. 171 ff. 4 Hüffer, § 179 AktG Rz. 7; ausführlich Zöllner in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 90 ff. 5 BGH v. 11.5.1981 – II ZR 25/80, ZIP 1981, 1205, 1206 f.; Habersack, ZGR 1994, 354, 368. Nach Hüffer (§ 179 AktG Rz. 8) ist darüber hinaus die notarielle Beurkundung des Beschlusses gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 AktG erforderlich. Zur Notwendigkeit der Eintragung vgl. Habersack, ZGR 1994, 354, 367, und Zöllner in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 98 f. 6 BGH v. 7.6.1993 – II ZR 81/92, BGHZ 123, 15, 19 (Verlängerung der Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder einer GmbH); OLG Köln v. 26.10.2000 – 18 U 79/00, AG 2001, 426 f.; Vorinstanz: LG Bonn v. 20.4.2000 – 14 O 36/00, AG 2001, 201, 202 f.; Habersack, ZGR 1994, 354 ff.
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Die Satzung der börsennotierten AG
VII. Mängel der Satzung Mängel im Zusammenhang mit der Satzung können sowohl bereits bei der Feststellung der Gründungssatzung als auch nachträglich durch eine fehlerhafte Änderung der Satzung entstehen1. Zu unterscheiden ist jeweils zwischen Mängeln, die das Zustandekommen der Gründungssatzung bzw. der Satzungsänderung oder den Inhalt der Satzung oder einzelner ihrer Bestimmungen betreffen. Für die Behandlung der Folgen von Satzungsmängeln stellt die Eintragung eine bedeutsame Zäsur dar.
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1. Fehlerhafte Gründungssatzung a) Vor der Registereintragung Im Rahmen des Eintragungsverfahrens hat das Registergericht zu prüfen, ob die Gesellschaft ordnungsgemäß errichtet ist (§ 38 Abs. 1 AktG). Dies umfasst die Überprüfung der durch die Gründer festgestellten Satzung auf mangelhafte, fehlende oder nichtige Bestimmungen. Das Fehlen oder die Nichtigkeit von Satzungsbestimmungen rechtfertigt die Ablehnung der Eintragung durch das Registergericht nur nach Maßgabe des durch das Handelsrechtsreformgesetz vom 22.6.19982 eingeführten § 38 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AktG (dazu oben Rz. 20). Außerhalb des Eintragungsverfahrens können Fehler bei der Satzungsfeststellung, wie z.B. Willensmängel einzelner Gründer, vor der Eintragung der Gesellschaft wegen der Vertragsnatur der Satzungsfeststellung nach den insoweit geltenden Vorschriften des BGB geltend gemacht werden3. Die Nichtigkeit einer einzelnen Satzungsbestimmung führt in diesem Stadium regelmäßig zu Nichtigkeit der gesamten Satzung4. Hat die Gesellschaft ihre Geschäfte bereits aufgenommen, sollen derartige Mängel nach dem Sonderrecht der fehlerhaften Gesellschaft behandelt werden5.
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b) Nach der Registereintragung Nach Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister sollen Gründungsmängel aller Art die Wirksamkeit der Gesellschaft und ihrer Satzung grundsätzlich nicht mehr berühren6. Ausnahmen sollen sich ausschließlich aus §§ 275 ff. AktG, §§ 144 f. FGG (ab 1.9.2009: §§ 397 ff. FamFG) ergeben. Nach § 275 AktG können Aktionäre oder Mitglieder des Vorstands oder Aufsichtsrats innerhalb von drei Jahren nach Eintragung der Gesellschaft Klage auf Nichtigerklärung der Gesellschaft erheben, wenn die Satzung keine Bestimmung über die Höhe des Grundkapitals oder über den Gegenstand des Unternehmens enthält oder diese Bestimmungen nichtig sind (§ 275 Abs. 1, 3 AktG). Satzungsmängel, die den Unternehmensgegenstand betreffen, kön1 Zu den Folgen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 5 AktG vgl. bereits oben Rz. 29 und § 37 Rz. 21. 2 BGBl. I 1998, 1474. 3 Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 297; Hüffer, § 23 AktG Rz. 41; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 23 AktG Rz. 110; Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 207 f. 4 § 139 BGB findet auf die Satzung vor Eintragung der Gesellschaft nach wohl h.M. keine Anwendung; vgl. Hüffer, § 23 AktG Rz. 41; Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 212 f. 5 Vgl. Hüffer, § 23 AktG Rz. 41 m.w.N.; Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 208 f. 6 BGH v. 9.10.1956 – II ZB 11/56, BGHZ 21, 378, 382 = NJW 1957, 19; Hüffer, § 23 AktG Rz. 42; Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 220; Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 23 AktG Rz. 60.
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nen unter Beachtung der gesetzlichen und statutarischen Bestimmungen für Satzungsänderungen geheilt werden (§ 276 AktG). Nach Ablauf der Dreijahresfrist kann lediglich das Registergericht die Gesellschaft unter den in §§ 275, 276 AktG genannten Voraussetzungen von Amts wegen löschen (§ 144 FGG; ab 1.9.2009: § 397 FamFG). 97
Enthält die Satzung einer eingetragenen Aktiengesellschaft eine wesentliche Bestimmung nach § 23 Abs. 3 Nr. 1, 4, 5 oder 6 AktG nicht oder ist eine dieser Bestimmungen oder die Bestimmung nach § 23 Abs. 3 Nr. 3 AktG1 nichtig, kann das Registergericht die Gesellschaft durch Feststellung des Satzungsmangels auflösen, nachdem es sie erfolglos zur Behebung des Mangels innerhalb einer bestimmten Frist aufgefordert hat (§ 144a Abs. 1, 2 FGG; ab 1.9.2009: § 399 Abs. 1, 2 FamFG)2. Die Nichtigkeit der Gesellschaft aufgrund rechtskräftigen Urteils oder registergerichtlicher Entscheidung führt nicht zur sofortigen Vollbeendigung der Gesellschaft. Diese wird vielmehr nach den für die Abwicklung im Falle der Auflösung der Gesellschaft geltenden Vorschriften liquidiert (§ 277 AktG).
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Aktionäre oder die Mitglieder von Vorstand oder Aufsichtsrat können hingegen eine Klage auf Nichtigerklärung der Gesellschaft nicht auf die Nichtigkeit sonstiger Bestimmungen der Ursprungssatzung, die nicht von § 275 AktG erfasst werden, stützen; insoweit verbleibt es bei der Möglichkeit, eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der betroffenen Satzungsbestimmung zu erheben3. Umstritten ist, ob sich die Nichtigkeit solcher Satzungsbestimmungen nach den allgemeinen Bestimmungen des BGB oder ausschließlich nach § 241 AktG richtet4. Aufgrund der durch das Handelsrechtsreformgesetz 1998 eingeführten eingeschränkten registergerichtlichen Kontrolle der Gründungssatzung und der Erstreckung der Heilungswirkung des § 242 Abs. 2 AktG auf die Gründungssatzung von Aktiengesellschaft und GmbH durch den BGH5 sprechen gute Gründe dafür, die Nichtigkeit der Bestimmungen der Gründungssatzung, die nicht § 275 AktG unterfallen, allein nach § 241 AktG zu beurteilen. Einigkeit besteht indes insoweit, dass die Geltendmachung der Nichtigkeit einzelner Satzungsbestimmungen nach Eintragung der Gesellschaft nicht zur Nichtigkeit der Satzung insgesamt führt6. 2. Fehlerhafte Satzungsänderungen
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Änderungen der Satzung sind vom Vorstand zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden und werden erst mit der Eintragung wirksam (§ 181 Abs. 1, 3 AktG). Anders als bei der Gesellschaftsgründung ist eine registergerichtliche Prüfung in Bezug auf die geänderte Satzungsbestimmung gesetzlich nicht vorgesehen. Dennoch ist allgemein anerkannt, dass das Registergericht die angemeldete Satzungsänderung eben-
1 § 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG: Firma und Sitz; § 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG: Zerlegung des Grundkapitals in Nennbetrags- oder Stückaktien, Aktiengattungen; § 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG: Inhaber- oder Namensaktien; § 23 Abs. 3 Nr. 6 AktG: Zahl der Vorstandsmitglieder oder Berechnungsregelungen; § 23 Abs. 3 Nr. 3 AktG: Höhe des Grundkapitals. 2 Vgl. näher dazu Winkler in Keidel/Kuntze/Winkler, 15. Aufl. 2003, § 144a FGG Rz. 1 ff. 3 Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 275 AktG Rz. 33. 4 Vgl. Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 299, m.w.N. in Fn. 90. 5 BGH v. 19.6.2000 – II ZR 73/99, BGHZ 144, 365, 367 f. = AG 2000, 515; dazu näher unten Rz. 109. 6 Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 297 f.
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§4
Die Satzung der börsennotierten AG
falls in formeller und materieller Hinsicht zu überprüfen hat1. Streitig ist allerdings der Umfang der Prüfung in materieller Hinsicht (dazu oben Rz. 90). a) Nichtigkeit und Anfechtbarkeit Im Hinblick auf die Mängel satzungsändernder Beschlüsse gilt wie bei sonstigen Hauptversammlungsbeschlüssen auch, dass diese im Interesse der Rechtssicherheit nur aus bestimmten Gründen und eine begrenzte Zeit geltend gemacht werden können2. Unterschieden werden üblicherweise drei Kategorien von Mängeln: Nichtigkeit, Anfechtbarkeit und Unwirksamkeit3. Dabei ist der unwirksame Beschluss kein im eigentlichen Sinne mangelhafter, sondern ein formell und materiell mangelfrei gefasster Beschluss, zu dessen Wirksamkeit jedoch noch eine weitere Bedingung hinzutreten muss4. Im eigentlichen Sinne mangelhaft sind lediglich nichtige und anfechtbare Beschlüsse. Dabei führen nur schwere Mängel zur Nichtigkeit des Beschlusses (§ 241 AktG). Diese können durch Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des betreffenden Beschlusses oder auf andere Weise geltend gemacht werden (§ 249 Abs. 1 AktG). Sonstige Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung sind durch die Erhebung einer Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung geltend zu machen (§§ 243, 246 AktG).
100
Diese Regelungen gelten auch für satzungsändernde Hauptversammlungsbeschlüsse. Auch ein satzungsändernder Beschluss, der zur Aufnahme einer nichtigen Bestimmung des Unternehmensgegenstands in der Satzung führen würde, begründet nach der im Aktienrecht herrschenden Auffassung keine Klage auf Nichtigerklärung der Gesellschaft nach § 275 AktG, sondern nur eine auf die Nichtigkeit des Änderungsbeschlusses gerichtete Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG5. Dem ist zu folgen, da im Falle der Nichtigkeit der Satzungsänderung die vorherige wirksame Satzungsbestimmung weitergilt6. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass das Registergericht von Amts wegen (§ 142 FGG) oder das dem Registergericht im Instanzenzug vorgeordnete Landgericht im Wege der Verfügung (§ 143 FGG) einen satzungsändernden Beschluss der Hauptversammlung nach seiner Registereintragung als nichtig löscht, wenn er durch seinen Inhalt zwingende gesetzliche Vorschriften verletzt und seine Beseitigung im öffentlichen Interesse erforderlich erscheint (§ 144 Abs. 2 FGG)7.
101
1 OLG Karlsruhe v. 17.7.2001 – 14 Wx 62/00, EWiR 2002, 739 f.; Hüffer, § 181 AktG Rz. 12 ff. 2 K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 241 AktG Rz. 10. 3 Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 33. Auf die so genannten Nicht- oder Scheinbeschlüsse ist an dieser Stelle nicht einzugehen. 4 Beispiele sind die Sonderbeschlüsse nach §§ 179 Abs. 3, 182 Abs. 2 AktG. 5 Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 275 AktG Rz. 24; Hüffer, § 275 AktG Rz. 13; Wiedemann in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1973, § 275 AktG Anm. 3. 6 Mit dieser Erwägung erscheint es auch angemessen, Amtsverfahren, bei denen in Folge einer Satzungsänderung tatbestandlich die Voraussetzungen für eine Löschung der Gesellschaft vorliegen (§§ 144 Abs. 1, 144a Abs. 1 FGG; ab 1.9.2009: §§ 397, 399 FamFG), auf eine Löschung des satzungsändernden Hauptversammlungsbeschlusses zu beschränken (so offenbar auch Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 275 AktG Rz. 24). 7 Ab dem 1.9.2009 erfolgt die Löschung nichtiger Beschlüsse gemäß § 398 FamFG nach den §§ 395, 396 FamFG. Der im RegE noch vorgesehene § 396 FamFG, der die Löschung einer Eintragung auf Anordnung des Landgerichts vorsah, ist in der vom Bundestag verabschiedeten Fassung entfallen. Nach § 395 FamFG kann das Registergericht wie bislang von Amts wegen, darüber hinaus auf Antrag der berufsständischen Organe tätig werden.
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§4
Satzung und Aktie
b) Folge: rückwirkende Unwirksamkeit 102
Nichtige Hauptversammlungsbeschlüsse entfalten – abgesehen vom eventuellen Eintritt der Heilungswirkung nach § 242 AktG – keine Rechtswirkungen1. Anfechtbare Hauptversammlungsbeschlüsse sind zunächst wirksam, werden aber nach fristgemäßer Erhebung einer Anfechtungsklage bei Eintritt der formellen Rechtskraft eines stattgebenden Urteils endgültig nichtig (§ 241 Nr. 5 AktG). Auch die Amtslöschung vernichtet den Beschluss rückwirkend2.
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Wird ein satzungsändernder Hauptversammlungsbeschluss durch rechtskräftiges Anfechtungsurteil für nichtig erklärt, hat der Vorstand das Urteil unverzüglich zum Handelsregister einzureichen (§ 248 Abs. 1 Satz 2 AktG). Mit dem Urteil ist der vollständige Wortlaut der Satzung, wie er sich unter Berücksichtigung des Urteils und aller bisheriger Satzungsänderungen ergibt, mit der Bescheinigung eines Notars über diese Tatsache zum Handelsregister einzureichen (§ 248 Abs. 2 AktG)3. Das Urteil ist ins Handelsregister einzutragen und bekanntzumachen (§ 248 Abs. 1 Sätze 3 und 4 AktG). Gleiches gilt im Falle eines die Nichtigkeit feststellenden Urteils (§ 249 Abs. 1 Satz 1 AktG).
104
Der Wegfall des Hauptversammlungsbeschlusses kann in Fällen, in denen nach Beschlussfassung und vor Feststellung der Beschlussnichtigkeit Ausführungshandlungen vorgenommen worden sind, Folgeprobleme in Bezug auf deren Wirksamkeit aufwerfen. Dies gilt allgemein für Satzungsänderungen, aber insbesondere für Kapitalerhöhungen. Solche Maßnahmen sind nach den für die fehlerhafte Gesellschaft entwickelten Grundsätzen solange als wirksam zu behandeln, bis die Nichtigkeit des Beschlusses unwiderruflich feststeht4. Bis zu diesem Zeitpunkt ist daher eine auf einem nichtigen oder für nichtig erklärten Beschluss der Hauptversammlung beruhende, bereits durchgeführte Kapitalerhöhung als wirksam anzusehen, bedarf jedoch danach der Rückabwicklung5. Die Rückabwicklung erfolgt nach den für die Einziehung von Aktien geltenden Vorschriften (§ 237 AktG). Kommt es zu einer Neuvornahme des Kapitalerhöhungsbeschlusses, muss es sich notwendigerweise um eine Sachkapitalerhöhung handeln, deren Einbringungsgegenstand dann – entsprechende Werthaltigkeit vorausgesetzt – die Ansprüche des Aktionärs gegen die Gesellschaft sind6.
1 2 3 4
Hüffer, § 241 AktG Rz. 4. Winkler in Keidel/Kuntze/Winkler, 15. Aufl. 2003, § 144 FGG Rz. 30. Einzelheiten bei Zöllner/Winter, ZHR 158 (1994), 59, 60 f. Vgl. Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 248 AktG Rz. 20 f.; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 248 AktG Rz. 7; Semler in MünchHdb. AG, § 41 Rz. 88. Anders offenbar der 11. Zivilsenat des BGH (v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97, BGHZ 139, 225, 231) in einer Entscheidung, in der es um die Haftung für die Unvollständigkeit eines Unternehmensberichts ging: „(…) Zu solchen Streitigkeiten gehört insbesondere eine Anfechtungsklage gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss, auf dem die Emission neuer Aktien beruht. Hat eine solche Klage Erfolg, so ist der Beschluss über die Kapitalerhöhung nichtig (§ 248 Abs. 1 AktG) mit der Folge, dass alle Zeichnungen unwirksam sind und die ausgegebenen neuen Aktien keine Mitgliedschaftsrechte an der Gesellschaft verbriefen. (…)“ 5 Im Einzelnen Kort, ZGR 1994, 291, 314 ff.; Zöllner/Winter, ZHR 158 (1994), 59, 60 ff.; auch Temme/Küperkoch, GmbHR 2004, 1556 ff. (zur GmbH); zu den Folgen der Nichtigkeit einer Kapitalerhöhung für nachfolgende Kapitalerhöhungen vgl. Trendelenburg, NZG 2003, 860 ff.; Zöllner in FS Hadding, S. 725 ff. 6 Zutreffend Zöllner/Winter, ZHR 158 (1994), 59, 84 ff. Erfolgt hingegen eine Bestätigung des ursprünglichen Kapitalerhöhungsbeschlusses nach § 244 AktG, wird diesem dadurch der Makel der Anfechtbarkeit genommen, so dass eine Einbringung der Ansprüche des Aktionärs gegen die Gesellschaft weder möglich noch notwendig ist (anders Hüffer, § 248 AktG Rz. 7a; Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 248 AktG Rz. 21).
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§4
Die Satzung der börsennotierten AG 3. Behebung von Satzungsmängeln a) Bestätigung
Berechtigt der Mangel lediglich zur Anfechtung nach § 243 AktG, führt der Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist des § 246 AktG dazu, dass der Mangel nicht mehr geltend gemacht werden kann. Um die während des Laufs der Anfechtungsfrist bzw. – im Falle der Erhebung einer Anfechtungsklage – bis zum Abschluss des Rechtsstreits bestehende Unsicherheit hinsichtlich der Bestandskraft des Beschlusses zu beseitigen, besteht die Möglichkeit der Bestätigung des anfechtbaren Hauptversammlungsbeschlusses (§ 244 AktG). Der seinerseits wirksam gefasste Bestätigungsbeschluss der Hauptversammlung führt materiell-rechtlich zum Wegfall der Anfechtbarkeit und damit zur Bestandskraft des ursprünglich anfechtbaren bzw. angefochtenen Beschlusses1. Für satzungsändernde Hauptversammlungsbeschlüsse kommt eine Bestätigung in erster Linie in Betracht, wenn der Beschluss lediglich verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist, nicht aber unter einem materiellen Mangel leidet2. Haftet auch dem Bestätigungsbeschluss der zur Anfechtung des Ausgangsbeschlusses berechtigende (materielle) Mangel an, entfaltet er die Bestätigungswirkung nur, wenn er seinerseits nicht erfolgreich angefochten und daher bestandskräftig wird3.
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b) Heilung Hauptversammlungsbeschlüsse, die unter einem Einberufungsmangel leiden, mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht vereinbar sind oder durch ihren Inhalt Vorschriften verletzen, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind oder gegen die guten Sitten verstoßen, sind nach § 241 Nr. 1, 3 oder 4 AktG nichtig. Trotz der Schwere der Mängel tritt für solche Beschlüsse unter den in § 242 Abs. 2 AktG genannten Voraussetzungen Heilungswirkung ein. Erforderlich ist, dass der betreffende Beschluss in das Handelsregister eingetragen worden ist und seit der Registereintragung drei Jahre verstrichen sind. Auch satzungsändernde Hauptversammlungsbeschlüsse unterliegen nach ganz überwiegender Meinung der Heilung nach § 242 Abs. 2 AktG, und zwar auch dann, wenn sie wegen eines Verstoßes gegen zwingendes Aktienrecht (§ 23 Abs. 5 AktG) nichtig sind4. Die lange Zeit umstrittene Frage, ob die Regelung des § 242 Abs. 2 AktG auch auf nichtige Bestimmungen der Ursprungssatzung entsprechende Anwendung findet5, hat der BGH zwischenzeitlich bejaht6.
1 BGH v. 15.12.2003 – II ZR 194/01, AG 2004, 204 ff.; vgl. auch Zöllner, AG 2004, 397, 401 f. 2 Habersack/Schürnbrand in FS Hadding, S. 391, 394. 3 Ausführlich zur Bestätigung unten § 37 Rz. 64 ff. Dort auch zur Neuvornahme und Wiederholung von Hauptversammlungsbeschlüssen. 4 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211, 216 f. = AG 1987, 152; BGH v. 19.6.2000 – II ZR 73/99, BGHZ 144, 365, 367 f. = AG 2000, 515; Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 210 ff.; Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 164; Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 204; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 241 AktG Rz. 54 und § 242 AktG Rz. 8; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1. Aufl. 1985, § 242 AktG Rz. 23. Einschränkend Stein, ZGR 1994, 472, 485 ff., die vorschlägt, die Grundsätze der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft anzuwenden. 5 Bejahend: Geßler, ZGR 1980, 427, 452 f.; Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 204 a.E.; ablehnend: K. Schmidt, AG 1996, 385, 388; Darstellung des Streitstands bei Casper, Die Heilung nichtiger Beschlüsse im Kapitalgesellschaftsrecht, S. 297 ff. 6 BGH v. 19.6.2000 – II ZR 73/99, BGHZ 144, 365, 367 f. = AG 2000, 515; wohl auch BGH v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359, 368; offengelassen in BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211, 217 = AG 1987, 152.
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§4
Satzung und Aktie
c) Änderung der Satzung 107
aa) Wird vor Eintragung der Gesellschaft ein Satzungsmangel festgestellt, der zur Nichtigkeit der Satzung führen würde und damit die Eintragung der Gesellschaft gefährdet, kann dem durch nochmalige Feststellung einer mangefreien Satzung abgeholfen werden. Für die Gründer kann aufgrund ihrer gesellschafterlichen Treuepflicht eine Verpflichtung bestehen, einer Änderung der Satzung zuzustimmen und an ihrer nochmaligen Feststellung mitzuwirken, um so die ordnungsgemäße Errichtung und Eintragung der Gesellschaft zu ermöglichen1.
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bb) Einen mittelbaren Zwang zur Satzungsänderung begründen § 275 Abs. 2 AktG, § 144a Abs. 1 FGG (ab 1.9.2009: § 399 FamFG)2, die einen zur Erhebung der Klage auf Nichtigerklärung Befugten bzw. das Registergericht ermächtigen, eine Aktiengesellschaft zur Behebung eines der in § 275 Abs. 1 AktG bzw. § 144a FGG (ab 1.9.2009: § 399 FamFG)3 bezeichneten Satzungsmängel aufzufordern. Behoben werden können nach § 276 AktG Mängel, die die Bestimmung über den Gegenstand des Unternehmens betreffen, und zwar unabhängig davon, ob eine solche Bestimmung gänzlich fehlt oder aber vorhanden, aber nichtig ist4. Gleiches gilt für die in § 144a Abs. 1 FGG (ab 1.9.2009: § 399 Abs. 1 FamFG) genannten Mängel, die die nach § 23 Abs. 3 Nr. 1, 4, 5 oder 6 AktG5 erforderlichen Bestimmungen betreffen. Hingegen ist eine Mangelbeseitigung hinsichtlich der Bestimmung über die Höhe des Grundkapitals nur möglich, wenn die Bestimmung nichtig ist, nicht aber, wenn sie gänzlich fehlt (§ 144a Abs. 1 FGG; ab 1.9.2009: § 399 Abs. 1 FamFG; § 23 Abs. 3 Nr. 3 AktG)6.
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Die Behebung des Satzungsmangels erfolgt durch satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluss. Für die Hauptversammlung und die Beschlussfassung gelten im Hinblick auf Einberufung, Teilnahme, Stimmrecht, erforderliche Stimmenmehrheit, Nichtigkeit und Anfechtbarkeit die allgemeinen Vorschriften7. Ob eine Verpflichtung der Aktionäre besteht, einer notwendigen Satzungsänderung zuzustimmen, um so an der Behebung des Satzungsmangels mitzuwirken, ist umstritten8. Generell dürfte eine Verpflichtung zu einer positiven Stimmabgabe bei Aktiengesellschaften aufgrund des dort geltenden Stimmen- bzw. Kapitalmehrheitsprinzips, bei dem Stimmenthaltungen unberücksichtigt bleiben9, nicht begründbar sein; vielmehr geht es um die Verpflichtung, notwendige Maßnahmen nicht durch eine negative Stimmabgabe zu blo-
1 OLG Karlsruhe v. 19.12.1997 – 1 U 170/97, AG 1999, 131 f.; ausführlich Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 214. 2 Nach § 399 Abs. 1 FamFG hat das Registergericht von Amts wegen oder auf Antrag der berufsständischen Organe tätig zu werden. 3 Nach § 399 Abs. 1 FamFG hat das Registergericht von Amts wegen oder auf Antrag des berufsständischen Organe tätig zu werden. 4 Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 276 AktG Rz. 4. 5 § 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG: Firma und Sitz; § 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG: Zerlegung des Grundkapitals in Nennbetrags- oder Stückaktien, Aktiengattungen; § 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG: Inhaber- oder Namensaktien; § 23 Abs. 3 Nr. 6 AktG: Zahl der Vorstandsmitglieder oder Berechnungsregelungen. 6 Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 276 AktG Rz. 5. 7 Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 276 AktG Rz. 6 ff. 8 Ablehnend: Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 276 AktG Rz. 9 f.; weniger kategorisch Hüffer, § 179 AktG Rz. 30 f.; in Ausnahmefällen bejahend: K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 243 AktG Rz. 50; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 157. 9 Vgl. Hüffer, § 133 AktG Rz. 12 (Stimmenmehrheit) und § 179 AktG Rz. 14 (Kapitalmehrheit).
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§4
Die Satzung der börsennotierten AG
ckieren1. Eine solche Verpflichtung ist zunächst – basierend auf der gesellschafterlichen Treuepflicht – für Personengesellschaften und die personalistische GmbH bejaht worden, wenn die Zustimmung zur Änderung des Gesellschaftsvertrages im Interesse der Gesellschaft dringend geboten und den Gesellschaftern zumutbar ist2. Aufgrund der Anerkennung der Treuepflicht auch der Minderheitsaktionäre einer PublikumsAktiengesellschaft durch den BGH3 wird man das Bestehen einer Verpflichtung, eine Satzungsänderung nicht zu verhindern, unter den genannten, allerdings nur in Ausnahmefällen gegebenen Voraussetzungen auch für deren Aktionäre annehmen müssen4. Erforderlich ist, dass das Abstimmungsermessen der Aktionäre auf eine bestimmte Entscheidung, die allein dem Wohl der Gesellschaft dient, reduziert sein muss, während jede andere Entscheidung der Gesellschaft schweren Schaden zufügen würde. Besteht allerdings die Gefahr der Nichtigerklärung bzw. Auflösung der Gesellschaft, dürfte die Dringlichkeit der Satzungsänderung im Interesse der Gesellschaft grundsätzlich zu bejahen sein. Eine Stimmabgabe gegen die erforderliche Satzungsänderung ist dann treuwidrig mit der Folge, dass der die notwendige Satzungsänderung ablehnende Beschluss anfechtbar ist5. Die weitergehende Auffassung, die die treuwidrige Stimmabgabe bei der Ermittlung des Abstimmungsergebnisses unberücksichtigt lassen will, damit auf diese Weise die gesetzlich oder statutarisch erforderliche Mehrheit für einen satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluss erreicht wird6, würde den Leiter einer Hauptversammlung vor der Beschlussfeststellung nach § 130 Abs. 2 AktG mit der kaum lösbaren Aufgabe belasten zu beurteilen, ob die die Satzungsänderung ablehnende Stimmabgabe treuwidrig war oder nicht. Das ist allenfalls für evident treuepflichtwidrige Stimmabgaben praktikabel7. Kommt die Gesellschaft der Aufforderung zur Beseitigung des Satzungsmangels durch eine entsprechende Änderung der Satzung nicht fristgemäß nach, können die nach § 275 Abs. 1 AktG Klagebefugten Klage auf Nichtigerklärung erheben bzw. kann das Registergericht durch Feststellung des Satzungsmangels die Auflösung der Gesellschaft herbeiführen (dazu bereits oben Rz. 96 ff.).
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cc) Die Mängel sonstiger satzungsändernder Hauptversammlungsbeschlüsse, die an einem Nichtigkeitsgrund leiden, der nicht unter § 275 AktG, § 144a FGG (ab 1.9.2009: § 399 FamFG) fällt, sondern der nach §§ 241, 249 AktG bzw. § 144 Abs. 2 FGG (ab 1.9.2009: § 398 FamFG) geltend zu machen ist, können durch Aufhebung des betreffenden Beschlusses bzw. der betreffenden Satzungsänderung und – falls erforderlich oder gewünscht – durch Verabschiedung einer mangelfreien Satzungsbestimmung beseitigt werden.
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1 Henze, ZHR 162 (1998), 186, 192. Etwas anderes kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die Zustimmung sämtlicher Aktionäre erforderlich ist; diese Fälle kommen bei der börsennotierten Gesellschaft praktisch nicht vor. 2 BGH v. 25.9.1986 – II ZR 262/85, BGHZ 98, 276 ff. (Zustimmungspflicht der GmbH-Gesellschafter zur Kapitalerhöhung infolge GmbH-Novelle 1980); BGH v. 7.7.2003 – II ZR 235/01, BGHZ 155, 329 ff. (Zustimmungspflicht der GmbH-Gesellschafter zu Heilungsmaßnahmen hinsichtlich einer verdeckten Sacheinlage). 3 BGH v. 20.3.1995 – II ZR 205/94 – „Girmes“, BGHZ 129, 136, 142 ff. = AG 1995, 368. 4 OLG Stuttgart v. 23.7.2003 – 20 U 5/03, AG 2003, 588, 590 (Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers nach § 142 AktG); K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 243 AktG Rz. 50. 5 Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172, 188 f.; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 243 AktG Rz. 50. 6 Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 157. 7 Marsch-Barner, ZHR 157 (1993), 172, 189; Hüffer, § 130 AktG Rz. 22.
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§5
Satzung und Aktie
§5 Die Aktie im Rechtsverkehr Rz. I. Die Aktie als kapitalmarktfähiges Beteiligungspapier . . . . . . . . . . .
1
1. Begriff der Aktie . . . . . . . . . . . .
1
2. Nennbetrags- und Stückaktien . . .
7
3. Die Aktie als Wertpapier . . a) Allgemeines . . . . . . . . b) Verbriefungsanspruch . . c) Inhalt der Aktienurkunde d) Mängel der Urkunde . . . e) Unteilbarkeit von Aktien
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
12 12 15 16 19 22
4. Aktienrechtliche Nebenpapiere a) Zwischenscheine . . . . . . . b) Dividendenscheine . . . . . . c) Erneuerungsscheine . . . . . d) Sonstige . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
23 23 24 25 26
5. American Depositary Receipts (ADRs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Beteiligte eines ADR-Programms c) Rechtliche Anforderungen . . . .
28 28 31 32
6. Global Shares . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Aktienarten . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wahlfreiheit . . . . . . . . . . . . c) Tatsächliche Entwicklungen . . d) Ausgabe der falschen Aktienart
. . . . .
34 34 36 37 38
2. Inhaberaktien . . . . . . . . . . . . . . 39 3. Namensaktien . . . . . . . . . . . . . 40 4. Umwandlung der Aktienart . . . . . 41 III. Aktiengattungen . . . . . . . . . . . . 44 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Gattungsbegründende Merkmale . . 45 3. Arten von Aktiengattungen . . . . . 47 a) Stammaktien und Vorzugsaktien 47 b) Sonstige Aktiengattungen . . . . . 48 4. Die Schaffung neuer Aktiengattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 5. Die Änderung des Verhältnisses bestehender Aktiengattungen zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . 53 6. Wechsel der Aktiengattung . . . . . 54 a) Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien durch Satzungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . 55
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Rz. b) Zuzahlung einer Barprämie neben der Umwandlung . . . . . . 56 c) Rückkauf von Vorzugsaktien durch die Gesellschaft . . . . . . . 57 d) Rückkauf von Vorzugsaktien und Ausgabe neuer Stammaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 IV. Verbriefung und Verwahrung . . . . 59 1. Einzel-, Sammel- und Globalurkunden . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . b) Einzelurkunden . . . . . . . c) Sammelurkunden . . . . . . d) Dauerglobalurkunden . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
59 59 60 61 62
2. Verwahrung a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . 63 b) Sonderverwahrung . . . . . . . . . 64 c) Sammelverwahrung . . . . . . . . . 65 3. Eintragung von Namensaktien im Aktienregister a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Eintragung im Aktienregister . c) Wirkung der Eintragung im Aktienregister . . . . . . . . . . . d) Löschung und Neueintragung . e) Übermittlungspflicht der mitwirkenden Kreditinstitute . . . . f) Löschungsverfahren . . . . . . . . g) Informationsrecht des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Entsprechende Geltung für Zwischenscheine . . . . . . . . .
. 69 . 70 . 71 . 72 . 74 . 75 . 76 . 77
V. Verfügungsformen . . . . . . . . . . . 78 1. Vollrechtsübertragung . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Wertpapierrechtliche Übertragung von Aktien . . . . . . . . c) Sonstige Eigentumsübertragungstatbestände, insbesondere des Depotgesetzes . . . . . . . . . d) Abtretung . . . . . . . . . . . . . . e) Gutgläubiger Erwerb . . . . . . . f) Legitimationsübertragung . . . .
. 78 . 78 . 80 . . . .
83 84 85 86
2. Bestellung beschränkt dinglicher Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3. Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 4. Kraftloserklärung und Umtausch von Aktienurkunden . . . . . . . . . 89
§5
Die Aktie im Rechtsverkehr
a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Gerichtliche Kraftloserklärung (Aufgebotsverfahren) . . . . . . . c) Kraftloserklärung durch die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . d) Austausch von Urkunden . . . .
Rz. . 89 . 90 . 91 . 92
VI. Vinkulierung von Namensaktien . 93 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Einführung und Aufhebung . . . . . 94
3. Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . 4. Betroffene Rechtsgeschäfte . . . . . 5. Zustimmung der Gesellschaft a) Zuständiges Gesellschaftsorgan b) Entscheidungsmaßstab . . . . . . c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . d) Folgen der unberechtigten Zustimmungsverweigerung . . . 6. Umgehung . . . . . . . . . . . . . . . 7. Börsenhandel . . . . . . . . . . . . .
Rz. . 96 . 98 . 99 . 100 . 101 . 102 . 103 . 104
Schrifttum: Altmeppen, Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien gegen Zuzahlung, NZG 2005, 771; Barthelmeß/Braun, Zulässigkeit schuldrechtlicher Verfügungsbeschränkungen über Aktien zugunsten der Aktiengesellschaft, AG 2000, 172; Bayer, Vorsorge- und präventive Abwehrmaßnahmen gegen feindliche Übernahmen, ZGR 2002, 588; Blitz, Namensaktien – kein Clearingproblem, in von Rosen/Seifert (Hrsg.), Die Namensaktie, 2000, S. 373; Böckenhoff/Ross, „American Depositary Receipts“ (ADR) – Strukturen und rechtliche Aspekte, WM 1993, 1781 (Teil I) und 1825 (Teil II); Böhm, „Tracking stock“ – innovatives Mittel der Kapitalbeschaffung auch für deutsche Aktiengesellschaften?, BWNotZ 2002, 73; Böning, Der Besitz der Hinterlegers an Dauerglobalaktien, ZInsO 2008, 873; Bork, Vinkulierte Namensaktien in der Zwangsvollstreckung und Insolvenz des Aktionärs, in FS Henckel, 1995, S. 23; Bredbeck/Schmidt/Sigl, Das elektronische Aktienregister (Musteraktienbuch), in von Rosen/Seifert (Hrsg.), Die Namensaktie, 2000, S. 315; Breuninger/Krüger, Tracking Stocks als Gestaltungsmittel im Spannungsfeld von Aktien- und Steuerrecht, in FS W. Müller, 2001, S. 527; Chudaska, Die Führung des Aktienbuchs für Dritte, in von Rosen/Seifert (Hrsg.), Die Namensaktie, 2000, S. 355; Dammann/Kummer, Namensaktie und Datenschutz, in von Rosen/Seifert (Hrsg.), Die Namensaktie, 2000, S. 45; Eder, Die rechtsgeschäftliche Übertragung von Aktien, NZG 2004, 107; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht – Funktionsverlust von Effektenurkunden im internationalen Rechtsverkehr, 1995; Einsele, Wertpapiere im elektronischen Bankgeschäft, WM 2001, 7; Friedl, Ein Plädoyer für Tracking Stocks, BB 2002, 1157; Fuchs, Selbständige Optionsscheine als Finanzierungsinstrument der Aktiengesellschaft, AG 1995, 433; Fuchs, Tracking Stock – Spartenaktien als Finanzierungsinstrument für deutsche Aktiengesellschaften, ZGR 2003, 167; Fuchs, Aktiengattungen, Sonderbeschlüsse und gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, in FS Immenga, 2004, S. 589; Gätsch/ Theusinger, Naked Warrants als zulässige Finanzierungsinstrumente für Aktiengesellschaften, WM 2005, 1256; Gruson, Die Doppelnotierung von Aktien deutscher Gesellschaften an der New Yorker und Frankfurter Börse: die so genannte Globale Aktie, AG 2004, 358; Habersack/Mayer, Globalverbriefte Aktien als Gegenstand sachenrechtlicher Verfügungen? – Ein (weiteres) Plädoyer für die Ablösung der Globalurkunde durch Wertrechte, WM 2000, 1678; Happ, Vom Aktienbuch zum elektronischen Aktionärsregister – Einige Bemerkungen zu einem altehrwürdigen aktienrechtlichen Institut, in FS G. Bezzenberger, 2000, S. 111; Heider, Einführung der nennwertlosen Aktie in Deutschland anlässlich der Umstellung des Gesellschaftsrechts auf den Euro, AG 1998, 1; Hirte/Knof, Das Pfandrecht an globalverbrieften Aktien in der Insolvenz, WM 2008, 7 (Teil I) und 49 (Teil II); Hoffmann, Die Verpfändung von Aktien in der Konsortialkreditpraxis, WM 2007, 1547; Horn, Die Erfüllung von Wertpapiergeschäften unter Einbeziehung eines Zentralen Kontrahenten an der Börse – Sachenrechtliche Aspekte –, WM Sonderbeilage Nr. 2/2002, S. 1; Ihrig/Streit, Aktiengesellschaft und Euro – Handlungsbedarf und Möglichkeiten der Aktiengesellschaften anlässlich der Euro-Einführung zum 1.1.1999, NZG 1998, 201; Immenga, Vertragliche Vinkulierung von Aktien?, AG 1992, 79; Kastner, Das Integrierte Aktienbuch: Unternehmen kommunizieren erfolgreich mit ihren Anlegern, in von Rosen/Seifert (Hrsg.), Die Namensaktie, 2000, S. 335; König, Kraftloserklärung nicht eingereichter Aktien von Minderheitsaktionären nach einem Squeeze-out, NZG 2006, 606; Liebscher, Umgehungsresistenz von Vinkulierungsklauseln, ZIP 2003, 825;
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§5
Satzung und Aktie
Liebscher/Lübke, Die zwangsweise Verwertung vinkulierter Anteile – zur angeblich vinkulierungsfreien Pfand- und Insolvenzverwertung, ZIP 2004, 241; Kopp, Stückaktie und EuroUmstellung – Handlungsbedarf für die Hauptversammlungssaison 1998?, BB 1998, 701; Loges/Distler, Gestaltungsmöglichkeiten durch Aktiengattungen, ZIP 2002, 467; Lutter, Die Rechten und Pflichte des Vorstands bei der Übertragung vinkulierter Namensaktien, AG 1992, 369; Lutter/Grunewald, Gesellschaften als Inhaber vinkulierter Aktien und Geschäftsanteile, AG 1989, 409; Mayer-Sparenberg, Deutsche Aktien auf dem US-amerikanischen Kapitalmarkt – eine Alternative zu ADR-Programmen?, WM 1996, 1117; Mentz/Fröhling, Die Formen der rechtsgeschäftlichen Übertragung von Aktien, NZG 2002, 201; Merkt, Die Geschichte der Namensaktie, in von Rosen/Seifert (Hrsg.), Die Namensaktie, 2000, S. 63; Mirow, Die Übertragung von Aktien im Aktienkaufvertrag – Formulierungshilfen für die Praxis, NZG 2008, 52; Modlich, Die außerbörsliche Übertragung von Aktien, DB 2002, 671; Müller-v. Pilchau, Von der physischen Urkunde zur „virtuellen“ Aktie – Die Realisierung der Girosammelverwahrung für Namensaktien in Deutschland, in von Rosen/Seifert (Hrsg.), Die Namensaktie, 2000, S. 97; Noack, Neues Recht für die Namensaktie – Zum Referentenentwurf eines NaStraG, ZIP 1999, 1993; Noack, Namensaktie und Aktienregister: Einsatz für Investor Relations und Produktmarketing – Rechtslage nach Inkrafttreten des Namensaktiengesetzes –, DB 2001, 27; Noack, Die Umstellung von Inhaber- auf Namensaktien, in FS G. Bezzenberger, 2000, S. 291; Otto, Gebundene Aktien: Vertragliche Beschränkungen der Ausübung und Übertragbarkeit von Mitgliedschaftsrechten zugunsten der AG, AG 1991, 369; F. Schäfer, Wandel- und Optionsanleihen in Deutschland – Praxisprobleme von Equity-linked-Emissionen –, in Lutter/Hirte (Hrsg.), Wandel- und Optionsanleihen in Deutschland und Europa, ZGR Sonderheft 16, 2000, S. 62; Schlitt/Löschner, Abgetrennte Optionsrechte und Naked Warrants, BKR 2002, 150; K. Schmidt, Nebenleistungsgesellschaften (§ 55 AktG, § 3 Abs. 2 GmbHG) zwischen Gesellschaftsrecht, Schuldrecht und Kartellrecht – Von der Rübenzucker-AG zum Nebenleistungsnetzwerk, in FS Immenga, 2004, S. 705; Uwe H. Schneider/ Müller-v. Pilchau, Der nicht registrierte Namensaktionär – zum Problem der freien Meldebestände, AG 2007, 181; Schwennicke, Der Ausschluss der Verbriefung der Aktien bei der kleinen Aktiengesellschaft, AG 2001, 118; Seibert, Der Ausschluss des Verbriefungsanspruchs des Aktionärs in Gesetzgebung und Praxis, DB 1999, 267; Seibert, Der Entwurf eines Gesetzes zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz – NaStraG) – Vom geltenden Recht über den Referentenentwurf zum Regierungsentwurf, in von Rosen/Seifert (Hrsg.), Die Namensaktie, 2000, S. 11; Seibert, Die neue „Verordnung über den Ersatz von Aufwendungen der Kreditinstitute“, ZIP 2003, 1270; Senger/Vogelmann, Die Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien, AG 2002, 193; Sieger/ Hasselbach, „Tracking Stock“ im deutschen Aktienrecht, BB 1999, 1277–1284; Sieger/Hasselbach, „Tracking Stock“ im deutschen Aktien- und Kapitalmarktrecht, AG 2001, 391; Sieveking/Technau, Das Problem so genannter „disponibler Stimmrechte“ zur Umgehung der Vinkulierung von Namensaktien, AG 1989, 17; Than, Internationaler Effektengiroverkehr oder Zweitverbriefung – Die Belieferung von Börsenhandelsgesellschaften in ausländischen Aktien in Deutschland und in den USA, in WM-Festgabe für Thorwald Henner, WM 1994 (Sonderheft), S. 85; Thiel, Spartenaktien für deutsche Aktiengesellschaften – Übernahme des US-amerikanischen Tracking-Stock-Modells in europäische Rechtsordnungen, 2001; Tonner, Zulässigkeit und Gestaltungsmöglichkeiten von Tracking Stocks nach deutschem Aktienrecht, IStR 2002, 317; Tonner, Tracking Stocks – Zulässigkeit und Gestaltungsmöglichkeiten von Geschäftsbereichsaktien nach deutschem Aktienrecht, 2002; v. Dryander, Depotverträge für ADR-Programme deutscher Emittenten, in von Rosen/Seifert (Hrsg.), Zugang zum US-Kapitalmarkt für deutsche Aktiengesellschaften, 1998, S. 81; von Rosen/Gebauer, Namensaktie und Investor Relations, in von Rosen/Seifert (Hrsg.), Die Namensaktie, 2000, S. 127; Wirth, Vinkulierte Namensaktien: Ermessen des Vorstandes bei der Zustimmung zur Übertragung – Ein Instrument zur Abwehr feindlicher Übernahmen? –, DB 1992, 617; Wirth/Arnold, Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien, ZGR 2002, 859; Zachert, Zugangsmöglichkeiten zum US-amerikanischen Kapitalmarkt durch American Depositary Receipts, ZIP 1993, 1426; Zachert, Zugangshindernisse und Zugangsmöglichkeiten zum USamerikanischen Eigenkapitalmarkt aus Sicht eine deutschen Unternehmens, AG 1994, 207.
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Die Aktie im Rechtsverkehr
I. Die Aktie als kapitalmarktfähiges Beteiligungspapier 1. Begriff der Aktie Der Begriff „Aktie“ ist mehrdeutig1. Nach § 1 Abs. 2 AktG hat die Aktiengesellschaft ein in Aktien zerlegtes Grundkapital. Die Aktie stellt insoweit also einen bestimmten Anteil am Grundkapital der Gesellschaft dar. Das Grundkapital der Aktiengesellschaft muss auf einen Nennbetrag in Euro lauten (§ 6 AktG) und mindestens fünfzigtausend Euro betragen (§ 7 AktG). Eine darüber hinausgehende Höhe des Grundkapitals steht im Ermessen der Gründer bzw. Aktionäre, es sei denn, gesetzliche Vorschriften sehen für bestimmte Arten von Unternehmen ein höheres Grundkapital vor. Das Grundkapital ist in der Bilanz der Aktiengesellschaft als gezeichnetes Kapital auszuweisen (§ 152 Abs. 1 Satz 1 AktG). Es bildet mit der Kapitalrücklage, den Gewinnrücklagen, dem Gewinn- bzw. Verlustvortrag und dem Jahresüberschuss bzw. -fehlbetrag das bilanzielle Eigenkapital der Gesellschaft, das auf der Passivseite der Bilanz auszuweisen ist (§ 266 Abs. 3 lit. A. HGB). Anders als das Eigenkapital der Gesellschaft, dessen Höhe infolge von Gewinnen oder Verlusten des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens stets Schwankungen unterworfen ist, handelt es sich bei dem Grundkapital um eine grundsätzlich feste Bilanzgröße, die lediglich durch Kapitalerhöhungen oder -herabsetzungen verändert werden kann.
1
Die Aktie bezeichnet darüber hinaus die Mitgliedschaft des Aktionärs in der Aktiengesellschaft, verstanden als ein Bündel von Rechten und Pflichten, die dem Aktionär aufgrund seiner Beteiligung an der Gesellschaft dieser gegenüber zustehen2. Mitgliedschaftsrechte werden unterschieden in Verwaltungsrechte (dazu zählen das Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung, das Auskunftsrecht, das Stimmrecht, das Recht, Hauptversammlungsbeschlüsse gerichtlich überprüfen zu lassen) und Vermögensrechte (dazu zählen das Gewinnbezugsrecht, das Bezugsrecht auf junge Aktien und das Recht auf Beteiligung am Gesellschaftsvermögen). Zu den Pflichten des Mitglieds gehört im Wesentlichen die Erbringung der Einlageleistung, darüber hinaus die Leistung von Nebenverpflichtungen, soweit diese statutarisch vorgesehen sind (§ 55 Abs. 1 AktG).
2
Schließlich stellt die Aktie als Wertpapier das in einer Urkunde verbriefte Substrat der Mitgliedschaft dar. Neben Schuldverschreibungen stellen Aktien die wichtigsten am Kapitalmarkt gehandelten Wertpapiere dar. Ihre Zahl ist – bedingt durch den Börsenboom in der zweiten Hälfte der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts und die steigenden Grundkapitalziffern der börsennotierten Gesellschaften – auch in Deutschland erheblich gestiegen. Durch die Verbriefung wird die Mitgliedschaft in der Gesellschaft, der ansonsten die Qualität eines anderen Rechts im Sinne des § 413 BGB zukommt und die dementsprechend nach §§ 398 ff. BGB durch Abtretung übertragen wird, „versachenrechtlicht“. Der Besitz der Aktienurkunde begründet Legitimationswirkung, d.h. die Vermutung, dass der Inhaber der Urkunde auch Inhaber des mate-
3
1 Einen Überblick über die Geschichte der Aktie geben Merkt in von Rosen/Seifert, Die Namensaktie, S. 63, 65 ff., und Noack, ZIP 1999, 1993 f.; vgl. auch oben § 1 Rz. 1 ff. 2 Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 1 AktG Rz. 97; Wiesner in MünchHdb. AG, § 12 Rz. 1. Kein wertpapiermäßig in der Aktie verkörpertes Mitgliedschaftsrecht, sondern ein schuldrechtlicher Anspruch auf der Grundlage eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrages, der in der Person jedes außenstehenden Aktionärs jeweils neu entsteht, ist nach Auffassung des BGH der Anspruch auf Abfindung des außenstehenden Aktionärs gegen das herrschende Unternehmen nach § 305 AktG (vgl. BGH v. 8.5.2006 – II ZR 27/05 – „Jenoptik“, ZIP 2006, 1392, 1394 m. Anm. Braun/Krämer = AG 2006, 543); dazu Lehmann, WM 2007, 771 ff.
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Satzung und Aktie
riellen Mitgliedschaftsrechts ist. Die Übertragung der Aktien erfolgt grundsätzlich nach den für bewegliche Sachen geltenden Bestimmungen (§§ 929 ff. BGB), gutgläubiger Erwerb ist möglich. Dadurch wird das Mitgliedschaftsrecht – und damit der in ihm verkörperte wirtschaftliche Wert – in erhöhtem Maße verkehrsfähig. Allerdings kommt es heute, da der Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils statutarisch regelmäßig ausgeschlossen wird (§ 10 Abs. 5 AktG), in der Regel nicht mehr zur Ausgabe von Einzelurkunden (so genannte „effektive Stücke“), sondern die Verbriefung der Aktien erfolgt regelmäßig in Globalurkunden, die in Sammelverwahrung genommen werden. Damit verbunden ist eine weitgehende Entmaterialisierung der Aktie als Wertpapier. 4
Zur Ausgabe von Aktien als Mitgliedschaftsrechten kann es bei Gründung einer Aktiengesellschaft und bei einer Erhöhung des Grundkapitals der bestehenden Aktiengesellschaft kommen. Die Ausgabe von Aktienurkunden ohne Begründung neuer Mitgliedschaften ist bei einer Neueinteilung des unverändert bleibenden Grundkapitals (Aktiensplit) denkbar.
5
Die Gründung der Aktiengesellschaft erfolgt durch notariellen Errichtungsakt, in dessen Verlauf insbesondere die Satzung der Gesellschaft festgestellt (§ 23 Abs. 1 AktG), regelmäßig – wenn auch rechtlich nicht notwendig – der erste Aufsichtsrat bestellt (§ 30 Abs. 1 AktG) und die Übernahme der Aktien durch die Gründer erklärt wird (§ 29 AktG). Im Anschluss daran erfolgt die Leistung der (Bar- oder Sach-)Einlagen durch die Gründer an die Gesellschaft zumindest in Höhe des gesetzlich erforderlichen Umfangs (§ 36 a AktG). Erforderlich sind außerdem die Erstattung eines Gründungsberichts durch die Gründer (§ 32 AktG), eine Gründungsprüfung durch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrat (§§ 33 Abs. 1, 34 AktG) sowie unter bestimmten Voraussetzungen eine Prüfung durch einen oder mehrere externe Gründungsprüfer (§§ 33 Abs. 2 bis 5, 34 AktG). Im Anschluss daran ist die Gesellschaft von allen Gründern sowie Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden (§§ 36, 37 AktG). Durch die Eintragung ins Handelsregister entsteht die Gesellschaft als rechtsfähige juristische Person (§ 41 Abs. 1 AktG) und die Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft. Erst jetzt dürfen Aktien durch die Gesellschaft an die Gründer ausgegeben werden (§ 41 Abs. 4 AktG).
6
Die ordentliche Kapitalerhöhung setzt einen Kapitalerhöhungsbeschluss durch die Hauptversammlung voraus (§ 182 AktG). Die Einlageverpflichtung der an der Kapitalerhöhung teilnehmenden Personen entsteht durch Abschluss eines Zeichnungsvertrages im Wege der Unterzeichnung und Begebung eines Zeichnungsscheins (§ 185 AktG). Sowohl der Kapitalerhöhungsbeschluss als auch die Durchführung der Kapitalerhöhung bedürfen der Eintragung ins Handelsregister (§§ 184, 188 AktG). Erst mit der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung wird diese wirksam (§ 189 AktG) und können neue Aktien ausgegeben werden (§ 191 AktG). Besondere Bestimmungen gelten für die bedingte Kapitalerhöhung (§§ 192 ff. AktG) und das genehmigte Kapital (§§ 202 ff. AktG). 2. Nennbetrags- und Stückaktien
7
Nach dem durch das Gesetz über die Zulassung von Stückaktien (Stückaktiengesetz) vom 25.3.19981 geänderten § 8 Abs. 1 AktG können Aktien entweder als Nennbetragsaktien oder als Stückaktien begründet werden. Dabei muss sich die in der Satzung zu treffende Festlegung (§ 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG) aus Gründen der Klarheit und 1 BGBl. I 1998, 590.
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Die Aktie im Rechtsverkehr
Praktikabilität auf das gesamte Grundkapital der Gesellschaft beziehen, ein Nebeneinander von Nennbetrags- und Stückaktien ist nicht zulässig1. Nach § 8 Abs. 2 AktG müssen Nennbetragsaktien auf einen Nennbetrag in vollen Euro von mindestens Euro 1,- lauten. Aktien über einen geringeren Ausgabebetrag sind nichtig. Für den Schaden aus der Ausgabe zu einem zu geringen Ausgabebetrag sind die Ausgebenden den Inhabern als Gesamtschuldner verantwortlich. Die Summe der Nennbeträge der von der Gesellschaft ausgegebenen Aktien entspricht dem Nennbetrag des Grundkapitals der Gesellschaft. Dementsprechend bestimmt sich der Anteil am Grundkapital, den die einzelne Nennbetragsaktie repräsentiert, nach dem Verhältnis ihres Nennbetrags zum Grundkapital der Gesellschaft.
8
Stückaktien hingegen haben keinen Nennbetrag (§ 8 Abs. 3 AktG). Der Anteil am Grundkapital, den sie repräsentieren, bestimmt sich nach der Zahl der ausgegebenen Aktien. Die Stückaktien einer Gesellschaft müssen daher am Grundkapital der Gesellschaft in gleichem Umfang beteiligt sein. Auch der auf die einzelne Stückaktie entfallende anteilige Betrag des Grundkapitals darf Euro 1,– nicht unterschreiten. Da sich für die einzelne Stückaktie ein anteiliger Betrag am Grundkapital ermitteln lässt, bezeichnet man sie als „unechte Stückaktie“ im Gegensatz zur „echten Stückaktie“, die einen bestimmten in Form einer Bruchzahl ausgedrückten Anteil am Grundkapital verkörpert.
9
Die gesetzliche Zulassung von Stückaktien in Deutschland erfolgte im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erlass der Vorschriften zur Euro-Umstellung aufgrund des Gesetzes zur Einführung des Euro (EuroEG) vom 9.6.19982. Danach sind seit dem 1.1.2002 Neugründungen von Aktiengesellschaften nur noch mit einem auf Euro lautenden Grundkapital möglich. Für Gesellschaften, die ein in D-Mark ausgewiesenes Grundkapital hatten, bestand eine gesetzliche Pflicht zur Umstellung auf Euro nur bei einer Änderung des Grundkapitals nach dem 31.12.2001 (§ 3 Abs. 5 EGAktG). Da Kursfeststellungen an den deutschen Börsen seit Anfang 1999 lediglich noch in Euro erfolgen, bestand für börsennotierte Aktiengesellschaften die Notwendigkeit, ihr Grundkapital auf Euro umzustellen. Die Einführung der Stückaktie erleichterte die Euro-Umstellung, da neben dieser eine Glättung des Grundkapitals oder des auf die einzelne Stückaktie entfallenden Anteils am Grundkapital nicht erforderlich war, wenngleich sie auch in der Praxis im Regelfall erfolgte3.
10
Die Umstellung von Nennbetrags- auf Stückaktien erfordert eine Änderung der Satzung (§ 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG), für die die in §§ 179 ff. AktG und in der Satzung der Gesellschaft vorgesehenen Regelungen gelten. Da durch die Änderung von Nennbetrags- in Stückaktien sowohl der Umfang der Anteilsrechte der Aktionäre als auch das Verhältnis verschiedener Aktiengattungen zueinander unverändert bleiben, bedarf es weder der Zustimmung sämtlicher Aktionäre noch eines Sonderbeschlusses der Aktionäre einzelner Aktiengattungen4. Im Zusammenhang mit der Umstellung von Nennbetrags- auf Stückaktien ist darüber hinaus eine Anpassung aller Satzungsbestimmungen erforderlich, die den Aktiennennbetrag zum Gegenstand haben bzw. auf diesen Bezug nehmen5. Neben der statutarischen Regelung in Bezug auf die Ein-
11
1 Hüffer, § 8 AktG Rz. 4. 2 BGBl. I 1998, 1242. 3 So wurden Nennbetragsaktien mit einem Nennbetrag von DM 5,- häufig in Stückaktien umgestellt, die einen rechnerischen Anteil von Euro 2,56 am Grundkapital der Gesellschaft repräsentieren (vgl. z.B. die Daimler AG, die Deutsche Bank AG, die Beiersdorf AG). 4 Heider, AG 1998, 1, 8 f.; Ihrig/Streit, NZG 1998, 201, 205. 5 Ihrig/Streit, NZG 1998, 201, 205.
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Satzung und Aktie
teilung des Grundkapitals sind dies insbesondere ggf. bestehende genehmigte und bedingte Kapitalia, Wandelschuldverschreibungen, Vorzugsdividenden und variable Bestandteile der Aufsichtsratsvergütung, soweit diese auf eine bestimmte Kennzahl pro Aktie Bezug nehmen1. Mit Wirksamwerden der Umstellung auf Stückaktien durch Eintragung der entsprechenden Satzungsänderung im Handelsregister (§ 181 Abs. 3 AktG) werden die ausgegebenen Aktienurkunden unrichtig. Die Gesellschaft kann die Aktionäre gemäß § 73 AktG auffordern, die unrichtigen Aktienurkunden bei ihr zum Zwecke des Umtausches oder der Berichtigung einzureichen und sie, sollte dies nicht fristgemäß geschehen, für kraftlos erklären2. § 73 Abs. 1 Satz 2 AktG findet keine Anwendung, da die Einführung von Stückaktien qualitativ nicht gleichbedeutend ist mit der Änderung des Nennbetrags von Nennbetragsaktien3. Von dem aufwendigen und kostenintensiven Verfahren nach § 73 AktG kann abgesehen werden mit der Folge, dass die Nennbetragsaktien Stückaktien repräsentieren, solange nicht die Gefahr der Irreführung besteht4. 3. Die Aktie als Wertpapier a) Allgemeines 12
Wertpapiere im zivil- bzw. wertpapierrechtlichen Sinne sind nach herrschender Meinung Urkunden, die ein privates Recht in der Weise verbriefen, dass zu seiner Geltendmachung die Innehabung der Urkunde erforderlich ist5. Aktien, und zwar sowohl die Inhaberaktie als Inhaberpapier als auch die Namensaktie als Orderpapier, sind Wertpapiere im Sinne dieser Definition6. Der an den Anforderungen des Kapitalmarkts orientierte Begriff des Wertpapiers im kapitalmarktrechtlichen Sinne ist in § 1 Abs. 11 Satz 2 KWG und § 2 Abs. 1 WpHG gleichlautend definiert7. Danach zählen Aktien, auch wenn über sie keine Urkunden ausgestellt sind, zu den Wertpapieren im Sinne dieser Bestimmungen, und zwar wiederum unabhängig von ihrer Erscheinungsform als Inhaber-, Namens- oder vinkulierte Namensaktie8.
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Die Verbriefung von Mitgliedschaftsrechten in Urkunden ist im deutschen Gesellschafts- und Verbandsrecht nur bei der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien vorgesehen. Das GmbH-, Personengesellschafts- und Vereinsrecht kennen die Verbriefung von Gesellschaftsanteilen nicht. Damit unterscheidet sich die deutsche Rechtsordnung von ausländischen Rechtsordnungen, die auch für nicht börsennotierte Unternehmensformen die Verbriefung der entsprechenden Gesellschaftsanteile kennen (vgl. „share certificates“ für die englische Ltd.). Dabei ist auch im Aktiengesetz die Ausgabe von Aktienurkunden nicht ausdrücklich geregelt, sondern wird vom Gesetz an verschiedenen Stellen vorausgesetzt9. Allerdings ist eine 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Heider, AG 1998, 1, 8 ff.; Ihrig/Streit, NZG 1998, 201, 205 ff. Hüffer, § 8 AktG Rz. 28. Vgl. Begr. RegE zu § 8 AktG, BT-Drucks. 13/9573, S. 14. Begr. RegE zu § 8 AktG, BT-Drucks. 13/9573, S. 14; Hüffer, § 8 AktG Rz. 28; zum Ganzen auch Kopp, BB 1998, 701, 703 f.; zum Verfahren der Kraftloserklärung von Aktienurkunden nach § 73 AktG vgl. unten Rz. 91. Hüffer in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2004, Vor § 793 BGB Rz. 6 ff.; Zöllner, Wertpapierrecht, 14. Aufl. 1987, S. 14 ff.; Überblick über die verschiedenen gesetzlichen Wertpapierbegriffe bei Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechsel- und Scheckgesetz, 23. Aufl. 2008, WPR Rz. 10 ff. Hüffer in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2004, Vor § 793 BGB Rz. 14, 15. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.94 ff. Vgl. auch § 1 Abs. 1 DepotG. Beck in Schwark, § 2 WpHG Rz. 5. Vgl. z.B. § 10 Abs. 1 AktG (Inhaber- oder Namensaktien), § 123 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AktG.
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Die Aktie im Rechtsverkehr
Verbriefung des Mitgliedschaftsrechts für seine Entstehung grundsätzlich nicht erforderlich. Vielmehr entsteht dieses regelmäßig durch die konstitutive Handelsregistereintragung der Gesellschaft (§ 41 Abs. 1 Satz 1 AktG), der Durchführung einer ordentlichen Kapitalerhöhung (§ 189 AktG) bzw. einer Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital (§§ 203 Abs. 1 Satz 1, 189 AktG) oder des Beschlusses über die Erhöhung des Grundkapitals aus Gesellschaftsmitteln (§ 211 AktG). Der Verbriefung selbst kommt in diesen Fällen nur deklaratorische Bedeutung zu1. Eine Ausnahme bildet insoweit die bedingte Kapitalerhöhung: Hier wird die Kapitalerhöhung nicht durch Registereintragung, sondern durch Ausgabe von Bezugsaktien wirksam (§ 200 AktG). Der Eintragung ins Handelsregister, deren Anmeldung innerhalb eines Monats nach Ablauf des Geschäftsjahres, in dem die Bezugsaktien ausgegeben worden sind, zu erfolgen hat (§ 201 Abs. 1 AktG), kommt lediglich deklaratorische Bedeutung zu2. Voraussetzung für die Entstehung der Mitgliedschaft bei einer Kapitalerhöhung durch bedingtes Kapital ist nach überwiegender Meinung die Verschaffung des Eigentums an der wirksam ausgestellten Aktienurkunde und der Abschluss eines entsprechenden Begebungsvertrages, da auf diese Weise trotz des Fehlens einer konstitutiv wirkenden Registereintragung ein äußerlich erkennbares Zeichen für das Wirksamwerden der Kapitalerhöhung geschaffen wird3. Ob die Eigentumsverschaffung durch die Gesellschaft an die Bezugsberechtigten nur im Wege des § 929 Satz 1 BGB erfolgen kann4 oder ob auch die anderen Übereignungstatbestände der §§ 929 ff. BGB in Betracht kommen, ist umstritten. In jüngster Zeit geht die Tendenz dahin, auch die Übereignung nach § 929 Satz 2 BGB (Übereignung durch bloße Einigung über den Eigentumsübergang im Falle des Besitzes des Erwerbers)5 und nach §§ 929 Satz 1, 931 BGB (Einigung über den Eigentumsübergang und Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen einen Dritten) als ausreichend anzusehen, nicht aber eine solche nach §§ 929 Satz 1, 930 BGB (Einigung über den Eigentumsübergang und Besitzkonstitut zwischen Veräußerer und Erwerber), da nur schwerlich von einer „Ausgabe“ gesprochen werden könne, wenn die Gesellschaft im Besitz der Aktie bleibe6. Jedoch erscheint auch die letztgenannte Einschränkung nicht zwingend: Wenn die Gesellschaft es übernimmt, für ihre Aktionäre die Aktienurkunden zu verwahren7, stellt es einen unnötigen Formalismus dar, wenn die Gesellschaft die Urkunden zunächst an die Aktionäre übergeben muss, damit diese sie dann zur Verwahrung an die Gesellschaft zurückgeben. Zum Zwecke der Dokumentation der Aktienausgabe dürfte es vielmehr genügen, dass die Gesellschaft und die Bezugsaktionäre den Verwahrvertrag in schriftlicher Form abschließen. Sollen die aus einer bedingten Kapitalerhöhung stammenden Aktien – wie heute verbreitet üblich – in einer Globalurkunde verbrieft werden, so ist dies zulässig8. Da allerdings zum Zeitpunkt 1 Hüffer, § 13 AktG Rz. 3. 2 Hüffer, § 200 AktG Rz. 2. 3 Frey in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 199 AktG Rz. 12; Hüffer, § 199 AktG Rz. 3 und § 200 AktG Rz. 2; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 199 AktG Rz. 3 und § 200 AktG Rz. 3; a.A. Geßler/Bungeroth in G/H/E/K, § 199 AktG Rz. 36; zweifelnd auch Krieger in MünchHdb. AG, § 57 Rz. 42, wegen der nach § 10 Abs. 5 AktG bestehenden Möglichkeit des Ausschlusses des Anspruchs des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils. 4 So Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 199 AktG Rz. 3. 5 Ob dieser Fall praktisch relevant ist, erscheint fraglich: Die Gesellschaft als Ausstellerin der Urkunde hält an dieser zunächst unmittelbaren (Eigen-)Besitz. Dass sie den Besitz auf die Bezugsberechtigten überträgt, ohne diesen zugleich Eigentum an den Urkunden zu verschaffen, erscheint kaum denkbar. 6 Frey in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 199 AktG Rz. 17. 7 Zu der damit unter Umständen verbunden bankrechtlichen Erlaubnispflicht vgl. unten Rz. 63. 8 Krieger in MünchHdb. AG, § 57 Rz. 42.
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§5
Satzung und Aktie
der Schaffung der Urkunde noch nicht sämtliche aufgrund des bedingten Kapitals entstehenden Mitgliedschaften feststehen oder gar schon bestehen, diese vielmehr erst sukzessive nach Ausübung des Bezugsrechts aufgrund der Ausgabe von Bezugsaktien entstehen, behilft man sich in der Praxis in diesen Fällen mit „bis zu“-Globalurkunden1. b) Verbriefungsanspruch 15
Unabhängig von der grundsätzlich nicht bestehenden Notwendigkeit einer Verbriefung der Aktien wird ein Anspruch jedes Aktionärs gegen die Gesellschaft auf Verbriefung der Aktien vorausgesetzt. Dies wird aus § 10 Abs. 5 AktG gefolgert, aufgrund dessen zwar der Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils statutarisch ausgeschlossen werden kann, der aber einen – in seinem Kern unantastbaren – Anspruch jedes Aktionärs auf Ausstellung einer Aktienurkunde gerade voraussetzt2. § 10 Abs. 5 AktG wurde durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.19983 geändert. Der bis dahin geltende, erst durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2.8.19944 eingeführte § 10 Abs. 5 AktG ermöglichte lediglich, in der Satzung den Anspruch der Aktionäre auf Einzelverbriefung auszuschließen, beließ ihnen aber die Möglichkeit, die von ihnen gehaltenen Aktien in einer Sammelurkunde (Mehrfachurkunde) verbriefen zu lassen. Der nach § 10 Abs. 5 AktG bei entsprechender Satzungsgestaltung verbleibende unentziehbare Verbriefungsanspruch des Aktionärs kann durch die Ausstellung einer oder mehrerer Globalurkunden über den gesamten Aktienbestand der Gesellschaft erfüllt werden (dazu im Einzelnen unten Rz. 61 f.). In der Praxis wird von der Möglichkeit des § 10 Abs. 5 AktG ganz überwiegend Gebrauch gemacht. c) Inhalt der Aktienurkunde
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Welchen Inhalt Aktienurkunden haben müssen, ist im Aktiengesetz nicht abschließend geregelt. Teilaspekte werden insoweit in den §§ 8, 10, 13 und 55 AktG angesprochen: Bei Nennbetragsaktien muss die Urkunde den Nennbetrag, bei Stückaktien die Zahl der verkörperten Aktien enthalten (§ 8 Abs. 4 AktG). Vor der Leistung des vollen Ausgabebetrages dürfen lediglich Namensaktien ausgegeben werden, in denen der Betrag der Teilleistungen anzugeben ist (§ 10 Abs. 2 Satz 2 AktG). Ist der Aktionär aufgrund seiner Mitgliedschaft verpflichtet, neben der Einlage auf das Grundkapital wiederkehrende, nicht in Geld bestehende Leistungen zu erbringen, setzt dies die Ausgabe vinkulierter Namensaktien voraus, in denen die Verpflichtung und der Umfang der Leistungen und, ob diese entgeltlich oder unentgeltlich zu erbringen sind, anzugeben sind (§ 55 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AktG). Neben diesen aktienrechtlichen Anforderungen muss die Urkunde die Aktiengesellschaft als den Aussteller sowie die Tatsache erkennen lassen, dass sie die Mitgliedschaft in der ausstellenden Aktiengesellschaft verkörpert5. 1 Frey in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 199 AktG Rz. 19 f.; vgl. auch unten § 44 Rz. 54. 2 Hüffer, § 10 AktG Rz. 10; Modlich, DB 2002, 671, 672; Seibert, DB 1999, 267, 269; auch Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 10 AktG Rz. 58; näher zu der auf § 10 Abs. 5 AktG beruhenden Möglichkeit der Ausstellung von Dauerglobalurkunden unten Rz. 62. 3 BGBl. I 1998, 786. 4 BGBl. I 1994, 1961. 5 Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 13 AktG Rz. 8 f.; Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 13 AktG Rz. 10 f.; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 13 AktG Rz. 5; Schäfer in Happ, Aktienrecht, 4.01 Rz. 2, S. 537.
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§5
Die Aktie im Rechtsverkehr
Wie jede Urkunde muss auch die Aktienurkunde schriftlich abgefasst sein, wobei jede Form der schriftlichen Fassung genügt und die Art der Herstellung im Ermessen des Vorstands steht. Die Aktienurkunde ist in der Form des § 13 AktG zu unterzeichnen. Dafür zuständig sind die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft, die in vertretungsberechtigter Zahl handeln müssen1. Deren eigenhändige Namenszeichnung genügt stets, ist aber nach § 13 Satz 1 AktG nicht erforderlich. Vielmehr genügt eine durch Stempel, Druck oder in sonstiger Weise (Faksimile) vervielfältigte Namensunterschrift, die mit Wissen und Wollen des Namensträgers auf die Urkunde gelangt2. Die Gültigkeit der Unterzeichnung kann nach § 13 Satz 2 AktG von der Beachtung einer besonderen Form, z.B. der zusätzlichen Unterschrift einer Kontrollperson, etwa des Aufsichtsratsvorsitzenden oder eines Kontrollbeamten3, abhängig gemacht werden. Solche Formerfordernisse sind von den Gründern in der Ursprungssatzung oder durch die Hauptversammlung durch einfachen Beschluss vorzusehen4.
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Sollen die Aktien zum Handel an einer deutschen Wertpapierbörse zugelassen werden, ist für die Ausgabe von in ausgedruckten Einzelurkunden verbrieften Aktien Voraussetzung, dass die Druckausstattung der Urkunden einen ausreichenden Schutz vor Fälschung bietet (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV). Dafür sind die „Gemeinsamen Grundsätze der deutschen Wertpapierbörsen für den Druck von Wertpapieren (‚Druckrichtlinien‘)“ vom 13.10.1991 in der zuletzt am 17.4.2000 geänderten Fassung zu beachten 5. Diese Bestimmungen haben jedoch erheblich an praktischer Bedeutung verloren, da Aktiengesellschaften regelmäßig keine Einzelurkunden mehr ausgeben, sondern von der durch § 10 Abs. 5 AktG geschaffenen Möglichkeit Gebrauch machen, den Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils statutarisch auszuschließen. In diesem Fall erfolgt die Verbriefung in einer oder mehreren Dauerglobalurkunden im Sinne von § 9 a DepotG, die bei der Clearstream Banking AG als Wertpapiersammelbank eingeliefert und in Girosammelverwahrung genommen werden6. Auch die umstrittene Frage, ob Aktienurkunden zu ihrer Wirksamkeit der Kennzeichnung, etwa durch Anbringung eines Serienzeichens oder einer Seriennummer, bedürfen7, hat zumindest für börsennotierte Aktiengesellschaften aus diesem Grunde nur noch geringe praktische Bedeutung. Neben die für börsengehandelte Aktien nach Abschnitt A. II. 1. 2. 1 der Druckrichtlinien erforderliche Angabe der Wertpapier-Kennnummer (WKN) ist 2003 für den internationalen Wertpapierhandel die International Security Identification Number (ISIN) getreten8.
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1 Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 13 AktG Rz. 25; Hüffer, § 13 AktG Rz. 6. 2 Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 13 AktG Rz. 26. 3 Abschnitt B. V. 5 der „Gemeinsamen Grundsätze der deutschen Wertpapierbörsen für den Druck von Wertpapieren (‚Druckrichtlinien‘)“ vom 13.10.1991 in der Fassung vom 17.4.2000 verlangt für Einzelurkunden, die zum Börsenhandel zugelassen werden sollen, eine Kontrollunterschrift. Diese wird im Regelfall von der die Emission begleitenden Bank geleistet. Die Notwendigkeit einer Kontrollunterschrift zur Erlangung der Börsenzulassung entfällt, wenn mindestens eine Unterschrift des Wertpapierausstellers handschriftlich geleistet wird. Da börsennotierte Wertpapiere heute im Regelfall als Globalurkunden verbrieft sind, die von den vertretungsberechtigten Organmitgliedern des Ausstellers persönlich unterzeichnet sind, ist die Abgabe einer Kontrollunterschrift zur Erlangung der Börsenzulassung nur noch in seltenen Ausnahmefällen erforderlich. 4 Hüffer, § 13 AktG Rz. 7. 5 Schäfer in Happ, Aktienrecht, 4.01 Rz. 2, S. 537. Die Druckrichtlinien sind auf der Internetseite der Deutsche Börse AG unter www.deutsche-boerse.com abrufbar. 6 Heidelbach in Schwark, § 8 BörsZulV Rz. 1 f. Vgl. dazu im Einzelnen unten Rz. 62 ff. 7 So die wohl h.M.: vgl. Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 13 AktG Rz. 14 und 21; Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 13 AktG Rz. 9; Hüffer, § 13 AktG Rz. 4; a.A. Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 13 AktG Rz. 9. 8 Schäfer in Happ, Aktienrecht, 4.01 Rz. 3, S. 538.
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Satzung und Aktie
d) Mängel der Urkunde 19
Wenn die Aktienurkunde den Aussteller oder die Tatsache, dass ein Mitgliedschaftsrecht am Aussteller verbrieft wird, nicht erkennen lässt, die Aktienurkunde nicht auf einen Nennbetrag oder eine bestimmte Zahl an Stückaktien lautet oder keine dem § 13 Satz 1 AktG genügende Unterschriftsleistung enthält bzw. die sich aus der Urkunde ergebenden zusätzlichen Formerfordernisse des § 13 Satz 2 AktG nicht eingehalten sind, liegt keine wirksame wertpapiermäßige Verbriefung der Mitgliedschaft in der Gesellschaft vor1. Der Bestand der Mitgliedschaft, die mit der Eintragung der Gründung der Gesellschaft bzw. der Durchführung einer Kapitalerhöhung wirksam geworden ist und die Verbriefung grundsätzlich nicht voraussetzt, bleibt davon unberührt2. Einfluss hat die unwirksame Verbriefung lediglich auf die wertpapiermäßige Übertragung der Aktien und die damit verbundene Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs.
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Wird entgegen § 10 Abs. 2 Satz 2 AktG bei nicht voll erbrachter Leistung des Ausgabebetrages der Betrag der Teilleistungen in der Aktienurkunde nicht angegeben oder enthält die Aktienurkunde keinen Hinweis auf bestehende Nebenverpflichtungen im Sinne des § 55 Abs. 1 AktG, ist die Verbriefung dennoch wirksam3. Ein gutgläubiger Zweiterwerber der Urkunde erwirbt die Mitgliedschaft frei von der Pflicht zur Leistung des Restausgabebetrages bzw. zur Erbringung von Nebenpflichten4. Der pflichtwidrig handelnde Verfasser der Urkunde, also im Regelfall die unterzeichnenden Vorstandsmitglieder gemäß § 93 Abs. 2 AktG, aber auch die sonstigen Unterzeichner der Urkunde, wie z.B. Aufsichtsratsmitglieder oder die emissionsbegleitende Bank, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
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Wird gegen das Gebot, Nennbetragsaktien für einen Nennbetrag bzw. Stückaktien für einen anteiligen Betrag des Grundkapitals von mindestens Euro 1,– auszugeben (§ 8 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 3 AktG), verstoßen, sind die Aktien nichtig. Für den Schaden aus der Ausgabe sind die Ausgeber den Inhabern als Gesamtschuldner verantwortlich. Für die handelnden Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu Euro 25 000,– geahndet werden kann (§ 405 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 AktG). e) Unteilbarkeit von Aktien
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Aktien sind unteilbar (§ 8 Abs. 5 AktG). Das unterscheidet die Aktie vom GmbH-Geschäftsanteil, der zumindest für den Fall der Veräußerung oder Vererbung – vorbehaltlich einer abweichenden gesellschaftsvertraglichen Regelung – teilbar ist (§ 17 Abs. 6 GmbHG). Hiervon unberührt ist eine Neueinteilung des unverändert bleibenden Grundkapitals (Aktiensplit) durch Herabsetzung des Nennbetrags bei Nennbetragsaktien bzw. Erhöhung der Aktienzahl bei Stückaktien, vorausgesetzt, dass ein Nennbetrag bzw. ein anteiliger Betrag am Grundkapital von mindestens einem Euro pro Aktie gewahrt bleibt.
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Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 13 AktG Rz. 15 ff. und 29 f. Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 13 AktG Rz. 19 f. Hüffer, § 10 AktG Rz. 7. BGH v. 5.4.1993 – II ZR 195/91, NJW 1993, 1983, 1987; OLG Köln v. 8.2.2001 – 14 U 9/99, AG 2002, 92, 93; Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 13 AktG Rz. 19 f.; Hüffer, § 10 AktG Rz. 6.
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Die Aktie im Rechtsverkehr 4. Aktienrechtliche Nebenpapiere a) Zwischenscheine
Nach der Legaldefinition des § 8 Abs. 6 AktG sind Zwischenscheine Anteilsscheine, die den Aktionären vor der Ausgabe der Aktien erteilt werden. Zweck der Zwischenscheine (auch „Interimsscheine“) ist es, die Mitgliedschaft vorläufig bis zur Ausgabe von Aktienurkunden zu verbriefen, da diese im Falle von Inhaberaktien erst nach vollständiger Leistung des Ausgabebetrags, d.h. des Nennbetrages bzw. des auf die einzelne Stückaktie entfallenden anteiligen Betrags am Grundkapital zuzüglich eines etwa geschuldeten Agios, ausgegeben werden dürfen (§ 10 Abs. 2 AktG). Liegen alle Voraussetzungen für die Ausgabe von Aktienurkunden vor, werden Zwischenscheine gegen diese ausgetauscht. Allerdings dürfen Zwischenscheine erst mit der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister1 bzw. mit der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung2 ausgegeben werden, da vorher ausgegebene Aktien oder Zwischenscheine nichtig sind. Zwischenscheine müssen zwingend auf den Namen lauten, auf den Inhaber ausgestellte Zwischenscheine sind nichtig (§ 10 Abs. 3 und 4 AktG). Im Übrigen gelten die für Nennbetrags- bzw. Stückaktien geltenden Vorschriften des § 8 Abs. 1 bis 5 AktG auch für Zwischenscheine. Einen Anspruch auf Ausstellung von Zwischenscheinen haben die Aktionäre nur, wenn die Satzung dies vorsieht; ist das nicht der Fall, steht die Entscheidung über die Ausgabe von Zwischenscheinen im Ermessen des Vorstands3. Nach § 67 Abs. 7 AktG gelten die für Namensaktien geltenden Vorschriften über das Aktienregister auch für Zwischenscheine. Zwischenscheine sind geborene Orderpapiere4. Sie können wie Namensaktien auch durch Indossament übertragen und durch entsprechende Satzungsbestimmung vinkuliert werden (§ 68 Abs. 4 AktG).
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b) Dividendenscheine Der Dividendenschein (auch „Gewinnanteilschein“ oder „Coupon“) verbrieft den Anspruch des Aktionärs auf Zahlung der im Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung nach § 174 AktG festgesetzten Dividende5. Die Ausgabe von Dividendenscheinen bestimmt sich nach Maßgabe der Satzung6. Enthält diese keine Regelung, soll sich ein entsprechender Anspruch der Aktionäre auf Grund der Üblichkeit von Dividendenscheinen ergeben7. Ebenso wie in der Praxis verbreitet der Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils in der Satzung ausgeschlossen wird (§ 10 Abs. 5 AktG), geschieht dies auch in Bezug auf Dividendenscheine und Erneuerungsscheine8. Erfolgt die Ausgabe von Dividendenscheinen in Form von Einzelurkunden, werden diese den (einzelverbrieften) Aktien (so genannter „Mantel“) in Form von „Bogen“ beigefügt. Der Bogen besteht aus einer Reihe von einzeln abtrennbaren Di1 Vgl. § 41 Abs. 4 AktG. 2 Vgl. § 191 AktG für die ordentliche Kapitalerhöhung, §§ 203 Abs. 1 Satz 1, 191 AktG für die Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital und § 219 AktG für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, bei der das Gesetz allerdings auf die Eintragung des Erhöhungsbeschlusses abstellt. 3 Hüffer, § 8 AktG Rz. 32. 4 Wiesner in MünchHdb. AG, § 12 Rz. 26. 5 Hüffer, § 58 AktG Rz. 29. 6 Schäfer in Happ, Aktienrecht, 4.02 Rz. 1, S. 543. 7 Str., vgl. Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 58 AktG Rz. 125 m.w.N.; a.A. Wiesner in MünchHdb. AG, § 12 Rz. 27. 8 Vgl. etwa § 4 Abs. 2 der Satzung der Daimler AG; § 5 Abs. 3 der Satzung der Deutsche Bank AG. Zu Erneuerungsscheinen siehe sogleich unter Rz. 25.
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§5
Satzung und Aktie
videndenscheinen, die die (zukünftigen) Dividendenansprüche verkörpern, sowie aus einem Erneuerungsschein. Für Dividendenscheine und Erneuerungsscheine, die zum Börsenhandel an einer deutschen Wertpapierbörse zugelassen werden sollen, sind die Einzelheiten über Format, Aufbau, Gestaltung und Druck der Urkunden insbesondere zur Gewährleistung ihrer Fälschungssicherheit in den „Gemeinsamen Grundsätzen der deutschen Wertpapierbörsen für den Druck von Wertpapieren (‚ Druckrichtlinien‘)“ vom 13.10.1991 in der zuletzt am 17.4.2000 geänderten Fassung enthalten (vgl. dazu bereits oben Rz. 18). Der Dividendenschein ist, da er den selbständig übertragbaren Dividendenanspruch verbrieft und keinen Bestandteil der Aktie darstellt, Inhaberpapier, auch wenn die Aktien selbst auf den Namen lauten und damit Orderpapiere sind1. Es handelt sich um Inhaberschuldverschreibungen im Sinne des § 793 BGB, auf die die für diese geltenden Bestimmungen Anwendung finden2. Die Übertragung der Dividendenscheine richtet sich nach den allgemein für Inhaberpapiere geltenden sachenrechtlichen Vorschriften der §§ 929 ff. BGB. Insbesondere findet auch § 935 Abs. 2 BGB Anwendung, so dass ein Abhandenkommen des Papiers einem gutgläubigen Erwerb nicht entgegensteht. Nach § 796 BGB kann die Aktiengesellschaft dem Inhaber des Dividendenscheins nur solche Einwendungen entgegenhalten, die die Gültigkeit der Ausstellung der Urkunde betreffen, sich aus der Urkunde ergeben oder der Gesellschaft unmittelbar gegen den Inhaber des Dividendenscheins zustehen. c) Erneuerungsscheine 25
Der der Aktienurkunde beigefügte Bogen enthält eine begrenzte Anzahl von Dividendenscheinen und einen Erneuerungsschein (auch „Talon“). Dieser verbrieft das Recht auf den Bezug eines neuen Bogens, der seinerseits wiederum Dividendenscheine und einen Erneuerungsschein enthält. Wie § 75 AktG zeigt, verbrieft der Erneuerungsschein anders als der Dividendenschein keinen selbständigen Anspruch, sondern ein aus der Mitgliedschaft des Aktionärs folgendes Recht. Dementsprechend ist der Erneuerungsschein kein Wertpapier, sondern lediglich einfaches Legitimationspapier3. Die Aktiengesellschaft kann die Ausgabe von Dividendenscheinen verweigern, wenn der Inhaber der Haupturkunde (Aktie oder Zwischenschein) dem widerspricht. Der Inhaber des Erneuerungsscheins muss dann seine materielle Berechtigung nachweisen. Erfüllt die Gesellschaft hingegen das Ausgabeverlangen, erfolgt dies für sie mit befreiender Wirkung, solange der Aktionär nicht widersprochen hat4. Da der Anspruch auf Ausgabe neuer Dividendenscheine Bestandteil der Mitgliedschaft des Aktionärs ist, geht dieser Anspruch im Falle der Übertragung der Aktie auf den Erwerber über, ohne das es dazu eines gesonderten Rechtsaktes bedarf. Der Erwerber kann den Erneuerungsschein nach § 952 BGB herausverlangen. d) Sonstige
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Nicht zu den aktienrechtlichen Nebenpapieren im eigentlichen Sinne gehören Wandel-, Options- und Gewinnschuldverschreibungen sowie Genussscheine im Sinne des § 221 AktG (dazu im Einzelnen unten §§ 51 f.). Hierbei handelt es sich um Instrumente, die der Gesellschaft zu Beschaffung von Fremdkapital dienen, die aber auf1 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 58 AktG Rz. 126; Schäfer in Happ, Aktienrecht, 4.02 Rz. 1, S. 542. 2 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 58 AktG Rz. 127. 3 Wiesner in MünchHdb. AG, § 12 Rz. 30; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 58 AktG Rz. 131. 4 Wiesner in MünchHdb. AG, § 12 Rz. 30.
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Die Aktie im Rechtsverkehr
grund des mit ihnen verbundenen Bezugsrechts auf Aktien (im Falle der Wandel- oder Optionsschuldverschreibungen) bzw. ihrer Ausgestaltung im Einzelfall (insbesondere im Falle von Genussrechten) eigenkapitalähnlichen Charakter haben. Ihre Ausgabe kann nur aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung erfolgen (§ 221 Abs. 1, 3 AktG). Den Aktionären steht bei der Ausgabe von Wandel-, Options- und Gewinnschuldverschreibungen sowie Genussscheinen ein Bezugsrecht zu, für das die Bestimmungen des § 186 AktG entsprechend gelten (§ 221 Abs. 4 AktG). Seit langem umstritten ist die Zulässigkeit der Ausgabe so genannter „nackter Optionen“, die ein Bezugsrecht auf Aktien der emittierenden Aktiengesellschaft beinhalten, das nicht mit einer Schuldverschreibung im Sinne des § 221 AktG verbunden ist1. Insbesondere ist nicht abschließend geklärt, ob nackte Optionen mit einem bedingten Kapital unterlegt werden können. Der Gesetzgeber hat diese Instrumente durch das KonTraG im Bereich von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen durch §§ 192 Abs. 2 Nr. 3, 193 AktG anerkannt, nachdem die Praxis sich bei Aktienoptionsprogrammen für Führungskräfte und Mitarbeiter lange mit Alternativgestaltungen auf Grundlage von Wandelschuldverschreibungen beholfen hat. Da in der Praxis auch über den Bereich von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen hinaus ein Bedürfnis für die Ausgabe nackter Optionen besteht und überzeugende Argumente, die gegen die Zulässigkeit dieser Instrumente sprechen, nicht erkennbar sind, sollte ihre Zulässigkeit anerkannt werden2.
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5. American Depositary Receipts (ADRs) a) Allgemeines Als American Depositary Receipt (ADR) bezeichnet man ein auf den Namen lautendes Wertpapier, das eine oder mehrere Aktien eines nicht US-amerikanischen Unternehmens oder eines Bruchteils einer solchen Aktie repräsentiert und von einer USamerikanischen Depotbank aufgrund hinterlegter Unternehmensaktien an einer USWertpapierbörse ausgegeben wird3. Durch dieses Wertpapier, bei dem es sich um einen in US-Dollar notierten Hinterlegungsschein handelt, wird die repräsentierte Unternehmensaktie in den USA handelbar, ohne dass die Original-Aktienurkunde in die USA verbracht werden muss. Der Wert der Zweitverbriefung in Form des ADR entspricht weitgehend dem in US-Dollar umgerechneten Marktwert der verkörperten Aktien an der Heimatbörse4. Zu den Vor- und Nachteilen und den verschiedenen Typen von ADR-Programmen vgl. ausführlich unten § 11 Rz. 23 ff.
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Einstweilen frei. b) Beteiligte eines ADR-Programms
ADRs werden im Namen des jeweiligen Inhabers registriert und über die Geschäftsbücher der US-amerikanischen Depotbank übertragen. Die Eigentumsübertragung erfolgt dabei durch Indossament und Übergabe. Vollzieht sich die Übertragung ohne 1 Vgl. insbesondere Fuchs, AG 1995, 433 ff.; F. Schäfer, ZGR Sonderheft 16, 2000, S. 62, 78 f.; Schlitt/Löschner, BKR 2002, 150 ff.; Gätsch/Theusinger, WM 2005, 1256 ff. 2 Gätsch/Theusinger, WM 2005, 1256 ff.; im Einzelnen dazu unten unten § 51 Rz. 13. 3 Zachert, ZIP 1993, 1426, 1428. 4 Vgl. Than, WM 1994, Sonderheft, S. 85, 92. Vertiefend zu ADR-Programmen Böckenhoff/Ross, WM 1993, 1781 ff. und 1825 ff.; Meyer-Sparenberg, WM 1996, 1117 ff.; von Dryander in von Rosen/Seifert, Zugang zum US-Kapitalmarkt für deutsche Aktiengesellschaften, S. 81 ff.; Zachert, ZIP 1993, 1426, 1429 f.
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Satzung und Aktie
gleichzeitige Registrierung in den Büchern der Depotbank, so gilt zu deren Schutz bis zu einer entsprechenden Umschreibung nur der registrierte Inhaber des ADR als Eigentümer1. Die Depotbank (depositary bank) ist dabei die entscheidende Schnittstelle zwischen dem ausländischen Unternehmen und den US-amerikanischen Investoren. Sie ist für die Emission der ADRs, den Informationsfluss, die Auszahlung der Dividende wie auch die Ausübung der Stimmrechte verantwortlich. Ihre Rechte und Pflichten bestimmen sich nach dem Depotvertrag (depositary agreement) und dem Form F-6 der SEC2. Aus dem Depotvertrag wird den ADR-Inhabern soweit wie möglich die Stellung eines Aktionärs vermittelt. Insbesondere die vermögensrechtliche Stellung des Aktionärs wird durch die Depotbank an die ADR-Inhaber weitergegeben, soweit dies im Rahmen des US-Wertpapierrechts möglich ist. Dividenden und sonstige Ausschüttungen werden durch diese unmittelbar in US-Dollar an die ADR-Inhaber weitergeleitet. Die Behandlung von Bezugsrechten dagegen wirft Schwierigkeiten auf, da diese rechtlich der Depotbank zustehen und das US-Wertpapierrecht die Ausübung nur dann erlaubt, wenn die neuen Aktien bei der SEC registriert werden. Daher enthalten die Depotverträge regelmäßig Regelungen, die es den Depotbanken gestatten, die Bezugsrechte zu veräußern und die Erlöse an die ADR-Inhaber auszuschütten. Im Hinblick auf die Ausübung der Stimmrechte sehen die Depotverträge üblicherweise vor, dass die Depotbank in der Hauptversammlung der Gesellschaft auftritt und das Stimmrecht nach Weisung des ADR-Inhabers ausübt. Ohne entsprechende Anweisung enthält sich die Depotbank. Wollen die ADR-Inhaber selbst auf der Hauptversammlung erscheinen, so kann dies nur durch Bevollmächtigung durch die Depotbank erfolgen; die Stimmrechtsausübung erfolgt dann als Vertreter der Depotbank. c) Rechtliche Anforderungen 32
Das US-Wertpapierrecht unterwirft ausländische Gesellschaften, die mehr als 300 in den USA ansässige Aktionäre haben, grundsätzlich der Pflicht zur umfassenden Registrierung bei der SEC. Von diesen Registrierungspflichten können ausländische Gesellschaften, die kein öffentliches Angebot in den USA machen und deren Aktien nicht an einer US-amerikanischen Börse gehandelt werden, unter der Rule 12g3–2(b) befreit werden, sofern die Gesellschaften der SEC regelmäßig die in ihrem Heimatland veröffentlichten oder ihren Aktionären zugestellten Informationen (so genanntes home country disclosure) zusenden. Diese Freistellung setzt einen formlosen Antrag voraus. Auch die Ausgabe von ADRs stellt eine Neuemission von Wertpapieren dar, die bei der SEC registriert werden muss, sofern der Erwerb der ADRs nicht ausschließlich im Rahmen einer Privatplatzierung erfolgt. Mit dem von der Depotbank, der ausländischen Gesellschaft sowie einem in den USA ansässigen Vertreter unterzeichneten Antrag auf Registrierung sind der Depotvertrag und ein Muster der ADR vorzulegen. Die bei der SEC erforderliche Registrierung setzt voraus, dass den Inhabern der ADRs das Recht eingeräumt wird, die ADRs jederzeit gegen die zugrundeliegenden Aktien auszutauschen und die zugrundeliegenden Aktien bei der SEC registriert oder in den USA ohne Registrierung frei verkäuflich sind. Ist eine Registrierung der Aktien erforderlich, so setzt dies die Erstellung umfangreicher Registrierungsunterlagen, die Erstellung von Jahresabschlüssen nach US-GAAP sowie die Erfüllung laufender Berichtspflichten voraus. Die SEC hat die Möglichkeiten zu Deregistrierung 1 Böckenhoff/Ross, WM 1993, 1781, 1783. 2 Zachert, ZIP 1993, 1426, 1428. Einzelheiten zur Ausgestaltung eines Depotvertrages finden sich bei von Dryander in von Rosen/Seifert, Zugang zum US-Kapitalmarkt für deutsche Aktiengesellschaften, 1998, S. 81, 88 ff.
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durch Beschluss vom 21.3.2007 erleichtert: Danach kann die Registrierung außer im bereits bisher geltenden Fall, dass die Gesellschaft weniger als 300 US-Investoren hat, unter bestimmten Voraussetzungen auch dann beendet werden, wenn das durchschnittliche Handelsvolumen gemessen an den Tagesumsätzen der in den USA zugelassenen Wertpapiere in den vergangenen zwölf Monaten fünf Prozent des weltweiten kumulierten durchschnittlichen Handelsvolumens nicht überschritten hat1. 6. Global Shares Als Global Shares, insbesondere in Form der Global Registered Shares (Globale Namensaktie), bezeichnet die New York Stock Exchange (NYSE) herkömmliche Aktien von nicht US-amerikanischen Gesellschaften, die in einer einheitlichen Form und einheitlichen Art und Weise auf verschiedenen Aktienmärkten weltweit gehandelt werden2. Im Gegensatz zu ADR-Papieren sind Globale Namensaktien Wertpapiere, die direkte Eigentumsrechte verbriefen und grenzüberschreitend gehandelt werden können. Sie werden damit an der NYSE genauso gehandelt wie auf ihrem jeweiligen Heimatmarkt. Sie werden in einem einheitlichen Register geführt, aber in der Währung des jeweiligen Marktes gehandelt. Vorteile der Global Shares sind die Gleichbehandlung aller Aktionäre weltweit, insbesondere auch die Möglichkeit der unmittelbaren Ausübung der Mitgliedschaftsrechte ohne Zwischenschaltung von Banken oder Treuhändern. Ob die Global Shares insbesondere aufgrund der mit ihrer Ausgabe für die emittierende Gesellschaft verbundenen, im Vergleich zu ADRs höheren Kosten diese auf dem Weg zu einem Global Equity Market ablösen werden, bleibt abzuwarten.
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II. Aktienarten 1. Allgemeines a) Begriff Nach § 10 Abs. 1 AktG können Aktien auf den Inhaber oder auf Namen lauten. Die Bestimmung regelt damit die Frage, wie die Aktie als Mitgliedschaftsrecht wertpapiermäßig verbrieft werden kann3. Ob die Aktien auf den Inhaber oder auf den Namen ausgestellt werden, ist in der Satzung festzulegen (§ 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG). Allerdings ist die Verbriefung der Aktie grundsätzlich keine Voraussetzung für die Entstehung der Mitgliedschaft in der Gesellschaft, für die regelmäßig die Eintragung der Gesellschaft bzw. die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung im Handelsregister maßgeblich ist4. Vor der Eintragung der Gesellschaft können Anteilsrechte nicht übertragen, Aktien und Zwischenscheine nicht ausgegeben werden; dennoch ausgegebene Aktien oder Zwischenscheine sind nichtig (§ 41 Abs. 4 Satz 1 und 2 1 Vgl. Pressemitteilung der SEC unter www.sec.gov/news/press/2007/2007_55.htm. Dazu etwa Artikel in der Financial Times Deutschland vom 26.3.2007: „Deutsche halten US-Börse die Treue“; Wirtschaftswoche 15/2007: „Deutsche US-Aktien im Abflug?“ 2 Vgl. Gruson, AG 2004, 358 ff.; auch unten § 11 Rz. 30 f. Eine Liste der an der NYSE gehandelten ADRs oder Global Shares deutscher Unternehmen ist unter www.nyse.com/about/listed/ 6.html?country=Germany verfügbar. 3 Hüffer, § 10 AktG Rz. 1; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 10 AktG Rz. 1. Vgl. zur Verbriefung im Einzelnen unten Rz. 59 ff. 4 Vgl. Hüffer, § 10 AktG Rz. 2. Eine Ausnahme bildet die Kapitalerhöhung aufgrund eines bedingten Kapitals, bei der die Kapitalerhöhung mit Ausgabe der Bezugsaktien wirksam wird (§ 200 AktG).
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AktG)1. Aktien sind also grundsätzlich keine konstitutiven Wertpapiere, ihre Verbriefung erfolgt vielmehr erst nach Entstehung der Mitgliedschaft2. Für die Entstehung der Aktie als Wertpapier erforderlich ist nach heute ganz überwiegend vertretener Auffassung die wirksame Ausstellung einer Urkunde durch die Gesellschaft sowie der Abschluss eines Begebungsvertrages zwischen der Gesellschaft und dem Aktionär bei gleichzeitiger Übergabe der Aktienurkunde3. 35
Sowohl Inhaber- als auch Namensaktien sind Wertpapiere im Sinne der zivil- bzw. wertpapierrechtlichen Definitionen4. Während die Inhaberaktie ein Inhaberpapier ist, das nach den für bewegliche Sachen geltenden Grundsätzen (§§ 929 ff. BGB) übertragen wird, handelt es sich bei der Namensaktie um ein geborenes Orderpapier, das „auch durch Indossament“ übertragen werden kann (§ 68 Abs. 1 Satz 1 AktG)5. b) Wahlfreiheit
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Grundsätzlich besteht in Bezug auf die Auswahl der Aktienart Wahlfreiheit6. Es gelten aber eine Reihe von Ausnahmen, in denen Aktien auf den Namen lauten müssen7: (1) wenn sie vor der vollen Leistung des Ausgabebetrages ausgegeben werden (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AktG); (2) wenn die Satzung der Gesellschaft eine Verpflichtung der Aktionäre enthält, neben der Leistung der Einlage auf das Grundkapital wiederkehrende, nicht in Geld bestehende Leistungen zu erbringen8, da das Aktiengesetz derartige Nebenverpflichtungen nur anerkennt, wenn die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AktG) und die Vinkulierung nur bei Namensaktien zulässig ist (§ 68 Abs. 2 AktG); (3) im Falle eines Entsendungsrechts für Inhaber bestimmter Aktien (§ 101 Abs. 2 Satz 2 AktG); (4) für börsennotierte Luftfahrtunternehmen (§ 2 Abs. 1 Luftverkehrsnachweissicherungsgesetz); (5) für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften (§§ 28, 130 WPO); (6) für Steuerberatungsgesellschaften (§ 50 StBerG); (7) für gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen9. Nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk GmbH in private Hand in
1 Ebenso § 191 AktG für die ordentliche Kapitalerhöhung bzw. §§ 203 Abs. 1 Satz 1, 191 AktG für die Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital vor der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung. Auch § 197 AktG für die bedingte Kapitalerhöhung und § 219 AktG für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, jeweils vor Eintragung des entsprechenden Beschlusses ins Handelsregister. Zum Abschluss von Aktienkaufverträgen vor Ausgabe effektiver Stücke bzw. vor Börseneinführung (so genannter „Handel per Erscheinen“) vgl. Heidelbach in Schwark, § 37 BörsG Rz. 28. 2 Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, Anh. § 68 AktG Rz. 9. 3 Hüffer in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2004, Vor § 793 BGB Rz. 24 ff., insb. Rz. 29; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, Anh. § 68 AktG Rz. 9; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 10 AktG Rz. 17; Zöllner, Wertpapierrecht, § 29 III, S. 184. 4 Vgl. Hüffer in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2004, Vor § 793 BGB Rz. 6 ff., sowie oben Rz. 12. 5 Hüffer, § 68 AktG Rz. 1. 6 Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 10 AktG Rz. 14; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 10 AktG Rz. 11. 7 Überblick bei Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 10 AktG Rz. 17 ff.; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 10 AktG Rz. 11 ff. 8 Allgemein zu Nebenleistungsgesellschaften K. Schmidt in FS Immenga, S. 705 ff. 9 Die nach altem Recht bestehende Notwendigkeit, dass Aktien von in der Rechtsform der Aktiengesellschaft betriebenen Kapitalanlagegesellschaften auf den Namen lauten mussten, ist durch das Gesetzes zur Modernisierung des Investmentwesens und zur Besteuerung von Investmentvermögen (Investmentmodernisierungsgesetz) vom 15.12.2003 (BGBl. I 2003, 2676) aufgehoben worden.
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der Fassung des Änderungsgesetzes vom 2.8.19661 dürfen Aktien der Volkswagen AG nicht auf den Namen, sondern müssen auf den Inhaber lauten. c) Tatsächliche Entwicklungen Die Wahl der einen oder der anderen Aktienart ist in erster Linie eine Frage der Zweckmäßigkeit. Lange Zeit herrschten in Deutschland Inhaberaktien vor, die formlos nach sachenrechtlichen Grundsätzen übertragen werden können und daher das höchste Maß an Verkehrsfähigkeit gewähren. Seit Ende der neunziger Jahre hat sich mit zunehmender Verbreitung der Aktiengesellschaft in Deutschland und der Anpassung insbesondere börsennotierter Aktiengesellschaften an die Gepflogenheiten der international führenden Kapitalmärkte in den USA und Großbritannien ein Trend zur Namensaktie herausgebildet2. Dieser wurde nachhaltig gefördert durch das Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz – NaStraG) vom 18.1.20013. Börsengehandelte Namensaktien können, auch im Falle ihrer Vinkulierung, in einer (blankoindossierten) Globalurkunde verbrieft und damit in die Girosammelverwahrung einbezogen werden4.
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d) Ausgabe der falschen Aktienart Werden nach Eintragung der Gesellschaft oder der Durchführung einer Kapitalerhöhung Inhaber- bzw. Namensaktien ausgegeben5, die aufgrund der Satzung6 oder des Gesetzes7 in dieser Form nicht ausgegeben werden durften, ist die Aktienausgabe nach allgemeiner Meinung dennoch wirksam8. Die Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft, die grundsätzlich unabhängig von der Ausgabe von Aktienurkunden entsteht, wird durch eine fehlerhafte Ausgabe von Aktienurkunden nicht berührt. Die handelnden Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats handeln pflichtwidrig und machen sich ggf. schadensersatzpflichtig (§§ 93 Abs. 3 Nr. 4, 116 AktG). Ver1 BGBl. I 1966, 461. 2 Vgl. Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 10 AktG Rz. 16; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 2 ff.; Schäfer in Happ, Aktienrecht, 4.05 Rz. 1. Insbesondere börsennotierte Gesellschaften versprechen sich von Namensaktien Vorteile bei der Pflege der Beziehungen zu den Aktionären (Investor Relations); dazu von Rosen/Gebauer in von Rosen/Seifert, Die Namensaktie, S. 127 ff.; Noack, DB 2001, 27 ff. Schließlich können sich Namensaktien aufgrund der Vinkulierungsmöglichkeit bei der Überwachung von Verpflichtungen, die Aktien innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht zu verkaufen, im Vergleich zu Inhaberaktien als zweckmäßiger erweisen; dazu Noack in FS G. Bezzenberger, S. 291, 296. 3 BGBl. I 2001, 123. 4 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 4; dazu näher unten Rz. 104 f. 5 Vor Eintragung der Aktiengesellschaft können Aktien und Zwischenscheine nicht ausgegeben werden; dennoch ausgegebene Aktien oder Zwischenscheine sind nichtig (§ 41 Abs. 4 AktG). Ebenso § 191 AktG für die ordentliche Kapitalerhöhung bzw. §§ 203 Abs. 1 Satz 1, 191 AktG für die Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital, jeweils vor der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung. Auch § 197 AktG für die bedingte Kapitalerhöhung und § 219 AktG für die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, jeweils vor Eintragung des entsprechenden Beschlusses ins Handelsregister. 6 Ausgabe von Inhaberaktien, obwohl die Satzung Namensaktien vorsieht, bzw. Ausgabe von Namensaktien, obwohl die Satzung Inhaberaktien vorsieht. 7 Etwa Ausgabe von Inhaberaktien trotz nicht vollständiger Leistung des Ausgabebetrages entgegen § 10 Abs. 2 Satz 1 AktG oder Unterlassen der Angabe des Betrags der Teilleistung in der Namensaktie entgegen § 10 Abs. 2 Satz 2 AktG. 8 Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 10 AktG Rz. 47 und 49; Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 10 AktG Rz. 52 ff.; Hüffer, § 10 AktG Rz. 7; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 10 AktG Rz. 27.
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stöße gegen § 10 Abs. 2 AktG stellen Ordnungswidrigkeiten dar, die mit einer Geldbuße bis 25 000,– Euro geahndet werden können (§ 405 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 AktG). 2. Inhaberaktien 39
Die Inhaberaktie ist wertpapierrechtlich ein Inhaberpapier und wird daher nach den für bewegliche Sachen geltenden Bestimmungen (§§ 929 ff. BGB) übertragen. Der Besitz der Inhaberaktie begründet die Legitimationswirkung, d.h. die Vermutung, dass der Inhaber der Urkunde zugleich auch Inhaber des materiellen Mitgliedschaftsrechts ist1. Die Legitimationswirkung gilt auch dem früheren Besitzer gegenüber, dem die Inhaberaktie gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist (§ 1006 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Schuldner kann an den derart legitimierten Inhaber der Inhaberaktie mit schuldbefreiender Wirkung leisten (Liberationswirkung)2. Gutgläubiger Erwerb der Inhaberaktie ist im Falle ihrer wertpapiermäßigen Übertragung unter den Voraussetzungen der §§ 932 bis 934 BGB möglich, und zwar auch dann, wenn die Inhaberaktie dem vorherigen Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist (§ 935 Abs. 2 BGB)3. 3. Namensaktien
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Die Namensaktie ist wertpapierrechtlich ein geborenes Orderpapier4. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 AktG kann die Namensaktie auch durch Indossament übertragen werden. Grundsätzlich gelten hinsichtlich der Legitimationswirkung im Verhältnis des Aktieninhabers zu Dritten, der Liberationswirkung und der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs die Ausführungen zu der Inhaberaktie entsprechend, allerdings ist die Legitimationswirkung der Namensaktie im Vergleich zur Inhaberaktie dem früheren Besitzer gegenüber eingeschränkt, da § 1006 Abs. 1 Satz 2 BGB nur für Inhaber-, nicht aber für Orderpapiere gilt. Im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Inhaber der Namensaktie beruht die Legitimationswirkung auf der Eintragung im Aktienregister (§ 67 Abs. 2 AktG). Diese begründet die unwiderlegliche Vermutung, dass der Eingetragene Aktionär ist und ihm die aus der Mitgliedschaft folgenden Rechte zustehen5. 4. Umwandlung der Aktienart
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In jüngerer Zeit hat sich mit zunehmender Verbreitung der Aktiengesellschaft auch in Deutschland und der Anpassung insbesondere börsennotierter Aktiengesellschaften an die Gepflogenheiten der führenden Kapitalmärkte in den USA und England ein Trend zur Namensaktie herausgebildet. Dieser wurde nachhaltig gefördert durch das Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (NaStraG) vom 18.1.20016. So haben einige namhafte börsennotierte Unternehmen in jüngerer Zeit von Inhaber- auf Namensaktien umgestellt7. 1 Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 10 AktG Rz. 27; Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 10 AktG Rz. 35. 2 Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 10 AktG Rz. 5. 3 Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 10 AktG Rz. 36 ff.; Ziemons in K. Schmidt/ Lutter, § 10 AktG Rz. 6. 4 Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 68 AktG Rz. 5. 5 Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 10 AktG Rz. 27 ff.; Hüffer, § 67 AktG Rz. 12; vgl. im Einzelnen unten Rz. 71, dort auch zu den Einschränkungen des Grundsatzes durch das Risikobegrenzungsgesetz vom 12.8.2008 (BGBl. I 2008, 1666). 6 BGBl. I 2001, 123. 7 Aus dem DAX 30 etwa: Daimler, Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Lufthansa, Siemens.
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Die Umwandlung von Inhaber- in Namensaktien erfolgte in den genannten Fällen jeweils durch Satzungsänderung. Dafür erforderlich ist ein satzungsändernder Hauptversammlungsbeschluss mit der gesetzlich vorgesehenen Mehrheit von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals bzw. der statutarisch vorgesehenen größeren oder kleineren Mehrheit (§ 179 Abs. 2 AktG). Ein Sonderbeschluss im Sinne des § 179 Abs. 3 AktG ist nicht erforderlich, da Inhaber- und Namensaktien keine Aktien unterschiedlicher Gattung sind. Nach Wirksamwerden der Umstellung durch Eintragung der entsprechenden Satzungsänderung im Handelsregister (§ 181 Abs. 3 AktG) können die nunmehr unrichtig gewordenen Aktienurkunden eingezogen und gegebenenfalls für kraftlos erklärt werden (§ 73 AktG) (dazu unten Rz. 91). In welchem Umfang neue Aktienurkunden auszugeben sind, hängt davon ab, ob und inwieweit die Gesellschaft von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils auszuschließen oder einzuschränken (§ 10 Abs. 5 AktG). Auch im Falle des Ausschlusses dieses Anspruchs besteht der unentziehbare Anspruch der Aktionäre auf Verbriefung der Aktien in zumindest einer Globalurkunde (vgl. oben Rz. 15).
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Eher von untergeordneter praktischer Bedeutung ist die in § 24 AktG vorgesehene Möglichkeit, eine Bestimmung in die Satzung aufzunehmen, nach der auf Verlangen eines Aktionärs seine Inhaberaktie in eine Namensaktie bzw. umgekehrt seine Namensaktie in eine Inhaberaktie umzuwandeln ist.
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III. Aktiengattungen 1. Allgemeines Aktien können, namentlich bei der Verteilung des Gewinns oder des Gesellschaftsvermögens, verschiedene Rechte gewähren (§ 11 Satz 1 AktG). Aktien mit gleichen Rechten bilden eine Gattung (§ 11 Satz 2 AktG). Rechte im Sinne des § 11 AktG sind die durch die Aktie vermittelten Mitgliedschaftsrechte1. Unter § 11 AktG fallen hingegen nicht so genannte Gläubigerrechte, die dem Aktionär eine Rechtsstellung vermitteln, die derjenigen eines außenstehenden Dritten entspricht2. Hinsichtlich statutarisch eingeräumter Sonderrechte3 ist zu unterscheiden: Ist das Sonderrecht einem Mitglied unabhängig vom Bestand seiner Mitgliedschaft insbesondere namentlich eingeräumt, so stellen die Aktien des betreffenden Mitglieds keine eigene Gattung dar4. Sind die Sonderrechte hingegen mit der Aktie als Mitgliedschaftsrecht verbunden und endet das Sonderrecht für den Betreffenden mit der Beendigung seiner Aktionärsstellung, so stellen die betreffenden Aktien eine eigene Gattung dar5. Nach allgemeiner Auffassung können Aktien auch mit unterschiedlichen Pflichten ausgestattet sein; Aktien mit gleichen Pflichten begründen dann ebenfalls eine Gat-
1 Hüffer, § 11 AktG Rz. 1; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 11 AktG Rz. 1. Zu besonderen Aktiengattungen ausführlich unten § 6. 2 Hüffer, § 11 AktG Rz. 4; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 11 AktG Rz. 17: Das ist etwa bei dem Dividendenanspruch nach Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses durch die Hauptversammlung der Fall, bei dem es sich um einen selbständigen, nicht mehr an die Mitgliedschaft gebundenen Anspruch gegenüber der Gesellschaft handelt, der unabhängig von der Aktie übertragen werden kann. 3 Zum Begriff vgl. Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 11 AktG Rz. 14 ff. 4 Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 11 AktG Rz. 15. 5 Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 11 AktG Rz. 16; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 11 AktG Rz. 14.
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tung1. Nach § 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG muss die Satzung, wenn mehrere Gattungen bestehen, die Gattung der Aktien und die Zahl der Aktien jeder Gattung bestimmen. Da, wenn die Aktien einer Gesellschaft mit unterschiedlichen Rechten oder Pflichten ausgestattet sind, die Gefahr besteht, dass sich bestimmte aktien- oder umwandlungsrechtliche Maßnahmen für die jeweiligen Aktionärsgruppen unterschiedlich auswirken2, werden die für diese Maßnahmen erforderlichen Hauptversammlungsbeschlüsse jeweils nur aufgrund eines entsprechenden Sonderbeschlusses wirksam3. Dabei besteht in den Fällen der §§ 182 Abs. 2 und 222 Abs. 2 AktG das Erfordernis eines Sonderbeschlusses nur bei Bestehen mehrerer Gattungen stimmberechtigter Aktien. Aufgrund der zahlreichen Sonderbeschlusserfordernisse, die bei unternehmerischen Entscheidungen als hinderlich empfunden werden, und der Tatsache, dass bei börsennotierten Gesellschaften jeweils nur die größere bzw. liquidere Gattung in einen Auswahlindex aufgenommen wird4, verlieren Vorzugsaktien bei börsennotierten Gesellschaften mehr und mehr an Bedeutung5. 2. Gattungsbegründende Merkmale 45
Eine Gattung von Aktien entsteht dadurch, dass eine bestimmte Anzahl von Aktien in der Satzung der Gesellschaft (§ 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG) mit besonderen, über die allgemein mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechte und Pflichten hinausgehenden Rechten und Pflichten ausgestattet wird. Handelt es sich bei den gattungsbegründenden Merkmalen um Rechte, können diese inhaltlich mit den allgemeinen Mitgliedschaftsrechten identisch sein, aber umfangmäßig weitergehen (so z.B. im Falle des Gewinn- oder Liquidationsvorzugs), sie können aber auch den Inhalt von Gläubigerrechten haben, die Dritten oder Inhabern von insoweit nicht bevorrechtigten Aktien nur auf Grundlage eines schuldrechtlichen Vertrages zustehen können (so z.B. das Recht, die Einrichtungen der Gesellschaft ggf. unentgeltlich nutzen zu dürfen). Als gattungsbegründende Pflichten kommen insbesondere unterschiedliche Einlageverpflichtungen und Nebenverpflichtungen im Sinne des § 55 Abs. 2 AktG in Betracht6.
1 Heider in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2000, § 11 AktG Rz. 28; Hüffer, § 11 AktG Rz. 7. 2 Zum Verhältnis von Aktiengattungen und aktienrechtlichem Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53 a AktG) vgl. Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 11 AktG Rz. 49; Hüffer, § 11 AktG Rz. 2; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 11 AktG Rz. 7 ff. 3 Vgl. § 141 AktG (Beschluss über die Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs), § 179 Abs. 3 AktG (Beschluss über Satzungsänderung zum Nachteil einer Aktiengattung), § 182 Abs. 2 AktG (Beschluss über ordentliche Kapitalerhöhung), § 193 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 182 Abs. 2 AktG (Beschluss über Schaffung eines bedingten Kapitals), § 202 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 182 Abs. 2 AktG (Beschluss über Schaffung eines genehmigten Kapitals), § 221 Abs. 1 Satz 4 bzw. Abs. 3 i.V.m. § 182 Abs. 2 AktG (Beschluss über die Ausgabe von Wandel- oder Gewinnschuldverschreibungen oder Genussrechten), § 222 Abs. 2 AktG (Beschluss über eine ordentliche Kapitalherabsetzung), § 229 Abs. 3 i.V.m. § 222 Abs. 2 AktG (Beschluss über vereinfachte Kapitalherabsetzung), §§ 65 Abs. 2, 73 UmwG (Verschmelzung), §§ 125 Satz 1, 135 Abs. 1 UmwG (Spaltung), §§ 176–179 UmwG (Vermögensübertragung), §§ 233 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2, 240 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 UmwG (Formwechsel). Zur Funktion der gesetzlichen Sonderbeschlüsse und insoweit bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten vgl. Fuchs in FS Immenga, S. 589, 592 ff. 4 Ziffer 2. 2. 1 des Leitfadens zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 in der Fassung vom März 2008. 5 Fuchs in FS Immenga, S. 589, 591. Zu den Gestaltungsmöglichkeiten bei nicht-börsennotierten Aktiengesellschaften, bei denen insbesondere US-amerikanische Venture-Capital-Gesellschaften ihre Eigenkapitalbeteiligung von der Ausgabe so genannte „preferred shares“ abhängig machen, vgl. Loges/Distler, ZIP 2002, 467 ff. 6 Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 11 AktG Rz. 26.
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Nicht gattungsbegründend wirkt die Verbriefung einzelner Mitgliedschaften, die Festsetzung unterschiedlicher Nenn- oder Ausgabebeträge oder die – nur bei nicht-börsennotierten Gesellschaften mögliche – Festsetzung von Höchststimmrechten (§ 134 Abs. 1 Satz 2 AktG)1. Ebenfalls nicht als gattungsbegründend gilt das Recht nach § 101 Abs. 2 Satz 1 AktG, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden, und zwar auch dann nicht, wenn dieses Recht durch die Satzung nicht einem bestimmten Aktionär, sondern den jeweiligen Inhabern bestimmter Aktien eingeräumt wird (vgl. § 101 Abs. 2 Satz 3 AktG).
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3. Arten von Aktiengattungen a) Stammaktien und Vorzugsaktien In der Praxis wird typischerweise zwischen Stammaktien und Vorzugsaktien unterschieden. Soweit börsennotierte Gesellschaften noch über Vorzugsaktien verfügen, besteht der Vorzug in der Regel in einem Vorzug bei der Verteilung des Bilanzgewinns2. Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 AktG können Vorzugsaktien als Aktien ohne Stimmrecht ausgegeben werden. Die Einzelheiten bestimmen die §§ 139 bis 141 AktG (dazu im Einzelnen unten § 6 Rz. 20 ff.).
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b) Sonstige Aktiengattungen Insbesondere für börsennotierte Großunternehmen, die in verschiedenen Geschäftsfeldern aktiv sind, wird in jüngster Zeit die Einführung so genannter Spartenaktien („Tracking Stocks“) diskutiert3. Diese bei US-amerikanischen börsennotierten Gesell1 Zur Europarechtswidrigkeit des § 2 Abs. 1 (Stimmrechtsbeschränkung auf 20 %) und weiterer Bestimmungen des VW-Gesetzes vgl. EuGH v. 23.10.2007 – Rs. C-112/05, ZIP 2007, 2068 ff. = EuZW 2007, 697 ff. (m. Anm. Pießkalla) = AG 2007, 817. Die früher bestehende Möglichkeit der Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien ist durch das KonTraG abgeschafft worden (§ 12 Abs. 2 AktG). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EGAktG, der grundsätzlich das Erlöschen von vor dem Inkrafttreten des KonTraG begründeten Mehrstimmrechten am 1.6.2003 angeordnet hat, hat bis zum 30.6.2003 die Möglichkeit bestanden, dass die Hauptversammlung mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals die Fortgeltung der Mehrstimmrechte beschließt. Ziff. 2.1.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 14.6.2007 greift § 12 Abs. 2 AktG auf und bestimmt, dass Aktien mit Mehrstimmrechten nicht bestehen. In Deutschland ist allerdings keine börsennotierte Aktiengesellschaft bekannt, die über Mehrstimmrechtsaktien verfügt (vgl. Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Kommentar zum Deutschen Corporate Governance Kodex, 3. Aufl. 2008, , Ziffer 2.1.2 Rz. 220). 2 Vgl. Abschnitt IX. Ziffer 35 Abs. 2 der Satzung der Henkel KGaA in der Fassung vom 1.7.2007 als einzigem Unternehmen, dessen Vorzugsaktien im DAX30 notiert sind. Von den im DAX30 notierten Unternehmen verfügen ansonsten noch die Bayerische Motoren Werke AG, die Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA, die MAN AG, die Metro AG, die RWE AG und die Volkswagen AG über Vorzugsaktien, jedoch werden von diesen Unternehmen lediglich die Stammaktien im DAX30 notiert. 3 Böhm, „Tracking stock“ – innovatives Mittel der Kapitalbeschaffung auch für deutsche Aktiengesellschaften?, BWNotZ 2002, 73 ff.; Breuninger/Krüger, Tracking Stocks als Gestaltungsmittel im Spannungsfeld von Aktien- und Steuerrecht, in FS W. Müller, 2001, S. 527; Friedl, BB 2002, 1157 ff.; Fuchs, ZGR 2003, 167 ff.; Fuchs in FS Immenga, S. 589, 590 f.; Sieger/Hasselbach, BB 1999, 1277 ff.; Sieger/Hasselbach, AG 2001, 391 ff.; Thiel, Spartenaktien für deutsche Aktiengesellschaften – Übernahme des US-amerikanischen Tracking-Stock-Modells in europäische Rechtsordnungen, 2001; Tonner, Tracking Stocks – Zulässigkeit und Gestaltungsmöglichkeiten von Geschäftsbereichsaktien nach deutschem Aktienrecht, 2002; Tonner, Zulässigkeit und Gestaltungsmöglichkeiten von Tracking Stocks nach deutschem Aktienrecht, IStR 2002, 317 ff.
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schaften gelegentlich anzutreffenden Instrumente vermitteln keine Beteiligung am wirtschaftlichen Ergebnis des Gesamtunternehmens, sondern nur am Erfolg einer einzelnen Unternehmenssparte. Zur Ausgabe derartiger Aktien ist es bislang in Europa nur sehr vereinzelt und in Deutschland überhaupt noch nicht gekommen (vgl. im Einzelnen unten § 6 Rz. 40 ff.). Ebenfalls gattungsbegründend dürfte die Verbindung von Aktien mit sonstigen Rechten, z.B. mit Bezugsrechten auf weitere Aktien der Gesellschaft (so genannte „Huckepackaktien“), jedenfalls dann sein, wenn diese Verbindung nicht getrennt werden kann. Die damit im Zusammenhang stehenden Fragen sind im juristischen Schrifttum bislang – soweit ersichtlich – nicht abschließend erörtert worden. 4. Die Schaffung neuer Aktiengattungen 49
Die Schaffung verschiedener Aktiengattungen kann im Rahmen der Gesellschaftsgründung, einer Kapitalerhöhung oder durch sonstige Satzungsänderung erfolgen.
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Im Rahmen der Gesellschaftsgründung erfolgt die Schaffung mehrerer Aktiengattungen im Einverständnis aller Gründer durch Feststellung der Satzung und Übernahme der entsprechenden Aktien durch die jeweiligen Gründer. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz kommt nicht in Betracht, das Erfordernis eines Sonderbeschlusses besteht daher nicht1.
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Erfolgt die Schaffung einer neuen Gattung von Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung, ist in zweifacher Hinsicht zu unterscheiden: Bestehen bereits mehrere Gattungen stimmberechtigter Aktien, so bedarf der Hauptversammlungsbeschluss zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Aktionäre jeder Gattung durch Sonderbeschluss (§ 182 Abs. 2 AktG). Sodann ist nach der Art der durch die neue Gattung gewährten Rechte zu unterscheiden: Gewähren die Aktien der neu zu schaffenden Gattung weniger Rechte als die bereits bestehenden Aktien, bedarf es lediglich des satzungsändernden Hauptversammlungsbeschlusses und ggf. der Sonderbeschlüsse nach § 182 Abs. 2 AktG. Da in bestehende Mitgliedschaftsrechte nicht eingegriffen wird, ist ein Sonderbeschluss nach § 179 Abs. 3 AktG nicht erforderlich2. Gewähren die Aktien der neu zu schaffenden Gattung hingegen mehr oder umfangreichere Rechte als die bereits bestehenden Aktien, wird durch die Schaffung der neuen Gattung in bestehende Mitgliedschaftsrechte eingegriffen, so dass neben dem satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluss und eventuell erforderlichen Sonderbeschlüssen nach § 182 Abs. 2 AktG zusätzlich die Zustimmung aller nachteilig betroffenen Aktionäre erforderlich ist3. Das zuletzt Gesagte gilt auch dann, wenn die Aktien der neu zu schaffenden Gattung gegenüber den bereits bestehenden Aktien sowohl Vor- als auch Nachteile gewähren4. Ein Mehrheitsbeschluss der benachteiligten Aktionäre in analoger Anwendung des § 179 Abs. 3 AktG kommt nicht in Betracht, da diese Ausnahmevorschrift lediglich für die Änderung des Verhältnisses mehrerer bereits be-
1 Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, 2 Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, 3 Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, 2. Aufl. 1988, § 11 AktG Rz. 37; Brändel in Rz. 25. 4 Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, 2. Aufl. 1988, § 11 AktG Rz. 38; Brändel in Rz. 30.
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§ 11 AktG Rz. 39. § 11 AktG Rz. 42. § 11 AktG Rz. 43; Kraft in KölnKomm. AktG, Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 AktG § 11 AktG Rz. 44; Kraft in KölnKomm. AktG, Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 AktG
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stehender Gattungen zueinander gilt, nicht aber für die Schaffung einer neuen Aktiengattung1. Soll eine neue Aktiengattung im Wege der Satzungsänderung dadurch geschaffen werden, dass ein Teil der bereits bestehenden Aktien mit gattungsbegründenden Rechten oder Pflichten versehen wird, ist neben dem satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluss die Zustimmung aller Aktionäre erforderlich, in deren Rechte eingegriffen wird. Auch in diesem Fall kommt eine analoge Anwendung von § 179 Abs. 3 AktG nicht in Betracht2.
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5. Die Änderung des Verhältnisses bestehender Aktiengattungen zueinander Soll das bisherige Verhältnis mehrerer Gattungen von Aktien zum Nachteil einer Gattung geändert werden, so bedarf der satzungsändernde Beschluss der Hauptversammlung zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der benachteiligten Aktionäre. Diese haben hierüber im Wege eines Sonderbeschlusses zu entscheiden, für den seinerseits die gesetzlichen bzw. statutarischen Anforderungen an satzungsändernde Hauptversammlungsbeschlüsse gelten (§ 179 Abs. 3 AktG). Indem § 179 Abs. 3 AktG eine Mehrheitsentscheidung genügen lässt, stellt die Vorschrift eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass nachteilige Veränderungen einer bestehenden Rechtsposition nur mit Zustimmung des Betroffenen zulässig sind, und erleichtert damit die Einführung von Veränderungen zu Lasten einer bestehenden Gattung. Besteht die Veränderung der Gattung darin, dass den Inhabern bestimmter Aktien Nebenverpflichtungen auferlegt werden sollen, genügt ein Sonderbeschluss der benachteiligten Aktionäre nach § 179 Abs. 3 AktG für die Wirksamkeit des satzungsändernden Hauptversammlungsbeschlusses nicht. In diesem Fall ist nach § 180 Abs. 1 AktG vielmehr die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre erforderlich3.
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6. Wechsel der Aktiengattung Der Wechsel der Aktiengattung, insbesondere die Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien4, hat bei börsennotierten Aktiengesellschaften in jüngerer Zeit eine bedeutsame Rolle gespielt. Grund dafür war insbesondere eine Neuordnung der Aktienindizes der Deutschen Börse. Für die Aufnahme in einen Aktienindex ist neben anderen Kriterien insbesondere die Marktkapitalisierung der Gesellschaft von Bedeutung. Im Juni 2002 hat die Deutsche Börse die Indexberechnung auf FreefloatGewichtung umgestellt. Gleichzeitig wurde die Trennung der verschiedenen Aktiengattungen in allen Indizes vorgenommen. Jeweils nur die größere bzw. liquidere Gattung kann in einen Auswahlindex aufgenommen werden5. Für börsennotierte Aktiengesellschaften, die die Aufnahme bzw. den Verbleib in einem Aktienindex anstreben, stellt das Vorhandensein mehrerer Aktiengattungen somit einen erheblichen Nachteil gegenüber Wettbewerbern mit nur einer Aktiengattung dar. Um diesen Nachteil zu beheben, haben eine Reihe börsennotierter Gesellschaften die Zahl ihrer ausstehenden Vorzugsaktien reduziert bzw. die Vorzugsaktien vollständig vom Markt genom1 Heute allgemeine Meinung: vgl. Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 11 AktG Rz. 45; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 11 AktG Rz. 37; Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 AktG Rz. 25. 2 Vgl. Rz. 51 a.E. sowie die in der vorherigen Fn. Genannten. 3 Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 11 AktG Rz. 57. 4 Dazu im Einzelnen unten § 6 Rz. 36 ff. 5 Ziffer 2. 2. 1 des Leitfadens zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 in der Fassung vom März 2008.
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men. Dabei sind die betreffenden Gesellschaften unterschiedlich vorgegangen: Teils sind die Vorzugsaktien im gleichen Verhältnis in Stammaktien der Gesellschaft umgewandelt worden, teils ist neben der Umwandlung eine Barprämie an die Vorzugsaktionäre geleistet worden und teils erfolgte ein Rückkauf der Vorzugsaktien am Markt zum Zwecke ihrer Einziehung. a) Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien durch Satzungsänderung 55
Die Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien kann durch die Aufhebung des Vorzugs erfolgen. Da bei Bestehen mehrerer Aktiengattungen die Aktiengattungen selbst und die Zahl der Aktien jeder Gattung notwendige Satzungsbestandteile sind (§ 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG), erfordert dies eine Änderung der Satzung. Der nach § 179 Abs. 1 AktG erforderliche Hauptversammlungsbeschluss bedarf zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Vorzugsaktionäre (§ 141 Abs. 1 AktG)1 und, wenn das Verhältnis mehrerer Gattungen von Aktien zum Nachteil einer Gattung geändert wird, der Zustimmung der benachteiligten Aktionäre (§ 179 Abs. 3 AktG)2. Trotz des mit der Aufhebung des Vorzugs verbundenen Eingriffs in die Mitgliedschaftsrechte des Vorzugsaktionärs ist die Zustimmung jedes einzelnen Vorzugsaktionärs nicht erforderlich. Vielmehr genügt nach § 141 Abs. 3 AktG, dass die Vorzugsaktionäre in einer gesonderten Versammlung einen Sonderbeschluss mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen fassen. Die Aufhebung des Vorzugs wird wie jede Satzungsänderung mit Eintragung im Handelsregister wirksam (§ 181 Abs. 3 AktG). Mit Wirksamwerden der Aufhebung des Vorzugs gewähren die Aktien das Stimmrecht (§ 141 Abs. 4 AktG). Folge dieser Maßnahme ist, dass die betreffenden Vorzugsaktien im Verhältnis 1:1 in Stammaktien umgewandelt werden. b) Zuzahlung einer Barprämie neben der Umwandlung
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So einfach das vorstehend beschriebene Verfahren zur Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien durch Satzungsänderung theoretisch ist, so sehr stellt sich in der Praxis das Problem seiner Umsetzung. Dies rührt daher, dass die Vorzugs- und die Stammaktien trotz gleichen Nennbetrags bzw. gleichen anteiligen Betrags am Grundkapital 1 Offenbar aufgrund seiner systematischen Stellung im Sechsten Unterabschnitt „Vorzugsaktien ohne Stimmrecht“ wird § 141 AktG in der Kommentarliteratur verbreitet ausschließlich auf den nachzuzahlenden Gewinnvorzug stimmrechtloser Vorzugsaktien im Sinne des § 139 Abs. 1 AktG bezogen (vgl. Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 141 AktG Rz. 1 („… nur mit Zustimmung der mangels Stimmberechtigung an dem Hauptversammlungsbeschluss nicht mitwirkenden Vorzugsaktionäre …“); G. Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 141 AktG Rz. 10). In der Sache dürfte es jedoch richtig sein, einen Sonderbeschluss der Vorzugsaktionäre nach § 141 AktG auch im Falle der Aufhebung bzw. Beschränkung eines in einer Vorzugsaktie mit Stimmrecht enthaltenen sonstigen Vorrechts zu verlangen (so Hüffer, § 141 AktG Rz. 3 m.w.N.). 2 Zu einem solchen Nachteil kommt es bei der Aufhebung eines in einer Vorzugsaktie ohne Stimmrecht enthaltenen Vorzugs auch aus der Sicht der Inhaber von Stammaktien: Da mit der Aufhebung des Vorzugs die ehemaligen Vorzugsaktionäre das Stimmrecht erhalten (§ 141 Abs. 4 AktG), tritt bei den ehemaligen Stammaktionären eine entsprechende Verwässerung ihres relativen Stimmrechtsanteils ein. Ein Sonderbeschluss der Stammaktionäre nach § 179 Abs. 3 AktG ist aber entbehrlich, wenn neben den Stammaktien nur noch eine Gattung von Vorzugsaktien besteht. In diesem Fall wären der satzungsändernde Beschluss nach § 179 Abs. 1 AktG und der Zustimmungsbeschluss nach § 179 Abs. 3 AktG von den Stammaktionären auf Grundlage der gesetzlich bzw. statutarisch vorgesehenen Mehrheitserfordernisse zu fassen; beide Beschlüsse wären daher im Ergebnis identisch (Wirth/Arnold, ZGR 2002, 859, 871; Hüffer, § 179 AktG Rz. 45).
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vom Markt nur selten gleich bewertet werden. Regelmäßig weist die Vorzugsaktie gegenüber der Stammaktie einen nicht selten erheblichen Bewertungsabschlag auf. Um in diesen Fällen die Zustimmung der Stammaktionäre mit der erforderlichen Mehrheit zu der Umwandlung der Vorzugs- in Stammaktien zu erreichen, muss sichergestellt sein, dass die Stammaktionäre neben der mit der Umwandlung der stimmrechtlosen Vorzugsaktien in stimmberechtigte Stammaktien verbundenen Verwässerung ihres relativen Stimmanteils nicht auch noch eine erhebliche Minderung des Wertes ihrer Aktien hinnehmen müssen. Dies kann dadurch erreicht werden, dass die Vorzugsaktionäre im Rahmen der Umwandlung ihrer Aktien in Stammaktien bare Zuzahlungen an die Gesellschaft leisten1. Eine solche bare Zuzahlung kann jedoch nicht in der Weise vorgesehen werden, dass der einzelne Vorzugsaktionär allein durch die Satzungsänderung zur Zahlung der Ausgleichsprämie verpflichtet wäre, ohne dass er hierzu seine Zustimmung erteilt hat. Dies verstieße gegen den Grundsatz, dass die Verpflichtung der Aktionäre zur Leistung der Einlage durch den Ausgabebetrag der Aktien begrenzt wird (§ 54 Abs. 1 AktG). Erforderlich ist vielmehr, dass der Vorzugsaktionär sich mit der Umwandlung seiner Vorzugs- in Stammaktien und der damit verbundenen Zuzahlung eines bestimmten Barbetrages einverstanden erklärt2. c) Rückkauf von Vorzugsaktien durch die Gesellschaft Der Rückkauf eigener Aktien durch die Aktiengesellschaft ist grundsätzlich unzulässig und nur unter den Voraussetzungen des § 71 AktG ausnahmsweise erlaubt (dazu im Einzelnen Schäfer, § 47). Ein Rückkauf eigener Aktien zum Zwecke der Beseitigung von Vorzugsaktien kommt insbesondere aufgrund einer Ermächtigung der Hauptversammlung (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG) oder aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung nach den Vorschriften der Kapitalherabsetzung (§ 71 Abs. 1 Nr. 6 AktG i.V.m. § 237 AktG) in Betracht. Die Ermächtigung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG kann für höchstens zehn Prozent des Grundkapitals erteilt werden. Das muss allerdings nicht zum Erwerb sämtlicher Vorzugsaktien genügen, da von der Möglichkeit zur Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien bis zur Hälfte des Grundkapitals (§ 139 Abs. 2 AktG) Gebrauch gemacht werden kann. Eine umfangmäßige Beschränkung der Rückerwerbsmöglichkeit besteht im Falle des § 71 Abs. 1 Nr. 6 AktG nicht. Die in einem Rückkaufsangebot an die Vorzugsaktionäre liegende Ungleichbehandlung von Vorzugs- und Stammaktionären ist durch das Interesse der Gesellschaft an einer liquideren Aktie sachlich gerechtfertigt. Der Rückkauf eigener Aktien führt zu einem Liquiditätsabfluss bei der Gesellschaft. Erforderlich ist daher im Falle des § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG, dass die Gesellschaft die nach § 272 Abs. 4 HGB vorgeschriebene Rücklage für eigene Aktien bilden kann, ohne das Grundkapital oder eine gesetzlich oder statutarisch vorgesehene Rücklage zu mindern, und dass der Ausgabebetrag auf die Aktien voll geleistet ist (§ 71 Abs. 2 Sätze 2, 3 AktG). Eine anschließende Einziehung der eigenen Aktien führt zur Herabsetzung des Grundkapitals. Allerdings brauchen die Vorschriften über die ordentliche Kapital1 Abfindungsleistungen der Gesellschaft an die Inhaber von Stammaktien für den Fall der Umwandlung von Vorzugs- in Stammaktien sind gesetzlich nicht vorgesehen. Derartige Leistungen der Gesellschaft sind, wenn sie nicht ausnahmsweise eine Verteilung von Bilanzgewinn darstellen, unzulässig (§ 57 AktG). 2 Vgl. dazu Altmeppen, NZG 2005, 771 ff.; Wirth/Arnold, ZGR 2002, 859, 868, unter Hinweis auf die von der Metro AG und der RWE AG durchgeführten Verfahren; auch LG Köln v. 7.3.2001 – 91 O 131/00, ZIP 2001, 572 ff. = AG 2002, 103, und OLG Köln v. 20.9.2001 – 18 U 125/01, ZIP 2001, 2049 ff. = AG 2002, 244 ff.
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herabsetzung nach der durch das Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (TransPuG) vom 19.7.20021 eingeführten Regelung des § 237 Abs. 3 Nr. 3 AktG nicht befolgt zu werden, wenn es sich bei den betroffenen Aktien um Stückaktien handelt und der Hauptversammlungsbeschluss bestimmt, dass sich durch die Einziehung der Anteil der übrigen Aktien am Grundkapital der Gesellschaft gemäß § 8 Abs. 3 AktG erhöht. d) Rückkauf von Vorzugsaktien und Ausgabe neuer Stammaktien 58
Eine weitere Möglichkeit, Vorzugs- in Stammaktien umzuwandeln, besteht darin, dass die Gesellschaft wie zuvor beschrieben Vorzugsaktien im Wege des Rückkaufs eigener Aktien erwirbt und zugleich eine Kapitalerhöhung durchführt, durch die Stammaktien ausgegeben werden. Bei dieser Kapitalerhöhung muss es sich um eine Sachkapitalerhöhung handeln, da Einlagegegenstand keine Barzahlung, sondern die Kaufpreisforderung aus der Veräußerung der Vorzugsaktien ist. Der Rückkauf der Vorzugsaktien kann dabei von der Bedingung der Teilnahme an der Sachkapitalerhöhung abhängig gemacht werden2. Dadurch werden der Rückkauf der Vorzugsaktien und die Ausgabe neuer Stammaktien zu einem einheitlichen Vorgang verknüpft. Wirtschaftlich werden die Vorzugsaktien durch Stammaktien ausgetauscht. Das Grundkapital bleibt in gleicher Höhe erhalten, wenn Vorzugs- und Stammaktien mit gleichem Nennbetrag bzw. gleichem anteiligen Betrag am Grundkapital im Verhältnis 1:1 getauscht werden. Zu einem Liquiditätsabfluss bei der Gesellschaft kommt es infolge der Einlage der Kaufpreisforderung, die dadurch erlischt, nicht. Um einen Ausgleich für den höheren Wert der Stammaktie gegenüber der Vorzugsaktie zu gewähren, können neben der zu leistenden Sacheinlage bare Zuzahlungen vereinbart werden. Auch ist es denkbar, ein bestimmtes Umtauschverhältnis vorzusehen. Für die Wirksamkeit des Sachkapitalerhöhungsbeschlusses ist ein Sonderbeschluss der Aktionäre jeder Gattung nur erforderlich, wenn die Aktiengattungen das Stimmrecht vermitteln (§ 182 Abs. 2 Satz 1 AktG).
IV. Verbriefung und Verwahrung 1. Einzel-, Sammel- und Globalurkunden a) Allgemeines 59
Zur Verbriefung von Aktien in Einzel- oder Sammelurkunden enthält das Aktiengesetz keine Vorgaben. Für die Entstehung der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft ist die Ausgabe von Aktienurkunden grundsätzlich nicht erforderlich3. Allerdings sind mit der Änderung des § 10 Abs. 5 AktG durch das KonTraG im Jahre 1998, der vorsieht, dass in der Satzung der Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils ausgeschlossen oder eingeschränkt werden kann, die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, Aktien in Dauerglobalurkunden im Sinne des § 9 a Abs. 3 Satz 2 DepotG zu verbriefen (dazu unten Rz. 62). Dies hat zu erheblichen Rationalisierungseffekten bei der Girosammelverwahrung und zu einer weiteren Vereinfachung der massenhaften Abwicklung von Aktienkäufen und -verkäufen im Effektengiroverkehr, allerdings auch zu einem weitgehenden Verlust der mit der Verbriefung des Mitgliedschaftsrechts eigentlich bezweckten Legitimationsfunktion geführt4. 1 2 3 4
BGBl. I 2002, 2681. Wirth/Arnold, ZGR 2002, 859, 864. Hüffer, § 10 AktG Rz. 2; dazu bereits oben Rz. 13 f. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 11.225 ff., S. 1652 ff.; zur geschichtlichen Entwicklung der Namensaktie Müller-von Pilchau in von Rosen/Seifert, Die Namensaktie, S. 97 ff.
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Von einer Einzelurkunde spricht man in Bezug auf Aktien dann, wenn jedes einzelne durch eine Nennbetrags- oder Stückaktie im Sinne von § 8 Abs. 1 AktG repräsentierte Mitgliedschaftsrecht in einer gesonderten Urkunde verbrieft ist1. Für börsengehandelte einzelverbriefte Aktien verlangt § 8 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV im Hinblick auf die Druckausstattung einen ausreichenden Fälschungsschutz und die Möglichkeit einer sicheren und leichten Abwicklung des Wertpapierverkehrs (dazu bereits oben Rz. 18). Aufgrund der in § 10 Abs. 5 AktG vorgesehenen Möglichkeit, den Anspruch der Aktionäre auf Verbriefung ihres Anteils in der Satzung auszuschließen, von der insbesondere börsennotierte Aktiengesellschaften überwiegend Gebrauch machen, spielt die Ausgabe von Einzelurkunden praktisch keine Rolle mehr.
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c) Sammelurkunden Eine Sammelurkunde2 ist nach der Legaldefinition des § 9 a Abs. 1 Satz 1 DepotG ein Wertpapier, das mehrere Rechte verbrieft, die jedes für sich in vertretbaren Wertpapieren einer und derselben Art verbrieft sein könnten. Vorausgesetzt wird der Wertpapierbegriff des § 1 Abs. 1 DepotG, der Aktien umfasst. Die Zusammenfassung mehrerer gleichartiger Rechte in einer einzigen Urkunde dient der technischen Erleichterung bei der Urkundenherstellung und -verwahrung, die in der Sammelurkunde verbrieften Einzelrechte verlieren hingegen nicht ihre rechtliche Selbständigkeit3. Die Zusammenfassung von Einzelrechten in einer Sammelurkunde kann jederzeit rückgängig gemacht werden, wenn der berechtigte Aktionär einen ihm zustehenden, nicht nach § 10 Abs. 5 AktG ausgeschlossenen Anspruch auf Auslieferung von einzelnen Wertpapieren geltend macht (§ 9 a Abs. 3 Satz 1 DepotG).
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d) Dauerglobalurkunden Dauerglobalurkunden sind dadurch charakterisiert, dass der Aussteller nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis nicht verpflichtet ist, an die Inhaber der in der Globalurkunde verbrieften Rechte einzelne Wertpapiere auszugeben (§ 9 a Abs. 3 Satz 2 DepotG). § 10 Abs. 5 AktG sieht vor, dass in der Satzung der Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils ausgeschlossen oder eingeschränkt werden kann (dazu bereits oben Rz. 15). Von dieser Möglichkeit hat die überwiegende Zahl der börsennotierten Aktiengesellschaft Gebrauch gemacht4. Bei den auf dieser Grundlage geschaffenen Sammelurkunden handelt es sich um Dauerglobalurkunden mit der Folge, dass die Aktionäre weder von der Gesellschaft (§ 10 Abs. 5 AktG) noch von der Wertpapiersammelbank die Auslieferung einzelner Aktien (§ 9 a Abs. 3 Satz 2 DepotG) verlangen können. Der damit einhergehende wertpapiermäßige Funktionsverlust ins1 Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 10 AktG Rz. 19. 2 Gleichbedeutend ist der Begriff der Globalurkunde, der sich insbesondere für die Fälle eingebürgert hat, in denen sämtliche Einzelrechte in einer einzigen Urkunde verbrieft sind (vgl. Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, in Fn. 1). Zu den Arten der Sammelurkunde vgl. Gößmann/ Klanten in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band I, 3. Aufl. 2007, § 72 Rz. 60 ff., S. 1961 f.; zur Globalaktie Schäfer in Happ, Aktienrecht, 4.03 Rz. 1 ff., S. 545 ff. 3 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 17 Rz. 22 f., S. 719 f.; Gößmann/Klanten in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band I, 3. Aufl. 2007, § 72 Rz. 55, S. 1960. Insbesondere findet auf globalverbriefte Aktien § 69 AktG keine Anwendung, vgl. Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1679. 4 Anders Wiesner in MünchHdb. AG, § 12 Rz. 22, der meint, dass Dauerglobalurkunden bei Aktien keine Rolle spielen.
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besondere der Dauerglobalurkunde hat allerdings zu der Frage geführt, ob es sich bei solchen Urkunden noch um Wertpapiere oder um bloße Wertrechte handelt1, da der Erwerb von Miteigentumsrechten an derart in einer Dauerglobalurkunde verbrieften Aktien ausschließlich im Wege des Effektengiroverkehrs durch Umbuchung von Anteilen am Girosammelbestand auf dem Depotkonto des Anlegers, nicht aber durch Übertragung effektiver Stücke möglich ist2. Dennoch geht die herrschende Meinung von der Wertpapiereigenschaft der Dauerglobalurkunde aus3. 2. Verwahrung a) Allgemeines 63
Die Verwahrung verbriefter Aktien, bei der die Verwahrungspflicht nicht lediglich Nebenpflicht aus einem Vertragsverhältnis anderer Art ist, sondern die vertragswesentliche Hauptleistung darstellt4, ist zivilrechtlich als Verwahrungsvertrag im Sinne der §§ 688 ff. BGB einzuordnen. Ein solcher Verwahrungsvertrag wird, wenn die „Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren für andere“ erfolgt, in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG als Depotgeschäft legaldefiniert und den Bankgeschäften zugerechnet. Darüber hinaus finden, da es sich bei Aktien um Wertpapiere im Sinne des § 1 Abs. 1 DepotG handelt, die Vorschriften des Depotgesetzes Anwendung5. Dies kann zu Problemen führen, wenn die Gesellschaft ihren Aktionären die Verwahrung der Aktien als Serviceleistung anbietet. Denn nach § 32 KWG bedarf der Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), wer Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreibt, der einen kaufmännisch eingerichteten Gewerbebetrieb erfordert6. Nach Auffassung des ehemaligen Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (heute Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin) benötigt zumindest eine kleine Aktiengesellschaft, die eine Inhaberglobalaktie für nicht mehr als einhundert Aktionäre auf deren ausdrückliches Verlangen unentgeltlich verwahrt, keine Erlaubnis zum Betreiben des Depotgeschäftes7.
1 Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 1871; Einsele, WM 2001, 7, 8 ff.; Einsele in MünchKomm. HGB, Band 5 Depotgeschäft, Rz. 82 ff.; Horn, WM Sonderbeilage 2/2002, 1, 17; jüngst Hirte/ Knof, WM 2008, 7, 9 f. Zum Begriff des Wertrechts vgl. Gößmann/Klanten in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band I, 3. Aufl. 2007, § 72 Rz. 66 f., S. 1963. 2 Vgl. BGH v. 30.11.2004 – XI ZR 200/03, WM 2005, 272, 273. Diese Praxis wird als „Zwangsgiro“ bezeichnet. Im Einzelnen zur Übertragung von in Dauerglobalurkunden verbrieften Aktien unten Rz. 80 ff. 3 Vgl. BGH v. 16.7.2004 – IXa ZB 24/04, WM 2004, 1747, 1748; Gößmann/Klanten in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band I, 3. Aufl. 2007, § 72 Rz. 57, S. 1961; Mentz/ Fröhling, NZG 2002, 201, 208 ff.; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 17 Rz. 25, S. 721; so auch ausdrücklich der Bericht des Rechtsausschusses zu § 10 Abs. 5 AktG, BT-Drucks. 13/10038, S. 25. 4 Zu diesem Abgrenzungsmerkmal etwa Sprau in Palandt, § 688 BGB Rz. 4, 6. Eine gesetzliche Nebenpflicht ist die Verwahrpflicht z.B. im Rahmen des Kommissionsgeschäftes (vgl. §§ 383 ff., 390 HGB). 5 Gößmann/Klanten in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band I, 3. Aufl. 2007, § 72 Rz. 53, S. 1959. 6 Dazu Schwennicke, AG 2001, 118, 119. 7 „Kleine Aktiengesellschaft und Verwahrung von Inhaberglobalaktien“, Stellungnahme des BaKred v. 15.11.2001, Az: VII 4 – 71.51 (5517), veröffentlicht auf der Internetseite der BaFin (www.bafin.de).
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Die Aktie im Rechtsverkehr b) Sonderverwahrung
Aktien befinden sich in Sonderverwahrung, wenn sie unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung jedes Hinterlegers gesondert von den Aktien derselben Art der depotführenden Bank oder anderer Depotkunden aufbewahrt werden. Nach § 2 Satz 1 DepotG ist die depotführende Bank zu dieser Sonderverwahrung verpflichtet, wenn es sich um Aktien handelt, die nicht zur Sammelverwahrung durch eine Wertpapiersammelbank zugelassen sind, oder wenn der Depotkunde die gesonderte Aufbewahrung verlangt. Die Aufbewahrung erfolgt in Streifbändern (deshalb auch „Streifbandverwahrung“) oder anderen geeigneten Behältnissen, die zur Identifikation des Depotkunden seinen Namen oder seine Depotnummer tragen. Die Aktien verbleiben im Falle der Sonderverwahrung im Alleineigentum des Depotkunden1.
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c) Sammelverwahrung Die Sammelverwahrung (§ 5 DepotG) ist die Verwahrung vertretbarer Wertpapiere derselben Art für mehrere Hinterleger/Eigentümer in einem einheitlichen Bestand, dem Sammelbestand2. Aktien einer Gattung sind sammelverwahrungfähig, da sie vertretbar im Sinne des § 91 BGB, d.h. innerhalb derselben Gattung austauschbar sind3. Das ist bei Aktien grundsätzlich der Fall. Auch für vinkulierte Namensaktien kann die Sammelverwahr- und damit Börsenfähigkeit („Lieferbarkeit“) hergestellt werden, indem die Aktien mit einem Blankoindossament versehen oder ihnen Blankoumschreibungsanträge des Verkäufers beigefügt werden4. Werden Aktien in Sammelverwahrung genommen, so entsteht mit dem Zeitpunkt des Eingangs beim Sammelverwahrer für die bisherigen Eigentümer Miteigentum nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand des Verwahrers gehörenden Aktien derselben Art (§ 6 Abs. 1 DepotG). Das Depotgesetz unterscheidet an verschiedenen Stellen zwischen der Sammelverwahrung durch eine Wertpapiersammelbank im Sinne des § 1 Abs. 3 DepotG (so genannte „Girosammelverwahrung“) und der Sammelverwahrung durch ein sonstiges Kreditinstitut (so genannte „Haussammelverwahrung“).
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aa) Bei der Haussammelverwahrung verwahrt die Depotbank die vom Kunden eingelieferten Wertpapiere ungetrennt von ihren eigenen Beständen derselben Art oder von solchen anderer Depotkunden oder vertraut sie einer anderen Depotbank zur Sammelverwahrung an. Voraussetzung dafür ist, dass der Depotkunde die Depotbank hierzu ausdrücklich und schriftlich ermächtigt hat (§ 5 Abs. 1 Satz 2 DepotG).
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bb) Die Girosammelverwahrung ist die vom Gesetzgeber privilegierte und in der Praxis seit langem regelmäßig praktizierte Form der bankmäßigen Verwahrung von Wertpapieren5. Sie ist für die Depotbank und den Depotkunden kostengünstiger als die Sonderverwahrung und bildet über die Girosammelbestände der Wertpapiersammelbank die wertpapiermäßige Grundlage für den stückelosen Effektengiroverkehr mit Wertpapieren. In Deutschland ist die Clearstream Banking AG in Frankfurt/ Main, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Deutsche Börse AG, als Wert-
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1 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 17 Rz. 31, S. 724. 2 Gößmann/Klanten in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band I, 3. Aufl. 2007, § 72 Rz. 71 f., S. 1964. 3 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 11.187 f., S. 1642. 4 Vgl. § 23 der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse in der Fassung vom 1.11.2007; Gößmann/Klanten in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band I, 3. Aufl. 2007, § 72 Rz. 77, S. 1966; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 11.189 f., S. 1642 f. Vgl. auch unten Rz. 104 f. 5 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 11.173 f., S. 1639.
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papiersammelbank zugelassen1. Da Kunden der Clearstream Banking AG nur in- und ausländische Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute sein dürfen, die der Depotprüfung nach § 29 KWG unterliegen oder sich dieser freiwillig unterwerfen2, handelt es sich um einen Fall der Drittverwahrung im Sinne des § 3 DepotG: Die Clearstream Banking AG verwahrt die ihr übergebenen Aktien als unmittelbare Fremdbesitzerin für die sie jeweils beauftragende Bank, die wiederum die Wertpapiere als mittelbare Fremdbesitzerin für ihren Kunden verwahrt3. Die Depotkunden der depotführenden Banken, die Inhaber der betreffenden Aktien sind, sind als mittelbare Eigenbesitzer zweiter Stufe Miteigentümer nach Bruchteilen des von der Clearstream Banking AG gehaltenen Sammelbestandes (§ 6 DepotG)4. 68
cc) Internationalisierung der Girosammelverwahrung5. Nach § 5 Abs. 4 DepotG dürfen Wertpapiersammelbanken einem ausländischen Verwahrer im Rahmen einer gegenseitigen Kontoverbindung, die zur Aufnahme eines grenzüberschreitenden Effektengiroverkehrs vereinbart wird, Wertpapiere zur Sammelverwahrung anvertrauen. Die Wertpapiere müssen vertretbar und zur Sammelverwahrung durch die Wertpapiersammelbank und den ausländischen Verwahrer im Rahmen der gegenseitigen Kontoverbindung zugelassen sein. Der Schutz der deutschen Depotkunden hinsichtlich der im Ausland unterhaltenen Guthaben muss mit dem durch das Depotgesetz gewährten Schutz funktional gleichwertig sein, insbesondere muss der Depotkunde eine insolvenz- und vollstreckungssichere Rechtsstellung an den sammelverwahrten Beständen besitzen. Auch muss grundsätzlich gutgläubiger Erwerb möglich sein. Die Anschaffung von Wertpapieren im Ausland im Rahmen eines bankmäßigen Effektengeschäftes richtet sich nach Nr. 12 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte6. 3. Eintragung von Namensaktien im Aktienregister a) Allgemeines
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Namensaktien7 sind unter Angabe des Namens, des Geburtsdatums und der Adresse des Inhabers sowie der Stückzahl oder der Aktiennummer und bei Nennbetragsaktien des Betrags in das Aktienregister der Gesellschaft einzutragen (§ 67 Abs. 1 Satz 1 AktG). Bei Namensaktien gilt im Verhältnis zur Gesellschaft nur derjenige als Aktio1 Nach Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes zu dem Abkommen vom 18.9.1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Zentralbank über den Sitz der Europäischen Zentralbank vom 19.12.1998 (BGBl. II 1998, 2995) nimmt die EZB als Wertpapiersammelbank am Geschäftsverkehr der Wertpapiersammelbanken teil. 2 Vgl. Nrn. 2 und 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Clearstream Banking AG in der Fassung vom 1.2.2004. Diese sind im Internet abrufbar unter www.clearstream.com. 3 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 17 Rz. 8 ff., S. 715 f. 4 So die h.M.: BGH v. 30.11.2004 – XI ZR 200/03, WM 2005, 272, 273; BGH v. 22.4.1997 – XI ZR 127/96, WM 1997, 1136; OLG Karlsruhe v. 3.12.1998 – 19 U 33/98, WM 1999, 2451, 2455 = WuB I G 3.-1.00 (m. Anm. Schäfer/Mimberg); ausführliche Darstellung des Streitstands jüngst bei Hirte/Knof, WM 2008, 7, 10 ff.; vgl. auch Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 17 Rz. 11 ff., S. 716 ff.; a.A. Einsele, Wertpapier als Schuldrecht, S. 75 ff., 88; Einsele, WM 2001, 7, 11; Einsele in MünchKomm. HGB, Band 5 Depotgeschäft, Rz. 82 ff.; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1680 f. Zu der Frage, ob die in einer Dauerglobalurkunde verbrieften Aktien Wertpapiere oder lediglich Wertrechte darstellen, vgl. oben Rz. 62 und unten Rz. 81. Zur Hinterlegung sammelverwahrter Aktien vgl. BayObLG v. 15.9.2004 – 3 ZBR 145/04, ZIP 2004, 2285 ff. = AG 2005, 244 ff. 5 Vgl. dazu Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 11.275 ff. 6 Dazu Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 17 Rz. 32 ff. 7 Zum Begriff vgl. oben Rz. 40. Die Bestimmungen des § 67 Abs. 1 bis 6 AktG gelten nach § 67 Abs. 7 AktG sinngemäß auch für Zwischenscheine.
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när, der als solcher im Aktienregister eingetragen ist (§ 67 Abs. 2 Satz 1 AktG). § 67 AktG ist durch das Namensaktiengesetz (NaStraG) vom 18.1.20011 insgesamt neu gefasst und sodann durch das UMAG vom 22.9.20052 und insbesondere das Risikobegrenzungsgesetz vom 12.8.20083 erheblich geändert worden. Die durch das Risikobegrenzungsgesetz eingeführten Neuregelungen sollen dem „gesetzlichen Leitbild des möglichst vollständigen Aktienregisters“ dienen und der Gesellschaft „mehr Transparenz über die wahren Inhaber“ insbesondere solcher Aktien verschaffen, für die Nominee-Banken im Aktienregister eingetragen sind4. Zu diesem Zwecke ist in § 67 Abs. 1 Satz 2 AktG eine bislang nicht bestehende Verpflichtung des Aktieninhabers eingeführt worden, der Gesellschaft die in das Aktienregister einzutragenden Angaben mitzuteilen. Auch kann die Satzung nunmehr nach § 67 Abs. 1 Satz 3 AktG nähere Bestimmungen in Bezug auf die grundsätzlich zulässige Eintragung von Personen für Aktien, die dinglich einem anderen gehören, und entsprechende Offenlegungspflichten (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 2 AktG) vorsehen. Der Eingetragene hat der Gesellschaft auf deren Verlangen mitzuteilen, inwieweit ihm die Aktien, als deren Inhaber er im Aktienregister eingetragen ist, auch gehören (§ 67 Abs. 4 Satz 2 AktG). Die damit verbundenen notwendigen Kosten hat die Gesellschaft zu erstatten (dazu im Einzelnen unten Rz. 74). Im Falle der Überschreitung einer nach § 67 Abs. 1 Satz 3 AktG statutarisch vorgesehenen Höchstgrenze oder der Nichterfüllung einer statutarischen Offenlegungspflicht oder der gesetzlichen Mitteilungspflicht nach § 67 Abs. 4 Sätze 2 und 3 AktG bestehen Stimmrechte aus den Aktien nicht (§ 67 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AktG). Zudem stellt der Verstoß gegen die gesetzliche Mitteilungspflicht des § 67 Abs. 4 Satz 2 AktG eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 405 Abs. 2a AktG). Die Eintragung im Aktienregister betrifft nur das Verhältnis zwischen Aktionär und Gesellschaft, nicht auch das Verhältnis des Aktionärs zu Dritten. Sie schafft im Verhältnis zur Gesellschaft die unwiderlegliche Vermutung, dass der Eingetragene Aktionär der Gesellschaft ist und ihn daher die aus der Mitgliedschaft folgenden Berechtigungen und Verpflichtungen treffen5. Hingegen ist die Eintragung im Aktienregister weder Voraussetzung für den Erwerb der Namensaktie noch heilt sie etwaige Erwerbsmängel (dazu näher unter Rz. 71). Aus datenschutzrechtlichen Gründen dient das Aktienregister nicht mehr als Informationsquelle des einzelnen Aktionärs über seine Mitaktionäre6.
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b) Eintragung im Aktienregister Die Tatsache, dass es sich insbesondere bei börsennotierten Gesellschaften bei dem Aktionärsverzeichnis heute im Regelfall um eine EDV-basierte Datenbank handelt, hat den Gesetzgeber im NaStraG dazu veranlasst, den Begriff des „Aktienbuchs“ durch den des „Aktienregisters“ zu ersetzen7. Allerdings kommt als Aktienregister neben einer elektronischen Datenbank jede andere Form der Aufzeichnung in Be-
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BGBl. I 2001, 123. BGBl. I 2005, 2802. BGBl. I 2008, 1666. Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/7438, S. 13 f. und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/9821, S. 10. 5 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 1, 37; T. Bezzenberger in K. Schmidt/Lutter, § 67 AktG Rz. 12. 6 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 1. 7 Zur Geschichte des Aktienbuchs bzw. -registers vgl. Happ in FS Bezzenberger, S. 111, 115 f.
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tracht, solange die Anforderungen des § 239 HGB erfüllt sind1. Zuständig zur Führung des Aktienregisters ist der Vorstand2. Insbesondere bei börsennotierten Gesellschaften wird die Führung des Registers auf elektronischer Basis von entsprechenden Dienstleistungsunternehmen übernommen3. Eintragungspflichtig sind nur Namensaktien und Zwischenscheine, nicht aber Inhaberaktien und unverbriefte Mitgliedschaften4. In das Aktienregister einzutragen sind bei natürlichen Personen der Name, das Geburtsdatum und die Adresse des Aktionärs, bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften die Firma, der Sitz und die Geschäftsadresse, sowie in jedem Fall die Stückzahl oder die Aktiennummer und bei Nennbetragsaktien der Betrag. Anders als nach der bislang geltenden Rechtslage5 besteht für den Inhaber von Namensaktien seit dem durch das Risikobegrenzungsgesetz neu eingeführten § 67 Abs. 1 Satz 2 AktG die Pflicht, der Gesellschaft die entsprechenden Angaben mitzuteilen6. Ist eine BGB-Gesellschaft Inhaberin von Namensaktien, sollten aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Anerkennung der Rechtsfähigkeit dieser Rechtsform durch den BGH7 der Name und Sitz der Gesellschaft, wegen fehlender Registerpublizität darüber hinaus auch die Namen, Adressen und Geburtdaten ihrer Gesellschafter aufgeführt werden8. Auch die Eintragung von Legitimationsaktionären in das Aktienregister ist nach wie vor grundsätzlich zulässig9, allerdings können insoweit nach dem durch das Risikobegrenzungsgesetz neu eingeführten § 67 Abs. 1 Satz 3 AktG statutarisch Einschränkungen vorgesehen werden10. Der ebenfalls durch das Risikobegrenzungsgesetz neu eingeführte § 67 Abs. 1 Satz 4 AktG enthält eine Klarstellung in Bezug auf die Behandlung von Aktien, die zu einem in- oder ausländischen Investmentvermögen gehören, dessen Anteile nicht ausschließlich von Anlegern, die nicht
1 Das Aktienregister ist nach allgemeiner Auffassung kein Handelsbuch, sondern eine „sonst erforderliche Aufzeichnung“ im Sinne des § 239 HGB (vgl. Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 13; Hüffer, § 67 AktG Rz. 4). Zum Muster eines Aktienregisters mit Anmerkungen vgl. Schäfer in Happ, Aktienrecht, 4.08, S. 574 ff. 2 OLG München v. 4.5.2005 – 23 U 5121/04, NZG 2005, 756 ff. = AG 2005, 584 ff.; Kort, NZG 2005, 963 ff.; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 14. 3 Zu den insoweit bestehenden praktischen Erfahrungen und Möglichkeiten, insbesondere bei girosammelverwahrten Aktien, vgl. Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 12; Bredbeck/Schmidt/Sigl in von Rosen/Seifert, Die Namensaktie, S. 315 ff.; Chudaska in von Rosen/Seifert, Die Namensaktie, S. 355 ff.; Kastner in von Rosen/Seifert, Die Namensaktie, S. 335 ff. 4 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 17; Hüffer, § 10 AktG Rz. 6. 5 Vgl. dazu 1. Aufl., § 4 Rz. 72; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 70; Hüffer, § 67 AktG Rz. 17. 6 Zu möglichen praktischen Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Neuregelung vgl. die Stellungnahmen der Gruppe Deutsche Börse, S. 4 f., und des Verbands der Auslandsbanken in Deutschland e.V., S. 5 f. (im Internet abrufbar unter www.jura.uni-augsburg.de/de/prof/moel lers/materialien/materialdateien/040_deutsche_gesetzgebungsgeschichte/Risikobegrenzungsge setz/index.html). 7 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 ff. = AG 2001, 307. 8 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 27. 9 Vgl. ausdrücklich Begr. RegE zum Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drucks. 16/7438, S. 13 r. Sp.; Happ in FS Bezzenberger, S. 111, 120; Schäfer in Happ, Aktienrecht, 4.08 Rz. 3, S. 580; im Ergebnis trotz Bedenken auch Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 21. Üblicherweise erfolgt eine Offenlegung durch den Vermerk „Fremdbesitz“. 10 Nach Vorstellung des Gesetzgebers ist bei börsennotierten Gesellschaften die statutarische Einführung einer Höchstgrenze von 0,5 bis 2 Prozent denkbar, ab deren Erreichen die Eintragung als Legitimationsaktionär nicht mehr zulässig sei (vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/7438, S. 13 r. Sp. und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/9821, S. 18 r. Sp.).
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natürliche Personen sind, gehalten werden1. In § 67 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht aufgeführte sonstige Angaben zu den Namensaktien bzw. ihren Inhabern2 können im Aktienregister eingetragen werden, sie nehmen aber nicht an den Rechtswirkungen des § 67 Abs. 2 AktG teil3. Aufzeichnungen der Gesellschaft über Inhaberaktien oder unverkörperte Mitgliedschaftsrechte sind zulässig, stellen aber kein Aktienregister im Sinne des § 67 AktG dar, auch wenn in Bezug auf die erfassten Mitgliedschaftsrechte später Namensaktien ausgegeben werden sollen4. Der Vorstand ist auch ohne entsprechende Mitteilung von Amts wegen verpflichtet, Änderungen in Bezug auf die Ausgestaltung der Namensaktien selbst (z.B. Änderung ihres Nennbetrages, Wechsel von Nennbetrags- zu Stückaktien bzw. umgekehrt, Änderung der Gattung) in das Aktienregister einzutragen5. c) Wirkung der Eintragung im Aktienregister Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG gilt bei Namensaktien im Verhältnis zur Gesellschaft nur derjenige als Aktionär, der als solcher im Aktienregister eingetragen ist. Die Vorschrift betrifft nur das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem im Aktienregister Eingetragenen, nicht aber zu Dritten6. Im Verhältnis zur Gesellschaft schafft die ordnungsgemäße Eintragung die unwiderlegliche Vermutung, dass der Eingetragene Mitglied der Gesellschaft ist und ihm daher die aus der Mitgliedschaft folgenden Rechte und Pflichten gegenüber der Gesellschaft zustehen7. Eingeschränkt wird dieser Grundsatz nunmehr durch die durch das Risikobegrenzungsgesetz in § 67 Abs. 2 AktG neu eingeführten Sätze 2 und 3: Danach bestehen im Falle der Überschreitung einer nach § 67 Abs. 1 Satz 3 AktG statutarisch vorgesehenen Höchstgrenze oder der Nichterfüllung einer statutarisch vorgesehenen Offenlegungspflicht oder der gesetzlichen Mitteilungspflicht nach § 67 Abs. 4 Sätze 2 und 3 AktG Stimmrechte aus den Aktien nicht. Keinen Einfluss hat die Eintragung auf die mate1 Vgl. dazu Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/9821, S. 18 l. Sp. 2 Zu denken ist an das Geschlecht oder die Staatsangehörigkeit des Aktionärs, das Bestehen von Haltefristen oder, ob die Aktien in Eigen- oder Fremdbesitz gehalten werden. 3 Ausführlich Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 29 ff. Nach einer im Vordringen befindlichen Auffassung sollen jedoch im Aktienregister enthaltene Angaben zu dinglichen Belastungen der Aktien, obwohl in § 67 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht vorgesehen, den Wirkungen des § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG unterfallen (Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 30 m.w.N.; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 67 AktG Rz. 10 ff.). 4 Hüffer, § 67 AktG Rz. 10. 5 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 72; Hüffer, § 67 AktG Rz. 9; Schäfer in Happ, Aktienrecht, 4.08 Rz. 7, S. 582. Ob dazu allerdings, wie Hüffer (§ 67 AktG Rz. 9) meint, auch die Umwandlung von Namens- in Inhaberaktien nach § 24 AktG gehört, erscheint fraglich, da Inhaberaktien ihrerseits gerade nicht eintragungspflichtig sind. 6 OLG Frankfurt/Main v. 9.1.2006 – 20 W 166/05, NZG 2006, 667, 669 = AG 2006, 293 (Antragsberechtigung im Spruchverfahren). Die Erben eines Aktionärs können sich auch dann auf dessen Eintragung im Aktienregister berufen, wenn sie selbst noch nicht im Aktienregister eingetragen sind (vgl. OLG Jena v. 25.2.2004 – 2 U 635/03, AG 2004, 268, 270 m.w.N.; OLG Brandenburg v. 6.6.2001 – 7 U 145/00, AG 2003, 328, 329). Zu den Legitimationswirkungen des Aktienregisters bei fehlgeschlagenen Anteilsübertragungen vgl. Wicke, ZIP 2005, 1397 ff. 7 Vgl. OLG Jena v. 25.2.2004 – 2 U 635/03, AG 2004, 268; OLG Hamburg v. 11.9.2003 – 11 W 30/03, NZG 2004, 45 f. = AG 2003, 694; OLG Brandenburg v. 6.6.2001 – 7 U 145/00, AG 2003, 328, 329; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 37; Hüffer, § 67 AktG Rz. 14; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 67 AktG Rz. 30; a.A. noch das RG (RGZ 86, 154, 160; RGZ 123, 279, 286). Vgl. zum eher akademischen Streit, ob es sich bei § 67 Abs. 2 AktG um eine unwiderlegliche Vermutung oder um eine Fiktion handelt Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 39; Hüffer § 67 AktG Rz. 13.
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rielle Rechtslage1: Verfügungen über Namensaktien erfolgen außerhalb des Aktienregisters, die Eintragung im Register ist weder Voraussetzung für die Wirksamkeit der Verfügung noch werden unwirksame Verfügungen durch die Eintragung im Register geheilt. Insbesondere ist mit der Eintragung kein Gutglaubensschutz verbunden. Die Wirkungen des § 67 Abs. 2 AktG zwischen Gesellschaft und Eingetragenem treten auch ein, wenn der Gesellschaft positiv bekannt ist, dass der Eingetragene materiell nicht Aktionär ist. Wird ein Nichtaktionär fälschlich als Aktionär in das Aktienregister eingetragen, richten sich die Ansprüche des materiell wahren Aktionärs nach den Vorschriften des allgemeinen Zivilrechts2. d) Löschung und Neueintragung 72
Nach § 67 Abs. 3 AktG erfolgen Löschung und Neueintragung im Aktienregister im Falle des Übergangs der Namensaktie auf einen anderen auf Mitteilung und Nachweis. Anders als nach der bislang geltenden Rechtslage, nach der die an der Aktienübertragung Beteiligten nicht verpflichtet waren, entsprechende Mitteilungen zu machen, sondern allenfalls entsprechende Handlungsobliegenheiten zur Herbeiführung der Rechtswirkungen des § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG bestanden3, verpflichtet der durch das Risikobegrenzungsgesetz neu eingeführte § 67 Abs. 1 Satz 2 AktG die Inhaber von Namensaktien nunmehr, der Gesellschaft die Angaben nach § 67 Abs. 1 Satz 1 AktG mitzuteilen. Wie diese Mitteilungspflicht in der Börsenpraxis zu erfüllen ist, bleibt abzuwarten4. Der Vorstand ist aus eigener Zuständigkeit nach wie vor nicht berechtigt, Löschungen oder Neueintragungen von Aktionären vorzunehmen, wenn er von der Aktienübertragung zwar Kenntnis hat, aber entsprechende Mitteilungen nicht erfolgt sind5. Allerdings sind die Befugnisse des Vorstands deutlich erweitert, da mit der Auskunftspflicht der Aktionäre nach § 67 Abs. 1 Satz 2 AktG ein entsprechender von dem Vorstand geltend zu machender Auskunftsanspruch der Gesellschaft korrespondiert. Außerdem kann der Vorstand für die Gesellschaft von demjenigen, der in das Aktienregister eingetragen ist, die Mitteilung verlangen, ob ihm die Aktien gehören bzw. für wen er die Aktien hält (§ 67 Abs. 4 Satz 2 AktG). Eine entsprechende Auskunftspflicht besteht für denjenigen, dessen Identität auf diese Weise offengelegt wird (§ 67 Abs. 4 Satz 3 AktG), so dass sich die Gesellschaft auf diese Weise ausgehend von dem im Aktienregister Eingetragenen über Offenlegung der ge1 Vgl. Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 36; zum Löschungsverfahren nach § 67 Abs. 5 AktG vgl. unten Rz. 75. 2 Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 67 AktG Rz. 20. 3 Vgl. 1. Aufl., § 4 Rz. 72; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 70; Hüffer, § 67 AktG Rz. 17. 4 So hat die Gruppe Deutsche Börse, die über die Clearstream Banking AG das Abwicklungssystem CASCADE-RS betreibt, in ihrer Stellungnahmen zum RegE des Risikobegrenzungsgesetzes, S. 4 f. (im Internet abrufbar unter www.jura.uni-augsburg.de/de/prof/moellers/materialien/ materialdateien/040_deutsche_gesetzgebungsgeschichte/Risikobegrenzungsgesetz/index.html) auf mögliche Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung der Neuregelung hingewiesen. Dabei sind auch datenschutzrechtliche Überlegungen anzustellen: Der Hinweis des Gesetzgebers, die Aktionäre hätten durch den Erwerb von Namensaktien die Verpflichtung zur Individualisierung und Registrierung gegenüber der Gesellschaft hingenommen (Begr. RegE, BTDrucks. 16/7438, S. 14 l. Sp.) greift jedenfalls für Aktionäre, die vor dem Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes ihre Aktien erworben haben, nicht, da eine solche Verpflichtung in der Vergangenheit gerade nicht bestanden hat. 5 Vgl. Noack, ZIP 1999, 1993, 1996; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 86. Zu den auf die Aktie als solche bezogenen Änderungen, die der Vorstand ohne entsprechende Mitteilung vornehmen kann, vgl. Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 72 und oben Rz. 70 a.E.
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samten Verwahrkette Kenntnis von der Person des eigentlichen Aktieninhabers verschaffen kann1. Die den Kreditinstituten dadurch entstehenden notwendigen Kosten sind ihnen von der Gesellschaft zu erstatten (§ 67 Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2 AktG). Der nach der Änderung des § 67 Abs. 3 AktG durch das NaStraG rechtlich anerkannten Möglichkeit, dass die Löschung des Altaktionärs im Register erfolgt, ohne dass der Erwerber eingetragen wird und das Aktienregister daher Leerposten (sog. „freier Meldebestand“) aufweist2, wird durch die Einführung der Mitteilungspflicht des § 67 Abs. 1 Satz 2 AktG nunmehr grundsätzlich der Boden entzogen. Dennoch verbleibt die Möglichkeit, dass die Gesellschaft nach dem durch das UMAG eingeführten § 67 Abs. 4 Satz 5 AktG auch ohne Zustimmung des Aktionärs verlangen, dass das depotführende Institut sich gegen Erstattung der notwendigen Kosten durch die Gesellschaft an dessen Stelle als „Platzhalter“ gesondert in das Aktienregister eintragen lässt3. Auf die Mitteilung nach § 67 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 AktG finden die Bestimmungen über Willenserklärungen zumindest entsprechende Anwendung. Die Mitteilung ist formfrei möglich. Zur Mitteilung der Neueintragung und der dieser notwendigerweise vorausgehenden Löschung ist immer der Erwerber der Aktie verpflichtet und berechtigt, während der Veräußerer nur zu Mitteilung seiner Löschung im Register befugt ist4. Bei girosammelverwahrten Aktien erfolgen die Mitteilungen im Rahmen der elektronischen Datenübermittlung im Rahmen des von der Clearstream Banking AG betriebenen Abwicklungssystems CASCADE-RS (dazu unten Rz. 104). Für den von § 67 Abs. 3 AktG geforderten Nachweis des Aktienübergangs kommt bei Vorhandensein effektiver Stücke die Vorlage der Aktienurkunde, die das den Inhaber bezeichnende Indossament oder ein Blankoindossament enthält, und bei globalverbrieften Aktien insbesondere die Vorlage von Lieferbestätigungen oder Umbuchungsbestätigungen in Betracht.
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e) Übermittlungspflicht der mitwirkenden Kreditinstitute Außer der Pflicht, sich auf Verlangen der Gesellschaft für einen nicht eintragungswilligen Aktionär als Platzhalter in das Aktienregister eintragen zu lassen (dazu oben Rz. 72 a.E.), sind nach § 67 Abs. 4 Satz 1 AktG die bei der Übertragung oder Verwahrung von Namensaktien mitwirkenden Kreditinstitute5 verpflichtet, der Gesellschaft die für die Führung des Aktienregisters erforderlichen Angaben gegen Erstattung der notwendigen Kosten zu übermitteln. Eine dieser Verpflichtung der Kreditinstitute der Gesellschaft gegenüber6 inhaltlich entsprechende Verpflichtung ergibt sich für die Banken des Veräußerers bzw. des Erwerbers diesen gegenüber regelmäßig aus dem zwischen dem Veräußerer bzw. dem Erwerber der Aktien und dessen jeweiliger Bank bestehenden Kommissions- oder Depotvertrag. Die Mitteilung hat aber zu un1 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/7438, S. 14 r. Sp. 2 Vgl. Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 87; Seibert in von Rosen/Seifert, Die Namensaktie, S. 11, 12. 3 Vgl. Uwe H. Schneider/Müller-v. Pilchau, AG 2007, 181 ff. 4 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 80 f. 5 Den Kreditinstituten gleichgestellt sind nach §§ 67 Abs. 4 Satz 3, 125 Abs. 5 AktG Finanzdienstleistungsinstitute und die nach § 53 Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 KWG tätigen Unternehmen. 6 Durch die Gesetzesänderung ist die früher umstrittene Frage, ob die Kreditinstitute der Gesellschaft gegenüber zur Mitteilung verpflichtet und Letztere gegen die Kreditinstitute einen Anspruch auf Mitteilung hat, geklärt; vgl. Bericht des Rechtsausschusses zu § 67 Abs. 4 AktG, BT-Drucks. 14/4618, S. 13.
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terbleiben, wenn der Veräußerer seine Bank entsprechend anweist; eine derartige Anweisung des Erwerbers von Namensaktien würde nunmehr gegen § 67 Abs. 1 Satz 2 AktG verstoßen. Die notwendigen Kosten des Kreditinstituts für die Datenübermittlung (nicht der Datenerhebung und -speicherung) sind von der Aktiengesellschaft zu tragen. Dabei ging der Rechtsausschuss davon aus, dass notwendige Kosten nicht die bei dem Kreditinstitut tatsächlich entstehenden, sondern die bei gehöriger Anstrengung unter Einsatz aller technischen Hilfsmittel unvermeidbaren Kosten sind, und dass diese zumindest „auf längere Sicht bei vollelektronischer Erfassung und Übermittlung an die Clearingstellen und Weiterleitung an die Aktienregister gegen Null tendieren könnten.“1 § 128 Abs. 6 Nr. 1 AktG schafft eine Ermächtigungsgrundlage für eine Kostenerstattungsverordnung in Bezug auf die Kosten der Datenübermittlung nach § 67 Abs. 4 AktG, von der durch die „Verordnung über den Ersatz von Aufwendungen der Kreditinstitute“ vom 17.6.20032 Gebrauch gemacht worden ist und deren § 3 Pauschalbeträge vorsieht. f) Löschungsverfahren 75
§ 67 Abs. 5 AktG enthält Bestimmungen für das Löschungsverfahren für den Fall, dass jemand nach Ansicht der Gesellschaft zu Unrecht als Aktionär in das Aktienregister eingetragen worden ist3. Die Gesellschaft kann die Eintragung nur löschen, wenn sie die Beteiligten vorher von der beabsichtigten Löschung benachrichtigt und ihnen eine angemessene Frist zur Geltendmachung eines Widerspruchs gesetzt hat. Widerspricht ein Beteiligter innerhalb der Frist, hat die Löschung zu unterbleiben. Die Fehlerhaftigkeit der Eintragung kann darauf beruhen, dass der Eingetragene zum Zeitpunkt der Eintragungsmitteilung nicht Aktionär war, dass er zwar Aktionär war, er aber weder selbst eine Eintragungsmitteilung gemacht hat noch für ihn eine solche Mitteilung gemacht wurde oder die Eintragung aus sonstigen Gründen nicht ordnungsgemäß war4. Wurde die Aktie hingegen nach ordnungsgemäßer Eintragung veräußert, kann eine Löschung nur auf Grundlage von § 67 Abs. 3 AktG, nicht aber nach § 67 Abs. 5 AktG, erfolgen. Ohne die Einhaltung des Verfahrens nach § 67 Abs. 5 AktG ist die Gesellschaft nicht berechtigt, eigenmächtig fehlerhafte Eintragungen zu löschen5. Beteiligte sind all diejenigen, in deren Rechtsstellung durch eine Löschung eingegriffen würde, also der Eingetragene selbst, sein unmittelbarer Vormann, da dieser im Falle der Löschung der Eintragung wieder anstelle des zu Unrecht Eingetragenen im Verhältnis zur Gesellschaft in die Rechtsstellung des Aktionärs einrückt6, sowie die mittelbaren Vormänner des Eingetragenen, soweit diese noch nach § 65 AktG in Anspruch genommen werden können7. Die Frist zur Geltendmachung des Widerspruchs muss angemessen sein. Die Angemessenheit beurteilt sich je nach Komplexität des zugrundeliegenden Sachverhalts im Einzelfall, sie sollte aber grundsätzlich einen Monat nicht unterschreiten8. Stimmen alle Beteiligten der Löschung ausdrücklich zu oder reagieren sie innerhalb der angemessenen Frist 1 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses zu § 67 Abs. 4 AktG, BT-Drucks. 14/4618, S. 13. 2 BGBl. I 2003, 885; dazu Seibert, ZIP 2003, 1270 ff. 3 Zur Berichtigungsbefugnis der Gesellschaft ohne Einhaltung des Verfahrens nach § 67 Abs. 5 AktG bei einfachen Schreibfehlern und offenbaren Unrichtigkeiten vgl. Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 102 f. 4 Hüffer, § 67 AktG Rz. 23. 5 Vgl. OLG Zweibrücken v. 3.12.1996 – 3 W 171/96, AG 1997, 140 f. (Ausnahme: Schreibfehler und offenbare Unrichtigkeiten, vgl. oben Fn. 3). 6 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 108. 7 Hüffer, § 67 AktG Rz. 24. 8 Hüffer, § 67 AktG Rz. 24.
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nicht, ist die Gesellschaft berechtigt, die Eintragung zu löschen. Legt auch nur ein Beteiligter innerhalb der Frist Widerspruch ein, muss die Löschung der Eintragung unterbleiben (§ 67 Abs. 5 Satz 2 AktG). Die Gesellschaft oder jeder sonstige in seinen Rechten Betroffene kann gegen den Widerspruch im Wege der Klage vorgehen1. Die Löschung der Eintragung beseitigt deren Wirkung nach § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG für die Zukunft mit der Folge, dass von der Löschung an dessen Wirkung für den unmittelbaren Vormann des Gelöschten gilt2. Bis zur Löschung galt hingegen der zu Unrecht Eingetragene im Verhältnis zur Gesellschaft als Aktionär. Aufgrund der weitreichenden Folgen, die die Eintragung im Aktienregister im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Eingetragenem hat, ist die Gesellschaft zur Einleitung des Verfahrens nach § 67 Abs. 5 AktG verpflichtet, wenn sie der Ansicht ist, dass jemand zu Unrecht als Aktionär im Aktienregister eingetragen ist. Diese Verpflichtung kann durch den Eingetragenen, den materiell berechtigten Aktionär und in ihren Rechten betroffene Vormänner klageweise durchgesetzt werden3. Die Löschung beseitigt die Wirkung der Eintragung für die Zukunft, während für die Vergangenheit die abgewickelten Rechtsbeziehungen zwischen der Gesellschaft und dem zu Unrecht Eingetragenen unberührt bleiben4. g) Informationsrecht des Aktionärs Das NaStraG hat aus datenschutzrechtlichen Gründen zu einer erheblichen Einschränkung des Informationsrechts der Aktionäre im Hinblick auf den Inhalt des Aktienregisters geführt5: Während nach alter Rechtslage jeder Aktionär Einsicht in das Aktienbuch und damit in die dort gespeicherten Daten seiner Mitaktionäre nehmen konnte6, kann der Aktionär nach der Fassung des § 67 Abs. 6 Satz 1 AktG durch das NaStraG von der Gesellschaft nur Auskunft über die zu seiner Person in das Aktienregister eingetragenen Daten verlangen. Börsennotierte Gesellschaften können hiervon (anders als nichtbörsennotierte Gesellschaften, bei denen insoweit Satzungsfreiheit besteht7) nicht durch entsprechende Satzungsgestaltung abweichen (§ 67 Abs. 6 Satz 2 AktG). § 67 Abs. 6 Satz 1 AktG dient, insbesondere im Hinblick auf die weitgehenden Wirkungen des § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG, der Kontrolle der von der Gesellschaft in Bezug auf den einzelnen Aktionär geführten Daten durch den Aktionär selbst8. Die Gesellschaft darf die im Aktienregister enthaltenen sowie die nach § 67 Abs. 4 Satz 2 und 3 AktG mitgeteilten Daten für ihre Aufgaben im Verhältnis zu den Aktionären verwenden (§ 67 Abs. 6 Satz 3 AktG), zur Werbung für das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen allerdings nur, soweit der Aktionär dem 1 Nach der wohl überwiegenden Meinung ist die Klage als Leistungsklage auf Rücknahme des Widerspruchs zu richten (vgl. Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 114; Hüffer, § 67 AktG Rz. 25), während nach anderer Auffassung die Klage auch auf Erteilung der Zustimmung zur Löschung gerichtet werden kann (Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 67 AktG Rz. 43). 2 Hüffer, § 67 AktG Rz. 26. 3 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 115; ungenau Hüffer, § 67 AktG Rz. 27. 4 Zu den Einzelheiten vgl. Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 118. Erfolgt eine Löschung fehlerhaft, hängen die Folgen im Wesentlichen davon ab, ob die ursprüngliche Eintragung zu Recht oder zu Unrecht erfolgt ist (vgl. Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 120). 5 Dazu Dammann/Kummer in von Rosen/Seifert, Die Namensaktie, S. 45 ff. 6 § 67 Abs. 5 AktG a.F. 7 Hüffer, § 67 AktG Rz. 30. 8 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 8.
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nach angemessener Information über sein Widerspruchsrecht nicht widerspricht (§ 67 Abs. 4 Sätze 4 und 5 AktG). h) Entsprechende Geltung für Zwischenscheine 77
Nach § 67 Abs. 7 AktG gelten die Bestimmungen des § 67 Abs. 1 bis 6 AktG sinngemäß auch für Zwischenscheine.
V. Verfügungsformen 1. Vollrechtsübertragung a) Allgemeines 78
Die weitgehend uneingeschränkte Verkehrsfähigkeit von Aktien gehört zum Wesen der Aktiengesellschaft und unterscheidet diese wesentlich von der GmbH, bei der sowohl der Verkauf als auch die Übertragung der Geschäftsanteile zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung bedürfen (§ 15 Abs. 3 und 4 GmbHG1). Die Aktien von Aktiengesellschaften bzw. Kommanditgesellschaften auf Aktien sind in der deutschen Rechtsordnung die einzigen Mitgliedschaftsrechte, in Bezug auf die gesetzlich eine Verbriefung vorgesehen ist2. Bei der die Mitgliedschaft verbriefenden Aktienurkunde handelt es sich um eine bewegliche Sache. Hinsichtlich der Übertragung der Mitgliedschaft kommen bei Bestehen von Aktienurkunden sowohl die an sachenrechtlichen Grundsätzen ausgerichtete wertpapierrechtliche Übertragung der Aktienurkunde als auch die Abtretung des Mitgliedschaftsrechts nach §§ 398, 413 BGB in Betracht. Die grundsätzlich freie Übertragbarkeit des Mitgliedschaftsrechts kann mit dinglicher Wirkung nur bei Namensaktien durch eine statutarische Vinkulierung gemäß §§ 68 Abs. 2, 180 Abs. 2 AktG eingeschränkt werden. Sonstige dinglich wirkende Einschränkungen, wie etwa bestimmte Form- oder Nachweiserfordernisse für die Übertragung, sind unzulässig und können auch nicht statutarisch vorgesehen werden3.
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Im Zusammenhang mit dem Erwerb von Aktien ist die Einhaltung der bei Erreichen oder Überschreiten bestimmter Schwellenwerte für den Erwerber und die Gesellschaft geltenden Mitteilungspflichten nach §§ 20 ff. AktG (für nicht börsennotierte Gesellschaften) bzw. nach §§ 21 ff. WpHG (für börsennotierte Gesellschaften)4 zu beachten. Für die Zeit, für die der Meldepflichtige seine Mitteilungspflicht nicht erfüllt, bestehen die Rechte aus den dem Meldepflichtigen gehörenden Aktien an der Gesellschaft nicht (§ 20 Abs. 7 AktG bzw. § 28 WpHG).
1 Die im Rahmen des MoMiG-Gesetzgebungsverfahrens vielfach angeregte Aufgabe des Beurkundungszwangs zumindest für das schuldrechtliche die GmbH-Anteilsübertragung betreffende Geschäft (vgl. etwa die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV zum RefE, NZG 2007, 211, 223) ist im Regierungsentwurf vom 23.5.2007 nicht aufgegriffen worden (Begr. RegE, BR-Drucks. 354/07, S. 57). 2 Für die Aktien einer SE mit Sitz im Inland gelten die Vorschriften des Aktiengesetzes (Art. 5 SE-VO). 3 Vgl. BGH v. 20.9.2004 – II ZR 288/02, ZIP 2004, 2093, 2094 = AG 2004, 673. Dazu Stupp, NZG 2005, 205, 206 f. 4 Dazu unten § 17.
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Die Aktie im Rechtsverkehr b) Wertpapierrechtliche Übertragung von Aktien
Sind die Aktien in Urkunden verbrieft, kommt eine wertpapierrechtliche Übertragung in Betracht. Die Art und Weise der Übertragung im Einzelnen hängt dabei im Wesentlichen von der Art ihrer Aufbewahrung und der Art der Aktien (Inhaber- oder Namensaktien) ab. Die Verwahrung wird ihrerseits wiederum maßgeblich davon bestimmt, ob die Aktien in Einzel-, Sammel- oder Dauerglobalurkunden verbrieft sind1.
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aa) Typischerweise sind Aktien insbesondere börsennotierter Aktiengesellschaften heute in Globalurkunden verbrieft, und zwar aufgrund der Neufassung des § 10 Abs. 5 AktG, durch den der Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils in der Satzung ausgeschlossen werden kann, in Dauerglobalurkunden2. Die Aktien werden dann regelmäßig in Sammelverwahrung bei der Clearstream Banking AG als Wertpapiersammelbank verwahrt (so genannte „Girosammelverwahrung“). Ob der Hinterleger in diesen Fällen noch eine Besitzposition innehat, die notwendige Voraussetzung für eine Übertragung nach den für die Übereignung beweglicher Sachen geltenden Vorschriften der §§ 929 ff. BGB ist, ist aufgrund des Ausschlusses des Auslieferungsanspruchs nach § 9 a Abs. 3 Satz 2 DepotG im juristischen Schrifttum umstritten3. Der Gesetzgeber hat sich im Zusammenhang mit der Änderung des § 10 Abs. 5 AktG dafür ausgesprochen, die sachenrechtliche Fundierung des Effektengiroverkehrs beizubehalten4. Auch die Bankenpraxis5 und die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum6 gehen jedenfalls von dem Bestehen von gestuften Besitzmittlungsverhältnissen zum einen zwischen der Wertpapiersammelbank und ihren Kunden, den Depotbanken, und zum anderen zwischen der jeweiligen Depotbank und deren Kunden, den Hinterlegern, aus. Die Lieferansprüche aus Wertpapiergeschäften, insbesondere aus den an den Wertpapierbörsen getätigten Geschäften, werden üblicherweise „stückelos“ im Rahmen des Effektengiroverkehrs durch Verschaffung von Miteigentum an dem von der Clearstream Banking AG verwahrten Sammelbestand erfüllt. Dabei vollzieht sich die Verschaffung von Miteigentum nach § 929 BGB durch die Einigung über die Miteigentumseinräumung und die Übergabe in Form der Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses zwischen der Wertpapiersammelbank und der beteiligten Depotbanken gemäß Nr. 8 der AGB der Clearstream Banking AG7. Die Clearstream Banking AG belastet auf Anweisung der Depotbank des Aktienverkäufers deren bei der Clearstream Banking AG unterhaltenes
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1 Instruktiver Überblick bei Mirow, NZG 2008, 52 ff. 2 Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 17 Rz. 24; dazu bereits oben Rz. 62. 3 Einen Herausgabeanspruch bejahend: insb. Horn, WM Sonderbeil. Nr. 2/2002, S. 1, 8 f.; Kümpel in BuB, Rz. 8/100 b; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 11.197 ff.; einen Herausgabeanspruch verneinend: Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 2125 und 2133; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1680; Einsele in MünchKomm. HGB, Band 5 Depotgeschäft, Rz. 79 ff. und 90 f.; Einsele, WM 2001, 7, 11; insgesamt zum Streitstand vgl. Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 208 ff. 4 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses zu § 10 Abs. 5 AktG, BT-Drucks. 13/10038, S. 25; Habersack/Mayer, WM 2000, 1678; Seibert, DB 1999, 267, 269. 5 Vgl. insb. Nr. 8 Abs. 1 der AGB der Clearstream Banking AG. 6 BGH v. 30.11.2004 – XI ZR 49/04, WM 2005, 274, 275; BGH v. 16.7.2004 – IXa ZB 24/04, WM 2004, 1747, 1748; BGH v. 22.4.1997 – XI ZR 127/96, WM 1997, 1136; OLG Karlsruhe v. 3.12.1998 – 19 U 33/98, WM 1999, 2451, 2455 = WuB I G 3.-1.00 (m. Anm. Schäfer/Mimberg); Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 17 Rz. 11 ff., S. 716 ff.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 11.347; jüngst Böning, ZInsO 2008, 873. 7 BGH v. 30.11.2004 – XI ZR 49/04, WM 2005, 274, 275; BGH v. 16.7.2004 – IXa ZB 24/04, WM 2004, 1747, 1748; BGH v. 4.2.1999 – III ZR 56/98, NJW 1999, 1393 (für Investmentanteile); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 11.347 ff.; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 23.
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Depotkonto und schreibt dem bei der Clearstream Banking AG unterhaltenen Depotkonto der Depotbank des Aktienkäufers den entsprechenden Sammelbestandanteil gut. Zugleich stellt die Clearstream Banking AG als unmittelbare Besitzerin aufgrund der vorgenannten Anweisung ihr Besitzmittlungsverhältnis von der Verkäuferdepotbank auf die Käuferdepotbank um. Die Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses ersetzt die Übergabe des girosammelverwahrten Wertpapiers an die Käuferdepotbank. 82
bb) Die vorstehend dargestellten Grundsätze gelten für die Übertragung von girosammelverwahrten Inhaberaktien ohne weiteres. Für von einer deutschen Aktiengesellschaft ausgegebene nicht vinkulierte Namensaktien, die an einer inländischen Wertpapierbörse zum regulierten Markt zugelassen sind, gelten sie, wenn die Aktien in die Girosammelverwahrung einbezogen sind. Das ist möglich, wenn sie mit einem Blankoindossament versehen sind1. Sie werden dadurch vertretbar i.S.d. § 5 Abs 1 Satz 1 DepotG. Blankoindossierte Namensaktien sind entsprechend Art. 14 Abs. 2 Nr. 3 WG nach den Bestimmungen der §§ 929 ff. BGB und damit wie Inhaberaktien übertragbar. Vinkulierte Namensaktien sind börsenfähig, wenn die letzte Übertragung der Namensaktie – und nur diese – durch Blankozession erfolgt ist oder wenn den Aktien Blankoumschreibungsanträge des Verkäufers beigefügt sind2. Die in die Girosammelverwahrung einbezogenen vinkulierten Namensaktien einer deutschen Gesellschaft sind im Effektengiroverkehr lieferbar, soweit sie den Nrn. 47 bis 55 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Clearstream Banking AG3. c) Sonstige Eigentumsübertragungstatbestände, insbesondere des Depotgesetzes
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Weitere Eigentumsübertragungstatbestände enthalten §§ 18 Abs. 3 und 24 Abs. 2 DepotG. Nach § 18 Abs. 3 DepotG geht im Falle der Einkaufskommission bei in Sonderverwahrung befindlichen Wertpapieren mit der Absendung eines Stückeverzeichnisses durch den Kommissionär das Eigentum an den darin bezeichneten Wertpapieren auf den Kommittenten über. Bei in Girosammelverwahrung befindlichen Wertpapieren kann der Kommissionär seine Eigentumsverschaffungspflicht nach § 24 Abs. 2 DepotG durch Eintragung eines Übertragungsvermerks in seinem Verwahrungsbuch erfüllen. Ein Eigentumsübergang nach §§ 18 Abs. 3, 24 Abs. 2 DepotG erfolgt jeweils nur, wenn der Kommissionär verfügungsberechtigt ist und das Eigentum nicht nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts schon früher auf den Erwerber übergegangen ist. Da der Eigentumserwerb regelmäßig nach § 929 BGB durch Einigung und depotmäßige Umbuchung stattfindet, spielt der Eigentumserwerb nach §§ 18 Abs. 3, 24 Abs. 2 DepotG praktisch nur eine untergeordnete Rolle4. d) Abtretung
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Die Abtretung der Mitgliedschaft, verstanden als ein Bündel von Rechten und Pflichten des Aktionär gegenüber der Gesellschaft, nach §§ 398, 413 BGB ist dann die einzige Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Übertragung von Aktien, wenn diese nicht
1 § 46 Abs. 1 AGB der Clearstream Banking AG in der Fassung vom 28.4.2008. 2 § 23 Abs. 2 der Bedingungen für die Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse vom 28.4.2008; die Bedingungen für die Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse sind im Internet unter www.deutsche-boerse.com abrufbar; vgl. auch Gößmann/Klanten in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band I, 3. Aufl. 2007, § 72 Rz. 73 ff. 3 § 23 Abs. 3 der Bedingungen für die Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse vom 28.4.2008. Vgl. im Einzelnen unten Rz. 104 f. 4 Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 208.
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urkundlich verbrieft sind1. Aber auch für die in Form von Namensaktien verbriefte Mitgliedschaft wird die Möglichkeit der Abtretung ganz überwiegend anerkannt2. Die Rechtsprechung und ein Teil des Schrifttums verlangen dann allerdings aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für die Wirksamkeit der Aktienübertragung durch Abtretung die Übertragung des Besitzes an den Aktienurkunden3. Auch wenn dieses Erfordernis aus dem Gesetz nicht ableitbar ist, sollte in der Praxis daher neben der Abtretung des Mitgliedschaftsrechts die Übergabe des Besitzes an den Aktienurkunden oder ein Übergabesurrogat vorgesehen werden4. Für in Urkunden verkörperte Inhaberaktien ist die Frage, ob das in ihnen verbriefte Mitgliedschaftsrecht durch Abtretung übertragen werden kann, streitig5. Warum allerdings für die Abtretung der in Inhaberaktien verkörperten Mitgliedschaft insoweit andere Maßstäbe gelten sollen als für die in Namensaktien verbriefte Mitgliedschaft, ist nicht ersichtlich. Auch hier ist die Zulässigkeit der Abtretung zu bejahen, allerdings sollte auch in diesen Fällen die Abtretung aber mit der Besitzübergabe an den Aktienurkunden verbunden werden6. e) Gutgläubiger Erwerb Erfolgt der Erwerb des Mitgliedschaftsrechts durch Abtretung nach §§ 398, 413 BGB, kann der Erwerber nur die Rechte erwerben, die dem Veräußerer tatsächlich zustehen. Ist der Veräußerer nicht Aktionär, besteht sein Mitgliedschaftsrecht nicht in behauptetem Umfang oder ist sein Mitgliedschaftsrecht belastet, geht dieses Risiko zu Lasten des Erwerbers, der kein, ein weniger umfangreiches oder ein belastetes Mitgliedschaftsrecht erwirbt. Ein gutgläubiger Erwerb bzw. gutgläubiger lastenfreier Erwerb kommt in diesen Fällen nicht in Betracht7. Erfolgt hingegen ein sachenrechtlicher Erwerb von Inhaberaktien, besteht Gutglaubensschutz nach §§ 932 ff. BGB und ggf. § 366 HGB selbst für den Fall, dass die Inhaberaktien dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen sind (§ 935 Abs. 2 BGB)8. In Bezug auf Namensaktien richtet sich der gutgläubige Erwerb gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 AktG nach Art. 16 Abs. 2 WG9. Sowohl bei Inhaber- als auch bei Na-
1 BGH v. 20.9.2004 – II ZR 288/02, ZIP 2004, 2093, 2094 = AG 2004, 673, 674; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, Anh. § 68 AktG Rz. 2; Mirow, NZG 2008, 52, 53. 2 Hüffer, § 68 AktG Rz. 3; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 68 AktG Rz. 17; Mentz/ Fröhling, NZG 2002, 201, 202 f. m.w.N. Eine statutarisch vorgesehene Vinkulierung der Namensaktienübertragung gilt auch für die Abtretung (OLG Celle v. 24.11.2004 – 9 U 119/04, AG 2005, 438 f.). 3 Zuletzt KG v. 20.12.2002 – 14 U 5141/00, AG 2003, 568 f.; BGH v. 12.12.1957 – II ZR 43/57, NJW 1958, 302, 303 (zum Wechsel); a.A. Habersack/Mayer, WM 2000, 1678, 1682; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 68 AktG Rz. 17; Wiesner in MünchHdb. AG, § 14 Rz. 13. 4 Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 203. 5 Nachweise bei Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 202. 6 Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201, 202. 7 Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, Anh. § 68 AktG Rz. 3. 8 Vgl. Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 10 AktG Rz. 36 ff. Ein Zweiterwerber, der in gutem Glauben Inhaberaktien erwirbt, obwohl entgegen § 10 Abs. 2 Satz 1 AktG die Einlagen auf diese Aktien noch nicht voll geleistet worden sind, haftet nicht auf die Zahlung der rückständigen Einlagen (vgl. OLG Köln v. 8.2.2001 – 14 U 9/99, AG 2002, 92 ff., im Anschluss an BGH v. 5.4.1993 – II ZR 195/91, NJW 1993, 1983, 1987). Zu Fragen des Gutglaubenserwerbs nach Durchführung eines Squeeze-Out vgl. Weißhaupt/Özdemir, ZIP 2007, 2110 ff. 9 Vgl. Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 10 AktG Rz. 32.
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mensaktien setzt der gutgläubige Erwerb die wirksame Ausstellung der Urkunde und deren wirksame Begebung voraus1. f) Legitimationsübertragung 86
Bei dem im Aktiengesetz nicht geregelten, sondern von ihm vorausgesetzten2 Institut der Legitimationsübertragung handelt es sich nicht um eine besondere Form der Übertragung von Aktien, sondern um eine Ermächtigung im Sinne des § 185 BGB, Stimmrechte aus fremden Aktien im eigenen Namen auszuüben3. Durch § 129 Abs. 3 AktG wird die Legitimationsübertragung als zulässig anerkannt. 2. Bestellung beschränkt dinglicher Rechte
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Die Bestellung beschränkt dinglicher Rechte an Aktien, insbesondere eines Pfandrechts4 oder eines Nießbrauchs, erfolgt bei unverbrieften Aktien nach den für die Übertragung des Rechts geltenden Vorschriften (§§ 1069 Abs. 1, 1274 Abs. 1 BGB), in Bezug auf Aktienurkunden grundsätzlich durch Einigung über die Einräumung des beschränkt dinglichen Rechts und Übergabe (§§ 1032, 1205 BGB). Bei in Girosammelverwahrung befindlichen Aktien genügt nach § 1205 Abs. 2 BGB eine Anzeige der Verpfändung gegenüber der Depotbank des Aktieninhabers, eine Anzeige an die unmittelbar besitzende Wertpapiersammelbank ist nicht erforderlich5. Für die Verpfändung vinkulierter Namensaktien soll nach allgemeiner Auffassung die Zustimmung der Gesellschaft erforderlich sein (§ 68 Abs. 2 AktG), wobei die Zustimmung zur Verpfändung auch die Zustimmung beinhalten soll, die verpfändeten Aktien im Sicherungsfalle verwerten zu dürfen6. Da die Verpfändung vinkulierter Namensaktien die Interessen der Gesellschaft im Regelfall nicht tangiert, dürfte es zutreffender sein, diese ohne Zustimmung der Gesellschaft zuzulassen und erst die Verwertung der Aktien von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig zu machen7. 3. Pfändung
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Die Pfändung vinkulierter Namensaktien erfolgt nach herrschender Auffassung ohne Zustimmung der Gesellschaft. Diese ist erst für die Verwertung der Aktien erforderlich8. Nach Auffassung des BGH9 erfolgt die Zwangsvollstreckung aus einem Titel, der auf die Übertragung von sammelverwahrten Aktien gerichtet ist, in entsprechender Anwendung des § 886 ZPO. Insoweit genügt es, dass die Depotbank den Eigentumswechsel durch eine Umbuchung vollziehen kann. Den dahin gehenden Anspruch des Schuldners muss der Gläubiger pfänden und sich zur Einziehung überwei1 Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 10 AktG Rz. 21; Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 10 AktG Rz. 38; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, Anh. § 68 AktG Rz. 10; Zöllner, Wertpapierrecht, § 29 III, S. 183 f. 2 Vgl. §§ 129 Abs. 3, 135 Abs. 7, 405 Abs. 3 Nrn. 2, 5, 6 AktG. 3 Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 129 AktG Rz. 33; Hüffer, § 129 AktG Rz. 12; Wiesner in MünchHdb. AG, § 14 Rz. 60 f. 4 Dazu ausführlich Hirte/Knof, WM 2008, 7 ff., 49 ff.; Hoffmann, WM 2007, 1547 ff.; auch Nodoushani, WM 2007, 289 ff. 5 OLG Karlsruhe v. 3.12.1998 – 19 U 33/98, WM 1999, 2451, 2455 = WuB I G 3.-1.00 (m. Anm. Schäfer/Mimberg). 6 Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 68 AktG Rz. 22; Liebscher/Lübke, ZIP 2004, 241, 244 f.; Wiesner in MünchHdb. AG, § 14 Rz. 67. 7 Liebscher/Lübke, ZIP 2004, 241, 244 f. 8 Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 68 AktG Rz. 22. 9 BGH v. 16.7.2004 – IXa ZB 24/04, WM 2004, 1747, 1748 f.
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§5
Die Aktie im Rechtsverkehr
sen lassen können, um eine erfolgreiche Vollstreckung aus dem Herausgabetitel zu bewirken. 4. Kraftloserklärung und Umtausch von Aktienurkunden a) Allgemeines Die Kraftloserklärung und der Umtausch von Aktienurkunden sind in den §§ 72 bis 74 AktG geregelt. Sind Aktienurkunden abhanden gekommen oder vernichtet worden, so kann die Urkunde gerichtlich im Aufgebotsverfahren für kraftlos erklärt werden (§ 72 AktG). Ist der Inhalt der Aktienurkunden durch Veränderung der rechtlichen Verhältnisse unrichtig geworden, so kann die Gesellschaft die Aktien für kraftlos erklären (§ 73 AktG). Im Falle der Beschädigung oder Verunstaltung von Aktienurkunden kann der Inhaber unter den Voraussetzungen des § 74 AktG den Umtausch der Urkunden verlangen. Da eine Verbriefung der Aktie grundsätzlich keine Voraussetzung für den Bestand der Mitgliedschaft des Aktionärs ist, haben die genannten Maßnahmen keinen Einfluss auf die Mitgliedschaft1. Sonderregelungen für die Kraftloserklärung im Rahmen einer Kapitalherabsetzung enthält § 226 AktG (dazu unten § 47 Rz. 48). Erhebliche praktische Bedeutung kommt den Vorschriften insbesondere bei börsennotierten Gesellschaften, bei denen die Aktien heute ganz überwiegend nicht mehr in Form von effektiven Stücken ausgegeben, sondern in einer oder mehreren Globalurkunden verbrieft und girosammelverwahrt werden, nicht zu2.
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b) Gerichtliche Kraftloserklärung (Aufgebotsverfahren) Nach § 72 AktG kann die Urkunde gerichtlich im Aufgebotsverfahren für kraftlos erklärt werden, wenn die Aktienurkunden abhanden gekommen oder vernichtet worden sind. Die Vorschrift soll den Aktionär vor dem Risiko eines gutgläubigen Erwerbs schützen, der auch bei abhanden gekommenen Inhaberaktien möglich ist (§ 935 Abs. 2 BGB), und ihm im Falle zerstörter Aktienurkunden weiterhin die Rechtsausübung ermöglichen. Eine Parallelvorschrift findet sich in § 799 Abs. 1 BGB für Inhaberschuldverschreibungen. Gegenstand der Kraftloserklärung nach § 72 Abs. 1 AktG können Aktien oder Zwischenscheine sein. Mit Aktien sind die die Mitgliedschaft verbriefenden Aktienurkunden gemeint. Auf die Art der Verbriefung (Inhaber- oder Namensaktie) kommt es nicht an. Auf andere aktienrechtliche Nebenpapiere außer dem Zwischenschein findet § 72 AktG keine Anwendung3. Der Begriff des Abhandenkommens erfasst jeden Fall, in dem dem Berechtigten der Besitz aus tatsächlichen Gründen entzogen ist4. Vernichtet ist eine Aktienurkunde, wenn sie vollständig zerstört oder aber soweit beschädigt ist, dass ihr wesentlicher Inhalt oder ihre Unterscheidungsmerkmale nicht mehr sicher zu erkennen sind und ein Umtausch der Aktienurkunde nach § 74 AktG daher nicht mehr in Betracht kommt5. Das Aufgebots1 Anders im Falle der Kaduzierung nach § 64 AktG und der Kapitalherabsetzung nach § 237 AktG. 2 Soweit effektive Stücke ausgegeben wurden, gelten für deren Lieferbarkeit die „Richtlinien für die Lieferbarkeit beschädigter, amtlich notierter Wertpapiere“ der Frankfurter Wertpapierbörse in der Fassung vom 30.9.1999, abrufbar im Internet unter www.deutsche-boerse.de. 3 Hüffer, § 72 AktG Rz. 2. 4 Hüffer, § 72 AktG Rz. 3; Oechsler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 72 AktG Rz. 4; Eickmann in MünchKomm. ZPO, 2. Aufl. 2001, §§ 1003–1024 ZPO Rz. 9. In den Fällen der §§ 935, 1006 BGB wird unter Abhandenkommen lediglich der unfreiwillige Verlust des unmittelbaren Besitzes verstanden (vgl. Bassenge in Palandt, § 935 BGB Rz. 3). 5 Hüffer, § 72 AktG Rz. 3 a.E.
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verfahren ist in den §§ 946 bis 1024 ZPO geregelt. Zuständig ist das Amtsgericht am Sitz der Gesellschaft (§ 1005 Abs. 1 ZPO), wenn keine Zuständigkeit nach § 1006 ZPO besteht. Antragsberechtigt ist bei Inhaberaktien und blankoindossierten Namensaktien oder Zwischenscheinen nach § 1004 Abs. 1 ZPO der bisherige Inhaber des abhanden gekommenen oder vernichteten Papiers, bei nicht blankoindossierten Namensaktien oder Zwischenscheinen derjenige, der das Recht aus der Urkunde geltend machen kann (§ 1004 Abs. 2 ZPO). Auf die Legitimationswirkung der Eintragung in das Aktienregister (§ 67 Abs. 2 Satz 1 AktG) kann insoweit nicht abgestellt werden, da nicht das Verhältnis zwischen Aktionär und Gesellschaft betroffen ist1. Der Antrag ist zu begründen, der Verlust der Urkunde und sonstiger Tatsachenvortrag ist glaubhaft zu machen und an Eides Statt zu versichern (§ 1007 ZPO)2. Die Gesellschaft als Ausstellerin der Urkunde ist nach § 72 Abs. 1 Satz 2 AktG i.V.m. § 799 Abs. 2 BGB verpflichtet, dem Antragsteller auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Zeugnisse auszustellen. Im Falle der Zulässigkeit des Antrags erlässt das Gericht das Aufgebot, in dem die Kraftloserklärung der Urkunde anzudrohen ist (§§ 947 Abs. 2, 1008 ZPO). Die Aufgebotsfrist muss mindestens sechs Monate betragen (§ 1015 Satz 1 ZPO). Nach erfolglosem Ablauf der Aufgebotsfrist erklärt das Gericht im Ausschlussurteil die aufgebotene Urkunde für kraftlos (§ 1017 Abs. 1 ZPO). Das Ausschlussurteil ist seinem wesentlichen Inhalt nach im elektronischen Bundesanzeiger bekanntzumachen (§ 1017 Abs. 2 ZPO). Gegen das Ausschlussurteil findet ein Rechtsmittel nicht statt, jedoch kann es mittels einer gegen den Antragsteller zu richtenden Klage angefochten werden (§ 957 ZPO). Der erfolgreiche Aufgebotskläger ist berechtigt, die Rechte aus der Urkunde geltend zu machen (§ 1018 Abs. 1 ZPO) und die Erteilung einer neuen Urkunden zu verlangen (§ 72 Abs. 1 Satz 2 AktG i.V.m. § 800 BGB)3. Mit der Kraftloserklärung scheidet die Urkunde als Legitimationsgrundlage gegenüber der Gesellschaft oder Dritten aus, insbesondere findet ein gutgläubiger Erwerb aufgrund der Vorlage der Urkunde nicht mehr statt4. c) Kraftloserklärung durch die Gesellschaft 91
Nach § 73 AktG kann die Gesellschaft die Aktien für kraftlos erklären, wenn der Inhalt der Aktienurkunden durch eine Veränderung der rechtlichen Verhältnisse unrichtig geworden ist. Gegenstand der in § 73 AktG geregelten Kraftloserklärung sind neben den dort ausdrücklich genannten Aktienurkunden auch Zwischenscheine, nicht aber Dividenden- und Erneuerungsscheine5. Voraussetzung für die Kraftloserklärung ist, dass der Inhalt der Urkunde nach deren Ausgabe durch eine Veränderung der rechtliche Verhältnisse hinsichtlich der Gesellschaft6 oder der Mitgliedschaft7 unrichtig geworden ist, die Aktienurkunden trotz Aufforderung durch die Ge1 Hüffer, § 72 AktG Rz. 4; Oechsler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 72 AktG Rz. 8. 2 Für die Erkennbarkeit nach § 1007 Nr. 1 ZPO verlangt die Rechtsprechung die Angabe der Aktiennummer (vgl. BGH v. 25.9.1989 – II ZR 53/89, AG 1990, 78, 80). 3 Ist in der Satzung der Gesellschaft der Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils ausgeschlossen worden (§ 10 Abs. 5 AktG), steht dem Aktionär auch auf der Grundlage des § 800 BGB kein Anspruch auf die Ausstellung neuer Aktien zu. 4 Oechsler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 72 AktG Rz. 13; auch KG v. 27.11.1996 – 23 U 6159/95, KGR Berlin 1998, 30 ff. 5 Allg. Meinung: vgl. Hüffer, § 73 AktG Rz. 2; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 73 AktG Rz. 5; Oechsler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 73 AktG Rz. 3. 6 Z.B. Änderung der Firma oder des Sitzes der Gesellschaft. 7 Z.B. Umwandlung von Inhaber- in Namensaktien, von Nennbetrags- in Stückaktien oder von Vorzugs- in Stammaktien oder jeweils umgekehrt. Zur Kraftloserklärung nicht eingereichter Aktienurkunden von Minderheitsaktionären nach Durchführung eines Squeeze-Out vgl. König, NZG 2006, 606 ff.
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Die Aktie im Rechtsverkehr
sellschaft nicht zur Berichtigung oder zum Umtausch eingereicht worden sind und das Gericht die Kraftloserklärung genehmigt hat. Im Falle einer Änderung des Nennbetrags von Aktien erfolgt eine Kraftloserklärung nur bei der Herabsetzung des Nennbetrags im Zusammenhang mit der Herabsetzung des Grundkapitals in den Fällen des § 222 Abs. 4 Satz 1 AktG (ordentliche Kapitalherabsetzung) und des § 229 Abs. 3 AktG (vereinfachte Kapitalherabsetzung)1. Über die Einleitung des Verfahrens nach § 73 Abs. 1 AktG entscheidet der Vorstand nach pflichtgemäßen Ermessen. Die für die Kraftloserklärung erforderliche gerichtliche Genehmigung ist von Vorstandsmitgliedern in vertretungsberechtigter Anzahl bei dem für die Gesellschaft zuständigen Registergericht zu stellen. Wenn die gerichtliche Genehmigung vorliegt, erfolgt die Aufforderung, die Aktien zum Zwecke der Berichtigung oder des Umtausches bei der Gesellschaft einzureichen. Die nach §§ 73 Abs. 2 Satz 2, 64 Abs. 2 AktG grundsätzlich dreimal in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachende2 Aufforderung hat die Kraftloserklärung anzudrohen und auf die gerichtliche Genehmigung hinzuweisen. Nicht fristgemäß eingereichte Aktien können für kraftlos erklärt werden. Dies geschieht durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern (§ 73 Abs. 2 Satz 3 AktG). Dabei sind die betroffenen Aktien eindeutig zu bezeichnen (§ 73 Abs. 2 Satz 4 AktG). Durch die wirksame Kraftloserklärung wird die Wertpapiereigenschaft der betreffenden Aktie bzw. des betreffenden Zwischenscheins beseitigt, ohne dass dadurch das insoweit verbriefte Mitgliedschaftsrecht selbst berührt wird. An Stelle der für kraftlos erklärten Aktien sind neue Aktie auszugeben und dem Berechtigten auszuhändigen oder, wenn ein Recht zur Hinterlegung besteht, zu hinterlegen, es sei denn, die Satzung der Gesellschaft hat den Anspruch des Aktionärs auf Verbriefung seines Anteils gemäß § 10 Abs. 5 AktG ausgeschlossen3. In diesem Fall besteht kein Anspruch des Aktionärs auf Ausgabe von Einzelurkunden bzw. einer Sammelurkunde an ihn, sondern lediglich auf Verbriefung der Aktien insgesamt in einer Globalurkunde4. Für die Praxis bedeutet dies, dass, wenn die Gesellschaft beabsichtigt, von der Möglichkeit des § 10 Abs. 5 AktG Gebrauch zu machen, zunächst die Satzung entsprechend geändert und anschließend eine Maßnahme ergriffen werden sollte, die zur Unrichtigkeit der Aktienurkunden aufgrund einer Veränderung der rechtlichen Verhältnisse führt. d) Austausch von Urkunden § 74 AktG regelt den Austausch von Aktienurkunden und Zwischenscheinen im Falle ihrer Beschädigung oder Verunstaltung. Die Vorschrift gilt nicht für Dividendenund Erneuerungsscheine5. Ein Austausch kann verlangt werden, wenn die Urkunde derart schwerwiegend beschädigt oder verunstaltet ist, dass sie zum Umlauf nicht mehr geeignet ist. Bei börsennotierten Aktien wird insoweit auf ihre Lieferbarkeit abgestellt. Nicht lieferbar sind Wertpapiere unter anderem dann, wenn sie wesentliche
1 Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 EGAktG findet § 73 Abs. 1 Satz 2 AktG keine Anwendung bei der Umstellung von auf D-Mark lautenden Aktien auf auf Euro lautende Aktien. 2 Bei vinkulierten Namensaktien genügt die einmalige Einzelaufforderungen des betreffenden Aktionärs unter Gewährung einer Nachfrist von mindestens einem Monat (§ 64 Abs. 2 Satz 4 AktG). 3 Zum Entfallen der Hinterlegungsmöglichkeit nach § 73 Abs. 3 Satz 1 AktG im Falle der Änderung der Gesellschaftssatzung nach § 10 Abs. 5 AktG nach Kraftloserklärung der bisherigen Aktien vgl. OLG Celle v. 5.2.2003 – 16 VA 4/02, NdsRpfl 2003, 217 f. 4 Zu § 10 Abs. 5 AktG im Einzelnen oben Rz. 15. 5 Oechsler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 74 AktG Rz. 3. Insoweit kommt eine Anwendung von § 798 BGB in Betracht.
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Satzung und Aktie
Beschädigungen aufweisen1. Lassen sich der wesentliche Inhalt und die Unterscheidungsmerkmale der Urkunde nicht mehr sicher erkennen, kommt kein Austausch nach § 74 AktG, sondern nur das gerichtliche Kraftloserklärungsverfahren nach § 72 AktG in Betracht. Unter den Voraussetzungen des § 74 AktG kann der Berechtigte Erteilung einer neuen Urkunde gegen Aushändigung der alten verlangen. Er hat die dafür anfallenden Kosten zu tragen und vorzuschießen (§ 74 Satz 2 AktG).
VI. Vinkulierung von Namensaktien 1. Allgemeines 93
Nach § 68 Abs. 2 Satz 1 AktG kann die Satzung die Übertragung von Namensaktien an die Zustimmung der Gesellschaft binden (so genannte Vinkulierung). Dadurch wird die Wirksamkeit der Verfügung über die Aktie von der Erteilung der Zustimmung der Gesellschaft abhängig gemacht. Die Vinkulierung ist lediglich bei Namensaktien, nicht aber Inhaberaktien zulässig. Sie stellt die – einzig zulässige – Ausnahme vom Grundsatz der freien Übertragbarkeit von Aktien dar2. Bis zur Erteilung der Zustimmung ist die Übertragung schwebend unwirksam, bei (endgültiger) Verweigerung der Zustimmung endgültig unwirksam3. Die Vinkulierung erfasst nur die Übertragung selbst, nicht aber das schuldrechtliche Geschäft, das die Verpflichtung zur Übertragung der (vinkulierten) Namensaktien begründet. Die Aufnahme von Vinkulierungsklauseln in die Satzung der Gesellschaft kann auf einer entsprechenden gesetzlichen Anordnung4 oder auf dem Wunsch beruhen, die Beteiligungsverhältnisse an der Gesellschaft kontrollieren zu können5. Auch kann durch eine Vinkulierung der Aktien bezweckt werden, die Gesellschaft vor einer (feindlichen) Übernahme zu schützen6. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die nachträgliche Einführung der Vinkulierung für bereits bestehende Aktien der Zustimmung sämtlicher betroffener Aktionäre (§ 180 Abs. 2 AktG) bedarf und daher bei börsennotierten Gesellschaften praktisch nicht in Betracht kommt.
1 Vgl. § 20 Abs. (1) lit. c) der „Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse“ in der Fassung vom 28.4.2008 sowie die „Richtlinien für die Lieferbarkeit beschädigter, amtlich notierter Wertpapiere“ der Frankfurter Wertpapierbörse in der Fassung vom 30.9.1999, jeweils abrufbar auf der Internetseite der Deutsche Börse AG unter www.deutsche-boerse.de. 2 Vgl. BGH v. 20.9.2004 – II ZR 288/02, ZIP 2004, 2093, 2094 = AG 2004, 673; dazu bereits oben Rz. 78. Rechtstatsächliches zu Vinkulierungsklauseln bei deutschen Aktiengesellschaften vgl. Bayer/Hoffmann, AG-Report 2007, R 375 ff. 3 Keine Anwendung soll das Vinkulierungserfordernis nach einer nicht rechtskräftigen Entscheidung des OLG München finden, wenn der Erwerber der Aktien Alleinaktionär wird (OLG München v. 4.5.2005 – 23 U 5121/04, NZG 2005, 756, 757 f. = AG 2005, 584). Dazu Heller/ Timm, NZG 2006, 257 ff. 4 § 55 Abs. 1 Satz 1 AktG (Nebenverpflichtungen der Aktionäre); § 101 Abs. 2 Satz 2 AktG (Entsendungsrecht für Inhaber bestimmter Aktien); § 2 Abs. 1 Luftverkehrsnachweissicherungsgesetz (für börsennotierte Luftfahrtunternehmen); § 28 Abs. 5 WPO (für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften); § 50 Abs. 5 StBerG (für Steuerberatungsgesellschaften). Die nach dem früheren KAGG für in der Rechtsform der Aktiengesellschaft betriebene Kapitalanlagegesellschaften bestehende Verpflichtung, vinkulierte Namensaktien auszugeben, ist durch das Investmentmodernisierungsgesetz vom 15.12.2003 (BGBl. I 2003, 2676) beseitigt worden. Die nunmehr für Kapitalanlagegesellschaften geltenden §§ 6 ff. Investmentgesetz (InvG) sehen eine Pflicht zur Ausgabe vinkulierter Namensaktien nicht vor. 5 Liebscher, ZIP 2003, 825, 826. 6 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 37; Bayer, ZGR 2002, 588, 591.
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Die Aktie im Rechtsverkehr 2. Einführung und Aufhebung
Die Vinkulierung bedarf einer entsprechenden Satzungsbestimmung. Sie kann bereits in der Ursprungssatzung der Gesellschaft für alle im Rahmen der Gründung auszugebenden Namensaktien vorgesehen werden, sie kann auch nachträglich für bereits ausgegebene bislang nicht vinkulierte Namensaktien eingeführt oder (ggf. erstmals) für im Rahmen von Kapitalerhöhungen auszugebende Namensaktien vorgesehen werden. Im Falle der nachträglichen Einführung der Vinkulierung bedarf der satzungsändernde Hauptversammlungsbeschluss nach § 180 Abs. 2 AktG der Zustimmung aller betroffenen Aktionäre. Gleiches gilt für die Verschärfung einer bereits bestehenden Vinkulierung1. Zulässig ist es auch, dass die Satzung die Möglichkeit der Vinkulierung vorsieht, ohne dass diese sofort umgesetzt wird2. Dies bedeutet dann allerdings nicht, dass die Hauptversammlung durch einfachen Mehrheitsbeschluss oder der Vorstand bzw. Aufsichtsrat von dieser Möglichkeit für bereits bestehende Aktien Gebrauch machen können3. Vielmehr kann eine solche Ermächtigung im Rahmen einer Kapitalerhöhung genutzt werden. Ob bei Bestehen einer solchen Ermächtigung im Falle der Ausgabe vinkulierter Namensaktien im Rahmen einer bezugsrechtswahrenden Kapitalerhöhung die Notwendigkeit der Zustimmung aller Altaktionäre nach § 180 Abs. 2 AktG besteht, wenn diese nicht vinkulierte Aktien besitzen, erscheint fraglich. In diesem Fall dürfen die Inhaber nicht vinkulierter Aktien nicht darauf vertrauen, bei einer bezugsrechtswahrenden Kapitalerhöhung wiederum nicht vinkulierte Aktien zu erhalten. Ein Grundsatz, dass das gesetzliche Bezugsrecht der Inhaber nicht vinkulierter Aktien auf die Ausgabe nicht vinkulierter Aktien gerichtet ist4, ist bei Bestehen eines entsprechenden Satzungsvorbehalts nicht anzuerkennen5. Etwas anderes gilt dann, wenn die Satzung keinerlei Regelungen zur Vinkulierung enthält und die im Rahmen einer bezugsrechtswahrenden Kapitalerhöhung auszugebenden neuen Aktien vinkuliert werden sollen: Auf die dann erforderliche Satzungsänderung findet § 180 Abs. 2 AktG Anwendung6.
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Die Aufhebung einer statutarischen Vinkulierungsklausel ist – soweit diese nicht auf einem gesetzlichen Erfordernis beruht – durch einen entsprechenden satzungsändernden Beschluss der Hauptversammlung jederzeit möglich7.
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3. Ausgestaltung Die statutarisch vorgesehene Vinkulierung erlegt dem Aktionär eine Verfügungsbeschränkung auf, indem sie die Wirksamkeit der Übertragung der Namensaktie von der Erteilung der Zustimmung der Gesellschaft abhängig macht. Unzulässig sind allerdings Vinkulierungsklauseln, die die Übertragbarkeit der Aktie gänzlich ausschließen8. Davon abgesehen besteht grundsätzlich Gestaltungsfreiheit. Zulässig ist es, das Zustimmungserfordernis auf bestimmte Verfügungen zu beschränken bzw. be1 Stein in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 180 AktG Rz. 18 (mit Beispielsfällen in Rz. 19); Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 180 AktG Rz. 9. 2 Diese Möglichkeit bejahend: Zöllner in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 180 AktG Rz. 12; verneinend: Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 180 AktG Rz. 13. 3 Insoweit zutreffend Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 180 AktG Rz. 13; auch Stein in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 180 AktG Rz. 20. 4 In diesem Sinne aber offenbar Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 48. 5 Vgl. Hüffer, § 186 AktG Rz. 4. 6 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 48; Stein in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 180 AktG Rz. 24; Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 180 AktG Rz. 12. 7 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 51. 8 Hüffer, § 68 AktG Rz. 14; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 68 AktG Rz. 27.
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§5
Satzung und Aktie
stimmte Übertragungen (etwa an verbundene Unternehmen) von dem Zustimmungserfordernis auszunehmen. Die Satzung kann auch vorsehen, dass für die Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung nicht wie im Regelfall der Vorstand, sondern der Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung zuständig ist1. Ebenfalls zulässig ist es, dem für die Zustimmung zuständigen Gesellschaftsorgan in Bezug auf die Erteilung der Zustimmung Entscheidungsfreiheit zu belassen oder aber die Gründe, aus denen die Zustimmung verweigert werden kann, in der Satzung zu benennen2. Die Einführung sonstiger Voraussetzungen, die die Übertragbarkeit der Aktien über die Vinkulierung hinaus erschweren, ist unzulässig3. 97
Das der Übertragung zugrundeliegende schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft ist von der Vinkulierung nicht betroffen. Dementsprechend sind Satzungsregelungen, die die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes an die Zustimmung der Gesellschaft binden, nichtig4. Gleiches gilt für Satzungsregelungen, die Andienungspflichten verkaufswilliger Aktionäre oder Vorkaufsrechte der in der Gesellschaft verbleibenden Aktionäre beinhalten5. Zulässig sind hingegen schuldrechtliche Abreden zwischen den Aktionären bzw. zwischen der Gesellschaft und Aktionären, die bestimmte Andienungs- oder Haltepflichten bzw. Vorerwerbsrechte vorsehen6. 4. Betroffene Rechtsgeschäfte
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Gegenstand der Vinkulierung ist die Übertragung von Aktien. Gemeint ist damit die rechtsgeschäftliche Übertragung im Sinne der eigentumsändernden Verfügung. Nicht erfasst werden schuldrechtliche Geschäfte, die die Verpflichtung zur Übertragung von Aktien begründen, oder auf Gesetz beruhende Eigentumsübergangstatbestände. Grundsätzlich muss sich die Zustimmung auf eine konkrete Übertragung oder auf einen individuell bestimmten Kreis von Rechtsgeschäften beziehen. Nicht zulässig sind daher Global- oder Blankettzustimmungen, bei denen Veräußerungsgegenstand und Erwerber noch nicht feststehen, da dies mit dem Sinn der Vinkulierungsklausel nicht zu vereinbaren ist7. Nach überwiegender Auffassung soll auch die Einräumung beschränkt dinglicher Rechte (Nießbrauch oder Pfandrecht) in Bezug auf vinkulierte Namensaktien dem Zustimmungsvorbehalt unterliegen, nicht aber die Pfändung der Aktien, da durch letztere die Interessen der Gesellschaft nicht berührt würden8. Ob diese unterschiedliche Behandlung der rechtsgeschäftlichen Verpfändung und der Pfändung 1 Bei börsennotierten Gesellschaften kommt es aus Praktikabilitätsgründen nicht in Betracht, die Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung zu übertragen. 2 Beispiele bei Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 60. 3 Vgl. BGH v. 20.9.2004 – II ZR 288/02, ZIP 2004, 2093, 2094 = AG 2004, 673; dazu bereits oben Rz. 78. 4 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 38; Hüffer, § 68 AktG Rz. 14. 5 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 39. 6 Vgl. Barthelmeß/Braun, AG 2000, 172 ff.; auch BayObLG v. 24.11.1988 – BReg. 3 Z 111/88, WM 1989, 138 ff. = WuB II A. § 68 AktG 1.89 (m. Anm. Marsch-Barner); a.A. Immenga, AG 1992, 79 ff.; Otto, AG 1991, 369 ff. Siehe auch oben § 4 Rz. 75 f. 7 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 91. Unter diesem Gesichtspunkt war die früher im Rahmen von Börsenzulassungsverfahren geübte Praxis, nach der die Zulassungsstelle die Erklärung der Gesellschaft verlangte, von der Möglichkeit der Zustimmungsverweigerung nur unter engen Voraussetzungen Gebrauch zu machen, rechtlich fragwürdig (vgl. Wirth, DB 1992, 617, 618). 8 Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 68 AktG Rz. 22; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 56; Hüffer, § 68 AktG Rz. 11; a.A. Liebscher/Lübke, ZIP 2004, 241, 250, die das Erfordernis der Zustimmung für die rechtsgeschäftliche Verpfändung verneinen, aber für die in der Verwertung erfolgende Anteilsveräußerung bejahen. Zur Pfändung Bork in FS Henckel, S. 23, 30 ff.
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Die Aktie im Rechtsverkehr
gerechtfertigt ist, ist fraglich. Interessengerecht erscheint es vielmehr, die Einräumung beschränkt dinglicher Rechte nur dann dem Zustimmungsvorbehalt zu unterwerfen, wenn diese ausdrücklich von der Satzungsregelung erfasst sind. Ob allerdings eine statutarische Erstreckung des Vinkulierungsvorbehaltes über die Übertragung der Aktien hinaus auf die Bestellung beschränkt dinglicher Rechte an den Aktien erscheint aufgrund des im Aktienrecht geltenden Grundsatzes der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) fraglich1. Wenn danach die Verpfändung und Pfändung vinkulierter Aktien ohne Zustimmung der Gesellschaft erfolgen können, ist es allerdings erforderlich, dass die Verwertung dieser Aktien im Wege der Veräußerung aufgrund des (Pfändungs-)Pfandrechts nur mit Zustimmung der Gesellschaft erfolgen kann, da nur so den mit der Vinkulierung verfolgten berechtigten Schutzinteressen der Gesellschaft genügt wird2. 5. Zustimmung der Gesellschaft a) Zuständiges Gesellschaftsorgan Für die Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung ist, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, der Vorstand zuständig, der als Gesamtorgan entscheidet. Die Entscheidungszuständigkeit kann statutarisch dem Aufsichtsrat oder der Hauptversammlung zugewiesen werden (§ 68 Abs. 2 Satz 3 AktG). Ist die Hauptversammlung für die Entscheidung über die Zustimmung zuständig3, ist der veräußernde Aktionär bei der Beschlussfassung nicht an der Ausübung des Stimmrechts gehindert4. Die Erklärung der Zustimmung oder ihrer Verweigerung gegenüber dem Veräußerer oder dem Erwerber fällt als Maßnahme der Vertretung der Gesellschaft stets in die Zuständigkeit des Vorstands, auch wenn die Entscheidung über die Zustimmung statutarisch einem anderen Organ der Gesellschaft zugewiesen ist (§ 68 Abs. 2 Satz 2 AktG)5.
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b) Entscheidungsmaßstab Sind die Gründe, aus denen die Zustimmung verweigert werden darf, in der Satzung festgelegt, hat das zuständige Gesellschaftsorgan zu prüfen, ob einer dieser Gründe vorliegt. Auch wenn dies der Fall ist, soll der Gesellschaft eine Entscheidungsfreiheit über die Erteilung die Zustimmung verbleiben, da statutarische Zustimmungsverbote unzulässig seien6. Enthält die Satzung keine Maßgaben für die Erteilung bzw. Verweigerung der Zustimmung, steht die Entscheidung des zuständigen Gesellschaftsorgans 1 Insoweit unterscheidet sich die AG wesentlich von der GmbH, für deren Gesellschaftssatzung der Grundsatz der Gestaltungsfreiheit gilt: Typischerweise werden in GmbH-Satzungen nicht nur die Übertragung der Geschäftsanteile, sondern auch sonstige Verfügungen in Bezug auf Geschäftsanteile dem Zustimmungserfordernis nach § 15 Abs. 5 GmbHG unterstellt. 2 So auch Liebscher/Lübke, ZIP 2004, 241, 251; für die Verwertung in der Zwangsvollstreckung herrschende Meinung: vgl. Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 112 f. mit zahlreichen weiteren Nachweisen auch zur Mindermeinung. 3 Dies kommt bei börsennotierten Gesellschaften aus Praktikabilitätsgründen regelmäßig nicht in Betracht. 4 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 68; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 68 AktG Rz. 29; a.A. Zöllner in KölnKomm. AktG, 1. Aufl. 1985, § 136 AktG Rz. 29. 5 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 87; Einzelheiten zum Inhalt und den Modalitäten der Erklärung bei Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 84–95. 6 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 62.
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Satzung und Aktie
nicht in seinem freien, sondern in seinem pflichtgemäßen, am Wohl der Gesellschaft zu orientierenden Ermessen, das auch den Grundsatz der Gleichbehandlung der Aktionäre (§ 53 a AktG) zu berücksichtigen hat1. c) Rechtsfolgen 101
Wird die Zustimmung zur Übertragung der Namensaktien entweder vorab als Einwilligung oder nachträglich als Genehmigung erteilt, wird die Übertragung wirksam. Dabei wirkt die nachträglich erteilte Zustimmung auf den Zeitpunkt der Vornahme der Übertragung zurück (§ 184 Abs. 1 BGB). Wird die Zustimmung verweigert, ist die Übertragung der Aktien unwirksam. Das zur Übertragung der Aktien verpflichtende schuldrechtliche Geschäft wird von der Zustimmungsverweigerung nicht betroffen und bleibt daher wirksam. In der Praxis empfiehlt es sich daher, den schuldrechtlichen Vertrag unter den Vorbehalt des Rücktritts für den Fall der Verweigerung der Zustimmung bzw. unter eine entsprechende Bedingung zu stellen. d) Folgen der unberechtigten Zustimmungsverweigerung
102
Im Falle der unberechtigten Verweigerung der Zustimmung kann der verkaufswillige Aktionär die Gesellschaft auf Zustimmung verklagen. Die Verweigerung der Zustimmung ist dann unberechtigt, wenn die Gesellschaft zur Erteilung der Zustimmung, etwa aufgrund einer entsprechenden Gestaltung der Vinkulierungsklausel, verpflichtet ist. Hat das für die Zustimmung zuständige Gesellschaftsorgan hingegen sein Entscheidungsermessen nicht oder nur fehlerhaft ausgeübt, hat der Aktionär lediglich einen Anspruch auf nochmalige, nunmehr ermessensfehlerfreie Entscheidung und ggf. einen Schadensersatzanspruch2. Dem erwerbswilligen Dritten steht aus eigenem Recht gegen die Gesellschaft kein Anspruch auf Zustimmung und damit auch kein Klagerecht zu3. 6. Umgehung
103
Durch die Wahl bestimmter Gestaltungen kann einem Dritten ein derart nachhaltiger Einfluss auf die aus den vinkulierten Aktien folgenden Verwaltungsrechte verschafft werden, dass dies, ohne dass dem Dritten die Gesellschafterstellung zivilrechtlich übertragen wird, wirtschaftlich einer Übertragung der Aktien gleich- oder zumindest nahekommt. Zu denken ist an Treuhandkonstruktionen, Stimmbindungsverträge und Stimmrechtsvollmachten, aber auch an die aufgrund einer entsprechenden Konzernklausel zustimmungsfreie Einbringung der vinkulierten Namensaktien in eine Tochtergesellschaft des Aktionärs und anschließender Übertragung der Beteiligung an der Tochtergesellschaft4. Werden solche Gestaltungen zum Zwecke der Umgehung der
1 BGH v. 1.12.1986 – II ZR 287/85, BB 1987, 435 (auch zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Zustimmungspflicht angenommen werden kann); LG Aachen v. 19.5.1992 – 41 O 30/92, AG 1992, 410, 411 ff.; Bork in FS Henckel, S. 23, 25 ff.; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 72 f.; Lutter, AG 1992, 369, 370 ff. 2 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 106 ff.; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 68 AktG Rz. 37. 3 Vgl. zum Ganzen Wirth, DB 1992, 617, 620 f. 4 Liebscher, ZIP 2003, 825, 826 f. unter Hinweis auf die unveröffentlichte Entscheidung des OLG Köln v. 7.12.1987 – 21 U 12/87; vgl. auch Lutter/Grunewald, AG 1989, 409 ff.; Sieveking/ Technau, AG 1989, 17 ff.; auch OLG Naumburg v. 22.1.2004 – 7 U 133/03, NZG 2004, 775, 778 ff.
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§5
Die Aktie im Rechtsverkehr
Vinkulierung gewählt, wird das entsprechende Rechtsgeschäft grundsätzlich nur mit Zustimmung der Gesellschaft wirksam1. 7. Börsenhandel Für börsengehandelte Namensaktien hat die Clearstream Banking AG mit dem Clearingsystem CASCADE RS2 ein System entwickelt, das die Vorteile von Namensaktien mit denen der Girosammelverwahrung verbindet und mit dem ein automatischer Abgleich mit elektronisch geführten Aktienregistern möglich ist3. Mit der Einlieferung von Globalurkunden bei der Clearstream Banking AG erteilt diese darüber den ihr angeschlossenen Depotbanken eine Depotgutschrift, wie es im Fall der Verwahrung von Inhaberpapieren üblich ist. Alle weiteren mit der Transaktion zusammenhängenden Schritte erfolgen ausschließlich buchmäßig über die EDV-Systeme der Clearstream Banking AG und der ihr angeschlossenen Depotbanken, ohne dass Aktienurkunden physisch bewegt werden. Der insoweit ablaufende Prozess unterscheidet sich nicht vom Clearing girosammelverwahrter Inhaberaktien.
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Nach § 5 Abs. 1 BörsZulV müssen Aktien als Voraussetzung für die Börsenzulassung zum regulierten Markt frei handelbar sein. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 BörsZulV kann die Geschäftsführung der Börse Aktien, deren Erwerb einer Zustimmung bedarf, zulassen, wenn das Zustimmungserfordernis nicht zu einer Störung des Börsenhandels führt. Die in die Girosammelverwahrung einbezogenen vinkulierten Namensaktien sind im Effektengiroverkehr lieferbar und damit börsenfähig4. Die Einbeziehung vinkulierter Namensaktien in die Girosammelverwahrung der Clearstream Banking AG erfolgt unter den Voraussetzungen der Nrn. 47 bis 55 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Clearstream Banking AG. Erforderlich ist insbesondere die Ausstellung einer blankoindossierten Globalurkunde auf den Namen der Clearstream Banking AG als Treuhänderin aller Aktionäre, deren Miteigentumsanteile in der Urkunde verbrieft sind5. Durch die vorstehend beschriebene Einbeziehung von (auch vinkulierten) Namensaktien in die Girosammelverwahrung ist eine Störung des Börsenhandels im Regelfall nicht anzunehmen, so dass sich das Ermessen der Geschäftsführung (der Börse) insoweit auf Null reduziert, die Zulassung also zu bewilligen ist6. Ebenfalls zur Börsenfähigkeit von vinkulierten Namensaktien trägt eine entsprechende Gestaltung der Vinkulierungsklauseln in den Gesellschaftssatzungen bei, nach der die Gesellschaft die ordnungsgemäß beantragte Zustimmung nur dann verweigern wird, wenn sie es aus außerordentlichen Gründen im Interesse des Unternehmens für erforderlich hält7.
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1 Vgl. Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 116 ff. 2 CASCADE RS steht für Central Application for Settlement, Clearing And Depository Expansion of Registered Shares. 3 Dazu Blitz in von Rosen/Seifert, Die Namensaktie, S. 373 ff.; Chudaska in von Rosen/Seifert, Die Namensaktie, S. 355, 358 ff. 4 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.116 ff.; vgl. § 23 Abs. 3 der Bedingungen für die Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse in der Fassung vom 28.4.2008. 5 Nr. 48 Abs. 2 der AGB der Clearstream Banking AG. 6 Heidelbach in Schwark, § 5 BörsZulV Rz. 3. 7 So § 2 Abs. 2 der Satzung der Allianz SE. § 5 der Satzung der Deutsche Lufthansa AG bestimmt, dass die Gesellschaft die Zustimmung zur Übertragung der Aktien nur verweigern darf, wenn zu besorgen ist, dass durch die Eintragung die Aufrechterhaltung der luftverkehrsrechtlichen Befugnisse gefährdet sein könnte. Hingegen stellt § 3 Abs. 2 der Satzung der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG die Erteilung der Zustimmung in das freie Ermessen der Gesellschaft.
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§6
Satzung und Aktie
§6 Besondere Aktiengattungen Rz. I. Überblick und rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. Aktienarten und Aktiengattungen .
1
2. Gestaltungsmöglichkeiten durch unterschiedliche Aktiengattungen .
7
3. Rechtliche Konsequenzen der Existenz mehrerer Gattungen stimmberechtigter Aktien . . . . . .
9
4. Entstehung und Zusammenfassung von Aktiengattungen . . . . . . 15 a) Schaffung von Aktiengattungen . 15 b) Abschaffung von Aktiengattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Stimmrechtslose Vorzugsaktien . . 20 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . a) Rechtsstellung im Überblick b) Entwicklung . . . . . . . . . . c) Bedeutung und Umfang . . .
. . . .
. . . .
. . . .
20 20 21 22
2. Gewinnvorrecht . . . . . . . . . . . . 23 a) Vorzugsdividende . . . . . . . . . . 23 b) Nachzahlbarkeit . . . . . . . . . . . 24 3. Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . 27 a) Aufleben des Stimmrechts (§ 140 Abs. 2 AktG) . . . . . . . . . 28
Rz. b) Zustimmungserfordernisse bei Beeinträchtigung des Vorzugs (§ 141 AktG) . . . . . . . . . . . . . 30 c) Sonderversammlung . . . . . . . . 33 4. Schaffung und Umwandlung von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht . . a) Erstmalige Schaffung von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht . . . b) Umwandlung in Stammaktien . . c) Individualvertragliche Umwandlung von Vorzugsaktien . . . . . .
34 34 36 39
III. „Tracking Stocks“, „Redeemable Shares“ und Investmentaktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Spartenaktien („Tracking Stocks“) . 43 3. Rückerwerbbare Aktien („Redeemable Shares“) . . . . . . . . . . . . . . . 46 4. Investmentaktiengesellschaft . . . . 48 IV. Exkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. American Depositary Receipts (ADRs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Stapled Stock . . . . . . . . . . . . . . 51
Ausgewähltes Schrifttum: Altmeppen, Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien gegen Zuzahlung, NZG 2005, 771; Baums, Spartenorganisation, „Tracking Stock“ und deutsches Aktienrecht, in FS Boujong, 1996, S. 19; T. Bezzenberger, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, 1991; Böckenhoff/Ross, „American Depositary Receipts“ (ADR) – Strukturen und rechtliche Aspekte –, WM 1993, 1781 und 1825; Brauer, Die Zulässigkeit der Ausgabe von sog. „Tracking Stocks“ durch Aktiengesellschaften nach deutschem Aktienrecht, AG 1993, 324; Breuninger/Krüger, Tracking Stocks als Gestaltungsmittel im Spannungsfeld von Aktien- und Steuerrecht, in FS W. Müller, 2001, S. 527; Bungert/Paschos, American Depositary Receipts, Gestaltungspotentiale, kollisionsrechtliche und aktienrechtliche Aspekte, DZWir 1995, 221; de la Concepción Chamorro Dominguez, Rückerwerbbare Aktien: ein Plädoyer für ihre Zulassung in Deutschland aus rechtsvergleichender Perspektive, AG 2004, 487; Dornseifer, Die Neugestaltung der Investmentaktiengesellschaft durch das Investmentänderungsgesetz, AG 2008, 53; Eckhold, Struktur und Probleme des Aktienrechts der Investmentaktiengesellschaft unter Berücksichtigung des Entwurfs des Investmentänderungsgesetzes, ZGR 2007, 654; Fuchs, Tracking Stock – Spartenaktien als Finanzierungsinstrument für deutsche Aktiengesellschaften, ZGR 2003, 167; Fuchs, Aktiengattungen, Sonderbeschlüsse und gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, in FS Immenga, 2004, S. 589; Habersack, Rückerwerbbare Aktien auch für deutsche Gesellschaften!, in FS Lutter, 2000, S. 1329; Habersack, Wandelbare Vorzugsaktien, insbesondere aus genehmigtem Kapital, in FS Westermann, 2008, S. 913; Kiem, Die Stellung der Vorzugsaktionäre bei Umwandlungsmaßnahmen, ZIP 1997, 1627; Krauel/Weng, Das Erfordernis von Sonderbeschlüssen stimmrechtsloser Vorzugsaktionäre bei Kapitalerhöhungen und Kapitalherabsetzungen, AG 2003, 561; Loges/Distler, Gestaltungsmöglichkeiten durch Aktiengattungen, ZIP 2002, 467; Pellens/Hillebrandt, Vorzugs-
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Besondere Aktiengattungen
aktien und Corporate Governance-Diskussion, AG 2001, 57; K. Schmidt, Nebenleistungsgesellschaften (§ 55 AktG, § 3 Abs. 2 GmbHG) zwischen Gesellschaftsrecht, Schuldrecht und Kartellrecht – Von der Rübenzucker-AG zum Nebenleistungsnetzwerk, in FS Immenga, 2004, S. 705; Senger/Vogelmann, Die Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien, AG 2002, 193; Sethe, Aktien ohne Vermögensbeteiligung?, ZHR 162 (1998), 474; Sieger/Hasselbach, „Tracking Stock“ im deutschen Aktienrecht, BB 1999, 1277; Sieger/Hasselbach, „Tracking Stock“ im deutschen Aktien- und Kapitalmarktrecht, AG 2001, 391; Wallach, Die Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital im Gewand des Investmentänderungsgesetzes 2007, Der Konzern 2007, 487; Werner, Die Beschlussfassung der Inhaber von stimmrechtslosen Vorzugsaktien, AG 1971, 69; Wieneke, Die Stellung des Inhabers von ADRs in der Hauptversammlung der Gesellschaft, AG 2001, 504; Wirth/Arnold, Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien, ZGR 2002, 859; Zöllner, Neustückelung des Grundkapitals und Neuverteilung von Einzahlungsquoten bei teileingezahlten Aktien der Versicherungsgesellschaften, AG 1985, 19.
I. Überblick und rechtliche Einordnung 1. Aktienarten und Aktiengattungen Das deutsche Aktienrecht kennt keinen Grundsatz der Gleichberechtigung aller Aktien einer Gesellschaft. Auch § 53a AktG fordert ihn gerade nicht, sondern macht die Gleichbehandlung vom Vorliegen gleicher Voraussetzungen abhängig, lässt also z.B. Differenzierungen durch die Satzung zu1. Das AktG selbst erkennt u.a. in §§ 11 und 12 das Bestehen von Aktien an, die ungleiche Rechte vermitteln, und regelt die Besonderheiten stimmrechtsloser Vorzugsaktien, des praktisch weitaus wichtigsten Falls, eingehend in §§ 139–141. Unterschiede zwischen den Aktien eines Unternehmens sind also zulässig und werden auch in der Praxis bewusst als Gestaltungselement eingesetzt.
1
Aktiengattungen sind in § 11 AktG gesetzlich definiert: Aktien mit gleichen Rechten bilden eine Gattung. Zugleich stellt § 11 AktG klar, dass verschiedene Rechte, namentlich bei der Verteilung des Gewinns und des Gesellschaftsvermögens, gattungsbegründend wirken können. Daraus wird zugleich deutlich, dass nicht alle Unterschiede zwischen Aktien zu mehreren Aktiengattungen führen, sondern nur solche, die unterschiedliche Rechte gegenüber der Gesellschaft vermitteln bzw., wie zu ergänzen ist, unterschiedliche Pflichten gegenüber der Gesellschaft begründen2. Im Wesentlichen kommen für die Differenzierung die mit der Aktie verbundenen Vermögensrechte – neben der Beteiligung an Gewinn und Liquidationsüberschuss vor allem etwaige Nebenleistungspflichten – in Betracht. Nur in den engen Grenzen, in denen sie satzungsdispositiv sind, können auch unterschiedliche Teilhaberechte (insbesondere Stimm- und Entsendungsrechte, dagegen nicht differenzierte Informations- und Auskunftsrechte3) gewährt werden4. Andere Unterschiede – wie etwa der zwischen Inhaber- und Namensaktien mit ansonsten gleicher Ausstattung – begründen lediglich verschiedene Aktienarten, die durchaus nebeneinander bei einer Gesellschaft bestehen können, mit deren Existenz aber keine besonderen Rechtsfolgen verbunden sind.
2
1 Hüffer, § 11 AktG Rz. 2; Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 AktG Rz. 2; Wiesner in MünchHdb. AG, § 13 Rz. 15. 2 RGZ 80, 95, 97; Hüffer, § 11 AktG Rz. 7; Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 AktG Rz. 19. 3 So auch Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 AktG Rz. 8; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 11 AktG Rz. 23; Hüffer, § 23 AktG Rz. 38; a.A. Loges/Distler, ZIP 2001, 467 ff., 469 ff. 4 Hüffer, § 11 AktG Rz. 3 ff.; Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 11 AktG Rz. 10 ff.
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Da verschiedene gesetzliche Regelungen an das Vorhandensein unterschiedlicher Aktiengattungen anknüpfen, ist die Abgrenzung der Ausstattungsunterschiede nötig, die zu getrennten Aktiengattungen führen. Dabei hilft ein Blick auf die praktisch anzutreffenden Unterschiede bei Aktien derselben Gesellschaft. 3
Keine unterschiedlichen Gattungen bilden Aktien, die sich nur im Nennbetrag unterscheiden, wie dies früher recht verbreitet war. Auch die Vinkulierung von Namensaktien, die lediglich die Übertragung der Aktien an besondere Regeln knüpft, aber wiederum die mit den Aktien verbundenen Rechte und Pflichten nicht ändert, führt nicht zum Entstehen einer eigenständigen Aktiengattung1. Gleiches gilt für die Unterscheidung zwischen börsenzugelassenen und nicht börsenzugelassenen Aktien, auch hier sind die Rechte und Pflichten gegenüber der Gesellschaft gleich. So liegt es auch beim isolierten Beherrschungsvertrag in Bezug auf die von der Dividendengarantie erfassten Aktien. Dort bestehen die Garantieansprüche ausschließlich gegenüber dem Großaktionär2.
4
Klare Fälle der Gattungsverschiedenheit sind hingegen neben den später eingehend behandelten Vorzugsaktien ohne Stimmrecht und den in Deutschland bisher nur theoretisch diskutierten „Tracking Stocks“ Vorzugsaktien mit Stimmrecht, die mit einer großen Bandbreite von Vorteilen und/oder Nachteilen bei der Gewinnverteilung bzw. der Verteilung des Liquidationserlöses ausgestattet werden können, und Nebenleistungsaktien, wie sie besonders bei bäuerlich geprägten Gesellschaften – etwa zur Sicherstellung von Zuckerrüben- oder Milchlieferungen – vorkommen3. Auch der satzungsmäßigen Zwangseinziehung unterliegende Aktien bilden wohl gegenüber den sonstigen Aktien der Gesellschaft eine gesonderte Gattung4. Früher hatten auch Mehrstimmrechtsaktien eine gewisse Bedeutung, seit 1998 sind sie allerdings durch § 12 Abs. 2 AktG für unzulässig erklärt und nach dem Auslaufen der Übergangsfrist gemäß § 5 Abs. 1 EGAktG am 30.5.2003 dürften sie fast vollständig verschwunden sein, da ihre Beibehaltung bei „Altgesellschaften“ eines ausdrücklichen Hauptversammlungsbeschlusses mit qualifizierter Mehrheit bedurfte5.
5
Für einige weitere Fallgruppen ist die Einordnung nicht ganz so eindeutig: – Gemäß § 60 Abs. 2 AktG werden teil- und volleingezahlte Aktien, wie man sie z.T. noch bei Versicherungsunternehmen antrifft, bei der Gewinnverteilung unterschiedlich behandelt, auch das Stimmrecht besteht gemäß § 134 Abs. 2 AktG für diese Aktien in unterschiedlichem Umfang. Dennoch liegt hier keine Gattungsverschiedenheit vor. Die Differenzierung ist gerade Ausfluss des Gleichbehandlungsgebots, sie entfällt außerdem bei Volleinzahlung, die der Aktionär bewirken kann6. – Erstaunlich wenig wird die Frage diskutiert, ob die abweichende Gewinnberechtigung junger Aktien aus einer Kapitalerhöhung (oder aus der Ausübung von Options- oder Wandelrechten) gattungsbegründend wirkt. Den wenigen ausdrücklichen 1 Wiesner in MünchHdb. AG, § 13 Rz. 8; Hüffer, § 11 AktG Rz. 7 m.w.N.; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 68 AktG Rz. 44; a.A. Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 AktG Rz. 17; zweifelnd Westermann in Bürgers/Körber, § 11 AktG Rz. 10. 2 A.A. (für eigenständige Gattung der Aktien der außenstehenden Aktionäre) nur LG Hannover v. 20.7.1994 – 23 O 156/93, DB 1994, 1968 ff. 3 Wiesner in MünchHdb. AG, § 13 Rz. 9; Bungeroth in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 55 AktG Rz. 13 jew. m.w.N.; eingehend zu dieser Sonderform der Aktiengesellschaft auch K. Schmidt in FS Immenga, 2004, S. 705 ff. 4 Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 AktG Rz. 19. 5 Zur früheren Rechtslage etwa Schwark in FS Semler, 1993, S. 367; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 11 AktG Rz. 25; vgl. auch Bayer, ZGR 2002, 588 ff., 590 f. 6 Vgl. RGZ 132, 159; Eckardt in G/H/E/K, 1984, § 11 AktG Rz. 25.
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Besondere Aktiengattungen
Stellungnahmen1 scheint man das Vorliegen unterschiedlicher Gattungen entnehmen zu müssen. Das ist allerdings nicht überzeugend. Schon in der zugrunde liegenden Entscheidung des RG wurde die Frage bewusst offen gelassen. Die bloß vorübergehende Abweichung der Dividendenberechtigung junger Aktien kann nicht als Anknüpfungspunkt für Gattungsverschiedenheit ausreichen. Über die Gewinnverwendung für das zurückliegende Geschäftsjahr hinaus, für die eine Sonderbeschlussfassung ohnehin nicht vorgesehen wäre, besteht zwischen den Aktien kein materieller Unterschied. Wollte man es anders sehen, müsste konsequent auch die Anwendung von § 60 Abs. 2 AktG zu eigenständigen Aktiengattungen führen, was – wie gesehen – gerade nicht der Fall ist. Auch § 7 BörsZulV und § 4 Abs. 2 Nr. 5 – 7 WpPG gehen ersichtlich nicht von einem so engen Gattungsverständnis aus. – Aktien, die ein Entsendungsrecht für Aufsichtsratsmitglieder nach § 101 Abs. 2 Alt. 2 AktG begründen, würden eigentlich die Voraussetzungen für eine selbständige Aktiengattung erfüllen2, § 101 Abs. 2 Satz 3 AktG bestimmt aber ausdrücklich, dass sie nicht als eine besondere Gattung gelten. Die Satzung hat gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG die verschiedenen Gattungen zu bezeichnen und die Zahl der jeder Gattung zugehörigen Aktien zu benennen.
6
2. Gestaltungsmöglichkeiten durch unterschiedliche Aktiengattungen Bei börsennotierten Aktiengesellschaften sind stimmrechtslose Vorzugsaktien bei weitem die verbreitetste Form der Gattungsdifferenzierung. Die besonderen Gründe für ihre Verbreitung werden ebenso wie die möglichen Motive für die Nutzung von Tracking Stocks gesondert in den folgenden Abschnitten behandelt (siehe Rz. 21 f., 40). Differenzierungen insbesondere bei der Gewinnbeteiligung und/oder bei der Beteiligung am Liquidationserlös unter Gewährung von Stimmrechten, wie sie bei Vorzugsaktien mit Stimmrecht vorkommen, können vor allem interessant sein, um einem unterschiedlichen Maß der Risikobereitschaft im Aktionärskreis Rechnung zu tragen. So können Aktien mit einem nachzahlbaren (ggf. sogar selbständigen) Gewinnvorzug geschaffen werden, deren Gewinnteilnahme und Teilnahme am Liquidationserlös aber auf einem bestimmten Niveau gekappt oder eingeschränkt wird, um einen Ausgleich für die größere Sicherheit zu schaffen. Auch Gründer können versuchen, sich Sonderrechte über eine speziell ausgestattete Aktiengattung zu sichern. Große praktische Bedeutung haben solche Gestaltungen als „Preferred Stock“ im anglo-amerikanischen Bereich besonders bei Venture Capital Investitionen. Dort suchen viele Finanziers über Sonderrechte nicht nur erhöhte Sicherheit – etwa auch für weitere Finanzierungsrunden – sondern oft auch verstärkten Einfluss auf die Gesellschaft3. In deutschen Aktiengesellschaften lässt sich auf diesem Weg im Wesentlichen eine Differenzierung der ökonomischen (Risiko-)Position darstellen. Flexibler sind insoweit stille Beteiligungen, die nicht zuletzt deswegen bei „Start-up“-Finanzierungen verbreitet sind. Für börsennotierte Gesellschaften hat all dies keine praktische Bedeutung. Wenn derartige Besonderheiten bestehen, werden sie rechtzeitig vor dem Börsengang aufgeho1 Meyer-Landrut in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1973, § 11 AktG Anm. 4 a.E. unter Hinweis auf RGZ 83, 419; jüngst auch Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 11 AktG Rz. 5. 2 Hüffer, § 101 AktG Rz. 8; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 23a. 3 Vgl. zum Ganzen Loges/Distler, ZIP 2001, 467 ff.
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ben, da sie in der Vermarktung hinderlich und bei einer Publikumsgesellschaft auch sachlich fehl am Platze wären. 8
Auch Nebenleistungsaktien, die neben einer zu Finanzierungszwecken ausgegebenen börsennotierten Aktiengattung bei landwirtschaftlichen Produktions- oder Verwertungsgesellschaften bestehen könnten, finden sich im deutschen Markt praktisch nicht, und die wenigen Beispiele von Mehrstimmrechtsaktien (vornehmlich bei börsennotierten Energieversorgern) sind im Zuge der Abschaffung der Mehrstimmrechte weggefallen. Obwohl man derzeit praktisch keine Beispiele des Nebeneinanders mehrerer stimmberechtigter Aktiengattungen bei börsennotierten Gesellschaften findet, lohnt sich ein Blick auf deren rechtliche Behandlung, zumal mit „Tracking Stocks“, rückerwerbbaren Aktien und anderen innovativen Modellen1 mögliche Anwendungsfälle auch für börsennotierte Gesellschaften diskutiert werden, die gerade auch bei der Investmentaktiengesellschaft kurzfristig praktische Bedeutung erlangen könnten (dazu unten Rz. 48). 3. Rechtliche Konsequenzen der Existenz mehrerer Gattungen stimmberechtigter Aktien
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Das Nebeneinander verschiedener Aktiengattungen – gleichgültig ob stimmberechtigt oder stimmrechtslos – löst zunächst – neben der Auflistung in der Satzung (§ 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG) – entsprechende Angabepflichten in der Bilanz (§ 152 Abs. 1 Satz 2 AktG) und im Anhang (§ 160 Nr. 3 AktG) aus. Bei Kapitalmaßnahmen müssen neben dem Kapitalerhöhungsbeschluss und der Anmeldung zum Handelsregister auch die Bezugserklärungen der Aktionäre die Gattungsverschiedenheiten der bezogenen Aktien berücksichtigen, wie §§ 185 Abs. 1 Satz 1 und 198 Abs. 1 Satz 3 AktG ausdrücklich klarstellen. Die Börsenzulassung kann auf einzelne Gattungen der Aktien einer Gesellschaft beschränkt werden, grundsätzlich muss sie sich dann aber auf alle Aktien dieser Gattung beziehen (§ 7 BörsZulV, dort auch zu den – bei großen Gesellschaften nicht seltenen – Ausnahmen). Jede Gattung von Aktien erhält eine gesonderte ISIN (International Securities Indentification Number), die seit Mitte 2003 die Wertpapier-Kennnummer abgelöst hat und europaweit einheitlich ist. Allerdings ist die Erteilung der ISIN nicht auf gattungsverschiedene Aktien beschränkt. Auch junge Aktien oder solche, für die ein Angebot nach WpÜG angenommen wurde, erhalten eine gesonderte ISIN, bis sie – durch Zeitablauf – ihre Besonderheit verlieren.
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Nahezu bedeutungslos ist die Gattungsverschiedenheit stimmberechtigter Aktien für die Auslösung von Meldepflichten nach dem WpHG und von Angebotspflichten nach dem WpÜG. Anknüpfungspunkt ist dort jeweils nur der durch Stimmrechte vermittelte Einfluss, mehrere stimmberechtigte Gattungen sind in Bezug auf ihr Stimmgewicht zusammenzurechnen. Lediglich für die Bestimmung der Gegenleistung und etwaige Nachzahlungen ist nach § 31 WpÜG und § 3 WpÜG-AngVO gattungsbezogen zu differenzieren, so dass der Bieter auch bei mehreren stimmberechtigten Aktiengattungen differenzierte Preise stellen kann2.
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Bei Vorhandensein mehrerer stimmberechtigter Aktiengattungen sieht das AktG oftmals besondere Beschlussmehrheiten vor. Für die verschiedensten Arten von Kapitalmaßnahmen, insbesondere für Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen bestimmen 1 Vgl. etwa Sethe, ZHR 162 (1998), 474 ff. zu Aktien ohne Vermögensbeteiligung. 2 Vgl. etwa Krause in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 31 WpÜG Rz. 29 ff.; Marsch-Barner in Baums/Thoma, § 31 WpÜG Rz. 20 f.; eingehend Habersack, ZIP 2003, 1123 ff.
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§6
Besondere Aktiengattungen
§§ 182 Abs. 2, 193 Abs. 1 Satz 3, 202 Abs. 2 Satz 4, 221 Abs. 1 Satz 4, 222 Abs. 2, 229 Abs. 3 und 237 Abs. 2 Satz 1 AktG, dass die Beschlussfassung der jeweils vorgesehenen Mehrheit nicht nur aller an der Beschlussfassung in der Hauptversammlung teilnehmenden Aktien sondern auch jeder Gattung stimmberechtigter Aktien bedarf. Neben der Beschlussfassung der Hauptversammlung insgesamt müssen daher in diesen Fällen Sonderbeschlüsse jeder Aktiengattung herbeigeführt werden. Diese Sonderbeschlüsse sind nicht Teil des Kapitalbeschlusses, sondern ein zusätzliches Wirksamkeitserfordernis für ihn1. Daher können sie vor oder – innerhalb angemessener Zeit – nach2 dem Kapitalerhöhungsbeschluss der Hauptversammlung gefasst werden, ihr Fehlen macht diesen aber schwebend unwirksam. Die erforderlichen Sonderbeschlüsse können, wie § 138 AktG regelt, entweder in einer gesonderten Versammlung der Aktionäre der entsprechenden Gattung oder – weitaus weniger aufwendig und daher der praktische Regelfall – in der Hauptversammlung gefasst werden. Welcher Weg gewählt wird, bestimmt der für die Einberufung Zuständige.
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Sonderbeschlüsse unterliegen den allgemeinen Regeln über die Einberufung der Versammlung, die Veröffentlichung der Tagesordnung und die Beschlussvorschläge3. Das heißt, dass die Sonderbeschlüsse als eigenständige Tagesordnungspunkte anzukündigen sind (die Ankündigung der Kapitalmaßnahme deckt sie nicht mit ab) und auch selbständig angefochten werden können. Die Sonderbeschlüsse sind auch erforderlich, wenn der Hauptversammlungsbeschluss einstimmig erging. Allenfalls bei der EinPersonen-AG mag die Sonderbeschlussfassung als bloße Formalie verzichtbar sein4. Eine Besonderheit gilt hier für Minderheitsverlangen: Sie können sich auf die Abhaltung einer Sonderversammlung bzw. auf die Aufnahme eines Punktes zur gesonderten Abstimmung in die Tagesordnung der Hauptversammlung beziehen. Neben den in § 122 AktG genannten Quoren aller Aktionäre können gemäß § 138 Satz 3 AktG auch 10 % der betreffenden Gattung den Antrag stellen. Die Notwendigkeit der Sonderbeschlüsse erhöht das Risiko des Scheiterns der Beschlussfassung, weil schon kleine Minderheiten der Aktionäre, die über eine Sperrminorität in einer Gattung verfügen, den Sonderbeschluss verhindern können. Der Sonderbeschluss kann allerdings auch nachgeholt, ein fehlerhafter Sonderbeschluss ggf. auch durch Bestätigungsbeschluss (§ 244 AktG) geheilt und ein angefochtener Sonderbeschluss dem Freigabeverfahren (§ 246a AktG) unterworfen werden5. Erst die Verweigerung der Zustimmung durch Sonderbeschluss macht die entsprechende Kapitalmaßnahme endgültig unwirksam6. War die Kapitalmaßnahme (unzulässigerweise) ohne Sonderbeschluss im Handelsregister eingetragen worden, so tritt nach 3 Jahren Heilung der Unwirksamkeit analog § 242 Abs. 2 AktG ein7. Derselben Mechanik folgt das Umwandlungsgesetz für die Verschmelzung (§ 65 Abs. 2 UmwG), die Spaltung (§§ 125, 65 Abs. 2 UmwG) und den Formwechsel 1 RGZ 148, 175 ff., 186 f.; Hüffer, § 182 AktG Rz. 21; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 182 AktG Rz. 13; Marsch-Barner in Bürgers/Körber, § 182 AktG Rz. 32. 2 Bei ordentlicher Kapitalerhöhung sind das etwa 3 Monate – vgl. Marsch-Barner in Bürgers/Körber, § 182 AktG Rz. 33 m.w.N. 3 Vgl. Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 138 AktG Rz. 26 ff.; Hüffer, § 138 AktG Rz. 5; vgl. auch Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 138 AktG Rz. 20 ff. 4 Vgl. Hüffer, § 182 AktG Rz. 18; Peifer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 182 AktG Rz. 22. 5 Hüffer, § 182 AktG Rz. 21; Marsch-Barner in Bürgers/Körber, § 182 AktG Rz. 33; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 138 AktG Rz. 36 jew. m.w.N. 6 Hüffer, § 138 AktG Rz. 7; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 138 AktG Rz. 8. 7 Vgl. etwa OLG Schleswig v. 16.3.2000 – 5 U 244/97, NZG 2000, 895 ff., 896; Hüffer, § 242 AktG Rz. 10; Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 242 AktG Rz. 25 jew. m.w.N.
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Satzung und Aktie
(§§ 242, 65 Abs. 2 UmwG) unter Beteiligung einer Aktiengesellschaft mit mehreren Gattungen stimmberechtigter Aktien. Hier ist für die Sonderbeschlüsse neben der Stimmenmehrheit eine mindestens 75%ige Kapitalmehrheit der an der Beschlussfassung teilnehmenden Aktionäre erforderlich. Die Satzung kann noch größere Mehrheiten vorsehen, was aber praktisch nicht vorkommt. Für Anteile ohne Stimmrecht1 gibt es auch hier die Notwendigkeit einer Sonderbeschlussfassung nicht. Diese sind – anders als stimmberechtigte Aktien – durch § 23 UmwG besonders geschützt, der zur Gewährung von (mindestens) gleichwertigen Rechten in dem neuen bzw. übernehmenden Rechtsträger verpflichtet. Die Inhaber stimmberechtigter Anteile können mit dem Sonderbeschluss auch Regelungen akzeptieren, die die Rechte der Gattung beschränken. Damit nicht einverstandenen Aktionären dieser Gattung bleibt dann die Möglichkeit der Anfechtungsklage. 14
Einem etwas anderen Konzept folgt die Regelung des § 179 Abs. 3 AktG, der nur außerhalb der in den vorstehenden spezielleren Vorschriften geregelten Fälle zur Anwendung kommt2. Er bindet Satzungsänderungen, die einzelne Gattungen von Aktien gegenüber anderen benachteiligen, an die Zustimmung dieser Gattung durch Sonderbeschluss (mit einfacher Stimmen- und grundsätzlich 75%iger Kapitalmehrheit). Die Frage, wann ein Nachteil entsteht, ist in Grenzfällen offen, die unregelmäßige Verteilung von neu entstehenden Vorteilen dürfte nicht für die Annahme eines Nachteils genügen, andererseits sollte eine „Verrechnung“ von gleichzeitig entstehenden Vorund Nachteilen nicht möglich sein, so dass in diesem Fall ein Sonderbeschluss erforderlich wird3. Mit dem Sonderbeschlusserfordernis erleichtert das Gesetz Satzungsänderungen, die zu Lasten einzelner Aktiengattungen gehen. Ohne diese Regelung wäre die Zustimmung aller benachteiligten Aktionäre erforderlich. Die Privilegierung gilt nur, wenn die Benachteiligung an die Gattung anknüpft, nicht bei gattungsunabhängiger Schlechterstellung von Aktionären4, sie gilt auch nicht für Eingriffe in gesetzliche Rechte, z.B. die Beseitigung oder Einschränkung des Stimmrechts einer Gattung, die allenfalls bei Zustimmung aller Betroffenen erfolgen kann5. Die Sonderbeschlussfassung folgt dem oben beschriebenen Verfahren. Zu Sonderfragen für Vorzugsaktien ohne Stimmrecht vgl. unten Rz. 29 ff. 4. Entstehung und Zusammenfassung von Aktiengattungen a) Schaffung von Aktiengattungen
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Werden bereits bei Gründung der Aktiengesellschaft verschiedene Gattungen von Aktien geschaffen, so erfolgt das im Einverständnis aller Gründer und ist rechtlich unproblematisch.
1 Das bezieht Vorzugsaktien ohne Stimmrecht bewusst, wenn auch möglicherweise systemwidrig, mit ein – vgl. Kiem, ZIP 1997, 1627 ff., 1632; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 23 UmwG Rz. 4; a.A. Kalss in Semler/Stengel, § 23 UmwG Rz. 11. 2 Vgl. Hüffer, § 179 AktG Rz. 42; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 139; eingehend zu § 179 Abs. 3 AktG und seiner rechtspolitischen Rechtfertigung auch Fuchs in FS Immenga, 2004, S. 589 ff., 593 ff. 3 Zur jüngeren Diskussion vgl. OLG Celle v. 30.10.2002 – 9 U 83/02, AG 2003, 505 ff., 506; Hüffer, § 179 AktG Rz. 45; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 144. 4 Vgl. zum Ganzen Hüffer, § 179 AktG Rz. 41 ff.; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 138 ff.; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, L Rz. 47 f. jew. m.w.N. 5 Vgl. Zöllner in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 185; Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 11 AktG Rz. 50 ff. m.w.N.
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Besondere Aktiengattungen
Später stehen grundsätzlich zwei Wege der Schaffung neuer Aktiengattungen zur Verfügung: Die Änderung der Ausstattung eines Teils der bestehenden Aktien oder die Kapitalerhöhung durch Ausgabe neuer, von den bestehenden Aktien gattungsverschiedener Aktien. Bei Umwandlung bestehender Aktien müssen richtigerweise alle Aktionäre, deren Aktien umgewandelt werden sollen, der Umwandlung zustimmen1. Darüber hinaus muss aber auch die Zustimmung aller übrigen Aktionäre gefordert werden, wenn diese gegenüber der neuen Gattung generell oder auch nur teilweise benachteiligt werden2. Bei einer bloßen Benachteiligung der umzuwandelnden Aktien gegenüber denen, die in der ursprünglichen Gattung verbleiben, ist dagegen kein Grund zu sehen, deren Zustimmung zu fordern. § 53a AktG begründet ein solches Erfordernis richtigerweise nicht, da die Verschonung von Nachteilen keinen relevanten Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellt3. Eine analoge Anwendung des § 179 Abs. 3 AktG, der die Zustimmung einer bloßen Mehrheit der Betroffenen genügen lassen würde, kommt nicht in Betracht. Er ist eine Sondervorschrift für den Fall, dass bereits mehrere Gattungen von Aktien bestehen und schränkt dafür die Aktionärsrechte ein. Damit ist er eng auszulegen und nicht analogiefähig4.
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Bei der Schaffung neuer Aktien mit abweichenden Rechten liegt es ähnlich: Werden die neuen Aktien ausschließlich mit geringeren Rechten als die bereits bestehenden Aktien ausgestattet, so genügt die allgemein für die Kapitalmaßnahme erforderliche Mehrheit5. Ein Eingriff in die Rechte der Altaktionäre liegt nicht vor. Sollen die neuen Aktien mit (auch) besseren Rechten als die bereits bestehenden Aktien ausgestattet werden, so wird allgemein die Zustimmung aller Altaktionäre für erforderlich gehalten6. Das überzeugt nicht völlig für den Fall, dass den Altaktionären ein uneingeschränktes Bezugsrecht gewährt wird, ist aber für die praktische Gestaltung zu akzeptieren.
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Interessanterweise wird für die Schaffung von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht trotz der als Ausgleich für den Stimmrechtsverlust vorgesehenen Vorzugsdividende, die eine Besserstellung gegenüber den Stammaktionären bedeutet, eine Zustimmung aller Stammaktionäre zwar ganz überwiegend im Fall der Umwandlung, aber gar nicht bei Schaffung durch Kapitalerhöhung gefordert7.
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b) Abschaffung von Aktiengattungen Die Beseitigung von Aktiengattungen erfolgt praktisch nur durch satzungsändernden Beschluss, der die Rechte der Gattungen vereinheitlicht. Hier ist § 179 Abs. 3 AktG 1 Dazu etwa Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 11 AktG Rz. 38; Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 11 AktG Rz. 55 m.w.N. 2 Vgl. Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 AktG Rz. 25 f.; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 11 AktG Rz. 37. 3 So wohl auch Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 11 AktG Rz. 49. 4 Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 AktG Rz. 25; Hüffer, § 179 AktG Rz. 43; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 11 AktG Rz. 37; Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 11 AktG Rz. 43 a.E. 5 Vgl. etwa Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 AktG Rz. 25; Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 11 AktG Rz. 42. 6 Statt aller Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 AktG Rz. 25; Heider in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 11 AktG Rz. 43 f. 7 Generell für das Ausreichen der satzungsändernden Mehrheit etwa Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 11 AktG Rz. 38; für Einzelzustimmung aller Stammaktionäre im Fall der Umwandlung Hüffer, § 139 AktG Rz. 12; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 139 AktG Rz. 23; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 139 AktG Rz. 41; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 139 AktG Rz. 5.
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anzuwenden, so dass Sonderbeschlüsse all der Aktiengattungen erforderlich sind, die bei der Angleichung (auch) einen Nachteil erleiden1. Eine Ausnahme bildet insoweit die Abschaffung von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, bei der für die Vorzugsaktionäre die zum gleichen Ergebnis führende Sonderregelung des § 141 AktG die allgemeine Regelung des § 179 Abs. 3 AktG verdrängt2.
II. Stimmrechtslose Vorzugsaktien 1. Grundlagen a) Rechtsstellung im Überblick 20
Die einzige im Aktiengesetz detaillierter geregelte Aktiengattung sind Vorzugsaktien ohne Stimmrecht (§§ 139–141 AktG). Sie gewähren, wie der Name schon sagt, abweichend vom Grundsatz des § 12 Satz 1 AktG kein Stimmrecht, müssen dafür aber zwingend mit einem nachzahlbaren Vorzug bei der Gewinnverteilung ausgestattet sein. Daneben trifft das AktG besondere Vorkehrungen zum Schutz der Vorzugsaktionäre gegen Beeinträchtigungen ihrer Vorzugsstellung und definiert ebenfalls zwingend, dass und unter welchen Voraussetzungen das Stimmrecht der Vorzugsaktionäre bei Nichtzahlung der Vorzugsdividende auflebt. b) Entwicklung
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Vorzugsaktien ohne Stimmrecht sieht das Aktienrecht erst seit 1937 vor. Während auslösend für diese Entwicklung die Suche nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten für Aktiengesellschaften in einer Zwischenform von Aktie und Schuldverschreibung war, entwickelte sich daraus eine Aktie für Anleger, die bereit sind, für erweiterte Gewinnteilnahme auf gestaltenden Einfluss in der Gesellschaft zu verzichten. Die Ausgestaltung im AktG 1965 ist geprägt durch das Ziel, einen Zugang zu den Kapitalmärkten auch für Familiengesellschaften zu eröffnen, ohne dass diese Überfremdung fürchten müssen3. c) Bedeutung und Umfang
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Während bis Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts Vorzugsaktien nur geringe praktische Bedeutung erlangten, erfuhren sie in den 80er Jahren einen wahren Boom gerade bei Familiengesellschaften, die oft lediglich Vorzugsaktien ohne Stimmrecht an die Börse brachten, um sich zu finanzieren, und die stimmberechtigten Aktien ausschließlich in Familienbesitz hielten4. Einige Fälle, in denen die Stimmrechte der Vorzugsaktionäre auflebten, aber auch die Beschränkungen durch die Volumenbegrenzung für stimmrechtslose Vorzugsaktien auf die Hälfte des Grundkapitals (§ 139 Abs. 2 AktG) ließen diese Entwicklung Mitte der 90er Jahre zum Stillstand kommen. Mit der Entwicklung der Emissionsschwerpunkte hin zu risikobehafteten Technolo1 Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 11 AktG Rz. 43; OLG Celle v. 30.10.2002 – 9 U 83/02, AG 2003, 505 ff., 506. 2 OLG Köln v. 20.9.2001 – 18 U 125/01, AG 2002, 244 ff., 245; Hüffer, § 179 AktG Rz. 42; Kraft in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 11 AktG Rz. 44. 3 Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 139 AktG Rz. 1; Semler in MünchHdb. AG, § 38 Rz. 21; Hüffer, § 139 AktG Rz. 2 f.; eingehend zur Gesetzeshistorie T. Bezzenberger, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, 1991, S. 15 ff. 4 Dazu etwa Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 139 AktG Rz. 7; Semler in MünchHdb. AG, § 38 Rz. 21; vgl. auch Reckinger, AG 1983, 216 ff.
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giewerten verlor die stimmrechtslose Vorzugsaktie weiter an Bedeutung. Die Corporate Governance-Diskussion, aus deren Blickwinkel Aktien ohne Einfluss ein Fremdkörper sind1, aber auch die z.T. erheblichen Kursabschläge für Vorzugsaktien, die zunehmende Zurückhaltung institutioneller Investoren gegenüber diesem Instrument und die geänderte Behandlung für Gesellschaften mit mehreren börsennotierten Aktiengattungen in den Indizes der Deutsche Börse AG2 haben in den letzten Jahren zu einem Umdenken beigetragen und in vielen Fällen zur Abschaffung börsennotierter Vorzugsaktien geführt. Dennoch gibt es selbst unter den 30 DAX-Gesellschaften noch sieben, die auch Vorzugsaktien ausgegeben haben. Sie können je nach den Bedürfnissen des Unternehmens und seinem Anlegerspektrum auch heute noch ein sachgerechtes Finanzierungsinstrument sein. 2. Gewinnvorrecht a) Vorzugsdividende § 139 AktG knüpft die Möglichkeit des Stimmrechtsausschlusses an die Ausstattung der Aktien mit einem (nachzahlbaren) Vorzug bei der Verteilung des Gewinns. Das bedeutet, dass die Vorzugsaktien durch die Satzung mit einer Priorität gegenüber den Stammaktien bei der Verteilung des Bilanzgewinns ausgestattet sein müssen. Diese wird in ihrem Umfang bei Nennbetragsaktien traditionell als Prozentsatz des Nennbetrags der Aktien beschrieben, bei Stückaktien bietet sich die Angabe eines festen Betrages an. Im Zusammenhang mit der Euro-Umstellung kam es häufig zur Umstellung auf Stückaktien und (Auf-)Rundung des Vorzugs. Auch eine andere Definition – z.B. eine Verknüpfung mit dem Basiszinssatz nach § 247 BGB3 – ist zulässig, nicht jedoch die Bindung an die Höhe des Bilanzgewinns4. Der Vorzug kann theoretisch beliebig klein sein, er kann sogar mit einer Begrenzung der absoluten Höhe der Dividende verbunden werden und damit zu einer obligationenähnlichen Ausstattung der Vorzugsaktien führen5. Praktische Bedeutung haben diese Modelle allerdings nicht erlangt. Am Kapitalmarkt haben sich fixe Vorzugsbeträge in eher bescheidener Höhe, oft verbunden mit einer – ggf. auch nach der Höhe der Gewinnausschüttung gestaffelten – Mehrdividende (also einem gegenüber den Stammaktien erhöhten Dividendenbetrag, wobei der Mehrbetrag in aller Regel die Höhe des Vorzugsbetrags nicht überschreitet), durchgesetzt. Erst diese Ausstattung, die den Nachteil der Stimmrechtslosigkeit durch eine etwas sicherere und ggf. höhere Dividende zu kompensieren sucht, macht die Vorzugsaktie am Kapitalmarkt attraktiv6.
1 Vgl. etwa Pellens/Hillebrandt, AG 2001, 57 ff.; vgl. auch Hüffer, § 139 AktG Rz. 3. 2 Dazu etwa Senger/Vogelmann, AG 2002, 193; Pellens/Hillebrandt, AG 2001, 57 ff., 67; Fuchs in FS Immenga, 2004, S. 589 ff., 591. 3 Dazu etwa Hüffer, § 139 AktG Rz. 7; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 139 AktG Rz. 15. 4 Allg. M., vgl. nur Hüffer, § 139 AktG Rz. 7; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 139 AktG Rz. 15; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 139 AktG Rz. 11 m.w.N. 5 So auch Hüffer, § 139 AktG Rz. 7; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 139 AktG Rz. 17; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 139 AktG Rz. 21 m.w.N.; a.A. Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 139 AktG Rz. 12, weil es dann an einer Gewinnbeteiligung fehle. 6 Dazu etwa (mit Beispielen) T. Bezzenberger, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, 1991, S. 51 ff.; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 139 AktG Rz. 19 m.w.N.
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b) Nachzahlbarkeit 24
Die Auszahlung der Vorzugsdividende setzt – wie jede Form der Gewinnverwendung – einen entsprechenden Beschluss der Hauptversammlung zur Verwendung des Bilanzgewinns voraus. Diesen Beschluss fassen allein die stimmberechtigten Aktionäre, erst mit ihm entsteht grundsätzlich der Zahlungsanspruch der Vorzugsaktionäre. Fehlt es in einem Jahr an dem für eine Ausschüttung erforderlichen Bilanzgewinn oder beschließt die Hauptversammlung seine anderweitige Verwendung, so kann der satzungsmäßige Vorzugsbetrag für dieses Jahr nicht gezahlt werden. Den Vorzugsaktionären steht dann aber ein Recht auf Nachzahlung des Vorzugsbetrages in späteren Jahren zu, das Voraussetzung für die Zulässigkeit der stimmrechtslosen Vorzugsaktien ist. Im gesetzlichen Regelfall (§ 140 Abs. 3 AktG) handelt es sich dabei um ein unselbständiges Recht, das dem jeweiligen Inhaber der Vorzugsaktie zusteht. Es bewirkt, dass in Folgejahren, in denen eine Gewinnverteilung erfolgt, zunächst die Nachzahlungsansprüche aus Vorjahren und der Betrag der laufenden Vorzugsdividende der Vorzugsaktionäre zu bedienen ist, und erst die dann ggf. verbleibenden Beträge unter Einbeziehung der Stammaktionäre zu verteilen sind1. Einen Ausgleich für die Nachzahlungsbeträge erhalten die Stammaktionäre nicht. Die Vorzugsaktionäre können über ihr Nachzahlungsrecht disponieren, also etwa auch im Zuge einer Umwandlung der Vorzugsaktien in Stammaktien durch Sonderbeschluss nach § 141 Abs. 1 AktG auf rückständige Nachzahlungen verzichten2. Schon bei Schaffung der Vorzugsaktien kann die Satzung z.B. auch bestimmen, dass die Aktien unter Wegfall des Nachzahlungsrechts für die Zukunft endgültig zu Stammaktien werden, wenn die Nachzahlung für einen längeren Zeitraum nicht erbracht wird; eine Begrenzung des Umfangs der in einem Jahr zu erbringenden Nachzahlung oder die Festsetzung des Nachzahlungsbetrages unterhalb des Vorzugsbetrages sind dagegen richtigerweise unzulässig3. Bisher spielt all das keine Rolle, das Interesse der Stammaktionäre ist meist darauf gerichtet, den Vorzugsaktien möglichst schnell wieder das Stimmrecht zu entziehen.
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Als – praktisch kaum genutzte – Alternative zu dem gesetzlichen Regelfall des unselbständigen Nachzahlungsanspruchs sieht § 140 Abs. 3 AktG die Möglichkeit zur Schaffung selbständiger Nachzahlungsansprüche durch die Satzung vor. Bei dieser Gestaltung entsteht schon mit dem Ausfall der Vorzugsdividende in einem Jahr für diejenigen, die zu diesem Zeitpunkt Vorzugsaktionäre waren, ein eigenständiger (Nach-)Zahlungsanspruch, der lediglich durch die Fassung eines entsprechenden Gewinnverwendungsbeschlusses bedingt ist. Ein solcher Anspruch kann dann natürlich nicht durch spätere Satzungsänderung beseitigt werden4, allenfalls können die jeweiligen Berechtigten mit der Gesellschaft einen Verzichtsvertrag schließen5.
1 Vgl. etwa Hüffer, § 139 AktG Rz. 14; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 139 AktG Rz. 25; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 139 AktG Rz. 16 ff. 2 Dazu etwa Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 140 AktG Rz. 10; Hüffer, § 140 AktG Rz. 9; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 140 AktG Rz. 31; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 139 AktG Rz. 14 f. 3 Dazu etwa Hüffer, § 139 AktG Rz. 10; Semler in MünchHdb. AG, § 38 Rz. 22; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 139 AktG Rz. 9; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 139 AktG Rz. 18. 4 Vgl. OLG Stuttgart v. 23.1.1995 – 5 U 117/94, AG 1995, 283 f., 284 m.w.N.; Hüffer, § 140 AktG Rz. 10; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 139 AktG Rz. 15 a.E. 5 Dazu Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 140 AktG Rz. 9; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 140 AktG Rz. 15.
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Besondere Aktiengattungen
Wenn mehrere im Rang verschiedene Gattungen von Vorzugsaktien bestehen, gilt das Vorstehende entsprechend, dabei sind Nachzahlungen und laufender Vorzug der besserrangigen Vorzüge jeweils vor denen der rangniedrigeren zu bedienen1.
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3. Stimmrecht Wie der Name schon sagt, steht den Vorzugsaktien ohne Stimmrecht in der Hauptversammlung grundsätzlich kein Stimmrecht zu. Ihnen kann auch kein reduziertes oder thematisch begrenztes Stimmrecht gewährt werden2, zumal so die Stammaktien wirtschaftlich zu Mehrstimmrechtsaktien würden, was nach § 12 Abs. 2 AktG unzulässig wäre. Im Übrigen vermitteln sie die vollen Aktionärsrechte, also insbesondere Teilnahme- und Fragerechte in der Hauptversammlung, alle Minderheitenrechte, die auf Anteile am Grundkapital abstellen und auch uneingeschränkte Möglichkeiten der Beschlussanfechtung3. Von der Stimmrechtslosigkeit gibt es folgende Ausnahmen:
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a) Aufleben des Stimmrechts (§ 140 Abs. 2 AktG) Wesentliche Rechtfertigung für die Stimmrechtslosigkeit der Vorzugsaktien ist der ihnen eingeräumte Gewinnvorzug. Dementsprechend wird die Stimmrechtslosigkeit ausgesetzt, wenn der Vorzugsbetrag in einem Jahr nicht gezahlt wurde und im Folgejahr nicht zusammen mit dem Vorzugsbetrag für dieses Jahr nachgezahlt wird. Steht schon vor der Hauptversammlung des Folgejahres – z.B. weil im festgestellten Jahresabschluss kein Bilanzgewinn ausgewiesen ist – fest, dass die Nachzahlung nicht erfolgen kann, besteht das Stimmrecht der Vorzugsaktionäre uneingeschränkt schon in dieser Hauptversammlung4. Ist im festgestellten Jahresabschluss ein theoretisch ausreichender Bilanzgewinn ausgewiesen oder die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung überlassen, so lebt das Stimmrecht der Vorzugsaktionäre nach heute wohl überwiegender und zutreffender Meinung schon während dieser Hauptversammlung auf, sobald durch Feststellung des Ergebnisses der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung bzw. die Feststellung des Jahresabschlusses, der keinen (ausreichenden) Bilanzgewinn ausweist, feststeht, dass die erforderliche Ausschüttung nicht erfolgen wird5. Hier kann wohl in gewissem Umfang die Stimmberechtigung in der Hauptversammlung durch die Festlegung der Abstimmreihenfolge gesteuert werden, dabei ist aber mit Blick auf Anfechtungs- und Schadenersatzrisiken wegen missbräuchlicher Gestaltung Zurückhaltung geboten6. Die Stimmberechtigung der Vorzugsaktionäre erlischt wieder, sobald alle Rückstände einschließlich des laufenden Vorzugsbetrages (nach-)gezahlt sind, also erst nach der Hauptversammlung, in der der dafür erforderliche Gewinnverwendungsbeschluss gefasst wird, und auch nur, wenn die beschlossene Zahlung auch tatsächlich erfolgt7. 1 Vgl. nur Hüffer, § 139 AktG Rz. 16; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 139 AktG Rz. 21; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 139 AktG Rz. 18 f. 2 Dazu nur Hüffer, § 139 AktG Rz. 13; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 139 AktG Rz. 9; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 139 AktG Rz. 6 jew. m.w.N.; a.A. Sieger/Hasselbach, AG 2001, 391 ff., 394. 3 Eingehend Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 140 AktG Rz. 11 ff. 4 Vgl. nur Hüffer, § 140 AktG Rz. 5; Semler in MünchHdb. AG, § 38 Rz. 25; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 140 AktG Rz. 23. 5 Vgl. nur Hüffer, § 140 AktG Rz. 5; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 140 AktG Rz. 24 f.; a.A. Semler in MünchHdb. AG, § 38 Rz. 25; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 140 AktG Rz. 10. 6 Zum Ganzen eingehend Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, E Rz. 31 f. m.w.N. 7 Dazu statt aller Hüffer, § 140 AktG Rz. 7 m.w.N.
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Auch während der Zeit, in der die Stimmberechtigung der Vorzugsaktien aufgelebt ist, bilden sie keine Gattung stimmberechtigter Aktien im Sinne der §§ 182 Abs. 2 und 222 Abs. 2 AktG, so dass Sonderbeschlüsse nach diesen Regeln auch dann durch die „Vorzugsaktionäre ohne Stimmrecht“ nicht zu fassen sind1. Sonderbeschlüsse der Vorzugsaktionäre nach § 179 Abs. 3 AktG können dagegen unabhängig von einem Aufleben des Stimmrechts erforderlich werden, wenn es nicht um Nachteile in Bezug auf den Vorzug geht, für die § 141 AktG eine Spezialregelung bildet2. Besonders plastische Beispiele dafür sind den Vorzugsaktionären etwa gewährte Mehrdividenden oder – wenn man sie nicht durch § 141 AktG erfasst sieht – Liquidationsvorzüge3. b) Zustimmungserfordernisse bei Beeinträchtigung des Vorzugs (§ 141 AktG)
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Unabhängig vom Aufleben des Stimmrechts der Vorzugsaktionäre bedarf es in jedem Fall eines Sonderbeschlusses der Vorzugsaktionäre, wenn der Vorzug (sei es der Gewinnvorzug oder das Nachzahlungsrecht) durch (zwangsläufig satzungsändernden) Beschluss der Hauptversammlung beeinträchtigt oder aufgehoben werden soll. Nur unmittelbare Eingriffe, also direkte Schmälerungen der Vorrechte, sollen die Notwendigkeit eines Sonderbeschlusses auslösen, während eine nur mittelbare Beeinträchtigung, wie sie besonders plastisch bei einer Kapitalherabsetzung eintritt, weil der Gesamtbetrag des Vorzugs bezogen auf alle Vorzugsaktien in der Regel geringer wird, keine Zustimmungsnotwendigkeit auslösen soll4. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Zwar kann durch eine Kapitalherabsetzung der Vorzug erheblich entwertet werden, andererseits kommt es zu einer solchen meist nur in einer existenzbedrohenden Situation für die Gesellschaft, in der nicht einzusehen ist, warum nicht auch die Vorzugsaktionäre ihren Beitrag leisten sollten. Eine ordentliche Kapitalherabsetzung, die ohne wirtschaftliche Notwendigkeit im Wesentlichen dazu dient, den Vorzug zu schmälern, wäre ersichtlich rechtsmissbräuchlich, ein entsprechender Beschluss auf Anfechtungsklage für nichtig zu erklären.
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Auch bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist § 141 Abs. 1 AktG nicht anwendbar5. Hier folgt schon aus der Regelung in § 216 Abs. 1 AktG, dass der Vorzug derart auf alte und junge Aktien aufzuteilen ist, dass der absolute Umfang des Vorzugs unverändert bleibt. Das erschwert natürlich solche Kapitalerhöhungen u.U. erheblich. Praktisch bedeutsamer ist das Sonderbeschlusserfordernis bei Maßnahmen, durch die neue Vorzugsaktien geschaffen werden sollen, also in erster Linie für Kapitalerhöhun-
1 Dazu eingehend Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 141 AktG Rz. 23; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 141 AktG Rz. 11; Hüffer, § 182 AktG Rz. 19; Krieger in MünchHdb. AG, § 56 Rz. 16 jew. m.w.N.; a.A. nur noch Peifer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 182 AktG Rz. 24. 2 Vgl. Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 141 AktG Rz. 10, 22; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 141 AktG Rz. 17 m.w.N.; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, E Rz. 35; a.A. Hefermehl in G/H/E/K, 1974, § 141 AktG Rz. 19. 3 Ebenso Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 141 AktG Rz. 12; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 141 AktG Rz. 3 jew. m.w.N.; a.A. (§ 141 sei anwendbar) Hüffer, § 141 AktG Rz. 3 m.w.N. 4 Vgl. Hüffer, § 141 AktG Rz. 8 f. m. umf. N. auch zu den auf §§ 141 und 222 AktG a.F. gestützten Gegenstimmen; kritisch Krauel/Weng, AG 2003, 561 ff., 564. 5 OLG Stuttgart v. 11.2.1992 – 10 U 313/90, AG 1993, 94 f.; Hüffer, § 141 AktG Rz. 7; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 141 AktG Rz. 9; T. Bezzenberger, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, 1991, S. 79 ff.
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gen, aber ggf. auch für die Umwandlung von Stammaktien in Vorzugsaktien1. Es dient dem Schutz des Vorzugs in seinem Rang, erstreckt sich aber nicht auf Verwässerungen der Rechtsstellung der Vorzugsaktionäre im Übrigen. Für die Ausgabe von Stammaktien – ob mit oder ohne Bezugsrecht der Aktionäre – bedarf es eines Sonderbeschlusses der Vorzugsaktionäre somit nicht, ebenso wenig bedarf es eines Sonderbeschlusses, wenn Aktien mit ausschließlich nachrangigen (wenn auch ggf. weiter gehenden – z.B. höherer Vorzugsbetrag) Vorzügen ausgegeben werden sollen2. In beiden Fällen bleibt den Vorzugsaktionären nur die gerichtliche Kontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen, wenn sie die Maßnahmen für unzulässig halten. In aller Regel sieht die Satzung auch die Ausgabe weiterer Vorzugsaktien ausdrücklich vor (§ 141 Abs. 2 Satz 2 AktG), so dass es der Zustimmung der Vorzugsaktionäre zur Ausgabe neuer gleich- oder vorrangiger Vorzugsaktien meist nur bedarf, wenn ihr Bezugsrecht ganz oder teilweise ausgeschlossen ist. Dies ist in der Praxis allerdings der Regelfall der Kapitalerhöhung. Bei Schaffung eines genehmigten Kapitals wird fast immer die Möglichkeit des Bezugsrechtsausschlusses für Spitzenbeträge, oft auch zugunsten der Inhaber von Options- oder Wandelrechten oder zur vereinfachten Platzierung an Investoren vorgesehen. Auch beim Direktbeschluss sind solche Einschränkungen regelmäßig anzutreffen, beim bedingten Kapital ist der Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre sogar gesetzlich vorgegeben. Jede dieser Einschränkungen des Bezugsrechts der Vorzugsaktionäre auf Vorzugsaktien genügt, um das Sonderbeschluss-Erfordernis auszulösen3. Die Beschränkung des Bezugsrechts der Vorzugsaktionäre auf Vorzugsaktien (sog. Ausschluss des „Über-Kreuz-Bezugsrechts“) löst dagegen für sich genommen keine Notwendigkeit eines Sonderbeschlusses aus, hier wird gerade das Recht der Vorzugsaktionäre zum Bezug von Vorzugsaktien intensiviert.
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c) Sonderversammlung Sonderbeschlüsse stimmrechtsloser Vorzugsaktionäre müssen zwingend in einer gesonderten Versammlung der Vorzugsaktionäre mit qualifizierter Mehrheit gefasst werden (§ 141 Abs. 3 AktG). Das dient dem Schutz dieser Aktionäre, die unbeeinflusst von den stimmberechtigten Aktionären entscheiden können sollen. Bei Bezugsrechtsausschluss für Kapitalmaßnahmen muss § 186 Abs. 3–5 AktG beachtet werden, der Ausschluss muss also ausdrücklicher Beschlussinhalt sein. Der Bericht über den Bezugsrechtsausschluss ist auch der Sonderversammlung vorzulegen und die besonderen Mehrheitserfordernisse für Kapitalbeschlüsse sind zu beachten. Im Übrigen gilt das oben, Rz. 12, Gesagte.
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4. Schaffung und Umwandlung von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht a) Erstmalige Schaffung von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht Zu den formellen Anforderungen kann auf die generellen Erläuterungen oben (Rz. 15 ff.) verwiesen werden, die auch für stimmrechtslose Vorzugsaktien gelten. Le1 Hüffer, § 141 AktG Rz. 13; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 141 AktG Rz. 22; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 141 AktG Rz. 43; a.A. T. Bezzenberger, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, 1991, S. 128 ff., der § 141 Abs. 1 AktG anwenden will. 2 Hüffer, § 141 AktG Rz. 14 f.; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 141 AktG Rz. 28; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 141 AktG Rz. 23; Werner, AG 1971, 69 ff., 71 f. 3 Hüffer, § 141 AktG Rz. 17; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 141 AktG Rz. 17; Werner, AG 1971, 69 ff., 72; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 141 AktG Rz. 34 f.
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diglich auf zwei Besonderheiten ist noch einmal hinzuweisen: Neben der Regelung zur Gewinnverteilung und der Anpassung der Regelung der Satzung zum Stimmrecht, in der die generelle Stimmrechtslosigkeit der Vorzugsaktien zu berücksichtigen ist, empfiehlt es sich dringend (und ist in der Praxis auch allgemein üblich), die Ausgabe weiterer Vorzugsaktien ausdrücklich in der Satzung vorzubehalten, damit in den Fällen des § 141 Abs. 2 Satz 2 AktG, d.h. wenn den Vorzugsaktionären das Bezugsrecht auf die neuen Vorzugsaktien eingeräumt wird, auf eine Sonderbeschlussfassung der Vorzugsaktionäre verzichtet werden kann. Entgegen dem Gesetzeswortlaut soll eine solche Regelung zwar auch nachträglich in die Satzung aufgenommen werden können, bedarf dann aber der Zustimmung der Vorzugsaktionäre durch Sonderbeschluss nach § 141 Abs. 2 Satz 1 AktG, mit dessen Fassung nicht ohne Weiteres zu rechnen ist1. 35
Die erstmalige Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien aus genehmigtem Kapital bedarf keinerlei besonderer Erwähnung (oder gar Regelung der Ausstattung) im Beschluss der Hauptversammlung zur Schaffung des genehmigten Kapitals. Aus dem Wortlaut des § 204 Abs. 2 AktG wird geschlossen, dass der Vorstand sowohl über das „ob“ der Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien als auch über deren Ausstattung nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden kann, wenn die Hauptversammlung in der Ermächtigung keine Beschränkungen setzt2. b) Umwandlung in Stammaktien
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Das AktG behandelt nur eine Form der Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien ausdrücklich, nämlich diejenige durch Aufhebung des Vorzugs. Es besteht zwar weitgehende Einigkeit, dass Vorzugsrechte auch befristet oder bedingt gewährt werden können, so dass die Aktien mit Eintritt der Bedingung bzw. Fristablauf automatisch zu Stammaktien werden3, praktische Bedeutung haben solche Gestaltungen aber nicht, so dass sie hier nicht weiter betrachtet werden sollen. Die Aufhebung von Vorzugsrechten, die für das Bestehen von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht Existenzvoraussetzung sind, also des Gewinnvorzugs und/oder des Nachzahlungsrechts4, bedarf als Aufhebung bzw. Beeinträchtigung des Vorzugs neben der Beschlussfassung der Hauptversammlung der Zustimmung der Sonderversammlung der Vorzugsaktionäre. Sie führt mit ihrem Wirksamwerden zum vollständigen und endgültigen Aufleben des Stimmrechts der seitherigen Vorzugsaktionäre, wie auch in § 141 Abs. 4 AktG klargestellt wird. Die bisherigen Vorzugsaktien ohne Stimmrecht werden zu Stammaktien, wenn sämtliche Vorzüge entfallen, bzw. zu stimmberechtigten Vorzugsaktien, wenn einzelne Vorzugsrechte verbleiben. Der praktische Regelfall ist die vollständige Aufhebung aller Vorzugsrechte einschließlich des Wegfalls etwaiger (unselbständiger) Nachzahlungsansprüche für rückständige Vorzugsdividenden. 1 Vgl. nur Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 141 AktG Rz. 29; Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 141 AktG Rz. 32; a.A. (zwingend vorherige Vereinbarung) Werner, AG 1971, 69 ff., 72 (bes. Fn. 18); Hüffer, § 141 AktG Rz. 16. 2 Vgl. OLG Schleswig v. 27.5.2004 – 5 U 2/04, DB 2004, 1492 f.; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 204 AktG Rz. 7; Hüffer, § 204 AktG Rz. 11; Krieger in MünchHdb. AG, § 58 Rz. 33. 3 Vgl. Hüffer, § 141 AktG Rz. 11; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 141 AktG Rz. 19; umstritten ist dagegen, ob auch wandelbare Vorzugsaktien ausgegeben werden dürfen, die durch Erklärung des Aktionärs oder der Gesellschaft zu Stammaktien werden – dazu jüngst Habersack in FS Westermann, 2008, S. 913 ff. 4 Jedes von beidem genügt, vgl. Hüffer, § 141 AktG Rz. 22; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 141 AktG Rz. 41; Werner, AG 1971, 69 ff., 76.
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Besondere Aktiengattungen
Eine solche Aufhebung des Vorzugs kann nur unter Erhaltung der Identität der Aktien erfolgen, also im Nennwertverhältnis 1:1 und ohne dass an die Aufhebung des Vorzugs etwa Einzahlungspflichten der Aktionäre der einen oder anderen Gattung geknüpft werden könnten. Nur diese Gestaltung ist durch die Beschlusserleichterung nach § 141 AktG gedeckt, andere Lösungen erfordern zwingend die Einzelzustimmung der Betroffenen1. Sie stellt den klassischen Weg der Beseitigung von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht und zugleich den einzigen Weg dar, zuverlässig alle Vorzugsaktien abzuschaffen, da die Satzungsänderung für alle Vorzugsaktionäre wirkt.
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Dabei ist zu beachten, dass der satzungsändernde Beschluss der Hauptversammlung wegen der Verwässerung der Stimmrechte der bislang stimmberechtigten Aktionäre für diese eine Benachteiligung darstellt, so dass grundsätzlich jede Gattung stimmberechtigter Aktien auch noch einen Sonderbeschluss nach § 179 Abs. 3 AktG mit der erforderlichen Mehrheit fassen muss. Etwas unklar ist, ob das auch gilt, wenn lediglich die Stammaktien in der Hauptversammlung stimmberechtigt waren. Die wohl überwiegende Meinung sieht dann in der erneuten Beschlussfassung eine unnötige Formalie, zumal den Stammaktionären bereits durch die Ankündigung in der Tagesordnung die Tragweite ihrer Entscheidung deutlich gemacht wird, während andere auch dann die Warnfunktion des Sonderbeschlusses betonen2. Vieles spricht für die erstgenannte Ansicht, es ist letztlich eine Frage der Risikoabwägung, ob man aus Vorsichtsgründen den materiell unproblematischen Sonderbeschluss fasst.
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c) Individualvertragliche Umwandlung von Vorzugsaktien Gerade bei großen Kursdifferenzen zwischen Stamm- und Vorzugsaktien wird der vorstehende Weg der Umwandlung besonders seitens der Stammaktionäre z.T. als unangemessen kritisiert. Ob die Kursdifferenzen tatsächlich auf dem Fehlen des Stimmrechts beruhen, mag dahingestellt bleiben3. In Einzelfällen wurden jedenfalls Wege zur Umwandlung von Vorzugsaktien in Stammaktien gewählt, die diesen Bedenken zumindest teilweise Rechnung tragen: Neben RWE, wo eine Sondersituation genutzt wurde, um Stimmrechte von Mehrstimmrechtsaktionären an Vorzugsaktionäre zu veräußern und so aus Mehrstimmrechtsaktien und Vorzugsaktien Stammaktien zu machen4, ist die erstmals von der Metro AG in ihrer Hauptversammlung 2000 gewählte Konstruktion ein praktisch gangbarer Weg5. Dort beschloss die Hauptversammlung die Umwandlung all jener Vorzugsaktien in Stammaktien, deren Inhaber eine bare Zuzahlung an die Gesellschaft erbrächten. Die Vorzugsaktionäre fassten – wohl ohne zwingende Notwendigkeit6 – einen entsprechenden Sonderbeschluss. Während einer festgelegten Frist konnten Vorzugsaktionäre ihre Aktien und die bare Zuzahlung einreichen, ihre Aktien 1 Das verkennen Senger/Vogelmann, AG 2002, 193 ff., 203, die eine Kapitalherabsetzung zulasten der Vorzugsaktionäre für zulässig zu halten scheinen und auch über asymmetrische Ausschüttungen aus Gewinnrücklagen nachdenken, in denen richtigerweise immer ein Verstoß gegen § 57 AktG liegt. 2 Zum Meinungsstand Hüffer, § 179 AktG Rz. 45; Werner, AG 1971, 69 ff., 74; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, L Rz. 48; vgl. auch Senger/Vogelmann, AG 2002, 193 ff., 195 f. 3 Dazu etwa Pellens/Hillebrandt, AG 2001, 57 ff., 63; Senger/Vogelmann, AG 2002, 193 ff., 205; vgl. auch Semler in MünchHdb. AG, § 38 Rz. 21, jew. m.w.N. 4 Dazu auch Marsch-Barner in Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und der Prüfung, 1999, S. 285 ff., 293 f. 5 Dazu etwa OLG Köln v. 20.9.2001 – 18 U 125/01, AG 2002, 244 ff.; vgl. auch Senger/Vogelmann, AG 2002, 193; Altmeppen, NZG 2005, 771 ff. 6 Dazu eingehend Altmeppen, NZG 2005, 771 ff.
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wurden mit der Eintragung der Satzungsänderung ins Handelsregister, die erst nach Ablauf der Einreichungsfrist beantragt werden konnte, zu Stammaktien. Die relativ hohe Annahmequote von 88 %, die ca. 235 Mio. Euro Zuzahlung erbrachte, und die erfolgreiche Abwehr der von Stammaktionären eingereichten Anfechtungsklage haben dazu geführt, dass MAN und FMC dem Beispiel mit ähnlichen Ergebnissen folgten. Allerdings verbleibt bei diesem Verfahren zwangsläufig zumindest eine kleine, im Zweifel von besonders kritischen Aktionären geprägte Gruppe von Vorzugsaktionären, so dass etwaige separate Beschlussfassungen unverändert erforderlich bleiben. Diese Vorzugsaktionäre könnten wohl allenfalls durch Aufhebung des Vorzugs, also ohne Zuzahlung zum Umtausch bewegt werden. Damit wird man aber einige Zeit warten müssen, schon um nicht die Aktionäre zu verärgern, die sich für die Zuzahlung entschieden haben.
III. „Tracking Stocks“, „Redeemable Shares“ und Investmentaktiengesellschaft 1. Grundlagen 40
In den letzten Jahren werden immer häufiger im US-Kapitalmarkt entwickelte Modelle auf ihre Nutzbarkeit bei deutschen Aktiengesellschaften geprüft und häufig als fast sicheres Erfolgskonzept deutschen Gesellschaften zur Nachahmung empfohlen. Auch Versuche der Schaffung von Aktiengattungen nach US-amerikanischem Vorbild fallen in diesen Bereich. Das bei weitem bekannteste, wenn auch immer noch in Deutschland unerprobte, Beispiel sind die so genannten „Tracking Stocks“ oder „Spartenaktien“, die seit vielen Jahren literarische Beachtung finden1. Der eigentlich faszinierende Grundgedanke ist, dass ein Unternehmen – z.B. im Zusammenhang mit dem Erwerb oder Aufbau einer neuen Unternehmenssparte – Aktien ausgibt, die Teilhaberechte (also insbesondere auch Stimmrechte) wie alle anderen Aktien des Unternehmens vermitteln, deren Vermögensrechte, insbesondere also Gewinnbezugsrechte, aber am wirtschaftlichen Erfolg der betreffenden Unternehmenssparte orientiert sind. Diese Aktien würden eine eigenständige Aktiengattung bilden, da sie von den anderen Aktien abweichende Gewinnrechte trügen. Ob sie auch als stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgestattet werden können2, hängt weitgehend von der Ausgestaltung ihres Dividendenrechts ab. Denkbar wäre wohl, ihnen einen fixen, nachzahlbaren Vorzugsbetrag zu gewähren und nur weitere Dividendenzahlungen sparten bezogen auszugestalten.
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In den USA werden ca. 30 Tracking Stocks notiert, die Alcatel S.A. in Frankreich hat sich dieses Instruments für eine ihrer Sparten bedient3 und im November 2007 ist mit der Hamburger Hafen und Logistik AG auch eine deutsche Gesellschaft mit Aktien einer Sparte an die Börse gegangen. Der große Durchbruch ist allerdings bisher ausgeblieben, vereinzelt haben sich auch schon deutliche Schwierigkeiten des Spartenaktien-Konzepts gezeigt.
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Auch „Redeemable Shares“, also Aktien, die durch die Gesellschaft zu vorgegebenen Konditionen zurückgefordert bzw. – seltener – von Aktionären zu vorgegebenen Konditionen an die Gesellschaft zurückgegeben werden können, sind in den USA, aber 1 Vgl. nur Brauer, AG 1993, 324 ff.; Breuninger/Krüger in FS W. Müller, 2001, S. 527 ff.; Baums in FS Boujong, 1996, S. 19 ff.; Sieger/Hasselbach, BB 1999, 1277 ff.; Sieger/Hasselbach, AG 2001, 391 ff.; Fuchs, ZGR 2003, 167 ff. 2 Dafür Sieger/Hasselbach, AG 2001, 391 ff., 392 ff.; Fuchs, ZGR 2003, 167 ff., 168. 3 Vgl. Fuchs, ZGR 2003, 167 ff., 169.
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auch im europäischen Ausland anzutreffen. Art. 39 der zweiten gesellschaftsrechtlichen EU-Richtlinie1 lässt die Schaffung solcher Aktien zu. Das deutsche Aktienrecht kennt sie bislang nicht und obwohl die Regierungskommission Corporate Governance die Eröffnung dieser Möglichkeit in ihrem Bericht empfohlen hat2, ist eine Einführung nicht konkret geplant. Wenn damit auch noch keine größere praktische Bedeutung dieser Formen gesonderter Aktiengattungen zu erkennen ist, sollen die Rahmenbedingungen für ihre Nutzung in Deutschland nachfolgend doch kurz angesprochen werden. 2. Spartenaktien („Tracking Stocks“) Dass Spartenaktien, die – bei im Übrigen gleichen Mitgliedschaftsrechten, wie sie mit den anderen Aktien der Gesellschaft verbunden sind – modifizierte, weil an den Erfolg eines Unternehmensteils geknüpfte Vermögensrechte tragen, auch nach deutschem Recht grundsätzlich zulässig sind, ist heute wohl anerkannt3. Allerdings lösen sie einige Probleme aus, die ihre praktische Nutzung als Kapitalmarktinstrument erschweren. Dabei ist die Notwendigkeit einer nachprüfbaren Segment bezogenen Rechnungslegung eines der kleineren Probleme. Börsennotierte Spartengesellschaften legen schon heute im Konzernabschluss nach IFRS (§ 315a HGB) in der Regel eingehende Segmentberichterstattungen vor, die auch als Anknüpfungspunkt für die Gewinnverteilung geeignet sein sollten.
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Auch die – rechtlich zwingende – Begrenzung der Beteiligung am Spartenerfolg durch den Erfolg des Gesamtunternehmens ist in der Regel hinnehmbar. Sie mag allerdings im Einzelfall dazu führen, dass eine Ausschüttung zugunsten der einen Aktionärsgruppe an der schlechten Performance des anderen Bereichs scheitert, die den Ausweis eines Bilanzgewinns verhindert.
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Nicht zu unterschätzen sind allerdings gerade bei Spartenaktien die Probleme, die durch die oben beschriebenen Erfordernisse von Sonderbeschlüssen – besonders bei Kapitalmaßnahmen – bei Vorhandensein mehrerer Gattungen stimmberechtigter Aktien auftreten können. Hier drohen nämlich verstärkt Interessenkonflikte der Aktionäre, denen unterschiedliche Teile des Unternehmens besonders am Herzen liegen. Vor allem aber für die Verwaltung ergeben sich fast zwangsläufig erhebliche Beschränkungen, weil sie bei Strategie- und Finanzierungsentscheidungen, aber auch bis hinein in die Allokation von Management know how, die Markenstrategie etc. überlegen muss, ob nicht die eine Sparte gegenüber dem Rest des Unternehmens ungerechtfertigt bevorzugt oder benachteiligt wird. Ein letztes Thema soll hier aus der Fülle der ungeklärten, aber vielfach sicher lösbaren Fragen4 herausgegriffen werden: Es fehlt in Deutschland ein einfacher Weg, die Schaffung der Spartenaktien „rückgängig“ zu machen5, d.h., auch wenn die Unternehmensstruktur sich völlig verändert hat, können die Spartenaktien, die dann eine unangemessene Lösung bilden können, nicht in einem gesicherten Verfahren in
1 Sog. Kapitalrichtlinie vom 13.12.1976 (77/91/EWG). 2 Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rz. 235. 3 Vgl. nur Hüffer, § 11 AktG Rz. 4; Wiesner in MünchHdb. AG, § 13 Rz. 10; Baums in FS Boujong, 1996, S. 19 ff., 35; Fuchs, ZGR 2003, 167 ff., 169 f. m.w.N. 4 Umfangreiche Erwägungen dazu insbesondere bei Fuchs, ZGR 2003, 167 ff. mit zahlreichen weiterführenden Hinweisen. 5 Dazu Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rz. 242; vgl. auch Wiesner in MünchHdb. AG, § 13 Rz. 11.
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Stammaktien überführt oder eingezogen werden, wenn nicht alle betroffenen Aktionärsgruppen kooperieren. 45
Die Spartenaktie mag im unmittelbaren Vorfeld eines Börsenganges (der Sparte) ggf. auch als Instrument der Mitarbeitermotivation interessant sein, als Teil einer auf Dauer angelegten Unternehmensstruktur dürfte sie deutliche Nachteile und Belastungen mit sich bringen und in aller Regel nicht empfehlenswert sein. Die Situation bei der Hamburger Hafen und Logistik AG ist insofern als atypisch zu betrachten. Dort hält wirtschaftlich die Stadt Hamburg die nicht börsennotierten Aktien der anderen Sparte und trägt eine spartenbezogene Verlustausgleichspflicht. Zudem handelt es sich bei der Sparte um ein voll mit Eigenmitteln finanziertes Immobilienportfolio, also ein sehr stabiles Geschäft. Für die Aktionäre der börsennotierten Sparte sind die Risiken aus der anderen Sparte damit praktisch abgeschirmt, während sich die Stadt Hamburg einen höheren Stimmenanteil um den Preis eines zusätzlichen Risikos aus der Logistiksparte sicherte. 3. Rückerwerbbare Aktien („Redeemable Shares“)
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Das deutsche Aktienrecht kennt die Möglichkeit der Einziehung von Aktien, einschließlich der Zwangseinziehung (§ 237 AktG). Die Satzung muss die entsprechende Regelung vor Schaffung der betroffenen Aktien bzw. mit Zustimmung aller betroffenen Aktionäre vorsehen. Die der Zwangseinziehung ausgesetzten Aktien bilden eine gesonderte Gattung. Die Satzungsregelung kann – als „angeordnete“ Zwangseinziehung – die Bestimmung von Voraussetzungen, Zeitpunkt und Einziehungsentgelt vollständig selbst treffen und damit dem Vorstand jeden eigenen Entscheidungsspielraum nehmen. Dabei kann als Einziehungsgrund auch ein entsprechendes Verlangen des Aktionärs oder das Ergebnis eines definierten Losentscheids festgelegt werden1. Noch weiter vom Gedanken der „Redeemable Shares“ entfernt ist die „gestattete“ Zwangseinziehung, bei der die Satzung das Verfahren nicht regelt, dafür aber jeweils ein Beschluss der Hauptversammlung Voraussetzung für die Einziehung ist. Eine im Ermessen der Verwaltung oder der Aktionäre stehende Möglichkeit, Aktien nicht nur einzuziehen und damit zu vernichten, sondern der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, kennt das deutsche Aktienrecht nicht.
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Demgegenüber lässt Art. 39 der Kapitalrichtlinie solche Strukturen zu. Im englischen Gesellschaftsrecht werden sie seit vielen Jahrzehnten genutzt, Spanien hat 1998 die durch die Kapitalrichtlinie eröffnete Möglichkeit genutzt und rückerwerbbare Aktien zugelassen2. Anders als bei den im deutschen Aktienrecht verfügbaren Konzepten werden die rückerwerbbaren Aktien schon vor ihrer Ausgabe in der Satzung als gesonderte Gattung ausgestaltet. Neben dieser Gattung muss jedenfalls eine Gattung nicht rückerwerbbarer Aktien bestehen. Die Voraussetzungen und Bedingungen des Rückerwerbs werden – im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben – durch die Satzung festgelegt. Dabei kann den Aktionären oder der Gesellschaft das Recht eingeräumt werden, den Rückerwerb auszulösen. Auch das Schicksal der rückerworbenen Aktien – Einziehung oder Fortbestehen als eigene Aktien – kann je nach den gesetzlichen Vorgaben gestaltet werden. Die ansonsten geltende 10 %-Grenze für den Erwerb eigener Aktien gilt nach der Kapitalrichtlinie für rückerwerbbare Aktien nicht. Damit 1 Zum Ganzen etwa Hüffer, § 237 AktG Rz. 10 ff. 2 Dazu und zum Folgenden eingehend Habersack in FS Lutter, 2000, S. 1329 ff.; de la Concepción Chamorro Dominguez, AG 2004, 487 ff.
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§6
Besondere Aktiengattungen
kann die Finanzierung der Gesellschaft insgesamt weit stärker flexibilisiert werden, als das deutsche Aktienrecht es derzeit zulässt. Neben den möglicherweise unangemessenen Sonderbeschluss-Notwendigkeiten des deutschen Aktienrechts sind besonders auch Fragen des Gläubigerschutzes zu klären, wenn der Gesetzgeber über solche Modelle nachdenkt. Bei börsennotierten Gesellschaften besteht für solche Gestaltungen wohl kein großes praktisches Bedürfnis. Lediglich eine börsennotierte deutsche Aktiengesellschaft, die insgesamt einem sehr atypischen Anlagekonzept folgte, hatte ein Modell gewählt, das – über schuldrechtliche Regelungen – mögliche Effekte von „Redeemable Shares“ imitierte: Die Deutsche Wohnen AG sollte ihren eigenen Immobilienbestand, der praktisch ihr gesamtes Vermögen bildete, geordnet verwerten. Mit diesem Geschäftszweck sprach sie primär Investoren an, die eine geringe Risikoneigung hatten. Um die Position der Anleger noch stärker der von Anleihegläubigern anzunähern, wurden die Aktien mit einer langfristigen Put-Option für die Aktionäre gegen den Initiator verbunden, der die Gesellschaft im Gegenzug über einen Beherrschungsvertrag kontrollierte. Durch diese Verbindung entstand keine gesonderte Aktiengattung, die Rechte der Aktionäre gegen die Gesellschaft wurden durch die Put-Option nicht modifiziert1. Ob abgesehen von solchen ganz außergewöhnlichen Situationen „Redeemable Shares“ für börsennotierte Aktiengesellschaften attraktiv sind, ist zumindest zweifelhaft2. 4. Investmentaktiengesellschaft Seit 1998 kennt das deutsche Recht grundsätzlich die Möglichkeit, Investmentsondervermögen auch in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft zu führen. Mit dem Investmentmodernisierungsgesetz wurde 2004 die InvestmentAG mit veränderlichem Kapital ermöglicht, die dem bis dahin völlig ungenutzten Gebilde zumindest in begrenztem Umfang zu praktischer Verwendung verhalf. Sie ermöglichte – ansonsten weitgehend in dem engen Korsett des deutschen Aktienrechts – die Ausgabe rückerwerbbarer Aktien und schaffte damit eine wesentliche Voraussetzung für die Nutzung als Alternative zur Fondsanlage, bei der die flexible Möglichkeit der Desinvestition besondere Bedeutung hat3. Erst mit dem Investmentänderungsgesetz4 hat der Gesetzgeber aber die Maßnahmen ergriffen, die nötig sind, um die InvestmentAG zu einem der luxemburgischen SICAV (société d’ investissement à capital variable) vergleichbaren Anlagevehikel zu gestalten. Dazu war es erforderlich, den Anlegerschutz weitgehend den Regeln des InvG zu unterstellen und dafür die aktienrechtlichen Schutzmechanismen für diese Gesellschaften abzuschwächen. Die neuen gesetzlichen Vorgaben (§§ 96 ff. InvG n.F.) setzen mehrere Aktiengattungen fast zwingend voraus und lassen auch Tracking Stocks und Redemption Rights weitgehend zu: Die Investment AG unterscheidet grundsätzlich (§ 96 Abs. 1 InvG) zwischen Unternehmensaktien, die die Initiatoren halten, und die Stimm- und Teilnahmerechte in der Hauptversammlung gewähren, und Anlageaktien, die die Anleger halten, der grundsätzlich zur Rücknahme verpflichteten Ge1 Im Jahr 2006 hat die Deutsche Wohnen AG dieses Konzept aufgegeben. Die ganz überwiegende Mehrheit der Aktionäre hat auf die Put-Option verzichtet und damit den Weg zur Aufhebung des Beherrschungsvertrags und zu einer auch auf Neugeschäft orientierten Gesellschaft geöffnet. 2 Vgl. zum Ganzen auch Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rz. 236. 3 Eingehend auch zur Historie Wallach, Der Konzern 2007, 487 ff.; Eckhold, ZGR 2007, 654 ff. 4 BGBl. I 2007, 3089 ff.
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Satzung und Aktie
sellschaft vorlegen (§ 105 Abs. 2 InvG) und – ggf. auch an einer Börse – handeln können. Die Anlageaktien gewähren grundsätzlich weder Teilnahme- noch Stimmrecht in der Hauptversammlung (§ 96 Abs. 1c InvG), ihnen können aber Mitspracherechte – z.B. in wichtigen Anlagefragen – durch die Satzung eingeräumt werden. Ein Aufleben des Stimmrechts ist ebenso wenig vorgesehen wie eine Volumenbegrenzung für die Anlageaktien. Am Gesellschaftskapital (ein „Grundkapital“ gibt es nicht) sind grundsätzlich alle Aktien gleichmäßig beteiligt (§ 96 Abs. 1 Satz 3 InvG). Die Gesellschaft kann innerhalb durch die Satzung festgelegter Bandbreiten ihre Aktien jederzeit ausgeben und zurücknehmen (§ 105 Abs. 1 InvG). Das InvG sieht (in § 100) die Möglichkeit von „Umbrella-Konstruktionen“ vor, bei denen mehrere Teilgesellschaftsvermögen unter einer InvestmentAG geführt werden. Die entsprechenden Anlageaktien müssen der Sache nach als Tracking Stocks geführt werden, eine Struktur, die in diesem spezifischen Umfeld zweckmäßig und handhabbar sein sollte. Grundsätzlich gelten auch für die InvestmentAG ergänzend die Regeln des AktG. Mit dem ausdrücklichen Ausschluss der Anwendbarkeit des § 23 Abs. 5 AktG (§ 99 Abs. 1 InvG) wird der Satzung aber breiter Gestaltungsspielraum gegeben, der genügen sollte, um diesem Vehikel eine der SICAV gleiche Existenzberechtigung zu geben. Ob es auch vergleichbaren Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten1.
IV. Exkurs 49
Nicht unerwähnt bleiben sollen einige Gestaltungen börsennotierter Rechte, die neben börsennotierten Aktien der betreffenden Gesellschaft anzutreffen sind, etwas andere Rechte verschaffen und daher unter einer gesonderten ISIN, vielfach auch an anderen Börsen, gehandelt werden, aber keine eigenständige Aktiengattung bilden. Sie sollen hier nur kurz in ihrer Struktur und Funktionsweise beschrieben, aber nicht im Detail erläutert werden: 1. American Depositary Receipts (ADRs)2
50
Die klassische Form, Aktien deutscher Gesellschaften über die amerikanischen Börsen auch dortigen Investoren zugänglich zu machen, ist das ADR, das häufig im Verhältnis 1:1, z.T. aber auch in kleineren, dem amerikanischen Markt vertrauteren Stückelungen3 die Aktien der betreffenden Gesellschaft abbilden. Vergleichbare Strukturen stehen auch in anderen Ländern zur Verfügung, ADRs sind aber die bei weitem verbreitetste Ausprägung solcher Zertifikate zur (mittelbaren) Herstellung der Handelbarkeit. Es handelt sich bei ihnen nicht um Aktien, sie beinhalten keine Mitgliedschaftsrechte an der Gesellschaft und gewähren auch keine direkten vermögensrechtlichen Ansprüche gegen sie4. Sie vermitteln lediglich Ansprüche gegen den „depositary“, meist eine Bank, die in genau dem Umfang Aktien der Gesellschaft separiert hält, wie sie ADRs an Anleger ausgibt. Die Bank ist Aktionär der Gesellschaft und vermit1 Vgl. die kurze Einschätzung bei Roegele/Görke, BKR 2007, 393 ff.; erste eingehendere Darstellungen – basierend auf dem jeweiligen Stand des Gesetzgebungsverfahrens – finden sich bei Wallach, Der Konzern 2007, 487 ff., Eckhold, ZGR 2007, 654 ff. und Dornseifer, AG 2008, 53 ff. 2 Vgl. dazu auch oben § 5 Rz. 28 ff. und unten § 11 Rz. 23 ff. 3 Bei den ADRs der SAP AG vor dem Aktiensplit Ende 2006 etwa 10:1. 4 Vgl. unten § 11 Rz. 24 f.; eingehend zur rechtlichen Einordnung auch Böckenhoff/Ross, WM 1993, 1782 ff. und 1825 ff.; Bungert/Paschos, DZWir 1995, 221 ff.; Wieneke, AG 2001, 504 ff.
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§6
Besondere Aktiengattungen
telt den Inhabern der ADRs Aktionärsrechte. In welchem Umfang sie dies tut, richtet sich nach den zugrunde liegenden Bedingungen. Z.T. verpflichtet sie sich darin auch zur Stimmrechtsausübung, trifft Regelungen zur Behandlung von Bezugsrechten etc. Mit der Entstehung verschiedener Aktiengattungen hat all das nichts zu tun. 2. Stapled Stock Auch hier handelt es sich um eine Gestaltung, die zunächst in den USA diskutiert und genutzt wurde, in Europa nur vereinzelt anzutreffen ist und mit Blick auf den deutschen Markt bislang, soweit ersichtlich, erst in einem Fall, nämlich im Rahmen der Kooperation des Baukonzerns Redland mit dem deutschen Bauzulieferer Braas1 eingesetzt wurde. Es geht dabei im Grundsatz darum, die Aktionärsstellung in einem Unternehmen mit der Teilhabe an den Erträgen eines anderen Unternehmens derart zu verbinden, dass letztere entweder neben die oder an die Stelle der originär mit der Aktionärsstellung verbundenen Erträge treten. Die Motivationen für solche Gestaltungen waren vielfältig. Im Fall von Redland/Braas ging es darum, den deutschen Aktionären von Redland das Körperschaftsteuer-Anrechnungsguthaben von Braas zugänglich zu machen, das für Redland als Muttergesellschaft nicht nutzbar war, indem sie statt der Dividende auf Redland-Aktien eine gleich hohe Leistung über einen Genussschein erhielten, der von Braas ausgegeben und bedient wurde2.
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In welcher Form die beiden Rechte, die hier letztlich zusammengeführt werden, nämlich die Aktionärsstellung bei einer Gesellschaft und die Gewinnbeteiligung bei einer anderen, dauerhaft fest verbunden und einheitlich handelbar gemacht werden können, hängt weitgehend vom anwendbaren nationalen Recht ab. Im deutschen Recht bietet sich wohl nur die Zwischenschaltung eines „stapling agent“ an, der – ähnlich dem „depositary“ bei ADRs – die beiden zugrunde liegenden Wertpapiere hält und lediglich ein Zertifikat an den Markt bringt, das schuldrechtliche Ansprüche in Bezug auf die kombinierten Rechte gegen den „stapling agent“ verschafft. Nur so lässt sich auch die dauerhafte Verbindung der beiden Wertpapiere zuverlässig sicherstellen. Dass auch hier die Aktie als solche unverändert bleibt, also keine neue Aktiengattung entsteht, ist evident.
52
Auch sog. „Huckepack-Aktien“ (dazu auch § 51 Rz. 13 f.), bei denen Aktien und Optionsrechte kombiniert werden, oder – wiederum aus der amerikanischen Rechtspraxis entlehnt – Income Depositary Shares (IDS) bzw. Enhanced Income Securities (EIS), eine Kombination von Aktie und High Yield Bond, dürften für deutsche Gesellschaften nur über ein solches, sie zusammenfassendes Zertifikat handelbar sein. Eine neue Gattung von Aktien entsteht dabei nicht.
53
1 Dort wurden für den deutschen Markt Redland-Aktien mit Genussrechten kombiniert, die von Braas ausgegeben worden waren. Die Akzeptanz dieser Konstruktion blieb recht gering. Mit der Übernahme von Redland durch Lafarge wurden auch die Stapled Stocks aus dem Markt genommen. 2 Zur Historie und praktischen Nutzung mit zahlreichen weiteren Beispielen Kessler/Schürner, WPg 2001, 1041 ff.
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3. Kapitel Börsennotierung §7 Das Konzept von Börsennotierung und Aktienplatzierungen
I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1
II. Kapitalerhöhung und Umplatzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1. Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . 4 a) Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 4 aa) Verschaffung von Eigenmitteln . . . . . . . . . . . . . . 5 bb) Steigerung des Streubesitzes . 6 cc) Nutzung der Emission zu Marketingzwecken . . . . . . 7 b) Aktionäre aa) Mittelbeschaffung . . . . . . . 8 bb) Verbesserung der Liquidität . 9 cc) Anlage- und Unternehmensstrategie des Aktionärs . . . . 10 c) Investoren . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Rechtliche Aspekte . . . . . . . . . . a) Prospekt und Prospekthaftung . . b) Mitwirkung der Gesellschaft bei reinen Umplatzierungen . . . . . . aa) Vermögensinteressen . . . . . bb) Vertraulichkeit . . . . . . . . . c) Regelungen über Kapitalmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bezugsrecht und Bezugsrechtsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bezugsrechtsausschluss: Gründe und Anforderungen . bb) Bezugsrechtsemissionen . . .
13 13 19 20 23 25 27 28 33
III. Börsen, Marktsegmente und Indizes (Deutschland) 1. Auswahl der Börsenplätze . . . . . . 41 2. Marktsegmente . . . . . . . . . . . . . a) Marktsegmentierung nach BörsG aa) Regulierter Markt . . . . . . . bb) Freiverkehr . . . . . . . . . . .
43 44 45 48
Rz. b) Marktsegmentierung an der Frankfurter Wertpapierbörse aa) General Standard . . . . . bb) Prime Standard . . . . . . cc) Entry Standard . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
49 50 51 57
3. Indizes . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auswahlindizes . . . . . . . . . . aa) Die Auswahlindizes i.e.S. . bb) Entry Standard Index . . . . b) All Share- und Benchmark-Indizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sektor-Indizes . . . . . . . . . . . d) „Late“-Indizes . . . . . . . . . . .
. . . .
61 62 63 68
. 72 . 75 . 76
IV. Öffentliche und private Platzierung
77
1. Öffentliche Platzierung . . . . . . . . 78 a) Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . 79 b) Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . 80 2. Privatplatzierung . . . . . . . . . . . . a) Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . c) Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Block Trade/Accelerated Bookbuilding . . . . . . . . . . bb) Festübernahme/Kommission und Mischformen . . . . . . .
84 85 88 90 91 92
V. Zeitplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Insbesondere: Berücksichtigung rechtlicher Vorgaben . . . . . . . . aa) Finanzinformationen . . . . . bb) Prospektbilligungs- und Börsenzulassungsverfahren . . . cc) Durchführung der Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . dd) Blackout Period . . . . . . . . .
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94 94 95 96 101 105 113
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§7
Börsennotierung
Schrifttum: Achleitner, Handbuch Investment Banking, 3. Aufl. 2002; Baums/Hutter, Die Informationen des Kapitalmarkts beim Börsengang (IPO), in FS Ulmer, 2003, S. 779; Becker, Aktienrechtliches und handelsrechtliches Agio, NZG 2003, 510; Becker/Fett, Börsengang im Konzern, WM 2001, 549; Blaurock, Der Vorvertrag zur Zeichnung von Aktien, in FS Rittner, 1991, S. 33; Brandner/Bergmann, Zur Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger, in FS Peltzer, 2001, S. 17; Brandi, Gewährleistungen durch die Aktiengesellschaft bei Anteilserwerb durch Kapitalerhöhung, NZG 2004, 600; Brandl/Kalss/Lucius/Oppitz/Saria, Handbuch Kapitalmarktrecht, Bd. 2 Finanzierung über den Kapitalmarkt, 2006; Busch, Aktienund börsenrechtliche Aspekte von Force Majeure-Klauseln in Aktienübernahmeverträgen, WM 2001, 1277; Busch, Aktuelle Rechtsfragen des Bezugsrechts und Bezugsrechtsausschlusses beim Greenshoe im Rahmen von Aktienemissionen, AG 2002, 230; Busch/Groß, Vorerwerbsrechte der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften über die Börse?, AG 2000, 503; Deutsche Börse AG (Hrsg.), Praxishandbuch Börsengang, 2006; Devlin/Hutter, U.S. Laws and Regulations Applicable to Research Reports, Arbeitspapier Nr. 111 des Instituts für Bankrecht der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a.M.; Einsele, Bankund Kapitalmarktrecht, 2006; Escher-Weingart, Die Zuteilung von Aktien beim „going public“ – Gleiches Recht für alle?, AG 2000, 164; Fey/Kuhn, Der Börsengang – eine Finanzierungsalternative für den Mittelstand?, ZfGK 2008, 114; Fleischer, Börseneinführung von Tochtergesellschaften, ZHR 165 (2001), 513; Fleischer, Marktschutzvereinbarungen beim Börsengang, WM 2002, 2305; Fleischer, Statthaftigkeit und Grenzen der Kursstabilisierung, ZIP 2003, 2045; Fleischer, Umplatzierung von Aktien durch öffentliches Angebot (Secondary Public Offering) und verdeckte Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 AktG, ZIP 2007, 1969; Frese, Kredite und verdeckte Sacheinlage – Zur Sondersituation von Emissionsbanken, AG 2001, 15; Fuchs, Der Schutz der Aktionäre beim Börsengang der Tochtergesellschaft, in RWSForum 20, Gesellschaftsrecht 2001; Gebauer, Börsenprospekthaftung und Kapitalerhaltungsgrundsatz in der Aktiengesellschaft, 1999; Gebhardt, Prime und General Standard: Die Neusegmentierung des Aktienmarkts an der Frankfurter Wertpapierbörse, WM-Sonderbeilage Nr. 2/2003; Gray/Muzilla, Why banks should look again at market flex and MAC clauses, IFLR 2003, 18; Greene/Rosen/Silverman/Braverman/Sperber, U.S. Regulation of the International Securities and Derivatives Markets, 8th edition 2006; Groß, Verdeckte Sacheinlage, Vorfinanzierung und Emissionskonsortium, AG 1993, 108; Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318; Groß, Die börsengesetzliche Prospekthaftung, AG 1999, 205; Groß/Klein, Kein Untergang von Verlusten nach § 8c KStG beim Börsengang, AG 2007, 896; Grunewald/ Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, 2007; Habersack, „Holzmüller“ und die schönen Töchter – Zur Frage eines Vorerwerbsrechts der Aktionäre beim Verkauf von Tochtergesellschaften, WM 2001, 545; Happ, Aktienrecht, 3. Aufl. 2007, 16. Abschnitt: Börseneintritt, Zwischenbericht, Börsenaustritt; Harrer/Müller, Die Renaissance des Freiverkehrs – Eine aktuelle Analyse mit internationalem Vergleich, WM 2006, 653; Hein, Rechtliche Fragen des Bookbuildings nach deutschem Recht, WM 1996, 1; Hergeth/Eberl, Schuldrechtliche Zuzahlungspflichten bei der Kapitalerhöhung einer Aktiengesellschaft, DStR 2002, 1818; Hergeth/ Eberl, Wirksamkeitsvoraussetzungen des Zeichnungsvorverträge, NZG 2003, 205; Hoffmann-Becking, Neue Formen der Aktienemission, in FS Lieberknecht, 1997, S. 25; Holmes/ Castellon, Block Trades, PLC 05/2006, 19; Hopt, Emissionsgeschäft und Emissionskonsortien, in FS Kellermann, 1991, S. 181; Johnson/McLaughlin, Corporate Finance and the Securities Laws, 3rd edition, 2004; Klenke, Der Rückzug mehrfach notierter Unternehmen von den deutschen Regionalbörsen, WM 1995, 1089; Kohler/Obermüller/Wittig (Hrsg.), Kapitalmarkt – Recht und Praxis, Gedächtnisschrift für Ulrich Bosch, 2005; Kopp, Finanz- und Ertragslage des Emittenten in Verkaufs- und Börsenzulassungsprospekten – Darstellung und Analyse (MD&A), RIW 2002, 661; Kort, Bezugsrechtsfragen und „Holzmüller“-Fragen einer Tochter-Kapitalerhöhung aus Sanierungsgründen, AG 2002, 369; Kowalewski, Das Vorerwerbsrecht der Mutteraktionäre beim Börsengang einer Tochtergesellschaft, 2008; Krömker, Der Anspruch des Paketaktionärs auf Informationsbeschaffung zum Zwecke der Due Diligence, NZG 2003, 418; Lachner/von Heppe, Die prospektfreie Zulassung nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG („10 %-Ausnahme“) in der jüngsten Praxis, WM 2008, 576; Lenenbach, Reform des U.S.-amerikanischen Kapitalanlagerechts: Abwehr missbräuchlicher Schadensersatzklagen und ein „safe harbor“ für Unternehmensprognosen, WM 1999, 1393; Leppert/Stürwald, Die Safe-Harbour-Regeln der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 und die KuMaKV, ZBB 2004,
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Konzept von Börsennotierung und Aktienplatzierungen
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I. Vorbemerkung Die Themen Börsennotierung und Emission von Wertpapieren sind eng miteinander verbunden. Für viele Investoren sind Notierung und Handel von Wertpapieren an eiMeyer
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§7
Börsennotierung
ner Börse Voraussetzung für deren Erwerb1. So können sie bei Bedarf die betreffenden Papiere kurzfristig über die Börse veräußern2. In Bezug auf die Aktien einer Gesellschaft ist die Börsennotierung daher die – rechtliche und tatsächliche – Voraussetzung, sich durch deren Platzierung Eigenmittel über den Kapitalmarkt zu beschaffen3. Bei der Erstnotierung der Aktien einer Gesellschaft – so genannter Börsengang – wird jedoch regelmäßig nicht nur die Börsenzulassung angestrebt. Diese ist typischerweise verbunden mit einem (öffentlichen) Angebot von Aktien und deren nachfolgendem Verkauf an Investoren, der so genannten Platzierung. Deshalb bezeichnet man im Englischen den Börsengang auch als Initial Public Offering (kurz „IPO“) – auf Deutsch: erstmaliges öffentliches Angebot. Die Gesellschaft nutzt dabei nicht nur (erstmals) die sich ihr mit der Börsenzulassung eröffnende Möglichkeit der Eigenkapitalbeschaffung über den Kapitalmarkt. Eine breite Platzierung im Zusammenhang mit der Aufnahme der Börsennotierung ermöglicht vielmehr erst, diese tatsächlich nutzen zu können. Die für den Investor entscheidende Möglichkeit der Veräußerung und des Erwerbs von Aktien an der Börse setzt nämlich nicht nur die Börsennotierung als solche (also das rechtliche „Dürfen“) voraus. Aktien lassen sich erst dann kurzfristig veräußern oder erwerben, wenn sie in ausreichender Zahl gehandelt werden. Nur dann lässt sich im Markt auch eine Gegenpartei finden, die zu verkaufende Aktien abnimmt bzw. zu erwerbende veräußert. Mit anderen Worten: neben dem rechtlichen „Dürfen“ muss auch das faktische „Können“ des Kaufs oder Verkaufs über die Börse gegeben sein. Man spricht dabei auch von der erforderlichen „Liquidität“ der Aktie4. Diese wird durch ein Mindestmaß an Streubesitz (free float) erreicht5. Je mehr Aktionäre es gibt, und je mehr davon nicht nur langfristig orientierte Investoren sind, desto mehr wird in der betreffenden Aktie gehandelt. Daher werden Aktien im Zusammenhang mit der Aufnahme ihrer Notierung an der Börse möglichst „breit“, d.h. nicht nur bei vielen, sondern auch bei verschiedenartigen Investoren platziert. 2
Die Platzierung erfolgt dabei nicht „an der Börse“ oder „über die Börse“, wie es z.B. der Begriff Börsengang suggeriert, sondern durch den außerbörslichen Verkauf der betreffenden Aktien. Dies ergibt sich schon daraus, dass die betreffenden Aktien vor Durchführung des „Börsenganges“ noch gar nicht an der Börse gehandelt werden. Die Aufnahme des Börsenhandels setzt vielmehr – wie ausgeführt – ein gewisses Maß an Streubesitz voraus, das durch eine vorangehende Platzierung erst hergestellt wird. Doch auch bei börsennotierten Gesellschaften wird die Platzierung eines größeren Volumens von Aktien außerbörslich vorgenommen. Der Börsenhandel wäre nicht in der Lage, mit einem Mal ein zusätzliches größeres Volumen an Aktien aufzunehmen. Zudem lässt sich nur durch eine außerbörsliche Platzierung die Aktionärsstruktur im Sinne einer Mischung zwischen lang- und kurzfristig orientierten Investoren gezielt steuern (vgl. auch § 8 Rz. 43).
1 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.77. 2 Schanz, Börseneinführung, § 2 Rz. 7; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.1. 3 Scheffler in Lutter/Scheffler/U.H. Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998, Rz. 8.36. 4 Kümpel definiert diese mit „Aufnahmefähigkeit“ des Marktes, Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.761; vgl. auch Schanz, Börseneinführung, § 11 Rz. 37 ff. 5 Dazu Schanz, Börseneinführung, § 11 Rz. 37 ff. So erklärt sich auch der für die Zulassung grds. erforderliche Mindest-Streubesitz von 25 % nach § 9 Abs. 1 Satz 2 BörsZulV.
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§7
Konzept von Börsennotierung und Aktienplatzierungen
II. Kapitalerhöhung und Umplatzierung Bei einer bereits börsennotierten Aktiengesellschaft kann die „Emission“ von Aktien verschiedenen Zielen dienen. Unterschiede ergeben sich insbesondere daraus, ob die Platzierung von der Gesellschaft oder von deren Aktionären (so genannte Altaktionäre) initiiert wird. Streng genommen ist nur die von der Gesellschaft betriebene Emission neuer Aktien eine „Emission“ im wertpapierrechtlichen Sinne1. Jedoch kann auch die so genannte Umplatzierung von bestehenden Aktien aus Altaktionärsbesitz für die Gesellschaft selbst von Bedeutung sein. Daher sind nachfolgend auch solche Umplatzierungen bereits „emittierter“ Aktien zu betrachten. Aus der Sicht des Marktes spielt es nämlich keine entscheidende Rolle, ob es sich bei platzierten Aktien derselben Gattung um neu emittierte Aktien aus einer Kapitalerhöhung oder um bereits bestehende Aktien aus Altaktionärsbeständen handelt2. Indes können – abhängig von der Transaktionsstruktur – die Interessen der Beteiligten unterschiedlich sein3.
3
1. Interessenlage a) Gesellschaft Geht die Initiative zur Durchführung einer Aktienplatzierung von der Gesellschaft aus, so liegt der Transaktion typischerweise eine Kapitalerhöhung zugrunde (dazu Rz. 25 ff. sowie im Einzelnen unten §§ 42, 43). Die dafür maßgeblichen Motive sind vielgestaltig:
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aa) Verschaffung von Eigenmitteln. Das primäre Interesse einer Aktiengesellschaft an der Durchführung einer Kapitalerhöhung ist die Verschaffung von weiteren Eigenmitteln. Diese ist natürlich kein Selbstzweck. Eine Verbesserung der Eigenkapitalausstattung kann Vorstufe zur Aufnahme weiterer Fremdmittel sein4. So werden bisweilen verschiedenen Formen der Fremdfinanzierung, sei es durch Kredite, sei es durch Anleihen (insbesondere – abhängig vom Rating der betreffenden Gesellschaft5 – so genannte High Yield Bonds, d.h. Hochzins-Anleihen) von einer vorangehenden Kapitalerhöhung abhängig gemacht6. Auch wird der Eigenkapitalausstattung bei der Bestimmung des so genannten (Kredit-)Ratings einer Gesellschaft zunehmend größere Beachtung geschenkt7.
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1 Vgl. Bosch in BuB, Rz. 10/65 f. 2 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.9. 3 Die Begriffe „Emission“ und „Platzierung“ werden uneinheitlich verwandt. So bezeichnet § 2 Abs. 3 WpHG in seiner Nr. 5 mit „Emission“ die Übernahme von Finanzinstrumenten durch ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf eigenes Risiko und in Nr. 6 mit „Platzierung“ die Platzierung von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung. 4 Vgl. Schanz, Börseneinführung, § 2 Rz. 5; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, Vor § 182 AktG Rz. 52; Harrer in Beck’sches Hdb. AG, § 18 Rz. 14; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, Vor § 182 AktG Rz. 4 f.; Fey/Kuhn, ZfgK 2008, 114, 115; Schlienkamp, AG-Report 2007, R 356. 5 Zu Fragen des Ratings: Steiner in Lutter/Scheffler/U.H. Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998, Rz. 15.69 ff.; Achleitner, Handbuch Investment Banking, S. 555 ff.; Füser/ Heidusch, Rating, 2002; zur rechtlichen Einordnung Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeilage Nr. 5/1992; Krämer in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 2008, Rz. 403 ff. 6 So vor allem bei einer Reihe von Refinanzierungen börsennotierter Unternehmen in den Jahren 2003 und 2004 zu beobachten, z.B. bei den Bezugsrechtskapitalerhöhungen der HeidelbergCement AG im Juni 2003, der Jenoptik AG im Oktober 2003 oder der SGL Carbon AG Anfang 2004, die jeweils mit einer nachgeschalteten Hochzinsanleihe kombiniert wurden. 7 So ist der Verschuldungsgrad (der sich u.a. in der Eigenkapitalquote der Bilanzsumme ausdrückt) ein maßgebliches Kriterium zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens, vgl. Scheffler in Lutter/Scheffler/U.H. Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998, Rz. 8.29 f.; Füser/Heidusch, Rating, 2002, S. 210.
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Börsennotierung
Darunter versteht man die Einschätzung der Bonität der Gesellschaft durch eine unabhängige Ratingagentur (z.B. Standard & Poors, Moody’s oder Fitch). Dieses Rating spielt bei der Kreditvergabe durch Banken eine bedeutende Rolle, sei es unter Gesichtspunkten des Risikomanagements, sei es im Hinblick auf die bevorstehende, nach Risikoklassen differenzierende Beurteilung von Kreditrisiken bei den Eigenkapitalanforderungen des Bankaufsichtsrechts („Basel II“)1. Die Einschätzung der Bonität einer Gesellschaft durch die Ratingagenturen hängt – neben anderen Kriterien – auch vom Verhältnis von Eigen- zu Fremdfinanzierung ab2. Unabhängig vom Rating wird eine angemessene Eigenkapitalausstattung als Voraussetzung dafür angesehen, dass dem Unternehmen auch in notwendigem Umfang Fremdkapital zur Verfügung gestellt werden kann3. Daneben verringert die Rückführung von Bankschulden durch Eigenmittel die Zinslast des Unternehmens4 und entlastet damit die Gewinn- und Verlustrechnung. Oft führen auch geplante Akquisitionen oder Investitionen zu einem Kapitalbedarf der Gesellschaft, den diese über eine Kapitalerhöhung zu decken versucht. Gerade konkrete Investitionsvorhaben können dabei sowohl Anlass (da nicht allein durch Fremdmittel zu finanzieren) als auch Gelegenheit (da das Interesse des Kapitalmarktes geweckt werden kann) für eine Stärkung der Eigenkapitalbasis durch eine Aktienemission mit Platzierung am Kapitalmarkt sein. 6
bb) Steigerung des Streubesitzes. Bisweilen befinden sich Aktien börsennotierter Aktiengesellschaften nur in geringem Umfang in Streubesitz. Das bedeutet, dass die Aktie nur in geringen Volumina gehandelt wird. Die Vorteile einer Börsennotierung, nämlich die Möglichkeit kurzfristig Aktien zu erwerben und zu veräußern, können so mangels Liquidität der betreffenden Aktie faktisch kaum oder gar nicht genutzt werden. Vielmehr gelingt es Aktionären kaum, sich von ihrer Beteiligung durch Verkauf über die Börse zu trennen. Neue Investoren können bei geringer Liquidität der Aktie nur schwer gewonnen werden. Gerade für institutionelle Investoren sind Gesellschaften erst ab einem gewissen Streubesitz attraktiv. Ferner hängt die Aufnahme in einen der so genannten Auswahlindizes (siehe unten Rz. 62 ff.) u.a. maßgeblich von der Marktkapitalisierung und dem vorhandenen Streubesitz ab, sowie von der tatsächlich festgestellten Verfügbarkeit der Aktie im Markt5. Durch die Aufnahme in einen Index wird die Aktie der Gesellschaft wiederum für bestimmte institutionelle Investoren erst interessant. Mit dieser ist allgemein ein größeres öffentliches Interesse für die betreffende Aktie verbunden. Somit kann auch die Steigerung der eigenen Attraktivität für Investoren durch Erhöhung des Streubesitzes ein Motiv der Gesellschaft für die Durchführung einer Aktienplatzierung sein. Diese Überlegungen können sowohl bei einer Kapitalerhöhung eine Rolle spielen, als auch Grund für die Unterstützung einer Umplatzierung bereits bestehender Aktien aus Altaktionärsbestand sein. Zudem kann eine Umplatzierung u.U. die Unabhängigkeit der Gesellschaft durch ihre Lösung von einem möglicherweise dominierenden Großaktionär steigern, der Gesellschaft so neue unternehmerische Perspek-
1 Dazu Rolfes/Ense, Die Bank 2000, 680; Terberger, Beilage 3 zu BB Heft 14/2002, 12, 14; allgemein zu Rating und Basel II: AG-Report 2001, R 394, R 398; Füser/Heidusch, Rating, 2002, S. 34 ff.; Wittig, ZHR 169 (2005), 212 ff.; Opitz in Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, 2008, Rz. 351 ff. 2 Vgl. Standard & Poors, Corporate Ratings Criteria 2006, im Internet verfügbar unter http://www2.standardandpoors.com, insbesondere S. 74 ff. 3 Scheffler in Lutter/Scheffler/U.H. Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998, Rz. 8.22.; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, Vor § 182 AktG Rz. 52. 4 Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, Vor § 182 AktG Rz. 52. 5 Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5, Februar 2008, im Internet verfügbar unter www.deutsche-boerse.com, Ziff. 1.8, 1.9, 2.2.1.1.
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Konzept von Börsennotierung und Aktienplatzierungen
tiven eröffnen und zudem ihre Attraktivität für Investoren steigern1. Denkbar ist auch, dass sich die Gesellschaft durch die Umplatzierung aus einer von einem Altaktionär ausgehenden Blockade befreien kann, die z.B. die Ermächtigung zu – unternehmerisch möglicherweise erforderlichen – Kapitalmaßnahmen verhindert2. Eine durch die Umplatzierung stärker diversifizierte Aktionärsstruktur, z.B. durch einen dadurch erreichten höheren Anteil an ausländischen (institutionellen) Investoren kann ebenfalls attraktivitätssteigernd wirken, auch im Hinblick auf die Generierung von Nachfrage bei künftigen Kapitalmaßnahmen. Dies gilt nicht nur, aber in besonderem Maße, wenn die Umplatzierung mir der Notierung der Aktien der Gesellschaft an einer ausländischen Wertpapierbörse einhergeht, etwa in den USA. cc) Nutzung der Emission zu Marketingzwecken. Eine öffentliche Platzierung von Aktien (unabhängig davon, ob diese aus einer Kapitalerhöhung oder einer Umplatzierung stammen) kann dazu beitragen, den Bekanntheitsgrad der Gesellschaft zu steigern und ihre Investor Relations-Arbeit unterstützen. So dient ein Prospekt als Visitenkarte gegenüber Investoren und kann auch außerhalb einer Platzierung verwandt werden. So kann auch ein höheres Interesse an Aktien der Gesellschaft im Zweitmarkt erzielt werden. Investoren werden durch die Platzierung auf die Gesellschaft aufmerksam und erwerben Aktien der Gesellschaft ggf. nach Beobachtung des Kurses zu einem späteren Zeitpunkt. Die Durchführung einer Platzierung mit Prospektveröffentlichung kann sich auch auf das Interesse von Investoren an anderen Wertpapieren der Gesellschaft wie z.B. Anleihen positiv auswirken. Schließlich kann die Gesellschaft auch in ihrem operativen Geschäft durch die Publizität einer Kapitalmarktemission profitieren. Durch die mit der Kapitalmarktemission erzielbare öffentliche Aufmerksamkeit wird u.U. auch das Interesse für die Produkte der Gesellschaft gesteigert oder erst geweckt.
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b) Aktionäre aa) Mittelbeschaffung. Für Aktionäre, die sich im Wege der Platzierung von einem Aktienbestand trennen möchten, steht die Mittelbeschaffung als Motivation im Vordergrund. Dies spielt insbesondere eine Rolle für so genanntes Venture Capital oder Private Equity Investoren. Dies sind Gesellschafter, die sich vorübergehend an Unternehmen beteiligen, um an deren Wertsteigerung zu partizipieren. Da es sich dabei aber um eine Finanzbeteiligung handelt und ein längerfristiges eigenes strategisches Interesse an der erworbenen Beteiligung typischerweise nicht besteht, ist der zumindest mittelfristige Wiederausstieg (exit) durch Platzierung der erworbenen Beteiligung am Kapitalmarkt Wesensmerkmal von Engagements solcher Investoren3.
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bb) Verbesserung der Liquidität. Denkbar ist auch, dass ein Großaktionär zwar im Grundsatz an seiner Beteiligung festhalten möchte, jedoch selbst daran interessiert ist, den Streubesitz zu vergrößern, um das übliche Handelsvolumen in der betreffenden Aktie zu steigern (d.h. sie „liquider“ zu machen). Dadurch verbessern sich nicht nur die Möglichkeiten der Gesellschaft, durch die Platzierung neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung selbst Eigenkapital am Markt aufzunehmen. Die Aktie der Gesellschaft wird bei gesteigerter Liquidität für eine Reihe von Investoren erst interessant (siehe oben).
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1 Vgl. auch die Aufzählung bei Hlawati/Doralt in Brandl/Kalss/Lucius/Oppitz/Saria, Handbuch Kapitalmarktrecht, Bd. 2, S. 301 ff. 2 Krämer/Baudisch, WM 1998, 1161, 1166; Sigle/Zinger, NZG 2003, 301, 303; Fleischer, ZIP 2007, 1969, 1975. 3 Kaiser/Lauterbach, ZfGK 2008, 118; zu Venture Capital-Beteiligungen Göckeler in Beck’sches Hdb. AG, § 19 Rz. 106 ff.; Achleitner, Handbuch Investment Banking, S. 564, insbesondere S. 717, 746 ff.
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Börsennotierung
Das Erschließen weiterer Investorenkreise kann zu einer allgemeinen Verbesserung der Nachfrage nach der Aktie und damit zu steigenden Kursen (folglich zu einer Wertsteigerung der Beteiligung) führen. 10
cc) Anlage- und Unternehmensstrategie des Aktionärs. Die Verkaufsbestrebungen eines (Groß-)Aktionärs können auch mit dessen Anlage- und Unternehmensstrategie zusammenhängen (siehe oben die Ausführungen zu Private Equity Investoren bei Rz. 8). Frühere diversifizierte Mischkonzerne konzentrieren sich in den letzten Jahren zunehmend auf ihr Kerngeschäft. Als Beispiel kann die Einbringung der Luftfahrtaktivitäten der früheren Daimler-Benz AG in die sodann an die Börse gebrachte EADS N. V. genannt werden. Oft mündet die Veräußerung von Nicht-Kernaktivitäten durch Konzerne an Private Equity Investoren nach einigen Jahren ebenfalls in einen Börsengang mit Aktienplatzierung (z.B. die Wincor Nixdorf AG, zuvor zu Siemens gehörend, oder die Tognum AG, die vormals Teil des früheren Daimler-Benz-Konzerns war). Zudem veräußern Banken und Versicherungen, begünstigt durch die Aufhebung der Besteuerung von Gewinnen einer Kapitalgesellschaft aus der Veräußerung eines Anteils an einer anderen Kapitalgesellschaft1, in verstärktem Maße Industriebeteiligungen. Auch die öffentliche Hand macht, vor allem zum Zweck der Haushaltskonsolidierung, von Aktienplatzierungen regelmäßig Gebrauch, nachdem sie durch die Privatisierung von vormaligen Staatsunternehmen (z.B. Deutsche Telekom AG, Deutsche Post AG, künftig möglicherweise auch Deutsche Bahn AG) die Möglichkeit zur sukzessiven Veräußerung von solchen Unternehmensbeteiligungen geschaffen hat. c) Investoren
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Schließlich ist – wie bereits angedeutet – die Beurteilung der gewählten Emissionsstruktur durch den Kapitalmarkt maßgeblich für den Erfolg der geplanten Platzierung. Das Interesse der Investoren an einem Erwerb von Aktien der Gesellschaft und damit deren Platzierbarkeit hängt maßgeblich von deren Einschätzung der zukünftigen Kursentwicklung ab. Diese wird – abgesehen von allgemeinen konjunkturellen und markttechnischen Faktoren – nicht zuletzt vom Geschäftsmodell der Gesellschaft und den sich daraus ergebenden unternehmerischen Perspektiven geprägt. Man spricht insoweit von der Equity Story2. Bei einer Platzierung neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung wird es entscheidend darauf ankommen, wie die mit der Platzierung erzielten Mittel von der Gesellschaft verwendet werden sollen. Die Verwendung der Mittel für bestimmte Entwicklungsvorhaben, die Modernisierung vorhandener und den Ausbau neuer Produktionskapazitäten oder den Erwerb von (strategischen) Beteiligungen kann das Interesse von Investoren und deren Erwartung an eine positive Kursentwicklung fördern.
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Dagegen kann bei einer reinen Umplatzierung der Eindruck entstehen, es gehe vor allem darum, dass abgebende Altaktionäre „Kasse machen“3. Dies mag als Zeichen verstanden werden, dass der Aktienkurs bis auf weiteres seine besten Zeiten hinter sich haben könnte. Angesichts der vielfältigen Gründe für eine Abgabe von Aktien 1 Nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG bleiben bei der Ermittlung des Einkommens einer Kapitalgesellschaft Gewinne aus der Veräußerung einer anderen Körperschaft außer Ansatz. Diese Regelung gilt seit dem 1.1.2002 bzw. bei vom Kalenderjahr abweichendem Geschäftsjahr der steuerpflichtigen Gesellschaft dem Ende des Geschäftsjahres in 2002; vgl. z.B. Klumpp in Beisel/ Klumpp, Der Unternehmenskauf, 5. Aufl. 2006, Kapitel 15 Rz. 93 sowie eingehend Rödder in Beck’sches Hdb. AG, § 12 Rz. 135 ff. 2 Dazu Kirchhoff in Deutsche Börse AG (Hrsg.), Praxishandbuch Börsengang, 2006, S. 271 ff. 3 Vgl. z.B. Jäger, NZG 1999, 814, 815; Schäcker/Brehm in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 2 Rz. 15.
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aus Altaktionärsbeständen ist eine solch pauschale Bewertung freilich nicht angebracht. Auch eine reine Umplatzierung von Aktien aus Altaktionärsbeständen eröffnet der Gesellschaft u.U. neue Perspektiven. Die daraus resultierende Erweiterung des Aktionärsspektrums und die Steigerung der Liquidität der Aktie kann sich positiv auf deren Kurs auswirken. Gleiches gilt auch für die aus einer Umplatzierung möglicherweise resultierende Lösung der Gesellschaft von einem dominanten Großaktionär. Die Gesellschaft kann so künftig unabhängiger agieren und wird übergeordnete Interessen des Großaktionärs weniger berücksichtigen. Stattdessen wird sie stärker eigene Strategien verfolgen, die zu einer Wertsteigerung der Aktie führen können. 2. Rechtliche Aspekte a) Prospekt und Prospekthaftung Bei einer breiten öffentlichen Platzierung von Aktien1 (d.h. nicht nur bei institutionellen, sondern auch bei Privatanlegern) wird es schon zur Vermarktung sinnvoll sein, ein Angebotsdokument zu erstellen. Dieses ist auch aus rechtlichen Gründen regelmäßig erforderlich. Von einer börsennotierten Aktiengesellschaft bei einer Kapitalerhöhung neu ausgegebene Aktien sind nicht automatisch zum Börsenhandel zugelassen. Die Zulassung neuer Aktien zum Börsenhandel im regulierten Markt setzt gemäß § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG, § 3 Abs. 3 WpPG grds. die Erstellung und nachfolgende Veröffentlichung eines Wertpapierprospekts nach dem WpPG voraus.
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Werden Aktien öffentlich angeboten (zu den verschiedenen Angebotsformen, siehe unten Rz. 77 ff.), ist zuvor grds. ebenfalls ein Wertpapierprospekt zu veröffentlichen, § 3 Abs. 1 WpPG. Dies gilt sowohl bei dem Angebot neuer, noch nicht börsenzugelassener Aktien, als auch bei der Umplatzierung bestehender Aktien aus Altaktionärsbestand, und zwar unabhängig davon, ob diese bereits börsenzugelassen sind oder nicht2. Unter einem die Prospektpflicht auslösenden öffentlichen Angebot von Wertpapieren ist nach § 2 Nr. 4 WpPG eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise zu verstehen, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden; dies gilt auch für die Platzierung von Wertpapieren durch Finanzintermediäre. Ein Angebot i.S. von § 2 Nr. 4 WpPG erfordert also keinen Antrag i.S. von § 145 BGB;3 vielmehr reicht bereits eine Aufforderung zur Abgabe von Angeboten (invitatio ad offerendum) aus4. Die BaFin legt jedoch – wie bereits zum alten Recht vor Umsetzung der EU-Prospektrichtlinie5 – den Begriff des öffentlichen Angebotes insofern restriktiv aus, als dafür eine konkrete Zeichnungs- bzw. Erwerbsmög-
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1 Zur Privatplatzierung im Vergleich zur öffentlichen Platzierung siehe unten Rz. 77 ff. unter „IV.“. 2 Nach „altem“ Recht vor Inkrafttreten des WpPG bestand eine Pflicht zur Prospekterstellung nach § 1 VerkProspG a.F. bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren nur, wenn diese noch nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen waren, dazu 1. Aufl., § 6 Rz. 14 ff. 3 Zur Terminologie siehe nur Heinrichs in Palandt, § 145 BGB Rz. 1 f. 4 Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rz. 10. 5 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64; in deutsches Recht umgesetzt durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ProspektrichtlinieUmsetzungsgesetz) v. 22.6.2005, BGBl. I 2005, 1698.
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Börsennotierung
lichkeit für den Anleger bestehen muss1. Daneben sprechen für das Vorliegen eines öffentlichen Angebotes konkrete Werbemaßnahmen, die zielgerichtete Ansprache von Investoren und deren Informationsbedürfnis2. Dagegen nimmt die BaFin weiterhin kein öffentliches Angebot an, wenn Wertpapiere nur einem begrenzten Personenkreis angeboten werden, d.h. die Adressaten des Angebotes dem Anbieter im Einzelnen bekannt sind, sie gezielt ausgewählt und individuell angesprochen werden sowie deren Aufklärung durch einen Prospekt nicht erforderlich ist3. Das ist der Fall, wenn neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung ausschließlich den Aktionären der Gesellschaft gemäß § 186 AktG zum Bezug angeboten werden, sofern kein (börslicher) Handel von Bezugsrechten stattfindet, in dessen Rahmen Dritte Bezugsrechte erwerben können (dazu § 42 Rz. 64)4. 15
Ausdrücklich ausgenommen von der Prospektpflicht sind zudem nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 WpPG Angebote, die ausschließlich an so genannte qualifizierte Anleger i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 6 WpPG gerichtet sind, sowie nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 WpPG Angebote an weniger als 100 nicht qualifizierte Anleger pro EU-Mitgliedstaat. Ferner nimmt § 4 Abs. 1 WpPG eine Reihe von Angeboten von der Prospektpflicht aus, bei denen die Information der Anleger durch ein anderes gleichwertiges Dokument sichergestellt ist oder nicht erforderlich erscheint. Beispiele hierfür sind eine Angebotsunterlage nach § 11 WpÜG, wenn Aktien bei einem Erwerbs- oder Übernahmeangebot als Gegenleistung angeboten werden (so genanntes Tauschangebot), oder ein Verschmelzungsbericht, wenn Aktien anlässlich einer Verschmelzung angeboten oder zugeteilt werden, ferner Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln oder Angebote an Mitarbeiter5. Die Kombination mehrerer Ausnahmen von der Prospektpflicht nach dem WpPG ist grds. möglich, z.B. in Form eines Angebots von Wertpapieren an qualifizierte Anleger sowie an weniger als 100 nicht qualifizierte Anleger pro EWR-Vertragsstaat6.
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Der Anbieter von Kapitalanlagen muss jedoch auch außerhalb einer gesetzlichen Prospektpflicht dem Anleger alle Informationen verschaffen, die für dessen Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind7. Dieser muss die Möglichkeit haben, über die Anlage eigenverantwortlich in Kenntnis sämtlicher für deren Beurteilung maßgeblichen Umstände zu entscheiden8. Freilich muss dies nicht zwingend in Form eines Prospekts erfolgen. So kann ggf. ein Verweis auf vorhandene Veröffentlichungen wie z.B. Geschäftsberichte, Jahres- und Zwischenabschlüsse etc. genügen. 1 Glomb-Schmidt/Gockel, 4. Workshop „Praxiserfahrungen mit dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG)“, Präsentation „Ausgewählte Rechtsfragen in der Aufsichtspraxis“ vom 4.9.2007, S. 4; so auch Begr. RegE WpPG, BT-Drucks. 15/4999, S. 25, 28. 2 Wie vorherige Fn. 3 BaFin, Workshop: 100 Tage WpPG, Präsentation „Rechtsfragen aus der Anwendungspraxis“ vom 3.11.2005, S. 3; zur Ausnahme für Angebote an einen begrenzten Personenkreis nach § 2 Nr. 2 VerkProspG a.F. siehe 1. Aufl., § 24 Rz. 3; zu Einzelfällen ferner Groß, Kapitalmarktrecht, § 2 WpPG Rz. 18. 4 Glomb-Schmidt/Gockel, 4. Workshop „Praxiserfahrungen mit dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG)“, Präsentation „Ausgewählte Rechtsfragen in der Aufsichtspraxis“ vom 4.9.2007, S. 5; CESR „Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members“ Ref. CESR/08–426 v. Mai 2008 unter 58., im Internet abrufbar unter www.cesr.eu. 5 Dazu Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 7 m.w.N. 6 CESR „Frequently Asked Questions regarding Prospectuses: Common positions agreed by CESR Members“ Ref. CESR/08–426 v. Mai 2008 unter 30., im Internet abrufbar unter www.cesr.eu; Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 6; Schnorbus, AG 2008, 389, 402 f. 7 BGH v. 31.5.1990 – VII ZR 340/88, BGHZ 111, 314, 317. 8 BGH v. 5.7.1993 – II ZR 194/92 – „Hornblower/Fischer“, BGHZ 123, 106, 113 = AG 1994, 32.
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Bei dem Vertrieb von Aktien an Privatanleger wird ein Anbieter von Kapitalanlagen jedoch auch außerhalb eines öffentlichen Angebotes zum eigenen Schutz und zur Dokumentation der Erfüllung seiner Aufklärungspflichten die Erstellung eines freiwilligen „Prospekts“ (so genanntes Informationsmemorandum) in Erwägung ziehen. Denn hinsichtlich Art und Umfang der erforderlichen Aufklärung kommt es auf den Horizont des potentiellen Kapitalanlegers an, der mit einem Angebot von Wertpapieren angesprochen werden soll1. Richtet sich das Angebot auch an Privatanleger, so dürfte im Zweifel wie bei § 13 VerkProspG, § 44 BörsG der Informationsbedarf des „durchschnittlichen Anlegers“ entscheidend sein2. Die Erstellung eines Prospekts wirkt sich nicht nur auf die Emissions- bzw. Platzierungskosten aus. Auch die Prospekthaftung ist zu berücksichtigen. Die für die Erstellung eines Wertpapierprospekts Verantwortlichen haften gegenüber den Erwerbern der angebotenen bzw. zugelassenen Wertpapiere gemäß § 44 Abs. 1 BörsG, § 13 Abs. 1 VerkProspG für die richtige und vollständige Darstellung der für die Beurteilung der Wertpapiere wesentlichen Angaben. Prospektverantwortliche sind regelmäßig die emittierende Gesellschaft und die die Emission begleitende(n) Bank(en), möglicherweise auch ein aktiv in die Prospekterstellung eingebundener abgebender Großaktionär3. Ein danach Prospektverantwortlicher kann jedoch u.a. dann nicht in Anspruch genommen werden, wenn er nachweist, dass er in Bezug auf die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts nicht grob fahrlässig war, § 45 Abs. 1 BörsG4. Dabei gelten diese Grundsätze der gesetzlichen Prospekthaftung auch in Bezug auf einen Wertpapierprospekt, der für ein öffentliches Angebot bereits börsenzugelassener Wertpapiere erstellt wurde, wenngleich der Wortlaut des § 13 Abs. 1 VerkProspG – offensichtlich aufgrund eines Redaktionsversehens – etwas anderes zu besagen scheint5.
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Bei einem zum Vertrieb von Aktien im Rahmen einer Privatplatzierung freiwillig erstellten „Informationsmemorandums“ ist zu beachten, dass dieses rechtlich u.U. anders behandelt wird als ein Prospekt, der im Rahmen der gesetzlichen Prospektpflicht zu erstellen ist6. Mangels eines Wertpapierprospekts i.S. des WpPG oder Verkaufsprospekts für Vermögensanlagen nach § 8 f VerkProspG greifen die Regelungen der gesetzlichen Prospekthaftung nach §§ 44 ff. BörsG bei strikter Anwendung des Gesetzeswortlauts nicht unmittelbar ein7. Für Vertriebsmaterialien über Kapitalanlagen, für die keine gesetzliche Prospektpflicht besteht (so genannter grauer Kapitalmarkt) hat die Rechtsprechung ergänzend zu den gesetzlichen Haftungsregelungen für „Pflichtprospekte“ das Rechtsinstitut der so genannten bürgerlich-rechtlichen Pro-
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1 Vgl. BGH v. 5.7.1993 – II ZR 194/92 – „Hornblower/Fischer“, BGHZ 123, 106, 112 = AG 1994, 32. 2 Dazu BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81 – „Beton- und Monierbau“, WM 1982, 862, 863 = AG 1982, 278; eingehend zum Adressatenhorizont auch Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 18 ff. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 35; Hamann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 44, 45 BörsG Rz. 92. 4 Vgl. § 45 Abs. 1 BörsG, auf den § 13 Abs. 1 VerkProspG verweist. 5 Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 VerkProspG Rz. 3 f.; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 19; Assmann in Assmann/ Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 59. 6 Es dürfte freilich zu weit gehen, bereits die bloße Erstellung eines Informationsmemorandums als Indiz für ein öffentliches Angebot anzusehen, wenngleich es zur Vermeidung dieses Eindrucks sich empfiehlt, klarzustellen, dass die Wertpapiere nicht öffentlich angeboten werden und den Adressatenkreis zu definieren, vgl. Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennzahl 055 Rz. 146. 7 Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 58.
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spekthaftung entwickelt (dazu auch § 10 Rz. 367 f.)1. Diese weicht jedoch in einigen Punkten von der gesetzlichen Prospekthaftung nach BörsG und VerkProspG ab. So haftet nach den Regeln der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung ein Prospektverantwortlicher bereits für einfache Fahrlässigkeit2. Bei der gesetzlichen Prospekthaftung kann sich ein Prospektverantwortlicher nach § 45 Abs. 2 Nr. 1 BörsG durch den Nachweis entlasten, der Anleger habe die Wertpapiere nicht aufgrund des Prospekts erworben. Bei der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung muss der Anleger zwar nachweisen, dass er durch eine fehlerhaften Prospektangabe zur Anlage veranlasst wurde. Dafür reicht aber die schlüssige Behauptung aus, er hätte bei Kenntnis der wahren Sachlage eine andere Entscheidung getroffen. Die Prospektverantwortlichen müssen dann nachweisen, dass der Anleger sich bei pflichtgemäßer Information ebenso entschieden hätte3. Dieser Nachweis dürfte schwer zu führen sein. Hinzu kommt, dass es bei der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung nach st. Rspr. des BGH nicht darauf ankommt, ob sich gerade die im Prospekt verschwiegene oder fehlerhaft dargestellte Gefahr realisiert hat4. Die bloße Fehlerhaftigkeit des Prospekts und dessen Ursächlichkeit für die Anlageentscheidung als solche reicht bereits für die Haftung aus5. Bei Anwendung der Grundsätze der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung stünden die Prospektverantwortlichen also deutlich schlechter als bei der gesetzlichen Prospekthaftung. Indes spielt es für den Anleger keine Rolle, ob ein bei einer Aktienplatzierung erstellter Prospekt aufgrund gesetzlicher Prospektpflicht oder freiwillig ohne deren Vorliegen erstellt wurde. Daher spricht einiges dafür, anstelle der Regeln der so genannten bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung auf ein zur Platzierung börsennotierter Aktien erstelltes Informationsmemorandum die Bestimmungen der börsenrechtlichen Prospekthaftung entsprechend anzuwenden6. Unabhängig davon sollten Emittenten und Anbieter von Wertpapieren jedoch entsprechend § 1 Abs. 3 WpPG auch bei Eingreifen einer der im WpPG vorgesehenen Ausnahmen von der Prospektpflicht berechtigt sein, für ein nicht prospektpflichtiges öffentliches Angebot von Wertpapieren freiwillig einen Prospekt zu erstellen und von 1 Vgl. BGH v. 24.4.1978 – II ZR 172/76, BGHZ 71, 284, 290; BGH v. 6.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 342; BGH v. 5.7.1993 – II ZR 194/92 – „Hornblower Fischer“, BGHZ 123, 106, 109 = AG 1994, 32; Eyles in Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 2 Rz. 7 („Auffangcharakter“ der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung). 2 St. Rspr. seit BGH v. 24.4.1978 – II ZR 172/76, BGHZ 71, 284, 291; dazu Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 183; Siol in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band I, 3. Aufl. 2007, § 45 Rz. 64; Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, 2002, VII. 1e), S. 98; Meyer, WM 2003, 1301, 1303. 3 BGH v. 6.10.1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 346; BGH v. 26.9.1991 – VII ZR 376/89, BGHZ 115, 213, 223. 4 BGH v. 5.7.1993 – II ZR 194/92 – „Hornblower Fischer“, BGHZ 123, 106, 114; anders bei der börsengesetzlichen Prospekthaftung § 45 Abs. 2 Nr. 2 BörsG, vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 91. 5 BGH v. 5.7.1993 – II ZR 194/92 – „Hornblower Fischer“, BGHZ 123, 106, 112 f. = AG 1994, 32, 33; kritisch dazu 1. Aufl., § 6 Rz. 16 m.w.N. 6 Für die Anwendung der gesetzlichen Regelungen nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG: Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, 2001, Kapitel IX. 3a), S. 109; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498, 500; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 20, 150; dagegen für die Grundsätze der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 58; Bosch in BuB, Rz. 10/137; Hamann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 44, 45 BörsG Rz. 57; ähnlich Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 27 f., der aber ausnahmsweise von der BaFin gebilligte Informationsmemoranden (z.B. um den so genannten europäischen Pass für ein öffentliches Angebot in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu erhalten) wiederum der Haftung nach BörsG unterwerfen will; dazu auch Meyer, WM 2003, 1301, 1302 ff.
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der BaFin billigen zu lassen. Für diesen freiwilligen Prospekt gelten dann sämtliche Regelungen des WpPG sowie konsequenterweise auch die Haftungsbestimmungen der §§ 44 ff. BörsG1. b) Mitwirkung der Gesellschaft bei reinen Umplatzierungen Das Prospekterfordernis bei einem öffentlichen Angebot bereits börsenzugelassener Aktien seit Inkrafttreten des WpPG bedeutet, dass bei Umplatzierungen von Aktien aus dem Bestand von Altaktionären im Wege eines öffentlichen Angebotes ein Prospekt erstellt werden muss. Dabei ist die Unterstützung der Gesellschaft bei dessen Erstellung wünschenswert, wenn nicht sogar im Hinblick auf den Zugang zu den dazu erforderlichen Informationen notwendig2. Jedoch erfolgt eine solche Umplatzierung zunächst im Interesse des abgebenden Aktionärs. Umgekehrt ist der Vorstand der Gesellschaft verpflichtet, die Vermögensinteressen der Gesellschaft wahrzunehmen und über vertrauliche Angaben und ihre Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren, vgl. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Hinzu kommt, dass mit der Unterstützung des abgebenden Aktionärs dieser möglicherweise gegenüber anderen Aktionären privilegiert wird. Der Vorstand der Gesellschaft ist jedoch nach § 53a AktG grds. zur Gleichbehandlung der Aktionäre verpflichtet. Daher ist zu prüfen, ob eine (aktive) Unterstützung der Erstellung eines Prospekts anlässlich einer reinen Umplatzierung aktienrechtlich zulässig ist.
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aa) Vermögensinteressen. Eine aktive Begleitung der Prospekterstellung durch die Gesellschaft kann in erheblichem Maße Ressourcen der Gesellschaft binden. Dadurch und durch eine ggf. auch auf Seiten der Gesellschaft erforderliche Einschaltung von Beratern sowie des Abschlussprüfers der Gesellschaft entstehen dieser zudem beträchtliche Kosten. Läge dies ausschließlich im Interesse des abgebenden Aktionärs, könnte deren Übernahme durch die Gesellschaft gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 AktG verstoßen. Davon kann grds. jegliche vermögenswerte Zuwendung zugunsten des Aktionärs erfasst werden, die mit einer Beeinträchtigung des Gesellschaftsvermögens einhergeht3. Aufwendungen im Zusammenhang mit der Prospekterstellung, ferner die Übernahme der Prospektverantwortung sowie das Eingehen von Freistellungsverpflichtungen und Gewährleistungen zu Gunsten der Konsortialbanken durch die Gesellschaft könnten daher bei einer reinen Umplatzierung bestehender Aktien als solche Zuwendungen an den abgebenden Aktionär angesehen werden. Allerdings wird eine verbotene Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 AktG nicht vorliegen, wenn die Gesellschaft von dem abgebenden Aktionär eine angemessene Gegenleistung erhält4. Umstritten ist jedoch, ob das im Einzelfall zu bestimmende eigene Interesse der Gesellschaft an der Platzierung als Ausgleich ausreichen kann5.
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1 Schnorbus, AG 2008, 389, 400 ff. 2 Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennzahl 055 Rz. 115. 3 Hüffer, § 57 AktG Rz. 2; Cahn/Senger in Spindler/Stilz, § 57 AktG Rz. 14; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 57 AktG Rz. 7 f.; ebenso LG Bonn v. 1.6.2007 – 1 O 552/05 – „Deutsche Telekom“, AG 2007, 715, 716 (nicht rechtskräftig). 4 Henze in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 57 AktG Rz. 56; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 57 AktG Rz. 91; LG Bonn v. 1.6.2007 – 1 O 552/05, AG 2007, 715, 717 (nicht rechtskräftig); dort auch zur Bestimmung einer solchen Gegenleistung (S. 718); daran anschließend mit umfassender Darstellung des Meinungsstandes Fleischer, ZIP 2007, 1969, 1973 ff. 5 Im Grundsatz dafür Hoffmann-Becking in FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 37; Technau, AG 1998, 445, 457; Schnorbus, AG 2004, 113, 124 Fn. 127; Cahn/Senger in Spindler/Stilz, § 57 AktG Rz. 38; Überlegungen hierzu auch bei Krämer/Baudisch, WM 1998, 1161, 1166; Sigle/ Zinger, NZG 2003, 301, 305; Henze in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 57 AktG Rz. 56; dagegen Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 57 AktG Rz. 91; Hirte in Lutter/ Scheffler/U.H. Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998, Rz. 35.37.
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Das Interesse der Gesellschaft an einer Umplatzierung kann vielfältig sein. Allerdings wird bezweifelt, ob ein von der Gesellschaft mitverfolgtes Eigeninteresse geeignet ist, die durch die aktive Begleitung einer Umplatzierung und die Übernahme der Prospektverantwortung zu Gunsten des abgebenden Aktionärs erbrachte Leistung auszugleichen, da die Interessen der Gesellschaft hier lediglich reflexartig gefördert würden1. Dabei wird freilich verkannt, dass die der Gesellschaft erwachsenden Vorteile über einen rein passiven Nebeneffekt hinausgehen können2. Zudem sollen in Anlehnung an den Nachteilsausgleich nach § 311 Abs. 1 AktG nur solche Vorteile Berücksichtigung finden, die konkret erfassbar und bezifferbar sind3. Allerdings sind schon die Nachteile, die die Gesellschaft erleidet, nur zum Teil quantifizierbar. Dies mag für die anlässlich der Prospektvorbereitung entstehenden Kosten möglich sein; bei dem Risiko der Prospekthaftung ist es dies ex ante kaum4. Jedoch führt bei § 311 AktG das Eingehen von Risiken, auch und gerade wenn sie nicht im Vorhinein beziffert werden können, nicht per se zum Vorliegen eines ausgleichspflichtigen Nachteils. Vielmehr kommt in diesen Fällen ein Nachteil nur in Betracht, wenn der Vorstand der Gesellschaft nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG pflichtwidrig gehandelt, d.h. sein ihm insoweit zustehendes unternehmerisches Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Das ergibt sich auch aus § 317 Abs. 2 AktG5. Dabei darf er nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG auch unternehmerische Risiken eingehen, wenn er nach seiner auf Grundlage angemessener Informationen vernünftigerweise annehmen durfte, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, dazu § 18 Rz. 22 und § 22 Rz. 16 ff. Wird ein Risiko erst im Nachhinein quantifizierbar, beruhte dessen Eingehung aber auf einer ex ante pflichtgemäß getroffenen unternehmerischen Entscheidung, so fehlt es bereits an einem nach § 311 Abs. 1 AktG ausgleichspflichtigen Nachteil6. Anders gewendet: es liegt im Ergebnis kein Nachteil vor, wenn ein (ex ante) nicht quantifizierbares Risiko durch einen nicht quantifizierbaren Vorteil ausglichen werden kann, jedenfalls, wenn die zugrunde liegende Abwägung der Chancen und Risiken dem Maßstab des § 93 Abs. 1 AktG standhält7. Das bedeutet für die hier untersuchte Fragestellung: da der Wert der Haftungsübernahme nicht ex ante konkret zu quantifizieren ist, können auch nicht bezifferbare Vorteile in die vom Vorstand vorzunehmenden Ermittlung des gesellschaftlichen Interesses berücksichtigt werden. Kommt der Vorstand allerdings zum Ergebnis, dass die Risiken aus der Übernahme der Prospektverantwortung nicht durch die ihr aus der Umplatzierung erwachsenden Vorteile kompensiert werden, so sollte er sich nicht nur die der Gesellschaft aus ihrer Mitwirkung an der Umplatzierung entstehenden bezifferbaren Kosten ersetzen lassen, sondern auch einen Ausgleich für das übernommene Haftungsrisiko verlangen8. Angesichts der Schwierigkeiten, dieses konkret zu
1 LG Bonn v. 1.6.2007 – 1 O 552/05 – „Deutsche Telekom“, AG 2007, 715, 717 (nicht rechtskräftig). 2 Fleischer, ZIP 2007, 1969, 1974 f. 3 Fleischer, ZIP 2007, 1969, 1975 f.; Fleischer in K. Schmidt/Lutter, § 57 AktG Rz. 30. 4 Vgl. nur die Überlegungen in LG Bonn v. 1.6.2007 – 1 O 552/05, AG 2007, 715, 718 (nicht rechtskräftig). 5 Hüffer, § 311 AktG Rz. 29, 34; Koppensteiner in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, § 311 AktG Rz. 136. 6 Koppensteiner in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, § 311 AktG Rz. 136; ähnlich J. Vetter in K. Schmidt/Lutter, § 311 AktG Rz. 48; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht, § 317 AktG Rz. 7. 7 Koppensteiner in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, § 311 AktG Rz. 110, 113; ähnlich Krieger in MünchHdb. AG, § 69 Rz. 87. 8 Fleischer, ZIP 2007, 1969, 1976.
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beziffern, kann der Ausgleich auch in einer Freistellungsverpflichtung des abgebenden Aktionärs gegenüber der Gesellschaft liegen1. Sind noch nicht alle Aktien derselben Gattung zum regulierten Markt zugelassen, so ist die Gesellschaft grds. nach § 40 Abs. 1 BörsG, § 69 Abs. 1 BörsZulV verpflichtet, für nicht zugelassene Aktien die Zulassung zum regulierten Markt zu beantragen. Insoweit handelt sie in Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten, wenn sie die Erstellung eines Prospekts aktiv begleitet und die Verantwortung dafür gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 WpPG sowie die üblichen Gewährleistungs- und Freistellungsverpflichtungen gegenüber einer die Börsenzulassung begleitenden Emissionsbank übernimmt, selbst wenn der Prospekt von einem Aktionär auch für eine Umplatzierung genutzt werden kann.
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bb) Vertraulichkeit. Nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ist der Vorstand verpflichtet, über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft Stillschweigen zu bewahren. Diese Schweigepflicht besteht im Unternehmensinteresse und kann deshalb auch durch dieses eingeschränkt bzw. überlagert werden (dazu § 22 Rz. 26)2. Ob vor diesem Hintergrund die Weitergabe vertraulicher Informationen im Rahmen der Vorbereitung einer Umplatzierung von Aktien aus Altaktionärsbestand zulässig ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles und deren Bewertung im Hinblick auf das Unternehmensinteresse ab (dazu § 10 Rz. 14 ff.). Grds. wird man eine Weitergabe vertraulicher Informationen zur Platzierungsvorbereitung – mit gewissen Einschränkungen – für zulässig halten können3. Sie sollte auf den Personenkreis beschränkt bleiben, der diese zur Vorbereitung der geplanten Platzierung benötigt, z.B. die Rechtsberater der Gesellschaft und der Emissionsbanken, die eingeschalteten Wirtschaftsprüfer sowie die an der Emissionsvorbreitung beteiligten Mitarbeiter der Emissionsbank, die schon kraft Gesetzes4 zur Vertraulichkeit verpflichtet sind5. Daneben dürfte es sich für den Vorstand empfehlen, die Verpflichtung der Empfänger zur vertraulichen Behandlung der erhaltenen Informationen durch den Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung zu dokumentieren6.
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Neben der aktienrechtlichen Vertraulichkeitsverpflichtung spielt bei börsennotierten Gesellschaften auch das Verbot der unbefugten Weitergabe von Insiderinformationen nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG eine Rolle. Zur Vorbereitung der Veräußerung eines Aktienpakets an einer börsennotierten Gesellschaft soll die Weitergabe nicht öffentlich bekannter kursrelevanter Informationen nur dann zulässig sein, wenn es sich um den geplanten Erwerb einer unternehmerischen Beteiligung und nicht nur einer bloßen Anlagebeteiligung handelt7. Wenn aber die Gesellschaft aus eigenem Interesse die
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1 Koppensteiner in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, § 311 AktG Rz. 120, 135 f. 2 Hüffer, § 93 AktG Rz. 7 f.; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 209; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 93 AktG Rz. 82; Stoffels, ZHR 165 (2001), 362, 373 f.; Jäger, JZ 2003, 1048, 1050; Rittmeister, NZG 2004, 1032, 1033 f. 3 Allgemein für den Fall des Beteiligungsverkaufs: Hüffer, § 93 AktG Rz. 8; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 213; zur Frage eines Anspruchs zur Offenbarung von Informationen im Rahmen der Due Diligence Krömker, NZG 2003, 418, 422.; einschränkend: nur bei Vorliegen eines überwiegenden Eigeninteresses der Gesellschaft: Fleischer in Spindler/ Stilz, § 93 AktG Rz. 158 f.; Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 22. 4 § 43a Abs. 2 BRAO, § 43 Abs. 1 WPO, § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. 5 Stoffels, ZHR 165 (2001), 362, 377. 6 Hüffer, § 93 AktG Rz. 8; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 213 m.w.N.; Krömker, NZG 2003, 418, 422; Stoffels, ZHR 165 (2001), 362, 377; zu deren Notwendigkeit nach neuem Insiderrecht Rodewald/Tüxen, BB 2004, 2249, 2252. 7 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 113, 164; Assmann, AG 1997, 50, 56; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1810, 1812; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 40 f., kritisch hinsichtlich einer solchen Differenzierung Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 74 ff.
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Erstellung eines Prospekts bzw. Informationsmemorandums im Zusammenhang mit einer öffentlichen Platzierung von Aktien aus Altaktionärsbestand unterstützt, dann wird man die Weitergabe von potentiell insiderrelevanten Informationen an die mit der Prospekterstellung befassten Personen auch im Hinblick auf § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG als zulässig ansehen können (dazu unten § 8 Rz. 57 ff. sowie § 13 Rz. 57, 77)1. Um einen Fall der „Verwendung“ von Insiderinformationen i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG kann es sich bei vorheriger Veröffentlichung eines die kursrelevanten Informationen offen legenden Prospekts ohnehin nicht handeln, da diese mit Prospektveröffentlichung öffentlich bekannt werden und damit keine Insiderinformation mehr sind2. Gibt eine börsennotierte Gesellschaft befugt eine Insiderinformationen weiter oder macht sie anderen zugänglich (z.B. durch Einrichten eines Datenraumes), müsste sie diese nach § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG veröffentlichen, es sei denn der Empfänger ist rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet. Dafür reicht indes eine gesetzliche Verpflichtung aus, der Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung ist nicht erforderlich3. Angesichts der für eine börsennotierte Gesellschaft unmittelbar betreffende Insiderinformationen ohnehin geltende Ad hoc-Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG dürfte dies regelmäßig mit der so genannten Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG zusammenfallen. Auch diese setzt u.a. voraus, dass der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann, wobei auch insoweit keine zwingend vorzunehmenden organisatorischen Maßnahmen vorgeschrieben sind, so dass die gesetzliche Pflicht des Informationsempfängers zur vertraulichen Behandlung ausreicht4. c) Regelungen über Kapitalmaßnahmen 25
Die Regelungen des Aktienrechts über Kapitalmaßnahmen (§§ 182 ff. AktG) bilden einen wesentlichen Teil des rechtlichen Rahmens für die Entwicklung eines Emissionskonzepts (im Einzelnen dazu unten §§ 41–43). Von Bedeutung sind dabei insbesondere die Bestimmungen über Kapitalerhöhungen gegen Einlagen. Das Gesetz geht im Regelfall davon aus, dass eine Kapitalerhöhung unmittelbar von der Hauptversammlung beschlossen wird (dazu im Einzelnen § 42). Bei der Planung einer Kapitalerhöhung mit nachfolgender Platzierung der neuen Aktien wären daher die Vorgaben für Einberufung der Hauptversammlung zu berücksichtigen, so die Einberufungsfrist des § 123 Abs. 1 AktG von einem Monat, die Bestimmungen über die Anmeldung zur Hauptversammlung in § 123 Abs. 2 und 3 AktG sowie die insoweit bestehenden Veröffentlichungspflichten in den Gesellschaftsblättern nach § 124 Abs. 1 Satz 1 AktG5. Ein unmittelbarer Beschluss der Kapitalerhöhung durch die Hauptversammlung ist aber nicht nur wegen des erforderlichen Vorlaufs zeitaufwändig. Wegen der Kosten für die Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung wird man ihn möglichst nur für die jährliche ordentliche Hauptversammlung nach § 175 Abs. 1 AktG vorsehen. Einer kurzfristigen Durchführung der Emission zur Ausnutzung einer günstigen Marktlage steht dies entgegen. Hinzu kommt die je1 Vgl. Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 79; Assmann, WM 1996, 1337, 1354. 2 Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 79 fordert jedoch zuvor eine Veröffentlichung der bislang noch nicht öffentlich bekannten Informationen nach Maßgabe der WpAIV (gemeint sind wohl die Vorgaben für Ad hoc-Mitteilungen nach §§ 3 ff. WpAIV); zu insiderrechtlichen Aspekten von Privatplatzierungen: Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 353 ff.; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 931. 3 Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15.7.2005, unter IV.2.2.6 (S. 45 f.). 4 Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 164. 5 Hüffer, § 124 AktG Rz. 6.
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dem Hauptversammlungsbeschluss immanente Gefahr der Anfechtung durch Aktionäre nach §§ 243 ff. AktG. Diese besteht insbesondere bei Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre. Hierfür gelten grds. strenge Anforderungen (siehe unten § 42 Rz. 68 ff., insbes. Rz. 74 ff.), deren Einhaltung oft Gegenstand von Anfechtungsklagen waren. Dadurch kann die Durchführung der Kapitalerhöhung und damit eine Platzierung neuer Aktien blockiert werden (dazu unten § 42 Rz. 109)1. Deshalb und wegen des langen zeitlichen Vorlaufs ist es heute eher die Ausnahme, dass die Hauptversammlung unmittelbar über eine Kapitalerhöhung beschließt2. Gebräuchlicher ist daher eine Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital. Nach § 202 Abs. 1 AktG kann eine entsprechende Ermächtigung des Vorstandes in der Satzung vorgesehen bzw. gemäß § 202 Abs. 2 Satz 2 AktG von der Hauptversammlung beschlossen werden. Dies kann in sicherem zeitlichem Abstand vor der tatsächlichen Durchführung einer Kapitalerhöhung erfolgen. Die Möglichkeit der Anfechtung des in diesem Fall durch den Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 202 Abs. 3 Satz 2 AktG) zu fassenden Kapitalerhöhungsbeschlusses besteht dann nicht mehr. Eine Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital kann so kurzfristig vor Durchführung der Platzierung beschlossen werden. Dies ermöglicht auch eine späte Festlegung des Kapitalerhöhungsvolumens und damit eine gerade bei unsicheren Marktverhältnissen gewünschte Flexibilität3.
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d) Bezugsrecht und Bezugsrechtsausschluss Bei einer Erhöhung des Grundkapitals ist grds. den Aktionären der Gesellschaft anteilig zu ihrer bisherigen Beteiligung ein Recht zum Bezug neuer Aktien zu gewähren, § 186 Abs. 1 AktG (dazu unten § 42 Rz. 39 ff.). Zu dessen Ausübung muss ihnen nach § 186 Abs. 1 Satz 2 AktG eine Bezugsfrist von mindestens zwei Wochen eingeräumt werden. In den Gesellschaftsblättern ist nach § 186 Abs. 2 Satz 1 AktG zugleich der Preis bekannt zu machen, zu dem neue Aktien erworben werden können („Bezugspreis“), seit der Ergänzung des § 186 Abs. 2 Satz 1 AktG durch das TransPuG zumindest aber die Grundlagen seiner Festlegung (dazu § 42 Rz. 51 ff.). Werden nur die Grundlagen der Festlegung des Bezugspreises genannt, ist spätestens drei Tage vor Ablauf der Bezugsfrist der endgültige Ausgabebetrag in den Gesellschaftsblättern und über ein elektronisches Informationsmedium zu publizieren, § 186 Abs. 2 Satz 2 AktG. Diese Vorgaben gelten auch, wenn – wie es heute aus abwicklungstechnischen Gründen der Regelfall ist – von der Möglichkeit des so genannten mittelbaren Bezugsrechts nach § 186 Abs. 5 AktG Gebrauch gemacht wird (dazu unten § 42 Rz. 55 ff.). Nach § 186 Abs. 5 Satz 2 AktG hat der Vorstand das Bezugsangebot der eingeschalteten Bank(en) mit den Angaben gemäß § 186 Abs. 2 Satz 1 AktG bekannt zu machen, einschließlich der mindestens zweiwöchigen Bezugsfrist4. 1 In diesem Fall kann der Registerrichter das Eintragungsverfahren gemäß § 127 Satz 1 FGG (siehe zukünftig § 381 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 FamFG) aussetzen, Hüffer, § 181 AktG Rz. 17; § 243 AktG Rz. 53. Die so eintretende Registersperre kann zwar durch Entscheidung des Prozessgerichts im Freigabeverfahren nach § 246a AktG durchbrochen werden. Trotz dessen Ausgestaltung als Eilverfahren muss aber mit einer gewissen Zeitverzögerung gerechnet werden. So sieht § 246a Abs. 3 Satz 5 AktG einen über den Freigabeantrag entscheidenden Beschluss binnen drei Monaten nach Antragstellung vor. 2 Vgl. Heinsius in FS Kellermann, 1991, S. 115; Martens, ZIP 1992, 1677 „Die reguläre Barkapitalerhöhung ist tot, es lebe das ‚Genehmigte Kapital‘“. 3 Groß in BuB, Rz. 10/297; Schanz, Börseneinführung, § 9 Rz. 55; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.57. 4 Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2179.
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aa) Bezugsrechtsausschluss: Gründe und Anforderungen. Unter dem Gesichtspunkt der effizienten Durchführung einer Kapitalmarkttransaktion mit dem Ziel einen möglichst hohen Erlös zu erzielen, erscheint eine Emission unter Ausschluss des Bezugsrechts gegenüber der Bezugsrechtsemission aus einer Vielzahl von Gründen praktikabler. Bei Ausschluss des Bezugsrechts wird eine flexiblere Zeitplanung der Platzierung möglich. Die zweiwöchige Bezugsfrist des § 186 Abs. 1 Satz 2 AktG gilt hier nicht, so dass zwischen Ankündigung der Platzierung und ihrer Durchführung auch ein u.U. erheblich kürzerer Zeitraum liegen kann. Beispielsweise ist eine Privatplatzierung auch größerer Volumina an institutionelle Investoren binnen weniger Stunden durchführbar1. Gerade in einem unsicheren Marktumfeld können so günstige Nachfragesituationen kurzfristig ausgenutzt werden. Dies dient auch der Erlösmaximierung, da auf diese Weise zu einem Preis nahe am Börsenkurs platziert werden kann.
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Dagegen werden Kapitalerhöhungen mit Bezugsrecht in aller Regel nur zu einem Bezugspreis vorgenommen, der nicht unerheblich unter dem Börsenkurs bei Veröffentlichung des Bezugsangebotes liegt. Der Abschlag kann bis zu 25 %, ggf. sogar 40 % betragen2. Grund dafür ist vor allem die frühzeitige Bekanntgabe des Bezugspreises, die bei traditioneller Ausgestaltung zusammen mit dem Bezugsangebot erfolgt3. Sinkt der Börsenkurs während der Bezugsfrist unter einen (zu hoch) festgesetzten Bezugspreis, würden Bezugsrechte kaum ausgeübt. Bezugswillige Aktionäre könnten dann nämlich Aktien der Gesellschaft über die Börse billiger erwerben als bei Ausübung ihres Bezugsrechts. Zudem würde sich die Verwertung der dann in erheblichem Umfang verbleibenden nicht bezogener Aktien kompliziert gestalten. Denn bei der Platzierung des nicht bezogenen Teils einer Bezugsrechtskapitalerhöhung ist die Verwaltung der Gesellschaft bzw. die im Wege des so genannten mittelbaren Bezugsrechts nach § 186 Abs. 5 AktG eingeschaltete Bank nicht nur gehalten, die Aktien „bestens“ zu verwerten4. Der ursprüngliche Bezugspreis wird vielmehr als Untergrenze für die freie Verwertung angesehen, sofern nicht den Aktionären zu einem etwaigen niedrigeren Bezugspreis ein neues Bezugsangebot unterbreitet wird (zur Verwertung nicht bezogener Aktien siehe unten § 42 Rz. 67)5.
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Der Ausschluss des Bezugsrechts ist – sei es in Form eines unmittelbaren Beschlusses, sei es in Form der Ermächtigung des Vorstandes – nur durch die Hauptversammlung möglich und erfordert nach § 186 Abs. 3 Satz 2 AktG eine Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals. Daneben 1 So wurde die Kapitalerhöhung der Deutsche Börse AG am Abend des 5.6.2002 angekündigt und eine entsprechende Platzierung von Aktien im Laufe des darauf folgenden Tages abgeschlossen; die am 30.10.2007 angekündigte Platzierung neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung der Continental AG wurde ausweislich einer diesbezüglichen Ad hoc-Mitteilung sogar noch am selben Tage abgeschlossen. 2 Hein, WM 1996, 1, 2; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.257; Groß in BuB, Rz. 10/260; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 77; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.93; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 73 gehen von einem Abschlag von 5 % bis 25 % aus. Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2177 verweisen auf einen Abschlag von 40 % bei der Kapitalerhöhung der Allianz AG im April 2003. 3 Heinsius in FS Kellermann, 1991, S. 115, 122; Martens, ZIP 1992, 1677, 1687; Busch, AG 2002, 230, 234; Bezzenberger, ZIP 2002, 1917, 1921; die als Flexibilisierung gedachte Möglichkeit, den endgültigen Bezugspreis nach § 186 Abs. 2 Satz 2 AktG erst drei Tage vor dem Ablauf der Bezugsfrist bekannt zu machen, wurde bisher nur selten praktiziert. 4 BGH v. 19.6.1995 – II ZR 29/94 – „Beton- und Monierbau“, NJW 1995, 2486 r. Sp.; Hüffer, § 186 AktG Rz. 53; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 25; Kraft/Krieger in MünchHdb. AG, § 56 Rz. 73. 5 Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 25; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 97; so wohl auch Hüffer, § 186 AktG Rz. 53.
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bedarf es der sachlichen Rechtfertigung durch das Interesse der Gesellschaft1 sowie nach § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG eines Berichts des Vorstandes, der die Gründe für den Ausschluss des Bezugsrechts und des vorgeschlagenen Ausgabebetrages erläutert (eingehend dazu unten § 42 Rz. 68 ff.). Die seit Ende der 70er Jahre die durch Rechtsprechung des BGH entwickelten Anforderungen an die sachliche Rechtfertigung eines Bezugsrechtsausschlusses führten zu einem erheblichen Anfechtungsrisiko, das die Durchführung einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss zunehmend generell in Frage stellte (dazu § 42 Rz. 74 ff.)2. Diese gelten grds. auch für die Ermächtigung des Vorstandes zu einer Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts (dazu § 43 Rz. 16 ff.). Kurzfristig auftretende Marktchancen konnten so kaum genutzt werden3.
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Durch den 1994 eingeführten § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG wurden deshalb Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluss unter bestimmten Voraussetzungen erleichtert. Danach ist der Ausschluss des Bezugsrechts bei einer Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen, die 10 % des bestehenden Grundkapitals nicht überschreitet, insbesondere dann zulässig, wenn der „Ausgabebetrag“ den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet. Einer sachlichen Rechtfertigung bedarf es in diesem Fall grds. nicht; für den Vorstandsbericht nach § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG gelten erleichterte Anforderungen (dazu § 42 Rz. 89).
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bb) Bezugsrechtsemissionen. Jenseits der 10 %-Grenze des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG besteht freilich nach wie vor ein nicht unerhebliches Anfechtungsrisiko. Daher sind die Gesellschaften mit Kapitalerhöhungen und genehmigten Kapitalia für Barkapitalerhöhungen4 ohne einigermaßen konkrete Zweckbindung oft zurückhaltend, soweit sie die 10 %-Schwelle des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG überschreiten.
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Bei schwierigem Marktumfeld kann zudem die Platzierbarkeit großer Volumina zu einem hohen Platzierungspreis in der Nähe des Börsenkurses fraglich sein. Oberhalb von 10 % gelten zwar die Vorgaben des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG in Bezug auf den Ausgabepreis nicht („nicht wesentlich unter Börsenkurs“). Allerdings ist bei allen Kapitalerhöhungen unter Ausschluss des Bezugsrechts § 255 Abs. 2 AktG zu beachten (siehe unten § 42 Rz. 72 f.), wonach der Ausgabebetrag nicht unangemessen niedrig sein darf (§ 255 Abs. 2 Satz 1 AktG). Bei einer Bezugsrechtsemission gelten für die Entscheidung über die Höhe des Bezugspreises derartige Beschränkungen nicht (vorbehaltlich konkreter Vorgaben der Hauptversammlung bei der Schaffung eines genehmigten Kapitals)5. Will der Vorstand daher die neuen Aktien mit einem Abschlag vom aktuellen Börsenkurs anbieten, um einen Zeichnungsanreiz zu schaffen und den Er-
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1 Vgl. Hüffer, § 186 AktG Rz. 25 f. m.w.N. 2 Heinsius in FS Kellermann, 1991, S. 115, 122; Martens, ZIP 1992, 1677, 1681; Volhard, AG 1998, 397. 3 Dazu die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts BT-Drucks. 12/6721, S. 10 sowie die diesbezügliche Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 12/7848, S. 9. 4 Für Ermächtigungen zu Sachkapitalerhöhungen hatte der BGH im Urteil vom 23.6.1997 – II ZR 132/93 – „Siemens/Nold“, BGHZ 136, 133, 140 = AG 1997, 465, Erleichterungen geschaffen, dazu unten § 43 Rz. 18 ff. 5 Kraft/Krieger in MünchHdb. AG, § 56 Rz. 106; Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2177 f.; ähnlich Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 182 AktG Rz. 28 („nach pflichtgemäßem Ermessen“).
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folg der Emission sicherzustellen1, bietet die Bezugsrechtsemission die größere Flexibilität, da sie nicht den Schranken des § 255 Abs. 2 AktG unterliegt. 35
Um die wirtschaftlichen Nachteile von Bezugsrechtsemissionen zu minimieren, wurden in der Praxis Konzepte entwickelt, um durch marktnahe Preisfestsetzung einen höheren Emissionserlös zu erreichen. Das der Festsetzung eines hohen Bezugspreises entgegenstehende Marktrisiko während der Bezugsfrist wurde dadurch verringert, dass bei einigen Emissionen trotz der Vorgaben des § 186 Abs. 2 AktG auf einen ziffernmäßig festgesetzten Bezugspreis verzichtet und nur ein maximaler Bezugspreis angegeben wurde2. Der Bezugspreis wurde dann am Ende der Bezugsfrist nahe am Börsenkurs festgelegt. Der im Bezugsangebot angegebenen Maximalpreis bildete dabei jedoch die Obergrenze. Dadurch war das Bezugsangebot weniger attraktiv als bei einem hohen Abschlag, so dass auch der Wert des Bezugsrechts3 gering blieb. Bezugsrechte wurden kaum ausgeübt, so dass eine ausreichend großen Zahl an nicht bezogenen neuen Aktien zur Verfügung stand, um parallel zum Bezugsangebot ein „freies“ Angebot an außen stehende Investoren durchzuführen. Diese erwarben die neuen Aktien mindestens zu dem nahe am Börsenpreis zum Ende der Bezugsfrist festgelegten Bezugspreis, je nach Nachfrage – die im Wege des Bookbuilding-Verfahrens ermittelt wurde – ggf. auch zu einem höheren Preis4.
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Einer marktnäheren Festsetzung des Bezugspreises dient auch die Ergänzung des § 186 Abs. 2 Satz 1 AktG durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG), nach der es auch genügt, wenn im Bezugsangebot zunächst nur die „Grundlagen der Festlegung“ des Bezugspreises angegeben werden. In diesem Fall muss der Ausgabebetrag jedoch nach § 186 Abs. 2 Satz 2 AktG spätestens drei Tage vor Ablauf der Bezugsfrist in den Gesellschaftsblättern und über ein elektronisches Informationsmedium bekannt gemacht werden. Dafür ist ein nicht unerheblicher zeitlicher Vorlauf einzukalkulieren, auch wenn nach § 25 AktG für die Veröffentlichung in den Gesellschaftsblättern eine Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger ausreicht (es sei denn, die Satzung sieht nach § 25 Satz 2 AktG weitere Publikationen als „Gesellschaftsblätter“ vor). Bei terminverbindlichen Veröffentlichungen muss die Übermittlung der zu veröffentlichenden Daten grds. bis spätestens 14 Uhr des Übermittlungstages abgeschlossen sein, um sie am übernächsten (!) Erscheinungstag des elektronischen Bundesanzeigers veröffentlichen zu können5. Somit muss (derzeit) unter Berücksichtigung des Veröffentlichungsvorlaufes der Bezugspreis immerhin (mindestens) fünf Tage vor Ende der Bezugsfrist festgelegt und dem elektronischen Bundesanzeiger übermittelt werden. Auch bei dieser „späten“ Festlegung des Bezugspreises ist deshalb ein gewisser Abschlag zum aktuellen Börsenpreis bei Festlegung des Bezugspreises unvermeidlich. Es überrascht daher nicht, dass von der Möglichkeit der
1 Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2177. 2 Kraft/Krieger in MünchHdb. AG, § 56 Rz. 74; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, L Rz. 4; Busch, AG 2002, 230, 234; dieses Konzept lag z.B. der zweiten öffentlichen Platzierung von Aktien der Deutsche Telekom AG (DT II) im Jahre 1999 zugrunde. Kritisch Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 49, Fn. 91, das Risiko des faktischen Bezugsrechtsausschlusses andeutend. 3 Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 222. 4 Vgl. Busch, AG 2002, 230, 234, Busch/Groß, AG 2000, 503, 509 f. 5 Allgemeine Geschäftsbedingungen für die entgeltliche Einreichung und Publikation im „elektronischen Bundesanzeiger“, Stand: 17.12.2007, Ziff. 5b), im Internet abrufbar unter www.ebundesanzeiger.de. Allerdings können (abweichende) Termine für zeitkritische Publikationen im Einzelfall gesondert vereinbart werden, ebenda Ziff. 5 a.E.
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bloßen Angabe der Grundlagen der Festlegung des Bezugspreises im Bezugsangebot bislang selten Gebrauch gemacht wurde1. Die Zulässigkeit der vor Inkrafttreten des TransPuG praktizierten Lösung (Bezugsangebot nur mit Höchstpreis, parallele freie Platzierung) erscheint angesichts der nunmehr klaren gesetzlichen Vorgaben fraglich2. In Österreich, wo die betreffenden Änderungen durch das TransPuG nicht nachvollzogen wurden, findet dieses Verfahren bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen jedoch bis heute regelmäßig Anwendung3. In Deutschland wird man bei einem solchen kombinierten Angebot unter Anwendung des § 186 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AktG (Angabe nur der Grundlagen der Festlegung des Bezugspreises) Preisfestsetzung und Zuteilung im Rahmen der freien Platzierung so rechtzeitig vornehmen müssen, dass der Bezugspreis (der mit dem Platzierungspreis übereinstimmt) gemäß § 186 Abs. 2 Satz 2 AktG spätestens drei Tage vor Ablauf der Bezugsfrist veröffentlicht werden kann. Problematisch ist dabei, dass die Zahl der für eine freie Platzierung zur Verfügung stehenden Aktien erst am Ende der Bezugsfrist, also mehrere Tage nach erfolgter Zuteilung feststeht. Um zu vermeiden, dass bei einer unerwartet hohen Bezugsquote nicht alle Zuteilungen beliefert werden können, kann mit den Investoren ein so genannter Claw-Back vereinbart werden, d.h. das Recht der Emissionsbank(en), einen Teil der Zuteilungen zurückzunehmen, wenn dies erforderlich wird, um Bezüge von Bezugsberechtigten zu beliefern4. Alternativ wäre denkbar, die Zuteilung an außen stehende Investoren trotz Preisfestsetzung drei Tage vor Ende der Bezugsfrist erst nach Ende der Bezugsfrist vorzunehmen, da dann feststeht, wie viele nicht bezogene Aktien für eine freie Platzierung zur Verfügung stehen5. Dies birgt allerdings die Gefahr, dass die Aktien dann nicht mehr mindestens zum Bezugspreis platzierbar sind und ggf. ein erneutes Bezugsangebot zu einem niedrigeren Preis erforderlich wird (zu preislichen Beschränkungen bei der Verwertung nicht bezogener Aktien vgl. unten § 42 Rz. 67).
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Eine Alternative zur Vermeidung des Claw-Back kann durch Absprache mit einem oder mehreren Großaktionären der Gesellschaft erfolgen. Erklären diese den Verzicht auf die Ausübung von Bezugsrechten, wachsen die frei werdenden Bezugsrechte nicht etwa den anderen Aktionären an, sondern können von den Emissionsbanken verwertet werden6, beispielsweise durch Platzierung bei institutionellen Investoren. Kann ein solcher Bezugsrechtsverzicht nicht erreicht werden, bleibt noch die Möglichkeit des Erwerbs von Bezugsrechten im Rahmen des Bezugsrechtshandels durch die Emissionsbanken, um so die für eine freie Platzierung erforderliche Zahl an Aktien zu er-
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1 Bei den im Jahr 2003 durchgeführten Bezugsrechtskapitalerhöhungen der Allianz AG, der HeidelbergCement AG, der STADA Arzneimittel AG, der Jenoptik AG und der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG wurde das traditionelle Konzept der frühzeitigen Festlegung des Bezugspreises bereits im Bezugsangebot mit deutlichem Abschlag vom aktuellen Börsenkurs verfolgt; die Neuregelung kam bei den Kapitalerhöhungen der GPC Biotech AG im Juni 2004 und der Premiere AG im September 2007 zur Anwendung. 2 Immerhin lässt Seibert, der für Gesellschaftsrecht zuständige Referatsleiter im Bundesministerium der Justiz, dies in NZG 2002, 608, 612 offen („Damit befasst sich die vorliegende Regelung nicht.“); dagegen Schlitt/Seiler, WM 2003, 2181, 2175; Kraft/Krieger in MünchHdb. AG, § 56 Rz. 74; ebenso zweifelnd Groß in BuB, Rz. 10/270e. 3 So für den Fall des mittelbaren Bezugsrechts Winner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG, 2003, § 153 Rz. 71, 74; Winner in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 186 AktG Rz. 181. 4 Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2181; im Zusammenhang mit der Emission von Wandelschuldverschreibungen: Schlitt/Seiler/Singhof, AG 2003, 254, 262. 5 Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2181. 6 Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 25; Hüffer, § 186 AktG Rz. 53; Frese, AG 2001, 15, 20 f.; Schlitt/Seiler/Singhof, AG 2003, 254, 262 (Fn. 103).
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halten1. Das so zur Verfügung stehende Volumen bleibt allerdings zunächst bis zum Ende des Bezugsrechtshandels unsicher. 39
Ein kombiniertes Angebot mit und ohne Bezugsrecht ist aber auch mit herkömmlicher Bezugspreisbestimmung nach dem Festpreisverfahren denkbar. Motivation hierfür kann z.B. sein, dass die Gesellschaft das Grundkapital um mehr als 10 % erhöhen möchte, der Vorstand aber – wie häufig – nur zum erleichterten Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG ermächtigt ist. Will man die Komplikationen zweier paralleler Angebote mit und ohne Bezugsrecht vermeiden, auf jeden Fall eine hohe Bezugsquote erreichen, aber auch den Aktionärskreis erweitern, bietet es sich an, bei einer Kapitalerhöhung teils mit, teils ohne Bezugsrecht die beiden Angebote nacheinander durchzuführen2. Dabei fasst der Vorstand auf der Grundlage eines entsprechenden genehmigten Kapitals einen so genannten „Bis-zu“-Kapitalerhöhungsbeschluss3, der nur das maximale Volumen der Kapitalerhöhung festlegt und eine Zeichnung in zwei Tranchen vorsieht, je eine für jede Angebotsart. Sodann erfolgt zunächst das Bezugsangebot. Die nach dessen Abschluss nicht bezogenen Aktien werden sodann zusammen mit den Aktien aus der bezugsrechtsfreien Tranche platziert. Die bezugsrechtsfreie Tranche wird in dem Umfang durchgeführt, der sich aufgrund der Marktresonanz unter Berücksichtigung der Zahl noch zu verwertender Aktien aus der Bezugsrechtstranche als platzierbar erweist.
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Werden umgekehrt die Platzierungschancen im freien Markt (auch angesichts des Platzierungsvolumens) eher kritisch eingeschätzt, hängt der Erfolg der Kapitalerhöhung entscheidend von der Bezugsquote ab. In dieser Situation kann es hilfreich sein, Großaktionäre zum Eingehen einer festen Bezugsverpflichtung zu bewegen. Die Mitteilung, dass sich bestimmte Großaktionäre an der Emission beteiligen, kann als vertrauensbildende Maßnahme dazu führen, dass sich weitere Aktionäre anschließen. Gegebenenfalls lässt sich zumindest ein Teilbezug im Wege einer so genannten Opération Blanche herbeiführen. Dabei übt der bezugsberechtigte Aktionär Bezugsrechte insoweit aus, als er aus dem bei der Veräußerung der verbleibenden Bezugsrechte erzielten Erlös den bei Ausübung der Bezugsrechte zu entrichtenden Bezugspreis bezahlen kann4. Er beteiligt sich dadurch in dem Umfang an der Kapitalerhöhung, der ihm ohne Einsatz zusätzlicher Mittel möglich ist.
III. Börsen, Marktsegmente und Indizes (Deutschland) 1. Auswahl der Börsenplätze 41
Die historisch gewachsene Vielfalt unterschiedlicher Börsenhandelsplätze in Deutschland hat in Zeiten elektronischer Handelssysteme an Bedeutung eingebüßt. Für den Aktienhandel ist die Frankfurter Wertpapierbörse die mit weitem Abstand be-
1 Der Erwerb von Bezugsrechten im Rahmen des Bezugsrechtshandels führt nicht zu deren Erlöschen im Wege der Konfusion, Frese, AG 2001, 15, 21 (Fn. 60). 2 Angedeutet bereits bei Hefermehl/Bungeroth in G/H/E/K, 1989, § 186 AktG Rz. 156; in jüngerer Zeit: Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2178. Ein solches kombiniertes Angebot wurde im Herbst 2003 von der STADA Arzneimittel AG durchgeführt. 3 Zu dessen Zulässigkeit bereits RG v. 30.5.1903 – I 21/03, RGZ 55, 65, 68. 4 Vgl. z.B. Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 93; Frese, AG 2001, 15, 20 (Fn. 58); Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2181 f. (Fn. 86); so war z.B. die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG bei der Kapitalerhöhung der Allianz AG im April 2003 vorgegangen, vgl. Bericht in der FAZ v. 20.3.2003.
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deutendste deutsche Börse1. Die daneben bestehenden Regionalbörsen spezialisieren sich zunehmend auf Nischenprodukte2. So konzentrieren sich einige im Bereich des Aktienhandels vor allem auf Privatanleger3. Zu nennen sind hierbei beispielsweise die Börse München mit ihrem auf Privatanleger zugeschnittenen Handelssystem MAX-ONE4 und die Börse Düsseldorf mit dem auf Privatanleger zugeschnittenen Handelssystem QUOTRIX5. Inwieweit die Regionalbörsen eine dauerhafte Bedeutung haben werden, bleibt jedoch abzuwarten. Es fragt sich z.B., wie viele Handelsplattformen auf dem deutschen Markt dauerhaft nebeneinander bestehen können. Für mittelständische Emittenten kann die Notierung an einer Regionalbörse den Vorteil größerer Visibilität bei Anlegern aus der Region bieten6. Mit der Notierung an einer Regionalbörse kann ein Unternehmen u.U. eine breitere Berichterstattung in der regionalen Wirtschafts- und auch Tagespresse erreichen und damit die Aufmerksamkeit der Investoren in der betreffenden Region wecken7. Dies gilt insbesondere wenn das betreffende Unternehmen in der überregionalen Finanzpresse aufgrund seiner Größe und Marktkapitalisierung eine eher untergeordnete Rolle spielt. Auch können u.U. dort eingerichtete Segmente vor allem für Unternehmen von Interesse sein, bei deren Größe und zu erwartender Marktkapitalisierung der Aufwand für eine Notierung in Frankfurt, z.B. wegen der dann geltenden Zulassungsfolgepflichten zu aufwändig wäre. Einzelne Regionalbörsen haben gerade für diese Zielgruppe eigene Marktsegmente geschaffen, wie z.B. das auf für mittelständische Unternehmen ausgerichtetete Marktsegment M:access der Börse München8 oder den Start-up Market der Börsen Hamburg und Hannover9. Diese Initiativen sind indes von unterschiedlichem Erfolg gekrönt. Während im Segment M:access per 28.2.2008 immerhin 22 Unternehmen notiert waren, wies der Start-up Market zum selben Datum lediglich eine Notierung auf. Der von der fusionierten Börse Berlin-Bremen im März 2003 begonnene, gemeinsam mit der NASDAQ und mehreren Banken betriebene Markt NASDAQ Deutschland, der auf Privatanleger zugeschnittenen war, stellte bereits Ende August 2003 den Betrieb wieder ein10. Das zum 1.1.2004 für mittelständische Unternehmen geschaffene Segment Gate-M der Börse Stuttgart11 wurde mittlerweile in die Handelsinitiative „Gate-M BW“ überführt, mit dem Ziel, insbesondere Privatanlegern den Handel in Aktien mittelständischer baden-württembergischer Unternehmen mit besonders niedrigen Geld-Brief-Spannen zu ermöglichen. Diese müssen jedoch bereits im regulierten Markt oder Freiverkehr der Baden-württembergischen Wertpapierbörse notiert sein. Für bereits börsennotierte Unternehmen dürften dagegen die Regional1 Vgl. die Jahresstatistik im Factbook 2006 der Deutsche Börse AG, S. 14 unter Ziff. 1.3.3 („Total Turnover – Equities“), die einen Marktanteil der Frankfurter Wertpapierbörse am Aktienhandel an deutschen Börsen von insgesamt 92,11 % ausweist (XETRA und Parketthandel zusammengenommen); dazu auch Harrer/Fisher/Evans, RIW 2003, 81, 84. 2 So hat sich die Börse Stuttgart mit dem Handelssegment EUWAX (European Warrant Exchange) vor allem auf derivative Produkte spezialisiert, siehe dazu unter www.boersestuttgart.de. 3 Dazu Ruppelt/Walter, ZfgK 2003, 512. 4 Dieses wurde Anfang Mai 2003 gestartet, vgl. dazu ZfgK 2003, 535 sowie www.boersemuenchen.de. 5 Siehe dazu unter www.boerseduesseldorf.de. 6 Schanz, Börseneinführung, § 11 Rz. 87 f.; Achleitner, Handbuch Investment Banking, S. 282. 7 Klenke, WM 1995, 1089, 1091. 8 Siehe dazu unter www.boerse-muenchen.de. 9 Siehe dazu unter www.boersenag.de. 10 Börsen-Zeitung v. 13.8.2003 „Nasdaq Deutschland stellt Handel ein“. 11 Dazu Roegele, AG-Report 2004, R 14 sowie weitere Informationen auf der Website der Börse Stuttgart, abrufbar unter www.boerse-stuttgart.de.
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börsen neben der Frankfurter Wertpapierbörse von eher geringerem Interesse sein. Dabei spielt auch eine Rolle, dass sich der Handel in einem an mehreren Börsen notierten Wert zunehmend auf den liquidesten Markt konzentriert, so dass eine Vielzahl von Notierungen in demselben Land auch deshalb eher fragwürdig erscheint1. Umgekehrt wird sich aus Kostengründen die Frage stellen, ob bei historisch gewachsener Mehrfachnotierung auf die Notierung an einer oder mehreren Regionalbörsen verzichtet werden kann (zum Delisting siehe unten § 62)2. 2. Marktsegmente 43
Im Zusammenhang mit Emissionen bereits börsennotierter Gesellschaften von größerer Bedeutung sind die an der Frankfurter Wertpapierbörse bestehenden Marktsegmente. Dies gilt vor allem für solche Gesellschaften, die faktisch von ihrer Börsennotierung in jüngerer Vergangenheit wenig Gebrauch gemacht haben, für die sich aber aus Anlass einer Emission die Gelegenheit bietet, ihre Attraktivität für Investoren zu verbessern. Dies kann z.B. durch einen Wechsel des Marktsegments geschehen oder auch durch das Anstreben der Aufnahme in einen Index3. a) Marktsegmentierung nach BörsG
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Das BörsG gibt nach Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie MiFID4 durch das FRUG5 nur noch eine Aufteilung des Börsenhandels von Wertpapieren in zwei verschiedene Marktsegmente vor: den regulierten Markt (in dem die früheren Segmente amtlicher Markt und geregelten Markt aufgegangen sind) und den Freiverkehr.
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aa) Regulierter Markt. Der regulierte Markt ist das Marktsegment mit den strengsten Zulassungsvoraussetzungen6. Dort sind traditionell sämtliche große deutsche börsennotierte Gesellschaften (so genannte Blue Chips) notiert. Folglich ist traditionell die Börsenkapitalisierung und die Liquidität in diesem Segment am höchsten7.
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Die Notierung von Wertpapieren im regulierten Markt setzt gemäß § 32 Abs. 1 BörsG die Zulassung durch die Geschäftsführung der betreffenden Wertpapierbörse voraus. Dazu ist gemäß § 32 Abs. 3 BörsG die vorherige Veröffentlichung eines nach dem WpPG gebilligten Prospekts erforderlich, es sei denn, eine Ausnahmeregelung des WpPG greift ein. Zudem müssen die weiteren Zulassungsvoraussetzungen der BörsZulV nach § 32 Abs. 3 BörsG erfüllt sein (siehe unten § 9). An der Zulassung knüpfen eine Vielzahl weiterer Pflichten an (Zulassungsfolgepflichten), die seit dem Inkrafttreten des FRUG nicht mehr im BörsG und der BörsZulV, sondern im WpHG geregelt 1 Dazu Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.761. 2 Klenke, WM 1995, 1089, 1091. 3 Zur Bedeutung der Indexzugehörigkeit Schäcker/Brehm in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 2 Rz. 20. 4 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (MiFID), ABl. EG Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1. 5 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (RiL 2004/39/EG, MiFID) und der Durchführungsrichtlinie (RiL 2006/73/EG) der Kommission (FinanzmarktRichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, 1330. 6 Daran hatten auch die teilweise darüber hinausgehenden Zulassungsvoraussetzungen des Neuen Marktes nichts geändert, vgl. Schanz, Börseneinführung, § 11 Rz. 24. Dieser wurde inzwischen zum 5.6.2003 eingestellt. 7 Schanz, Börseneinführung, § 11 Rz. 25.
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sind. Sie bestehen für den Emittenten insbesondere aus den Regelungen des Insiderrechts (§§ 12 ff. WpHG), zur Ad hoc-Publizität (§ 15 WpHG), zur Veröffentlichung von Meldungen über Wertpapiergeschäfte von Führungskräften (§ 15a WpHG), zur Führung von Insiderverzeichnissen (§ 15b WpHG), zur Veröffentlichung von Stimmrechtsmeldungen (§§ 21 ff. WpHG), zu bestimmten Verhaltens- und Informationspflichten gegenüber Wertpapierinhabern (§§ 30a ff. WpHG) sowie im Bereich der Finanzberichterstattung (so genannte Regelpublizität, §§ 37v ff. WpHG). Zudem ist das WpÜG nach § 1 Abs. 1 WpÜG nur auf Angebote zum Erwerb von Wertpapieren einer Zielgesellschaft anwendbar, wenn diese zum Handel an einem organisierten Markt1 zugelassen sind (dazu § 60 Rz. 18 ff.). Ferner knüpft die Pflicht börsennotierter Gesellschaften zur Abgabe der Erklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex (so genannte Entsprechenserklärung, dazu § 2 Rz. 62 ff.) nach § 161 AktG angesichts der Legaldefinition des § 3 Abs. 2 AktG an der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt an2. Daneben ist nach § 33 BörsG die Einbeziehung von Wertpapieren zum Börsenhandel in den regulierten Markt durch die Geschäftsführung der Börse ohne Zulassung nach näherer Maßgabe der jeweiligen Börsenordnung möglich. Dies setzt voraus, dass die betreffenden Wertpapiere bereits an einer anderen inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Handel an einem organisierten Markt oder an einem Markt in einem Drittstaat zugelassen sind, der mit denen des regulierten Marktes vergleichbare Zulassungsvoraussetzungen, Melde- und Transparenzpflichten aufweist. Dazu muss der Informationsaustausch mit den für die Handelsüberwachung im jeweiligen Staat zuständigen Stellen gewährleistet sein. Auch dürfen keine Umstände bekannt sein, die zu einer Übervorteilung des Publikums oder einer Schädigung erheblicher allgemeiner Interessen führen. Hintergrund dieser Sonderregelung ist, dass eine Zweitnotierung im regulierten Markt einer deutschen Wertpapierbörse nicht unnötig erschwert werden soll. Der Schutz des (deutschen) Anlegerpublikums durch die Zulassungsvoraussetzungen und die an die Zulassung anknüpfenden Folgepflichten sind in diesem Fall im Hinblick auf vergleichbare, da auf denselben europäischen Vorgaben beruhenden, rechtlichen Anforderungen des Marktes der Erstnotierung nicht erforderlich3.
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bb) Freiverkehr. Wertpapiere, die nicht zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, können nach § 48 BörsG im Freiverkehr gehandelt werden. Dieser ist rein privatrechtlich organisiert; dem Börsenvorstand obliegt lediglich eine Missbrauchsaufsicht4. Die an die Zulassung zu einem organisierten Markt anknüpfenden Regelungen (siehe oben Rz. 46) gelten hier nicht5, wohl aber die Verbote des Insiderhandels (§§ 12–14 WpHG) und der Marktmanipulation (§ 20a WpHG)6. Näheres ergibt sich aus den Börsenregularien, so aus § 175 Abs. 1 BörsO FWB, wonach die Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) den Betrieb eines Freiverkehrs durch den Börsenträger, die Deutsche Börse AG, auf Grundlage der von diesem erlassenen Geschäftsbedingungen zulässt. Die Einzelhei-
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1 D.h. im Inland der regulierte Markt, vgl. Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 1 WpÜG Rz. 25. 2 Vgl. Lutter in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2006, § 161 Rz. 14. 3 RegE des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes v. 16.1.2002, BT-Drucks. 14/8017, S. 82. 4 Ledermann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 57 BörsG Rz. 23. 5 Hinzuweisen ist jedoch Pflicht zur Mitteilung einer Beteiligung von mehr als 25 % an einer Aktiengesellschaft nach § 20 Abs. 1 Satz 1 AktG, die gemäß § 20 Abs. 8 AktG außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 21 ff. WpHG eingreift. 6 Dazu Harrer/Müller, WM 2006, 653, 655.
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ten des Freiverkehrs an der FWB (dort auch als Open Market bezeichnet) sind in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse (AGB FV FWB) geregelt. Im Zusammenhang mit größeren Emissionen oder Platzierungen von Aktien hat der Freiverkehr kaum Bedeutung. Potentielle Emittenten werden daran interessiert sein, spätestens im Zusammenhang mit einer Neuemission eine Notierung in einem stärker regulierten Marktsegment zu suchen, um für Investoren attraktiver zu werden und um den Eindruck zu vermeiden, sie könnten die Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsfolgepflichten anderer Segmente nicht erfüllen1. Jedoch ist das Interesse an unregulierten bzw. gering regulierten Märkten wie dem Freiverkehr in jüngerer Zeit durch die verschärften Prospekt- und Zulassungsfolgepflichten infolge der Umsetzung diverser Europäischer Rechtssetzungsakte wieder gestiegen. In Großbritannien hat der Alternative Investment Market (AIM) großen Zulauf, an der Euronext Paris wurde das Marktsegment Alternext eingerichtet. An der Frankfurter Wertpapierbörse hat der Freiverkehr mit der Schaffung des gering regulierten „Entry Standard“ an Attraktivität gewonnen (siehe unten Rz. 57 ff.)2. b) Marktsegmentierung an der Frankfurter Wertpapierbörse 49
Nach § 42 Abs. 1 BörsG können in der jeweiligen Börsenordnung für Teilbereiche des regulierten Marktes zusätzliche Voraussetzungen für die Einführung von Aktien oder Aktien vertretenden Zertifikate und weitere Unterrichtungspflichten des Emittenten auf Grund deren Einführung zum Schutz des Publikums oder für einen ordnungsgemäßen Börsenhandel vorgesehen werden. Auf dieser Grundlage wurden in der Börsenordung für die Frankfurter Wertpapierbörse (BörsO FWB) zwei Teilbereiche mit unterschiedlichen Zulassungsfolgepflichten geschaffen.
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aa) General Standard. Im Teilbereich General Standard beschränken sich die Zulassungsfolgepflichten auf die gesetzlichen (Mindest-)Anforderungen des geltenden Rechts. Sie sind nach der Vorstellung der Deutsche Börse AG vor allem gedacht für kleine und mittlere Unternehmen, die überwiegend nationale Investoren ansprechen und daran interessiert sind, die Kosten der Börsennotierung überschaubar zu halten3. In den Regelungen der BörsO FWB für den regulierten Markt (General Standard) finden sich daher auch keine zusätzlichen Anforderungen, die über die gesetzlichen Vorgaben des BörsG und der BörsZulV für den amtlichen Markt hinausgehen, vgl. §§ 60 ff. BörsO FWB. Durch die Zusammenlegung von amtlichem und geregeltem Markt zum regulierten Markt (siehe oben Rz. 44) hat sich die Diskussion um die Zulässigkeit der Annäherung der Mindestanforderungen für eine Notierung im geregelten Markt an diejenigen des amtlichen Marktes erledigt (dazu 1. Aufl., § 6 Rz. 50 m.w.N.).
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bb) Prime Standard. Die Notierung im Teilbereich des regulierten Marktes mit weiteren Zulassungsfolgepflichten (Prime Standard) erfordert vom Emittenten die Einhaltung von weiteren Transparenzanforderungen, die sich an den Vorbildern anderer internationaler Finanzmärkte orientieren und über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen (§§ 63–70 BörsO FWB). Sie kann nur für Aktien und aktienvertretende Zertifikate beantragt werden (§ 63 Abs. 1 Satz 1 BörsO FWB).
1 Schanz, Börseneinführung, § 11 Rz. 53. 2 Harrer/Müller, WM 2006, 653. 3 Deutsche Börse AG, stocks & standards Nr. 8/2002, S. 2; im Internet verfügbar unter www.deutsche-boerse.com.
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Im Einzelnen unterliegen Emittenten von zum Prime Standard zugelassenen Aktien oder aktienvertretenden Zertifikaten folgenden Pflichten1: – Jahresfinanzbericht (§ 65 BörsO FWB): Ein wesentliches Zusatzerfordernis für Emittenten im Prime Standard war bei dessen Einführung die Erstellung von konsolidierten Abschlüssen nach internationalen Rechnungslegungsstandards (§§ 62, 77 BörsO FWB a.F.)2. Im Hinblick darauf, dass im regulierten Markt notierte Emittenten jedoch ohnehin als kapitalmarktorientierte Gesellschaften i.S. von Art. 4 der Verordnung (EG) 1606/2002 („IAS-VO“)3 für die am 1.1.2005 oder später beginnenden Geschäftsjahre ihre Konzernabschlüsse nach IFRS erstellen müssen4, war ein diesbezügliches Zusatzerfordernis obsolet geworden. Daher verlangt § 65 BörsO FWB über die seit Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie („TranspRL“)5 nach §§ 37v, 37y WpHG ohnehin für den Jahresfinanzbericht (dazu § 55) geltenden Anforderungen hinaus nur noch, dass dieser neben der deutschen auch in englischer Sprache abgefasst ist; ausländische Emittenten können sich mit der englischen Sprache begnügen, § 65 Abs. 1 Satz 2, 3 BörsO FWB. Der Jahresfinanzbericht ist der Börsengeschäftsführung innerhalb von vier Monaten nach Ende des Geschäftsjahres elektronisch zu übermitteln, die sich dann um dessen Veröffentlichung kümmert. Diese Frist gilt für die Veröffentlichung des Jahresfinanzberichts schon nach § 37v Abs. 1 Satz 1 WpHG. Verglichen mit Ziff. 7.1.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 14.6.2007, wonach der (geprüfte) Konzernabschluss einer deutschen börsennotierten Aktiengesellschaft bereits binnen 90 Tagen nach Geschäftsjahresende öffentlich zugänglich sein soll6, erscheint sie großzügig. Auf eine Abweichung von dieser Empfehlung müsste die Gesellschaft in ihrer jährlichen Entsprechenserklärung nach § 161 Satz 1 AktG ausdrücklich hinweisen. – Halbjahresfinanzbericht (§ 66 BörsO FWB): Auch in Bezug auf den Halbjahresfinanzbericht für die ersten sechs Monate eines jeden Geschäftsjahres, der von allen im regulierten Markt notierten Emittenten nach §§ 37w, 37y WpHG zu erstellen ist, verweist die BörsO FWB nur noch auf die gesetzlichen Bestimmungen. Le1 Die Reichweite dieser Ermächtigung ist nicht unumstritten. Vor allem die Pflicht der im Prime Standard notierten Emittenten, Quartalsberichte veröffentlichen zu müssen, wurde kritisiert, namentlich von der bereits wegen ihrer Weigerung zur Veröffentlichung von Quartalsberichten aus dem MDAX ausgeschlossenen Porsche AG. Dazu Ganzer/Borsch, BKR 2003, 484, 487. 2 Dazu Gebhardt, WM-Sonderbeilage Nr. 2/2003, S. 9. 3 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. EG Nr. L 243 v. 11.9.2002, S. 1. 4 IFRS nach Maßgabe des Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 (so genannte IAS-Verordnung); die von der EU-Kommission übernommenen IAS sind auf der Internetseite der EU-Kommission – Generaldirektion Binnenmarkt – wie folgt abrufbar unter www.ec.europa.eu/internal_market/ accounting/ias_de.htm#adopted-commission. 5 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38, in deutsches Recht umgesetzt durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (TransparenzrichtlinieUmsetzungsgesetz – TUG) v. 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10. 6 Deutscher Corporate Governance Kodex, im Internet verfügbar unter www.corporate-govern ance-code.de.
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diglich die Regelungen zur Abfassung in englischer Sprache werden nach dem Muster des Jahresfinanzberichts ergänzt. Für die Übermittelung an die Geschäftsführung bleibt es ebenso bei der gesetzlichen Frist von zwei Monaten gemäß § 37w Abs. 1 Satz 1 WpHG. – Quartalsberichte (§ 66 BörsO FWB): Zum Stichtag des ersten und dritten Quartals eines Geschäftsjahres verlangt § 66 Abs. 2 BörsO FWB die Erstellung eines Quartalsfinanzberichts nach § 37x Abs. 3 Satz 1 WpHG, der wiederum auf die Anforderungen an einen Halbjahresfinanzbericht nach § 37w Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 und 4 WpHG verweist. Damit schreibt die FWB für Emittenten im Prime Standard – konsistent mit ihrem Quartalsberichtserfordernis vor Umsetzung der TranspRL (dazu 1. Aufl., § 6 Rz. 52) – die nach dem Gesetz nur fakultative Quartalsberichterstattung zwingend vor. Für diese gelten gemäß § 37x Abs. 3 WpHG i.V.m. §§ 37w Abs. 3, 37y Nr. 3 WpHG die inhaltlichen Anforderungen an Halbjahresfinanzberichte, die sich wiederum an denjenigen für den Jahresfinanzbericht orientieren (ausführlich zur Zwischen- und Quartalsberichterstattung unten § 57). Der Quartalsfinanzbericht ist nach Maßgabe der Vorgaben für den Halbjahres- bzw. Jahresfinanzbericht (auch) in englischer Sprache abzufassen. Die Übermittelung an die Geschäftsführung hat ebenfalls binnen zwei Monaten zu erfolgen. Wie schon nach § 63 Abs. 7 BörsO FWB a.F. und nunmehr § 37w Abs. 5, § 37x Abs. 3 Satz 2 WpHG kann der Halbjahres- bzw. Quartalsfinanzbericht einer prüferischen Durchsicht (dazu § 57 Rz. 25) unterzogen werden. Dabei handelt es sich nach wie vor nur um eine Empfehlung1. 53
Hinsichtlich der Offenlegungspflichten für die Zwischenberichte bleibt der Prime Standard damit nach wie vor sowohl hinter den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex als auch den Anforderungen in den USA zurück. Ziff. 7.1.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex empfiehlt, Zwischenberichte binnen 45 Tagen nach Ende des Berichtszeitraums, öffentlich zugänglich zu machen. In den USA ist der Emittent börsennotierter Wertpapiere verpflichtet, binnen 45 Tagen nach dem Ende jedes der ersten drei Quartale eines Geschäftsjahres einen Quartalsbericht vorzulegen2. Dort wird außerdem zwingend eine prüferischen Durchsicht („review“) von Quartalsberichten durch einen Wirtschaftsprüfer verlangt3. – Unternehmenskalender (§ 67 BörsO FWB): Mit Aufnahme der Notierung sowie fortlaufend zu Beginn jedes Geschäftsjahres für die Dauer mindestens des jeweiligen Geschäftsjahres ist der Emittent von im Prime Standard notierten Aktien nach § 67 Abs. 1 BörsO FWB verpflichtet, einen Unternehmenskalender in deutscher und englischer Sprache zu veröffentlichen und fortlaufend zu aktualisieren. Darin sind die wesentlichen Termine des Emittenten, insbesondere Hauptversammlung, Bilanzpressekonferenz und Analystenveranstaltungen anzugeben. Der Unternehmenskalender ist auch im Internet zu veröffentlichen und der Geschäftsführung der Börse elektronisch zu übermitteln, § 67 Abs. 3 BörsO FWB.
1 Klargestellt zur insoweit wortgleichen Formulierung der Vorfassung in Rundschreiben der Deutsche Börse AG v. 25.11.2003: „Informationen zu § 63, Absatz 7 Neue Börsenordnung“, im Internet verfügbar unter www.deutsche-boerse.com. 2 Section 13 (a) (2) Securities Exchange Act von 1934 i.V.m. Rule 13a-13 (a) der General Regulations zum Securities Exchange Act von 1934 und General Instruction A. Ziff. 1 Satz 2 von Form 10-Q. Für so genannte „accelerated filers“ wird diese Frist nach Unterabsatz „a.“ neuerdings auf bis zu 40 Tage verkürzt, zur Zwischenberichterstattung in den USA auch Merkt/Göthel, RIW 2003, 23, 26. 3 Article 10 Rule 10–01 (d) der Regulation S-X.
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– Analystenveranstaltung (§ 68 BörsO FWB): Außerhalb der Bilanzpressekonferenz hat der Emittent mindestens einmal jährlich eine Analystenveranstaltung durchzuführen1. – Veröffentlichung und Mitteilung von Insiderinformationen in englischer Sprache (§ 69 BörsO FWB): Der Emittent ist verpflichtet, Ad hoc-Mitteilungen nach § 15 WpHG – neben der Veröffentlichung in deutscher Sprache (vgl. § 3b Abs. 3 WpAIV) – zeitgleich in englischer Sprache zu veröffentlichen. Für derzeit im General Standard notierte Unternehmen stellt sich insbesondere anlässlich einer Emission von Aktien die Frage, ob die Aufnahme in den Prime Standard beantragt werden sollte. Immerhin sind – ausweislich einer Statistik der Deutsche Börse AG (Stand 31.1.2008) – bislang 406 Emittenten im Prime Standard notiert gegenüber 350 Emittenten im General Standard2. Dagegen überwog noch 2004 die Zahl der Emittenten im General Standard (471) gegenüber dem Prime Standard (354) (dazu 1. Aufl., § 6 Rz. 53 m.w.N.). Dies veranschaulicht, dass sich Emittenten zunehmend der von prominenten Marktbeobachtern vertretenen These anschließen, dass die erhöhten Zulassungsfolgepflichten des Prime Standard im Hinblick auf die Verbesserung der Transparenz und der Kommunikation mit dem Markt geeignet sind, die Attraktivität der Gesellschaft gerade bei Investoren zu stärken3. Zudem ist die Zulassung zum Prime Standard Voraussetzung für die Aufnahme in die „DAX-Familie“ der Auswahlindizes der Deutsche Börse AG, die für eine verbesserte Wahrnehmung der Gesellschaft bei Investoren sorgt (dazu im Einzelnen sogleich Rz. 61 ff.).
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Nachteile der Notierung im Prime Standard liegen vor allem auf der Kostenseite und betreffen primär die Anforderungen an die Rechnungslegung des Emittenten4. Allerdings sind im regulierten Markt notierte Emittenten mittlerweile ohnehin zur Rechnungslegung nach IFRS verpflichtet (dazu § 56)5. Hinzu kommen die verschärften Zwischenberichtspflichten seit der Umsetzung der TranspRL seit Januar 2007. Mithin verbleibt als einziger wesentlicher Unterschied die Pflicht zur Erstellung von Quartalsberichten im Prime Standard während die im General Standard notierten Emittenten sich bei der unterjährigen Finanzberichterstattung während der ersten und zweite Hälfte ihres Geschäftsjahres sich mit der Abfassung jeweils einer Zwischenmitteilung der Geschäftsführung nach § 37x WpHG pro Halbjahr begnügen können (dazu § 57 Rz. 27 ff.). Darin sind nach § 37x Abs. 2 WpHG Informationen über den Zeitraum zwischen dem Beginn der jeweiligen Hälfte des Geschäftsjahrs und dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Zwischenmitteilung aufzunehmen, die eine Beurteilung der Entwicklung der Geschäftstätigkeit des Emittenten in den drei Monaten vor Ablauf des Mitteilungszeitraums entwickelt hat, insbesondere sind wesentliche Ereignisse und Geschäfte des Mitteilungszeitraums und ihre Auswirkungen auf die Finanzlage des Emittenten zu erläutern sowie die Finanzlage und das Geschäftsergebnis zu beschreiben. Diese gesetzlichen Anforderungen werden in Ziff. 61–69 des Deut-
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1 Dazu Gebhardt, WM-Sonderbeilage Nr. 2/2003, S. 13. 2 Deutsche Börse Group, Facts and Figures 02/2008, S. 1, im Internet abrufbar unter www. deutsche-boerse.com. 3 Vgl. Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rz. 269; Merkt/ Göthel, RIW 2003, 23, 24. 4 Der Antrag auf Zulassung zum Prime Standard selbst erfordert dagegen keinen besonderen Aufwand, insbesondere nicht die Erstellung eines gesonderten Zulassungsdokumentes, das mit Hilfe Dritter und dementsprechendem Kostenaufwand erstellt werden müsste, dazu Gebhardt, WM-Sonderbeilage Nr. 2/2003, S. 6. 5 Vgl. Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards („IASVerordnung“), ABl. EG Nr. L 243 v. 11.9.2002, S. 1.
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schen Rechnungslegungsstandard Nr. 16 (DRS 16)1 konkretisiert. Dabei ist gemäß Ziff. 67 DRS 16 in der Zwischenmitteilung eine Quantifizierung der Auswirkungen der Ereignisse des Berichtszeitraumes nicht erforderlich; diese sieht auch das Gesetz nicht vor2. Erscheint damit jedenfalls eine quartalsweise Erfassung von Finanzangaben im Konzern und insbesondere die diesbezügliche Periodenabgrenzung nicht erforderlich, so erscheint zugleich fraglich, auf welcher Grundlage der Vorstand in der Zwischenmitteilung verlässliche Aussagen treffen soll3. Tatsächlich zeigen erste Analysen der bisher veröffentlichen Zwischenfinanzinformationen, dass diese tatsächlich überwiegend auch quantitative Angaben enthalten, die ihrerseits aber gerade die vorstehend umrissene stichtags- bzw. periodenbezogene Erfassung und Abgrenzung erfordern4. Daher wird im Schrifttum auch bezweifelt, ob durch die Erstellung von Zwischenmitteilungen anstelle von Quartalsberichten wirklich nennenswerte Kosteneinsparungen erzielt werden können5. Umgekehrt sind Quartalsberichte nicht nur für Investoren deutlich aussagekräftiger, sondern können auch für den Emittenten selbst von Nutzen sein. Zwar setzt ihre Erstellung u.U. eine Verbesserung (und damit ggf. personelle Aufstockung) der eigenen Finanzbuchhaltung voraus. Diese hilft jedoch auch bei dem Aufbau eines eigenen Risikokontrollsystems. Eine aktuellere Kontrolle über die eigenen finanziellen Verhältnisse ist zudem auch bei unternehmerischen Entscheidungsprozessen von Nutzen (dazu auch § 57 Rz. 1 ff.). 56
Ähnliches gilt für die – empfohlene – prüferische Durchsicht von Quartalsberichten durch einen Wirtschaftsprüfer (dazu § 57 Rz. 25). Diese verursacht nicht nur Kosten. Sie steigert die Verlässlichkeit der Quartalsberichte (auch für interne Zwecke der Gesellschaft) und erleichtert die spätere Abschlussprüfung des Jahres- bzw. Konzernabschlusses. Schließlich kann die prüferische Durchsicht von Quartalsberichten dazu beitragen, dass der Abschlussprüfer über das ganze Geschäftsjahr hinweg in der Lage ist, bei Wertpapieremissionen den von den Banken erwarteten Comfort Letter einschließlich einer Negativerklärung (so genannte negative assurance) betreffend die aktuellen Verhältnisse der Gesellschaft abzugeben, so dass einer Emission nicht insoweit bestehende zeitliche Restriktionen – Stichwort 135-Tage-Regel (dazu siehe unten Rz. 97) – entgegenstehen6.
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cc) Entry Standard. Mit Einführung des Entry Standard am 25.10.2005 wurde an der Frankfurter Wertpapierbörse ein neues Marktsegment im Freiverkehr geschaffen, das sich von diesem durch weiter gehende Transparenz- und Informationsanforderungen unterscheidet. Er zielt auf kleine und mittelständische Unternehmen, die die mit einer Notierung im regulierten Markt verbundenen Kosten (z.B. für die Prospekterstellung, die regelmäßige Finanzberichterstattung nach IFRS und die zur Sicherstellung der Einhaltung der Zulassungsfolgepflichten erforderliche Compliance-Organisation7 scheuen, sich zugleich aber von den „nur“ im Freiverkehr notierten Emittenten durch eine ge1 Deutscher Rechnungslegungsstandard Nr. 16 (DRS 16), Zwischenberichterstattung, verabschiedet vom Deutschen Standardisierungsrat DSR am 5.5.2008, bekannt gemacht durch das Bundesministerium der Justiz nach § 342 Abs. 2 HGB am 8.7.2008, BAnz Nr. 110 S. 2697 (Bekanntmachung) sowie Beilage Nr. 110a vom 24.7.2008. 2 Strieder/Amedick, KoR 2007, 285, 289; Henkel/Schmidt/Ott, KoR 2008, 36, 42. 3 Kritisch dazu bereits d’Arcy/Meyer, Der Konzern 2005, 151, 158. Kritisch dazu bereits d’Arcy/ Meyer, Der Konzern 2005, 151, 158. 4 Vgl. die detaillierte empirische Analyse bei Kajüter/Reisloh, KoR 2007, 620, 627 f. 5 Strieder/Amedick, KoR 2007, 285, 287. 6 Daher ist die prüferische Durchsicht von Quartalsberichten z.B. bei DAX-Unternehmen, wiewohl nur freiwillig, weit verbreitet, vgl. Henkel/Schmidt/Ott, KoR 2008, 36, 42. 7 Dazu z.B. Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, 2007, § 33 WpHG Rz. 38 ff.; Klöpper in Hauschka, Corporate Compliance, 2007, § 11 Rz. 48 ff.
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wisse Mindesttransparenz unterscheiden wollen, um erhöhte Aufmerksamkeit bei Investoren zu gewinnen1. Zugleich richtet sich der Entry Standard vornehmlich an qualifizierte Investoren, die die Chancen und Risiken in einem geringer regulierten Marktsegment einschätzen können2. Damit wird die Lücke geschlossen, die der inzwischen abgeschaffte geregelte Markt hinterlassen hatte. Dieser war 1986 eingerichtet worden mit dem Ziel, neben dem damaligen amtlichen Handel ein Marktsegment mit erleichterten Zulassungsvoraussetzungen zu etablieren, um es kleineren und mittleren Unternehmen zu erleichtern, ihre Eigenkapitalschwäche durch Beschaffung weiteren Eigenkapitals über den Kapitalmarkt zu überwinden3. Dieser Zweck wurde zunächst durch die Annäherung der Anforderungen an jene des amtlichen Marktes in Frage gestellt (dazu 1. Aufl., § 6 Rz. 50). Mit Inkrafttreten des FRUG fiel der geregelte Markt, dem wegen der geringen Unterschiede zum amtlichen Markt kaum mehr eigenständige Bedeutung zukam, schließlich ersatzlos weg. Ausweislich einer Statistik der Deutsche Börse AG (Stand 31.1.2008) haben sich immerhin 112 von den insgesamt 9005 in den Freiverkehr einbezogenen Emittenten für eine Notierung im Entry Standard entschieden4. Die Einbeziehung in den Entry Standard erfolgt auf privatrechtlicher Grundlage5 nach Maßgabe der AGB FV FWB6. Sie kann von einem Handelsteilnehmer für Aktien, die in den Freiverkehr (Open Market) an der Frankfurter Wertpapierbörse einbezogen sind, nach § 16 Abs. 1 AGB FV FWB beantragt werden, bedarf aber – anders als die Einbeziehung in den Freiverkehr – gemäß § 16 Abs. 3 lit. d AGB FV FWB der Zustimmung des Emittenten7. Dabei muss ein geprüfter Konzernabschluss samt Konzernlagebericht des Emittenten für das der Antragstellung vorangehende Geschäftsjahr samt Bestätigungsvermerk oder Vermerk über dessen Versagung (!) vorgelegt werden; der Abschluss kann nach nationalen Rechnungslegungsvorschriften oder IFRS erstellt sein. Bei nicht konzernabschlusspflichtigen Emittenten reicht ein geprüfter Einzelabschluss samt Lagebericht aus, § 16 Abs. 3 lit. e AGB FV FWB. Ferner muss ein Unternehmenskurzportrait des Emittenten erstellt werden, das auf der Internetseite des Emittenten zu veröffentlichen ist. Darin werden einige wesentliche Handelsdaten und grundlegende Unternehmensinformationen genannt sowie das Geschäft des Unternehmens kurz (Umfang: maximal 500 Zeichen) beschrieben8. Der Erstellung eines Prospekts nach Maßgabe des WpPG bedarf es dagegen für die bloße Einbeziehung in den Entry Stan-
1 Deutsche Börse AG, Entry Standard – Maßgeschneiderter Kapitalmarktzugang für Small- und Midcaps, November 2007, S. 5, im Internet abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 2 Deutsche Börse AG, Entry Standard – Maßgeschneiderter Kapitalmarktzugang für Small- und Midcaps, November 2007, S. 9, im Internet abrufbar unter www.deutsche-boerse.com, darauf verweist auch der Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 1.5.6. 3 Dazu ausführlich die Begr. RegE für ein Börsenzulassungs-Gesetz, BR-Drucks. 254/85, S. 10 f. 4 Deutsche Börse Group, Facts and Figures 02/2008, S. 1, im Internet abrufbar unter www. deutsche-boerse.com. 5 Schlitt/Schäfer, AG 2006, 147. 6 Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse, Stand: 28.4.2008, im Internet abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 7 Zu den Einbeziehungsvoraussetzungen im Einzelnen: § 16 AGB FV FWB; dazu die Erläuterungen bei Sudmeyer/Rückert/Kuthe, BB 2005, 2703. 8 Anlage 2 zu den AGB FV FWB nennt die folgenden Informationen:Handelsdaten: Gesamtanzahl der Aktien, Höhe des Grundkapitals und Angabe über den Streubesitz, Angaben zur Aktionärsstruktur, Nennung von Skontroführer, Einbeziehungsantragsteller, Deutsche Börse Listing Partner und ggf. Designated Sponsor; Unternehmensinformationen: Gründungsdatum, Rechnungslegungsstandard und Ende des Geschäftsjahres, Namen und Funktion der Mitglieder des Vorstands und Namen des Aufsichtsrats; sowie Geschäftsbeschreibung: Beschreibung des operativen Geschäfts, Nennung der Geschäftsbereiche und Produkte.
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dard nicht1. Wurde daher kein Prospekt erstellt (der bei einem vorangehenden öffentlichen Angebot der einzubeziehenden Wertpapiere indes nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG grds. erforderlich wird), ist neben dem Unternehmenskurzportrait lediglich im Rahmen der Einbeziehung in den Freiverkehr nach § 13 Abs. 1 Satz 2–4 AGB FV FWB ein so genanntes Exposé zu erstellen, das in wesentlichen Basisinformationen über den Emittenten besteht2, nur zur Vorlage bei der Börse dient und von dieser nicht weitergegeben werden darf3. Der Emittent muss vor Einbeziehung in den Entry Standard einen Deutsche Börse Listing Partner mit der laufenden Betreuung nach Maßgabe von Anlage 3 zu den AGB FV FWB beauftragen. Es handelt sich dabei um unabhängige Dienstleister, die aufgrund ihrer praktischen Erfahrungen aus mehreren Kapitalmarkttransaktionen mit börsennotierten Unternehmen von der Deutsche Börse AG ernannt wurden4. Die Aufgabe des Deutsche Börse Listing Partners beinhaltet ein vor Stellung des Antrages auf Einbeziehung zum Entry Standard sowie danach einmal jährlich zu führendes Informationsgespräch über Transparenzpflichten und übliche Investor-Relations-Aktivitäten sowie die Unterstützung des Emittenten bei der Erfüllung der Einbeziehungsvoraussetzungen und fortlaufenden Transparenzpflichten. Ein im Entry Standard notierter Emittent muss gemäß § 17 Abs. 2 lit. a AGB FV FWB in seinem Tätigkeitsbereich eingetretene Tatsachen, die wegen ihrer Auswirkungen auf dessen Vermögens- oder Finanzlage oder allgemeinen Geschäftsverlauf zur erheblichen Beeinflussung des Börsenpreises geeignet sind, unverzüglich auf seiner Internetseite veröffentlichen. Dies entspricht inhaltlich der Ad hoc-Publizität nach § 15 WpHG a.F. vor deren Erweiterung durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG)5 im Jahre 20046. Ferner sieht § 17 Abs. 2 lit. b AGB FV FWB die Veröffentlichung eines geprüften Konzernabschlusses samt Konzernlagebericht (ist kein Konzernabschluss zu erstellen: Einzelabschlusses mit Lagebericht) nach anwendbaren nationalen Rechnungslegungsvorschriften oder nach IFRS auf der Internetseite des Emittenten zusammen mit dem jeweiligen Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers oder dem Vermerk über dessen Versagung in deutscher oder englischer Sprache binnen sechs Monaten nach Ende des Geschäftsjahres vor7. Binnen drei Monaten nach dem Ende des ersten Halbjahres jedes Geschäftsjahres hat der Emittent ferner 1 Dazu und zur Gefahr der versehentlichen Auslösung eines öffentlichen Angebotes durch vom Emittenten oder Anbieter mitverursachte öffentliche Angaben Schnorbus, AG 2008, 389, 396 f. 2 Ein Formular kann im Internet unter www.deutsche-boerse.com in der Kategorie „Listing“ abgerufen werden. 3 Zur Problematik der Vermeidung einer Prospektpflicht bei der Einführung in den Freiverkehr bzw. Entry Standard vgl. Sudmeyer/Rückert/Kuthe, BB 2005, 2703, 2705; Schlitt/Schäfer, AG 2006, 147, 151 f.; Harrer/Müller, WM 2006, 653, 656 ff.; Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525, 526. 4 Dabei handelt es sich z.B. um Investmentbanken, IPO- und Corporate Finance-Berater, Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer; dazu auch Broschüre Deutsche Börse Listing Partner – Professionelle Unterstützung am Kapitalmarkt vom 1.11.2007, im Internet abrufbar unter www.deutsche-boerse.com. 5 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) vom 28.10.2004, BGBl. I 2004, 2630; der Regierungsentwurf ist mit Begründung in BT-Drucks. 15/3174 sowie in NZG Sonderbeilage zu Heft 12/2004 abgedruckt. 6 Ebenso Sudmeyer/Rückert/Kuthe, BB 2005, 2703, 2704. 7 Aus der Formulierung „Konzernabschluss (…) des Emittenten in der Rechtsform der Aktiengesellschaft“ wird man wohl zu schließen haben, dass nur Aktiengesellschaften (also keine KGaAs) in den Entry Standard einbezogen werden können, obwohl dies so in der korrespondierenden Regelung zu den Einbeziehungsvoraussetzungen (§ 16 Abs. 3 lit. e AGB FV FWB) nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Jedoch wird damit die Umwandlung in eine AG unmittelbar vor der Einbeziehung, also nach dem Stichtag des der Einbeziehung unmittelbar vorangehenden Geschäftsjahres, anders als nach der Vorgängerregelung § 11 Abs. 3 lit. e Richtlinien für den Freiverkehr an der FWB möglich, dazu Sudmeyer/Rückert/Kuthe, BB 2005, 2703, 2704; Schlitt/ Schäfer, AG 2006, 147, 150.
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Konzept von Börsennotierung und Aktienplatzierungen
nach § 17 Abs. 2 lit. c AGB FV FWB einen Zwischenbericht auf seiner Internetseite zu veröffentlichen, für dessen Inhalt jedoch keine weiteren Vorgaben gemacht werden. Indes verweist die Deutsche Börse AG als Betreiber der Frankfurter Wertpapierbörse darauf, dass er anhand von Zahlenangaben und Erläuterungen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Finanzlage und des allgemeinen Geschäftsgangs des Emittenten in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres vermitteln sollte1. Ausgehend davon wird man Anhaltspunkte für inhaltliche Anforderungen aus den vor Umsetzung der TranspRL geltenden gesetzlichen Vorgaben für Zwischenberichte nach § 40 BörsG a.F., §§ 53–56 BörsZulV a.F. gewinnen können2. Eine Zwischenmitteilung der Geschäftsführung oder gar ein Zwischen- oder Quartalsbericht ist jedoch nicht vorgesehen. Schließlich ist das Unternehmenskurzportrait des Emittenten gemäß § 17 Abs. 2 lit. d AGO FV FWB auf dessen Internetseite jährlich zu aktualisieren, ferner ein Unternehmenskalender mit allen für Investoren wesentlichen Termine wie z.B. Pflichtveranstaltungen des Emittenten (z.B. Hauptversammlung) oder weiterer Aktivitäten des Emittenten (z.B. Analysten- oder Investorenpräsentationen) spätestens mit Einbeziehung in den Entry Standard dort zu veröffentlichen. Die von Emittenten im organisierten Markt einzuhaltenden Zulassungsfolgepflichten (siehe oben Rz. 46) finden indes keine Anwendung. Der die Einbeziehung beantragende Marktteilnehmer muss gemäß § 17 Abs. 1 AGB FV FWB die Einhaltung der vorgenannten Einbeziehungsfolgepflichten durch den Emittenten überwachen. Zudem hat er sich bei Antragstellung gegenüber der Deutsche Börse AG zu verpflichten, diese und die Frankfurter Wertpapierbörse von der Inanspruchnahme wegen Schäden aus der Verletzung dieser Pflichten freizustellen. Sind Handelsteilnehmern des Freiverkehrs Schäden aus einer von dem Antragsteller zu vertretenden Pflichtverletzung entstanden, so hat er für diese einzutreten3.
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3. Indizes Die angestrebte Aufnahme in einen Index kann für eine Gesellschaft ein bedeutsamer Gesichtspunkt bei der Planung einer Aktienplatzierung bzw. -Emission sein. Die Aufnahme in einen Index macht eine Aktie für manche institutionelle Investoren erst interessant, insbesondere für ausländische Investoren4. Die Indexzugehörigkeit verbessert aufgrund des allgemeinen öffentlichen Interesses an den Aktienindizes und die damit zusammenhängende Medienberichterstattung auch den Bekanntheitsgrad des betreffenden Unternehmens5. Mithin kann sich eine Gesellschaft durch die Aufnahme in einen Index weitere Investorenkreise erschließen und letztlich auch die Nachfrage nach ihren Aktien verbessern. Für an der Frankfurter Wertpapierbörse notierte Emittenten sind dabei insbesondere die von der Deutsche Börse AG berechneten Indizes bedeutsam6. 1 FAQ-Katalog für Open Market/Entry Standard, im Internet abrufbar unter www.deutscheboerse.com; ebenso Schlitt/Schäfer, AG 2006, 147, 149. 2 Dazu Heidelbach in Schwark, Kommentierung zu § 40 BörsG; d’Arcy/Meyer, Der Konzern 2006, 151, 152. 3 Verpflichtungserklärung in Anlage 1 AGB FV FWB, dazu Schlitt/Schäfer, AG 2006, 147, 153. 4 Dazu Schanz, Börseneinführung, § 11 Rz. 69; Hofmann in Lutter/Scheffler/U.H. Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998, Rz. 10.32. 5 Gebhardt, WM-Sonderbeilage Nr. 2/2003, S. 16. 6 Diese werden von der Deutsche Börse AG auf privat-rechtlicher Grundlage errechnet. Diese ist zwar Betreiber der Frankfurter Wertpapierbörse; die Zusammenstellung der Indizes muss aber davon und von der öffentlich-rechtlichen Funktion der Deutsche Börse AG als Börsenträger nach dem BörsG und der BörsO unterschieden werden, vgl. Gebhardt, WM-Sonderbeilage Nr. 2/2003, S. 16; Neufeld, Die Bank 2003, 18; allgemein zur Rechtsstellung des Börsenträgers vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.200 ff.
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Börsennotierung
a) Auswahlindizes 62
Die wohl bedeutsamste Gruppe innerhalb der Indexsystematik der Deutsche Börse AG stellen die so genannten Auswahlindizes dar. Dies sind zunächst die Indizes DAX, MDAX, TecDAX und SDAX sowie die daraus abgeleiteteten Indizes HDAX und Midcap Market Index, denen gemeinsam die Anknüpfung an die Notierung des Emittenten zum Prime Standard sowie dessen Bezug zum deutschen Markt ist, sei es durch Unternehmenssitz, sei es durch Schwerpunkt des Handelsumsatzes in der Aktie (Auswahlindizes i.e.S.). Zu den Auswahlindizes hinzugekommen sind seit 2005 ferner der Entry Standard Index und der General Standard Index, die sich aus Werten des Entry Standard bzw. des General Standard zusammensetzen. Alle Auswahlindizes bestehen jeweils aus einer festen Anzahl von Werten, die nach bestimmten nachfolgend näher zu beschreibenden Kriterien ausgewählt werden.
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aa) Die Auswahlindizes i.e.S. Die Systematik der Auswahlindizes i.e.S. folgt einem Aufbau, der sich in Form einer Pyramide wie folgt darstellen lässt1:
DAX MDAX
SDAX
TecDAX
Weitere gelistete Unternehmen PRIME STANDARD GENERAL STANDARD
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Der DAX 30 stellt den Index der so genannten Bluechips dar, also der größten und umsatzstärksten Unternehmen, die an der Frankfurter Wertpapierbörse notiert sind. Unterhalb des DAX wird die Indexzugehörigkeit nach Branchengruppen unterteilt, und zwar in eher klassische Branchen (MDAX und SDAX) und Branchen des Technologiebereichs (TecDAX)2. Der MDAX setzt sich aus den 50 Werten aus klassischen Branchen zusammen, die hinsichtlich Marktkapitalisierung und Umsatz auf die 30 DAX-Werte folgen (so genannte Midcaps). In den SDAX werden die – nach Maßgabe der im Leitfaden Aktienindizes näher spezifizierten Berechnungskriterien – auf die 50 Werte des MDAX folgenden nächsten 50 Werte aus klassischen Branchen aufgenom1 Dazu Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 1.1 ff. 2 Zur Branchenzuordnung siehe unten Rz. 66 Fn. 4.
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Konzept von Börsennotierung und Aktienplatzierungen
men. (so genannte Smallcaps). Der TecDAX1 stellt den MidCap-Index der Technologiewerte dar und entspricht insoweit dem MDAX. Er setzt sich aus den 30 größten und liquidesten Werte der Technologie-Branchen (mit Ausnahme der bereits in den DAX 30 aufgenommenen Gesellschaften) zusammen (zum Vorgängerindex NEMAX 50 siehe 1. Aufl., § 6 Rz. 65). Zu den Auswahlindizes i.e.S. gehören daneben auch zwei aus den vorgenannten Auswahlindizes der DAX-Familie zusammengesetzte so genannte abgeleitete Indizes, nämlich der HDAX und Midcap Market Index. Der HDAX, bisweilen auch DAX 110 genannt2, umfasst die 30 Werte des DAX, die 50 Werte aus dem MDAX und die 30 Werte des TecDAX. Er fungiert damit als erweiterter branchenübergreifender Bluechip-Index. Der Midcap Market Index setzt sich aus den in MDAX und TecDAX enthaltenen 80 Werten zusammen. An ihm lässt sich branchenübergreifend die Entwicklung der mittelkapitalisierten Werte des Prime-Segments ablesen.
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Für die Auswahl zur Aufnahme in einen Auswahlindex i.e.S. kommen von vornherein nur Unternehmen bzw. Aktiengattungen in Frage, die folgende Voraussetzungen erfüllen3:
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– – – –
Notierung im Prime Standard, fortlaufender Handel in Xetra, Mindest-Streubesitz (Freefloat) von 5 %, MDAX und SDAX: Unternehmen aus einer Branche des so genannten klassischen Bereichs („Classic“)4, – TecDAX: Unternehmen aus einer als technologisch eingruppierten Branche („Tech“), – Der Emittent ist in- oder ausländisches Unternehmen mit eindeutigem Bezug zum deutschen Markt5; dieser kann wie folgt begründet werden: – juristischer Sitz, – „operatives Hauptquartier“ (d.h. Sitz der (Teil-)Geschäfts- oder Verwaltungsführung), oder – bei Unternehmen mit juristischen Sitz in einem EU oder EFTA Staat, d.h. dem EWR und der Schweiz: Schwerpunkt des Handelsumsatzes (gemeint Börsenhandelsumsatzes in den Aktien der Gesellschaft) in Deutschland, wobei es ausreicht, wenn mindestens 33 % des Gesamtumsatzes in den jeweils letzten drei Monaten über die Börse Frankfurt inklusive Xetra! abgewickelt werden. Die Kriterien für die zusammengesetzten Auswahlindizes HDAX und Midcap Market Index ergeben sich indirekt aus den vorstehenden Kriterien. Über die Aufnahme eines Wertpapiers in den „fortlaufenden Handel“ in Xetra entscheidet die Geschäftsführung der Frankfurter Wertpapierbörse nach § 135 Satz 2 BörsO FWB. Dann werden während der Börsenhandelszeit jederzeit Börsenpreise in dem betreffenden Wertpapier
1 Im Einzelnen dazu Karsch, Die Bank 2003, 538. 2 Schlitt, AG 2003, 57, 60. 3 Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 2.2.1.1. 4 Die Eingruppierung der Branchen in die Bereiche „Tech“ und „Classic“ ergibt sich im Einzelnen aus der detaillierten Tabelle in Ziff. 4.2 des Leitfadens zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008 unter der Überschrift „Sektor“. 5 Vgl. Deutsche Börse Group, Facts & Figures 02/2008, S. 1.
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festgestellt, §§ 138 Abs. 2, 154 BörsO FWB1. Voraussetzung für den fortlaufenden Handel ist dabei entweder ein ausreichendes Maß an „natürlich vorhandener Liquidität“ oder die Betreuung des Wertpapiers durch einen so genannten Designated Sponsor2. Dessen Aufgabe besteht darin, verbindliche Kauf- und Verkaufsaufträge in dem betreffenden Wertpapier zu stellen, damit vorhandene Aufträge kurzfristig bedient werden können, vgl. § 146 Abs. 1 BörsO FWB3 (allgemein zu Designated Sponsors auch § 8 Rz. 11). Die Zuordnung zu einer bestimmten Branche richtet sich nach dem Umsatzschwerpunkt des jeweiligen Unternehmens. Wenn sich dieser verlagert hat, kann das Unternehmen bei der nächsten Entscheidung über die Zusammensetzung der Indizes aus der bisherigen heraus- und einer anderen Branche zugeordnet werden4. 67
Die Entscheidung über die Aufnahme einer Gesellschaft, die diese so genannten Grundvoraussetzungen erfüllt, in einen der Auswahlindizes trifft der Vorstand der Deutsche Börse AG5. Dabei basiert die Zusammensetzung des DAX ausschließlich auf den quantitativen Kriterien Börsenumsatz und Marktkapitalisierung. Für Letztere wird nur der Streubesitz berücksichtigt6, so dass sich die Indexzusammensetzung (grds.) unmittelbar aus den nach Maßgabe des Leitfaden Aktienindizes der Deutsche Börse AG errechneten Ranglisten für beide Kriterien ergeben. Eine Anpassung an geänderte Verhältnisse erfolgt jährlich, bei bestimmten erheblichen Änderungen vierteljährlich (so genannte Fast Exit/Fast Entry Regelung)7. Bei den anderen Auswahlindizes MDAX, TecDAX und SDAX werden daneben die Kriterien Streubesitz, Verfügbarkeit der Aktie im Markt, Branchenzugehörigkeit sowie der Zeitraum, während dessen eine Gesellschaft die Voraussetzungen für eine Neuaufnahme in bzw. den Ausschluss aus dem Index erfüllt, herangezogen8. Anpassungen erfolgen – je nach Index – viertel-, halb- oder jährlich. Bei den Auswahlindizes, die nicht quartalsweise angepasst werden (MDAX, TecDAX), erfolgen – ähnlich wie beim DAX – unterjährig Anpassungen bei besonders starken Veränderungen der Bemessungsgrößen für die Indexzusammenset1 Dazu Gebhardt, WM-Sonderbeilage Nr. 2/2003, S. 16; Beck in Schwark, § 25 BörsG Rz. 35. 2 Zu den Voraussetzungen, unter denen für den fortlaufenden Xetra-Handel ein Designated Sponsor erforderlich ist, vgl. stocks & standards 7/2002, S. 2; Deutsche Börse AG, Designated Sponsor Guide, Version 6.0 v. 23.11.2006, S. 4 ff., sowie die Broschüre „Deutsche Börse Special: Designated Sponsors im Aktienmarkt“ v. 16.8.2003, jeweils im Internet verfügbar unter www.deutsche-boerse.com. 3 Deutsche Börse AG, Designated Sponsor Guide, Version 6.0 v. 23.11.2006, S. 3; Gebhardt, WM-Sonderbeilage Nr. 2/2003, S. 16; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, § 3 Rz. 3.40; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.196 f. (der die auch gebräuchlichen Bezeichnungen Market Maker oder Betreuer verwendet). 4 Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 1.6. Abs. 3. 5 Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 2.2.1.1. Dabei wird der Vorstand der Deutsche Börse AG vom Arbeitskreis Aktienindizes beraten, der dem Vorstand der Deutsche Börse AG vor dessen Entscheidung jeweils Vorschläge unterbreitet. Der Arbeitskreis Aktienindizes setzt sich aus Vertretern von bedeutenden Marktteilnehmern zusammen; derzeit sind im Arbeitskreis Aktienindizes vertreten: BNP Paribas, Commerzbank AG, Deutsche Bank AG, Deutsche Börse AG, DZ Bank AG, Dresdner Bank AG, Hypovereinsbank AG, BHF-Bank AG, MEAG Asset Management GmbH, Sal. Oppenheim jr. & Cie. KGaA, UBS Deutschland AG und die WestLB AG, vgl. Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 1.14. 6 Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 2.2.1.1; dazu Mai, AG-Report 2004, R 177, R 178. 7 Im Einzelnen Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 2.2.2.1.; dazu Mai, AG-Report 2004, R 177. 8 Im Einzelnen vgl. Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 2.2.1.1.
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zung (Fast Exit/Fast Entry). Diese können sich ergeben aus größeren Emissionen, größeren Veränderungen beim Streubesitz (z.B. aufgrund einer Übernahme) oder einem starken Kursrückgang. Dabei sind Schwellenwerte für die Rangstellen der betreffenden Aktie in Bezug auf Börsenumsatz und Börsenkapitalisierung vorgesehen, deren Erreichen bzw. Überschreiten Voraussetzung für eine unterjährige Anpassung ist. Daneben können kurzfristig Aktualisierungen im Falle der Insolvenz oder des Wegfalls von Grundvoraussetzungen für die Indexaufnahme vorgenommen werden1. Zur Wahrung des Charakters der Auswahlindizes als führende Aktien-Indizes für Deutschland kann allerdings der Vorstand der Deutschen Börse AG in Abstimmung mit dem Arbeitskreis Aktienindizes bestimmte Unternehmen von der Rangvergabe auf den entsprechenden Ranglisten ausschließen, z.B. ausländische Gesellschaften bei denen die Holding ihren Sitz in Deutschland hat, der Schwerpunkt ihrer geschäftlichen Tätigkeiten aber eindeutig im Ausland liegt2. bb) Entry Standard Index. Seit der Einführung des Entry Standard Segments wird der Entry Standard Index berechnet, in dem die 30 börsenumsatzstärksten Unternehmen aus dem Entry Standard vertreten sind3.
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Voraussetzung für die Aufnahme eines Unternehmens in den Entry Standard Index ist deren Notierung im Entry Standard sowie auf Xetra. Unter diesen Emittenten werden die 30 nach Orderbuchumsatz in Xetra und im Parketthandel an der Frankfurter Wertpapierbörse umsatzstärksten Werte in den Entry Standard Index aufgenommen4. Eine Anpassung der Indexzusammensetzung findet vierteljährlich statt; dabei werden die 30 liquidesten Unternehmen nach ihren Umsätzen der vorhergehenden drei Monate ausgewählt5. Unabhängig von diesen turnusgemäßen Anpassungen erfolgt eine außerordentliche Aktualisierung der Indexzusammensetzung im Falle Insolvenz oder der Einstellung der Notierung im Entry Standard. Nachfolgekandidaten werden anhand der vorgenannten Kriterien bestimmt. Die Börse wird diese Entscheidung veröffentlichen und die Ersetzung i.d.R. zwei volle Handelstage nach Ankündigung vornehmen. Ist abzusehen, dass ein Emittent die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Entry Standard Index zu einem zukünftigen Termin nicht mehr erfüllen wird, kann der Austausch schon bei der nächsten vierteljährlichen Überprüfung der Indexzusammensetzung (so genannte Verkettung) erfolgen. In Ausnahmefällen, wie z.B. kurzfristig angekündigten Übernahmen, kann der Vorstand der Deutsche Börse AG von den vorgenannten Regeln abweichen. Die Entscheidung über die Aufnahme einer Gesellschaft in den Entry Standard Index obliegt dem Vorstand der Deutsche Börse AG nach Beratung durch den Arbeitskreis Aktienindizes6.
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General Standard Index: Der General Standard Index enthält die 200 Unternehmen aus dem General Standard Segment mit dem höchsten Börsenumsatz in ihren Aktien,
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1 Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 2.2.2.2. 2 Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 2.2.1.1. 3 Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 1.1.7. 4 Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 2.2.1.2. 5 Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 2.2.2.3.; indes stellt Ziff. 2.2.1.2 auf den Umsatz der vorangegangenen zwölf Monate ab. 6 Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 1.14.
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mit der Ausnahme so genannter Blue Chip-Werte (dazu Rz. 65), da diese den Index ansonsten zu stark dominieren würden1. 71
Die Aufnahme in den General Standard Index setzt die Notierung im General Standard sowie auf Xetra voraus. Aus den Unternehmen, die diese Voraussetzung erfüllen, werden die – nach den ausgenommenen Blue Chip-Werten – nach Orderbuchumsatz im Handel in Xetra und am Parkett in Frankfurt liquidesten Werte ausgewählt2. Eine Anpassung der Indexzusammensetzung findet vierteljährlich statt. Um eine zu starke Dominanz so genannter Blue Chip-Werte bei der Indexberechnung zu vermeiden, werden in den General Standard Index nur Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung unter fünf Milliarden Euro aufgenommen. Unternehmen, die wegen des Überschreitens dieses Wertes aus dem Index genommen wurden, können erst wieder ab einer Marktkapitalisierung von weniger als vier Milliarden Euro aufgenommen werden. Neu aufzunehmende Unternehmen müssen mindestens 30 Tage im General Standard notiert sein. Außerordentliche Anpassungen erfolgen auch im General Standard Index im Falle der Insolvenz oder des Ausscheidens aus dem zu Grunde liegenden Marktsegment General Standard. Nachfolgekandidaten werden bei der nächsten Verkettung bestimmt. Sobald die künftige Nichterfüllung der Voraussetzung für die Indexzugehörigkeit feststeht, kann die betreffende Gesellschaft bereits beim nächsten Verkettungstermin ausgetauscht werden3. b) All Share- und Benchmark-Indizes
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Daneben sieht die Indexsystematik der Deutsche Börse AG noch weitere so genannte All Share- und Benchmark-Indizes vor. Diese setzen sich aus allen in einem bestimmten Marktsegment bzw. Sektor notierten Aktien zusammen, sind also nicht auf eine bestimmte Anzahl von Werten beschränkt. An ihnen lässt sich also die Entwicklung des gesamten betreffenden Segments ablesen. Dies mag zwar für den einzelnen Emittenten unmittelbar nicht denselben Stellenwert haben wie die Aufnahme in einen Auswahlindex. Aus den All Share-Indizes lassen sich jedoch auch für den einzelnen Emittenten wertvolle Schlüsse ziehen, so z.B. auf die relative Entwicklung des eigenen Kurses verglichen mit dem zugehörigen Sektor. Dies kann u.U. bei der Ausgestaltung eines Aktienoptionsplans von Interesse sein.
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Da es wegen der fehlenden zahlenmäßigen Begrenzung der jeweils enthaltenen Werte keiner ausdrücklichen Entscheidung über die Aufnahme oder den Ausschluss eines Wertes aus dem betreffenden Index bedarf, werden Veränderungen in der Zusammensetzung des betreffenden Segments durch Neuaufnahmen, Löschungen, Fusionen o.Ä. sofort im Index nachvollzogen4. Als All Share-Indizes berechnet die Deutsche Börse den Prime All Share, den Technology All Share, den Classic All Share und den CDAX. Der Prime All Share erfasst alle Werte im Prime Standard Segment. Im Technology All Share-Index sind alle Werte des Prime Standard unterhalb des DAX 30 zusammengefasst, die Branchen aus dem so genannten Technologie-Sektor zuzuordnen sind. Der Classic All Share stellt im Bereich der klassischen Branchen das Gegen1 Leitfaden zu den Ziff. 1.1.8. 2 Leitfaden zu den Ziff. 2.2.1.3. 3 Leitfaden zu den Ziff. 2.2.2.4. 4 Dazu Leitfaden zu Ziff. 2.1.
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Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008,
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Konzept von Börsennotierung und Aktienplatzierungen
stück zum Technology All Share dar. Er setzt sich aus allen Werten des Prime Standard-Segments aus klassischen Branchen zusammen – mit Ausnahme der in den DAX 30 aufgenommenen (die aufgrund ihrer Dominanz das Bild der Branchenentwicklung verfälschen könnten). Im CDAX werden alle deutschen Werte des Prime und des General Standard zusammengefasst. Der CDAX zeigt damit die Entwicklung des gesamten deutschen Aktienmarkts auf. Aus ihm lassen sich daher auch Schlüsse auf die allgemeine Einschätzung deutscher Unternehmen durch den Kapitalmarkt ziehen. Entsprechend dem Prime All Share-Index enthält der General All Share-Index alle Unternehmen, die dem General Standard angehören und veranschaulicht damit die Wertentwicklung dieses Segments. Dem Entry All Share Index gehören alle im Entry Standard notierten Unternehmen an1. Seit dem 3.1.2005 gibt es auch einen Index für eigentümergeführte Unternehmen (German Entrepreneurial Index – GEX)2. Die Zahl der dem GEX zugehörigen Werte ist nicht beschränkt, so dass ihn die Deutsche Börse den Benchmark- oder All-ShareIndizes zuordnet3. Mit der Einführung des GEX trägt die Deutsche Börse der guten Kursentwicklung eigentümergeführter Unternehmen Rechnung. Diese erfüllen oft wegen ihrer Marktkapitalisierung die Kriterien der Auswahlindizes nicht und wurden deshalb bislang kaum wahrgenommen. Die Deutsche Börse hat daher mit dem GEX eine mittelstandsspezifische Ergänzung der Auswahlindizes geschaffen. Voraussetzungen für die Aufnahme in den GEX sind4: – Führung des Unternehmens durch die „Eigentümer“, d.h., zwischen 25 % und 75 % der Stimmrechte werden von aktiven oder ehemaligen Mitgliedern des Vorstands oder Aufsichtsrats oder deren Familien unmittelbar oder mittelbar gehalten, – Börsennotierung seit maximal zehn Jahren, – Sitz des Unternehmens in Deutschland, – Notierung im Prime Standard. Die Zusammensetzung des GEX wird vierteljährlich zu den Verfallsterminen der DAX-Futures der Terminbörse Eurex angepasst (so genannter Verkettungstermin)5, d.h. jeweils am dritten Freitag im Quartalsendmonat (also März, Juni, September, Dezember). Stichtag für die Aktualisierung, zu dem die Auswahlkriterien überprüft werden, ist der jeweils ca. sieben Wochen vor dem nächsten Verkettungstermin liegende Freitag. Ein Indexwert, der eines der Auswahlkriterien zu einem Stichtag nicht mehr erfüllt, fällt zum folgenden Verkettungstermin aus dem GEX heraus; ein Nicht-Indexwert, der alle Auswahlkriterien zu einem Stichtag erfüllt, wird er zum folgenden Verkettungstermin aufgenommen6. Wie bei den Auswahlindizes erfolgen außerordentliche Anpassungen der Zusammensetzung im Falle der Insolvenz oder der Beendigung 1 Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 1. 5.1–1.5.6. 2 Dazu Broschüre der Deutsche Börse AG „GEX – Der neue Mittelstandsindex“ vom 22.11.2004, im Internet abrufbar unter www.deutsche-boerse.com; Mai, AG-Report 2005, R 18, sowie Zeller, Der Aufsichtsrat 2005, 9. 3 Leitfaden zum German Entrepreneurial Index GEX der Deutschen Börse, Version 1.0 vom Januar 2005, Ziff. 2; Broschüre der Deutsche Börse AG „Die Indexwelt der Deutschen Börse“ vom November 2007, S. 7. 4 Leitfaden zum German Entrepreneurial Index GEX der Deutschen Börse, Version 1.0 vom Januar 2005, Ziff. 2.1. 5 Leitfaden zum German Entrepreneurial Index GEX der Deutschen Börse, Version 1.0 vom Januar 2005, Ziff. 4. 6 Leitfaden zum German Entrepreneurial Index GEX der Deutschen Börse, Version 1.0 vom Januar 2005, Ziff. 2.2.
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der Notierung im Prime Standard; steht fest, dass die Voraussetzungen der GEX-Zugehörigkeit zu einem zukünftigen Termin nicht mehr vorliegen, scheidet der betroffene Wert zum nächsten Verkettungstermin aus1. Die Prüfung des Vorliegens der GEX-Auswahlkriterien erfolgt durch das Center for Entrepreneurial and Financial Studies (CEFS) an der Technischen Universität München2; die Entscheidung über die Zusammenstellung des GEX trifft die Deutsche Börse AG in Abstimmung mit dem CEFS3. c) Sektorindizes 75
Schließlich berechnet die Deutsche Börse noch Sektorindizes, denen jeweils die Unternehmen aus bestimmten Branchen zugeordnet werden. Die Sektorzuordnung richtet sich nach dem Umsatzschwerpunkt des Unternehmens4. Insgesamt werden die Unternehmen 63 Branchen (Subsektoren) zugeordnet, die wiederum in 18 Sektoren zusammengefasst sind; aus den 18 Sektoren werden wiederum neun Supersektoren gebildet. Auf dieser Grundlage ermittelt die Deutsche Börse AG die DAXsupersector, DAXsector und DAXsubsector-Indizes, bei denen nur Unternehmen aus dem Prime Standard berücksichtigt werden. Ferner werden als All-Share-Indizes die DAXsector All- und DAXsubsector All–Indizes berechnet, die zusätzlich auch Unternehmen aus dem General Standard und dem Entry Standard berücksichtigen. Für die Supersektoren wird indes kein All-Share-Index ermittelt5. d) „Late“-Indizes
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Keine gesonderte Indexkategorie im eigentlichen Sinne stellen dagegen die so genannten „Late“-Indizes dar. Diese wurden im Zuge der Verkürzung der Handelszeiten im elektronischen Xetra-Handel an der Frankfurter Wertpapierbörse geschaffen. Seit dem 3.11.2003 endet dort der Handel auf Xetra bereits um 17.30 Uhr; auf dem Parkett wird jedoch weiterhin bis 20:00 Uhr gehandelt. Die Aktienindizes der Deutsche Börse AG werden seither von 9.00 Uhr bis 17.30 Uhr wie bisher aus Xetra-Preisen berechnet; der Schlussstand ergibt sich aus der Xetra-Schlussauktion, die um 17.30 Uhr beginnt. Zusätzlich werden jedoch zwischen der Xetra-Schlussauktion und dem Ende des Parketthandels an der Frankfurter Wertpapierbörse um 20.00 Uhr die so genannten „Late“-Indizes L-DAX, L-MDAX, L-SDAX und L-TecDAX minütlich aus Parkettkursen berechnet, die in ihrer Zusammensetzung DAX, MDAX, SDAX und TecDAX entsprechen6.
1 Leitfaden zum German Entrepreneurial Index GEX der Deutschen Börse, Version 1.0 vom Januar 2005, Ziff. 2.3. 2 Das Center for Entrepreneurial and Financial Studies (CEFS) ist Teil der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität München, s. siehe www.cefs.de. 3 Leitfaden zum German Entrepreneurial Index GEX der Deutschen Börse, Version 1.0 vom Januar 2005, Einleitung. 4 Dazu Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 1.6. 5 Zur Zuordnung einzelner Branchen zu Subsektoren, Sektoren und Supersektoren: Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 4.1 f. 6 Leitfaden zu den Aktienindizes der Deutschen Börse, Version 6.5 vom Februar 2008, Ziff. 1.3 sowie Pressemitteilung der Deutsche Börse AG v. 8.10.2003.
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IV. Öffentliche und private Platzierung Zu Zeiten des Börsenbooms Ende der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts war in Deutschland ein deutlich gestiegenes Interesse von Privatanlegern an einer Geldanlage in Aktien festzustellen. Nicht zuletzt deshalb fanden auch nach der erstmaligen Platzierung von Aktien eines Unternehmens anlässlich des Börsenganges Platzierungen von Aktien häufig in Form eines öffentlichen Angebotes statt. Mit den zwischenzeitlich eingetretenen Kursrückgängen nahm auch das Interesse von Privatanlegern an Aktien ab1. Während die Zahl an Aktienplatzierungen ohnehin stark zurückging, war auch der Anteil öffentlicher Angebote an den verbleibenden Transaktionen rückläufig. Da oft eine nennenswerte Nachfrage nur von institutionellen Anlegern zu erwarten war, wurden auch größere Emissionen von vornherein nur als Privatplatzierungen bei institutionellen Anlegern durchgeführt. Die Wahl der Form der Platzierung hängt jedoch nicht nur von der allgemeinen Marktentwicklung, sondern auch von den Besonderheiten der jeweiligen Platzierung ab.
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1. Öffentliche Platzierung Sollen Aktien an einen möglichst breiten Kreis an Investoren platziert werden, so werden sie öffentlich, d.h. jedermann angeboten. Typischerweise ist dies eine Form, die im Zusammenhang mit dem so genannten Börsengang einer Gesellschaft gewählt wird (daher auch der Begriff „IPO“ – Initial Public Offering = erstmaliges öffentliches Angebot). Sie findet aber auch Anwendung bei Folgeemissionen. Rechtliche Bedeutung hat der Begriff des öffentlichen Angebotes im Hinblick auf die Prospektpflicht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG, wonach der Anbieter von Wertpapieren einen Prospekt veröffentlichen muss, wenn er diese im Inland öffentlich anbietet und weder zuvor ein Prospekt nach dem WpPG veröffentlicht worden war noch ein Ausnahmetatbestand nach § 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 WpPG eingreift (dazu Rz. 15).
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a) Vorteile Für eine Platzierung im Wege eines öffentlichen Angebotes spricht, dass so ein breites Anlegerspektrum erreicht werden kann, insbesondere Privatanleger. Durch ein öffentliches Angebot werden auch Anleger, die keine Kundenbeziehung zu den die Emission begleitenden Banken unterhalten, auf die Emission aufmerksam. Die Gesellschaft erreicht durch die mit der Durchführung eines öffentlichen Angebotes verbundene Publizitätswirkung (einschließlich etwaiger Berichterstattung in der Presse) auch über die Platzierung hinaus größere Aufmerksamkeit.
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b) Nachteile Die mit einer öffentlichen Platzierung einhergehenden Nachteile sind vor allem mit der bei solchen Angeboten regelmäßig geltenden Prospektpflicht verbunden. Die Prospekterstellung verursacht erheblichen zeitlichen, personellen und finanziellen Aufwand. Gleiches gilt auch für die bei Emissionen mit Prospekterstellung übliche Vertragsdokumentation. Der für die Prospekterstellung vorzusehende zeitliche Vorlauf bedeutet zudem einen Verlust an Flexibilität. Emissionschancen, die sich aufgrund von günstigen Marktentwicklungen kurzfristig ergeben, können mit öffentlichen Angeboten nur schwer genutzt werden. Bei volatilen Marktverhältnissen wie sie in der
1 Leven, AG-Report 2008, R 59 ff.
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jüngeren Vergangenheit zeitweise zu beobachten waren, kann dies u.U. die gesamte Platzierung in Frage stellen. 81
Die zuvor angesprochene Publizitätswirkung eines bei einem öffentlichen Angebot typischerweise zu veröffentlichenden Prospekts hat auch eine Kehrseite. Im Prospekt sind in der für einen durchschnittlichen Anleger1 erforderlichen Deutlichkeit vor allem auch die mit der Anlage verbundenen Risiken auszuführen2. Selbst wenn diese bei börsennotierten Emittenten im Hinblick auf deren Pflicht zur Ad hoc-Publizität nach § 15 WpHG dem Markt bereits bekannt sein müss(t)en, wird durch die Prospektveröffentlichung erneut besonderes Augenmerk auf die bei der Gesellschaft bestehenden Risiken gelenkt. Dies kann sich ggf. negativ auf den Kursverlauf der Aktie auswirken.
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Ferner ist das mit einer Prospektveröffentlichung einhergehende Haftungs- und Prozessrisiko zu bedenken. Die Prospektverantwortlichen haften nicht nur gegenüber den Erstkäufern der angebotenen Wertpapiere, die diese im Zuge des Angebotes erwerben, sondern gegenüber allen Anlegern, die die angebotenen bzw. börsenzugelassenen Wertpapiere binnen sechs Monaten nach dem ersten öffentlichen Angebot bzw. der Erstnotiz erwerben, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen von § 13 VerkProspG bzw. §§ 44 ff. BörsG auf Schadensersatz (dazu im Einzelnen unten § 10 Rz. 310 ff.). Dies gilt entsprechend für die Erwerber ausstattungsgleicher Wertpapiere im Zweitmarkt, d.h. der bereits vor Durchführung der Emission börsennotierten Aktien3. Das Risiko der Prospekthaftung ist nicht nur theoretisch oder auf den Zusammenbruch des Emittenten beschränkt. Bei entsprechender Kursentwicklung schützen auch sorgfältig vorbereitete Prospekte nicht immer vor der Erhebung von Prospekthaftungsklagen. Ansätze zu aus den USA bekannten Tendenzen, erlittene Spekulationsverluste durch Prospekthaftungsklagen zu kompensieren und so das Anlagerisiko auf die Prospektverantwortlichen abzuwälzen4, sind auch in Deutschland zu erkennen. Die Schaffung eines Musterverfahrens in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten durch das KapMuG5 bedeutet zwar keine Einführung einer Sammelklage US-amerikanischer Prägung. Jedoch führt es zu einer Bündelung von Verfahren zur Durchsetzung gleichgerichteter Ansprüche, indem eine für alle Klagen gleiche Anspruchsvoraussetzung (z.B. die Unrichtigkeit eines Prospekts) einheitlich festgestellt wird6.
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Gerade bei breit platzierten Emissionen droht so die Gefahr, Prospekthaftungsklagen in erheblichem Ausmaß ausgesetzt zu sein, die ggf. durch zur Klageerhebung auf1 Dieser ist nach ganz h.M. der Maßstab, an dem sich die Prospektdarstellung auszurichten hat, vgl. BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81 – „Beton- und Monierbau“, WM 1982, 862, 863 = AG 1982, 278; OLG Frankfurt a.M. v. 1.2.1994 – 5 U 213/92 – „Bond“, WM 1994, 291, 295 = AG 1994, 184; OLG Frankfurt a.M. v. 17.3.1999 – 21 U 260/97 – „MHM Mode“, ZIP 1999, 1005, 1006 = AG 1999, 325; für eine Ausrichtung an den Empfängerhorizont eines „verständigen“ Anlegers Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 41 ff. 2 Assmann in Assmann/Lenz/Ritz, § 13 VerkProspG Rz. 31. 3 Vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 69; die von Groß erwogene Möglichkeit, zu Vermeidung dieser Haftungsausweitung nicht ausstattungsgleiche Wertpapiere auszugeben oder die neuen Papiere vorübergehend mit einer anderen Wertpapierkennnummer zu versehen, erscheint auf Grund der – auch von Groß angesprochenen – Zersplitterung des Handels und der dann zu befürchtenden geringen Liquidität der neuen Papiere nur schwer umsetzbar. 4 Zu Missbrauchsgefahren im US-amerikanischen Kapitalanlagerecht Lenenbach, WM 1999, 1393. 5 Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – KapMuG) v. 16.8.2005, BGBl. I 2005, 2437. 6 Begr. RegE KapMuG BR-Drucks. 2/05, S. 36; zum KapMuG Maier-Reimer/Wilsing, ZGR 2006, 79; Möllers/Weichert, NJW 2005, 2737; Schneider, BB 2005, 2249.
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rufende Medienberichte unterstützt werden. Bereits die Erhebung einer noch so unbegründeten und unsubstantiierten Prospekthaftungsklage kann negative Auswirkungen auf die Gesellschaft haben. Schon die mit dem öffentlichen Bekanntwerden der Klageerhebung ausgelöste Sorge vor Haftungsrisiken führt u.U. zu Kursrückgängen. Die Verteidigung gegen Prospekthaftungsansprüche ist aufwändig und kostenintensiv. Die Kosten entsprechend spezialisierter Anwälte werden auch im Falle des Obsiegens nicht vollständig ersetzt werden können, da diese die gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO ersetzbaren gesetzlichen Gebühren häufig nicht unerheblich übersteigen. Zudem muss mit erheblichem, nicht ersetzbarem internem Aufwand auf Seiten des Emittenten gerechnet werden. Schließlich besteht die Gefahr, dass die Gesellschaft sich während des laufenden Prospekthaftungsverfahrens immer wieder negativer Berichterstattung ausgesetzt sieht. 2. Privatplatzierung Nicht zuletzt die gesunkene Nachfrage nach Aktien aus dem Kreis der Privatanleger hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass vermehrt Aktienpakete „privat“, d.h. ohne öffentliches Angebot nur an eine begrenzte Zahl primär institutioneller Investoren platziert wurden. Dies betraf nicht nur Umplatzierungen bestehender Aktien, sondern auch neue Aktien aus Kapitalerhöhungen.
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a) Vorteile Ein wesentlicher Vorteil der Privatplatzierung von Aktien ist der geringere Zeit- und Kostenaufwand für die Vorbereitung der Transaktion. Selbst wenn neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung erstmals angeboten werden, entfällt die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG, wenn die Aktien ausschließlich an qualifizierte Anleger i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 6 WpPG angeboten werden. Darunter fallen z.B. institutionelle Investoren wie Banken, Versicherungen Kapitalanlagegesellschaften, Investmentaktiengesellschaften sowie ausländische Investmentgesellschaften und von diesen beauftragte Verwaltungsgesellschaften, Pensionsfonds und deren Verwaltungsgesellschaften, Warenderivatehändler sowie sonstige Einrichtungen, deren einziger Geschäftszweck in der Wertpapieranlage besteht. Auch andere juristische Personen mit Ausnahme kleiner oder mittlerer Unternehmen i.S. von § 2 Nr. 7 WpPG gelten als qualifizierte Anleger, Kleine oder mittlere inländische Unternehmen sowie natürliche Personen mit Wohnsitz im Inland werden dann als qualifizierte Anleger behandelt, wenn sie nach § 27 WpPG als qualifizierte Anleger bei der BaFin registriert sind. Entsprechendes gilt für kleine oder mittlere Unternehmen mit Sitz in einem anderen EWR-Staat sowie in einem solchen Staat wohnhafte natürliche Personen, sofern sie in diesem Staat in ein gleichwertiges Register eingetragen sind. Zusätzlich können Wertpapiere nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 WpPG an weniger als 100 nicht qualifizierte Anleger pro EWR-Staat prospektfrei angeboten werden. Eine Kombination beider Ausnahmetatbestände ist möglich (siehe oben Rz. 15)1.
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Sollte die Börsenzulassung neuer Aktien erforderlich sein, kann gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG auf einen Prospekt verzichtet werden, wenn diese weniger als 10 % der Zahl der (unmittelbar vor der relevanten Zulassungsentscheidung) bereits zugelas-
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1 Groß, Kapitalmarktrecht, § 3 WpPG Rz. 6; Schnorbus, AG 2008, 389, 420 f.; CESR, Frequently asked questions regarding prospectuses: Common positions agreed by CESR Members“, Ref. CESR/08–426 vom Mai 2008, unter 30., im Internet abrufbar unter www.cesr.eu.
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senen Aktien gleicher Gattung ausmachen1; andere Ausnahmetatbestände des § 4 Abs. 2 WpPG dürften in aller Regel nicht einschlägig sein. Daher beschränken sich Privatplatzierungen neuer Aktien auf dieses Volumen. Dabei ist darauf zu achten, dass bei einer Kapitalerhöhung die 10 %-Grenze des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG für einen vereinfachten Bezugsrechtsausschluss nicht vollständig ausgenutzt wird, da die infolgedessen zuzulassende Zahl neuer Aktien ggf. genau und nicht nur „weniger als 10 %“ der Zahl bisher zugelassener Aktien beträgt. Die Grenze des prospektrechtlichen Ausnahmetatbestandes wäre damit überschritten. Im Hinblick auf das überschaubare Volumen wird bei solchen Transaktionen regelmäßig auch kein Übernahmekonsortium gebildet, was zu einer Begrenzung des Dokumentations- und Koordinationsaufwandes beiträgt. Insbesondere kann der sonst bei Erstellung eines Prospekts übliche umfangreiche Gewährleistungskatalog allgemeiner gehalten werden (dazu im Einzelnen § 8 Rz. 181). Die schlankeren Strukturen bei der Emissionsvorbereitung bedeuten größere Flexibilität bei der Durchführung der Platzierung. Dies ermöglicht ein schnelleres Reagieren auf Marktchancen, was gerade bei den in der jüngeren Vergangenheit wieder zu beobachtenden volatilen Märkten von erheblicher Bedeutung ist. 87
Ein Vorteil der Privatplatzierung nur an institutionelle Investoren liegt auch in dem – jedenfalls faktisch – geringeren Haftungsrisiko. Mangels Prospekt greifen die Tatbestände der gesetzlichen Prospekthaftung (§ 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG) nicht ein. Allerdings werden auch für die Platzierung von Aktien bei institutionellen Investoren bestimmte Vertriebsunterlagen verwendet. Üblich sind so genannte Term Sheets, die wesentliche Daten der Platzierung und des Emittenten enthalten sowie ggf. kurz gefasste Informationsmemoranden. Inwieweit hier die so genannten bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung Anwendung findet, ist unklar. Ein Prospekt im Sinne der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung ist jedes Schriftstück, das für die Beurteilung der Anlage wesentliche Angaben enthält oder den Eindruck eines solchen Inhalts erwecken soll2. Bei Kurzexposés, die offenkundig nicht den Eindruck der Vollständigkeit erwecken, ist dies streitig3. Jedenfalls wird ein Haftungsrisiko nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass sich eine Platzierung nur an erfahrene institutionelle Anleger richtet. Auch diese können grds. anspruchsberechtigt sein4, jedenfalls insoweit, als sie ein Informationsdefizit hinsichtlich der angebotenen Anlage haben5. Bei der Platzierung von Aktien einer börsennotierten Gesellschaft wird sich das Informationsdefizit eines institutionellen Anlegers angesichts der Offenlegungspflichten des Emittenten vor allem auf dessen aktuelle Entwicklung beziehen. Veränderungen der finanziellen oder geschäftlichen Verhältnisse der Gesellschaft muss diese jedoch, soweit sie zur Kursbeeinflussung geeignet sind, ohnehin unverzüglich gemäß § 15 WpHG ad hoc dem Markt mitteilen. Typischerweise werden daher an Investoren ver1 Lachner/von Heppe, WM 2008, 576 ff.; Schnorbus, AG 2008, 389, 406 f. 2 Groß, Kapitalmarktrecht, § 47 BörsG Rz. 5; Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 135; Siol in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Bd. I, 3. Aufl. 2007, § 45 Rz. 49 f.; Eyles in Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 2 Rz. 56. 3 Für eine Behandlung als Prospekt Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, § 9 Rz. 9.27; dagegen soll nach a.A. kein Prospekt vorliegen, wenn die Unterlagen einen Hinweis auf andere umfassende Unterrichtungsmöglichkeiten enthalten, so Eyles in Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 2 Rz. 58; zum Streitstand Meyer, WM 2003, 1301, 1303. 4 Eyles in Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 2 Rz. 53; Assmann in Assmann/ Schütze, Handbuch der des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 174. 5 BGH v. 17.5.1984 – II ZR 199/83, WM 1984, 960; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, § 9 Rz. 9.33; gegen eine Aufklärungspflicht gegenüber institutionellen Investoren Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 351 f.
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teilte Kurzinformationen lediglich die aktuellen veröffentlichten Finanzinformationen der Gesellschaft zusammenfassen. Dabei sind solche Informationen jedoch nicht wie ein Verkaufsprospekt am durchschnittlichen Anleger auszurichten, sondern können auf den Kenntnisstand des angesprochenen institutionellen Adressatenkreises abgestellt werden. Daneben entfällt auch die beschriebene Haftung für Erwerbsvorgänge im Sekundärmarkt, die § 13 VerkProspG und §§ 44 ff. BörsG vorsehen. Sollen jedoch durch ein prospektfreies Angebot auch Privatanleger angesprochen werden, so sind diese unabhängig von der gesetzlichen Prospektpflicht über alle für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände aufzuklären1. Die dazu erforderlichen Informationen dürften sich nicht wesentlich von den Inhalten eines Wertpapierverkaufs- oder Börsenzulassungsprospekts unterscheiden, jedoch der „schärferen“ zivilrechtlichen Prospekthaftung unterliegen (siehe oben Rz. 18 und unten § 10 Rz. 367) b) Nachteile Die schlankere Vertragsdokumentation und – mangels Prospekterstellung – verkürzte Emissionsvorbereitung bei einer prospektfreien Platzierung schlägt sich auf die Vorlaufzeit einer Emission allerdings nur dann signifikant nieder, wenn es den Emissionsbanken selbst möglich ist, innerhalb relativ kurzer Zeit ausreichende Gewissheit über die Lage der Gesellschaft und ihre finanziellen Verhältnisse zu erlangen. Dies ist auch bei prospektfreien Emissionen vonnöten. Trotz geringerer Haftungsrisiken haben die Emissionsbanken schon aus Reputationsgründen ein eigenes Interesse daran, die Emission nur dann zu begleiten, wenn sie sich hinreichend vergewissern konnten, dass das veröffentlichte Zahlenwerk der Gesellschaft deren wirtschaftliche Lage zutreffend widerspiegelt. Ob dies der Fall ist, obliegt letztlich der Entscheidung der einzelnen Bank. Dabei dürfte es eine Rolle spielen, inwieweit sich die Finanzberichterstattung der Gesellschaft in der Vergangenheit als verlässlich erwiesen hat und ob diese auch hinsichtlich der Aktualität guter Marktpraxis entspricht. Gleiches gilt für die Erstellung von Quartalsberichten2 und deren prüferische Durchsicht durch einen Wirtschaftsprüfer3.
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Soweit es sich jedoch um eine reine Umplatzierung von Aktien aus Altaktionärsbestand handelt, wird die Möglichkeit zu eigenen Untersuchungen durch die Emissionsbank äußerst begrenzt sein. Die Platzierung muss daher unter Zugrundelegung der von der Gesellschaft veröffentlichten Informationen stattfinden. Aktionär, Emissionsbank und erwerbende Investoren werden sich regelmäßig auf deren Richtigkeit und auf die Einhaltung der Ad hoc-Mitteilungspflicht der Gesellschaft nach § 15 WpHG zu verlassen haben.
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1 BGH v. 5.7.1993 – II ZR 194/92 – „Hornblower Fischer“, BGHZ 123, 106, 112 = AG 1994, 32. 2 Zu deren Erstellung sind nach § 66 BörsO FWB im so genannten Prime Standard Segment der Frankfurter Wertpapierbörse notierte Gesellschaften verpflichtet. Für in den USA börsennotierte Gesellschaften ist die Veröffentlichung von Quartalsberichten nach Section 13 (a) (1) Securities Exchange Act von 1934 i.V.m. Rule 13a-13 (a) der General Regulations zum Securities Exchange Act von 1934 und General Instruction A. Ziff. 1 Satz 2 von Form 10-Q (im Internet abrufbar unter www.sec.gov/divisions/corpfin/forms/10.q.htm) vorgeschrieben. 3 Diese wird den im Prime Standard Segment der Frankfurter Wertpapierbörse notierten Gesellschaften empfohlen; vgl auch Schreiben der Deutsche Börse AG v. 25.11.2002, im Internet abrufbar unter: www.deutsche-boerse.com; in den USA sieht Article 10 Rule 10–01 (d) der Regulation S-X für börsennotierte Gesellschaften eine Pflicht prüferische Durchsicht (so genanntes Review) von Quartalsberichten vor.
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c) Arten 90
Im Rahmen der Privatplatzierung von Aktien sind unterschiedliche Gestaltungsformen der Platzierung denkbar, die hier kurz umrissen werden sollen.
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aa) Block Trade/Accelerated Bookbuilding. Die Begriffe Block Trade und Accelerated Bookbuilding bezeichnen unterschiedliche Formen der Vermarktung privat angebotener Wertpapiere1. Beim Block Trade verkauft die Bank durch private Ansprache institutioneller Investoren unmittelbar außerbörslich Pakete der zur Platzierung übernommenen Aktien. Dagegen werden beim so genannten Accelerated Bookbuilding – ähnlich dem Bookbuilding bei öffentlichen Platzierungen (dazu näher siehe unten § 8 Rz. 30) – Investoren aufgrund einer zuvor auf der Grundlage der gegenwärtigen Markteinschätzung festgelegten Preisspanne angesprochen und aufgefordert, bis zu einem zuvor festgelegten Zeitpunkt ihrerseits Angebote zum Erwerb einer bestimmten Zahl der angebotenen Aktien zu einem bestimmten Preis innerhalb dieser Preisspanne abzugeben. Der Zeitraum für die Abgabe dieser Angebote beträgt typischerweise – anders als bei öffentlichen Platzierungen – nur wenige Stunden. Nach dem Ende dieses Zeitraumes werden die eingegangenen Angebote ausgewertet, ein einheitlicher Platzierungspreis festgelegt und die Platzierungsaktien an Investoren zugeteilt. Beiden Formen gemeinsam ist, dass die Ansprache von ausschließlich institutionellen Investoren eine schnelle Platzierung ermöglicht. Diese Art der Platzierung ist mittlerweile auch bei Kapitalerhöhungen im Volumen von unter 10 % des Grundkapitals gebräuchlich; die so entstandenen neuen Aktien können aufgrund der Befreiung von der Prospektpflicht in § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG prospektfrei zum Börsenhandel zugelassen werden (eingehend dazu siehe unten § 8 Rz. 180 ff.).
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bb) Festübernahme/Kommission und Mischformen. Bei der Umplatzierung von Aktien aus Altaktionärsbestand ist daneben zu unterscheiden, ob die Bank die Platzierungsaktien fest oder nur kommissionsweise übernimmt. Die Festübernahme ist dadurch gekennzeichnet, dass die Bank die Platzierungsaktien zu einem bestimmten Preis fest übernimmt und damit das Platzierungsrisiko trägt. Ihr steht dann aber auch der über den Übernahmepreis hinaus erzielte Platzierungserlös zu. Bei der Kommission übernimmt die Bank die Platzierungsaktien für Rechnung des angebenden Aktionärs, um diese bestmöglich zu platzieren. Dabei wird ein bestimmter Zeitraum festgelegt, innerhalb dessen die Platzierung zu erfolgen hat. Der bei der Platzierung erzielte Erlös ist an den Aktionär abzuführen, abzüglich einer in Prozent des Platzierungspreises zu bemessenden Kommission sowie ggf. etwa entstandener Kosten. Nicht platzierte Aktien werden dem Aktionär zurückgegeben. Die Bank trägt mithin kein Platzierungsrisiko, ist aber an einem höheren Erlös nur insoweit beteiligt, als sich die regelmäßig in Prozent bemessene Platzierungsprovision proportional zum erzielten Platzierungspreis erhöht. In jüngerer Zeit sind zunehmend auch Mischformen zu beobachten, bei denen die Bank Aktien fest übernimmt, den abgebenden Aktionär jedoch in gewissem Umfang an dem bei der Weiterplatzierung über den Festpreis hinaus erzielten Erlös beteiligt (so genanntes Upside Sharing). Umgekehrt kann auch bei einer Platzierung im Wege des Accelerated Bookbuilding für den abgebenden Aktionär eine höhere Platzierungssicherheit durch Kombination mit einer Festübernahme zu einem Mindestpreis erreicht werden (so genanntes Backstop Underwriting)2.
1 Ausführlich zu den verschiedenen Gestaltungsformen Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, die „Block Trade“ als Oberbegriff verstehen, der auch das Accelerated Bookbuilding und andere Platzierungsformen wie z.B. das Kommissionsgeschäft (dazu sogleich Rz. 92) erfasst. 2 Zur konkreten Ausgestaltung § 8 Rz. 191 ff. sowie Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 348.
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V. Zeitplan 1. Bedeutung Für das Gelingen einer Emission bzw. Platzierung ist – gerade in Zeiten volatiler Märkte – eine vorausschauende Zeitplanung von entscheidender Bedeutung. Hierbei trifft die Emissionsbank eine wichtige Koordinationsfunktion. Im Hinblick auf Berichtszeiträume, konkurrierende Emissionen und saisonale Umstände wie z.B. Feiertage und das ruhigere Marktumfeld in den Sommermonaten können bereits Verzögerungen um nur wenige Tage erhebliche Verschiebungen im Zeitplan zur Folge haben. Dies kann die Platzierbarkeit der Aktien erschweren und schlimmstenfalls sogar zur Absage der ganzen Transaktion führen. Daher sind die Abläufe der Transaktionsvorbereitung und die jeweiligen Verantwortlichkeiten frühzeitig festzulegen. Zwangsläufig ergeben sich im Laufe des Prozesses immer wieder Änderungen im Zeitplan, der regelmäßig und zeitnah zu aktualisieren ist. Dabei empfiehlt es sich, konservativ zu planen und zeitliche „Puffer“ vorzusehen, um nicht vorhergesehene Verzögerungen auffangen zu können. Da die Emissionsvorbereitung ein arbeitsteiliger Vorgang ist, muss die Zeitplanung mit allen Beteiligten, einschließlich hinzugezogenen Beratern (v.a. Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer) sowie im Hinblick auf das Prospektbilligungsverfahren der BaFin frühzeitig abgestimmt werden.
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2. Ausgestaltung a) Inhalte Aus nahe liegenden Gründen weist jeder Zeitplan je nach Transaktionsstruktur Besonderheiten auf. Als Beispiel ist nachstehend ein Zeitplan für eine Bezugsrechtskapitalerhöhung aufgeführt1. Mo, 16. Juli
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Kick-off Meeting
Di, 17. Juli
–
Beginn Due Diligence und Prospekterstellung
Di, 14. August
–
Veröffentlichung des Zwischenberichts zum 30. Juni
Mo, 24. September
–
Erste Einreichung eines Prospektentwurfs bei der BaFin
Di, 25. September
–
Verteilung des ersten Entwurfs des Übernahmevertrages
–
Verteilung erster Entwürfe von Legal und Disclosure Opinions sowie des Comfort Letters
Di, 9. Oktober
–
Kommentare der BaFin („Anhörungsschreiben“)
Fr, 12. Oktober
–
Zweite Einreichung eines (überarbeiteten) Prospektentwurfs bei der BaFin
Mi, 17. Oktober
–
Abstimmung der zum Handelsregister einzureichenden Unterlagen mit dem Registerrichter
Di, 23. Oktober
–
Abschließende Kommentare der BaFin zur zweiten Einreichungsfassung des Prospekts
1 Der für die Erstellung eines einreichungsfähigen Prospektes zu veranschlagende Zeitraum kann je nach den Umständen des Einzelfalles auch deutlich länger zu bemessen sein. Dies hängt z.B. davon ab, ob dabei auf Prospekte aus anderen Transaktionen oder auf Dokumente der Regelpublizität nach US-Regeln (etwa das so genannte 20-F Filing, dazu unten § 11 Rz. 20) als Grundlage zurückgegriffen werden kann. Siehe auch den Beispielszeitplan bei Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525, 529.
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Börsennotierung –
Einladung der Konsorten1
Mi, 24. Oktober
–
Einreichung der Billigungsfassung des Prospekts bei der BaFin
Do, 25. Oktober
–
Grundsatzbeschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat über Art und Inhalt der Kapitalerhöhung
–
Ad hoc-Mitteilung und Pressemitteilung
–
Einreichung von Legal und Disclosure Opinions sowie des Comfort Letters beim Rechtsberater der Konsortialbanken zur treuhänderischen Verwahrung (escrow)
–
Unterzeichnung des Übernahmevertrages
–
Freigabe von Disclosure und Legal Opinions sowie Comfort Letters
Fr, 26. Oktober
–
Billigung des Prospekts durch die BaFin
–
Veröffentlichung des Prospekts durch Einstellen ins Internet (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 WpPG)
Sa, 27. Oktober So, 28. Oktober
Veröffentlichung der Hinweisbekanntmachung nach § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG2 –
Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat über den Bezugspreis Ad hoc-Mitteilung und Pressemitteilung zur Höhe des Bezugspreises
Mo, 29. Oktober Di, 30. Oktober
Veröffentlichung des Bezugsangebots mit Bezugspreis –
Beginn der Bezugsfrist
–
Beginn des Bezugsrechtshandels
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Abgabe von Legal Opinions
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Zeichnung der neuen Aktien
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Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung beim Handelsregister
–
Antrag auf Börsenzulassung und Notierungsaufnahme (bzw. Einbeziehung in die laufende Notierung)
Mi, 7. November
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Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung
Do, 8. November
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Zulassung der neuen Aktien zum Handel im regulierten Markt
–
Ende des Bezugsrechtshandels
–
Veröffentlichung des Zulassungsbeschlusses
Di, 6. November
Fr, 9. November
1 Zwischen der Einladung der Konsorten, die mit der Aufforderung zur Erteilung einer Vollmacht zum Abschluss des Übernahmevertrages verbunden wird und dem Abschluss des Übernahmevertrages selbst können – je nach Emissionsstruktur – u.U. auch nur wenige Tage, manchmal sogar nur Stunden liegen; vgl. auch Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band III, 2. Aufl. 2001, § 112 Rz. 89; Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 18. 2 Für den Beginn des Angebotes ist die Veröffentlichung der Hinweisbekanntmachung unbeachtlich, insoweit kommt es nur auf die Prospektveröffentlichung spätestens am Werktag vor Beginn des Angebotes an, Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 70.
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–
Ende der Bezugsfrist
Di, 13. November
–
Einbeziehung der neuen Aktien in die laufende Notierung
–
Platzierung der nicht bezogenen neuen Aktien
Mi, 14. November
–
Abgabe von Disclosure und Legal Opinions sowie eines (Bring down-)Comfort Letters Abrechnung der bezogenen Aktien (erstes Settlement oder auch Closing I)
Do, 15. November
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Abrechnung der bezogenen Aktien (zweites Settlement oder auch Closing II)
b) Insbesondere: Berücksichtigung rechtlicher Vorgaben Bei der konkreten Ausgestaltung eines Zeitplanes sind insbesondere rechtliche Vorgaben zu berücksichtigen, die die Abläufe einer Emission erheblich prägen können.
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aa) Finanzinformationen. Finanzinformationen des Emittenten sind ein maßgeblicher Bestandteil eines Prospekts. Bei Prospekten für das Angebot und/oder die Börsenzulassung von Aktien enthält die von der EU-Kommission erlassene Verordnung (EG) Nr. 809/2004 („ProspV“), die die gemäß § 7 WpPG in einen Prospekt aufzunehmenden Mindestangaben regelt1, in ihren Anhängen I und II detaillierte Vorgaben für die aufzunehmenden Finanzinformationen2. So hat der Prospekt für jedes der letzten drei Geschäftsjahre des Emittenten grds. geprüfte Finanzinformationen nach IFRS in den Prospekt aufzunehmen (historische Finanzinformationen, siehe Ziff. 20.1 Abs. 1 Satz 1 des Anh. I der ProspV). Für Zeiträume, für die der Emittent (noch) keine IFRS-Konzernabschlüsse nach der Verordnung (EG) 1606/2002 („IAS-VO“)3 zu erstellen hatte (dazu § 56 Rz. 22), genügt jedoch die Aufnahme von Finanzangaben nach nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen eines EU-Mitgliedstaates. Für die letzten beiden Jahre müssen die historischen Finanzinformationen aber konsistent mit dem nächsten gleichartigen Jahresabschluss sein. Im Ergebnis bedeutet dies wegen der Pflicht kapitalmarktorientierter Unternehmen zur IFRS-Konzernberichterstattung nach Art. 4 IAS-VO, dass für die letzten beiden Geschäftsjahre geprüfte Finanzangaben nach IFRS beizubringen sind. Etwaige nach nationalen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellte Finanzinformationen müssen alle Bestandteile enthalten, die für Abschluss nach IFRS vorgeschrieben sind4, d.h. bei Abschlüssen nach deutschen Rechnungslegungsgrundsätzen müssen i.d.R. eine Eigenkapitalveränderungsrechnung und eine Kapitalflussrechnung neu erstellt und geprüft werden5. Dass die BaFin bei deutschen Emittenten zudem die Aufnahme eines HGB-Einzelabschlusses für das letzte Geschäftsjahr verlangt6, ist für den Zeitplan unproblematisch, da dieser ohnehin zu erstellen ist (dazu § 55 Rz. 83)7. Ferner dürften
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1 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004, ABl. EU Nr. L 149 v. 30.4.2004, S. 1; Berichtigung in ABl. EU Nr. L 215 v. 16.6.2004, S. 3. 2 Ausführlich zu Anforderungen an Finanzinformationen in Wertpapierprospekten Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 20 ff. 3 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. EG Nr. L 243 v. 11.9.2002, S. 1. 4 Vgl. IAS 1.8. 5 BaFin, Workshop: 100Tage WpPG, Präsentation „Entwicklung der Verwaltungspraxis zu Finanzinformationen im Prospekt nach WpPG“ vom 3.11.2005, S. 6; dazu IDW Prüfungshinweis: Prüfung von zusätzlichen Abschlusselementen (IDW PH 9.960.2), abgedruckt in WPg 2006, 333. 6 Dazu Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498, 503; Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81, 88. 7 Vgl. auch RegE BilReG BT-Drucks. 15/3419, S. 23.
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die jüngsten geprüften Finanzinformationen nach Ziff. 20.5 des Anh. I der ProspV grds. nicht älter als 15 Monate sein, wobei es auf den Bilanzstichtag ankommt. Hat der Emittent seit dem Stichtag seines letzten geprüften Jahresabschlusses Quartals- oder Halbjahres-Finanzinformationen veröffentlicht, sind diese gemäß Ziff. 20.6.1 Satz 1 des Anh. I der ProspV in den Prospekt aufzunehmen. Wird der Prospekt mehr als neun Monate nach dem Ende des letzten Geschäftsjahres veröffentlicht, müssen nach Ziff. 20.6.2 Anh. I ProspV auf jeden Fall Zwischenfinanzinformationen für die ersten sechs Monate des (laufenden) Geschäftsjahres aufgenommen werden. Eine Prüfung ist nicht erforderlich. Diese Zwischenfinanzinformationen sind nach denselben Rechnungslegungsgrundsätzen zu erstellen wie die in den Prospekt aufgenommenen historischen Finanzinformationen, also grds. IFRS1. Ohnehin sollte schon im Hinblick auf eine erfolgreiche Vermarktung den Prospektverantwortlichen daran gelegen sein, in dem Prospekt möglichst aktuelle Zahlen des Emittenten zu zeigen. 97
Hinzu kommt, dass häufig ein Wirtschaftsprüfer (i.d.R. der Abschlussprüfer der Gesellschaft) damit beauftragt wird, in Bezug auf die Entwicklung der Gesellschaft nach dem Stichtag des letzten abgedruckten Abschlusses bestimmte Untersuchungshandlungen vorzunehmen. Deren Ergebnisse werden regelmäßig – internationalen Standards entsprechend – in einem so genannten Comfort Letter zusammengefasst (dazu unten § 10 Rz. 209 ff.). Für den unmittelbar vor dem Prospektdatum liegenden Zeitraum, der nicht mehr von einem Jahres- oder Zwischenabschluss erfasst ist, bestehen diese Untersuchungen weitestgehend aus dem Lesen der Protokolle von Vorstand und Aufsichtsrat sowie aus Befragungen2. Auf deren Grundlage bestätigt der Wirtschaftsprüfer im Comfort Letter, er habe keine Kenntnis von Veränderungen bestimmter wesentlicher Kennzahlen, es sei denn, diese sind im Prospekt offengelegt (so genannte negative assurance). Nach 135 oder mehr Tagen seit dem Stichtag des letzten geprüften oder prüferisch durchgesehenen Abschlusses sind die Wirtschaftsprüfer jedoch zumeist nicht mehr bereit, eine solche Aussage zu treffen. Sie beschränken sich dann nur noch auf die Wiedergabe der ihnen erteilten Auskünfte (so genannte 135-Tage-Regel)3. Wenngleich man über den Sinn dieser Praxis streiten kann, ist dies bei der Zeitplanung der Emission zu berücksichtigen. Insbesondere die für die Erstellung eines Zwischenabschlusses und dessen prüferische Durchsicht durch den Abschlussprüfer4 erforderliche Zeit sollte von vorneherein mit dem Prüfer abgestimmt und im Zeitplan berücksichtigt werden. Gleiches gilt auch für andere von dem Abschlussprüfer im konkreten Fall durchzuführende Untersuchungen. Hinzu kommt, dass der Umfang und die Qualität der vom Prüfer erwarteten negative assurance maßgeblich von den Informationen abhängt, die ihm für den zu beurteilenden Zeitraum zur Verfügung steht. Dabei hat sich das Vorliegen von ak-
1 CESR’s recommendations for the consistent implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses n° 809/2004, Ref: CESR/05–054b vom Januar 2005, Rz. 103; im Internet abrufbar unter www.cesr-eu.org. 2 IDW Prüfungsstandard: Grundsätze für die Erteilung eines Comfort Letter (IDW PS 910) v. 4.3.2004, WPg 2004, 342, 351, Tz. 72 ff.; Statement on Auditing Standards (SAS) 72, AICPA Professional Standards Volume I, AU Section AU 634 Letters for Underwriters and Certain Other Requesting Parties, Tz. 45.; erläuternd dazu Meyer, WM 2003, 1745, 1753. 3 IDW Prüfungsstandard: Grundsätze für die Erteilung eines Comfort Letter (IDW PS 910) v. 4.3.2003, WPg 2004, 342, Tz. 73 f., 87 sowie Formulierungsbeispiel 4.1, Tz. 5b, c in der Anlage dazu. 4 Dazu Schindler, WPg 2002, 1121; Klein/Rulfs in WP-Handbuch 2002, Bd. II, Abschnitt P sowie IDW Prüfungsstandard: Grundsätze für die prüferische Durchsicht von Abschlüssen (IDW PS 900), WPg 2001, 1078 ff.
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tuellen Monatsberichten, die aus den Systemen des Rechnungswesens stammen sollten, als nützlich erwiesen. Hat der Emittent im laufenden oder während des abgeschlossenen Geschäftsjahrs eine Unternehmenstransaktion durchgeführt, die zu einer Veränderung um mehr als 25 % bei einer oder mehreren für den Umfang des Geschäftsbetriebs des Emittenten maßgeblichen Kennzahlen wie Bilanzsumme, Umsatzerlöse oder Jahresergebnis1 geführt hat, sind nach Ziff. 20.2 Anh. I ProspV in einen für ein Angebot oder die Börsenzulassung von Aktien erstellten Prospekt (grds.) Pro-Forma-Finanzinformationen aufzunehmen, Diese sollen darstellen, wie sich die Transaktion auf Aktiva, Passiva und Erträge des Emittenten ausgewirkt hätte, wäre sie bereits zum Beginn des jeweiligen Berichtszeitraumes durchgeführt worden. Nach Ziff. 5 Anh. II ProspV können Pro-forma-Finanzinformationen nur für den laufenden Berichtszeitraum, den letzten abgeschlossenen Berichtszeitraum und/oder den letzten Zwischenberichtszeitraum, für den jeweils Finanzinformationen im Prospekt enthalten sind, aufgenommen werden. Die BaFin besteht jedoch auf der Aufnahme von Pro-forma-Finanzinformationen für den letzten Zwischenberichtszeitraum, für den Zwischenfinanzinformationen im Prospekt abgedruckt sind. Den Pro-forma-Finanzinformationen ist ein Bericht eines Wirtschaftsprüfers beizufügen, in dem dieser bestätigt, dass diese ordnungsgemäß auf der angegebenen Basis erstellt wurden und diese Basis mit den Rechnungslegungsgrundsätzen sowie den „Rechnungslegungsstrategien“ (d.h. Ausweis-, Bilanzierungsund Bewertungsmethoden) des Emittenten konsistent ist2. Für die Erstellung und die nachfolgende Prüfung der Pro-Forma-Finanzangaben ist ausreichend Zeit zu veranschlagen. Bei abzubildenden Unternehmensakquisitionen sollte insbesondere berücksichtigt werden, wann der Emittent Zugang zum Rechnungswesen des Zielunternehmens erhält.
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Daneben sind im Falle von der Prospekterstellung vorangegangenen Umstrukturierungen oder noch nicht abgeschlossenen Akquisitionen die ergänzenden Anforderungen der von der EU-Kommission 2007 erlassenen Änderungsverordnung zur ProspV („ÄndVProspV“) zu beachten3. Danach kann die für die Prospektbilligung zuständige Behörde die Aufnahme zusätzlicher Informationen in den Prospekt verlangen. Dies betrifft zum einen Emittenten mit so genannter komplexer finanztechnischer Vorgeschichte i.S.v. Art. 4a Abs. 4 ProspV. Diese liegt vor, wenn die aktuelle Geschäftstätigkeit des Emittenten nicht vollständig in dessen historischen Finanzinformationen abgebildet ist, die Bildung eines fundiertes Urteils über den Emittenten i.S.v. Art. 5 Abs. 1 ProspRL (§ 5 Abs. 1 WpPG) dadurch beeinträchtigt ist und die dazu benötigten Informationen Gegenstand von Finanzinformationen einer anderen Gesellschaft sind4. Zum anderen bezieht sich die Neuregelung auf Emittenten, die bedeu-
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1 CESR’s recommendations for the consistent implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses n° 809/2004, Ref: CESR/05–054b vom Januar 2005, Rz. 92; im Internet abrufbar unter www.cesr-eu.org. 2 Ziff. 20.2 Anh. I, Ziff. 7 Anh. II ProspV; dazu IDW-Prüfungshinweis: Prüfung von Pro-FormaFinanzinformationen (IDW PH 9.960.1), WPg 2006, 133. 3 Verordnung (EG) Nr. 211/2007 der Kommission vom 27.2.2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Finanzinformationen, die bei Emittenten mit komplexer finanztechnischer Vorgeschichte oder bedeutenden finanziellen Verpflichtungen im Prospekt enthalten sein müssen, ABl. EU Nr. L 61 v. 28.2.2007, S. 24; erläuternd dazu Meyer in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 36 ff. 4 Arnold/Lehmann, 4. Workshop der BaFin „Praxiserfahrungen mit dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG)“, Präsentation „‚Complex Financial History‘ und weitere Neuerungen bei den Finanzinformationen“ vom 4.9.2007, S. 8.
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Börsennotierung
tende finanzielle Verpflichtungen eingegangen sind, die nach ihrer Durchführung Pro–forma-Finanzangaben erforderlich machen würden. In beiden Fällen verlangt die Billigungsbehörde die Aufnahme von Finanzinformationen einer anderen Gesellschaft (oder von Teilen davon) in den Prospekt, wenn dies zur Bildung eines fundiertes Urteils auf der Grundlage des Prospekts erforderlich ist. Welche Finanzinformationen im Einzelfall abzudrucken sind, liegt im Ermessen der Billigungsbehörde. 100
Bestand die komplexe finanztechnische Vorgeschichte des Emittenten aus einer Umstrukturierung von Unternehmensbereichen aus demselben Konsolidierungskreis, so kann der Geschäftsbetrieb des Emittenten in seiner Gestalt zum Datum des Prospekts ggf. durch so genannte kombinierte Finanzinformationen (combined financial statements) dargestellt werden, da dann schon vor der Umstrukturierung in allen Bereichen des Emittenten für die Zwecke der Konzernrechnungslegung einheitliche Rechnungslegungsmethoden angewandt wurden (dazu § 56 Rz. 66). Ein Wirtschaftsprüfer ist dann regelmäßig in der Lage, aufgrund einer Prüfung zu bestätigen, dass diese Finanzangaben ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild (true and fair view) der dargestellten wirtschaftlichen Einheit abgeben. In diesem Fall wendet die BaFin die zeitlichen Beschränkungen für Pro forma-Finanzangaben nicht an, so dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschäftsbetriebes des Emittenten in seiner zum Datum des Prospekts bestehenden Struktur durch kombinierte Finanzinformationen für die letzten drei Geschäftsjahre darstellen lassen1.
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bb) Prospektbilligungs- und Börsenzulassungsverfahren. Der Zeitplan ist auch auf den Ablauf der behördlichen Verfahren zur Prospektbilligung und zur Börsenzulassung abzustimmen. Der vor einem öffentlichen Angebot von Aktien sowie vor deren Börsenzulassung zu veröffentlichende Prospekt muss vor seiner Veröffentlichung gemäß § 13 Abs. 1 WpPG behördlich geprüft werden. Für die Prüfung von Prospekten für ein Angebot und/oder die Börsenzulassung von Dividendenwertpapieren (wie Aktien, § 2 Nr. 2 WpPG) deutscher Emittenten ist die BaFin als Billigungsbehörde des Sitzstaates („Herkunftsstaat“, § 2 Nr. 13 WpPG) zuständig2. Sie entscheidet über die Billigung gemäß § 13 Abs. 2 WpPG binnen zehn (bzw. bei Erstemissionen noch nicht börsennotierter Emittenten binnen 20) Werktagen. Bei der Fristberechnung behandelt die BaFin den Samstag als Werktag3. Fiele jedoch das Ende der Frist auf einen Samstag oder Sonntag, so endet diese stattdessen gemäß § 31 Abs. 3 VwVfG erst am nächsten Werktag. Der Tag der Einreichung wird bei der Fristberechnung nach § 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB nicht mitgezählt4. Anders als früher nach § 8a Abs. 1 Halbsatz 2 VerkProspG a.F. wird die Billigung durch bloßen Fristablauf allerdings nicht fingiert5. Fordert die BaFin im Rahmen ihrer Prüfung weitere Informationen an, beginnt die Billigungsfrist gemäß § 13 Abs. 3 WpPG von Neuem, sobald diese Informationen bei ihr eingehen. Dies bedeutet für die Planung einer Aktienplatzierung eine erhebliche Unsicherheit mit sich, zumal nicht selten ergänzende Informationen verlangt werden. Allerdings ist die BaFin bereit, sich mit Prospekteinreichern im Vorhinein auf einen Zeitplan zu verständigen, der die übliche Kommentierung des Prospekts durch die BaFin und die Einarbeitung dieser Kommentare bereits berücksichtigt. Dies setzt aber die frühzeitige Abstim1 Dazu Meyer, Accounting 2/2006, 11, 13 anhand des Beispiels des Börsengangs der Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte Holding AG. 2 Dazu Kullmann/Sester, WM 2005, 1068, 1070. 3 So schon die Praxis des BAWe, siehe Bekanntmachung des BAWe zum VerkProspG v. 6.9.1999, BAnz. Nr. 177 v. 21.9.1999, S. 16180, unter VII zu § 8a VerkProspG; Ritz in Assmann/Lenz/Ritz, § 9 VerkProspG Rz. 4; Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG Rz. 9. 4 Ebenso Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81, 83. 5 Begr. RegE WpPG BR-Drucks. 85/05, S. 75.
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Konzept von Börsennotierung und Aktienplatzierungen
mung des Zeitplanes und wesentlicher struktureller Fragen voraus, sinnvollerweise gleich bei Beginn der Transaktionsvorbereitungen. Der Schwerpunkt dieser Abstimmung liegt neben der Zeitplanung auf dem Aufbau des Prospekts und den darin enthaltenen Finanzinformationen. Sollte sich nämlich erst im Billigungsverfahren ergeben, dass weitere Finanzinformationen aufgenommen werden müssen, würde dies die Einhaltung des Zeitplanes in Frage stellen. Allerdings sollte man in dem der BaFin vorzulegenden Zeitplanvorschlag für das Billigungsverfahren einen insgesamt längeren Zeitraum als die gesetzliche Billigungsfrist vorsehen (i.d.R. mindestens sieben Werktage mehr)1. Dabei ist bereits die zweimalige Kommentierung des Prospektentwurfs durch die BaFin und die nachfolgende Einreichung einer überarbeiteten Entwurfsfassung berücksichtigt. Ein solches geplantes Nachreichen von Informationen bzw. einer überarbeiteten Prospektfassung wird von der BaFin ohne erneuten Beginn der Billigungsfrist akzeptiert, wenn die Prospekteinreicher bereits die erste Einreichungsfassung realistischerweise als billigungsfähig ansehen konnten und die Kommentare der BaFin keinen grundlegenden Charakter haben. Ausnahmsweise können u.U. bei Ersteinreichung noch nicht fertig gestellte Zwischenfinanzinformationen in der ersten Überarbeitungsversion nachgereicht werden. Ferner sollten in den überarbeiteten Prospektfassungen die gegenüber der Vorversion vorgenommenen Änderungen markiert sein2. Ist beabsichtigt, den so genannten Europäischen Pass für Emittenten zu nutzen und den gebilligten Prospekt gemäß § 17 Abs. 1 WpPG auch für ein öffentliches Angebot oder eine Börsenzulassung in einem weiteren EWR-Staat zu nutzen, bedarf es der Übermittlung einer Billigungsbescheinigung und einer Kopie des Prospekts durch die BaFin an die zuständige Behörde dieses Staates (Aufnahmestaat), so genannte Notifizierung nach Art. 18 ProspRL, § 18 WpPG. Die Notifizierung erfolgt nach § 18 Abs. 1 Satz 1 WpPG auf Antrag binnen drei Werktagen; wird die Notifizierung schon bei Einreichung des Prospektentwurfs beantragt, innerhalb eines Werktages. Soll daher ein Angebot in mehreren Mitgliedstaaten zeitgleich beginnen, ist auch der Ablauf des Notifizierungsverfahrens tunlichst im Vorfeld mit den beteiligten Behörden abzustimmen.
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Seit mit Umsetzung des Prospektrichtlinie die BaFin die Zuständigkeit für die Billigung von Wertpapierprospekte erhielt, ist – anders als zuvor (vgl. 1. Aufl., § 6 Rz. 95) – das Börsenzulassungsverfahren von der Prospektbilligung entkoppelt. Für die Zulassung ist nunmehr an Stelle der früheren Zulassungsstelle nach § 32 Abs. 1 BörsG die Geschäftsführung der Börse zuständig. Die zeitlichen Vorgaben haben sich infolge der Änderungen des Börsenzulassungsverfahrens durch das FRUG deutlich entspannt. Die Pflicht zur Veröffentlichung des Zulassungsantrages nach § 49 BörsZulV a.F. ist entfallen. Die Zulassung kann nunmehr gemäß § 50 BörsZulV bereits an dem auf die Einreichung des Zulassungsantrages folgenden Handelstag vorgenommen werden. Der frühestmögliche Zeitpunkt der Einführung, d.h. der Aufnahme der Börsennotierung (§ 38 BörsG), ist nach § 52 BörsZulV der auf die erste Prospektveröffentlichung oder im Falle der prospektfreien Zulassung der auf die Veröffentlichung der Zulassung folgende Werktag. Während ersterer Fall unproblematisch sein dürfte, ist bei prospektfreien Zulassungen zu beachten, dass die Zulassung nach § 51 BörsZulV nunmehr nur noch im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht wird. So-
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1 Ähnlich Knobloch/Langenkamp, 4. Workshop der BaFin „Praxiserfahrungen mit dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG)“, Präsentation „Der Prospekt für Immobiliengesellschaften/Property Companies“ vom 4.9.2007, S. 14; Ries in Grunewald/Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, 2007, § 2 III 1.d) veranschlagt bei einem Börsengang statt 20 insgesamt 34 Werktage. 2 Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81, 83.
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Börsennotierung
mit sind die dort geltenden zeitlichen Vorgaben (dazu Rz. 36) zu beachten1. Bis zum 31.12.2008 sind nach § 72a Abs. 2 BörsZulV Veröffentlichungen nach den §§ 49 und 51 BörsZulV jedoch neben dem elektronischen Bundesanzeiger auch in einem Börsenpflichtblatt vorzunehmen. Bei mehreren Pflichtveröffentlichungen war bislang jedoch für den frühestmöglichen Zeitpunkt der Einführung i.S.v. § 52 BörsZulV nach der Verwaltungspraxis der Frankfurter Wertpapierbörse die zeitlich erste maßgebend. 104
Hinzuweisen ist auch auf eine vor allem bei Anleihen gebräuchliche Praxis, das Börsenzulassungsverfahren erst nach erfolgter Platzierung einzuleiten. Der Börsenhandel wird dann erst einige Wochen nach der Platzierung aufgenommen. Bei Anleihen ist dies zu verschmerzen, da diese vor allem außerbörslich (over the counter, OTC) gehandelt werden2. Die Börsennotierung erfolgt vor allem, um aufsichtsrechtlichen Anforderungen bestimmter institutioneller Investoren Rechnung zu tragen, die Wertpapiere ohne Einschränkungen nur erwerben dürfen, wenn diese börsennotiert sind bzw. deren Börsennotierung vorgesehen ist (vgl. z.B. §§ 47 Abs. 1 Nr. 1–4, 52 InvG). Anders liegt es bei Aktien. Hier wird eine ähnliche Vorgehensweise jedoch praktiziert, wenn im Rahmen einer Kapitalerhöhung Aktien privat platziert werden. Dies setzt aber regelmäßig voraus, dass die Platzierung mit bereits börsenzugelassenen Altaktien erfolgt, die ein Altaktionär den Emissionsbanken im Wege einer so genannten Aktienleihe dafür zur Verfügung gestellt hat. Die neuen Aktien werden dann zur Rückführung der Leihe verwendet; in diesem Zusammenhang erklärt sich der die Leihaktien zur Verfügung stellende Altaktionär damit einverstanden, dass die Börsenzulassung der neuen Aktien erst nach Durchführung des Zulassungsverfahrens erfolgt (siehe dazu § 8 Rz. 181).
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cc) Durchführung der Kapitalerhöhung. Bei der Platzierung neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung sind die aktienrechtlichen Vorgaben für deren Durchführung bei der Zeitplanung zu berücksichtigen.
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Allgemeines zur Kapitalerhöhung: Soll die Kapitalerhöhung nach §§ 182 ff. AktG (ausnahmsweise) unmittelbar von der Hauptversammlung beschlossen werden, so sind insoweit die Regelungen zur Einberufung der Hauptversammlung und die diesbezüglichen Fristen (einschließlich der Vorlaufzeiten der als Gesellschaftsblätter fungierenden Publikationen) zu berücksichtigen (siehe oben Rz. 25). Bei der Einberufung ist nach § 124 Abs. 1 Satz 1 AktG auch die Tagesordnung in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen. Diese hat gemäß § 124 Abs. 2 Satz 2 AktG den Wortlaut der geplanten Satzungsänderung zu enthalten. Ferner ist die Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG von einem Monat zu beachten. Durch Erhebung einer Anfechtungsklage könnte die Durchführung der Kapitalerhöhung und damit eine diesbezügliche Platzierung blockiert werden. Daher wird man sicherheitshalber die Durchführung einer Platzierung von Aktien aus einer unmittelbar durch die Hauptversammlung beschlossenen Kapitalerhöhung erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist vorsehen. Wurde gegen den Beschluss kein Widerspruch zur Niederschrift gemäß § 245 Nr. 1 AktG erklärt (dazu § 37 Rz. 75 ff.) mag dies eine gewisse Wahrscheinlichkeit begründen, dass eine Anfechtungsklage ausbleibt, mehr angesichts der anderen Anfechtungsgründe des § 245 AktG, insbesondere Nr. 2 aber auch nicht. Die Durchführung der – gebräuchlicheren – Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital kann dagegen ohne Anfechtungsrisiko von Vorstand und Aufsichtsrat recht kurzfristig vor der eigentlichen Platzierung beschlossen werden.
1 Zu den Einzelheiten siehe Rundschreiben Listing 01/2007 der Frankfurter Wertpapierbörse, insbesondere die in der Anlage dazu veranschaulichten Mindestfristen. 2 Hoffmann/Baron, ZBB 2005, 317, 325 in Bezug auf Hochzinsanleihen.
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Konzept von Börsennotierung und Aktienplatzierungen
Nach erfolgtem Kapitalerhöhungsbeschluss, sei es durch die Hauptversammlung, sei es – unter Ausnutzung genehmigten Kapitals – durch den Vorstand mit der Zustimmung des Aufsichtsrats hat die Zeichnung der neuen Aktien nach § 185 AktG sowie die Leistung der Mindesteinlage gemäß § 188 Abs. 2 i.V.m. §§ 36 Abs. 2, 36a und 37 AktG zu erfolgen. Aus Praktikabilitätsgründen wird die Zeichnung der gesamten Kapitalerhöhung regelmäßig durch die begleitende Emissionsbank (zur Problematik der Zeichnung „namens eines Konsortiums“ näher in § 8 Rz. 115 ff.). Diese stellt typischerweise auch die Einzahlungsbestätigung nach § 37 Abs. 1 Satz 2 AktG aus. Danach nehmen der Vorstand und der Vorsitzende des Aufsichtsrats die Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung zur Eintragung in das Handelsregister vor, § 188 AktG (dazu § 42 Rz. 103 ff.)1. Nach erfolgter Eintragung können die neuen Aktien (soweit erforderlich nach vorheriger Leistung des noch nicht erbrachten Teils der Mindesteinlage, § 36a Abs. 1 Halbs. 2 AktG)2 ausgegeben werden. Bei börsennotierten Gesellschaften werden diese typischerweise in einer Globalurkunde verbrieft. Diese ist unverzüglich – typischerweise durch die konsortialführende Bank – zur Girosammelverwahrung bei der Clearstream Banking AG einzuliefern, um die rechtzeitige depotmäßige Belieferung der Investoren sicherzustellen (dazu sogleich).
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Zur Vermeidung unnötiger finanzieller Risiken und um sich die Flexibilität hinsichtlich des Kapitalerhöhungsvolumens zu erhalten, erfolgen Beschluss, Zeichnung und Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister so spät wie möglich. In anderen Jurisdiktionen erfolgt daher die tatsächliche Übernahme erst nach erfolgreich durchgeführter Platzierung. Das hängt zum einen damit zusammen, dass in vielen Ländern keine Handelsregisteranmeldung und -eintragung erforderlich ist. Zum anderen müssen z.B. in den USA Wertpapiere erst binnen drei Geschäftstagen („T+3 Settlement“), bei der Festübernahme von angebotenen Wertpapieren sogar erst vier Geschäftstage („T+4“) nach erfolgter Zuteilung tatsächlich geliefert werden3. Bei Wertpapieren, die an einer deutschen Börse gehandelt werden sollen, werden die zugeteilten Aktien zumeist binnen zwei Börsentagen den Investoren gutgeschrieben („T+2“). Dies ergibt sich mittelbar aus den Vorgaben für die Erfüllung von Börsengeschäften4. Sollen Investoren – wie üblich – in die Lage versetzt werden, die ihnen zugeteilten Aktien ggf. auch kurzfristig über die Börse veräußern zu können, so muss die Handelsregistereintragung (und daher die dieser vorangehende Zeichnung der neuen Aktien) so rechtzeitig erfolgen, dass die neuen Aktien spätestens zwei Börsentage nach Zuteilung ausgegeben werden können und über die Clearstream Banking AG im Effektengiroverkehr lieferbar sind. Denn die Kapitalerhöhung wird gemäß § 189 AktG mit Eintragung ihrer Durchführung in das Handelsregister wirksam. Dann kann die Ausgabe der neuen Aktien wirksam erfolgen; etwa zuvor ausgegebene Aktien wären nichtig, vgl. § 191 Satz 1, 2 AktG. Eine die neuen Aktien verkörpernde Globalurkunde kann somit erst nach Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung bei der Clearstream Banking AG eingeliefert werden, die die neuen Aktien anschlie-
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1 Die bei einem Direktbeschluss der Hauptversammlung nach § 184 AktG vorgesehene Anmeldung des Kapitalerhöhungsbeschlusses selbst kann ggf. zusammen mit der Anmeldung der Durchführung des Kapitalerhöhungsbeschlusses nach § 188 AktG erfolgen, § 188 Abs. 4 AktG; dazu Hüffer, § 184 AktG Rz. 2, § 188 AktG Rz. 18. 2 Zu dessen Einzahlung sind die Aktionäre nach Eintragung kraft Gesetzes verpflichtet, bei Ausgabe von Aktien ohne volle Einzahlung des geringsten Ausgabebetrages läge eine verbotene Unterpariemission vor, vgl. Hüffer, § 9 AktG Rz. 6. 3 Das ergibt sich aus Rule 15c6–1, paragraph a bzw. c zum U.S. Securities Exchange Act von 1934; Johnson/McLaughlin, Corporate Finance and the Securities Laws, ch. 2.p. 106. 4 Nach § 15 der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse sind Börsengeschäfte am zweiten Börsentag nach dem Tag des Geschäftsabschlusses zu erfüllen.
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Börsennotierung
ßend den Depotbanken zur Verbuchung in die Wertpapierdepots der betreffenden Investoren gutschreibt1. Zudem kann eine Weiterveräußerung über die Börse erst nach Einführung der Wertpapiere nach § 38 BörsG, § 52 BörsZulV erfolgen, der die Zulassung der Papiere zum Börsenhandel zugrunde liegt. Die Zulassung wiederum setzt die Existenz der zuzulassenden Wertpapiere voraus2. Die Einführung wiederum darf nach § 38 Abs. 2 BörsG erst erfolgen, wenn die Zuteilung abgeschlossen ist. 109
Um Verzögerungen bei der rechtzeitigen Ausgabe der Aktien und der Belieferung der Investoren zu vermeiden, ist daher sorgfältige Zeitplanung und Abstimmung vonnöten. Die Gesellschaft hat dazu die Verfügbarkeit von Vorstand und Aufsichtsrat für die Beschlussfassung und die Handelsregisteranmeldung (vgl. § 188 Abs. 1 AktG) sicherzustellen. Unsicherheit kann allerdings hinsichtlich der für die Eintragung in das Handelsregister zu veranschlagenden Zeit bestehen. Daher empfiehlt es sich, dass die Rechtsberater der Gesellschaft und/oder der die Anmeldung einreichende Notar frühzeitig Kontakt mit dem zuständigen Registerrichter aufnehmen. Diesem sollten Entwürfe der einzureichenden Unterlagen zur Prüfung vorgelegt und die geplante Transaktion erläutert werden. Etwaige Rückfragen sollten sich so vorab klären lassen. Das Gericht muss dann die tatsächliche Anmeldung samt Anlagen nur noch auf Übereinstimmung mit den zuvor abgestimmten Entwürfen prüfen. Daneben sollte auch die Verfügbarkeit des Registerrichters (ggf. auch seines Vertreters) an dem vorgesehenen Einreichungstag sowie die zügige Bearbeitung der Eintragungsverfügung und die Versendung (ggf. vorab per Fax) der Eintragungsbestätigung an die Beteiligten im Vorfeld ausdrücklich vereinbart werden. Vor überzogenen Erwartungen an die Bereitschaft des Registerrichters, sich in die Zeitplanung von Emittent und Emissionsbank einbinden zu lassen, kann dabei nur gewarnt werden.
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Besonderheiten bei Kapitalerhöhungen mit Bezugsrecht. Bei Kapitalerhöhungen mit Bezugsrecht ist auf die korrekte Berechnung der Bezugsfrist zu achten. Zur Minimierung der Marktrisiken sind Gesellschaft und Emissionsbanken bestrebt, die Frist zur Ausübung der Bezugsrechte im Rahmen des Zulässigen so kurz wie möglich zu halten. Nach § 186 Abs. 1 Satz 2 AktG ist dafür eine Frist von mindestens zwei Wochen vorzusehen, die nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB berechnet wird3. Das bedeutet, die gesetzliche Mindest-Bezugsfrist endet mit Ablauf desjenigen Tages der zweiten Woche nach Bekanntmachung des Bezugsangebotes in den Gesellschaftsblättern, der nach seiner Benennung dem Tag dieser Bekanntmachung entspricht. 1 Zwar lässt sich die rechtzeitige Belieferung auch über eine Wertpapierleihe überbrücken. Dies kommt aber aus Kostengründen und wegen meist eingeschränkter Leihkapazitäten nur bei begrenzten Platzierungsvolumina in Frage. Je größer das Emissionsvolumen ist, desto geringer wird auch die Neigung von Altaktionären sein, vorübergehend Restrisiken in Bezug auf die Eintragung der Kapitalerhöhung und die Rückführung der „Leihe“ durch Rücklieferung der neuen Aktien einzugehen. 2 Dies ergibt sich mittelbar aus § 48 Abs. 2 Satz 2 BörsZulV, wonach die Börsengeschäftsführung verlangen kann, dass ihr die Rechtsgrundlage der Wertpapierausgabe nachzuweisen (Nr. 5) sowie die Hinterlegung einer Sammelurkunde bei einer Wertpapiersammelbank (Nr. 7) zu bestätigen ist. Die wirksame Ausgabe (und auch Übertragung) von neuen Aktien aus einer Kapitalerhöhung erfordert wiederum nach § 191 Satz 1 AktG die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister. 3 Hüffer, § 186 AktG Rz. 15; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 31. Falls die Satzung mehrere Publikationen als Gesellschaftsblätter vorsieht, soll für den Beginn der Frist die Veröffentlichung des Bezugsangebotes in dem Gesellschaftsblatt entscheidend sein, die zeitlich zuletzt erfolgt, so jedenfalls Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 31. Dies spricht dafür, die Zahl der Gesellschaftsblätter gering zu halten, d.h. neben dem elektronischen Bundesanzeiger (vgl. § 25 AktG) möglichst keine weiteren Gesellschaftsblätter in der Satzung vorzusehen.
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§7
Konzept von Börsennotierung und Aktienplatzierungen
Soll der endgültige Bezugspreis gemäß § 186 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AktG erst gegen Ende der Bezugsfrist festgelegt werden, so lässt sich das Risiko aus Kursschwankungen während der Zeit zwischen Preisfestsetzung und Ende der Bezugsfrist durch geschickte Zeitplanung zumindest verringern. Nach § 186 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 Satz 2 AktG muss der endgültige Bezugspreis spätestens drei Tage vor Ablauf der Bezugsfrist in den Gesellschaftsblättern und über ein elektronisches Informationsmedium bekannt gemacht werden (zur Vorlaufzeit für die Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger siehe oben Rz. 36). Da das Gesetz hier von „Tagen“ (und damit Kalendertagen) spricht, reicht es bei Ende der Bezugsfrist an einem Montag (bzw. mit dessen Ablauf) aus, wenn der endgültige Bezugspreis am vorangehenden Freitag bekannt gemacht wird1. Dem steht nicht entgegen, dass die Aktionäre dann gehindert sind, noch nach Festlegung des endgültigen Bezugspreises ihre Bezugsrechte im Rahmen eines börslichen Bezugsrechtshandels zu veräußern. Nach § 5 Abs. 2 der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse findet nämlich an den letzten beiden Tagen der Bezugsfrist kein Bezugsrechtshandel mehr statt. Dies wird damit begründet, dass die Aktionäre durch die vorherige Veröffentlichung der Grundlagen der Festlegung des Bezugspreises ausreichend geschützt sind. Die Aktionäre haben ohnehin keinen Anspruch darauf, dass überhaupt ein organisierter Bezugsrechtshandel stattfindet. Findet ein Bezugsrechtshandel statt, ist darauf zu achten, dass nach § 5 Abs. 1 der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse das Bezugsangebot spätestens am ersten Werktag vor Beginn der Bezugsfrist zu veröffentlichen ist.
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Der Zeitpunkt der Zeichnung bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen wird in der Praxis unterschiedlich gehandhabt. Traditionell war es üblich, vor Beginn des Bezugsangebotes zu zeichnen, die Durchführung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister eintragen zu lassen und die neuen Aktien bereits an die zeichnende Bank zum Zwecke der Belieferung von Bezugserklärungen auszugeben2. Eine solche Abfolge legt auch der Wortlaut des § 186 Abs. 5 Satz 1 AktG nahe; diese ist aber nach Sinn und Zweck der Regelung nicht zwingend (siehe auch § 42 Rz. 59 ff.). Ohnehin erfolgt aus abwicklungstechnischen Gründen die Lieferung der bezogenen neuen Aktien einheitlich nach Ende der Bezugsfrist; ansonsten entstünde ein – von der Gesellschaft zu tragender – unnötiger erhöhter Aufwand. Für das bloße Anbieten, d.h. den Antrag i.S.v. § 145 BGB auf Abschluss eines Kaufvertrages über neue Aktien, müssen diese noch nicht entstanden sein. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht plausibel, wenn die Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung (und als deren Voraussetzung die Leistung der Mindesteinlage) bereits zu einem Zeitpunkt zu erfolgen hätte, der mehr als zwei Wochen vor der Übertragung der neuen Aktien an die Bezugsberechtigten liegt. Dies würde nur zu unnötigen Vorfinanzierungskosten führen, die sich in höheren Emissionskosten für die Gesellschaft niederschlagen.
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dd) Blackout Period. Die so genannte Black Out Period für Research Berichte hat sich zunächst auf der Grundlage US-rechtlicher Vorgaben entwickelt (zu den US-Vorgaben siehe unten § 11 Rz. 71). Dort ist es untersagt, Wertpapiere auf jegliche Art und Weise, auch unter Zuhilfenahme eines Prospekts, anzubieten, sofern nicht ein Registration Statement bei der SEC eingereicht wurde; darunter kann auch die Veröffentlichung eines Research-Berichtes fallen3. Diese Restriktionen gelten jedoch nicht für Wertpapier-
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1 Seibert, NZG 2002, 608, 612; Busch, AG 2002, 230, 235; Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2181. 2 So auch Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 207; Priester in FS Brandner, 1996, S. 97, 99; Hölters in MünchVertragsHdb., vor V. 113; Happ in Happ, Aktienrecht, Abschnitt 12.03 Rz. 16; Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2184. 3 Section 5 (c) U.S. Securities Act of 1933.
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§7
Börsennotierung
geschäfte einer Bank außerhalb ihrer Rolle als Emissionsbank, die nach Ablauf von 40 Tagen nach dem Abschluss einer rechtmäßig durchgeführten Wertpapierplatzierung getätigt werden1. Zudem werden regelmäßig (z.B. immer nach der Veröffentlichung eine (Zwischen-) Abschlusses des Emittenten) erscheinende Research-Berichte eines Wertpapierdienstleisters (broker or dealer) nicht als ein (registrierungspflichtiges) Angebot von Wertpapieren angesehen, solange sich die Darstellung im üblichen Rahmen hält, entsprechende Informationen über Vergleichsunternehmen oder eine Aufstellung ebenfalls empfohlener Wertpapiere enthält und im Zusammenhang mit einer Platzierung von Wertpapieren keine positivere Darstellung des Emittenten oder Empfehlung seiner Wertpapiere als in dem letzten Bericht vor der Beteiligung erfolgt2. Auf der Grundlage der vorgenannten Regelungen hat sich auch bei Aktienplatzierungen außerhalb der USA eine Marktpraxis entwickelt, nach der zur Vermeidung von Interessenkonflikten die Verbreitung von Research-Berichten während eines bestimmten Zeitraums vor und nach der Platzierung nur eingeschränkt oder gar nicht zugelassen wird3. Dieses Konzept war in den von der Deutsche Börse AG im Juli 2002 als freiwilligem Verhaltenskodex über das Verhalten bei Emissionen und die Ausgestaltung von Prospekten veröffentlichten Going Public Grundsätzen enthalten4. Danach durften die an einer Aktienemission beteiligten Konsortialbanken während einer Blackout-Periode vor und nach einem öffentlichen Angebot von Aktien oder aktienvertretenden Zertifikaten in Deutschland keine emissionsbezogenen Unternehmensstudien (Research-Berichte) über den Emittenten verteilen. Diese Blackout-Periode begann zwei Wochen, spätestens jedoch zehn Tage5 vor dem öffentlichen Angebot beginnen und endete mit Ablauf der Stabilisierungsfrist, spätestens jedoch 30 Kalendertage nach Notierungsaufnahme der angebotenen Wertpapiere. Auch wenn die Going-Public-Grundsätze mit Umsetzung der EU-Prospektrichtlinie außer Kraft traten, hat sich diese Marktpraxis gehalten. Dabei wird das Ende der Blackout-Periode regelmäßig nach Maßgabe der US-Regelungen auf 40 Tage nach Abschluss der Platzierung festgelegt (d.h. i.d.R. nach Preisfestsetzung und Zuteilung) liegt. Ausgenommen sind – ebenfalls in Anlehnung an die US-Regelungen – nicht-emissionsbezogene Unternehmensstudien, die unabhängig von einer konkreten Emission in regelmäßigen Abständen erstellt und veröffentlicht werden. Dadurch wird sichergestellt, dass die regelmäßige Research-Berichterstattung über börsennotierte Emittenten nicht durch eine geplante Emission beeinträchtigt wird6.
1 Section 4 (3) U.S. Securities Act of 1933. 2 Rule 139 (b) General Regulations under the U.S. Securities Act of 1933. 3 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, 2007, § 33 WpHG Rz. 80; Devlin/Hutter, U.S. Laws and Regulations Applicable to Research Reports, Arbeitspapier Nr. 111 des Instituts für Bankrecht der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt a.M., S. 3 ff.; im Internet abrufbar unter www.uni-frankfurt.de/fb01/baums; Hutter/Leppert, NJW 2002, 2208, 2213. 4 Die Going Public Grundsätze in ihrer ursprünglichen Fassung sind abgedruckt in AG 2002, 507, dazu auch Schlitt/Smith/Werlen, AG 2002, 478; Meyer, WM 2002, 1864. 5 Die ursprüngliche Zwei-Wochen-Frist wurde bei der Überarbeitung der Going-Public-Grundsätze zum 1.8.2004 geändert, um den Wünschen der Praxis nach größerer Flexibilität Rechnung zu tragen, dazu Schlitt, Börsen-Zeitung vom 18.8.2004. 6 In diesem Sinne auch – unter Spezifizierung von weiteren Voraussetzungen, unter denen nicht-emissionsbezogene Research-Berichte zulässig sein sollen – Baums/Hutter in FS Ulmer, 2003, S. 779, 787; Hutter/Leppert, NJW 2002, 2208, 2213.
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§8
Übernahme und Platzierung von Aktien
§8 Übernahme und Platzierung von Aktien I. Einschaltung der Emissionsbank . . 1. Transaktionsbezogene Emissionsbegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Platzierung . . . . . . . . . . . . . . b) Börsenzulassung und Begleitung der Prospekterstellung . . . . . . . 2. Research . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1 2 2 4 6
3. Emissionsfolgebetreuung . . . . . . . 8 a) Zahl- und Hinterlegungsstellendienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 b) Führung des Aktienregisters . . . 10 c) Designated Sponsor . . . . . . . . . 11 d) Bei Wandel- und Umtauschanleihen: Zahl- und Wandlungsbzw. Umtauschstelle . . . . . . . . 13 II. Zeitlicher Ablauf einer Emission . . 14 1. Konzeptionierung . . . . . . . . . a) Grundsatzentscheidung zur Durchführung einer Emission b) Entwicklung eines Emissionskonzepts . . . . . . . . . . . . . . c) Auswahl einer Führungsbank d) Bankenkonsortium . . . . . . .
. . 15 . . 15 . . 16 . . 17 . . 18
2. Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . 21 3. Durchführung . . . . . . . . . . . . . . a) Preisermittlung . . . . . . . . . . . aa) Festpreisverfahren . . . . . . . bb) Auktionsverfahren . . . . . . . cc) Bookbuilding . . . . . . . . . . dd) Kombinierte Verfahren . . . . aaa) Auktionsverfahren bei Kapitalerhöhungen mit Bezugsrecht . . . . . bbb) Auktionsverfahren bei Block Trades . . . . . . . ccc) Auktionsverfahren bei IPOs . . . . . . . . . . . . ee) Bestmögliche Ausführung . . b) Zuteilung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Interessenlage . . . . . . . . . . bb) Anspruch auf Zuteilung? . . . Sonderfall: Bezugs- oder Vorerwerbsrecht der Aktionäre der Mutter beim TochterIPO? . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Pflicht zur Gleichbehandlung? . . . . . . . . . . . . . . .
23 24 26 28 30 36 37 38 39 41 42 43 44
46 52
Rz. dd) Anerkannte Zuteilungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . c) Insiderrecht . . . . . . . . . . . . . d) Meldung von Stimmrechten . . e) Angebotspflicht nach dem WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . f) Kursstabilisierung, Greenshoe . aa) Begriff und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . bb) Mittel zur Unterstützung der Kursstabilisierung . . . . cc) Kapitalmarktrechtliche Einordnung und Zulässigkeit .
. 54 . 57 . 60 . 61 . 63 . 63 . 65 . 74
III. Dokumentation . . . . . . . . . . . . . 83 1. Vertraulichkeitsvereinbarung . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . b) Vertraulichkeitsverpflichtung c) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . d) Rückgabe/Vernichtung/Dauer e) Vertragsstrafe . . . . . . . . . . .
. . . . . .
2. Mandatsvereinbarung . . . . . . . . a) Umfang des Mandates . . . . . . b) Informationen, Due Diligence . c) Erstellung der Platzierungsdokumente . . . . . . . . . . . . . d) Marktschutzklausel . . . . . . . . e) Provision, Auslagen und Kosten
. . . . . .
. 89 . 91 . 93 . 97 . 98 . 102
3. Übernahmevertrag . . . . . . . . . . . a) Funktion und Rechtsnatur . . . . b) Zeitpunkt des Abschlusses . . . . c) Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . d) Inhalt und Struktur . . . . . . . . . aa) Übernahme der Platzierungsaktien . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Neue Aktien . . . . . . . (1) Zeichnung und Übernahme . . . . . . (2) Einlageleistung . . . (3) Einzahlungsbestätigung . . . . . . (4) Anmeldung und Abwicklung . . . . . (5) Mittelbares Bezugsrecht . . . . . . . . . . bbb) Alte Aktien: Aktienkauf . . . . . . . . . . . . . ccc) Greenshoe-Aktien . . . . ddd) Ausfall eines Konsorten . . . . . . . . . . . . .
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84 84 85 86 87 88
104 104 106 112 114 115 115 115 120 124 125 126 132 133 136
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§8
Börsennotierung Rz. bb) Börsenzulassung, Prospekt(e) 137 cc) Platzierung, Platzierungsbeschränkungen . . . . . . . . 140 dd) Gewährleistungen/ Garantien/Freistellung . . . . 143 aaa) Gewährleistungen . . . . 143 bbb) Freistellung . . . . . . . . 147 ccc) Rechtliche Einordnung der Gewährleistungen . . . . . . . . . 149 ddd) Aktienrechtliche Zulässigkeit von Gewährleistungen und Freistellung durch die Gesellschaft . . . . . 151 (1) Im Verhältnis zu den Emissionsbanken bei einer Kapitalerhöhung . . 151 (2) Im Verhältnis zu Altaktionären bei einer Umplatzierung . . . . . . . . . . 154 eee) Gewährleistungen abgebender Altaktionäre . . 158 fff) Gewährleistungen der Emissionsbanken . . . . 161 ee) Verhaltenspflichten . . . . . . 162 aaa) Verhaltenspflichten der Gesellschaft . . . . . 163 bbb) Verhaltenspflichten der Altaktionäre . . . . . 164
Rz. ccc) Verhaltenspflichten der Emissionsbanken . . ff) Aufschiebende Bedingungen, Rücktrittsrecht . . . . . . . . . aaa) Die Bedingungen im Einzelnen . . . . . . . . . bbb) Rechtsfolgen des Nichteintritts von Bedingungen bzw. des Rücktritts . . . . . . (1) Umplatzierung von Altaktien . . . . (2) Platzierung von Aktien aus einer Kapitalerhöhung . . gg) Provisionen, Aufwendungen, Auslagen . . . . . . . . . . . . . hh) Sonstiges . . . . . . . . . . . . . e) Privatplatzierung . . . . . . . . . . aa) Kapitalerhöhung . . . . . . . . bb) Umplatzierung . . . . . . . . . aaa) Festübernahme . . . . . . bbb) Kommission . . . . . . . ccc) Mischformen . . . . . . . 3. Vereinbarungen zwischen den Konsortialbanken (Überblick) . . . . a) Vorbemerkung: Rechtsnatur des Konsortiums . . . . . . . . . . . . . b) Memorandum of Understanding . c) Einladungstelex und Konsortialvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . .
165 166 167
170 170 171 175 176 180 180 186 187 189 191 193 193 195 196
Schrifttum: Siehe bei § 7.
I. Einschaltung der Emissionsbank 1
Eine Platzierung von Aktien erfolgt aus einer Vielzahl von Gründen so gut wie immer unter Einschaltung einer Emissionsbank. Dies hängt vor allem mit den von der Bank zu erfüllenden Funktionen zusammen. 1. Transaktionsbezogene Emissionsbegleitung a) Platzierung
2
Ein wesentlicher Grund für die Kapitalbeschaffung durch eine Wertpapieremission liegt darin, dass sich die betreffende Gesellschaft nur so den Zufluss von Mitteln aus Investorenkreisen erschließen kann, zu denen sie selbst keinen Zugang besitzt1. Dabei kommt der Bank eine Mittlerfunktion zwischen der Gesellschaft als Emittent von Wertpapieren und den Investoren als Interessenten an einer Kapitalanlage zu. Ihre 1 Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.5; Schnorbus, AG 2004, 113, 114.
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§8
Übernahme und Platzierung von Aktien
Aufgabe ist es, zunächst die Aufnahmefähigkeit des Marktes für eine Platzierung zu analysieren. Auf dieser Grundlage wird die Emissionsbank gemeinsam mit der Gesellschaft erarbeiten, wie sich diese (ggf. besser) gegenüber Investoren präsentieren kann, um deren Interesse an einer Investition zu wecken. Die Einschätzung der Bank über die in Frage kommenden Investorenkreise spielt dabei eine entscheidende Rolle. Sie bringt also ihre Kenntnisse des Marktes zur Anwendung, um der Gesellschaft die Kapitalbeschaffung zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass die Expertise der Bank gefragt ist, um den richtigen Zeitpunkt für die Durchführung einer Platzierung zu ermitteln. Dabei spielen z.B. bevorstehende Unternehmensnachrichten wie die Veröffentlichung aktueller Finanzinformationen oder Berichte über den Abschluss wesentlicher Transaktionen wie Unternehmenskäufe oder -verkäufe sowie wichtiger Aufträge eine Rolle. Aufgabe der Investmentbank ist es zudem, die Platzierungsaktien möglichst „marktschonend“ zu platzieren, d.h. ohne gravierende Auswirkungen auf den Börsenkurs. Hinzu kommt, dass die Übernahme von Wertpapieren zum Zweck ihrer Platzierung ein Bankgeschäft darstellt, das eine Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG erfordert1. Dies gilt sowohl für die so genannte Festübernahme, bei der der Übernehmer das Absatzrisiko trägt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 KWG) als auch für die Übernahme als Kommissionär („Finanzkommissionsgeschäft“ i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG). Ferner wird die Platzierung von Wertpapieren ohne feste Übernahmeverpflichtung seit Inkrafttreten des FRUG2 als „Platzierungsgeschäft“ i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1c KWG als ebenfalls nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung angesehen (zur Abgrenzung gegenüber dem Finanzkommissionsgeschäft siehe unten Rz. 41). Zudem sind für die Abwicklung des Emissionsgeschäfts weitere Dienstleistungen erforderlich, die als Bankgeschäfte erlaubnispflichtig sind, so z.B. das Führen der benötigten Geldkonten und Wertpapierdepots sowie die Durchführung der zur Abwicklung von Wertpapieremissionen erforderlichen Zahlungs- und Übertragungsvorgänge (Einlagen und Girogeschäft, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 9 KWG; Depotgeschäft, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG). In diesen Zusammenhang gehört auch die erleichterte Abwicklung von Kapitalerhöhungen einer Aktiengesellschaft mit Einräumung des Bezugrechts der Aktionäre im Wege des so genannten mittelbaren Bezugsrechts nach § 186 Abs. 5 Satz 1 AktG unter Einschaltung eines Kreditinstituts.
3
b) Börsenzulassung und Begleitung der Prospekterstellung Sollen neue Aktien platziert werden, erfordert auch deren Zulassung zum Börsenhandel im regulierten Markt die Einschaltung einer Bank oder eines Finanzdienstleistungsinstituts. Der Handel von Wertpapieren am regulierten Markt einer deutschen Wertpapierbörse setzt deren Zulassung zum Börsenhandel voraus3. Der Antrag auf Börsenzulassung muss nach § 32 Abs. 2 Satz 1 BörsG zusammen mit einem Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut gestellt werden. Der hierfür regelmäßig gemäß § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG, § 3 Abs. 3 WpPG zu erstellende Prospekt (hierzu und zu den Ausnahmen von der Prospektpflicht siehe § 16 Rz. 15) muss von den Antrag1 Dazu Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 2 f. 2 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 16.7.2007, BGBl. I 2007, 1330. 3 § 32 Abs. 1 BörsG; zur Einbeziehung in den Handel im regulierten Markt ohne Zulassung nach § 33 BörsG siehe oben § 7 Rz. 47. Dagegen können im Freiverkehr auch nicht zugelassene Wertpapiere gehandelt werden, § 57 Abs. 1 BörsG; vgl. auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 57 BörsG Rz. 3.
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§8
Börsennotierung
stellern (d.h. der Gesellschaft und dem Kreditinstitut bzw. Finanzdienstleister) unterzeichnet werden, § 5 Abs. 3 Satz 2 WpPG. Werden Wertpapiere öffentlich angeboten, ist zuvor nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG ebenfalls grds. ein Prospekt zu veröffentlichen und zwar durch den bzw. die Anbieter der angebotenen Wertpapiere. Als solcher ist (auch) eine von dem Emittenten mit der Durchführung des Angebotes betraute Bank anzusehen1. 5
Auch unabhängig von den rechtlichen Erfordernissen wird sich ein Emittent im Zusammenhang mit der Prospekterstellung regelmäßig der Expertise einer erfahrenen Emissionsbank bedienen. Diese hat auch ein eigenes Interesse an der Beteiligung am Prospekterstellungsprozess. Ein Prospekt wird – zumindest bei weniger bekannten Emittenten sowie bei einer Platzierung an Privatanleger – von der Bank regelmäßig auch zum Vertrieb der zu platzierenden Wertpapiere benötigt. Früher erfolgte die Prospekterstellung oft durch die Emissionsbanken selbst. Die Börsenzulassungsabteilungen der größeren Banken betrieben schwerpunktmäßig Börsenzulassungsverfahren und waren daher mit den Prospektanforderungen sowie der Praxis der (bis zum 30.6.2005 mit der Prospektbilligung nach § 36 Abs. 3a BörsG, § 6 Abs. 1 Satz 1 VerkProspG zuständigen) Zulassungsstellen vertraut. Bei der Prospekterstellung verarbeiteten sie die von der Gesellschaft gelieferten Informationen2. Sie mussten dabei weitgehend auf deren Richtigkeit und Vollständigkeit vertrauen, die (bzw. auch deren richtige Verarbeitung in dem Prospekt) ihnen von der Gesellschaft bestätigt wurde. In jüngerer Zeit wurde die Prospekterstellung zunehmend auf externe Anwälte verlagert. Dies hat seinen Grund nicht nur in den Outsourcing-Bestrebungen vieler Banken, sondern hängt auch mit der Internationalisierung des Emissionsgeschäfts zusammen. Die Prospekterstellung durch externe Anwälte ist insbesondere in den USA gängige Praxis. Dabei liegt die Federführung typischerweise bei den Anwälten der Gesellschaft (dazu auch unten Rz. 21). Die Prospekterstellung durch den Anwalt geht einher mit dessen eigenständiger Überprüfung der von der Gesellschaft gelieferten Informationen im Rahmen der so genannten Legal Due Diligence (dazu unten § 10 Rz. 1 ff.). Diese erfolgt in enger Abstimmung mit der von den Emissionsbanken selbst durchgeführten Untersuchung der finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Emittenten (so genannte Financial und Business Due Diligence), die nicht nur der Prospekterstellung, sondern auch der Prüfung der Platzierungschancen dient. Die Banken vergewissern sich vor Durchführung einer Platzierung selbst, ob sich das aus öffentlich zugänglichen Informationen geprägte Bild der „Equity Story“ auch bei einer näheren Untersuchung bestätigt. Schließlich wird das Ansehen der Emissionsbank auch durch Erfolg bzw. Misserfolg der von ihr durchgeführten Emissionen sowie durch die weitere Kursentwicklung der platzierten Aktien beeinflusst. Dadurch und durch die insoweit üblicherweise in Form von so genannten Legal und Disclosure Opinions (dazu unten § 10 Rz. 98 ff.) abgegebenen Bestätigungen der Anwälte erhalten die Emissionsbanken zusätzliche Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospektes. Dieses Verfahren sowie insbesondere die genannten Bestätigungen sind für international tätige Investmentbanken regelmäßig Voraussetzung für ihre Beteiligung an einer Platzierung.
1 Zur ebenso am „Anbieter“ anknüpfenden Vorgängerregelung § 1 VerkProspG Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 1 VerkProspG Rz. 35; Ritz in Assmann/Lenz/Ritz, § 1 VerkProspG Rz. 85; eingehend zur Behandlung der Mitglieder eines Emissionskonsortiums Heidelbach in Schwark, § 1 VerkProspG Rz. 35 f. 2 So z.B. noch Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 76 f.
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§8
Übernahme und Platzierung von Aktien 2. Research
Früher wurde auch die Unterstützung der Marketingbemühungen durch Analysten der Emissionsbanken und die von diesen erstellten Studien (so genannte Research Berichte) als Teil der Aufgaben im Rahmen der Emissionsbegleitung angesehen1. Verwiesen wurde auf die Expertise der Analysten bei der Einschätzung von Unternehmen aus den einzelnen Branchen und deren Resonanz bei Investoren2. Die Beteiligung von Analysten an der Vermarktung einer Emission steht jedoch in gewissem Spannungsverhältnis zum allgemeinen Verständnis des Wesens von Research. So erhebt Research den Anspruch, auf einer unabhängigen Beurteilung durch einen Experten zu beruhen und gewinnt gerade daraus seinen Stellenwert3. Deutlich wurde dies angesichts von Berichten über Unterschiede zwischen veröffentlichter und privater Einschätzung bestimmter Wertpapiere durch Analysten sowie von möglichen Interessenkonflikten der bei Investmentbanken beschäftigten Analysten, insbesondere in den USA4. Die Unabhängigkeit von Research wurde angesichts dieser Entwicklungen zunehmend in Frage gestellt5. In Deutschland wurde durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz mit § 34b WpHG erstmals die Erstellung und Veröffentlichung von Wertpapieranalysen (jetzt: Finanzanalysen) gesetzlich geregelt. In der Begründung zum Regierungsentwurf wird dabei ausdrücklich auf die Bedeutung des Vertrauens der Anleger in die Neutralität von Research hingewiesen6. Nach § 34b Abs. 5 WpHG müssen daher Unternehmen, die Finanzanalysen erstellen, so organisiert sein, dass Interessenkonflikte bei deren Erstellung möglichst gering sind (ähnlich vor Änderung des § 34b WpHG durch das die EU-Marktmissbrauchsrichtlinie7 umsetzende Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG)8 bereits § 34b Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F.). Die organisatorischen Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten bestehen u.a. in der Trennung von in Konflikt stehenden Bereichen durch Informationsschranken (so genannte Chinese Walls)9. Ein möglicher Interessenkonflikt wird insbesondere bei der Beteiligung an einem Emissionskonsortium angenommen, das das Absatzrisiko oder vergleichbare Garantien in Bezug auf die analysierten Wertpapiere übernommen hat und deshalb ein besonderes Interesse an deren erfolgreichen
1 So noch Schanz, Börseneinführung, § 9 Rz. 8; Harrer/Heidemann, DStR 1999, 254, 258. 2 Schanz, Börseneinführung, § 9 Rz. 8. 3 So schon die Standesrichtlinien der DVFA (Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management) von 1995, Ziff. 1b) und 2a); ebenso von Rosen/Gerke, Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktkommunikation, 2001, die in § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 3 und § 4 Abs. 6 ihres Kodex die Unabhängigkeit und Objektivität der Analyse als besonderes Wesensmerkmal hervorheben. 4 Dazu Schlößer, BKR 2003, 404 sowie Meyer, AG 2003, 610. 5 Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 2.62; Fleischer in Verhandlungen des 64. Deutschen Juristentages Berlin 2002, Bd. I, Gutachten, Kapitalmarktrechtliches Teilgutachten F „Empfiehlt es sich im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland des Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln?“, S. F 128 f. jeweils m.w.N. 6 Begr. RegE des 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 92. 7 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über InsiderGeschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.3.2004, S. 16. 8 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) vom 28.10.2004, BGBl. I 2004, 2630. 9 Möllers in KölnKomm. WpHG, 2007, § 34b WpHG Rz. 241 ff.; Eisele in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 109 Rz. 113 f., 136 ff., 156 ff.; Meyer, AG 2003, 610, 613.
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Absatz hat1. Vor diesem Hintergrund waren bereits vor Inkrafttreten des § 34b WpHG die Bereiche Investmentbanking und Research innerhalb von Banken getrennt2. Angesichts der verschärften Anforderungen an die Vermeidung von Interessenkonflikten ist aber – ungeachtet der bereits bisher vorgenommenen organisatorischen Trennung – eine Einbindung von Analysten in die Vermarktung einer Emission kritisch zu hinterfragen3. Zudem unterliegen international tätige Investmentbanken auch den verschärften Regelungen zur Unabhängigkeit von Analysten in den USA. Bei einer Platzierung in den USA sind diese ggf. ohnehin zu beachten. Wegen der Vorreiterrolle der USA in diesem Bereich ist zudem denkbar, dass die dortigen Regeln auch zur Konkretisierung der Organisationspflichten der §§ 33, 34b Abs. 5 WpHG herangezogen werden. Die US-Regelungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten sehen nicht nur u.a. die vollständige organisatorische und finanzielle Trennung von Research und Investmentbanking, sondern u.a. auch ein grundsätzliches Verbot von Kommunikation zwischen Research und Investmentbanking und das Verbot der Teilnahme an mandats- oder vertriebsbezogenen Aktivitäten durch Analysten vor4. 7
Die Aufnahme von Research Coverage, der regelmäßigen Erstellung von Research-Berichten, kann daher nicht ohne weiteres mehr als Teil der Emissionsbegleitung angesehen werden. Jedoch ist der Beitrag, den Analysten bei der Emissionsbegleitung leisten können, sowie das praktische Bedürfnis nach Research Coverage zur Gewinnung institutioneller Investoren nicht zu bestreiten. Soll aber im Zusammenhang mit einer geplanten Kapitalmarkttransaktion die Expertise eines Analysten bei der Vermarktung hinzugezogen werden, so erscheint zumindest die Erstellung eines Research-Berichtes durch ihn bis zum Abschluss der Platzierung zweifelhaft. In der Praxis wird daher mittlerweile die Rolle des Analysten im Rahmen der Emissionsvorbereitung stark eingeschränkt. Solange – wie bei Börsengängen üblich – ein emissionsbegleitender Research-Bericht geschrieben werden soll, wird der Analyst der Emissionsbank wie ein Analyst eines fremden Instituts behandelt: er wird lediglich zur Vorstellung des Emittenten im Rahmen der Analystenpräsentation und zur Klärung von Rückfragen zu tatsächlichen Informationen über die Gesellschaft und deren Darstellung in seinem Research-Bericht mit der Gesellschaft und der Emissionsabteilung der betreffenden Bank in Kontakt treten dürfen. Nach Verteilung seines Research-Berichtes darf er seine Einschätzung gegenüber dem bankeigenen Vertriebspersonal erläutern (sales force briefing). Jedoch ist er über den Abschluss der betreffenden Platzierung hinaus bis zum Ende der so genannten Blackout Periode grds. daran gehindert, einen wei-
1 Vgl. die Pflicht nach § 34b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 8 WpHG (i.d.F. des AnSVG, BGBl. I 2004, 2630) i.V.m. § 5 Abs. 3 Nr. 2b FinAnV (BGBl. I 2004, 3522 sowie ZBB 2004, 422, 428) zur Offenlegung der Beteiligung an der Führung eines Konsortiums für eine Emission im Wege eines öffentlichen Angebots der analysierten Finanzinstrumente innerhalb der vorangegangenen zwölf Monate; dazu auch Möllers in KölnKomm. WpHG, 2007, § 34b WpHG Rz. 172. 2 So schon Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2007, § 109 Rz. 80; Wiesmann/von Gossler/von Harder in Wirtz/Salzer, IPO-Management, S. 39, 54. 3 Nach von Kopp-Colomb, WM 2003, 609, 613, kann es problematisch sein, wenn ein Analyst neben der Analyse weitere Aufgaben in den Bereichen Corporate Finance oder IPO übernimmt; dies dürfte insbesondere bei einer Beteiligung an der Vermarktung einer Emission gelten. 4 Ein Überblick über die US-amerikanischen Regelungen findet sich im Internet auf der Website der U.S. Securities and Exchange Commission (SEC) unter www.sec.gov/rules/final/ 33–8193.htm; weitere Informationen über die verschärften Anforderungen des mit einer Vielzahl von Investmentbanken geschlossenen so genanntes „Global Settlement“ unter www.sec.gov/spotlight/globalsettlement.htm.
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teren Bericht über den betreffenden Emittenten zu verfassen1. Soll bei einer Gesellschaft im Zusammenhang mit einer Platzierung die Research-Coverage erst aufgenommen werden, so erscheint es jedenfalls nach deutschem Recht möglich, dass die Emissionsabteilung einer Bank den Kontakt zwischen einer Gesellschaft und der Analyseabteilung vermittelt. Die Analyseabteilung muss aber in ihrer Entscheidung, Research-Coverage zu übernehmen, frei bleiben und darf in Bezug auf den Inhalt der Analyse nicht beeinflusst werden2. 3. Emissionsfolgebetreuung Die Aufgaben einer Emissionsbank erschöpfen sich jedoch nicht nur in der reinen Emissionsbegleitung. Emittenten börsenzugelassener Wertpapiere unterliegen bestimmten Emissionsfolgepflichten. Diese können je nach Marktsegment unterschiedlich umfangreich ausgestaltet sein. Bei der Erfüllung einiger dieser Pflichten ist die Unterstützung einer Bank geboten.
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a) Zahl- und Hinterlegungsstellendienst In der Regel übernimmt die Emissionsbank bzw. der Konsortialführer, der eine Wertpapieremission betreut, den Zahlstellendienst für die emittierten Wertpapiere. Das bedeutet, dass die betreffende Bank die Abwicklung der auf die Wertpapiere zu leistenden Zahlungen (bei Aktien: Dividendenzahlungen) koordiniert. Traditionell war dies die Einlösung der von den Aktionären einzuliefernden Gewinnanteilsscheine3. Bei girosammelverwahrten Aktien, bei denen typischerweise die Gewinnanteilsscheine ebenfalls globalverbrieft und girosammelverwahrt sind, erfolgt die Abwicklung der Dividendenzahlung über das Depotbankensystem4. Die Funktion der Hinterlegungsstelle5 dürfte sich dagegen infolge der Änderung des § 123 Abs. 3 Satz 2 AktG durch das UMAG6 erledigt haben. Danach reicht bei börsennotierten Gesellschaften ein in Textform erstellter besonderer Nachweis des Anteilsbesitzes durch das depotführende Institut aus; einer Hinterlegung wie nach früherem Recht bedarf es nicht mehr7.
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b) Führung des Aktienregisters Die internationale Verbreitung von Namensaktien (vor allem in den USA) sowie die erleichterte Girosammelverwahrung von Namensaktien und Führung des Aktienregisters (früher Aktienbuches) durch das Abwicklungssystem CASCADE RS der Clearstream Banking AG haben insbesondere Ende der neunziger Jahre zu einer stärkeren Verbreitung dieser Aktiengattung geführt, insbesondere bei Unternehmen, deren Ak-
1 Eingehend zu den üblichen Restriktionen bei emissionsbegleitenden Research-Berichten Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 47 ff. 2 In diesem Sinne auch Möllers in KölnKomm. WpHG, 2007, § 34b WpHG Rz. 239. 3 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 8.239; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.108. 4 Dazu Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, H Rz. 100 ff.; Noack/Zetzsche, WM 2004, 1, 5. 5 Dazu 1. Aufl., § 7 Rz. 9, § 32 Rz. 33 ff. 6 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005, BGBl. I 2005, 2802. 7 Butze, WM 2005, 1981, 1984; Gätsch/Mimberg, AG 2006, 476, 479.
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tien auch in den USA börsennotiert sind1. Diese Entwicklung wurde durch die im Jahre 2001 mit dem Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz – NaStraG)2 geschaffenen Erleichterungen weiter gefördert3. Hat eine Gesellschaft Namensaktien ausgegeben, so ist sie verpflichtet, ein Aktienregister zu führen4. Die technische Führung des Aktienregisters kann an Dritte vergeben werden5; zumeist sind dies aus Rechenzentren der Banken entstandene, mit diesen Banken verbundene Dienstleister6. c) Designated Sponsor 11
Zu den von einer Emissionsbank für den Zeitraum nach einer Platzierung häufig übernommenen Funktionen gehört weiterhin die des so genannten Designated Sponsors. Dieser hat im Rahmen des elektronischen Handelssystems XETRA an der Frankfurter Wertpapierbörse die Aufgabe, in Bezug auf ein bestimmtes von ihm betreutes börsengehandeltes Wertpapier innerhalb einer von der Börsengeschäftsführung vorgegebenen Spanne zwischen Kauf- und Verkaufskurs verbindliche Kauf- und Verkaufsangebote zu stellen, § 146 BörsO FWB. Geht ein Auftrag ein (und findet sich im Markt keine korrespondierende Gegenorder), so kommt zwischen dem Auftraggeber und dem Designated Sponsor auf dieser Grundlage ein Wertpapierkauf zustande. Dadurch wird für alle Marktteilnehmer auch bei Werten mit geringer Liquidität die Möglichkeit zum kontinuierlichen Handel sichergestellt7. Während der Designated Sponsor früher für diese Aufgabe von der Geschäftsführung der Frankfurter Wertpapierbörse gemäß § 125 BörsO FWB zugelassen sein musste, sieht § 146 Abs. 1 Satz 1 BörsO FWB (in der Fassung vom 15.8.2008) vor, dass er durch den Börsenträger (gemäß § 3 BörsO FWB die Deutsche Börse AG) beauftragt wird. Der Designated Sponsor erklärt sich in einem Vertrag mit dem Börsenträger bereit, die Aufgabe des Designated Sponsors für bestimmte Wertpapiere zu übernehmen, § 146 Abs. 1 Satz 2 BörsO FWB. Als Designated Sponsor dürfen nur zum Börsenhandel zugelassene Unternehmen beauftragt werden, die die Anforderungen des § 146 Abs. 2 Satz 3 BörsO FWB erfüllen. Ein Emittent, der wünscht, dass in Bezug auf den Handel in seinen Aktien ein Designated Sponsor tätig wird, schließt daneben (wie bisher) mit einem zum Börsenhandel zugelassenen Unternehmen einen weiteren Vertrag über diese Tätigkeit. Für letzteren Vertrag mit dem Emittenten stellt die Deutsche Börse AG als Träger der Frankfurter Wertpapierbörse ein Muster zur Verfügung8. Dieses ist allerdings nur eine (unverbindliche) Empfehlung der Deutsche Börse AG und regelt eine Reihe von Aufgaben, die nicht zwingend mit der Tätigkeit eines Designated Sponsors ver1 Hüffer, § 67 AktG Rz. 3 m.w.N.; Diekmann, BB 1999, 1985; Huep, WM 2000, 1626; von Rosen/Seifert, Die Namensaktie, 2000; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, Q Rz. 1 ff. 2 BGBl. I 2001, 123. 3 Dazu Seibert, ZIP 2001, 53; Noack, ZIP 2001, 57; Goedecke/Heuser, BB 2001, 369; Noack, DB 2001, 27 sowie Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 1 ff. 4 Hüffer, § 67 AktG Rz. 5; Heinrich in Heidel, § 67 AktG Rz. 5 f.; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 15. 5 Hüffer, § 67 AktG Rz. 5; Heinrich in Heidel, § 67 AktG Rz. 5 f.; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 12. 6 Zu nennen sind z.B. die registrar services GmbH (ein Tochterunternehmen der Deutsche Bank AG), die ADEUS Aktienregister-Service-GmbH (ein Joint-Venture von Dresdner Bank AG, Allianz AG, der Münchener Rückversicherungs-Aktiengesellschaft und CSC Deutschland Solution GmbH) sowie die Computershare GmbH. 7 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.560; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 3.40. 8 Im Internet abrufbar unter www.deutsche-boerse.com.
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bunden sein müssen1. Wiewohl Designated Sponsoring dazu führt, dass mehr Aufträge in den Börsenhandel eingehen, als es der tatsächlichen Marktlage entspricht, werden dadurch keine falschen oder irreführenden Signale für das Angebot und die Nachfrage i.S.v. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG gesetzt, da es sich um eine in den Börsenregeln vorgesehene und damit den Marktteilnehmern bekannte Funktion zur Erhaltung der für einen geordneten Handel erforderlichen Mindestliquidität handelt2. Während im früheren Neuen Markt3 jeder dort notierte Emittent mindestens zwei Designated Sponsors beauftragen musste4, ist dies mittlerweile nicht mehr Voraussetzung für die Notierung in einem bestimmten Marktsegment. Allerdings empfiehlt die Deutsche Börse zur Erhöhung der Liquidität im Handel die Beauftragung von zwei Designated Sponsors5. Für die Aufnahme einer Gesellschaft in einen der Auswahlindizes der Deutsche Börse AG kann allerdings je nach Liquidität der Aktie die Verpflichtung eines Designated Sponsors erforderlich werden (siehe oben § 7 Rz. 66).
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d) Bei Wandel- und Umtauschanleihen: Zahl- und Wandlungs- bzw. Umtauschstelle Bei der Emission einer Wandel- oder Umtauschanleihe (dazu unten § 51) hat der Emittent nicht nur durch die Einrichtung einer Zahlstelle sicherzustellen, dass die nach den Anleihebedingungen an die Anleihegläubiger zu entrichtenden Zahlungen von Zinsen und Kapital ordnungsgemäß erfolgen. Er hat ferner dafür Sorge zu tragen, dass das mit der betreffenden Anleihe verbundene Wandel- oder Umtauschrecht auch tatsächlich ausgeübt werden kann. Daher sehen die Anleihebedingungen vor, dass zum Zweck der Abwicklung der Wandlung bzw. des Umtausches der Teilschuldverschreibungen in Aktien eine Wandlungs- bzw. Umtauschstelle bestimmt wird. Bei dieser haben die Anleihegläubiger eine Wandlungserklärung einzureichen und die zu wandelnden Teilschuldverschreibungen auf diese zu übertragen. Die Wandlungs-/ Umtauschstelle wickelt dann für den Emittenten den Wandlungs- bzw. Umtauschvorgang ab. Zu ihren Aufgaben gehört dabei die Prüfung der Wandlungsvoraussetzungen, die Berechnung der an die wandelnden Anleihegläubiger auszugebenden Aktien, die Veranlassung von deren Ausgabe und Übertragung an die betreffenden Anleihegläubiger sowie die Abgabe der Bezugserklärung gemäß § 198 Abs. 1 AktG, die Abwicklung der diesbezüglichen Buchungsvorgänge und die Berechnung etwaiger Anpassungen des Wandlungspreises aufgrund von zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen (z.B. Kapitalerhöhungen). Ferner erfolgt die Vornahme der nach den Anleihebedingungen erforderlichen Veröffentlichungen regelmäßig durch die Zahl- oder die Wandel- bzw. Umtauschstelle. Die Funktion der Zahl-, Wandlungs- und Umtauschsstelle wird meist vom Konsortialführer der Emission der betreffenden Anleihe wahr1 Mustervertrag Designated Sponsors/Emittent der Deutsche Börse AG vom 20.11.2003 (s. vorstehende Fn. 8); die dort nach § 1 Abs. 2 letzter Spiegelstrich vorgesehene „Übernahme von Aufgaben in den Bereichen der Unternehmensanalyse (Research) und beim Vertrieb des (r) Wertpapiers (e) des Emittenten“ durch den Designated Sponsor erscheint angesichts der dargestellten Sensibilität in Bezug auf Interessenkonflikte bei der Erstellung von Finanzanalysen wenig glücklich und angesichts der gestiegenen aufsichtsrechtlichen Anforderungen auch nicht mehr zeitgemäß. 2 Mock/Stoll/Eufinger in KölnKomm. WpHG, 2007, § 20a WpHG Rz. 14; Knauth/Käsler, WM 2006, 1041, 1046 f. 3 Dazu 1. Aufl., § 6 Rz. 54 f. 4 Ziff. 4 Abs. 1 des Abschnitts 3 des Regelwerks Neuer Markt – Handelsbedingungen für den Neuen Markt. 5 Rundschreiben der Deutsche Börse AG „Neue Aktienmarktsegmentierung: Designated Sponsors erhöhen die Liquidität“ vom 12.11.2002; stocks &standards Nr. 7/2002.
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genommen. Dies hat den Vorteil, dass dadurch gewährleistet wird, dass die die Funktion der Zahl-, Wandlungs- und Umtauschsstelle erfüllende Stelle in die Entwicklung der Anleihebedingungen eingebunden ist und im Nachhinein auftretende Schwierigkeiten bei der Administrierbarkeit der Anleihebedingungen vermieden werden können.
II. Zeitlicher Ablauf einer Emission 14
Der Ablauf einer Emission lässt sich im Wesentlichen in drei Phasen einteilen: – Konzeptionierung: von den Vorüberlegungen bis zur Mandatierung einer Investmentbank (Rz. 15 ff.) – Vorbereitung: von der Mandatierung der Investmentbank bis zum Angebot (Rz. 21 ff.) – Durchführung: vom öffentlichen Angebot bis zur Aufnahme des Börsenhandels (Rz. 23 ff.). 1. Konzeptionierung a) Grundsatzentscheidung zur Durchführung einer Emission
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Vor Beginn der eigentlichen Emissionsvorbereitung muss geklärt werden, ob eine Emission bzw. Platzierung in Anbetracht der gegenwärtigen Lage der Gesellschaft sowie des aktuellen Marktumfeldes sinnvoll erscheint. Dazu werden eine (oder mehrere) Emissionshäuser auf der Grundlage der von der Gesellschaft veröffentlichten Informationen, aber ggf. auch aufgrund ihrer Kenntnis der Gesellschaft im Rahmen einer laufenden Kundenbeziehung, ihre Einschätzung abgeben und mit der Gesellschaft diskutieren. b) Entwicklung eines Emissionskonzepts
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Ist die Grundsatzentscheidung zur Vorbereitung einer Emission/Platzierung einmal gefallen, ist ein Emissionskonzept zu entwickeln1. Dazu sind die vorstehend unter § 6 erörterten Überlegungen zur Art der Platzierung anzustellen. c) Auswahl einer Führungsbank
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Die Gesellschaft hat sich dann auch für die Emissionsbank(en) zu entscheiden, die die Transaktion führend begleiten sollen. Ein späterer Wechsel der Emissionsbank bzw. bei einer Platzierung durch ein Bankenkonsortium des Konsortialführers wäre nahezu zwangsläufig mit Mehraufwand und Mehrkosten, häufig sogar mit erheblichen Verschiebungen im Zeitplan verbunden. Die Entscheidung für eine oder mehrere Emissionsbanken wird auch in aller Regel eine Entscheidung für das von dieser befürwortete Emissionskonzept bedeuten. Sofern sich die Gesellschaft nicht, z.B. aufgrund vorheriger Erfahrungen bei ähnlichen Transaktionen oder einer dauerhaften Kundenbeziehung, vorab auf eine bestimmte Bank festgelegt hat, wird sie sich häufig im Rahmen einer Ausschreibung (beauty contest) von mehreren Banken Angebote vorlegen lassen. Dabei stellen die Banken auch das für die Transaktion vorgesehene Team und dessen Expertise vor. Auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen und 1 Schmid/Janssen in Harrer/Heidemann, Der Gang an die Börse, 2001, Kapitel 3 (S. 79 ff.); Schanz, Börseneinführung, § 6 Rz. 35 ff.; § 14.
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einer Erläuterung im Rahmen einer Präsentation (pitch) erfolgt dann die Auswahl der die Emission begleitenden bzw. das Emissionskonsortium führenden Bank(en)1. Bisweilen werden, gerade bei größeren Platzierungen, mehrere Emissionsbanken bzw. Konsortialführer (so genannte Joint Lead Managers oder Joint Global Coordinators) ausgewählt. Die Gesellschaften dürften sich davon versprechen, sich eine breitere Investorenbasis verschaffen zu können2. Oft soll zwar die „Hausbank“ an der Emission teilnehmen, jedoch ergänzend ein bei internationalen Emissionen erfahren(er)es Institutes beteiligt werden. Auch kann ein gewisser „Wettbewerb“ unter den Führungsbanken bezweckt sein. Mehrere Banken unterschiedlicher Ausrichtung können sich als gemeinsame Konsortialführer durchaus ergänzen. Die Auswahl mehrerer Konsortialführer führt zugleich aber zu größerem Abstimmungsbedarf. Jede Investmentbank hat ihren eigenen Stil der Emissionsvorbereitung und eigene Vorstellungen über die Dokumentation. So sind amerikanische Investmentbanken von in den USA üblichen Prozeduren geprägt. Es bedarf hier jedoch einer differenzierten Betrachtung wegen des von den Verhältnissen in den USA nicht unbeträchtlich abweichenden rechtlichen Umfeldes in Deutschland. Ob die so möglicherweise entstehenden Reibungsverluste durch die mit der Einschaltung mehrerer gleichberechtigter Führungsbanken bezweckten Vorteile aufgewogen werden, muss letztlich im Einzelfall entschieden werden. d) Bankenkonsortium Größere Aktienplatzierungen werden traditionell nicht nur von einer einzigen Emissionsbank durchgeführt, sondern von einer Gruppe von Banken, dem so genannten Konsortium. Ein Grund hierfür liegt darin, dass das Volumen der betreffenden Emission oft die finanziellen Ressourcen und/oder die Risikobereitschaft einer einzelnen Bank u.U. übersteigt3. Für die Einschaltung mehrerer Banken kann ferner sprechen, wenn eine breite Platzierung in verschiedenen Märkten angestrebt wird, in denen jeweils bestimmte Banken eine besonders starke Marktstellung und besondere Erfahrung mit den dortigen Verhältnissen, insbesondere den rechtlichen Anforderungen und den vorherrschenden Marktusancen aufweisen4. Dies gilt insbesondere, wenn eine Platzierung auch bei Privatanlegern vorgesehen ist, zu denen nicht alle im Emissionsgeschäft tätigen Banken ausreichenden Zugang haben. Dies hängt u.a. auch mit dem so genannten Trennbankensystem in den USA zusammen. US-Amerikanische Investmentbanken war es lange Zeit untersagt, neben dem Investmentbankgeschäft auch das Privatkundengeschäft zu betreiben5. Mittlerweile verfügt jedoch jede der führenden Emissionsbanken über eine weltweite Präsenz an den wesentlichen Finanzmärkten. Durch die internationale Konzentration im Bankenbereich hat zudem die – globale – Platzierungskraft der wesentlichen Investmentbanken zugenommen. Regulatorische Erleichterungen haben auch in den USA zur Bildung von Großbankenkonzernen geführt, die jedenfalls unter dem Dach ihrer Unternehmensgruppe u.a. Investmentbanking und Private Banking verbinden (so z.B. die Citigroup oder auch J.P. 1 Achleitner, Handbuch Investment Banking, S. 253 ff. 2 Denkbar ist beispielsweise, dass sich ein Konsortialführer auf Privatanleger konzentriert (so genanntes retail offering), ein anderer auf institutionelle; oder: ein Konsortialführer soll (schwerpunktmäßig) deutsche und europäische, eine anderer US-amerikanische Investoren ansprechen. 3 Bosch in BuB, Rz. 10/26; Achleitner, Handbuch Investment Banking, S. 495 ff. 4 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.286; Achleitner, Handbuch Investment Banking, S. 268 ff. 5 Dazu Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 2.865 ff.; Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 1 Rz. 63 sowie Achleitner, Handbuch Investment Banking, S. 6, 120 ff.
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Morgan Chase)1. Daher nimmt die Bedeutung der Konsortialbildung im Emissionsgeschäft ab2. So wurden in jüngerer Zeit Aktienplatzierungen im Volumen von mehreren hundert Millionen Euro durch nur eine Emissionsbank durchgeführt. Für große Emissionen im Milliardenbereich sowie für breite Platzierungen auch bei Privatanlegern hat jedoch die Bildung von Emissionskonsortien nach wie vor Bedeutung. Hinzu kommt, dass Emittenten es bisweilen ausdrücklich wünschen, mehrere Banken zu beteiligen, selbst wenn dies für eine erfolgreiche Durchführung der Emission nicht zwingend erforderlich wäre. Gründe hierfür können die Pflege von bestehenden Geschäftsbeziehungen oder Prestigeüberlegungen sein. 19
Zudem kommt es bei großen Emissionen bisweilen zu einer teilweisen Weitergabe von Übernahmerisiken an nachgeordnete Banken, so genannten Sub-Underwriting3. Diese nachgeordneten Banken erklären sich gegenüber einer Konsortialbank bereit, einen Teil des Übernahmerisiko der betreffenden Konsortialbank zu übernehmen, ohne selbst in eine Vertragsbeziehung mit dem Emittenten zu treten. Daneben können auch so genannte Sellers auftreten (bei mehreren Sellers spricht man von der Selling Group), die ohne Übernahmeverpflichtung (aber auch mit dementsprechend geringerer Provisionsbeteiligung) Platzierungsaktien an ihre Kunden vertreiben, so z.B. kleine Privatbanken, die über einen Kreis vermögender (Privat-)Kunden verfügen können.
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Die Einschaltung nachrangiger Konsorten (also der „einfachen“ Konsortialbanken) erfolgt typischerweise erst kurz vor der Durchführung der Emission4. Zur Vorbereitung der Platzierung ist ihre Beteiligung nicht erforderlich. Eine frühzeitige Einbindung mehrerer Banken würde einen nicht unerheblichen Koordinationsbedarf verursachen. Zudem steigt aufgrund der größeren Zahl der beteiligten Personen de facto die Gefahr, dass die geplante Platzierung vorzeitig bekannt werden könnte. Anders mag es liegen, wenn bei geplanter breiter Platzierung bei Privatanlegern (z.B. im Rahmen eines Börsenganges) die Kunden verschiedener Banken rechtzeitig über die bevorstehende Emission informiert und daher die nachgeordneten Banken zur Vorbereitung des Marketings eingebunden werden sollen. Die Zusammenstellung der Konsortiums erfolgt aufgrund größerer Sachnähe zumeist durch den Konsortialführer5, wobei die Gesellschaft allerdings u.U. eigene Interessen verfolgen will, so z.B. zur Pflege der Geschäftsbeziehung zu anderen Banken (siehe oben Rz. 18). 2. Vorbereitung
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Nach der Mandatierung einer, ggf. mehrerer Führungsbanken beginnt die eigentliche Emissionsvorbereitung. Neben einer realistischen und streng befolgten Zeitplanung (siehe oben § 7 Rz. 94 ff.) ist dabei eine klare Aufgabenverteilung zwischen den Beteiligten von entscheidender Bedeutung. Diese wird von dem bzw. den Konsortialführer(n) koordiniert. Wesentlicher Bestandteil der Emissionsvorbereitung ist insbeson1 Zur Liberalisierung des Trennbankensystems insbesondere durch den so genannten GrahamLeach-Bliley Act Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 2.867 f.; Claussen Bank- und Börsenrecht, § 1 Rz. 63 Fn. 107; zu Tendenzen einer Auflösung der klassischen Aufteilung des Bankwesens Achleitner, Handbuch Investment Banking, S. 12 ff., 132 ff. 2 So schon Hopt in FS Kellermann, 1991, S. 181, 196; zur aktuellen Entwicklung vgl. nur Schäcker/Brehm in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 2 Rz. 22. 3 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.292; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 13; de Meo, Bankenkonsortien, 1994, Erster Teil, Zweites Kapitel Rz. 109. 4 Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 42. 5 Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.15.
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dere die so genannten Due Diligence, d.h. die Untersuchung der Verhältnisse eines Unternehmens im Vorfeld einer Transaktion (dazu § 10). Sie dient zunächst einer konkreteren Analyse des Unternehmens, um es im Hinblick auf die Durchführung der Emission und deren Vermarktung besser beurteilen zu können. Daneben stellt eine eingehende Due Diligence-Prüfung die Voraussetzung für die Prospekterstellung dar. Die Prospekterstellung wird typischerweise bereits parallel zur Due Diligence vorangetrieben und erfolgt zumeist durch die für die Transaktion mandatierten Anwälte (siehe oben Rz. 5), die dabei ihre Erkenntnisse aus der Due Diligence unmittelbar verwerten können. In der Regel liegt die Federführung bei der Prospekterstellung in der Hand der Gesellschaft und ihrer Anwälte. Dies hat sich – ungeachtet der von der Bank und ihren eigenen Beratern durchzuführenden Untersuchungen – als sinnvoll erwiesen, da die Gesellschaft den direkteren Zugang zu Informationen über sich selbst hat und am ehesten in der Lage ist, ihre eigene Geschäftstätigkeit zu beschreiben. Für die Anwälte der Gesellschaft (so genannte Issuer’s Counsel), ist es wiederum regelmäßig leichter als für die Anwälte der Emissionsbank(en), die Vorbereitungen auf Seiten der Gesellschaft zu koordinieren. Den Anwälten der Emissionsbanken (so genannte Underwriters’ Counsel), kommt eher eine Kontrollfunktion zu, indem sie die Prospektentwürfe mit den Erkenntnissen ihrer eigenen Untersuchungen abgleichen. Bei kleineren Emissionen begegnet man bisweilen dem so genannten Transaction Counsel. Vereinzelt wird darunter ein Anwalt verstanden, der – z.B. für die Zwecke der Prospekterstellung – vorwiegend aus Kostengründen sowohl von der Gesellschaft als auch von der/den Emissionsbank(en) beauftragt wird. Unter dem Gesichtspunkt des Interessenkonfliktes wäre ein solches Verständnis der Rolle des Transaction Counsel problematisch. Vielmehr ist auf eine klare Festlegung der Aufgaben und des Mandatsbeziehungen der eine Wertpapieremission begleitenden Rechtsberater zu achten. Daher begegnet man dem Transaction Counsel in der Praxis meist (und sinnvollerweise) allenfalls in einer Konstellation, in der der Anwalt der Konsortialbanken die Prospekterstellung betreibt. Damit nimmt er eine dem vorstehend beschriebenen Transaction Counsel zumindest ähnliche Funktion wahr und wird daher oft als solcher bezeichnet (obwohl „Underwriters Counsel mit erweitertem Aufgabenbereich“ zutreffender wäre). Der Rechtsberater des Emittenten konzentriert sich in dieser Konstellation vor allem auf die Unterstützung der Due Diligence und die Verhandlung der Vertragsdokumentation. An die Prospekterstellung schließt sich die Durchführung des Prospektbilligungs- und Börsenzulassungsverfahrens an, das in der Regel der Konsortialführer federführend betreibt (siehe dazu Rz. 4). Währenddessen erfolgt eine laufende Fortschreibung des Prospektes, da es für seine Richtigkeit und Vollständigkeit auf den Zeitpunkt seiner Veröffentlichung ankommt1. Gegen Ende der Prospektvorbereitung ist rechtzeitig vor Ankündigung und Durchführung des Angebotes mit der Erstellung und Verhandlung der Vertragsdokumentation zu beginnen. Damit ist in erster Linie der Übernahmevertrag (Underwriting Agreement), aber auch dessen Begleitdokumentation wie Legal und Disclosure Opinions sowie Comfort Letters gemeint. Allerdings können konkrete Verhandlungen über diese Dokumente sinnvollerweise erst erfolgen, wenn sich die Parteien zumindest im Wesentlichen über die Emissionsstruktur und den Inhalt des Prospektes verständigt haben, da der Inhalt der genannten Dokumente maßgeblich davon abhängt. Ansonsten laufen die Beteiligten Gefahr, eher abstrakt über Vertragsinhalte zu verhan-
1 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 43 ff.; Hamann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 44, 45 BörsG Rz. 198; Assmann in Assmann/Lenz/Ritz, § 13 VerkProspG Rz. 24.
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deln und das Verhandlungsergebnis später anhand der Umstände des Einzelfalles nachbessern zu müssen. 3. Durchführung 23
Nach Abschluss der Emissionsvorbereitung kann die Emission bzw. Platzierung durchgeführt werden. Deren genauer Ablauf hängt von der Angebotsstruktur ab, insbesondere davon, ob es sich um eine Privatplatzierung oder ein öffentliches Angebot, um eine Bezugsrechtsemission oder eine „freie“ Platzierung handelt oder auch vom Verfahren, nach dem der Emissions- bzw. Platzierungspreis bestimmt wird. Das Angebot von Aktien an Investoren leitet die Durchführung ein. An die Angebotsphase schließt sich die Zuteilung der Platzierungsaktien (bzw. bei Bezugsrechtsemissionen der nicht von Bezugsberechtigten bezogenen Aktien) an Investoren an. Darauf folgt die so genannte Stabilisierungsphase, in der die Emissionsbanken stabilisierend in die Preisbildung am Markt eingreifen können, um Schwankungen auszugleichen, die infolge der Emission auftreten können. a) Preisermittlung
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Die Festsetzung des „richtigen“ Emissionspreises war wiederholt Gegenstand kontroverser Diskussionen. Dies hängt mit den unterschiedlichen Interessen der an einer Aktienplatzierung Beteiligten zusammen. Banken wird nachgesagt, sie wollten durch einen niedrigen Platzierungspreis ihr Platzierungsrisiko gering halten. Für Anleger sind die Renditeerwartungen umso größer, je niedriger ihr Einstiegspreis ausfällt. Dagegen hat eine emittierende Gesellschaft bei einer Kapitalerhöhung ein Interesse an einem möglichst hohen Platzierungspreis, um den ihr zufließenden Erlös zu maximieren. Gleiches gilt für abgebende Aktionäre1. Bei näherem Hinsehen erweist sich die Interessenlage jedoch als komplexer. Die Banken erhalten für ihre Tätigkeit eine Provision, die sich aus einem zuvor vereinbarten Prozentsatz des Platzierungserlöses ergibt; oft wird auch eine im Ermessen der Gesellschaft bzw. der abgebenden Aktionäre stehende zusätzliche Erfolgsprovision vereinbart. Daher haben die Banken durchaus auch ein Interesse an einem hohen Erlös und damit einem hohen Platzierungspreis. Umgekehrt kann weder der Gesellschaft noch den Banken an einem Platzierungspreis gelegen sein, der sich im Zweitmarkt nicht halten lässt. Ein Absinken des Kurses unter den Platzierungspreis führt zur Unzufriedenheit der Anleger2; für Folgeemissionen wird die Vermarktung umso schwerer. Auch Aktionäre, die sich bei der Platzierung nur von Teilen ihres Bestandes trennen, können das Kursentwicklungspotential der Aktie nicht außer Acht lassen. Aus aktienrechtlicher Sicht kommt bei der Platzierung neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung hinzu, dass diese nicht nur gemäß § 9 Abs. 1 AktG mindestens zum Nennbetrag bzw. bei Stückaktien auf sie jeweils entfallenden anteiligen Betrag des Grundkapital ausgegeben werden müssen. Im Falle des Bezugsrechtsausschlusses dürfen zudem nach § 255 Abs. 2 Satz 1 AktG Aktien nicht zu einem „unangemessen niedrigen“ Ausgabebetrag ausgegeben werden (zu den Einzelheiten § 42 Rz. 72 ff.)3. Dabei ist bei der Zeichnung durch eine Emissionsbank nicht der „Ausgabebetrag“ im technischen Sinne, sondern der 1 Zur Interessenlage der Beteiligten: Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.92; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 71. 2 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.7; Jäger, NZG 1999, 814, 816. 3 Zur Anwendung des auf die Anfechtbarkeit eines Kapitalerhöhungsbeschlusses abziehenden § 255 Abs. 2 AktG auf eine Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital Meyer, WM 2002, 1106, 1111.
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der Gesellschaft infolge der Kapitalerhöhung zufließende Erlös maßgeblich. Bei Zeichnung der neuen Aktien durch eine Emissionsbank zum geringsten Ausgabebetrag kommt daher ein Verstoß gegen § 255 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht in Betracht, sofern der der Gesellschaft im Rahmen der Durchführung der Kapitalerhöhung zufließende Gegenwert (also einschließlich des von der Emissionsbank bei der Platzierung neuer Aktien erzielten und an die Gesellschaft abgeführten Mehrerlöses) nicht unangemessen niedrig ist (dazu Rz. 112). Hinsichtlich des Maßstabes für die Beurteilung der Unangemessenheit dürfte sich mittlerweile das Verständnis durchgesetzt haben, dass jedenfalls ein in einem marktnahen Verfahren gefundener Platzierungspreis nicht „unangemessen niedrig“ i.S.v. § 255 Abs. 2 AktG sein kann (siehe § 42 Rz. 73)1. Angesichts der komplexen Interessenlage überrascht daher nicht, dass die Beurteilung von Platzierungspreisen unterschiedlich ausfallen kann. In den neunziger Jahren bis in das Jahr 2000 hinein wurde – angesichts oft erzielter „Zeichnungsgewinne“ durch Kursanstiege unmittelbar nach Durchführung einer Emission (insbesondere bei Börsengängen) – vielfach behauptet, Platzierungspreise würden zu niedrig festgesetzt2. Später war angesichts der Kursverluste der folgenden Jahre zu hören, Platzierungen seien zu überhöhten Preisen erfolgt3. Die Bestimmung des „richtigen“ Platzierungspreises erweist sich mithin als eine komplexe Aufgabe, bei der ein Kompromiss zwischen den widerstreitenden Interessen zu finden ist. Dabei kommt nicht nur der abstrakten Ermittlung des Wertes der emittierenden Gesellschaft, sondern vor allem der Einschätzung der konkreten Nachfragesituation und daran anknüpfend der Bewertung der betreffenden Aktie durch den Markt maßgebliche Bedeutung zu. Hierzu sind unterschiedliche Verfahren entwickelt worden.
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aa) Festpreisverfahren. Traditionell wurde der Platzierungspreis im Festpreisverfahren bestimmt. Auf der Grundlage einer Unternehmensbewertung4, unter Berücksichtigung der Börsenkurse von Vergleichsunternehmen sowie der allgemeinen Marktverfassung einigen sich Gesellschaft und konsortialführende Emissionsbank (ggf. zusammen mit abgebenden Altaktionären) vor Veröffentlichung eines Verkaufsangebotes auf einen festen Preis, zu dem die Aktien der Emission angeboten und veräußert werden sollen5. Bei bereits börsennotierten Gesellschaften ist wesentliche Grundlage der Bestimmung des Emissionspreises der Börsenkurs und seine Entwicklung in der jüngeren Vergangenheit. Der so bestimmte Emissionspreis liegt dann dem Verkaufsangebot zugrunde. Das Festpreisverfahren spielt insbesondere eine Rolle bei Bezugsrechtsemissionen, bei denen bis zur Ergänzung des § 186 Abs. 2 AktG durch das TransPuG der Bezugspreis – jedenfalls nach traditioneller Lesart (siehe oben § 7 Rz. 27) – im Bezugsangebot genannt werden musste. Das bedeutete, dass er bereits vor Beginn der zweiwöchigen Bezugsfrist festzulegen war6.
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Beim Festpreisverfahren muss daher bereits erhebliche Zeit vor der eigentlichen Durchführung einer Platzierung eine Prognose des wahrscheinlich erzielbaren Platzie-
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1 Ebenso Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennzahl 055 Rz. 123; ähnlich der Ansatz bei Stilz in Spindler/Stilz, § 255 AktG Rz. 19. 2 Zum angeblichen „Underpricing-Phänomen“ Kaserer/Kempf, ZBB 1995, 45; Fleischer, ZHR 165 (2001), 514, 531. 3 Vgl. z.B. Gerke, FAZ v. 24.2.2003. 4 Dazu z.B. Hötzel in Beck’sches Hdb. AG, § 22 Rz. 1 ff. 5 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.254; Groß in BuB, Rz. 10/260; Voigt, Die Bank 1995, 339. 6 So zur Rechtslage vor dem TransPuG Hüffer, AktG, 5. Aufl. 2002, § 186 AktG Rz. 19 sowie Rz. 52 für den Fall des mittelbaren Bezugsrechts; Peifer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 186 AktG Rz. 112.
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rungspreises erfolgen. Die tatsächliche Nachfrage kann nur geschätzt werden1. So besteht – gerade in einem volatilen Marktumfeld – eine erhebliche Gefahr von Fehleinschätzungen2. Emissionsbanken sind daher einem erheblichen Platzierungsrisiko ausgesetzt. Nicht platzierte Aktien können ggf. erst bei später steigender Nachfrage sukzessiv in den Markt abgegeben werden. Ein an sich möglicher Kursanstieg würde so u.U. verhindert oder zumindest gebremst3. Diese Unsicherheiten führen regelmäßig zu einem Abschlag von dem durch Bewertung ermittelten Preis, um die Platzierbarkeit der Aktien sicherzustellen. Dies trifft insbesondere auf Bezugsangebote zu. Ein hoher, d.h. nah am Börsenkurs festgelegter Bezugspreis macht den Bezug eher unattraktiv und führt daher regelmäßig zu einer eher geringen Bezugsquote (siehe oben § 7 Rz. 35)4. Dies ist (nur) dann sinnvoll, wenn eine größere Zahl an Aktien für eine „freie“ Platzierung zur Verfügung stehen soll; dagegen wird man in volatilen Märkten und bei unsicherer Nachfrage auf eine hohe Bezugsquote abzielen und daher den Bezugspreis eher niedrig festsetzen, auch um etwaige Kursrückgänge während der (mindestens) zweiwöchigen Bezugsfrist zu berücksichtigen5. 28
bb) Auktionsverfahren. Vereinzelt wird ein Auktionsverfahren als Alternative der Preisfestsetzung diskutiert. Dabei geben Investoren limitierte Kaufangebote ab. Die Zuteilung erfolgt beginnend mit dem höchsten Gebot in absteigender Reihenfolge bis alle Aktien platziert sind. Ein einheitlicher Platzierungspreis wird in diesem Falle nicht gebildet6. Eine Abwandlung ist die so genannte holländische Auktion, bei der ein einheitlicher Platzierungspreis auf der Grundlage des niedrigsten Gebots festgesetzt wird, das bei der Zuteilung nach vorstehend beschriebenem Mustern gerade noch bedient würde7.
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Das Auktionsverfahren ist einseitig auf Erlösmaximierung ausgerichtet. Die vorhandene Nachfrage wird weitestgehend abgeschöpft. Dadurch besteht die Gefahr, dass nach Durchführung der Emission kaum noch Nachfrage nach den platzierten Aktien besteht, jedenfalls nicht zum Platzierungspreis. Mithin ist ein Kursrückgang im Zweitmarkt zu befürchten8. Dies liegt weder im Interesse der Gesellschaft noch der Banken, da die Platzierung dann gemeinhin als Misserfolg angesehen würde. Erst recht dürfte das erhöhte Risiko von „Zeichnungsverlusten“ Anleger eher abschrecken. Hinzu kommt, dass die Zuteilung ohne Ansehung der Investoren ausschließlich nach dem gebotenen Preis erfolgt. Eine – als grds. sinnvoll angesehene – gesteu1 Darauf weist auch Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 530 hin. 2 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.255; Groß in BuB, Rz. 10/259 f.; Voigt, Die Bank 1995, 339. 3 Vgl. Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 75; Weiler in Wirtz/Salzer, IPO-Management, 2001, S. 85, 94. 4 Zumindest ein über dem Börsenkurs liegender Bezugspreis wird als Fall des so genannten faktischen Bezugsrechtsausschlusses angesehen, vgl. Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 43, 83; differenzierend Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1994, § 186 AktG Rz. 177. 5 Zu den Überlegungen bei der Festlegung des Bezugspreises auch Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2177 f. 6 Pfüller/Maerker, Die Bank 1999, 670, 673. 7 Pfüller/Maerker, Die Bank 1999, 670, 673; Schuster/Rudolf in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Tz. 240 unter C.II.2. Wie Schuster/Rudolf sieht auch Weiler in Wirtz/Salzer, IPO-Management, S. 85, 97 die so genannten holländische Auktion offenbar als den Normalfall eines Auktionsverfahrens an (angesichts der sehr geringen Verbreitung kann man ohnehin kaum von einer gefestigten Praxis sprechen; bislang ist in Deutschland nur ein Anwendungsfall bekannt geworden, nämlich beim Börsengang der Trius AG, dazu Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 90 (Fn. 162); Weiler in Wirtz/Salzer, IPO-Management, S. 85, 97). 8 Darauf weisen auch Schäcker/Brehm in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 2 Rz. 41 hin.
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erte Verteilung der Platzierungsaktien auf verschiedene Investorengruppen ist dann nicht mehr möglich (dazu unten Rz. 32)1. cc) Bookbuilding. Bei bezugsrechtsfreien Emissionen hat sich mittlerweile das so genannte Bookbuilding-Verfahren weitestgehend durchgesetzt2. In seiner klassischen Form werden dabei die Platzierungsaktien zunächst nicht zu einem festen Preis, sondern unter Angabe einer im Prospekt an Stelle eines festen Angebotspreises (so der gesetzliche Regelfall vgl. Ziff. 5.3.1 Anhang III der ProspV; § 8 Abs. 1 Satz 1 WpPG) enthaltenen Preisspanne angeboten. Diese wird auf der Grundlage der vorherigen Bewertung, den Preisindikationen von zuvor unverbindlich angesprochenen Investoren3, der Börsenkurse von Vergleichsunternehmen sowie bei bereits börsennotierten Gesellschaften auch der aktuellen Börsenkurse der Aktien der Gesellschaft selbst bestimmt. Die Spanne bewegt sich ca. 10–15 % um einen so ermittelten möglichen Platzierungspreis4. Bei Platzierungen von Aktien einer bereits börsennotierten Gesellschaft wird bisweilen auch auf die Angabe einer Preisspanne verzichtet. Während einer Angebotsphase von üblicherweise ca. 5–10 Tagen können Anleger ihren Wunsch, Aktien zu beziehen, über ihre Depotbank bei dem Konsortialführer anmelden (order taking period)5. Dabei kann nicht nur die (Höchst-)Zahl der gewünschten Aktien sondern auch ein bestimmter oder maximaler Erwerbspreis angegeben werden. Der Konsortialführer sammelt diese „Orders“ im so genannten Orderbuch (faktisch geschieht dies elektronisch). Daher bezeichnet man diesen Vorgang auch als Bookbuilding6. Nach Ende der Angebotsphase wertet der Konsortialführer gemeinsam mit der Gesellschaft und/oder abgebenden Altaktionären das Orderbuch aus. Auf dieser Grundlage legen Konsortialführer, Gesellschaft und/oder Altaktionäre im Rahmen der Preisspanne den endgültigen Platzierungspreis fest und dokumentieren dies im Preisfestsetzungsvertrag. Dabei liegt die aktienrechtliche Kompetenz zur Festsetzung des Platzierungspreises bei dem Vorstand der Gesellschaft7, die Emissionsbank(en) haben insoweit (zunächst) nur beratende Funktion. Das Erfordernis ihrer Zustimmung zur Preisfestsetzung ergibt sich daraus, dass sie aufgrund ihrer Marktkenntnis beurteilen müssen, ob das beabsichtigte Volumen an Aktien 1 Weiler in Wirtz/Salzer, IPO-Management, S. 85, 97; Achleitner, Handbuch Investment Banking, S. 575 f. 2 Groß in BuB, Rz. 10/259b. 3 Dieses pilot fishing spielt vor allem bei IPOs eine Rolle, bei denen die Unsicherheit über die Nachrage und dem im Markt erzielbaren Preis in Ermangelung eines Börsenkurses besonders groß ist. 4 Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 74; Voigt, Die Bank 1995, 339, 340; ähnlich Groß, ZHR 162 (1998), 318, 321; Achleitner, Handbuch Investment Banking, S. 570 f. 5 Eine wesentlich kürzere Angebotsphase kennzeichnet das in jüngerer Zeit häufiger auftretende so genannte Accelerated Bookbuilding. Es findet vor allem Verwendung bei Privatplatzierungen von Aktien börsennotierter Gesellschaften einschließlich Kapitalerhöhungen von bis zu 10 %. Es erfolgt zumeist aufgrund der individuellen Ansprache von Investoren, die zur Abgabe von Kaufangeboten binnen weniger Stunden aufgefordert werden. Die Zuteilung wird dann meist noch am selben Tag vorgenommen. Diese Form des Bookbuildings eignet sich insbesondere für volatile Märkte, da das Übernahme- und Platzierungsrisiko wegen der kurzen Angebotsfrist gering gehalten wird; dazu auch Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346. 6 Dazu Groß, ZHR 162 (1998), 318 ff. 7 Bei der Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital ergibt sich dies aus § 204 Abs. 1 Satz 1 AktG; nach § 204 Abs. 1 Satz 2 AktG ist die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich, dazu Technau, AG 1998, 445, 450. Wird die Kapitalerhöhung (ausnahmsweise) unmittelbar von der Hauptversammlung beschlossen (so genannter Direktbeschluss) und der „Ausgabebetrag“ darin noch nicht festlegt, obliegt die Preisfestsetzung – unter Beachtung des von der Hauptversammlung nach § 186 Abs. 3 AktG festzusetzenden Mindestbetrages – dem Vorstand. Die Hauptversammlung kann auch die Zuständigkeit oder das Erfordernis der Zustimmung des Aufsichtsrats beschließen, vgl. Hüffer, § 182 AktG Rz. 24.
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zu diesem Preis tatsächlich platzierbar ist. Nach erfolgter Preisfestsetzung wird sodann die Zuteilung der Aktien an die Investoren vorgenommen, d.h. die Entscheidung, welcher Investor wie viele Aktien zum Platzierungspreis erwirbt (siehe unten Rz. 42 ff.). 31
Anders als ein Bezugsangebot im Rahmen des mittelbaren Bezugsrechts nach § 186 Abs. 5 AktG1 – stellt ein so genanntes „öffentliches Angebot“ im Rahmen einer Platzierung im Bookbuilding-Verfahren keinen bindenden Antrag i.S.v. § 145 BGB dar, der durch die Annahme seitens des Investors zum Vertragsschluss führt. Ein bindender Vertrag über den Erwerb einer bestimmten Zahl von Aktien zum Platzierungspreis kommt vielmehr erst mit der Zuteilung zustande. Daher ist das so genannte öffentliche Angebot als Aufforderung an den Investor zur Abgabe eines Antrages (invitatio ad offerendum) zu verstehen2. Erst das Kaufangebot des Anlegers stellt den Antrag im Sinne von § 145 BGB dar, dessen Inhalt sich auf der Grundlage des öffentlichen Angebotes bestimmt. Mit der Zuteilung nimmt die Emissionsbank sodann den Antrag des Investors an. Dabei geht die ganz h.M. davon aus, dass – den Marktgebräuchen entsprechend – der Investor gemäß § 151 Satz 1 BGB auf den Zugang der Annahme verzichtet3. Somit kommt durch die Zuteilung der Aktienkaufvertrag mit dem Investor zustande.
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Das Bookbuilding erleichtert die marktnahe Festsetzung des Emissionspreises anhand der konkreten Nachfrage. Dies vermeidet die dem Festpreisverfahren immanenten 1 Hüffer, § 186 AktG Rz. 51; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 112. Das Bezugsangebot nach § 186 Abs. 5 Satz 2 AktG ist also ein nach § 145 BGB bindender Antrag. Mit Annahme durch die – regelmäßig über die jeweilige Depotbank des Bezugsberechtigten – abzugebende Bezugserklärung kommt ein Kaufvertrag zwischen der betreffenden Emissionsbank und dem Bezugsberechtigten zustande. 2 Hein, WM 1996, 1, 4; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 100; Groß in BuB, Rz. 10/266; Groß, ZHR 162 (1998), 318, 323 f.; Pfüller/Maerker, Die Bank 1999, 670, 671; Kümpel in Kümpel/ Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Tz. 240 unter I.; Willamowski, WM 2001, 653, 655; so schon Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 2268. Dass es sich „nur“ um eine invitatio ad offerendum handelt, muss aus der Formulierung des so genannten öffentlichen Verkaufsangebotes deutlich hervorgehen. Eine übliche Formulierung lautet: „Das Angebot, im Rahmen dessen Anleger die Möglichkeit erhalten, Kaufangebote für die Aktien abzugeben, beginnt voraussichtlich am […] und endet voraussichtlich am […]. Die Preisspanne, innerhalb derer Kaufangebote abgegeben werden können, beträgt […] bis […]. Kaufangebote können während des Angebotszeitraums bei den deutschen Niederlassungen der Konsortialbanken abgegeben werden. […] Nach Ablauf des Angebotszeitraums wird der Platzierungspreis voraussichtlich am […] von der Gesellschaft, dem Abgebenden Aktionär und den Konsortialführern mit Hilfe des im Bookbuilding-Verfahren erstellten so genannten Orderbuchs gemeinsam festgelegt. Grundlage dieses Bookbuilding-Verfahrens wird die Preisspanne sein. Der Preisfestsetzung liegen die im vorgenannten Orderbuch gesammelten Kaufangebote zu Grunde, die von Investoren während des Angebotszeitraums abgegeben wurden. […] Nach Festlegung des Platzierungspreises werden die Angebotsaktien aufgrund der dann vorliegenden Angebote an Anleger zugeteilt. Der Platzierungspreis wird voraussichtlich am […] im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung über ein elektronisch betriebenes Informationssystem und unter der Internetadresse der Gesellschaft sowie frühestens am darauf folgenden Werktag durch Bekanntmachung in der […]Zeitung veröffentlicht werden. Anleger, die ihr Kaufangebot über eine der Konsortialbanken erteilt haben, können den Platzierungspreis sowie die Anzahl der ihnen jeweils zugeteilten Aktien frühestens an dem auf die Preisfestsetzung folgenden Bankarbeitstag bei der betreffenden Konsortialbank erfragen. Zeichnungsaufträge durch Anleger sind bis zum Ende der Angebotsfrist frei widerruflich. Mehrfachzeichnungen sind zulässig. Die buchmäßige Lieferung der zugeteilten Aktien gegen Zahlung des Platzierungspreises erfolgt voraussichtlich am […]. Insbesondere für den Fall, dass das Platzierungsvolumen nicht ausreicht, um sämtliche Kaufaufträge zum Platzierungspreis zu bedienen, behalten sich die Konsortialbanken vor, Kaufangebote nicht oder nur teilweise anzunehmen.“ 3 Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 100 Fn. 182; Groß in BuB, Rz. 10/267; Groß, ZHR 162 (1998), 318, 330; Willamowski, WM 2001, 653, 655.
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Prognose- und Bewertungsrisiken. Es eröffnet zudem Flexibilität, um im Rahmen der gewählten Preisspanne auf Marktentwicklungen zu reagieren und bei der Preisfestsetzung genügend Kurssteigerungspotential zu belassen. So wird üblicherweise angestrebt, zu einem Preis zu platzieren, zu dem ein Nachfrageüberhang besteht, der eine gewisse Nachfrage im Zweitmarkt gewährleistet1. Somit sollte die Nachfrage für die Platzierungsaktien zu dem Platzierungspreis das angebotene Volumen übersteigen; man spricht dann von einer „überzeichneten“ Emission. Dies wird – zumindest bei einem Platzierungspreis in der oberen Hälfte der Bookbuilding-Spanne – gemeinhin als Erfolg bewertet. Zudem ermöglicht das Bookbuildingverfahren bei einem solchen Nachfrageüberhang eine gesteuerte Investorenauswahl und so den gewünschten Investorenmix zwischen eher kurzfristig und eher langfristig orientierten Investoren, um sowohl ausreichende Liquidität als auch Preisstabilität im Zweitmarkt zu fördern (siehe unten Rz. 43)2. Zwischenzeitlich aufgekommene Kritik am Bookbuilding-Verfahren3 dürfte sich inzwischen relativiert haben. Während des Börsenbooms 1999 und 2000 waren z.T. erhebliche Kurssteigerungen kurz nach Notizaufnahme zu verzeichnen. Angebliche Platzierungen unter Wert sorgten gerade bei so genannten Tochter-IPOs zu Verärgerung bei Aktionären der Muttergesellschaft. Diese fürchteten, um ihre wirtschaftlichen Beteiligung am „Tafelsilber“ der Muttergesellschaft gebracht zu werden4. Mittlerweile haben sich die aufgetretenen Kursgewinne weniger als Ergebnis eines angeblichen Underpricings5 als einer vorübergehenden Überhitzung des Marktes erwiesen. Die betreffenden Aktien notierten einige Zeit nach dem Börsengang deutlich unter Emissionspreis und haben dessen Niveau auch bisher nicht mehr erreicht6. Die vorübergehenden Übertreibungen während der zurückliegenden Boomphase sind daher nicht geeignet, das Bookbuilding als marktnahes Preisfestsetzungsverfahren nachhaltig in Zweifel zu ziehen.
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Dessen ungeachtet kam bei einer Reihe von Börsengängen der letzten Jahre eine Abwandlung des vorstehend beschriebenen „klassischen“ Bookbuilding-Verfahrens zum Einsatz, das so genannte entkoppelte Bookbuildingverfahren (decoupled bookbuilding). Dieses Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass Prospektveröffentlichung und Beginn der Vermarktung der angebotenen Aktien durch Investorengespräche im Rahmen der so genannten Roadshow vom eigentlichen Bookbuilding entkoppelt werden7. Bei dem entkoppelten Bookbuilding-Verfahren wird auf die Angabe einer Preisspanne im Prospekt verzichtet. Diese ist nach Ziff. 5.3.1 Anhang III der ProspV, § 8 Abs. 1 Satz 1 WpPG ohnehin nicht erforderlich, sofern Methode und Kriterien der Preisfindung im Prospekt beschrieben werden. Im Rahmen der Investorengespräche
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Trapp/Schick, AG 2001, 381, 389; Jäger, NZG 1999, 814, 816. Weiler in Wirtz/Salzer, IPO-Management, S. 85, 96. Diese klingt z.B. bei Lutter, AG 2001, 349, 351 an. Genannt wurden z.B. die IPOs von Infineon (damals Tochter der Siemens AG), Comdirect (Tochter der Commerzbank AG) sowie T-Online (Tochter der Deutsche Telekom AG). 5 Die während der Boomphase auf den Aktienmärkten in den Neunziger Jahren angestellten Erwägungen über das angebliche Underpricing-Phänomen (dazu etwa Kaserer/Kempf, ZBB 1995, 45; Pape/Serfling, AG 1999, 289) erscheinen angesichts der Entwicklungen zu Beginn dieses Jahrtausends im Nachhinein in einem etwas anderen Licht. 6 In anderem Zusammenhang hierzu anschaulich Busch/Groß, AG 2000, 503, 504; Fuchs in Henze/Hoffmann-Becking, RWS-Forum 20-Gesellschaftsrecht, 2001, S. 259, 261, 281, insbesondere Fn. 5. Die These vom angeblichen Underpricing wird bereits durch einen Vergleich von Bookbuilding-Spanne und Kursen am ersten Handelstag relativiert, vgl. die Auswertung von Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 531 Fn. 115 f. 7 Dazu Bozicevic, AG-Report 2006, R 234.
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während der Roadshow erhalten die Emissionsbanken von den Investoren, die dann bereits Gelegenheit hatten, den Prospekt auszuwerten, Indikationen, zu welchen Preisen diese ggf. bereit wären, Aktien zu erwerben. Auf dieser Grundlage wird dann die Preisspanne bestimmt. Anschließend beginnt das eigentliche Bookbuilding, dem ein Nachtrag i.S.v. § 16 WpPG vorangeht, der das so genannten Verkaufsangebot und die Preisspanne enthält1. Dieses Verfahren eignet sich vor allem für Börsengänge von Gesellschaften, bei denen die Festlegung einer Preisspanne bereits im Prospekt (siehe oben Rz. 30) besonderen Unsicherheiten unterliegt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es an börsennotierten Vergleichsunternehmen derselben Branche fehlt oder bei einem besonders volatilen Marktumfeld2. 35
Bei bereits börsennotierten Aktien stellt sich das Problem der Preisbildung ohnehin nicht in derselben Schärfe wie bei Ersteinführungen. Bei diesen gibt der Börsenkurs regelmäßig einen Anhaltspunkt für die aktuelle Bewertung der Aktie durch den Markt. Bei Kapitalerhöhungen unter vereinfachtem Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG sind der Preisfestsetzung ohnehin enge Grenzen gesetzt. Der Platzierungspreis sollte hier den Börsenkurs grds. nicht mehr als um die in der Literatur diskutierten zulässigen Toleranzschwelle von 3 % bis maximal 5 % unterschreiten (dazu unten § 42 Rz. 87)3.
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dd) Kombinierte Verfahren. In den letzten Jahren sind Diskussionen um die Verwendung eines Auktionsverfahrens zur Preisfestsetzung erneut aufgeflammt. Sie betrafen unterschiedliche Transaktionsstrukturen, bei denen die verwendeten Auktionselemente unterschiedliche Ausprägungen erfuhren.
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aaa) Auktionsverfahren bei Kapitalerhöhungen mit Bezugsrecht. Eine in Deutschland bei den Kapitalerhöhungen der Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG und der Deutsche Lufthansa AG4 im Jahr 2004 und der Fresenius AG (heute SE) 2005 praktizierte Form des Auktionsverfahrens stellt sich bei näherer Betrachtung als Kombination von Elementen des Auktions-, Bookbuilding- und Festpreisverfahrens heraus. Dem in traditioneller Form nach dem Festpreisverfahren durchgeführten Bezugsangebot (dazu oben § 7 Rz. 27) geht dabei zur Bestimmung des dem Bezugangebot zu Grunde liegenden festen Bezugspreises eine Art Auktionsprozess unter bestimmten als Konsortialmitglieder in Frage kommenden Banken voran. Diese werden gegen Ende der Transaktionsvorbereitung von dem Emittenten eingeladen, sich an der Emission auf der Grundlage einer mit Hilfe einer beratenden Bank bereits ausverhandelten Dokumentation zu beteiligen, die sie mit der Einladung erhalten5. Sie werden darin aufgefordert, in Form eines bindenden Angebotes mitzuteilen, wie viele Aktien sie zu welchem Preis fest zu übernehmen
1 Zur Verwaltungspraxis der BaFin in Bezug auf die hierbei erforderlichen Prospektangaben: Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 56. 2 Dieses Verfahren wurde erstmals beim Börsengang der Conergy AG im März 2005 angewandt, vgl. Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81, 86; instruktiv dazu Ries in Grunewald/Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, 2007, § 2 III 2b. 3 So der Bericht zur Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Entwurf des Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts BT-Drucks. 12/7848, S. 9; Hüffer, § 186 AktG Rz. 39d m.w.N.; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, Nachtrag zu § 186 AktG Rz. 15 f.; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1994, § 186 AktG Rz. 152; Rebmann in Heidel, § 186 AktG Rz. 63. 4 Börsen-Zeitung v. 25.5.2004; FAZ v. 25.5.2004. 5 Kritisch, insbesondere in Bezug auf Börsengänge Schäcker/Brehm in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 2 Rz. 6.
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bereit sind1. Dies kann auch gestaffelt nach Preis und Volumen in Form einer so genannten Preis- und Volumen-Matrix erfolgen. Die Gebote werden der Preisfestsetzung mit dem Ziel zugrunde gelegt, einen Bezugspreis festzusetzen, zu dem die Durchführung der Emission durch entsprechende Übernahmeverpflichtungen der Konsortialbanken gesichert ist. Den eingeladenen Banken wird u.U. sogar die Beteiligung an der Konsortialführung in Aussicht gestellt, wobei die beratende Bank mitunter das Recht erhält, sich den von eingeladenen Banken gebotenen Konditionen anzuschließen. Die Entscheidung über den Bezugspreis und die Zusammensetzung des Konsortiums erfolgt durch den Emittenten und die beratende Bank nach deren freiem Ermessen. Mithin ähnelt diese Form der Preisermittelung eher dem Bookbuilding als einem Auktionsverfahren2. Durch die Kombination der Preisermittlung mit der Auswahl der Konsortialbanken wird eine Minimierung des für das Festpreisverfahren typischen Sicherheitsabschlages erreicht. Zugleich wird durch das Einholen fester Übernahmezusagen zum vorgeschlagenen Bezugspreis die Durchführung der Kapitalerhöhung ohne Abhängigkeit von der tatsächlichen Bezugsquote sichergestellt, da die Konsortialbanken dann nicht bezogene Aktien zum Bezugspreis übernehmen. bbb) Auktionsverfahren bei Block Trades. In ähnlicher Form kann ein Auktionsverfahren auch zur Auswahl der Konsortialbanken bei einer Privatplatzierung (so genannter block trade) genutzt werden (dazu siehe oben § 7 Rz. 90). Dabei wird in der vorstehend für Bezugsrechtskapitalerhöhungen beschriebenen Weise die Auswahl der die Platzierung durchführenden Emissionsbank von dem auf der Grundlage einer vorgefertigten Dokumentation gebotenen Preis und Volumen abhängig gemacht, das die betreffende Bank bereit ist, fest zu übernehmen (back stop underwriting). Die feste Übernahme der Platzierungsaktien durch die Banken zu einem Mindestpreis wird oft mit einer Platzierung im Wege des Accelerated Bookbuilding kombiniert, wobei die Banken üblicherweise an dem über den Mindestpreis erzielten Mehrerlös beteiligt werden (upside sharing)3.
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ccc) Auktionsverfahren bei IPOs. Eine andere Ausprägung des Auktionsverfahrens hat bei dem IPO der Google Inc. im Jahr 2004 für Schlagzeilen gesorgt. Allerdings entpuppt sich das bei Google gewählte Verfahren bei näherem Hinsehen als ein abgeschwächtes Auktionsverfahren, bei dem keinesfalls zwingend der bei der Auktion erzielte Höchstpreis für die volle Platzierung des Emissionsvolumens als Platzierungspreis festgesetzt wird. Vielmehr stand dessen Festlegung – wie beim Bookbuilding – im Ermessen von Emittent und Konsortialbanken. Wenngleich es das erklärte Ziel war, den durch die Auktion ermittelten Höchstpreis festzusetzen, wurde ausdrücklich die Möglichkeit offen gelassen, einen niedrigeren Preis festzusetzen, um eine breitere Streuung zu erreichen oder das Risiko eines Sinkens des Börsenkurses zu minimieren4.
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1 Eingehend die Beschreibung bei Singhof/Schlitt, Börsen-Zeitung v. 18.6.2004; Singhof/Schlitt, IFLR 8/2004, 15 f. 2 Singhof/Schlitt, Börsen-Zeitung v. 18.6.2004; Singhof/Schlitt, IFLR 8/2004, 15, 16. 3 Dazu Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 348; Holmes/Castellon, PLC 05/2006, 19, 20. 4 Vgl. Prospekt für das IPO der Google Inc. vom 18.8.2004, im Internet abrufbar unter: www.sec.gov/Archives/edgar, Registration No. 333–114984, S. 38; dort heißt es unter „The Pricing Process“: „The initial public offering price will be determined by us and our underwriters after the auction closes. We intend to use the auction clearing price to determine the initial public offering price and, therefore, to set an initial public offering price that is equal to the clearing price. However, we and our underwriters have discretion to set the initial public offering price below the auction clearing price. We may do this in an effort to achieve a broader distribution of our Class A common stock or to potentially reduce the downward price volatility in the trading price of our shares in the period shortly following our offering relative to what would be experienced if the initial public offering price were set at the auction clearing price.“
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Das bei Google gewählte Vorgehen hat indes nicht zu einer breiteren Anwendung des Auktionsverfahrens geführt. Die letztlich erfolgte Herabsetzung der ursprünglich festgelegten Preisspanne und des Platzierungsvolumens1 sowie der erhebliche Kursanstieg nach Notierungsaufnahme zeigte zudem, dass auch ein Auktionsverfahren kein Allheilmittel gegen das angebliche Underpricing bei begehrten Neuemissionen darstellt. Letztlich bleibt es dabei, dass die Nachfrage bei Neuemissionen maßgeblich von der – auch kurzfristigen – Renditeerwartung der Anleger geprägt ist. Gerade in einem unsicheren Marktumfeld erscheint daher eine vorwiegend an der Maximierung des Emissionserlöses ausgerichtete aggressive Preisfestsetzung im Hinblick auf den Erfolg der Emission, aber auch die Entwicklung des Kurses im Zweitmarkt problematisch.
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ee) Bestmögliche Ausführung. Seit Inkrafttreten des FRUG2 müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Aufträge ihrer Kunden für den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten ausführen, nach § 33a Abs. 1 WpHG alle angemessenen Vorkehrungen treffen, um das bestmögliche Ergebnis für ihre Kunden zu erreichen (best execution). Insbesondere haben sie zu diesem Zweck Grundsätze zur Auftragsausführung (best execution policy) nach näherer Maßgabe von § 33a Abs. 2 WpHG festzulegen und die Auftragsausführung gemäß diesen Grundsätzen sicherzustellen. Ob diese auf die einheitliche Behandlung von Kundenaufträgen im Massengeschäft abzielende Regelung auf die individuell vereinbarte Platzierung von größeren Aktienbeständen passt, erscheint fraglich. So beschränkte der deutsche Gesetzgeber ihre Anwendung auf Geschäfte i.S.v. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 3 WpHG, nahm also sowohl die Platzierung von Finanzinstrumenten mit fester Übernahmeverpflichtung (Emissionsgeschäft, § 2 Abs. 3 Nr. 5 WpHG – so genanntes hard underwriting) als auch die Platzierung von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung (Platzierungsgeschäft i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 6 WpHG – so genanntes soft underwriting) vom Anwendungsbereich des § 33a WpHG aus. Allerdings interpretieren BaFin und Bundesbank den Begriff des Platzierungsgeschäfts einschränkend dahingehend, dass es nur Veräußerungen von Finanzinstrumenten im fremden Namen für fremde Rechnung im Rahmen einer Emission (also für den Emittenten) beinhaltet3. Diese Auslegung lässt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes ableiten, lehnt sich aber offenbar an die Regierungsbegründung des FRUG an, die das Platzierungsgeschäft als Unterfall der Abschlussvermittlung (und nicht etwas des Finanzkommissionsgeschäfts) bezeichnet4. Die (Um-)Platzierung von bereits bestehenden Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung lässt sich aber – wie schon vor Inkrafttreten des FRUG – als Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung ansehen und damit unter § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpHG (Finanzkommissionsgeschäft) subsumieren5. In Bezug auf diese Art der Wertpapierdienstleistung gilt wiederum § 33a WpHG. Zudem nimmt die
1 Vgl. die ausführliche Berichterstattung in der Financial Times v. 19.8.2004 sowie Bericht in der Börsen-Zeitung v. 21.8.2004. 2 Siehe oben Fn. 2 zu Rz. 3. 3 Merkblatt der BaFin und der Deutschen Bundesbank zum neuen Tatbestand des Platzierungsgeschäfts vom 27.12.2007, im Internet abrufbar unter www.bafin.de. 4 RegE Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) BT-Drucks. 16/4028 – dies ergibt sich indes nicht aus der Begründung zu § 2 Abs. 3 WpHG, sondern findet sich in der Begründung zu den Änderungen von § 2 Abs. 8 KWG (S. 116), § 33 KWG (S. 131) und § 64i Abs. 5 KWG (S. 135), die ebenfalls auf das Platzierungsgeschäft abstellen. 5 Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 2 WpHG Rz. 130; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 2 WpHG Rz. 45, 58.
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Übernahme und Platzierung von Aktien
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (MiFID)1, auf der § 33a WpHG beruht, weder das Platzierungsgeschäft noch das Emissionsgeschäft ausdrücklich vom Anwendungsbereich des Art. 21 MiFID (Verpflichtung zur kundengünstigsten Ausführung von Aufträgen) aus, zu dessen Umsetzung § 33a WpHG dient2. Indes sieht § 33a Abs. 4 WpHG in Umsetzung von Art. 21 Abs. 1 Satz 2 MiFID vor, dass die Pflicht zur Erzielung des bestmöglichen Ergebnisses als erfüllt gilt, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen einen Auftrag gemäß einer ausdrücklichen Kundenweisung ausführt. Angesichts der ausdrücklichen Regelungen über die Art der Platzierung und den anzuwendenden Preisfindungsmechanismus in den bei Aktienplatzierungen abgeschlossenen Übernahme- bzw. Platzierungsverträgen mag man ohnehin davon ausgehen, dass der Kunde mit Abschluss eines solchen Vertrages bereits eine ausdrückliche Weisung erteilt, die Platzierung nach Maßgabe des Vertrages durchzuführen. Zur Klarstellung dürfte sich aber empfehlen, nicht nur die Platzierung und den Preisfindungsmechanismus in dem Vertrag genau zu beschreiben, sondern dort auch ausdrücklich zu regeln, dass es sich bei der Vereinbarung einer Platzierung nach diesen Vorgaben um eine ausdrückliche Kundenweisung nach § 33a Abs. 4 WpHG handelt. b) Zuteilung Die Zuteilung, also die Entscheidung an welche Investoren wie viele Platzierungsaktien verkauft werden, war zu Zeiten des boomenden Aktienemissionsgeschäfts Ende der 90er Jahre und während des Jahres 2000 ein umstrittenes Thema. Die rasanten Kursanstiege nach Notierungsaufnahme sorgten für erhebliche so genannte Zeichnungsgewinne der Ersterwerber. Bei den z.T. massiv überzeichneten Emissionen3 kam jedoch nur ein Bruchteil der interessierten Investoren in den Genuss dieser Renditechancen. Dies warf die Frage auf, inwieweit Anleger ein Recht auf Zuteilung oder zumindest faire Behandlung im Zuteilungsverfahren haben.
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aa) Interessenlage. Nicht nur die Interessen der Anleger, sondern auch die der Gesellschaft und der beteiligten Banken sind im Zusammenhang mit der Zuteilung von Bedeutung. Insbesondere besteht ein Interesse aller beteiligten Parteien an einer nachhaltig positiven Kursentwicklung. Die Auswahl von Investoren im Rahmen der Zuteilung kann sich auf die Kursentwicklung der Aktie der Gesellschaft niederschlagen. Werden Platzierungsaktien vorwiegend von kurzfristig orientierten Anlegern erworben, ist zu befürchten, dass bereits kurz nach erfolgter Platzierung vermehrt Aktien abgestoßen werden, sei es um etwaige „Zeichnungsgewinne“ mitzunehmen, sei es – weil diese ausgeblieben sind – um drohende Kursverluste zu vermeiden. In beiden Fällen droht ein Kurseinbruch. Die ausschließliche Zuteilung an langfristig orientierte Investoren birgt dagegen die Gefahr, dass die gewünschte Steigerung des Streubesitzes und der Liquidität der Aktien nicht erreicht wird. Ziel einer sinnvollen Zuteilung ist daher eine Mischung
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1 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (MiFiD), ABl. EG Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1. 2 Zwar verwendet die MiFID weitgehend den Begriff „Ausführung von Aufträgen im Namen des Kunden“ (so in der Definition in Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 MiFID), Art. 21 spricht jedoch nur von „Ausführung von Aufträgen“, dürfte mithin sowohl Aufträge erfassen, die im eigenen Namen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens ausgeführt werden als auch solche in fremdem Namen. 3 Als Beispiel wird meist das IPO der Infineon Technologies AG im März 2000 genannt, das trotz eines Emissionsvolumens von 12 Mrd. Euro 33-fach überzeichnet war, vgl. Schuster/Rudolf in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Tz. 240 unter A. Fn. 1.
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von kurz- und langfristig orientierten Investoren („Investorenmix“). Dazu bedarf es einer Einschätzung von deren voraussichtlichem Verhalten. Bei institutionellen Investoren ergibt sich aus deren Geschäftsmodell bereits eine Indikation für das zu erwartende Anlageverhalten. Große, international tätige Investmentfonds, Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften sind eher am Erreichen langfristiger Renditeziele als am Erzielen kurzfristiger Kursgewinne interessiert. Dagegen spekulieren Hedgefonds und sonstige Händler und Broker typischerweise auf kurzfristige Kursgewinne1. Erfahrungswerte aus früheren Transaktionen runden die Einschätzung der Investoren ab. Bei Privatanlegern fällt dagegen eine solche Klassifizierung schwer; aufgrund ihrer Vielzahl und der vergleichsweise kleinen Ordergrößen scheidet eine individuelle Einschätzung meist aus. Zudem liegen in der Regel keine verlässlichen Erfahrungswerte über das jeweilige Anlageverhalten vor. Regelmäßig sind Privatanleger jedoch eher langfristig orientiert2. Abgesehen von den vorgenannten eher objektiven Kriterien, spielen auch subjektive Faktoren eine Rolle. Die Gesellschaft möchte u.U. Geschäftspartner durch eine Beteiligung stärker an sich zu binden. Ähnliches kann z.B. für die Berücksichtigung von Mitgliedern der eigenen Unternehmensleitung und von Mitarbeitern gelten. Die Beteiligung von Mitarbeitern an Aktienemissionen des eigenen Unternehmens ist ein bekanntes Mittel der Mitarbeitermotivation, das zugleich die Identifikation des Mitarbeiters mit „seinem“ Unternehmen fördert. 44
bb) Anspruch auf Zuteilung? Bei der Kapitalerhöhung einer Aktiengesellschaft haben die Aktionäre nach § 186 AktG grds. ein Bezugsrecht zum Erwerb neuer Aktien anteilig zu ihrem bisherigen Aktienbesitz. Damit wird die Zuteilung neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung vorgegeben, sofern nicht das Bezugsrecht nach § 186 Abs. 3 AktG ausgeschlossen wurde oder bezugsberechtigte Aktionäre (oder Erwerber des Bezugsrechts im Rahmen eines Bezugsrechtshandels) ihr Bezugsrecht nicht ausüben. Hinsichtlich der Zuteilung nicht bezogener Aktien ist die Gesellschaft grds. frei; sie darf ihre Aktionäre nur nicht ungleich behandeln3. Die gleichen Grundsätze gelten bei der Übernahme neuer Aktien durch ein Kreditinstitut im Wege des mittelbaren Bezugsrechts zum Zweck der Durchführung eines Bezugsangebotes (heute der Regelfall bei Bezugsangeboten)4. In beiden Fällen besteht nach Ablauf der Bezugsfrist kein weiteres „Bezugsrecht zweiter Hand“5.
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Während der Boomphase der späten 90er Jahre war ein Anspruch auf Zuteilung diskutiert worden, der interessierten Anlegern, die bei einer Platzierung ein Kaufangebot abgeben, zustehen soll, auch ohne bezugsberechtigter Aktionär zu sein. Aus dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 53a AktG können Außenstehende solche Ansprüche jedoch nicht herleiten6. Gleiches gilt für die entsprechende Pflicht eines Emittenten gegenüber den Inhabern der von ihm emittierten, zum Börsenhandel zugelassenen Wertpapiere nach § 30a WpHG, da die interessierten Anleger gerade nicht zu dem von ihm gleich zu behandelnden Personenkreis gehören. Erwo1 Eingehend hierzu Killat/Bohn in Wirtz/Salzer, IPO-Management, 2001, S. 271 f. 2 Killat/Bohn in Wirtz/Salzer, IPO-Management, 2001, S. 271 f.; Willamowski, WM 2001, 653, 659. 3 Hüffer, § 185 AktG Rz. 25; Gotthardt in Beck’sches Hdb. AG, § 9 Rz. 23; im Grundsatz auch Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 185 AktG Rz. 26. 4 Hüffer, § 186 AktG Rz. 53; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 113, 115. 5 Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 97; sollen die Aktien dabei aber unterhalb des im Bezugsangebot genannten Bezugspreis veräußert werden, so sind sie den bezugsberechtigten Aktionären erneut anzubieten, dazu im Einzelnen hier Rz. 173. 6 Escher-Weingart, AG 2000, 164, 166; Willamowski, WM 2001, 653, 654; Pfüller/Maerker, Die Bank 1999, 670; Brandner/Bergmann in FS Peltzer, 2001, S. 17, 19.
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gen wurde aber, einen Anspruch auf Zuteilung auf den zwischen der Gesellschaft und den Emissionsbanken geschlossenen Übernahmevertrag als Vertrag zugunsten Dritter i.S.v. § 328 Abs. 1 BGB zu stützen. Dies kann jedoch – anderes als bei der Übernahme von Aktien im Wege des so genannten mittelbaren Bezugsrechts nach § 186 Abs. 5 AktG1 – bei einer bezugsrechtsfreien Emission nicht unterstellt werden. Die aktienrechtliche Verpflichtung nach § 186 Abs. 5 Satz 1 AktG gilt hier nicht. Bei bezugsrechtsfreien Emissionen übernimmt die Emissionsbank die Aktien vielmehr lediglich mit der Maßgabe, sie bei Investoren (ggf. breit gestreut) zu platzieren2. Ein Parteiwille, einzelnen Anlegern einen Anspruch auf Zuteilung einräumen zu wollen, kann daher nicht unterstellt werden. Vielmehr wollen sich Gesellschaft und Bank gerade die Flexibilität erhalten, auf die konkrete Angebotslage reagieren zu können3. Ein Anspruch auf Zuteilung scheitert auch daran, dass sich der Kreis der Berechtigten nicht festlegen ließe4. Die Gesellschaft müsste zur Befriedigung eines solchen Anspruches das Emissionsvolumen beliebig anpassen können. Dies wäre weder praktikabel noch gewollt5. Auch aus dem so genannten Verkaufsangebot lässt sich kein Anspruch auf Zuteilung ableiten. Außer bei Bezugsrechtsemissionen ist dieses kein bindendes Angebot, sondern lediglich eine invitatio ad offerendum gegenüber den bei einem öffentlichen Angebot weder näher bekannten noch irgendwie bestimmten Anlegern. Auch ein angeblich daraus begründetes vorvertragliches Schuldverhältnis zwischen Bank und Anleger6 kann keinen Anspruch auf Zuteilung begründen. Sonst würde die Grenze zwischen invitatio ad offerendum und echtem Antrag i.S.v. § 145 BGB verwischt. Das Wesen der invitatio besteht gerade darin, dass eine korrespondierende Erklärung des Adressaten noch nicht zum Vertragsschluss führt7. Pflichten aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis ergeben sich (nur) aus konkret hervorgerufenem Vertrauen. Stellt das Verkaufsangebot klar, dass es „freibleibend“ erfolgt, besteht kein schutzwürdiges Vertrauen auf eine Zuteilung8. Sonderfall: Bezugs- oder Vorerwerbsrecht der Aktionäre der Mutter beim TochterIPO? Besondere Beachtung hat die Frage nach Ansprüchen auf Zuteilung bei so genannten Tochter-IPOs gefunden. Gerade börsennotierte Unternehmen haben sich 1 BGH v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, BGHZ 114, 203, 208 = AG 1991, 270; BGH v. 13.4.1992 – II ZR 277/90, BGHZ 118, 83, 96 = AG 1992, 312; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 97; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.90. 2 Eine Regelung des Zuteilungsverfahrens findet sich im Übernahmevertrag eher selten. Auch diese soll aber einzelnen Anlegern kein individuelles Forderungsrecht einräumen, vgl. Pfüller/ Maerker, Die Bank 1999, 670, 671; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.91. 3 Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Tz. 240 unter I.; Pfüller/Maerker, Die Bank 1999, 670, 671. 4 Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 2267 f.; Gottwaldt in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2001, § 328 BGB Rz. 51. 5 Pfüller/Maerker, Die Bank 1999, 679, 671; Willamowski, WM 2001, 653, 655; Brandner/Bergmann in FS Peltzer, 2001, S. 17, 19. 6 Zu Recht bereits gegen ein solches vorvertragliches Schuldverhältnis nur aufgrund der vorangehenden invitatio ad offerendum: Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennzahl 055 Rz. 468. 7 Bork in Staudinger, BGB, 13. Bearbeitung, § 145 BGB Rz. 26; Kramer in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2001, § 145 BGB Rz. 10. 8 Dies gilt erst recht, wenn das Verkaufsangebot klarstellt, dass eine Annahme der Kaufangebote insbesondere im Falle der Überzeichnung unterbleiben kann (siehe oben das Formulierungsbeispiel in der Fußnote zu Rz. 31). Dazu auch Groß, ZHR 162 (1998), 318, 330; Willamowski, WM 2001, 653, 655; Brandner/Bergmann in FS Peltzer, 2001, S. 17, 21; Pfüller/Maerker, Die Bank 1999, 679, 671; im Ergebnis ebenso Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Tz. 240 unter I.; Escher-Weingart, AG 2000, 164, 166; im Ergebnis ebenso Köndgen, ZBB 2000, 287.
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seit dem Ende der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts von einer auf Risikostreuung durch Diversifizierung abzielenden Unternehmensstrategie abgewandt und wollen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Daher wurden in den letzten Jahren vermehrt einzelne Unternehmensbereiche in Tochtergesellschaften eingebracht und an die Börse geführt1. Im Hinblick auf dabei während des Börsenbooms der Jahre 1999 und 2000 erzielte „Zeichnungsgewinne“ kam die Forderung nach einem Bezugsoder Vorerwerbsrecht der Aktionäre der Muttergesellschaft auf2. Zur Begründung wurde abgestellt auf (i) die so genannte Holzmüller-Entscheidung des BGH zur Zustimmungspflicht der Hauptversammlung bei der Veräußerung wesentlicher Unternehmensteile, (ii) eine analoge Anwendung des § 186 AktG und (iii) eine Treuepflicht der Muttergesellschaft gegenüber ihren Aktionären. 47
Die BGH-Entscheidung in Sachen Holzmüller bezog sich auf die Einbringung des wertvollsten Teils des Geschäftsbetriebes der Hauptgesellschaft in eine 100%ige Tochtergesellschaft. Nach Auffassung des BGH wurde dabei so nachhaltig in die Mitgliedschaftsrechte und die damit verbundenen Vermögensinteressen der Aktionäre eingegriffen, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen konnte, er dürfte dies ohne Beschluss der Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG entscheiden3. Daher soll bei einer Kapitalerhöhung der Tochtergesellschaft, in die dieser wesentliche Unternehmensteil „ausgegliedert“ wurde, die Hauptversammlung der Mutter über die Kapitalmaßnahme sowie darüber entscheiden, ob das Bezugsrecht der Muttergesellschaft ausgeschlossen und ob stattdessen ihren Aktionären entsprechend § 186 Abs. 1, 2 und 5 AktG ein Bezugsrecht eingeräumt werden soll4. Ein Bezugsrecht der Aktionäre der Mutter bei einer im Rahmen des IPO der Tochter durchgeführten Kapitalerhöhung kommt – unter Zugrundelegung der Holzmüller-Rechtsprechung – aber nur bei einer vergleichbar wesentlichen Beeinträchtigung ihrer Interessen in Betracht. Der Tochtergesellschaft muss also im Gesamtkonzern erhebliches Gewicht zukommen, die Kapitalerhöhung bzw. die Beteiligung Dritter zu einer wesentlichen Strukturänderung bei der Muttergesellschaft führen5. In diesem Sinne hat der BGH zwischenzeitlich in der so genannten Gelatine-Entscheidung die in der Literatur teilweise zu beobachtende Ausweitung der Holzmüller-Grundsätze zurückgeführt. Da1 Diversifizierte Unternehmen, die nicht eindeutig einer bestimmten Branche zugeordnet werden können, müssen oft mit einem Kursabschlag rechnen, verglichen mit denen, die nur in einem Kerngeschäftsfeld tätig sind. Solche Konglomerate sind aus Investorensicht schwerer einzuschätzen, auch weil sie kaum an Vergleichsunternehmen oder der Entwicklung einer Branche gemessen werden können. Dazu Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 517 m.w.N. Beispiele für diese Entwicklung sind Siemens in Bezug auf Epcos und Infineon, die Deutsche Telekom mit T-Online oder die Commerzbank mit Comdirect, aber auch die frühere Veba mit Stinnes oder die Babcock-Borsig AG mit Nordex sowie aus der jüngeren Vergangenheit die Südzucker AG mit CropEnergies sowie Infineon mit Qimonda. 2 Vgl. z.B. Lutter, AG 2000, 342 ff. und Lutter, AG 2001, 349 ff. 3 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 – „Holzmüller“, BGHZ 83, 122, 131 = AG 1992, 158. 4 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 – „Holzmüller“, BGHZ 83, 122, 143 = AG 1992, 158. 5 Eingehend Fuchs in Henze/Hoffmann-Becking, RWS-Forum 20 – Gesellschaftsrecht, 2001, S. 259, 266 f.; Krieger in MünchHdb. AG, § 69 Rz. 10, 43; Simon in Heckschen/Simon, Umwandlungsrecht, 2003, § 4 Rz. 79 f.; Lüders/Wulff, BB 2001, 1209, 1212; ähnlich Busch/Groß, AG 2000, 503, 506 f.; ebenso Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 23 Rz. 140. Nach Henze in FS Ulmer, 2003, S. 211 ff. (insbesondere S. 223), soll eine Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung der Muttergesellschaft (und ein etwa an ihr anknüpfendes Bezugs- oder Vorerwerbsrecht) bei einem Anteil eines zu veräußernden (oder an die Börse zu bringenden) Unternehmensteils von weniger als 50 % an den hier diskutierten Kenngrößen (z.B. Umsatz, Ertrag oder Vermögen) in der Regel nicht in Betracht kommen. Generell die Heranziehung der Holzmüller-Doktrin für ein Bezugsrecht der Aktionäre der Muttergesellschaft ablehnend: Hüffer, § 119 AktG Rz. 18c.
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nach kommt die (Pflicht zur) Einschaltung der Hauptversammlung nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn eine Maßnahme so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre eingreift, dass diese Auswirkungen an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreichen1. Dies wird nicht nur in Bezug auf die Bedeutung der Tochtergesellschaft und deren Geschäft für den Konzern der Mutter, sondern auch für die Höhe der am Kapitalmarkt platzierten Beteiligung zu gelten haben2. Diese Voraussetzungen sind wohl nur in Ausnahmefällen gegeben3. Auf die in der Literatur angeführten Beispiele dürfte dies nicht zutreffen4. Im Übrigen sieht die Holzmüller-Entscheidung lediglich vor, dass – im Falle von Strukturentscheidungen – die Hauptversammlung der Muttergesellschaft bei der Kapitalerhöhung der Tochter ihren Aktionären ein Bezugsrecht einräumen kann, aber nicht muss5. Für die Abgabe von Aktien der Tochter aus dem Bestand der Mutter gilt das erst recht6. Das bei einer Kapitalerhöhung der Tochter entsprechend § 186 AktG geforderte Bezugsrecht der Aktionäre der Mutter scheitert bereits mangels Vorliegen der Voraussetzungen einer Analogie7. Es fehlt schon an der planwidrigen Regelungslücke8. Der Gesetzgeber hat in mehreren Änderungen des § 186 AktG nach dem Holzmüller-Urteil eine Erweiterung des Bezugsrechts der Aktionäre nach § 186 AktG nicht vorgenom-
1 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 – „Gelatine“, AG 2004, 384, 387, erläuternd dazu insbesondere Götze, NZG 2004, 585, 586 („einer Strukturmaßnahme nahe kommend“). 2 So Bungert, BB 2004, 1345, 1351; weiter gehend für die Zuständigkeit der Hauptversammlung der Muttergesellschaft bei einer Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft unter Ausschluss des Bezugsrechts im Rahmen von deren Börsengang, sofern in einer wesentlichen Tochter die Beteiligung der Mutter unter 75 % sinkt, Kowalewski, Das Vorerwerbsrecht der Mutteraktionäre beim Börsengang einer Tochtergesellschaft, 2008, S. 216, der dabei die Holzmüller- und Gelatine-Doktrin wohl überspannt, da sich allein an diesen Kriterien nicht der satzungsändernde Charakter der Maßnahme für die Muttergesellschaft festmachen lässt. 3 So bereits vor der Gelatine-Entscheidung des BGH: Fuchs in Henze/Hoffmann-Becking, RWSForum 20 – Gesellschaftsrecht, 2001, S. 259, 271; Trapp/Schick, AG 2001, 381, 387 f.; bestätigend BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 – „Gelatine“, AG 2004, 384, 387. Die bloße Überschreitung der im Schrifttum im Zusammenhang mit der Holzmüller-Rechtsprechung genannten, auf unterschiedliche Parameter (z.B. Bilanzsumme, Umsatz, Mitarbeiterzahl, Ertrag – vgl. Krieger in MünchHdb. AG, § 69 Rz. 11) bezogenen Schwellenwerte von 10 % bis 50 % kann danach nicht ausreichen. Ebenso, auch für den Fall des Tochter-IPO: Götze, NZG 2004, 585, 588. 4 Busch/Groß, AG 2000, 503 ff.; Habersack, WM 2001, 545 ff.; Trapp/Schick, AG 2001, 381, 387. 5 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 – „Holzmüller“, BGHZ 83, 122, 143 = AG 1992, 158; dazu Habersack, WM 2001, 545, 546; Trapp/Schick, AG 2001, 381, 385; vgl. auch Lutter, AG 2001, 349, 350; Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 23 Rz. 140. 6 Habersack, WM 2001, 545, 546; Lutter, AG 2001, 349, 350; für den Fall der Veräußerung bestehender Aktien der Tochter ebenso Kowalewski, Das Vorerwerbsrecht der Mutteraktionäre beim Börsengang einer Tochtergesellschaft, 2008, S. 224. 7 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 375 ff., sowie zu den Grenzen gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung S. 426 ff.; ähnlich Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 3. Aufl. 1999, Rz. 472 ff.; an den Voraussetzungen für eine Analogie zweifelt letztlich auch Lutter, AG 2000, 342, 344; Lutter, AG 2001, 349, 351, wonach ein „Vorrecht“ in Anlehnung an § 186 AktG einzuräumen sein soll. 8 Dieses Erfordernis kehrt Wackerbarth, AG 2002, 14, 16 (insbesondere Fn. 17) in sein Gegenteil um, indem er bestreitet, der Gesetzgeber habe darauf verzichtet, das Bezugsrecht der Aktionäre der Mutter beim Tochter-IPO in seinen „Plan“ aufzunehmen. Gründe dafür, dass eine planwidrige Lücke bestünde, die der Gesetzgeber trotz mehrerer Änderungen des § 186 AktG versehentlich nicht geschlossen hat, benennt Wackerbarth nicht. Seine These, dass das Bezugsrecht „unternehmensbezogen“ und nicht „gesellschaftsbezogen“ sei, also auch – rechtsträgerübergreifend – Kapitalmaßnahmen bei einer 100 %-Tochter erfasst, findet im Gesetz keine Stütze.
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men1. Auch das TransPuG, in dem durch die Flexibilisierung der Bezugsangebote das Bezugsrecht der Aktionäre gestärkt wurde2, greift diese Überlegungen nicht auf, ebenso wenig die diesem nachfolgende Änderung des AktG durch das UMAG3. Daher kann aus dem Fehlen eines gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre der Mutter bei der Kapitalerhöhung der Tochter4 nicht auf eine planwidrige Regelungslücke geschlossen werden5. Es fehlt zudem an der Vergleichbarkeit mit dem von § 186 AktG geregelten Sachverhalt6. Das Ziel des Bezugsrechts, die Aktionäre vor Verwässerung ihrer Beteiligung (an der Muttergesellschaft) zu schützen7, ist bei der Abgabe von Aktien der Tochtergesellschaft im Zusammenhang mit deren Börsengang oder auch bei der Schaffung neuer Aktien an der Tochtergesellschaft im Wege einer Kapitalerhöhung nicht tangiert. Weder das Stimmrecht des Aktionärs der Muttergesellschaft noch sein Anteil am Bilanzgewinn (§ 58 Abs. 4 AktG) oder Überschuss (§ 271 Abs. 1 AktG) aus der Liquidation der Mutter werden beeinträchtigt8. Im Gegenteil: typischerweise realisiert die Muttergesellschaft bei der Abgabe von Aktien im Rahmen des IPO der Tochter einen Gewinn. Sie erlangt auch zusätzliche Liquidität, die zuvor in der Beteiligung an der Tochter gebunden war und die sie nunmehr bei der Verfolgung der eigenen unternehmerischen Ziele (z.B. Ausbau ihres Kerngeschäfts) zum eigenen und damit mittelbar auch zum Vorteil ihrer Aktionäre nutzen kann. Ferner wird der Börsengang einer Tochtergesellschaft, insbesondere wenn er mit einer Konzentration der Mutter auf ihr Kerngeschäft einhergeht, vom Kapitalmarkt regelmäßig als für die Muttergesellschaft positiv bewertet9. Dabei spielt auch eine Rolle, dass der Börsengang der Tochtergesellschaft neue Finanzquellen erschließt und sie damit die Konzernfinanzierung der Muttergesellschaft weniger oder gar nicht mehr belastet. 49
Bei der Veräußerung von Aktien aus dem Bestand der Muttergesellschaft wurde ferner versucht, ein Bezugs- bzw. Erwerbsrecht aus einer Treuepflicht der Muttergesellschaft und ihrer Organe gegenüber ihren Aktionären abzuleiten10. Eine innergesellschaftliche Treuepflicht ist zwar in der Rspr. anerkannt11. Sie wurde vor allem anhand von Fällen entwickelt, in denen ein einzelner Aktionär seine Aktionärsrechte missbräuch1 Busch/Groß, AG 2000, 503, 508 (Fn. 48); Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 23 Rz. 140; Kort, AG 2002, 369, 372. 2 Vgl. BT-Drucks. 14/8769, S. 23. 3 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005, BGBl. I 2005, 2802. 4 Lüders/Wulff, BB 2001, 1209, 1212. 5 Ebenso Trapp/Schick, AG 2001, 381, 390; a.A. Kowalewski, Das Vorerwerbsrecht der Mutteraktionäre beim Börsengang einer Tochtergesellschaft, 2008, S. 324, allerdings ohne Begründung für seine Annahme eines gesetzgeberischen „Plans“, das Konzept des Bezugsrechts auf Kapitalmaßnahmen einer Tochtergesellschaft zu erstrecken. 6 Habersack, WM 2001, 545, 547 ff.; Fuchs in Henze/Hoffmann-Becking, RWS-Forum 20 – Gesellschaftsrecht, 2001, S. 259, 273 m.w.N. 7 Vgl. z.B. Hüffer, § 186 AktG Rz. 2; Kort, AG 2002, 369, 372 verweist zudem darauf, dass beim Tochter-IPO nicht nur kein Eingriff in die Gesellschafterstellung vorliegt, vor dem der Aktionär bei einer Kapitalerhöhung durch Einräumung des Bezugsrechts bewahrt werden soll. Vielmehr würde die Einräumung eines solchen Rechts zugunsten der Mutter-Aktionäre das Regelungskonzept des § 186 AktG insofern überspannen, als dies dazu führte, dass dadurch einem Nicht-Aktionär an der betreffenden Tochter (an dieser ist der Mutter-Aktionär gar nicht beteiligt) ein Bezugsrecht eingeräumt würde. 8 Trapp/Schick, AG 2001, 381, 384; ebenso Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 543; Hüffer, § 186 AktG Rz. 5a; ähnlich Kort, AG 2002, 369, 371. 9 Dazu auch Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 548 m.w.N. 10 Lutter, AG 2000, 342, 344. 11 Vgl. bereits RG v. 19.11.1935 – II 200/35, RGZ 149, 305, 311f.; BGH v. 9.6.1954 – II ZR 70/53, BGHZ 14, 25, 38; BGH v. 1.2.1988 – II ZR 75/87 – „Linotype“, BGHZ 103, 184, 190 = AG 1988, 135; BGH v. 20.3.1995 – II ZR 205/94 – „Girmes“, BGHZ 129, 136, 142 = AG 1995, 368.
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lich gegen die Interessen der Gesellschaft und der anderen Aktionäre ausübte und so gegen Treuepflichten verstieß. Eine Treuepflicht der Muttergesellschaft gegenüber ihren Aktionären hat aber lediglich den Charakter einer Schutzpflicht und begründet keine zusätzlichen, vom Gesetz nicht vorgesehenen Teilhaberechte1. Eine (Treue-)Pflicht des Vorstandes gegenüber den Aktionären, aufgrund derer er von einer im Interesse der Gesellschaft für richtig gehaltenen Zuteilung zugunsten der Aktionäre abweichen müsste, ist ebenfalls abzulehnen2. Dies betrifft zunächst den Vorstand der Mutter hinsichtlich der Zuteilung von Aktien aus deren Bestand. Es gilt erst recht – in Bezug auf neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung – für den Vorstand der Tochter, der allenfalls einer Treupflicht gegenüber der Mutter als Aktionärin der Tochtergesellschaft unterläge. Freilich ist der Vorstand einer Aktiengesellschaft ausschließlich dem Wohl der Gesellschaft, nicht dem Wohl der Aktionäre verpflichtet. Letzteres ist von ihm allenfalls als Reflex aus dem Gesellschaftsinteresse zu achten; nicht jedoch gegen das Wohl der Gesellschaft selbst und auch nicht gegen dieses abzuwägen. Das Teilnahmerecht der Mutter als Aktionär an einer Kapitalerhöhung der Tochter ist jedoch durch deren Bezugsrecht nach § 186 AktG abschließend geregelt3. Bestünde ein aus einer innergesellschaftlichen Treuepflicht abgeleitetes Bezugs- oder Vorerwerbsrecht der Mutter-Aktionäre, so wäre dieses zudem angesichts der wechselseitigen Treueverpflichtungen zwischen Gesellschaft und Aktionär einer Abwägung der in Rede stehenden Interessen zu unterwerfen. Ein Bezugsrecht oder Zuteilungsprivileg liefe wesentlichen wirtschaftlichen Anforderungen für das Gelingen eines Börsenganges zuwider und damit den Interessen von Mutter- und Tochtergesellschaft. Das für eine freie Platzierung verfügbare Volumen wäre nur schwer bestimmbar; der gewünschte Investorenmix kaum erreichbar4. Zudem hat sich seit dem Holzmüller-Urteil des BGH das Verständnis der Beteilung an einer Aktiengesellschaft gewandelt. Aktionäre begreifen ihre Beteilung zunehmend eher als Form der Kapitalanlage denn als Erwerb einer Mitgliedschaft; ihre Bindung an die Gesellschaft ist oft auf das Interesse an Kursgewinnen und Dividende beschränkt5. So war gerade die Diskussion um das angebliche Bezugs- oder Vorerwerbsrecht beim Tochter-IPO weniger verbandsrechtlich geprägt als vor allem vermögensbezogen6. Nach dem Einbruch der Börsenkurse ist sie schnell verstummt. Im Ergebnis ist nicht zu erkennen, dass die Interessen der Aktionäre der Mutter, über ihre Beteiligung an dieser hinaus auch unmittelbar an dem IPO der Tochter zu partizipieren, die Interessen der Mutter und Tochter an einem erfolgreichen Börsengang mit positiver Zweitmarktperformance überwiegen. Folglich sind weder der Vorstand der Muttergesellschaft, noch jener der Tochter verpflichtet, zu Gunsten der Aktionäre der Muttergesellschaft die Interes1 Hüffer, § 186 AktG Rz. 5a; ähnlich Habersack, WM 2001, 545, 548; eine solche Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber ihrem Aktionär lehnt dagegen Kort, AG 2002, 369, 372 generell ab. 2 Dazu Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 544; Fleischer, WM 2003, 1045, 1046; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 194; Habersack, WM 2001, 545, 548; Fuchs in Henze/Hoffmann-Becking, RWS-Forum 20 – Gesellschaftsrecht, 2001, S. 259, 275; Kort, AG 2002, 369, 372; ebenso LG Kassel v. 21.3.2002 – 11 O 4233/01, AG 2002, 414, 416. 3 Trapp/Schick, AG 2001, 381, 390; Busch/Groß, AG 2000, 503, 508. 4 Trapp/Schick, AG 2001, 381, 389; Busch/Groß, AG 2000, 503, 509; Fuchs in Henze/HoffmannBecking, RWS-Forum 20 – Gesellschaftsrecht, 2001, S. 259, 276 ff. 5 Henze in FS Ulmer, 2003, S. 211, 238; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.269. 6 Vgl. Lutter, AG 2000, 342 ff. Zum gesetzlichen Leitbild des „hybriden“ Aktionärs, dessen Interessen sich sowohl aus den Belangen als Verbandsmitglied als auch aus seiner vermögensmäßigen Beteiligung ergeben sowie zu Tendenzen, den Schutz der Mitgliedschaftsrechte bei kleinteiligen Beteiligungen, wie sie vor allem für börsennotierte Aktiengesellschaften prägend sind, vor allem auf Vermögensinteressen zu konzentrieren vgl. Mülbert in FS Ulmer, 2003, S. 433.
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sen beider an einem ordnungsgemäßen Ablauf des Börsenganges und einer ausgewogenen Preisfestsetzung und Zuteilung zurückzustellen. 51
Im Zusammenhang mit einem etwaigen Bezugs- oder Vorerwerbsrecht der Aktionäre der Muttergesellschaft wurde auch ein Anspruch auf bevorrechtigte Zuteilung erwogen. Dieser soll dazu führen, dass der Vorstand der Muttergesellschaft sicherzustellen habe, dass den eigenen Aktionären, die Aktien erwerben wollen, diese mit Sicherheit zugeteilt werden. Der Vorstand der Muttergesellschaft soll dabei gehalten sein, den Vorstand der Tochter dementsprechend anzuweisen1. Im Ergebnis unterscheidet sich ein solcher Anspruch jedoch nicht wesentlich von einem gegen die Muttergesellschaft gerichteten vorstehend diskutierten Vorerwerbs- oder Bezugsrecht, so dass dieser aus den vorstehend dargestellten Gründen abzulehnen ist. Hinzu kommt, dass – anders als der Geschäftsführer einer GmbH – die Vorstand einer Aktiengesellschaft keinen Weisungen des Aufsichtsrats oder der Gesellschafter unterliegt (siehe § 18 Rz. 12), es sei denn, es besteht ein Beherrschungsvertrag, der das herrschende Unternehmen gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG zu Weisungen gegenüber dem Vorstand der beherrschten AG berechtigt.
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cc) Pflicht zur Gleichbehandlung? Im Zusammenhang mit der Zuteilung wird ferner eine Pflicht zur Gleichbehandlung von Investoren diskutiert. Auf den aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 53a AktG lässt sich eine solche Pflicht freilich nur im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Aktionären stützen; bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen geht zudem § 186 AktG als Spezialregelung vor. Im Übrigen schützt § 53a AktG nur vor willkürlicher Ungleichbehandlung, d.h. nicht jedoch vor sachlicher Differenzierung2. Daneben wird auf das mit dem Kaufangebot des Anlegers begründete vorvertragliche Schuldverhältnis zwischen Anleger und Emissionsbank verwiesen3. Das Verweigern des Vertragsschlusses bedeutet jedoch nur dann eine Pflichtverletzung, wenn bei der Gegenseite das Vertrauen auf den Vertragsschluss geweckt und dieser sodann ohne triftigen Grund verweigert wird4. Ein pauschaler Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Zuteilung besteht daher nicht5. Vielmehr sind die Emissionsbanken gehalten, die Zuteilung nach sachlichen Kriterien vorzunehmen6. Eine Zuteilung, die im Hinblick auf eine positive Entwicklung des Kurses im Zweitmarkt, aber auch auf sonstige Interessen der Gesellschaft Differenzierungen vornimmt, ist also grds. zulässig7.
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Emissionsbanken haben sich jedoch bei der Zuteilung nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen. Bei der Zuteilung widerstreiten die Interessen der abgebenden Aktionäre, der Gesellschaft sowie der interessierten Anleger8. Bei solchen unvermeidbaren Interessenkonflikten sind Kundenauf1 2 3 4 5
Becker/Fett, WM 2001, 549, 556. Hüffer, § 53a AktG Rz. 8. Willamowski, WM 2001, 653, 656; Pfüller/Maerker, Die Bank 1999, 670, 671. Grüneberg in Palandt, § 311 BGB Rz. 31; BGH v. 1.6.1978 – III ZR 44/77, BGHZ 71, 395. Groß, ZHR 162 (1998), 318, 330; Hein, WM 1996, 1, 4; Heidelbach in Schwark, § 37 BörsG Rz. 26. 6 In diesem Sinne auch Schücking in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, § 32 Rz. 94. 7 Groß, ZHR 162 (1998), 318, 330; Hein, WM 1996, 1, 4; Willamowski, WM 2001, 653, 656; Pfüller/Maerker, Die Bank 1999, 670, 671; Brandner/Bergmann in FS Peltzer, 2001, S. 17, 21. 8 Alle genannten sind „Kunden“ des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, da die jeweils geschuldete Leistung eine Wertpapierdienstleistung darstellt, vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 5 WpHG (Übernahme von Wertpapieren zur Platzierung – Gesellschaft, abgebende Aktionäre); sowie § 2 Abs. 3 Nr. 3 WpHG (Anschaffung von Wertpapieren in fremdem Namen und für fremde Rechnung – Anleger). Letztere sind bereits dann „Kunden“ i.S.v. § 31 WpHG, wenn sie lediglich in
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träge unter der gebotenen Wahrung des Kundeninteresses auszuführen1. Einzelne Kunden dürfen nicht ohne sachlichen Grund zu Lasten anderer Kunden bevorzugt werden2. Eigene Mitarbeiter der Bank dürfen nicht günstiger gestellt werden als Kunden3. Zudem sind bei solchen unvermeidbaren Interessenkonflikten die allgemeine Art und Herkunft der Interessenkonflikte darzulegen, soweit organisatorische Vorkehrungen nicht ausreichen, um eine Beeinträchtigung von Kundeninteressen zu vermeiden. Dabei ist der Grad der Professionalität des Kunden zu berücksichtigen4. Wird Privatkunden der Erwerb von Wertpapieren durch Zeichnung angeboten, so sind diese im Prospekt über das Zuteilungsverfahren, insbesondere bei Überzeichnung, zu informieren5. Auch wenn im Vorhinein kein festes Zuteilungsverfahren für den Fall der Überzeichnung bestimmt wurde, sind die Kunden (z.B. im Prospekt) darüber aufzuklären, dass im Falle der Überzeichnung deren Aufträge entweder nur teilweise oder gar nicht ausgeführt werden. dd) Anerkannte Zuteilungsverfahren. Auch wenn es bislang an konkreten rechtlichen Vorgaben mangelt, haben sich in den vergangenen Jahren anerkannte und marktübliche Zuteilungsmechanismen herausgebildet. Anhaltspunkte bieten dabei auch die von der Börsensachverständigenkommission beim Bundesministerium der Finanzen6 im Jahre 2000 veröffentlichten Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger7. Die Grundsätze sind eine Verhaltensempfehlung für Emittenten und Wertpapierdienstleistungsunternehmen8; ihre Einhaltung wird aber von den Zulassungsstellen der deutschen Wertpapierbörsen (bzw. deren Geschäftsführungen, die nach Abschaf-
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vorvertraglichem Kontakt zu dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen stehen mit dem Ziel des Abschlusses eines Vertrages, vgl. Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31 WpHG Rz. 9; a.A. Möllers in KölnKomm. WpHG, 2007, § 31 WpHG Rz. 127, nach dessen Auffassung hier mangels Vorliegen einer Wertpapierdienstleistung § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG nicht einschlägig ist. Kümpel in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Tz. 240 unter II.1; die Interessen eines jeden Kunden sollen bestmöglich zu wahren sein (Koller in Assmann/Uwe H. Schneider, § 31 WpHG Rz. 60), d.h. die Beeinträchtigung seiner Interessen ist geringstmöglich zu halten; Möllers in KölnKomm. WpHG, 2007, § 31 WpHG Rz. 133. Richtlinie des BAWe gemäß § 35 Abs. 6 WpHG zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG für das Kommissionsgeschäft, den Eigenhandel für andere und das Vermittlungsgeschäft der Wertpapierdienstleistungsunternehmen vom 23.8.2001, Ziff. 3, BAnz. Nr. 165 v. 4.9.2001, S. 19 217 („Wohlverhaltens-Richtlinie“), abgedruckt bei Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Tz. 631/1; diese wurde zwar gemäß Rundschreiben der BaFin vom 23.10.2007 aufgehoben, dürfte aber weiterhin Anhaltspunkte für einen angemessenen Umgang mit unvermeidbaren Interessenkonflikten bieten. Wohlverhaltens-Richtlinie des BAWe vom 23.8.2001 (vorstehende Fn.), Ziff. 3.4. Möllers in KölnKomm. WpHG, 2007, § 31 WpHG Rz. 134. Dies ist im Übrigen auch prospektrechtlich nach Ziff. 5.2 Anhang III der ProspV 809/2004 erforderlich. Die seit 1968 bestehende Börsensachverständigenkommission (BSK) berät das Bundesministerium der Finanzen in Fragen der Kapitalmarktpolitik. Der BSK gehören an: Vertreter der Anlegerschutzverbände, Kreditinstitute, Versicherungen, Investmentgesellschaften, Börsen, Industrie, Deutschen Bundesbank, Wissenschaft und des Länderarbeitskreises Börsen. Das Sekretariat der BSK ist bei der Deutsche Börse AG angesiedelt. Weitere Informationen zur BSK unter www.deutsche-boerse.com. Börsensachverständigenkommission beim Bundesministerium der Finanzen, Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger, 2000, im Internet abrufbar auf der Website der Bafin (www.bafin.de); abgedruckt bei Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Tz. 240; sowie ZBB 2000, 287. Erläuternd dazu Schuster/Rudolf in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Tz. 240. Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger, Art. 16.
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fung der Zulassungsstellen durch das FRUG deren Aufgaben übernommen haben1) und der BaFin überwacht2. Damit sind sie auch als Konkretisierung der Pflichten nach § 31 WpHG zu verstehen, zumal die BaFin bei der Prüfung der Pflichten nach § 31 WpHG auch ihre Einhaltung untersuchen will3. Weitere Anhaltspunkte für anerkannte Zuteilungsmethoden finden sich im CESR-Standard „Stabilisation and Allotment“ vom April 2002. Dieser fasst von den europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden grds. als zulässig erachtete Zuteilungsmethoden zusammen, ohne allerdings rechtlich verbindlich zu sein4. 55
Zu den bei größeren Platzierungen üblichen Zuteilungstechniken gehört die Aufteilung in Tranchen. Dabei werden die Investoren, denen Aktien zugeteilt werden sollen, nach verschiedenen Kriterien unterschieden. Jeder dieser Investorengruppen wird ein bestimmter Teil des Platzierungsvolumens zugeordnet. In der Regel wird man zunächst institutionelle Investoren und Privatanleger unterscheiden. Daneben kann auch z.B. eine Differenzierung je nach Herkunft des Investors (internationale/nationale/u.U. auch regionale Investoren) erfolgen5. Darauf aufbauend erfolgt die Zuteilung an institutionelle Investoren in erster Linie nach qualitativen Kriterien wie z.B. Ordergröße, Orderzeitpunkt oder voraussichtliche Haltedauer. Dabei wird man gerade im institutionellen Bereich den Schwerpunkt der Bildung des angestrebten „Investorenmix“ setzen, da die institutionellen Investoren in ihrem Anlageverhalten eher einzuschätzen sind als zumeist unbekannte und als einzelne relativ unbedeutende Privatanleger6. Die Kriterien der Zuteilung an Privatanleger werden daher unabhängig von der Identität des einzelnen Investors festgelegt. Sachliche Kriterien der Investorenauswahl und -berücksichtigung sind in den Grundsätzen der Börsensachverstän-
1 RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz – FRUG), BT-Drucks. 16/4028, S. 87 (Begr. zu § 32 BörsG). 2 Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger, Art. 17. 3 Vgl. Schreiben des BAWe an emissionsbegleitende Banken vom 22.1.2001, abgedruckt in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Tz. 631/3, sowie Birnbaum in Kümpel/Hammen/ Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Tz. 631/1, Lfg. 2/01, unter III.f); ebenso Schuster/Rudolf in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Tz. 240 unter IV; vgl. auch AG-Report 2000, R 274; im Hinblick auf die Rechtsnatur der Grundsätze kritisch hierzu Heidelbach in Schwark, § 37 BörsG Rz. 24. 4 Das Committee of European Securities Regulators (CESR) setzt sich zusammen aus Vertretern der Wertpapieraufsichtsbehörden der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und wurde im Jahre 2001 durch die Kommission gegründet. Die Aufgabe von CESR besteht u.a. darin, die Vereinheitlichung der Kapitalmarktregelungen innerhalb der Europäischen Union zu fördern und neue Aufsichtsstandards vorzubereiten, z.B. durch Vorarbeiten für Ausführungsbestimmungen zu Rahmenrichtlinien im Rahmen des so genannten Lamfalussy-Verfahrens. Vgl. dazu die Informationen auf der CESR-Website unter www.cesr-eu.org sowie Birnbaum/von Kopp-Colomb, WM 2001, 2288. Der auf der genannten Website abrufbare Standard „Stabilisation and Allotment“ wurde nicht aufgrund eines förmlichen Mandats der Kommission erarbeitet. Jedoch haben sich die Mitglieder des CESR, darunter die BaFin) darauf verständigt, im Umfang ihrer Zuständigkeiten und soweit nach geltendem Recht möglich, in ihren Regeln die Bestimmungen des Standards umzusetzen. Die BaFin hat bislang von einer Umsetzung, auch im Wege der Auslegung des § 31 WpHG, abgesehen. Ihre Einhaltung wird man im Zweifelsfällen jedoch zumindest als Argument für eine interessengerechtes Zuteilungsverfahren heranziehen können. 5 Willamowski, WM 2001, 653, 657 f.; dies setzt – den Marktstandards entsprechend – auch der CESR-Standard Stabilisation and Allotment voraus (dort Abschnitt VI.2, 3). 6 Willamowski, WM 2001, 653, 658.
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digenkommission aufgeführt, die die bereits zuvor geltende Marktpraxis widerspiegeln1. Auch die Festlegung von Investorengruppen, die aus bestimmten sachlichen Gründen bevorzugt behandelt werden, ist grds. zulässig. Zu denken ist dabei zunächst an das bereits angesprochene so genannte Friends & Family-Programm. Damit bezeichnet man gemeinhin die Zuteilung von Aktien an Investoren, die zuvor von der Gesellschaft bestimmt wurden. Dies können Geschäftspartner wie z.B. Kunden oder Zulieferer, aber auch Mitarbeiter und Führungskräfte der Gesellschaft sein2. Dadurch soll die Bindung des betreffenden Investors an die Gesellschaft gestärkt werden3. Kritisch werden allerdings Friends & Family-Programme gesehen, wenn sie wortwörtlich genommen werden und auch Verwandte der vorgenannten Personen berücksichtigen. Entscheidend dürfte sein, ob die bevorzugte Berücksichtigung des genannten Personenkreises durch Interessen der Gesellschaft gerechtfertigt ist4. Eine bevorzugte Berücksichtigung im Rahmen eines Friends and Family-Programmes sollte ohnehin nur bis zu einem bestimmten Teil der Gesamtplatzierung vorgesehen werden; als Obergrenze werden 10 % des Platzierungsvolumens vorgeschlagen5. Daneben ist eine Bevorzugung von Mitarbeitern denkbar. Bei einem so genannten Tochter-IPO (siehe oben Rz. 43 ff.) kann zudem – ungeachtet des Umstandes, dass ein Bezugsrecht oder Recht auf bevorzugte Berücksichtigung der Aktionäre der Muttergesellschaft nicht besteht – diesen freiwillig ein Teil des Platzierungsvolumens reserviert werden, der ihnen bevorzugt zugeteilt wird („Friends & Family-Programm für Mutteraktionäre“)6.
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c) Insiderrecht Bei der Durchführung einer Emission oder Platzierung von Aktien einer börsennotierten Aktiengesellschaft sind die Vorgaben des Insiderrechts (§§ 12 ff. WpHG) zu beachten. Nicht nur die Zulassung dieser Aktien zum Handel im regulierten Markt oder deren Einbeziehung in den regulierten Markt oder Freiverkehr führt zu deren Quali1 Zur Marktpraxis bereits vor Veröffentlichung der Grundsätze: Pfüller/Maerker, Die Bank 1999, 670, 672 f.; Die Grundsätze nennen beispielhaft folgende Zuteilungsverfahren, die auch kombiniert werden können, lassen aber andere sachgerechte Verfahren ebenfalls zu: – Losverfahren (identisches Losschema oder nach unterschiedlichen Losgrößen verteilt), – Zuteilung nach Ordergröße (Bildung von Anlegergruppen je nach Ordergröße), – Quotale Berücksichtigung der Kaufangebote; ggf. Unterscheidung nach einer bestimmten Mindeststückzahl möglich, – Berücksichtigung der Kaufangebote nach zeitlicher Reihenfolge des Eingangs. 2 Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger, Begriffsbestimmungen; erläuternd dazu Schuster/Rudolf in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Tz. 240 unter C.II.4; Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 69; das Regelwerk Neuer Markt unterschied in Abschnitt 2 Ziff. 3.10 noch zwischen Friends and Family-Programmen und Mitarbeiterprogrammen; ähnlich Willamowski, WM 2001, 653, 662. 3 Schuster/Rudolf in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Tz. 240 unter C.II.4.; Escher-Weingart, AG 2000, 164, 170. 4 Willamowski, WM 2001, 653, 661 f. oder auch Escher-Weingart, AG 2000, 164, 170 („Friends and Family dient im Regelfall nicht etwa dazu, der Oma einen netten Gewinn für den Lebensabend zuzuschustern, sondern es geht um massive Unternehmensinteressen.“), großzügiger dagegen Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 69. 5 Willamowski, WM 2001,653, 658; die meisten Friends and Family-Programme dürften bislang unterhalb dieses Anteils geblieben sein, vgl. z.B. Escher-Weingart, AG 2000, 164, 166 Fn. 27. 6 Dies erfolgte z.B. bei dem IPO der Nordex AG im Frühjahr 2001 zu Gunsten der Aktionäre der damaligen börsennotierten mittelbaren Muttergesellschaft BDAG Balcke-Dürr AG im Umfang von bis zu 8,8 % oder auch beim IPO der CropEnergies AG im September 2006 zu Gunsten der Aktionären der Südzucker AG im Umfang von bis zu 30 % des Platzierungsvolumens.
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§8
Börsennotierung
fikation als Insiderpapiere, sondern bereits die öffentliche Ankündigung eines Zulassungs- oder Einbeziehungsantrages. Für letztere reicht der bloße Hinweis auf die angestrebte Börsennotierung in einer öffentlichen Erklärung aus1. Dabei können nicht nur die im Rahmen der Vorbereitung eine Emission oder Platzierung im Rahmen der Due Diligence bzw. Prospekterstellung erlangten Erkenntnisse Insiderinformationen i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG darstellen. Bereits der Umstand der Platzierung selbst ist möglicherweise eine Insiderinformation, sieht doch § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG eine Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf Aufträge von anderen Personen über den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten bezieht, als Fall der Insidereinformation an2. Die Durchführung einer Due-DiligenceUntersuchung vor Durchführung einer Platzierung von Aktien eines börsennotierten Emittenten dürfte insiderrechtlich jedenfalls solange unproblematisch sein, als sie nur dazu dient, sicherzustellen, dass auf Seiten des Emittenten oder abgebenden Aktionärs gerade keine Insiderinformationen vorliegen, der Markt mithin über alle Umstände mit wesentlichem Preisbeeinflussungspotential informiert ist3. Dient die Due Diligence dagegen der Prospekterstellung, so wird vereinzelt erwogen, ob der Abschluss eines Übernahmevertrages durch die Emissionsbanken vor Veröffentlichung eines Prospektes im Hinblick auf das darin enthaltene Verpflichtungsgeschäft zum Erwerb von Aktien gegen das Erwerbsverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verstößt, dies jedoch im Hinblick auf die Treuhänderfunktion der Banken bei der Emission neuer Aktien zu Recht verneint4. Hinzu kommt, dass der Abschluss des Übernahmevertrages logischer Zwischenschritt bei der Umsetzung des seit der Mandatierung bestehenden Entschlusses darstellt, bei planmäßigem Verlauf der Transaktionsvorbereitung (einschließlich der Due Diligence) und entsprechender Entwicklung der Marktverhältnisse die beabsichtigte Emission bzw. Platzierung durchzuführen5. Ferner handelt es sich bei dem „Erwerb“ der Aktien von einer an der Due-Diligence-Untersuchung beteiligten oder diese erst ermöglichenden Partei um ein so genanntes face-to-face-Geschäft, bei dem es gerade an dem für ein verbotenes Insidergeschäft typischen Informationsgefälle zwischen den beiden Parteien fehlt, so dass auch insoweit § 14 Abs. 1 Nr. 1WpHG nicht eingreift6. 58
Zudem fragt sich, inwieweit eine Emissionsbank die Umplatzierung eines Pakets börsennotierter Aktien an institutionelle Investoren (so genannter Block Trade) durchführen kann, ohne dass diese ein verbotenes Insidergeschäft darstellt. Denn nach § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG kann bereits der bloße Verkaufsantrag eine Insiderinformation sein. So könnte schon die für die Durchführung der Platzierung zwingend notwendige Ansprache von potentiellen Erwerbern als solche als Weitergabe von Insiderinformationen i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG angesehen werden. Indes wird man zu differenzieren haben: Beauftragt der veräußerungswillige Aktionär eine 1 Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15.7.2005, unter III.1.2 (S. 17); Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 12 WpHG Rz. 25; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 8. 2 Parmentier, NZG 2007, 407, 409. 3 Damit korrespondieren die Gewährleistungen der Gesellschaft zum Nichtvorliegen wesentlicher nachteilige Änderungen der Lage der Gesellschaft und der Einhaltung der Ad hoc-Pflichten ohne aktuelle Selbstbefreiung von der Ad hoc-Publizität nach § 15 Abs. 3 WpHG im Falle einer prospektfreien Kapitalerhöhung (Rz. 181) sowie der Unkenntnis des abgebenden Aktionärs von Insiderinformationen im Falle der Umplatzierung (Rz. 187). 4 Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennzahl 055 Rz. 304a. 5 Vgl. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 45; Ekkenga/Maas in Kümpel/ Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennzahl 055 Rz. 304a „Master-Plan-Konzept“. 6 Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15.7.2005, unter III.2.2.1.4.2. (S. 27); Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 32; Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennzahl 055 Rz. 304a.
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§8
Übernahme und Platzierung von Aktien
Emissionsbank mit der Platzierung eines Aktienpakets, ist dies und die nachfolgende Anfrage bei Investoren nach deren Erwerbsinteresse als eine auch nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG berechtigte Weitergabe anzusehen. Sie sind denknotwendige Voraussetzung für das Zustandekommen einer Umplatzierung im Wege eines Block Trades. Diese marktübliche Transaktionsform soll als solche nicht durch die Insiderregelungen verhindert werden1. Werden darüber hinaus jedoch unternehmensbezogene Insiderinformation mitgeteilt, die sich z.B. aus einer vorangegangenen Due DiligenceUntersuchung ergeben haben, ist das Bild weniger klar. Zwar wird ein Paketerwerb nach Durchführung einer Due Diligence-Prüfung auch nach neuem Recht für zulässig gehalten, da beide Parteien dabei über den gleichen Kenntnisstand verfügen und die Insiderinformation somit keinem von ihnen zum Nachteil des anderen zu Gute kommt (so genanntes face-to-face-Geschäft)2. Dies soll aber auf Pakete nicht wesentlich unter 5 % des Grundkapitals und auf eine kleine Zahl von ernsthaften Erwerbsinteressenten beschränkt bleiben3. Dies erscheint auch im Hinblick darauf angezeigt, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes die Ausnahme vom Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen nach Art. 3 Abs. (a) der Marktmissbrauchsrichtlinie4 (bzw. ihrer insoweit gleichlautenden Vorgängerrichtlinie5) eng auszulegen und auf das im Rahmen einer Arbeit oder eines Berufes oder für die Erfüllung einer Aufgabe (hier: Aktienplatzierung) Unerlässliche zu beschränken ist6. Fördert eine etwa vor einer geplanten Aktienplatzierung durchgeführte Due-Diligence-Untersuchung also nicht öffentlich bekannte Informationen mit Kursbeeinflussungspotential zutage, sollte deren Veröffentlichung durch eine entsprechende Ad hoc-Mitteilung der Gesellschaft abgewartet werden7. Allgemein dürfte es sich anbieten, einen Block Trade kurz nach der Veröffentlichung aktueller Finanzangaben des Emittenten durchzuführen, da zu diesem Zeitpunkt ein Höchstmaß an Transparenz in Bezug auf dessen Unternehmen besteht8. Hält man die Information über den Block Trade als solchen – wie ausgeführt – bereits für eine Insiderinformation, fragt sich zudem, ob die Durchführung der Platzierung selbst als Geschäft unter Verwendung einer In1 Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 57; Wolf in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 6 Rz. 40, 45f.; Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 355; ebenso für die Rechtslage in Großbritannien nach Umsetzung der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie Holmes/Castellon, PLC 05/2006, 19, 22 f. sowie die britische Finanzmarktaufsichtsbehörde (Financial Services Authority – FSA) in Market Watch, Ausgabe 20 vom Mai 2007, S. 3. 2 Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15.7.2005, unter III.2.2.1.4.2. (S. 27); Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 31, 57; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 71. 3 Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15.7.2005, unter III.2.2.2.1 (S. 31); Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 32, 57; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 168; Wolf in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 6 Rz. 39. 4 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über InsiderGeschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.3.2004, S. 16. 5 Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30. 6 EuGH v. 22.11.2005 – Rs. C-384/02, WM 2006, 612, 615. 7 Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 354f.; großzügiger Wolf in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 6 Rz. 39 f.; die britische FSA hält die Weitergabe von Informationen, die über reine trading information hinausgeht, insbesondere unternehmensstrategische Informationen, im Vorfeld von Block Trades freilich für unzulässig, vgl. FSA, Market Watch. Ausgabe 20 vom Mai 2007, S. 3. Unter trading information versteht die FSA z.B. die Veräußerung, den Erwerb oder den Umstand, dass dies geplant ist bzw. verhandelt wird, deren Umfang, Preis oder Preisspanne, zu denen diese Geschäfte erfolgen sollen oder die Identität der hierbei beteiligten Parteien, s. FSA Handbook, Glossary. 8 Holmes/Castellon, PLC 05/2006, 19, 20.
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§8
Börsennotierung
siderinformation i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG gewertet werden kann, auch wenn keine weitergehenden Informationen vorliegen. Allerdings betrifft das Verbot von Geschäften unter Verwendung der Insiderinformation „Auftrag über den Verkauf von Finanzinstrumenten“ nach Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG nicht die Erledigung des Auftrages, sondern von dem Auftrag selbst verschiedene Geschäfte in dessen Kenntnis (so genannte Alongside-Geschäfte)1. Somit bestehen in diesem Fall gegen die Durchführung der Platzierung keine insiderrechtlichen Bedenken. 59
Die vorstehende insiderrechtliche Relevanz bedeutet ferner, dass eine geplante Aktienplatzierung die Pflicht der Gesellschaft zur Veröffentlichung einer Ad hoc-Mitteilung nach § 15 Abs. 1 WpHG auslösen kann. Freilich gilt es hier zu differenzieren. So muss ein Emittent nur solche Insiderinformationen veröffentlichen, die ihn unmittelbar betreffen. Dies trifft nach § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG insbesondere dann zu, wenn diese sich auf im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetretene Umstände beziehen. Dies ist bei einer reinen Umplatzierung von Aktien – sollte der Emittent davon Kenntnis erlangen oder gar an ihr mitwirken – grds. gerade nicht der Fall. Sie dürfte ihn vielmehr nur ausnahmsweise unmittelbar betreffen, z.B. wenn mit ihr ersichtlich strategische Zielsetzungen verfolgt werden, die Einfluss auf seine künftige Entwicklung haben2. Anders liegt es bei einer Aktienplatzierung, die mit einer Kapitalmaßnahme einhergeht, da Letztere sich auf die Kapitalstruktur des Emittenten unmittelbar auswirkt3. Indes wird die Ad hoc-Pflicht erst dann ausgelöst, wenn eine hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG vorliegt; zuvor mangelt es schon an einer Insiderinformation. Weder der Beginn der Vorbereitung einer Aktienplatzierung noch die Beauftragung von Beratern dürfte hierfür ausreichen, behalten sich doch Emittent und Bank typischerweise die Entscheidung über die Durchführung der Platzierung bis zum Abschluss der Vorbereitungsarbeiten vor4. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dürfte jedoch gegeben sein, wenn eine verfestigte Übernahmeverpflichtung der Banken eingetreten ist, z.B. durch Unterzeichnung des Übernahmevertrages (ungeachtet der diversen aufschiebenden Bedingungen, unter denen die tatsächliche Übernahme nach diesem Vertrag typischerweise steht, siehe unten Rz. 166)5. Daneben kann im Hinblick auf die Kapitalmaßnahme selbst die Pflicht zur Veröffentlichung einer Ad hoc-Mitteilung auch durch den innergesellschaftlichen Entscheidungsprozess ausgelöst werden. So soll grds. eine Ad hoc-Mitteilung zu veröffentlichen sein, wenn der Vorstand die Durchführung einer Kapitalerhöhung beschlossen hat6. Einer etwa nach § 204 Abs. 1 Satz 2 AktG erforderlichen Zustimmung des Aufsichtsrats soll durch Aufschub der Veröffentlichung im Wege der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG Rechnung getragen werden; nach Auffassung der BaFin liege dies im berechtigten Interesse sowohl 1 Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15.7.2005, unter III.2.1.5 (S. 23); Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 34; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 47; Wolf in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 6 Rz. 44 mit Verweis auf BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, ZIP 2003, 2354, 2356; ebenso im Zusammenhang mit der Frage nach einer Pflicht zur vorherigen Ankündigung eines Block Trades unter britischem Recht (die zutreffend verneint wird) Holmes/Castellon, PLC 05/2006, 19, 20. 2 Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15.7.2005, Ziff. V. 2.2.14 (S. 52 f.); Parmentier, NZG 2007, 407, 413; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 93. 3 Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15.7.2005, Ziff. V. 2.2.4 (S. 43); Parmentier, NZG 2007, 407, 409. 4 Parmentier, NZG 2007, 407, 411; Frowein in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 50. 5 Weiand/Schlitt/Behrends in GS Bosch, S. 239, 243; Parmentier, NZG 2007, 407, 411. 6 Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15.7.2005, Ziff. V.2.2.7 (S. 46); Schlitt/Schäfer, AG 2005, 67, 74.
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Übernahme und Platzierung von Aktien
der Emittenten als auch der Anleger und sei damit aufsichtsrechtlich nicht zu beanstanden1. Das Problem dürfte sich ohnehin entschärfen, wenn die Zustimmung des Aufsichtsrats (bzw. eines von ihm gebildeten Ausschusses) dem Vorstandsbeschluss unmittelbar nachfolgt2. Im Einzelfall wird man jedoch anhand der konkreten Struktur einer geplanten Transaktion und der einzelnen Schritte zu ihrer Vorbereitung zu entscheiden haben, ab wann von einer Ad hoc-Pflicht auszugehen ist und ob die Voraussetzungen für eine Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG vorliegen3. d) Meldung von Stimmrechten Wer die Schwellen von 3 %, 5 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %, 30 %, 50 % oder 75 % der Stimmrechte an einer Gesellschaft, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind4, erreicht, über- oder unterschreitet, muss dies nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG der Gesellschaft und der BaFin melden. Die Gesellschaft hat ihr zugegangene Meldungen gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichen. Ebenso mitzuteilen sind gemäß § 21 Abs. 1a WpHG Stimmrechte, die zum Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung von Aktien der Gesellschaft zum Börsenhandel gehalten werden, wenn der Bestand des Meldepflichtigen die vorgenannten Schwellenwerte erreicht oder überschreitet. Bei einer deutschen Aktiengesellschaft folgt das Stimmrecht der Mitgliedschaft, da Stimmrechte nicht vom Mitgliedschaftsrecht gelöst werden können (so genanntes Abspaltungsverbot)5. Maßgeblich für die Meldepflicht nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG ist daher das Eigentum an stimmberechtigten Aktien der Gesellschaft6. Weit verbreitet wird ein nur vorübergehender kurzfristiger Eigentumserwerb dafür als ausreichend angesehen7. Jedoch hält die BaFin bei Über- und nachfolgendem Unterschreiten innerhalb desselben Tages eine Meldung nicht für erforderlich8. Dennoch können Meldepflichten für Emissionsbanken entstehen, wenn sie (Stamm-)Aktien börsenzugelassener Emittenten zum Zweck der Weiterplatzierung halten und dieser Bestand über Nacht bestehen bleibt. Allerdings bleiben nach § 23 Abs. 1 WpHG von einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit Sitz im EWR gehaltene Stimmrechte unberücksichtigt, wenn es die betreffenden Aktien im Handelsbestand hält und sicherstellt, dass die Stimmrechte weder ausgeübt noch anderweitig zur Einflussnahme auf die Geschäftsführung des Emittenten genutzt werden. 1 Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15.7.2005, Ziff. V.2.2.7 (S. 46). 2 Schlitt/Schäfer, AG 2005, 67, 74. 3 Eingehend dazu Parmentier, NZG 2007, 407, insbesondere 412 f. (Ad hoc-Pflicht) und 417 f. (Selbstbefreiung). 4 Genauer: an einem Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist; Entsprechendes gilt für Emittenten, deren Herkunftsstaat ein anderer EWR-Staat ist, vgl. Art. 9 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38 (EU-TransparenzRL). 5 Hüffer, § 8 AktG Rz. 30; RG v. 31.3.1931 – II 222/30, RGZ 132, 149, 159; BGH v. 17.11.1986 – II ZR 96/86, NJW 1987, 780. 6 Allg. M.: Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 20; Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 21 WpHG Rz. 41l; Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 2004, § 21 Rz. 12. 7 Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 21 WpHG Rz. 12; Schnorbus, AG 2004, 113, 121; Bayer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2000, § 22 Anh. § 21 WpHG Rz. 27; von Bülow in KölnKomm. WpHG, 2007, § 21 WpHG Rz. 139. 8 BaFin, Häufig gestellte Fragen zu den §§ 21 ff. WpHG, Stand 27.2.2008, „Lösen kurzfristige Überschreitungen (Unterschreitungen) von Meldeschwellen an einem Tag eine Mitteilungspflicht nach § 21 WpHG aus?“, im Internet abrufbar unter www.bafin.de; dazu Wolf in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 6 Rz. 61.
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Börsennotierung
Unter diese Ausnahme fallen auch für zum Zweck der Platzierung gehaltene Aktien1, jedoch ist diese seit der Änderung des § 23 WpHG im Zuge der Umsetzung der TranspRL im Januar 20072 nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 WpHG auf insgesamt 5 % der Stimmrechte der Gesellschaft beschränkt. Daneben bleiben Stimmrechte unberücksichtigt, sofern die betreffenden Aktien ausschließlich zur Abrechnung und Abwicklung von Geschäften für höchstens drei Handelstage gehalten werden (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 WpHG, so genannter „Abwicklungsbestand“). Dies war teilweise auch als ein für Emissionsbanken bei der Abwicklung von Wertpapierplatzierungen einschlägiger Ausnahmetatbestand angesehen worden3. Nach Auffassung der BaFin gilt diese Befreiung jedoch nur „für das Clearing & Settlement im engeren Sinne“, d.h. für die Clearstream Banking AG im Rahmen ihrer Funktion bei der Abwicklung von Börsengeschäften4, nicht jedoch für Kreditinstitute bei der normalen Abrechnung von Kundengeschäften5. Daher kann die Abwicklung von Aktienplatzierungen grds. Meldepflichten nach §§ 21 ff. WpHG auslösen, wenn eine Bank dabei vorübergehend über das Ende des Erwerbstages hinaus Eigentum an den Platzierungsaktien hält. Bei der Umplatzierung von bestehenden Aktien kann dies zum einen dadurch vermieden werden, dass im Übernahmevertrag vereinbart wird, dass die Platzierungsaktien direkt von einem Kundendepot des abgebenden Aktionärs auf Kundendepots der erwerbenden Investoren umgebucht werden. Alternativ kann der Übernahmevertrag vorsehen, dass eine etwaige Zwischenbuchung über ein Eigendepot der Emissionsbank nicht zum Eigentumserwerb führt, sondern dass das Eigentum an den Platzierungsaktien erst mit Einbuchung in das Depot des erwerbenden Investors unmittelbar vom abgebenden Aktionär auf den jeweiligen Investor übergeht. Bei einer Kapitalerhöhung von der Emissionsbank gezeichnete neue Aktien entstehen indes in der Hand des Zeichners, so dass der vorübergehende Eigentumserwerb bis zur Weiterplatzierung insoweit nicht vermieden werden kann6. Der Berechnung des Stimmrechtsanteils ist gemäß § 17 Abs. 4 WpAIV die letzte Veröffentlichung nach § 26a WpHG zu Grunde zu legen. Danach hat der Emittent die Gesamtzahl der Stimmrechte am Ende jeden Kalendermonats, in dem es zu einer Zu- oder Abnahme von Stimmrechten gekommen ist, zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung ist der BaFin mitzuteilen und dem Unternehmensregister zur Speicherung zu übermitteln. Da die Meldung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG „unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Handelstagen“ zu erfolgen hat, bedeutet dies bei einer planmäßig abgewickelten Kapitalerhöhung, nicht nur, dass die zeichnende Bank binnen weniger Tage ggf. erhebliche Stimmrechtsbestände an- und wieder abmelden muss. Sie müsste ihrer Meldung ei1 Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 23 WpHG Rz. 17; Schwark in Schwark, § 23 WpHG Rz. 6; Schnorbus, AG 2004, 113, 121; zweifelnd offenbar Bayer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2000, § 22 Anh. § 23 WpHG Rz. 8, aber ohne nähere Begründung; zu den einzelnen Fallgruppen Meyer in GS Bosch, S. 133, 137 ff. 2 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABL. EU Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38, die zum 20.1.2007 durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – TUG vom 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10, in deutsches Recht umgesetzt wurde. 3 Schlitt/Schäfer, AG 2007, 227, 230. 4 Göres, Der Konzern 2007, 15, 19. 5 BaFin, Häufig gestellte Fragen zu den §§ 21 ff. WpHG – „Wofür gilt die Befreiung gem. § 23 Abs. 2 Nr. 1 WpHG (Abrechnung und Abwicklung)?“, im Internet abrufbar unter www.bafin. de. 6 Aubel/Wunderlich, Börsen-Zeitung v. 12.4.2007; ebenso im Zusammenhang mit der (vor Entstehen neuer Aktien unwirksamen) Vorausabtretung neuer Aktien OLG Frankfurt a.M. v. 30.11.2005 – WpÜG – OWI 1/04, AG 2006, 798, 799.
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gentlich die zuletzt nach § 26a WpHG veröffentlichte, nach Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung zwingend falsche, nämlich die Kapitalerhöhung noch nicht berücksichtigende Gesamtzahl an Stimmrechten zu Grunde legen. Indes hat die BaFin – entgegen dem Wortlaut des Gesetzes – klargestellt, dass in diesem Fall ausschließlich auf die z. Zt. der Meldung dem Meldepflichtigen als richtig bekannte Gesamtzahl an Stimmrechten abzustellen ist1. e) Angebotspflicht nach dem WpÜG Hat eine Emissionsbank bei der Durchführung einer Aktienplatzierung vorübergehend Eigentum an stimmberechtigten Aktien einer börsennotierten AG, so kann dies die Angebotspflicht nach § 35 WpÜG auslösen2. Danach hat, wer unmittelbar oder mittelbar die Kontrolle über eine börsennotierte AG oder KGaA mit Sitz im Inland erlangt, deren anderen Aktionären nach Maßgabe von §§ 35 ff. WpÜG ein Angebot auf Übernahme der von ihnen gehaltenen Aktien dieser Gesellschaft zu unterbreiten (so genanntes Pflichtangebot). Als Kontrolle gilt dabei nach § 29 Abs. 2 WpÜG das Halten von mindesten 30 % der Stimmrechte an der Zielgesellschaft (dazu § 60 Rz. 190 ff.). Wie bei den Meldepflichten nach §§ 21 ff. WpHG (siehe oben Rz. 60) ist hierfür das Eigentum an den Aktien maßgeblich, die das Stimmrecht vermitteln3, auch wenn es nur für kurze Zeit gehalten wird4. Dabei hat die BaFin bislang nicht zu erkennen gegeben, dass sie sich in Bezug auf die Angebotspflicht nach § 35 WpÜG der im Rahmen der Beteiligungsmeldungen nach §§ 21 ff. WpHG großzügigeren Behandlung einer nur untertägigen vorübergehenden Schwellenüberschreitung anschließt (siehe oben Rz. 60). Sind mit einer Platzierung mehrere Banken beauftragt, erfolgt allerdings keine gegenseitige Zurechnung der von diesen jeweils gehaltenen Bestände nach § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG, da es an der dafür erforderlichen Koordination von Verwaltungsrechten fehlt5. Daran ändert auch die Änderung des § 30 Abs. 2 WpÜG durch das Risikobegrenzungsgesetz6 nichts. Danach setzt ein die gegenseitige Zurechnung auslösendes „abgestimmtes Verhalten“ voraus, dass sich der Melde1 BaFin, Häufig gestellte Fragen zu den §§ 21 ff. WpHG – „Wie ist zu verfahren, wenn jemand entgegen § 17 Abs. 4 WpAIV nicht den zuletzt nach § 26a WpHG (d.h. erst am Ende des Kalendermonats) veröffentlichten, sondern den aktuell richtigen Stimmrechtsanteil mitteilt (weil er zum Beispiel schon Kenntnis von einer durchgeführten Kapitalmaßnahme hat)?“, im Internet abrufbar unter www.bafin.de. 2 Im Einzelnen zu den verschiedenen typischerweise auftretenden Transaktionsstrukturen Meyer in GS Bosch, S. 133, 144 ff. 3 Möller in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 29 WpÜG Rz. 22; Diekmann in Baums/Thoma, § 29 WpÜG Rz. 40; Haarmann in FrankfKomm. WpÜG, § 29 Rz. 22 ff.; von Bülow in KölnKomm. WpÜG, § 29 Rz. 91. 4 So genannter formeller Kontrollbegriff, vgl. von Bülow in KölnKomm. WpÜG, § 29 Rz. 69, 115 ff.; § 35 Rz. 88; Schlitt in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 35 WpÜG Rz. 58; Diekmann in Baums/Thoma, § 29 WpÜG Rz. 43; Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 35 WpÜG Rz. 74; OLG Frankfurt a.M. v. 30.11.2005 – WpÜG – OWI 1/04, NZG 2006, 792; NJW-Spezial 2006, 509; a.A. Meyer in GS Bosch, S. 133, 146 ff.; Schnorbus, AG 2004, 113, 126, der auf eine entsprechende Ausnahme für nur zum Zwecke der Weiterplatzierung erworbene Wertpapiere in Art. 16 des Übernahmekodex verweist; ebenso Oechsler in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 29 WpÜG Rz. 11, 14. Vgl. auch Süßmann in Geibel/Süßmann, § 29 WpÜG Rz. 17 ff. 5 Schücking in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 26 Rz. 87 f.; Meyer in GS Bosch, S. 133, 145; Weiand/Schlitt/Behrends in GS Bosch, S. 239, 243. Eine dem Verfasser bekannte Auskunft in einem solchen Fall lässt den Schluss zu, dass die BaFin diese Auffassung teilt. 6 Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) v. 12.8.2008, BGBl. I 2008, 1666, siehe dazu auch den RegE BT-Drucks. 16/7438 und Beschlussempfehlung des Finanzausschusses BT-Drucks. 16/9778.
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pflichtige (…) und ein Dritter über die Ausübung von Stimmrechten verständigen oder mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten in sonstiger Weise zusammenwirken, § 30 Abs. 2 Satz 2 WpÜG n.F. Dies ist bei dem bloßen gemeinsamen Erwerb von Aktien durch mehrere Konsortialbanken zum Zwecke der Weiterplatzierung am Kapitalmarkt grds. nicht der Fall. Zudem lösen nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WpÜG Vereinbarungen in Einzelfällen keine gegenseitige Zurechnung aus; ein solcher liegt bei dem Abschluss eines Übernahmevertrages für eine einzelne Aktienplatzierung vor. Für die in gleichem Sinne geänderte Parallelnorm § 22 Abs. 2 WpHG gilt für die gegenseitige Zurechnung aufgrund abgestimmten Verhaltens im Hinblick auf die Meldung von Stimmrechten Entsprechendes. Das Gesamtvolumen einer von den Banken zu zeichnenden Kapitalerhöhung kann daher zur Vermeidung der Auslösung eines Pflichtangebotes auf mehrere Banken aufgeteilt werden. Bei der Umplatzierung von Altaktien lässt sich das Erreichen der 30 %-Schwelle auch durch Aufteilung des Platzierungsvolumens in nacheinander abzuwickelnde Tranchen verhindern. 62
Sollte sich jedoch das vorübergehende Halten von 30 % oder mehr stimmberechtigen Stammaktien einer börsennotierten deutschen AG oder KGaA (z.B. im Rahmen einer großen Kapitalerhöhung) durch eine Bank als unvermeidbar erweisen, kann eine Befreiung von der Angebotspflicht durch die BaFin angestrebt werden. Freilich kommt die Befreiung von der Berücksichtigung von Stimmrechten aus „im Handelsbestand“ gehaltenen Aktien nach § 20 Abs. 1 WpÜG nicht in Betracht. Als Handelsbestand gilt hier nämlich nur der so genannte Spekulationsbestand nach dem Vorbild des – im Zuge des TUG aufgehobenen1 – § 23 Abs. 2 WpHG a.F., der eine Ausnahme für vorübergehend rein zu Spekulationszwecken gehaltene Aktien regelte2. Eine ausdrückliche Regelung für den Handelsbestand von Wertpapierdienstleistungsunternehmen wie nach § 23 Abs. 1 WpHG fehlt dagegen; auch im Rahmen des TUG hat der Gesetzgeber hier auf eine Wiederherstellung des ursprünglich beabsichtigten Gleichlaufs mit §§ 21 ff. WpHG3 verzichtet. Jedoch kann die BaFin nach § 37 WpÜG von der Angebotspflicht befreien, wenn dies im Hinblick auf die Art der Kontrollerlangung, die beabsichtigte Zielsetzung, ein nachfolgendes Unterschreiten der Kontrollschwelle, die Beteiligungsverhältnisse an der Zielgesellschaft oder die tatsächliche Möglichkeit zur Kontrollausübung gerechtfertigt erscheint. Die einzelnen Fallgruppen des die Befreiungsvoraussetzungen konkretisierenden § 9 WpÜG-AV4 dürften zwar nicht einschlägig sein. Jedoch sollten die Umstände des Erwerbs von Platzierungsaktien als Nebenfolge des technischen Ablaufs einer Aktienplatzierung, das Ziel, die Aktien nur zur Abwicklung der Platzierung vorübergehend zu halten und mit dieser gerade eine breite Streuung im Anlegerpublikum anzustreben5, sowie das baldige (Wieder-)Unter-
1 Vgl. Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 35. 2 Wackerbarth in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 20 WpÜG Rz. 9; Vogel, NZG 2005, 537, 538. 3 Vgl. Begr. RegE WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 48, 53. 4 Im Falle einer Kapitalerhöhung zur Sanierung der Zielgesellschaft mag freilich § 9 Satz 1 Nr. 3 WpÜG-AV einschlägig sein, insbesondere wenn von den Banken gezeichneten neue Aktien in größerem Umfang nicht von Bezugsberechtigten bezogen werden und sich auch sonst nicht als platzierbar erweisen; eingehend zu dem Gesamtkomplex „Sanierungsprivileg“ Wittig in FS Kirchhof, 2003, S. 533. 5 Für eine Befreiung in Fällen des Kontrollerwerbs als bloße Nebenfolge einer anderen Zielsetzung Versteegen in KölnKomm. WpÜG, § 37 Rz. 41; Schlitt in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 37 WpÜG Rz. 39; Hecker in Baums/Thoma, § 37 WpÜG Rz. 37; Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 37 WpÜG Rz. 48 mit ausdrücklichem Verweis auf die Übernahme von Aktien durch ein Kreditinstitut zur Weiterplatzierung an Dritte.
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schreiten der Kontrollschwelle bei planmäßigem Verlauf der Platzierung1 für eine Befreiung mehr als ausreichend sein2. In der Praxis hat sich die BaFin soweit ersichtlich bislang stets dieser Ansicht angeschlossen und Befreiungen unbürokratisch erteilt. f) Kursstabilisierung, Greenshoe aa) Begriff und Anwendungsbereich. Es entspricht internationaler Marktpraxis, dass Emissionsbanken unmittelbar nach Durchführung einer Platzierung von Wertpapieren durch eigene Handelsaktivitäten extremen Kursausschlägen des platzierten Wertpapiers entgegenwirken3. Diese treten auf, weil der Markt die Platzierung verarbeiten muss und sich insbesondere bei Neuemissionen oder Platzierungen zuvor eher illiquider Papiere noch kein Marktgleichgewicht gebildet hat. Durch die Platzierung wird ein großer Teil der vorhandenen Nachfrage erst einmal befriedigt. Danach stehen abgabewillige Aktionäre einer vorübergehend nur geringen Nachfrage gegenüber. Sinkt der Kurs kurz nach Platzierung unter den Platzierungspreis, werden möglicherweise weitere Aktionäre „aussteigen“, um Verluste zu minimieren. Es besteht damit die Gefahr, dass der Kurs weiter fällt. Dieses Phänomen kann auch bei größeren Platzierungen bereits notierter Werte beobachtet werden4. Daher wird Kursstabilisierung gemeinhin als wirtschaftlich sinnvoll angesehen5.
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Bei Bezugsrechtsemissionen ist Stabilisierung seltener als bei bezugsrechtsfreien Emissionen und Umplatzierungen. Bezugsrechtsemissionen erfolgen meistens zu einem erheblichen Abschlag vom aktuellen Börsenkurs. Aktionäre, die ihr Bezugsrecht ausüben, beziehen Aktien typischerweise nicht, um sie sogleich wieder zu veräußern. Vielmehr ergänzen sie ihren Bestand an Aktien der Gesellschaft, um nicht verwässert zu werden. Wollen sie dagegen keine neuen Aktien erwerben, sondern nur den aus dem Abschlag vom Börsenkurs resultierenden Differenzgewinn vereinnahmen, ist es nicht erforderlich, neue Aktien zunächst zu beziehen, um sie sodann wieder abzustoßen und so einen Veräußerungsgewinn zu erzielen. Vielmehr kann der Wert von Bezugsrechten bereits durch deren Veräußerung realisiert werden. Dazu dient der Bezugsrechtshandel. Bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen börsennotierter Aktiengesellschaften findet in aller Regel während der Bezugsfrist ein börslicher Handel der Bezugsrechte statt (siehe unten § 42 Rz. 64). Über diesen wird die Depotbank des betreffenden Aktionärs die Bezugsrechte am letzten Tag des Bezugsrechtshandels (d.h. am drittletzten Tag der Bezugsfrist)6 verwerten, sofern ihr der Aktionär bis zum Ablauf des vorletzten Tages des Bezugsrechtshandels keine andere Weisung erteilt hat7. Ein etwaiger Angebotsüberhang infolge der Emission dürfte sich daher im Zuge des
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1 Versteegen in KölnKomm. WpÜG, § 37 Rz. 46 für den Fall des „Durchhandelns“; von Bülow in KölnKomm. WpÜG, § 29 Rz. 116; Hecker in Baums/Thoma, § 37 WpÜG Rz. 48; Noack in Schwark, § 37 WpÜG Rz. 8 (Fn. 16). 2 von Bülow in KölnKomm. WpÜG, § 29 Rz. 116 spricht sich in diesem Fall sogar für eine Ermessenreduzierung auf Null zu Gunsten einer Befreiungsentscheidung aus. 3 Bosch in BuB, Rz. 10/339 f.; Schäfer, WM 1999, 1345; Crüwell/Fürhoff in Wirtz/Salzer, IPOManagement, S. 335; erläuternd dazu Ekkenga, WM 2002, 317; zur historischen Entwicklung Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2046. 4 Anschaulich Trapp, AG 1997, 115, 121; Hirte in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 203 AktG Rz. 35. 5 Vgl. Ekkenga, WM 2002, 317, 324; Möller, WM 2002, 309, 314 f.; Lenzen, ZBB 2002, 279, 282; Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2047; Schwark in FS Kümpel, 2003, S. 485, 493; Meyer, AG 2003, 289 jeweils m.w.N. sowie die Begr. RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 90. 6 Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse, § 5 Abs. 2. 7 Vgl. Ziff. 15 Abs. 1 Satz 2 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte i.d.F. v. 1.3.2008.
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Bezugsrechtshandels regulieren, so dass nach dem Abschluss der Emission eine Stabilisierung meist nicht erforderlich wird1. 65
bb) Mittel zur Unterstützung der Kursstabilisierung. In engem Zusammenhang mit der Stabilisierung stehen Abreden, mit deren Hilfe sich die Emissionsbanken den nötigen wirtschaftlichen Spielraum für Stabilisierungsmaßnahmen verschaffen.
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So teilen Emissionsbanken im Wege der Mehrzuteilung (over-allotment) mehr Wertpapiere an Anleger zu als eigentlich platziert werden sollen. Die Mehrzuteilung dient als Puffer für etwaige Stabilisierungskäufe. Wird keine Stabilisierung erforderlich und erweist sich so das Volumen der Mehrzuteilung als dauerhaft platzierbar, kann der infolge der Mehrzuteilung erzielte Platzierungserlös vereinnahmt werden.
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Werden mehr als 100 % des geplanten Emissionsvolumens zugeteilt, muss jedoch grds. binnen zwei Börsentagen eine entsprechende Zahl an Aktien zur Verfügung stehen, um sie den in die Depots der Investoren, denen Aktien zugeteilt wurden, einzubuchen2. Diese lässt sich der Konsortialführer vor Durchführung der Platzierung im Umfang der geplanten Mehrzuteilung von einem oder mehreren Altaktionären der Gesellschaft im Wege einer so genannten Aktienleihe für die Stabilisierungsphase vorübergehend zur Verfügung stellen3. Diese Leihaktien werden zur Belieferung der Mehrzuteilungen verwendet.
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In engem Zusammenhang mit Mehrzuteilung und Stabilisierung steht die so genannte Greenshoe-Option. Sie dient der Absicherung der die Stabilisierung betreibenden Bank. Hat diese Stabilisierungskäufe vorgenommen, so kann sie mit den dabei erworbenen Aktien die zur Belieferung der Mehrzuteilung vorgenommene „Aktienleihe“ zurückführen. Ist jedoch der Aktienkurs nach der Platzierung gestiegen, so dass keine Stabilisierung erfolgte, verfügt die Emissionsbank nicht über zurückgekaufte Aktien, mit denen sie ihre Rückerstattungspflicht aus der Aktienleihe nach § 607 Abs. 1 Satz 2 BGB erfüllen könnte. Sie müsste sich dazu vor Ende der Laufzeit der Leihe Aktien durch Deckungskäufe im Markt beschaffen. Dies würde angesichts des über den bei der Mehrzuteilung erzielten Platzierungspreis gestiegenen Kurses ein erhebliches finanzielles Risiko für die Emissionsbank bedeuten. Sie müsste die Differenz zwischen Emissionspreis und dem (dann höheren) Rückkaufkurs tragen. Auch würden solche Deckungskäufe den Aktienkurs (vorübergehend) weiter nach oben treiben. Zur Vermeidung dieser Situation dient die Greenshoe-Option4. 1 Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2182; zurückhaltender Groß, ZIP 2002, 160. 2 Aus § 11 Abs. 1 der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse ergibt sich, dass der dingliche Vollzug der Zuteilung binnen zwei Börsentagen durch Lieferung einer entsprechenden Zahl von Aktien erfolgen muss. Zwar ist der Verkauf der Platzierungsaktien im Wege der Zuteilung kein Börsengeschäft. Jedoch muss es den Anlegern ermöglicht werden, unmittelbar nach erfolgter Zuteilung Folgegeschäfte über die Börse vorzunehmen und den daraus entstehenden Lieferverpflichtungen nachzukommen. 3 Dazu Groß, ZIP 2002, 160, 161; Busch, AG 2002, 230, 231; Meyer, WM 2002, 1106, 1107; Schanz, BKR 2002, 439, 442. Der in Deutschland marktübliche Begriff der „Aktienleihe“ ist allerdings irreführend. Tatsächlich handelt es sich um ein Darlehen (bzw. nach der Terminologie des modernisierten Schuldrechts „Sachdarlehen“ i.S.v. §§ 607 ff. BGB), vgl. dazu Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 8.236 sowie die Begründung zum Entwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, BT-Drucks. 14/6040, S. 258 r.Sp. Im Folgenden wird aber der marktübliche Begriff „Aktienleihe“ verwandt. 4 Die Bezeichnung stammt von einer Emission der Greenshoe Manufacturing Corporation in den 60er Jahren, bei der das damit bezeichnete Verfahren zum ersten Mal praktiziert wurde, vgl. Johnson/McLaughlin, Corporate Finance and the Securities Laws Laws3, ch. 2 S. 89; Greene/Rosen/Silverman/Braverman/Sperber, U.S. Regulation of the International Securities and Derivatives Markets, § 6.01 [5][c] Fn.123.
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Die Emissionsbank erhält dabei bis zum Ablauf der Stabilisierungphase die Option, Aktien bis zum Umfang der Aktienleihe zum Platzierungspreis erwerben. So kann sie die zur Erfüllung ihrer Rückerstattungspflicht aus der Aktienleihe benötigten Aktien genau zu dem Preis erwerben, den sie zuvor bei der Mehrzuteilung erlöst hatte. Deckungskäufe zu höheren Kursen und dadurch entstehende Verluste werden so vermieden1. Die Greenshoe-Option kann von einem oder mehreren Altaktionären eingeräumt werden. Dabei wird regelmäßig vereinbart, dass die Emissionsbank ganz oder teilweise anstelle der Rückerstattung von geliehenen Aktien den bei der Platzierung der Leihaktien erzielten vereinnahmten Erlös (abzüglich Provision und Kosten) an den betreffenden Altaktionär zahlt. Eine Greenshoe-Option kann auch von der Gesellschaft gewährt werden. Zu deren Erfüllung erhält die Emissionsbank das Recht, (weitere) neue Aktien zum Platzierungspreis zu beziehen. Dies erfordert regelmäßig eine zeitnah durchzuführende Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts2. Dafür wurde das so genannte Zwei-Tranchen-Modell entwickelt, das diese Kapitalerhöhung mit derjenigen zur Schaffung der zu platzierenden Aktien kombiniert3. Dabei wird im Kapitalerhöhungsbeschluss nur ein maximaler Erhöhungsbetrag festgelegt (so genannte „bis zu“- Kapitalerhöhung) und die Zeichnung in mehreren Teilbeträgen („Tranchen“) zugelassen. So kann zur Platzierung zunächst die „Haupttranche“ gezeichnet, die Durchführung der Kapitalerhöhung insoweit zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet sowie die daraus resultierenden neuen Aktien ausgegeben werden4. Bei Ausübung der Greenshoe-Option bedarf es dann keines weiteren Kapitalerhöhungsbeschlusses, sondern nur noch der Zeichnung weiterer Aktien der „Greenshoe-Tranche“, der Einlageleistung sowie der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung um den verbleibenden Betrag sowie deren Eintragung im Handelsregister, um die neuen Aktien ausgeben zu können5. Mit diesen kann dann die Aktienleihe zurückgeführt werden.
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Infolge eines Urteils des Kammergerichts aus dem Jahre 2001 waren vorübergehend Zweifel an der Zulässigkeit der Gewährung einer Greenshoe-Option durch die Gesellschaft und deren Bedienung durch eine Kapitalerhöhung aufgekommen6. Dieses hatte die Ausgabe neuer Aktien zum Platzierungspreis zur Bedienung der Greenshoe-Option als Verstoß gegen § 255 Abs. 2 AktG angesehen, da der Platzierungspreis deutlich unter dem Börsenkurs bei Ausübung der Option lag und daher der Ausgabebetrag der neuen Aktien unangemessen niedrig gewesen sei. Im Schrittum stieß das Urteil auf einhellige Ablehnung7. Es verkannte insbesondere, dass es bei einer Kapitalerhö-
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1 So auch Busch, AG 2002, 230, 233, der anschaulich den Greenshoe als „Nullsummenspiel“ bezeichnet; ebenso Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.105. 2 Eingehend hierzu Hirte in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 203 AktG Rz. 93 f.; Hein, WM 1996, 1, 7; Hoffmann-Becking in FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 40; Groß, ZIP 2002, 160, 162; Busch, AG 2002, 230, 232; Meyer, WM 2002, 1106, 1109. 3 Dazu und zu etwaigen alternativen Fallgestaltungen bei Gesellschaften mit überschaubarem Aktionärskreis (z.B. vor dem erstmaligen Börsengang) wie Verzicht auf oder Abtretung der Bezugsrechte, vgl. dazu z.B. Groß in BuB, Rz. 10/275; Groß, ZIP 2002, 160, 162; Meyer, WM 2002, 1106, 1108. 4 Krieger in MünchHdb. AG, § 58 Rz. 53; Trapp, AG 1997, 115, 122; Hirte in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 203 AktG Rz. 35; für so genannte „bis zu“ Kapitalerhöhungsbeschlüsse Hüffer, § 188 AktG Rz. 4; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 188 AktG Rz. 8; dies voraussetzend Groß, ZIP 2002, 160, 162. 5 Groß in BuB, Rz. 10/275; Trapp, AG 1997, 115, 121 f. 6 KG v. 22.8.2001 – 23 U 6712/99 – „Senator Entertainment I“, AG 2002, 243 = WM 2002, 653. 7 Groß, ZIP 2002, 160; Busch, AG 2002, 230; Sinewe, DB 2002, 314; Meyer, WM 2002, 1106; Schanz, BKR 2002, 439; Paefgen, WuB II A. § 255 AktG 1.02.
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hung aus genehmigtem Kapital – um eine solche handelte es sich vorliegend (insoweit wie üblich) – für die Angemessenheit des Ausgabebetrages nach § 255 Abs. 2 AktG auf den Zeitpunkt des Beschlusses des Vorstandes über die Durchführung der Kapitalerhöhung (bzw. der Zustimmung des Aufsichtsrates) ankommt. Der Zeitpunkt der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister und eine zwischenzeitlich etwa eingetretene Kurssteigerung der Aktien der Gesellschaft sind dagegen irrelevant. Auch werden die wirtschaftlichen Zusammenhänge der Greenshoe-Option nicht gewürdigt. Die Greenshoe-Option dient der Rückführung einer zuvor zur Durchführung einer Mehrzuteilung eingegangenen Wertpapierleihe. Die mehrzugeteilten Aktien werden zusammen mit der Haupttranche bei Investoren zu einem typischerweise im Bookbuilding-Verfahren1 ermittelten Preis platziert. Die Ausgabe der neuen Aktien aus der Greenshoe-Tranche dient lediglich der wertpapiertechnischen Abwicklung der Wertpapierleihe. Die Gesellschaft wird also wirtschaftlich so gestellt, als ob die Platzierung einer einheitlichen Kapitalerhöhung über das gesamte Emissionsvolumen einschließlich Mehrzuteilung erfolgt wäre2. Ein für die Haupttranche als angemessen erachteter Ausgabepreis (und davon wird man bei einem ordnungsgemäß durchgeführten Bookbuilding-Verfahren ausgehen können) ist daher auch für die Greenshoe-Tranche als angemessen anzusehen. Mittlerweile ist das Kammergericht von seiner Entscheidung von 2001 abgerückt und hat sich in einem neuen Urteil in der derselben Sache der vorstehend dargestellten Auffassung des Schrifttums angeschlossen3. 71
Vergleicht man die beiden dargestellten Alternativen der Gewährung der GreenshoeOption, so hat die Einräumung des Greenshoe durch einen Altaktionär den Vorteil, dass sie recht einfach abzuwickeln ist. Dagegen erfordert die Einräumung einer Greenshoe-Option durch die Gesellschaft und deren Bedienung durch eine Kapitalerhöhung einen deutlichen Mehraufwand. Sie ermöglicht es aber der Gesellschaft, bei Ausübung der Greenshoe-Option einen zusätzlichen Erlös zu erzielen. Zumindest bis zu einer rechtskräftigen Klärung durch den Bundesgerichtshof bleibt aber eine rechtliche Restunsicherheit, die indes infolge der im Sinne der einhelligen Literatur geänderten Rechtsprechung des Kammergerichts geringer geworden ist. Diese bestätigt, dass die besseren Argumente für die Zulässigkeit der Einräumung der Greenshoe-Option durch die Gesellschaft und deren Bedienung durch eine Kapitalerhöhung sprechen.
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Auch bei Bezugsrechtsemissionen ist es grds. denkbar, eine Greenshoe-Option und deren Bedienung durch Lieferung (weiterer) neuer Aktien vorzusehen. Dabei würde das Bezugsangebot tatsächlich nur zum Teil mit neuen Aktien aus einer Kapitalerhöhung beliefert; die Bedienung des verbleibende Teils erfolgte – ähnlich wie bei der angesprochenen Mehrzuteilung – mit „alten“ Aktien aus einer so genannten „Aktienleihe“. Die Ausgabe neuer (Greenshoe-)Aktien an die Emissionsbank zur Rückführung der zuvor eingegangenen Leihe, wird als unschädlich angesehen (auch wenn insoweit formal wohl ein Bezugsrechtsausschluss anzunehmen wäre). Schließlich ist es für die bezugsberechtigten Aktionäre gleichgültig, ob sie bei Ausübung ihres Bezugsrechts „alte“ oder neue Aktien erhalten, solange diese gattungsgleich sind. Sollte wegen erfolgter Stabilisierungskäufe die Greenshoe-Option nicht ausgeübt werden, hätten die Aktionäre allerdings mehr Aktien beziehen können, als ihnen aufgrund des 1 Schanz, Börseneinführung, § 10 Rz. 80 ff.; Groß in BuB, Rz. 10/276b; Groß, ZHR 162 (1998), 318, 322. 2 Vgl. Trapp, AG 1997, 115, 122; Technau, AG 1998, 445, 459; Hein, WM 1996, 1, 7; Hirte in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 203 AktG Rz. 94, § 204 AktG Rz. 13. 3 KG v. 16.11.2006 – 23 U 55/03 – „Senator Entertainment I“, ZIP 2007, 1660, 1662.
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Volumens der dann tatsächlich durchgeführten Kapitalerhöhung und des sich daraus ergebenden Bezugsverhältnisses eigentlich zustanden. Dann wäre die gesetzliche Pflicht zur Einräumung eines Bezugsrechts übererfüllt worden, was aktienrechtlich nicht zu beanstanden ist1. Allerdings spielt Stabilisierung bei Bezugsrechtsemissionen selten eine Rolle, wenn sie – wie dies regelmäßig der Fall ist – zu einem erheblich unter dem Börsenkurs liegenden Bezugspreis erfolgen. Etwaiger Verkaufsdruck wird häufig schon im Bezugsrechtshandel abgebaut (siehe oben Rz. 64). Zudem darf Stabilisierung nicht zu einem höheren Preis als dem Emissionspreis erfolgen (siehe unten Rz. 80). Diesen unterschreitet der Börsenkurs während des bei Aktienemissionen üblichen und als zulässig anerkannten Stabilisierungszeitraumes von 30 Tagen nach Abschluss der Emission in aller Regel nicht; der vorgenommene Abschlag soll dies gerade verhindern. Eine Mehrzuteilung kann auch erfolgen, ohne durch eine Greenshoe-Option abgesichert zu sein. Dies bezeichnet man als „Naked Short“. Die Emissionsbank nimmt insoweit so genannte Leerverkäufe vor (auch als Eingehen einer so genannten „short“-Position bezeichnet), ohne dauerhaft abgesichert zu sein (also „naked“). Zur Erfüllung ihrer Lieferverpflichtungen muss die Emissionsbank auch hier zunächst eine so genannte „Wertpapierleihe“ abschließen. Kauft sie im Rahmen der Stabilisierung Aktien zurück, so kann sie diese zur Rückführung der Leihe verwenden. Verharrt der Börsenkurs jedoch dauerhaft über dem Emissionspreis und werden deshalb keine Stabilisierungskäufe getätigt, so fehlt ihr die Möglichkeit, die zur Rückführung der Leihe erforderlichen Aktien durch Ausübung einer Greenshoe-Option zu beschaffen. Sie ist gezwungen, auf eigene Rechnung Aktien zu dem dann über dem Emissionspreis liegenden Kurs im Markt zu erwerben. Je nach Kursverlauf besteht mithin erhebliches Verlustpotential für die Emissionsbank. Daher wird von dieser Gestaltung nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht.
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cc) Kapitalmarktrechtliche Einordnung und Zulässigkeit. Werden bei Aktienemissionen Kursstabilisierungsmaßnahmen durchgeführt, können diese sich auf den Börsenkurs bzw. Marktpreis der betreffenden Aktien auswirken, denn sie zielen gerade darauf ab, ein Absinken des Kurses zu verhindern oder zu mildern. Damit besteht die Gefahr, dass gleich mehrere Tatbestandsalternativen des Verbotes der Marktmanipulation nach § 20a Abs. 1 WpHG erfüllt sind. So könnten Stabilisierungsmaßnahmen angesehen werden (i) als Geschäfte bzw. Kauf- oder Verkaufsaufträge, die geeignet sind, falsche oder irreführende Signale für Angebot, Nachfrage, Börsen- oder Marktpreis von Finanzinstrumenten zu geben oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen (§ 20a Abs. 1 Nr. 2 WpHG) oder auch (ii) als sonstige Täuschungshandlungen, die geeignet sind, auf den Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments einzuwirken (§ 20a Abs. 1 Nr. 3 WpHG). Verstöße gegen die Verbote des § 20a Abs. 1 Nr. 2 und 3 WpHG sind Ordnungswidrigkeiten nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WpHG; erfolgen sie vorsätzlich und führen sie tatsächlich zu einer Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis liegt sogar eine Straftat nach § 38 Abs. 2 WpHG vor.
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Der scheinbare Widerspruch zwischen der Weite der Verbotstatbestände des § 20a Abs. 1 Satz 1 WpHG und der erheblichen rechtlichen Sanktionierung von Verstößen einerseits und dem allgemeine Verständnis der Marktteilnehmer, die Stabilisierung als etwas nicht nur Übliches, sondern auch Sinnvolles ansehen, wird durch § 20a Abs. 3 WpHG (und den nahezu wortgleichen § 5 MaKonV) aufgelöst. Danach stellen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten durchgeführte Maßnahmen in keinem Fall einen Verstoß gegen § 20a Abs. 1 Satz 1 dar, soweit sie nach Maßgabe
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1 Busch, AG 2002, 230, 235; Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2182.
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der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Europäischen Kommission („VO 2273/2003“) erfolgen1. Bei den Regelungen zur Kursstabilisierung in der VO 2273/2003 handelte es sich damit – ähnlich z.B. wie bei den schon zuvor bestehenden Stabilisierungsregeln nach britischem und nach US-Recht2 – um so genannte Safe Harbour Rules. Diese regeln positiv zulässige Verhaltensweisen. Maßnahmen, die sich im Rahmen dieser Vorgaben halten, sind schon tatbestandlich keine Marktmanipulation, so dass es sich bei diesen Safe Harbour Rules in der Terminologie des deutschen Rechts um Tatbestandsausschlussgründe handelt3. Eine außerhalb des Safe Harbour (auf Deutsch: „sicherer Hafen“) liegende Verhaltensweise ist daher nicht notwendigerweise verboten. Vielmehr muss dies im Einzelfall anhand der Verbotstatbestände des § 20a Abs. 1 Satz 1 WpHG unter Heranziehung der näheren Bestimmungen der gemäß § 20a Abs. 5 WpHG erlassenen MaKonV4 geprüft werden5. Die Tatbestandsalternative des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG „Geben von falschen oder irreführenden Signale“ kann dabei durch entsprechende Transparenz, sprich Offenlegung geplanter und durchgeführter Maßnahmen vermieden werden. Dagegen lässt sich die Eignung von Stabilisierungsmaßnahmen, ein „künstliches Preisniveau“ herbeizuführen, dadurch kaum beseitigen, zumal Stabilisierung eine Auswirkung auf den Börsenoder Marktpreis gerade anstrebt6. 76
Unter Kursstabilisierung sind nach Art. 2 Nr. 7 VO 2273/2003 Maßnahmen zu verstehen, die Wertpapierhäuser oder Kreditinstitute im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebots für Wertpapiere, die zum Handel auf einem „geregelten“ Markt zugelassen sind oder deren Zulassung beantragt ist („relevante Wertpapiere“ i.S.v. Art. 2 Nr. 6 VO 2273/2003) mit dem alleinigen Ziel tätigen, den Marktkurs dieser Wertpapiere für einen im Voraus bestimmten Zeitraum zu stützen, wenn auf diese relevanten Wertpapiere Verkaufsdruck besteht. Mit dem Begriff des „geregelten“ Marktes knüpft die VO 2273/2003 dabei an die Begriffsbestimmung in Art. 1 Nr. 13 der früheren Wertpapier-Dienstleistungsrichtlinie7 an, die mittlerweile durch die Definition in Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 MiFiD ersetzt wurde. Im WpHG wird insoweit – in Abgrenzung zum früheren geregelten Markt nach dem BörsG – der Begriff „organisierter Markt“
1 Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen, ABl. EU Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 33 ff. 2 Dazu Bosch in BuB, Rz. 10/349; zu den US-Regelungen („Regulation M“ der SEC): Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, 2000, § 4 IV 2c) bb) S. 97); Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2048 f. Die Stabilisierungsregeln (Price Stabilising Rules) der britischen FSA sind Teil des von dieser herausgegebenen FSA Handbook (im Internet abrufbar unter http://fsahand book.info/FSA/html/handbook), verweisen aber mittlerweile weitgehend auf die VO 2273/ 2003, die auch in Großbritannien unmittelbar gilt. 3 Mock/Stoll/Eufinger in KölnKomm. WpHG, 2007, § 20a WpHG Rz. 271; Vogel in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 20a WpHG Rz. 195; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 20a WpHG Rz. 77. 4 Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (MarktmanipulationsKonkretisierungsverordnung – MaKonV) vom 1.3.2005, BGBl. I 2005, 515. 5 Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a WpHG Rz. 196; Vogel, WM 2003, 2437, 2442; Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2448; Schwark in Schwark, § 20a WpHG Rz. 35, 38; Meyer, AG 2004, 289, 292; Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 310; Groß in GS Bosch, S. 49, 53; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 20a WpHG WpHG Rz. 82; Mock/Stoll/Eufinger in KölnKomm. WpHG, 2007, § 20a WpHG Rz. 341. 6 Mock/Stoll/Eufinger in KölnKomm. WpHG, 2007, § 20a WpHG Rz. 353; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 34 Rz. 7. 7 Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27.
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gebraucht, vgl. § 2 Abs. 5 WpHG1. In dem nach Art. 47 MiFiD von der Kommission zu veröffentlichenden Verzeichnis geregelter Märkte sind derzeit noch die amtlichen und geregelten Märkte der deutschen Wertpapierbörsen aufgeführt2. Nach Umsetzung der MiFID durch Inkrafttreten des FRUG sind diese durch den regulierten Markt ersetzt worden3. Folglich ist mit „geregeltem“ Markt in der VO 2273/2003 in Deutschland der regulierte Markt an einer deutschen Wertpapierbörse gemeint. Für Angebote von Finanzinstrumenten, die in den Freiverkehr oder in den regulierten Markt einbezogen (also nicht eigens zugelassen) sind, gelten nach § 20a Abs. 3 Satz 2 WpHG die Stabilisierungsregelungen der VO 2273/2003 jedoch entsprechend; der bloße Antrag auf Einbeziehung reicht hierfür jedoch noch nicht aus4. Diese Maßnahmen können in einem Kauf bzw. einem Angebot zum Kauf der relevanten Wertpapieren bestehen. Zugelassen sind auch Transaktionen mit vergleichbaren verbundenen Instrumenten. Solche verbundenen Instrumente i.S.v. Art. 2 Nr. 8 VO 2273/2003 sind: – Verträge über bzw. Rechte auf Zeichnung, Kauf oder Verkauf relevanter Wertpapiere, – Finanzderivate auf relevante Wertpapiere, – bei Wandel- oder Umtauschanleihen die Wertpapiere, in die diese gewandelt oder umgetauscht werden können (so genanntes Underlying), – Instrumente, die vom Emittenten oder Garantiegeber der relevanten Wertpapiere ausgegeben werden bzw. abgesichert sind und deren Marktkurs den Kurs der relevanten Wertpapiere erheblich beeinflussen könnte oder umgekehrt, – in Fällen, in denen die relevanten Wertpapiere Aktien entsprechen, die von diesen (oder allen anderen Aktien entsprechenden) Wertpapieren vertretenen Aktien. Auf die Börsenzulassung der verbundenen Instrumente oder einen diesbezüglichen Antrag kommt es nach Art. 2 Nr. 8 VO 2273/2003 nicht an, sofern die jeweils zuständigen Behörden für den Handel mit solchen Finanzinstrumenten Transparenzstandards vereinbart haben. Welche Anforderungen an diese Transparenzstandards zu stellen sind, bleibt jedoch unklar. Das die Stabilisierung durchführende Wertpapierhaus oder Kreditinstitut, der so genannten Stabilisierungsmanager, entscheidet nach eigenem Ermessen über die Vornahme von Stabilisierungsmaßnahmen. Dies beruht auf dem bereits den britischen Price Stabilising Rules5 und der KuMaKV6 bereits vor Inkrafttreten der VO 2273/2003 zu Grunde liegenden Konzept des unabhängigen Stabilisierungsmanagers und kommt durch den gemäß Art. 9 Abs. 1a VO 2273/2003 vorgesehenen öffentlichen Hinweis zum Ausdruck, dass die Durchführung von Kursstabilisierungsmaßnahmen nicht garantiert und diese jederzeit eingestellt werden können7.
1 Vgl. dazu Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007 Rz. 179; Begründung zum RegE des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes, BT-Drucks. 16/4028, S. 57. 2 Vgl. die mit Anmerkungen versehende Übersicht über die geregelten Märkte und einzelstaatliche Rechtsvorschriften zur Umsetzung der entsprechenden Anforderungen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 93/22/EWG des Rates), ABl. EU Nr. C 57 v. 1.3.2008, S. 11, berichtigt in ABl. EU Nr. C 96 v. 17.4.2008, S. 12. 3 Siehe oben § 7 Rz. 43 sowie Begründung zum RegE des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes BT-Drucks. 16/4028, S. 87. 4 Mock/Stoll/Eufinger in KölnKomm. WpHG, 2007, § 20a WpHG Rz. 275. 5 Dazu Bosch in BuB, Rz. 10/349. 6 Begründung zur KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, S. 16. 7 Ebenso Groß in GS Bosch, S. 49, 57; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 34 Rz. 42.
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Ein signifikantes Zeichnungsangebot, in dessen Rahmen Kursstabilisierungsmaßnahmen vom Verbot der Marktmanipulation freigestellt sind, ist nach Art. 2 Abs. 9 VO 2273/2003 eine öffentlich angekündigte Erst- oder Zweitplatzierung relevanter Wertpapiere, die sich sowohl hinsichtlich des Werts der angebotenen Wertpapiere als auch der Verkaufsmethoden vom üblichen Handel unterscheidet. Mithin finden die Stabilisierungsregeln der VO 2273/2003 nicht nur bei öffentlichen Angeboten, sondern auch bei Privatplatzierungen Anwendung, die zuvor öffentlich bekannt gegeben wurden1.
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Kursstabilisierungsmaßnahmen sind jedoch nur in den zeitlichen Grenzen des Art. 8 Abs. 2–5 VO 2273/2003 zulässig; diese differenzieren nach Art der Platzierung wie folgt. Bei einer Platzierung von Aktien oder Aktien entsprechenden Wertpapieren beginnt der Stabilisierungszeitraum im Falle einer Erstplatzierung am Tag der Aufnahme des Handels auf dem betreffenden „geregelten“ Markt und endet spätestens nach 30 Kalendertagen. Ist vor Aufnahme des Handels auf einem geregelten Markt bereits ein Handel zugelassen, der allen Vorschriften des geregelten Marktes unterworfen ist, beginnt die 30-Tages-Frist ab Veröffentlichung des endgültigen Platzierungspreises2. Bei einer Zweit- oder Sekundärplatzierung kommt es nach Art. 8 Abs. 3 VO 2273/2003 für den Beginn des Stabilisierungszeitraums ebenfalls auf die Veröffentlichung des endgültigen Platzierungspreises an; der Stabilisierungszeitraum endet hier 30 Tage nach dem Datum der Zuteilung der Wertpapiere. „Zweitplatzierung“ bezeichnet dabei ebenso die Umplatzierung bestehender Aktien aus Altaktionärsbestand wie auch Platzierungen neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung einer bereits börsennotierten Gesellschaft3. Bei Schuldverschreibungen kann gemäß Art. 8 Abs. 4, 5 VO 2273/2003 ab Bekanntgabe der Angebotsbedingungen4 bis zum Ablauf von 30 Kalendertagen nach Erhalt des Emissionserlöses durch den Emittenten („Closing“) bzw. – sofern dieser Zeitpunkt früher eintritt – 60 Kalendertagen nach Zuteilung stabilisiert werden.
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Kursstabilisierungsmaßnahmen dürfen nur zu bestimmten Kursbedingungen erfolgen, Art. 10 VO 2273/2003. Im Falle eines Angebots von Aktien oder Aktien entsprechenden Wertpapiere darf keine Stabilisierung zu einem höheren Kurs als dem „Emissionskurs“ vorgenommen werden, Art. 10 Abs. 1 VO 2273/2003. Gemeint ist damit der Preis, zu dem die Wertpapiere im Rahmen des signifikanten Zeichnungsangebotes an Investoren platziert wurden; es müsste daher eigentlich auf den „Platzierungspreis“ abgestellt werden5. Bei Schuldverschreibungen, die in Aktien oder Aktien ent1 Meyer, AG 2004, 289, 296, 298; Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 356 Fn. 99; Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 310; Mock/Stoll/Eufinger in KölnKomm. WpHG, 2007, § 20a WpHG Anh. II – Art. 2 VO 2273/2003 Rz. 50; ausführlich unter Heranziehung der Entstehungsgeschickte Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 34 Rz. 16 ff. 2 Art. 8 Abs. 2 Satz 2 VO 2273/2003 spricht irreführenderweise von „Schlusskurs“. Dies dürfte aber eine ungenaue Übersetzung des in der englischen Fassung enthaltenen Begriffes „final price of the relevant securities“ sein, welcher Begriff tatsächlich den endgültigen Platzierungspreis bezeichnet; vgl. Meyer, AG 2004, 289, 296, Fn. 61, ebenso Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 310. 3 Meyer, AG 2004, 289, 293; Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 310; Feuring/Berrar in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 34 Rz. 31, jeweils m.w.N. 4 Bei Schuldverschreibungen ohne Wandel- oder Umtauschrecht Angebotsbedingungen einschließlich des Aufschlages auf einen Referenzwert; bei solchen mit Wandel- oder Umtauschrecht die „endgültigen“ Angebotsbedingungen. 5 Mock/Stoll/Eufinger in KölnKomm. WpHG, 2007, § 20a WpHG Anh. II – Art. 10 VO 2273/2003 Rz. 2; Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a WpHG Rz. 222; Pfüller/Anders, WM 2003, 3445, 2452.
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Übernahme und Platzierung von Aktien
sprechende Wertpapiere gewandelt oder umgetauscht werden können, darf die Stabilisierung dieser zu Grunde liegenden Wertpapiere (Underlying) gemäß Art. 10 Abs. 2 VO 2273/2003 keinesfalls zu einem höheren Kurs als deren Marktkurs bei Bekanntgabe der endgültigen Bedingungen des Angebots der wandel- oder umtauschbaren Schuldverschreibungen. Für Schuldverschreibungen ohne Wandel- oder Umtauschrechte gelten in Bezug auf den Stabilisierungskurs dagegen keine Beschränkungen. Nach Art. 9 VO 2273/2003 sind bestimmte Bekanntgabe-, Melde- und Aufzeichnungspflichten zu erfüllen. Vor Beginn der Zeichnungsfrist müssen die in Art. 9 Abs. 1b) VO 2273/2003 aufgeführten Hinweise auf die mögliche Stabilisierung angemessen bekannt gegeben werden. Eine solche „angemessenen Bekanntgabe“ erfolgt gemäß Art. 2 Nr. 5 VO 2273/2003 nach Maßgabe von Art. 102 Abs. 1,103 der Richtlinie 2001/34/EG („Kapitalmarktpublizitäts-Richtlinie“)1. Diese Bestimmungen regeln die Veröffentlichung und Bekanntgabe von Informationen nach der Börsennotierung und die dazu erforderlichen Medien. Sie finden ihre Umsetzung in deutsches Recht durch § 32 Abs. 5 Satz 1 BörsG (bzw. seine Vorgängerregelungen). Danach sind von der Börsengeschäftsführung (früher: Zulassungsstelle) für die vorgeschriebenen Veröffentlichungen mindestens drei inländische Zeitungen mit überregionaler Verbreitung zu Bekanntmachungsblättern (überregionale Börsenpflichtblätter) zu bestimmen. Indes wird im jüngeren Schrifttum darauf verwiesen, dass die Richtlinie 2001/34/EG zwischenzeitlich durch die (in Deutschland zum 20.1.2007 umgesetzte) EU-Transparenzrichtlinie („TranspRL“)2 aufgehoben wurde, vgl. Art. 32 Abs. 1 Nr. 6, 31 Abs. 1 der TranspRL. Somit sei für die angemessene Bekanntgabe nach Art. 2 Nr. 5 VO 2273/2003 auf die Nachfolgeregelung in Art. 21 TranspRL abzustellen, der wiederum durch § 3a WpAIV in deutsches Recht umgesetzt wurde3. Danach ist eine zu veröffentlichende Information Medien zuzuleiten, die sie in der ganzen EU und dem EWR verbreiten, so genanntes Medienbündel4. Indes ist nicht ersichtlich, dass es sich bei der Verweisung in Art. 2 Nr. 5 VO 2273/2003 um eine dynamische Verweisung auf Artt. 102 f. der Richtlinie 2001/34/EG oder deren Nachfolgeregelungen handelt. Eine (mögliche) Anpassung der VO 2273/2003 im Rahmen Zuge der TranspRL ist nicht erfolgt. Ob der letzte Satz in Art. 32 TranspRL, wonach Verweise auf die aufgehobenen Bestimmungen als Verweise auf die (entsprechenden) Bestimmungen der TranspRL gelten, dies impliziert, erscheint fraglich, da diese Regelung als Teil einer Richtlinie gemäß Art. 249 Abs. 3 EG-Vertrag – anders als eine Verordnung – in den Mitgliedstaaten nicht unmittelbar gilt5. Daher sollte eine Veröffentlichung in einem Börsenpflichtblatt i.S.v. § 31 Abs. 1 Satz 5 BörsG weiterhin zulässig sein. Im Hinblick auf die o.g. Umsetzung der Nachfolgeregelung der Artt. 102 f. der Richtlinie 2001/34/EG kann eine Veröffentlichung jedoch auch durch das so genannte Medienbündel gemäß § 3a WpAIV als „angemessen“ i.S.v. Art. 2 Nr. 5 VO 2273/2003 gelten.
1 Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.5.2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1. 2 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. 3 Mock/Stoll/Eufinger in KölnKomm. WpHG, 2007, § 20a WpHG Anh. II – Art. 2 VO 2273/2003 Rz. 13 ff. 4 Vgl. Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 49, dazu Pirner/Lebherz, AG 2007, 19; Noack, WM 2007, 377, 380; Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 550, 554 f. 5 Konsolidierte Fassung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ABl. Nr. C 325 v. 24.12.2002, S. 33.
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Für Angebote, die in den Anwendungsbereich der EU-Prospektrichtlinie1 fallen, wird die Anwendung dieser Hinweispflicht ohnehin gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 2 VO 2273/2003 ausgesetzt. Dies liegt daran, dass in dem dann zu erstellenden Prospekt ohnehin entsprechende Angaben erfolgen müssen2. Art. 9 Abs. 2 VO 2273/2003 sieht daneben die Mitteilung der Einzelheiten der Stabilisierungsmaßnahmen an die für den relevanten Markt zuständigen Behörde spätestens am Ende des siebten Handelstages nach deren Ausführung vor. Ferner sind die in Art. 9 Abs. 3 VO 2273/2003 genannten Einzelheiten der durchgeführten Stabilisierungsmaßnahmen innerhalb einer Woche nach Ablauf des Stabilisierungszeitraums angemessen bekannt zu geben (zu den Publikationsmedien siehe oben in diesem Absatz), die Ausnahme des Art. 9 Abs. 1 VO 2273/2003 für prospektpflichtige Transaktionen gilt insoweit nicht. Zudem sind gemäß Art. 9 Abs. 4 VO 2273/2003 alle Stabilisierungsmaßnahmen von Emittent, Anbieter und dem die Stabilisierungsmaßnahmen durchführenden Unternehmen aufzuzeichnen.3. 82
Schließlich lässt die VO 2273/2003 in Art. 11 auch die – üblichen – Maßnahmen zur Unterstützung von Kursstabilisierung zu, so genannte ergänzende Stabilisierungsmaßnahmen. Eine Mehrzuteilung4 relevanter Wertpapiere ist nur innerhalb der Zeichnungsfrist und zum „Emissionskurs“ zulässig. Gemeint ist damit auch hier der „Platzierungspreis“. Diese Mehrzuteilung darf durch eine Greenshoe-Option von bis zu 15 % des ursprünglichen Angebots abgesichert werden, die sowohl von dem Emittenten oder als auch einem Altaktionär eingeräumt werden kann. Sie darf nur im Rahmen der Mehrzuteilung ausgeübt werden. Wurden zwischenzeitlich Aktien im Wege der Stabilisierung erworben, aber noch während des Stabilisierungszeitraumes wieder in den Markt verkauft, so kann die Greenshoe-Option dennoch voll ausgeübt werden (refreshing the shoe)5. Die Ausübung der Greenshoe-Option darf nur innerhalb des Stabilisierungszeitraumes erfolgen. Darüber hinaus lässt die VO 2273/2003 auch eine nicht durch eine Greenshoe-Option abgedeckte Mehrzuteilung von bis zu weiteren 5 % des Platzierungsvolumens ausdrücklich zu (Naked Short). Die Öffentlichkeit ist unverzüglich und in allen angemessenen Einzelheiten über die Ausübung der Greenshoe-Option zu unterrichten, insbesondere über den Zeit1 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64. 2 Vgl. für Aktienemissionen Ziff. 6.5 (Stabilisierung) und Ziff. 5.2.5 (Mehrzuteilung und Greenshoe) des Anh. III der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004, ABl. EG Nr. L 149 v. 30.4.2004, S. 1. 3 Hinsichtlich des Inhalts dieser Aufzeichnungen verweist Art. 9 Abs. 4 VO 2273/2003 auf Art. 20 Abs. 1 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 93/22/EWG, ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27); dieser wurde zwischenzeitlich durch Art. 25 MiFID abgelöst, der in Deutschland durch § 34 WpHG umgesetzt wurde, vgl. Mock/Stoll/Eufinger in KölnKomm. WpHG, 2007, § 20a WpHG Anh. II – Art. 9 VO 2273/2003 Rz. 13; Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 63. 4 Die deutsche Fassung der VO 2273/2003 verwendet den unzutreffenden Begriff der „Überzeichnung“; gemeint ist offensichtlich „Mehrzuteilung“ oder „Überzuteilung“, was die richtige Übersetzung des in der englischen Fassung verwendeten Fachbegriffes „over-allotment“ wäre. Dies ergibt sich auch aus der Definition des Begriffes „Überzeichnung“ in Art. 2 Nr. 13 VO 2273/2003; dazu Meyer, AG 2004, 289, 296, Fn. 63; Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 314; ebenso Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 34 Rz. 49. 5 Mock/Stoll/Eufinger in KölnKomm. WpHG, 2007, § 20a WpHG Anh. II – Art. 11 VO 2273/2003 Rz. 5 ff.; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 34 Rz. 55 ff.
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punkt der Ausübung und die Zahl und Art der relevanten Wertpapiere1; für die in diesem Absatz beschriebenen so genannten ergänzenden Kursstabilisierungsmaßnahmen gelten im Übrigen die Bekanntgabe-, Melde- und Aufzeichnungspflichten des Art. 9 VO 2273/2003 entsprechend. Im Hinblick auf die vielfältigen Möglichkeiten der Veröffentlichung der nach Art. 9 Abs. 3, Art. 11 lit. f VO 2273/2003 bekannt zu machenden Informationen über die Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen und die Ausübung einer Greenshoe-Option werden üblicherweise in Wertpapierprospekten die Medien angegeben, über die jene Veröffentlichungen erfolgen, ohne dass dies ausdrücklich in der ProspektVO 809/2004 oder in der VO 2273/2003 so vorgesehen wäre2.
III. Dokumentation Neben der Due Diligence und einer etwaigen Prospekterstellung macht die Erstellung und Verhandlung der Vertragsdokumentation einen wesentlichen Teil der Vorbereitung einer Aktienemission oder -platzierung aus. Dabei werden zur Regelung der Rechtsbeziehungen der Beteiligten in den verschiedenen Stadien einer Platzierung meist mehrere Verträge abgeschlossen, die je nach Transaktionsstruktur unterschiedlichen Detaillierungsgrad und Komplexität aufweisen.
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1. Vertraulichkeitsvereinbarung a) Grundsätzliches Zunehmend verlangen Emittenten bereits vor der Mandatierung einer Investmentbank den Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung3 als Voraussetzung für die Überlassung erster Informationen im Vorfeld der Bewerbung der Bank um das Mandat. Zwar sind Banken aus dem mit Anbahnung eines Mandatsverhältnisses begründeten vorvertraglichen Schuldverhältnis ohnehin zur vertraulichen Behandlung der ihnen überlassenen Informationen verpflichtet4. Der Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung dient aber zur Dokumentation der Erfüllung der Vertraulichkeitspflichten durch den Vorstand und zur Klarstellung5. Bislang war dies im Bereich des Unternehmenskaufs und der Unternehmensübernahmen, bei denen sich häufig Wettbewerber gegenüberstehen, von größerer praktischer Bedeutung als im Emissionsgeschäft6. Bei Emissionsbanken gehört der Umgang mit vertraulichen Kundeninfor-
1 Hinzuweisen ist darauf, dass zwar die Zahl der durch die Ausübung der Greenshoe-Option erworbenen Aktien, nicht jedoch die genaue Zahl der mehr zugeteilten Aktien genannt werde muss, Mock/Stoll/Eufinger in KölnKomm. WpHG, 2007, § 20a WpHG Anh. II – Art. 11 VO 2273/2003 Rz. 4; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 34 Rz. 59. 2 Dazu auch Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 21 Rz. 43 mit Verweis auf die geänderten Anforderungen an die „angemessene“ Bekanntmachung nach Umsetzung der TranspRL. 3 Zur Bedeutung von Vertraulichkeitsvereinbarungen im Zusammenhang mit der Begleitung einer Umplatzierung von Aktien aus Altaktionärsbestand siehe oben § 7 Rz. 23. 4 Wiedemann in Soergel, BGB, 12. Aufl. 1987, Vor § 275 BGB Rz. 175; Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 6 Rz. 9; Kösters, NZG 1999, 623, 524; so schon Larenz in FS Ballerstedt, 1975, S. 397, 415. 5 Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 6 Rz. 9. 6 Vertraulichkeitsvereinbarungen wurden im Schrifttum bislang vor allem bei Unternehmenskäufen diskutiert; vgl. Göckeler in Beck’sches Hdb. AG, § 22 Rz. 155.
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mationen zum Tagesgeschäft. Bereits aus aufsichtsrechtlichen Gründen1 wird den Vertraulichkeitspflichten durch interne Organisationsmaßnahmen, insbesondere die als chinese walls bezeichneten Kommunikationsverbote Rechnung getragen2. Zudem gehört allgemein die vertrauliche Behandlung von Kundeninformationen zu den von einer Bank zu beachtenden Nebenpflichten aus ihrem Vertragsverhältnis mit ihrem jeweiligen Kunden3. Neue Bedeutung haben Vertraulichkeitsvereinbarungen indes bei börsennotierten Emittenten4 im Hinblick auf die Verschärfung der Regelungen zu Ad hoc-Publizität durch das AnSVG5 im Jahre 2004 erhalten. Ein solcher Emittent muss nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG jede Insiderinformation, die ihn unmittelbar betrifft (d.h. insbesondere wenn sie sich auf Umstände in seinem Tätigkeitsbereich bezieht) unverzüglich veröffentlichen. Von dieser Pflicht ist er aber nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG solange befreit, wie es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und er die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann (so genannte Selbstbefreiung; dazu § 14 Rz. 34 ff.). Insiderinformationen, die den Emittenten nicht unmittelbar betreffen, muss der Emittent gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG ebenfalls veröffentlichen, wenn er sie für ihn handelnde Personen mitteilt oder ihnen zugänglich macht, es sei denn, der Empfänger ist rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet6. Dabei ist aber der Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung mit solchen Dritten, die bereits aus anderen Rechtsgründen (einschließlich einer vertraglichen Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB) einer Vertraulichkeitspflicht unterliegen, nicht unbedingt erforderlich7. Ungeachtet dessen ist zu beobachten, dass Emittenten seit Inkrafttreten des AnSVG in stärkerem Maße dazu neigen, auch von Banken die Unterzeichnung von Vertraulichkeitsvereinbarungen zu verlangen, u.a. um die Einhaltung ihrer Pflichten nach § 15 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 WpHG ausdrücklich zu dokumentieren8. b) Vertraulichkeitsverpflichtung 85
In einer Vertraulichkeitsvereinbarung erfolgt zunächst eine Konkretisierung der Vertraulichkeitspflichten. Die Emissionsbank verpflichtet sich i.d.R. nicht nur all1 § 33 Abs. 1 WpHG, dazu Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, 2007, § 33 WpHG Rz. 69; sowie Richtlinie des BAWe zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33 Abs. 1 WpHG vom 25.10.1999 (BAnz. Nr. 210 v. 6.11.1999, S. 18453), abgedruckt bei Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, unter Tz. 633/2. 2 Gasteyer in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 4 Rz. 81 a.E.; zur Organisation bankeninterner Vertraulichkeitsbereiche durch so genannte chinese walls: Eisele in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 109 Rz. 136 ff. 3 Vgl. nur Canaris, Bankvertragsrecht, 3. Aufl. 1988, Rz. 12, 37; Bruchner/Krepold in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 39 Rz. 7 ff., jeweils m.w.N. 4 Genauer: „Inlandsemittenten“ i.S.v. §§ 2 Abs. 7, 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG, d.h. (i) Emittenten für die Deutschland Herkunftsstaat i.S.v. § 2 Abs. 8 WpHG ist, deren Wertpapiere im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, (ii) Emittenten mit einem anderen Herkunftsstaat ist, deren Wertpapiere aber nur im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind sowie (iii) solche Emittenten, für dessen Finanzinstrumente ein Antrag auf Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt gestellt ist. 5 Gesetz zur Verbesserung der Anlageschutzes (Anlageschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) vom 28.10.2004, BGBl. I 2004, 2630. 6 Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 218. 7 Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 163; 227; Simon, Der Konzern 2005, 13, 19. 8 Rodewald/Tüxen, BB 2004, 2249, 2252; ähnlich im Hinblick auf § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG Kuthe, ZIP 2004, 883, 885; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1952; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 164.
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gemein, ihr überlassene Unterlagen, die geplante Transaktion als solche und ihre mögliche Mandatierung vertraulich zu behandeln1. Häufig wird die ausdrückliche Verpflichtung übernommen, diese Informationen nur denjenigen Mitarbeitern weiterzugeben, die mit der geplanten Transaktion befasst sind. Auch diese Pflicht ergibt sich bereits aus aufsichtsrechtlichen Organisationspflichten nach § 33 WpHG (Needto-know-Prinzip)2. Der manchmal geäußerte Wunsch, diese Mitarbeiter ausdrücklich zu benennen, erscheint indes überzogen, zumal sich im Laufe einer Transaktion Änderungen in der Zusammensetzung des Teams ergeben können. Daran ändert auch die durch das AnSVG eingeführte Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach § 15b WpHG nichts. Insoweit reicht nämlich aus, dass der Emittent in seinem Insiderverzeichnis die bei der Vorbereitung einer Emission eingeschaltete Bank sowie die hinzugezogenen Berater als Institution sowie eine Kontaktperson aufführt3. Die im Einzelnen tätigen natürlichen Personen können dem bei der Bank bzw. den Beratern jeweils zu führenden Insiderverzeichnissen entnommen werden. So wird eine unnötige Duplizierung und eine unüberschaubare Verbreitung persönlicher Daten vermieden (vgl. die nach § 14 WpAIV4 im Insiderverzeichnis anzugebenden Informationen). Die Mitarbeiter sind von ihrem Arbeitgeber auf die Pflichten aus der Vertraulichkeitsvereinbarung hinzuweisen und zu deren Einhaltung zu ermahnen (vgl. auch § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG). Von jedem dieser Mitarbeiter eine eigene Vertraulichkeitserklärung gegenüber der Gesellschaft zu verlangen, dagegen zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft nicht erforderlich5. Mitarbeiter von Banken (und von Beratungsunternehmen) sind bereits aus ihrem Anstellungsvertrag zur vertraulichen Behandlung von kundenbezogenen Informationen verpflichtet. Zudem haftet die Bank (bzw. der Berater) für ein Verschulden ihrer Mitarbeiter bei der Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten gemäß § 278 Satz 1 BGB wie für eigenes Verschulden. Dies gilt auch in Bezug auf die Verletzung von Schutzpflichten6. Eine eigene Vertraulichkeitserklärung gegenüber der Gesellschaft hätte damit nur die Funktion, eine unmittelbare Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche gegen den einzelnen Mitarbeiter zu begründen. Angesichts der Haftung der Bank (bzw. des Beratungsunternehmens) für deren Verschulden ist dafür kein Grund ersichtlich. Neben der Weitergabe an Mitarbeiter wird einer Bank regelmäßig auch die Weitergabe an – zur Vertraulichkeit verpflichtete – Dritte, insbesondere eigene Berater erlaubt. Hinsichtlich der Haftung für etwaige Verstöße dieser Berater gegen die Pflicht zur vertraulichen Behandlung gilt das in Bezug auf Mitarbeiter Gesagte entsprechend. Die Pflicht zur vertraulichen Behandlung lässt sich auch insoweit konkretisieren, dass überlassene Unterlagen nur im Zusammenhang mit der geplanten Transaktion verwendet werden dürfen.
1 Eine unbefugte Mitteilung, dass eine Emission oder Platzierung von Aktien einer börsennotierten Gesellschaft geplant ist, birgt ohnehin die Gefahr der Strafbarkeit nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. 2 Meyer/Paetzel in KölnKomm. WpHG, 2007, § 33 WpHG Rz. 72. 3 Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 17.7.2005, im Internet abrufbar unter www.bafin.de, unter VII.2.2. S. 97 f. 4 Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zum Führen von Insiderverzeichnissen nach dem Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung – WpAIV), BGBl. I 2004, 3376. 5 Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 6 Rz. 17. 6 Vgl. nur Heinrichs in Palandt, § 278 BGB Rz. 18.
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c) Ausnahmen 86
Von der Vertraulichkeitspflicht ausgenommen werden üblicherweise Informationen, die (i) öffentlich verfügbar sind oder werden, oder (ii) der Bank auf nicht-vertraulicher Grundlage aus anderer Quelle als der Gesellschaft überlassen wurden oder werden. Hinzu kommt, dass die Bank zur Verwendung vertraulicher Informationen berechtigt ist, soweit sie dies aus Gründen zwingenden Rechts (insbesondere Aufsichtsrechts) oder zur Rechtsverteidigung für geboten hält. Dabei ist insbesondere an den Nachweis der sorgfältigen Prospekterstellung zur Führung des Entlastungsbeweises nach § 45 Abs. 1 BörsG zu denken. Manche Vertraulichkeitsvereinbarungen sehen dabei vor, dass die Bank behördliche Auskunftsverlangen der Gesellschaft unverzüglich anzuzeigen hat. d) Rückgabe/Vernichtung/Dauer
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Für den Abbruch der geplanten Platzierung wird die Bank häufig verpflichtet, vertrauliche Unterlagen nach Aufforderung durch die Gesellschaft an diese zurückzugeben oder diese zu vernichten. Hierbei ist insbesondere im Hinblick auf gesetzliche Aufbewahrungspflichten die Verwahrung einer Kopie zuzugestehen. Soweit hinsichtlich elektronischer Informationen verlangt wird, diese zu löschen, so ist zu beachten, dass automatisch erstellte Sicherungskopien technisch dem Endnutzer nicht zugänglich sind und daher das Verlangen der Vernichtung auch solcher Kopien nicht angemessen sein dürfte. Hinsichtlich der so zulässigerweise zurückbehaltenen Informationen gilt die Vertraulichkeitsverpflichtung selbstverständlich fort. Manche Vertraulichkeitsvereinbarungen sehen eine begrenzte Laufzeit für Vertraulichkeitspflichten vor (z.B. drei Jahre). Die Bedeutung einer solchen Regelung dürfte indes gering sein, da die Informationen nach Ablauf eines solchen Zeitraumes meist nur noch geringen Wert haben. e) Vertragsstrafe
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Bisweilen versuchen Emittenten, die Pflichten aus einer Vertraulichkeitsvereinbarung mit einer Vertragsstrafe abzusichern. Dies hat sich indes auch nach Inkrafttreten des AnSVG nicht durchgesetzt. Gerade gegenüber Banken dürfte eine Vertragsstraferegelung angesichts des ohnehin eher deklaratorischen Charakters der Vertraulichkeitsverpflichtungen, der Überwachung der regulatorischen Pflichten der Banken durch die BaFin (vgl. nur § 35 WpHG) und des im Falle eines Vertraulichkeitsverstoßes der Bank drohenden Reputationsschadens auch überzogen sein. Rechtlich geboten ist sie ohnehin nicht (vgl. unten § 10 Rz. 43); auch nicht im Hinblick auf insiderrechtliche Anforderungen1. 2. Mandatsvereinbarung
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Die Mandatierung einer Investmentbank für die Tätigkeit als alleinige oder konsortialführende Emissionsbank bei einer Aktienplatzierung wird zumeist in einer Mandatsvereinbarung zwischen der Gesellschaft sowie ggf. den abgebenden Altaktionären einerseits und der betreffenden Bank andererseits vereinbart. Diese Mandatsvereinbarung wird – da oft in Briefform ausgestaltet – auch als Mandatsbrief bzw. Letter of Engagement (abgekürzt „LoE“) bezeichnet. Darin werden die wesentlichen Inhalte der Mandatierung und 1 Emittentenleitfaden der BaFin, Stand 15.7.2005, im Internet abrufbar unter www.bafin.de, unter IV.2.2.6 S. 46.
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der Zusammenarbeit bei der Vorbereitung der Platzierung festgelegt1. Auch wenn vorgesehen ist, dass die geplante Platzierung durch ein Konsortium von Banken erfolgen soll, so sind außer dem (den) Konsortialführer(n) typischerweise keine weiteren Banken Parteien der Mandatsvereinbarung. Die weiteren Konsortialmitglieder stehen bei Abschluss der Mandatsvereinbarung selten bereits fest. Sie sind – wie ausgeführt – an der Platzierungsvorbereitung zumeist nicht beteiligt und werden oft erst relativ kurz vor der eigentlichen Durchführung bestimmt und angesprochen (dazu oben Rz. 20). Umfang und Detaillierungsgrad dieser Mandatsvereinbarungen können je nach mandatierter Emissionsbank unterschiedlich sein. Bisweilen werden nur die wesentlichen wirtschaftlichen Konditionen vereinbart, d.h. die Vergütung der Investmentbank und der Ersatz von Auslagen. Detaillierte Regelungen, insbesondere Haftungs- und Freistellungsregelungen bleiben dann dem Übernahmevertrag vorbehalten. Es kann aber durchaus sinnvoll sein, konkrete Regelungen über die von den einzelnen Parteien zu übernehmenden Aufgaben zu treffen, damit Klarheit über die Verantwortungsverteilung im Rahmen der Emissionsvorbereitung besteht. Daher können Mandatsvereinbarungen insbesondere Regelungen zu folgenden Themen enthalten:
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a) Umfang des Mandates Oft werden die von der Emissionsbank übernommenen Aufgaben im Einzelnen beschrieben, z.B. wie folgt:
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Beratung zur Strukturierung der Platzierung und zur Auswahl von Beratern, Aufstellung eines Zeitplanes, Unterstützung bei der Prospekterstellung, Zusammenstellung und Koordination des Bankenkonsortiums, Erstellung von Research-Richtlinien, Koordination der Öffentlichkeitsarbeit, Unterstützung bei Marketingmaßnahmen (Analystenpräsentation, Kommunikation mit der Presse), Vorbereitung und Durchführung von Investorengesprächen, insbesondere der so genannten Roadshow, – Unterstützung im Rahmen des Prospektbilligungsverfahrens sowie bei der Beantragung der Börsenzulassung, – Vorbereitung der Dokumentation, insbesondere des Übernahmevertrags, – Durchführung des Angebots, Festlegung der Preisspanne, Durchführung des Preisbildungsverfahrens (i.d.R. Bookbuilding), der Preisfestsetzung und der Zuteilung. Die Beschreibung der Aufgaben der Emissionsbank ist selten kontrovers, führt sie doch nur in allgemeiner Form auf, was üblicherweise die Aufgabe einer Emissionsbank bzw. eines Konsortialführers im Rahmen einer Platzierung von Wertpapieren und deren Vorbereitung ist. Allerdings ist in Teilbereichen das allgemeine Verständnis dessen, was Aufgabe einer Emissionsbank sein kann und darf, durchaus einem Wandel unterworfen. So war früher die Aufnahme der Research Coverage Bestandteil des von einer Emissionsbank den Emittenten offerierten Programms. Die Verpflichtung der Aufnahme der Research Coverage im Zusammenhang mit einer konkreten Platzierung ist mittlerweile nicht mehr möglich. Ungeachtet dessen bleibt Research natürlich eine von Banken erbrachte Dienstleistung, an der Emittenten und Investoren erhebliches Interesse haben. Allerdings wird man im Zusammenhang mit der Begleitung einer Platzierung nicht über die Vermittlung des Kontakts zwischen Gesell1 Dazu Groß in BuB, Rz. 10/306c sowie das dort bei Rz. 10/323a abgedruckte Muster; Harrer in Harrer/Heidemann, Der Gang an die Börse, Ziff. 4.1 S. 144.
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schaft und Research-Abteilung hinausgehen können, die über die Aufnahme der Research Coverage unabhängig zu entscheiden hat (dazu oben Rz. 6 ff.). b) Informationen, Due Diligence 93
In Mandatsvereinbarungen finden sich oft Regelungen über die der Bank im Rahmen der Platzierungsvorbereitung zu überlassenden Informationen. So werden die Gesellschaft (ggf. auch die Aktionäre) verpflichtet, der Bank und ihren Beratern alle Informationen überlassen, die letztere zur Durchführung des Mandats für erforderlich oder sinnvoll halten. Nur so kann die Bank die für die Platzierungsvorbereitung, insbesondere die Erstellung eines Prospektes erforderlichen Untersuchungen („Due Diligence“, dazu unten § 10 Rz. 1 ff.) durchführen. Dabei sind die im Vergleich z.B. zu einem Unternehmenskauf anders gelagerten Interessen zu berücksichtigen. Wer ein Unternehmen erwirbt, ist zwar wie eine Emissionsbank bei der Emissionsvorbereitung interessiert, sich vor dem Erwerb möglichst umfassend über die Verhältnisse des Kaufobjekts zu informieren. Wenn aber ein Verkäufer nur eingeschränkte Informationen bereitstellt, ist es die unternehmerische Entscheidung des Erwerbers, die daraus resultierenden (Rest-)Risiken in Kauf zu nehmen und den Erwerb dennoch durchzuführen. Schließlich geht die Übernahme der Risiken aus dem Erwerb damit einher, auch die unternehmerischen Chancen des erworbenen Unternehmens zu erhalten. Häufig werden in solchen Fällen Rücktrittsmöglichkeiten vorgesehen für den Fall, dass nach dem Erwerb noch wesentliche Probleme entdeckt werden, die zuvor nicht offengelegt waren. So kann z.B. ein Mindesteigenkapital garantiert werden, dessen Vorhandensein u.U. nach dem Erwerb von einem Schiedsgutachter überprüft wird. Bei dessen Unterschreiten kann der Kauf rückgängig gemacht oder der Kaufpreis angepasst werden. Ähnliche Vereinbarungen werden bisweilen für das Erreichen bestimmter Umsatz- oder Gewinngrößen im laufenden Geschäftsjahr getroffen1.
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Für das Verhältnis zur Emissionsbank bei der Vorbereitung von Aktienplatzierungen sind solche Konzepte weder geeignet, noch ist die Rolle der Emissionsbank mit der des Unternehmenskäufers vergleichbar. Eine Bank handelt bei der Begleitung einer Platzierung von Wertpapieren als Dienstleister, der den Emittenten bzw. Verkäufer von Aktien dabei unterstützt, Wertpapiere an Investoren zu veräußern, die dafür erforderliche Dokumentation zu erstellen und ggf. eine Börsenzulassung zu erreichen. Dafür erhält die Bank ein Entgelt. Im Gegensatz zum Unternehmenskäufer partizipiert sie nicht unter Inkaufnahme der unternehmerischen Risiken an den künftigen Geschäftsaussichten der Gesellschaft. Dagegen unterliegt sie sowohl gegenüber Investoren, die bei der Platzierung Wertpapiere erworben haben als auch gegenüber Erwerbern im Sekundärmarkt2 der Prospekthaftung. Von dieser kann sie sich – außer in den Fällen des § 45 Abs. 2 BörsG – nur durch den Nachweis entlasten, dass sie in Bezug auf die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospektes nicht grob fahrlässig gehandelt hat. Daneben droht der Reputation der Bank bereits Schaden, wenn auch nur der Eindruck entsteht, diese habe eine Platzierung durchgeführt, ohne die Verhältnisse des Emittenten ausreichend untersucht zu haben. Daher muss eine Emissionsbank in die Lage versetzt werden, sich ein umfassendes und zutreffendes Bild über die 1 Vgl. Semler in Hölters, Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs, 6. Aufl. 2005, Teil VII Rz. 188 ff.; Beisel/Klumpp, Der Unternehmenskauf, 5. Aufl. 2006, Kap. 11 Rz. 50 ff.; Schröder in Seibt (Hrsg.), Beck’sches Formularbuch Mergers & Acquisitions, 2008, C.II1 Tz. 25. 2 Prospekthaftungsansprüche nach § 13 VerkProspG, §§ 44 f. BörsG stehen auch den Anlegern zu, die die platzierten oder ausstattungsgleiche Wertpapiere innerhalb der ersten sechs Monate nach dem ersten öffentlichen Angebot bzw. der Einführung der Wertpapiere, d.h. der Aufnahme deren Notierung (§ 37 Abs. 1 BörsG) erworben haben, vgl. § 44 Abs. 1 Satz 3 BörsG.
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Gesellschaft machen zu können. Ansonsten könnte sie schon die strukturellen Vorentscheidungen nicht adäquat treffen (z.B. betreffend die Eignung der Gesellschaft für eine Platzierung, den Platzierungszeitpunkt oder das Platzierungsvolumen). Sie könnte auch Erstellung und Unterzeichnung eines Prospektes nicht verantworten. Darüber hinaus hat die Bank ein Interesse daran, zu dokumentieren, dass sie ihre Untersuchungen in dem aus ihrer Sicht erforderlichen Umfang durchführen konnte, damit sie sich im Haftungsfall nach § 45 Abs. 1 BörsG entlasten kann. Aus Sicht der Verantwortlichen auf Seiten der Gesellschaft ist zu berücksichtigen, dass sie und die Gesellschaft ein eigenes Interesse daran haben, dass die Emissionsbank die Untersuchungen der Gesellschaft so durchführen kann, wie sie dies für erforderlich hält. Schließlich ist die Gesellschaft als Unterzeichner des Prospekts ebenfalls für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospektes nach § 13 VerkProspG und §§ 44 f. BörsG verantwortlich1. Zudem wird gerade die Gesellschaft bereits durch nur behauptete Unrichtigkeiten eines Prospektes beeinträchtigt, die sich bereits negativ auf den Kurs der Aktien und das Vertrauen der Investoren auswirken können. Bei einer reinen Umplatzierung sind jedoch die Möglichkeiten des abgebenden Aktionärs zur Informationsbeschaffung mitunter begrenzt. Oft verfügt er nur über von der Gesellschaft veröffentlichte Informationen wie Geschäftsberichte, Jahres- und Zwischenabschlüsse sowie Ad hoc-Mitteilungen. Die Informationen, die ihm vorliegen, muss er jedoch offenbaren. Ansonsten könnte er sich dem Vorwurf aussetzen, die von ihm gehaltenen Papiere entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG unter Ausnutzung seiner Kenntnis von Insiderinformationen verkaufen zu wollen.
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Manche Mandatsvereinbarungen sehen die ausdrückliche Verpflichtung vor, dass die Gesellschaft und ggf. Altaktionäre sicherzustellen haben, dass erteilten Informationen richtig und vollständig sind. Dies ergänzt die eingangs genannte Pflicht zur Informationsbeschaffung. Richtige und vollständige Informationen sind für die Emissionsbank die Grundlage dafür, sich ein möglichst realistisches Bild von der Gesellschaft und deren Verhältnisse zu machen und einen Prospekt zu erstellen, der den rechtlichen Anforderungen genügt. Teilweise finden sich auch ergänzende Regelungen eher organisatorischen und klarstellenden Charakters. So kann eine Pflicht der Gesellschaft vorgesehen werden, dass Vorstandsmitglieder, leitende Angestellte und Berater der Bank und deren Beratern in angemessenem zeitlichem Umfang für Auskünfte zur Verfügung stehen.
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c) Erstellung der Platzierungsdokumente In der Mandatsvereinbarung wird häufig auch die Aufgabenverteilung bei der Erstellung eines Prospektes geregelt. Dies dient vor allem der Klarstellung der Verantwortlichkeit im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Bank. Die Prospekterstellung erfolgt meist durch die Gesellschaft und (vor allem) ihre Rechtsberater. Die Gesellschaft wird dabei von der Emissionsbank weitgehend unterstützt, doch hat die Gesellschaft gegenüber der Emissionsbank die Verantwortung für den Prospekt zu übernehmen2. Denn der Prospekt beschreibt die Gesellschaft selbst; sie ist notwendigerweise am Prospektinhalt „näher dran“ (ungeachtet umfangreicher Untersuchungen durch die Bank)3. Die Emissionsbank hat insoweit eher eine unterstützende kontrollierende Funktion; insbesondere auch im Hinblick auf die Einschaltung von (interna-
1 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 18. 2 So auch Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 78. 3 Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 55.
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tionalen) Kapitalmarktstandards. Detailliertere Regelungen zur Prospektverantwortung finden sich im Übernahmevertrag (dazu Rz. 143 ff.). d) Marktschutzklausel 98
In manche Mandatsvereinbarungen wird bereits eine Verpflichtung der Gesellschaft und der Altaktionäre aufgenommen, bis zum Ablauf eines festgelegten Zeitraumes (i.d.R. sechs Monate bis zwei Jahre) nach Abschluss der Emission bestimmte Handlungen zu unterlassen, die sich negativ auf den Kursverlauf und damit auch auf die rückwirkende Beurteilung der Emission auswirken könnten1. In Bezug auf die Gesellschaft hat dies meist den Charakter einer Verwässerungsschutzvereinbarung, d.h. einer Beschränkung von Kapitalmaßnahmen in Form der Verpflichtung, keine Kapitalerhöhung oder die Ausgabe einer Wandel- oder Optionsanleihe anzukündigen, durchzuführen oder der Hauptversammlung vorzuschlagen. Solche Verpflichtungen werden teilweise nur insoweit für zulässig gehalten, als vorhandene Ermächtigungen zur Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital oder zur Ausgabe von Wandel- oder Optionsanleihen nicht ausgenutzt werden2. Während sich der Vorstand namens der Gesellschaft insoweit durchaus binden könne, soll eine Verpflichtung der Hauptversammlung, auf entsprechende Beschlüsse zu verzichten, unwirksam sein. Dadurch werde unzulässig in die Verbandsautonomie und die innere Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft eingegriffen3. Als zulässig wird man dagegen eine Selbstverpflichtung des Vorstandes ansehen können, während der Laufzeit der Marktschutzvereinbarung der Hauptversammlung keine Kapitalmaßnahme vorzuschlagen.
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In Bezug auf Altaktionäre hat die übliche Marktschutzregelung den Charakter einer Haltevereinbarung. Sie beinhaltet ein Veräußerungsverbot hinsichtlich der von ihnen noch gehaltenen Aktien der Gesellschaft (so genanntes Lock-up). Zur Vermeidung von Umgehungen werden von dem Verbot nicht nur der (mittelbare oder unmittelbare) Verkauf oder Vertrieb sowie die Übertragung und andere Verfügungen über Aktien oder andere Wertpapiere der Gesellschaft erfasst, sondern auch sonstige Transaktionen, die wirtschaftlich einem Verkauf entsprechen, z.B. die Ausgabe von Options- oder Wandlungsrechten auf Aktien der Gesellschaft. Eine solche Haltevereinbarung wird als vertrauensbildende Maßnahme gegenüber dem Kapitalmarkt verstanden, der sich darauf verlassen soll, dass Verkaufsdruck durch Abgabe größerer Aktienpakete jedenfalls für einen gewissen Zeitraum nicht zu besorgen ist. Bei Mitgliedern des Vorstandes dient der Lock-up auch dazu, für einen gewissen Zeitraum Kontinuität im Management und dessen besonderes Interesse am Wohl der Gesellschaft zu dokumentieren4. Daher waren solche Verpflichtungen gegenüber der Börse
1 Dazu Stoll, Der Konzern 2007, 561. 2 Fleischer, WM 2002, 2305, 2314; dagegen hält Technau, AG 1998, 445, 457 auch solche Verpflichtungen für unwirksam, da eine Gesellschaft nicht ihrer Entscheidungsfreiheit zur Durchführung einer Kapitalmaßnahme begeben dürfe, ebenso Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 182 AktG Rz. 15; dagegen hält Technau einen Verzicht auf ein öffentliches Angebot und eine breite Platzierung neuer Aktien für zulässig. 3 Fleischer, WM 2002, 2305, 2314; Technau, AG 1998, 445, 457; Picot/Land, DB 1999, 570, 573; Schanz, Börseneinführung, § 9 Rz. 48 Fn. 112; Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 38; das frühere Regelwerk Neuer Markt der Deutsche Börse AG sah indes in Ziff. 7.3.9 der Zulassungsbedingungen für den Neuen Markt ein Veräußerungs- und Angebotsverbot für den Emittenten (d.h. die Aktiengesellschaft) vor. 4 Fleischer, WM 2002, 2305, 2307.
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zu Zeiten des Neuen Marktes Voraussetzung für die Zulassung von Aktien zum Handel in diesem Marktsegment1. Anerkennenswerte Interessen der Gesellschaft und/oder der Altaktionäre können jedoch Ausnahmen gebieten. Gerade bei längeren Lock-up-Fristen kann es unangemessen sein, einen Altaktionär bei plötzlich auftretendem Finanzbedarf an der Veräußerung seiner Aktien oder die Gesellschaft an einer (z.B. zur Finanzierung einer Akquisition gebotenen) Kapitalmaßnahme unter Verweis auf die Lock-up-Regelung zu hindern. Die nötige Flexibilität erreicht man durch eine Freigabeklausel. Darin kann vorgesehen werden, dass eine eigentlich nach der Marktschutzregelung verbotene Maßnahme nach Zustimmung der Bank(en) dennoch durchgeführt werden kann. Diese wird (werden) die Zustimmung nicht willkürlich verweigern; sie wird im Einzelfall abhängen z.B. von der Einschätzung der Marktverhältnisse und ggf. einer Übernahme der Marktschutzverpflichtung durch einen Erwerber. Daneben sind Ausnahmen für die Ausgabe von Wertpapieren an Führungskräfte oder Arbeitnehmer möglich. Diese erfolgt oft aufgrund bereits bestehender Verpflichtungen aus Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen. Im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen ausgegebene Aktien sind zudem in der Regel mit Haltefristen versehen, die über den Geltungszeitraum der Marktschutzklausel hinausgehen.
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Eine Marktschutzregelung kann u.U. erst im Übernahmevertrag vorgesehen sein. Es erscheint aber durchaus sinnvoll, hierüber bereits während der Platzierungsvorbereitung Einigung zu erzielen. Dies gilt auch, weil Verkäufe von Altaktionären im Vorfeld einer geplanten Platzierung in den Verdacht des Insiderhandels nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG geraten könnten. Es wäre zudem ein fatales Signal an den Markt, wenn sich Altaktionäre vor der Platzierung von Aktien trennen, da der Eindruck entstünde, die Aktie habe noch nicht einmal für die übliche Lock-up-Frist Entwicklungspotential2. Solche Vorgänge müssen – bei bereits börsennotierten Gesellschaften – wegen der Melde- und Veröffentlichungspflichten für Geschäfte von Führungskräften des Emittenten und diesen nahestehenden Personen in Aktien des Emittenten und sich darauf beziehende Finanzinstrumenten nach § 15a WpHG (directors’ dealings) – ohnehin kurzfristig publik gemacht werden.
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e) Provision, Auslagen und Kosten Wesentlicher Bestandteil der Mandatsvereinbarung ist die Regelung der Vergütung der Bank(en). Bei Durchführung der Platzierung wird typischerweise ein Prozentsatz des Brutto-Emissionserlöses als Provision vereinbart. Werden sowohl neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung platziert als auch Aktien aus Altaktionärsbestand, wird diese Provision anteilig aus dem der Gesellschaft und Altaktionär zugeflossenen Bruttoemissionserlöses getragen3. Bei Bildung eines Konsortiums wird manchmal auch die 1 Ziff. 2.2 Abs. 1 Unterabsatz 3 Satz 1 i.V.m. Anlage 1 zum Regelwerk Neuer Markt; Ziff. 7.3.9 Abs. 1 Regelwerk Neuer Markt. 2 So im z.B. beim Börsengang des niederländischen Internet-Providers World Online im Jahr 2000: Dort soll die Firmengründerin bereits vor dem Börsengang einen großen Teil ihrer Aktien verkauft haben (offenbar ohne dass dies im Prospekt offengelegt wurde) vgl. Neue Zürcher Zeitung v. 30.5.2000, FAZ v. 1.7.2002 sowie „Die Welt“ v. 17.4.2003. 3 Ein Verstoß gegen § 56 Abs. 3 AktG ist darin nicht zu sehen, vgl. Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 56 AktG Rz. 42; Henze in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 5 AktG Rz. 62; Bungeroth in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 56 AktG Rz. 60; jedenfalls nicht, wenn Provision und Kosten aus dem Mehrerlös der Platzierung bestritten werden und der (geringste) Ausgabebetrag nicht angetastet wird; ohne diese Einschränkung Cahn/Senger in Spindler/Stilz, § 56 AktG Rz. 14.
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Verteilung der Provision unter den Konsorten geregelt. Üblich ist die Aufteilung der Gesamtprovision im Verhältnis von 60:20:20 auf die Bestandteile Verkaufs-, Übernahme- und Managementprovision. Die Verkaufsprovision dient als Entgelt für konkret vorgenommene Verkäufe, die Übernahmeprovision als Abgeltung für das Übernahmerisiko und die Managementprovision als Gegenleistung für die Platzierungsvorbereitung. Da die Vorbereitungsarbeit meist allein vom Konsortialführer erbracht wird, erhält dieser häufig vorab einen bestimmten Teil (oft 50 %) der Managementprovision, das so genannte Praecipuum. Der verbleibende Teil der Managementprovision sowie die Übernahmeprovision wird dann auf die Konsortialbanken (einschließlich des Konsortialführers) nach den vorab bestimmten Übernahmequoten verteilt, die den Teil der Platzierung festlegen, zu dessen Übernahme die betreffende Bank verpflichtet ist. Die Verkaufsprovision erhalten die einzelnen Konsortialbanken dagegen nach der Höhe der auf sie (bzw. die von ihnen angesprochenen Investoren) tatsächlich entfallenden Zuteilung1. Zusätzlich kann eine Erfolgsprovision (performance fee) vorgesehen werden, über deren Zahlung Gesellschaft und Altaktionäre nach freiem Ermessen aufgrund ihrer Beurteilung der Leistung der Emissionsbank(en) entscheiden. Für den Fall des Fehlschlagens der Emission wird bisweilen ein Pauschalhonorar vereinbart (so genannte break-up fee). Daneben werden den Emissionsbanken Auslagen und Kosten erstattet. 103
Einer Regelung im Übernahmevertrag vorbehalten bleiben dagegen die Maßnahmen der Durchführungsphase und die diesbezüglichen Rechte und Pflichten, insbesondere die Verpflichtung zur Übernahme von Aktien selbst. Letzteres wird in der Mandatsvereinbarung oft ausdrücklich klargestellt2. Der Grund hierfür liegt zum einen darin, dass sich die Emissionsbank nicht zur Übernahme von Aktien und zur Durchführung der Platzierung verpflichten kann, bevor sie nicht einen tieferen Einblick in die Verhältnisse der Gesellschaft hatte und die Marktsituation zum geplanten Emissionszeitpunkt einschätzen werden kann. Auch lassen sich – wie schon an anderer Stelle ausgeführt – Einzelheiten des Übernahmevertrages erst gegen Ende der Platzierungsvorbereitungen endgültig festlegen. 3. Übernahmevertrag a) Funktion und Rechtsnatur
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Im Übernahmevertrag werden die Rechte und Pflichten der an einer Aktienplatzierung Beteiligten in Bezug auf deren Durchführung geregelt. Im Kern geht es dabei um die Übernahme und Platzierung von Aktien durch die Konsortialbanken sowie um die Regelung der Prospektverantwortung zwischen den Beteiligten. Hinsichtlich der Rechtsnatur des Übernahmevertrages ist nach der Transaktionsstruktur zu unterscheiden. Bei der Platzierung neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung wird der Charakter des Übernahmevertrages durch die Pflichten zur Zeichnung und Übernahme sowie zur Durchführung der Platzierung bzw. des Bezugsangebotes geprägt. Es handelt sich daher vor allem um eine entgeltliche Geschäftsbesorgung nach § 675 BGB mit dienstvertraglichen Elementen3, ergänzt um Regelungen über die Prospektverantwortung im In1 Die Zuteilungsquoten können von den Übernahmequoten abweichen, siehe unten Rz. 125. 2 So auch Harrer in Beck’sches Hdb. AG, § 23 Rz. 73. 3 Groß in BuB, Rz. 10/308e; Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Rz. VII 38; Kümpel, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 9.247; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 68; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, § 7 Rz. 7.86; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 207; Hopt in FS Kellermann, 1991, S. 182, 190; Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennzahl 055 Rz. 293; angedeutet auch in BGH v. 13.4.1992 – II ZR 277/90 – „Beton- und Monierbau“, BGHZ 118, 83, 97 = AG 1992, 312, 314 f. = WM 1992, 1225, 1229 f.
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nenverhältnis. Bei der Umplatzierung bestehender Aktien kommt – sofern die feste „Übernahme“ der Platzierungsaktien und nicht nur eine Platzierung nach besten Kräften vereinbart wird – ein kaufrechtliches Element hinzu1. Da aber auch hier nicht nur die Übernahme der Aktien als solche, sondern auch deren Weiterplatzierung an Investoren, ggf. auch deren Börseneinführung, geschuldet ist, handelt es sich hier um einen gemischt-typischen Vertrag mit Kauf- und Geschäftsbesorgungselementen2. Übernimmt die Bank dagegen das Platzierungsrisiko nicht, sondern bemüht sich lediglich nach besten Kräften um die Platzierung (die sie also in eigenem Namen aber für Rechnung des Altaktionärs durchführt) so ist die Übernahme nicht als Kauf, sondern als Kommissionsgeschäft gemäß §§ 383 ff. HGB anzusehen3. Eine bloße Vermittlung eines unmittelbaren Verkaufs durch den Altaktionär an den Erwerber kommt dagegen selten vor; dann wäre ein Maklervertrag nach §§ 652 ff. BGB anzunehmen4. Häufig werden bei großen Platzierungen die Emission neuer Aktien und die Umplatzierung bestehender Aktien miteinander kombiniert. Bei einer Kapitalerhöhung ist für die Börsenzulassung der neuen Aktien oft gemäß § 3 Abs. 3 WpPG ein Prospekt erforderlich (dazu § 7 Rz. 13). Dies ist für Aktionäre, die sich von nicht die Börse verkäuflichen größeren Aktienpaketen trennen wollen, eine gute Gelegenheit, die ohnehin durchzuführenden Vertriebsaktivitäten für eine Umplatzierung ihrer Aktien zu nutzen. Umgekehrt lässt sich der Aufwand der Beteiligung der Gesellschaft an der Platzierungsvorbereitung und der Erstellung eines Vertriebsdokumentes besser rechtfertigen, wenn zugleich auch eine Platzierung neuer Aktien und damit ein entsprechender Mittelzufluss bei der Gesellschaft erfolgt. Für die Rechtsnatur des Übernahmevertrages bedeutet dies, dass er nunmehr erst recht eine Mischung aus Elementen verschiedener Vertragstypen darstellt.
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b) Zeitpunkt des Abschlusses Aus seiner Funktion ergibt sich, dass dem Zeitpunkt des Abschlusses des Übernahmevertrages erhebliche Bedeutung zukommt. Emissionsbanken haben zunächst ein Interesse daran, erst möglichst spät eine bindende Übernahmeverpflichtung einzugehen5. Die Platzierbarkeit eines größeren Aktienpaketes und der erzielbare Preis hängen maßgeblich vom Marktumfeld ab, das sich kurzfristig in einer Weise verändern kann, die eine Platzierung unmöglich oder nicht angeraten erscheinen lässt. Solche Veränderungen konnten in jüngerer Zeit bereits aufgrund einzelner Ereignisse festgestellt werden, wie z.B. Terroranschläge, Zusammenbrüche einzelner Unternehmen oder zuletzt die durch die Folgen der Krise um durch Grundpfandrechte besicherte Darlehen von amerikanischen Kreditnehmern schlechter Bonität (sub-prime mortgages) ausgelösten Turbulenzen an den Finanzmärkten. Auch kann sich die Einschätzung der Gesell1 Groß in BuB, Rz. 10/308e; Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 36; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9 245; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, § 7 Rz. 7.84. 2 Groß in BuB, Rz. 10/308e; Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2006, § 7 Rz. 26; Hödl in Brandl/Kalss/Lucius/Oppitz/Saria, Handbuch Kapitalmarktrecht Bd. 2, S. 170; dagegen soll nach Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennzahl 055 Rz. 308 bei der Umplatzierung bestehender Aktien die Geschäftsbesorgung Kausalgeschäft für den Kauf der Aktien sein; da letzterem aber als Erfüllungsgeschäft der dinglicher Erwerb des Eigentums an den Platzierungsaktien noch nachfolgt (so auch Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/ Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennzahl 055, Rz. 309), erscheint diese Konstruktion, die zu einem mehrfach gestuften Kausalverhältnis führen würde, gekünstelt. 3 Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 38. 4 Groß in BuB, Rz. 10/308; Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Rz. VII 36. 5 Zu bankaufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten Pfüller/Flatten, FB 2001, 388.
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schaft und ihrer Aktien durch Investoren kurzfristig ändern, wie z.B. durch die Veröffentlichung neuer Geschäftszahlen (nicht nur durch die Gesellschaft, sondern auch durch Vergleichunternehmen). Eine – jedenfalls grundsätzlich – bindende Übernahmeverpflichtung wird eine Bank ohnehin erst eingehen können, wenn sie ihre Untersuchungen der Gesellschaft im Rahmen der so genannten „Due Diligence“ zu ihrer Zufriedenheit abgeschlossen hat. Wird für die Platzierung ein Prospekt veröffentlicht, bindet sie sich sinnvollerweise erst, wenn die Prospektarbeiten abgeschlossen sind. 107
In den USA wird der Übernahmevertrag daher erst kurz vor Einreichung der letzten Ergänzung des Registrierungsantrages bei der Wertpapieraufsichtsbehörde (Securities and Exchange Commission – SEC) unterzeichnet1. Diese enthält im Wesentlichen den um die von der Preisfestsetzung abhängenden Informationen ergänzten endgültigen Prospekt und ist binnen zwei Tagen nach Preisfestsetzung bzw. Verteilung des – den Platzierungspreis enthaltenden – endgültigen Prospektes einzureichen2. Diese späte Vertragsunterzeichnung hängt damit zusammen, dass auch erst der nach erfolgter Preisfestsetzung und Zuteilung zu veröffentlichende endgültige Prospekt (als Teil des bei der SEC einzureichenden so genannte Registration Statements) der Prospekthaftung unterliegt. Der zum Beginn des Angebotes veröffentlichte Prospekt wird dagegen nur als „vorläufig“ angesehen. Darauf wird mit einem deutlich sichtbaren roten Aufdruck hingewiesen, weswegen er auch als „red herring“ bezeichnet wird. Die Anlageentscheidung des Investors gilt als aufgrund des endgültigen Prospektes getroffen3, der dann Grundlage von Prospekthaftungsansprüchen nach Section 11 und 12 des U.S. Securities Act von 1933 ist4. Allerdings wurde im Zuge der Securities Offering Reform von 2005 klargestellt, dass es für die Frage, ob einem Investor ausreichende Informationen zur Verfügung gestellt wurden, auf dessen Kenntnisstand zum Zeitpunkt des Erwerbs der angebotenen Wertpapiere (time of sale) ankommt5. Damit gilt nunmehr aus US-Sicht der Zeitpunkt der kurz nach Preisfestsetzung und Zuteilung erfolgenden Absendung der Zuteilungsbestätigung als haftungsauslösend6.
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Anders verhält es sich in Deutschland. Dies hängt mit den Erfordernissen deutschen Gesellschaftsrechts bei der Durchführung einer Kapitalerhöhung sowie mit der Systematik der Prospekthaftungsregelungen zusammen. Stammen Platzierungsaktien aus einer Kapitalerhöhung, ist diese so durchzuführen, dass die Belieferung der Zuteilungen sowie die Börseneinführung der neuen Aktien rechtzeitig erfolgen können. Daher muss insbesondere die Zeichnung der neuen Aktien grds. vor der Zuteilung erfolgen (zu den Besonderheiten bei einer Bezugsrechtsemission siehe unten Rz. 126)7. Der Übernahmevertrag wird spätestens vor der Zeichnung der neuen Aktien abgeschlossen8. Zu diesem Zeitpunkt muss die platzierende Bank die (Mindest-)Einlage leisten; die Zeichnung führt zudem mit Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung
1 Johnson/McLaughlin, Corporate Finance and the securities laws, 3rd ed. 2004, ch. 2 S. 88. 2 Regulation C under the U.S. Securities Act of 1933 – Registration, Rule 424; dazu Hutter in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 23 Rz. 189. 3 Hutter in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 23 Rz. 192; dazu auch Willamowski, Bookbuilding, 2000, Rz. 456. 4 Johnson/McLaughlin, Corporate Finance and the Securities Laws, 3rd ed. 2004, ch. 5 S. 308. 5 General Rules and regulations under the Securities Act of 1933, § 230 159 (a); dazu Greene/Rosen/Silverman/Braverman/Sperber, U.S. Regulation of the International Securities and Derivatives Markets, § 2A. 05[2]. 6 Werlen in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 37 Rz. 147. 7 Busch, WM 2001, 1277 sowie Groß, ZHR 162 (1998), 318, 335. 8 Groß in Happ, Aktienrecht, 16.02 Rz. 1.
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zum Erwerb der gezeichneten neuen Aktien1. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist der Rechtsgrund für die Zeichnung und die damit verbundenen Rechte und Pflichten vertraglich zu regeln2, insbesondere die bei der üblichen Zeichnung zum geringsten Ausgabebetrag gesondert zu regelnde Verpflichtung, die Aktien bei Investoren zu platzieren und den dabei über die geleistete Einlage hinaus erzielten Mehrerlös (abzüglich Provision und Kosten) an die Gesellschaft abzuführen (dazu Rz. 120 ff.). Hinzu kommt, dass der gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 WpPG vor Durchführung eines öffentlichen Angebotes von Wertpapieren zu veröffentlichende Prospekt ein fertig gestelltes Dokument darstellt. Er darf gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 WpPG erst nach Billigung durch die BaFin veröffentlicht werden. Die fehlenden endgültigen Angaben zu Platzierungsvolumen, Platzierungspreis und den Platzierungserlös, die bei Preisermittlung im Bookbuilding-Verfahren erst nach Veröffentlichung des Verkaufsangebotes feststehen, werden gemäß §§ 8 Abs. 1 Satz 6, 14 Abs. 2 WpPG nachgereicht und machen keine Veröffentlichung eines „endgültigen“ Prospektes erforderlich. Vielmehr dient der vor Beginn des Angebotes veröffentlichte, gebilligte Prospekt den Investoren, die im Rahmen des Angebotes erwerben, als Grundlage für ihre Anlageentscheidung und unterliegt daher der Prospekthaftung nach § 13 Abs. 1 VerkProspG. Es liegt daher nahe, die rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass eine Bank mit Unterzeichnung des Prospekts gemäß § 5 Abs. 3 WpPG die Verantwortung für diesen übernimmt, vor der die Haftung auslösenden Prospektveröffentlichung zu regeln.
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Indes hat die Praxis hat zum Zeitpunkt des Abschlusses des Übernahmevertrages unterschiedliche Lösungen entwickelt (zu den Besonderheiten bei Bezugsrechtsemissionen siehe unten Rz. 126 ff.)3. Amerikanisch geprägte Emissionshäuser neigen traditionell dazu, sich an der U.S.-Praxis zu orientieren. Im Hinblick auf die Haftungswirkung des Prospekts nach dem WpPG wird aber der Übernahmevertrag zumeist vor Veröffentlichung des Verkaufsangebotes zumindest endverhandelt, oft aber noch nicht unterschrieben.
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Die gerade von deutschen Banken bevorzugte Alternative ist, den gesamten Übernahmevertrag vor Veröffentlichung von Angebot und Prospekt abzuschließen. Darin sind auch die Voraussetzungen der Durchführung von Übernahme und Platzierung zu regeln. Dabei gehen die Banken eine Übernahmeverpflichtung nur unter einer Reihe von aufschiebenden Bedingungen ein, die den Unsicherheiten bis zum Zeitpunkt der geplanten Durchführung Rechnung tragen (siehe unten Rz. 166 ff.). Auch wird häufig die Zahl der zu übernehmenden Aktien noch nicht endgültig festgelegt, sondern nur mit einem Höchstbetrag konkretisiert („bis zu“). Dementsprechend werden auch öffentliche Verkaufsangebote als „bis zu“-Angebote formuliert. Zudem bleibt bei Preisfestsetzung im Bookbuilding-Verfahren (siehe oben Rz. 30 ff.) die Festlegung des Platzierungspreises dem Preisfestsetzungsvertrag vorbehalten. Dessen Abschluss wird ebenfalls als aufschiebende Bedingung für die Durchführung der Platzierung und die Übernahme der Platzierungsaktien vereinbart, so dass vorher keine Übernahmeverpflichtung besteht4. Seit dem Wegfall des vor Umsetzung der EU-Prospektricht-
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1 Vgl. Hüffer, § 185 AktG Rz. 4; Servatius in Spindler/Stilz, § 189 AktG Rz. 3. 2 So auch Busch, WM 2001, 1277. 3 In der Literatur findet sich vor allem die Aussage, der Übernahmevertrag werde wegen der Besonderheiten des Bookbuildings häufig erst gegen Ende des Bookbuildings abgeschlossen, vgl. Schanz, Börseneinführung, § 9 Rz. 45; Busch, WM 2001, 1277; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.97; Groß in BuB, Rz. 10/308c; Harrer in Beck’sches Hdb. AG, § 23 Rz. 81; Groß in Happ, Aktienrecht, 16.02 Rz. 1. 4 Ebenso Busch, WM 2001, 1277; Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 99.
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linie bestehenden Dualismus von so genanntem „unvollständigem Verkaufsprospekt“ vor Angebotsbeginn und „Börsenzulassungsprospekt“ zur Börsenzulassung nach altem Recht folgen auch US-Banken zunehmend letzterem Konzept. c) Parteien 112
Anders als bei der Mandatsvereinbarung werden bei einer Platzierung durch ein Bankenkonsortium außer dem Konsortialführer auch die anderen Konsortialbanken Parteien des Übernahmevertrages. Sie schließen diesen einzeln (und nicht etwa „als Konsortium“)1 ab, um klarzustellen dass sie sich jeweils einzeln und nicht etwa als Gesamtschuldner verpflichten wollen2. Dennoch steht die Gesellschaft in der Regel bei der Verhandlung des Übernahmevertrages nicht einer Vielzahl von Konsortialbanken gegenüber; die Verhandlung des Übernahmevertrages wird statt dessen aus Gründen der Praktikabilität, aber auch der Vertraulichkeit von dem Konsortialführer übernommen. Die anderen Konsortialbanken werden erst kurz vor Durchführung der Platzierung über das Vorhaben und die ausgehandelten Konditionen (einschließlich des Übernahmevertrages) informiert. Der Konsortialführer bietet ihnen dabei an, sich mit einer bestimmten Quote an der Platzierung zu beteiligen. Sie werden aufgefordert, binnen einer bestimmten Frist (oft nur wenige Stunden), ihre Teilnahme zu bestätigen (zu den genauen Inhalten der innerhalb des Konsortiums getroffenen Vereinbarungen siehe unten Rz. 193 ff.) und eine Vollmacht zum Abschluss des Übernahmevertrages zu erteilen. Dabei setzen die dargestellten (und üblichen) engen Zeitvorgaben voraus, dass der Übernahmevertrag die marktüblichen Regelungen insbesondere hinsichtlich der Gewährleistungen der Gesellschaft und der Übernahme der Prospektverantwortung enthält sowie dass die übliche Begleitdokumentation (so genannte Legal und Disclosure Opinions der beteiligten Rechtsberater sowie Comfort Letter der Wirtschaftsprüfer, dazu § 10) vorgelegt wird.
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Von den Konsortialbanken im eigentlichen Sinne sind Sub-Underwriters und Selling Group Members zu unterscheiden. Zwischen ihnen und der Gesellschaft bzw. den abgebenden Aktionären besteht kein unmittelbares Vertragsverhältnis3. Beim Sub-Underwriting verpflichtet sich ein nicht dem Konsortium angehörendes Institut gegenüber einer Konsortialbank, dieser einen Teil des von ihr übernommenen Platzierungsvolumens (zum Platzierungspreis) abzunehmen. Dagegen besteht das Wesen der so genannten Selling Group darin, dass deren Mitglieder lediglich Platzierungsaktien für Rechnung des Konsortiums oder einzelner Konsortialbanken verkaufen, ohne jedoch ein eigenes Platzierungsrisiko zu übernehmen (dazu siehe oben Rz. 19)4. 1 So offenbar jedoch – im Zusammenhang mit Anleiheemissionen – Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9 189; Schücking in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, § 32 Rz. 87, 90; unentschieden Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch Band III, 3. Aufl. 2007, § 112 Rz. 69 („Vertrag zwischen dem Emittenten und dem Konsortium bzw. den Konsorten“). 2 Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 61; Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 31; i.E. ebenso Singhof, Die Außenhaftung von Emissionskonsortien, 1998, S. 234 ff., der dieses gewünschte Ergebnis durch einen „Vertrag zu Rechten Dritter“ erreichen will, den das Konsortium zu Gunsten seiner einzelnen Mitglieder abschließt; diese Konstruktion erscheint jedoch unnötig kompliziert und entspricht auch nicht der Vertragswirklichkeit. 3 Bosch in BuB, Rz. 10/40 f.; Schücking in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, § 32 Rz. 49 f.; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 13, 27, 61; Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 17; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.28, 9.288 f. 4 Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band III, 3. Aufl. 2007, § 112 Rz. 12; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.293 f.
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Übernahme und Platzierung von Aktien d) Inhalt und Struktur
Abhängig von der Struktur einer Emission bzw. Platzierung können Übernahmeverträge unterschiedlich ausgestaltet sein1. Ein Kern wesentlicher Bestimmungen findet sich jedoch in allen Übernahmeverträgen, gerade bei großen öffentlichen Platzierungen, für die ein Prospekt erstellt wird und bei denen ein Konsortium gebildet wird2.
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aa) Übernahme der Platzierungsaktien aaa) Neue Aktien (1) Zeichnung und Übernahme. Die Übernahme neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung besteht zunächst in der Mitwirkung bei deren Durchführung durch Zeichnung der neuen Aktien und Leistung der darauf zu entrichtenden Einlage. Damit stellt der Übernahmevertrag insoweit zugleich einen sog. Zeichnungsvorvertrag dar, für den die Anforderungen des § 185 Abs. 1 AktG an den Zeichnungsschein grds. entsprechend gelten3. Dabei reicht es aus, wenn die übernommene Zeichnungsverpflichtung nach Zahl und Gattung der Aktien bestimmbar ist. Insbesondere die übliche Angabe der Zeichnungsverpflichtung im Umfang von „bis zu“ einer bestimmten Höchstzahl von Aktien unterliegt keinen Bedenken, da sich die genaue Zahl der zu zeichnenden Aktien anhand des Kapitalerhöhungsbeschlusses bzw. des Vorstandsbeschlusses über die Ausnutzung eines genehmigten Kapitals konkretisieren lässt4. Die nach Maßgabe der üblichen Muster ausgestalteten Übernahmeverträge genügen diesen Anforderungen. Bei Platzierung neuer Aktien durch ein Konsortium von Banken verpflichtet sich jede der beteiligten Banken als Teilschuldner i.S.v. § 420 BGB zur Übernahme eines bestimmten Teils des Platzierungsvolumens (so genannte Übernahmequote)5. Die betreffende Bank übernimmt es damit, auf eigenes Risiko Platzierungsaktien bis zu der ihrer Übernahmequote entsprechenden Zahl bei Investoren zu platzieren. Dabei wird zur Klarstellung eine gesamtschuldnerische Haftung der Konsortialbanken sowie deren Gesamthandseigentum oder Miteigentum nach Bruchteilen an den neuen Aktien ausdrücklich ausgeschlossen6. Dies wäre für eine eigenständige Platzierung durch die einzelnen Banken auch nicht praktikabel7.
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Der BGH hatte jedoch die Wirksamkeit einer solchen Abrede in seinem Urteil in Sachen „Beton- und Monierbau“ verneint. In diesem Fall konnte sich eine auf die volle Einlageverpflichtung in Anspruch genommene Konsortialbank nicht auf den im Übernahmevertrag vereinbarten Ausschluss der gesamtschuldnerischen Haftung berufen. Entscheidend hierfür war die konkrete Ausgestaltung des Zeichnungsscheins. Der
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1 Dazu Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 31. 2 Siehe dazu auch das Vertragsmuster bei Groß in BuB, Rz. 10/324 sowie Groß in Happ, Aktienrecht, 3. Aufl. 2007, 16.02. 3 Dazu im Einzelnen Groß in Happ, Aktienrecht, Tz. 16.02. Rz. 7; allgemein zum Zeichnungsvorvertrag Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 185 AktG Rz. 81 f.; Blaurock in FS Rittner, S. 31 f.; Hergeth/Eberl, NZG 2003, 205; Leßmann, DB 2006, 1256; sowie OLG Frankfurt v. 4.4.2001 – 9 U 173/00, NZG 2001, 758; OLG Koblenz v. 31.10.2001 – 1 U 1077/00, BeckRS 2001, 30216092. 4 Hüffer, § 185 AktG, Rz. 11; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 185 AktG Rz. 81; Blaurock in FS Rittner, S. 31, 52 f. 5 Zur Zulässigkeit dieser Gestaltung ungeachtet der BGH-Rechtsprechung zur Rechtsnatur des Konsortiums als BGB-Gesellschaft: Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2006, § 7 Rz. 17. 6 Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 31; Groß in BuB, Rz. 10/316b; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.299 f.; Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 43. Vgl. z.B. das Vertragsmuster bei Groß in BuB, Rz. 10/324. 7 Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 31; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht Rz. 9.299 f.
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Konsortialführer hatte die neuen Aktien „für ein unter seiner Führung stehendes Bankenkonsortium“ gezeichnet. Ein solches Konsortium stelle – so die (nicht weiter begründete) Auffassung des BGH – eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Form einer Außengesellschaft dar. Durch die Zeichnung im Namen des Konsortiums werde das Konsortium selbst Mitglied der AG. Die einzelnen Konsorten hafteten daher für die Einlageverpflichtung des Konsortiums unabdingbar als Gesamtschuldner1. Dies ergebe sich aus der – vom BGH vorliegend nicht näher problematisierten – Haftung der Gesellschafter bürgerlichen Rechts für Gesellschaftsschulden nach den allgemeinen Vorschriften der persönlichen Verpflichtung mehrerer, insbesondere § 427 BGB2. An dieser Argumentation dürfte auch die Rechtsprechung des BGH zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nichts ändern3. Eine davon abweichende Abrede im Übernahmevertrag zwischen den Konsortialbanken und der Gesellschaft könne dem nicht entgegengehalten werden. Dies ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 185 Abs. 3 AktG. Danach kann sich ein Zeichner nicht auf die Nichtigkeit oder Unverbindlichkeit des Zeichnungsscheins berufen, wenn er auf Grund des Zeichnungsscheins als Aktionär Rechte ausgeübt oder Verpflichtungen erfüllt hat. Es widerspräche dem Zweck der aktienrechtlichen Vorschriften zur Kapitalerhaltung, die Aufbringung und Erhaltung des Grundkapitals zu sichern, wenn die Mitglieder einer an der Aktiengesellschaft beteiligten Gesellschaft bürgerlichen Rechts ihre Haftung auf die von ihnen zu leistende Einlage auf das Gesamthandsvermögen beschränken oder ihre persönliche Haftung auf einen ihrer prozentualen Beteiligung entsprechenden Betrag begrenzen dürften4. 117
Die gesamtschuldnerische Haftung für die gesamte Einlageverbindlichkeit widerspricht jedoch nicht nur der von den Parteien gewünschten Begrenzung der Haftung der einzelnen Konsortialbanken auf die jeweils vereinbarte Übernahmequote. Es erscheint auch fraglich – die Zeichnung namens des Konsortiums und dessen Rechtsnatur als BGB-Gesellschaft einmal unterstellend (dazu unten Rz. 193 ff.) – ob sich die Entscheidung des BGH auf § 185 Abs. 3 AktG stützen lässt. Eine Konsortialbank, die auf ihre lediglich pro-ratarisch gewollte Verpflichtung zu Zeichnung und Übernahme verweist, beruft sich nicht auf die Nichtigkeit oder Unverbindlichkeit des Zeichnungsscheins i.S.v. § 185 Abs. 2, 3 AktG, sondern lediglich auf ihre begrenzte Haftung für die durch das Konsortium – ohne Begrenzung – eingegangene Verpflichtung5. Ebenso kann bezweifelt werden, ob es sich um eine nach § 185 Abs. 4 AktG unwirksame Beschränkung der Pflicht zum Aktienerwerb handelt6. Die Beschränkung der Haftung einzelner Konsorten auf ihre Übernahmequote betrifft nicht die aus der Zeichnung resultierende Pflicht zur Einlageleistung durch das Konsortium als solche, sondern nur die zur Verfügung stehende Haftungsmasse7. Indes wurde zwischenzeit1 BGH v. 13.4.1992 – II ZR 277/90 – „Beton- und Monierbau“, BGHZ 118, 83, 99 f. = AG 1992, 312. 2 Sprau in Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 714 BGB Rz. 16. 3 Der BGH verweist im dafür maßgeblichen Urteil v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = AG 2001, 307 (Leitsatz „c“) darauf, dass soweit der Gesellschafter für die Verbindlichkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts persönlich haftet, das Verhältnis zwischen der Verbindlichkeit der Gesellschaft und der Haftung des Gesellschafters derjenigen (es müsste wohl heißen „demjenigen“) bei der OHG entspreche. Dort haften die Gesellschafter gemäß § 128 Satz 1 HGB für Gesellschaftsschulden als Gesamtschuldner. 4 BGH v. 13.4.1992 – II ZR 277/90 – „Beton- und Monierbau“, BGHZ 118, 83, 100 = AG 1992, 312 mit Verweis auf BGH v. 3.11.1980 – II ZB 1/79, BGHZ 78, 311, 316 f. 5 Singhof, Die Außenhaftung von Emissionskonsortien, 1998, S. 186 f.; vgl. auch Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 205. 6 Diese sollen von § 185 Abs. 4 AktG erfasst werden, vgl. Hüffer, § 185 AktG Rz. 22. 7 Singhof, Die Außenhaftung von Emissionskonsortien, 1998, S. 174, 189 f.
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lich erwogen, ob sich eine zwingend gesamtschuldnerische Haftung der einzelnen Konsortialbanken bei der Zeichnung neuer Aktien für ein Bankenkonsortium auf § 69 Abs. 2 AktG stützen lässt1. Danach haften mehrere an einer Aktie Berechtigte für Leistungen auf diese Aktie als Gesamtschuldner. Spätestens mit der Anerkennung einer – der offenen Handelsgesellschaft angeglichen – Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts2 erscheint jedoch fraglich, ob § 69 AktG in diesen Fällen anwendbar ist, da die einzelnen gezeichneten Aktien nicht „mehreren“ i.S.v. § 69 Abs. 1 AktG zustehen, sondern der mit Rechtsfähigkeit ausgestatteten Gesellschaft bürgerlichen Rechts3. Der vorstehend geschilderte Streit kann jedoch angesichts der zwischenzeitlich – von der Beton- und Monierbau-Entscheidung des BGH geprägten – Vorgehensweise der Praxis dahinstehen. Diese vermeidet die dem erklärten und im Übernahmevertrag ausdrücklich geregelten Parteiwillen zuwider laufende4 gesamtschuldnerische Haftung der einzelnen Konsortialbanken. Dabei sind verschiedene Gestaltungsformen zu beobachten. Eine Möglichkeit besteht in der Zeichnung neuer Aktien durch den Konsortialführer in dem von ihm selbst zu übernehmenden Umfang in eigenem Namen, ansonsten in Vertretung der jeweiligen anderen Konsortialbank entsprechend deren Übernahmeverpflichtung5. Im Zeichnungsschein wird der auf die einzelne Bank entfallende Zeichnungsbetrag unter dem Namen der einzelnen Bank aufgeführt6. Oft erfolgt zudem im Zeichnungsschein die ausdrückliche Klarstellung, dass gesamtschuldnerische Haftung, Gesamthandseigentum und Miteigentum nach Bruchteilen der Konsortialbanken an den neuen Aktien ausgeschlossen sind7. Dies ist kein Verstoß gegen § 185 Abs. 2 AktG, da die von den einzelnen Banken als Zeichner übernommene Verpflichtung als solche nicht entgegen § 185 Abs. 1 AktG eingeschränkt, sondern lediglich ihr Inhalt präzisiert wird. Der Zeichnungsschein stellt klar, dass die Banken dabei nicht als (Außen-)Gesellschaft handeln, sondern einzeln auftreten. Gesellschaftsschulden mit der Folge gesamtschuldnerischer Haftung der Konsorten entstehen daher nicht. Dies wäre nur der Fall, wenn der Konsortialfüh1 Timm/Schöne, ZGR 1994, 113, 126 ff.; Singhof, Die Außenhaftung von Emissionskonsortien, 1998, S. 174, 196 ff. 2 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = AG 2001, 307. 3 Hüffer, § 69 AktG Rz. 3; T. Bezzenberger in K. Schmidt/Lutter, § 69 AktG Rz. 5. 4 Kritisch zu BGH v. 13.4.1992 – II ZR 277/90 – „Beton- und Monierbau“, BGHZ 118, 83 = AG 1992, 312; Groß, AG 1993, 108, 117, der eine quotale Zeichnung namens der einzelnen Konsorten bereits bei einer Zeichnung des Konsortialführers „im Namen des unter seiner Führung stehenden Konsortiums“ annimmt; a.A. Singhof, Die Außenhaftung von Emissionskonsortien, 1998, S. 179 f., der darin eine durch Auslegung nicht mehr vornehmbare Überdehnung des Wortlautes des Zeichnungsscheines sieht; ebenso offenbar Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 185 AktG Rz. 24. 5 So z.B. Groß in BuB, Rz. 10/316c; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.310; ebenso Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.33.; Henze, Höchstrichterliche Rspr. zum Aktienrecht, 5. Aufl. 2002, Rz. 262. Allgemein zur Zulässigkeit der Stellvertretung bei der Zeichnung von Aktien: Hüffer, § 185 AktG Rz. 5; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 185 AktG Rz. 12; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 185 AktG Rz. 28; so bereits RG v. 24.3.1906 – I 477/05, RGZ 63, 96, 97 f.; dazu auch Singhof, Die Außenhaftung von Emissionskonsortien, 1998, S. 174, 179 f. 6 Timm/Schöne, ZGR 1994, 113, 142 stellen dagegen nicht auf die Zeichnung im Namen der einzelnen Konsortialbanken, sondern auf eine gesonderte (Global-)Verbriefung der von diesen jeweils zu übernehmenden Aktien ab. Dies dürfte aber bei der Auslegung des Zeichnungsvertrages im Sinne einer Einzelschuld nicht helfen. Zudem liegt der Sinn der Globalverbriefung gerade darin, dass eine Globalurkunde mehrere im Eigentum verschiedener Aktionäre stehende Aktien verkörpert, vgl. Schücking in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, § 32 Rz. 109; Singhof, Die Außenhaftung von Emissionskonsortien, 1998, S. 234. 7 Vgl. das Muster bei Groß in BuB, Rz. 10/329.
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rer „namens des Konsortiums“ bzw. der Konsortialbanken „als Konsortium“ aufträte1. Dieses Verständnis findet seine Stütze im Verständnis der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in der BGH-Rechtsprechung, wonach Rechte und Pflichten der Gesellschaft (mithin auch Gesellschaftsschulden) nur dann entstehen, wenn diese im Namen der Gesellschaft (und nicht etwa nur der einzelnen Gesellschafter) begründet werden2. Eine gesamtschuldnerische Haftung der einzelnen Gesellschafter ist die Folge einer solchen gemeinsamen Verpflichtung der Gesellschafter als Gesellschaft (d.h. nicht nur jeweils einzeln) gegenüber einem Dritten3. Dass eine solche Verpflichtung hier nicht gewollt ist, stellt ein wie dargestellt ausgestalteter Zeichnungsschein klar. Dem stünde auch nicht die Annahme entgegen, die einzeln zeichnenden Banken hätten sich daneben zur Koordination der Platzierung der von ihnen einzeln übernommenen Aktien zu einem Konsortium in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen (dazu siehe unten Rz. 193 ff.)4. Denkbar ist daneben natürlich auch, dass jede der einzelnen Banken einen eigenen Zeichnungsschein einreicht. 119
Ein anderes, gerade bei kleineren Emissionen gebräuchliches Modell besteht darin, dass der Konsortialführer sämtliche neuen Aktien in eigenem Namen und teils für eigene, teils für Rechnung der anderen Konsortialbanken zeichnet. Gegenüber der Gesellschaft tritt er insoweit allein auf, auch ohne dass der Zeichnungsschein auf die anderen Konsortialbanken verweist. Korrespondierend dazu sehen Kapitalerhöhungsbeschlüsse häufig vor, dass der betreffende Konsortialführer zur Zeichnung zugelassen wird mit der Maßgabe die neuen Aktien (ggf. über ein von ihm geführtes Bankenkonsortium) bei Investoren zu platzieren. Damit kommt der Zeichnungsvertrag (dazu unten § 39 Rz. 93 ff.) allein mit ihm zustande; im Verhältnis zur Gesellschaft trifft allein ihn die Pflicht zur Einlageleistung. Die Verpflichtungen der Konsortialbanken sind dann insoweit darauf beschränkt, dem Konsortialführer die ihnen zugeteilten Aktien (bis maximal zu der ihrer Übernahmequote entsprechenden Zahl) zum Platzierungspreis abzukaufen, um diese zum Platzierungspreis und nach den Vorgaben des Übernahmevertrages sowie (ggf. des Konsortialvertrages) bei Anlegern zu platzieren5. Diese Vorgehensweise hat bei der Beteiligung ausländischer Konsortialbanken den praktischen Vorteil, dass deren Existenz und die Zeichnungsberechtigung der für sie handelnden Personen nicht gegenüber dem Handelsregister nachgewiesen werden muss. Die Zusammenstellung der dazu erforderlichen Dokumentation würde erheblichen zeitlichen Aufwand erfordern. Das Registergericht kann dabei eine deutsche Übersetzung von Unterlagen in ausländischer Sprache verlangen, die von einem nach den Richtlinien der Landesjustizverwaltung ermächtigten Übersetzer zu erstel1 Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 205; mehrere Kreditinstitute müssen Aktien aber nicht unbedingt „als Konsortium“ übernehmen, sondern können auch nebeneinander auftreten, vgl. Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 105. 2 BGH v. 27.9.1999 – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315 (Leitsatz, Satz 1) sowie BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = AG 2001, 307. Dass § 714 BGB von der Vertretung „der Gesellschafter“ (und nicht „der Gesellschaft“) durch den geschäftsführenden Gesellschafter spricht, steht dem nicht entgegen. Beide Entscheidungen (BGHZ 142, 315, 319 f.; BGHZ 146, 341, 346 f.) erklären die Formulierung des Gesetzes damit, dass der Gesetzgeber seinerzeit nicht an eine rechtliche Verselbständigung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu einer verpflichtungsfähigen Rechtsperson gedacht hatte. Diese hat die Rechtsprechung jedoch mittlerweile anerkannt, vgl. BGHZ 146, 341 (Leitsatz a). 3 Vgl. BGH v. 27.9.1999 – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315, 319 sowie BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 345 = AG 2001, 307. 4 Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 205; ebenso bereits Priester in FS Brandner, 1996, S. 97, 108. 5 Vgl. Vertragsmuster bei Groß in BuB, Rz. 10/324 unter Artikel 1 Abs. 4.
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len wäre1. Zudem birgt die Prüfung von Unterlagen zur Existenz der ausländischen Bank sowie zur Vertretungsberechtigung nach ausländischem Recht erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der rechtzeitigen Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister2. (2) Einlageleistung. Die Zeichnung der Platzierungsaktien durch die Konsortialbanken (bzw. den Konsortialführer) erfolgt zum Nennbetrag, bzw. bei Stückaktien zum anteiligen Betrag des Grundkapitals (geringster Ausgabebetrag nach § 9 Abs. 1 AktG). Für die Zwecke der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister ist zunächst nur die Mindesteinlage in Höhe von 25 % des geringsten Ausgabebetrages nach §§ 188 Abs. 2 Satz 1, 36a Abs. 1 AktG zu erbringen. Zur Ausgabe muss allerdings der volle Ausgabebetrag geleistet sein, sonst müssten die neuen Aktien auf Namen lauten, vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 AktG.
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Im Übernahmevertrag verpflichten sich die Banken daneben, den bei der Veräußerung der neuen Aktien an Investoren über die geleistete Einlage hinaus erzielten Übererlös, abzüglich Provision und Kosten3 an die Gesellschaft abzuführen (so genanntes ZweiStufen-Modell). Dieses Vorgehen wird sowohl bei Übernahme von Aktien im Rahmen des so genannten mittelbaren Bezugsrechts nach § 186 Abs. 5 AktG (dazu Rz. 126) als auch bei bezugsrechtsfreien Platzierungen nach dem Bookbuilding-Verfahren als zulässig angesehen4 und entspricht der gängigen Praxis. Vereinzelt war eingewandt worden, der über den geringsten Ausgabebetrag erzielte Platzierungserlös sei als Aufgeld (so genanntes Agio) anzusehen, das nach § 36a Abs. Satz 1 AktG bereits bei der Anmeldung der Kapitalerhöhung geleistet werden müsse5. Dies wurde damit begründet, dass über den Nennbetrag bzw. den anteiligen Betrag des Grundkapitals hinaus erzielte Mehrerlöse gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB wie ein im Kapitalerhöhungsbeschluss festgelegtes Agio in die Kapitalrücklage einzustellen seien. Die bilanzielle Behandlung des Mehrerlöses kann aber – auch angesichts des im Vergleich zu § 36a Abs. 1 AktG weiteren Wortlauts des § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB – für die gesellschafts-
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1 Auch im FGG-Verfahren ist die Gerichtssprache deutsch, vgl. § 8 FGG (siehe § 488 Abs. 3 Satz 1 FamFG), § 184 GVG; die Möglichkeit, eine Übersetzung anzuordnen, ergibt sich aus entsprechender Anwendung von § 142 Abs. 3 Satz 1 ZPO, dazu Zimmermann in Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl. 2003, § 9 FGG Rz. 5; Solveen in Fleischhauer/Preuß, Handelsregisterrecht, 2006, S. 877, Rz. 28. 2 Darauf weist z.B. Technau, AG 1998, 445, 446 hin. 3 Zur Zulässigkeit der Verrechnung von Provisionen und Kosten mit dem Anspruch des Emittenten auf Weiterleitung des den geringsten Ausgabebetrag übersteigenden Mehrerlöses der Platzierung neuer Aktien Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennzahl 055 Rz. 361; Hüffer, § 186 AktG Rz. 48; Kraft/Krieger in MünchHdb. AG, § 56 Rz. 106; ähnlich schon Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 107; Wiedemann, WM 1979, 990, 991. 4 Groß in BuB, Rz. 10/295; Trapp, AG 1997, 115, 118; Hoffmann-Becking in FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 31; Technau, AG 1998, 445, 449 f.; Groß, ZHR 162 (1998), 318, 336; Picot/Land, DB 1999, 570, 572; Frese, AG 2001, 15, 22 ff.; Schanz, Börseneinführung, § 9 Rz. 66; Groß in Happ, Aktienrecht, 16.02 Rz. 7; Schnorbus, AG 2004, 113, 123; ferner für den Fall des Bezugsrechtsausschlusses nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG Marsch-Barner, AG 1994, 532, 536; Groß, DB 1994, 2431, 2433; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, Nachtrag zu § 186 AktG Rz. 14. 5 Im Zusammenhang mit der Zeichnung beim mittelbaren Bezugsrecht: Immenga in FS Beusch, 1993, S. 413 ff., 415; Schippel in FS Steindorff, 1990, S. 249 ff., 255 ff.; Hefermehl/Bungeroth in G/H/E/K, 1988, § 186 AktG Rz. 166; dagegen für die Zulässigkeit der Zeichnung zu pari (auch) in diesem Fall: Hüffer, § 186 AktG Rz. 48; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 107; Nachtrag zu § 186 AktG Rz. 9; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 202; Kraft/Krieger in MünchHdb. AG, § 56 Rz. 106; Priester in FS Brandner 1996, S. 97, 110; Busch, AG 2002, 230, 234; Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2182.
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rechtliche Behandlung der Einlageerbringung keine entscheidende Rolle spielen1. Ein Aufgeld i.S.v. § 9 Abs. 2 AktG, 36a Abs. 1 AktG müsste bereits im Kapitalerhöhungsbeschluss selbst ausdrücklich festgelegt worden sein2. Dieser wird jedoch – bei Preisfestsetzung im Bookbuilding-Verfahren – in aller Regel vor Ende des Bookbuildings gefasst, damit die für die Ausgabe der neuen Aktien nach §§ 203 Abs. 1, 191 AktG erforderliche vorherige Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister so rechtzeitig erfolgt, dass die Börsenzulassung der Aktien und die Belieferung der an das Bookbuilding unmittelbar anschließenden Zuteilungen an Investoren sichergestellt sind3. Daher ist beim Bookbuilding-Verfahren die Festsetzung eines entsprechenden „Aufgeldes“ bereits im Kapitalerhöhungsbeschluss oft schon faktisch nicht möglich, da der Platzierungspreis und damit ein über den geringsten Ausgabebetrag hinaus erzielter Mehrerlös bei Beschlussfassung noch gar nicht feststehen. Ein zwingendes rechtliches Erfordernis, den Platzierungspreis und damit den Mehrerlös entgegen der bisherigen Praxis beim Bookbuilding-Verfahren bereits im Kapitalerhöhungsbeschluss festzulegen, besteht auch nicht4. Dies gilt schon deshalb, weil es bei der Ausgabe neuer Aktien keinen Anspruch gibt, überhaupt ein Aufgeld im Kapitalerhöhungsbeschluss festzulegen5. Der Mehrerlös ist daher nicht Teil des Ausgabebetrages im Sinne von § 36a Abs. 1 AktG. Er ergibt sich vielmehr aus dem Kaufpreis, der bei Weiterveräußerung im Rahmen der Platzierung von den Investoren zu zahlen ist und zu dessen Weiterleitung an die Gesellschaft sich die Bank im Übernahmevertrag verpflichtet6. Auch Sinn und Zweck der Pflicht zur Vorleistung eines Agio gebieten keine Vorleistung des den geringsten Ausgabebetrag übersteigenden Emissionserlöses. § 36a AktG dient dazu, einen Aktienerwerber vor der Pflicht zur (Nach-)Leistung des Agio zu schützen. Da die Emissionsbank nur zur Verfahrensvereinfachung im Auftrag der Gesellschaft zeichnet und die Aktien erst nach Zahlung des vereinbarten Platzierungs- bzw. Bezugspreises in Verkehr bringt, verlangt der Verkehrsschutz keine Voreinzahlung7. Auch bei einer Kapitalerhöhung mit vereinfachtem Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG gilt nichts anderes. Zwar stellt der Wortlaut dieser Bestimmung darauf ab, dass der „Ausgabebetrag“ den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreiten dürfe. Der hierdurch bezweckte Verwässerungsschutz ist jedoch nicht beeinträchtigt, wenn die neuen Aktien durch eine Bank zum geringsten Ausgabebetrag gezeichnet werden, sofern der Preis, zu dem de1 Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 203; so auch Hoffmann-Becking in FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 33; ausführlich Hoffmann-Becking in FS Lutter, 2000, S. 453, 466 ff.; Becker, NZG 2003, 510, 514. 2 Hüffer, § 9 AktG Rz. 8 mit Verweis auf § 182 Abs. 3 AktG sowie bei § 204 AktG Rz. 5 für Kapitalerhöhungen aus genehmigtem Kapital. 3 Vgl. z.B. Technau, AG 1998, 445, 447 f. 4 Vgl. auch Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, Nachtrag zu § 186 AktG Rz. 14. 5 Priester in FS Lutter, 2000, S. 617, 634; Schanz, Börseneinführung, § 9 Rz. 66; Technau, AG 1998, 445, 449. Dem steht auch § 255 Abs. 2 AktG nicht entgegen. Nach dessen Sinn und Zweck kommt es darauf an, ob der Gesellschaft ein unangemessen niedriger Emissionserlös zufließt. Fließt der Gesellschaft ein nicht unangemessener Platzierungserlös zu, kommt ein Verstoß gegen § 255 Abs. 2 AktG wegen des reinen Ausgabebetrages i.S.v. § 9 Abs. 1 AktG nicht in Betracht; vgl. Hüffer, § 255 AktG Rz. 8, Krieger in MünchHdb. AG, § 56 Rz. 28. 6 Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 202. 7 Ausführlich vor allem Priester in FS Brandner, 1996, S. 97, 110 f.; Hoffmann-Becking in FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 31; Priester in FS Lutter, 2000, S. 617, 620 f.; Technau, AG 1998, 445,449 f.; Picot/Land, DB 1999, 570, 572; ebenso Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2183; sowie zur Rechtslage in Österreich Kalss/Zollner in Brandl/Kalss/Lucius/Oppitz/Saria, Hdb. Kapitalmarktrecht Bd. 2, Tz. 6 (S. 135 ff.); zur Rolle der zeichnenden Bank als „Abwicklungsstelle“. BGH v. 13.4.1992 – II ZR 277/90 – „Beton- und Monierbau“, BGHZ 118, 83, 96 f. = AG 1992, 312; BGH v. 5.4.1993 – II ZR 195/91 – „co op“, BGHZ 122, 180, 185 f., 189.
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ren Veräußerung an Investoren erfolgt, den Anforderungen des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG genügt und die zeichnende Bank den bei der Platzierung über die geleistete Mindesteinlage hinaus erzielten Erlös (abzüglich Provision und Kosten) an die Gesellschaft abführt1. Die Gegenauffassung würde die gängige Emissionspraxis gerade bei Emissionen unter Ausschluss des Bezugsrechts (zu den Bezugsrechtsemissionen sogleich unter Rz. 126 ff.) erheblich beeinträchtigen. Folgte man ihr, so müsste der Platzierungspreis bereits zum Zeitpunkt des Kapitalerhöhungsbeschlusses und der Zeichnung bestimmt sein. Wegen der bis zur Ausgabe der Aktien für Handelsregistereintragung und Börsenzulassung erforderlichen Zeit, während der die Banken und u.U. auch die Investoren gebunden wären, aber noch nicht verfügen könnten, müsste ein Risikoabschlag in Kauf genommen werden2. Dies liefe der mit dem Bookbuilding bezweckten marktnahen Preisfestsetzung und damit Erlösmaximierung bei Begrenzung des Platzierungsrisikos zuwider. Zudem würde die dann höhere Mindesteinlage, die bereits vor Anmeldung zum Handelsregister zu erbringen wäre, zusätzliche Mittel binden. Die Emissionsbanken müssten die Emission bis zum Erhalt des Platzierungserlöses quasi vorfinanzieren. Eine – unnötige – Erhöhung der Emissionskosten wäre die Folge3. Auch ein vor einigen Jahren ergangener Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts4 steht dieser h.M. nicht entgegen und hat daher die Praxis bei Aktienemissionen nicht verändert. Danach soll eine rein schuldrechtliche Vereinbarung unter Altaktionären (offenbar nicht mit der Gesellschaft!) zur Zahlung weiterer Mittel zusätzlich zu dem bei einer Kapitalerhöhung zu erbringenden geringsten Ausgabebetrag dazu führen, dass der aus dieser gesonderten Finanzierungsabrede geschuldete zusätzliche Betrag als Agio i.S.v. § 36a Abs. 1 AktG bereits vor Eintragung der Kapitalerhöhung eingezahlt werden müsse. Dies überzeugt allerdings nicht. Das BayObLG differenziert in seiner Entscheidung nicht hinreichend zwischen einer sich aus dem Kapitalerhöhungsbeschluss ergebenden Verpflichtung zur Zahlung eines Aufgeldes5 und einer – zulässigen6 schuldrechtlichen Leistungspflicht, die nur den unmittelbar Verpflichteten trifft7. Die Zulässigkeit dieser Unterscheidung hat der BGH indes kürzlich bestätigt8. Erfolgt – anders als in dem vom BayObLG zu entscheidenden Fall – die Zeichnung durch eine von der Gesellschaft zur Platzierung neuer Aktien oder zur Ab1 So schon Marsch-Barner, AG 1994, 532, 535 f.; Groß, DB 1994, 2431, 2433; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, Nachtrag zu § 186 AktG Rz. 14; Trapp, AG 1997, 115, 118; Hoffmann-Becking in FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 31 ff.; Technau, AG 1998, 445, 449 f.; Groß, ZHR 162 (1998), 318, 336; aus dem jüngeren Schrifttum Schnorbus, AG 2004, 113, 123 (Fn. 117); Groß in Happ, Aktienrecht, 12.07 Rz. 114 sowie 16.02 Rz. 8; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 67, 75; Krieger in MünchHdb. AG, § 56 Rz. 90. 2 Groß, ZHR 162 (1998), 318, 337; Technau, AG 1998, 445, 448. 3 Darauf weist auch Schnorbus, AG 2004, 113, 123 hin. 4 BayObLG v. 27.2.2002 – 3 Z BR 35/02, AG 2002, 510. 5 Hüffer, § 9 AktG Rz. 8. 6 Hüffer, § 23 AktG Rz. 45; Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 249, 256 ff.; Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 188 f.; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 54 AktG Rz. 22; BGH v. 29.9.1969 – II ZR 167/68, AG 1970, 86 f.; eingehend dazu Hermanns, ZIP 2003, 788, 791; Becker, NZG 2003, 510, 513 f.; Priester in FS Röhricht, 2005, S. 467. 7 Hergeth/Eberl, DStR 2002, 1818, 1821; Schorling/Vogel, AG 2003, 86, 88; Becker, NZG 2003, 510, 513; Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2183; Schnorbus, AG 2004, 113, 124. Brändel in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, § 9 AktG Rz. 32 weist insoweit darauf hin, dass satzungsmäßig nicht vorgesehene Zuzahlungen nicht zu einer Über-pari-Ausgabe führen und diese den festgesetzten Ausgabebetrag unberührt lassen. 8 BGH v. 15.10.2007 – II ZR 216/06, NZG 2008, 73, 74.
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wicklung des mittelbaren Bezugsrechts mandatierten Bank, so ist zudem deren Pflicht zur Abführung eines dabei erzielten Mehrerlöses als Teil ihrer technischen Funktion im Rahmen der Abwicklung der Kapitalerhöhung als für die Gesellschaft handelnder Dienstleister von der (schuldrechtlich übernommenen) Finanzierungsverpflichtung eines Aktionärs zu unterscheiden. Selbst wenn man der Kritik an dem genannten Beschluss des BayObLG nicht folgt, ergeben sich daraus also keine Zweifel an der Zulässigkeit der bisherigen Zeichnungspraxis bei der Übernahme neuer Aktien durch Emissionsbanken1. 123
Häufig wählt ein Emittent eine Bank zum Emissionsbegleiter, zu der er bereits eine Kundenbeziehung aus einem Kreditverhältnis unterhält. Dabei kann es sich beispielsweise um die mit den Verhältnissen des Emittenten besonders vertraute „Hausbank“ handeln. Durch Erteilung von Mandaten als Emissionsbank belohnen Emittenten zuweilen auch diejenigen Banken, die ihnen in wirtschaftlich schwierigen Situationen als Kreditgeber zur Seite standen. Schließlich werden Unternehmensakquisitionen häufig aus Zeitgründen zunächst mit Krediten vorfinanziert (so genannte Überbrückungsfinanzierung, bridge loan), um diese Kredite dann durch verschiedene Wertpapieremissionen zu refinanzieren. Zur Refinanzierung dieser Kredite dienen dann neben Anleihen (auch in Form eines high yield oder hybrid bond)2 auch Aktienemissionen, die mitunter im Hinblick auf eine dadurch verbesserte Eigenkapitalausstattung Voraussetzung für die anderen Finanzierungsbausteine sein können (dazu § 7 Rz. 5)3. Werden vor diesem Hintergrund Kreditforderungen einer Emissionsbank aus den Mitteln der Kapitalerhöhung getilgt oder erfolgt die Kredittilgung auch nur im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung, so wird diskutiert, ob die Grundsätze der so genannten verdeckten Sacheinlage zur Anwendung kommen mit der Folge, dass die von der Bank erbrachte Bareinlage nochmals zu erbringen wäre4. Indes ist anerkannt, dass die Zeichnung der neuen Aktien und die damit verbundene Leistung der Bareinlage als Teil der Funktion der Bank als Abwicklungsstelle zur vereinfachten Durchführung der Kapitalerhöhung erfolgt. In dieser Funktion hat die Bank lediglich die Stellung eines fremdnützigen Treuhänders, so dass es nicht erforderlich ist, das Verbot der verdeckten Sacheinlage auch auf sie zu anzuwenden5. Dies gilt zunächst, wenn die Bank neue Aktien im Wege des mittelbaren Bezugsrechts nach § 186 Abs. 5 AktG Aktionären zum Bezug anbietet (dazu § 42 Rz. 62). Die Bank verliert diese Treuhänderstellung auch dann nicht, wenn sie nicht bezogene Aktien verwertet und den dabei erzielten über die bereits entrichtete Einlage (und ihre angemessene Vergütung) hinausgehenden Erlös an die Gesellschaft abführt. Dies gilt auch, wenn die Unterbringung jener Aktien (zunächst) aufgrund ak1 Im Ergebnis ebenso: Schnorbus, AG 2004, 113, 114. 2 Dazu Parmentier, ZInsO 2008, 9 f. 3 Zu diesen und anderen Anleihetypen Hutter in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 15 Rz. 2 ff. 4 Winter in FS Priester, 2007, S. 867, 869; BGH v. 9.7.2007 – II ZR 62/06 – „Lurgi“, AG 2007, 741, 743. 5 Grundlegend BGH v. 13.4.1992 – II ZR 277/90 – „Beton- und Monierbau“, BGHZ 118, 83, 96 f. = AG 1992, 312; ihm folgend die ganz h.M., vgl. nur Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 183 AktG Rz. 94; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 183 AktG Rz. 72; Peifer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2005, § 183 AktG Rz. 24; Hüffer, § 27 AktG Rz. 12; Groß, AG 1993, 108, 115; Frese, AG 2001, 15, 20; Siebert, NZG 2006, 366, 267; a.A. offenbar nur Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennzahl 055 Rz. 332, die ungeachtet der gesetzlichen Privilegierung der Emissionsbanken in § 186 Abs. 5 AktG an der „Treuhandthese“ des BGH unter Verweis auf § 56 Abs. 3 AktG zweifeln, obwohl(!) sie diese rechtspolitisch für wünschenswert halten; mit überzeugenden Argumenten dagegen Parmentier, ZInsO 2008, 9, 14 f.
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§8
Übernahme und Platzierung von Aktien
tueller Marktentwicklungen nicht durchführbar ist, im Zeitpunkt der Zeichnung die rasche Platzierung jedoch unproblematisch erschien. Die „Privilegierung“ der Emissionsbank wirkt in diesem Fall fort, solange sich die Bank weiterhin um die Platzierung der Aktien bemüht1. Sie soll indes enden, soweit die Bank Rechte aus den Aktien wahrnimmt oder diese durch „Selbsteintritt“ erwirbt (dazu § 42 Rz. 63). Hat die Bank die neuen Aktien im Zusammenhang mit einer bezugsrechtsfreien Platzierung gezeichnet, sollte nichts anderes gelten, nimmt sie doch dabei keine wesentlich andere Funktion wahr als bei einer (mittelbaren) Bezugsrechtsemission (dazu auch § 42 Rz. 101)2. Hat sie bei der Bezugsrechtsemission Treuhänderfunktion zu Gunsten der bezugsberechtigten Aktionäre, so handelt sie bei der bezugsrechtsfreien Emission zu Gunsten der die neuen Aktien erwerbenden Investoren, denen es so erspart bleibt, sich den Formalitäten der Zeichnung, Handelsregisteranmeldung und des Nachweises der Einlageerbringung zu unterziehen3. (3) Einzahlungsbestätigung. Der Konsortialführer wird des Weiteren im Übernahmevertrag regelmäßig dazu verpflichtet, nach erfolgter Leistung der Mindesteinlage auf ein typischerweise bei ihm eingerichtetes „Sonderkonto Kapitalerhöhung“4 die für die Anmeldung der Durchführung einer Kapitalerhöhung zur Eintragung in das Handelsregister nach §§ 203 Abs. 1 Satz 1, 188 Abs. 2 Satz 1, 37 Abs. 1 Satz 3 AktG erforderliche Bankbestätigung abzugeben (dazu unten § 42 Rz. 99 f.)5.
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(4) Anmeldung und Abwicklung. Die Gesellschaft hat die Durchführung der Kapitalerhöhung unverzüglich nach Erhalt von Zeichnungsschein (dazu unten § 42 Rz. 95) und Einzahlungsbestätigung zum Handelsregister anzumelden sowie den Konsortialführer von der Eintragung unter Nachweis durch Übersendung einer Kopie der Eintragungsnachricht des Registergerichts (und Nachreichung eines beglaubigten Handelsregisterauszuges) zu benachrichtigen6. Dem Konsortialführer ist sodann (ggf. Zug um Zug gegen Gutschrift noch einzuzahlender 75 % des geringsten Ausgabebetrages der neuen Aktien) eine Globalurkunde über die neuen Aktien mit Gewinnanteilscheinen zu übergeben, die er bei der Clearstream Banking AG als Wertpapiersammelbank i.S.v. § 1 Abs. 3 DepotG einliefert, um die rechtzeitige Belieferung von Zuteilungen im Wege des Effektengiroverkehrs zu ermöglichen7. Bei Zeichnung neuer Aktien ausschließlich durch den Konsortialführer verpflichten sich die anderen Konsortialbanken, diesem entsprechend ihrer Übernahmequote Platzierungsaktien zum Platzierungspreis abzukaufen. Bei einer Platzierung im Bookbuildingverfahren ist diese Übernahmeverpflichtung von der tatsächlichen Abnahme zu unterscheiden. Letztere richtet sich nach der Zuteilung, der die durch das Bookbuilding ermittelte tatsächliche Nachfrage zugrunde liegt.
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1 BGH v. 13.4.1992 – II ZR 277/90 – „Beton- und Monierbau“, BGHZ 118, 83, 98 = AG 1992, 312. 2 Eingehend dazu Parmentier, ZInsO 2008, 9, 14 f.; Schnorbus, AG 2004, 113, 115 ff.; Frese, AG 2001, 15, 24; ebenso Singhof/Weber in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 3 Rz. 63. 3 Instruktiv Parmentier, ZInsO 2008, 9, 14 f. 4 Dies entspricht der absolut gängigen Praxis, vgl. dazu § 42 Rz. 61, 99; bereits das Reichsgericht hat die Einzahlung der Einlage auf ein bei der zeichnenden Bank selbst eingerichtetes Konto als zulässig bestätigt, vgl. RG v. 19.11.1904 – I 307/04, Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen 1905, 142r. Sp. 5 Eingehend Butzke, ZGR 1994, 94 sowie jüngst BGH v. 7.1.2008 – II ZR 283/06, ZIP 2008, 546 = AG 2008, 289. 6 Der Nachweis wird auch für die Zulassung zum Börsenhandel benötigt, da die Börsengeschäftsführung nach § 48 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 BörsZulV einen Nachweis über die Rechtsgrundlage der Wertpapierausgabe verlangen kann. 7 Gemäß § 48 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 lit. a BörsZulV kann die Börsengeschäftsführung im Rahmen des Zulassungsverfahrens die Erklärung des Emittenten über die Hinterlegung der Globalurkunde verlangen.
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Börsennotierung
Somit erwirbt eine Konsortialbank u.U. weniger Aktien als es ihrer Übernahmequote (und der daraus resultierenden Verpflichtung) entspräche, z.B. weil sie eine geringere Zahl an Kaufaufträgen ihrer Kunden beigebracht hat, aber ansonsten Kaufaufträge in ausreichendem (oder gar das Platzierungsvolumen übersteigenden) Umfang vorliegen1. Umgekehrt kann die Zuteilung auch die sich aus der Übernahmequote ergebenden Übernahmeverpflichtung übersteigen, wenn die betreffende Konsortialbank Kaufaufträge in entsprechendem Umfang im Rahmen des Bookbuildings eingemeldet hat. Eine entsprechende Nachfragemeldung gilt als konkludentes Einverständnis mit der Erhöhung der Übernahmeverpflichtung2. Der Konsortialführer verpflichtet sich weiterhin, den Unterschiedsbetrag zwischen der bereits geleisteten Einlage und dem bei der Platzierung erzielten Erlös an die Gesellschaft auszukehren, abzüglich der Bankprovision(en) sowie der von der Gesellschaft zu tragenden Auslagen und Kosten (siehe oben Rz. 121). 126
(5) Mittelbares Bezugsrecht. Werden neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht übernommen, gelten eine Reihe von Besonderheiten, die sich auch auf den Übernahmevertrag auswirken. Um die Abwicklung einer Bezugsrechtskapitalerhöhung gerade bei Gesellschaften mit einem breit gestreuten Aktionärskreis zu erleichtern, sieht § 186 Abs. 5 Satz 1 AktG vor, dass die neuen Aktien nicht von den Aktionären gezeichnet werden müssen. Sie können vielmehr von einem Kreditinstitut oder einem nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG oder nach § 53b Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 KWG tätigen Unternehmen („Emissionsunternehmen“) mit der Verpflichtung übernommen werden, sie den Aktionären zum Bezug anzubieten (so genanntes mittelbares Bezugsrecht). Dementsprechend sieht der Übernahmevertrag bei Bezugsrechtsemissionen ausdrücklich die Verpflichtung der Konsortialbank(en) vor, die neuen Aktien den Aktionären nach Maßgabe des Bezugsverhältnisses anzubieten, das sich aus dem Verhältnis der Zahl der neuen Aktien zur Zahl der bereits ausgegebenen Aktien ergibt. Das Angebot hat während einer Bezugsfrist von mindestens zwei Wochen (§ 186 Abs. 1 Satz 2 AktG) zu dem vom Vorstand festgelegten (oder nach § 186 Abs. 2 Alt. 2 AktG noch festzulegenden) Bezugspreis zu erfolgen. Ausgenommen hiervon sind Spitzenbeträge, die sich aus dem Bezugsverhältnis ergeben und für die deshalb das Bezugsrecht ausgeschlossen wurde. Ebenso kann ein bezugsrechtsfreier Bestand an Aktien dadurch entstehen, dass auf eigene Aktien der Gesellschaft gemäß § 71b AktG kein Bezugsrecht entfällt3.
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Im Hinblick auf die Pflicht zur Durchführung eines Bezugsangebotes stellt der Übernahmevertrag einen Vertrag zu Gunsten der Aktionäre der Gesellschaft gemäß § 328 Abs. 1 BGB dar und verschafft den Aktionären der Gesellschaft einen unmittelbaren
1 Vgl. z.B. Technau, AG 1998, 445, 446, Fn. 8; die von Technau angenommene Regelung der tatsächlichen Zuteilungsquoten im Konsortialvertrag ist allerdings ungebräuchlich. 2 Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 20. 3 Vgl. Hüffer, § 71b AktG Rz. 4; insoweit kommt auch keine Veräußerung des Bezugsrechtes in Frage. Die auf die eigenen Aktien entfallenden Bezugsrechte sollen (grds.) den anderen Aktionären anteilig anwachsen, so Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 65; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 18. Dadurch ergibt sich u.U. ein Bezugsverhältnis mit einer erhöhten Zahl von Spitzen. Dies wird vermieden, wenn man das Bezugsverhältnis nach dem Grundkapital unter Berücksichtigung der eigenen Aktien bestimmt und hinsichtlich der auf die eigenen Aktien theoretisch entfallenden neuen Aktien das Bezugsrecht ausschließt; vgl. auch Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2177.
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§8
Übernahme und Platzierung von Aktien
Bezugsanspruch gegen das Emissionsunternehmen ein1. Das Emissionsunternehmen übernimmt damit die Pflichten der Gesellschaft bei der Abwicklung eines Bezugsangebotes2. Der Zeitpunkt des Abschlusses des Übernahmevertrages ist bei Bezugsrechtsemissionen selten streitig. So ist die von § 186 Abs. 5 Satz 1 AktG vorausgesetzte treuhänderischen Bindung der die neuen Aktien übernehmenden Emissionsbank durch Abschluss des Übernahmevertrages vor der Zeichnung sicherzustellen3. Dabei wird klargestellt, dass der Bezugsanspruch und ggf. das Bezugsangebot (je nach dem wann die Kapitalerhöhung durchgeführt wird, dazu sogleich) unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister steht4. Neben den vorgenannten Überlegungen (Rz. 108 ff.) ist zu berücksichtigen, dass – anders als bei einer bezugrechtsfreien Emission mit Bookbuilding-Verfahren (siehe oben Rz. 31) – die Bank mit dem Bezugsangebot den Bezugsberechtigen einen bindenden Antrag i.S.v. § 145 BGB unterbreitet, so dass durch dessen Annahme im Lauf der Bezugsfrist ein Kaufvertrag über die bezogene Zahl neuer Aktien zustande kommt5. Der Emissionsbank ist daher daran gelegen, ihr Rechtsverhältnis zur Gesellschaft vor Eingehen dieser Bindung gegenüber den Bezugsberechtigten verbindlich zu klären.
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Auch bei Kapitalerhöhungen im Wege des mittelbaren Bezugsrechts kann die Zeichnung „zu pari“ d.h. zum geringsten Ausgabebetrag erfolgen. Anders als bei einer bezugsrechtsfreien Platzierung unter Preisbestimmung nach dem Bookbuilding-Verfahren wird jedoch bei Bezugsangeboten der von den Bezugsberechtigten zu entrichtende Bezugspreis in der Regel bereits im Bezugsangebot festgelegt. Bis zum Inkrafttreten des TransPuG ergab sich dies – zumindest nach herkömmlicher Lesart – unmittelbar aus § 186 Abs. 2, Abs. 5 Satz 2 AktG, wonach das für die Aktien zu leistende Entgelt anzugeben ist6. Nach der Neufassung des § 186 Abs. 5 Satz 2 AktG sind die Angaben gemäß § 186 Abs. 2 Satz 1 AktG zu machen, d.h. entweder ein bereits festgelegter Bezugspreis oder die Grundlagen für seine Festlegung. Auch bei Anwendung des bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen nach wie vor üblichen Festpreisverfahrens ist jedoch die Differenz zwischen dem geringsten Ausgabebetrag nach § 9 Abs. 1 AktG und einem bei Zeichnung bereits feststehenden Bezugspreis nicht als ein vor Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister einzuzahlendes Aufgeld i.S.v. § 36a Abs. 1 AktG anzusehen (siehe dazu Rz. 112). Die Nichtleistung der Differenz zum geringsten Ausgabebetrag ist hier nicht zu befürchten, da die Bank die neuen Aktien nur zum Bezugspreis ausgibt und damit diese erst nach Zahlung des Bezugspreises in
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1 BGH v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, BGHZ 114, 203, 208 = AG 1991, 270; BGH v. 13.4.1992 – II ZR 277/90 – „Beton- und Monierbau“, BGHZ 118, 83, 96 = AG 1992, 312; Hüffer, § 186 AktG Rz. 47; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 69; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 111; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 209; Kraft/Krieger in MünchHdb. AG, § 56 Rz. 107. 2 BGH v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, BGHZ 114, 203, 208 = AG 1991, 270. 3 Hüffer, § 186 AktG Rz. 47; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 106, 111; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 208; Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2184. 4 So geht auch Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.90 davon aus, dass der Anspruch der Aktionäre gegen das Emissionsunternehmen erst mit Wirksamwerden der Kapitalerhöhung durch Eintragung nach § 189 AktG entsteht. 5 Hüffer, § 186 AktG Rz. 51; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 112; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 215 ff.; Groß in BuB, Rz. 10/265. 6 Allerdings ohne dies zu problematisieren Hüffer, 5. Aufl. 2002, § 186 AktG Rz. 52; w.N. bei Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175 Fn. 1.
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Börsennotierung
den Verkehr kommen1. Die Bank ist lediglich als von der Gesellschaft zu Gunsten der bezugsberechtigten Aktionäre eingesetzter Abwicklungsgehilfe tätig und nimmt nur insoweit vorübergehend Aktionärsstellung ein. Bei der Formulierung der Beschlüsse und des Zeichnungsscheins sollte aber klar zwischen Ausgabebetrag und vom Bezugsberechtigten zu entrichtenden Bezugspreis unterschieden werden2. Die Bank wird zur Zeichnung zum geringsten Ausgabebetrag zugelassen mit der Maßgabe, die neuen Aktien zu einem vom Ausgabebetrag zu unterscheidenden Bezugspreis anzubieten und den dabei erzielten Erlös (abzüglich Provision und ggf. Kosten) an die Gesellschaft abzuführen. 130
Die vom Bezugsrecht ausgenommene Spitze und die nicht bezogenen neuen Aktien werden von den Konsortialbanken nach dem Ende der Bezugsfrist verwertet3. Dazu kann vorgesehen werden, dass die Gesellschaft innerhalb einer Frist von wenigen Tagen eine konkrete Weisung hinsichtlich der Verwertung erteilt. Erfolgt diese nicht, verwerten die Konsortialbanken die verbliebenen Aktien nach eigenem Ermessen „bestens“4; der dabei erzielte Erlös ist – abzüglich der anteiligen Provision – an die Gesellschaft auszukehren. Aktionäre sind bei der Verwertung gleich zu behandeln5. Regelmäßig erfolgt diese im Wege einer Privatplatzierung bei institutionellen Investoren. Diese lässt sich kurzfristig durchführen; Emissionsbanken und die Gesellschaft sind so nicht länger als nötig den Marktrisiken ausgesetzt. Hierbei kann der Bezugspreis überschritten werden. Kann die Verwertung dagegen nur unterhalb des Bezugspreises erfolgen, so soll zuvor den bezugsberechtigten Aktionären ein erneutes Bezugsangebot zu dem niedrigeren Verwertungspreis unterbreitet werden müssen (dazu auch unten § 42 Rz. 67)6. Anders liegt es jedoch, wenn die Emissionsbanken im Rahmen der Verwertung die neuen Aktien selbst auf eigene Rechnung zum Bezugspreis erwerben. Mit diesem Erwerb ist die Verwertung abgeschlossen und die Treuhänderstellung der Emissionsbanken nach § 186 Abs. 5 AktG beendet. Sie sind danach frei, die Aktien zu einem in ihrem Ermessen stehenden Preis weiterzuveräußern. Teilweise sehen Übernahmeverträge sogar eine solche feste Übernahmeverpflichtung der Emissionsbanken vor. Dies kann zur Sicherstellung des Erfolgs der Emission gerade in schwierigen ökonomischen Verhältnissen und Marktsituationen dienen und ist oft – auch zur Begrenzung des wirtschaftlichen Risikos – mit einem Bezugspreis erheblich unter dem Börsenkurs verbunden.
1 Hüffer, § 186 AktG Rz. 48 ff.; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 110; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 202 f.; Kraft/Krieger in MünchHdb. AG, § 56 Rz. 106; Priester in FS Brandner, 1996, S. 97, 110 ff.; Priester in FS Lutter, 2000, S. 617, 620, 632. 2 Darauf weist auch z.B. Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 202 hin. 3 Vgl. z.B. Hüffer, § 186 AktG Rz. 53; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 209. 4 Vgl. Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 113. 5 Hüffer, § 186 AktG Rz. 53; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 113. 6 Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 97; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 97; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.250; ebenso Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2183. Diese stellen auf den „Ausgabepreis“ ab, unterhalb dessen keine Verwertung stattfinden dürfe. Ist aber beim mittelbaren Bezugsrecht zwischen dem Ausgabebetrag (der typischerweise dem geringsten Ausgabebetrag i.S.v. § 9 Abs. 1 AktG entspricht) einerseits und dem Bezugspreis andererseits (das „für die Aktien zu leistende Entgelt“ i.S.v. § 186 Abs. 5 Satz 2 AktG) zu unterscheiden, kommt es auf den Bezugspreis an. Ansonsten würde die spätere Veräußerung einen faktischen Bezugsrechtsausschluss bedeuten (zum faktischen Bezugsrechtsausschluss z.B. Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 97).
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Übernahme und Platzierung von Aktien
Wurde im Rahmen von § 186 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. AktG der Bezugspreis auf der Grundlage des Börsenkurses kalkuliert (z.B. in Form eines im Bezugsangebot festgelegten Abschlags vom Börsenkurs am Ende der Bezugsfrist) soll eine Verwertung auch zu einem Preis unterhalb des so bestimmten Bezugspreises ohne vorheriges erneutes Bezugsangebot zulässig sein, sofern der Verwertungspreis nach den gleichen Grundsätzen wie der Bezugspreis bestimmt wurde1. Dies wäre in vorigem Beispiel der Fall, wenn ein Abschlag von dem Börsenkurs zum Zeitpunkt der Verwertung vorgenommen würde, der einem im Bezugsangebot genannten Abschlag von dem Börsenpreis zum Zeitpunkt der Festsetzung des Bezugspreises entspricht. Auch eine solche Verwertung würde jedoch dazu führen, dass der Erwerber im Rahmen der Verwertung neue Aktien zu einem günstigeren Preis beziehen kann, als es dem bezugsberechtigten Aktionär im Rahmen des Bezugsangebotes möglich war. Letzterer kann sich – anders als bei einem Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG – wegen des Abschlages trotz des gesunkenen Börsenkurses auch über die Börse nicht zu einem zumindest ungefähr gleichen Preis eindecken, um seine Verwässerung zu verhindern2. Damit ist auch in dieser Konstellation ohne nochmaliges Bezugsangebot zum Verwertungspreis ein faktischer Bezugsrechtsausschluss zu befürchten.
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bbb) Alte Aktien: Aktienkauf. Werden im Rahmen einer Platzierung (auch) Aktien aus Altaktionärsbestand („alte Aktien“) umplatziert und sollen diese von den Konsortialbanken fest übernommen werden, so enthält der Übernahmevertrag die Verpflichtung der Konsortialbanken, diese den Altaktionären zum Platzierungspreis abzukaufen. Dies kann durch alle Konsortialbanken pro rata einer vorher festgelegten Quote (so genannte Underwriting-Quote), aber auch zunächst durch den Konsortialführer erfolgen, dem die einzelnen Mitkonsorten die Aktien dann pro rata (wie zuvor für die neuen Aktien beschrieben) zum Platzierungspreis abkaufen. Letztere Variante hat gerade bei einer Mehrzahl von Altaktionären den Vorteil der Klarheit. Die Altaktionäre verpflichten sich dabei aus abwicklungstechnischen Gründen dazu, die Altaktien rechtzeitig für die Übertragung auf die Investoren auf ein bei dem Konsortialführers eingerichtetes Wertpapierdepot zu übertragen. Dieser überträgt die Altaktien nach erfolgter Preisfestsetzung und Zuteilung an die Investoren (bzw. an die Mitkonsorten, die die Aktien ihrerseits an Investoren übertragen) Zug um Zug gegen Zahlung des Platzierungspreises. Der Konsortialführer verpflichtet sich, den erhaltenen Platzierungserlös abzüglich Provision sowie etwaiger von den Altaktionären zu tragenden Auslagen und Kosten zu einem festgelegten Zeitpunkt anteilig an die Altaktionäre weiterzuleiten.
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ccc) Greenshoe-Aktien. Erfolgt – wie zumindest bei bezugsrechtsfreien Platzierungen üblich – im Hinblick auf etwaige Stabilisierungsmaßnahmen eine Mehrzuteilung unter Einräumung einer korrespondierende Erwerbsoption (so genannter Greenshoe) (siehe oben Rz. 68), so wird dies ebenfalls im Übernahmevertrag geregelt. Von einem oder mehreren (Groß-)Aktionär(en) werden den Konsortialbanken (bzw. dem Konsortialführer, handelnd für deren Rechnung) Aktien der Gesellschaft im Umfang von bis zu 15 % des Emissionsvolumens im Wege eines (unentgeltlichen) Aktiendarlehens (so genannte Aktienleihe) (siehe oben Rz. 67) zur Verfügung gestellt, damit Mehrzuteilungen über das eigentliche Platzierungsvolumen hinaus vorgenommen werden können. Die Aktienleihe kann mit Aktien zurückgeführt werden, die durch Stabilisierungskäufe während der Stabilisierungsphase erworben wurden. War eine Stabilisierung nicht erforderlich, so erfolgt die Rückführung durch Ausübung einer Kauf- (siehe unten Rz. 134) oder
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1 Kraft/Krieger in MünchHdb. AG, § 56 Rz. 73; ebenso Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2183 Fn. 120. 2 Entwurf eines Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts, Begründung zu Nr. 15 – § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG, BT-Drucks. 12/6721, S. 10.
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Börsennotierung
Zeichnungsoption (siehe unten Rz. 135 sowie oben Rz. 69 f.). Wegen des Zusammenhangs mit der Stabilisierung hat die so genannte Aktienleihe eine etwas längere Laufzeit als die Stabilisierungsphase, damit letztere voll ausgenutzt werden kann und noch ausreichend Zeit für die Rückführung der Leihe besteht. Sofern der die Leihaktien zur Verfügung stellende Altaktionär ansonsten nicht an der Platzierung beteiligt ist, wird die Leihe u.U. auch außerhalb des Übernahmevertrages in einer gesonderten Vereinbarung geregelt. 134
Räumt in Altaktionär die so genannte Greenshoe-Option ein, so erfolgt dies in Gestalt einer Kaufoption. Der Konsortialführer erhält (handelnd für Rechnung der Konsortialbanken) das Recht, bis zum Ende der Stabilisierungsfrist (i.d.R. 30 Tage) vom Altaktionär Aktien aus dessen Bestand bis zur Höhe der zuvor eingeräumten Leihe zum Platzierungspreis zu erwerben. Mit diesen Aktien kann bei Ausübung der Option die Aktienleihe zurückgeführt werden. Der dafür zu entrichtende Platzierungspreis pro Aktie entspricht dem bei der Platzierung von Aktien im Wege der Mehrzuteilung vereinnahmten Erlös. Da es sich damit wirtschaftlich um eine Platzierung der Optionsaktien handelt, entfällt hierauf auch eine – in der Regel der Provision für die Haupttranche entsprechende – Provision, die von dem die Option einräumenden Altaktionär zu entrichten ist und von dem an ihn abzuführenden Platzierungspreis abgezogen werden kann. Sind bei Leihe und Option jeweils der/die selbe(n) Altaktionär(e) Vertragspartner des Konsortialführers, so werden die bei Ausübung der Option einander gegenüberstehenden Ansprüche auf Lieferung von Aktien der Gesellschaft miteinander verrechnet, so dass dann nur noch der Platzierungspreis (abzüglich Provision) zu zahlen ist.
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Wurde die Greenshoe-Option durch die Gesellschaft selbst eingeräumt, so kann man sie auch als Zeichnungsoption bezeichnen. Sie besteht in der Berechtigung des Konsortialführers (ggf. für Rechnung der Konsortialbanken), bis zum Ende der Stabilisierungsphase bis zum Umfang der vorherigen Mehrzuteilung neue Aktien der Gesellschaft aus einer Kapitalerhöhung (i.d.R. aus genehmigtem Kapital) zum Platzierungspreis zu zeichnen und deren Ausgabe zu verlangen. Die Gesellschaft ist bei Ausübung der Option verpflichtet, unverzüglich nach Erhalt von Zeichnungsscheins und Einzahlungsbestätigung diese Kapitalerhöhung in das Handelsregister eintragen zu lassen und die neuen Aktien an den Konsortialführer auszugeben. Dieser kann damit seine Rückerstattungspflicht aus der vorherigen Leihe erfüllen.
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ddd) Ausfall eines Konsorten. Sollte eine der Konsortialbanken ihre Übernahmepflicht nicht erfüllen, finden sich in Übernahmeverträgen regelmäßig Regelungen zur Übernahme des auf diese entfallenden Teils des Platzierungsvolumens. Häufig wird eine anteilige Übernahmeverpflichtung der anderen Konsortialbanken vorgesehen, die allerdings zumeist in der Höhe begrenzt ist (z.B. auf jeweils 10 % des jeweils übernommenen Platzierungsvolumens)1. Daneben kann – vor der Verteilung der Übernahmequote der ausgefallenen Bank an die verbleibenden Konsorten – auch vorgesehen werden, dass der Konsortialführer die ausgefallene Konsortialbank durch Einladung einer weiteren Bank ersetzt, die die Übernahmeverpflichtung der ausgefallenen Bank übernimmt. Für eine Auslegung des Übernahmevertrages dahingehend, dass in diesem Fall der Emittent von den verbleibenden Konsortialbanken eine quotale Ausfallhaftung in vollem
1 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.312; dies erklärt die Regelung, dass die anderen Konsortialbanken notfalls ein 1/11 ihrer ursprünglichen Übernahmeverpflichtung zusätzlich zu übernehmen haben, dazu Haag in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 23 Rz. 86.
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§8
Übernahme und Platzierung von Aktien
Umfang verlangen könnte1, dürfte bei einer ausdrücklich davon abweichenden Regelung kein Raum sein2. bb) Börsenzulassung, Prospekt(e). Ist im Hinblick auf das geplante öffentliche Angebot oder die vorgesehene Börsenzulassung gemäß § 3 Abs. 1, 3 WpPG ein Prospekt zu veröffentlichen, verpflichtet sich der Konsortialführer (oder die Konsortialbanken gemeinsam) im Übernahmevertrag ferner, diesen gemeinsam mit der Gesellschaft bei der BaFin einzureichen und bei der Geschäftsführung der betreffenden Börse die Zulassung der neuen Aktien der Gesellschaft zum Börsenhandel zu beantragen. Da bei Unterzeichnung des Übernahmevertrages die Erstellung des Prospektes typischerweise bereits abgeschlossen ist, wird diese Verpflichtung – wenn überhaupt – oft nur noch nachrichtlich in den Übernahmevertrag aufgenommen (z.B. in der Präambel).
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Bedeutsamer ist die Verpflichtung der Gesellschaft zur Veröffentlichung eines Prospektnachtrages für den Fall, dass vor dem Ende des Angebotes bzw. bis zur Aufnahme der Börsennotierung (Einführung i.S.v. § 38 BörsG) in Bezug auf die im Prospekt enthaltenen Angaben, die die Beurteilung der Wertpapiere beeinflussen könnten, ein wichtiger neue Umstand oder eine wesentliche Unrichtigkeit auftritt oder festgestellt wird. Dem liegt die gesetzliche Pflicht der Prospektverantwortlichen zur Veröffentlichung eines Nachtrages zum Prospekt nach § 16 Abs. 1 WpPG zu Grunde3. Entsprechend § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG entfällt dann die Prospekthaftung wegen des im Nachtrag aktualisierten bzw. richtig gestellten Umstandes, wenn der Nachtrag vor Abschluss des Erwerbsgeschäfts veröffentlicht wurde bzw. der Anleger, der bereits ein verbindliches Angebot abgegeben hatte, von seinem Widerrufsrecht nach § 16 Abs. 3 WpPG keinen Gebrauch gemacht hat4. Eine vertragliche Verpflichtung zur Nachtragsveröffentlichung mag angesichts der der Gesellschaft ohnehin obliegenden gesetzlichen Verpflichtung überflüssig erscheinen. Die Nachtragspflicht (und im Falle ihrer Nichterfüllung die Prospekthaftung) trifft jedoch neben der Gesellschaft auch die Emissionsbanken. Letztere sind sowohl Anbieter als auch – bei einer Prospektveröffentlichung zur Börsenzulassung – Zulassungsantragsteller und damit Prospektverantwortliche (siehe oben Rz. 4). Da die Gesellschaft jedoch eher Kenntnis von den eine Pflicht zum Nachtrag bzw. zur Berichtigung begründenden Umständen erlangen kann (schließlich betreffen sie in erster Linie ihre Sphäre), ist es für die Emissionsbanken sinnvoll, eine ausdrückliche vertragliche Verpflichtung aufzunehmen. So wird klargestellt, dass im Innenverhältnis zwischen Banken und Gesellschaft die Verantwortung der für die Überwachung der Nachtragspflicht bei letzterer liegt. Hinzu kommt, dass die vertragliche Regelung typischerweise vorsieht, dass die Gesellschaft
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1 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.313; Grundmann in Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band III, 3. Aufl. 2007, § 112 Rz. 91; Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 22; Timm/Schöne, ZGR 1994, 113, 139; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.35; ähnlich Singhof, Die Außenhaftung von Emissionskonsortien, 1998, S. 250; dagegen kommt eine Nachschusspflicht nach Bestimmungen des Rechts der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, sei es über § 713 BGB oder § 735 BGB (vgl. de Meo, Bankenkonsortien, 1994, Zweiter Teil B, Rz. 96 f. (S. 57); Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 39) nicht in Betracht, wenn die Übernahmeverpflichtung nicht „namens des Konsortiums“ (dessen Rechtsnatur als Gesellschaft bürgerlichen Rechts ohnehin nicht zweifelsfrei ist, vgl. dazu unten Rz. 193 f.), sondern von den betreffenden Banken einzeln eingegangen wurde, vgl. dazu BGH v. 27.9.1999 – II ZR 371/98, BGHZ 142, 315 (Leitsatz, Satz 1) sowie BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 345 ff. = AG 2001, 307. 2 Groß in Happ, Aktienrecht, 16.02 Rz. 24. 3 Vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 56 „Pflicht zur permanente Aktualisierung“; Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 30 Rz. 71 ff. 4 Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 17 f.
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unverzüglich tätig werden muss. Im Falle eines Nachtragsereignisses ist nämlich Eile geboten. Denn Anleger, die vor der Veröffentlichung des Nachtrags eine auf den Erwerb der Wertpapiere gerichtete Willenserklärung abgegeben haben, können diese gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 WpPG binnen zwei Werktagen nach Veröffentlichung des Nachtrags widerrufen, sofern noch keine Erfüllung eingetreten ist. Jede Verzögerung erhöht die Gefahr, dass das Angebot verlängert oder gar verschoben werden muss. Dieses Problem verschärft sich dadurch, dass der Nachtrag vor seiner Veröffentlichung gemäß § 16 Abs. 1 Satz 3 WpPG von der BaFin gebilligt werden muss, die dafür bis zu sieben Werktage Zeit hat. Allerdings ist die BaFin in der Praxis bereit, gut vorbereitete Nachträge u.U. sogar gleichtägig zu billigen. Der Übernahmevertrag in diesem Zusammenhang sieht meist vor, dass die Banken (bzw. der Konsortialführer in ihrem Namen) Nachträgen und Berichtigungen vor deren Veröffentlichung zustimmen müssen. Wegen der Expertise der Banken im Bereich der Kapitalmarktinformationen empfiehlt sich dies schon im eigenen Interesse der Gesellschaft, ist aber wegen der eigenen Prospektverantwortung der Banken auch zur Wahrung von deren Belangen geboten. 139
Über die Nachtragsverpflichtung hinaus sehen Übernahmeverträge oft eine Verpflichtung der Gesellschaft zur Prospektberichtigung vor, wenn sich in den ersten sechs Monaten nach der Einbeziehung ein Prospektfehler herausstellt. Hintergrund ist auch hier § 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG, wonach ein Anspruch nach § 44 BörsG (und nach § 13 VerkProspG) nicht besteht, wenn vor dem Abschluss des Erwerbs der Wertpapiere eine Berichtigung des Prospektfehlers veröffentlicht wurde. Jedoch besteht vom Abschluss des Angebotes bzw. bei einem reinen „Börsenzulassungs“-Prospekt von der Einführung neu börsenzugelassener Wertpapiere an keine Verpflichtung zur weiteren Fortschreibung des Prospektes im Hinblick auf neu eintretende neue Entwicklungen mehr1. Dem Interesse der Anleger an der weiteren Aktualisierung der Prospektinformationen wird durch die Ad hoc-Publizität nach § 15 WpHG Rechnung getragen, zu der die Gesellschaft verpflichtet ist.
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cc) Platzierung, Platzierungsbeschränkungen. Eine Platzierungspflicht der Konsortialbanken wird im Übernahmevertrag meist nur in der Präambel bei der Beschreibung der Gesamttransaktion erwähnt, zu deren Zweck die Übernahme der Aktien stattfindet. Dass die Platzierung einer der Hauptzwecke der Einschaltung der Emissionsbanken ist, ergibt sich bereits aus der Mandatsvereinbarung; zudem wird in aller Regel in Kapitalerhöhungsbeschlüssen ausdrücklich erwähnt, dass eine (oder mehrere) Banken (nur) zu dem Zweck zur Zeichnung und Übernahme zugelassen werden, die neuen Aktien bei Investoren zu platzieren (bei Bezugsrechtsausschluss) bzw. um sie den Aktionären der Gesellschaft zum Bezug anzubieten.
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Umfang und Inhalt der Regelungen über Platzierungs- bzw. Verkaufsbeschränkungen hängt im Einzelfall von der geplanten Struktur der Platzierung ab2. Im Kern geht es um die Vermeidung ungewollter Prospekterfordernisse oder behördlicher Anzeigeoder Genehmigungspflichten. Innerhalb der Europäischen Union hat die EU-Prospektrichtlinie, die mittlerweile in allen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt ist3, die Rechtslage 1 Ebenso Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rz. 5; die Diskussion über eine Aktualisierungspflicht über diese Zeitpunkte hinaus (siehe 1. Aufl., § 7 Rz. 131 m.w.N.) dürfte sich damit erübrigen. 2 Zu Einschränkungen von Bezugsangeboten im Hinblick auf ausländische Aktionäre siehe § 42 Rz. 47 f. sowie in Bezug auf die USA Qureshi, IFLR 03/2003, 37. 3 Lamfalussy League Table der EU-Kommission, Transposition of Lamfalussy directives – State of play as at 01/04/2008, im Internet abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal–market/secu rities/transposition/index–de.htm.
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vereinfacht. Daher finden sich in Übernahmeverträgen regelmäßig einheitliche Regelungen, die auf die Prospektpflichten und- Ausnahmen nach der EU-Prospektrichtlinie abstellen und sich auf den gesamten EWR beziehen. Daneben tritt eine Auffangregelung, nach der sich die Parteien verpflichten, kein nach der vereinbarten Platzierungsstruktur nicht vorgesehenes öffentliches Angebot vorzunehmen. Ferner wird eine Verpflichtung vorgesehen, sich an die einschlägigen Vorschriften der Länder zu halten, in denen Aktienverkäufe vorgenommen werden. Diese allgemeine Verpflichtung wird häufig in Bezug auf die detaillierten Bestimmungen hierzu in den USA und Großbritannien konkretisiert1. Wegen des dabei vertretenen Anspruchs der Globalzuständigkeit für Angebote, die potentiell auch an die eigenen Bürger gerichtet sein könnten, nehmen diese teilweise extraterritorialen Charakter an2. Die ausdrückliche Aufzählung der insoweit bestehenden Pflichten dient deshalb auch der Veranschaulichung; ihr kommt auch eine gewisse Warnfunktion zu. Ein generelles Veräußerungsverbot wird im Hinblick auf die dortigen strengen Registrierungsbestimmungen bisweilen auch für Kanada, Japan und Australien aufgenommen.
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dd) Gewährleistungen/Garantien/Freistellung aaa) Gewährleistungen. Breiten Raum nehmen in Übernahmeverträgen die Gewährleistungen (representations and warranties) ein. Dabei stehen die Gewährleistungen der Verkäuferseite, sprich Emittent und abgebende Aktionäre im Vordergrund. Den meisten vom Emittenten zu übernehmenden Gewährleistungen liegt ein – international gültiges – grundlegendes Prinzip des Emissionsgeschäfts zugrunde: Im Innenverhältnis zu den Banken liegt die Verantwortung für den Inhalt des im Zusammenhang mit der Transaktion erstellten Prospektes bei der Gesellschaft. Dieser handelt in erster Linie von den Verhältnissen der Gesellschaft; die Gesellschaft ist also zwangsläufig an den darin enthaltenen Informationen „näher dran“ als es eine mit ihren Verhältnissen noch so vertraute Bank jemals sein kann. Zudem ist die Gesellschaft jedenfalls bei der Emission neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung der „Geschäftsherr“, dem der Erlös aus der Transaktion zufließt. Die Banken handeln dagegen nur als Dienstleister, die für ihre Beratungs- und Platzierungsleistung sowie für ihre Dienste im Rahmen der Durchführung und Abwicklung der Transaktion ein Entgelt erhalten. Auch die Unterstützung des Emittenten bei der Prospekterstellung durch die Emissionsbanken oder zumindest den Konsortialführer und die in diesem Zusammenhang vorgenommenen Untersuchungen (due diligence) ändern daran nichts. Dies wird im Übernahmevertrag ausdrücklich klargestellt. Gewährleistungen dieses Inhalts und eine damit korrespondierende Freistellungsverpflichtung der Gesellschaft sind im internationalen Emissionsgeschäft üblich und werden von Banken erwartet, wenn sie sich an einem Emissionskonsortium beteiligen.
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Dem Katalog von Gewährleistungen, die ein Emittent in einem Übernahmevertrag übernimmt, steht die so genannte allgemeine Prospektgewährleistung voran. Die Gesellschaft gewährleistet dabei, dass der die Prospekt(e) den Anforderungen der einschlägigen Prospekthaftungsbestimmungen entspricht. Das bedeutet – in Anlehnung an § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG –, dass darin alle für die Beurteilung der angebotenen bzw. zuzulassenden Wertpapiere wesentlichen Angaben richtig und vollständig wie-
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1 Siehe z.B. im Muster eines Übernahmevertrages bei Groß in BuB, Rz. 10/324, die Regelung zu den Platzierungsbeschränkungen in Artikel 7. Zu den Beschränkungen im Einzelnen unten § 11 Rz. 99 ff. und 186 ff. 2 Vgl. Bosch in BuB, Rz. 10/349 (Großbritannien) und 10/350 (USA).
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dergegeben sind1. Daneben steht die Gesellschaft dafür ein, dass die Prospektangaben im Lichte der Umstände, unter denen sie gemacht werden, nicht irreführend sind. Letztere Formulierung stammt aus den einschlägigen Bestimmungen des US-Rechts, insbesondere dem allgemeinen Irreführungsverbot in Rule 10b-5 zum Securities Exchange Act von 1934, das auch bei reinen Privatplatzierungen an institutionelle Investoren eingreift2. Das Verbot der Irreführung gilt indes auch in Deutschland, wenngleich es sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut von § 44 BörsG ergibt. Es muss vielmehr im Wege der teleologischen Auslegung hineingelesen werden3. Die allgemeine Prospektgewährleistung bezieht sich gleichermaßen auf den deutschsprachigen Prospekt wie auch auf Prospekte in anderen Sprachen. In der Regel wird neben dem deutschsprachigen auch ein englischsprachiger Prospekt für die ausländischen Investoren erstellt (offering circular). Dieser wird für Investoren in den USA noch mit einer Art Umschlag (wrap) versehen, in dem sich für US-Investoren wichtige Zusatzinformationen finden, wie z.B. zur Besteuerung von Dividenden und Gewinnen aus Veräußerung von Wertpapieren nach US-amerikanischem Steuerrecht. Der Gleichlauf der Gewährleistung hat seinen Sinn darin, dass an den deutschsprachigen wie auch an den englischsprachigen Prospekt die gleichen Maßstäbe angelegt werden sollen (auch wenn auf sie u.U. unterschiedliche Prospekthaftungsnormen zur Anwendung kommen). Es soll dadurch vermieden werden, dass auch nur der Eindruck entsteht, dass gegenüber Investoren in verschiedenen Ländern unterschiedliche Informationen kommuniziert werden. 145
Neben der allgemeinen Prospektgewährleistung findet sich in den heutigen Übernahmeverträgen meist noch ein Katalog spezieller Gewährleistungen zu den Verhältnissen der Gesellschaft. Dies mag man nach deutschem Recht im Hinblick auf die allgemeine Regelung für entbehrlich halten. Diese Praxis hat sich aber aus dem eher kasuistischen Verständnis des US-Rechts entwickelt und als internationaler Standard etabliert, der auch und gerade von ausländischen Investmentbanken erwartet wird, wenn sie sich an einem Emissionskonsortium beteiligen sollen4. Der Katalog der Einzelgewährleistungen ergibt allerdings auch bei Verträgen nach deutschen Recht einen 1 Dazu Technau, AG 1998, 445, 454. 2 Text von Rule 10b-5 zum Securities Exchange Act von 1934: „It shall be unlawful for any person, directly or indirectly, by the use of any means or instrumentality of interstate commerce, or of the mails or of any facility of any national securities exchange, a) To employ any device, scheme, or artifice to defraud, b) To make any untrue statement of a material fact or to omit to state a material fact necessary in order to make the statements made, in the light of the circumstances under which they were made, not misleading, or c) To engage in any act, practice, or course of business which operates or would operate as a fraud or deceit upon any person, in connection with the purchase or sale of any security.“ Bei einem öffentlichen Angebot in den USA findet sich eine ähnliche Regelung in der Prospekthaftungsnorm Section 11 (a) des U.S. Securities Act of 1933: „In case any part of the registration statement, when such part became effective, contained an untrue statement of a material fact or omitted to state a material fact required to be stated therein or necessary to make the statements therein not misleading, any person acquiring such security (unless it is proved that at the time of such acquisition he knew of such untruth or omission) may, either at law or in equity, in any court of competent jurisdiction, sue […] with respect to such security.“ Dazu unten § 11 Rz. 33 ff. sowie Gruson, WM 1995, 89, 93. 3 Rechtsprechung und Literatur unterstellen offenbar, dass ein irreführender Prospekt auch unrichtig ist, vgl. OLG Frankfurt a.M. v. 17.3.1999 – 21 U 260/97 – „MHM Mode“, ZIP 1999, 1005, 1006 = AG 2000, 132; Assmann in Assmann/Lenz/Ritz, § 13 VerkProspG Rz. 31. 4 Vgl. Technau, AG 1998, 445, 454.
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Sinn, wenngleich weniger einen primär juristischen als einen tatsächlichen. Er dient als eine Art Merkpostenliste besonders wichtiger Umstände (die sich im Einzelnen oft erst im Rahmen der Due Diligence Prüfung herausstellen) und dokumentiert damit neben den tatsächlich durchgeführten Untersuchungen im Rahmen der Due Diligence die Sorgfalt der Banken bei der Überprüfung der Prospektangaben und der ihnen zugrunde liegenden Umstände1. Auch schärft die Abgabe ausdrücklicher Garantien das Bewusstsein für die Bedeutung solcher Fragen. Einige wesentliche vom Gewährleistungskatalog eines Übernahmevertrages erfassten Themenkreise sind – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – z.B. die folgenden2: – Ordnungsgemäße Errichtung und Kapitalverhältnisse der Gesellschaft, Wirksamkeit von (Kapitalerhöhungs-)Beschlüssen, – Übertragbarkeit der Platzierungsaktien, – Richtigkeit der im Finanzteil des Prospektes abgedruckten Abschlüsse und sonstigen Zahlenwerke, – keine nicht in den Finanzangaben abgebildete Eventualverpflichtungen (off balance sheet transactions), – Bestehen aller für den Geschäftsbetrieb erforderlichen Genehmigungen, – Einhaltung aller einschlägigen rechtlichen Bestimmungen, – keine beeinträchtigenden laufenden oder drohenden Verwaltungsverfügungen, Gerichtsurteile, Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren (soweit nicht im Prospekt dargestellt), – keine wesentliche nachteilige Veränderung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage oder des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft und ihrer verbundenen Unternehmen (ggf. soweit nicht im Prospekt dargestellt), – keine Kurspflege- oder Stützungsmaßnahmen durch die Gesellschaft oder verbundene Unternehmen im Vorfeld der Platzierung sowie – keine Verletzung von Verkaufsbeschränkungen im Vorfeld der Platzierung. Ein solcher Katalog ist im Einzelfall an die Besonderheiten der jeweiligen Gesellschaft anzupassen und ggf. zu ergänzen.
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bbb) Freistellung. In engem sachlichen Zusammenhang mit den Gewährleistungen stehen die in Übernahmeverträgen üblicherweise vorgesehenen Regelungen zur Freistellung. Danach ist die Gesellschaft verpflichtet, die Konsortialbanken von Schäden und etwaigen gegen sie gerichteten Ansprüchen freizustellen, denen diese im Zusammenhang mit tatsächlichen oder angeblichen Fehlern eines der Prospekte oder anderer von der Gesellschaft gebilligten und an Anleger verteilten Werbeunterlagen oder wegen Verletzungen der Gewährleistungen ausgesetzt sind bzw. die gegen sie geltend gemacht werden3. Dies beinhaltet auch die Pflicht, Kosten für die Rechtsverteidigung gegen Dritte zu übernehmen (so bei Prospekthaftungsklagen), unabhängig davon, ob sich die geltend gemachten Ansprüche letztlich als begründet erweisen oder nicht. Diese Regelung entspricht nicht nur den durch die US-amerikanische Vertragspraxis geprägten Ge-
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1 Dazu Haag in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 23 Rz. 34 ff. 2 Vgl. Mustervertrag bei Groß in BuB, Rz. 10/324, dort Artikel 5. 3 Häufig werden auch Organe und Angestellte, manchmal sogar Gesellschafter der Konsortialbanken in die Freistellung einbezogen, was sich eher aus einer im angelsächsischen Rechtskreis möglichen persönlichen Haftung als aus einem konkreten Haftungsrisiko nach deutschem Recht erklärt, dazu Haag in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 23 Rz. 64.
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pflogenheiten bei internationalen Aktienplatzierungen. Sie ergibt sich nach deutschem Recht bereits aus dem Wesen einer Freistellungspflicht, die die Verpflichtung des Freistellungsschuldners umfasst, unbegründete Ansprüche von dem Freistellungsgläubiger abzuwehren (zur Frage der Übernahme der Rechtsverteidigung siehe sogleich Rz. 148)1. Klarstellend wird dabei meist erwähnt, dass die Freistellung nicht dadurch berührt wird, dass die Konsortialbanken bei der Erstellung der Prospekte mitgewirkt und in diesem Zusammenhang Untersuchungen vorgenommen haben2. 148
Bisweilen finden sich auch detaillierte Regelungen über die Pflicht zur Benachrichtigung des jeweils zur Freistellung Verpflichteten durch eine in Anspruch genommene Emissionsbank. Die praktische Relevanz dieser Regelung ist indes gering. Zum einen wird eine Prospekthaftungsklage höchst selten nur gegen die Emissionsbanken erhoben; die Gesellschaft wird in der Regel mitverklagt und erhält so automatisch Kenntnis vom Freistellungsfall. Zum anderen hat die in Anspruch genommene Bank ein eigenes Interesse, möglichst bald nach erstmaliger Inanspruchnahme ihre Freistellungsansprüche geltend zu machen. US-amerikanische Verträge enthalten daneben bisweilen eine Regelung, wonach die zur Freistellung verpflichtete Gesellschaft die Rechtsverteidigung der freizustellenden Emissionsbank übernehmen und selbst die insoweit für die Emissionsbank tätigen Rechtsberater auf eigene Kosten bestellen kann. In Deutschland ist eine solche Regelung jedoch eher selten. Sie dürfte auch nicht den Interessen der Parteien entsprechen. Eine Emissionsbank wird schon aus Gründen des Risikomanagements Wert darauf legen, ihre Interessen in einem solchen Prozess selbst wahrzunehmen und selbst Prozessanwälte ihres Vertrauens auszuwählen. Dabei ist zu bedenken, dass allein die Klageerhebung als solche unabhängig vom späteren Ausgang des Verfahrens ein erhebliches Reputationsrisiko für die betreffende Bank bedeuten kann. Auch können Interessenkonflikte zwischen Gesellschaft und Emissionsbank im Rahmen der Verteidigung gegen Prospekthaftungsansprüche nicht ausgeschlossen werden.
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ccc) Rechtliche Einordnung der Gewährleistungen. Die rechtliche Einordnung von Gewährleistungen in Übernahmeverträgen war, ähnlich denjenigen in Unternehmenskaufverträgen, bereits vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform jedenfalls im juristischen Schrifttum unklar. Dies lag nicht nur daran, dass es sich bei dem Übernahmevertrag um einen gemischt-typischen Vertrag handelt. Selbst wenn man auf den Übernahmevertrag wegen der größten Sachnähe (insbesondere bei Umplatzierungen bereits ausgegebener Aktien aus dem Bestand eines Altaktionärs) die Regelungen des Kaufrechts zur (entsprechenden) Anwendung bringen wollte, zeigten sich im Zusammenhang mit den üblichen Gewährleistungen Ungereimtheiten. Die Kategorien der kaufrechtlichen Gewährleistungsregelungen des BGB passten weder vor noch nach der Schuldrechtsreform auf solche Gewährleistungen, die sich größtenteils nicht auf die Aktien als „Kauf“sache, sondern auf das von dem Emittenten betriebene Unternehmen beziehen3. Um diesbezügliche Unsicherheiten zu vermeiden, hatte sich bereits vor der 1 BGH v. 15.10.2007 – II ZR 136/06, WM 2007, 2289, 2291. 2 Die bei Fleischer, ZIP 2007, 1969, 1971, insoweit aufgeführte angeblich übliche Ausnahme für Fehlverhalten der Bank bei der Unterstützung der Erstellung der Platzierungsdokumente ist in der Praxis ungebräuchlich und verkennt die im Emissionsgeschäft grundlegende Endverantwortung der Gesellschaft für die Platzierungsdokumente im Innenverhältnis zu den Emissionsbanken (dazu nachstehend insbesondere Rz. 151 ff.), vgl. zur marktüblichen Regelung anschaulich das Muster bei Groß in Happ, Art. 8 S. 1918. Bisweilen werden allenfalls Prospektfehler von der Freistellungsverpflichtung der Gesellschaft ausgenommen, die auf den von den Banken zugelieferten Informationen beruhen und zur Klarstellung in einem sog. blood letter abschließend aufgeführt werden, siehe unten Rz. 161. 3 Zu der dieser Einschätzung zu Grunde liegenden Analyse des „alten“ und des „neuen“ Schuldrechts ausführlich die 1. Aufl., § 7 Rz. 141 ff. m.w.N.
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Schuldrechtsreform bei Übernahmeverträgen – wie auch bei Unternehmenskaufverträgen – eine Marktpraxis etabliert, nach der die „Gewährleistungen“ in Form eines selbständigen verschuldensunabhängigen Garantieversprechens abgegeben werden. Damit konnte losgelöst von der kaufrechtlichen Systematik ein dem Parteilwillen entsprechendes Ergebnis erreicht werden, nämlich ein verschuldensunabhängiges Einstehen des Versprechenden für die Richtigkeit der von ihm abgegebenen „Gewährleistungen“. Bei Übernahmeverträgen trug diese Konstruktion angesichts deren gemischt-typischer Rechtsnatur zur Klarstellung bei und machte die Zuordnung des Vertrages zu einem bestimmten Typus des besonderen Schuldrechts entbehrlich. In diesem Zusammenhang stellt die Begründung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes klar, dass die – in ihrer Reichweite umstrittene – im Rahmen der Bestimmungen des Kaufrechts in § 443 BGB geregelte unselbständige Garantie für die Beschaffenheit der Kaufsache von dem selbständigen Garantieversprechen, das einen über die reine Sachmängelfreiheit hinaus gehenden Erfolg zum Gegenstand hat, zu unterscheiden ist1. Daher überrascht es nicht, dass die Praxis zur Vermeidung unnötiger kaufrechtsdogmatischer Diskussionen dabei geblieben ist, die Gewährleistungen bei Übernahmeverträgen als selbständiges verschuldensunabhängiges Garantieversprechen zu regeln.
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ddd) Aktienrechtliche Zulässigkeit von Gewährleistungen und Freistellung durch die Gesellschaft (1) Im Verhältnis zu den Emissionsbanken bei einer Kapitalerhöhung. Im Schrifttum ist vereinzelt diskutiert worden, ob die Übernahme von Gewährleistungen durch die Gesellschaft gegenüber dem Erwerber bzw. Zeichner von Aktien der Gesellschaft eine nach § 57 AktG unzulässige Einlagenrückgewähr darstellt2. Grds. kann eine Einlagenrückgewähr auch im Eingehen eines schuldrechtlichen Vertrages mit einem Aktionär bestehen, wenn ein objektives Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung besteht3. Es ist jedoch fraglich, ob das Eingehen vertraglicher Pflichten gegenüber einer Emissionsbank überhaupt in den Schutzbereich des § 57 AktG fällt4. Übernimmt eine Emissionsbank neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung, um sie bei Investoren zu platzieren oder um sie den Aktionären der Gesellschaft zum Bezug anzubieten, wird sie nicht im eigenen Interesse tätig. Sie handelt vielmehr als von der Gesellschaft beauftragter fremdnütziger Treuhänder, um diese bei der Platzierung bzw. bei der Durchführung eines Bezugsangebotes zu unterstützen (dazu Rz. 123 ff., 126). Die vorübergehende Aktionärsstellung der Bank ist dabei ein technisch bedingter Vorgang, der die Ausgabe neuer Aktien an Investoren bzw. bezugsberechtigte Aktionäre erleichtert5. Dies verdeutlicht auch § 186 Abs. 5 AktG, der klarstellt, dass die Ausgabe neuer Aktien an eine Bank zum Zwecke der erleichterten Abwicklung eines Bezugsangebotes keinen Ausschluss des Bezugsrechts darstellt. Mithin ist die – vorübergehende – Übernahme neuer Aktien im Rahmen der Abwicklung einer Kapitalerhöhung Teil der von der Bank im diesem Zusammenhang erbrachten Dienstleistung, nicht jedoch deren Betei-
1 Begründung zum Entwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes BT-Drucks. 14/6040, S. 237; Weidenkaff in Palandt, § 443 BGB Rz. 4. 2 Hoffmann-Becking in FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 36; dazu auch Technau, AG 1998, 445, 455. 3 Hüffer, § 57 AktG Rz. 8. 4 So sieht Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 14, in der Haftungsfreistellung des Emissionskonsortiums durch den Emittenten keinen Konflikt zu § 57 AktG. 5 Vgl. nur BGH v. 13.4.1992 – II ZR 277/90 – „Beton- und Monierbau“, BGHZ 118, 83, 96 f. = AG 1992, 312; BGH v. 5.4.1993 – II ZR 195/91 – „co op“, BGHZ 122, 180, 185 f., 189.
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ligung an der Gesellschaft auf eigene Rechnung1. Die Bedingungen dieser Dienstleistung müssen unabhängig von den Restriktionen des Gesellschaftsrechts im Wege einer adäquaten Risikozuordnung im Rahmen des Dienstverhältnisses geregelt werden können. Die Haftungsregelung im Innenverhältnis ist daher Ausdruck eines solchen interessegerechten2 Risikoausgleichs zwischen Vertragsparteien aufgrund des zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnisses, nicht aufgrund der – zumal abwicklungstechnisch bedingten – vorübergehenden Aktionärsstellung der Emissionsbank(en). Gläubigerrechte auf vertraglicher Grundlage zu marktgerechten Konditionen können jedoch mit Aktionären wie mit außenstehenden Dritten begründet werden3. 152
Mit der Übernahme der Prospektverantwortung durch die Gesellschaft gegenüber den Emissionsbanken werden die Risiken im Hinblick auf die Interessenlage adäquat zwischen den Vertragsparteien verteilt. Der Gesellschaft fließt der Erlös aus der Platzierung neuer Aktien zu. Sie profitiert auch ansonsten von einer im Kapitalmarkt platzierten Kapitalerhöhung. Über den reinen Mittelzufluss hinaus führt diese zu einer Verbesserung der Eigenkapitalbasis. Dies stärkt auch die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft und damit ihre Fähigkeit, Fremdkapital aufzunehmen, sei es durch Kredite, sei es über die Emission von Schuldverschreibungen. Eine Kapitalerhöhung führt ferner regelmäßig zur Verbreiterung der Aktionärsbasis. Dies gilt auch bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen. An diesen können sich auch Außenstehende durch den Erwerb von Bezugsrechten im Rahmen des in aller Regel (siehe oben) durchgeführten Bezugsrechtshandels oder auch den Erwerb nicht bezogener neuer Aktien im Rahmen der Verwertung durch die Emissionsbanken beteiligen. Hinzu kommt die aus einer Platzierung bzw. dem Bezugsangebot regelmäßig resultierende Steigerung des Streubesitzes und der Liquidität der Aktie sowie der Erhöhung der Marktkapitalisierung der Gesellschaft. Dagegen hat die Emissionsbank – wie ausgeführt – lediglich ein Provisionsinteresse. Ein weiteres maßgebliches Kriterium der Interessenwertung ist der Umstand, dass die Gesellschaft zwangsläufig die Sachherrschaft über die im Prospekt darzustellenden Informationen über sich selbst innehat; sie ist an diesen „näher dran“ (siehe oben Rz. 135)4.
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Schließlich haftet die Gesellschaft gegenüber den Anlegern genauso wie die Emissionsbanken als Prospektverantwortliche gemäß § 44 BörsG. Diese Haftung wird nicht durch § 57 AktG verdrängt, sie geht diesem vielmehr im Verhältnis zu den kla1 Soweit Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennzahl 055 Rz. 332 insoweit Bedenken im Hinblick auf § 56 Abs. 3 AktG anmelden, beziehen sich diese zum einen auf die – hier nicht in Rede stehende – Kapitalaufbringung; zu anderen lassen sie die Gründe an der gesetzgeberischen Wertung des § 186 Abs. 5 AktG anknüpfende Privilegierung der Emissionsbanken in der Rspr. des BGH (BGH v. 13.4.1992 – II ZR 277/90 – „Betonund Monierbau“, BGHZ 118, 83, 96 f. = AG 1992, 312; BGH v. 5.4.1993 – II ZR 195/91 – „co op“, BGHZ 122, 180, 185 f., 189) außer acht. Im Hinblick auf die nachfolgend dargestellten weiteren gegen die Anwendung von § 57 AktG sprechenden Gründe, kann dies jedoch dahinstehen, so i.E. auch Fleischer, ZIP 2007, 1969, 1973. 2 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 17 f. 3 Gebauer, Börsenprospekthaftung und Kapitalerhaltungsgrundsatz in der Aktiengesellschaft, 1999, S. 102 f.; ebenso Brandi, NZG 2004, 600, 602. 4 In diesem Sinne Technau, AG 1998, 445, 456; Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 55; grds. ebenso Bayer in MünchKomm AktG, 2. Aufl. 2003, § 57 AktG Rz. 89; insbesondere unter Verweis auf den Zufluss des Erlöses bei der Gesellschaft Drinhausen in Heidel, § 57 AktG Rz. 12; zur Letztverantwortlichkeit des Emittenten für den Prospekt auch Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 78; Ekkenga/Maas in Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennzahl 055 Rz. 475; ähnlich, den Vorrang der §§ 44 f. BörsG über § 57 AktG auch auf den Innenausgleich der Prospektverantwortlichen übertragend, Schnorbus, AG 2004, 113, 124; ebenso Cahn/Senger in Spindler/Stilz, § 57 AktG Rz. 38.
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genden Aktionären vor1. Gewährleistungen und Freistellungsverpflichtung der Gesellschaft gegenüber der Emissionsbank regeln somit das Innenverhältnis der gesamtschuldnerisch Prospektverantwortlichen. Eine solche gewillkürte Regelung des Gesamtschuldnerausgleichs i.S.v. § 426 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BGB soll aber von § 57 AktG nicht verdrängt werden2. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Emissionsbank eine eigene Pflicht trifft, auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospektes hinzuwirken. Diese Pflicht obliegt ihr als Prospektverantwortlicher gegenüber den Anlegern, die aufgrund des Prospektes Aktien erwerben, nicht jedoch gegenüber der Veräußererseite. Die Gesellschaft und ggf. abgebende Altaktionäre haben selbst Sorge dafür zu tragen, dass der Prospekt richtig und vollständig ist. Die Banken sind nicht bereit, insoweit der Gesellschaft gegenüber eine „Erfolgshaftung“ zu übernehmen; dies wäre bereits angesichts des zwangsläufigen Informationsvorsprungs der Gesellschaft in Bezug auf ihre eigenen Angelegenheiten auch unangemessen. Daher wird häufig bereits in den Mandatsvereinbarungen klargestellt, dass die Banken die Gesellschaft bei der Prospekterstellung unterstützen, nicht aber der Gesellschaft die Prospekterstellung abnehmen. Diese verbleibt im Verantwortungsbereich der Gesellschaft, die sich zu diesem Zweck der Hilfe von auf Kapitalmarktemissionen spezialisierten Rechtsberatern bedient. Die Verteilung des Haftungsrisikos im Innenverhältnis ist letztlich auch logische Konsequenz dieser Aufgabenverteilung. (2) Im Verhältnis zu Altaktionären bei einer Umplatzierung. Eine gesonderte Betrachtung ist geboten, wenn die Gesellschaft auch bei einer reinen Umplatzierung von Aktien aus Altaktionärsbestand, die nicht mit der Platzierung bzw. dem Angebot von Aktien aus einer Kapitalerhöhung einhergeht, die Erstellung eines Prospektes oder Informationsmemorandums aktiv begleitet und gegenüber den eingeschalteten Banken Gewährleistungen im Hinblick auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospektes oder Informationsmemorandums übernimmt.
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Gegenüber der Emissionsbank stellt dies keine verbotene Einlagenrückgewähr dar3. Diese wird auch hier nur vorübergehend und zum Zwecke der Platzierung Aktionär der Gesellschaft. Denkbar wäre zudem, dass die Platzierungsaktien auf einem für den Altaktionär bei der Emissionsbank eingerichteten Depot verbleiben und die Emissionsbank sie von dort unmittelbar auf Depots der Erwerber umbucht. In letzterem Falle gäbe es schon mangels Aktionärsstellung keinerlei Ansatzpunkt für eine Einlagenrückgewähr im Verhältnis zur Emissionsbank. Ein etwaiges vorübergehendes Halten der Platzierungsaktien durch die Emissionsbank die Aktien aus rein abwicklungstechnischen Gründen kann aber, da bei wirtschaftlicher Betrachtung kein anderer Lebenssachverhalt vorliegt, keine andere Behandlung rechtfertigen.
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Hingegen könnten Aufwendungen und die Übernahme von Gewährleistungen durch die Gesellschaft bei einer reinen Umplatzierung als Zuwendung an den abgebenden Aktionär angesehen werden. Eine verbotene Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 AktG dürfte aber nicht vorliegen, wenn die Gesellschaft dafür von dem abgebenden
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1 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 17 ff.; OLG Frankfurt a.M. v. 17.3.1999 – 21 U 260/97 – „MHM Mode“, ZIP 1999, 1005 = AG 2000, 132; ebenso mit eingehender Begründung: Gebauer, Börsenprospekthaftung und Kapitalerhaltungsgrundsatz in der Aktiengesellschaft, 1999; Cahn/Senger in Spindler/Stilz, § 57 AktG Rz. 46. 2 Henze in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 57 AktG Rz. 55; Fleischer in K. Schmidt/Lutter, § 57 AktG Rz. 28; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 18; Groß in BuB, Rz. 10/293c; ebenso Brandi, NZG 2004, 600, 602; Fleischer, ZIP 2007, 1969, 1972. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 20; Bayer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 57 AktG Rz. 91; ebenso LG Bonn v. 1.6.2007 – 1 O 552/05 – „Deutsche Telekom“, AG 2007, 715, 717 (n. rkr.); Fleischer, ZIP 2007, 1969, 1973.
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Aktionär eine das übernommene Haftungsrisiko ausgleichende Gegenleistung erhält1. Ansonsten kommt es darauf an, ob die Begleitung der Platzierungsvorbereitung und die Übernahme von Prospektverantwortung durch das eigene Interesse der Gesellschaft an der Platzierung gerechtfertigt ist2. Angesichts der in diesem Zusammenhang bestehenden Unsicherheiten, gerade auch angesichts des zu dieser Fragestellung ergangenen Urteils des LG Bonn aus dem Jahre 20073 (dazu siehe oben § 7 Rz. 19 ff.) mögen im Einzelfall daran jedoch (Rest-)Zweifel bestehen. 157
Wenn man im Verhältnis zum abgebenden Aktionär von einem Verstoß gegen § 57 AktG ausginge, fragt sich, ob dies auch im Verhältnis zur Emissionsbank die Nichtigkeit der betreffenden Gewährleistungen zur Folge hätte. Erbringt eine Aktiengesellschaft gegenüber einem Dritten eine Leistung, die sich im Verhältnis zu einem ihrer Aktionäre als Einlagenrückgewähr erweist, so bedeutet das nicht unbedingt, dass dies Auswirkungen auf den Dritten hat4. Vielmehr kommt es hier auf die Umstände des Einzelfalles an, insbesondere auf die Schutzwürdigkeit der Gesellschaft und die Kenntnis des Dritten davon, dass es sich im Verhältnis zu dem Altaktionär um eine verbotene Einlagenrückgewähr handelt5. Im Zusammenhang mit der Gewährung von Kreditsicherheiten durch eine Tochtergesellschaft des Kreditnehmers hat der BGH indes das Durchschlagen einer Einlagenrückgewähr im Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft auf die kreditgebende Bank auf den Fall der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB beschränkt. Diese liege vor, wenn Kreditinstitut und Muttergesellschaft bewusst zum Schaden der Tochtergesellschaft zusammenwirken, beispielsweise im Fall der Kollusion i.S.v. § 826 BGB, also wenn Täuschungsabsicht oder Schädigungsvorsatz gegeben sind6. Davon wird man bei Emissionsbanken im Hinblick auf die in einem Übernahmevertrag vereinbarten Gewährleistungen und Freistellungen der Gesellschaft im Zusammenhang mit einer Umplatzierung von Aktien aus Bestand eines Altaktionärs wohl kaum ausgehen können, so dass ein etwaiger Verstoß gegen § 57 AktG im Verhältnis zum abgebenden Altaktionär nicht durchschlagen dürfte7. Zweifel wurden daran jedoch für den Fall geäußert, dass Emissionsbanken sichere Kenntnis davon haben, dass der Gesellschaft aus der Umplatzierung keine vermögenswerten Vorteile zufließen, die das Freistellungsrisiko aufwiegen8. Auch wenn man dem nicht folgt, lässt sich zusätzliche Sicherheit für die Emissionsbanken dadurch gewinnen, dass sie sich von der Gesellschaft ausdrücklich gewährleisten lassen, dass sie von dem abgebenden Aktionär einen angemessenen Ausgleich für ihre Beteiligung an der Umplatzierung erhalten. Weiteren Schutz gewährt eine zu-
1 Henze in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 57 AktG Rz. 56; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 57 AktG Rz. 91; Drinhausen in Heidel, § 57 AktG Rz. 12 Fn. 19. 2 Hoffmann-Becking in FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 37; Henze in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 57 AktG Rz. 56; Technau, AG 1998, 445, 457; Schnorbus, AG 2004, 113, 124, Fn. 127; Überlegungen hierzu auch bei Krämer/Baudisch, WM 1998, 1161, 1166, Sigle/Zinger, NZG 2003, 301, 305. 3 LG Bonn v. 1.6.2007 – 1 O 552/05, AG 2007, 715. 4 Generell gegen eine Wirkung gegenüber Dritten Cahn/Senger in Spindler/Stilz, § 57 AktG Rz. 91. 5 Hüffer, § 57 AktG Rz. 23 f.; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 57 AktG Rz. 73 f.; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 57 AktG Rz. 158; Henze in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 57 AktG Rz. 212 ff. 6 BGH v. 19.3.1998 – IX ZR 22/97, BGHZ 138, 291, 298 ff. = AG 1998, 342 soll eine Einlagenrückgewähr nur im Falle der Kollusion (§ 826 BGB) auf Dritte durchschlagen. 7 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 22; Groß in BuB, Rz. 10/293c. 8 Fleischer, ZIP 2007, 1969, 1976, der aber dabei die wertende Betrachtung nicht quantifizierbarer Vor- und Nachteile außer Betracht lässt, siehe dazu § 6 Rz. 21 f.
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sätzliche Haftungsfreistellung für gegen die Emissionsbanken geltend gemachte Prospekthaftungsansprüche durch den Altaktionär1. eee) Gewährleistungen abgebender Altaktionäre. Werden Aktien aus Altaktionärsbestand platziert, so wird neben den Gewährleistungen der Gesellschaft auch von den Altaktionären erwartet, dass sie Gewährleistungen zu den Platzierungsaktien und zu den Verhältnissen der Gesellschaft abgeben. Schließlich fließt ihnen insoweit auch der Platzierungserlös zu. Der genaue Umfang dieser Gewährleistungen hängt allerdings im Einzelfall u.a. von der Nähe des betreffenden Altaktionärs zur Gesellschaft und seinem Kenntnisstand ab. Handelt es sich um einen Außenstehenden, der über keine weiteren Informationen verfügt als der Kapitalmarkt aufgrund der Pflichtmitteilungen der Gesellschaft, wird es ihm häufig schwer fallen, Gewährleistungen über die Verhältnisse der Gesellschaft abzugeben. Das gilt zumindest insoweit, als sie nicht durch die Einschränkung „nach bestem Wissen“ qualifiziert sind2. Anders wird man jedoch solche Altaktionäre zu beurteilen haben, die mit der Gesellschaft eng verbunden sind, z.B. als Gründungsgesellschafter oder Organmitglieder, und die aus diesem Grund über vertiefte eigene Kenntnisse der Gesellschaft verfügen.
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In jedem Fall hat ein Altaktionär für die wirksame Ausgabe, vollständige Einzahlung, Lastenfreiheit und freie Übertragbarkeit der Aktien sowie für etwaige Prospektangaben über sich selbst und die Einhaltung von Verkaufsbeschränkungen durch ihn selbst einzustehen. Dabei hat die ausdrückliche Garantie für den Bestand der Platzierungsaktien und das Fehlen von Belastungen nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform nicht mehr nur deklaratorische Bedeutung. § 437 BGB a.F., der eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung für Rechtsmängel begründete3, wurde gestrichen und die Unterscheidung zwischen Sach- und Rechtsmängeln aufgegeben4. Auf den Rechtskauf finden nun die Vorschriften über den Sachkauf entsprechende Anwendung, § 453 Abs. 1 BGB. Die Pflicht, eine sach- und rechtsmangelfreie Kaufsache zu liefern wird damit Teil der Erfüllungspflicht des Verkäufers5. Bei der Verletzung dieser Pflicht steht dem Käufer von Gesetzes wegen nur dann ein Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer zu, wenn der Verkäufer den Mangel zu vertreten hat6. Man mag im Falle von Rechtsmängeln zwar vermuten, dass die Rechtsprechung u.U. den Rechtsgedanken des § 437 Abs. 1 BGB a.F. im neuen Recht dahingehend zur Anwendung bringt, dass der Verkäufer eines Rechts Rechtsmängel immer zu vertreten habe. Ansatzpunkte für eine solche Auslegung finden sich jedoch zumindest in der Begründung des Regierungsentwurfes nicht. Es dürfte sich daher umso mehr empfehlen, insoweit ein ausdrückliches selbständiges verschuldensunabhängiges Garantieversprechen des Altaktionärs in Bezug auf die Rechtsmängelfreiheit vorzusehen.
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Korrespondierend zu den Gewährleistungen der Altaktionäre sehen Übernahmeverträge ferner vor, dass diese die Konsortialbanken, in dem Umfang, in dem aus der Verletzung dieser Gewährleistungen den Emissionsbanken ein Schaden entsteht, freizustellen haben.
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fff) Gewährleistungen der Emissionsbanken. Auch die Emissionsbanken geben im Rahmen des Übernahmevertrages Gewährleistungen ab. Diese beschränken sich freilich üb-
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1 Fleischer, ZIP 2007, 1969, 1976. 2 Ähnlich Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 349. 3 Zur Rechtslage vor der Schuldrechtsreform: Putzo in Palandt, § 437 BGB Rz. 6; BT-Drucks. 14/6040, S. 202. 4 Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 209. 5 Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 209. 6 Vgl. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB.
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licherweise auf die Einhaltung von Verkaufsbeschränkungen und ggf. die Richtigkeit der von ihnen im Rahmen der Prospekterstellung zugelieferten Informationen, die zur Klarstellung in einem so genannten blood letter abschließend aufgeführt werden. Mit einer korrespondierenden Freistellungsverpflichtung (cross indemnity) gehen diese Gewährleistungen allerdings eher selten einher1; diese sind insbesondere auch in der USPraxis eher unüblich. Dies mag damit zusammenhängen, dass etwaige Verstöße anders als im Falle falscher Prospektangaben eher nicht zur Inanspruchnahme der sich vertragstreu verhaltenden Partei durch Dritte führt, sondern lediglich zu einem Schaden, z.B. durch ein etwaiges vorübergehendes Angebots (cooling off period), der durch einen bilateralen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB kompensiert werden kann, ohne dass es insoweit einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung bedürfte. 162
ee) Verhaltenspflichten. Übernahmeverträge regeln ferner auf das künftige Verhalten der Vertragsparteien bezogene Pflichten, die im Interesse aller Beteiligten dazu beitragen sollen, den ordnungsgemäßen Ablauf der Platzierung und deren nachhaltigen Erfolg zu sichern.
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aaa) Verhaltenspflichten der Gesellschaft. Neben der Pflicht zur Vorbereitung und Veröffentlichung von Nachträgen und Prospektberichtigungen sowie den Verkaufsbeschränkungen ist hier die so genannte Marktschutzvereinbarung zu nennen, die oft bereits in der Mandatsvereinbarung enthalten ist (dazu oben Rz. 88). Im Übernahmevertrag wird diese wiederholt (nunmehr gegenüber dem gesamten Bankenkonsortium). Weitere Verhaltenspflichten betreffen das Unterlassen eigener Kurspflegeaktivitäten der Gesellschaft während der Stabilisierungsphase, die einer geordneten Stabilisierung durch den Konsortialführer als Stabilisierungsmanager zuwider laufen würden, sowie die Einhaltung von Zulassungsfolgepflichten (dazu im Einzelnen unten § 11).
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bbb) Verhaltenspflichten der Altaktionäre. Abgebende Altaktionäre verpflichten sich, oft für denselben Zeitraum wie die Gesellschaft, ohne die Zustimmung des Konsortialführers von ihnen noch gehaltene Aktien der Gesellschaft nicht anzubieten, zu veräußern oder deren geplante Veräußerung anzukündigen, da sich dies negativ auf den Aktienkurs auswirken könnte (so genannter Lock-up, siehe oben Rz. 98). Gleiches gilt für Transaktionen, die wirtschaftlich einem Verkauf entsprechen, so z.B. die Emission von Wertpapieren mit Wandlungs- oder Optionsrechten in Bezug auf die Aktien der Gesellschaft. Der tatsächliche Nutzen solcher – auch im Prospekt typischerweise zur Vertrauensbildung bei potentiellen Erwerbern dargestellten2 Verkaufsbeschränkungen wurde zwischenzeitlich insofern in Zweifel gezogen, als Zuwiderhandlungen zumindest faktisch nicht verhindert werden konnten3. Eine gewisse Absicherung zumindest gegen unmittelbare Verkäufe kann durch die Verbuchung der betreffenden Aktienbestände in ei1 Vgl. Schäfer in Grunewald/Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, 2007, § 8 IV.1.f); zurückhaltend auch Haag in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 23 Rz. 66. 2 Vgl. Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.85; Fleischer, WM 2002, 2305, 2310; vgl. die Pflicht zur Offenlegung so genannter Lock-up-Vereinbarungen unter Angabe der beteiligten Parteien, des Inhalts und der Ausnahmen der Vereinbarung sowie des davon erfassten Zeitraums, Annex III Ziff. 7.3 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004, ABl. EG Nr. L 149 v. 30.4.2004, S. 1. 3 Spektakulärstes Beispiel ist wohl die Veräußerung bzw. Verpfändung von Aktien der EM.TV AG durch zwei damalige Vorstandsmitglieder vor Ablauf eines zuvor in einem Verkaufsprospekt aufgeführten Veräußerungsverbotes, dazu LG Frankfurt a.M. v. 17.3.2003 – 3–07 O 26/01 – „EM.TV“, ZIP 2003, 400, 402 f.; OLG Frankfurt a.M. v. 6.7.2004 – 5 U 122/03 – „EM.TV II“, ZIP 2004, 1411, 1412 = AG 2004, 510; vgl. auch Fleischer, WM 2002, 2305, 2308 ff., der darauf hinweist, dass nach § 137 BGB nur schuldrechtliche Veräußerungsverbote, nicht aber solche mit dinglicher Rechtswirkung wirksam vereinbart werden können.
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nem Depot bei einer der Emissionsbanken erfolgen, das für die Laufzeit der Marktschutzklausel mit einer Sperre versehen ist1. Obwohl Marktschutzvereinbarungen als vertrauensbildende Maßnahme gegenüber den künftigen Anlegern dienen, kommt ihnen nach ganz h.M. allerdings kein Drittschutz zugunsten der Anleger zu, so dass diesen bei einem Verstoß keine Schadensersatzansprüche gegen den betreffenden Altaktionär zustehen2. ccc) Verhaltenspflichten der Emissionsbanken. Neben der Einhaltung der Verkaufsbeschränkungen verpflichten sich die Konsortialbanken, Maßnahmen zur Kursstabilisierung nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen vorzunehmen. Dazu sind sie zwar aufgrund zwingenden öffentlichen Rechts ohnehin verpflichtet. Die Aufnahme einer solchen Regelung dient indes vor allem der Klarstellung; insoweit wird erläuternd häufig ausgeführt, dass eine Verpflichtung zur Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen nicht besteht und etwaige Stabilisierungsmaßnahmen jederzeit beendet werden können3.
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ff) Aufschiebende Bedingungen, Rücktrittsrecht. Die Verpflichtungen der Konsortialbanken aus dem Übernahmevertrag stehen jeweils unter einer Reihe aufschiebender Bedingungen4. Dies ist erforderlich, da die Konsortialbanken während der Laufzeit des Angebotes, das bei Bezugsrechtsemissionen nach § 186 Abs. 1 Satz 2 AktG mindestens zwei Wochen andauern muss, den Risiken der Verschlechterung der Verhältnisse der Gesellschaft und der Marktverhältnisse ausgesetzt sind. Die aufschiebenden Bedingungen und das an sie anknüpfende Rücktrittsrecht ermöglichen ihnen den Abbruch der Platzierung bei Eintritt bestimmter Ereignisse, die deren Durchführung nicht angeraten erscheinen lassen. Das Rücktrittsrecht kann nur bis zur Abrechnung der Platzierung, dem so genannten Closing ausgeübt werden. Erfolgt diese durch Belieferung der Zuteilungen Zug um Zug gegen die Zahlung des Platzierungspreises sowie Weiterleitung des Emissions- bzw. Platzierungserlöses abzüglich bereits geleisteter Einlage sowie Provision und ggf. Kosten, ist die Emission bzw. Platzierung abgeschlossen. Ein Rücktritt kommt danach schon aus abwicklungstechnischen Gründen kaum mehr in Betracht. Sollten nicht alle Bedingungen eingetreten und kein ausdrücklicher Verzicht, jedoch die Abrechnung erfolgt sein, kann dies – jedenfalls bei Kenntnis der Sachlage – als konkludenter Verzicht auf die nicht eingetretene Bedingung aufgefasst werden5.
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aaa) Die Bedingungen im Einzelnen. Bedingungen für die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Übernahmevertrag können z.B. sein:
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– Keine Erkenntnisse der Konsortialbanken über die Verletzung von Vertragspflichten durch die Gesellschaft, insbesondere der Garantien; – (zum Zeitpunkt der Zeichnung) ordnungsgemäß beantragte bzw. (zum Zeitpunkt des Vollzugs) erfolgte Börsenzulassung der Platzierungsaktien; 1 Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 96; Fleischer, WM 2002, 2305, 2310. 2 Fleischer, WM 2002, 2305, 2310. 3 Weitere Regelungen, etwa über eine Stabilisierungsverpflichtung der Banken, finden sich dagegen in Übernahmeverträgen nicht (mehr), vgl. Krämer/Hess in Freundesgabe Döser, 1999, S. 171, 178, 181; Ekkenga, WM 2002, 317, 318. Eine ausdrückliche Verpflichtung würde auch den einschlägigen kapitalmarktrechtlichen Vorgaben, insbesondere dem Konzept des unabhängigen Stabilisierungsmanagers zuwiderlaufen, vgl. Vogel, WM 2003, 2437, 2440 f., dazu auch oben Rz. 77. 4 Beispiel für die entsprechenden Regelungen insbesondere im Mustervertrag bei Groß in BuB, Rz. 10/324, dort Artikel 10. 5 Bork in Staudinger, BGB, 13. Bearbeitung 1996, § 158 BGB Rz. 16; Wolf in Soergel, BGB, 13. Aufl. 1999, § 158 BGB Rz. 33; Westermann in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2001, § 158 BGB Rz. 40; BGH v. 21.9.1994 – VIII ZR 247/93, ZIP 1994, 1687, 1688.
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– Vorliegen von Bestätigungen mit von den Konsortialbanken erwartetem Inhalt der/ des: – Rechtsberater der Gesellschaft und der Konsortialbanken über die rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft (so genannte Legal Opinions) und die Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektangaben (so genannte Disclosure Opinions); – US-Rechtsberater dazu, dass eine Registrierung des Angebotes bei der U.S. Securities and Exchange Commission (SEC) nicht erforderlich ist (so genannte Non Registration Opinion, meist Teil einer umfassenderen U.S. Legal Opinion, die zu weiteren im Rahmen des Angebots relevanten Fragen des US-Rechts Stellung nimmt); – Wirtschaftsprüfer der Gesellschaft zu die in den Prospekt aufgenommenen Finanzzahlen sowie zu Erkenntnissen über deren zwischenzeitliche Entwicklung bis zum Prospektdatum (so genannte Comfort Letter); – Vorstandsmitglieder über die Richtigkeit der von der Gesellschaft übernommenen Garantien; – (zum Zeitpunkt der Zeichnung) wirksamer Beschluss über die Kapitalerhöhung; – Einigung über den Platzierungspreis (sofern nicht bereits im Rahmen des Festpreisverfahrens bei Unterzeichnung des Übernahmevertrages festgelegt); – keine (wesentlichen) nachteiligen Veränderungen der Verhältnisse der Gesellschaft (so genannte material adverse change – oder kurz MAC-Klausel)1; – kein Eintritt unvorhergesehener Veränderungen der Kapitalmärkte, die die Durchführung der Emission gefährdet erscheinen lassen (so genannte force majeure Klausel)2. 168
Das Vorliegen der Bestätigungen bzw. der Nichteintritt der erwähnten Ereignisse sind jeweils aufschiebende Bedingung für die Vornahme einzelner Schritte durch die Emissionsbanken im Zuge der Durchführung einer Platzierung wie z.B. Druckfreigabe für den Prospekt, Zeichnung neuer Aktien, tatsächliche Übernahme und Platzierung sowie Abrechnung und Auskehrung des Emissions- bzw. Platzierungserlöses. So wird verhindert, dass die Verpflichtungen der Konsortialbanken bei Ausbleiben einer der 1 Formulierungsbeispiel für eine Material Adverse Change-Klausel: „Seit den Stichtagen, die für die in den Platzierungsdokumenten enthaltenen Angaben maßgeblich sind, ist eine kursrelevante nachteilige Änderung oder voraussichtlich kursrelevante nachteilige Änderung in der Vermögens-, Finanz-, oder Ertragslage oder der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft und der mit ihr verbundenen Unternehmen (als Einheit betrachtet) eingetreten oder deren Eintritt wahrscheinlich, die nicht oder nicht in diesem Umfang in den Platzierungsdokumenten genannt ist.“ Allgemein zu Material Adverse Change-Klauseln in der US-amerikanischen Gestaltungspraxis Schlößer, RIW 2006, 889. 2 Formulierungsbeispiel für eine Force Majeure-Klausel: „Nach dem Abschluss dieses Vertrages ist (i) eine Änderung in den nationalen oder internationalen finanziellen, politischen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, Rechtsvorschriften, Devisenwechselkursen oder Devisenkontrollen oder der Ausbruch oder eine Verschärfung von kriegerischen oder feindseligen Handlungen eingetreten, die auf die Finanzmärkte, in denen die Platzierungsaktien platziert werden sollen, erhebliche negative Auswirkungen hat, (ii) eine wesentliche Beschränkung des Wertpapierhandels an der Frankfurter, Londoner oder New Yorker Wertpapierbörse, oder eine wesentliche Beschränkung der Wertpapierabwicklung oder des Bankgeschäfts in Deutschland, Großbritannien oder den Vereinigten Staaten erfolgt oder (iii) der Börsenhandels der Aktien der Gesellschaft an einer Börse, an der die Aktien der Gesellschaft gehandelt werden, ausgesetzt worden.“ Allgemein zu Force Majeure-Klauseln in internationalen Wirtschaftsverträgen Plate, RIW 2007, 42.
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genannten Bedingungen automatisch bindend werden. Der dadurch ausgelöste Schwebezustand wird durch Ausübung des für den Fall des Ausbleibens einer Bedingung eingeräumten Rücktrittsrechts wieder beseitigt. Das gesamte Vertragsverhältnis wird ex nunc in ein Abwicklungs- und Rückgewährschuldverhältnis umgestaltet1. Die Parteien haben also gemäß § 346 Abs. 1 BGB einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Die Feststellung des Eintritts bzw. Nichteintritts nachteiliger Veränderungen der Gesellschaft oder der Kapitalmärkte (material adverse change und force majeure) erfordert eine Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse. Dabei steht den Emissionsbanken grds. Ermessen zu2. Dies ist konsequent, da es sich bei dem Rücktritt um ein den Banken eingeräumtes Gestaltungsrecht handelt und die Entscheidung über seine Ausübung kurzfristig erfolgen muss. Bisweilen wird eine vorherige Konsultation mit der Gesellschaft vorgesehen. Das erscheint jedoch entbehrlich, da die Parteien üblicherweise bei dem Eintritt eines solchen Ereignisses das weitere Vorgehen besprechen werden. Den Banken muss aber – da es sich um ein ihnen eingeräumtes Gestaltungsrecht handelt – das Letztentscheidungsrecht verbleiben3. Zur erleichterten Abwicklung des Vertragsverhältnisses und der Ausübung der eingeräumten Gestaltungsrechte ist es üblich, dass der Konsortialführer dabei auch für die anderen Konsortialbanken handelt und im Übernahmevertrag dazu bevollmächtigt wird4. Dies schließt auch das Recht des Konsortialführers ein, namens der Konsortialbanken auf den Eintritt einer oder mehrer Bedingung(en) zu verzichten.
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bbb) Rechtsfolgen des Nichteintritts von Bedingungen bzw. des Rücktritts (1) Umplatzierung von Altaktien. Bei einer geplanten Umplatzierung von Altaktien wirft der Rücktritt der Banken vom Übernahmevertrag keine besonderen Probleme auf. Den Altaktionären sind etwa zum Zweck der Durchführung der Platzierung schon auf ein bei dem Konsortialführer eingerichtetes Wertpapierdepot übertragene Platzierungsaktien zurückzugewähren.
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(2) Platzierung von Aktien aus einer Kapitalerhöhung. Bei der geplanten Platzierung neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung ist zu unterscheiden, in welchem Stadium der Durchführung der Kapitalerhöhung ein Rücktritt erfolgt. Wurden die neuen Aktien noch nicht gezeichnet und die Durchführung der betreffenden Kapitalerhöhung noch nicht zum Handelsregister angemeldet, entfallen aufgrund des Rücktritts die Verpflichtung der Emissionsbank(en) zur Zeichnung sowie die weiteren Verpflichtungen nach dem Übernahmevertrag. Ist der Zeichnungsschein bereits übergeben, aber noch keine Anmeldung erfolgt, hat die Gesellschaft den Zeichnungsschein zurückzugeben. Erfolgt der Rücktritt nach Einreichung des Zeichnungsscheins beim Handelsregister, hat sich die Gesellschaft nach besten Kräften um die Rücknahme des Antrages auf Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung zu bemühen (siehe 42 Rz. 107)5. Wird dieser Antrag erfolgreich zurückgenommen, entfallen die Verpflichtungen der Emissionsbank(en) zur Zeichnung sowie ihre sonstigen Verpflichtungen aus dem Übernahmevertrag. Die Gesellschaft hat den Zeichnungsschein zurückzugeben und eine eingezahlte Einlage zugunsten der Bank, die die Zahlung geleistet hat, freizugeben.
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1 Grüneberg in Palandt, § 346 BGB Rz. 4 f. 2 Haag in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 23 Rz. 75; zu entsprechenden Klauseln bei Finanzierungstransaktionen Gray/Muzilla, IFLR 3/2003, 18, 19 f. 3 Vgl. Busch, WM 2001, 1277, 1278, insbes. Fn. 14. 4 Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 47; angedeutet bei Busch, WM 2001, 1277, 1278, Fn. 15. 5 Dazu Pfeiffer/Buchinger, BB 2006, 2317.
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Börsennotierung
Erfolgt der Rücktritt erst nach Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung oder kommt es trotz des Rücktrittes zur Eintragung, ergibt sich das Problem, dass eine Rückabwicklung der Kapitalerhöhung nur schwer möglich ist. Zwar wäre denkbar, eine Kapitalherabsetzung durchzuführen. Wegen des dafür erforderlichen Aufwandes (Beschluss der Hauptversammlung – grds. mit qualifizierter Mehrheit, §§ 222 Abs. 1, 237 Abs. 4 AktG, grds. Sicherheitsleistung an die Gläubiger der Gesellschaft, § 225 Abs. 1 AktG) kommt dies aber kaum in Betracht1. Stattdessen sehen Übernahmeverträge regelmäßig Folgendes vor2: – Gesellschaft und Banken erörtern, ob und für welchem Zeitraum das Angebot verschoben und ggf. zu einer niedrigeren Preisspanne bzw. einem niedrigeren Bezugspreis erneut durchgeführt wird; dabei wird ein Zeitraum für die maximale Verschiebung festgelegt, z.B. zwei Wochen, gerechnet ab dem ursprünglichen vorgesehenen Abrechnungstag. – Können sich die Gesellschaft und die Banken nicht innerhalb einer bestimmten Frist (z.B. fünf Bankarbeitstage) über eine Verschiebung verständigen, hat die Gesellschaft das Recht, binnen eines bestimmten Zeitraumes (z.B. 14 Tage) einen oder mehrere Erwerber zu benennen, an den/die die neuen Aktien zu einem bestimmten Preis zu verkaufen sind; alternativ kann die Gesellschaft die Banken auch anweisen, die neuen Aktien den Aktionären (nochmals) zum Bezug anbieten. – Benennt die Gesellschaft innerhalb der vereinbarten Frist keinen Erwerber, sehen bei Gesellschaften mit überschaubarem Aktionärskreis Übernahmeverträge bisweilen ein Recht der Banken vor, von den Altaktionären die anteilige Übernahme der neuen Aktien gegen Erstattung der insoweit erbrachten Einlage verlangen zu können (so genannte put option). – Wenn die Gesellschaft weder einen Erwerber innerhalb der dafür bestimmten Frist benannt noch ein erneutes Bezugsangebot verlangt hat bzw. eine etwa vereinbarte put option gegenüber den Altaktionären nicht eingreift bzw. von diesen nicht erfüllt wird, sind die Banken berechtigt, die Neuen Aktien freihändig zu veräußern (so genannter fire sale); die Gesellschaft erhält den dabei erzielten Erlös abzüglich des bereits geleisteten Ausgabebetrages und der auf die veräußerten Aktien entfallenden Provision und zu erstattender Auslagen und Kosten. – Sollten bei Bezugsrechtsemissionen Inhaber von Bezugsrechten ihre Bezugsrechte bereits ausgeübt haben, ist der Rücktritt vom Übernahmevertrag insoweit als nicht erfolgt anzusehen. Diese Bezugsrechtsinhaber erwerben damit die von ihnen bezogenen neuen Aktien zum Bezugspreis. Dies hängt damit zusammen, dass das Bezugsangebot – anders als das „Verkaufsangebot“ bei einer bezugsrechtsfreien Platzierung – als bindender Antrag i.S.v. § 145 BGB angesehen wird, so dass mit der Bezugserklärung durch den Bezugsberechtigten ein Kaufvertrag über die bezogenen Aktien zum Bezugspreis zustande kommt3. 1 Busch, WM 2001, 1277, 1278; Technau, AG 1998, 445, 452. 2 Busch, WM 2001, 1277, 1278; Technau, AG 1998, 445, 452; ähnlich das Muster bei Groß in BuB, Rz. 10/324 unter Artikel 10. 3 Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 112. Dagegen verfallen noch nicht ausgeübte, aber im Rahmen des Bezugsrechtshandels weiterveräußerte Bezugsrechte, vgl. Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2184. Darauf wird in dem Bezugsangebot in der Regel ausdrücklich hingewiesen. Eine entsprechende Formulierung lautet: „Die Konsortialbanken behalten sich vor, unter bestimmten Bedingungen vom Aktienübernahmevertrag zurückzutreten. In diesem Falle entfällt das Bezugsrecht. Eine Rückabwicklung von Bezugsrechtshandelsgeschäften durch die die Bezugsrechtsgeschäfte vermittelnden Stellen findet in einem solchen Falle nicht statt. Anleger, die Bezugsrechte im Rahmen des börslichen Bezugsrechtshandels erworben haben, erleiden in diesem Fall einen Verlust.“
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§8
Übernahme und Platzierung von Aktien
Bei Bezugsrechtsemissionen kann ein nochmaliges Bezugsangebot zu einem geringeren Bezugspreis sinnvoll sein. Werden die Aktien nämlich nach dem Fehlschlagen der ursprünglichen Emission zu einem niedrigeren Preis als dem zuvor angebotenen Bezugspreis an einen Dritten veräußert, könnte dies unter dem Gesichtspunkt des so genannten faktischen Bezugsrechtsausschlusses bedenklich sein1. Bei Emissionen mit erleichtertem Bezugsrechtsausschluss nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG kann dies ebenfalls geboten sein, wenn die Rechtfertigung für den erleichterten Bezugsrechtsausschluss (Ausgabe nicht wesentlich unter Börsenpreis) weggefallen ist (zu den Einzelheiten siehe § 42 Rz. 86 f.). Von einem erneuten Bezugsangebot soll man allerdings dann absehen können, wenn der Veräußerungspreis, den ein Dritterwerber zahlt, nicht wesentlich unter dem dann aktuellen Börsenkurs liegt. Ähnliche Erwägungen gelten auch bei einem Bezugsrechtsausschluss außerhalb des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG. Hier könnte der Preis, zu dem die neuen Aktien an den Dritterwerber veräußert werden, u.U. als „unangemessen niedrig“ i.S.v. § 255 Abs. 2 AktG angesehen werden2. Auch bei einem fire sale nach Fehlschlagen einer Veräußerung an einen Dritterwerber dürften ähnliche Erwägungen gelten3.
173
Erfolgt der Rücktritt vom Übernahmevertrag nach erfolgter Zuteilung, so haben die Emissionsbanken die Platzierungsaktien durch die Zuteilung bereits weiterveräußert. Allerdings stehen die Ansprüche der einzelnen Investoren, denen Aktien zugeteilt wurden, auf Lieferung der zugeteilten Stücke regelmäßig ebenfalls unter dem Vorbehalt des Rücktritts der Emissionsbanken. Das Verkaufsangebot, das den Inhalt des mit Zuteilung zustande kommenden Kaufvertrages konkretisiert, enthält regelmäßig einen solchen ausdrücklichen Hinweis4.
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gg) Provisionen, Aufwendungen, Auslagen. Der Übernahmevertrag sieht ferner eine Regelung über die den Konsortialbanken zustehenden Provisionen sowie den von der Gesellschaft und den Altaktionären geschuldeten Ersatz von Aufwendungen und Auslagen vor. Der Inhalt dieser Bestimmung ergibt sich zumeist aus bereits in der Mandatsvereinbarung getroffenen Abreden.
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hh) Sonstiges. Üblicherweise enthalten Übernahmeverträge die auch aus anderen Vertragswerken wie z.B. Unternehmenskaufverträgen bekannten allgemeinen Regeln. Im Einzelnen sind dies: Rechtswahl-, Gerichtstands und Schriftformklausel sowie eine salvatorische Klausel zum Ausschluss des § 139 BGB, nach dem die Teilnichtigkeit eines Vertrages in der Regel dessen Gesamtnichtigkeit zur Folge hat5.
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Eine ähnliche Formulierung findet sich z.B. im Bezugsangebot der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG aus dem Oktober 2003, das in dem in diesem Zusammenhang veröffentlichten Verkaufsprospekt vom 24.10.2003 auf S. 16 abgedruckt ist. Ähnlich Busch, WM 2001, 1277, 1279 f., der aber offenbar verlangt (Fn. 32), dass die Aktien zu dem Preis anzubieten sind, zu dem die Banken die Aktien gezeichnet hatten (d.h. typischerweise dem geringsten Ausgabebetrag). Solange aber die neuen Aktien zu einem höheren Preis an einen Dritten veräußert werden können, erscheint dies nicht zwingend. Wie hier: Kraft/ Krieger in MünchHdb. AG, § 56 Rz. 106, § 56 Rz. 73. Busch, WM 2001, 1277, 1279; Technau, AG 1998, 445, 453. Ebenso Harrer in Beck’sches Hdb. AG, § 23 Rz. 119. Die entsprechende Formulierung kann z.B. lauten: „Der Kaufvertrag über die Platzierungsaktien kommt mit Zuteilung an den Anleger zustande. Die Konsortialbanken behalten sich vor, die Durchführung des Angebots unter bestimmten Umständen abzubrechen. Bei Vorliegen solcher Umstände sind die Konsortialbanken berechtigt, bis zum [Datum, Zeit] vom Kaufvertrag zurückzutreten. Damit werden bereits vorgenommene Zuteilungen unwirksam.“ Eingehend dazu sowie zur Behandlung etwaiger zwischen Zuteilung und Rücktritt erfolgter Börsengeschäfte in den neuen Aktien: Busch, WM 2001, 1277, 1279. Dazu Mayer-Maly/Busche in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2001, § 139 BGB Rz. 5 sowie z.B. BGH v. 24.9.2002 – KZR 10/01, DB 2003, 500.
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Börsennotierung
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Hinsichtlich der Rechtswahl liegt bei Kapitalmaßnahmen deutscher Emittenten die Wahl deutschen Rechts nahe und wird von der Gesellschaft in der Regel auch verlangt. In Fällen internationaler Platzierungen, an denen ausländische Investmentbanken beteiligt sind, ist dies jedoch nicht zwingend. Es wäre durchaus denkbar, dass ein Übernahmevertrag in einem solchen Fall nicht rein deutscher Anknüpfung z.B. dem englischen oder dem New Yorker Recht unterstellt wird. Dies kann allerdings zu einer Reihe praktischer Probleme führen1. Das Geringste mag noch sein, dass solche Verträge sinnvollerweise in englischer Sprache abgefasst und daher auch verhandelt werden. Dies ist selbst bei Übernahmeverträgen nach deutschem Recht nicht unüblich und bereitet auch auf Emittentenseite selten Schwierigkeiten. Allerdings sind die englischen bzw. amerikanischen Vertragsmuster an die dargestellte Mechanik von Kapitalerhöhungen deutscher Aktiengesellschaften anzupassen, die sich in ihrem Ablauf von denjenigen englischer und US-amerikanischer Gesellschaften unterscheiden (zu nennen sind z.B. die Pflicht zur Leistung einer (Mindest-)Einlage und die Eintragung in das Handelsregister). Zudem kann die Verhandlung von Übernahmeverträgen durch US-Anwälte auf beiden Seiten, die wegen der Besonderheiten deutschen Rechts durch deutsche Kollegen unterstützt werden müssen, zu einem nicht unerheblichen Kosten(mehr)aufwand führen. Schließlich ist zu bedenken, dass die Wahl des ausländischen Rechts auch sinnvollerweise mit einem ausländischen Gerichtsstand einhergeht. Wiewohl ein Vergleich der Effizienz von Gerichtsverfahren in verschiedenen Rechtsordnungen den Rahmen dieses Beitrags sprengen dürfte, sei darauf hingewiesen, dass die obsiegende Partei dann ggf. gezwungen wäre, einen ausländischen Titel in Deutschland zu vollstrecken, weil kein ausreichendes in Großbritannien oder den USA belegenes Vermögen der anderen Partei vorhanden ist, in das vollstreckt werden könnte. Dazu wäre die gerichtliche Vollstreckbarerklärung des Titels durch ein inländisches Gericht erforderlich2. Daher wird in der Praxis auch bei Beteiligung US-amerikanischer Investmentbanken in Übernahmeverträgen für Emissionen deutscher Emittenten i.d.R. deutsches Recht gewählt. Dafür spricht auch, dass eine im Zusammenhang mit einer Aktienplatzierung durchzuführende Kapitalerhöhung einer deutschen Aktiengesellschaft als solche zwingend deutschem Recht als dem Gesellschaftsstatut unterliegt3. Daher sollte auch die schuldrechtliche Verpflichtung zur Mitwirkung bei dieser Kapitalerhöhung derselben Rechtsordnung unterstellt werden4.
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Bisweilen wird vorgeschlagen, die Anwendbarkeit des als Vertragsstatut gewählten deutschen Rechts auf das materielle Recht zu beschränken, während die Wahl deutschen Kollisionsrechts ausgeschlossen wird5. Dadurch soll eine etwaige aus dem Kollisionsrecht resultierende Verweisung auf ein anderes materielles Recht als das gewählte (renvoi) vermieden werden. Diese Sorge ist freilich unbegründet, ermöglicht doch Art. 27 Abs. 1 EGBGB den Vertragsparteien die freie Wahl des auf den Vertrag anwendbaren Rechts. Lediglich Art. 27 Abs. 3 EGBGB schließt bei ausschließlicher Verbindung des vom Vertrag geregelten Sachverhaltes zu einem Staat die Abweichung 1 Zum Vergleich zwischen deutscher bzw. kontinentaleuropäischer und angloamerikanischer Vertragspraxis Merkt, ZHR 171 (2007), 490; Seibel, AnwBl. 2008, 313. 2 Art. 38 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG Nr. L 12 v. 16.1.2001, S. 1; §§ 722 ff. ZPO. 3 Assmann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, Einl. Rz. 593; Großfeld in Staudinger, BGB, 13. Bearbeitung 1993, Internationales Gesellschaftsrecht Rz. 240; Heider in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2000, Einleitung Rz. 132. 4 Ebenso Groß in Happ, Aktienrecht, 16.02 Rz. 1. 5 Vgl. zur ähnlich gelagerten Praxis bei Unternehmenskaufverträgen Wetzler in Hölters, Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs, 6. Aufl. 2005, Teil XIII Rz. 38 Fn. 4.
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Übernahme und Platzierung von Aktien
von zwingenden Bestimmungen des Rechts jenes Staates aus. Bei Verträgen über die Platzierung von Aktien deutscher Emittenten steht, zumal bei Beteiligung deutscher Parteien, die Anknüpfung (auch) nach Deutschland nicht in Zweifel. Somit hat diese Ausnahme hier ersichtlich keine Bedeutung. Ein renvoi durch Regelungen des deutschen Kollisionsrechts ist also nicht zu befürchten. Zudem bezieht sich die Rechtswahl des Vertragsstatuts nach Art. 35 Abs. 1 EGBGB ohnehin (nur) auf das materielle Recht1. Hinzu kommt, dass ungeachtet einer vertraglichen Rechtswahl ein deutsches Gericht in jedem Fall von Amts wegen das deutsche IPR als das Kollisionsrecht der lex fori anzuwenden hat2. Bei der Wahl deutschen Rechts als Vertragsstatut sollte ein Rechtsstreit aus oder im Zusammenhang mit dem Übernahmevertrag sinnvollerweise vor einem deutschen Gericht geführt werden. Meist wird als Gerichtsstand für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Übernahmevertrag Frankfurt am Main gewählt. Viele im Emissionsgeschäft tätige deutsche Kreditinstitute haben dort ihren Sitz und damit ihren allgemeinen Gerichtsstand. Zudem war bis zum Inkrafttreten des KapMuG3 am 1.11.2005 für die Entscheidung über Prospekthaftungsansprüche aus § 44 BörsG gemäß § 48 Satz 1 BörsG a.F. das Landgericht am Sitz der Börse, deren Zulassungsstelle den betreffenden Prospekt gebilligt oder eine Befreiung von der Pflicht zu Prospektveröffentlichung erteilt hat, ausschließlich zuständig. Angesichts der überragenden Marktstellung der Frankfurter Wertpapierbörse führte dies dazu, dass Prospekthaftungsansprüche in aller Regel vor dem Landgericht Frankfurt verhandelt wurden. § 48 BörsG wurde jedoch durch das KapMuG aufgehoben und durch § 32b ZPO ersetzt. Nach § 32b Abs. 1 Satz Nr. 1 ZPO ist für Klagen auf Schadensersatz wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen ausschließlich das Gericht am Sitz des betroffenen Emittenten zuständig, es sei denn, dieser Sitz befindet sich im Ausland4. Eine Klage gegen eine Emissionsbank auf Prospekthaftung wird daher mit hoher Wahrscheinlichkeit am Gericht des Sitzes des Emittenten erhoben werden. Deshalb sollte der im Übernahmevertrag gewählte Gerichtsstand nicht ausschließlich sein. Läge nämlich die ausschließliche Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Übernahmevertrag bei einem anderen Gericht als jenem, das über eine Prospekthaftungsklage zu entscheiden hat, wäre damit die – prozessökonomisch sinnvolle – Möglichkeit der Streitverkündung nach § 72 Abs. 1 ZPO abgeschnitten. Dieser stünde dann die Vereinbarung einer anderweitigen ausschließlichen Zuständigkeit entgegen5. Ähnliche Überlegungen gelten bei internationalen Platzierungen im Hinblick darauf, dass eine Derogation durch einen ausschließlichen Gerichtsstand bei Prospekthaftungsprozessen im Ausland eine u.U. nach dem dortigen Zivilprozessrecht mögliche Streitverkündung ebenfalls ausschließen könnte.
1 Martiny in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2006, Art. 35 EGBGB Rz. 1. 2 Heldrich in Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, Einl. v. Art. 3 EGBGB Rz. 1; Geimer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 293 Rz. 9; BGH v. 21.9.1995 – VII ZR 248/94, NJW 1996, 54; BGH v. 10.4.2003 – VII ZR 314/01, NJW 2003, 2605; ebenso unter Verweis auf auch in anderen im internationalen Geschäftsverkehr maßgeblichen Rechtsordnungen, insbesondere in den Bundesstaaten der USA Gruson, The International Lawyer Vol. 37, 1023 ff.; Gruson/Hutter/Kutschera, Legal Opinions in International transactions, 4. Aufl. 2003, S. 192 ff. 3 Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – KapMuG) v. 16.8.2005, BGBl. I 2005, 2437. 4 Zu Recht kritisch hierzu Möllers/Weichert, NJW 2005, 2737, 2739; Duve/Pfitzner, BB 2005, 673, 676 f.; so schon Meyer, WM 2003, 1349, 1355. 5 Vgl. z.B. Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 72 ZPO Rz. 1a.
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Börsennotierung
e) Privatplatzierung 180
aa) Kapitalerhöhung. Die Privatplatzierung von neuen Aktien aus einer Kapitalerhöhung bei institutionellen Investoren erfreut sich bei börsennotierten Gesellschaften immer größerer Beliebtheit. Dies hat seinen Grund zum einen in der bereits angesprochenen Möglichkeit der prospektfreien Börsenzulassung bei Volumina unter 10 % des bisherigen Grundkapitals (siehe oben). Daneben kann auch die vertragliche Dokumentation deutlich schlanker gestaltet werden. Bestimmungen, die sich auf den Prospekt beziehen, können entfallen. Angesichts des Volumens wird in der Regel auch nur eine Emissionsbank tätig, was den Verhandlungsprozess vereinfacht.
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Der Ablauf einer solchen Kapitalerhöhung ähnelt dem der Mehrzuteilungstranche bei einem öffentlichen Angebot, wenn diese mit einer von der Gesellschaft gewährten Greenshoe-Option kombiniert wird, die diese durch Ausgabe neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital bedient. Voraussetzung ist, dass eine ausreichende Zahl an bestehenden Aktien zur Verfügung steht, die von einem oder mehreren Altaktionären der Emissionsbank zum Zwecke der Platzierung im Wege der so genannten Aktienleihe zur Verfügung gestellt werden können (siehe oben Rz. 67). Dies dient dazu, unabhängig von der Dauer des Verfahrens zur Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister (die Voraussetzung für die Ausgabe neuer Aktien ist, vgl. §§ 203, 191 AktG) und des Verfahrens zur Börsenzulassung der neuen Aktien eine Platzierung schnell durchführen zu können (dazu auch unten § 43 Rz. 23). So können auch in volatilen Märkten kurzfristig auftretende Marktchancen genutzt werden. Eingeleitet wird die Platzierung durch einen (Grundsatz-)Beschluss des Vorstandes, der – mit Zustimmung des Aufsichtsrats – eine Kapitalerhöhung um einen unter 10 % des Grundkapitals liegenden Betrag beschließt1. Das Bezugsrecht wird dabei gemäß § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG ausgeschlossen. Dies setzt eine entsprechende Ermächtigung durch die Hauptversammlung gemäß §§ 202 Abs. 1, 203 Abs. 1, 2 i.V.m. § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG voraus. Der Kapitalerhöhungsbeschluss wird typischerweise nach Ende des Börsenhandels gefasst, weil sich dann das für Aktien deutscher Emittenten relevante Marktumfeld beruhigt. Mitunter wird selbst bei nicht in den USA börsennotierten Aktien der Börsenschluss in New York abgewartet, z.B. wenn man sich große Nachfrage aus den USA erwartet oder die Kursentwicklung auf dem US-Markt auf die Nachfrage nach Aktien des Emittenten besonderen Einfluss hat, z.B. weil maßgebliche Vergleichsunternehmen aus derselben Branche in den USA notiert sind. Sodann wird der Übernahmevertrag abgeschlossen, in dem sich die Emissionsbank aber nur insoweit zu Zeichnung und Übernahme neuer Aktien verpflichtet, wie sich die Parteien in einem nach erfolgtem Bookbuilding anzuschließenden Preisfestsetzungsvertrag auf das Platzierungsvolumen und den Platzierungspreis einigen2. Wird der Übernahmevertrag erst bei Preisfestsetzung abgeschlossen, ist ein gesonderter Preisfestsetzungsvertrag nicht mehr erforderlich. Neben der aufschiebend durch den Abschluss des Preisfestsetzungsvertrages bedingten Zeichnungs- und Übernahmeverpflichtung und der Pflicht zur Abführung des Platzierungserlöses enthält der Übernahmevertrag noch Regelungen über Gewährleistung und Freistellung der Emissionsbank durch die Gesellschaft. Die Gewährleistungen sind
1 Dieses – den nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG maximal möglichen Umfang leicht unterschreitende – Volumen ergibt sich aus § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG, wonach für die Zulassung von Aktien einer bereits zum Handel an demselben organisierten Markt zugelassenen Gattung kein Prospekt erforderlich ist, wenn deren Zahl über einen Zeitraum von zwölf Monaten unter 10 % der bereits zugelassenen Stücke derselben Gattung bleibt. 2 Vgl. Schlitt/Schäfer, AG 2005, 67, 73.
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§8
Übernahme und Platzierung von Aktien
in Ermangelung eines Prospektes deutlich schlanker gestaltet als bei einem öffentlichen Angebot und betreffen insbesondere folgende Punkte: – Richtigkeit der der Bank im Vorfeld der Emission zur Verfügung gestellten Informationen, – Richtigkeit des letzten veröffentlichten Einzel- und Konzernabschlusses sowie Quartals- und Zwischenberichtes der Gesellschaft, – keine wesentliche nachteilige Änderung der Vermögens-, Finanzlage und Ertragslage sowie des allgemeinen Geschäftsverlaufs der Gesellschaft oder für eine solche Änderung seit dem Stichtag des letzten geprüften Jahres- und Konzernabschlusses, – Einhaltung der Veröffentlichungspflichten der Gesellschaft (insbesondere nach § 15 WpHG), sowie keine derzeitige Inanspruchnahme der Möglichkeit der Selbstbefreiung von der Ad hoc-Publizität nach § 15 Abs. 3 WpHG durch die Gesellschaft, – Wirksamkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses und der ihm zu Grunde liegenden Hauptversammlungsermächtigung die Ausgabe der Neuen Aktien und deren Bedingungen, einschließlich des Bezugsrechtsausschlusses, – wirksame Ausgabe und freie Übertragbarkeit der Neuen Aktien. Im Fall der Verletzung dieser als selbständiges verschuldensunabhängiges Garantieversprechen ausgestalteten Gewährleistungen hat die Emissionsbank das Recht zum Rücktritt und/oder auf Schadensersatz. Darüber hinaus wird die Gesellschaft zur Freistellung der Emissionsbank und ihrer Mitarbeiter von Schäden bzw. Ansprüchen (einschließlich der Kosten zur Abwehr etwaiger Ansprüche) aus oder im Zusammenhang mit einer Verletzung oder von Dritten behaupteten Verletzung der Gewährleistungen und sonstigen Pflichten der Gesellschaft aus dem Übernahmevertrag verpflichtet. Zudem stehen die Verpflichtungen der Emissionsbank bis zu ihrer Erfüllung unter aufschiebenden Bedingungen, die im Wesentlichen den vorstehend unter Rz. 159 dargestellten entsprechen. Der Nichteintritt einer aufschiebenden Bedingung führt auch hier zum Rücktrittsrecht.
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Nach erfolgtem Kapitalerhöhungsbeschluss und Abschluss des Übernahmevertrages wird die Gesellschaft die Kapitalerhöhung unverzüglich ad hoc publizieren, die Emissionsbank diese über die elektronischen Informationssysteme bekannt machen und institutionelle Anleger auffordern, am nächsten Tag Zeichnungswünsche bei ihr anzumelden. Beginnend am nächsten Morgen wird dann auf der Grundlage dieser Zeichnungswünsche für einige Stunden ein so genanntes beschleunigtes Bookbuilding durchgeführt (so genanntes accelerated bookbuilding), das sich von dem Bookbuilding bei öffentlichen Angeboten durch die verkürzte Zeitdauer unterscheidet. Basierend auf dem so erzeugten Orderbuch erfolgt die endgültige Festlegung des Emissionsvolumens und des Platzierungspreises durch den Vorstand und die Zustimmung des Aufsichtsrates hierzu (bzw. eines zu diesem Zweck gebildeten Aufsichtsratsausschusses). Auf dieser Grundlage schließen die Gesellschaft und die Emissionsbank den Preisfestsetzungsvertrag, der den Tags zuvor geschlossenen Übernahmevertrag und die darin enthaltene Übernahme- bzw. Zeichnungsverpflichtung konkretisiert. Zeitgleich werden zu den im Preisfestsetzungsvertrag festgelegten Konditionen Aktien an Investoren zum Platzierungspreis zugeteilt.
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Daraufhin erfolgt die Zeichnung neuer Aktien durch die Emissionsbank im Umfang der Zuteilung. Auch in diesem Fall sollte eine Zeichnung „zu pari“, d.h. nur zum geringsten Ausgabebetrag zulässig sein. Zwar kann hier nicht argumentiert werden, der Platzierungspreis und damit die Differenz zum geringsten Ausgabebetrag stünde noch nicht fest. Allerdings handelt hier die Bank – ähnlich wie bei einer Kapitalerhöhung
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Börsennotierung
mir mittelbarem Bezugsrecht1 – im Rahmen der Zeichnung nur als Abwicklungshelfer zum Zwecke der erleichterten Durchführung der Platzierung, um eine Zeichnung der einzelnen Investoren zu vermeiden. Ein Grund für ihre Pflicht zur Vorleistung des Platzierungserlöses ist daher auch hier nicht gegeben. Es reicht deshalb auch bei dieser Gestaltung aus, wenn die zeichnende Bank sich verpflichtet, den Unterschiedsbetrag zwischen Mindesteinlage und Platzierungspreis abzüglich Provisionen an die Gesellschaft abzuführen (siehe oben Rz. 112). 185
Die Emissionsbank hat im Hinblick auf die Pflichten zur Erfüllung von Börsengeschäften nach den Regeln der Frankfurter Wertpapierbörse (so genanntes T+2 Settlement, vgl. § 7 Rz. 108) die zugeteilten Aktien in der Regel binnen zwei Börsentagen zu liefern (es sei denn ausnahmsweise wurde mit den Investoren eine längere Belieferungsfrist, so genanntes deferred settlement vereinbart). Daher erhalten die Investoren die „geliehenen“ Aktien, die der Emissionsbank von einem oder mehreren Altaktionären zur Verfügung gestellt worden waren. Nach Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister stellt die Gesellschaft über die neuen Aktien eine Globalurkunde aus, die sie Zug um Zug gegen Zahlung des von der Emissionsbank – abzüglich bereits erbrachter Einlage und Provision – zu leistenden Platzierungserlöses der Emissionsbank übergibt, mit der Maßgabe, diese bei der Clearstream Banking AG zur Einbeziehung in den Effektengiroverkehr einzuliefern. Sodann wird die Emissionsbank die neuen Aktien auf den bzw. die Altaktionäre übertragen, die alte Aktien im Wege der Wertpapierleihe zur Verfügung gestellt hatten, um so ihre Rückerstattungsverpflichtung aus der Leihe zu erfüllen.
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bb) Umplatzierung. Ein häufiger Fall der Privatplatzierung ist die Umplatzierung größerer Aktienbestände aus Altaktionärsbesitz. Diese werden in der Regel außerbörslich an einen oder mehrere institutionelle Anleger veräußert. Dabei kann man – je nach Ausgestaltung des Übernahmerisikos – zwischen Festübernahme und Übernahme nach besten Kräften (best efforts) unterscheiden; in jüngerer Zeit treten auch Mischformen auf.
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aaa) Festübernahme. Bei der Festübernahme kauft die Bank dem Altaktionär dessen Bestand an Veräußerungsaktien zu einem festen Preis ab2. Das Risiko der Weiterplatzierung trägt dann die Bank, der im Gegenzug auch ein über den Kaufpreis hinaus erzielter Erlös zusteht (so genanntes upside potential). Mit anderen Worten: die Gegenleistung für Übernahme und Platzierung ergibt sich aus der Differenz zwischen dem an den Altaktionär zu zahlenden Kaufpreis und dem bei der Weiterplatzierung erzielten Erlös. Angelehnt an die einfache Struktur als Kauf zu einem festen Preis bezeichnet man diese Art von Umplatzierung auch als bought deal; sie stellt die klassische Form der auch block trade genannten Umplatzierung dar. Auch hier werden von dem Altaktionär Gewährleistungen verlangt, deren Umfang jedoch von seinem Kenntnisstand in Bezug auf die Gesellschaft abhängen. In jedem Fall wird von dem Altaktionär – auch im Hinblick auf das geänderte Recht der Rechtsmängelgewährleistung – ein verschuldensunabhängiges selbständiges Garantieversprechen zu folgenden Umständen erwartet3: – Alleineigentum und Fehlen von Rechten Dritter an den Platzierungsaktien,
1 Bei der zumeist der Bezugspreis zum Zeitpunkt der Zeichnung auch schon feststeht und eine Zeichnung zu pari als zulässig anerkannt ist, siehe oben Rz. 129. 2 Dazu Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 348; Beispiel für einen einfachen Aktienkaufvertrag mit Erläuterung der technischen Einzelheiten der Übertragung von Aktien bei Groß in Happ, Aktienrecht, Tz. 5.01. 3 Ebenso Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 348.
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Übernahme und Platzierung von Aktien
– wirksame Ausgabe, freie Übertragbarkeit, vollständige Einzahlung und volle Dividendenberechtigung sowie Börsenzulassung der Platzierungsaktien1, – Berechtigung des Altaktionärs zum Verkauf der Aktien (die Bedeutung dieser Gewährleistung hängt von der Rechtsform des Altaktionärs ab2 und kann insbesondere bei Beschlusserfordernissen ausländischer Gesellschaften wichtig sein, die die Wirksamkeit des Vertragsschlusses auch im Außenverhältnis beeinträchtigen können; ebenso auch bei Körperschaften des öffentlichen Rechts – so genannte ultra vires-Lehre)3, – keine Kenntnis des Altaktionärs von Insiderinformationen und – Beachtung aller im Hinblick auf die vom Altaktionäre gehaltenen Aktien an der Gesellschaft zu beachtenden Meldepflichten. Werden der Bank Umstände bekannt, wonach eine dieser Gewährleistungen unzutreffend ist, kann sie vom Aktienkauf zurückzutreten und/oder von dem Altaktionär Schadenersatz verlangen. Daneben behält sich die Bank das Recht vor, bis zu einem bestimmten Stichtag (Datum der erwarteten Weiterplatzierung) von dem Vertrag zurückzutreten, sofern seit dem Abschluss des Vertrages nach Auffassung der Bank
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– eine (wesentliche) nachteilige Veränderung der Verhältnisse der Gesellschaft oder – eine unvorhergesehener Veränderung der Kapitalmärkte, die die Durchführung der Emission gefährdet erscheinen lassen, eingetreten ist. bbb) Kommission. Bei der Umplatzierung von in Altaktionärsbesitz befindlichen Aktien auf „best efforts“ Basis übernimmt eine Bank die Platzierungsaktien und versucht diese während eines vorher mit dem Altaktionär vereinbarten Zeitraums nach besten Kräften im eigenen Namen, aber für Rechnung des Altaktionärs zu veräußern. In diesem Fall ist der Übernahmevertrag als Kommissionsvertrag nach §§ 383 ff. HGB zu qualifizieren4. Dabei können die Parteien einen bestimmten Verkaufspreis festlegen; sinnvollerweise beschränkt sich die Preisregelung jedoch auf einen Mindestpreis, unterhalb dessen eine Platzierung nicht mehr erfolgen soll. Ein vorteilhafterer Abschluss kommt dem Altaktionär nach § 387 Abs. 1, 2 HGB zugute. Soweit der Bank die Platzierung nicht oder nicht zum vereinbarten Mindestpreis gelingt, überträgt sie die Aktien nach dem Ende des vereinbarten Platzierungszeitraumes wieder dem Altaktionär zurück. Für die erfolgte Platzierung erhält die Bank eine Provision, die sich aus einem Prozentsatz vom erzielten Platzierungserlös errechnet. Der verbleibende Platzierungserlös ist dem Altaktionär auszukehren. Im Hinblick auf das Selbsteintrittsrecht des Kommissionärs nach § 400 HGB führen Verträge über die kommissionsweise Platzierung u.U. ausdrücklich aus, dass die Bank berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, die Veräußerungsaktien für eigene Rechnung zu erwerben. Sie hat den Aktionär hierüber unverzüglich zu benachrichtigen. In diesem Fall gilt als Verkaufspreis der Börsenpreis nach § 400 Abs. 2 Satz 2 HGB zum Zeitpunkt der Absendung der Benachrichtigung. Bei amtlich notierten Wertpapieren darf dies jedoch kein ungünstigerer Preis als der amtlich fest1 D. h. für das laufende Geschäftsjahr sowie – falls über die Dividende des Vorjahres noch nicht beschlossen wurde – auch für das vorhergehende Geschäftsjahr. 2 Dazu Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 349, wobei bei GmbHs und AGs aufgrund der gesetzlichen Vertretungsregelung das Erfordernis der Zustimmung von Aufsichtsorganen oder der Gesellschafterversammlung grds. keine Außenwirkung hat, vgl. § 82 Abs. 1 AktG, § 37 Abs. 2 GmbHG. 3 Dazu K. Schmidt, GesR, S. 214 m.w.N., insbesondere Fn. 141; BGH v. 28.2.1956 – I ZR 84/54, BGHZ 20, 119, 123 ff. 4 Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 34; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 32 Rz. 67; Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 348.
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Börsennotierung
gestellte sein, § 400 Abs. 5 HGB. Indes gibt es schon seit Inkrafttreten des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes auch im so genannten amtlichen Markt (der mittlerweile durch den regulierten Markt ersetzt wurde, siehe oben § 7 Rz. 44 ff.) keine „amtliche“ Preisfeststellung mehr1. Vielmehr wurden zunächst elektronischer Handel und Präsenzhandel nach § 25 Satz 1 BörsG a.F. einander gleichgestellt. Mit der Neufassung des BörsG durch das FRUG ist die Differenzierung zwischen Präsenz- und elektronischem Handel dann ganz entfallen2. Es empfiehlt sich daher, zur Klarstellung gemäß § 400 Abs. 4 HGB einen bestimmten Kurs (z.B. den Kurs in der Xetra-Schlussauktion an der Frankfurter Wertpapierbörse am Tag der Anzeige des Selbsteintrittes) als für den Fall des Selbsteintrittes maßgeblich festzulegen. Nach § 403 HGB kann die als Kommissionär tätige Bank auch im Falle des Selbsteintritts die gewöhnliche Provision verlangen, d.h. die Provision, die sie bei Vornahme eines Ausführungsgeschäftes verdient hätte3. Daher sehen Kommissionsverträge vor, dass auch in diesem Fall Anspruch auf die vereinbarte Provision besteht. Die von dem Altaktionär erwarteten Gewährleistungen entsprechen denjenigen bei der Festübernahme, ebenso die Rechtsfolgen bei Verstößen und die Regelung über wesentliche nachteilige Veränderungen bei der Gesellschaft oder den Marktverhältnissen. 190
Dieses Konzept bietet sich an, wenn in Anbetracht unsicherer Marktverhältnisse sowie geringer Umsätze und schwankender Kurse in dem betreffenden Wert eine Platzierung des gesamten Volumens der zur Veräußerung stehenden Aktien nicht gesichert erscheint und die Bank zu dem vom abgebenden Aktionär gewünschten Preis zu einer Festübernahme auf eigenes Risiko nicht bereit ist. Aus Sicht des Aktionärs hat diese Art der Platzierung den Vorteil, dass er keinen Abschlag für das Platzierungsrisiko in Kauf nehmen muss. Umgekehrt profitiert er von einem guten Platzierungspreis, an dem auch die Bank ein eigenes Interesse hat, da ihr Entgelt durch Bezahlung auf Provisionsbasis mit dem erzielten Platzierungserlös steigt. Für die Platzierung neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung scheidet diese Form der Platzierung wegen der aktienrechtlich erforderlichen festen Übernahme in Form der Zeichnung grds. aus4.
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ccc) Mischformen. Mit einigen in jüngerer Zeit herausgebildeten Mischformen wird versucht, die Übernahme des Platzierungsrisikos durch die Banken mit einer Optimierung des dem abgebenden Aktionärs zufließenden Erlöses zu kombinieren. Bei dem so genannten backstop underwriting5 übernehmen die Banken die Platzierungsaktien zu einem festen Kaufpreis (so genannter Backstop Preis), um sie sodann im Wege des Accelerated Bookbuilding bei (institutionellen) Anlegern zu platzieren. Erfolgt diese Platzierung zu einem den Backstop Preis übersteigenden Platzierungspreis, wird dem abgebenden Aktionär ein bestimmter Teil des Mehrerlöses abgeführt. Das Entgelt der Banken besteht dabei i.d.R. in einer auf Grundlage des Gesamtplatzierungserlöses berechneten Provision; die Übernahme des Platzierungsrisikos zum Backstop Preis wird kompensiert durch einen ihnen außerdem verbleibenden Teil des Mehrerlöses. 1 Begr. RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 76; dazu Rudolph, BB 2002, 1036, 1038; eingehend dazu auch Beck, BKR 2002, 699. 2 RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz – FRUG), BT-Drucks. 16/4028, S. 86 (Begr. zu § 25 BörsG). 3 Baumbach/Hopt, § 403 HGB Rz. 1; Krüger in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, § 403 HGB Rz. 2; Lenz in Röhricht/von Westphalen, HGB, 3. Aufl. 2008, § 403 HGB Rz. 2; Ruß in Heidelberger Kommentar zum HGB, 6. Aufl. 2002, § 403 HGB Rz. 1. 4 Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band III, 3. Aufl. 2007, § 112 Rz. 69, 73; ebenso Singhof, Die Außenhaftung von Emissionskonsortien, 1998, S. 48. 5 Dazu auch Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 348.
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§8
Übernahme und Platzierung von Aktien
Eine ähnliche Gestaltung ist bei reinen block trades in Form des upside sharing denkbar. Dabei kann vereinbart werden, dass die Banken einen Teil des bei der Platzierung der Veräußerungsaktien während einer festgelegten Verkaufsperiode über den für die Festübernahme vereinbarten Kaufpreis erzielten Mehrerlöses an den abgebenden Aktionär abführen. Sofern – wie bei klassischen block trades üblich – daneben keine Provision gezahlt wird, nimmt der abgebende Aktionär typischerweise erst ab Überschreiten eines über dem von den Banken fest zu zahlenden Kaufpreis liegenden Basispreises am Mehrerlös teil; d.h. statt einer Provision erhalten die Banken den vollen Mehrerlös bis zum Basispreis.
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3. Vereinbarungen zwischen den Konsortialbanken (Überblick) a) Vorbemerkung: Rechtsnatur des Konsortiums Wesen und Rechtsnatur von Bankenkonsortien zur Übernahme und Platzierung von Wertpapieren sind Gegenstand vielfältiger Erörterungen in der juristischen Literatur. Die wohl überwiegende Auffassung geht davon aus, dass die bei der Übernahme und Platzierung von Aktien tätigen Banken insoweit eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden1. Einhellig wird jedoch betont, dass sämtliche gesetzlichen Vorschriften der Gesellschaft bürgerlichen Rechts für Übernahmekonsortien als unpassend angesehen und daher abbedungen werden2. Die praktische Bedeutung dieser Einordnung ist daher eher gering3. Die vom Bundesgerichtshof im Urteil Sachen Beton- und Monierbau trotz entgegenstehender Abreden angenommene gesamtschuldnerische Haftung der einzelnen Konsortialbanken für die Einlageverpflichtung aus einer „für das Konsortium“ vorgenommene Zeichnung neuer Aktien dürfte faktisch schon deshalb keine entscheidende Rolle mehr spielen, da die Praxis durch entsprechende Ausgestaltung der Zeichnung das Entstehen solcher Haftungsrisiken vermeidet (siehe oben Rz. 116 ff.)4.
1 Westermann, AG 1967, 285, 291; Schücking in MünchHdb. Gesellschaftsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, § 32 Rz. 46 ff.; Ulmer in MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2004, Vor § 705 BGB Rz. 52 ff.; de Meo, Bankenkonsortien, 1994, Zweites Kapitel Rz. 3 (S. 33); im Grundsatz auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.295; Singhof, Die Außenhaftung von Emissionskonsortien für Aktieneinlagen, 1998, S. 72 ff.; die Rechtsnatur als Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Verweis auf die Kommentarliteratur ohne nähere Subsumtion unterstellend BGH v. 13.4.1992 – II ZR 277/90 – „Beton- und Monierbau“, BGHZ 118, 83, 99 = WM 1992, 1225, 1230 = AG 1992, 312. 2 So schon Westermann, AG 1967 285, 291, der den Begriff der „gesellschaftsrechtlichen Typendehnung“ prägte; de Meo, Bankenkonsortien, 1994, Zweites Kapitel Rz. 87 (S. 54); Timm/ Schöne, ZGR 1994, 113, 118; Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band III, 3. Aufl. 2007, § 112 Rz. 86; Bosch in BuB, Rz. 10/32 ff.; Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 16; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.18; Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 60; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.297 ff. 3 Bosch in BuB, Rz. 10/38; ebenso Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 60, die diese Bedeutung auf Ausnahmesituationen (gemeint offenbar das Zusammentreffen von Insolvenz des Emittenten und verdeckter Sacheinlage wie im vom BGH entschieden Fall Betonund Monierbau (BGH v. 13.4.1992 – II ZR 277/90, BGHZ 118, 83 = WM 1992, 1225 = AG 1992, 312)) beschränkt; ähnlich auch Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, Band III, 3. Aufl. 2007, § 112 Rz. 86 ff. 4 Die Vermeidung der Haftung der einzelnen Bank für die gesamte Einlageverpflichtung ist gerade einer der maßgeblichen Gründe, warum das Übernahmerisiko bei der Zeichnung neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung auf mehrere Banken verteilt wird, vgl. Kümpel, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 9.311.
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§8 194
Börsennotierung
Angesichts der heutigen Praxis im Emissionsgeschäft erscheint die Einordnung eines Emissionskonsortiums als Gesellschaft bürgerlichen Rechts fragwürdig1. Bereits die Vorstellung, dass sich Banken zusammenschließen, um gemeinsam eine Platzierung bzw. Emission vorzubereiten, zu strukturieren und durchzuführen, ist heute vielfach so nicht (mehr) zutreffend. Dies mag bei der gemeinsamen Mandatierung mehrerer Führungsbanken in Bezug auf diese noch der Fall sein. Wird hingegen – wie häufig – nur ein Konsortialführer mandatiert, erfolgt die bankseitige Emissionsvorbereitung allein durch den Konsortialführer. Andere Banken treten erst bei der tatsächlichen Durchführung der Platzierung oder des Bezugsangebotes hinzu. Ihre Funktion besteht lediglich darin, einen Teil des Emissionsvolumens zu übernehmen, sei es um das Übernahmerisiko des Konsortialführers zu minimieren, sei es auf Wunsch des Emittenten, der aus Gründen der Pflege der Kundenbeziehung weitere Banken beteiligen will. In die Emissionsvorbereitung und selbst die Durchführung sind sie meist nicht näher involviert. In diesen Fällen wird man das Verhältnis der beteiligten Banken kaum noch als Gesellschaft bürgerlichen Rechts angesehen können. Daher dürfte es näherliegen, das Verhältnis zwischen Konsortialführer und den anderen Banken, die Aktien zum Zwecke der Platzierung übernehmen, vielmehr als Kaufvertrag mit Nebenabreden (so z.B. über die Art der Platzierung, einzuhaltender Verkaufsbeschränkungen etc.) zu verstehen2. b) Memorandum of Understanding
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Sind mehrere Banken gemeinsam mit der Konsortialführung betraut, vereinbaren sie häufig in Form eines so genannten Memorandum of Understanding (MoU) gewisse Leitlinien ihrer Zusammenarbeit. Wie bereits die Bezeichnung dieses Dokuments nahelegt3, liegt sein Zweck vor allem in der Dokumentation eines gemeinsamen Verständnisses über die Aufgabenverteilung im Rahmen der Emissionsvorbereitung. Rechtliche Bedeutung kommt jedoch dem MoU zumindest insoweit zu, als sich darin z.B. Regelungen über die Aufteilung der Kosten, z.B. für einen von einer der Banken als Rechtsberater der Konsortialbanken beauftragten Anwalt finden. c) Einladungstelex und Konsortialvertrag
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Für den das Innenverhältnis der an der Emission bzw. Platzierung beteiligten Banken regelnden Konsortialvertrag gibt es unterschiedliche Formen. Die aus dem Anleihenbereich bekannten Musterverträge, insbesondere jene der International Capital Markets Association (ICMA)4 haben sich bei Aktienemissionen jedenfalls bislang nicht durchgesetzt. Zumeist erfolgt die Einbindung des Konsortiums auf der Grundlage des so genannten Einladungstelex (invitation telex). Dieses wird vom Konsortialfüh1 Grundmann in FS Boujong, 1996, S. 159, 173; ebenso Ekkenga in Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 6 Rz. 315 ff. 2 So schon mit Verweis auf die internationale Praxis Hopt in FS Kellermann, 1991, S. 181, 196; Bosch in BuB, Rz. 10/33; angedeutet auch bei Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 30; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 7.24; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.296; Groß in Happ, Aktienrecht, 16.02 Rz. 22; Ekkenga/Maas in Kümpel/ Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kennzahl 055 Rz. 265. 3 Bei Unternehmenskäufen und -übernahmen wird der Begriff des Memorandums of Understanding (abgekürzt „MoU“) häufig verwandt für eine so genannte Punktation, in der zur Klarstellung erreichte Verhandlungsergebnisse dokumentiert werden, im Zweifel ohne dass diesen bereits – mangels Einigung über alle wesentlichen Punkte eines Vertrages – rechtliche Bindungswirkung zukäme, dazu Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 6 Rz. 93. 4 Dazu Bosch in BuB, Rz. 10/253a–253c.
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§8
Übernahme und Platzierung von Aktien
rer – zumeist erst kurz vor Beginn der Platzierung (siehe Zeitplan § 7 Rz. 94) – an die zukünftigen Konsorten mit der Bitte um Gegenzeichnung und Erteilung einer Vollmacht für den Abschluss des Übernahmevertrages versandt. Eine Kopie des ausgehandelten Entwurfs des Übernahmevertrages wird in der Regel beigefügt. Der Inhalt des Einladungstelex ist weitestgehend standardisiert und von allgemein akzeptierten Marktusancen geprägt. Es beinhaltet eine Zusammenfassung der Emissionsstruktur und der wesentlichen Regelungen des Übernahmevertrages. Dabei wird auf die Verpflichtung zur Einhaltung von Verkaufsbeschränkungen und etwaiger Regelungen hinsichtlich der Verteilung von Research Reports und sonstigem Vertriebsmaterial besonders hingewiesen. Ausdrücklich geregelt werden die Modalitäten der Stabilisierung. Diese wird üblicherweise durch den (oder einen der) Konsortialführer für Rechnung des Konsortiums durchgeführt; anderen Banken sind regelmäßig keine Stabilisierungsaktivitäten gestattet. Etwaige Verluste werden üblicherweise nach Übernahmequoten verteilt1. Bei Bezugsrechtsemissionen wird dagegen regelmäßig der Konsortialführer auf eigene Rechnung als Bezugsrechtskoordinator tätig. Daneben enthält das Einladungstelex praktische Handlungsanweisungen für die geordnete Abwicklung der Emission, so z.B. den Ablauf des Bookbuildings und der Abrechnung und Lieferung der Platzierungsaktien. Von Bedeutung ist ferner die Regelung, dass etwaige von Dritten gegen eine der Konsortialbanken geltend gemachte Ansprüche sowie die zu ihrer Abwehr angefallenen Kosten und Auslagen im Innenverhältnis nach Übernahmequoten getragen werden. Soweit jedoch eine Konsortialbank ihre Pflichten aus dem Übernahmevertrag oder dem Einladungstelex verletzt, hat sie die jeweils anderen Konsortialbanken freizustellen2. Schließlich wird festgelegt, dass etwaige von den Banken zu tragenden Kosten und Auslagen (die typischerweise zunächst beim Konsortialführer entstanden sind) von den Konsortialbanken anteilig nach Übernahmequoten übernommen werden. Meist wird ausdrücklich festgehalten, dass die Parteien durch die Annahme des Einladungstelex/ den Abschluss des Konsortialvertrages keine Gesellschaft bzw. partnership begründen. Die Empfängerbank wird eingeladen, sich an der Emission bzw. Platzierung mit der sich aus der angegebenen Konsortialstruktur ergebenden Übernahmequote zu beteiligen. Dabei wird klargestellt, dass die tatsächliche Übernahme von Platzierungsaktien aufgrund der Zuteilung erfolgt, die vom Konsortialführer in Abstimmung mit der Emittentin nach deren Ermessen vorgenommen wird; die Zuteilungsquote kann dabei von der Übernahmequote abweichen. Die Summe der inhaltsgleichen gegengezeichneten Einladungstelexe dokumentiert dann den einheitlichen Konsortialvertrag3. Auf einen gesonderten Konsortialvertrag neben dem Invitation Telex wird häufig verzichtet, insbesondere bei rein nationalen Konsortien4. Bei internationalen Emissionen werden dagegen oft Konsortialvereinbarungen in Vertragsform abgeschlossen, die in ihrem Inhalt jedoch i.d.R. nicht über das vorstehend beschriebene hinausgehen.
1 So auch Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 23 Rz. 38. 2 Vgl. Groß in BuB, Rz. 10/321 f.; Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 28; zur Freistellungsregelung insbesondere Bosch in BuB, Rz. 10/148 ff. Dass der Konsortialführer – wie Grundmann in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Band III, 3. Aufl. 2007, § 112 Rz. 100 vorschlägt – im Innenverhältnis die alleinige Prospekthaftung trägt, dürfte hingegen nicht der Praxis entsprechen und auch nicht sachgerecht sein. Die einfachen Konsorten partizipieren anteilig durch die ihnen zustehende Provision an den Vorteilen der vom Konsortialführer vorbereiteten Transaktion. Dass sie dann auch anteilig die Risiken zu tragen haben, erscheint daher nicht unbillig. 3 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.298. 4 Allgemein Bosch in BuB, Rz. 10/46; speziell für Aktienemissionen Groß in BuB, Rz. 10/321i f.; Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. VII 28.
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§9
Börsennotierung
§9 Börsenzulassung: Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1
1. Börsennotierung und Zulassung zum Börsenhandel . . . . . . . . . . .
Rz. d) Prüfungspflicht der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
1
III. Zulassungsverfahren . . . . . . . . . . 53
2. Zulassung: Begriff und Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
3. Abgrenzung der Zulassung von der Emission und der Einführung . . . .
5
4. Bedeutung der Zulassung . . . . . . .
6
5. Ausnahmen vom Zulassungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
6. Neuregelung durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz und das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . .
9
II. Zulassungsvoraussetzungen . . . . . 11 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Zulassungsvoraussetzungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . b) Emittenten- und wertpapierbezogene Zulassungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsgrundlage des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mindestzulassungsvolumen . . . . . . . . . . . . . cc) Dauer des Bestehens des Emittenten . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsgrundlage der Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . ee) Handelbarkeit der Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . ff) Stückelung der Wertpapiere . gg) Grundsatz der Gesamtzulassung . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Druckausstattung der Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . ii) Streuung der Aktien . . . . . . jj) Spezialvorschrift für Emittenten aus Drittstaaten . . . . kk) Zulassung von Wertpapieren mit Umtausch- oder Bezugsrecht . . . . . . . . . . . ll) Zulassung von Zertifikaten, die Akten vertreten . . . . . . c) Prospekt . . . . . . . . . . . . . . . .
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Groß
13 13 14 17 18 19 23 24 26 27 31 33 36
1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Zulassungsverfahren im Einzelnen a) Zulassungsantrag . . . . . . . . . . aa) Antragsteller: Gesellschaft . . bb) Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . cc) Emissionsbegleiter . . . . . . . dd) Schriftformerfordernis . . . . ee) Antragsadressat: Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . b) Einzureichende Unterlagen . . . . c) Billigung des Prospekts . . . . . . d) Veröffentlichung des Prospekts . aa) Art der Veröffentlichung . . . bb) Speziell: Alleinige Veröffentlichung im Internet . . . . . . cc) Dauer der Veröffentlichung .
56 56 57 58 60 62 63 66 67 69 69 70 72
3. Zulassungsanspruch, Ablehnung der Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . 73 IV. „Beendigung“ der Zulassung . . . . 75 1. Erlöschen der Zulassung kraft Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2. „Beendigung“ der Zulassung von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . . a) Beendigung der Zulassung nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Widerruf der Zulassung wegen Pflichtverletzung . . . . . . . . . c) Widerruf der Zulassung wegen dauerhafter Notierungseinstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 78 . 79 . 80 . 81
3. Widerruf der Zulassung auf Antrag des Emittenten . . . . . . . . . . . . . 82 V. Rechtsfolgen der Zulassung: Zulassungsfolgepflichten, Kosten . . . . . 83 VI. Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Untätigkeitsklage . . . . . . . . . . . 85
37 38 39
2. Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bei Ablehnung oder Widerruf und Rücknahme der Zulassung von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . . . 86
§9
Börsenzulassung: Voraussetzungen und Verfahren Rz. a) Emittent, Emissionsbegleiter . . . 86 b) Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 aa) Widerspruchs- und Anfechtungsbefugnis des Anlegers bei Zulassung oder deren Ablehnung . . . . . . . . . . . . . . 87
Rz. bb) Widerspruchs- und Anfechtungsbefugnis des Anlegers bei Widerruf oder Rücknahme der Zulassung . . . . . . . . . . 90 VII. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 VIII. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . 95
Schrifttum: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl. 2007; Beck, Die Reform des Börsenrechts im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, Teil 1: Änderungen des Börsenorganisationsrechts, BKR 2002, 662; Teil 2: Neuregelung der Handelsplattformen, des Maklerrechts und der Wertpapierzulassung, BKR 2002, 699; Bosch/Groß, Emissionsgeschäft, 2. Ausg. 2000; Brauer, Die Rechte des Aktionärs beim Börsengang ihrer AG, 2005; Crüwell, Die europäische Prospektrichtlinie, AG 2003, 243; Elle, Über die Verantwortlichkeit der Zulassungsstelle einer deutschen Börse gegenüber dem Publikum, ZHR 128 (1966), 273; Ellenberger, Die Börsenprospekthaftung nach dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz, in FS Schimansky (Hrsg.: Horn/Lwowski/Nobbe), 1999, S. 590; Fleischer, Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln?, Gutachten F für den 64. Deutschen Juristentag, 2002; Abdruck der Thesen auch in NJW 2002, Beil. 23, 37 ff.; Fürhoff/ Ritz, Richtlinienentwurf der Kommission über den Europäischen Pass für Emittenten, WM 2001, 2280; Gericke, Handbuch für die Börsenzulassung von Wertpapieren, 1992; Groß, Bookbuilding, ZHR 162 (1998), 318; Groß, Zulassung von Wertpapieren zum Amtlichen Handel, FB 1999, 24; Groß, Rechtsprobleme des Delisting, ZHR 165 (2001), 141; Grupp, Börseneintritt und Börsenaustritt, 1995; Holzborn/Schlösser, Systemwechsel beim Going Private, BKR 2002, 486; Holzborn/Schwarz-Gondek, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BKR 2003, 927; Hopt/Baum, Börsenrechtsreform: Überlegungen aus vergleichender Perspektive, WM-Sonderbeilage Nr. 4/1997; Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform: Eine ökonomische, rechtsvergleichende und rechtspolitische Untersuchung, 1997; Hopt, Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz, in FS Ulrich Drobnig (Hrsg.: Basedow/Hopt/Kötz), 1998, S. 525; Jaskulla, Voraussetzungen und haftungsrechtliche Konsequenzen einer Aussetzung des Börsenhandels vor dem Hintergrund der Ereignisse des 11. September 2001, WM 2002, 1093; Klenke, Der Rückzug mehrfach notierter Unternehmen von den deutschen Regionalbörsen, WM 1995, 1089; von Kopp-Colomb/Lenz, Der europäische Pass für Emittenten, AG 2002, 24; Kümpel/ Hammen, Börsenrecht, 2. Aufl. 2003; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie, BB 2004, 501; Merkt, Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln?, Gutachten G für den 64. Deutschen Juristentag, 2002; Abdruck der Thesen in NJW 2002, Beil. 23, 41 ff.; Pfüller/Koehler, Handel per Erscheinen – rechtliche Rahmenbedingungen beim Kauf von Neuemimssionen auf dem Graumarkt –, WM 2002, 781; Reuschle, Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, 2002; Schlitt, Gang an die Börse, in Semler/Volhard (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, Bd. 1, 2001; Schlitt, Die neuen Marktsegmente der Frankfurter Wertpapierbörse, AG 2003, 57; Schlüter, Börsenhandelsrecht, 2. Aufl. 2002; Weber, Die Entwicklung des Kapitalmarktrechts 1998–2000: Publizität, Insiderrecht und Kapitalmarktaufsicht, NJW 2000, 3461; Weber, Unterwegs zu einer europäischen Prospektkultur, NZG 2004, 360.
I. Überblick 1. Börsennotierung und Zulassung zum Börsenhandel Gegenstand dieses Handbuchs ist das Aktien- und Kapitalmarktrecht der „börsennotierten“ Aktiengesellschaft, d.h. der Aktiengesellschaft, deren Wertpapiere „an der Börse notiert“ bzw. in der Sprache des Börsengesetzes, § 38 Abs. 1, § 24 Abs. 1 BörsG, Groß
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§9
Börsennotierung
für die an der Börse ein Preis ermittelt wird. Die Aufnahme der Notierung wiederum setzt die Zulassung des Wertpapiers der AG zum regulierten Markt voraus1. Das Zulassungserfordernis als Voraussetzung der Notierung folgt für den regulierten Markt unmittelbar aus der Regelung in § 38 Abs. 1 BörsG („die Aufnahme der Notierung zugelassener Wertpapiere …“). Zwar hat das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz2 auf Anregung des Börsenreformgutachtens3 die Verknüpfung der Zulassung von Wertpapieren im einen Marktsegment mit den für dieses Marktsegment geltenden Preisfeststellungsregeln im Interesse einer Flexibilisierung aufgehoben4. Auch wurde in § 56 Abs. 1 BörsG i.d.F. vor dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz im früher sog. geregelten Markt neben der Zulassung die „Einbeziehung“ ermöglicht, die nach der Änderung durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz nunmehr nach § 33 BörsG im regulierten Markt zulässig ist. Diese setzt aber ebenfalls eine Zulassung zum regulierten Markt voraus. An der Zulassung als Voraussetzung für eine Börsennotierung hat sich damit auch durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz bzw. das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz nichts geändert. Preise für Wertpapiere, die im Freiverkehr, einem auf rein privatrechtlicher Basis vom jeweiligen Träger der Börse organisierten Markt, ermittelt werden, sind zwar ebenfalls Börsenpreise, § 24 Abs. 1 Satz 2 BörsG; jedoch spricht jedenfalls das Gesetz5 insoweit nicht von einer Börsennotierung. 2
Ist damit die Zulassung von Wertpapieren der Aktiengesellschaft Voraussetzung für ihre Börsennotierung und damit Voraussetzung dafür, dass die Aktiengesellschaft überhaupt Gegenstand des vorliegenden Handbuchs sein kann, dann sind das Zulassungsverfahren und die Zulassungsvoraussetzungen für die börsennotierte AG von zentraler Bedeutung. 2. Zulassung: Begriff und Rechtsnatur
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Die Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel ist die öffentlich-rechtliche Erlaubnis, für den Handel in den betreffenden Wertpapieren in dem jeweiligen Marktsegment die Börseneinrichtungen zu nutzen6. Die Zulassung ist begünstigender7 Verwaltungsakt8.
4
Die Zulassung als Erlaubnis zur Nutzung der Börseneinrichtung erfolgt seit der Aufhebung der Trennung zwischen dem amtlichen oder geregelten Markt durch das Fi1 Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 6; Groß, Kapitalmarktrecht, 32 BörsG Rz. 4; Klenke, WM 1995, 1089, 1094. 2 BGBl. I 2002, 2010. 3 Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, Eine ökonomische, rechtsvergleichende und rechtspolitische Untersuchung, 1997, S. 409 ff. 4 Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), BT-Drucks. 14/8017, S. 62, 63; vgl. auch Beck, BKR 2002, 699 ff. 5 Und auch die Börsenordnung, vgl. § 175 Abs. 3 Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse, abrufbar unter www.deutsche-boerse.de (Listing/Going Public/Regularien) sowie die Freiverkehrsrichtlinien der Börsenordnungen, vgl. nur die Freiverkehrsrichtlinien der Frankfurter Wertpapierbörse, abrufbar unter www.deutsche-boerse.de (Listing/Going-Public/Regularien). 6 Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, § 32 BörsG Rz. 1; Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 1; von Rosen in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 2 Rz. 144. 7 Zur Frage, wer, neben dem Emittenten, Begünstigter des Verwaltungsaktes Zulassung ist, vgl. unten Rz. 87. 8 Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 3; Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, § 32 BörsG Rz. 5; Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 6; Kümpel/ Hammen, Börsenrecht, S. 55; von Rosen in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 2 Rz. 189; Klenke, WM 1995, 1089, 1095 m.w.N.
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Börsenzulassung: Voraussetzungen und Verfahren
nanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz zu dem einzig verbliebenen gesetzlich geregelten Markt, dem regulierten Markt, § 32 Abs. 1 BörsG; beim Freiverkehr spricht man dagegen von der „Einbeziehung“, vgl. § 32 Abs. 1 BörsG einerseits und § 48 Abs. 1 Satz 2 BörsG andererseits. 3. Abgrenzung der Zulassung von der Emission und der Einführung Die Zulassung ist von der Ausgabe, Begebung, Emission von Wertpapieren und deren Einführung zu unterscheiden: Die Emission erfasst sowohl die Ausgabe/Begebung der Wertpapiere als auch deren Platzierung beim Anleger1. Die Zulassung kann Teil der Platzierung und damit der Emission sein. Die Emission setzt aber keine Zulassung voraus, da auch nicht zugelassene Wertpapiere privat oder öffentlich platziert werden können. Die Einführung der Wertpapiere dagegen umfasst nach der Legaldefinition des § 38 Abs. 1 BörsG die Aufnahme der Notierung der zugelassenen Wertpapiere im regulierten Markt an der Börse, d.h. sie setzt eine bereits erfolgte Zulassung voraus (vgl. oben Rz. 1).
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4. Bedeutung der Zulassung Die besondere Bedeutung der Zulassung, neben der Tatsache, dass sie Voraussetzung für die Börsennotierung ist2, ergab sich bis zur Änderung durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz (vgl. dazu sogleich Rz. 9) aus dem Zusammenspiel zwischen börsengesetzlichen Zulassungsregeln und verkaufsprospektgesetzlichen Vertriebsbestimmungen, insbesondere der Grundregel des § 1 VerkProspG a.F. Dieses Zusammenspiel stellte sicher, dass, von einzelnen speziell geregelten Ausnahmen3 abgesehen, vor jedem erstmaligen öffentlichen Angebot von Wertpapieren im Inland den Anlegern die Möglichkeit eröffnet wurde, die für ihre Anlageentscheidung wesentlichen Informationen einem vor ihrer Kaufentscheidung zur Verfügung stehenden Prospekt zu entnehmen4. Entweder war dies der Verkaufsprospekt, der nach § 1 VerkProspG a.F. vor jedem erstmaligen öffentlichen Angebot nicht zugelassener Wertpapiere zu veröffentlichen war. Oder es war der Börsenzulassungsprospekt, der Zulassungsvoraussetzung war. Diese besondere Bedeutung der Zulassung entfällt jetzt, da selbst beim öffentlichen Angebot bereits zugelassener Wertpapiere eine Prospektpflicht bestehen soll5.
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Derzeit6 werden an den sieben deutschen Wertpapierbörsen (Frankfurter Wertpapierbörse, Stuttgart, Düsseldorf, Berlin, München, Hamburg und Hannover7) im regulierten Markt 105 inländische und 761 ausländische Aktien notiert8; hinzu kommen noch im Freiverkehr notierte Aktien in ganz erheblichem Umfang (Jahresende 2006 insgesamt in allen Marktsegmenten an allen deutschen Wertpapierbörsen notierte Aktien: 16 154)9.
7
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Vgl. Groß in Bosch/Groß, Emissionsgeschäft, Rz. 258. Dies betont Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.739. Vgl. z.B. §§ 45, 45a BörsZulV a.F., §§ 2 bis 4 VerkProspG a.F. Wie hier Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 2. Vgl. nur Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, § 3 WpPG Rz. 2. Stand Januar 2008, Deutsches Aktieninstitut e.V. (Hrsg.), DAI-Factbook, elektronische Version, Tabelle 02-1. 7 Reihenfolge nach Umsatzanteilen laut Foelsch in BuB, Rz. 7/422. 8 Deutsches Aktieninstitut e.V. (Hrsg.), DAI-Factbook, elektronische Version, Tabelle 02-3 und 02-4. 9 Deutsches Aktieninstitut e.V. (Hrsg.), DAI-Factbook, elektronische Version, Tabelle 02-1-1.
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5. Ausnahmen vom Zulassungserfordernis 8
Die in § 37 BörsG genannten staatlichen Schuldverschreibungen bedürfen keiner Zulassung; sie sind qua Gesetzes zugelassen. Privilegiert sind Schuldverschreibungen des Bundes, seiner Sondervermögen1, eines Bundeslandes, eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Nicht privilegiert sind Schuldverschreibungen der Gebietskörperschaften „unterhalb“ eines Bundeslandes bzw. Mitgliedsstaates oder Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum2. Für die privilegierten Emittenten bedarf es weder eines Zulassungsantrags noch der Durchführung eines Zulassungsverfahrens, noch eines Prospekts, noch einer Zulassung3. Damit entfallen auch Zulassungsgebühren, jedoch dürfen Einführungsgebühren und, bei Schuldverschreibungen aufgrund der entsprechenden Anknüpfung in der Gebührenordnung weniger relevant, Notierungsgebühren erhoben werden4. Gleiches gilt für Aktien aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gemäß § 33 Abs. 4 EGAktG (Berichtigungsaktien)5. 6. Neuregelung durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz und das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz
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Das derzeit geltende System der Zulassung und der Zulassungsvoraussetzungen wurde durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz6, dessen Art. 3 die Änderungen des Börsengesetzes enthält, insgesamt nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich fundamental geändert: Die entscheidende Änderung besteht darin, dass der Börsenzulassungsprospekt als „Kernstück des Zulassungsantrags“7 aus dem Zulassungsverfahren herausgenommen wurde. Das bedeutet, der Börsenzulassungsprospekt ist nicht nur nicht mehr Kernstück des Zulassungsverfahrens, sondern noch nicht einmal mehr Teil des Zulassungsverfahrens, vielmehr ist er nur noch – jenseits des Zulassungsverfahrens von einer anderen Stelle zu prüfende und zu billigende – Zulassungsvoraussetzung, so der entsprechend geänderte § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG. Der durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz dem Börsengesetz (und der Börsenzulassungsverordnung) und damit dem Zulassungsverfahren entzogene Börsenzulassungsprospekt wird jetzt durch ein eigenes Gesetz, das Wertpapierprospektgesetz, geregelt. Die selbstständige Regelung beruht auf einer grundlegenden konzeptionellen Änderung. Wie sein Name schon sagt, soll das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz die Europäische Prospektrichtlinie8 und die im Wege des Komitologieverfahrens9 erlassenen europäischen Ausführungsbestimmungen, hier vor allem die Verordnung zur Ausfüh1 Beispiele bei Heidelbach in Schwark, § 36 BörsG Rz. 4; Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 36 BörsG Rz. 5. 2 Vgl. im Einzelnen Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 36 BörsG Rz. 5. 3 Heidelbach in Schwark, § 36 BörsG Rz. 7. 4 Vgl. nur Heidelbach in Schwark, § 36 BörsG Rz. 8. 5 Vgl. Gericke, S. 135 ff.; von Rosen in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 2 Rz. 177. 6 BGBl. I 2005, 1698. 7 von Rosen in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, 2. Aufl. 1997, § 2 Rz. 145. 8 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64. Vgl. dazu näher Crüwell, AG 2003, 243; Fürhoff/Ritz, WM 2001, 2280; Holzborn/Schwarz-Gondek, BKR 2003, 927; von Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24; Kunold/Schlitt, BB 2004, 501 ff.; Weber, NZG 2004, 360 ff. 9 Vgl. dazu Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, Vorbem. BörsG Rz. 15 ff. sowie von KoppColomb/Lenz, AG 2002, 24, 25 f.
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rung der Prospektrichtlinie1, die wiederum nochmals durch Empfehlungen des Committees of European Securities Regulators (CESR)2 weiter konkretisiert wurden, in deutsches Recht umsetzten. Die Prospektrichtlinie aber gibt die durch die früheren europäischen Vorgaben (Börsenzulassungsrichtlinie3 und die Börsenzulassungsprospektrichtlinie4 einerseits und die Verkaufsprospektrichtlinie5 andererseits) bis dahin geltende Zweiteilung zwischen
1 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung, in der zweiten berichtigten Fassung abgedruckt in ABl. EG Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 211/2007 der Kommission vom 27. Februar 2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Finanzinformationen, die bei Emittenten mit komplexer finanztechnischer Vorgeschichte oder bedeutenden finanziellen Verpflichtungen im Prospekt enthalten sein müssen, ABl. EG Nr. L 61 v. 28.2.2007, S. 24. 2 CESR’s Recommendations for the Consistent Implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses no 809/2004, CESR/05-54b, abrufbar über die homepage: www.cesr-eu.org. 3 Richtlinie des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse, RL 79/279/EWG, ABl. EG Nr. L 66 v. 16.3.1979, S. 21, aufgehoben und neu gefasst durch die Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1, berichtigt ABl. EG Nr. L 217 v. 11.8.2001, S. 18, diese wiederum teilweise aufgehoben und ersetzt durch die Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64 und die Richtlinie 204/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. 4 Richtlinie vom 17. März 1980 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, die Kontrolle und die Verbreitung des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zu veröffentlichen ist, RL 80/390/EWG, ABl. EG Nr. L 100 v. 17.4.1980, S. 1, aufgehoben und neu gefasst durch die Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, RL 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1, berichtigt ABl. EG Nr. L 217 v. 11.8.2001, S. 18, diese wiederum teilweise aufgehoben und ersetzt durch die Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64 und die Richtlinie 204/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. 5 Richtlinie zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, vom 17. April 1989, RL 89/298/EWG, ABl. EG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8, die ab 1.7.2005 durch die Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64 aufgehoben wurde.
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Börsenzulassungsprospekten und Verkaufsprospekten auf und fasst die Prospektanforderungen für beide Instrumente zusammen. Dies hatte für das deutsche Recht zur Folge, dass die hier bis dahin gleichermaßen geltende Zweiteilung (Börsengesetz und Börsenzulassungsverordnung einerseits und Verkaufsprospekt und Verkaufsprospektverordnung andererseits) ebenfalls aufgegeben wurde. Deshalb schaffte das Prospektrichtlinien-Umsetzungsgesetz, ein einheitliches Wertpapierprospektgesetz, in dem die Prospektanforderungen einheitlich für Zulassungs- und Verkaufsprospekte zusammengefasst werden. Gleichzeitig wurden die entsprechenden Regelungen der Börsenzulassungsverordnung, des Verkaufsprospektgesetzes und der Verkaufsprospektverordnung zum Prospektinhalt und der Befreiung von der Pflicht, einen Prospekt zu veröffentlichen, aufgehoben. Der Prospekt ist seither nicht mehr Gegenstand des Zulassungsverfahrens sondern nur noch Zulassungsvoraussetzung. Ansonsten berührt das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz die Zulassungsvoraussetzungen und das Zulassungsverfahren kaum. 10a
Das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz1 hat das Zulassungsverfahren in zwei wesentlichen Punkten geändert. Zunächst wurde die Zuständigkeit für die Zulassungsentscheidung von der Zulassungsstelle auf die Geschäftsführung der jeweiligen Börse verlagert. Darüber hinaus wurde der geregelte Markt als gesondertes Börsensegment abgeschafft und der amtliche Markt in den regulierten Markt umbenannt. Damit erfolgt seit 1.11.2007 die Zulassung von Wertpapieren nicht mehr zum amtlichen oder geregelten Markt, sondern allein zum regulierten Markt.
II. Zulassungsvoraussetzungen 1. Überblick2 11
Die Voraussetzungen für die Zulassung von Wertpapieren zum regulierten Markt sind in § 32 Abs. 3 BörsG sowie der auf der Grundlage der Ermächtigung in § 34 BörsG erlassenen Börsenzulassungsverordnung geregelt. § 32 Abs. 3 Nr. 1 BörsG verweist auf die Börsenzulassungsverordnung als der nach § 34 BörsG erlassenen Vorschrift und gibt eine Auslegungsregelung für die Bestimmungen der Börsenzulassungsverordnung vor3. § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG hebt als besondere Zulassungsvoraussetzung hervor, dass dem Zulassungsantrag ein gebilligter oder bescheinigter Prospekt beizufügen ist, soweit das Wertpapierprospektgesetz nicht hiervon befreit.
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Durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz neu eingefügt wurde in § 32 Abs. 3 Nr. 1 BörsG der Verweis auf Art. 35 der Verordnung (EG) Nr. 1287/20064. In 1 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2007, 1330. 2 Überblick über die Zulassungsvoraussetzungen auch bei Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 20 ff.; Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 23 Rz. 17 ff. 3 Str. Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 20 (keine eigenständige Regelung); wie hier Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 51: § 32 Abs. 3 Nr. 1 BörsG dient der Auslegung der BörsZulV, deren Vorschriften i.S.d. Schutzes des Publikums und des ordnungsgemäßen Börsenhandels auszulegen sind. 4 Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie, ABl. EG Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 1.
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Börsenzulassung: Voraussetzungen und Verfahren
Umsetzung und Konkretisierung von Art. 40 der Richtlinie 2004/39/EG enthält Art. 35 Verordnung 1287/2006 unmittelbar anwendbare1 Anforderungen an den Emittenten und die Wertpapiere hinsichtlich der freien Handelbarkeit. Der deutsche Gesetzgeber hat bei Umsetzung der Richtlinie 2004/39/EG durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz die zur freien Handelbarkeit der Wertpapiere einschlägige Vorschrift des § 5 BörsZulV nicht geändert. Damit hat er klar zu erkennen gegeben, dass nach seiner Ansicht § 5 BörsZulV Art. 35 Verordnung 1287/2006 jedenfalls nicht widerspricht und insofern kein Änderungsbedarf besteht. 2. Zulassungsvoraussetzungen im Einzelnen a) Wertpapiere Zum regulierten Markt können nur „Wertpapiere“ zugelassen werden. Der Begriff des Wertpapiers ist im Börsengesetz nicht definiert2. Nach dem weitesten Wertpapierbegriff sind Wertpapiere Urkunden, die private Rechte dergestalt verbriefen, dass diese Rechte ohne Urkunde nicht geltend gemacht werden können3. Dieser Wertpapierbegriff ist einerseits zu weit. Wie sich z.B. aus § 51 Abs. 1 BörsG ergibt, sind Wechsel von den Zulassungsvorschriften im 4. Abschnitt nicht erfasst4. Er ist andererseits aber auch zu eng, da er noch eine Verkörperung der Wertpapiere voraussetzt. Dies ist im Hinblick auf die zunehmende Entmaterialisierung der Wertpapiere nicht sachgerecht. Global- bzw. Sammelurkunden und Wert- und Registerrechte sind in den Wertpapierbegriff mit einzubeziehen5. Auch § 2 Nr. 1 WpPG geht von dieser weiten Begriffsbestimmung aus, wenn es dort heißt: „Auf eine Verbriefung kommt es … nicht an. Wertpapiere sind beispielsweise auch solche Aktien, die nur in einem Register geführt werden.“6 Deshalb ist der börsenrechtliche Wertpapierbegriff nach den Erfordernissen des Börsenrechts und Börsenhandels sowie Sinn und Zweck des Börsengesetzes entsprechend § 2 Nr. 1 WpPG und § 2 Abs. 1 WpHG und gemäß § 32 Abs. 3 Nr. 1 BörsG nach Art. 35 Verordnung 1287/2006 zu bestimmen7. Danach kommt es entscheidend auf die Vertretbarkeit an8. Unter den börsenrechtlichen Wertpapierbegriff fallen alle handelbaren Wertpapiere wie Aktien, aktienvertretenden Zertifikate, Genuss- oder Optionsscheine, Anleihen von Industrieunternehmen bzw. Körperschaften und auch Investmentzertifikate9.
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b) Emittenten- und wertpapierbezogene Zulassungsvoraussetzungen § 32 Abs. 3 Nr. 1 BörsG fordert als Zulassungsvoraussetzung, dass „der Emittent und die Wertpapiere den Anforderungen nach Artikel 35 der Verordnung (EG) Nr. 1287/ 2006 sowie den Bestimmungen entsprechen, die zum Schutz des Publikums und 1 Zur unmittelbaren Anwendbarkeit europäischer Verordnungen im nationalen Recht der Mitgliedstaaten vgl. nur Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, Vorbem. BörsG Rz. 18. 2 Ausführlich dazu Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 10 ff. 3 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.97. 4 Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 14; Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 9. 5 Enger wohl Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 15 ff.; Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 10, die reine Wert- oder Registerrechte nicht einbeziehen will. Vgl. allgemein hierzu auch Einsele, WM 2001, 7; Than in FS Schimansky, 1999, S. 821. 6 So ausdrücklich Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 85/2005, S. 54, 60 f. 7 von Rosen in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 2 Rz. 157 8 Vgl. statt aller nur Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.99. 9 Ausführlich Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 8 ff.
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für einen ordnungsgemäßen Börsenhandel gemäß § 34 erlassen worden sind“. Ersteres, d.h. der Verweis auf die Verordnung 1287/2006, wurde durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz eingefügt, zweiteres verweist darauf, dass die diesbezüglichen Anforderungen der Börsenzulassungsverordnung eingehalten werden. 15
Die den Emittenten und die Wertpapiere betreffenden Zulassungsvoraussetzungen sind in den §§ 1–12 BörsZulV geregelt. Diese Bestimmungen wurden weder durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz noch durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz geändert. Wie sich aus § 32 Abs. 3 Nr. 1 BörsG ergibt, ist mit den in §§ 1 bis 12 BörsZulV enthaltenen Regelungen der Schutz des Publikums und ein ordnungsgemäßer Börsenhandel bezweckt. Diese Zielsetzung des Gesetzgebers ist bei der Auslegung der Bestimmungen zu berücksichtigen1.
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Nach § 1 BörsZulV dürfen die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen des Emittenten nicht zu beanstanden sein, und er muss mindestens 3 Jahre als Unternehmen bestanden haben, § 3 BörsZulV. Die §§ 2, 4 bis 12 BörsZulV regeln die Anforderungen, die zum Schutze des Publikums bzw. des Börsenhandels an die zuzulassenden Wertpapiere zu stellen sind. Daraus ergeben sich folgende Zulassungsvoraussetzungen:
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aa) Rechtsgrundlage des Emittenten. § 1 BörsZulV fordert, dass die Gründung und die Satzung des Emittenten dem Recht des Staates entsprechen muss, in dem der Emittent seinen Sitz hat. Als Sitz des Emittenten im Sinne des § 1 BörsZulV ist der in der Satzung festgelegte Sitz zu verstehen2. Fallen Satzungssitz und Sitz der Verwaltung auseinander, müssen Gründung und Satzung dem Recht des Gründungs- und nicht des Sitzstaates entsprechen3.
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bb) Mindestzulassungsvolumen. Eine ordnungsgemäße Kursfeststellung setzt eine hinreichende Marktliquidität voraus. § 2 BörsZulV regelt hier den anfänglich erforderlichen Rahmen4: Bei Aktien muss der voraussichtliche Kurswert mindestens Euro 1,25 Mio., bei anderen Wertpapieren der Nennbetrag mindestens Euro 250 000 betragen, bei nicht auf einen Geldbetrag lautenden Wertpapieren müssen mindestens 10 000 Stück zugelassen werden. „Kurswert“ ist der voraussichtliche Börsenpreis5. § 2 Abs. 3 BörsZulV ist auf die Zulassung nennwertloser Aktien nicht anzuwenden, da hierfür die Spezialvorschrift in § 2 Abs. 1 BörsZulV vorgeht6. Bei Wertpapieren in ausländischer Währung sind diese nach Maßgabe der zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag geltenden Wechselkurse in Euro umzurechnen. Nach § 2 Abs. 4 BörsZulV können geringere Mindestzulassungsbeträge zugelassen werden. Voraussetzung ist aber die Überzeugung der Geschäftsführung, dass sich für die zuzulassenden Wertpapiere ein ausreichender Markt bilden wird – es geht um den Schutz des Publikums und den ordnungsgemäßen Börsenhandel (siehe oben Rz. 15).
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Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 51. Begr. RegE zur BörsZulV, BR-Drucks. 72/87, S. 70. Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 1 BörsZulV Rz. 4. Zu den Folgen bei einem nach Zulassung eintretenden Unterschreiten des Mindestvolumens vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, §§ 1–12 BörsZulV Rz. 3: Wenn dadurch die Ordnungsmäßigkeit des Handels nicht mehr gewährleistet ist, hat die Geschäftsführung nach § 39 Abs. 1 BörsG einzuschreiten. Ebenso Heidelbach in Schwark, § 2 BörsZulV Rz. 1; Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 BörsZulV Rz. 9. 5 Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 BörsZulV Rz. 9. 6 Begr. RegE zur BörsZulV, BR-Drucks. 72/87, S. 71; Heidelbach in Schwark, § 2 BörszulV Rz. 2; a.A. Schlitt, AG 2003, 57, 61; Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 23 Rz. 22.
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cc) Dauer des Bestehens des Emittenten. § 3 BörsZulV gilt nur für die Zulassung von Aktien und ordnet hier an, dass der Emittent mindestens 3 Jahre bestehen muss. Dabei ist nicht entscheidend, ob der Emittent bereits drei Jahre die Rechtsform einer Aktiengesellschaft hat. Erforderlich ist nur, dass der Emittent als Unternehmen bereits drei Jahre besteht; die Rechtsform ist gleichgültig1.
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Von Bedeutung wird die Voraussetzung, dass der Emittent nicht als Aktiengesellschaft, sondern nur als Unternehmen drei Jahre existiert haben muss, in den Fällen, in denen die Anforderungen an die Rechnungslegung bei der früheren Rechtsform geringer waren als die der §§ 264 ff. HGB. Die Praxis behalf sich in der Vergangenheit hier mit sog. Als-ob-Abschlüssen, in denen so bilanziert wurde, als ob die strengeren Rechnungslegungsvorschriften bereits früher gegolten hätten2. Solche Als-ob-Abschlüsse sind im Hinblick auf die Prospekthaftung nicht unproblematisch3. Aus der Börsenzulassungsverordnung ergibt sich keine Verpflichtung zur Aufstellung von Alsob-Abschlüssen, da § 3 BörsZulV nur eine Bilanzierung nach den für die existierende Unternehmensform geltenden Rechnungslegungsvorschriften erfordert4. Aus Erwägungsgrund 9 der Prospektverordnung ergibt sich nunmehr, dass in solchen Fällen Als-ob-Abschlüsse oder Pro-forma-Abschlüsse unzulässig sind5.
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Will die Geschäftsführung gemäß der in § 3 Abs. 2 BörsZulV vorgesehenen Möglichkeit abweichend von § 3 Abs. 1 BörsZulV Aktien zulassen, hat sie dabei nach dem Wortlaut der Bestimmung kumulativ die Interessen der Gesellschaft und des Publikums zu berücksichtigen, nach den Motiven des Verordnungsgebers dagegen die Interessen der Gesellschaft einerseits und des Publikums andererseits abzuwägen.
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Die § 3 BörsZulV zugrunde liegende europäische Bestimmung, Art. 44 Koordinierungsrichtlinie, ist hier erheblich weiter, lässt die Interessen lediglich des Emittenten ausreichen und hält es für genügend, wenn aufgrund dieses Interesses eine Abweichung wünschenswert ist6. Insofern ist eine Abweichung unter geringen Voraussetzungen möglich, nämlich allein auf Grund z.B. der Interessen des Emittenten. An die Interessen der Emittenten sind dabei keine hohen Anforderungen zu stellen7. Bei Abspaltung neuer Unternehmen aus börsennotierten Gesellschaften (z.B. HypoRealEstate aus HVB, Lanxess aus Bayer) dürften die Voraussetzungen erfüllt sein, da der Emittent börsennotierte Aktien zuteilen will und gleichzeitig die Information des Publikums sicher gestellt wird durch die Möglichkeit, sog. Combined Financial Statements nach IFRS zu erstellen. Auch bei Ausgliederungen, die auf eine (teilweise) Monetarisierung der Aktien abzielen, besteht ein wirtschaftliches Interesse des Emittenten, das für die Zwecke des § 3 Abs. 2 BörsZulV ausreichen dürfte.
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dd) Rechtsgrundlage der Wertpapiere. Nach § 4 BörsZulV müssen die zuzulassenden Wertpapiere in Übereinstimmung mit dem für den Emittenten geltenden Recht ausgegeben werden und dem für das Wertpapier geltenden Vorschriften entsprechen. Die insoweit von der Geschäftsführung vorzunehmende Prüfung umfasst unzweifelhaft
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1 Gericke, S. 69; Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 209, §§ 1–12 BörsZulV Rz. 4; Heidelbach in Schwark, § 3 BörsZulV Rz. 2; Schlitt, AG 2003, 57, 60; Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 23 Rz. 18. 2 Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, §§ 1–12 BörsZulV Rz. 5. 3 Vgl. zu den Offenlegungspflichten bei Verwendung von Als-Ob-Abschlüssen OLG Frankfurt v. 17.3.1999 – 21 U 260/97, ZIP 1999, 1005, 1006 und die Vorinstanz LG Frankfurt v. 7.10.1997 – 3/11 O 44/96, WM 1998, 1181, 1183. 4 Wie hier Heidelbach in Schwark, § 3 BörsZulV Rz. 2; Schlitt, AG 2003, 57, 60 insbes. Fn. 39. 5 Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 3 BörsZulV Rz. 11. 6 So zu Recht Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 3 BörsZulV Rz. 6. 7 Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 3 BörsZulV Rz. 6.
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die Existenz der Wertpapiere, d.h. ob diese wirksam ausgegeben und begeben wurden. Ob darüber hinaus auch eine Prüfungspflicht der Geschäftsführung dahingehend besteht, ob die gesellschaftsinternen Voraussetzungen für die Ausgabe der Wertpapiere eingehalten wurden (z.B. Erfordernis eines zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses für ein IPO) (vgl. dazu unten Rz. 58), ist zweifelhaft. Im Ergebnis ist eines solche Prüfungspflicht aber jedenfalls dann zu verneinen, wenn, wie im Falle eines Hauptversammlungsbeschlusses für einen IPO, die gesellschaftsinternen Voraussetzungen nicht die Wirksamkeit der Ausgabe der Wertpapiere beeinflussen1. 24
ee) Handelbarkeit der Wertpapiere. Voraussetzung eines funktionierenden Wertpapiermarktes ist die Handelbarkeit der Wertpapiere, § 5 Abs. 1 BörsZulV. Soweit diese Handelbarkeit durch gesetzliche – vertragliche oder rein faktische Beschränkungen reichen nicht aus2 – Regelungen erschwert wird, weil die Wertpapiere noch nicht voll eingezahlt sind, vgl. z.B. § 10 Abs. 2 AktG in Verbindung mit §§ 67, 68 AktG, oder weil es sich um vinkulierte Wertpapiere handelt, vgl. z.B. § 68 Abs. 2 AktG, können die Wertpapiere nur zugelassen werden, wenn dadurch der Börsenhandel nicht beeinträchtigt wird und eine entsprechende Information des Publikums erfolgt. § 5 Abs. 2 Nr. 1 BörsZulV ist entsprechend anzuwenden und der danach erforderliche Hinweis im Prospekt zu veröffentlichen, wenn nach dem am Sitz des Emittenten geltenden Recht Ausländer nur einen bestimmten Anteil des Aktienpakets halten dürfen3; dies gilt z.B. in Deutschland bei der Lufthansa AG, da bei dieser zur Sicherung ihres Charakters als deutsche Aktiengesellschaft, der nach den Luftverkehrsabkommen nach der Kontrolltheorie bestimmt wird, gesetzlich der Anteil der ausländischen Aktionäre begrenzt wurde4.
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§ 5 Abs. 2 Nr. 2 BörsZulV betrifft vor allem die vinkulierten Namensaktien, die nur dann zum Börsenhandel zugelassen werden dürfen, wenn die Vinkulierung nicht zu einer Störung des Börsenhandels führt. Eine solche Störung ist in Bezug auf die wertpapiertechnische Abwicklung zwischenzeitlich im Regelfall nicht mehr gegeben, da vinkulierte Namensaktien in die Girosammelverwahrung einbezogen werden können und über das System CARGO der Handel auch effektiv abgewickelt werden kann5. Darüber hinaus bleibt zu prüfen, ob das gesellschaftsrechtliche Zustimmungserfordernis des § 68 Abs. 2 AktG nicht zu einer Störung des Börsenhandels führt. Keine Störung des Börsenhandels trotz Vinkulierung ist, trotz der erheblichen Probleme, die ein solches Zustimmungserfordernis und eine verweigerte Zustimmung auslösen6, dann anzunehmen, wenn der Emittent gegenüber der Geschäftsführung schriftlich erklärt, von der Möglichkeit der Zustimmungsverweigerung keinen bzw. nur in außergewöhnlichen Fällen im Gesellschaftsinteresse Gebrauch zu machen7.
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ff) Stückelung der Wertpapiere. § 6 BörsZulV fordert, dass die Stückelung der Wertpapiere den Bedürfnissen des Börsenhandels und des Publikums Rechnung tragen muss. Zielrichtung dieser Bestimmung ist eine ausreichende Streuung der Wertpapiere, damit 1 2 3 4
Wie hier Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 24 f. Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 5 BörsZulV Rz. 2. Gericke, S. 71 f. Gesetz zur Sicherung des Nachweises der Eigentümerstellung und der Kontrolle von Luftfahrtunternehmen für die Aufrechterhaltung der Luftverkehrsbetriebsgenehmigung und der Luftverkehrsrechte vom 1.7.1997, BGBl. I 1997, 1322; kritisch hier Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 5 BörsZulV Rz. 3, der eine solche Beschränkung nicht ausreichen lassen will, da sie in der europäischen Grundlage, Art. 46 Koordinierungsrichtlinie, nicht enthalten sei. 5 Jütten, Die Bank 1997, 112; Schlitt, AG 2003, 57, 61. 6 Ausführlich Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetz, § 5 BörsZulV Rz. 15. 7 Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetz, § 5 BörsZulV Rz. 16.
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Börsenzulassung: Voraussetzungen und Verfahren
eine ausreichende Liquidität und letztendlich eine hinreichende Markttiefe, um eine ordnungsgemäße Preisfeststellung zu ermöglichen. gg) Grundsatz der Gesamtzulassung. Im regulierten Markt gilt der Grundsatz der Zulassung aller Wertpapiere einer Emission. Die Teilzulassung anderer Wertpapiere als Aktien ist unzulässig, § 7 Abs. 2 BörsZulV. Auch bei Aktien muss sich die Zulassung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV grundsätzlich auf alle Aktien derselben Gattung beziehen. Dieser Grundsatz gilt aber zunächst nur beschränkt auf Aktien „derselben Gattung“, wobei hier § 11 Satz 2 AktG maßgeblich ist. Aktien, die sich nur hinsichtlich des Beginns der Dividendenberechtigung unterscheiden, bilden, was früher in § 45 Nr. 3b letzter Halbs. BörsZulV a.F. eindeutig bestimmt war, aber auch heute selbst ohne ausdrückliche Regelung noch gilt, keine eigene Gattung1. Aus der Gattungsgleichheit als Voraussetzung des Gebots der Gesamtzulassung folgt, dass die in der Praxis insbesondere bei Familiengesellschaften jedenfalls früher häufig anzutreffende Gestaltung zulässig ist, dass z.B. nur die Vorzugsaktien zum Börsenhandel zugelassen wurden, nicht aber die Stammaktien2. Das gilt jenseits von Stamm- und Vorzugsaktien allgemein für unterschiedliche Aktiengattungen, z.B. auch für im Ausland noch anzutreffende so genannte Class A und Class B Shares; hier kann die Zulassung auf eine Gattung beschränkt werden.
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Außerdem lässt § 7 Abs. 1 Satz 2 BörsZulV Ausnahmen von dem Grundsatz der Zulassung aller Aktien gleicher Gattung zu und nennt hier zwei mögliche Gründe: Entweder zur Sicherung des beherrschenden Einflusses auf den Emittenten, oder, weil die Aktien für eine bestimmte Zeit aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher3 Veräußerungsverbote nicht gehandelt werden dürfen4. In beiden vorgenannten Fällen ist es aber erforderlich, dass aus der Teilzulassung keine Nachteile für die Erwerber der zuzulassenden Aktien erwachsen. Außerdem ist in jedem Fall der Teilzulassung das Publikum gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 BörsZulV im Prospekt oder auf sonstige Weise hierüber zu unterrichten.
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Der Grundsatz der Zulassung aller Wertpapiere einer Emission bzw. bei Aktien aller Aktien der Gesellschaft wird durch die Zulassungsfolgepflicht des § 69 BörsZulV auch auf alle später öffentlich ausgegebenen Aktien derselben Gattung erstreckt, dort aber auch durch dieselben Ausnahmemöglichkeiten wie bei der erstmaligen Zulassung eingeschränkt. Außerdem gewährt § 69 Abs. 2 BörsZulV insoweit eine Frist von einem Jahr.
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§ 69 BörsZulV ist durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz nicht geändert worden. Er dient der ordnungsgemäßen Kursbildung durch eine möglichst große Marktbreite. Die Übergangsregelung in § 72a Abs. 3 BörsZulV soll außerdem sicher
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1 Vgl. insoweit Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungesetz die für das Wertpapierprospektgesetz klarstellt, dass Aktien, die sich nur in Bezug auf den Beginn der Dividendenberechtigung unterscheiden, als Aktien derselben Gattung gelten, BT-Drucks. 15/4999, S. 25, 30. Das muss auch für die Börsenzulassungsverordnung gelten. 2 Allerdings ist die Anzahl von Gesellschaften mit unterschiedlichen Aktiengattungen eher rückläufig, vgl. Nachw. bei Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 23 Rz. 19 Fn. 52. 3 Z.B. Lock-up, vgl. Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 7 BörsZulV Rz. 7 f. 4 So wurden z.B. bei der Börsenzulassung der Aktien der Deutsche Telekom AG 1996 die Aktien, welche die Bundesrepublik Deutschland hielt, größtenteils gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BörsZulV nicht zugelassen, da diese nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesanstalt Post-Gesetzes, BGBl. I 1994, 2325, bis zum 31.12.1999 nicht über die Börse gehandelt werden sollten.
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stellen, dass der Grundsatz der Gesamtzulassung auch für die ehemals zum geregelten Markt zugelassenen Aktien umgesetzt wird1. 31
hh) Druckausstattung der Wertpapiere. § 8 BörsZulV zwingt nicht zum Ausdruck effektiver Stücke, sondern regelt nur die Fälle, in denen tatsächlich effektive Stücke gedruckt werden. Dies ist aber, insbesondere seit den Änderungen des § 10 Abs. 5 AktG durch das Gesetz zur Kleinen AG2 und das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich3, mit denen auch im Bereich des Aktienrechts ein Ausschluss des Anspruchs auf Einzelverbriefung sowohl der Aktien als solcher als auch des Anteils des Aktionärs insgesamt erreicht wurde, eher die Ausnahme. Im Regelfall werden nur noch eine oder mehrere Globalurkunde(n) ausgedruckt, bei der Clearstream Banking AG Frankfurt (ehemals Deutsche Börse Clearing AG, davor Deutsche Kassenverein AG) eingeliefert und im Effektengiroverkehr übertragen, vgl. auch § 9a DepotG4.
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Soweit noch Einzelurkunden ausgedruckt werden, sind hinsichtlich der Druckausstattung der Wertpapiere von den deutschen Wertpapierbörsen „Gemeinsame Grundsätze der deutschen Wertpapierbörsen für den Druck von Wertpapieren“5 erlassen worden. Diese gelten grundsätzlich für sämtliche zum Handel an einer deutschen Wertpapierbörse zuzulassenden Wertpapiere. Für Emittenten aus anderen EU-Ländern enthält § 8 Abs. 1 Satz 2 BörsZulV eine noch auf die ursprüngliche Börsenzulassungsrichtlinie6 zurückgehende Erleichterung insoweit, dass Wertpapiere dieser Emittenten nur die in ihren Staaten jeweils geltenden Vorschriften beachten müssen. Soweit die nationalen Vorschriften anderer EU-Länder keinen ausreichenden Schutz vor Fälschungen bieten, ist gemäß den Bestimmungen der Börsenzulassungrichtlinie das Publikum hierauf hinzuweisen, vgl. auch § 8 Abs. 2 BörsZulV; der mangelnde Schutz vor Fälschungen bietet in diesen Fällen keinen Grund für die Versagung der Zulassung.
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ii) Streuung der Aktien. § 9 BörsZulV („free float“) begründet ausschließlich für Aktien und nach der Verwaltungspraxis ausschließlich bei erstmaliger Zulassung7 eine Zulassungsvoraussetzung, nach der mindestens 25 % des Gesamtnennbetrages der zuzulassenden Aktien dem Publikum zur Verfügung zu stellen ist. Wird die Schwelle nach der Zulassung unterschritten, kann dies im Rahmen von § 39 Abs. 1 BörsG den Widerruf der Zulassung begründen8. Nach den Grundsätzen für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger der Börsensachverständigenkommission beim Bundesministerium
1 Vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, § 72a BörsZulV. 2 Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts, BGBl. I 1994, 1961. 3 KonTraG BGBl. I 1998, 786. 4 Vgl. hierzu auch Than in FS Schimansky, 1999, S. 821, 831. 5 Abrufbar über die Internet-Seite der Deutsche Börse AG: www.deutsche-boerse.de (Listing/ Going Public/Regularien/Gesamtinhaltsverzeichnis). 6 Schema A Nr. II.6 sowie Schema B Buchstabe A Nr. II.5 und Buchstabe B. 4 der Börsenzulassungsrichtlinie, Richtlinie des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse, RL 79/279/EWG, ABl. EG Nr. L 66 v. 16.3.1979, S. 21. 7 Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 9 BörsZulV Rz. 2, der dies jedoch im Hinblick auf die europäische Grundlage, Art. 48 Abs. 3 Koordinierungsrichtlinie, die eine solche Differenzierung nicht enthalte, kritisiert. Das scheint bei richtiger Lesart des Art. 48 Abs. 3 Koordinierungsrichtlinie – „zusätzliche Tranche“ – nicht ganz zutreffend, weil, wurde die Streuung bereits bei der Erstemission erreicht, liegt sie schon vor und ist nach Art. 48 Abs. 3 Koordinierungsrichtlinie bei der zusätzlichen Tranche entbehrlich. 8 Heidelbach in Schwark, § 9 BörsZulV Rz. 1
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Börsenzulassung: Voraussetzungen und Verfahren
der Finanzen vom 7.6.20001 zählt ein sog. Friends & Family-Programm, durch das ein bestimmter Teil der Emission für Zuteilungen an zuvor vom Emittenten festgelegte Personen (Mitarbeiter, Geschäftspartner etc.) reserviert wird, nicht zum free float. Das wird man auch im Rahmen des § 9 BörsZulV so sehen müssen2. Die nach § 9 Abs. 1 BörsZulV geforderte ausreichende Streuung der Wertpapiere wird bei Einreichung des Zulassungsantrages grundsätzlich unterstellt. Im Zweifelsfall ist sie vor Aufnahme der Notierung zu erfüllen und muss der Geschäftsführung gegenüber nachgewiesen werden. § 9 Abs. 1 Satz 2 Art. 2 BörsZulV enthält eine Ausnahme von der 25 %-Regel bei größeren Emissionen, § 9 Abs. 2 BörsZulV weitere Ausnahmemöglichkeiten.
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Der Wortlaut der Regelung in § 9 Abs. 1 BörsZulV impliziert, dass die breite Streuung als Zulassungsvoraussetzung bereits im Zeitpunkt der Zulassung vorliegen muss3. Tatsächlich erfolgt aber bei einem IPO die Zuteilung an das Publikum und damit die breite Streuung erst nach Zulassung – es sollen ja keine Wertpapiere von den Anlegern erworben werden, die noch nicht zugelassen sind. Diesen Sachverhalt kann man auch nicht unmittelbar unter § 9 Abs. 2 Nr. 1 BörsZulV subsumieren, da die Streuung nicht „über die“ bzw. „nach der“ Einführung erfolgt, sondern bereits davor; anderenfalls würde man gegen § 38 Abs. 2 BörsG verstoßen. Man wird deshalb § 9 Abs. 1 BörsZulV dahingehend auslegen müssen, dass es ausreicht, wenn die Geschäftsführung bei Zulassung davon ausgehen kann, dass die Streuung bei Einführung gegeben ist.
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jj) Spezialvorschrift für Emittenten aus Drittstaaten. § 10 BörsZulV enthält eine Spezialvorschrift für Emittenten aus Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften oder außerhalb der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.
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kk) Zulassung von Wertpapieren mit Umtausch- oder Bezugsrecht. § 11 BörsZulV soll sicherstellen, dass die Wertpapiere, die durch Ausübung eines Umtausch- oder Bezugsrechts entstehen und/oder erworben werden zumindest gleichzeitig mit denjenigen Wertpapieren, die den Gläubigern ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf diese Wertpapiere einräumen, zugelassen werden. Dies bedeutet bei durch ein bedingtes oder ausnahmsweise (vgl. unten § 51 Rz. 60) genehmigtes Kapital gesicherten Wandel- oder Optionsanleihen, dass grundsätzlich spätestens mit Zulassung der Anleihe auch das entsprechende bedingte/genehmigte Kapital zuzulassen ist4, obwohl die diesbezüglichen Aktien mangels Ausübung des Options- bzw. Wandelungsrechts noch nicht entstanden sind. Soweit sich die Wandel- oder Optionsanleihe auf bereits existierende Aktien dritter Unternehmen beziehen, müssen diese ebenfalls zumindest gleichzeitig mit der Wandel- oder Optionsanleihe zugelassen werden. Hier gilt die Prospektbefreiung des § 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG.
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ll) Zulassung von Zertifikaten, die Akten vertreten. § 12 BörsZulV enthält eine Spezialvorschrift für Zertifikate, die Aktien vertreten, z.B. American Depositary Receipts5.
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1 Abrufbar über die Internet-Seite der Deutsche Börse AG: www.deutsche-boerse.de. 2 Wie hier Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 9 BörsZulV Rz. 9; a.A. Heidelbach in Schwark, § 9 BörsZulV Rz. 1. 3 So auch ausdrücklich Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 9 BörsZulV Rz. 9. 4 Gericke, S. 77; kritisch Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 11 BörsZulV Rz. 6. 5 Vgl. zu American Depositary Receipts nur Bungert/Paschos, WM 1993, 133 ff., 221 ff.
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Börsennotierung
c) Prospekt 39
Nach § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG ist Voraussetzung der Zulassung, dass ein nach den Vorschriften des Wertpapierprospektgesetzes gebilligter oder bescheinigter Prospekt – oder ein vergleichbarer Prospekt – veröffentlicht worden ist.
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Da die Zulassung als solche bereits einen gebilligten Prospekt voraussetzt, wurde § 51 BörsZulV durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, Art. 4 Nr. 9 des Gesetzes, geändert. Die früher mögliche und übliche Veröffentlichung der Zulassung im Prospekt selbst wurde aufgehoben, so dass nur noch die bereits früher auch mögliche Veröffentlichung der Zulassung im Bundesanzeiger und in einem Börsenpflichtblatt verblieben ist.
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Bis zur Änderung der Börsenzulassungsverordnung durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz war der Inhalt des Prospektes in der gemäß § 34 erlassenen Börsenzulassungsverordnung, insbesondere dort in den §§ 13–42 BörsZulV, geregelt. Diese Vorschriften wurden durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, Art. 4 Nr. 7, aufgehoben. Die Regelungen über den Prospektinhalt einschließlich Sonderfällen, die Veröffentlichung des Prospekts und die Befreiung von der Prospektpflicht sind auch für Prospekte, aufgrund derer Wertpapiere zum Handel an einem regulierten Markt zugelassen werden sollen, im Wertpapierprospektgesetz und in der Prospektverordnung geregelt. § 5 WpPG enthält hier eine – begrenzt1 – § 13 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV a.F. vergleichbare Generalklausel. Danach muss der Prospekt sämtliche Angaben enthalten, die im Hinblick auf den Emittenten und die Wertpapiere notwendig sind, „um dem Publikum ein zutreffendes Urteil über die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste, die Zukunftsaussichten des Emittenten und jedes Garantiegebers sowie über die mit diesen Wertpapieren verbundenen Rechte zu ermöglichen. Insbesondere muss der Prospekt Angaben über den Emittenten und über die Wertpapiere, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, enthalten.“
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Hinsichtlich der Mindestangaben2, die im Prospekt enthalten sein müssen, verweist § 7 WpPG auf die Verordnung der Kommission zur Durchführung der Prospektrichtlinie3. Bei deren Auslegung sind wiederum die Empfehlung der CESR zu beachten, welche die Verordnung noch weiter konkretisieren4. Im Endergebnis bedeutet dies, dass unmittelbar die europäischen Vorgaben einzuhalten sind. Diese Vorgaben enthalten ganz detaillierte Inhaltsverzeichnisse für verschiedene Prospekte, Produkte und Emittenten. In den Anhängen der Verordnung zur Ausführung der Prospektrichtlinie 1 Vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, § 5 WpPG Rz. 2. 2 Zum Verhältnis der Generalklausel des § 5 WpPG zu den Mindestangaben nach § 7 WpPG vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, § 7 WpPG Rz. 2 ff. 3 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung, in der zweiten berichtigten Fassung abgedruckt in ABl. EG Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 211/2007 der Kommission vom 27. Februar 2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Finanzinformationen, die bei Emittenten mit komplexer finanztechnischer Vorgeschichte oder bedeutenden finanziellen Verpflichtungen im Prospekt enthalten sein müssen, ABl. EG Nr. L 61 v. 28.2.2007, S. 24. 4 CESR’s Recommendations for the Consistent Implementation of the European Commission’s Regulation on Prospectuses n 809/2004, CESR/05-54b, vgl. auch Frequently asked questions regarding Prospectuses, die laufend aktualisiert wird, vgl. 4th Updated Version – December 2007, CESR/07-852, abrufbar über die homepage: www.cesr-eu.org.
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Börsenzulassung: Voraussetzungen und Verfahren
sind ganz konkrete und ins Einzelne gehende Schemata und Module, die im Endergebnis Inhaltsverzeichnisse für verschiedene Prospekte darstellen, in der Verordnung selbst die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten der Schemata und Module1 enthalten. Wie sich aus § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG ergibt, ist die Veröffentlichung eines nach den Vorschriften des Wertpapierprospektgesetzes gebilligten oder bescheinigten Prospektes oder eines vergleichbaren Prospektes nur dann Zulassungsvoraussetzung, wenn nicht nach dem Wertpapierprospektgesetz von der Veröffentlichung – und damit von der Erstellung und Billigung – eines Prospektes abgesehen werden kann2. Das Finanzmarktrichtline-Umsetzungsgesetz hat den bis dahin in § 30 Abs. 3 Nr. 2 BörsG i.d.F. vor dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz enthaltenen Verweis auf § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG korrigiert, so dass § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG jetzt auf § 1 Abs. 2 WpPG insgesamt verweist. Das ist richtig so, da § 1 Abs. 2 WpPG den Anwendungsbereich des Wertpapierprospektgesetzes eingrenzt und damit das eine Prospektpflicht überhaupt erst begründende Wertpapierprospektgesetz für nicht anwendbar erklärt. Besteht aber nach dem Wertpapierprospektgesetz keine Prospektpflicht, da das Wertpapierprospektgesetz nach seinem § 1 Abs. 2 WpPG überhaupt nicht anwendbar ist, dann begründet das Wertpapierprospektgesetz keine Prospektpflicht, so dass für die Zulassung ebenfalls kein Prospekt erforderlich ist3.
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Eine ganz andere Frage ist die, ob bei bestehender Anwendbarkeit des Wertpapierprospektgesetzes dieses selbst Befreiungen von der Prospektpflicht bei der Zulassung von Wertpapieren enthält. Solche Bestimmungen, nach denen nach dem Wertpapierprospektgesetz für die Zulassung von Wertpapieren kein Prospekt erforderlich ist, enthält § 4 Abs. 2 WpPG4. Diese Ausnahmeregelungen bleiben deutlich hinter den bis zur Änderung der Börsenzulassungsverordnung durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz geltenden Möglichkeiten zurück.
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Dabei gelten die Befreiungstatbestände des § 4 Abs. 2 WpPG qua Gesetzes, ohne dass es hierfür einer ausdrücklichen Entscheidung der zuständigen Stelle bedarf. Das bedeutet, dass die Geschäftsführung auch formal nicht mehr für die Befreiung von der Prospektpflicht zuständig ist5; die früher in den §§ 45 bis 47 BörsZulV a.F. enthaltenen Möglichkeiten der Prospektbefreiung wurden deshalb durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz aufgehoben. Materiell entscheidet die Geschäftsführung aber incidenter doch darüber, ob eine Prospektbefreiung vorliegt oder nicht, indem nämlich allein sie über die Zulassung trotz Fehlen eines Prospektes entscheidet6.
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1 Diese Kombinationsmöglichkeiten sind in Anhang XVIII. der Verordnung zur Ausführung der Prospektrichtlinie, Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung, in der zweiten berichtigten Fassung abgedruckt in ABl. EG Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3, enthalten. 2 Auf Anregung des Bundesrates, BR-Drucks. 85/05, S. 12, wurde noch der Verweis auf § 1 Abs. 2 Nr. 5 WpPG aufgenommen, bei dem es sich aber wohl um ein Redaktionsversehen handelt, vgl. Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 53. 3 Ausführlich dazu Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 53; i.d.S. auch von Rosen in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 2 Rz. 163. 4 Vgl. dazu Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, § 4 WpPG Rz. 7 ff. 5 Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 53 f., dort auch zu den sich daraus ergebenden Zuständigkeitsfragen (BaFin oder Geschäftsführung) Rz. 54; von Rosen in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 2 Rz. 162. 6 Vgl. dazu Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, §§ 48–52 BörsZulV Rz. 5 und § 4 WpPG Rz. 8 sowie Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 54.
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d) Prüfungspflicht der Geschäftsführung 46
Früher wurde im Zusammenhang mit § 30 Abs. 3 Nr. 3 BörsG a.F. die Frage der Prüfungspflicht der früher zuständigen Zulassungsstelle hinsichtlich des Vorliegens der Zulassungsvoraussetzungen bzw. des Nichtvorliegens von Zulassungshindernissen insbesondere daraufhin diskutiert, in welchem Umfang die Zulassungsstelle sich die Kenntnis vom Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen bzw. vom Nichtvorliegen von Zulassungshindernissen durch eigene Ermittlungen verschaffen musste. Dabei wurde unter anderem1 eine eingeschränkte materielle Prüfungspflicht der Geschäftsführung vertreten, die sog. „Prospekttheorie“2. Danach sollte auch eine materielle Prüfung des Prospektes auf die Zulassungsvoraussetzungen sowie sich aus dem Prospekt ergebende Zulassungshindernisse erfolgen.
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Auf Anregung des Bundesrates3 wurde § 30 Abs. 3 Nr. 3 BörsG a.F. durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz gestrichen4. Diese Streichung erfolgte, um zu vermeiden, dass über § 30 Abs. 3 Nr. 3 BörsG a.F. die damals zuständige Zulassungsstelle den Prospekt selbst noch einmal prüft. Die Gefahr einer solchen Doppelprüfung bestand deshalb, weil ohne Streichung der Nr. 3 des § 30 Abs. 3 BörsG a.F. der Prospekt von der Zulassungsstelle daraufhin hätte untersucht werden müssen, ob sich daraus Umstände ergaben, die bei der Zulassung der Wertpapiere zu einer Übervorteilung des Publikums oder einer Schädigung erheblicher allgemeiner Interessen führen5. Seit dieser Streichung des § 30 Abs. 3 Nr. 3 BörsG a.F. durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz stellt sich diese Frage der Prüfungspflicht der jetzt zuständigen Geschäftsführung anders. Insbesondere aufgrund der Begründung für die Streichung des § 30 Abs. 3 Nr. 3 BörsG a.F.6 ist klargestellt, dass keine Prüfung des Prospektes durch die Geschäftsführung mehr erfolgt. Da die Geschäftsführung nach der Änderung des § 30 BörsG a.F. durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz nicht mehr für die Billigung des Prospekts zuständig ist, geht es nicht mehr um die Prospektprüfungspflicht der Geschäftsführung und damit nicht mehr um die Prospekttheorie7.
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Jedoch beschränkte sich auch früher die von der herrschenden Meinung geforderte begrenzte materielle Prüfungspflicht8 nicht nur auf die Prüfung der Vollständigkeit des Prospektes, sondern bezog sich auch auf Vorliegen der sonstigen Zulassungsvoraussetzungen und forderte hierfür eine begrenzte eigenständige Prüfungspflicht der Zulassungsstelle. Bei dieser wird es damit auch – nunmehr beschränkt auf die sonstigen Zulassungsvoraussetzungen – bleiben9. So hat die Geschäftsführung bei der Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen z.B. der §§ 5 Abs. 2 Nr. 1, 7 Abs. 1 Satz 3 und 8 Abs. 2 BörsZulV sehr wohl den Prospekt daraufhin zu prüfen, ob die dort genannten 1 2 3 4 5 6
Vgl. nur Nachw. bei Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 23; Samm, S. 96 Fn. 286 f. Elle, ZHR 128 (1966), 273 ff.; Fleischer, Gutachten F 52 m.w.N.; Weber, NJW 2003, 18, 21. BR-Drucks. 85/05, S. 12 f. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/5373, S. 50. So ausdrücklich der Bundesrat in seiner Stellungnahme, BR-Drucks. 85/05, S. 12 f. Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, der insoweit auf die Begründung des Bundesrates, BR-Drucks. 85/05, S. 12, verweist, BT-Drucks. 15/5373, S. 50: Eine Doppelprüfung des Prospekts soll in jedem Fall vermieden werden. Deshalb solle § 30 Abs. 3 Nr. 3 gestrichen oder geändert werden. Der Finanzausschuss hat sich für die Streichung entschlossen. 7 Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 58. 8 BGH v. 6.7.1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 130 = WM 1993, 1455, 1456 f.; LG Frankfurt v. 3.9.2004 – 2/4 O 435/02, WM 2004, 2155; weitere Nachw. bei Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 23. 9 Wie hier wohl auch von Rosen in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 2 Rz. 187.
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Voraussetzungen eingehalten werden1. Diese Prüfung führt zwar nicht zur Übernahme einer Gewähr für die Güte der zuzulassenden Wertpapiere2. Sie wird aber dahin gehen, das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen materiell zu prüfen und ebenfalls zu untersuchen, ob auf der Grundlage der Prospektinformation und der sonstigen der Geschäftsführung bekannten Umstände die Zulassungsvoraussetzungen vorliegen bzw. Zulassungshindernisse fehlen3. Die dabei zu berücksichtigenden sonstigen Umstände kann die Geschäftsführung dem Prospekt, ihrem allgemeinen Wissen, aber auch speziellen, auf andere Weise erworbenen Informationen entnehmen. Hierfür kann die Geschäftsführung analog § 41 oder § 26 VwVfG u.U. auch Auskünfte bei den Emittenten bzw. dem Emissionsbegleiter einholen. Andererseits ist auch durch die Begründung des Gesetzgebers für die Streichung des § 30 Abs. 3 Nr. 3 BörsG a.F. klargestellt, dass nicht – nunmehr über den Umweg des § 32 Abs. 3 Nr. 1 BörsG – eine doppelte Prospektprüfung erfolgt, zunächst im Rahmen der Prospektbilligung durch die BaFin und dann im Rahmen der Prüfung des § 32 Abs. 3 Nr. 1 BörsG durch die Geschäftsführung. Die Geschäftsführung hat die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 Nr. 1 BörsG zu prüfen und darf dabei die Prospektinformationen verwenden. Den Prospekt prüft sie nicht. Einstweilen frei.
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III. Zulassungsverfahren 1. Überblick Die Einzelheiten des Zulassungsverfahrens und die Zulassungsvoraussetzungen sind für den regulierten Markt in §§ 32 ff. BörsG und in der auf der Grundlage des § 34 BörsG erlassenen Börsenzulassungsverordnung geregelt. Für den Freiverkehr ergeben sich die Einzelheiten des Einbeziehungsverfahrens in den vom jeweiligen Börsenträger erlassenen Richtlinien für den Freiverkehr. Das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, vor allem aber das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz, haben das Zulassungsverfahren, insbesondere dessen Dauer, erheblich verändert.
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Die Zulassung setzt nach § 32 Abs. 2 BörsG einen Antrag des Emittenten zusammen mit einem Emissionsbegleiter voraus. Der Inhalt des Antrags und die beizufügenden Unterlagen sind in § 32 Abs. 3 BörsG in Verbindung mit § 48 BörsZulV geregelt. Die früher gemäß § 49 BörsZulV vorgesehene Veröffentlichung des Zulassungsantrags wurde durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz gestrichen. Das ist eine erhebliche Erleichterung insbesondere bei zeitkritischen Accelerated Bookbuildings. Die Geschäftsführung prüft in dem durch § 32 Abs. 3 BörsG vorgegebenen Umfang, ob die Voraussetzungen der Zulassung vorliegen4. Durch das FinanzmarktrichtlinieUmsetzungsgesetz wurde die bis dahin in § 50 BörsZulV a.F. enthaltene Drei-Werktages-Frist5 verkürzt und beginnt – aufgrund der Streichung des § 49 BörsZulV a.F. – nicht mehr mit der Veröffentlichung des Zulassungsantrags sondern mit dem Datum
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1 Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 58. 2 BGH v. 6.7.1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 130 = WM 1993, 1455, 1456 f.; Ellenberger in FS Schimansky, S. 591, 595; Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 23; Samm, S. 96. 3 BGH v. 6.7.1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 130 = WM 1993, 1455, 1456 f.; Samm, S. 96 f.; Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 58; Schwark, NJW 1987, 2041, 2043; zu den Rechtsfolgen bei Verletzung der diesbezüglichen Pflichten vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, § 32 BörsG Rz. 47 ff. 4 Zum Umfang des Prüfungsrechts, formell oder auch materiell vgl. oben Rz. 48. 5 Vgl. zur Begründung dieser Frist noch Begr. RegE zur BörsZulV, BR-Drucks. 72/87, S. 67, 87.
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der Einreichung. Gleichzeitig wurde eine früher kontrovers beurteilte Frage, die der Anwendung des § 187 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB, durch die neue Formulierung entschieden: Der früheste Zeitpunkt der Zulassung ist der dem Tag der Einreichung des Zulassungsantrags folgende Handelstag, d.h. wird der Zulassungsantrag am 3.12.2008 gestellt, kann die Zulassung am 4.12.2008 erfolgen. Wie lange sich die Geschäftsführung für die Zulassung Zeit lassen darf, ist nicht geregelt. Früher wurde gelegentlich vertreten, eine Frist von 10–15 Werktagen sei angemessen. Das mag zu Zeiten, in denen die Zulassungsstelle aus 20 und mehr Vertretern der Handelsteilnehmer bestand, noch vertretbar gewesen sein. Spätestens seit der Übertragung der Zulassungskompetenz auf die Geschäftsführung der Börse durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz dürfte man aber ein deutlich schnelleres Vorgehen erwarten können. Die Geschäftsführung der FWB selbst sieht das offensichtlich ebenso, wenn sie als Anlage ihres Rundschreiben Listing 01/2007 im Zeitplan den Zulassungsbeschluss auf den Tag nach Einreichung des Zulassungsantrags festlegt1. 55
Der Zeitablauf für ein mögliches Zulassungsverfahren kann (ohne Berücksichtigung des Prospektbilligungsverfahrens) bei enger Zusammenarbeit aller Beteiligten nach den §§ 49 bis 52 BörsZulV wie folgt gestaltet werden2: – – – –
Zulassungsantrag wird am Tag T gestellt; die Zulassung wird am Tag T + 1 erteilt; Veröffentlichung der erfolgten Zulassung am Tag T + 2, § 51 BörsZulV; Einführung der zugelassenen Wertpapiere am Tag T + 33, § 52 BörsZulV.
Bei diesem Ablaufplan sind Sonn- und Feiertage nicht berücksichtigt worden; der Samstag gilt als Werktag. Bei § 50 BörsZulV kommt es allerdings auf „Handelstage“ an, zu denen der Samstag nicht zählt. Bei § 52 BörsZulV spricht der Wortlaut zwar vom „Werktag“, faktisch muss es sich aber auch hier um einen Handelstag handeln, da es um die Notierungsaufnahme geht, die wiederum nur an einem Handelstag erfolgen kann. 2. Zulassungsverfahren im Einzelnen a) Zulassungsantrag 56
Das Zulassungsverfahren wird durch den Zulassungsantrag eröffnet. Der Zulassungsantrag muss vom Emittenten und einem Emissionsbegleiter gestellt werden, wobei Bevollmächtigung untereinander zulässig4 und üblich ist.
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aa) Antragsteller: Gesellschaft. Unstreitig wird der Emittent bei Stellung des Antrags durch sein Vertretungsorgan, bei der Aktiengesellschaft durch den Vorstand, organ-
1 Allerdings verweist sie ausdrücklich darauf, dass die Anlage nur die gesetzlichen Mindestfristen enthalte. „Die tatsächlichen Fristen für die Bearbeitung eines Zulassungsverfahrens können je nach Art des Verfahrens und Aufwand auch länger sein. Dennoch wird man bemüht sein, die eingehenden Verfahren schnellstmöglich zu erledigen.“ Ziffer 5 Rundschreiben Listing 01/2007 vom 21.9.2007. 2 Rundschreiben Listing 01/2007 der Frankfurter Wertpapierbörse, dort Übersichten in den Anlagen. 3 Bei geeigneter Vorabsprache kann dieser Zeitplan auf T+2 verkürzt werden, wenn nämlich eine Veröffentlichung der Zulassung an T+1 gelingt. 4 Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 38, § 48 BörsZulV Rz. 4.
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schaftlich vertreten – auch rechtsgeschäftliche Vertretung etwa durch Bevollmächtigung des Emissionsbegleiters oder durch Prokuristen etc. ist nicht ausgeschlossen. bb) Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen. In der Literatur1 wird verschiedentlich vertreten, der Vorstand der Gesellschaft könne zwar kraft seiner gesetzlich umfassenden Vertretungsmacht die für den Börsengang erforderlichen rechtsgeschäftlichen Handlungen vornehmen. Er bedürfe aber hierfür intern einer gesonderten Ermächtigung durch die Hauptversammlung, die darüber mit einfacher Stimmenmehrheit2 oder nach a.A. mit satzungsändernder 3/4-Mehrheit3 beschließen müsse4. Der BGH hat in der „Macrotron“-Entscheidung zum Delisting eine Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Entscheidung über das reguläre (vollständige) Delisting ausschließlich mit dem darin liegenden Eingriff in das Eigentumsrecht der Aktionäre, zu dem auch die Verkehrsfähigkeit der Aktie gehöre, begründet5. Er hat ausdrücklich allen anderen Begründungsversuchen für eine Zuständigkeit der Hauptversammlung eine Absage erteilt6. Ganz auf der Linie des BGH im „Mactrotron-Urteil“, die Holzmüller-Grundsätze auf diejenigen Fälle zurückzuführen, für die sie entwickelt wurden, nämlich allein „Strukturentscheidungen“, liegen die „Gelatine-Urteile“ des BGH vom 26.4.20047. Spätestens damit ist der Begründung einer Hauptversammlungszuständigkeit beim Börsengang mit Holzmüller-Argumenten die Grundlage entzogen. Es bleibt damit nur noch das Eigentumsrecht der Aktionäre, zu dessen Schutzbereich auch die Verkehrsfähigkeit der Aktie gehören soll, als Anknüpfungspunkt. Damit lässt sich eine Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Entscheidung über den Börsengang aber gerade nicht begründen8. Die Verkehrsfähigkeit der Aktien wird nicht beeinträchtigt, sondern gerade gesteigert.
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In der Praxis kommt ein isolierter Beschluss zum Börsengang eher selten vor9. Dies liegt in erster Linie wohl daran, dass die für den Handel an der Börse vorgesehenen Aktien in der Regel durch eine Kapitalerhöhung geschaffen werden. Soweit der nach § 9 BörsZulV bei einer Zulassung der Aktien zum regulierten Markt erforderliche An-
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1 Grupp, Börseneintritt und Börsenaustritt, S. 146 ff.; 149 ff.; Lutter/Drygala in FS Raisch, S. 239, 241; Lutter in FS Zöllner, 1998, Bd. 1, S. 363, 376; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 465 f.; ausführlich zum Meinungsstand Brauer, S. 58 ff. 2 So Grupp, Börseneintritt und Börsenaustritt, S. 154 ff.; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 466 und auch noch Lutter/Drygala in FS Raisch, S. 239, 241. 3 So Lutter in FS Zöllner, 1998, Bd. 1, S. 363, 378. 4 Kritisch hierzu Brauer, S. 129 ff.; Groß, ZHR 165 (2001), 147, 161 ff. (hauptsächlich zum Delisting); Halasz/Kloster, ZBB 2001, 474, 477 ff.; Hopt in FS Drobnig, 1998, Bd. I, S. 525, 536 f. 5 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 = AG 2003, 273. Ablehnend Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 798 ff.; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 228 weisen vollkommen zu Recht darauf hin, dass die Verkehrsfähigkeit der Aktien im Falle „Macrotron“ laut Sachverhaltswiedergabe durch die Erstinstanz rein tatsächlich nicht mehr im Sinne eines effektiven Börsenhandels gegeben war. 6 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 = AG 2003, 273. Insoweit ausdrücklich zustimmend Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 798. 7 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 154/02, WM 2004, 1085; BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 = AG 2004, 384. 8 Ausführlich hierzu Brauer, S. 82 ff.; Groß, ZHR 165 (2001), 141, 163 ff.; Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 52. 9 Das gilt jedenfalls für die Gesellschaft, die selbst den Börsengang anstrebt. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Beschlussfassung der Hauptversammlung der Muttergesellschaft für den Börsengang einer Tochtergesellschaff erforderlich ist, vgl. dazu die Übersicht über den Meinungsstand bei Hüffer, § 119 AktG Rz. 18 und weitere Nachweise in § 186 AktG Rz. 5a. Eine solche Beschlusskompetenz der Hauptversammlung ist jedenfalls, wenn die Tochtergesellschaft nicht durch Ausgliederung betriebswesentlicher Teile aus der Muttergesellschaft entstanden ist, nicht gegeben. Hüffer, § 119 AktG Rz. 18 und weitere Nachweise in § 186 AktG Rz. 5a.
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teil von 25 % der gesamten zuzulassenden Aktien, die vom Publikum erworben werden können1 („free float“), nicht durch Abgabe von den derzeitigen Aktionären sichergestellt werden kann, ist eine solche Kapitalerhöhung erforderlich. Eine Kapitalerhöhung zum Zweck des Gangs an die Börse enthält aber zumindest konkludent, in der Regel aber sogar ausdrücklich, eine Entscheidung über den Börsengang als solchen und macht damit eine gesonderte isolierte Beschlussfassung zum Börsengang entbehrlich2. 60
cc) Emissionsbegleiter. Der Kreis zulässiger Emissionsbegleiter in § 32 Abs. 2 BörsG ist durch das Begleitgesetz3 infolge der Umsetzung der alten Wertpapierdienstleistungsrichtlinie4 über die Kreditinstitute hinaus auf Finanzdienstleistungsinstitute und Unternehmen im Sinne der § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG oder § 53b Abs. 1 Satz 1 KWG erweitert worden und, jedenfalls in der nunmehr vorliegenden Form, mit Art. 12 GG vereinbar5. Da das börsenbegleitende Unternehmen auch nach erfolgter Zulassung weitere Pflichten übernimmt, z.B. die laufende Beratung des Emittenten bei der Gestaltung und Durchführung der börsenrechtlichen Publizität, die Unterrichtung der Börsengeschäftsführung über die Fälligkeit der Dividenden, oder die Gewährleistung der börsenmäßigen Lieferbarkeit der Wertpapiere6, muss es nach § 32 Abs. 2 Satz 2 BörsG an einer inländischen Wertpapierbörse mit dem Recht zum Handel zugelassen sein. Nur so ist sichergestellt, dass der Emissionsbegleiter über die erforderlichen Erfahrungen und Kenntnisse hinsichtlich der mit einer Notierung an einer Wertpapierbörse verbundenen Verpflichtungen verfügt7.
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Die Entscheidung darüber, ob eine Person als Emissionsbegleiter agieren kann, ist kein eigenständiger Verwaltungsakt, sondern ein verwaltungsinterner Mitwirkungsakt im Rahmen des Verwaltungsverfahrens über die Zulassung der Wertpapiere8. Ein Unternehmen, dessen Kapitalanteile zu 100 % von dem Emittenten gehalten werden9, kann nicht Emissionsbegleiter sein, ebenso wenig ein Wirtschaftsprüfer10.
1 Zu den Voraussetzungen des § 9 BörsZulV vgl. oben Rz. 33 ff.; Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, §§ 1–12 BörsZulV Rz. 11. 2 Vgl. nur Lutter in FS Zöllner, 1998, Bd. 1, S. 361, 379. 3 Begleitgesetz zum Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, BGBl. I 1997, 2567. 4 Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen vom 12. Mai 1993, RL 93/22/EWG, ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27. Die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie wurde gem. Artikel 69 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12. EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1 mit Wirkung zum 30. April 2006 aufgehoben. 5 Wie hier mit ausführlicher Begründung Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 15; zweifelnd Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 40. 6 Vgl. zu den weiteren Pflichten auch Gericke, S. 41. 7 Begr. RegE zum Begleitgesetz, BT-Drucks. 13/7143, S. 16, 27. Bei Emissionsbegleitung durch ein Konsortium ist ausreichend, dass ein Konsortialmitglied die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BörsG erfüllt; nicht erforderlich ist, dass sämtliche Konsortialmitglieder die Voraussetzungen erfüllen, vgl. Gericke, S. 40; Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 16 a.E. 8 So für die Zulassung zum früheren geregelten Markt VGH Kassel v. 19.3.1996 – 11 UE 1714/93, NJW-RR 1997, 110, 111 f. 9 Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 42. 10 So für die Zulassung zum früheren geregelten Markt VGH Kassel v. 19.3.1996 – 11 UE 1714/93, NJW-RR 1997, 110, 113; Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 38.
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dd) Schriftformerfordernis. Der Antrag ist schriftlich und – auch bei einem anderssprachigem Prospekt – in deutscher Sprache1 zu stellen, § 48 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV i.V.m. § 23 Abs. 1 VwVfG. Er hat die in § 48 Abs. 1 Satz 2 und 3 BörsZulV genannten Angaben zu enthalten. Die Frankfurter Wertpapierbörse empfiehlt2, das auf der Internet-Seite Deutsche Börse AG3 eingestellte Antragsformulare zu verwenden. Obwohl die Verwendung dieses Formulars nicht zwingend ist4, empfiehlt es sich doch, diese „Hilfestellung“ zu nutzen, um damit vermeidbare Nachfragen und dadurch bedingte zeitliche Verzögerung5 zu vermeiden.
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ee) Antragsadressat: Geschäftsführung. Der Zulassungsantrag ist auf Grund der Änderungen durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz nicht mehr bei der Zulassungsstelle, sondern bei der Geschäftsführung derjenigen Börse, an der die Zulassung beantragt wird, einzureichen6.
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Nachdem das frühere sog. Kooperationsverfahren7 bereits Ende 2003 und die nachfolgende allein privatrechtliche Kooperation zwischen den Trägergesellschaften der jeweiligen Börsen8 durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz beendet wurden, verbleiben Erlass des Zulassungsbeschlusses sowie die Feststellung der Gebühren bei den jeweiligen Geschäftsführungen der jeweiligen Börsen. Eine Konzentration der Zulassung auf z.B. eine Geschäftsführung einer Börse findet bei erstrebter Zulassung an mehreren Börsen nicht statt9.
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Nach § 48 Abs. 1 Satz 3 BörsZulV ist im Zulassungsantrag anzugeben, ob ein gleichartiger Antrag zuvor oder gleichzeitig an einer anderen inländischen Börse oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum gestellt worden ist oder alsbald gestellt werden wird. Diese Vorschrift dient der Sicherung der Zusammenarbeit der verschiedenen in- und ausländischen Börsen und damit der Einheitlichkeit der jeweils zu treffenden Zulassungsentscheidung, vgl. auch §§ 35, 36 BörsG. Nach § 35 Abs. 3 BörsG ist bei einem Zulassungsantrag bei verschiedenen inländischen Börsen eine Zulassung nur mit Zustimmung aller Geschäftsführungen zulässig. Diese Zustimmung ist für den Antragsteller ein interner, nicht einklagbarer Akt10. Wird eine Zulassung wegen fehlender Zustimmung abgelehnt, stehen ihm somit nur gegen die nach außen entscheidende, die Zulassung ablehnende Stelle die all-
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1 Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 17. In der Praxis wird hiervon vereinzelt abgewichen, was auch von der Geschäftsführung akzeptiert wird, Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 48 BörsZulV Rz. 5. 2 So ausdrücklich Rundschreiben Listing 04/2003 der Zulassungsstelle der Frankfurter Wertpapierbörse vom 11.6.2003. 3 www.deutsche-boerse.de (Listing/Going Public/Anträge). 4 Ebenso Rundschreiben Listing 04/2003 der Zulassungsstelle der Frankfurter Wertpapierbörse vom 11.6.2003; Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 17 a.E. 5 So ausdrücklich Rundschreiben Listing 04/2003 der Zulassungsstelle der Frankfurter Wertpapierbörse vom 11.6.2003, in dem „im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung dringend empfohlen (wird), zukünftig von dem Antragsformular Gebrauch zu machen“. 6 Zum Zugangserfordernis vgl. näher Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 32. 7 Vgl. dazu nur Foelsch in BuB, Rz. 7/519; Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 28. 8 Vgl. dazu nur Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rn. 28. 9 Ziffer 3 Rundschreiben Listing 01/2007. 10 Heidelbach in Schwark, § 33 BörsG Rz. 5.
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gemeinen Rechtsmittel (vgl. unten Rz. 85) zur Verfügung. Wird die Zulassung trotz fehlender Zustimmung erteilt, ist sie dennoch wirksam1. b) Einzureichende Unterlagen 66
Dem Antrag sind diejenigen Unterlagen beizufügen, die der Geschäftsführung die Beurteilung der in § 32 Abs. 3 Nr. 1 BörsG genannten Voraussetzungen ermöglicht2. Dies sind insbesondere die in § 48 Abs. 2 Satz 2 BörsZulV genannten Unterlagen: Beglaubigter Auszug aus dem Handelsregister nach neuestem Stand; Satzung/Gesellschaftervertrag in der neuesten Fassung; Jahresabschlüsse und Lageberichte für die dem Antrag vorangehenden drei Geschäftsjahre, einschließlich der Bestätigungsvermerke der Wirtschaftsprüfer; Nachweis über die Rechtsgrundlage der Wertpapierausgabe, d.h. Dokumentation der maßgeblichen Gremienbeschlüsse über die Emission. In der Praxis werden diese Unterlagen immer beigefügt, obwohl die Vorschrift von einem diesbezüglichen Verlangen der Geschäftsführung spricht. Wie durch das Wort „insbesondere“ zum Ausdruck gebracht wird, kann die Geschäftsführung ggf. die Vorlage weiterer Unterlagen verlangen. c) Billigung des Prospekts
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Zulassungsvoraussetzung nach § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG ist „ein nach den Vorschriften des Wertpapierprospektgesetzes gebilligter oder bescheinigter Prospekt oder ein ausführlicher Verkaufsprospekt im Sinne des § 42 des Investmentgesetzes oder ein Prospekt im Sinne des § 137 Abs. 3 des Investmentgesetzes …, soweit nicht nach § 1 Abs. 2 oder § 4 Abs. 2 des Wertpapierprospektgesetzes von der Veröffentlichung eines Prospekts abgesehen werden kann“. Dem Zulassungsantrag ist nach § 48 Abs. 2 Satz 1 BörsZulV der Entwurf des Prospektes oder ein gebilligter Prospekt beizufügen. Das Prospektbilligungsverfahren selbst wurde durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz dem Zulassungsverfahren entzogen und ist seither – eher rudimentär3 – im Wertpapierprospektgesetz geregelt. Die Billigung des Prospekts im Rahmen des Wertpapierprospektgesetzes durch die BaFin ist die Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Außenwirkung und damit ein Verwaltungsakt4. Das war bei der Prospektbilligung nach § 30 BörsG a.F.5 bzw. § 8a VerkProspG im Falle der förmlichen Gestattung der Veröffentlichung6 nicht anders.
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Die BaFin entscheidet über den Antrag innerhalb der Fristen des § 13 Abs. 2 bzw. Abs. 3 WpPG durch Verwaltungsakt, d.h. Billigung oder Ablehnung – auch die Ablehnung der Billigung ist Verwaltungsakt – oder Aufforderung von Ergänzungen nach § 13 Abs. 3 WpPG. Wie sich aus § 13 Abs. 3 WpPG, der Art. 13 Abs. 4 Prospektrichtlinie umsetzt, ergibt, beginnen die Fristen des § 13 Abs. 2 WpPG erst mit Einreichung eines vollständigen Prospekts zu laufen. Stellt die BaFin im Rahmen der Prüfung des zur Billigung eingereichten Prospekts fest, dass dieser unvollständig ist oder es ergän1 2 3 4
Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, § 32 BörsG Rz. 37. Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 17. Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, § 13 WpPG Rz. 3. So ausdrücklich Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 25, 34. Ebenso Kullmann/Sester, WM 2005, 1068, 1073. 5 Begr. RegE zum Dritten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 13/8933, S. 54, 72. Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 33. 6 Heidelbach in Schwark, § 8a VerkProspG Rz. 2.
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zender Informationen bedarf, teilt sie dies dem Anbieter oder Zulassungsantragssteller mit. Erst wenn daraufhin die fehlenden Unterlagen eingehen, soll nach § 13 Abs. 3 Satz 1 WpPG die Frist des § 13 Abs. 2 WpPG beginnen1. Da es im Regelfall im Prospektbilligungsverfahren zu Nachfragen kommt, die BaFin selbst aber einen pragmatischen Weg beschreiten möchte, hat sich in der Praxis folgender Regelzeitplan bei Prospekten für das öffentliche Angebot bzw. die Erstzulassung von Aktien entwickelt, der jedoch keineswegs rechtsverbindlich ist: Prüfungsfrist von 13 Tagen durch die BaFin nach Ersteinreichung des Prospekts, dann Kommentare/Nachfragen durch die BaFin; nach daraufhin erfolgter Einreichung eines entsprechend geänderten Prospekts weitere 10 Tage Prüfung durch die BaFin mit weiteren Kommentaren. Werden diese Kommentare dann in der dritten Fassung vom Anbieter oder Zulassungsantragssteller bearbeitet und ein entsprechend ergänzter Prospekt eingereicht, erfolgt innerhalb von drei bis fünf Tagen nach dieser „Letzteinreichung“ die Prospektbilligung. Mit den gesetzlich in § 13 Abs. 2 WpPG geregelten Fristen hat dieses Verfahren nichts gemein. d) Veröffentlichung des Prospekts aa) Art der Veröffentlichung. Das Verfahren zur Veröffentlichung des gebilligten Prospekts – eine Veröffentlichung vor Billigung ist unzulässig und eine Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 5 WpPG – wurde durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz ebenfalls dem Börsengesetz und der Börsenzulassungsverordnung entzogen und im Wertpapierprospektgesetz neu geregelt. Der gebilligte Prospekt ist gemäß § 14 Abs. 2 WpPG zu veröffentlichen. In der Praxis erfolgt die Veröffentlichung nahezu ausschließlich durch die im Wertpapierprospektgesetz geforderte Kombination zwischen InternetVeröffentlichungen und Schalterpublizität, vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 3 WpPG i.V.m. § 14 Abs. 5 WpPG.
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bb) Speziell: Alleinige Veröffentlichung im Internet. Bereits vor Änderung des § 30 Abs. 5 BörsG i.d.F. vor dem Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde diskutiert, ob das „Bereithalten zur kostenlosen Ausgabe“ auch allein durch Benennung einer Internet-Adresse erfüllt werden kann, wenn es möglich ist, unter dieser Adresse den Prospekt herunterzuladen. Der Wortlaut des § 30 Abs. 5 Nr. 2 BörsG i.d.F. vor dem Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz stand dem nicht entgegen. Ein Prospekt wird auch dadurch, dass er auf einer Internet-Seite eingestellt wird, „bereitgehalten“ und kostenlos ausgegeben, wenn er heruntergeladen und ausgedruckt werden kann2. Auf der anderen Seite ist trotz der zunehmenden Bedeutung des Internets dieses noch nicht allgemein verbreitet, so dass tatsächlich allein durch Einstellen in das Internet nicht jedermann Zugang zu der Information hat3.
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Dieser Ansicht hat sich der Gesetzgeber im Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz angeschlossen. Zwar hat er die Veröffentlichung im Internet im § 14 Abs. 2 Nr. 3 WpPG ausdrücklich gestattet. Er hat aber in § 14 Abs. 5 WpPG die Regelung in § 14 Abs. 2 Nr. 3 WpPG ergänzt. Danach ist es erforderlich, bei einem ausschließlich
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1 Kritisch zur entsprechenden Regelung der Prospektrichtlinie bereits Crüwel, AG 2003, 243, 251; Kunold/Schlitt, BB 2004, 501, 509. Insgesamt zu einer restriktiven Auslegung dieser Regelung und einer Beschränkung auf wesentliche Nachforderungen Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, § 13 WpPG Rz. 10. 2 Im Ergebnis ebenso, wenn auch mit anderer Begründung, für die Veröffentlichung des Verkaufsprospekts nach § 9 Abs. 2 VerkProspG, Ritz in Assmann/Lenz/Ritz, § 9 VerkProspG Rz. 13. 3 Assmann in FS Schütze, 1999, S. 15, 43.
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im Internet veröffentlichten Prospekt zusätzlich diesen kostenlos in Papierform zur Verfügung zu stellen, um damit die gleichen Zugangsmöglichkeiten für das gesamte Publikum sicher zu stellen1. 72
cc) Dauer der Veröffentlichung. Darüber, wie lange der Prospekt z.B. auf der InternetSeite vorzuhalten ist, lässt sich § 14 WpPG nichts entnehmen. Entsprechend der von der Rechtsprechung entwickelten Dauer der so genannten Anlagestimmung2, die ein Prospekt erzeugen soll, die der Gesetzgeber im Rahmen des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes3 in § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG mit sechs Monaten gesetzlich festgeschrieben hat, spricht viel dafür, diese 6-Monats-Frist auch hier anzuwenden. Demzufolge muss spätestens 6 Monate nach der erstmaligen Einführung der Wertpapiere und nach Veröffentlichung des Prospekts dieser nicht mehr bereit gehalten werden4. Dass der Prospekt gemäß § 9 Abs. 1 WpPG zwölf Monate „gültig“ sein kann, sofern er um die nach § 16 WpPG erforderlichen Nachträge ergänzt wird, ändert daran nichts. Nur dann, wenn der Anbieter oder Zulassungsantragssteller den Prospekt – ergänzt um erforderliche Nachträge – verwenden will, muss er ihn entsprechend lange veröffentlicht halten. Will er dies nicht, ist keine gesetzliche Verpflichtung ersichtlich, die zu einer solch langen Veröffentlichungspflicht zwingt. Dass die BaFin gemäß § 13 Abs. 4 WpPG den Prospekt für zwölf Monate auf ihrer Internet-Seite zugänglich macht, begründet keine Verpflichtung des Anbieters oder Zulassungsantragsstellers. 3. Zulassungsanspruch, Ablehnung der Zulassung
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Sind die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 BörsG erfüllt, besteht ein – einklagbarer5 – Anspruch auf Zulassung6, es sei denn, die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 BörsG lägen vor. In diesem Fall besteht nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung7.
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Sind die in § 32 Abs. 3 BörsG genannten gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt und kann von einer fehlenden Zulassungsvoraussetzung nicht befreit werden, muss die Geschäftsführung den Zulassungsantrag ablehnen8. Sie kann den Antrag auf Zulassung der Wertpapiere trotz Erfüllung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 BörsG gemäß § 32 Abs. 4 ablehnen, wenn der Emittent seine Pflichten aus der Zulassung zum regulierten Markt an einer anderen inländischen Börse oder an einer Börse in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraums nicht erfüllt. Die Ablehnung der Zulassung ist gemäß § 35 Abs. 1 BörsG zu begründen und den anderen Geschäftsführungen mitzuteilen.
1 Begr. RegE zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/4999, S. 25, 36. 2 Zur Entwicklung und zu den in der Rechtsprechung genannten Zeiträumen vgl. Ellenberger in FS Schimansky, S. 591, 601; Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, §§ 44, 45 BörsG Rz. 70 f. 3 BGBl. I 1998, 529. 4 So ausdrücklich Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 39 und Rz. 41, dort unter Hinweis auf die längere Frist von 3 Jahren nach den Going Public-Grundsätzen. 5 Vgl. zu den Rechtsmitteln sogleich unten Rz. 85 ff. 6 Unstr.: Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 46; Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 45; Kümpel/Hammen, Börsenrecht, S. 194; von Rosen in Assmann/ Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 2 Rz. 189. 7 Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 45; von Rosen in Assmann/Schütze, Hdb. KapitalanlageR, § 2 Rz. 190. 8 Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 47 f.
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IV. „Beendigung“ der Zulassung 1. Erlöschen der Zulassung kraft Gesetzes Gemäß § 38 Abs. 4 Satz 1 BörsG erlischt die Zulassung zum regulierten Markt kraft Gesetzes, wenn die zugelassenen Wertpapiere nicht innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung der Zulassungsentscheidung eingeführt werden, d.h. wenn für sie innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung der Zulassungsentscheidung keine Notierung im regulierten Markt erfolgt. Eine angemessene Verlängerung der Frist ist gemäß § 38 Abs. 4 Satz 2 BörsG möglich.
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Von Gesetz wegen erlischt die Zulassung als begünstigender Verwaltungsakt auch durch ihre Erledigung gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG. Das ist zum Beispiel der Fall bei einem Formwechsel der Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft anderer Rechtsform, weil die Aktien der formwechselnden Gesellschaft untergehen – nicht dagegen, wenn die Aktien beim Formwechsel bestehen bleiben, z.B. beim Formwechsel einer AG in eine KGaA oder eine AG in eine SE1 und umgekehrt2 –, bei einer Verschmelzung, weil durch die Eintragung der Verschmelzung der übertragende Rechtsträger und damit die in den Aktien verkörperten Mitgliedschaftsrechte an diesem Rechtsträger erlöschen, schließlich bei der Aufspaltung und bei der Eingliederung3.
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Einstweilen frei.
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2. „Beendigung“ der Zulassung von Amts wegen4 Für die „Beendigung“ der Zulassung von Amts wegen bestehen nach § 39 Abs. 1 BörsG drei Möglichkeiten: Zum einen die nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes, zum anderen bei Nichterfüllung der Emittentenpflichten und drittens die, nach der die Geschäftsführung die Zulassung widerrufen kann, wenn sich die Umstände, die zuvor zur Einstellung der Notierung geführt haben, als dauerhaft erweisen.
1 So zu Recht Kowalski, DB 2007, 2243, 2244, vgl. auch die Bekanntmachung der Porsche Automobilholding SE, BZ v. 15.11.2007, S. 22: „Mit Wirkung vom 16. November 2007 an wird die Notierung der auf den Inhaber lautenden Vorzugsaktien der Gesellschaft im regulierten Markt an den Wertpapierbörsen … von der Gattungsbezeichnung „Dr. Ing. h.c. F. Porsche Aktiengesellschaft“ Stuttgart in „Porsche Automobil Holding SE“, Stuttgart geändert. Die ISIN …. sowie … und das Börsenkürzel … ändern sich durch diese Umstellung nicht. … Vorliegende Börsenaufträge sind nicht betroffen und bestehen unverändert fort.“. 2 Die Praxis beim Rechtsformwechsel einer AG in eine KGaA oder einer KGaA in eine AG ist unterschiedlich. Während hier z.B. beim Rechtsformwechsel von einer KGaA in eine AG in einem Fall von einigen Börsen die Ansicht vertreten wurde, dass es keiner neuen Zulassung für die aus der Umwandlung der Kommanditaktien resultierenden Aktien bedarf, wurde im Fall der Umwandlung einer AG in eine KGaA eine neue Zulassung durchgeführt, vgl. Umwandlung HSBC Trinkaus & Burkhardt Kommanditgesellschaft auf Aktien in HSBC Trinkaus und Burkhardt AG einerseits und Drägerwerk AG in Drägerwerk AG & Co. KGaA andererseits. 3 Ebenso für Formwechsel, Verschmelzung und Aufspaltung Kümpel/Hammen, Börsenrecht, S. 199; Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, § 39 BörsG Rz. 4 und 12 ff.; vgl. ausführlich auch unten § 63 Rz. 19 ff. 4 Es wird hier bewusst untechnisch von der Beendigung gesprochen, da § 39 Abs. 1 BörsG ganz verschiedene Beendigungsmöglichkeiten nennt, Widerruf und Rücknahme nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz, Widerruf wegen fehlender Gewährleistung des ordnungsgemäßen Börsenhandels, Widerruf wegen Verstoßes gegen die Zulassungsfolgepflichten sowie Widerruf auf Antrag des Emittenten.
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a) Beendigung der Zulassung nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz 79
Bei der Beendigung der Zulassung nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes handelt es sich zum einen um die Rücknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Zulassung gemäß § 48 VwVfG. Zum anderen handelt es sich um den Widerruf einer anfänglich rechtmäßigen Zulassung gemäß § 49 VwVfG. Da es sich bei der Zulassung um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, sind beim Widerruf der Zulassung die Einschränkungen des § 49 Abs. 2 VwVfG zu beachten1. b) Widerruf der Zulassung wegen Pflichtverletzung
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Der Widerruf der Zulassung nach § 39 Abs. 1 BörsG setzt voraus, dass der Emittent auch nach einer ihm gesetzten angemessenen Frist die Zulassungsfolgepflichten nicht erfüllt. In der Praxis haben in der Vergangenheit verschiedene ausländische Gesellschaften § 39 Abs. 1 BörsG als Mittel zum Rückzug von der Börse genutzt, in dem sie gegenüber der Zulassungsstelle erklärt haben, den Zulassungsfolgepflichten auf Dauer nicht mehr nachkommen zu wollen2. Daraufhin hat die früher zuständige Zulassungsstelle die Zulassung widerrufen. Seit Einführung des Widerrufs der Zulassung auf Antrag des Emittenten durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz im jetzt geltenden § 39 Abs. 2 BörsG bedarf es dieses „Umwegs“ nicht mehr. c) Widerruf der Zulassung wegen dauerhafter Notierungseinstellung
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Eine weitere Möglichkeit für den Widerruf der Zulassung eröffnet § 39 Abs. 1 Alt. 2 BörsG, wenn sich die Umstände, die zuvor zur Einstellung der Notierung geführt haben, als dauerhaft erweisen. 3. Widerruf der Zulassung auf Antrag des Emittenten
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Der Widerruf der Zulassung auf Antrag des Emittenten ist durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz3 in § 38 Abs. 4 BörsG a.F. (entspricht § 39 Abs. 2 BörsG i.d.F. des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes) gesetzlich geregelt worden und wird unten in §§ 61 ff. ausführlich behandelt.
V. Rechtsfolgen der Zulassung: Zulassungsfolgepflichten, Kosten 83
Die Zulassung führt dazu, dass der Emittent verschiedene börsenrechtlich begründete Verpflichtungen zu erfüllen hat. Diese Zulassungsfolgepflichten werden an anderer Stelle in diesem Handbuch behandelt4. Darüber hinaus sich aus der Börsenzulassung ergebende Pflichten, z.B. des WpHG (Insiderrecht5, Ad hoc-Publizität6, Director’s Dealing7, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten bei Stimmrechts-
1 Zur Rücknahme und zum Widerruf der Zulassung nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes vgl. insgesamt nur Kümpel/Hammen, Börsenrecht, S. 199; Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 38 BörsG Rz. 37. 2 Beispielsfälle bei Radtke, S. 41, Fn. 80 dort auch zu den möglichen – auch haftungsrechtlichen – Folgen. 3 BGBl. I 1998, 529. 4 Vgl. unten § 12. 5 Vgl. unten § 13. 6 Vgl. unten § 14. 7 Vgl. unten § 15.
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anteilen1) werden ebenfalls an anderer Stelle ausführlich behandelt, so dass hierauf verwiesen werden kann. Weitere sich aus dem Aktien- und Bilanzrecht ergebende Besonderheiten der börsennotierten Aktiengesellschaft2 führen zu gewissen Sonderregelungen, rechtlich nicht aber zu fundamentalen Unterschieden zwischen der börsennotierten Aktiengesellschaft einerseits und der nicht börsennotierten Aktiengesellschaft andererseits. Die Zulassung als solche ist nicht kostenfrei; vielmehr fällt eine Zulassungsgebühr von mindestens 3000 Euro bei Aktien bzw. festverzinslichen Wertpapieren an3. Sonstige einmalige Kosten sind die Kosten der Veröffentlichung der Zulassung und des Prospekts, die Druckkosten des Prospekts, eventuelle Kosten des Drucks der Wertpapiere und die Börseneinführungsprovision der Emissionsbegleiter4. Daneben entstehen die laufenden Kosten, die mit der Erfüllung der vorgenannten Veröffentlichungspflichten verbunden sind, und nach der ebenfalls kostenpflichtigen Einführung u.U. die Notierungsgebühren. Im internationalen Vergleich sind die Kosten eines Going Public und eines Being Public an z.B. der Frankfurter Wertpapierbörse im Vergleich z.B. zur London Stock Exchange erheblich niedriger5.
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VI. Rechtsmittel 1. Untätigkeitsklage Bleibt die Geschäftsführung nach beantragter Zulassung untätig, können die Antragsteller, d.h. Emittent oder Emissionsbegleiter, gemäß § 75 VwGO Untätigkeitsklage erheben6 (zur Befugnis der Aktionäre vgl. sogleich Rz. 87 ff.).
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2. Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bei Ablehnung oder Widerruf und Rücknahme der Zulassung von Amts wegen7 a) Emittent, Emissionsbegleiter Ablehnung, Widerruf und Rücknahme der Zulassung sind Verwaltungsakte, gegen die der Verwaltungsrechtsweg nach einem entsprechenden Widerspruchsverfahren offen steht8. Aktiv legitimiert für Widerspruch und Klage sind sowohl der Emissionsbe-
1 Vgl. unten § 17. 2 Übersicht bei Groß, ZHR 165 (2001), 141, 163 f. 3 Vgl. § 9 der Gebührenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse abrufbar über die InternetSeite der Deutsche Börse AG: www.deutsche-boerse.de (Listing/Going Public/Regularien/Gesamtinhaltsverzeichnis). 4 Foelsch in BuB, Rz. 7/610 f. 5 Kosten der Eigenkapitalbeschaffung – Frankfurt und London im Vergleich, AG-Report 2/2007, R8 f.; vgl. auch die ausführliche Studie Listing Beauty Contest – A Comparative Cost Analysis of Six Global Exchanges sowie das dieser Studie zu Grunde liegende Gutachten Going Public and Being Public – A Global Comparison of the Impact of the Listing Decision on the Cost of Capital (Kaserer/Schiereck), beide abrufbar über die Internet-Seite der Deutsche Börse AG: www.deutsche-boerse.de (Listing/Reports und Statistiken/Research). 6 Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 60; für den Emittenten ebenso Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 45, die jedoch eine Antragsbefugnis des Emissionsbegleiters ablehnt. 7 Zur Widerspruchs- und Anfechtungsbefugnis des Anlegers beim Widerruf der Zulassung auf Antrag des Emittenten (Delisting) vgl. unten § 62 Rz. 15 ff. 8 Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 42 (zur Ablehnung der Zulassung); Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 59; Samm, S. 97 f.
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gleiter als auch der Emittent selbst1. Die Klage richtet sich gegen die Börse als solche2. b) Anleger 87
aa) Widerspruchs- und Anfechtungsbefugnis des Anlegers bei Zulassung oder deren Ablehnung. Ob der einzelne Anleger bzw. Aktionär im Falle einer gewährten Zulassung widerspruchs- bzw. anfechtungsbefugt oder im Falle einer verweigerten Zulassung verpflichtungsklagebefugt ist, richtet sich nach allgemeinen Regeln. Das Widerspruchsverfahren setzt eine Widerspruchsbefugnis des Widerspruchsführers3 und die Anfechtungsklage bzw. bei Ablehnung der Zulassung die Verpflichtungsklage auf Erteilung der Zulassung eine Klagbefugnis des Klägers nach § 42 Abs. 2 VwGO voraus. Beides ist nur gegeben, wenn der Widerspruchsführer bzw. Anfechtungs- oder Verpflichtungskläger „geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein“.
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Da der Aktionär nicht befugt ist, den Zulassungsantrag zu stellen, er auch nicht Adressat des Verwaltungsakts Zulassung ist, scheidet jedenfalls nach der Adressatentheorie4 aus, dass er im Falle der Ablehnung der Zulassung im Widerspruchsverfahren bzw. Verwaltungsprozess antrags- bzw. klagebefugt ist.
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Die in Rechtsprechung und Literatur herrschende Meinung bestimmt die Widerspruchs- bzw. Anfechtungsbefugnis nach der so genannten Möglichkeitstheorie5. Danach ist die Widerspruchs- oder Anfechtungsbefugnis dann gegeben, wenn die Verletzung einer Rechtsnorm, die auch dem Schutz der Interessen von Personen zu dienen bestimmt ist, die sich in der Lage des Klägers befinden, nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise unmöglich erscheint6. Die Zulassungsvorschriften dienen nicht dem Schutz des einzelnen Anlegers, sondern dem Schutz der Allgemeinheit7. Der Schutz des einzelnen Anlegers ist Rechtsreflex des Schutzes der Allgemeinheit; der einzelne Anleger hat kein subjektiv-öffentliches Recht auf Zulassung. Deshalb kann der einzelne Anleger nicht geltend machen, die Zulassung bzw. ihre Ablehnung verletze Bestimmungen, die zumindest auch zu seinem individuellen Schutz geschaffen wurden; eine Widerspruchs- bzw. Klagbefugnis des einzelnen Anlegers bzw. Aktionärs bei Erteilung bzw. Ablehnung der Zulassung scheidet damit aus8.
1 Vgl. hierzu insgesamt Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 60; Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, § 32 BörsG Rz. 44; Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 42, 45, die allerdings eine Antragsbefugnis des Emissionsbegleiters ablehnen. 2 Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 59; VGH Kassel v. 19.3.1996 – 11 UE 1714/93, NJW-RR 1997, 110 f. 3 Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 69 Rz. 6. 4 Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 42 Rz. 69. 5 Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 42 Rz. 66. 6 Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 42, Rz. 66. 7 Unstr. vgl. nur Heidelbach in Schwark, § 31 BörsG Rz. 13; Eickhoff, WM 1988, 1713, 1714; Fluck, WM 1995, 553, 558; Radtke, S. 53. 8 Eickhoff, WM 1988, 1713, 1714; Fluck, WM 1995, 553, 558; Groß, ZHR 165 (2001), 141, 148 f.; Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 61 mit Verweis auf § 31 Abs. 5 BörsG i.d.F. vor dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz, entspricht jetzt – nach Übertragung der Kompetenz auf die Geschäftsführung – insoweit § 15 Abs. 6 BörsG; differenzierend Heidelbach in Schwark, § 31 BörsG Rz. 13: Keine Widerspruchs- und Anfechtungsbefugnis bei Ablehnung der Zulassung; zweifelnd dagegen, wenn Zulassung gewährt wird; zweifelnd auch Schwark in Schwark, § 49 BörsG Rz. 15 f.
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bb) Widerspruchs- und Anfechtungsbefugnis des Anlegers bei Widerruf oder Rücknahme der Zulassung. Die Situation beim Widerruf bzw. der Rücknahme einer bereits erteilten Zulassung ist mit der eines Verfahrens, in dem es darum geht, die Zulassung erst zu erlangen, für den Anleger nicht vergleichbar. Auch ein Verweis auf § 15 Abs. 6 BörsG ist beim Widerruf der Zulassung kein durchgreifendes Argument1. Eine bestehende Zulassung schafft einen Vertrauenstatbestand auf dessen Grundlage einzelne Anleger Vermögensentscheidungen getroffen haben2. Der BGH hat in seiner MacrotronEntscheidung zum Delisting die nach seiner Ansicht durch Art. 14 GG eigentumsrechtlich geschützte „Verkehrsfähigkeit der Aktie“ hervorgehoben3. Man mag diesen Ansatz für unzutreffend halten4. Argumentiert man jedoch auf der Grundlage dieser Ansicht des BGH, dann kann es für die Auswirkungen auf den Anleger nicht darauf ankommen, ob der Widerruf der Zulassung von Amts wegen oder auf Antrag des Emittenten erfolgt. In beiden Fällen würde gleichermaßen in sein eigentumsrechtlich geschütztes Recht der Verkehrsfähigkeit der Aktie eingegriffen. Insofern kommt es dann nicht darauf an, dass § 39 Abs. 1 BörsG dem öffentlichen Interesse dient, soweit es um den ordnungsgemäßen Börsenhandel geht, und auch § 40 und § 42 BörsG keine individual-schützende Komponente enthält, da die dort genannten Zulassungsfolgepflichten ebenfalls nur geschaffen werden sollen, zum Schutz des Publikums oder für einen ordnungsmäßigen Börsenhandel. Sieht man die „Verkehrsfähigkeit“ der Aktie als eigentumsrechtlich geschützt an, dann wird darin auch bei einem von Amts wegen erfolgenden Widerruf der Zulassung eingegriffen. Auch bei einer von Amts wegen erfolgenden Rücknahme der Zulassung liegt ein solcher Eingriff in eine eigentumsrechtlich geschützte Position vor. Deshalb wird man auf der Grundlage der Aussage des BGH im Macrotron-Urteil die Widerspruchsund Anfechtungsbefugnis des Anlegers bejahen müssen5. Da der Kreis der geschützten Anleger auf diejenigen beschränkt ist, die im Zeitpunkt des Widerrufs bzw. der Rücknahme Anleger in dem betroffenen Wertpapier des einzelnen Emittenten sind, ist dieser Kreis auch überschaubar. Das Argument, die Widerspruchs- oder Klagebefugnis des einzelnen Anlegers müsse zur Vermeidung von Popularklagen ausgeschlossen werden, trägt hier deshalb nicht.
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VII. Haftung Die Mitglieder der Geschäftsführung sind als Träger hoheitlicher Verwaltung Beamte im haftungsrechtlichen Sinne, so dass im Falle einer Amtspflichtverletzung Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegenüber dem jeweiligen Bundesland geltend gemacht werden können6. Voraussetzung dafür ist, dass eine Amtspflicht verletzt wurde, die zumindest auch den Zweck hat, gerade die Interessen des Anspruchstellers wahrzunehmen7. 1 So aber Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 38 BörsG Rz. 62. 2 So ausdrücklich auch VG Frankfurt v. 17.6.2002 – 9 E 2285/01 (V), ZIP 2002, 1446, 1447 Macrotron zum Delisting, dort eine Widerspruchs- bzw. Anfechtungsbefugnis bejahend; dagegen Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 38 BörsG Rz. 62; vgl. dazu auch unten § 62 Rz. 20. 3 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 = AG 2003, 273. 4 Kritisch hierzu vor allem Ekkenga, ZGR 2003, 878, 883 ff.; Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 798 ff. 5 A.A. Heidelbach in Schwark, § 31 BörsG Rz. 14; wie hier schon Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009, § 39 BörsG Rz. 29; Groß, ZHR 165 (2001), 141, 151 ff. 6 Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 31 BörsG Rz. 53; Schwark in Schwark, § 49 BörsG Rz. 15, beide allerdings zur Zulassungsstelle. 7 Auch hierzu speziell bei börsenrechtlichen Pflichten vgl. nur OLG Frankfurt v. 18.1.2001 – 1 U 209/99, ZIP 2001, 730, 731; LG Frankfurt v. 3.9.2004 – 2/4 O 435/02, WM 2004, 2155, 2156; Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 10 ff.
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Durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz hat der Gesetzgeber über die bereits früher bestehende Regelung für die Börsenaufsichtsbehörde (§ 1 Abs. 6 BörsG a.F.) hinaus für jedes Börsenorgan1 eine Regelung aufgenommen, nach der dieses Organ seine Aufgaben allein im öffentlichen Interesse wahrnimmt; das FinanzmarktrichtlinieUmsetzungsgesetz hat daran nichts geändert. Bezweckt war damit – auch wenn dies nicht ausdrücklich in den jeweiligen Aussagen der Regierungsbegründung angesprochen wird – der Ausschluss einer Amtshaftung des Landes für das jeweilige Börsenorgan2. Dient nämlich die ordnungsgemäße Wahrnehmung der jeweiligen Amtspflicht ausschließlich öffentlichen Interessen, die Amtspflicht der Geschäftsführung ausschließlich den Belangen der Anleger in ihrer Gesamtheit und nicht dem Schutz einzelner Anleger3, so scheidet ein Anspruch des Anlegers mangels ihn speziell schützender Amtspflicht aus. Für die Geschäftsführung enthält § 15 Abs. 6 BörsG die entsprechende Regelung.
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Man mag diese gesetzliche Neuregelung als verfassungsrechtlich bedenklich ansehen4. Hält man sie aber für wirksam, so wird man aufgrund der gesetzlichen Änderung nunmehr5 davon ausgehen müssen, dass auch bei pflichtwidriger Zulassung oder pflichtwidriger Ablehnung der Zulassung kein Schadensersatzanspruch des Anlegers gegen das jeweilige Bundesland in Betracht kommt6.
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Bei pflichtwidriger Zulassung scheidet ein Amtshaftungsanspruch gegenüber Emittent und/oder Emissionsbegleiter unabhängig von der Neuregelung von vornherein aus. Bei pflichtwidriger Nichtzulassung ist aufgrund des darin liegenden Verstoßes gegen den Zulassungsanspruch des Emittenten (siehe oben Rz. 73) ein Amtshaftungsanspruch des Emittenten und der Emissionsbegleiter dagegen zu bejahen7.
VIII. Einführung 95
Nach der Legaldefinition des § 38 Abs. 1 BörsG ist die Einführung „die Aufnahme der Notierung zugelassener Wertpapiere im regulierten Markt“. Sie ist seit der Änderung durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz nicht mehr Verwaltungsakt, sondern schlicht privatrechtliche Tätigkeit8, setzt die Zulassung voraus (vgl. schon oben Rz. 1) und erfolgt auf Antrag des Emittenten. Das Erfordernis, dass der Antrag von einem 1 Für die Börsenaufsichtsbehörde jetzt § 3 Abs. 3, § 7 Abs. 6 BörsG für die Handelsüberwachungsstelle, § 12 Abs. 6 BörsG für den Börsenrat, § 15 Abs. 6 BörsG für die Börsengeschäftsführung, § 22 Abs. 2 Satz 3 BörsG für den Sanktionsausschuss. 2 Kritisch dazu Kümpel/Hammen, Börsenrecht, S. 135 ff.; Schwark in Schwark, § 49 BörsG Rz. 15 f.; anders, Beck in Schwark, § 1 BörsG Rz. 48, der aber auch auf die verfassungsrechtlichen Bedenken hinweist. Ausführliche Nachw. zu diesen Bedenken bei Baumbach/Hopt, BankGesetz, Rz. A/5. Die früher in § 6 Abs. 4 KWG enthaltene entsprechende Regelung hält der EuGH für europarechtlich unbedenklich, EuGH v. 12.10.2004 – Rs C-222/02, ZIP 2004, 2039, der BGH hat daraufhin auch einen Verstoß gegen das Grundgesetz verneint, BGH v. 20.1.2005 – III ZR 48/01, ZIP 2005, 287, 291 f. 3 So ausdrücklich Begr. RegE zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz zu § 30 Abs. 4 Entwurfsfassung = § 31 Abs. 5 BörsG, BT-Drucks. 14/8017, S. 62, 79. 4 Ausführliche Nachw. zu diesen Bedenken bei Baumbach/Hopt, BankGesetz, Rz. A/5. 5 Zur alten Rechtslage ausführlich Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 31 BörsG Rz. 52. 6 Ebenso bereits für „altes“ Recht LG Frankfurt v. 3.9.2004 – 2/4 O 435/02, WM 2004, 2155, 2157; zum „neuen“ Recht ebenso Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 31 BörsG Rz. 48 ff.; Heidelbach in Schwark, § 31 BörsG Rz. 12 f.; kritisch dagegen Schwark in Schwark, § 49 BörsG Rz. 15 f. 7 Vgl. auch Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 31 BörsG Rz. 53. 8 Kümpel/Hammen, Börsenrecht, S. 236.
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Due Diligence
Kreditinstitut gestellt werden musste, ist durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz1 entfallen2. Zu den Einzelheiten der Einführung aber auch zur Kursaussetzung und Einstellung sei auf die Spezialliteratur verwiesen3.
§ 10 Due Diligence und Prospekthaftung Rz. I. Due Diligence bei der börsennotierten Aktiengesellschaft . . . . . . . .
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1. Funktion und Anwendungsbereiche der Due Diligence . . . . . . . . . . . 2 a) Wirtschaftliche Due Diligence (Business Due Diligence) . . . . . 4 b) Bilanzielle und finanzielle Due Diligence (Financial Due Diligence) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 c) Rechtliche und steuerrechtliche Due Diligence (Legal and Tax Due Diligence) . . . . . . . . . . . . . . . 7 d) Technische Due Diligence . . . . 10 2. Voraussetzungen und Besonderheiten der Due Diligence bei der börsennotierten Aktiengesellschaft . . a) Grundsatz: Gleichbehandlung aller Aktionäre (§§ 53a, 131 Abs. 4 AktG) . . . . . . . . . . . . . b) Interessenabwägung durch Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . c) Due Diligence im Vorfeld von Unternehmensübernahmen? . . . d) Interesse des Unternehmens an neuen Großaktionären . . . . . . . e) Interesse von Großaktionären an Paketverkauf . . . . . . . . . . . . . f) Due Diligence bei beabsichtigtem Business Combination Agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen (§§ 13, 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) . . . . . . . . h) Insiderhandelsverbot (§§ 13, 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) . . . . . . . . i) Ad hoc-Mitteilungen im Rahmen der Due Diligence und des Erwerbs börsennotierter Unternehmen (§ 15 WpHG) . . . . . . .
13 14 17 21 26 28 29 30 33
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Rz. j) Datenschutzrechtliche Auswirkungen auf die Due Diligence . . k) Arbeitsrechtliche Auswirkungen auf die Due Diligence . . . . . . . l) Verfahrensrechtliche Absicherungen zur Interessenwahrung der Zielgesellschaft . . . . . . . . . . . aa) Vertraulichkeitsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . bb) Anforderungen an die Organisation des Datenraums . . . . cc) Besonderheiten bei der Organisation des Datenraums für eine kapitalmarktrechtliche Due Diligence . . . . . . . . . . dd) Abgestufte Informationsherausgabe . . . . . . . . . . . . 3. Sachliche Reichweite und Intensität der Due Diligence in Abhängigkeit von der Unternehmenstransaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterschiede der klassischen M&A-Due Diligence zur Due Diligence bei Kapitalmarkttransaktionen . . . . . . . . . . . . . aa) Ziele der klassischen M&A-Due Diligence . . . . . bb) Ziele der Due Diligence bei Kapitalmarkttransaktionen . b) Unterschiedliche Intensität in Abhängigkeit von der Kapitalmarkttransaktion . . . . . . . . . . aa) Due Diligence bei Börsengängen . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Due Diligence bei Kapitalerhöhungen mit und ohne Umplatzierung . . . . . . . . . cc) Due Diligence bei Wandelanleihen und Optionsanleihen . . . . . . . . . . . . . . .
38 40 42 43 45
47 48
51
52 52 54 58 59 69 70
1 BGBl. I 2002, 2010. 2 Vgl. Begr. RegE Viertes Finanzmarktförderungsgesetz BT-Drucks. 14/8017, S. 62, 80. 3 Heidelbach in Schwark, Kommentierung §§ 37, 38 BörsG.
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§ 10
Börsennotierung Rz. dd) Due Diligence bei Umtauschanleihen . . . . . . . . . 72 ee) Due Diligence bei großvolumigen Anleihen in Abhängigkeit von einem erteilten externen Rating . . . 74 ff) Verzicht auf Due Diligence bzw. Begrenzung der Due Diligence aufgrund einer Exkulpationsfunktion externer Ratings? . . . . . . . . 79
4. Due Diligence und Gewährleistungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informations- und Aufklärungspflichten beim Unternehmenskauf nach der neueren Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . b) Due Diligence als (Sorgfalts-)Pflicht der emissionsbegleitenden Banken bzw. des Käufers bei Unternehmensübernahmen . c) Wechselwirkungen zwischen der Intensität der Due Diligence und der Vertragsgestaltung . . . . . . . 5. Dokumentationsaspekte bei der Due Diligence . . . . . . . . . . . . . . a) Disclaimer hinsichtlich des Umfangs, der Intensität der Prüfung und der Weitergabe der Untersuchungsergebnisse im Rahmen eines Due Diligence-Berichts . . . b) Auswirkungen eines Due Diligence Reports auf andere transaktionsbegleitende Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Notwendigkeit aktualisierender Dokumente . . . . . . . . . . . aa) Vollständigkeitserklärung des Vorstands am Tage der Veröffentlichung des Prospekts . bb) Dokumentation von BringDown Due Diligence Calls/ Fragelisten . . . . . . . . . . . .
82
82
84 88 90
90
93 95 95
Rz. ee) Materielle Aussagen (Opinion Statements) . . . . . . . . . . . 117 ff) Einschränkungen (General Qualification) . . . . . . . . . . 129 b) Besondere Formen von Opinions 135 aa) Kreditverträge . . . . . . . . . . 136 bb) Kapitalmarkttransaktionen . 137 cc) Akquisitionen . . . . . . . . . . 141 c) Besonderheiten der internationalen Praxis . . . . . . . . . . 145 aa) Principal Counsel . . . . . . . 146 bb) Local Counsel . . . . . . . . . . 151 cc) Special Counsel . . . . . . . . . 152 dd) Issuer’s Counsel . . . . . . . . 155 ee) Weitere Aussteller . . . . . . .157a 3. Funktionen der Legal Opinion, insbesondere Third Party Legal Opinion . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sicht des Empfängers der Legal Opinion . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicht des Mandanten . . . . . . . c) Sicht des Anwalts . . . . . . . . .
. 158 . 159 . 164 . 166
4. Funktionen der Disclosure Opinion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 5. Funktionen der In-house Opinion . 172 a) In-house Opinion als Erklärung des Syndikus oder Erklärung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . 174 b) Haftung für eine In-house Opinion . . . . . . . . . . . . . . . . 183 6. Haftung und Haftungsfolgen . . . a) Vertrauenstatbestand . . . . . . . aa) Begründung . . . . . . . . . . bb) Reichweite . . . . . . . . . . . b) Zurechenbarkeit . . . . . . . . . . c) Voraussetzungen in der Person des Schadensersatzgläubigers . . d) Haftungsausfüllung . . . . . . . .
. . . . .
188 191 191 194 195
. 196 . 198
7. Haftungsbegrenzung . . . . . . . . . . 200 8. Interessenkonflikte . . . . . . . . . . 203
96
III. Comfort Letter . . . . . . . . . . . . . 209
II. Legal Opinions . . . . . . . . . . . . . 98
1. Begriff und Funktion . . . . . . . . . 209
1. Überblick: Begriff und Funktion . . 98
2. Der Comfort Letter im Prospekthaftungsregime des deutschen Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . 215
2. Arten, Inhalt und Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufbau und typischer Inhalt . aa) Einleitung (Introduction) . bb) Geprüfte Dokumente (Documents Reviewed) . . cc) Annahmen (Assumptions) dd) Berücksichtigtes Recht (Laws considered) . . . . .
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. . 102 . . 102 . . 103 . . 108 . . 111 . . 116
3. Wichtige Hinweise für die Transaktionspraxis . . . . . . . . . . . . . . 219 a) Das Emittenteninteresse an einem marktgerechten Comfort Letter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 b) Inhalt und Haftungsumfang des Comfort Letters . . . . . . . . . . . 223
§ 10
Due Diligence Rz. c) Die Bedeutung zeitnaher Ermittlung des erhältlichen Versicherungsschutzes . . . . . . . 225 4. Rechtsbeziehung zwischen Wirtschaftsprüfer, Emittent und Emissionsbanken . . . . . . . . . . . . 229 a) Haftung aus Auskunftsvertrag . . 232 b) Haftung aus Vertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 c) Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter . . . . 241 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . 245
aa) bb) cc) dd)
Wesentliche Angaben . . . Unrichtigkeit . . . . . . . . Unvollständigkeit . . . . . Unerheblichkeit der Prospektbilligung durch die BaFin . . . . . . . . . . . . . c) Prospektaktualität . . . . . . . 4. Anspruchsberechtigung a) Erwerbszeitpunkt . . b) Erwerbsgegenstand . c) Erwerbsgeschäft . . . d) Inlandsbezug . . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
Rz. . . 321 . . 322 . . 326 . . 331 . . 332 . . . . .
. . . . .
334 334 335 337 338
5. Der typische Inhalt eines Comfort Letters nach IDW PS 910 . . . . . . . 247 a) Adressatenkreis . . . . . . . . . . . 248 b) Aussage zu den geprüften Jahresabschlüssen . . . . . . . . . . . . . . 249 c) Untersuchungshandlungen nach Erteilung des letzten Bestätigungsvermerks . . . . . . . . . . . . 252 d) Aussage zu ungeprüften Zwischenabschlüssen . . . . . . . . . . 256 e) Aussage zur Geschäftsentwicklung zwischen dem letzten (Zwischen-)Abschluss und dem Prospektdatum . . . . . . . . . . . . 259 f) Bedeutung der aktuellen Entwicklung vor dem cut off date in der Transaktionspraxis . . . . . 264 g) Formaler Abgleich von Zahlen in Comfort Lettern (circle up) . . 265 h) Verwendungsbeschränkungen und Gerichtsstand . . . . . . . . . . 266
5. Haftungsbegründende Kausalität . . 339
6. Kollisionsrechtliche Fragen bei grenzüberschreitenden Platzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 a) Ein Comfort Letter für die gesamte Transaktion . . . . . . . . 269 b) Zwei Letter-Lösung . . . . . . . . . 272
355 355 357
7. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 IV. Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . 310 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 2. Der Prospektbegriff als Anknüpfungspunkt der börsengesetzlichen Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . 313 3. Fehlerhaftigkeit der Prospektangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 a) Maßgeblicher Adressatenhorizont . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 b) Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit wesentlicher Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320
6. Das Haftungskonzept der Gesamtverantwortlichkeit von Emittent, Banken und anderen Prospektverantwortlichen . . . . . . . . . . . . . . a) Primärverantwortlichkeit des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . b) Verantwortlichkeit der emissionsbegleitenden Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Prospektverantwortlichkeit der Konsortialmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Überprüfungs- und Nachforschungspflichten der emissionsbegleitenden Banken . . . . . . . . . . . . . . c) Weitere Prospektverantwortliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einschaltung Dritter als Experten e) Haftung im Außen- und Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . aa) Außenverhältnis . . . . . . . . bb) Innenverhältnis . . . . . . . . . 7. Haftungsumfang und Haftungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftungsumfang . . . . . . . . . . . aa) Prospekthaftungsspezifischer Schadensersatzanspruch . . . bb) Haftungsausfüllende Kausalität . . . . . . . . . . . . cc) Schadensminderungsobliegenheit des Erwerbers . b) Haftungsausschluss . . . . . . . . . aa) Prospektberichtigung . . . . . bb) Verbot vorheriger Haftungsausschlüsse . . . . . . . . . . .
342 343 345 346
348 352 353
359 359 359 361 362 363 363 365
8. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . 366 a) Bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 b) Vertragliche und vertragsähnliche Ansprüche . . . . . . . . . . . 370
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Rz. c) Deliktische Ansprüche . . . . . . . 371 9. Durchsetzung von Prospekthaftungsansprüchen . . . . . . . . . . . . 373 a) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . 373 b) Gerichtliche Zuständigkeit . . . . 374 10. Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 a) Kollektives Musterverfahren . . . 376
Rz. aa) Einleitung des Musterverfahrens . . . . . . . . . . . . bb) Das Verfahren vor dem OLG cc) Rechtliche Bindung des Musterentscheids . . . . . . . dd) Kosten . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschließlicher Gerichtsstand . c) Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . .
377 381 383 384 385 386
Schrifttum: Angersbach, Due Diligence beim Unternehmenskauf, 2002; Baker, Due Diligence Disclosures and Warranties in the Corporate Acquisitions Practice, 2. Aufl. 1992; Beisl/ Andreas (Hrsg.), Beck’sches Mandats Handbuch Due Diligence, 2007; Berens/Brauner/ Strauch, Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, 3. Aufl. 2002; Brandi/Süßmann, Neue Insiderregeln und Ad-hoc-Publizität – Folgen für Ablauf und Gestaltung von M&A-Transaktionen, AG 2004, 642; Braun/Wybitual, Übermittlung von Arbeitnehmerdaten bei Due Diligence – Rechtliche Anforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten, BB 2008, 783; Eggenberger, Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen und Folgen einer Due-diligence-Prüfung, 2001; Fleischer/Körber, Due diligence und Gewährleistung beim Unternehmenskauf, BB 2001, 841; Fromm-Russenschuck/Banerjea, Die Zulässigkeit des Handels mit Insiderpapieren nach Durchführung einer Due-Diligence-Prüfung, BB 2004, 2425; Groß/Klein, Kein Untergang von Verlusten nach § 8c KStG beim Börsengang, AG 2007, 896; Holzapfel/ Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, 12. Aufl. 2006, S. 14 ff.; Koch/Wegmann, Praktiker-Handbuch Due Diligence: Chancen-Risiken-Analyse mittelständischer Unternehmen, 1998; Krömker, Der Anspruch des Paketaktionärs auf Informationsoffenbarung zum Zwecke der Due Diligence, NZG 2003, 418; Müller, Gestattung der Due Diligence durch den Vorstand der Aktiengesellschaft, NJW 2000, 3452; Peters, Informationsrechte und Geheimhaltungsverpflichtungen im Rahmen einer Due Diligence und daraus resultierende Haftungsrisiken, 2002; Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, Unternehmenskauf, Unternehmensverkauf, 2003, S. 50 ff.; Schroeder, Darf der Vorstand der Aktiengesellschaft dem Aktienkäufer eine Due Diligence gestatten?, DB 1997, 2161; Ziegler, „Due Diligence“ im Spannungsfeld zur Geheimhaltungspflicht von Geschäftsführern und Gesellschaftern, DStR 2000, 249.
I. Due Diligence bei der börsennotierten Aktiengesellschaft 1
Eine Due Diligence-Prüfung (etwa „gebotene Sorgfalt“) hat ein breites Spektrum von Anwendungsfällen. Der Prüfungsumfang und die Zielsetzung differieren in Abhängigkeit von der Art der vorbereiteten Transaktion erheblich. Die Due Diligence-Prüfung kann allgemein folgendermaßen umschrieben werden: Es handelt sich um die Untersuchung eines Unternehmens, bei der die Geschäftsführung sowie die wirtschaftlichen und rechtlichen Angelegenheiten der Gesellschaft genau betrachtet werden. Die Prüfung erstreckt sich entweder auf das Gesamtunternehmen oder auf definierte Teilbereiche und umfasst neben öffentlich zugänglichen Informationen auch nicht öffentliche (Insider-)Informationen, sofern sich aus der Transaktionsstruktur (z.B. feindliche Übernahme) oder dem Kapitalmarktinstrument (z.B. Umtauschanleihen hinsichtlich des sog. Underlyings) nichts anderes ergibt. 1. Funktion und Anwendungsbereiche der Due Diligence
2
Die wichtigsten Ziele einer Due Diligence sind die Bewertung des Unternehmens, die Identifizierung von Chancen und Risiken, die adäquate Ermittlung des Kaufpreises, die Feststellung der im Unternehmenskaufvertrag bzw. Aktienübernahmevertrag er404
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Due Diligence
forderlichen Gewährleistungen und Garantien sowie die weitgehende Vermeidung komplexer Vertragsklauseln1. Bei der kapitalmarktrechtlichen Due Diligence kommt die Sicherstellung eines richtigen und vollständigen Wertpapierprospekts zur Vermeidung von Prospekthaftungsrisiken hinzu2. Die Due Diligence erfüllt damit Gewährleistungs-, Risikoermittlungs-, Wertermittlungs- und Beweissicherungsfunktionen3. Zwar wird mit einer Due Diligence regelmäßig ein Unternehmenskauf assoziiert. Ein weiterer wichtiger Anwendungsbereich der Due Diligence sind jedoch auch alle Kapitalmarkttransaktionen, in deren Vorfeld Informationsasymmetrien zwischen Unternehmen, Veräußerern und prospektiven Investoren beseitigt werden sollen. Im Folgenden zu analysierende Anwendungsbereiche sind die Vorbereitung von Börsengängen4 sowie die Emission von Wandel-, Options-, Umtausch- und High YieldAnleihen. Daneben findet die Due Diligence auch Anwendung bei größeren Kreditfinanzierungen durch Banken5, im eingeschränkten Umfang vor externen Ratings, im Umwandlungsrecht6 und bei anderen Finanzierungsinstrumenten, so zum Beispiel Asset-Backed-Securities. Die Due Diligence erfasst typischerweise die nachfolgend näher umschriebenen Teilbereiche, daneben gibt es aber auch weitere Unterfälle, so z.B. die Human Ressources Due Diligence7, die Psychological Due Diligence8 sowie die Insurance Due Diligence9.
3
a) Wirtschaftliche Due Diligence (Business Due Diligence) Die wirtschaftliche Due Diligence, auch als Commercial Audit oder Business Due Diligence bezeichnet, untersucht die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sowie sein wirtschaftliches Umfeld, d.h. insbesondere seine Wettbewerber. Im Einzelnen gehört zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage ein Überblick über die Unternehmensstruktur, die Wettbewerbsfähigkeit wesentlicher Produkte und Dienstleistungen einschließlich etwaiger Marktzutrittsschranken, die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit, Patente, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte sowie die Analyse der Beziehungen zu den wichtigsten Zulieferern und Kunden. Hinzu kommt eine Analyse der Aufbauorganisation einschließlich Struktur der Anteilseigner und der Corporate Governance sowie der Vergütungssysteme. Schließlich umfasst eine Business Due Diligence die Beurteilung des Managementsinformationssystems einschließlich des Risikoinformationssystems nach § 91 Abs. 2 AktG, also der Buchführungs- und Budgetierungssysteme, der Berichts-, Informations- und Kontrollsysteme sowie der IT-Struktur. Ziel ist es, Chancen und Risiken des Unternehmens im Vergleich zu den wichtigsten Wettbewerbern zu identifizieren.
1 Vgl. Eggenberger, S. 56; Kiethe, NZG 1999, 976, 977; Vogt, DStR 2001, 2027, 2028. 2 Nägele in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 27 Rz. 3 f. 3 Vgl. Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 842; Werner, ZIP 2000, 989. 4 Vgl. Eggenberger, S. 46; Kiwitz/Melzer, DStR 2001, 42, 43; Harrer/Heidemann, DStR 1999, 254, 255. 5 Vgl. Eggenberger, S. 48. 6 Z.B. bei der Vorbereitung eines Verschmelzungsberichts, Engelmeyer, BB 1998, 330, 334. 7 Fleischer/Körber, BB 2001, 841. Zu typischen Problemen bei der Übermittlung von Arbeitnehmerdaten zuletzt Braun/Wybitual, BB 2008, 783 ff. 8 Vgl. Wegmann/Koch, DStR 2000, 1027, 1030. 9 Vgl. Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 842. Zu weiteren Untersuchungsgegenständen Nägele in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 27 Rz. 27.
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Börsennotierung
b) Bilanzielle und finanzielle Due Diligence (Financial Due Diligence) 5
Die Financial Due Diligence umfasst die Analyse der finanziellen und bilanziellen Situation des Unternehmens. Grundlage hierfür sind regelmäßig die Jahresabschlüsse und Buchhaltungsunterlagen der letzten drei bis fünf Jahre1 sowie die Planung und die Zahlungsströme des Unternehmens (Cash Flow from Operations, Cash Flow from Investments, Cash Flow from Financing). Bei dieser Überprüfung erfolgt regelmäßig eine Bereinigung der Vergangenheitsergebnisse, die Analyse der Planung (Planungsverfahren/-rechnung) des Unternehmens, die Analyse des nicht-betriebsnotwendigen Vermögens sowie Untersuchungen zum Substanzwert2. Kern der Financial Due Diligence ist die kritische Prüfung des Business Plans für die nächsten drei Geschäftsjahre.
6
Die Financial Due Diligence wird bei anglo-amerikanischen Banken ausschließlich inhouse und bei kleineren und mittelgroßen deutschen Banken – zumindest hinsichtlich der Plausibilität des Business Plans – nicht selten mit Unterstützung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft durchgeführt3. c) Rechtliche und steuerrechtliche Due Diligence (Legal and Tax Due Diligence)
7
Die Legal Due Diligence ist Teil jeder eingehenden Due Diligence-Prüfung. In diesem Rahmen werden insbesondere die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen des Emittenten bzw. der Zielgesellschaft sowie die Kapital- und Beteiligungsverhältnisse der Aktiengesellschaft untersucht. Hierzu gehören etwaige Mängel der Satzung, Verstöße gegen § 52 AktG (Nachgründung), (verdeckte) Sachgründungen und die Einhaltung der Mitteilungspflichten gemäß §§ 20 ff. AktG und §§ 21 ff. WpHG, etwaige Umstrukturierungen einschließlich der Rechtsvorgänger der Gesellschaft(en) sowie die Ordnungsgemäßheit der Kapitalerhöhungsbeschlüsse und Bezugsrechtsausschlüsse4. Daneben werden die Rechtsverhältnisse aller wesentlichen Grundstücke und gewerblichen Schutzrechte, wesentliche Liefer- und Abnahmeverträge5, kartellrechtliche Fragen sowie die Rechtsstreitigkeiten des Unternehmens analysiert. Bei Tochtergesellschaften wird üblicherweise in Anlehnung an die CESR-Empfehlungen ein Schwellenwert von 10 % des Eigenkapitals des Emittenten als Beteiligungsbuchwert oder 10 % des Jahresergebnisses angesetzt6.
8
Die steuerrechtliche Due Diligence hat zwei Ziele: Zum einen dient sie der Aufdeckung von steuerlichen Risiken für vergangene Wirtschaftsjahre. Methodisch ähnelt sie dabei einer vorgezogenen Betriebsprüfung für die vergangenen Wirtschaftsjahre, bei der eventuelle Nachzahlungen für die betreffenden Steuerarten ermittelt werden7. Da1 Fleischer/Körber, BB 2001, 841; Nägele in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 27 Rz. 16 ff. 2 Hierzu ausführlich Koch/Wegmann, Praktikerhandbuch Due Diligence, 1998, S. 103 ff. sowie jüngst Beisl/Andreas (Hrsg.), Beck’sches Mandats Handbuch Due Diligence, 2007. 3 Ebenso: Nägele in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 27 Rz. 6. 4 Zu den Auswirkungen früherer fehlerhafter Kapitalerhöhungen auf aktuelle Kapitalerhöhungsmaßnahmen ausführlich: Trendelenburg, NZG 2003, 860 ff. 5 Bei der Prüfung der für den künftigen Geschäftserfolg wichtigen Verträge ist insbesondere auf die Ausgestaltung von Kündigungs- und Schadensersatzregelungen (z.B. Change of ControlKlauseln), feste Liefer- und Abnahmeverpflichtungen sowie die Möglichkeit einer Anpassung an geänderte Rahmenbedingungen zu achten. 6 Anhang I Ziffer 25 ProspektVO, CESR recommendations S. 39 f. 7 Schimmelschmidt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 26 Rz. 17; Krüger/Kalbfleisch, DStR 1999, 174, 178 ff.
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Due Diligence
neben beschafft sich der Käufer eines Unternehmens durch die steuerrechtliche Due Diligence Informationen für eine steueroptimierte Gestaltung der Transaktion; wichtige Aspekte sind dabei die Abschreibungsmöglichkeiten hinsichtlich des Kaufpreises, die steuerliche Absetzbarkeit der Finanzierungskosten, die Schaffung der Organschaftsvoraussetzungen sowie die Nutzung etwaiger in der Zielgesellschaft bzw. der prospektiven Emittentin vorhandener Verlustvorträge1. Die rechtliche Due Diligence (einschließlich der steuerrechtlichen Due Diligence) wird von den rechtlichen Beratern durchgeführt. Mit der steuerrechtlichen Due Diligence sind zum Teil auch Wirtschaftsprüfungs- bzw. Steuerberatungsgesellschaften befasst. Hierbei fällt den Beratern auf Seiten des potentiellen Übernehmers bzw. der Konsortialbanken im Falle einer Aktien- oder Anleiheemission neben der „Aufdeckung von Risiken“ und deren adäquate Offenlegung im Prospekt oder ggf. in der Angebotsunterlage v.a. eine Kontrollfunktion zu. Den Beratern des Emittenten bzw. der Zielgesellschaft fällt ebenfalls die Aufgabe der Aufdeckung von Risiken zu, darüber hinaus sollten sie idealerweise für erkennbare Risiken bereits Lösungs- oder Formulierungsvorschläge proaktiv entwickeln2.
9
d) Technische Due Diligence Bei der technischen Due Diligence wird der Entwicklungsstand der Produkte des Unternehmens sowie der Zustand der technischen Ausstattung (Computersysteme in Dienstleistungsunternehmen einschließlich Software bzw. Produktionsanlagen im produzierenden Gewerbe) untersucht3. Eine technische Due Diligence wird sich im Einzelnen mit der Infrastruktur und den Funktionssystemen, den Produktionsverfahren, der Produktions- und Lagerkapazität, Effizienz des Produktionsablaufs, Qualitätssicherungsverfahren, Zertifizierungen, Umweltrisiken, Standortvorteilen/Infrastrukturen, etc. befassen.
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Ziel der technischen Due Diligence ist es, die Produktions- und Lagerkapazitäten des Unternehmens zu evaluieren sowie Produktionsablauf und Qualitätskontrolle bewerten zu können. Eng verknüpft ist damit eine Bewertung der Effizienz der Forschungsund Entwicklungsanstrengungen des Unternehmens also des prozentualen Anteils des Forschungsaufwands am Umsatz.
11
Die technische Due Diligence wird bei einem Unternehmenskauf nicht selten von den Erwerbsinteressenten selbst durchgeführt, während diese Aufgabe bei Kapitalmarkttransaktionen entweder von spezialisierten Sektoranalysten oder Dritten im Auftrag der Konsortialbanken durchgeführt wird. Die technische Due Diligence ergänzt die Ergebnisse der Business Due Diligence vor allem hinsichtlich der (nachhaltigen) Entwicklungsmöglichkeiten des Unternehmens im Wettbewerb.
12
1 Schimmelschmidt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, § 26 Rz. 618. Zur neuerdings durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 bestehenden Verschärfung des Verlustabzugs durch § 8c KStG beim Börsengang instruktiv Groß/Klein, AG 2007, 896 ff. 2 Näher zu den Beteiligten gerade bei der kapitalmarktrechtlichen Due Diligence und deren unterschiedlichen Aufgabenspektrum Nägele in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 27 Rz. 7 ff. 3 Vgl. Fleischer/Körber, BB 2001, 841; Koch/Wegmann, Praktikerhandbuch Due Diligence, 1998, S. 68 ff.
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Börsennotierung
2. Voraussetzungen und Besonderheiten der Due Diligence bei der börsennotierten Aktiengesellschaft 13
Die Due Diligence bei börsennotierten Aktiengesellschaften unterliegt gesteigerten Anforderungen an die Zulässigkeit ihrer Durchführung. Im Vergleich zu anderen Gesellschaftsformen wirkt sich insbesondere das Fehlen eines individuellen Informationsrechts des Aktionärs aus1. Bei börsennotierten Aktiengesellschaften sind darüber hinaus die kapitalmarktrechtlichen Beschränkungen des Wertpapierhandelsgesetzes sowie die aus dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz resultierenden Pflichten zu beachten (dazu Rz. 21 ff.). Dies hat insbesondere bei der Vorbereitung von Paketkauf- und -verkaufverträgen Auswirkungen. a) Grundsatz: Gleichbehandlung aller Aktionäre (§§ 53a, 131 Abs. 4 AktG)
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In der Aktiengesellschaft besteht – anders als beispielsweise bei der GmbH (vgl. § 51a GmbHG) – kein individuelles Informationsrecht der Aktionäre2. Informationen können zum einen nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG grundsätzlich nur in der Hauptversammlung erteilt werden. Zum anderen darf der Vorstand die Auskunft nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG verweigern, wenn der Gesellschaft ein nicht unerheblicher Nachteil zugefügt würde.
15
Ein außerhalb der Hauptversammlung bestehendes Informationsrecht existiert nicht. Zudem bestimmt § 131 Abs. 4 AktG, dass Informationen, die einem Aktionär wegen seiner Eigenschaft als Aktionär außerhalb der Hauptversammlung gegeben worden sind, jedem anderen Aktionär auf dessen Verlangen in der Hauptversammlung zu geben sind; dies gilt unabhängig davon, ob diese Information zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Diese Regelung ist Ausfluss des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebots (vgl. § 53a AktG)3.
16
Vorstand und Aufsichtsrat der AG müssen die Wertung des § 131 Abs. 4 AktG bei ihrer Interessenabwägung über die Zulassung einer Due Diligence-Prüfung berücksichtigen. Im Regelfall wird dies dazu führen, dass eine nach Interessenabwägung zugelassene Due Diligence zu keinem Auskunftsrecht der übrigen Aktionäre nach § 131 Abs. 4 AktG führt. Zwar ist § 131 Abs. 4 AktG Ausfluss des in § 53a AktG statuierten Gleichbehandlungsgrundsatzes. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet jedoch nicht schlechthin jede Ungleichbehandlung. Nur dann soll und muss die Gesellschaft die Aktionäre gleich behandeln, wenn die Voraussetzungen die gleichen sind4 bzw. keine sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung besteht5. Die Situation eines veräußerungswilligen Großaktionärs6 stellt sich im Vergleich zu den übrigen (Klein-)Aktionären jedoch durchaus unterschiedlich dar, können letztere doch ohne weiteres über die Börse veräußern und sind nicht auf strategische Erwerber außerhalb der Börse oder (institutionelle) Finanzinvestoren angewiesen. Der Großaktionär hat in
1 Im Gegensatz dazu § 51a GmbHG für die GmbH-Gesellschafter. 2 Zum Vergleich der Informationsrechte zwischen GmbH und AktG statt vieler Ziegler, DStR 2000, 249 ff. 3 Hüffer, § 131 AktG Rz. 36. 4 So Ziegler, DStR 2000, 249, 254. 5 Dazu Krömker, NZG 2003, 418, 423; Hüffer, § 53a AktG Rz. 10 f. 6 Dabei ist die Bestimmung eines „Großaktionärs“ bzw. eines zu einer Sonderstellung berechtigten „Pakets“ durchaus streitig. Als unterste Grenze wird man die Meldeschwelle des § 21 Abs. 1 WpHG mit 5 % heranziehen können; je nach Aktionärsstruktur und Free Float mögen im Einzelfall aber auch deutlich mehr als 10 % erforderlich sein.
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Due Diligence
diesen Fällen ein konkretes Informationsbedürfnis, das Kleinaktionäre nicht haben1. Würden Großaktionären generell zusätzliche Informationen versagt, könnte dies zu einer faktischen Vinkulierung seines Pakets führen2. b) Interessenabwägung durch Vorstand und Aufsichtsrat Nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG haben die Vorstandsmitglieder über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren. „Geheimnisse“ und „vertrauliche Angaben“ sind solche, deren Weitergabe an Dritte grundsätzlich nicht im Unternehmensinteresse liegt. Eine Verletzung dieser Verschwiegenheitspflicht führt nach § 93 Abs. 2 Nr. 1 AktG zu Schadensersatzansprüchen gegen die Mitglieder des Vorstands, daneben können sie sich nach § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG strafbar machen.
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In der höchstrichterlichen Rechtsprechung3 ist seit langem anerkannt, dass die Verschwiegenheitspflicht nicht absolut gilt. Sie soll nur dann gelten, wenn die Verschwiegenheit im objektiven Interesse der Gesellschaft liegt4. Dieses Interesse kann es aber aus unternehmerischer Sicht zwingend erfordern oder zumindest geboten erscheinen lassen, Informationen an unternehmensexterne Personen weiterzugeben. Der Vorstand hat im Einzelfall mit Blick auf das Unternehmensinteresse abzuwägen, ob die voraussichtlichen Vorteile der durch die Due Diligence-Prüfung vorbereiteten Transaktion, also z.B. des Beteiligungserwerbs, die möglichen Nachteile durch die Weitergabe von vertraulichen Informationen überwiegen5. Bezugspunkt der Abwägungsentscheidung des Vorstandes ist das Unternehmensinteresse, da auch das Geheimhaltungsgebot des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG Ausfluss des allgemeinen Unternehmensinteresses ist. Daher muss das Geheimhaltungsinteresse dann zurücktreten, wenn wichtigere Belange des Unternehmensinteresses dies gebieten6. Diese unternehmerische Entscheidung des Vorstandes zur Weitergabe vertraulicher Informationen
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1 Ob dies, wie Krömker (NZG 2003, 418, 423) meint, zu einem Informationsanspruch führen kann, mag zweifelhaft sein; jedenfalls sprechen in diesen Fällen gute Argumente für eine Zulassung der Due Diligence nach entsprechender Abwägung, zumal in aller Regel kein Konkurrenzverhältnis besteht und deshalb eine sog. Vendor Due Diligence im Falle der vollständigen Kostentragung durch den Großaktionär wenig Nachteile zeitigen dürfte. Zu den Voraussetzungen der Vendor Due Diligence Wiesner in MünchHdb. AG, § 19 Rz. 25 f. 2 Krömker, NZG 2003, 418, 423; dies gilt insbesondere für börsennotierte Gesellschaften mit – im Vergleich zu dem zur Veräußerung bereitstehenden Paket – geringeren Free Float. Dass ein „unkooperativer“ Vorstand eine außerbörsliche Veräußerung bisweilen erheblich erschweren oder – wegen entsprechender Minderung des potentiellen Veräußerungserlöses mangels Information – sogar verhindern kann, zeigt der gescheiterte Verkauf der AGIV-Beteiligung durch die BHF-Bank. 3 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 330 = AG 1975, 219 (i.V.m. § 116 Abs. 1 AktG für den Aufsichtsrat; zu diesem Urteil: Mertens, AG 1975, 235 ff.). 4 Wiesner in MünchHdb. AG, § 25 Rz 42 m.w.N.; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 100. 5 Statt vieler Müller, NJW 2000, 3452, 3453; Ziegler, DStR 2000, 249, 252 jeweils mit weiteren Nachweisen. Dabei muss der Vorstand jedoch insbesondere auch die möglichen Nachteile im Falle eines Scheiterns der Transaktion durch die Preisgabe von Unternehmensinterna in die Abwägung einbeziehen, dies insbesondere bei der Due Diligence durch Wettbewerber. Hierzu und zur Minderung dieses Risikos z.B. durch die Vereinbarung sog. break up-fees Adolff/Meister/Randall/Stephan, Public Company Takeovers in Germany, 2002, S. 181 ff. 6 So etwa Müller, NJW 2000, 3452, 3453 und Ziegler, DStR 2000, 249, 252, die sich jeweils auch mit der v.a. von Lutter, ZIP 1997, 613 ff. begründeten, inzwischen weitgehend überholten, Gegenansicht auseinandersetzen.
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unterliegt nur in eingeschränktem Umfang einer etwaigen späteren gerichtlichen Kontrolle1. 19
In seinem schriftlichen Beschluss sollte der Vorstand die maßgeblichen Erwägungen für die Offenbarung vertraulicher Informationen festhalten. Des weiteren ist es zweckmäßig, in diesem Beschluss die wesentlichen Verfahrensgrundsätze für die Due Diligence-Prüfung aufzuklären. Die in der Satzung oder Geschäftsordnung vorgesehene Möglichkeit, Mehrheitsentscheidungen zu treffen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG), gilt auch für diesen Beschluss2. Widersprechen jedoch einzelne Vorstandsmitglieder der Due Diligence-Prüfung, so kann dies ein gewisses Indiz sein, dass die Preisgabe vertraulicher Informationen im Hinblick auf das Unternehmensinteresse problematisch ist.
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Eine Zuständigkeit der Hauptversammlung, über die Informationsweitergabe zu entscheiden, besteht nicht3. Aufgrund der gesetzlichen Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft besteht ebenfalls keine derartige Zuständigkeit des Aufsichtsrats4. Eine Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats kann jedoch durch Satzung oder Geschäftsordnung des Aufsichtsrates bzw. des Vorstandes vorgesehen werden. Der Aufsichtsrat kann des Weiteren durch Beschluss die Zustimmungspflichtigkeit einer Weitergabe vertraulicher Informationen durch den Vorstand begründen (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG); ein solcher Zustimmungsvorbehalt kann vom Aufsichtsrat auch ad hoc beschlossen werden5. Jedenfalls dann, wenn widerstreitende Interessen innerhalb des Vorstands erkennbar werden oder ein Finanzinvestor den amtierenden Vorstand im Rahmen eines Buy-Outs „übernehmen“ will, dürfte sich die Einschaltung des Aufsichtsrats dringend empfehlen6. Außerhalb dieser Sonderkonstellationen wird von einer Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats zu Recht selten Gebrauch gemacht. c) Due Diligence im Vorfeld von Unternehmensübernahmen?
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Bei der Due Diligence zur Vorbereitung einer Unternehmensübernahme muss der Vorstand der Zielgesellschaft im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens entscheiden, ob die Weitergabe der Informationen im Interesse des Unternehmens liegt. Dies ist der Fall, wenn das Interesse an der Durchführung des geplanten Beteiligungserwerbs höher einzustufen ist als die Gefahr, die mit der Weitergabe der angeforderten vertraulichen Informationen verbunden ist. Bei dieser Ermessensentscheidung hat der Vorstand nicht nur hinsichtlich der potentiell positiven und negativen Aspekte, sondern auch bei deren Gewichtung einen Beurteilungsspielraum. Insbesondere kommen folgende Abwägungskriterien in Betracht:
1 Zum Ermessen des Vorstandes grundsätzlich BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244, 253 ff. = AG 1997, 377. Zur Vorstandsentscheidung als Abwägungsentscheidung und notwendigen verfahrensmäßigen Vorkehrungen Körber in Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 10 Rz. 23 ff. 2 A.A. Meincke, WM 1998, 749, 751; Schroeder, DB 1997, 2161, 2162. 3 Inzwischen allg. Meinung. Vgl. nur Eggenberger, S. 85 ff. m.w.N. 4 Vgl. Eggenberger, S. 91. 5 BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 127 = AG 1994, 124. 6 In den Fällen eines Management Buy-Ins bzw. eines Leveraged Buy-Outs, bei denen (einzelne) Vorstandsmitglieder in einem Interessenkonflikt bezüglich des zu vereinbarenden Kaufpreises stehen (können), kann im Einzelfall eine Ermessenreduzierung auf null in Bezug auf die Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats eintreten.
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Für eine Informationsweitergabe sprechende Aspekte: – Vorliegen eines objektiven Interesses der Gesellschaft am geplanten Beteiligungserwerb/eines neuen Großaktionärs und Bedeutung dieses Interesses; – Ernsthaftigkeit des Erwerbsinteresses und Solvenz des möglichen Erwerbers; – Ausmaß und Wahrscheinlichkeit der durch den Beteiligungserwerb eintretenden Vorteile für die Gesellschaft; – Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Durchführung des Beteiligungserwerbs (u.a. kartellrechtliche Genehmigungen); – bei Kapitalmarkttransaktionen auch Erhöhung des Streubesitzes und Aufnahme in einen Börsenindex. Mögliche Nachteile einer frühzeitigen Informationsgewährung:
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– Ausmaß und Wahrscheinlichkeit der Gefahr zweckwidriger Verwendung der offengelegten vertraulichen Informationen; – Wettbewerbssituation zwischen der Gesellschaft und dem möglichen Erwerber; – Fortbestehende Nachteile bei Abbruch der Transaktion trotz strafbewährter Vertraulichkeitsvereinbarung und etwaiger break-up fees1. Scheitert der geplante Aktienerwerb oder stellt sich heraus, dass die Informationen missbräuchlich zum Nachteil der Gesellschaft verwendet werden, so ergibt sich nicht schon hieraus die Verantwortlichkeit des Vorstandes2. Der Vorstand haftet grundsätzlich nicht für die Richtigkeit des Ergebnisses seiner Abwägung. Vielmehr kann die Abwägungsentscheidung vor den Gerichten nur daraufhin untersucht werden, ob der Vorstand auf einer sorgfältig aufbereiteten Informations- und Entscheidungsgrundlage eine nachvollziehbare Entscheidung getroffen hat3. Hierzu gehört, dass der Vorstand Überlegungen zu den im Einzelnen relevanten Punkten anstellt, die Entscheidungsalternativen überdenkt und die ihm zur Verfügung stehenden, wesentlichen Erkenntnisquellen ausschöpft4. Des weiteren darf der Vorstand keine unerlaubte, gegen das Neutralitätsgebot verstoßende Einflussnahme auf den Aktionärskreis ausüben, oder Ziele zu erreichen versuchen, die nicht in seiner Entscheidungsbefugnis stehen. Gleiches gilt, wenn die Entscheidung durch sachfremde oder persönliche Umstände beeinflusst werden könnte5.
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Verhindern Vorstandsmitglieder eine Prüfung aufgrund der Befürchtung im Falle eines neuen Mehrheitsaktionärs abberufen zu werden, stellt dies eine unzulässige Berücksichtigung persönlicher Interessen dar. Gleiches gilt, wenn der Vorstand eine Prüfung ohne verfahrensrechtliche Absicherungen zulässt, weil er befürchtet, dass der Kaufinteressent ansonsten nach dem Kauf des Unternehmens auf seine Abberufung drängen wird6.
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1 Dazu sogleich bei den verfahrensrechtlichen Absicherungen einer Due Diligence unter Rz. 42 ff. 2 Ziegler, DStR 2000, 249, 253; Körber in Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 10 Rz. 25 f. 3 Sog. Business Judgement Rule, § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, dazu Fleischer in FS Wiedemann, 2002, S. 827 ff.; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 35 ff. sowie Fleischer in Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 7 Rz. 45 ff. 4 Vgl. Schroeder, DB 1997, 2161, 2162 ff.; Fleischer in Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 7 Rz. 58 f. 5 Fleischer in Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 7 Rz. 60. 6 Vgl. Eggenberger, S. 113 ff.; ähnlich Körber in Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 10 Rz. 25 f.
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d) Interesse des Unternehmens an neuen Großaktionären 26
Ein regelmäßig für die Zulassung der Due Diligence sprechendes Kriterium ist die Notwendigkeit oder doch Vorteilhaftigkeit eines neuen Großaktionärs1. Ist zu erwarten, dass mit dem neuen Großaktionär bestimmte strategische und wirtschaftliche Vorteile erzielt werden können, so streitet dies für die Zulassung der Due Diligence. Dies können beispielsweise Skalen- und Synergieeffekte2, strategische Allianzen3 oder auch die Verbesserung der Kapitalausstattung4 sein. Andererseits steigt in diesen Fällen auch das Missbrauchsrisiko in Bezug auf die weitergegebenen Informationen, da es sich in diesen Fällen regelmäßig nicht um die Informationsweitergabe an einen Finanzinvestor, sondern an einen (direkten) Wettbewerber handeln wird. Der Vorstand muss gerade hier mit Hilfe seiner rechtlichen Berater eine Abwägung treffen.
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Grundsätzlich gilt auch bei mehreren Interessenten für ein großes Aktienpaket, dass der Vorstand sich jeglicher, gegen das Neutralitätsgebot verstoßender – und damit unerlaubter – Einflussnahme auf den Aktionärskreis zu enthalten hat5. Im Falle von Anteilserwerben im Vorfeld einer unter das WpÜG fallenden Übernahme, können besondere Rechtsfolgen gelten. Hat die Zielgesellschaft i.S.d. § 2 Abs. 3 WpÜG einem ihr genehmen Bieter gestattet, eine Due Diligence-Prüfung durchzuführen, so kommt eine Verweigerung der Einsicht gegenüber weiteren Bietern nur aus wichtigen Gründen des Gesellschaftsinteresses in Betracht6. Zwar ist dies nicht ausdrücklich im WpÜG normiert; aus verschiedenen Einzelvorschriften, insbesondere aus § 22 Abs. 3 WpÜG ist jedoch ein Prinzip der grundsätzlichen Bietergleichbehandlung jedenfalls bei freundlichen Übernahmen (Sondierungen) abzuleiten, welches neben § 3 WpÜG tritt7. Fraglich ist, ob dies auch hinsichtlich des ersten – feindlichen – Bieters gilt, wenn einem sog. White Knight eine Due Diligence gestattet wird. Die h.M.8 ist der Auffassung, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz es erfordert, auch dem ersten feindlichen Bieter eine Unternehmensprüfung zu ermöglichen, wenn diese vorher dem freundlichen Bieter gewährt wurde. Allerdings müssen auch in Bezug auf den ersten Bieter die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen für eine Due-Diligence-Prüfung vorliegen; eine Abwägung wird jedoch im Falle einer feindlichen Übernahme häufig ergeben, dass diese Anforderungen im Verhältnis des ersten Bieters zum sog. weißen Ritter differieren, etwa wenn der erste Bieter ein konkurrierendes Unternehmen ist9. Man wird daher von dem Grundsatz der Bietergleichbehandlung jedenfalls dann eine Ausnahme machen müssen, wenn zwingende Gründe des Gesellschaftsinteresses dies gebieten. Im Einzelfall kann die Suche nach einem White Knight dem Vorstand allerdings die Ablehnung der Due Diligence gegenüber anderen Bietern erschweren.
1 Dabei ist es zweitrangig, ob der Großaktionär die Gewähr bietet, an künftigen Kapitalerhöhungen teilzunehmen oder mit Gesellschafterdarlehen zur Verfügung zu stehen; auch eine gewisse Aussicht hierauf oder ein hervorragendes Standing des prospektiven Großaktionärs kann bereits im Einzelfall ausreichend sein. 2 Vgl. Stoffels, ZHR 165 (2001), 362, 374. 3 Vgl. Eggenberger, S. 112. 4 Vgl. Stoffels, ZHR 165 (2001), 362, 374; Schroeder, DB 1997, 2162; Müller, NJW 2000, 3453. 5 Vgl. Hopt, ZGR 1993, 534, 545; Eggenberger, S. 113; a.A. in jüngster Zeit explizit Wolf, ZIP 2008, 300 ff. 6 Vgl. Fleischer, ZIP 2002, 651, 656 m.N. zur Gegenmeinung; a.A. jüngst Wolf, ZIP 2008, 300 ff. 7 So ausdrücklich Fleischer, ZIP 2002, 651, 656. 8 Hirte in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 33 WpÜG Rz. 77 m.w.N.; Hopt, ZGR 2002, 333, 358; Becker, ZHR 165 (2001), 280, 286; im Ergebnis so auch Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/ Uwe H. Schneider, § 33 WpÜG Rz. 170. 9 Vgl. Hirte in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 33 WpÜG Rz. 77.
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Due Diligence e) Interesse von Großaktionären an Paketverkauf
Außerhalb der Hauptversammlung (vgl. § 131 AktG) bestehen weder Auskunfts- noch Einsichtsrechte der Aktionäre1. Dies gilt grundsätzlich auch für Großaktionäre, die ein Aktienpaket verkaufen wollen (vgl. § 53a AktG). Das Partikularinteresse eines verkaufswilligen Aktionärs kann es allein regelmäßig nicht rechtfertigen, dass der Vorstand geheimhaltungsbedürftige Informationen über die Gesellschaft unternehmensexternen Personen mitteilt2. Das Verkaufsinteresse des Großaktionärs kann daher regelmäßig nur den Anlass für die Ermessensentscheidung des Vorstands bilden3. Es gelten dann wiederum die oben dargestellten Grundsätze. Liegt der Erwerb des Aktienpaketes durch vom Vorstand identifizierte Erwerbsinteressenten, z.B. aus strategischen Gründen, im Interesse der Gesellschaft, so streitet dies in der Regel für die Zulassung der Due Diligence.
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f) Due Diligence bei beabsichtigtem Business Combination Agreement Auch bei einem geplanten Business Combination Agreement muss der Vorstand die dargelegte Interessenabwägung vornehmen. Dabei ist jedoch das Interesse der Unternehmen, die am Business Combination Agreement beteiligt sind, als besonders hoch einzustufen. Durch die im Business Combination Agreement vorgesehenen Transaktionen erwarten in der Regel die Vorstände beider Aktiengesellschaften erhebliche Vorteile für beide Unternehmen; insbesondere behält der Vorstand auf diese Weise eine erhöhte Kontrolle über den Beteiligungs- bzw. Erwerbsprozess4. Dies dürfte regelmäßig zu einer positiven Entscheidung über die Zulässigkeit der Due Diligence-Prüfung führen5.
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g) Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen (§§ 13, 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist es einem Insider verboten, anderen Personen Insiderinformationen unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen. Die ganz herrschende Ansicht im Schrifttum hält die Weitergabe von Insiderinformationen im Rahmen einer Due Diligence-Prüfung dann für zulässig – also nicht für „unbefugt“ –, wenn der beabsichtigte Beteiligungserwerb einen sog. Paketkauf darstellt oder in Vorbereitung einer Kapitalmarkttransaktion durchgeführt wird6.
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Soweit ersichtlich, musste die Rechtsprechung zu dieser Frage bislang nicht Stellung nehmen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat sich bisher auch nicht gegen die Durchführung von Due Diligence-Prüfungen bei börsennotierten Ak-
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1 Vgl. Stoffels, ZHR 165 (2001), 362, 370; Krömker, NZG 2003, 418. 2 Allerdings hält Ziemons, AG 1999, 492, 493 ff. dies unter dem Gesichtspunkt der Treuepflicht der Gesellschaft für nicht ausgeschlossen. Krömker, NZG 2003, 418, spricht ebenfalls von dem Risiko einer „faktischen Vinkulierung“ für den Großaktionär, doch sind sich gerade professionell agierende Großinvestoren der mit einer außerbörslichen Veräußerung von Aktienpaketen verbundenen Probleme bewusst. Siehe dazu auch oben bei Rz. 14 ff. 3 Vgl. Eggenberger, S. 109. 4 Allgemein zu Business Combination Agreemens: Aha, BB 2001, 2225 ff. 5 Eine Ausnahme kann für Übernahmen, die lediglich in der Form eines Business Combination Agreements vorgestellt werden, gelten: Handelt es sich um einen „verdeckten“ Beherrschungsvertrag“, können im Einzelfall strengere Maßstäbe anzulegen sein. Dazu Goslar, DB 2008, 800 ff. 6 Zur Zulässigkeit nach Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes (AnSVG) vom 29.10.2004 vgl. Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 647 f.; Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, 2425 ff. Siehe ferner den Emittenten-Leitfaden S. 27 f.
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tiengesellschaften gewandt1. Aus der Gesetzesbegründung zum WpHG2 lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber die Due Diligence-Prüfung bedacht hat und diese nicht durch § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG untersagen wollte. Dieser für einen funktionierenden M&A- sowie Aktienmarkt zwingend erforderliche Vorgang sollte nicht verboten werden3. 32
Verstößt die Weitergabe der geheimen und vertraulichen Informationen nicht gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, sondern ist zulässig bzw. „befugt“, so sind aber Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Die Empfänger der Informationen müssen sich vertraglich verpflichten, diese nicht wiederum weiterzugeben, nicht zu nutzen sowie insbesondere keine weiteren Aktien unter Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG zu kaufen (sog. Alongside-Käufe). Die Verletzung dieser Verbote muss – neben den insoweit eingreifenden gesetzlichen Instrumentarium des WpHG – vertraglich sanktioniert werden4. h) Insiderhandelsverbot (§§ 13, 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG)
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Das Insiderhandelsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG betraf vor dem AnSVG neben den in § 13 Abs. 1 WpHG genannten Primärinsidern (also insbesondere der Vorstand und Aufsichtsrat) auch die damaligen sog. Sekundärinsider. Seit Inkrafttreten des AnSVG gibt es die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärinsider nicht mehr. Bei der Due Diligence zur Vorbereitung des Kaufs eines Aktienpaketes betrifft § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG insbesondere die Kaufinteressenten. Wird ein Aktienpaket einer börsennotierten Aktiengesellschaft nach Durchführung einer Due DiligencePrüfung gekauft, so werden dabei Insiderinformationen i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG dann nicht „verwendet“, wenn ein Face to Face-Geschäft vorliegt5. Dies ist der Fall, wenn jeder Vertragspartei die Identität der anderen Vertragspartei bekannt ist, alle Vertragsparteien die Insiderinformationen kennen und zusätzlich wissen, dass der jeweils andere gleichfalls über die Information verfügt. Daneben muss sich der Erwerb der Aktien außerhalb eines Marktes im Sinne von § 12 Abs. 1 WpHG und ohne Einschaltung eines Berufshändlers vollziehen. Vom Verbot ist ausschließlich der Erwerb derjenigen Aktien ausgenommen, die von einem Vertragspartner erworben werden, der die Insiderinformation kennt.
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Stützen lässt sich die Ausnahme für sog. Face to Face-Geschäfte mit der Regierungsbegründung zum Wertpapierhandelsgesetz, die diese Konstellation ausdrücklich anspricht6. Lasse sich der „potentielle Erwerber im Rahmen der Vertragsbehandlungen die Unterlagen des zu veräußernden Unternehmens vorlegen“ und erhalte er hierdurch Kenntnis von Insidertatsachen (jetzt Insiderinformationen), so diene dies nicht dazu, sich unter Missachtung der Chancengleichheit der Anleger einen missbilligenswerten Vorteil zu verschaffen. Der Erwerb soll dann erlaubt sein. Ein anderes Verständnis der Norm dürfte – unter Berücksichtigung des institutionellen Vorbehalts 1 Im Emittenten-Leitfaden sieht die BaFin eine Due Diligence entsprechend Erwägungsgrund 29 der Marktmissbrauchsrichtlinie jedenfalls bei öffentlichen Übernahmeangeboten oder Zusammenschlüssen zweier Unternehmen als grundsätzlich zulässig an. 2 BT-Drucks. 12/6679, S. 47. 3 Zur neuen Rechtslage Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 647. 4 Zu den „kapitalmarktrechtlichen Grenzen“ der Due Diligence Nägele in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 27 Rz. 53 ff. sowie ausdrücklich gegen sog. alongside-Käufe Emittenten-Leitfaden S. 28. 5 Assmann/Cramer in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 28; m.w.N. Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 31 f. 6 BT-Drucks. 12/6679, S. 47. Umfassend hierzu Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 31 f.
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– im Hinblick auf die Transaktionsform „Unternehmenskauf“ großen Bedenken begegnen. Es könnten sonst keine börsennotierten Aktiengesellschaften mehr ge- und verkauft werden. Weitere, hier zu diskutierende Konstellationen: Anonymer Erwerb von Aktien über die Börse. Bei dem der Due Diligence nachfolgenden anonymen Erwerb von Aktien über die Börse liegt indes ein Verwenden der Insiderinformationen vor. Der Verkäufer, der regelmäßig nicht über die Insiderinformationen verfügt, weiß nicht, dass sein „Vertragspartner“ diese hat, so dass ein Verwenden i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG gegeben ist1.
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Außerbörslicher Erwerb der Aktien. Beim außerbörslichen Erwerb weiterer Aktien im Rahmen des Übernahmeangebots liegt kein Verwenden einer Insiderinformation vor. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Käufer ausdrücklich erklärt, dass er über Insiderinformationen verfügt oder diese Erklärung nicht abgibt2. Denn aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsaktionärs beinhaltet das Angebot die Erklärung, dass der Käufer die Due Diligence-Prüfung durchgeführt hat. Da der Bieter das Unternehmen erwerben will, kommen ihm insoweit Erwägungsgründe 29 und 30 der Marktmissbrauchsrichtlinie zu Gute3.
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i) Ad hoc-Mitteilungen im Rahmen der Due Diligence und des Erwerbs börsennotierter Unternehmen (§ 15 WpHG) Bei der Durchführung von Due Diligence-Prüfungen in Zusammenhang mit dem Erwerb börsennotierter Unternehmen kommt in vielen Konstellationen auch eine Ad hoc-Mitteilungspflicht nach § 15 Abs. 1 WpHG in Betracht. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ist der „Emittent von Finanzinstrumenten“ zur Ad hoc-Publizität verpflichtet. Die Ad hoc-Mitteilungspflicht gehört dabei zum Pflichtenkreis des Vorstands4. Wird eine Due Diligence-Prüfung zur Vorbereitung des Kaufs börsennotierter Unternehmen durchgeführt, so stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt für das Unternehmen publizitätspflichtige Tatsachen eintreten. Entscheidend ist für den Zeitpunkt einer möglichen Ad hoc-Veröffentlichung zunächst, dass eine hinreichend „konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände vorliegt, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf Insiderpapiere selbst beziehen und geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen“. Die Frage, ob die in concreto geplante Transaktion (Share Deal im Hinblick auf die Aktien der Zielgesellschaft, einschließlich eines Übernahmeangebots, oder Asset Deal) im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens geeignet ist, den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen, wird von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängen. Bei einem Übernahmeangebot wird dies regelmäßig der Fall sein. Soweit es um eine Umplatzierung von Aktienpaketen der Zielgesellschaft geht, wird es v.a. von der Größe des Pakets und den sonstigen Umständen der Umplatzierung5 abhängen, 1 Vgl. Eggenberger, S. 313. 2 So auch Eggenberger, S. 314. 3 Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 30 in zutreffender Abgrenzung von – unzulässigen – sog. alongside-Käufen (dort Rz. 34). 4 Kümpel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 171 ff. 5 Neben der Größe des Aktienpakets spielt es eine Rolle, ob es sich bei den bisherigen Aktionären um strategische Investoren handelt. Auch ist zu berücksichtigen, ob sich der Aktionär von seinem gesamten Paket trennen möchte und wie die Aktionärsstruktur im Übrigen zusammengesetzt ist. Ob auch die Zielgesellschaft nach § 15 Abs. 1 WpHG ad hoc-publizitätspflichtig ist, hängt wesentlich von der Involvierung des Vorstands, z.B. bei Roadshows und Präsentationen, ab. Nach dem Emittenten-Leitfaden (S. 52) neigt die BaFin bei einer sog. strategischen Umplatzierung dem Erfordernis einer Ad hoc-Meldung zu.
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Börsennotierung
ob eine Eignung zur Kursbeeinflussung vorliegt und sich diese auf den Emittenten selbst bezieht. Auch wann eine hinreichend „konkrete Information“ oder „präzise Information“, wie das EU-Recht formuliert1, gegeben ist, wird man nur im Einzelfall entscheiden können. Allgemein liegt eine solche nur dann vor, wenn es um Umstände oder Ereignisse geht, die bereits eingetreten sind oder bei denen man vernünftigerweise davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren bzw. eintreten werden2. Die Informationen müssen dabei spezifisch genug sein, dass sie einen Schluss auf die möglichen Auswirkungen dieser Umstände oder Ereignisse auf den Kurs der Aktien zulassen3. Man wird hier auf den Einzelfall abstellen müssen4. Soweit die Umstände hinreichend konkret sind und eine Eignung zur Kursbeeinflussung gegeben ist, wird i.d.R. auch die „unmittelbare Betroffenheit“ bei der Gesellschaft gegeben sein. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage wird nicht mehr gefordert, dass es sich um Umstände handelt, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind. Vielmehr weist die Gesetzesbegründung zum AnSVG ausdrücklich auf die Möglichkeit hin, dass auch von außen kommende Tatsachen Umstände sein können, die den Emittenten unmittelbar betreffen5. Als Beispiel nennt die Regierungsbegründung hier die Übermittlung eines Übernahmeangebots nach § 29 WpÜG durch eine andere Gesellschaft oder die Herabstufung durch eine externe Ratingagentur6. Maßgeblich für den Zeitpunkt einer Veröffentlichung nach § 15 WpHG ist damit regelmäßig, ob nach den konkreten Umständen die Voraussetzungen für eine Verschiebung der Veröffentlichung nach § 15 Abs. 3 WpHG i.V.m. § 6 WpAIV7 gegeben sind. Der Emittent ist solange von der Verpflichtung zur Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG befreit, solange es (a) der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, (b) keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und (c) der Emittent die Vertraulichkeit gewährleisten kann. Um den Schutz berechtigter Interessen zu konkretisieren, nennt § 6 WpAIV neben anhaltenden M&A-Verhandlungen vor allem gestreckte Gremienentscheidungen, bei denen eine frühzeitige Veröffentlichung – nur – des Vorstandsbeschlusses zu einer Fehlinformation der Investoren führen würde8.
1 Vgl. Art. 1 Nr. 1 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulationen („Marktmissbrauchsrichtlinie“), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. 2 Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG, ABl. EG Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70. 3 Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2003/124/EG, ABl. EG Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70; vgl. auch RegE BT-Drucks. 15/3174, S. 33 f. 4 Zu den einzelnen Konstellationen siehe Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 655. Zu Gerüchten, insbesondere bei zuvor erfolgter Selbstbefreiung, Fleischer/Schmolke, AG 2007, 841 ff. 5 Vgl. RegE BT-Drucks. 15/3174, S. 35. 6 RegE BT-Drucks. 15/3174, S. 35. Eine Ratingherabstufung sollte jedoch allenfalls bei auftragsgebundenem Rating ad hoc-publizitätsauslösend wirken können. Das CESR-Papier vom Dezember 2002, S. 13, will entgegen der Regierungsbegründung zum AnSVG sogar das auftragsgebundene Rating nicht in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 WpHG einbeziehen. Der Emittenten-Leitfaden der BaFin hat sich dem CESR-Papier angeschlossen. 7 Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung – WpAIV) vom 13.12.2004, BGBl. I 2004, 3376. 8 Siehe dazu umfassend Emittenten-Leitfaden S. 53 ff. sowie hier unten § 14.
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§ 10
Due Diligence j) Datenschutzrechtliche Auswirkungen auf die Due Diligence
Geheimhaltungspflichten des Unternehmens haben ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf Zulässigkeit und Gestaltung der Due Diligence. Neben vertraglichen Geheimhaltungsvereinbarungen mit Dritten resultieren diese insbesondere aus datenschutzrechtlichen Vorschriften, insbesondere aus den Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten nach dem Bundesdatenschutzgesetz. Liegen personenbezogene Daten i.S.v. § 3 Bundesdatenschutzgesetz vor, so ist deren Übermittlung grundsätzlich nur zulässig, wenn und soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der Aktiengesellschaft erforderlich ist. Zwar sieht § 4a Bundesdatenschutzgesetz auch die Einwilligung der betroffenen Personen vor, allerdings ist dies aus Zeit- und Geheimhaltungsgründen bei einer Due Diligence-Prüfung nicht praktikabel. Datenschutzrechtlich zulässig ist die Informationsweitergabe im Regelfall nur, wenn die Daten anonymisiert (§ 3 Abs. 6 BDSG) und/oder pseudoanonymisiert sind (§ 3 Abs. 6a BDSG). Hierfür werden in der Praxis – je nach Art der Daten und den Anforderungen des Kaufinteressenten – verschiedene Verfahren verwendet. Einen Unterfall der Anonymisierung von Daten stellt ihre Zusammenfassung dar, wenn sich als Folge dieser Zusammenfassung keine personenbezogenen Daten mehr ermitteln lassen1.
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Die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes gelten auch bei der Weitergabe an Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer, also an zur Berufsverschwiegenheit verpflichtete Dritte. Dies unterscheidet die datenschutzrechtlichen Bestimmungen von den Vorsichtsmaßnahmen, die aufgrund aktienrechtlicher Normen vorgenommen werden müssen. Sollen besonders sensible Daten im Rahmen der Due Diligence-Prüfung übergehen, so kann dies nach den aktienrechtlichen Bestimmungen (insbesondere § 93 AktG) in aller Regel durch ihre Übergabe an zur Berufsverschwiegenheit verpflichtete Personen gelöst werden.
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k) Arbeitsrechtliche Auswirkungen auf die Due Diligence Die soeben beschriebenen datenschutzrechtlichen Beschränkungen machen sich insbesondere bei der arbeitsrechtlichen Due Diligence bemerkbar. Wird das Bundesdatenschutzgesetz verletzt, so ist dies nach § 44 Bundesdatenschutzgesetz bußgeldbewehrt. Daneben können Betriebsrat und/oder Arbeitnehmer versuchen, eine einstweilige Verfügung zu erlangen, mit der die Weitergabe von Informationen verzögert bzw. verhindert werden soll2. Neben das Bundesdatenschutzgesetz tritt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer; dieses greift ein, wenn die Daten nicht auf einem elektronischen Datenträger gespeichert, sondern in Akten gesammelt sind.
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Weitere Einschränkungen ergeben sich aus der EG-Datenschutzrichtlinie3. Nicht den genannten Einschränkungen aus dem Bundesdatenschutzgesetz sowie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer unterliegt allerdings die Weitergabe betrieblicher Kollektivvereinbarungen (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen etc.)4. Desgleichen ist auch die Information über Gerichtsverfahren zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern sowie dem Betriebsrat zulässig. Einzelne Arbeitsverträge der Füh-
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1 Vgl. zu den datenschutzrechtlichen Grenzen auch Nägele in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 27 Rz. 55 f. 2 Diller/Deutsch, K&R 1998, 16, 17. Zu arbeitsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Braun/ Wybitul, BB 2008, 782 ff. 3 Richtlinie 95/46/EG vom 24.10.1995, ABl. EG Nr. L 281 v. 23.11.1995, S. 31. 4 Vgl. Diller/Deutsch, K&R 1998, 16, 23.
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rungskräfte dürfen übermittelt werden; für Angestellte ohne Führungsaufgaben kann dagegen nur der Musterarbeitsvertrag eingesehen werden. l) Verfahrensrechtliche Absicherungen zur Interessenwahrung der Zielgesellschaft 42
Bevor der Vorstand die vertraulichen Informationen an den Erwerbsinteressenten herausgibt, müssen die Vertragsverhandlungen schon relativ weit fortgeschritten sein. Vorbehaltlich der Ergebnisse der Due Diligence-Prüfung – dieser Vorbehalt muss jedem Interessenten zugestanden werden – muss der Erwerb der Aktien mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein1. Unter Umständen kann daher die Beibringung einer Finanzierungsbestätigung bzw. eines Kapitalnachweises durch den Käufer vor der Due Diligence-Prüfung unentbehrlich sein, um dessen Finanzierungsfähigkeit beurteilen zu können. Als weitere Absicherungen der Zielgesellschaft kommen insbesondere folgende Maßnahmen in Betracht:
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aa) Vertraulichkeitsvereinbarung. Der Kaufinteressent muss sich vor Durchführung der Due Diligence einer Vertraulichkeitsvereinbarung unterwerfen2. Diese Vereinbarung sollte den Zweck der Informationsweitergabe bezeichnen und den Kreis der Mitarbeiter und Berater des potenziellen Erwerbers umgrenzen. Der Erwerbsinteressent muss sich darin verpflichten, die bei der Due Diligence-Prüfung erlangten Informationen weder an andere Personen weiterzugeben, noch diese zu einem anderen Zweck als der geplanten Transaktion zu verwenden. Für den Fall des Scheiterns der Erwerbsverhandlungen ist i.d.R. eine Verpflichtung zur Rückgabe bzw. Vernichtung vertraulicher Daten zu vereinbaren. Eine Absicherung der Vertraulichkeitsvereinbarung durch ein Vertragsstrafeversprechen ist in vielen Fällen wünschenswert, lässt sich aber in der Praxis je nach Verhandlungsmacht des potentiellen Erwerbers und Situation der Zielgesellschaft nicht immer durchsetzen. Jedenfalls ist ein solches Vertragsstrafeversprechen keine zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit der Due Diligence. In Engagement Lettern für Kapitalmarkttransaktionen finden sich überwiegend nicht-strafbewehrte Vertraulichkeitsvereinbarungen; allerdings ist in diesen Fällen die Missbrauchsgefahr durch die begleitenden Banken geringer3.
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In der Vertraulichkeitsvereinbarung sollten die Personen bezeichnet werden, die auf Seiten des Interessenten mit den Daten in Berührung kommen. Der Interessent ist in der Vertraulichkeitsvereinbarung zu verpflichten, dass auch diese Personen zur Vertraulichkeit verpflichtet sind, wenn diese nicht schon kraft Gesetz zur Verschwiegenheit verpflichtet sind4.
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bb) Anforderungen an die Organisation des Datenraums. Der Vorstand darf keine unkontrollierte Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen gestatten. In der Regel wird ein besonderer Raum, der sog. Data Room (Datenraum), bereitgestellt. In diesem Raum können die mit der Due Diligence befassten Personen Einsicht in ausgewählte Unterlagen nehmen. Im Falle von beabsichtigten Unternehmenskäufen werden nur solche Dokumente ausliegen, die aufgrund einer zuvor unter den beteiligten Anwälten ab1 Vgl. Eggenberger, S. 119; Körber in Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 10 Rz. 25 f.; Wiesner in MünchHdb. AG, § 25 Rz. 42 f. 2 Allgemeine Meinung: vgl. etwa Müller, NJW 2000, 3452, 3455 m.w.N.; Nägele in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 27 Rz. 51 f. 3 Ebenso Nägele in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 27 Rz. 52 mit zutreffendem Hinweis auf weitere Verfahrensabsicherungen bei sog. „dual track“-Verfahren, bei denen auch strategischen Interessenten Einblick gewährt werden sollen. 4 Aufgrund der Verpflichtung zur Führung von Insiderverzeichnissen gemäß § 15b WpHG ist dies bei börsennotierten Gesellschaften Standard.
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gestimmte Due Diligence-Checkliste für die Due Diligence freigegeben worden sind. Für die Benutzung dieses Datenraumes wird in der Regel in einer detaillierten Vereinbarung mindestens Folgendes festgelegt werden: – – – –
Namentliche Benennung der Due Diligence-Prüfer; Öffnungszeiten des Datenraumes; Ansprechpartner des Zielunternehmens; Benutzung von Bürologistik und weitere technische Details1.
Um Art und Umfang der zusätzlich mitzuteilenden Informationen zu überwachen, sollte der Vorstand dem potenziellen Erwerber eine bestimmte, mit den Verhältnissen des Unternehmens vertraute Auskunftsperson benennen. Seine Mitarbeiter sollte er anweisen, Auskünfte nur über bzw. durch diese Auskunftsperson an den potenziellen Erwerber zu übermitteln. cc) Besonderheiten bei der Organisation des Datenraums für eine kapitalmarktrechtliche Due Diligence. Bei der Erstellung eines Datenraums im Vorfeld von Kapitalmarktmaßnahmen, wie beispielsweise Börsengängen, Kapitalerhöhungen oder der Begebung von Wandel- oder Unternehmensanleihen, ist zu berücksichtigen, dass die die Due Diligence durchführenden Banken nicht in einem kontradiktorischen Verhältnis zu dem prospektiven Emittenten stehen. Anders als ein Erwerbsinteressent nehmen die konsortialführenden Banken bzw. der Konsortialführer und seine Anwälte vielmehr die Funktion eines „Treuhänders“ der Investoren wahr, die im Vorfeld eine angemessene Bewertung für die Bookbuilding-Spanne bzw. den Emissionspreis der zu emittierenden Aktien oder (Wandel-)Anleihen bestimmen müssen. Da die Bank zugleich Berater des Emittenten ist, handelt es sich bei der Unternehmens-Due Diligence und der Preisfindung um einen gemeinsamen Prozess mit der Emittentin und ggf. deren (abgebenden) Aktionären. Dementsprechend sind die Datenraum-Regeln bei Kapitalmarkttransaktionen weniger restriktiv und wichtige Informationen werden zumeist zur näheren Prüfung durch die Banken und deren Berater auch in Kopie ausgehändigt. Diesem – richtigen – Verständnis des Due Diligence-Prozesses bei Kapitalmarkttransaktionen entspricht es, dass die Due Diligence nicht auf die Senkung des Platzierungspreises der Aktien bzw. Anleihen gerichtet ist, sondern lediglich eine fundierte Einschätzung für eine realistische Bandbreite der Unternehmensbewertung bilden soll2. Zudem ist es Ziel der Due Diligence der Banken, die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospektes sicherzustellen, was auch im Interesse des Emittenten ist. dd) Abgestufte Informationsherausgabe. Je nach Fortschritt und Stadium der Vertragsverhandlungen können auch geheimhaltungsbedürftige Informationen herausgegeben werden3. Besonders wichtige Verträge und sensible Daten werden i.d.R. zutreffend erst dann dem Erwerber zur Verfügung gestellt, wenn die Übernahme des Aktienpakets überwiegend wahrscheinlich ist. Für besonders sensible Daten kommt die Einrichtung 1 Zu den Vor- und Nachteilen physischer oder virtueller Datenräume Nägele in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 27 Rz. 34. 2 Dementsprechend wird diese gefundene Bandbreite im sog. Pre-Marketing mit besonders wichtigen institutionellen Investoren erörtert und aufgrund vergleichbarer Unternehmen der betreffenden Branche und deren Unternehmensbewertung durch die Börse(n) analysiert. Da solche Vergleichsparameter gerade bei Private M&A-Transaktionen fehlen, dient die Due Diligence in diesen Fällen häufig im Wesentlichen zur „Ansammlung“ von Argumenten für eine Senkung des Kaufpreises durch den prospektiven Erwerber. 3 Vgl. Eggenberger, S. 119. Zu den verschiedenen Vertraulichkeitsstufen ausführlich Nägele in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 27 Rz. 36 f. und Körber in Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 10 Rz. 26.
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eines gesonderten Datenraumes („Red Data Room“) in Betracht, für den besondere Zugangsbeschränkungen bestehen; so wird etwa der Zugang nur für zur Berufsverschwiegenheit verpflichtete Personen, also insbesondere Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer vereinbart. Diese eingeschalteten Berater sollten dann ggf. verpflichtet werden, dem Erwerber nicht die Daten selbst, sondern lediglich eine allgemeine Auswertung der Daten zur Verfügung zu stellen1. Im Falle von vertraulichen Vorstands- oder Aufsichtsratsprotokollen kann sich dies auch in der Mitteilung erschöpfen, dass dort keine – über bereits bekannte Risiken hinaus – problematischen Sachverhalte erörtert worden seien. 49
Ist das Risiko einer nachteiligen Verwertung der Informationen besonders groß, etwa weil der potentielle Erwerber ein Wettbewerber ist, empfiehlt sich folgendes Vorgehen: Im Einvernehmen mit den Kaufinteressenten sind neutrale, zur Berufsverschwiegenheit verpflichtete Fachleute mit der Durchführung der Due Diligence bzw. einzelner Punkte zu beauftragen. Diese dürfen die ausgewählten Informationsunterlagen nicht an Interessenten weitergeben, sondern erstellen lediglich einen knappen Due Diligence-Bericht, der sich auf die Auswertung der Prüfergebnisse beschränkt und vor Weiterleitung an die Erwerbsinteressenten mit dem Vorstand der Zielgesellschaft erörtert, jedoch von diesem nicht geändert wird2.
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Über die jeweils zweckmäßigste Vorgehensweise entscheidet – ggf. im laufenden Due Diligence-Verfahren – der Vorstand unter Berücksichtigung der Geheimhaltungsbedürftigkeit der Informationen und des Gesellschaftsinteresses. 3. Sachliche Reichweite und Intensität der Due Diligence in Abhängigkeit von der Unternehmenstransaktion
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Die sachliche Reichweite und Intensität einer Due Diligence-Prüfung wird in der Praxis von einer Vielzahl von Faktoren determiniert. Ausmaß und Durchführung der Due Diligence werden sowohl durch die konkrete Unternehmenstransaktion bestimmt als auch durch das „Vorleben“ der börsennotierten Gesellschaft in Bezug auf frühere Transaktionen und hierfür erstellte Dokumentationen. a) Unterschiede der klassischen M&A-Due Diligence zur Due Diligence bei Kapitalmarkttransaktionen
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aa) Ziele der klassischen M&A-Due Diligence. Die klassische M&A-Due Diligence, die von einem Käufer und dessen Beratern durchgeführt wird, hat in erster Linie die Funktion, eine Entscheidungsgrundlage für den Käufer zu liefern. Der Käufer möchte möglichst genau über die wirtschaftlich bedeutsamen Risiken und Schwachstellen des Kaufobjekts informiert sein, bevor er eine unternehmerische Entscheidung trifft. Dabei soll die Due Diligence die Grundlage für folgende Entscheidungen im Rahmen des Transaktionsprozesses liefern: 1 Müller, NJW 2000, 3452, 3455. 2 Auf diese Weise behält der Vorstand bis zuletzt die Entscheidungsgewalt über die Weitergabe sensibler Informationen und kann das Scheitern der Transaktion noch in einem relativ späten Stadium gegenüber der – mittelbaren – Informationsweitergabe abwägen. Zudem wird der Vorstand der Zielgesellschaft zu diesem Zeitpunkt zumeist bereits einen Preis für den Beteiligungserwerb (vorbehaltlich der Prüfung besonders vertraulicher Informationen durch den Erwerber) ausgehandelt haben. Bricht der prospektive Erwerber nach Einsichtnahme in die Dokumente die Verhandlungen aus nicht nachvollziehbaren Gründen ab, setzt er sich einem erhöhten Risiko einer Haftung gemäß § 311 Abs. 2 BGB aus.
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– Fortsetzung oder Abbruch der Transaktion. Zum einen bildet die Due Diligence die Entscheidungsgrundlage über Fortsetzung oder Abbruch der Transaktion. Ein Abbruch wird dann in Betracht kommen, wenn schwerwiegende Risiken auftreten, denen nicht durch spezielle Vertragsbedingungen begegnet werden kann. Wenn sie auftreten, resultieren sie häufig aus rechtlichen Bedenken. So kann aufgrund der Due Diligence zweifelhaft werden, ob die zu verkaufenden Anteile dem Verkäufer gehören oder Dritte Rechte daran haben. Ein anderes Beispiel können bestimmte Verträge sein, auf die die Zielgesellschaft zwingend angewiesen ist und die bei einem Eigentümerwechsel gekündigt werden können (Change of Control), sofern eine solche Kündigung nicht unwahrscheinlich ist. Schließlich kann ein beabsichtigter Erwerb an kartellrechtlichen Bedenken scheitern. – Festlegung des Gewährleistungsprogramms. Die Aufdeckung bestimmter Risiken in einer Due Diligence kann dazu führen, dass der Käufer im Rahmen der Vertragsverhandlungen spezielle Garantien bzw. Freistellungen im Hinblick auf die entdeckten Risiken fordert. Andererseits sind Käufer aufgrund eigener ausführlicher Due Diligence eher bereit, nur eingeschränkte Gewährleistungsbestimmungen zu akzeptieren, da sie eine profunde Grundlage für ihre Risikoeinschätzung haben. Aus demselben Grund führen Großaktionäre vor einer beabsichtigten Veräußerung nicht selten eine Vendor Due Diligence durch, um mögliche Risiken und deshalb voraussichtlich vom Käufer geforderte Gewährleistungen besser antizipieren zu können1. – Kaufpreisfindung. Die Due Diligence wird – vor allem bei größeren Unternehmenstransaktionen – häufig die Basis für die (endgültige) Bewertung eines Unternehmens durch den Käufer und seine Berater liefern. – Transaktionsstruktur. Des Weiteren haben die Ergebnisse der Due Diligence oft Auswirkungen auf die Wahl der Transaktionsstruktur. Steuerliche oder gesellschaftsrechtliche Risiken der Zielgesellschaft führen nicht selten dazu, dass statt des zunächst beabsichtigten Erwerbs der Anteile (sog. „Share Deal“) die Transaktionsstruktur auf den gesamten Geschäftsbetrieb der Zielgesellschaft durch einen sog. „Asset Deal“, also des Erwerbs der einzelnen Vermögensgegenstände, ausgerichtet wird und vice versa. – Finanzierung. Soll der Unternehmenserwerb durch Kredite finanziert werden, wird die Due Diligence auch Entscheidungsgrundlagen für die Konditionen des Finanzierungsgeschäfts liefern, insbesondere Auswirkungen auf bestehende Covenants etc. Die Berater des Käufers einer M&A-Transaktion werden als Zusammenfassung der Ergebnisse der Due Diligence typischer Weise einen Due Diligence-Bericht erstellen, der die Ergebnisse der Prüfung darlegt. In seltenen Ausnahmefällen wird der Käufer keinen Bericht oder nur einen auf grundlegende Aspekte reduzierten „red flag-report“ verlangen. Des weiteren sind die Unterschiede im Umfang und der Ausführlichkeit des Berichts in der Praxis beträchtlich, da dieser sich an den individuellen Bedürfnissen des Käufers orientiert2.
1 Zu den Voraussetzungen einer Vendor Due Diligence und insbesondere den Abwägungsentscheidungen des Vorstands siehe oben bei Rz. 17 ff. 2 Im Wesentlichen ist hier zwischen Due Diligence-Berichten zu unterscheiden, die als sog. „Issue List“ nur die Aufgabe haben, kritische Aspekte zusammenzufassen, aber keine (oder fast keine) deskriptiven Elemente enthalten. Im anderen Extremfall wird ein Due DiligenceBericht sämtliche wesentlichen Rechtsgebiete und wichtigen Verträge des Unternehmens ausführlich darstellen.
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bb) Ziele der Due Diligence bei Kapitalmarkttransaktionen. Die Due Diligence bei einer Kapitalmarkttransaktion verfolgt demgegenüber andere Ziele, was sich in erheblichen Maße auch in ihrer Durchführung niederschlägt. Ein wesentlicher Unterschied zur Due Diligence bei M&A-Transaktionen besteht im Hinblick auf die beteiligten Parteien. Bei einer M&A-Transaktion führen Käufer und Berater die Due Diligence-Prüfung durch. Nur gelegentlich führt vor bedeutenderen Unternehmenskäufen oder Abspaltungen zusätzlich auch der Verkäufer eine Due Diligence durch (sog. „Vendor Due Diligence“). Dies erfolgt zumeist, um die Stärken und Schwächen des zu verkaufenden Unternehmens besser beurteilen zu können und den Datenraum vorzubereiten. Zeitlich wird eine derartige Vendor Due Diligence getrennt vor der Due Diligence des Käufers durchgeführt. Darüber hinaus sind die Interessen des Käufers und des Verkäufers kontradiktorischer Natur, weswegen die M&A-Due Diligence nicht selten ein „Kampfplatz“ für kaufpreismindernde Argumente ist.
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Im Gegensatz dazu wird die Due Diligence bei Kapitalmarkttransaktionen von der konsortialführenden Bank, dem emittierenden Unternehmen sowie deren jeweiligen Beratern im Wesentlichen parallel durchgeführt. Dabei sind die Interessen in einem höheren Maße gleichgerichtet als dies bei einer M&A-Transaktion der Fall ist: Hauptziel einer Kapitalmarkt-Due Diligence ist es, dass der Prospekt, der im Rahmen der Transaktion erstellt wird und für den sowohl die Emittentin als auch die Konsortialbanken gemäß § 5 WpPG i.V.m. § 13 VerkProspG, § 44 BörsG die Verantwortung übernehmen, richtig und vollständig ist1. Ein Ziel aller Beteiligten ist es daher, relevante Risiken im Rahmen der Due Diligence aufzudecken und diese entweder durch gestaltende Maßnahmen zu beseitigen oder im Prospekt zutreffend zu beschreiben. Die konsortialführende Bank hat eine „Treuhänderfunktion“ gegenüber den künftigen Investoren.
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Außer für den Prospekt hat die Due Diligence eine erhebliche Bedeutung für die Abgabe und den Inhalt der Legal Opinion und der Disclosure Opinion2, die jeweils von den rechtlichen Beratern der Emittentin und der Bank im Wesentlichen inhaltsgleich abgegeben werden. Um diese beiden Opinions abgeben zu können, haben die rechtlichen Berater der Emittentin und der Bank wesentlichen Einfluss auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Due Diligence.
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Unter anderem aufgrund der Verpflichtung zur Erstellung der in den wesentlichen Punkten standardisierten Opinions eines überschaubaren Kreises von Kapitalmarktkanzleien werden im Gegensatz zu M&A-Transaktionen bei Kapitalmarkttransaktionen in aller Regel keine Due Diligence-Berichte erstellt. Andernfalls müssten die Opinions auf praktisch alle Rechtsfragen hinweisen, die in den Due Diligence-Berichten adressiert sind und deren Bedeutung im Hinblick auf die „Aufgreifschwelle“ in einer Opinion zweifelhaft erscheinen könnte. Überdies konzentrieren sich die Berater auf den Prospekt als Offenlegungsdokument und wollen auch insoweit mit dem Due Diligence-Bericht kein jedenfalls für Rechtsfragen „konkurrierendes“ Offenlegungsdokument schaffen. In der Praxis werden bisweilen Listen mit den überprüften Dokumenten erstellt, um die Identifizierung von Verträgen und gesellschaftsrechtlichen Dokumenten im Hinblick auf die Darstellung im Prospekt zu gewährleisten.
1 Diesen Aspekt betont zu Recht auch Nägele in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 27 Rz. 3 ff. 2 Vgl. allgemein zu Legal Opinions unten Rz. 98 ff.
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Due Diligence b) Unterschiedliche Intensität in Abhängigkeit von der Kapitalmarkttransaktion
Aufgrund der erwähnten unterschiedlichen Zielsetzungen der Due Diligence bei M&A-Transaktionen und Kapitalmarkttransaktionen unterscheiden sich die Due Diligence-Prozesse auch in ihrer Intensität. Der Umfang und die Tiefe einer M&A-Due Diligence resultiert daraus, dass ein potentieller Käufer seine Investitionsentscheidung in einem kontradiktorischen Verfahren treffen muss. Selbst bei Auktionen verbleiben in der u.a. durch eingehende Due Diligence gekennzeichneten „zweiten Runde“ zumeist nicht mehr als vier oder fünf Bieter. Je nach Größe der Zielgesellschaft und des potentiellen Erwerbers werden hier die Schwellenwerte für die zu prüfenden Dokumente i.d.R. erheblich geringer sein als bei einem Börsengang, zumal Rückgriffsmöglichkeiten gegenüber dem Veräußerer nur im Rahmen der individuell vereinbarten und häufig eng begrenzten Gewährleistungen bestehen. Bei einem Börsengang wollen viele Anleger ein oft nur begrenztes Investment eingehen. Im Prospekt müssen – vor allem in den Risikofaktoren – diejenigen Punkte offengelegt werden, die einen erheblichen Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage haben. Das als eine Art Treuhänder für die künftigen Investoren agierende Bankenkonsortium haftet ebenso wie die Gesellschaft und i.d.R. auch die maßgebenden Großaktionäre1 gegenüber den Investoren für Prospektfehler, so dass neben dem drohenden Reputationsschaden auch ökonomisch kein wirklicher Anreiz für das Verschweigen von Umständen existiert. Ungeachtet der Prospektpflicht bestehen vor allem auch bei den verschiedenen Kapitalmarktinstrumenten große Unterschiede hinsichtlich Umfang und Intensität der Due Diligence. Dabei richtet sich die Intensität der Due Diligence bei Kapitalmarkttransaktionen zum einen nach den Dokumentationsanforderungen für das betreffende Kapitalmarktinstrument (Aktienemissionen, Anleihen, Wandelanleihen etc.) in den relevanten Börsenordnungen, vor allem aber nach dem Kapitalmarktstanding sowie dem Rating des Emittenten.
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aa) Due Diligence bei Börsengängen. Aufgrund fehlender Kapitalmarkthistorie2 und der Notwendigkeit, vollständig neue Investorenkreise zu erschließen, hat die Due Diligence vor einem Börsengang die höchste Intensität.
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Üblicherweise wird die Due Diligence-Prüfung damit beginnen, dass die Berater und die Bank an einer Management-Präsentation teilnehmen, durch die ein erster Einblick in das Geschäftsmodell gewonnen wird. Das Management wird auf jüngste Entwicklungen eingehen und erste Anhaltspunkte dafür geben, wo Stärken, Schwächen, Chancen und potentielle Risiken des Geschäfts gesehen werden. An eine Management-Präsentation schließt sich regelmäßig ein Gespräch zwischen den Beratern der Banken, den Beratern der Emittentin sowie dem Leiter der Rechtsabteilung3 der Emittentin an. In diesem Gespräch wird der Umfang der Due Diligence und die offenzulegenden Dokumente an Hand einer – vorläufigen und daher sehr detaillierten – Due Diligence Checkliste diskutiert. Zum anderen erhalten die Berater durch den Leiter der Rechtsabteilung oder das für Rechtsfragen zuständige Mitglied der Geschäftsleitung eine „Insider“-Einschätzung bestehender Rechtsrisiken. Dies ist vor allem deshalb wertvoll, weil die Rechtsabteilung kontinuierlich mit den unterneh-
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1 Als sog. Prospektveranlasser. Vgl. dazu die weiterführende Literatur z.B. Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 35. 2 Jedenfalls als Aktienemittent; gerade größere Unternehmen verfügen dagegen aufgrund einer Anzahl von Anleihe- oder Genussscheinemissionen durchaus über eine gewisse „Dokumentationshistorie“, die freilich weit hinter der für einen Aktienprospekt im Rahmen eines Börsengangs notwendigen Detailtiefe zurückbleibt. 3 In kleineren Gesellschaften auch ein Mitglied der Geschäftsleitung.
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menstypischen Verträgen, Dokumenten und Rechtsstreitigkeiten, die im Rahmen der Due Diligence überprüft werden, befasst ist. 61
Bei der eigentlichen Durchsicht und Prüfung der Dokumente verfolgt die Praxis einen „Top Down“-Ansatz. Daher beginnt eine Durchsicht der Dokumente typischerweise mit den Aufsichtsrats- und Vorstandsprotokollen der letzten drei Jahre. Weiter zurückreichende Planungen, Transaktionen und Risiken, die in älteren Protokollen angesprochen sind, werden sich im Zeitpunkt der Due Diligence entweder erledigt haben oder sind umgesetzt bzw. mit Änderungen realisiert worden. Im letzteren Fall haben deren Auswirkungen in den Bilanzen und GuV-Rechnungen sowie den Prüfungsberichten der Abschlussprüfer des Unternehmens ihren Niederschlag gefunden. Ziel der Durchsicht der Protokolle ist es, ein Gespür für die aktuellen Risiken des Unternehmens zu erhalten und das Bild, das aus der Management-Präsentation und dem Gespräch mit dem Leiter der Rechtsabteilung gewonnen wurde, zu bestätigen und zu vertiefen. Die Prüfung der Protokolle ermöglicht darüber hinaus auch eine Einschätzung der Corporate Governance des Unternehmens; dies gilt für Inhalt, Form und Ausführlichkeit der Protokolle, die Prognosesicherheit in der Vergangenheit sowie die Häufigkeit der Sitzungen.
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Sodann werden die Prüfungsberichte der Abschlussprüfer und die Geschäftsberichte der letzten drei Jahre geprüft. Die auf diese Weise „vorgebildeten“ Rechtsanwälte erstellen auf dieser Basis sodann gemeinsam mit dem Unternehmen eine aktualisierte Due Diligence-Checkliste; diejenigen Rechtsgebiete und Dokumente, die angabegemäß keine Rolle spielen bzw. nicht einschlägig sind, werden zudem mit einem schriftlichen Negativvermerk versehen.
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Die Art der zu prüfenden Dokumente unterscheidet sich nicht wesentlich von denen einer M&A-Transaktion; die Aufgreifschwelle ist beim Börsengang jedoch höher, da die Bewertung des Unternehmens beim Börsengang maßgeblich von außerrechtlichen Faktoren abhängt und der Legal Due Diligence im Wesentlichen die Funktion einer Bestätigung fehlender gravierender Risiken zukommt.
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Inhaltlich von besonderer Bedeutung sind vor allem die gesellschaftsrechtlichen Unterlagen, also insbesondere die Handelsregisterauszüge, Gesellschaftsvertrag/Satzung der Unternehmen, Gründungsdokumente und Hauptversammlungsprotokolle. Den Hauptversammlungsbeschlüssen, mit denen das Stamm- bzw. Grundkapital der Gesellschaft erhöht (bzw. gegebenenfalls auch herabgesetzt) worden ist, kommt eine besondere Bedeutung zu, da die Kapitalverhältnisse in einem Aktienemissionsprospekt detailliert beschrieben werden müssen (Ziffer 21.1. Anhang I der ProspektVO).
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Zu den Angaben über die Kapitalverhältnisse der Emittentin gehören auch Informationen über wesentliche Aktionäre, soweit diese der Emittentin bekannt sind (Ziffer 18.1., Anhang I der ProspektVO). Ebenso wie bei M&A-Transaktionen wird insbesondere bei Umplatzierungen geprüft, dass die abgebenden Personen auch tatsächlich Aktionäre bzw. Gesellschafter sind. Daher ist die Überprüfung einer geschlossenen Urkundenkette über die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen ab dem Zeitpunkt der Gesellschaftsgründung unter Beifügung sämtlicher der Gesellschaft in diesem Zusammenhang (z.B. nach § 16 GmbHG, §§ 20 f. AktG, § 21 WpHG) zugegangener Mitteilungen erforderlich. Im Falle von Inhaberaktien und größerem Aktionärskreis schon bei vorbörslichen Kapitalmaßnahmen ist die Feststellung der Aktieninhaberschaft i.d.R. jedoch nicht zweifelsfrei möglich. Gerade die Meldungen nach §§ 20 f. AktG und § 21 WpHG können wegen der gravierenden Rechtsfolge des Rechtsverlusts gemäß § 28 WpHG auch für die Beurteilung der Wirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen bedeutsam sein. 424
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Wichtige gesellschaftsrechtliche Dokumente sind des Weiteren solche über bedeutende Beteiligungsunternehmen nach Ziffern 7.2 und 25, Anhang I der ProspektVO1 und Angaben über Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane der Emittentin nach Ziffer 14, Anhang I der ProspektVO. Die Notwendigkeit der Angabe dieser Informationen im Prospekt spiegelt sich ebenfalls in deren Offenlegung und Überprüfung im Rahmen der Due Diligence wieder.
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Neben der im Rahmen der Financial Due Diligence zu prüfenden Finanzinformationen der Gesellschaft2, werden sodann relevante Einkaufs-, Absatz- und Wettbewerbsbedingungen des Unternehmens untersucht3. Der Umfang des Versicherungsschutzes, etwaige Altlasten bei Betriebsstätten und Grundstücken4, bedeutende gewerbliche Schutz- und Urheberrechte5 und Aktiv- sowie vor allem Passivprozesse6 werden abschließend ebenfalls routinemäßig geprüft. Bei Unternehmen des produzierenden Gewerbes werden die Betriebsstätten, Grundstücke und Betriebsanlagen sowie einzelne Umweltschutzgesetze (WHG, BImSchG etc.) und das Kartellrecht oft eine erhebliche Rolle spielen und Risiken bergen, die im Prospekt offengelegt werden müssen. Bei Dienstleistungsunternehmen liegt der Schwerpunkt i.d.R. im Bereich Kundenbeziehungen und Personalangelegenheiten. Bei Medien- und forschungsintensiven Unternehmen liegt der Fokus dagegen erfahrungsgemäß bei gewerblichen Schutzrechten, Urheberrechten und Nutzungsrechten an solchen Rechten.
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Die identifizierten finanziellen, rechtlichen und geschäftlichen Risiken werden sodann in den sog. Risikofaktoren des Prospekts hervorgehoben. Hierbei bedarf es häufig des Einfühlungsvermögens der Bank und der Anwälte, den Emittenten von der Sinnhaftigkeit deutlich dargestellter Risiken zu überzeugen.
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bb) Due Diligence bei Kapitalerhöhungen mit und ohne Umplatzierung. Die Anforderungen an eine Due Diligence bei Kapitalerhöhungen (mit und ohne Umplatzierung) bleiben jedenfalls bei etablierten Gesellschaften hinter denen eines Börsengangs vergleichbarer Unternehmen recht deutlich zurück. Darüber hinaus wird die Due Dili-
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1 Als Beteiligungsunternehmen ist ein Unternehmen anzusehen, an dem die Emittentin unmittelbar oder mittelbar Anteile hält, deren Buchwert mindestens 10 % ihres Eigenkapitals beträgt oder die mit mindestens 10 % zu ihrem Jahresergebnis beitragen. Von diesen Unternehmen werden i.d.R. (1) Firma, Sitz und Tätigkeitsbereich, (2) Höhe des gezeichneten Kapitals, und sofern das Unternehmen seine Jahresabschlüsse veröffentlicht, grundsätzlich auch Höhe der Rücklagen und der Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag des Unternehmens, (3) Höhe der Anteile des Emittenten am gezeichneten Kapital des Unternehmens und ggf. hierauf noch einzuzahlender Betrag und (4) Höhe der Erträge des letzten Geschäftsjahres aus den Anteilen an dem Unternehmen angegeben. 2 Neben den Jahresabschlüssen, nebst Lagebericht und Prüfungsbericht der Abschlussprüfer, werden u.a. die Art der Eventualverbindlichkeiten untersucht, die Offenlegung von Vereinbarungen oder die Inanspruchnahme oder Gewährung von Krediten und deren Besicherung (u.a. durch Anteilsverpfändungen, Globalzessionen, Sicherungsübereignungen, Garantien), eine Dokumentation über sonstige Finanzierungen und Angaben zu Bürgschaften, Garantieverpflichtungen oder Sicherheitsleistungen aller Art (einschließlich Patronatserklärungen) der Gesellschaft zugunsten Dritter sowie Verpflichtungen gegenüber Dritten, die wiederum für die Gesellschaft Bürgschaften, Garantien oder sonstige Sicherheiten gestellt haben. 3 Bei produzierenden Unternehmen sind hier v.a. Angaben zu etwaigen Abhängigkeiten von den größten Lieferanten und Kunden von Interesse bzw. von solchen Lieferanten oder Abnehmern, die bei bestimmten Produkten eine Quasi-Monopolstellung haben („Single Sourcing“). Daneben gehören hierher u.a. Joint-Venture-, Kooperations-, Gesellschafts- und ähnlichen Verträge, um nur einige Beispiele zu nennen. 4 Ziffer 8.2, Anhang I der ProspektVO. 5 Ziffern 6.4 und 11, Anhang I der ProspektVO. 6 Ziffer 20.8, Anhang I der ProspektVO.
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gence i.d.R. eine geringere Zeitspanne als bei einem Börsengang umfassen. Bei dem Börsengang eines Unternehmens sind die Dokumentation zur Gründung des Unternehmens und die folgenden Anteilsübertragungen von großer Bedeutung, da rechtliche Probleme in diesem Bereich besonders gravierende Auswirkungen haben können. Dagegen kann es bei einer Kapitalerhöhung – je nach Einzelfall – ausreichen, die Kapitalmaßnahmen seit dem Börsengang bzw. der letzten platzierten Kapitalerhöhung einer genaueren Überprüfung zu unterziehen1. Hier werden die beteiligten Anwälte – in Abhängigkeit vom Standing des Emittenten und dessen Rechtsabteilung – auf bereits vorangegangene Due Diligence-Prüfungen vertrauen können. Daneben werden die Qualität bereits vorhandener Daten (z.B. die Zwischenberichterstattung) und die Verlässlichkeit der bisherigen Finanzberichterstattung Anhaltspunkte für mögliche Risiken geben können. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass börsennotierte Unternehmen Umstände mit erheblichen Auswirkungen auf ihre Finanz- und Ertragslage im Wege der Ad hoc-Publizität veröffentlichen mussten, so dass der Umfang etwaiger negativer Insiderinformationen im Due Diligence-Zeitpunkt i.d.R. überschaubar sein sollte2. 70
cc) Due Diligence bei Wandelanleihen und Optionsanleihen. Bei Wandelanleihen und Optionsanleihen ergeben sich die inhaltlichen Anforderungen an den Prospekt aus Anhang I, V, IX und XIV der ProspektVO. Diese orientieren sich in erheblichem – wenn auch nicht vollem – Umfang an denjenigen einer Aktienplatzierung.
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Diese Prospektanforderungen umfassen dabei nicht nur Wertpapiere, die dem Anleger ein Umtausch- oder Bezugsrecht einräumen, d.h. vor allem Wandel- und Optionsanleihen, sondern auch solche, die dem Schuldner ein Andienungsrecht auf Aktien gewähren, d.h. die nach Wahl des Schuldners in Geld oder Aktien zurückgezahlt werden können. Zusätzlich werden auch Wandelanleihen mit Wandlungspflicht3 erfasst. Die Emission von Wandel- oder Optionsanleihen setzt angesichts der spezifischen – institutionellen – Investorengruppen einen gewissen Free Float der Aktie und ein gewisses Kapitalmarktstanding des Emittenten voraus. Angesichts des lediglich fakultativen Eigenkapitalcharakters ist der Umfang der Due Diligence als auch der Dokumentation i.d.R. deutlich geringer als bei Kapitalerhöhungen vergleichbarer Emittenten. Dabei sollte der Umfang der Due Diligence von dem Volumen des maximal wandelbaren Aktienkapitals abhängig gemacht werden, da sich hieraus in Verbindung mit dem Kreditrisiko der Anleihekomponente das Risikoprofil des Finanzierungsinstruments Wandel- bzw. Optionsanleihe ergibt. In der Praxis ist zu beobachten, dass hinsichtlich des Dokumentations- und Due Diligence-Aufwands eher nach der Zugehörigkeit zu bestimmten Marktsegmenten4 bzw. Indizes5 differenziert wird, als nach dem Rating des Anleiheemittenten. Dies ist unter Risikogesichtspunkten schwer zu rechtfertigen und dürfte als eine der zur Zeit noch existierenden Marktineffizienzen anzusehen sein. Es gehört jedoch gerade zur Qualität des die Transaktion begleitenden Konsortialführers und der involvierten Anwälte, anhand einer Analyse des jeweiligen Finanzierungsinstruments, etwaiger Besonderheiten in den Anleihebedin-
1 Zu den Auswirkungen mangelbehafteter und nichtiger Kapitalerhöhungen auf die Wirksamkeit nachfolgender Kapitalerhöhungen vgl. Trendelenburg, NZG 2003, 860 ff. 2 § 15 Abs. 1 WpHG; hinsichtlich etwaiger negativer Meldungen zur Finanzlage sollte die Neuregelung zu einer graduellen Vorverlagerung im Sinne von Trendmeldungen und ggf. sog. Profit Warnings führen. Bei Kapitalerhöhungen und Umplatzierungen kommt daher der Entwicklung im letzten Quartal vor der Platzierung sowie der Überprüfung der Prognose(qualität) für das laufende Geschäftsjahr entscheidende Bedeutung zu. 3 Vgl. dazu statt vieler Groß in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2001, Rz. IX 399. 4 Siehe dazu oben § 7 Rz. 41 ff. 5 DAX-, M-DAX-, Tec-DAX- oder S-DAX-Zugehörigkeit.
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gungen1, etwa vorhandener Ratings, des vorhandenen Dokumentationsmaterials aufgrund jüngerer oder älterer Wertpapierprospekte etc. den angemessenen Umfang der Due Diligence zu bestimmen. dd) Due Diligence bei Umtauschanleihen. Im Unterschied zu Options- und Wandelanleihen sind bei Umtauschanleihen Emittent der Anleihe und das sog. „Underlying“ verschiedene Unternehmen. Am Ende der Laufzeit kann also nicht in Aktien des Emittenten der Anleihe gewandelt werden, sondern in Aktien eines anderen Unternehmens. Wegen der Besonderheiten der Struktur verlangt jedoch Ziffer 4.2, Anhang XII der ProspektVO neben den Angaben über den Emittenten der Anleihe auch gewisse Angaben über das Underlying.
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Der Anleiheemittent hat zwar Informationen über die Gesellschaft, mit deren Aktien die Anleihe zurückgezahlt werden kann, gemäß Art. 17 der ProspektVO offenzulegen; sofern es sich hierbei nicht um eine Konzerngesellschaft und/oder eine beherrschte Gesellschaft handelt, hat der Emittent rechtlich jedoch keinen Zugriff auf besondere Daten bezüglich der Risiko- bzw. Finanzlage der anderen Gesellschaft. Insbesondere hat der Anleiheemittent in aller Regel2 keine Möglichkeit, eine Due Diligence bei dieser Gesellschaft allein aufgrund der beabsichtigten Emission einer Umtauschanleihe durchzuführen. Der Anleiheemittent ist für die Prospekterstellung also auf die Verwendung öffentlich zugänglicher Unterlagen beschränkt. Im Verhältnis zu Umfang und Detailgenauigkeit der Unternehmens- und Risikobeschreibung des Anleiheemittenten ist daher das Risiko fehlerhafter und vor allen Dingen fehlender wichtiger Informationen über das Underlying vergleichsweise groß. Daher kommen bei Umtauschanleihen entsprechenden Hinweisen im Prospekt auf die beschränkte Aussagekraft sowie die Beschränkung auf öffentliche Informationen erhebliche Bedeutung zu3.
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ee) Due Diligence bei großvolumigen Anleihen in Abhängigkeit von einem erteilten externen Rating. Bei großvolumigen Anleihen ist sowohl der Fokus bei der Erstellung der Dokumentation als auch die Interessenlage der Investoren eine grundsätzlich andere als bei Kapitalerhöhungen. Bei Börsengängen und Kapitalerhöhungen muss der prospektive Anleger durch den Prospekt in die Lage versetzt werden, das gesamte unternehmerische Risiko zutreffend einschätzen zu können, weil er in Höhe seines Investments dieses unternehmerische Risiko in Form der zu erwartenden erheblichen Volatilität mitträgt. Daneben trägt der Investor das Insolvenzrisiko der Gesellschaft. Im Grundsatz ist er daher an einer umfassenden Risikoeinschätzung interessiert, die sich nicht nur auf Einzelaspekte beschränken kann. Bei Debt-Instrumenten müssen die Investoren dagegen lediglich eine Prognose darüber treffen, ob während der Laufzeit der Anleihe die versprochenen Zahlungen erfolgen und am Ende der Laufzeit die Tilgung vorgenommen werden kann. Die Investoren sind daher in erster Linie an dem (zukünftigen) Cash Flow der Gesellschaft interessiert und analysieren diejenigen Risiken, die die zukünftige Fähigkeit zum Tilgungsdienst ein1 So z.B. eines Pflichtwandlungsrechts des Emittenten als risikoerhöhendem Merkmal. 2 Gewisse Ausnahmen bestehen bei Holdinggesellschaften, die über die Emission von Umtauschanleihen die Beteiligung an einer ebenfalls börsennotierten Tochtergesellschaft reduzieren wollen. 3 Bei Umtauschanleihen stimmt die BaFin einem entsprechend deutlichen Hinweis in aller Regel zu. Typischerweise werden Umtauschanleihen von großen DAX-Unternehmen begeben, die auf diese Weise am Ende der Laufzeit den Bestand eines Portfolio-Unternehmens reduzieren wollen, so z.B. frühere Umtauschanleihen der Deutsche Bank AG auf Aktien der vormaligen Daimler Benz AG und der Allianz AG auf Aktien der Münchener Rück AG, E.ON AG und BASF AG.
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schränken könnten. Dieses spezifische Interesse beeinflusst wiederum Tiefe und Umfang der Due Diligence. Da sowohl das begleitende Bankenkonsortium als auch die Investoren durch die externen Ratingagenturen eine statistisch relativ verlässliche Aussage über die Wahrscheinlichkeit des zukünftigen Tilgungsdienstes erhalten, ist der Umfang der Due Diligence zu einem großen Teil von der Ratingeinstufung abhängig. 76
Hinsichtlich des Umfangs der Due Diligence ist gerade bei großvolumigen Anleihen im deutschen Markt noch eine große Abstufung zwischen sog. Investment-Gradeund Non-Investment-Grade-Anleihen zu beobachten. Während bei Anleihen im Investment-Grade-Bereich zwischen AAA und BBB in der Regel lediglich eine knappe gesellschaftsrechtliche Due Diligence sowie diverse Management-Gespräche zu jüngsten Entwicklungen und Risiken seit dem letzten sowie dem kommenden Zwischenbericht durchgeführt werden, wird bei Emittenten sog. High Yield Bonds1 in der Regel eine Due Diligence auf dem Niveau einer umfangreichen Kapitalerhöhung mit Umplatzierungskomponente durchgeführt. Der erhebliche Unterschied im Dokumentationsumfang sowie der Due Diligence-Tiefe ist allein durch das sog. „Rating Cliff“ zwischen BBB- und BB+ nicht zu erklären. Hier haben sich vielmehr getrennte Marktsegmente mit unterschiedlich risikofreudigen Investorengruppen gebildet. Da gerade der Markt für sog. High Yield Bonds auf der Nachfrageseite von einer überschaubaren Anzahl spezialisierter Fonds und Investoren dominiert wird, werden die Anforderungen an die potentiellen Emittenten vergleichsweise hoch geschraubt. Es bleibt abzuwarten, ob der Ausfall großvolumiger Anleihen ehemaliger Investment-Grade-Emittenten2 zu erhöhten Due Diligence-Anforderungen auch bei Investment-Grade-Anleihen führen wird. Da High Yield-Anleihen aufgrund ihrer vergleichsweise geringeren Bonität relativ risikoreich sind, sind die Anleger gegenüber weiteren, dieses Risiko noch erhöhenden Faktoren besonders zurückhaltend. Daraus resultieren z.B. folgende typische Due Diligence-Themen: – Negative Pledge- und Pari Passu-Klauseln in anderen Finanzierungsverträgen3; – Cash Pooling-Verträge im Konzern; – Ausgestaltung der Kündigungsrechte einzelner Gesellschaften; Saldenausgleich auf täglicher Basis; – Auskaufverpflichtungen anderer Gesellschafter bei Tochtergesellschaften (Put-Optionen).
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Um die künftige Tilgungsfähigkeit der High Yield-Emittenten sicherzustellen, wird in umfangreichen sog. Covenants versucht, das wesentliche Vermögen sowie den künftigen Cash Flow zur Schuldentilgung für die Anleihegläubiger zu erhalten. Durch „gleitende“ oder „atmende“ Covenants wird darüber hinaus sichergestellt, dass die Gesellschaft einerseits die Fähigkeit zu künftigem Wachstum behält, auf der anderen Seite jedoch die Fähigkeit zu künftiger gleichrangiger oder gar vorrangiger Verschuldung in Abhängigkeit vom künftigen Cash Flow – u.U. erheblich – eingeschränkt wird4. Die
1 Dies sind Anleihen von Emittenten mit einem Rating von BB+ (Standard & Poor’s und Fitch) bzw. Ba1 (Moody’s) und schlechter. 2 Zu denken ist etwa an die Anleihen der Swissair (ehemaliges Rating BBB) und der Flowtex, die ebenfalls im Zeitpunkt ihrer beabsichtigten Ausgabe mit BBB geratet worden war. 3 Eine Negative Pledge-Klausel legt fest, dass andere Verpflichtungen des Emittenten nicht (ohne Zustimmung) besichert werden dürfen. Eine Pari Passu-Klausel bestimmt, dass alle ungesicherten Verpflichtungen den gleichen Rang haben. 4 Dies geschieht mittels sog. in Umfang und Nutzungsmöglichkeit jeweils exakt vordefinierter „baskets“.
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Due Diligence dient in diesem Zusammenhang zur Identifizierung bestehender und künftiger Risiken für die Tilgungsfähigkeit des Unternehmens. Umfang und Tiefe der Due Diligence sind daher bei High Yield Bonds schwächerer Emittenten1 mit denen von Aktienplatzierungen vergleichbar, während sich bei Anleihen von Schuldnern mit Investment-Grade-Qualität bisher keine Due Diligence mit vertiefter dokumentärer Qualität durchgesetzt hat. Es wird abzuwarten sein, ob jüngste Bestrebungen großer Investmentfonds zur Erhöhung des Dokumentationsstandards auch bei Anleiheplatzierungen im Investment-Grade-Segment von Erfolg gekrönt sein werden. ff) Verzicht auf Due Diligence bzw. Begrenzung der Due Diligence aufgrund einer Exkulpationsfunktion externer Ratings? Aufgrund des skizzierten Zusammenhangs zwischen dem Rating von Emittenten und dem Dokumentationsstandard der von diesen begebenen Anleihen bzw. der vor einer Anleihebegebung durchgeführten Due Diligence stellt sich die Frage, inwieweit sich die begleitenden Konsortialbanken für die Bestimmung ihres Due Diligence-Aufwands auf die externen Ratings stützen können. Konkret stellt sich die Frage, ob sich die Emissionsbanken hinsichtlich einer etwaigen Nachforschungspflicht2 im Rahmen der § 44, 45 BörsG bzw. § 13 VerkProspG3 auf vorhandene externe Ratings renommierter Ratingagenturen stützen dürfen.
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Es ist anerkannt, dass das Kapitalmarktstanding bei der Bestimmung einer etwaigen Nachforschungspflicht für das begleitende Bankenkonsortium eine erhebliche Bedeutung hat. Nicht nur eigene Vorkenntnisse aufgrund etwa einer Hausbankfunktion, sondern auch frühere Kapitalerhöhungen und Anleihebegebungen sowie der Ruf und eben auch das Rating eines Unternehmens haben entscheidenden Einfluss für die ex ante-Bestimmung des Umfangs der Due Diligence vor einer beabsichtigten Kapitalmarktplatzierung. Da sich Ratingagenturen bei der Erstellung ihres Ratings, anders als begleitende Konsortialbanken, jedoch nicht zwangsläufig auf vertrauliche Informationen der betreffenden Emittenten stützen können, ist es jedenfalls fraglich, welcher Stellenwert einem externen Rating im Hinblick auf die Exkulpation der Banken beigemessen werden kann. Das Investment-Grade-Rating einer renommierten Ratingagentur und erst recht ein übereinstimmendes Rating zweier oder dreier Ratingagenturen hat jedenfalls eine wichtige Indizfunktion bei der Entscheidung des Senior Managements der Konsortialbanken für die Bestimmung des maßgeblichen Due Diligence-Umfangs4.
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Sind sowohl Ertragslage als auch Verschuldungsgrad und Eigenkapitalquote in einem als solide zu erachtenden Bereich und wird dies durch externe Ratings mit einem entsprechenden Investment-Grade-Rating unterstützt, werden sich die Banken auf eine Plausibilitätsprüfung der Planungen, Prüfung der Berichte des Abschlussprüfers, eine Diskussion des aktuellen Geschäftsverlaufs sowie der Geschäftsrisiken der prospektiven Emittentin beschränken können. Die Dichotomie und damit die irrationale Nähe des sog. Investment-Grade-Bereichs und des Non-Investment-Grade-Bereichs
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1 Rating im Bereich B bzw. BB- bzw. B2 bis Ba3. 2 Zur Bedeutung der Nachforschungspflicht bei der börsengesetzlichen Prospekthaftung vgl. allgemein Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 47 ff. und Groß, Kapitalmarktrecht, § 44, 45 BörsG Rz. 80. 3 Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 47 ff.; Groß, Kapitalmarktrecht, § 44, 45 BörsG Rz. 80; und grundlegend früher bereits Schwark, ZGR 1983, 162, 172 ff. 4 Umfassend zur Bedeutung der wirtschaftlichen Funktion sowie zur generellen Prognosequalität externer Ratings Krämer, Bankrechtstag 2004 „Internes und externes Rating Aktuelle Entwicklungen im Recht der Kreditsicherheiten – national und international“, Aktuelle Rechtsfragen des externen Ratings, S. 3 ff. und Habersack, ZHR 169 (2005), 185 ff.
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zwischen BBB- und BB+ zeigt jedoch, dass sich hier jede schablonenhafte Wertung verbietet. Wichtig ist vielmehr, aufgrund einer Analyse der wesentlichen finanziellen und rechtlichen Risiken Art und Umfang der Nachforschungen individuell zu bestimmen. In der Praxis liegt der Due Diligence-Umfang bei Anleiheemittenten mit schlechterer Bonität ebenso wie bei Kapitalerhöhungen und Börsengängen im Durchschnitt deutlich über den rechtlich von § 45 BörsG geforderten Maßstäben, während er bei Anleiheschuldnern mit „gerade noch“ Investmentqualität (BBB/BBB-) nicht selten eher an der Untergrenze des rechtlich und vor allem wirtschaftlich Geforderten liegen wird1. 4. Due Diligence und Gewährleistungsrecht a) Informations- und Aufklärungspflichten beim Unternehmenskauf nach der neueren Rechtsprechung 82
Nach dem alten, bis zum 31.12.2002 geltenden Schuldrecht löste die Nichterfüllung von Informations- und Aufklärungspflichten durch den Verkäufer bei einem Unternehmenskauf nach der Rechtsprechung Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo aus. Das Ausmaß der zu erfüllenden Informations- und Aufklärungspflichten wurde vom BGH tendenziell immer weiter gefasst. Ganz besonders hohe Anforderungen stellten zwei Urteile des BGH2 aus dem Jahre 2001, die noch zum alten Schuldrecht ergangen sind. Beide Urteile betrafen Unternehmenskäufe3, bei denen der jeweilige Käufer Schadensersatzansprüche wegen verletzter Informations- bzw. Aufklärungspflichten geltend machte. In seiner Entscheidung vom 4.4.20014 geht der BGH beim Unternehmenskauf von der Prämisse aus, dass sich der Käufer im Hinblick auf den für den Kaufpreis im Regelfall erheblichen Ertragswert nur anhand der Bilanzen, der laufenden betriebswirtschaftlichen Auswertungen, sonstiger Buchführungsunterlagen und ergänzender Auskünfte des Verkäufers ein Bild machen kann. Diese dem Verkäufer bekannte Erschwerung der Bewertung des Kaufobjektes durch einen außenstehenden Dritten, die – so zumindest die Ansicht des BGH – auch durch dessen möglicherweise vorhandene Sachkunde nicht ausgeglichen wird, seine besondere Abhängigkeit von der Vollständigkeit und Richtigkeit der ihm erteilten Informationen (vor allem zur Umsatz- und Ertragslage des Unternehmens) sowie die regelmäßig weitreichenden wirtschaftlichen Folgen der Kaufentscheidung sollen es rechtfertigen, dem Verkäufer eine gesteigerte Aufklärungspflicht aufzuerlegen und an die hierbei anzuwendende Sorgfalt einen strengen Maßstab anzulegen. Von diesem Grundsatz geht auch die Entscheidung des BGH vom 28.11.20015 aus. Zwar sah der Senat wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles eine reduzierte Aufklärungspflicht, bestätigte aber den von ihm im Urteil vom 4.4.2001 niedergelegten Grundsatz.
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Die genauen Auswirkungen des seit dem 1.1.2002 geltende Schuldrechts auf die Informations- und Aufklärungspflichten des Verkäufers sind obergerichtlich bislang nicht 1 Hierfür ist im Anleihebereich mitunter schlicht die Wettbewerbssituation ausschlaggebend, weil bei geringen Margen bzw. Provisionen die Kosten einer intensiveren Due Diligence überproportional zu Buche schlagen. Bei der Analyse des rechtlich notwendigen Due DiligenceUmfangs sollte gerade bei „reinen“ Anleiheemittenten stärker darauf geachtet werden, wie lange die Prüfung des letzten Jahresabschlusses zurückliegt. 2 BGH v. 4.4.2001 – VIII ZR 32/00, NJW 2001, 2163 und BGH v. 28.11.2001 – VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042. 3 Zum Begriff des Unternehmenskaufs siehe BGH v. 28.11.2001 – VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042, 1043 m.w.N. 4 BGH v. 4.4.2001 – VIII ZR 32/00, NJW 2001, 2163. 5 BGH v. 28.11.2001 – VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042, 1043.
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abschließend entschieden worden1. Ein Teil der Umstände, die nach dem alten Schuldrecht zur Haftung aus culpa in contrahendo führten, dürften nun dem Sachmängelgewährleistungsrecht nach § 434 Abs. 1 BGB bzw. dem Rechtsmängelgewährleistungsrecht gemäß § 435 BGB unterfallen2. Die Haftung nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (vgl. § 311 Abs. 2 BGB) für solche Umstände, die sich nicht direkt auf das Unternehmen beziehen, kommt allerdings weiterhin in Betracht3. Jedenfalls indirekt werden die vom BGH früher herausgearbeiteten Aufklärungs- und Informationspflichten über § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB von Bedeutung bleiben: In Bezug auf solche Umstände, für die der BGH Aufklärungs- bzw. Informationspflichten angenommen hat, dürfte dem Käufer nur schwerlich vorzuwerfen sein, dass ihm diese aufgrund grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben seien. b) Due Diligence als (Sorgfalts-)Pflicht der emissionsbegleitenden Banken bzw. des Käufers bei Unternehmensübernahmen Eine generelle Pflicht oder Obliegenheit des Erwerbers eines Unternehmens, eine Due Diligence vor Abschluss des Unternehmenskaufvertrages durchzuführen, besteht nach geltendem Recht nicht4.
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Im Rahmen von § 460 Satz 2 BGB a.F. (siehe nun § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.) wurden allerdings drei Fallgruppen herausgebildet, gemäß denen der Käufer eine Untersuchungsobliegenheit hatte. Neben der besonderen Sachkunde des Käufers (1. Fallgruppe) oder der konkreten Warnung vor Mängeln (2. Fallgruppe) legt das Bestehen einer Verkehrssitte (3. Fallgruppe) die Annahme eines Gewährleistungsausschlusses nach § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB nahe. Während die ersten zwei Fallgruppen unabhängig von einer Due Diligence-Prüfung vorliegen können, ist daran zu denken, dass – jedenfalls bei Unternehmenskäufen – eine Verkehrssitte dahingehend bestehen könnte, dass eine Due Diligence-Prüfung durchgeführt wird. Dies ist allerdings aus zwei Gründen abzulehnen: Zum einen besteht keine bestimmte, genau umrissene Form der Due Diligence-Prüfung; zum anderen bestehen nach dem Aktiengesetz und dem Wertpapierhandelsgesetz zahlreiche Einschränkungen für die Durchführung einer Due Diligence-Prüfung, die sich nur schwerlich mit einer Qualifikation der Due Diligence als Verkehrssitte vereinbaren lassen5. Somit kann die Nichtdurchführung einer Due Diligence dem Käufer nicht schon im Rahmen des § 442 Abs. 1 Satz 2 entgegengehalten werden.
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Bestehende Informations- und Aufklärungspflichten kann der Verkäufer auch nicht durch die Gestattung einer Due Diligence-Prüfung erfüllen. Insofern besteht auch keine Pflicht des Käufers bei Unternehmensübernahmen, eine Due Diligence durch-
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1 Die Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Gewährleistungsrecht zu Schadensersatzansprüchen aus c.i.c. wurden vom BGH ausdrücklich offen gelassen im Urteil v. 17.1.2008 – III ZR 224/06 (OLG Jena), NJW-RR 2008, 564. 2 Die Begründung des Gesetzentwurfs zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (BT-Drucks. 14/6040, S. 242) geht jedoch hinsichtlich des Unternehmenskaufs und speziell im Hinblick auf unzutreffende Angaben zu Umsatz oder Ertrag des verkauften Unternehmens vom Vorrang der Sachmängelhaftung nach neuem Recht gegenüber der c.i.c.-Haftung aus. 3 A.A. Wolf/Kaiser, DB 2002, 411, 416; demgegenüber sehen Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 533, die Verletzung von Aufklärungspflichten als einen weiter bestehenden Anwendungsbereich der culpa in contrahendo, also § 311 Abs. 2 BGB n.F., beim Unternehmenskauf. 4 Eggenberger, S. 262; Nägele in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 27 Rz. 2 ff. 5 Vgl. oben bei Rz. 13 ff. und ausführlich dazu Eggenberger, S. 247 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen; siehe auch Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 845 ff.
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zuführen. Insbesondere kann dem Käufer auch nicht entgegengehalten werden, dass er die Due Diligence-Prüfung unsorgfältig durchgeführt oder nur auf Teilbereiche beschränkt habe1. 87
Auch wenn die Aufklärungspflichten des Verkäufers nicht schon durch die Gestattung einer Due Diligence erfüllt werden, so dürfte sich deren Gestattung durch den Verkäufer im Streitfall in Bezug auf die Darlegungs- und Beweislast jedenfalls zu seinen Gunsten auswirken2. c) Wechselwirkungen zwischen der Intensität der Due Diligence und der Vertragsgestaltung
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Eine fachgerecht durchgeführte Due Diligence-Prüfung bereitet stets auch die konkrete Ausgestaltung des Unternehmenskaufvertrages bzw. der Gewährleistungen des Aktienkaufvertrages vor. Dabei bildet sie insbesondere die Entscheidungsgrundlage für die im Vertrag vereinbarten Gewährleistungen und Garantien3.
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Hat der Verkäufer dem Käufer bzw. – naturgemäß seltener – der Emittent den Banken nur eine eingeschränkte Due Diligence gestattet bzw. wurde eine solche aufgrund der konkreten Transaktion vereinbart, so muss dies in der vertraglichen Ausgestaltung berücksichtigt werden. In diesen Fällen werden auch alle diejenigen Umstände garantiert, über die in nur eingeschränktem Umfang eine Due Diligence durchgeführt worden ist. 5. Dokumentationsaspekte bei der Due Diligence a) Disclaimer hinsichtlich des Umfangs, der Intensität der Prüfung und der Weitergabe der Untersuchungsergebnisse im Rahmen eines Due Diligence-Berichts
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Steht bei einer M&A-Transaktion fest, dass ein Due Diligence Report erstellt werden soll, stellt sich die Frage nach dessen Ausgestaltung. Dabei ist zunächst zu klären, in welcher Form und in welchem Umfang die Ergebnisse der Due Diligence Prüfung dem Adressaten zur Verfügung gestellt werden sollen4. Unabhängig davon, auf welchen Report-Typus man sich einigt, sollte ein Abschnitt in einem professionell ausgestalteten Due Diligence Bericht nie fehlen: der so genannte „Disclaimer“ (Haftungsausschluss). Er findet sich in aller Regel in einem unmittelbar auf das Inhaltsverzeichnis folgenden ersten Abschnitt des Reports unter der Überschrift „Einleitung“5.
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Sinn und Zweck dieser Einleitung ist es, den Umfang und die Intensität der Due Diligence-Prüfung niederzulegen, um dadurch zugleich die Grenzen der Haftung des Autors des Reports aufzuzeigen. Nach einer kurzen Beschreibung der geplanten Transaktion ist in der Regel darauf einzugehen, welche Dokumente und sonstigen Informationen die Tatsachenbasis für die Due Diligence-Prüfung bildeten und in welcher Weise („realer“ oder „virtueller“ Datenraum, Kopien, Management Interviews etc.) 1 2 3 4
So schon Eggenberger, S. 277 ff. Vgl. BGH v. 28.11.2001 – VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042, 1044. Vgl. Eggenberger, S. 59 m.w.N. Vgl. Fabritius/Weiss in Hopt, Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts-, Bankund Transportrecht, 3. Aufl. 2005, Form. B.1. Anm. 5: fokussierte Problemübersicht vs. breite deskriptive Darstellung in einem ausführlichen Bericht. 5 Vgl. zum Aufbau eines typischen Due Diligence Reports etwa Dietzel in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, S. 380 f., Rz. 162 ff.
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sowie für welchen Zeitraum diese Informationen zur Verfügung standen. Bereits daraus ergibt sich eine erste Indikation für den Umfang der Haftung des Beraters1. Weiter empfiehlt sich stets eine Aussage dazu, unter welchen Gesichtspunkten bestimmte Dokumente gegebenenfalls nicht geprüft wurden2. Bei einer Legal Due Diligence wird man etwa darauf hinweisen, dass eine Commercial, Financial, Tax oder Technical Due Diligence Prüfung gerade nicht (durch den Verfasser) stattgefunden hat3. Außerdem sollte in einem Disclaimer stets dazu Stellung genommen werden, ob nur Fragen des deutschen Rechts geprüft oder ob – und gegebenenfalls welche – weiteren Rechtsordnungen einbezogen worden sind. Zudem empfiehlt sich ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass der Due Diligence Report nicht von der Notwendigkeit befreit, etwaige Haftungsrisiken in der weiteren Transaktionsdokumentation adäquat zu spiegeln, also etwa im Falle eines Unternehmenskaufvertrages angemessene Garantie- und Freistellungsregelungen vorzusehen. Diesen Kernaussagen eines Disclaimers können dann weitere Hinweise folgen, etwa dahingehend, dass bei der Prüfung davon ausgegangen wurde, dass die regelmäßig lediglich in Kopie zur Verfügung gestellten Dokumente die Originale vollständig und zutreffend wiedergeben. Ein zentraler Inhalt eines sachgerechten Disclaimers, mit dem dieser in der Regel abschließt, ist eine klare Aussage bezüglich des Adressaten des Due Diligence Reports und zu seiner Weitergabe an Dritte. Im Regelfall wird deutlich darauf hingewiesen, dass der Report ausschließlich für den Adressaten und nach dessen Bedürfnissen und Wünschen erstellt wurde. Dritten dagegen darf der Report meist nicht ohne vorherige Zustimmung der Autoren zugänglich gemacht werden und jene Dritte dürfen in der Konsequenz auf den Inhalt des Reports auch nicht vertrauen4. Mittlerweile ist es allerdings auch in der deutschen Unternehmensrechtspraxis aus verschiedenen Gründen nicht mehr selten, dass eine Weitergabe eines Due Diligence Reports an Dritte ausdrücklich zugelassen wird. Dritter kann dabei beispielsweise eine finanzierende Bank oder ein Dritterwerber, aber auch der oder die Käufer im Falle eines ursprünglich für den Verkäufer erstellten so genannten Vendor Due Diligence Reports (insbesondere im Auktionsverfahren) sein5. Falls die Beteiligten eine solche Weitergabe an Dritte, die in jedem Einzelfall stets sorgfältig in ihren Auswirkungen auf den Transaktionsprozess und die Haftungslage zu prüfen ist, befürworten, wird als Disclaimer allerdings regelmäßig ein den Report begleitendes separates Schreiben,
1 Vgl. etwa Picot in Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, 3. Aufl. 2004, S. 143 f.; Triebel in Triebel, Mergers & Acquisitions, 2004, S. 137 f., Rz. 381 sowie Müller, NJW 2004, 2196, 2198, die einen Ausschluss der Haftung des Verkäufers nach § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB aufgrund grob fahrlässiger Unkenntnis eines Mangels seitens des Käufers wegen einer unsorgfältig oder unvollständig durchgeführten Due Diligence im Hinblick auf den regelmäßig hohen Zeitdruck und die typischen Umstände eines solchen Prozesses zurecht kritisch kommentieren. Zur Auswirkung einer Due Diligence auf das Haftungssystem insgesamt, vgl. bereits oben Rz. 85 sowie Fabritius/Weiss in Hopt, Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts-, Bank- und Transportrecht, 3. Aufl. 2005, Form. B.1. Anm. 3. 2 Vgl. Dietzel in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, S. 380, Rz. 163. 3 Zu den vielfältigen Bereichen einer Due Diligence vgl. oben Rz. 4 ff. sowie Fabritius/Weiss in Hopt, Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts-, Bank- und Transportrecht, 3. Aufl. 2005, Form. B.1. Anm. 1 mit weiteren Nachweisen. 4 Vgl. die Empfehlung bei Dietzel in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, Band 1, S. 380, Rz. 163. 5 Vgl. zu Letzterem Weiss, M&A Review 2004, 164 ff.; Weiss, International Business Lawyer 2004, 205 ff.
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ein so genannter Reliance Letter, verfasst1. Ein solcher Reliance Letter regelt detailliert den Umfang der Haftung für die Ergebnisse des Due Diligence Reports. Er schränkt diese im Vergleich zur Haftung gegenüber dem ursprünglichen Adressaten des Reports zumeist (nochmals) substanziell ein. Dies wird schon deshalb erforderlich sein, weil die Ziele und Interessen des Dritten selten identisch sind mit denen des eigentlichen Adressaten, für dessen Zwecke der Report ursprünglich erstellt wurde. b) Auswirkungen eines Due Diligence Reports auf andere transaktionsbegleitende Dokumente 93
Wird bei Kapitalmarkttransaktionen ausnahmsweise ein Due Diligence Report erstellt, so hat dies Auswirkungen auf die Formulierung transaktionsbegleitender Dokumente, und hier insbesondere Legal Opinions und Disclosure Opinions.
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Hat nämlich die konsortialführende Bank aufgrund besonderer Umstände auf der Anfertigung eines Due Diligence Reports bei einer Kapitalmarkttransaktion bestanden, so werden die begleitenden Anwälte in der Legal Opinion bzw. der Disclosure Opinion auf die Existenz dieses Due Diligence Reports und einige spezifische dort aufgeführte rechtliche Probleme hinweisen. Da die „Aufgreifschwelle“ in einem unter Umständen 100seitigen Due Diligence Report erheblich niedriger ist und auch eine gutachterliche Prüfung zumindest der entscheidungserheblichen Rechtsfragen umfasst, kann der die Legal Opinion erstellende Anwalt es in der Regel nicht bei den dort zumeist typisierten und begrenzten Aussagen belassen (vgl. zu diesen Aussagen unten Rz. 117 ff. c) Die Notwendigkeit aktualisierender Dokumente
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aa) Vollständigkeitserklärung des Vorstands am Tage der Veröffentlichung des Prospekts. Um die Bedeutung der Prospektaussagen jedem einzelnen Vorstandsmitglied vor Augen zu führen und aufgrund der Tatsache, dass zumindest bei großen börsennotierten Gesellschaften zumeist lediglich der Rechts- und/oder Finanzvorstand in die Prospekterstellung näher eingebunden ist2, ist die Vorlage einer Vollständigkeitserklärung zum Tag der Veröffentlichung des Prospekts sinnvoll. Die Gesellschaft gibt durch ihren Vorstand zwar im Aktienübernahmevertrag bzw. im Anleihekaufvertrag wesentlich umfangreichere Zusicherungen und Gewährleistungen ab; durch die nochmalige zusammenfassende Wiederholung der wesentlichsten Zusicherungen auf zumeist nur einer Seite wird den Vorstandsmitgliedern jedoch noch einmal die Bedeutung der Prospektaussagen – gleichsam deklaratorisch – vor Augen geführt. Es ist deshalb in den letzten Jahren zu beobachten, dass nicht nur Wirtschaftsprüfer vor Abgabe ihres Comfort Letters, sondern auch führende Anwaltskanzleien vor der Abgabe ihrer Disclosure Opinion auf der Unterzeichnung entsprechender Vollständigkeitserklärungen bestehen. Diese Vollständigkeitserklärung wird sodann zum Tage des Aktienerwerbs (bei Umplatzierung) sowie der Zeichnung (bei Kapitalerhöhungen) durch das Bankenkonsortium sowie zum Closing wiederholt. 1 Vgl. dazu und zum Folgenden Weiss, M&A Review 2004, 164, 166; Weiss, International Business Lawyer 2004, 205 ff. Zur Haftung von Anwälten gegenüber Dritten allgemein vgl. etwa Hannes Schneider, ZHR 163 (1999), 246 ff.; Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht: Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und Notare im Vergleich, 2002, S. 96 ff.; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 2. Aufl. 2003, S. 53 ff., Rz. 88 ff. 2 Bei den Prospektabschnitten Strategie, Wettbewerbsumfeld und Risikofaktoren sollten allerdings die Banken und die begleitenden Anwälte darauf drängen, dass auch der Vorstandsvorsitzende die Prospektentwürfe kritisch liest und kommentiert.
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bb) Dokumentation von Bring Down Due Diligence Calls/Fragelisten. Um die Aktualität des Prospektes zu gewährleisten und ihrer Nachforschungspflicht umfassend Genüge zu tun, setzen die Konsortialführer sowohl bei Anleihe- als auch Aktienemissionen vor dem Tag des Angebots bzw. vor dem Closing der Transaktion so genannte BringDown-Calls an. Je nach Lage der Gesellschaft und der während der Due Diligence zutage getretenen wirtschaftlichen Themen und Rechtsprobleme werden entweder vor diesen Bring-Down-Calls umfangreiche Fragelisten zur Vorbereitung der zu befragenden Vorstandsmitglieder versandt oder aber lediglich allgemein nach neuesten prospektrelevanten Entwicklungen hinsichtlich der Entwicklung des Umsatzes sowie der Finanz- und Ertragslage und etwaiger Rechtsstreitigkeiten gefragt.
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Die Aussagen der Gesellschaft zu diesen Fragen werden sodann dokumentiert, so dass die begleitenden Banken die Einhaltung ihrer Sorgfaltspflicht im Falle negativer Unternehmensmeldungen in zeitlicher Nähe der Anleihe- oder Aktienplatzierung nachweisen können.
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II. Legal Opinions Schrifttum: Adolff, Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit deutscher Anwälte bei der Abgabe von Third Party Legal Opinions, 1997; Bosch, Expertenhaftung gegenüber Dritten – Überlegungen aus der Sicht der Bankpraxis, ZHR 163 (1999), 274; Biegel, Unrichtige „Legal Opinion“ des Unternehmensjuristen – Ein Fall persönlicher Haftung?, BB 2004, 1457; Bosch, Expertenhaftung gegenüber Dritten – Überlegungen aus der Sicht der Bankpraxis, ZHR 163 (1999), 274; Canaris, Die Reichweite der Expertenhaftung gegenüber Dritten, ZHR 163 (1999), 206; Graf von Bernstorff, Die Bedeutung der Legal Opinion in der Außenhandelsfinanzierung, RIW 1988, 680; Gruson, Persönliche Haftung deutscher Unternehmensjuristen für die Richtigkeit einer legal opinion nach US-amerikanischem Recht, RIW 2002, 596; Gruson/Hutter, Acquisition of Shares in a Foreign Country, 1993; Gruson/Hutter/Kutschera, Legal Opinions in International Transactions, 4. Aufl. 2003; Hamacher, Bericht über die 5. Jahrestagung 1998 der Arbeitsgemeinschaft der Syndikusanwälte, AnwBl. 1999, 96; Harrer in Beck’sches Handbuch der AG, 2004, § 23; Jander/De Mesnil de Rochemont, Die Legal Opinion im Rechtsverkehr mit den USA, RIW 1976, 332; Louven, Die Haftung des deutschen Rechtsanwalts im internationalen Mandat, VersR 1997, 1050; H. Schneider, Die Haftung der Unterzeichner von Inhouse Opinions – Aus Sicht des deutschen Rechts. Vortrag vom 12. Februar 2001, Westdeutsche Landesbank, Niederlassung Frankfurt, Vortragsmanuskript; H. Schneider, Die Reichweite der Expertenhaftung gegenüber Dritten, ZHR 163 (1999), 246; Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, Legal Opinion und Disclosure Opinion, § 29.
1. Überblick: Begriff und Funktion Bei einer Legal Opinion handelt es sich um eine rechtliche Stellungnahme zu ausgewählten Aspekten eines Vertragswerks oder einer Transaktion, die dem Bedürfnis der Parteien nach Absicherung gegen juristische Risiken in einem komplexen (internationalen) Geschäft Rechnung tragen soll. Vor Vertragsschluss bzw. vor Abschluss der Transaktion soll feststehen, dass die Erklärungen der Parteien wirksame und durchsetzbare Forderungen begründen bzw. dass bestimmte geprüfte rechtliche Umstände oder Rechtsfolgen bestätigt werden können1.
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Legal Opinions haben ihren Ursprung im Common Law und dort insbesondere im US-amerikanischen Kontext2. Gerade in den letzten Jahren sind Legal Opinions
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1 Vgl. zu Begriff und Bedeutung auch Graf von Bernstorff, RIW 1988, 680 ff. Jüngst Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 2. 2 Zum Hintergrund auch Jander/De Mesnil de Rochemont, RIW 1976, 332 ff.
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aber nicht nur in Transaktionen mit US-amerikanischer Beteiligung üblich geworden, sondern sind fester Bestandteil vieler internationaler Transaktionen und finden zunehmend auch bei Sachverhalten ohne grenzüberscheitende Aspekte Eingang1. 100
In dem hier beschriebenen Kontext bedeutet „Legal Opinion“ eine schriftliche Stellungnahme in zumeist englischer Sprache, die von einem Anwalt auf Verlangen des eigenen Mandanten entweder an diesen selbst oder an die andere Partei der Transaktion (sog. Third Party Opinion) gegeben wird. Dabei analysiert eine Legal Opinion nicht komplexe rechtliche Fragen im Detail im Sinne eines Gutachtens, sondern enthält eine Reihe kurzer Aussagen mit rechtlichen Schlussfolgerungen in zumeist standardisierter Form, ohne i.d.R. diese Schlussfolgerungen zu begründen. Diese Art der Darstellung erklärt sich aus dem Zweck einer Legal Opinion. Die Parteien einer geschäftlichen Transaktion fragen üblicherweise nach einer Legal Opinion, um rechtliche Risiken, die mit Transaktionen dieser Art typischerweise verbunden sind, entweder auszuschließen oder im Gegenteil zu identifizieren. Der Empfänger der Legal Opinion erwartet die professionelle Einschätzung seines Anwalts hinsichtlich präzise definierter Fragen bzw. Aussagen, die für den Empfänger (mit-)entscheidungserheblich sind (Risikoaufdeckungsfunktion)2. Eine Legal Opinion hat daher den Zweck, zu bestätigen, dass eine rechtliche Beziehung, welche die Parteien einzugehen beabsichtigen, die angestrebten Rechtsfolgen zeitigt3. Eine weitere wichtige Funktion einer Legal Opinion ist es, auf verbleibende Rechtsrisiken hinzuweisen, die der geplanten Transaktion inhärent sind. Eine Legal Opinion ist somit auch ein Mittel des Risikomanagements der Vertragsparteien, da sie – jedenfalls im Regelfall – die vertragstypischen oder transaktionstypischen Rechtsrisiken adressiert und entweder die rechtliche Wirksamkeit der Vereinbarungen bestätigt (sog. „Clean Opinion“) oder auf Streitfragen und Zweifel bzw. eine etwaige Teilunwirksamkeit (sog. „Reasoned Opinion“ oder „Qualified Opinion“) hinweist4.
101
Aus diesem Grund müssen die Parteien und ihre Anwälte in jeder Transaktion diejenigen Rechtsfragen, zu denen eine Legal Opinion Stellung nehmen soll, rechtzeitig vorab festlegen. Dabei können gerade die Verhandlungen über Aussagen und Umfang der Opinion rechtliche Probleme und Risiken der Transaktion aufdecken. In einigen Fällen werden die Parteien daraufhin die rechtliche Struktur der Transaktion verändern, um diese Schwierigkeiten und Unsicherheiten zu vermeiden. In anderen Fällen entscheiden die Parteien die Probleme und Unsicherheiten zu akzeptieren und in deren Kenntnis die Transaktion durchzuführen oder aber von der Transaktion Abstand zu nehmen. Etwaige Mängel in einer Transaktionsstruktur können auch „Clean Opinions“ nicht beseitigen5.
1 Eine frühe Auseinandersetzung mit Legal Opinions etwa Jander/De Mesnil de Rochemont, RIW 1976, 332 ff. Diese gehen noch davon aus, dass es für die Legal Opinion keine institutionalisierte Form im deutschen Recht gibt. 2 So plastisch Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 7 f. 3 Jander/De Mesnil de Rochemont, RIW 1976, 332, 333 führen die Legal Opinion auf ein besonderes Sicherheits- und Garantiebedürfnis des Common Law sowie auf das Fehlen anderweitiger Informationsquellen, wie etwa ein landesweites Handelsregister, etc. zurück. 4 Zum Zweck der Legal Opinion zur Risikoabschätzung Hamacher, AnwBl. 1999, 96, 97. Zur Abgrenzung von der nicht gegebenen „Versicherungsfunktion“, Seiler in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 9. 5 Gruson/Hutter/Kutschera, S. 20. Zur Verteidigungsfunktion insbesondere der Disclosure Opinion sowohl im US-Recht als auch im deutschen (Prospekthaftungs-)Recht Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 10.
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Legal Opinions 2. Arten, Inhalt und Erscheinungsformen a) Aufbau und typischer Inhalt
Der Aufbau einer Legal Opinion ist ebenso wie die Sprache und die Kernaussagen im Wesentlichen standardisiert1. Aufgrund dieser international akzeptierten Standards ist es für den Empfänger einer Opinion leichter, die rechtlichen Risiken einer Transaktion zu verstehen, da er i.d.R. weiß, welche Aussagen üblicherweise getroffen werden. Würde der die Opinion verfassende Anwalt diese im eigenen Stil und mit eigenen Worten schreiben, wäre die Einschätzung der Risiken sehr viel schwieriger als es der inzwischen erreichte standardisierte Aufbau und Inhalt gewährleistet. Diese internationalen Standards werden zudem durch multinationale Gremien und Ausschüsse wie z.B. das Opinion Committee der International Bar Association2 und auf nationaler Ebene durch Anwaltsvereinigungen und Opinion Committees der führenden internationalen Kanzleien beständig fortentwickelt.
102
Eine Legal Opinion ist regelmäßig in folgende Abschnitte gegliedert: (aa) Einleitung (Introduction) (Rz. 103 ff.); (bb) Dokumente, die geprüft wurden (Documents Reviewed) (Rz. 108 ff.); (cc) Annahmen (Assumptions) (Rz. 111 ff.); (dd) Berücksichtigte Rechtsquellen (Laws Considered) (Rz. 116); (ee) Aussage auf Basis der Annahmen (Opinion Statements) (Rz. 117 ff.); (ff) Vorbehalte (General Qualifications) (Rz. 129 ff.); (gg) Schlussbemerkungen (Final Remarks). Anzumerken ist jedoch, dass ein spezieller Abschnitt für Qualifications nicht der einzige Ort ist, an dem solche Einschränkungen stehen können. Gerade wenn sich die Qualification auf eine bestimmte Aussage innerhalb der Opinion Statements bezieht, ist es durchaus üblich, die Qualification in der relevanten Passage zu integrieren. Dies erleichtert vor allem die Lesbarkeit der Opinion. aa) Einleitung (Introduction). Eine Legal Opinion oder ein sog. Opinion Letter3 ist hinsichtlich des formalen Rahmens ein Schreiben auf normalem Anwaltsbogen.
103
Gleichwohl kommt den Formalien eine erhebliche rechtliche Bedeutung zu. So bezeichnet das Datum der Opinion, das üblicherweise das Datum des Signings oder Closings ist4, den Zeitpunkt, für den bzw. bis zu dem die in der Opinion enthaltenen Aussagen Richtigkeit beanspruchen. Dies hat für Veränderungen sowohl der Sachlage als auch der Rechtslage erhebliche Bedeutung. Zwar kann eine Legal Opinion in eng begrenzten Ausnahmefällen auch zukunftsbezogene Aussagen enthalten; dies sind dann aber lediglich Prognosen, die aus der ex ante-Sicht zu beurteilen sind. Zur Bekräftigung der inhaltlichen und zeitlichen Beschränkung der Aussagen findet sich
104
1 Für einen kurzen Überblick auch Graf von Bernstorff, RIW 1988, 680, 681. Dieser Artikel enthält auch auf S. 683 ein kurzes Muster einer Legal Opinion bei einer internationalen Finanzierung. Ebenso enthält bereits Jander/De Mesnil de Rochemont, RIW 1976, 332, 339 ein Muster einer Legal Opinion. Zum Inhalt von Legal Opinions speziell in Kapitalmarkttransaktionen ausführlich Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 13 ff. 2 Vgl. dazu http://www.ibanet.org/legalpractice/Banking_Law.cfm#Subcommittee. Das Subkommittee „Legal Opinion“ wurde eingerichtet, um eine Vereinheitlichung im Hinblick auf die Interpretation bestimmter Standardformulierungen zu erreichen, die in Legal Opinions internationaler Transaktionen verwendet werden. 3 Zum Opinion Letter auch Jander/De Mesnil de Rochemont, RIW 1976, 332, 333. 4 Zur Bedeutung des Datums auch Jander/De Mesnil de Rochemont, RIW 1976, 332, 340. Zu den wichtigsten Abgabezeitpunkten und Ausnahmen im Kapitalmarktgeschäft vgl. unten unter Rz. 137 ff. und Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 11 f.
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am Ende der Opinion zumeist ein klarstellender Satz, dass den Unterzeichner keine (Hinweis-)Pflichten zur Berücksichtigung sachlicher oder rechtlicher Änderungen nach dem Datum der Opinion treffen. 105
Die Adressierung der Legal Opinion macht deutlich, wer sich auf die Opinion verlassen darf. Soweit sich auch die Gegenpartei auf die Opinion stützen dürfen soll, gibt es zwei Gestaltungsmöglichkeiten: Entweder wird die Legal Opinion unmittelbar an die Gegenpartei adressiert (sog. Third Party Legal Opinion) oder die Legal Opinion wird an den eigenen Mandanten adressiert, diesem wird aber ausdrücklich gestattet, die Legal Opinion an die Gegenseite weiterzugeben. Wesentlich ist, dass die Adressierung allein noch nicht darüber entscheidet, ob für die Aussage gegenüber dem Empfänger auch gehaftet werden soll1.
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Im Einleitungssatz wird üblicherweise darauf Bezug genommen, in welcher Eigenschaft die Legal Opinion abgegeben wird. So wird ein deutscher Anwalt einer deutschen Kanzlei, der die Opinion in einer internationalen Transaktion abgegeben hat, darauf hinweisen, dass er als „[Special] German Counsel“, also als Berater speziell für Fragen des deutschen Rechts, seine Aussagen gemacht hat. Gerade im US-amerikanischen Kontext ist es im Übrigen üblich, darauf hinzuweisen, aus welchem Grund diese Legal Opinion abgegeben wird, d.h. welche Vertragsklausel die Abgabe einer Legal Opinion erfordert. Nach US-amerikanischem Recht ist dieser konkrete Bezug bei einer Third Party Legal Opinion eine Voraussetzung dafür, dass Ansprüche des Adressaten der Opinion gegen seine Vertragspartei überhaupt möglich sind. Eine typische Formulierung einer solchen Einleitung könnte wie folgt lauten: „We have acted as [special] German counsel to [name of client] in relation to [description of the transaction]. In this capacity, we have been requested to provide an opinion to you pursuant to [relevant clause] of [description of document].“
107
Der Bezug zum Mandatsverhältnis mit dem eigentlichen Mandanten und die Aussage dazu, dass die Opinion in diesem Zusammenhang abgegeben wird, sollen nach deutschem Recht klarstellen, dass durch die Opinion kein Mandatsverhältnis mit dem Adressaten begründet wird. Zu Folgefragen der Haftung sowie möglicher Interessenkonflikte siehe unten Rz. 172 ff.
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bb) Geprüfte Dokumente (Documents Reviewed). Die Tatsachenbasis der Opinion ist mit den Tatbestandsmerkmalen derjenigen Normen, aus denen sich die bestätigten Rechtfolgen ergeben, identisch. Der Anwalt legt jedoch zu Beginn der Legal Opinion dar, auf welcher Basis er seine Aussagen macht und auf welche tatsächlichen Annahmen er sich stützt.
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Dies erfolgt in zweifacher Weise. Zum einen werden die Informationsquellen offen gelegt. Auf diese Weise wird dem Empfänger die empirische Basis für die rechtliche Würdigung dargelegt. Die so definierte Tatsachenbasis wird gewöhnlich bezüglich der Untersuchungstiefe durch Annahmen (Assumptions) eingeschränkt, dazu sogleich Rz. 111 ff.
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Die vor Abgabe der Legal Opinion geprüften Dokumente werden im zweiten Abschnitt der Legal Opinion i.d.R. enumerativ aufgeführt. Die Dokumente sollten hierbei so bezeichnet werden, dass sie eindeutig identifiziert werden können. Sofern durch den Untersuchungsgegenstand möglich oder angezeigt, sollte die Aufzählung der geprüften Dokumente vollständig sein2. Dies kann durch einen Hinweis, dass au1 Vgl. exemplarisch Adolff, S. 8 und auch Louven, VersR 1997, 1050, 1058. 2 Zu diesem Hinweis auch Louven, VersR 1997, 1050, 1057.
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ßer den aufgezählten Dokumenten keine anderen Dokumente vor der Abgabe der Opinion geprüft wurden, deutlich gemacht werden. Zwar findet sich vor allem im Zusammenhang mit US-amerikanischen Vorgaben oder sog. Disclosure Opinions bei Kapitalmarkttransaktionen1 eine Formulierung wie die folgende: „… have/has made such investigations and have reviewed such documents as we have deemed necessary.“ Allerdings nimmt eine solche Formulierung auf bestimmte Sorgfaltsanforderungen, die sich aus den American Bar Association Reports ergeben2, Bezug. Da in Deutschland zurzeit kein derartiges Referenzsystem besteht, sollten derartig unspezifische Formulierungen nur dort verwendet werden, wo dies – wie z.B. bei der Beurteilung von Verkaufs- und Börsenzulassungsprospekten für Kapitalmarkttransaktionen – üblich oder durch den Untersuchungsgegenstand sowie die diesbezüglich erwartete Qualität der Aussage3 gerechtfertigt ist. cc) Annahmen (Assumptions). Der dritte Abschnitt einer Legal Opinion enthält bestimmte Annahmen (Assumptions), die der Opinon zu Grunde gelegt werden. Die USamerikanische Praxis unterscheidet hierbei zwischen Assumptions, die ausdrücklich erwähnt werden, und solchen, deren rechtstatsächlicher Hintergrund zwar sehr wahrscheinlich, in der Praxis jedoch schwer zu verifizieren ist, und daher zu Grunde gelegt werden können (Implied Assumptions)4. In einer Legal Opinion unter Geltung deutschen Rechts empfiehlt es sich ungeachtet dessen, alle Annahmen, von denen der Verfasser der Legal Opinion ausgeht, ausdrücklich offen zu legen.
111
Hierbei sind verschiedene Gruppen von Annahmen zu unterscheiden: Zunächst zählen hierzu Annahmen, die sich auf die Dokumente selbst beziehen. So wird z.B. unterstellt, dass die Kopien der Dokumente mit den Originalen übereinstimmen und dass die Unterschriften authentisch und vollständig sind. Darüber hinaus gehört in diesen Kreis der Annahmen die Annahme der Vollständigkeit der angeforderten und präsentierten Dokumente und Handelsregisterauszüge. Dies umfasst insbesondere die Annahme, dass keine weiteren Vereinbarungen existieren, durch die die vorgelegten Vereinbarungen abgeändert, ergänzt, beendet oder aufgehoben wurden. Der zweite Kreis der Annahmen bezieht sich auf die Fähigkeit derjenigen Personen, die die Dokumente unterzeichnet haben, dies auch tatsächlich zu tun. Dies umfasst sowohl die Vertretungsberechtigung aufgrund wirksamer Vollmacht oder Bestellung als Geschäftsführer oder Vorstand als auch die volle Geschäftsfähigkeit der handelnden Personen. Weitere Annahmen beziehen sich auf die tatsächlichen Umstände, die sich aus den Unterlagen ergeben. Die am weitesten verbreitete Annahme zielt darauf, dass die tatsächlichen Aussagen in den vorgelegten Dokumenten korrekt sind5.
112
Weitere gebräuchliche Annahmen betreffen Intentionen und Konditionen, mit bzw. zu denen die dokumentierten Verträge und Maßnahmen abgeschlossen worden sind. Hier wird regelmäßig unterstellt, dass die Willenserklärungen und Verträge im guten
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1 Dazu unter Rz. 167 ff. 2 Vgl. dazu etwa Section of Business Law, American Bar Association, 47 Bus. Law. 167 (1991); TriBar Opinion Committee, 49 Bus. Law. 359 (1993); TriBar Opinion Committee, 53 Bus. Law. 591 (1998); Committee on Legal Opinions, 53 Bus. Law. 831 (1998). 3 Sog. Negative Assurance statt positiver Aussage. Kritisch zu offenen Formulierungen bei den „Documents reviewed“ Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 22 mit dem weiteren Hinweis, dass bei Aussagen auf der Basis von (Vertrags-)Entwürfen in jedem Fall deren Erstelldatum aufzunehmen ist. 4 Vgl. dazu Adolff, S. 9. 5 Dazu auch Graf von Bernstorff, RIW 1988, 680, 681 f.; Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 25.
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Glauben und ggf. auch „at arm’s length“ abgeschlossen worden sind. Der Vorbehalt des „guten Glaubens“ soll dabei vor allem mögliche Kollusionsfälle erfassen. Darüber hinaus sollte unterstellt werden, dass die Entscheidungen der Parteien nicht durch Irrtum oder andere Fehler der Willensbildung beeinflusst (worden) sind, so dass Anfechtungsgründe nach §§ 119, 123 BGB als ausgeschlossen gelten. Auf einer ähnlichen Ebene liegt die Unterstellung, dass alle äußeren Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Verträge erfüllt sind, soweit sich die Unwirksamkeit nicht unmittelbar aus dem Dokument selbst ergibt. Diese Annahme empfiehlt sich insbesondere für Zustimmungsbeschlüsse, den Umfang notarieller Beurkundungen oder auch Verwaltungsakte. 114
Die üblicherweise letzten sog. Assumptions betreffen bei grenzüberscheitenden Transaktionen Fragen ausländischen Rechts. Dies betrifft etwa die Frage, ob eine ausländische Partei eines deutschen Vertrages diesen hätte abschließen dürfen, also ob sie als Gesellschaft wirksam gegründet wurde und ob die aufgetretenen Personen befugt waren, für diese Gesellschaft zu handeln. Ebenfalls bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nicht unüblich ist die Annahme, dass die Dokumente rechtliche Wirksamkeit und Bindung der Parteien im Hinblick auf alle übrigen Rechtsordnungen mit Ausnahme des jeweiligen nationalen (deutschen) Rechts entfalten, in dessen Rechtsordnung der betreffende Rechtsanwalt praktiziert.
115
Die Bedeutung dieser ausdrücklichen Annahmen sollte nicht unterschätzt und ihrer Formulierung sowohl vom Opinion-Verfasser als auch vom Adressaten entsprechende Bedeutung beigemessen werden. Dem Empfänger wird signalisiert, dass er sich auf die Richtigkeit der Annahme ebenso wenig verlassen kann, wie wenn diesbezüglich keine Legal Opinion abgegeben worden wäre. Aus diesem Grunde sind die Annahmen bzw. Assumptions bei Legal Opinions großer Kanzleien überwiegend standardisiert und der unterzeichnende Anwalt wird nur in begründeten Ausnahmefällen entsprechende Annahmen einschränken (können). Andererseits nimmt eine weitverbreitete Auffassung an, dass eine Assumption jedenfalls dann nicht gemacht werden kann, wenn der Anwalt positive Kenntnis oder jedenfalls eine überwiegende Vermutung von deren Unrichtigkeit hat, so dass jedenfalls im US-amerikanischen Rechtsverkehr davon ausgegangen wird, dass der Anwalt keine gegenteilige Kenntnis von den Assumptions hat1. Auch nach deutschem Recht wird sich in diesen Fällen ein ausdrücklicher Vorbehalt (sog. „Opinion Carve-Out“) empfehlen2.
116
dd) Berücksichtigtes Recht (Laws Considered). Soweit nicht bereits unter Rz. 111 ff. enthalten, weist der Anwalt in einem weiteren Abschnitt darauf hin, dass er die Legal Opinion z.B. als deutscher Rechtsanwalt abgegeben hat und dass sich die Aussagen auf deutsches Recht beschränken. Üblicherweise wird ausdrücklich hinzugefügt, dass die Opinion keinerlei Aussage zu ausländischen Rechtsordnungen trifft, insbesondere dass der Anwalt keine Nachforschungen im Hinblick auf ausländische Rechtsordnungen angestellt hat.
117
ee) Materielle Aussagen (Opinion Statements). Der folgende Abschnitt mit den so genannten Opinion Statements bildet das Kernstück der Legal Opinion. Wie erwähnt, werden in den Opinion Statements lediglich die Ergebnisse einer juristischen Subsumtion mitgeteilt. Dabei lassen sich in der Regel zwei Arten von Legal Opinions unter1 Vgl. dazu auch Adolff, S. 10 m.w.N. Zur haftungsbeschränkenden Funktion solcher Annahmen und Unterschieden in Abhängigkeit der Nähe des Opinion-Erstellers zu den Aussagen bzw. dem Unternehmen auch Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 67. 2 „Gegenstand unserer Untersuchung war nicht …“
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scheiden: Bei der so genannten Clean Opinion verbleibt es lediglich bei den reinen Ergebnissen, ohne dass einzelne Ableitungen, Literaturmeinungen oder Subsumtionen erwähnt werden. Soweit das Ergebnis dem Anwalt zweifelhaft erscheint, werden Einschränkungen (sog. Qualified Opinion) oder zumindest Erläuterungen zu den getroffenen Aussagen (sog. Reasoned Opinion) angeführt. 118
In der Regel werden die Opinion Statements wie folgt eingeleitet: „Based on the foregoing and subject to the limitations and qualifications stated herein and to any factual matters or documents not disclosed to us, we are of the opinion that:“
119
Typische Aussagen im Rahmen der Opinion Statements sind die folgenden: (1) Bestand der Gesellschaft (Incorporation and Existence). Häufig werden bei Transaktionen, zu deren Signing/Closing Legal Opinions abgegeben werden, auf beiden Seiten Kapitalgesellschaften auftreten. Eine der ersten Bestätigungen in diesem Zusammenhang wird die Rechtsfähigkeit bzw. rechtliche Existenz der Kapitalgesellschaft betreffen. Bestätigt wird hier die Gründung und Existenz (Incorporation and Corporate Existence) der Gesellschaft. Bei einer Transaktion unter Beteiligung einer deutschen GmbH oder Aktiengesellschaft könnte eine typische Formulierung in einer Legal Opinion wie folgt lauten: „[Name of the relevant party] is a stock corporation (Aktiengesellschaft)/limited liability company (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) duly incorporated1 [for an unlimited time] under German law. [Name of the relevant party] has not been deleted from the commercial register and the commercial register excerpt reveals no resolution or court order for wind up of [name of the relevant party].“ Im US-amerikanischen Kontext findet sich häufig auch die Formulierung, die Gesellschaft sei „in good standing“. Diese Aussage hat im deutschen Recht keine hinreichend klare Entsprechung. In den USA erteilen die meisten Secretaries of State eine Bescheinigung über das „Good Standing“ dann, wenn die Gesellschaft bestimmte Steuern oder Gebühren bezahlt und/oder bestimmte Jahresabschlüsse eingereicht hat2. Die entsprechende Aussage wäre daher bei Zugrundelegung deutschen Rechts mindestens zweifelhaft, wenn die betreffende Gesellschaft z.B. ihre Jahresabschlüsse nicht zum Handelsregister eingereicht hat. (2) Fähigkeit der Gesellschaft, ein bestimmtes Geschäft abzuschließen (Corporate Powers). Auch die üblicherweise in grenzüberscheitenden Transaktionen erwartete Aussage zur Fähigkeit der Gesellschaft, ein bestimmtes Geschäft abzuschließen (Corporate Powers), erklärt sich aus dem US-amerikanischen Kontext. Die Aussage, ein bestimmtes Geschäft abschließen und ausführen zu können, hängt mit der Ultra-Vires
1 Neben der Formulierung „duly incorporated“, die die wirksame Gründung einer Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit bestätigt, finden sich nicht selten die zwei weiteren Formulierungen „duly established“ und „duly organized“, deren Voraussetzungen jedoch gerade bei deutschen Gesellschaften nicht immer klar gesehen und nicht selten vorschnell bestätigt werden: „Duly established“ wird bei der Gründung von Personengesellschaften verwendet. „Duly organized“ geht dagegen über eine wirksame Gründung hinaus und setzt eine vollständige Due Diligence voraus, kann also bei der Beurteilung einzelner Verträge in aller Regel nicht abgegeben werden. Es zeigt sich hier neben unterschiedlichen Standards verschiedener Rechtsordnungen exemplarisch die Problematik der Verwendung der englischen Sprache bei der Anwendbarkeit deutschen Rechts (zur Parallelproblematik einer Aussage betreffend „Good Standing“ sogleich Rz. 120). 2 Vgl. dazu nur Adolff, S. 14.
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Lehre des US-amerikanischen Rechts zusammen, nach der die Vertretungsmacht von dem Umfang des Gesellschaftszwecks abhängig ist1. 122
Soweit eine Legal Opinion im Zusammenhang mit der Durchführung eines Kreditvertrages steht und dabei Sicherheiten gegeben werden sollen, wäre hier auch der Ort, auf etwaige Einschränkungen (Qualifications) der wirksamen Bestellung bzw. Inanspruchnahme von Sicherheiten im Hinblick auf § 30 GmbHG oder § 57 AktG einzugehen bzw. auf spätere Qualifications zu verweisen.
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(3) Rechtliche Verbindlichkeit des Vertrages. Die materiellen Aussagen der Legal Opinion enthalten des Weiteren eine Bestätigung, dass die Vertragspflichten des Mandanten rechtsverbindlich bestehen und zu ihrer Durchsetzung ein Rechtsmittel zur Verfügung steht (Legal, Valid, Binding and Enforceable).
124
Voraussetzung hierfür ist zunächst der wirksame Abschluss der Vereinbarung, wobei ggf. auf die Vertretungsmacht – sofern nicht in den Assumptions ausgenommen – sowie ggf. auf weitere Anforderungen einer rechtlichen Wirksamkeit, wie ein Schriftformerfordernis (Due Authorization, Execution and Delivery) einzugehen ist.
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Eine mögliche Formulierung könnte wie folgt lauten: „[Description of document] has been duly executed [and delivered] on behalf of [name of relevant party] and the execution [and delivery] of [description of document] has been duly authorized by all necessary corporate action on behalf of [name of relevant party].“ Der Begriff Delivery erfasst dabei alle weiteren Schritte, die erforderlich sind, um eine vertragliche Bindung für die betreffende Partei herbeizuführen, insbesondere den Zugang und die Wahrung von Schriftformerfordernissen. Die Probleme, die sich hier stellen, liegen meist im Tatsächlichen, etwa bei Verwendung von Signature Pages und Escrow Arrangements. Eine Aussage zur Due Delivery kann ein Anwalt vernünftigerweise nur dann treffen, wenn er insoweit selbst tätig geworden ist oder sich die Wahrung der materiellrechtlichen Erfordernisse aus den ihm vorliegenden Dokumenten ergibt (z.B. aus Empfangsbekenntnissen). Da insoweit das Vertragsstatut gilt, ist eine Aussage zur Due Delivery ferner nicht angebracht, wenn für das Dokument selbst ausländisches Recht gilt (Art. 31 Abs. 1 EGBGB).
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Wird die Legal Opinion in Bezug auf ein ausländisches Unternehmen abgegeben, wird häufig eine Aussage dazu gefordert, dass das Unternehmen in Deutschland ohne weitere Registrierungen oder Genehmigungen tätig werden darf. Diese Aussage kann etwa im Zusammenhang mit Darlehensverträgen und deren Besicherung in Betracht kommen, wenn das Erfordernis einer Erlaubnis für Bankgeschäfte nach §§ 32 Abs. 1, 53 ff. KWG in Frage steht.
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Eine weitere zentrale Aussage betrifft die rechtliche Wirksamkeit der entsprechenden Verbindlichkeiten nach deutschem Recht. Hier ist etwa die folgende Formulierung üblich: „Each [description of document] constitutes legal, valid and binding obligations of [name of relevant party].“ Dabei bedeuten die drei Begriffe „legal, valid and binding“ nach deutschem Rechtsverständnis jeweils dasselbe, nämlich, dass eine vertragliche Verpflichtung wirksam
1 Vgl. Henn/Alexander, Law of Corporations, 1989, § 184 ff., S. 477 ff.; O’Kelley/Thompson, Corporations and Other Business Associations, 3. Aufl. 1999, S. 670 ff.
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begründet wurde und dass bei einer Verletzung des Vertrages Rechtsmittel zur Verfügung stehen1. Häufig wird eine Legal Opinion an dieser Stelle Aussagen zur Erforderlichkeit von behördlichen Zustimmungen (etwa auch Handelsregistereintragungen, Zulassungsbeschlüssen der Börsen etc.) machen. Des weiteren mögen sich im Einzelfall materielle Aussagen zum Rang der Forderung im Insolvenzfall finden, darüber hinaus über das anwendbare Recht für die Verbindlichkeiten sowie die Durchsetzbarkeit von ausländischen Entscheidungen, um einige Beispiele zu nennen2.
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ff) Einschränkungen (General Qualification). Für den Mandanten sowie die Gegenpartei ist es natürlich am besten, wenn der Anwalt eine Clean Opinion abgeben kann, also die Aussage zur rechtlichen Wirksamkeit der vertraglichen Verbindlichkeiten unter keinerlei Einschränkung stellen muss. Dies wird je nach Rechtsgebiet und Bestehen einer gefestigten Rechtsprechung allerdings eher die Ausnahme sein. Häufig wird der Anwalt zu einzelnen Aspekten eine Qualified Opinion abgeben müssen, die bestimmte Einschränkungen und Vorbehalte enthält oder zumindest Erläuterungen zu den getroffenen Aussagen (sog. Reasoned Opinion) anführen.
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Da die Durchführung einer Transaktion oder eines Vertrages nicht selten von der Abgabe einer oder zweier Unqualified Opinions, jedenfalls zu den wichtigsten Rechtsfragen, abhängig gemacht wird, hat sich in der Praxis eine feine Trennlinie zwischen einer Reasoned Opinion und einer Qualified Opinion herausgebildet: Letztlich trifft der Anwalt bei der Abgrenzung eine Einschätzung, wie wahrscheinlich das Eintreten einer bestimmten ungünstigen Rechtsfolge ist. Dies wird vor allem danach entschieden, ob es für die bevorzugte Rechtsfolge eine tragfähige Basis in der – möglichst obergerichtlichen – Rechtsprechung gibt und keine Anhaltspunkte vorliegen, dass sich eine Änderung der Rechtsprechung bereits angekündigt hat. Soweit sich der Opinionverfasser auf wenig oder keine Rechtsprechung stützen kann, wird der Meinungsstand in der Literatur und das Bestehen einer vorherrschenden Meinung von wesentlicher Bedeutung sein.
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Typische Qualifications sind z.B. im Zusammenhang mit Kreditverträgen und High Yield Bonds und deren Besicherung Aussagen zum Eigenkapitalersatzcharakter nach § 30 GmbHG/§ 57 AktG, die insbesondere bei sog. Upstream Guarantees, also Garantien der Tochtergesellschaft für die Muttergesellschaft, umstritten sind.
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Eine übliche Qualification bei einer GmbH könnte wie folgt lauten: „It should be noted that a German limited liability company, or a limited partnership in which no general partner is a natural person, may not make any repayment to a shareholder if the net worth of such limited liability company or limited partnership is, or as a consequence of such repayment would be, lower than the registered share capital of such limited liability company or the registered limited partnership capital of such limited partnership, as the case may be. Accordingly, only the excess of the net worth of a limited liability company or limited partnership over its registered share capital or registered limited partnership capital may be made available for the financing of a parent or sister company3. 1 Zur Differenzierung der Begriffe im US-amerikanischen Recht etwa Jander/De Mesnil de Rochemont, RIW 1976, 332, 341. 2 Zu weiteren materiellen Aussagen, insbesondere in Opinions für Kapitalmarkttransaktionen, Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 24 ff., z.B. zur Notwendigkeit eines Prospekts, steuerlichen Fragen, Rechtswahl oder der Wirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen. 3 Rechtslage bis zum Inkrafttreten des GmbH-Gesetzes durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG).
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This does not apply for (i) repayments/performances (Leistungen) made during the existence of a domination and/or profit and loss pooling agreement (Behrrschungsund/oder Gewinnabführungsvertrag) (Section 291 of the German Stock Corporation Act) between the German limited liability company and its shareholder or (ii) repayments/performances (Leistungen) for which the German limited liability company has a recoverable claim for consideration or refund (werthaltiger Gegenleistungsoder Rückgewähranspruch) or (iii) for the repayment of a shareholder loan or performances (Leistungen) with regard to claims arising from legal actions which are equivalent to a shareholder loan1.“ 132
Ein üblicher genereller Vorbehalt ist der sog. Insolvenzvorbehalt, wonach die Verpflichtungen durch insolvenzrechtliche Vorschriften beeinträchtigt werden können. Soweit es um die potentielle Durchsetzbarkeit von Rechten geht, ist eine Aussage dazu angebracht, dass die Durchsetzung von Rechten von einem Vorschuss für Prozesskosten (bei Ausländern mit Sicherheitsleistung) abhängig ist.
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Darüber hinaus ist es im Falle der Abfassung einer Legal Opinion in englischer Sprache zu Fragen des deutschen Rechts ratsam, auf Unschärfen hinzuweisen, weil für die deutsche Fachterminologie häufig keine präzisen und deckungsgleichen Übersetzungen existieren. Eine typische diesbezügliche Qualification könnte wie folgt lauten: „In this opinion, concepts of German law are addressed in the English language and not in the original German terms, which may differ in their exact legal meaning. This opinion may, therefore, only be relied upon under the express condition that any issues of interpretation arising hereunder will be governed by German law and be brought before a German court.“
134
Darüber hinaus lässt sich dieses in grenzüberschreitenden Transaktionen typische Problem durch die Hinzufügung wichtiger Termini in deutscher Sprache in Form von – dann für die Auslegung maßgebenden – Klammerzusätzen auf pragmatische Weise reduzieren. Als weitere Qualifikation wird sich i.d.R. der klarstellende, z.T. aber auch konstitutive Zusatz finden, dass keine gesonderte Due Diligence durchgeführt worden ist und daher ausschließlich die gesondert erwähnten Dokumente geprüft und den Aussagen zugrundegelegt wurden. b) Besondere Formen von Opinions
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Legal Opinions werden zumeist im Zusammenhang mit Kreditverträgen (dazu unter Rz. 136), Kapitalmarkttransaktionen (dazu unter Rz. 137) und Akquisitionen (dazu unter Rz. 141) abgegeben. In jedem dieser Fälle erfüllt die Legal Opinion eine besondere Funktion, was jeweils inhaltliche Besonderheiten bedingt. Daneben werden Legal Opinions aber z.B. auch in komplexen Grundstückstransaktionen abgegeben sowie anlässlich von Sanierungsverhandlungen zwischen Schuldnern und Gläubigern.
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aa) Kreditverträge. Kreditverträge gehören zu der Art von Rechtsgeschäften, bei denen in der Praxis am häufigsten eine Legal Opinion gefordert wird2. Eine Legal Opinion bei
1 Rechtslage nach Inkrafttreten der Änderungen des GmbH-Gesetzes durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG). 2 Zur Legal Opinion bei Kreditverträgen, v.a. in der Außenhandelsfinanzierung auch Graf von Bernstorff, RIW 1988, 680 ff.
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einem Kreditvertrag zeichnet sich durch bestimmte typische Bestätigungen aus (sog. Substantive Opinions)1. Zu diesen gehören etwa eine Bestätigung, dass – der Abschluss sowie die Erfüllung des Kreditvertrages nicht gegen ein Gesetz verstößt (no Violation of Law Opinion), – für den Abschluss keine behördliche Genehmigung erforderlich ist (Absence of Needed Consent Opinion), – der Kreditnehmer berechtigt ist, hinsichtlich aller als Sicherheit dienender Gegenstände2 diese als Sicherheit zu bestellen. Bezüglich üblicher Vorbehalte werden die Qualifications zum Themenkreis Besicherung und Eigenkapitalersatzrecht eine besondere Rolle spielen. bb) Kapitalmarkttransaktionen. Große Bedeutung haben Legal Opinions bei Kapitalmarkttransaktionen. Dies gilt sowohl bei der Aufnahme von Fremdkapital (Debt) als auch bei Eigenkapital, also etwa der Emission von Aktien (Equity) sowie den in jüngster Zeit vor allem im Banken- und Versicherungsbereich verbreiteten hybriden Finanzierungsinstrumenten (Hybrids). Bei Fremdkapitalmaßnahmen unterscheidet sich der Inhalt der Legal Opinion nicht wesentlich von den Bestätigungen, die im Zusammenhang mit Kreditvereinbarungen abgegeben werden.
137
Bei der Emission von Aktien hängt der Umfang und Inhalt der Legal Opinion davon ab, ob es sich um eine angestrebte Börsenzulassung, ein öffentliches Angebot der Aktien oder eine prospektfreie Platzierung (sog. private Platzierung) im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes handelt. Bei einer privaten Platzierung umfasst die Legal Opinion in der Regel zwei Themenkreise. Zum einen werden Aussagen zur Rechtsstellung, die die Investoren durch den Erwerb der Aktien erlangen, erwartet3. In der Legal Opinion wird bestätigt, dass die Emission von den gesellschaftsrechtlich zuständigen Organen beschlossen worden ist und die Ausgabe der Aktien mit den Regelungen des Gesellschaftsrechts und der Satzung übereinstimmt. Zum anderen wird in der Legal Opinion bestätigt, dass die Voraussetzungen für eine private Platzierung vorliegen, insbesondere keine Untersagung des Angebots droht und keine Prospektpflicht besteht. Im Falle ausländischer Opinion-Adressaten werden des Weiteren häufig Aussagen zu Folgepflichten einer privaten Platzierung für die Erwerber im Falle einer Weiterveräußerung der Aktien getroffen.
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Bei einem öffentlichen Angebot von Aktien erfolgt die Information des breiten Publikums durch einen Wertpapierprospekt. Die in Bezug auf die Opinion Statements im Wesentlichen übereinstimmenden Legal Opinions der Emittenten- und Bankenanwälte haben hier erhebliche Bedeutung als eine Voraussetzung (condition precedent) sowohl für die Durchführung der im Übernahmevertrag übernommenen Verpflichtungen von Emittenten und Bankenkonsortium (Signing) als auch für die Erfüllung (Cash vs. Delivery = Closing). Der Anwalt des Emittenten (Issuer’s Counsel) und in aller Regel auch der Anwalt der Banken gibt gegenüber dem Bankenkonsortium eine Legal Opinion ab, in der er u.a. bestätigt, dass die Aktien aufgrund der Kapitalerhöhung wirksam ausgegeben worden sind und – ggf. ebenso wie parallel umzuplat-
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1 Graf von Bernstorff, RIW 1988, 680, 682 differenziert hier zwischen den Kreditnehmer betreffende Tatsachen (v.a. Bestand des Kreditnehmers) und den Kreditvertrag betreffende Tatsachen. 2 Vgl. dazu und zu weiteren Beispielen Adolff, S. 74. 3 Vgl. hier Adolff, S. 25.
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zierende Altaktien – nicht mit Rechten Dritter behaftet sind1. Darüber hinaus wird die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit der im Übernahmevertrag vereinbarten Verpflichtungen bestätigt. 140
Zusätzlich zu einer Legal Opinion werden bei prospektpflichtigen Transaktionen i.d.R. sowohl von dem Anwalt der Emittentin als auch vom Anwalt des Bankenkonsortiums eine sog. Disclosure Letter abgegeben2. Diese steht wiederum häufig neben dem sog. Officer’s Certificate, in dem der Vorstand erklärt, dass alle Gewährleistungen im Übernahmevertrag zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Certificates zutreffen und der Emittent seine Verpflichtungen bis zu diesem Zeitpunkt erfüllt hat.
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cc) Akquisitionen. Schließlich spielen Legal Opinions bei M&A-Transaktionen, also Erwerb, Veräußerung und Verschmelzung von Unternehmen, Unternehmensteilen oder Unternehmensanteilen eine erhebliche Rolle.
142
Im Falle einer Veräußerung von Gesellschaftsanteilen ist es im anglo-amerikanischen Rechtskreis nicht unüblich, dass der Rechtsanwalt des Veräußerers dem Erwerber gegenüber eine Legal Opinion abgibt, in der er bestätigt, dass die Anteile, die erworben werden sollen, wirksam bestehen und nicht belastet sind, dem Veräußerer gehören bzw. der Veräußerer berechtigt ist, darüber zu verfügen. Letztlich will der Erwerber aufgrund der Legal Opinion die Sicherheit darüber haben, das er durch die geplante Transaktion auch das angestrebte Ziel, nämlich den Erwerb der Anteile und damit die volle Verfügung über die Gesellschafterrechte des Veräußerers erreichen kann.
143
In Transaktionen in Deutschland ohne Auslandsbezug sind dagegen derartige Legal Opinions nicht üblich. Auch in grenzüberschreitenden Transaktionen sind derartige Legal Opinions jedenfalls nicht eindeutiger Marktstandard. Zudem besteht etwa bei GmbH-Anteilen und Aktien fast immer die Schwierigkeit, dass der Rechtsanwalt kaum mit Sicherheit sagen kann, dass der Veräußerer Inhaber der Gesellschafterstellung ist. Nicht selten ist z.B. im Falle der Veräußerung von Familiengesellschaften mit einer komplexen Historie bezüglich Anteilsveräußerungen lediglich eine Bestätigung möglich, dass es keine Anhaltspunkte für eine unvollständige Kette von Anteilsübertragungen gibt.
144
Gerade bei Akquisitionen kann die Abgabe von Third Party Opinions zudem häufiger zu Interessenkonflikten führen, worauf unten unter 8. (Rz. 203 ff.) näher einzugehen ist. c) Besonderheiten der internationalen Praxis
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In der internationalen Praxis werden im Zusammenhang mit der Abgabe von Legal Opinions für die Bezeichnung der verschiedenen Rechtsanwälte und deren Funktio-
1 Gerade bei Kapitalmarkttransaktionen ist dabei wegen des hohen Haftungsrisikos besondere Sorgfalt auf die Formulierung der Aussagen und etwa erforderlicher Einschränkungen zu verwenden. So wird es dem Anwalt ex post in aller Regel im Falle von Inhaberaktien nicht möglich sein, die ordnungsgemäße Einladung bzw. Legitimation der beschließenden Aktionäre bei pre-IPO Kapitalerhöhungen zweifelsfrei zu bestätigen. Des weiteren ist bei allen Aussagen bezüglich der Aufbringung des Grundkapitals Vorsicht geboten. Bei einer aktuellen Barkapitalerhöhung ist hierfür die Bestätigung der Bank gemäß §§ 188 Abs. 2, 36 Abs. 2, 36a, 37 Abs. 1 AktG erforderlich und ausreichend; bei Sachkapitalerhöhungen wird ein Anwalt i.d.R. nicht einmal die Werthaltigkeit in Höhe des geringsten Ausgabetrages i.S.d. § 9 AktG bestätigen können. 2 Vgl. dazu sogleich Rz. 167 ff.
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nen in einer grenzüberschreitenden Transaktion eine Reihe von Fachbegriffen verwendet, die nachfolgend kurz erläutert werden sollen. aa) Principal Counsel. Regelmäßig werden bei internationalen Transaktionen die rechtlichen Fragen nicht nur eine Rechtsordnung, sondern eine Vielzahl von Rechtsordnungen berühren. In diesen Fällen wird für die Legal Opinion häufig das Zusammenspiel von Principal Counsel einerseits und Local Counsel bzw. Foreign Counsel andererseits relevant.
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Unter dem Principal Counsel1 versteht man den Rechtsanwalt, der der Rechtsordnung angehört, der die wichtigsten Verträge der Transaktion unterliegen und dem gegenüber der betreffenden Partei die „Steuerung“ und Strukturierung der Transaktion obliegt. Er gibt die Legal Opinion zu diesen wesentlichen Verträgen ab und muss auch nach den Vorschriften und Regeln des Internationalen Privatrechts bestimmen, welche anderen Rechtsordnungen auf die vertraglichen Verpflichtungen und betroffenen rechtlichen Fragen Anwendung finden, um ggf. einen Local Counsel mit diesen Rechtsfragen zu betrauen.
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In der Verantwortung des Principal Counsel liegt es, gegenüber dem Mandanten die u.U. verschiedenen Local Counsel anzusprechen und deren Legal Opinions mit der Gegenseite abzustimmen und die termingerechte Abgabe zu koordinieren. Dabei wird man davon ausgehen können, dass der Principal Counsel seinen Pflichten nicht schon dann genügt, wenn er einfach eine Legal Opinion eines Local Counsel einholt. Der Principal Counsel hat i.d.R. auch die Verpflichtung, die erforderliche Sorgfalt aufzuwenden, um die bei umfassender Betrachtung relevanten rechtlichen Probleme und Risiken unter anderen Rechtsordnungen zu adressieren und sicherzustellen, dass diese in der Legal Opinion des Local Counsel angesprochen sind2.
148
In der Legal Opinion des Principal Counsel wird sich das Verhältnis zur Legal Opinion der Local Counsels zumeist dadurch zeigen, dass der Principal Counsel in seiner Legal Opinion alle Rechtsfragen ausklammert, die Bezug zu einer fremden Rechtsordnung haben bzw. einem fremden Recht unterliegen. Dies kann auf zwei Arten geschehen: Der Principal Counsel kann entweder in seiner Legal Opinion bestimmte Annahmen (Assumptions) im Hinblick auf Fragen treffen, die dem fremden Recht unterliegen. Ein anderer Weg ist es, dass der Principal Counsel zwar Aussagen über rechtliche Schlussfolgerungen der eigenen Rechtsordnung trifft, die von rechtlichen Schlussfolgerungen des fremden Rechts abhängen, aber in der Opinion deutlich macht, dass er sich dabei auf eine Legal Opinion des Local Counsel stützt und selbst keine eigene Aussagen zu diesen Fragen treffen will. In beiden Fällen wird für den Empfänger der Legal Opinion klar, inwieweit er die Legal Opinion des Local Counsel heranziehen muss, um für die Gesamttransaktion die nötige Sicherheit zu erlangen3.
149
Daneben besteht die eher theoretische Möglichkeit, dass sowohl der Principal Counsel als auch der Local Counsel eine Legal Opinion zur Gesamttransaktion abgeben und beide darin darlegen, dass sie – soweit fremdes Recht betroffen ist – sich jeweils auf die Aussagen des anderen Anwalts verlassen. Dieser Ansatz hat für den Empfänger der Legal Opinion zumeist den Nachteil, dass für ihn nicht hinreichend klar wird,
150
1 Vgl. zum Begriff des Principal Counsel Gruson/Hutter, S. xxvii und Gruson/Hutter/Kutschera, S. 14 ff., jeweils herausgegeben von der International Bar Association (IBA). Zu den verschiedenen Ausstellern von Opinions bei Kapitalmarkttransaktionen ausführlich zuletzt Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 13 ff. 2 Vgl. zu diesen Pflichten etwa Gruson/Hutter, S. xxix und Gruson/Hutter/Kutschera, S. 15 f. 3 So insbesondere Gruson/Hutter/Kutschera, S. 15 ff.
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wie die Verantwortungsbereiche zwischen Principal Counsel und Local Counsel abgesteckt sind. Daher wird – etwa auch in den Veröffentlichungen der International Bar Association (IBA) – darauf hingewiesen, dass dies in der Regel den Anforderungen des Empfängers nicht genügen dürfte und nicht einer „Good Practice“ entspricht1. 151
bb) Local Counsel. Der Local Counsel bzw. Foreign Counsel stellt den Gegenbegriff zum Principal Counsel dar. Es ist die Aufgabe des Local Counsel, zu den Rechtsfragen zu beraten und eine Legal Opinion abzugeben, die bei einer internationalen Transaktion – aus dem Blickwinkel des Principal Counsels – einer fremden Rechtsordnung unterliegen. Wie bereits dargelegt, wird der Principal Counsel ein Anwalt aus derjenigen Rechtsordnung sein, der die wesentlichen Verträge der Transaktion unterliegen. Soweit für weitere Verträge oder vorgreifliche Rechtsfragen ein anderes Recht anwendbar ist, ist der Local Counsel gefordert.
152
cc) Special Counsel. Ein Special Counsel ist ein Rechtsanwalt, der eine Legal Opinion zu rechtlichen Sonderfragen abgibt, die inhaltlich bzw. hinsichtlich einer besonderen Rechtsmaterie nicht von der Legal Opinion des Principal Counsel umfasst werden.
153
Eine derartige Legal Opinion eines Special Counsel kommt etwa in Betracht, wenn steuerliche Fragen für eine Transaktion eine erhebliche Rolle spielen und die steuerliche Gestaltung bzw. die Aussage, dass die gewählte Gestaltung die gewünschten steuerlichen Folgen hat, durch eine Legal Opinion bestätigt werden soll. In einem solchen Falle würde für steuerrechtliche Fragen ein Special Counsel eine inhaltlich klar umgrenzte und beschränkte Legal Opinion abgeben, sofern dem Local Counsel die erforderliche Expertise fehlt oder angesichts der potentiellen Haftung eine größere Kanzlei involviert werden soll.
154
Ein weiteres Beispiel für eine Legal Opinion eines Special Counsel sind insolvenzrechtliche Fragen, sofern diese für die Transaktion von besonderer Bedeutung sind, etwa weil der Kauf von Vermögensgegenständen aus der Insolvenz einer Gesellschaft in Frage steht. Hier wird oft nicht der Principal Counsel die insolvenzrechtlichen Fragen oft nicht mitbehandeln. Die notwendige Transaktionssicherheit wird vielmehr durch eine gesonderte Legal Opinion eines Special Counsel für diese Fragestellungen gewährleistet werden. Weiteres Beispiel für eine Legal Opinion eines Special Counsel sind in jüngerer Zeit umweltrechtliche Fragestellungen bei Grundstückstransaktionen sowie gewerbliche Schutzrechte, und hier inbesondere Patente2.
155
dd) Issuer’s Counsel. Der Issuer’s Counsel, also der rechtliche Berater des Emittenten, stellt den Gegenbegriff zum Bank’s Counsel, also dem rechtlichen Berater der (Emissions-)Banken, dar und hat bei Kapitalmarkttransaktionen Bedeutung.
156
Auf die Aufgaben eines Issuer’s Counsel bzw. dessen Legal Opinion wurde bereits oben im Zusammenhang mit der Rolle von Legal Opinions bei Kapitalmarkttransaktionen eingegangen. Der Issuer’s Counsel gibt eine Legal Opinion gegenüber den Emissionsbanken ab3.
1 Gruson/Hutter/Kutschera, S. 17. 2 Insbesondere zu Patentanwälten als Special Counsel ausführlich Seiler in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 16. Derartige Fragestellungen sind insbesondere in der Biotechnologie- und Pharmabranche aufgrund der Bedeutung für den Unternehmenswert gegenüber sog. Generika-Herstellern von Bedeutung. 3 Zur Abgrenzung des Beratungsumfangs gegenüber dem Underwriters Counsel und die häufig vorhandene „Nähe“ zum Emittenten, Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 13 m.w.N.
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Außerdem umfasst die Legal Opinion eine Bestätigung der Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit des Übernahmevertrags und der Umstände, die mit der Emission der Aktien zusammenhängen. Dies umfasst insbesondere Aussagen, dass die Emission von den gesellschaftsrechtlich zuständigen Organen beschlossen worden ist und die Ausgabe der Aktien mit den Regelungen des Gesellschaftsrechts und der Satzung übereinstimmt. Neben dem Issuer’s Counsel wird auch der sog. Underwriters Counsel, gegenüber den Emissionsbanken eine Legal Opinion abgeben. Die Abgabe zweier in ihren Kernaussagen übereinstimmender Opinions bedeutet für die Emissionsbanken eine erhöhte Sicherheit, da sie von zwei Rechtsanwälten eine Bestätigung zu den rechtlichen Risiken erhalten. Auch für den Anwalt des Emittenten und des Bankenkonsortiums ist es jedoch vorteilhaft, wenn eine weitere renommierte Sozietät eine identische Legal Opinion abgibt.
157
ee) Weitere Aussteller. Bei großen Transaktion und/oder renommierten Emittenten, deren eigene Rechtsabteilung über eigenes Spezial-Know How sowie Interna bezüglich wichtiger Sachverhalte verfügt, wird bisweilen auch eine Opinion des General Counsel (Chefsyndikus) des Emittenten gefordert1.
157a
3. Funktionen der Legal Opinion, insbesondere Third Party Legal Opinion In grenzüberschreitenden Transaktionen oder bei Aktienplatzierungen gibt der Rechtsanwalt die Legal Opinion auf Veräußerer- bzw. Emittentenseite häufig nicht gegenüber dem eigenen Mandanten ab, sondern adressiert sie an die Gegenseite.
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Daher sind bei der Bestimmung der Funktionen der Legal Opinion auch die unterschiedlichen Sichtweisen der beteiligten Parteien, also des Empfängers, des Mandanten und des Anwalts zu berücksichtigen2. a) Sicht des Empfängers der Legal Opinion Die hauptsächliche Funktion einer Legal Opinion aus Sicht des Empfängers liegt in der Risikobegrenzung für den Empfänger. Dabei hat die Risikobegrenzung zwei verschiedene Aspekte: Zum einen hat die Legal Opinion eine Informationsfunktion. Durch die Legal Opinion und die Verhandlungen darüber werden Risiken der Transaktion aufgedeckt und es wird möglich, diese Risiken einzuschätzen. Gegebenenfalls können auch Gestaltungsmöglichkeiten gefunden werden, durch die die Risiken minimiert werden. Der Empfänger der Legal Opinion wird zu diesen Risiken zwar auch den eigenen Rechtsberater konsultieren; der Vorteil einer Auskunft der Gegenseite besteht aber darin, dass die Gegenseite nicht selten einen Informationsvorsprung hat. Im Verhältnis zwischen dem Vertragspartner und dessen rechtlichen Berater können durchaus Gründe dafür sprechen, dem rechtlichen Berater ein größeres Vertrauen zu schenken als der Gegenseite. Für den rechtlichen Berater steht seine Reputation auf dem Spiel, außerdem hat er Interesse an einer Beteiligung an ähnlichen Transaktionen in der Zukunft. Irreführende oder schuldhaft falsche Auskünfte können darüber hinaus auch berufsrechtliche Folgen für den rechtlichen Berater haben. Dagegen besteht bei den Auskünften der anderen Vertragspartei das Risiko, dass sich deren Unrichtigkeit häufig erst in der Insolvenz der Partei herausstellt3. 1 Die Aussagen betreffen häufig z.B. den aktuellen Stand zu bedeutenden anhängigen Gerichtsoder behördlichen Verfahren. Zu Haftungsfragen im Zusammenhang mit Inhouse Opinions siehe näher Rz. 183 ff. 2 Vgl. dazu auch Adolff, S. 28 ff. 3 Vgl. dazu Adolff, S. 29.
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Eine weitere Funktion der Legal Opinion ist die Möglichkeit der Risikoabwälzung. Für den Fall, dass die Transaktion fehl schlägt, besteht bei Abgabe einer Legal Opinion die Erwartung, bei entsprechend eindeutigen Aussagen auf einen weiteren Schuldner zugreifen zu können1. Auch wenn die Haftung des Anwalts aus einer Legal Opinion je nach Rechtsordnung stark variiert und es etwa für das US-amerikanische Recht außer Streit zu stehen scheint, dass ein Anwalt durch die Abgabe einer Legal Opinion nicht für den Mandanten, dessen Bonität oder die Richtigkeit der wesentlichen Aussagen haftet, wird die Legal Opinion gleichwohl häufig als wichtiges zusätzliches Instrument der Kreditsicherung wahrgenommen2.
161
Adolff3 weist zudem zutreffend darauf hin, dass die beiden beschriebenen Funktionen der Legal Opinion sich aus durchaus unterschiedlichen Motiven ergeben und unterschiedliche Erwartungen widerspiegeln: Wenn es dem Empfänger bei der Legal Opinion in erster Linie um die Risikoabwälzungsfunktion geht, wird er eher darauf drängen, eine möglichste „harte“ Opinion ohne Einschränkungen (Qualifications) zu erhalten, da so die Sicherheit erhöht wird, im Falle eines Scheiterns oder Misserfolgs des Projekts aus Rechtsgründen keinen Schaden zu nehmen. Anders ist es dagegen, wenn die Informationsfunktion im Vordergrund steht. Eine Legal Opinion mit Einschränkungen wird diese Informationsfunktion eher erfüllen, da sie den Empfänger auf mögliche Risiken einer Transaktion aufmerksam macht. Das Interesse, einseitig Risiken abzuwälzen, wird immer dann besonders deutlich, wenn der Empfänger einer Reasoned oder Qualified Opinion entweder auch noch nach dem Erhalt der Opinion an der Richtigkeit der Aussagen zweifelt oder für Themenbereiche eine eindeutige Aussage vom Anwalt erhalten möchte, zu der dieser sich außer Stande sieht.
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Neben der Risikobegrenzung erfüllt die Legal Opinion aus Sicht des Empfängers auch eine Referenzfunktion. Dies gilt insbesondere, wenn durch die Legal Opinion gegenüber dritten Parteien belegt werden soll, dass die Forderungen aus einem Vertrag zu dem die Legal Opinion abgegeben wurde, wirksam und durchsetzbar bestehen; Letzteres allerdings nur, sofern die Offenlegung der Opinion erlaubt ist.
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Vernachlässigbar ist dagegen i.d.R. für die Abgabe einer Legal Opinion das Argument der Kostenverteilung. Man könnte zwar argumentieren, dass der Empfänger der Legal Opinion sich auf die Aussage des gegnerischen Anwalts verlässt und dafür den eigenen Anwalt veranlassen könnte, etwa bei einer Due Diligence geringere Anstrengungen zu unternehmen als ohne gegnerische Legal Opinion. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die Transaktionskosten durch vertragliche Gestaltungen direkt oder indirekt umverteilt werden und deshalb eine Beeinflussung des Sorgfaltsmaßstabs der falsche Weg ist. Im Übrigen steht diesen Überlegungen der potentielle Renommee-Verlust der die Opinion abgebenden Berater entgegen sowie im Haftungsfalle der Einwand des Mitverschuldens4. b) Sicht des Mandanten
164
Zur Abgabe einer Legal Opinion wird der Mandant seinen Anwalt nur dann auffordern, wenn dies einer Forderung der Gegenseite entspricht. Häufig fordert die Gegen1 Vgl. zu dieser Funktion auch Louven, VersR 1997, 1050, 1057. 2 So auch Adolff, S. 31. Dabei ist jedoch deutlich darauf hinzuweisen, dass weder Legal Opinions noch Disclosure Letters die Funktion haben (können), den Vertragsparteien die ökonomischen Risiken der Transaktion abzunehmen oder (erkannte) Mängel der Transaktionsstruktur zu kompensieren, vgl. dazu schon bei Rz. 100. 3 Adolff, S. 31. 4 Siehe dazu auch Rz. 198 f.
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seite die Abgabe einer Legal Opinion und sieht darin eine konkrete Bedingung für das Geschäft (also etwa eine Closing Condition), so dass die Durchführung des Geschäfts u.a. von der Abgabe der Legal Opinion abhängt. Soweit die Abgabe einer Legal Opinion nicht ohnehin der gängigen Marktpraxis in dem betreffenden Marktsegment entspricht, wird hinter der Aufforderung des Mandanten gegenüber seinem Anwalt, eine Legal Opinion abzugeben, häufig der Bestätigungsaspekt stehen. Die Gegenpartei schenkt den Aussagen des Mandanten selbst keinen hinreichenden Glauben und möchte daher durch eine Begutachtung der Fragen durch den Anwalt eine zusätzliche Sicherheit erlangen. Maßgeblich ist, wie groß das Vertrauen des Empfängers in die Kompetenz der Kanzlei und die Sorgfalt bei der Überprüfung der sachlichen Richtigkeit der Aussagen ist1.
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c) Sicht des Anwalts Der Anwalt selbst hat regelmäßig kein eigenes Interesse an der Abgabe einer Legal Opinion. Im Vordergrund steht hier die Förderung der Mandanteninteressen.
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Dagegen ist die Abgabe einer Legal Opinion aus Sicht des Anwalts mit erheblichen Risiken behaftet. Entscheidend ist die Gefahr für die Reputation und unter Umständen ein weitreichendes Haftungsrisiko. Der Anwalt wird sich die Abgabe einer Opinion daher durch ein erhöhtes Honorar kompensieren lassen2. 4. Funktionen der Disclosure Opinion Eine sog. Disclosure Opinion (zutreffender: Disclosure Letter3) wird sowohl von den Rechtsberatern der Emissionsbanken als auch von den Rechtsberatern des Emittenten gegenüber den Emissionsbanken abgegeben. Darin bestätigen die Anwälte, dass ihnen auch in den übrigen Beratungen und bei der Einsichtnahme in Unterlagen der Gesellschaft keine Umstände bekannt geworden sind, die zur Unrichtigkeit des Prospekts in wesentlichen Punkten führen würden (hierbei werden die Financial Statements/Finanzangaben und alle sich darauf beziehenden Aussagen ausdrücklich ausgenommen). Die Funktion einer „Opinion“ für den Finanzteil des Prospekts kommt dem sog. Comfort Letter der Wirtschaftsprüfer zu4.
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In der Disclosure Opinion wird bestätigt, dass der Wertpapierprospekt nach Kenntnis des Anwalts keine irreführenden Aussagen enthält.
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Eine typische Formulierung einer Disclosure Opinion lautet wie folgt:
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„In the course of our acting as German counsel to the Underwriters [the issuer] in connection with the preparation of the Offering Circular (Wertpapierprospekt), we participated in conferences and telephone conversations with representatives of the Company, [representatives of the US counsel of the Company], the US counsel of the Underwriters, representatives of the independent public accountants of the Company, and your representatives during which conferences and conversations the con-
1 Adolff, S. 34. 2 Zu Kostenfragen, insbesondere der Kostenüberwälzung, im Kapitalmarktrecht Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 48 f. sowie Thümmel in Münchener Vertragshandbuch Bd. 3, 2. Halbband, Muster I3, Anm. 12. 3 So auch Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 54 mit Hinweis auf die US-amerikanischen Usancen. 4 Vgl. dazu umfassend unter Rz. 209 ff.
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tents of the Offering Circular and related matters were discussed, and we reviewed certain German corporate records and other documents furnished to us by the Company and carried out such further inquiries as we have deemed necessary and appropriate as to German law and obtained such further information. In addition, we reviewed comfort letters dated [date] and addressed to you from the Company’s auditors. Based on our participation in such conferences and conversations and review of such records and documents as described above as well as certain legal opinions governed by foreign law, our understanding of the German Securities Prospectus Act (Wertpapierprospektgesetz), the Prospectus Regulation (EC) No. 809/2004 as well as the German Stock Exchange Act (Börsengesetz) and the experience we have gained in our practice thereunder, we advise you that no information has come to our attention that causes us to believe that the Offering Circular (except the financial statements and schedules and other financial, accounting or statistical data included therein or statements or explanations relating thereto such as the above-referenced summary of significant accounting principles, as to which we express no view), as of its date, contained an untrue statement of, or omitted to state, a fact which is material for the assessment of an investment in the Offer Shares („unrichtige oder unvollständige Angaben, welche für die Beurteilung von Wertpapieren wesentlich sind“), all within the meaning of § 13 German Securities Prospectus Act and § 44 German Stock Exchange Act.“ 170
Der Zweck der Disclosure Opinions besteht darin, das Risiko der Prospekthaftung aus § 44 BörsG n.F. (§ 45 BörsG a.F.) für die Prospektverantwortlichen abzumildern. Durch die Bestätigungen der Anwälte und die Comfort Letter der Wirtschaftsprüfer wollen die Konsortialbanken eine zusätzliche Absicherung, dass sie weder positive Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts hatten. Es handelt sich wie beim Officers Certificate um ein dokumentarisch unterlegtes und damit finalisiertes Element der Due Diligence-Defense1. Fraglich ist aber im Einzelfall, ob sich die Banken unbesehen auf die Legal Opinions und den Comfort Letter verlassen dürfen. Jedenfalls in Fällen, in denen deren Unrichtigkeit offensichtlich ist, wird eine grobe Fahrlässigkeit nicht selten auch bei den Banken vorliegen. Die Banken sind je nach Status und Renommé des Emittenten zu einer schwächeren oder vertieften Plausibilitätskontrolle verpflichtet. Dies gilt insbesondere bei Comfort Letters für junge, kleine oder zweifelhafte Emittenten, da die Banken aufgrund ihres eigenen Wissens zumindest in Teilen zu einer Kontrolle in der Lage sind und dies auch zumutbar sein dürfte2.
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Im weiteren Verlauf der Emission verlangen die Konsortialbanken häufig weitere sog. Updated Legal Opinions. Diese bestätigen in einem kurzen Schreiben unter Bezugnahme auf die bereits abgegebenen Legal und Disclosure Opinions, dass sich seit deren Erteilung die Umstände nicht geändert bzw. nur plangemäß (erfolgte Preisfeststellung, Zuteilung, Handelsregistereintragung) entwickelt haben und die in den Opinions getroffenen Aussagen weiterhin zutreffend sind. Typische Daten für die Erstellung der Legal Opinions sind 1. die Veröffentlichung des Unvollständigen Wertpapier1 Dabei ist der Disclosure Letter vor allem bei Platzierungen mit Rule 144A-Tranche unverzichtbar; dem Officers Certificate kommt daneben gerade im deutschen Recht ergänzend eine nicht unwesentliche Bedeutung zu. 2 Siehe dazu näher Prospekthaftung unten Rz. 349; zu Umfang und Grenzen der Verteidigungsfunktion eines Disclosure Letters im deutschen und US-amerikanischen Recht Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 51 f.
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prospekts, 2. die Veröffentlichung des Wertpapierprospekts, 3. die Unterzeichnung des Underwriting Agreements und schließlich 4. das Datum des Settlement oder die Ausübung des sog. Greenshoes. 5. Funktionen der In-house Opinion Bei einer sog. „In-house Opinion“ handelt es sich um eine Third Party Legal Opinion eines Syndikusanwalts, der als angestellter Mitarbeiter mit Rechtsanwaltszulassung für eine Vertragspartei bzw. für den Emittenten rechtliche Aussagen trifft.
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Ein besonderes Problem bei der Abgabe von In-house Opinions ist die Frage, inwieweit der Unterzeichner von In-house Opinions für die Abgabe der Opinion haftet. Unabhängig von der allgemeinen Haftungsfrage geht es hierbei um zwei Fragen: Zum einen ist zu klären, ob eine an die Vertragsgegenseite gerichtete In-house Opinion eine eigene Erklärung des Syndikus ist oder eine Erklärung der Gesellschaft, für die der Syndikus arbeitet. Soweit man eine eigene Erklärung des Syndikusanwalts annimmt, stellt sich die Frage nach einer persönlichen Haftung des Syndikus im Falle einer falschen Erklärung. Wenn dagegen die In-house Opinion eine Erklärung der Gesellschaft darstellt, wird regelmäßig im Falle einer falschen Erklärung keine Haftung des Syndikus, sondern eine Haftung der Gesellschaft selbst in Betracht kommen, die dann neben die übrigen Pflichten des Vertrages tritt1.
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a) In-house Opinion als Erklärung des Syndikus oder Erklärung der Gesellschaft Die Frage, ob eine eigene Erklärung des Syndikus oder eine Erklärung der Gesellschaft vorliegt, ist durch die Auslegung der Erklärung unter Bestimmung des Erklärungsinhalts zu beantworten. Ausgangspunkt hierfür sind die Regelungen über die Vertretung und dabei insbesondere § 164 BGB. Nach § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB sind für die Auslegung der Willenserklärung, ob eine Erklärung im eigenen Namen oder im fremden Namen gewollt war, auch die Umstände des Einzelfalls heranzuziehen. Bei der Abgabe einer In-house Opinion können solche Umstände v.a. im Wortlaut und Inhalt der Erklärung, der Unterzeichnung der Opinion und der Wahl des Briefpapiers liegen. Z.B. gibt der Syndikusanwalt eine Erklärung eindeutig im Namen der Gesellschaft ab, wenn er Geschäftspapier der Gesellschaft verwendet und der den Brief im Namen der Gesellschaft unterzeichnet („ppa“)2.
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Ein Beispiel einer solchen Erklärung (auf Geschäftspapier der Gesellschaft) könnte wie folgt aussehen:
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„We, the undersigned [name of the issuer] („the Issuer“), [acting through its Legal Department] are giving this opinion pursuant … … Yours sincerely [Name of the issuer] ppa. i.V. [Signature 1] [Signature 2]“
1 Vgl. dazu H. Schneider, Vortragsmanuskript und Biegel, BB 2004, 1457, 1460. 2 Vgl. hier auch zu den Beispielen und Auslegungsgrundsätzen H. Schneider, Vortragsmanuskript, S. 3 ff. Ähnlich auch Gruson, RIW 2002, 596, 606 ff. Vgl. auch Biegel, BB 2004, 1457, 1460 f.
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Hier sprechen sowohl Inhalt als auch Form der gesamten Erklärung eindeutig dafür, dass der Syndikusanwalt, der die Erklärung unterzeichnet hat, eine Erklärung für die Gesellschaft abgeben will. Darauf deutet neben den bereits genannten Aspekten die Unterzeichnung unter der Firma des Emittenten hin, auch der Vertretungszusatz ppa. oder i.V., der jedenfalls im deutschen Rechtsverkehr eindeutig zum Ausdruck gibt, dass es sich um eine Erklärung als Vertreter handelt. Ebenfalls spricht dafür die „Wir“-Form, die eine Erklärung der Gesellschaft enthält sowie die Unterschrift durch zwei Personen, die ebenfalls Vertretung andeutet.
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Eine Erklärung des Syndikusanwalts liegt dagegen vor, wenn diese von ihm in eigenem Namen, auf eigenem Briefpapier abgegeben wurde und von ihm selbst in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt unterzeichnet wird.
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Ein Beispiel einer solchen Erklärung – auf einem eigenen Briefpapier des Syndikusanwalts – könnte wie folgt lauten: „I am duly admitted to the practice of law in the Federal Republic of Germany [and have advised [name of the issuer] (the „Issuer“), in my capacity as its General Counsel, in relation to the [name of the agreement] (the „Agreement“) dated [date] between the Issuer and yourselves] and am giving this opinion pursuant … … Yours sincerely [Signature] [General Counsel]“
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Hier spricht für die eigene Erklärung der persönliche Briefkopf („Syndikusbogen“) ebenso wie die „Ich“-Form, die auf die unterzeichnende Person hinweist, und der Bezug auf den Status als Rechtsanwalt. Schließlich fehlt auch in diesem Beispiel jeder Hinweis auf ein Vertretungsverhältnis.
180
Zweifelsfälle können etwa dann entstehen, wenn die Erklärung zwar auf Briefbögen der Gesellschaft abgegeben wird, aus dem Wortlaut der Erklärung aber nicht hinreichend deutlich wird, dass keine Erklärung als Syndikusanwalt gewollt ist, sondern eine Erklärung der Gesellschaft; dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Syndikus die Erklärung im eigenen Namen abgibt und/oder im eigenen Namen unterzeichnet, ohne auf eine Vertretung der Gesellschaft Bezug zu nehmen.
181
Es sollte daher darauf geachtet werden, dass In-house Opinions in Formulierung und Umständen eher dem ersten Fall entsprechen, um auf diese Weise eine eigene Erklärung des Syndikusanwalts und damit dessen persönliche Haftung auszuschließen.
182
Bei der Auslegung ist schließlich der Empfängerhorizont und das internationale Szenario zu berücksichtigen. Gerade vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, eine möglichst eindeutige Sprache und Erklärung zu wählen, um auch gegenüber einem ausländischen Empfänger nicht den Eindruck zu erwecken, dass eine eigene Erklärung des Syndikus mit ggf. eigener Haftung gewollt war. b) Haftung für eine In-house Opinion1
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Soweit die Auslegung der Erklärung ergeben hat, dass es sich bei der In-house Opinion um eine Erklärung der Gesellschaft handelt, gilt für die Rechtsnatur und die rechtlichen Konsequenzen das nachfolgende: 1 Vgl. zur Haftung für eine In-house Opinion allgemein auch Gruson, RIW 2002, 596, insb. 604 ff. und Biegel, BB 2004, 1457 ff.
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§ 10
Legal Opinions
Der Syndikusanwalt gibt die Erklärung im Namen der Gesellschaft ab und verpflichtet damit die Gesellschaft selbst. Hinsichtlich des Inhalts der Erklärung liegt eine Gewährleistung vor. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann dann die In-house Opinion als Angebot zu einem Gewährleistungsvertrag unter Verzicht auf den Zugang der Annahme zu verstehen sein (§ 151 BGB). Der Gewährleistungsvertrag kann dann ggfs. sogar selbständig neben die übrigen Verpflichtungen des Vertrags treten.
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Das Interesse des Empfängers einer In-house Opinion ist es, eine Gewähr dafür zu haben, das der Vertragspartner durch seinen Juristen auch in formalisierter Weise bestätigt hat, dass die Verpflichtungen aus dem Vertrag wirksam sind1. Damit erhält der Vortrag der Vertragsgegenseite noch einmal eine zusätzliche formelle Basis. Dies ist für den Empfänger zumeist wichtiger als eine weitere Haftungsgrundlage, falls sich die Aussage als falsch erweisen sollte. Durch die selbständige Erklärung der Gesellschaft wird die Rechtstellung der Gegenseite noch einmal verstärkt.
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Im Falle unzutreffender Aussagen in der In-house Opinion stellt dies i.d.R. eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung der Gesellschaft dar, die selbständig neben die Gewährleistungen aus dem Vertrag (sog. Representations and Warranties) tritt. Von Bedeutung kann diese weitere Haftungsgrundlage etwa in einem Fall sein, in dem der Vertrag nichtig ist. Dann sind nämlich auch die im Vertrag enthaltenen Gewährleistungen nichtig und der Vertragsgegner kann keine Haftungsfolgen mehr daraus ableiten. Eine Haftung aus der In-house Opinion kommt dagegen möglicherweise gleichwohl in Betracht.
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Soweit die In-house Opinion nicht im Namen der Gesellschaft abgegeben wurde, sondern eine eigene Erklärung des Syndikusanwalts darstellt, stellt sich die Haftung genauso dar, wie bei einem Rechtsanwalt, der eine Legal Opinion abgibt. Auf die einschlägigen Anspruchsgrundlagen und Haftungsvoraussetzungen wird im nächsten Abschnitt eingegangen2.
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6. Haftung und Haftungsfolgen Die Haftung aus einer Third Party Legal Opinion ist dogmatisch bei der Haftung des Experten gegenüber Dritten zu verorten, da ein vertragliches Beratungsverhältnis zu dem Dritten i.d.R. nicht begründet werden soll3. Diese Expertenhaftung ist eine Schöpfung des Richterrechts. Die dogmatischen Grundlagen einer solchen Haftung sind in hohem Maße umstritten. Dabei werden im einzelnen die folgenden Anspruchsgrundlagen diskutiert: Auskunftsvertrag (Auskunftserteilungsvertrag/Auskunftshaftungsvertrag); Garantievertrag; echter Vertrag zugunsten Dritter; Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter; Drittschadensliquidation; unerlaubte Hand-
1 Vgl auch Gruson, RIW 2002, 596, 605, der als Grund für eine In-house Opinion anführt, dass der Vertragspartner die Gewähr haben möchte, dass sich die juristischen Mitarbeiter der Vertragspartei die Verträge angesehen haben, mit der Transaktion vertraut sind und keine rechtlichen Probleme bei der Durchführung sehen. Zudem stellt die In-house Opinion in gewisser Weise sicher, dass der Syndikusanwalt auch die Gewährleistungen des Vertrages überprüft hat. 2 Zu den Möglichkeiten einer Vermeidung der Haftung vgl. Gruson, RIW 2002, 596, 608. 3 Ausführlich zur Expertenhaftung Canaris, ZHR 163 (1999), 206 ff. und Hannes Schneider, ZHR 163 (1999), 246 ff. Zur Haftung für eine Legal Opinion nach US-amerikanischen Recht vgl. schon Jander/De Mesnil de Rochemont, RIW 1976, 332, 339 und ausführlich bei Gruson, RIW 2002, 596. Allgemein zur Haftung in internationalen Mandaten Louven, VersR 1997, 1050 ff., der auf S. 1057 auf die Haftung bei einer unrichtigen Legal Opinion eingeht. Ebenfalls zur Haftung für Legal Opinion Bosch, ZHR 163 (1999), 274, 276.
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§ 10
Börsennotierung
lung (§§ 823 Abs. 2, 826 BGB); § 311 i.V.m. §§ 241 Abs. 2, 280 BGB (culpa in contrahendo) sowie ein gesondertes Rechtsinstitut der „Berufshaftung“. 189
An dieser Stelle kann die dogmatische Einordnung der Haftung nicht im Einzelnen diskutiert werden1. Der Grund für den ungelösten dogmatischen Streit liegt im Wesentlichen in zwei Strukturentscheidungen des deutschen Rechts. Zum einen gibt es grundsätzlich keine deliktische Haftung für reine Vermögensschäden. Die Voraussetzungen von § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB als Schutzgesetz werden deshalb in aller Regel nicht erfüllt sein. Zwar wird in der Literatur diskutiert, ob fremde Vermögensinteressen über Verkehrssicherungspflichten als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden könnten. Dies ist aber de lege lata abzulehnen. Würde man den Schutz fremder Vermögensinteressen über die Verkehrsicherungspflicht unter § 823 Abs. 2 BGB subsumieren, würde dies zu einer unbeschränkten Ausdehnung der Haftungsgrundlagen führen, die im Übrigen der oben genannten Wertung des BGB entgegenstünde. Hier müsste also der Gesetzgeber tätig werden2. Die zweite Grundentscheidung ergibt sich aus § 675 Abs. 2 BGB, wonach aus einem Rat oder einer Empfehlung keine Haftung resultiert, wenn dafür keine Basis in einem Vertragsverhältnis, einer unerlaubten Handlung oder sonstigen gesetzlichen Bestimmungen besteht.
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Als Haftungsgrundlage für Third Party Opinions kommt am ehesten eine Vertrauenshaftung in Betracht, deren dogmatische Grundlage seit der Schuldrechtsreform in § 311 Abs. 2 i.V.m. §§ 241 Abs. 2, 280 BGB (culpa in contrahendo) wurzelt, so wie sie vom Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit der Sachwalterhaftung bzw. der Haftung für die Inanspruchnahme von besonderem persönlichen Vertrauen angenommen worden ist3. a) Vertrauenstatbestand
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aa) Begründung. Für die Begründung des Vertrauenstatbestands ist zunächst die Adressierung der Legal Opinion von Bedeutung. Nur wer Adressat der Legal Opinion ist bzw. an wen die Weitergabe ausdrücklich gestattet ist, darf sich auf die Legal Opinion verlassen. Gegenüber anderen Personen wird kein Vertrauenstatbestand begründet4. Falls die Legal Opinion keine ausdrückliche Weitergabe gestattet, müssen besondere Umstände des Einzelfalls für einen weiter reichenden Vertrauenstatbestand sprechen.
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Die Voraussetzung der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens setzt voraus, dass die Legal Opinion eine Erklärung des Anwalts selbst darstellt. Soweit der Anwalt nur im Namen seines Mandanten auftritt, ist dies nicht der Fall. Es fehlt dann an einer eigenen Erklärung des Anwalts. Die Situation ist hier ähnlich wie bei der In-house Opinion des Syndikusanwalts.
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Die Inanspruchnahme eines besonderen Vertrauens stellt darauf ab, dass es um eine Handlung im Kontext rechtlicher Beziehungen gehen muss. Bei der Abgabe einer Le1 Vgl. zu den einzelnen Anspruchsgrundlagen Hannes Schneider, Vortragsmanuskript, S. 2 und Hannes Schneider, ZHR 163 (1999), 246, 249 ff. sowie ausführlich Adolff, S. 80 ff.; Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 212 ff. und jüngstens Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 62 f. 2 Ähnlich Adolff, S. 115 ff. 3 Vgl. dazu im Einzelnen mit zahlreichen Nachweisen Adolff, S. 118 ff. und S. 137 ff. Für die Dritthaftung aus c.i.c. plädiert ebenfalls Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 220 ff. mit ausführlicher Auseinandersetzung mit den dogmatischen Grundlagen. 4 Adolff, S. 167 ff. So auch Hannes Schneider, ZHR 163 (1999), 246, 267.
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Legal Opinions
gal Opinion wird sich dieses besondere Vertrauen regelmäßig bereits aus der Berufsstellung und dem daraus resultierenden privilegierten Zugang zu den von ihm weitergeleiteten Informationen ergeben. bb) Reichweite. Ausgangspunkt für die Reichweite des Vertrauenstatbestands ist zunächst, dass der Anwalt bei der Abgabe einer Anwaltsbestätigung der Wahrheitspflicht unterliegt. Darüber hinausgehende Pflichten, wie etwa Aufklärungs- und Vervollständigungspflichten, obliegen dem Rechtsanwalt gegenüber Dritten nicht, weil dies sonst mit dem Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen kollidieren könnte1. Daraus ergibt sich, dass die inhaltlichen Grenzen der Äußerung auch die Grenzen des Vertrauenstatbestands darstellen. Bei der äußeren Reichweite steht der Wortlaut der einzelnen Substantive Opinions ebenso im Mittelpunkt wie das intendierte Geschäft und die Berücksichtigung der Interessenlage. Adolff weist zutreffend darauf hin, dass sich für den Anwalt aus folgenden Erwägungen eine besondere Schwierigkeit ergibt: Die Legal Opinion hat eine sehr knappe formalisierte Sprache, weshalb die darin enthaltenen Erklärungen nicht selten auslegungsbedürftig sind. Im Übrigen werden Legal Opinions im internationalen Rechtsverkehr fast ausschließlich in englischer Sprache abgegeben. Da die Aussagen jedoch nach deutschem materiellen Recht abgegeben werden, ergeben sich Schwierigkeiten aus der Inkongruenz aus Sprache und Gegenstand des Gutachtens. Auch erschwert das Dreiecksverhältnis mit den damit ggf. verbundenen Interessengegensätzen die Auslegung der Erklärung2. Da dem Anwalt keine Aufklärungs- oder Beratungspflichten gegenüber dem Adressaten der Third Party Legal Opinion obliegen, kann nicht erwartet werden, dass der Anwalt auch Problemen nachgeht, die außerhalb ihres formalisierten Erklärungsinhalts liegen3.
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b) Zurechenbarkeit Für die Zurechenbarkeit des Verhaltens ist es erforderlich, dass der Anwalt fahrlässig verkannt haben muss, dass der Eindruck, den seine Äußerung beim Empfänger hervorrufen musste, unrichtig war. Nach § 282 BGB wird das Verschulden des Anwalts dabei vermutet, wenn die Unrichtigkeit der Aussage feststeht.
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c) Voraussetzungen in der Person des Schadensersatzgläubigers Der Empfänger der Legal Opinion muss tatsächlich auf die Aussage des Rechtsanwalts vertraut haben, er muss also hinsichtlich der Aussage gutgläubig gewesen sein. Wenn der Empfänger selbst die Unrichtigkeit der Aussage kennt oder doch begründete Zweifel hat, kann er auch durch die Legal Opinion i.d.R. keine Sicherheit erlangen. Die Haftungsfolge ergibt sich in diesem Falle insbesondere auch nicht nur aus der „reinen“ Haftungserwartung des Empfängers der Legal Opinion. Dabei muss sich der Empfänger die Bösgläubigkeit des eigenen Anwalts nach § 166 BGB und – bei entsprechender interner Befassung – der Syndikusanwälte zurechnen lassen.
1 Vgl. dazu auch Adolff, S. 159. 2 Vgl. dazu insgesamt Adolff, S. 170 f. 3 Zur Intensität der Richtigkeitskontrolle Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 66, der zutreffend darauf hinweist, dass der Anwalt die Richtigkeit der getroffenen Aussagen nicht garantiert und auch keine Gewähr dafür übernimmt, dass ein Gericht im gleichen Sinne entscheiden wird. Jedenfalls bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte hat er jedoch darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung anderer Auffassung sein könnte bzw. bislang ist.
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Schließlich muss die Kausalität einer fehlerhaften Aussage für den eingetretenen Schaden gegeben sein, indem die Gutgläubigkeit des Empfängers also für den Abschluss des Geschäfts ursächlich geworden ist. Darüber hinaus muss der Schaden im Schutzbereich der Wahrheitspflicht des Anwalts liegen. Es werden also nur solche Schäden umfasst, die gerade aufgrund derjenigen Entscheidung entstanden sind, die durch die Abgabe der Legal Opinion beeinflusst werden sollte. d) Haftungsausfüllung
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Sofern ein Schaden ursächlich auf eine fehlerhafte Opinion zurückzuführen ist, muss gemäß § 249 BGB der Empfänger so gestellt werden, wie er ohne die Wahrheitspflichtverletzung bzw. die fehlerhafte rechtliche Aussage gestanden hätte. Der Anspruch richtet sich also auf das negative und nicht auf das positive Interesse.
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In der Praxis wird bei komplexen Transaktionen die Frage eines Mitverschuldens auf Empfängerseite von großer Bedeutung sein. Hierbei ist zu beachten, dass Kenntnis des Empfängers der Legal Opinion von bestehenden rechtlichen oder tatsächlichen Problemen bereits den Vertrauenstatbestand einschränkt. Praktisch dürften bei Third Party Opinions vor allem die Fälle werden, in denen der Anwalt der Gesellschaft bzw. des Emittenten zwar eine weitergehende Erklärung als der Anwalt der Banken abgegeben hat, der Gegenseite jedoch aufgrund der durchgeführten Due Diligence die Fragwürdigkeit der Ausführungen hätte bekannt sein müssen. 7. Haftungsbegrenzung
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Die Zulässigkeit einer Haftungsbegrenzung ergibt sich für das zwischen dem Auftraggeber und dem Rechtsanwalt bestehende Vertragsverhältnis aus § 51a Abs. 1 BRAO1. Danach ist durch eine schriftliche Vereinbarung im Einzelfall eine Haftungsbeschränkung bis zur Höhe der Mindestversicherungssumme zulässig. Durch vorformulierte Vertragsbedingungen kann die Haftung für Fälle einfacher Fahrlässigkeit auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme, wenn insoweit Versicherungsschutz besteht, begrenzt werden. Hintergrund der Regelung ist, dass die Risiken einer Rechtsberatung – v.a. bei komplexen Transaktionen – hinsichtlich der Schadenshöhe oft erhebliche Summen erreichen können, so etwa bei der Übernahme einer börsennotierten Aktiengesellschaft durch eine andere Gesellschaft. Die Möglichkeit der Haftungsbegrenzung macht das Risiko für den beauftragten Rechtsanwalt erst kalkulierbar. Allerdings hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob jeweils eine Haftungsbegrenzungsvereinbarung abgeschlossen wird bzw. als marktüblich akzeptiert wird2.
1 Zur Haftungsbegrenzung auch schon Louven, VersR 1997, 1050, 1056 f. und Hannes Schneider, ZHR 163 (1999), 246, 269. 2 Bei Kapitalmarkttransaktionen ist eine Haftungsbeschränkung die Ausnahme und wird – wenn überhaupt – nur von angestammten regionalen „Hauskanzleien“ des Emittenten bei kleineren Transaktionen akzepiert, und dies zumeist auch nur, wenn auf Bankenseite zugleich eine renommierte Kapitalmarktkanzlei die entsprechenden Opinions ohne Haftungsbeschränkung abgibt. Für eine Haftungsbeschränkung auch bei Börsengängen Seiler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 29 Rz. 70 für diejenigen Aktien, die einer Marktschutzvereinbarung unterworfen sind.
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§ 10
Legal Opinions
Eine typische Formulierung einer Haftungsbegrenzungsvereinbarung kann wie folgt lauten:
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Haftungsbegrenzungsvereinbarung gemäß § 51a Abs. 1 Ziff. 1 BRAO zwischen der [Rechtsanwaltskanzlei] – nachstehend „[Rechtsanwaltskanzlei]“ – und [Mandanten] – nachstehend die „Mandanten“ – Die Haftung von [Rechtsanwaltskanzlei] für falsche, unvollständige oder auf andere Weise mängelbehaftete Leistungen und Stellungnahmen im Zusammenhang mit der Beratung der Mandanten bei [Transaktion] im Rahmen des zwischen [Rechtsanwaltskanzlei] und dem Mandanten vereinbarten Mandatsverhältnisses ([Beschreibung der Transaktion]) ist für die Fälle von normaler und grober Fahrlässigkeit auf eine Haftungshöchstsumme von insgesamt [Summe] (in Worten: [Summe]) beschränkt. [Die Mandanten haben unter Berücksichtigung der andernfalls notwendigen Versicherungskosten für eine höhere Haftungshöchstsumme von deren Vereinbarung abgesehen. Die Mandanten verzichten daher in Kenntnis eines etwaigen Schadensrisikos in Höhe von mehr als [Summe] ausdrücklich auf eine [Summe] übersteigende Haftung von [Rechtsanwaltskanzlei]]. Für Beratungsleistungen außerhalb des deutschen Rechts wird keine Gewährleistung übernommen. Diese Vereinbarung unterliegt deutschem Recht. Gerichtsstand ist [Ort]. [Rechtsanwaltskanzlei]
[Mandant]
[Ort], den [Datum]
[Ort], den [Datum]
Die Überlegungen zu Haftungsbegrenzungen gelten in gleicher Weise für die Abgabe von Legal Opinions. Auch diese werden oft in Transaktionen abgegeben, die – aufgrund des hohen Transaktionsvolumens – ein erhebliches Risiko aufweisen und schwierige Rechtsfragen umfassen. Wenn eine Haftungseinschränkung nach § 51a Abs. 1 BRAO bei einem ausdrücklich abgeschlossenen Beratervertrag möglich ist, muss dies aber auch für eine Haftung aus Vertrauenshaftung gelten, wenn diese auf einer drittgerichteten Wissenserklärung im geschäftlichen Verkehr beruht. Daher wird man annehmen können, dass § 51a Abs. 1 BRAO auf die Beschränkung der Haftung gegenüber dem Empfänger einer Legal Opinion jedenfalls analog angewendet werden kann. Dies erfordert eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen dem Anwalt und dem Empfänger der Legal Opinion1, was in der Praxis sowohl durch separate Vereinbarung als auch zusätzlich durch eine entsprechende Klausel in der Legal Opinion erfolgt.
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8. Interessenkonflikte Die Abgabe einer Legal Opinion kann nicht selten zu Interessenkonflikten führen2. Dabei ist an zwei Aspekte zu denken: Zum einen obliegt dem Rechtsanwalt nach § 43a Abs. 2 BRAO, § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB eine Verschwiegenheitspflicht; zum an1 So auch Adolff, S. 184. 2 Vgl. dazu auch bereits Jander/De Mesnil de Rochemont, RIW 1976, 332, 338.
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§ 10
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deren besteht aus § 43a Abs. 4 BRAO, § 356 StGB das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen. 204
Soweit es die Verschwiegenheitspflicht des Anwalts betrifft, ist dieses Problem leicht dadurch lösbar, dass der Mandant dem Anwalt nach vorheriger entsprechender Aufklärung eine Weisung zur Weitergabe von Informationen bzw. Abgabe einer Third Party Opinion gibt1.
205
Schwieriger ist dagegen die Lage bei dem Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen2. Schutzgut der § 43a Abs. 4 BRAO, § 356 StGB sind nicht allein die Interessen des Mandanten, sondern auch das Ansehen der Rechtsanwaltschaft als Organ der Rechtspflege. Insofern steht es grundsätzlich nicht zur Disposition des Mandanten. Der Tatbestand dieser Normen ist nicht erst dann verletzt, wenn es tatsächlich zu einem Interessenkonflikt kommt und der Anwalt die Interessen des Mandanten vernachlässigt, sondern schon dann, wenn er sich in eine Situation bringt, in der diese Gefahr besteht.
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Dies ist bei der Abgabe von Third Party Opinions an einen Vertragsgegner nicht von vornherein ausgeschlossen. Es ist evident, dass der Mandant und der Vertragsgegner bei einem kontradiktorischen Vertrag gegenläufige Interessen haben. Diese zeigen sich auch bei der Abgabe der Legal Opinion. Zum einen dient die Legal Opinion dem Interesse des Mandanten, weil er dadurch seine Glaubwürdigkeit verbessern kann. Daneben dient die Legal Opinion aber auch Interessen des Vertragsgegners, die denen des Mandanten entgegengesetzt sein können. Der Empfänger möchte durch die Legal Opinion, wie bereits oben erwähnt, etwaige rechtlich relevante Probleme des Vertragsgegners ausforschen und die Motivationslage des Anwalts beeinflussen. Bei der Ausforschung der Schwächen der Verhandlungsposition des Mandanten ist nur dann keine Gefahr eines Verstoßes gegen das Verbot widerstreitender Interessen gegeben, wenn sich der Anwalt hinsichtlich seiner Aussagen an die Weisungen des Mandanten hält und gegebenenfalls auch Angaben weisungsgemäß unterlässt. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Reichweite der Legal Opinion zumeist vom Empfänger vorgegeben wird, der aus dem Schweigen oder einem ausdrücklichen sog. „Carve-Out“ ebenfalls Schlüsse ziehen wird. Auf die Beeinflussung der Motivationslage wurde bereits unter Rz. 158 ff. eingegangen.
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Bei der sachgerechten Handhabung potentieller Interessenkonflikte muss der Anwalt bei Abgabe einer Third Party Opinion daher von vornherein im Blick haben, dass sein Mandant ihn zur Abgabe dieser Opinion beauftragt. Der Anwalt wird seinen Mandanten daher über die Eigendynamik der Abstimmung des Wortlauts dieser Opinion und die diesbezüglichen Verhandlungen mit der Gegenseite aufklären, damit der Mandant sowohl die Entscheidung über die Abgabe der Third Party Opinion als auch die Grenzen der Aussagen mit steuern kann. Eine solche Einbindung des Mandanten schafft die Voraussetzungen für den vom Bundesverfassungsgericht jüngst geforderten eigenverantwortlichen Umgang sowohl des Rechtsanwalts als auch der Mandanten mit Situationen, in denen abstrakt oder konkret ein Interessenkonflikt auftreten kann3, hinsichtlich der beschriebenen Gefahren. 1 So auch Jander/De Mesnil de Rochemont, RIW 1976, 332, 338. 2 Auf dieses Problem weist auch Bosch, ZHR 163 (1999), 274, 277 hin. 3 BVerfG v. 3.7.2003 – 1 BvR 238/01, BVerfGE 108, 150 = NJW 2003, 2520 ff. Zur jüngsten Entscheidung des BGH zur Information des Mandanten über etwaige Interessen bzw. die Vertretung der Gegenseite durch andere Mitglieder der Sozietät im vorhinein BGH v. 8.11.2007 – IX ZR 5/06, BGHE 174, 186 = NJW 2008, 1307 ff. sowie Henssler/Deckenbrock, NJW 2008, 1275 ff.
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§ 10
Comfort Letter
In Bezug auf die beschriebenen Gefahren wird man deshalb nicht davon ausgehen können, dass eine Zustimmung des Mandanten die Gefahr des Loyalitätskonflikts beseitigt. Ein Verstoß gegen das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen besteht nur dann nicht, wenn die Offenbarungspflichten des Mandanten im Rahmen des Vertragsverhältnisses mit denen der Legal Opinion übereinstimmen. Wenn die Aussagen der Legal Opinion der Wahrheits- und Aufklärungspflicht des Mandanten entsprechen, wird durch die Abgabe der Legal Opinion kein Interessenkonflikt begründet, da die Pflichten des Mandanten und des Anwalts dann die gleiche Reichweite haben. Dies ist bei der Verhandlung der Legal Opinion ebenso wie bei der Vereinbarung der vertraglichen Zusicherungen des Mandanten zu berücksichtigen, um einen Verstoß gegen das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen zu vermeiden1.
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III. Comfort Letter Schrifttum: Bosch, Expertenhaftung gegenüber Dritten – Überlegungen aus der Bankpraxis, ZHR 163 (1999), 274; Ebke/Siegl, Comfort Letters, Börsengänge und Haftung: Überlegungen aus Sicht des deutschen und US-amerikanischen Rechts, WM-Sonderbeilage Nr. 2 zu Heft 22, 2001; Fleischer, Teilgutachten F für den 64. Deutschen Juristentag 2002; Fleischer, Der Financial Service and Markets Act 2000: Neues Börsen- und Kapitalmarktrecht für das Vereinigte Königreich, RIW 2001, 817; Kalss, Die Haftung des Abschlussprüfers gegenüber den Gläubigern, Gesellschaftern und Anlegern, ÖBA 2002, 187; Köhler/Weiser, Die Bedeutung von Comfort Letters im Zusammenhang mit Emissionen, DB 2003, 565; Krämer/Baudisch, Neues zur Börsenprospekthaftung und zu den Sorgfaltsanforderungen beim Unternehmenskauf, WM 1998, 1161; Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung im Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, Comfort Letter, § 28; Landmann, Die Haftung für Comfort Letter bei der Neuemission von Aktien, 2007; Langendorf, Haftungsfragen bei Anleiheemissionen – insbesondere vor dem Hintergrund des Comfort Letter, 2006; Medicus, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 13.11.1997 (WM 1998, 440), WuB IV A. § 328 BGB 1.98; Meyer, Aspekte einer Reform der Prospekthaftung, WM 2003, 1301; Meyer, Der IDW-Prüfungsstandard für Comfort Letters, WM 2003, 1745; H. Schneider, Reichweite der Expertenhaftung gegenüber Dritten, ZHR 163 (1999), 246; Zugehör, Berufliche „Dritthaftung“ – insbesondere der Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Notare – in der deutschen Rechtsprechung, NJW 2000, 1601.
1. Begriff und Funktion Bei einem Comfort Letter handelt es sich um eine schriftliche Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers betreffend die Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen und Kapitalflussrechnungen für die letzten drei Geschäftsjahre sowie andere Finanzzahlen, die in einem für die Platzierung von Wertpapieren erstellten Wertpapierprospekt im Sinne der §§ 5 ff. WpPG enthalten sind, und der auf das unmittelbar vor dem Prospektstichtag liegende sog. cut off-Datum datierte ist2. In dem Comfort Letter nimmt der mit dem Abschlussprüfer i.d.R. identische3 Wirtschaftsprüfer zu den im Prospekt 1 Die Gefahr eines Verstoßes gegen § 356 StGB dürfte zudem durch die ausdrückliche Anerkennung von Third Party Opinions in der Regierungsbegründung zu § 311 Abs. 2 BGB n.F. mindestens faktisch reduziert worden sein. 2 Zum Wertpapierprospektgesetz (WpPG) siehe ausführlich unten bei Rz. 310 ff.. 3 Im Falle des sog. „split comfort“, d.h. mehrerer testierender Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, ist für die letzten drei Geschäftsjahre von beiden Gesellschaften ein Comfort Letter einzuholen. In diesen Fällen ist es typischerweise schwieriger, von dem aktuell nicht mehr prüfenden Wirtschaftsprüfer die entsprechenden Aussagen nach dem Prüfungsstandard IDW PS 910 zu erreichen. Zum Vorgehen in diesem Falle vgl. PS 910 Tz. 115. Eingehend zum IDW Prüfungsstandard Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 17 ff.
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Börsennotierung
enthaltenen Jahresabschlüssen sowie – abhängig von Marktsegment und Platzierungszeitpunkt – ggf. enthaltenen Zwischenabschlüssen und ausgewählten anderen Finanzkennzahlen1 Stellung. In Abhängigkeit von einem vorherigen Testat oder einer sog. prüferischen Durchsicht durch den Wirtschaftsprüfer oder ob sich dieser zuvor mit den Banken lediglich auf einzelne Prüfungshandlungen verständigt hat, variiert auch die Qualität seiner Aussagen („level of comfort“). 210
Mit der Einholung des Comfort Letters werden die ursprüngliche Prüfung (Testat) bzw. prüferische Durchsicht ergänzt. Diese beziehen sich jeweils auf den Zeitpunkt der Erteilung des betreffenden Testats bzw. einer Bescheinigung, die typischerweise deutlich vor dem Datum des Prospektes liegen. Deshalb werden vor der Abgabe einer gesonderten Bestätigung in Form eines Comfort Letters umfangreiche Untersuchungsund Prüfungshandlungen des Wirtschaftsprüfers notwendig. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die für die Anleihegläubiger oder Aktienerwerber wichtigen Finanzinformationen nicht lediglich den Stand zu einem – u.U. erheblich zurückliegenden – Stichtag widerspiegeln. Vielmehr soll so eine hinreichende Gewähr erreicht werden, dass aufgrund der vereinbarten Prüfungshandlungen kein Anlass besteht, im Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung Änderungen an den früheren Jahresabschlüssen bzw. Zwischenabschlüssen vorzunehmen2.
211
Die zusätzliche Einholung eines Comfort Letters der Wirtschaftsprüfer vor einer Aktien- oder Anleihenbegebung ist in den USA schon seit Jahrzehnten üblich und ist in Deutschland ebenfalls seit Mitte der 90er Jahre – jedenfalls bei allen bedeutenderen Transaktionen – Marktpraxis3. Während in den USA das American Institute of Certified Public Accountants (AICPA) für die Erstellung solcher Comfort Letter und die in diesem Zusammenhang durchzuführenden Untersuchungshandlungen umfangreiche Handbücher und sog. Statements on Auditing Standards (SAS) herausgegeben hat4, konnte sich in Deutschland erst Ende der 90er Jahre aufgrund leidvoller (Transaktions-)Erfahrung ein Verständnis für die Notwendigkeit eines Standardwortlauts für die gebräuchlichsten Transaktionsstrukturen entwickeln. Unter dem Dach des Deutschen Aktieninstituts (DAI), führenden deutschen und internationalen Emissionshäusern, dem Institut der Wirtschaftsprüfer sowie den maßgeblichen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ist inzwischen auch in Deutschland ein Prüfungsstandard – PS 910 – für die Abgabe von Comfort Letter entwickelt worden5. 1 Beispielhaft seien erwähnt die sog. Summary Selected Financial Data und die sog. Capitalization Tabelle, wie sie bei grenzüberschreitenden Transaktionen im vorderen Teil des Prospekts im Anschluss an die Prospektzusammenfassung üblich sind. Diese geben die wesentlichen Kennziffern der Bilanz sowie die Struktur der Verbindlichkeiten und des Eigenkapitals wider. 2 Zu beachten ist, dass es sich bei den Aussagen des Wirtschaftsprüfers im Comfort Letter weder um ein Testat im Sinne des § 323 HGB handelt, noch die Intensität der Überprüfungen im Regelfall dessen Qualität erlangen kann. Im Zusammenspiel mit der Business Due Diligence der Banken und der kritischen Nachfragen des Wirtschaftsprüfers über bekannte potentiell problematische Bilanzpositionen wird die Wahrscheinlichkeit fehlerhafter Finanzinformationen gegenüber einer bloßen Übernahme der veröffentlichten Jahres- und Zwischenabschlüsse jedoch signifikant vermindert. Zur analogen Anwendung von § 323 HGB auf die Durchführung von Untersuchungshandlungen Langendorf, Haftungsfragen bei Anleiheemissionen, S. 204 ff. 3 Zur Entstehungsgeschichte der Comfort Letter Köhler/Weiser, DB 2003, 565 f. 4 Zur Rechtslage in den USA umfassend Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 5 ff. 5 IDW Prüfungsstandard: Grundsätze für die Erteilung eines Comfort Letters (IDW PS 910) vom 4.3.2004, abgedruckt in WPg 2004, 342. Aufgrund einer vom IDW zur Verfügung gestellten englischen Übersetzung ist der Prüfungsstandard inzwischen bei grenzüberschreitenden Transaktionen deutscher Emittenten problemlos einsetzbar. Zur Notwendigkeit der Einholung eines SAS-Comfort Letters neben dem PS 910 in Abhängigkeit von der Transaktionsstruktur vgl. unten Rz. 269 f.
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§ 10
Comfort Letter
Die Gründe für das Erfordernis eines standardisierten Comfort Letters ähneln denen für die Abgabe von Legal Opinions und Disclosure Opinions bei Kapitalmarkttransaktionen, gehen in ihrer Bedeutung für die Transaktion jedoch darüber hinaus: die emissionsbegleitenden Banken möchten von dem Wirtschaftsprüfer als einem nicht unmittelbar von den Emissionserlösen profitierenden unabhängigen Dritten (§ 319 HGB) eine professionelle Einschätzung darüber, ob die aufgestellten Jahresabschlüsse und Zwischenabschlüsse sowie sonstige Finanzangaben des Emittenten nach Auffassung des Wirtschaftsprüfers den gesetzlichen Vorschriften entsprechen und insgesamt ein zutreffendes Bild von der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten ergeben. Einem sog. officer’s certificate gleichen Inhalts durch Vorstandsmitglieder kommt wegen der Interessenlage des Emittenten und seiner Organmitglieder keine vergleichbare Aussagekraft zu1.
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Da für die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt sowohl nach Börsengesetz als auch Verkaufsprospektgesetz neben der Verwertung eigener Markt- und Emittentenkenntnis und ggf. veranlasster Nachforschungen des Emissionskonsortiums auch die Einhaltung kapitalmarkt- und branchenüblicher Sorgfalt von Bedeutung ist, sollte auch der Comfort Letter – wie die Legal Opinion bzw. die Disclosure Opinion – hinsichtlich ihres Inhalts möglichst dem Marktstandard entsprechen. Wenngleich der Comfort Letter ausdrücklich nur an die Emissionsbanken und ggf. noch an den Emittenten gerichtet ist und weder veröffentlicht noch in Prospekten oder anderen Dokumenten ausdrücklich in Bezug genommen wird, gehen zumindest die internationalen Investoren davon aus, dass die emissionsbegleitenden Banken einen Comfort Letter erhalten werden. Ist dies nicht oder aufgrund einschränkenden Inhalts nur zum Teil der Fall, erhöht sich korrespondierend der Sorgfaltsmaßstab in Bezug auf die Financial Due Diligence der Emissionsbanken2.
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Ein dem Marktstandard entsprechender Comfort Letter bietet den Emissionsbanken im Falle einer Inanspruchnahme wegen eines – vorgeblich – fehlerhaften Finanzteils des Prospekts die Möglichkeit, sich neben dem Hinweis auf ihre eigenen Prüfungshandlungen bezüglich des Marktumfelds, der wirtschaftlichen Lage des Emittenten, eines etwaigen Emittentenratings sowie der jüngsten Geschäftsentwicklung auf die Experteneinschätzung des Wirtschaftsprüfers zu berufen. Dabei führt die fehlende Existenz eines Comfort Letters im Falle fehlerhafter Finanzangaben nicht schon zu einer Prospekthaftung3. Hatte das Emissionskonsortium z.B. im Falle eines Investment Grade-Ratings des Emittenten sowie eigener Geschäftsverbindungen aus Kreditbeziehungen o. Ä. keinen Anlass, an dessen Bonität zu zweifeln, so reicht ein fehlen-
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1 Zur Vollständigkeitserklärung Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 18. 2 Zur Financial Due Diligence vgl. oben Rz. 1 ff.; zum erhöhten Sorgfaltsmaßstab vor allem des Konsortialführers sowie zur sachgerechten Abstufung der Verantwortlichkeit im Emissionskonsortium in Abhängigkeit von der konkreten Funktion (Lead Manager, Co-Lead Manager, Manager etc.) vgl. unten Rz. 342 ff. 3 Die Emissionsbanken dürfen sich nämlich insbesondere bei renommierten Unternehmen sowie bereits börsennotierten Gesellschaften auf mit unbeschränkten Bestätigungsvermerken versehene Finanzangaben verlassen, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit und eine daraus resultierende Nachforschungspflicht bestehen. In diesem Sinne die ganz h.M.: Groß, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rz. 49; Schwark, § 45 BörsG Rz. 47 und Meyer, WM 2003, 1748. Lediglich bei größerem zeitlichen Abstand zwischen dem letzten Testat bzw. prüferisch durchgesehener (reviewed) Zwischenabschlüsse und Platzierung – Anhaltspunkte bieten die Fristen der Prospektverordnung – muss der Konsortialführer näher prüfen, ob das durch den Finanzteil erzeugte Bild noch aufrecht erhalten werden kann, Schwark, § 45 BörsG Rz. 49.
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der Comfort Letter nicht schon für die Annahme grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 1 BörsG aus. Die Position der Emissionsbanken wird jedoch materiellrechtlich und prozessual durch die Einholung eines dem Marktstandard entsprechenden Comfort Letters erheblich gestärkt, weil wegen der Expertenstellung des Wirtschaftsprüfers nur grobe und „ins Auge springende“ Unrichtigkeiten in den Jahresabschlüssen dazu führen werden, in diesen Fällen eine grobe Fahrlässigkeit (auch) der Emissionsbanken zu bejahen. 2. Der Comfort Letter im Prospekthaftungsregime des deutschen Kapitalmarktrechts 215
Die Abgabe eines Comfort Letters ist bei Transaktionen deutscher Emittenten seit Ende der 90er Jahre fast ausnahmslos Gegenstand langwieriger Verhandlungen und kontroverser Diskussionen zwischen Wirtschaftsprüfern und Emissionskonsortien gewesen. Hintergrund dieser Spannungen ist zum einen das auf Emittent, Emissionsbanken und ggf. noch Großaktionäre beschränkte Konzept der Gesamtverantwortlichkeit für Emissionsprospekte1 und das (handels-)rechtliche Haftungsprivileg für Abschlussprüfer andererseits. Während in bedeutenden anderen Jurisdiktionen, insbesondere aber in den USA, neben der Verantwortlichkeit des Emittenten für den Gesamtprospekt das Prinzip der Teilverantwortlichkeit für die jeweiligen Prospektteile gilt2, geht § 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG vom Prinzip der Gesamtverantwortlichkeit sowohl des Emittenten als auch der Emissionsbanken für den Emissionsprospekt aus. Für den Prospektinhalt sind nach Rechtsprechung und ganz herrschender Meinung in Deutschland deshalb im Außenverhältnis zu den Investoren lediglich der Emittent und die Konsortialbanken sowie ggf. der oder die Großaktionäre als sog. Prospektveranlasser verantwortlich3.
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Mangels wirtschaftlichen Eigeninteresses an der Emission wird demgegenüber – nach geltender Rechtslage zutreffend – der Wirtschaftsprüfer im Außenverhältnis zu den Anlegern nicht als verantwortlich im Hinblick auf die mit seiner Zustimmung in den Prospekt aufgenommenen Jahresabschlüsse einschließlich des Testats bzw. der Zwischenabschlüsse angesehen4. Im Ergebnis haften nach derzeitiger deutscher Rechtslage deshalb nur der Emittent und die Emissionsbanken im Außenverhältnis bei eigener grober
1 Ausführlich zum Konzept der Gesamtverantwortung Meyer, WM 2003, 1301 ff., 1306 f.; Fleischer, Teilgutachten F für den 64. Deutschen Juristentag 2002, S. F 66 f. jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen und jüngstens Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 9 ff. 2 Zum Konzept der partiellen Prospektverantwortung: Meyer, WM 2003, 1308 mit dem Hinweis, dass hierdurch das Schutzniveau für die Anleger bezüglich des Finanzteils erhöht wird. Zur Rechtslage in den USA Ebke/Siegel, WM 2001, Sonderbeilage 2, S. 11 mit Hinweis auf Sec. 11 (a) (4) Securities Act sowie Sec. 12 Securities Exchange Act; ebenso Kunold in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 5 ff. Zur Rechtslage in Großbritannien Fleischer, RIW 2001, 817 ff. und zur Vorgängerregelung des Financial Services Act Bosch, ZHR 163 (1999), 274 ff., 279. Zur Außenhaftung des Abschlussprüfers in Österreich gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 KMG, § 80 Abs. 1 Nr. 2 BörsG (Kenntnis des Prüfers von der Unrichtigkeit voraussetzend) Kalss, ÖBA 2002, 187 ff., 199. 3 Meyer, WM 2003, 1745 ff., 1747; Schwark, § 45 BörsG Rz. 12; Hamann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 45 BörsG n.F. Rz. 91 ff. 4 Vgl. hierzu Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 7 Rz. 202, 205; Meyer, WM 2003, 1747 f. m.w.N., zur Gegenauffassung: Groß, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rz. 21 mit Hinweis auf den formal und materiell abgegrenzten „Finanzteil“ des Prospekts und das diesbezüglich bestehende Anlegervertrauen in die Richtigkeit der Testate. Allein die Aufnahme des Testats in den Prospekt führt nicht zu einer Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich des Prüfungsvertrags, BGH v. 6.4.2006 – III ZR 256/04, AG 2006, 453 ff.
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Fahrlässigkeit für den gesamten Prospekt, und damit grundsätzlich auch für fehlerhaft testierte Jahresabschlüsse oder durchgesehene Zwischenabschlüsse1. Die gesamtschuldnerische Außenhaftung der Banken neben dem Emittenten kann theoretisch selbst dann bestehen, wenn der Wirtschaftsprüfer in einem Comfort Letter unmittelbar vor der Emission den Finanzteil nochmals einer Prüfung unterzogen hatte, wenngleich in diesen Fällen eine grobe Fahrlässigkeit der Emissionsbanken kaum je anzunehmen sein wird bzw. der Entlastungsbeweis gemäß § 45 Abs. 1 BörsG gelingen sollte2. Da der Abschlussprüfer gemäß § 323 HGB im deutschen Recht ein Haftungsprivileg in der Weise genießt, dass er für durchgeführte Jahresabschlussprüfungen lediglich in Höhe von max. 4 Mio. Euro für eine Prüfung haftet, müssten die Emissionsbanken bei unterstellter eigener grober Fahrlässigkeit im Falle der Insolvenz des Emittenten – mit Ausnahme des begrenzten Rückgriffsanspruchs – vollumfänglich für Fehler des Emittenten und des Wirtschaftsprüfers einstehen3.
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Das Auseinanderfallen von Primärverantwortung des emissionsbegleitenden Wirtschaftsprüfers (nur) gegenüber den emissionsbegleitenden Banken für die im Prospekt enthaltenen Finanzzahlen einerseits und die mindestens denkbare unbeschränkte Haftung der Banken im Außenverhältnis gerade auch für den Finanzteil andererseits wird neben dem gesetzlichen Haftungsprivileg des § 323 HGB zudem noch durch die Allgemeinen Auftragsbedingungen der Wirtschaftsprüfer verschärft. Ziffer 9 der Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer begrenzt deren Haftung regelmäßig auf max. 5 Mio. Euro. Das Prinzip der auf Emittent und Emissionsbanken beschränkten Gesamtverantwortung für den Prospekt und des gesetzlichen Haftungsprivilegs gemäß § 323 HGB erklärt die Beharrlichkeit, mit der Banken und Wirtschaftsprüfer ihre jeweiligen Verantwortungssphären bezüglich Inhalt und Wortlaut sowie geltender Haftungshöchstgrenzen durchzusetzen versuchen4.
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3. Wichtige Hinweise für die Transaktionspraxis Der dargestellte Interessengegensatz zwischen Emissionsbanken und Wirtschaftsprüfern bezüglich Haftungsgegenstand, -umfang und potentieller Anspruchsgläubiger 1 Die grobe Fahrlässigkeit muss sich dann allerdings gerade auch auf den Finanzteil erstrecken; die Anforderungen hierfür liegen beim Emittenten aufgrund Sachnähe deutlich niedriger als bei den Emissionsbanken. 2 Weitergehend Schwark, § 45 BörsG Rz. 45, der im Falle der Einholung eines Comfort Letter wie auch einer Disclosure Opinion einen Verschuldensvorwurf gänzlich ausschließen will. 3 Dabei wird der Emittent in diesen Fällen nicht selten bedingt vorsätzlich gehandelt haben. Zwischen den Emissionsbanken und dem Emittenten wird praktisch ausnahmslos vereinbart, dass der Emittent die Emissionsbanken im Innenverhältnis von etwaigen Inanspruchnahmen vollumfänglich freizustellen hat. Eine solche Freistellung ist wirksam (Schwark, § 45 BörsG Rz. 14 m.w.N.). Häufig wird jedoch die Realisierung des Freistellungsanspruches an der Insolvenz bzw. fehlenden Bonität des Emittenten scheitern. Hinsichtlich des Wirtschaftsprüfers sind zur groben Fahrlässigkeit der Emissionsbanken führende Kompetenzzweifel und Haftungsrisiken (in Form des Auswahlverschuldens) vor allem dann denkbar, wenn kleinere Prüfungsgesellschaften wichtige Mandanten im Zuge einer Kapitalmarkttransaktion nicht verlieren wollen, ihnen jedoch die notwendige Erfahrung für die Prüfung von IFRS- oder auch USGAAP-Abschlüssen fehlt und sich dies mangels Referenzprojekten für das Konsortium aufdrängen musste. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass sich das gesetzliche Haftungsprivileg des § 323 HGB nur auf Abschlussprüfungen erstreckt, nicht jedoch auf andere Prüfungshandlungen oder die Prüfung von gesetzlich nicht geforderten Abschlüssen oder Zwischenaufstellungen, statt aller Baumbach/Hopt, § 323 HGB Rz. 6 und 9. 4 Zu den Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer vom 1.1.2002 vgl. auch Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 17 f. bei Fn. 42.
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macht es erforderlich, dass sich der Emittent und seine Rechtsberater sowohl über die Bedeutung des Comfort Letters für den Abschluss der Transaktion als auch die Notwendigkeit einer frühzeitigen Adressierung der wesentlichen Aspekte bewusst sind. Im Folgenden werden daher vor der Beschreibung des Rechtsverhältnisses zwischen Emittent, Wirtschaftsprüfer und Banken (dazu Rz. 229 ff.) sowie dem typischen Inhalt eines Comfort Letters (dazu Rz. 247 ff.) einige Hinweise für die Emissionspraxis vorangestellt. a) Das Emittenteninteresse an einem marktgerechten Comfort Letter 220
Da der Comfort Letter im Wesentlichen dazu dient, den Banken die Abwehr von Prospekthaftungsansprüchen (sog. due diligence defense) gemäß §§ 44 f. BörsG zu erleichtern und (nur) für den Fall einer festgestellten Außenhaftung einen etwaigen Rückgriffanspruch gegen den Wirtschaftsprüfer zu erlangen, haben viele Mandanten fälschlich den Eindruck, sie könnten mit ihren Rechtsberatern den diesbezüglichen Diskussionen fern bleiben. Dies ist indessen ein gravierender Fehler, da die Abgabe eines dem Marktstandard entsprechenden Comfort Letters in fast jeder Transaktion eine sog. condition precedent für die Übernahme der Aktien, die Unterzeichnung des Zeichnungsscheines bzw. die Übernahme der Schuldverschreibungen ist und eine fehlende Einigung über den Comfort Letter zumindest den Zeitplan für die Transaktion in Gefahr bringen kann. Unkenntnis der Voraussetzungen für die Abgabe eines dem Marktstandard entsprechenden Comfort Letters und insbesondere hinsichtlich der hierfür regelmäßig anfallenden Kosten kann zudem gerade bei volumenmäßig überschaubaren Emissionen für sehr unliebsame Überraschungen in der Kalkulation ihres Gesamtnutzens im Vergleich zu Finanzierungsalternativen führen1. Schließlich versuchen sowohl der Abschlussprüfer des Emittenten als auch der Konsortialführer im Rahmen der Mandatierungsgespräche nicht selten, den Emittenten durch Aussagen zum Haftungsumfang und zur Prüfungstiefe gegenüber der jeweils anderen Seite zu präjudizieren. Dem Emittenten ist daher anzuraten, sich nicht nur in Bezug auf den Ablauf des Transaktionsprozesses, sondern auch die Dokumentationsstandards (Prospekt, prospektbegleitende Dokumente und hier insbesondere Comfort Letter) durch einen erfahrenen Kapitalmarktrechtler beraten zu lassen.
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Der sachkundig beratene Emittent wird mit den Emissionsbanken und seinem Wirtschaftsprüfer das Anforderungsprofil für die Finanzangaben im Prospekt frühzeitig zu definieren suchen. Hierbei wird nicht nur hinsichtlich des ins Auge gefassten Emissionszeitpunkts zu entscheiden sein, ob ggf. ein Zwischenabschluss unmittelbar vor dem avisierten Platzierungszeitpunkt noch einer prüferischen Durchsicht (Review) unterzogen werden muss, sondern auch, ob es wegen größerer Akquisitionen oder Desinvestitionen im letzten Geschäftsjahr bzw. unmittelbar bevorstehenden Akquisitionen oder Desinvestitionen im Nachgang zur Platzierung einer ergänzenden Pro forma-Darstellung bedarf, eine solche möglich oder empfehlenswert ist2. Emittent, Kon1 Die Kosten für die Abgabe eines Comfort Letters (bestehend aus den in diesem Zusammenhang durchzuführenden Prüfungen einschließlich der Tochtergesellschaften im Ausland sowie der von den Wirtschaftsprüfern im Gegenzug zur Übernahme einer nach außen unbeschränkten Haftung verlangten Erstattung der Versicherungsprämie) können sich leicht auf einen hohen sechsstelligen Betrag summieren und bei großen Transaktionen auch die Millionengrenze überschreiten. Für die Beurteilung von Finanzierungsalternativen wie Anleihe und (syndizierter) Kredit können die Kosten für den Comfort Letter bis zu Volumina von unter 100 Mio. Euro daher auch unter Berücksichtigung der Vertragslaufzeit/Fälligkeit durchaus ins Gewicht fallen. 2 Zu dem Erfordernis von Pro forma-Darstellungen im Prospekt und der Begrenzung solcher Angaben auf i.d.R. ein Geschäftsjahr, ProspektVO Anhang I Ziffer 20.2. und Anhang II Ziffer 5.
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sortialführer und Rechtsberater werden sodann unter Berücksichtigung der beabsichtigten Transaktionsstruktur, der Art der Kapitalbeschaffungsmaßnahme, ggf. vorhandener relativ aktueller Prospekte sowie des Emissionsstandings, eines etwaigen Emittentenratings sowie nicht zuletzt der Transaktionsgröße und der anzusprechenden Investorengruppen entscheiden, ob die Aufnahme eines zeitnahen Zwischenabschlusses oder dessen prüferischer Durchsicht (Review) zwingend erforderlich erscheint1. Schließlich wird der Emittent gemeinsam mit seinen Rechtsberatern und den Wirtschaftsprüfern frühzeitig analysieren, welche typischerweise im Prospekt erwarteten Finanzangaben für frühere Vergleichsperioden nicht oder jedenfalls nicht in der üblichen Qualität erstellt bzw. geprüft werden können. Häufig können z.B. IPO-Kandidaten für den Vergleichszeitraum von zwei oder drei Jahren vor dem avisierten Börsengang ein Cash Flow-Statement nicht in der üblichen Detailgenauigkeit erstellen oder für einen Zwischenabschluss nicht die auch für den Vorjahreszeitraum zu erstellenden Vergleichszahlen exakt ermitteln. In diesen Fällen empfiehlt es sich, bereits im unmittelbaren Anschluss an das sog. Kick off-Meeting das richtige Maß zwischen erforderlicher Offenlegung einerseits und den für den Emittenten zumutbaren Aufwand und Kosten zu ermitteln. Der hierbei von allen Beteiligten erforderte Pragmatismus, die Erfahrung aus Vergleichstransaktionen und eine nicht stets auf dem Optimum beharrende Forderungshaltung offenbart die eigentliche Kapitalmarkterfahrung und Urteilskraft, die einen guten Transaktionsverantwortlichen („deal captain“) ausweist.
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b) Inhalt und Haftungsumfang des Comfort Letters Aus Sicht des Emittenten ist es sodann ratsam, dass der Wirtschaftsprüfer so schnell wie möglich einen ersten Entwurf des beabsichtigten Comfort Letters an den Konsortialführer übersendet. Dieser Entwurf wird sich an den aufzunehmenden Finanzzahlen, dem entsprechenden IDW-Standard sowie den zuvor mit den Banken ggf. vereinbarten „Auslassungen“ bezüglich einzelner Vorperioden orientieren. Darüber hinaus wird der Entwurf unter dem Vorbehalt übermittelt werden, dass sich im Rahmen der Prüfung keine wesentlichen, der Abgabe entsprechender Erklärungen entgegenstehenden Sachverhalte ergeben. Vor Übersendung des Comfort Letters an den Konsortialführer sollte der mit Comfort Lettern vertraute Anwalt des Emittenten den Entwurf prüfen und etwaige für die Konsortialbanken inakzeptable Formulierungen intern mit den Wirtschaftsprüfern vorbesprechen. Der Anwalt des Emittenten nimmt insofern eine Vermittlerrolle zwischen Wirtschaftsprüfer und Emissionsbanken ein, da für ihn – wie für den Emittenten – das Gelingen der Transaktion zu für alle Beteiligten akzeptablen Bedingungen im Vordergrund steht. Daher sollte sowohl Versuchen einer übertriebenen Haftungsvermeidung auf Seiten des Wirtschaftsprüfers wie auch Versuchen einer marktunüblichen Ausweitung der Wirtschaftsprüferhaftung durch zu weitgehende Formulierungen oder inadäquate Prüfungsanforderungen durch den Emittentenanwalt begegnet werden.
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Hinsichtlich des zumeist streitigen Haftungsumfangs des Comfort Letters wird der Anwalt des Emittenten sodann darauf hinwirken, dass die Haftungsfrage nicht isoliert
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1 Zu einem vergleichbaren „judgement call“ bei der Bestimmung des Umfangs der Due Diligence vgl. oben Rz. 58 ff. Gerade bei Kapitalerhöhungen von frequent issuers erscheint dies nicht immer sachgerecht. Bei Wandelanleihen hat sich zudem vor Inkrafttreten der Prospektrichtlinie jedenfalls bei kleinen und mittelgroßen Emissionen eher ein Standard unter Verzicht auf eine Management Discussion and Analysis herausgebildet. Unter Geltung der Prospektrichtlinie ist in jüngster Zeit zu beobachten, dass kleinere Transaktionen bei Wandelanleihen lediglich in den Freiverkehr einbezogen werden.
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von den Formulierungen des Comfort Letters diskutiert wird, sondern zunächst und vordringlich ein für alle Beteiligten akzeptabler Wortlaut gefunden wird, der sodann als Basis für die Verhandlungen über die Voraussetzungen einer (unbeschränkten) Außenhaftung zugrundegelegt werden kann. Hierbei ist es in der Zwischenzeit marktüblich und kaum mehr vermeidbar, im Innenverhältnis zwischen Wirtschaftsprüfer und Emittent zusätzlich auf die Leistungen der Versicherungsbranche Rückgriff zu nehmen. In der Praxis hat sich vor allem die Versicherungsstelle Wiesbaden für das wirtschaftliche Prüfungs- und Treuhandwesen, die von mehreren Versicherungsunternehmen getragen wird, als kompetenter Ansprechpartner – wenn auch als Quasi-Monopolist – für eine Haftungsübernahme herauskristallisiert. c) Die Bedeutung zeitnaher Ermittlung des erhältlichen Versicherungsschutzes 225
In der Praxis hat sich gezeigt, dass erst im Anschluss an die langwierigen Verhandlungen über den Wortlaut des Comfort Letters und deshalb häufig erst sehr kurzfristig vor der Abgabe des ersten Comfort Letters1 mögliche Versicherer angesprochen werden. Dies geschieht zumeist mit nur unvollständigen Informationen, was aufgrund des von den Versicherern zu beurteilenden Risikoprofils sowohl der Transaktion als auch des Emittenten die Versicherungsprämie unnötig erhöht. Es ist daher dringend anzuraten, den Versicherungsschutz in einem zwischen Wirtschaftsprüfer, Emittenten und ggf. auch Emissionsbanken vereinbarten Umfang mindestens drei Wochen vor beabsichtigtem Emissionszeitpunkt bzw. Abgabedatum des ersten Comfort Letters abzufragen.
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Hierzu empfiehlt sich eine knappe instruktive Transaktionsbeschreibung mit den Mindestangaben zu Emittent, Transaktionsart (Börsengang, Bezugskapitalerhöhung, Umplatzierung, Wandelanleihe, High Yield Bond etc.), Kapitalmarkthistorie des prospektiven Emittenten, Prüfungsdauer des den Comfort Letter abgebenden Wirtschaftsprüfers bei dem Emittenten, etwaige Korrekturen früherer Jahresabschlüsse, beabsichtigtes Emissionsvolumen, Art der vorgenommenen Bestätigungen (Bestätigungsvermerke, Bescheinigungen etc.), Art der abzugebenden Comfort Letter (nur nach IDW-Standard oder auch nach SAS-Standard), Beteiligungsverhältnisse, Emissionskonsortium (Standing des Konsortialführers!) sowie ein etwaiges Emittentenbzw. Emissionsrating.
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Auf der Basis dieser Daten ist es den Versicherern möglich, das Risikoprofil auch angesichts der in Deutschland vergleichsweise geringen Transaktionszahlen und damit zwangsläufig drohenden Klumpenrisiken zu ermitteln und Teilvolumina ggf. weiter zu platzieren. Bisher ist aus Emittentensicht zu bemängeln, dass von Seiten der Versicherer und auch der Wirtschaftsprüfer viel zu wenig auf die Bonität des Emittenten, die Dauer der Prüfungstätigkeit des Abschlussprüfers bei diesem Emittenten sowie die Spezifika der jeweiligen Transaktionsstruktur geachtet wird. So sollten Sekundärmarktplatzierungen namhafter Emittenten, geführt von renommierten Konsortialführern, deutlich günstiger als z.B. Erstemissionen von Wachstumsunternehmen sein.
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Im Idealfall werden Emittent, Wirtschaftsprüfer und Konsortialbanken bereits im Vorfeld der Unterzeichnung des zwischen den Konsortialbanken und dem Emittenten abzuschließenden Engagement Letters ein gemeinsames Verständnis sowohl von den aufzunehmenden Finanzkennzahlen und der jeweils erforderlichen Prüfungstiefe sowie der Lösung des Haftungsthemas unter frühzeitiger Einbeziehung etwaiger Versicherer entwickeln. 1 Im Falle von Aktienemissionen zumeist erst kurz vor Beginn des Bookbuildings bzw. vor Beginn des Bezugsrechtshandels.
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Comfort Letter 4. Rechtsbeziehung zwischen Wirtschaftsprüfer, Emittent und Emissionsbanken
Das Konzept der partiellen Prospektverantwortlichkeit in den USA, aber auch in Großbritannien und der Schweiz bringt es mit sich, dass dem Comfort Letter keine haftungsbegründende Funktion nach diesen Rechtsordnungen zukommt. Sind Finanzangaben in einem Prospekt objektiv fehlerhaft und wurde zugleich die nach der betreffenden Rechtsordnung geforderte Sorgfalt von einer den Comfort Letter ausstellenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft verletzt, so bestehen direkte Ansprüche der Anleger. Dem Comfort Letter kommt daneben keine haftungsbegründende Funktion, sondern lediglich eine Entlastungsfunktion für die Banken zu.
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Aufgrund des in Deutschland bestehenden Konzepts der Gesamtverantwortung für den Prospekt, welches jedoch die Wirtschaftsprüfer nicht zu den möglichen Prospektverantwortlichen zählt, kommt dem Comfort Letter neben der primären Entlastungsfunktion für die Emissionsbanken auch eine mögliche Haftungsfunktion im Wege der Begründung von Rückgriffsansprüchen im Innenverhältnis zwischen Emissionsbanken und Wirtschaftsprüfer zu. Diese bisher selten praktisch gewordenen Rückgriffsansprüche sind der Hauptgrund für die zum Teil sehr kontroversen Verhandlungen zwischen Bankenkonsortien und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften um die Formulierungen und etwaige Haftungsbegrenzungen im Comfort Letter. Im Folgenden wird daher die dogmatische Begründung für eine mögliche Haftung des Wirtschaftsprüfers aufgrund der Ausstellung eines Comfort Letters untersucht.
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Die rechtliche Basis für eine Haftungsbegründung aus Comfort Lettern gegenüber den Emissionsbanken ist im Einzelnen in der Literatur umstritten1. Die drei wichtigsten denkbaren Anspruchsgrundlagen sind: Haftung aus Auskunftsvertrag (Rz. 232), Haftung aus Vertrag zugunsten eines Dritten (Rz. 238) sowie Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (Rz. 241). Des Weiteren werden noch die Vertrauenshaftung bzw. eine Haftung aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag diskutiert2.
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a) Haftung aus Auskunftsvertrag Naheliegend ist zunächst ein Anspruch der Emissionsbanken gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aus einem zwischen beiden Parteien abgeschlossenen Auskunftsvertrag. Anspruchsbegründend wäre eine Verletzung dieses Auskunftsvertrags gemäß § 280 Abs. 1 BGB.
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Nach Rechtsprechung und Literatur entscheidend ist, auf welcher Grundlage von einem Vertragsverhältnis ausgegangen werden kann, wann also zwei übereinstimmende, mit Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen vorliegen3. Zu unterstellen ist hier der Normalfall, dass der Wirtschaftsprüfer mit den Emissionsbanken in Kontakt tritt und mit diesen die Einzelheiten des Comfort Letters verhandelt. Der Comfort Letter selbst wird dann an die Emissionsbanken bzw. an Emissionsbank und Emittent adressiert.
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1 Vgl. dazu etwa Meyer, WM 2003, 1745, 1749 und 1754 bei Fn. 84; Ebke/Siegel, WM 2001, Sonderbeilage 2, S. 15 ff. sowie ausführlich Langendorf, Haftungsfragen bei Anleiheemissionen – insbesondere vor dem Hintergrund des Comfort Letters, 3. Kap. 2 Ausführlich Langendorf, Haftungsfragen bei Anleiheemissionen – insbesondere vor dem Hintergrund des Comfort Letters, 3. Kap. A I 4. und Ebke/Siegel, WM 2001, Sonderbeilage 2, S. 14 ff. 3 Dazu mit zahlreichen weiteren Nachweisen Langendorf, Haftungsfragen bei Anleiheemissionen – insbesondere vor dem Hintergrund des Comfort Letters, 3. Kap. A I 1 Fn. 634 und 635.
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Bei derartigen Verhandlungen zwischen Emissionsbanken und Wirtschaftsprüfern ist – gerade im Hinblick auf die Bedeutung des Geschäfts – von einem Rechtsbindungswillen beider Seiten auszugehen. Hierbei ist ohne Belang, dass der Emittent im Engagement Letter mit den Banken verpflichtet wird, einen Comfort Letter beizubringen. Hierdurch wird der prospektive Emittent lediglich zur Beibringung des Comfort Letters verpflichtet, dessen Vorliegen eine der üblicherweise vereinbarten aufschiebenden Bedingungen (sog. conditions precedent) für die Durchführung der Transaktion darstellt. Zum anderen ist der zwischen den Konsortialbanken und dem Emittenten abzuschließende Engagement Letter die Basis für die – sachgerechte – Kostentragung durch den Emittenten.
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Die Erstellung des Comfort Letters und dessen Übermittlung an die Emissionsbanken stellt zumindest eine konkludente Willenserklärung des Wirtschaftsprüfers dar, wobei vereinzelt der Rechtsbindungswillen der Wirtschaftsprüfer in Frage gestellt wird1. Diese Frage ist richtiger Weise aus dem Empfängerhorizont zu beantworten. Der BGH hat in vergleichbaren Fällen einen konkludenten Vertragsschluss angenommen, wenn es für den Auskunftsgeber objektiv erkennbar war, dass die Auskunft für den Empfänger von erheblicher Bedeutung ist und zur Grundlage wesentlicher Entscheidungen gemacht wird2. Eine wichtige Rolle spiele dabei auch die besondere Sachkunde des Auskunftsgebers, die im Falle des Wirtschaftsprüfers mit einem gesetzlichen Monopol für die Testierung von Jahresabschlüssen evident ist.
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Ein Comfort Letter hat für die Emissionsbanken besondere Bedeutung, was für den Wirtschaftsprüfer erkennbar ist. Die Erstellung des Comfort Letters im Verhältnis zwischen Wirtschaftsprüfer und Emittenten ist entgeltlich, auch wenn die Emissionsbanken selbst keine Kosten übernehmen. Das Verhältnis zwischen Wirtschaftsprüfer und Emissionsbanken kann gleichsam als Grundlage für die Entgeltzahlung durch den Emittenten angesehen werden3.
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Insgesamt liegen also ausreichende Gründe sowohl auf Seiten der Emissionsbanken als auch auf Seiten des Wirtschaftsprüfers für die Abgabe jedenfalls konkludenter Willenserklärungen mit Rechtsbindungswillen vor. Damit sprechen die besseren Gründe dafür, von einem Auskunftsvertrag zwischen den Emissionsbanken und dem Wirtschaftsprüfer auszugehen4.
1 Gegen einen Rechtsbindungswillen wenig überzeugend Ebke/Siegel, WM 2001, Sonderbeilage 2, S. 16, weil der Wirtschaftsprüfer von den Emissionsbanken keine Vergütung erhalte; dagegen aber mit besseren Gründen Langendorf, Haftungsfragen bei Anleiheemissionen – insbesondere vor dem Hintergrund des Comfort Letters, 3. Kap. A I 1a, bb. Da die Erstellung des Comfort Letters, auch und gerade im Vergleich mit „normalen“ Abschlussarbeiten relativ hoch vergütet wird, ist die Kostenüberwälzung auf bzw. Kostentragung durch den Emittenten für die Frage des Rechtsbindungswillens ohne Belang. Entscheidend für einen Rechtsbindungswillen spricht im Übrigen die Gerichtsstandklausel am Ende des Comfort Letters (dazu unten Rz. 266). 2 Vgl. etwa BGH v. 17.9.1985 – VI ZR 73/84, NJW 1986, 180, 181. 3 Ebenso Langendorf, Haftungsfragen bei Anleiheemissionen – insbesondere vor dem Hintergrund des Comfort Letters, 3. Kap. A I 1, sowie Meyer, WM 2003, 1746 f. 4 So auch Langendorf, Haftungsfragen bei Anleiheemissionen – insbesondere vor dem Hintergrund des Comfort Letters, 3. Kap. A I 1a) anders dagegen Ebke/Siegel, WM 2001, Sonderbeilage 2, S. 17, die aber, wenn der Comfort Letter an die Emissionsbanken adressiert ist (oder zumindest an diese versendet wird) von der „Gefahr eines Auskunftsvertrages“ sprechen. Beides ist gemäß dem Prüfungsstandard IDW PS 910 vom 4.3.2004 jedoch der Fall – insbesondere Adressierung an Emittent und Emissionsbanken (Tz. 12).
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Comfort Letter b) Haftung aus Vertrag zugunsten Dritter
Lehnt man einen Vertrag zwischen Wirtschaftsprüfer und Emissionsbanken ab, kommt als Anspruchsgrundlage für einen etwaigen Rückgriffsanspruch gegen die Wirtschaftsprüfer ein Vertrag zugunsten Dritter in Betracht. Der Vertrag zwischen dem Emittenten und dem Wirtschaftsprüfer über die Erstellung eines Comfort Letters kann als echter (berechtigender) oder unechter (ermächtigender) Vertrag zugunsten der Emissionsbanken im Sinne des § 328 BGB ausgestaltet sein. Der Unterschied zwischen einem echten und einem unechten Vertrag zugunsten Dritter besteht darin, dass die Emissionsbanken nur bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter einen eigenen Anspruch gegen die Wirtschaftsprüfer hätten und Leistung an sich verlangen könnten. Für den Fall von Leistungsstörungen bei Schlechterfüllung durch den Wirtschaftsprüfer würde im Falle eines lediglich unechten Vertrags zugunsten Dritter kein Anspruch auf Schadensersatz bestehen; denn wer die vertragliche Leistung nicht an sich selbst fordern kann, ist auch nicht zu Ersatzansprüchen wegen Störungen der Leistungspflicht berechtigt1.
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Ob der Vertrag zwischen Emittent und Wirtschaftsprüfer als echter Vertrag zugunsten der Emissionsbank i.S.d. § 328 BGB zu qualifizieren ist, ist durch Auslegung des Vertragsverhältnisses zu ermitteln. Die Auslegungsregeln der §§ 328 Abs. 2, 329 und 330 BGB helfen nicht weiter. Ein berechtigender Vertrag zugunsten Dritter wird nur dann anzunehmen sein, wenn der Versprechensempfänger (Emittent) eine Leistung alleine im Interesse des Dritten (Bankenkonsortium) vereinbart2. Ein derartiger Fall liegt aber gerade nicht vor. Vielmehr erfüllt der Emittent als Prospektverantwortlicher durch die Einholung eines Comfort Letters eine eigene Verpflichtung gegenüber der Emissionsbank3.
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Auch im Übrigen entspricht die Ausstellung von Comfort Lettern nicht den typischen Dreiecks-Konstellationen (fürsorge- oder versorgungsähnliche Situationen), so dass eine Qualifizierung des Vertrags zwischen Emittent und Wirtschaftsprüfer als echter (berechtigender) Vertrag zugunsten der Emissionsbanken i.d.R. ausscheiden dürfte4.
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c) Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Als Anspruchsgrundlage für Rückgriffsansprüche kommt schließlich ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht. Eine Schutzwirkung des Vertrags zwischen Emittent und Wirtschaftsprüfer zugunsten der Emissionsbanken der zur Folge die Emissionsbanken im Falle der Verletzung von vertraglichen Sorgfalts- und Obhutpflichten einen eigenen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Wirtschaftsprüfer geltend machen könnten, ist jedoch zweifelhaft.
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Das Institut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wurde von der Rechtsprechung vor allem in Fällen der Gutachter- oder Expertenhaftung herangezogen5. Voraussetzung für die Bejahung einer Schutzwirkung zugunsten der Emissionsbanken
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1 So auch Ebke/Siegel, WM 2001, Sonderbeilage 2, S. 15 und Langendorf, Haftungsfragen bei Anleiheemissionen – insbesondere vor dem Hintergrund des Comfort Letters, 3. Kap. A I 2. 2 Zu diesem Kriterium BGH v. 17.1.1985 – VII ZR 63/84, BGHZ 93, 271 = NJW 1985, 1457. 3 Langendorf, Haftungsfragen bei Anleiheemissionen – insbesondere vor dem Hintergrund des Comfort Letters, 3. Kap. A I 2 und Meyer, WM 2003, 1746 i.V.m. 1749. 4 So auch Ebke/Siegel, WM 2001, Sonderbeilage 2, S. 15 und Langendorf, Haftungsfragen bei Anleiheemissionen – insbesondere vor dem Hintergrund des Comfort Letters, 3. Kap. A I 2. Dagegen eine Qualifikation als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bejahend Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 17 m. w. W. 5 Statt vieler Palandt/Heinrichs, § 328 BGB Rz. 34 mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
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ist deren Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrags zwischen Emittenten und Wirtschaftsprüfer. (1) Die erforderliche Leistungsnähe des Dritten, dass also die Emissionsbanken bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung aus dem Comfort Letter „in Berührung“ kommen, ist zweifellos gegeben. Der Comfort Letter wird zumindest auch an die Emissionsbanken gerichtet. (2) Zweite Voraussetzung für eine Schutzwirkung ist das schutzwürdige Interesse des Emittenten an der Einbeziehung der Emissionsbanken. Diese Voraussetzung wurde von der Rechtsprechung zunächst nur bejaht, wenn der Gläubiger der Hauptleistung für das „Wohl und Wehe“ des Dritten verantwortlich war, wenn also eine persönliche Fürsorge- oder Obhutpflicht oder eine soziale Abhängigkeit zwischen Gläubiger und Dritten bestand, was im Verhältnis Emittent – Emissionsbanken eindeutig zu verneinen ist. Ein Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten wird seit geraumer Zeit von der Rechtsprechung jedoch bereits angenommen, wenn besondere Anhaltspunkte für einen auf den Schutz des Dritten gerichteten Parteiwillen bestehen, insbesondere wenn Schutzpflichten des Gläubigers gegenüber dem Dritten aufgrund eines Vertrags bestehen1. Dies wird man bei der Vereinbarung über die Erstellung eines Comfort Letters bejahen können, da sich entsprechende Verpflichtungen des Emittenten gegenüber den Emissionsbanken aus dem Engagement Letter und dem Übernahmevertrag (dort als condition precedent) ergeben. (3) Schließlich müsste der Kreis der potentiell einbezogenen Dritten objektiv abgrenzbar und für den Wirtschaftsprüfer erkennbar sein. Auch dies wird man bei dem Emissionskonsortium bejahen können. Der Kreis der Emissionsbanken ist klar abgrenzbar und überschaubar. Auch die Erkennbarkeit ist für den Wirtschaftsprüfer gegeben. Dieser ist sich schon aufgrund der Adressierung darüber bewusst, dass der Comfort Letter für alle Emissionsbanken bestimmt ist. Schließlich wird durch die Begrenzung der Haftungssumme auf das Platzierungsvolumen die potentielle Haftung des Wirtschaftsprüfers nicht erhöht; der etwaige Schaden bzw. Rückgriffsanspruch verteilt sich lediglich auf eine größere Anzahl von (Banken-)Rückgriffsgläubigern. (4) Letzte Voraussetzung für die Begründung eines Rückgriffsanspruchs aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist die Schutzbedürftigkeit der Emissionsbanken. Eine Schutzbedürftigkeit wird dann angenommen, wenn der Dritte für seinen Schaden keinen eigenen Ersatzanspruch gegen den Schädiger hat, der zumindest gleichwertig ist. Verneint man entgegen der hier vertretenen Auffassung einen Auskunftsvertrag, wird es an einem anderweitigem Ersatzanspruch gegenüber dem Wirtschaftsprüfer fehlen2. 243
Die Annahme eines Anspruchs aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wäre für die Emissionsbanken gegenüber einem Anspruch aus Verletzung des Auskunftsvertrages erheblich ungünstiger: Der Wirtschaftsprüfer kann gegenüber dem Dritten, also der Emissionsbank, die gleichen Einwendungen erheben wie gegenüber dem Emittenten. Dies gilt insbesondere für Beschränkungen der Haftung des Wirtschaftsprüfers gegenüber dem Emittenten, etwaiger Fahrlässigkeit des Emittenten als Mitverschuldenseinwand oder bei bewusstem Verschweigen wesentlicher Umstände durch den Emittenten den Finanzteil betreffend. Der Dritte hat insoweit
1 Etwa BGH v. 28.2.1977 – II ZR 52/75, BGHZ 69, 82, 86 = NJW 1977, 1916; BGH v. 23.9.1985 – II ZR 172/84, BGHZ 96, 9 = NJW 1986, 249. 2 Ein solcher Anspruch wird von Ebke/Siegel, WM 2001, Sonderbeilage 2, S. 17 grundsätzlich bejaht.
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nach herrschender Meinung keine stärkere Rechtsposition als die Partei, aus deren vertraglichen Rechten er seinen Anspruch herleitet. Der BGH hat zwar insbesondere für Gutachten und Expertenmeinungen eine Vertragsauslegung für möglich gehalten, gemäß der die Möglichkeit des Experten, sich gegenüber dem Dritten auf Einwendungen aus seinem Verhältnis mit dem Auftraggeber zu berufen, als stillschweigend abbedungen gilt1. Dies wird aber von der h.M. in der Literatur zu Recht kritisiert2. Eine solche Auslegung müsste sich zumindest eindeutig auf die Interessen bzw. den Willen beider Vertragsparteien zurückführen lassen. Jedenfalls für den Wirtschaftsprüfer ist nicht erkennbar, weshalb mögliche Einwendungen gegenüber den Emissionsbanken abbedungen sein sollen. Ein solcher Abbedingungswille lässt sich auch kaum aufgrund des objektiven Empfängerhorizonts konstruieren.
244
d) Ergebnis Die Annahme eines Auskunftsvertrags zwischen Emissionsbanken und Wirtschaftsprüfer entspricht im Ergebnis daher sowohl der wirtschaftlichen Bedeutung des Comfort Letters als auch der objektiven Interessenlage aufgrund der zum Teil mehrmonatigen, jedenfalls aber mehrwöchigen kontroversen Verhandlungen eines Comfort Letters. Demgegenüber wirkt die Annahme (lediglich) eines Vertrags zwischen Emittent und Wirtschaftsprüfer mit Schutzwirkung zugunsten der Emissionsbanken gekünstelt. Die berechtigten Interessen des Wirtschaftsprüfers an einer Haftungsbegrenzung können über eine ergänzende Versicherungslösung besser und vorhersehbarer gelöst werden. Für die Banken ist es schließlich nicht akzeptabel, dass ein nur aus dem Vertrag zwischen Emittent und Wirtschaftsprüfer abgeleiteter Anspruch in dem Einwand bilateraler Beschränkungen und insbesondere etwaiger Vertragsverletzungen durch den Emittenten unterliegt3.
245
Der Vergleich mit anderen wichtigen Jurisdiktionen, insbesondere den USA, zeigt ebenfalls, dass die Annahme eines direkten Rückgriffsanspruchs zugunsten der Emissionsbanken aus einem Auskunftsvertrag nicht unbillig ist: Zum einen steht die Realisierung des Rückgriffsanspruchs im deutschen Recht unter dem Vorbehalt einer fehlgeschlagenen due diligence defense der Emissionsbanken als neben dem Emittenten im Außenverhältnis regelmäßig einzigen Prospektverantwortlichen; zum anderen ist die Realisierungsgefahr eines Rückgriffsanspruchs im Vergleich zu einer selbständigen partiellen Prospektverantwortung für den Finanzteil, wie etwa in den USA, Großbritannien, aber auch Österreich und der Schweiz, das deutlich mildere Haftungskonzept4.
246
1 Vgl. etwa BGH v. 10.11.1994 – III ZR 50/94, BGHZ 127, 378, 385 = NJW 1995, 392. Zustimmend Medicus, WuB IV A. § 328 BGB 1.98 zu BGH WM 1998, 440 ff. 2 So etwa H. Schneider, ZHR 163 (1999), 246, 253; Zugehör, NJW 2000, 1601, 1604 und Langendorf, Haftungsfragen bei Anleiheemissionen – insbesondere vor dem Hintergrund des Comfort Letters, 3. Kap. A I 3b), jeweils m.w.N. 3 A.A. jüngstens Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 17 ff. mit Hinweis auf die – aus genannten Gründen naheliegende – Rechtsauffassung des IDW. 4 Der Diskussionsentwurf des Kapitalinformationshaftungsgesetzes (KapInHaG) aus dem Jahre 2004 enthielt zwar im Falle „ausdrücklicher“ Verantwortungsübernahme der Wirtschaftsprüfer im Prospekt erstmals eine Außenhaftung auch der Wirtschaftsprüfer (§ 44a BörsG-E). Diese war jedoch in Anlehnung an § 323 Abs. 2 HGB auf 4 Mio. Euro beschränkt. Ob bereits die Zustimmung zur Aufnahme der testierten Jahresabschlüsse zu einer Außenhaftung geführt oder eine solche Außenhaftung die Haftung aus dem Comfort Letter „überlagert hätte“ (dazu Kuss, Vorsitzender des IDW Arbeitskreises Comfort Letter in der Börsen-Zeitung vom 2.12.2004), ist sehr fraglich. Da die KapInHaG-Initiative nicht weiter verfolgt worden ist, müssen sich alle Beteiligten noch mit der bedingten Rückgriffslösung arrangieren.
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5. Der typische Inhalt eines Comfort Letters nach IDW PS 910 247
Der nunmehr verabschiedete standardisierte IDW PS 910 Comfort Letter ähnelt nach Form und Inhalt dem US-Vorbild SAS 72. In der inzwischen vorliegenden englischen Übersetzung sind weite Teile nicht nur inhalts-, sondern auch wortgleich. Gleichwohl enthält der IDW PS 910 Comfort Letter Ergänzungen im Hinblick auf die beschriebenen Besonderheiten deutschen Rechts. Die wichtigsten Inhalte des neuen Standards werden chronologisch dargestellt. a) Adressatenkreis
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Der IDW-Comfort Letter wird im Regelfall vom Wirtschaftsprüfer nicht nur an die Emissionsbanken, sondern auch an den Emittenten adressiert. Die gemeinsame Adressierung rührt nach der Begründung des IDW-Standards daher, dass der Wirtschaftsprüfer den Comfort Letter im Auftrag des Emittenten erstellt und an die Konsortialbanken übermittelt. Problematisch aus Sicht der Emissionsbanken ist, dass das Auftragsverhältnis zwischen dem Emittenten und dem Wirtschaftsprüfer auch die allgemeinen Auftragsbedingungen der Wirtschaftsprüfer und damit deren Haftungsbegrenzung auf maximal 5 Mio. Euro nach Ziffer 9 der Allgemeinen Auftragsbedingungen umfasst. Fraglich ist insoweit, ob allein die Adressierung an die Emissionsbanken und den Emittenten, ohne eine ausdrückliche Verweisung auf die allgemeinen Auftragsbedingungen, bereits wegen der potentiellen Kenntnis der Banken zu einer Haftungsbeschränkung im Außenverhältnis führt. Der Prüfungsstandard PS 910 führt hierzu aus, dass die Haftungshöhe gegenüber den jeweiligen Banken unterschiedlich geregelt werden kann1. b) Aussage zu den geprüften Jahresabschlüssen
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Kernstück jedes Comfort Letters sind die Ausführungen des Wirtschaftsprüfers zu den (in aller Regel von ihm) zuvor geprüften Jahresabschlüssen. Während der SAS 72-Standard lediglich eine nachrichtliche Erwähnung der früheren Prüfung in der Einleitung des Comfort Letter-Textes enthält, war bis in die späten 90er Jahre in Deutschland die Wiederholung des Testats im Comfort Letter nicht unüblich. In jüngerer Zeit lehnen die Wirtschaftsprüfer aus Rechtsgründen jedoch zutreffend die ausdrückliche Wiederholung des Testats im Comfort Letter ab. Eine solche Testatswiederholung könnte nämlich als die erneute Durchführung einer Jahresabschlussprüfung bis zum Zeitpunkt der Abgabe des Comfort Letters angesehen werden2. Da eine solche jedoch nicht durchgeführt wurde, würde die Wiederholung des Testats insofern einen falschen Anschein erwecken und im Übrigen auch den Anforderungen des Berufsstands für die Abgabe eines Testates widersprechen.
250
Der Comfort Letter nach PS 910 erhält nunmehr (lediglich) einen Hinweis auf die geprüften Abschlüsse mit dem Datum der Testatserteilung3. Der Zeitraum zwischen 1 Hinweis auf die entsprechende Begründung des PS 910 sowie Hinweise zu Auffassungen zu explizierter oder implizierter Haftungsbegrenzung. Dazu Meyer, WM 2003, 1749 mit ausdrücklichem Hinweis auf die Einbeziehung von Versicherern für eine angemessene Haftungsregelung und Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 20 und Rz. 17. 2 Zur Stichtagsbezogenheit des Bestätigungsvermerks und wertaufhellenden Ereignissen Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 10 mit Hinweis auf IDW PS 400, WPg 2005, 1382 ff. 3 PS 910 Tz. 30 f. Hierzu und im Folgenden ausführlich Meyer, WM 2003, 1750 f. m.w.N.
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der letzten Testatserteilung und dem Datum des Comfort Letters wird durch ebenfalls im PS 910 definierte Untersuchungshandlungen abgedeckt (dazu sogleich Rz. 252). Der Eingangs erwähnte Arbeitskreis der Wirtschaftsprüfer und der Emissionsbanken hat in Bezug auf die Aussagen zu geprüften Abschlüssen für beide Seiten einen wichtigen Fortschritt gebracht:
251
Zum einen wurde in der gesamten Wirtschaftsprüferbranche, und damit auch außerhalb der „großen vier“ Prüfungsgesellschaften KPMG, PwC, Deloitte & Touche sowie Ernst & Young, das Augenmerk dafür geschärft, dass vor Erteilung eines Comfort Letters die früheren Prüfungshandlungen bezüglich wesentlicher oder als kritisch erachteter Bilanzpositionen noch einmal anhand aktualisierter Fragen und einzelner bewährter Prüfungshandlungen zu überprüfen sind. Auf Bankenseite wurde demgegenüber das Verständnis dafür geweckt, dass Wirtschaftsprüfer im Lichte einer bevorstehenden Kapitalmaßnahme ihre früheren Prüfungshandlungen noch einmal kritisch würdigen und ggf. einzelne Formulierungen, wie z.B. Anmerkungen im Anhang (bzw. sog. Notes bei US-GAAP-Abschlüssen) ändern oder Ergänzungen in der Begründung vornehmen. Solche Änderungen sollten nicht als Kompetenzschwäche angesehen, sondern vielmehr als Qualitätssicherungsmaßnahme des Wirtschaftsprüfers positiv begleitet werden. c) Untersuchungshandlungen nach Erteilung des letzten Bestätigungsvermerks Die Vertreter der Emissionsbanken und der Wirtschaftsprüfer haben sich auf typische Untersuchungshandlungen nach der Erteilung des letzten Bestätigungsvermerks geeinigt, die zum einen mit zeitlich und ökonomisch vertretbarem Aufwand durchgeführt werden können, und auf der anderen Seite eine hinreichende Gewähr bezüglich etwaiger wertaufhellender Ereignisse bieten1. Der Katalog der typischen Untersuchungshandlungen sieht zum einen Befragungen des Managements der ersten und zweiten Führungsebene sowie einige strukturelle Überprüfungshandlungen vor, die denen einer prüferischen Durchsicht des Zwischenabschlusses nahe kommen, deren Intensität jedoch nicht erreichen.
252
Eine typische inhaltliche Aussage zum letzten geprüften Jahresabschlusses in einem z.B. sechs Monate später erteilten Comfort Letter lautet, dass dem Wirtschaftsprüfer „… nichts bekannt geworden ist, was ihn – hätte er damals bereits Kenntnis von dem Vorliegen dieser Ereignisse oder Maßnahmen gehabt – an der Erteilung des Testats in der abgegebenen Form gehindert hätte“.
253
Kern dieser Aussage ist, dass der Abschlussprüfer auch mit seinem aktuellen Kenntnisstand (ohne dass seine Prüfungshandlungen das Comfort Level einer echten prüferischen Durchsicht (Review) erreichen) an dem damals erteilten Testat festhält.
254
Sollte im Einzelfall einmal ein bestätigungsvermerkrelevantes Ereignis nach Erteilung des Testats eingetreten sein und der Abschlussprüfer dieses in seinem Comfort Letter ausdrücklich festhalten, wird das Emissionskonsortium ungeachtet eines entsprechenden Hinweises in dem Finanzteil auch an ggf. korrespondierenden Stellen im
255
1 Zu wertaufhellenden Ereignissen Meyer, WM 2003, 1750. Zur Notwendigkeit ergänzender Hinweise im Finanzteil zur Vermeidung eines missverständlichen Eindrucks OLG Frankfurt am Main v. 17.3.1999 – 21 U 260/97 – „MHM Mode“, ZIP 1999, 1005, 1007 = AG 1999, 325 sowie Krämer/Baudisch, WM 1998, 1161, 1172 (zur Vorinstanz). Zu post audit review procedures eingehend auch Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 22 ff.
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Prospekt durch deutlichen Hinweis auf dieses wertaufhellende Ereignis aufmerksam machen müssen1. Neben dieser Aussage zu den testierten Jahresabschlüssen liest der Abschlussprüfer gemäß PS 910 die jeweiligen Anhänge kritisch. Dies erfolgt im Hinblick darauf, dass es gemäß IDW RS HFA (Hauptfachausschuss) 6 zulässig ist, bestimmte Fehler in geprüften Abschlüssen in laufender Rechnung zu korrigieren. Eine notwendige Korrektur in früheren Jahresabschlüssen erfolgt im jeweils nächsten Abschluss sowie durch einen Hinweis im Anhang dieses Abschlusses2. Ein Fehler im Jahresabschluss 2006 kann auf diese Weise im Jahresabschluss 2007 aufgenommen und korrigiert werden, ohne dass der Jahresabschluss 2006 (bzw. der insoweit erteilte Bestätigungsvermerk) zwingend widerrufen werden muss. Unter Umständen wird durch eine solche nachträgliche Korrektur die Vergleichbarkeit der Abschlüsse im Prospektkapitel „Darstellung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten“ beeinträchtigt. Je nach Bedeutung einer solchen Fehlerkorrektur wird sich deshalb möglicherweise ein deutlicher Hinweis z.B. in den „Selected Financial Data“ bzw. der „Zusammenfassung wichtiger Finanzkennzahlen“ am Beginn des Prospektes empfehlen. d) Aussage zu ungeprüften Zwischenabschlüssen 256
Je nach dem Zeitpunkt der beabsichtigten Emission im Geschäftsjahr des Emittenten wird die Aufnahme – nur – von Jahresabschlüssen in den Prospekt nicht ausreichen. Sind z.B. Kalenderjahr und Wirtschaftsjahr identisch und beabsichtigt der Emittent, im September oder Oktober des Folgejahres eine Kapitalerhöhung durchzuführen oder eine Anleihe zu begeben, wird insbesondere institutionellen Investoren der Zeitraum zwischen Veröffentlichung des testierten Jahresabschlusses, z.B. Ende März 2007, und dem Platzierungszeitpunkt sechs oder sieben Monate später, als zu lang erscheinen. Insbesondere in volatilen Märkten, schwierigen Wettbewerbsbedingungen oder zweifelhafter Bonität des Emittenten werden die Emissionsbanken im Hinblick auf die Platzierbarkeit der Kapitalerhöhung oder Anleihe zumindest auf die Aufnahme eines Zwischenberichts zum 30.6.2008 und ggf. auch auf eine sog. prüferische Durchsicht (Review) durch den Abschlussprüfer dringen3.
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Unter Geltung der EG-Transparenzrichtlinie4 und der jedenfalls bei größeren Börsengängen unvermeidlichen Wahl des Prime Standard Segments der Deutschen Börse AG für den regulierten Markt, aber auch den erhöhten Anforderungen des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) ist die Aufnahme von Zwischenberichten praktisch unabdingbar geworden. Hinsichtlich der typischen Aussagen im Comfort Letter ist zunächst festzuhalten, dass eine Prüfung von Quartals- oder Zwischenberichten nicht vorgeschrieben ist. Aufgrund der zeitlichen Nähe des Zwischenberichts zur Transaktion ist es jedenfalls bei Sekundärmarktplatzierungen auch aus Investorensicht nicht im1 Siehe zu dem Fehlen eines solchen deutlichen Hinweises und zu dem Maßstab, der bei fehlerhaften Finanzangaben – auch – an die Banken angelegt wird: LG Frankfurt v. 7.10.1997 – 3/11 O 44/96 – „MHM/Mode“, WM 1998, 1181 = AG 1998, 488; dazu im Einzelnen auch Krämer/ Baudisch, WM 1998, 1161 ff. 2 Zum kritischen Lesen der Anhänge Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 27. 3 Die Anforderungen der ProspektVO, Anhang I Ziffer 20.6. werden in der Emissionspraxis jedenfalls bei Aktienemissionen und Anleihen im Non-Investment Grade-Bereich (BB+ und schlechter) weit übertroffen. 4 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38.
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mer erforderlich, dass der Zwischenbericht geprüft oder zwingend prüferisch durchgesehen worden ist1. Bei der prüferischen Durchsicht (sog. Review) handelt es sich um eine Plausibilitätsbeurteilung. Danach kann aufgrund der professionellen Erfahrung des Abschlussprüfers mit Zwischenberichten bzw. Quartalsberichten dieser Art mit einer gewissen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Zwischenbericht in allen wesentlichen Aspekten in Übereinstimmung mit angewandten Rechnungslegungsgrundsätzen steht. Es ist zwar möglich, dass ein lediglich der prüferischen Durchsicht unterzogener Zwischenabschluss im Falle eines nachträglichen Testats an der einen oder anderen Stelle noch Änderungen unterliegen kann. Für eine hinreichende Sicherheit bzgl. eines zutreffenden Gesamtbildes der Finanzangaben reicht eine prüferische Durchsicht jedoch grundsätzlich aus und ist für einen Entlastungsbeweis bzw. Haftungsausschluss nach § 45 Abs. 1 BörsG nicht erforderlich2. Aufgrund der im Vergleich zu testierten Abschlüssen geringeren Prüfungstiefe wird für „prüferisch durchgesehene“ Zwischenabschlüsse in einem Comfort Letter nur eine sog. negative assurance, d.h. eine negative formulierte Aussage, aufgenommen. Diese lautet in der Regel wie folgt:
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„… besteht für uns kein Anlass zu der Annahme, der Zwischenabschluss [Beschreibung] sei in wesentlichen Belangen nicht in Übereinstimmung mit den anwendbaren Rechnungslegungsgrundsätzen aufgestellt worden.“ e) Aussage zur Geschäftsentwicklung zwischen dem letzten (Zwischen-)Abschluss und dem Prospektdatum Auch die unterstellte Richtigkeit der drei im Prospekt enthaltenen historischen Jahresabschlüsse sowie die zutreffende Darstellung in einem Zwischenabschluss z.B. zum 30.9.2008 würde Ansätze für Prospekthaftungsklagen einer Anfang Dezember 2008 durchgeführten Transaktion jedenfalls nicht vollständig ausschließen, wenn die Geschäftsentwicklung gerade in den Monaten Oktober und November erheblich schlechter als im Gesamtjahr verlaufen ist und der Prospekt hierauf an keiner Stelle einen Hinweis enthält. Insoweit könnte – allerdings nur bei einer nachhaltigen Trendumkehr – das Gesamtbild des Prospekts im Sinne von § 5 WpPG3 einen falschen Eindruck vermitteln.
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Indessen werden die Banken nicht nur die sog. „agreed upon procedures“ (d.h. die mit dem Wirtschaftsprüfer vereinbarten Maßnahmen für den Zwischenzeitraum seit dem letzten Zwischenabschluss des Emittenten bis zum sog. „cut off date“) intensiv verhandeln, sondern auch ihre eigene Business Due Diligence gerade in Bezug auf den unmittelbaren Zeitraum vor der Platzierung sorgfältig durchführen.
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Die Maßnahmen des Wirtschaftsprüfers zur Aktualisierung der Erkenntnisse sind nämlich nur teilweise geeignet, eine solche aktuelle Trendumkehr zu ermitteln. So wird typischerweise zwischen Banken und Wirtschaftsprüfern vereinbart, dass bis unmittelbar vor der Platzierung erstellte Vorstands- und Aufsichtsratsprotokolle vom
261
1 ProspektVO Anhang I Ziffer 20.6. sieht ebenfalls lediglich vor, dass im Prospekt aus Gründen der Transparenz ausdrücklich anzugeben ist, ob eine Zwischenübersicht geprüft worden ist. 2 Deutlich Schwark, § 45 BörsG Rz. 45, der bei Vorliegen eines Comfort Letters des Wirtschaftsprüfers einen das Verschulden ausschließenden Rechtsirrtum bejaht, ohne bzgl. der Comfort Letter-Aussagen nach review oder Testat von Zwischenabschlüssen etc. zu differenzieren. 3 Vgl. hierzu und im Folgenden Rz. 310 ff.. Maßgebend noch immer BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81 – „Beton- und Monierbau“, WM 1982, 862 ff. Nach diesen Grundsätzen müsste allerdings eine deutliche Trendumkehr verschwiegen werden.
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Wirtschaftsprüfer auf maßgebliche Änderungen des wirtschaftlichen Umfelds und der Branchenentwicklung sowie der Ertrags- und Finanzlage des Emittenten zu überprüfen sind1. Darüber hinaus hat der Wirtschaftsprüfer das Management zu aktuellen Veränderungen wesentlicher Bilanzpositionen gegenüber dem letzten im Prospekt enthaltenen (Zwischen-)Abschluss zu befragen. Schließlich wird der Wirtschaftsprüfer etwa vorhandene Monatsberichte des Emittenten kritisch lesen und/oder Mitarbeiter des Rechnungswesens zur aktuellen Entwicklung unmittelbar vor der Platzierung befragen. 262
Diese begrenzten Prüfungsmaßnahmen sind indessen gerade im Falle eines international agierenden Unternehmens nur eingeschränkt geeignet, aktuelle Entwicklungen adäquat zu erfassen. So verhindert schon die typische Sitzungsfrequenz sowohl des Aufsichtsratsplenums als auch einzelner Ausschüsse2, dass z.B. im Zeitpunkt zwischen Veröffentlichung eines Quartalsabschlusses Mitte November und dem Platzierungszeitpunkt zwei Wochen später eine Aufsichtsratssitzung oder eine Bilanzausschusssitzung stattfindet. Die im wöchentlichen oder 14-tägigen Turnus stattfindenden Vorstandssitzungen enthalten in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße demgegenüber häufig nur die Tagesordnungspunkte oder kurze Punktuationen, die die Brisanz einzelner Entwicklungen nicht immer erkennen lassen. Darüber hinaus verzögert sich im Einzelfall durchaus die Erstellung von Vorstandsprotokollen aufgrund der enormen zeitlichen Inanspruchnahme der Vorstandsmitglieder vor einer Emission. Gerade kleinere Emittenten oder Emittenten mit einer Vielzahl von Auslandstochtergesellschaften werden schließlich keine Monatsberichte erstellen oder aber Monatsberichte nur mit einer gewissen Verzögerung erstellen können.
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Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Wirtschaftsprüfer für den letzten Zeitraum bis unmittelbar vor der Platzierung lediglich eine weniger belastbar formulierte negative Aussage treffen, die hinter der negative assurance in Bezug auf ungeprüfte Zwischenberichte wiederum deutlich zurückbleibt. Üblicherweise enthält ein Comfort Letter dann die Formulierung, dass der Abschlussprüfer „… keine Kenntnis von Veränderungen [bestimmter im Voraus mit den Banken vereinbarter Kennzahlen] hat, es sei denn, diese Veränderungen sind im Prospekt offengelegt“.3 f) Bedeutung der aktuellen Entwicklung vor dem cut off date in der Transaktionspraxis
264
Investmentbanken schenken dem Zeitraum unmittelbar vor der Platzierung4 zu Recht besondere Beachtung bei den Management-Befragungen und sog. bring down calls. Je nach der Qualität des Rechnungswesens, dem Emittentenrating bzw. der 1 Dazu auch Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 30 ff. 2 Relevant wären hier vor allem die Sitzungen eines audit committees. 3 Zur so genannten 135 Tage-Regel, gemäß der der Wirtschaftsprüfer nach Ablauf von 135 oder mehr Tagen seit dem Stichtag des letzten geprüften oder prüferisch durchgesehenen (review) Abschlusses keine eigene Aussage mehr trifft, sondern lediglich von der Gesellschaft erteilte Auskünfte wiedergibt, PS 910 Tz. 72, 86 f. mit Formulierungsbeispiel in Anlage 4.1. Kritisch zu dieser jedenfalls nach deutschem Standard als zu starr empfundenen Regel Meyer, WM 2003, 1753. Zur 135-Tage-Regel ebenfalls Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 35 mit dem Hinweis, dass mangels gesetzlicher Verpflichtung, innerhalb von 45 Tagen einen Quartalsfinanzbericht vorzulegen, die sog. „Change Period“ in Deutschland im Einzelfall länger sein könnte. Jedenfalls für indexnotierte Unternehmen, die die Fristen des Corporate Governance-Kodex einhalten, dürfte dieser international akzeptierte Zeitraum jedoch der zutreffende Maßstab sein. 4 In der Regel die letzten sechs bis acht Wochen vor dem Beginn des Bookbuildings.
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Dauer der Geschäftsbeziehung mit dem entsprechenden Emittenten sollten allgemeine Fragen nach signifikanten Änderungen vermieden und durch spezielle Fragen in Bezug auf einzelne Bilanz- und GuV-Positionen, vorhandener hinreichender Monatsberichterstattung, konkrete Veränderungen des Wettbewerbsumfeldes, der Umsatz- und Produktentwicklung, neuen Rechtstreitigkeiten bzw. Entwicklungen existierender Rechtstreitigkeiten usw. erfragt werden. Schließlich sollten die Emissionsbanken darauf dringen, dass Entwürfe von Vorstands- und Aufsichtsratsprotokollen unterschrieben oder aber entsprechende Entwürfe dem Wirtschaftsprüfer und ihren Rechtsberatern zugänglich gemacht werden, damit ein möglichst aktueller Einblick in die Unternehmenssituation im Platzierungszeitpunkt gewährleistet ist. Die Transaktionserfahrung zeigt, dass eine Vielzahl von Enttäuschungen im Nachgang zu Kapitalerhöhungen, aber auch Börsengängen daher rührt, dass aufgrund der starken Befassung des Top-Managements mit der Kapitalmarkttransaktion drei bis vier Monate vor der Platzierung zu viele Ressourcen gebunden wurden und sich diese Ressourcen-Bindung auf die Geschäftsentwicklung unmittelbar vor und nach der Emission negativ ausgewirkt hat1. g) Formaler Abgleich von Zahlen in Comfort Lettern (circle up) Schließlich enthält der Comfort Letter PS 910 auch Aussagen zu dem üblicherweise von den Wirtschaftsprüfern durchzuführenden formalen Abgleich der im Prospekt enthaltenen Finanzzahlen mit den Jahresabschlüssen, Zwischenabschlüssen oder sonstigen Informationsquellen des Emittenten (nicht geprüfte oder prüferisch durchgesehene Monatsberichte und andere Daten aus der Finanzbuchhaltung des Emittenten, sog. „circle up“)2. Der Abgleich dieser Daten folgt im Wesentlichen dem amerikanischen Vorbild SAS 71, wobei der unterschiedliche level of comfort in Bezug auf die zugrundeliegende Vergleichsquelle mit unterschiedlichen Großbuchstaben von A (Zahlen aus dem testierten Jahresabschluss) bis z.B. F oder G (Bestätigungen sachgerechter Rundungsdifferenzen etc.) reicht. Ein Formulierungsbeispiel für den formellen Zahlenabgleich enthält IDW PS 910 in Tz. 104.
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h) Verwendungsbeschränkungen und Gerichtsstand Wie auch im SAS 72-Standard und von Legal Opinions bekannt, enthält der Comfort Letter abschließend Verwendungsbeschränkungen. Es wird darauf hingewiesen, dass sich der Comfort Letter ausschließlich an den Emittenten und die Emissionsbanken wendet, und weder zu anderen Zwecken benutzt, veröffentlicht oder weitergegeben werden darf; ausgenommen ist eine Bezugnahme im Underwriting Agreement oder zur eigenen Rechtsverteidigung.
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Der Comfort Letter schließt mit einem Hinweis auf die ausschließliche Geltung deutschen Rechts sowie auf den ausschließlichen Gerichtsstand für alle Streitigkeiten auf Grundlage oder im Zusammenhang mit diesem Comfort Letter. Diese Regelung verdeutlicht, dass der Comfort Letter auch von dem ausstellenden Wirtschaftsprüfer als ein Dokument (potentieller) Rückgriffshaftung verstanden wird und nicht nur
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1 Die Prospektverordnung berücksichtigt die Richtigkeit diverser Angaben zu jüngsten Entwicklungen im Anhang I Ziffer 20.9. ProspVO. Zu den diesbzüglichen Untersuchungshandlungen vgl. auch Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 34. 2 Dazu auch Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 41 m.w.N.
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dem – allerdings primären – Zweck der Etablierung eines Entlastungsbeweises (sog. due diligence defense) nach § 45 Abs. 1 BörsG gilt. Die Regelung spricht im Übrigen eindeutig für eine Annahme vertraglicher Beziehungen – auch – zwischen dem Wirtschaftsprüfer und dem Emissionskonsortium im Form eines Auskunftsvertrages1. 268
Jedenfalls bei grenzüberschreitenden Transaktionen deutscher Emittenten wird das Beharren auf einem vereinbarten ausschließlichen Gerichtsstand nicht nur dem Interesse des Emissionskonsortiums, sondern in der Regel auch nicht den Interessen des Wirtschaftsprüfers entsprechen. Werden einzelne Banken oder aber alle Mitglieder des Emissionskonsortiums im Ausland verklagt, so dürfte der Wirtschaftsprüfer bei einem Streit über die zutreffende Wiedergabe der Finanzzahlen sowie deren angemessene Darstellung fast immer ein Interesse daran haben, als Streithelfer aufzutreten. Können die Emissionsbanken auf Basis des jeweils anwendbaren Rechts eine Prospekthaftungsklage erfolgreich abwehren, kommt von vornherein kein Rückgriffsanspruch gegen den Wirtschaftsprüfer in Betracht. Aber auch im Falle von Klagen in Ländern mit partieller Prospektverantwortlichkeit und einer Klagebeschränkung (zunächst) nur auf die Emissionsbanken bzw. z.B. in Großbritannien auf den sog. Sponsor, kann der Wirtschaftsprüfer ein Interesse daran haben, aus Reputationsgründen bei der Verteidigung gegenüber Prospekthaftungsklagen Unterstützung zu leisten2. 6. Kollisionsrechtliche Fragen bei grenzüberschreitenden Platzierungen a) Ein Comfort Letter für die gesamte Transaktion
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Die aus Sicht der deutschen Emittenten wichtigsten Kapitalmarktrechte haben zumeist durch die ansässigen Berufsverbände Standards für die Abgabe von Comfort Lettern verabschiedet. Es stellt sich daher sowohl für die Emissionsbanken als auch die Wirtschaftsprüfer die Frage, ob für eine bestimmte Transaktionsstruktur ein Comfort Letter nach PS 910, ein Comfort Letter nach SAS 72 oder aber nach UK-Standard erforderlich ist. Wichtig ist die Entscheidung dieser Frage vor allem deshalb, weil nicht nur ein Comfort Letter nach dem deutschen PS 910-Standard, sondern auch ein unter englischem Recht ausgestellter Comfort Letter typischerweise einen ausschließlichen Gerichtsstand enthalten wird.
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Kriterien für die Entscheidung dieser Frage sind u.a. die in den Prospekt aufzunehmenden Jahres- und Zwischenabschlüsse des Emittenten (nach IFRS oder US-GAAP erstellt, ggf. UK-GAAP) sowie die angestrebte Börse bzw. der Schwerpunkt der Platzierung3.
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Für deutsche Emittenten wird sich die sog. „Ein-Brief-Lösung“ in Form eines PS 910 Comfort Letters nur dann empfehlen, wenn sowohl der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit, die ausschließliche Börsennotierung sowie der angestrebte Platzierungsschwerpunkt in Deutschland ist bzw. bei deutschen Investoren liegen wird. In diesen
1 Siehe oben Rz. 235 f. und die dortigen Fußnoten. 2 In diesem Sinne bereits Meyer, WM 2003, 1756 und Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 44. 3 Im Falle einer sog. Rule 144A-Tranche erwarten die internationalen Investoren z.B. stets einen Comfort Letter – auch – nach SAS 72-Standard. Vgl. im Einzelnen zu den Voraussetzungen der Rule 144A unten § 11 Rz. 89 ff. Die Rule 144A hat allerdings in den Platzierungen seit 2007 einen erheblichen Bedeutungsverlust erfahren.
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§ 10
Comfort Letter
zumeist kleineren Platzierungen erübrigt sich zumeist die Abgabe eines zusätzlichen Comfort Letters nach SAS-Standard1. b) Zwei Letter-Lösung Bei der Mehrzahl der Börsengänge, jedenfalls bei großvolumigen Kapitalerhöhungen mit nennenswertem Anteil an institutionellen Investoren, werden in aller Regel zwei Comfort Letter erwartet und abgegeben. Dabei ist darauf zu achten, dass die jeweilige geographische Reichweite der Comfort Letter sachgerecht zueinander abgegrenzt ist2. Beispielsweise kann sich der SAS 72 Comfort Letter auf die Platzierung in den USA bzw. die due diligence defense gegenüber US-Investoren auf Basis der dortigen Securities Laws beschränken, während der Comfort Letter PS 910 nicht nur für das öffentliche Angebot und die Börsennotierung in Deutschland, sondern auch für die institutionellen Platzierungen nach anderen europäischen Rechtsordnungen gilt. Die hierbei auftretenden kollisionsrechtlichen Fragen sind noch nicht eingehend untersucht3. Es ist zu erwarten, dass im Nachgang zur Prospektrichtlinie und deren nunmehr erfolgte Umsetzung in das nationale Recht der Druck auf eine EU-weite Regelung der Prospekthaftung und damit auch der personalen Prospektverantwortlichkeit wachsen wird. Sollte in diesem Zusammenhang auch eine EU-weite Entscheidung für das Konzept der partiellen Prospektverantwortung fallen, rückt auch eine EU-einheitliche Haftung des Wirtschaftsprüfers näher.
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7. Ausblick Der neue Prüfungsstandard PS 910 hat eine Reihe bisher kontrovers diskutierter Fragen im Hinblick auf Formulierungen zu geprüften und ungeprüften (Zwischen-)Abschlüssen, Pro forma-Angaben und Maßnahmen zur Wertaufhellung nach dem Stichtag der letzten Prüfungshandlungen geklärt. Wenngleich in Bezug auf die wichtige Frage der Haftung für Comfort Letter lediglich ein Formelkompromiss erzielt worden ist, hat die weitgehende Einigung auf einen Standardwortlaut doch zur Konzentration auf einige wenige Themen und damit erkennbar zu einer Verkürzung der Comfort Letter-Verhandlungen geführt. Insgesamt kann der neue IDW-Standard als Kompromiss zwischen den Emissionsbanken und den durch das IDW vertretenen Wirtschaftsprüfern angesehen werden. Durch die Etablierung eines angemessenen Prüfungsstandards durch die Berufsorganisation wird zudem die Versicherbarkeit der Risiken erleichtert und die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen due diligence defense der Emissionsbanken – und mittelbar auch des Emittenten – im Falle der Einholung eines Comfort Letters und der Durchführung entsprechender IDW PS 910-konformer Prüfungshandlungen erhöht. Durch die Mitwirkung aller namhaften internationalen 1 Dabei sträuben sich die Wirtschaftsprüfer in aller Regel nicht, zusätzlich einen weiteren Comfort Letter nach SAS-Standard auszustellen. Da diese Comfort Letter nach den US-Securities Laws nicht haftungsbegründend wirken und im Falle volumenmäßig zu vernachlässigender Platzierung bei US-Investoren auch keine direkte Inanspruchnahme des Wirtschaftsprüfers nach Sec. 11 (4) (a) Securities Act von 1933 droht, besteht aus Sicht der Wirtschaftsprüfer wenig Veranlassung, sich gegen die Ausstellung dieses Comfort Letters zu wehren. Allerdings ist stets die Federführung eines US-Partners der betreffenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erforderlich, was zu erheblichen Zusatzkosten führt und deshalb aus Emittentensicht, wo vertretbar, vermieden werden sollte. 2 In diesem Sinne auch Kunold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 47 mit zutreffendem Verweis auf IDW PS 910 Tz. 3. 3 Erste Überlegungen hierzu bei Ebke/Siegel, WM 2001, Sonderbeilage 2, S. 20 ff., allerdings mit dem Schwerpunkt auf internationaler Prospekthaftung und internationalem Deliktrecht.
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§ 10
Börsennotierung
Banken im Arbeitskreis Comfort Letter ist auch eine internationale Akzeptanz der vorliegenden englischsprachigen Fassung erreicht worden. 274–309
Einstweilen frei.
IV. Prospekthaftung Schrifttum: Assmann, Die Prospekthaftung beruflicher Sachkenner de lege lata und de lege ferenda, AG 2004, 435; Bischoff, Internationale Börsenprospekthaftung, AG 2002, 489; Fleischer, Umplatzierung von Aktien durch öffentliches Angebot und verdeckte Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 AktG, ZIP 2007 1969; Groß, Die börsengesetzliche Prospekthaftung, AG 1999, 199; Fleischer, Prognoseberichterstattung im Kapitalmarktrecht, AG 2006, 1; Grumann, Prospektbegriff, -pflicht und -verantwortlichkeit im Rahmen der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne, BKR 2002, 310; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken bei Emissionen, 1991; Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung – Recht und Reform in der Europäischen Union, der Schweiz und den USA, WM 2004, 1801; Kort, Neuere Entwicklungen im Recht der Börsenprospekthaftung (§§ 45 ff. BörsG) und der Unternehmensberichtshaftung (§ 77 BörsG), AG 1999, 9; Krämer/Baudisch, Neues zur Börsenprospekthaftung und zu den Sorgfaltsanforderungen beim Unternehmenskauf, WM 1998, 1161; Meyer, Aspekte einer Reform der Prospekthaftung – Eine Würdigung der Verhandlungen des 64. Deutschen Juristentages, WM 2003, 1301, 1349; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 33; Siebel/Gebauer, Prognosen im Aktien- und Kapitalmarktrecht – Lagebericht, Zwischenbericht, Verschmelzungsbericht, Prospekt usw., WM 2001, 118, 173; Sittmann, Die Prospekthaftung nach dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz, NZG 1998, 490; Stephan, Prospektaktualisierung, AG 2002, 3.
1. Überblick 310
Die öffentliche Platzierung von Aktien erfordert in der Regel die Veröffentlichung eines Prospekts oder eines prospektgleichen Dokuments1. Durch die in dem Prospekt enthaltenen Informationen soll der Anleger in die Lage versetzt werden, die Risiken der Anlage einzuschätzen und eine überlegte Investitionsentscheidung zu treffen. Der Prospekt dient dazu, das Informationsgefälle zwischen Emittent und Anleger auszugleichen und Markttransparenz herzustellen. Bei Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts werden diese Zwecke nicht erreicht. Der in seinem Vertrauen in die Korrektheit des Prospekts enttäuschte Anleger kann in einem solchen Fall von den schuldhaft handelnden Prospektverantwortlichen unter bestimmten Voraussetzungen seinen durch die fehlerhafte Information entstandenen Schaden ersetzt verlangen.
311
Zur Sanktionierung der Verletzung der Verpflichtung, im Rahmen der Börsenzulassung von Wertpapieren einen vollständigen Prospekt zu veröffentlichen, sieht das Börsengesetz eine spezialgesetzliche Haftungsregelung in den §§ 44–47 BörsG vor. Der deutsche Gesetzgeber hat damit in diesem Bereich, ebenso wie etwa die USA, die Schweiz oder Großbritannien, eine spezielle Vertrauens- und Berufshaftung gesetzlich verankert, die auf die spezifischen Erfordernisse des Kapitalmarkts zugeschnitten ist. 1 Im Folgenden wird von den Fällen einer prospektfreien Platzierung im Rahmen des § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG und § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG (Platzierung von Aktien gleicher Gattung bis zu 10 % des Grundkapitals) abgesehen. Hierbei ist in der Praxis darauf zu achten, dass § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG lediglich eine Befreiung bei einer Anzahl von weniger als 10 % zulässt, während § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG eine Befreiung vom Bezugsrechtserfordernis einschließlich der 10 %-Grenze ermöglicht. Zu den Ausnahmen einer Prospektpflicht jüngstens Schlitt/Schäfer, AG 2008, 525 f.
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§ 10
Prospekthaftung
Die schon im Jahre 1896 in Kraft getretenen Prospekthaftungsnormen des Börsengesetzes wurden zunächst im Zuge des Dritten und Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes den Erfordernissen des modernen Kapitalanlegerschutzes angepasst. Durch die Umsetzung der Prospektrichtlinie zum 1.7.2005 ergeben sich die inhaltlichen Mindestanforderungen des ab dem 1.7.2005 veröffentlichten Wertpapierprospektes entsprechend § 7 des neu geschaffenen Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) aus der europäischen ProspektVO1. Die Prospekthaftungsregelung wurde somit materiell grundlegend beeinflusst, weil sich die inhaltlichen Anforderungen geändert haben, indem das WpPG i.V.m. der ProspektVO an die Stelle der §§ 13–47 BörsZulV getreten sind2. Die bisherige Unterscheidung zwischen Börsenzulassungsprospekt und Verkaufsprospekt wurde zugunsten eines einheitlichen Prospektbegriffes aufgehoben3. Des Weiteren wurde § 45 Nr. 5 BörsG eingefügt, um klarzustellen, dass eine Prospekthaftung nicht allein aus einer nunmehr gemäß § 5 Abs. 2 WpPG gesetzlich geforderten Zusammenfassung des Prospekts isoliert abgeleitet werden kann4. Von diesen Änderungen abgesehen, ist der Text der §§ 44 ff. BörsG unverändert geblieben.
312
2. Der Prospektbegriff als Anknüpfungspunkt der börsengesetzlichen Prospekthaftung Prospekt im Sinne des § 44 Abs. 1 BörsG ist allein der Wertpapierprospekt i.S.v. § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG. Dazu gehört ein unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 und 3 WpPG und nach Maßgabe des WpPG erstellter und von der BaFin nach § 13 WpPG oder ein von einer zuständigen Behörde des Europäischen Wirtschaftsraums nach § 17 Abs. 3 WpPG gebilligter sowie ein bescheinigter Prospekt i.S.v. § 18 WpPG; ferner der nach § 102 InvG und den dort angeführten Vorschriften zu erstellende Prospekt einer inländischen oder ausländischen Investmentaktiengesellschaft mit fixem Kapital; und schließlich ein Verkaufsprospekt i.S.v. § 42 InvG5. Dabei kommt es allein darauf an, dass auf Grund des Prospekts die Zulassung der Wertpapiere erfolgt ist, unabhängig davon, ob eine Prospektpflicht besteht oder ob der Prospekt alle erforderlichen Angaben enthält6. „Informationsmemoranden“, die bei einer Kapitalerhöhung von weniger als 10 % des bereits börsennotierten Kapitals trotz der grundsätzlichen Prospektbefreiungsmöglichkeit nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG erstellt werden, und auf deren Grundlage die Zulassung der neuen Aktien erfolgt, stellen deshalb Wertpapierprospekte i.S. des § 44 Abs. 1 BörsG i.V.m. § 5 WpPG dar. Informationsmemoranden, die bei Umplatzierungen von bereits an einer inländischen Börse zugelassenen Aktien erstellt werden, sind grundsätzlich keine Wertpapierprospekte i.S. des § 44 Abs. 1 BörsG, wenn die zu platzierenden Aktien bereits börsenzugelassen sind und sich das Angebot z.B. ausschließlich an qualifizierte Anleger i.S.v. § 3 Abs. 2 i.V.m. § 2 Nr. 6 WpPG richtet7.
1 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung (ABl. EU Nr. L 149 v. 30.4.2004, S. 1, Nr. L 215 v. 16.6.2004, S. 3). 2 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 2. 3 Schlitt/Schäfer, AG 2005, 498, 499; Schlitt/Singhof/Schäfer, BKR 2005, 251. 4 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 2. 5 Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 46. 6 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 23. 7 Zu weiteren Ausnahmen in Bezug auf die Art des Angebots bzw. die angebotenen Wertpapiere siehe § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 1 WpPG. Die Prospekthaftung gemäß § 44 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 BörsG kommt dabei vor allem für die Tatbestände des § 4 Abs. 2 Nr. 2–4 WpPG in Betracht.
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Börsennotierung
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Dem Wertpapierprospekt gleichgestellt sind schriftliche Darstellungen (§§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 3, 5, Abs. 2 Nr. 3, 4, 5, 6, 8d WpPG), auf Grund deren Veröffentlichung eine Prospektbefreiung erteilt wurde (§ 44 Abs. 4 BörsG). Nach der Aufhebung des zweiten Abschnitts der BörsZulV und der Einführung des WpPG durch das ProspektrichtlinieUmsetzungsgesetz kommen als schriftliche Darstellungen diejenigen „Dokumente“ in Betracht, deren Verfügbarkeit die meisten der in § 4 Abs. 1 und Abs. 2 WpPG aufgeführten Tatbestände zur Voraussetzung einer Ausnahme von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts erheben1.
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Weitere Veröffentlichungen werden von der börsengesetzlichen Prospekthaftung nicht erfasst. So stellen etwa Finanzberichte (§ 37v WpHG), Halbjahresfinanzberichte (§ 37w WpHG), Zwischenmitteilungen (§ 37x WpHG), Bezugsangebote, Zeichnungsaufforderungen, Werbemaßnahmen, veröffentliche Research-Analysen und Ad hocMitteilungen nach § 15 WpHG keine Prospekte im Sinne des § 44 Abs. 1 BörsG dar. Die §§ 44, 45 BörsG gelten für diese Veröffentlichungen auch nicht entsprechend. Bei Fehlerhaftigkeit dieser Darstellungen wird jedoch eine Haftung aus bürgerlichrechtlicher Prospekthaftung diskutiert, in jüngerer Zeit jedoch ganz überwiegend mit zutreffenden Argumenten verneint (vgl. hierzu unten unter Rz. 367 ff.).
316
Einstweilen frei. 3. Fehlerhaftigkeit der Prospektangaben
317
Die Haftung nach §§ 44, 45 BörsG setzt unrichtige oder unvollständige Angaben im Prospekt voraus. a) Maßgeblicher Adressatenhorizont
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Die Beurteilung, ob ein Prospekt unrichtige oder unvollständige Angaben enthält, hängt entscheidend davon ab, welche Anforderungen an die Kenntnis und das Verständnis des Adressaten gestellt werden dürfen. Da die Beurteilung der Richtigkeit oder Vollständigkeit eines Prospekts nicht von den individuellen Verständnismöglichkeiten des einzelnen Anlegers abhängen kann, kommt nur ein einheitlicher Beurteilungsmaßstab in Betracht. Die Schwierigkeit, einen solch einheitlichen Maßstab festzulegen, ist aufgrund der Bandbreite potentieller Anleger offenkundig, die von der professionellen Investmentbank und Fonds bis zum Kleinanleger reicht. Die Rechtsprechung hat versucht, einen mittleren Maßstab zu finden und stellt bei Emissionen, die sich an das allgemeine Publikum richten, auf einen aufmerksamen Leser und durchschnittlichen Anleger ab2, der zwar eine Bilanz zu lesen versteht, aber nicht unbedingt mit der in eingeweihten Kreisen gebräuchlichen Schlüsselsprache vertraut ist3.
1 Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 47. 2 „Für das Verständnis von Prospektangaben ist die Sicht eines aufmerksamen Lesers und durchschnittlichen Anlegers maßgeblich. Stimmt der so verstandene Inhalt des Prospekts mit der Wirklichkeit nicht überein und waren diese unrichtige Angaben für die Anlageentscheidung des verständigen Prospektlesers erheblich, ist die Prospekthaftung begründet.“, OLG Frankfurt am Main v. 19.7.2005 – 5 U 182/03, AG 2005, 851, 852; „Angaben müssen einem durchschnittlichen Anleger, nicht einem flüchtigen Leser verständlich sein“, BGH v. 22.2.2005 – XI ZR 359/03, WM 2005, 782, 784 = AG 2005, 477. 3 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81 – „Beton- und Monierbau“, WM 1982, 862, 865 = AG 1982, 278; OLG Frankfurt am Main v. 1.2.1994 – 5 U 213/92 – „Bond“, WM 1994, 291, 295 = AG 1995, 134; OLG Frankfurt am Main v. 6.7.2004 – 5 U 122/03 – „EM. TV II“, WM 2004, 1831, 1835 = AG 2004, 510; OLG Frankfurt am Main v. 19.7.2005 – 5 U 182/03, AG 2005, 851, 852.
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Prospekthaftung
Das auf den ersten Blick widersprüchliche Bild eines bilanzkundigen Durchschnittsanlegers stellt bei genauerer Betrachtung einen sachgerechten Maßstab dar. Würde der Maßstab auf die Kenntnis eines durchschnittlichen Kleinanlegers gesenkt werden, der in der Regel eine Bilanz nicht oder nur unvollkommen zu lesen versteht, so würden die Anforderungen an die Erläuterung des in den Prospekt aufzunehmenden Datenmaterials potentiell steigen und der Prospektumfang eine nicht mehr vertretbare Dimension annehmen1. Ob dies dem mit dem Prospekt verfolgten Informationszweck zuträglich wäre, ist mehr als zweifelhaft2. Entscheidend dürfte jedoch sein, dass der Kleinanleger in der Praxis den Wertpapierprospekt überhaupt nicht liest und die Wertpapiere auf Grund der Berichterstattung über die Emission oder der Empfehlung seiner Hausbank oder eines sonstigen Anlageberaters erwirbt. Bei diesen Personen sollten entsprechende Fachkenntnisse vorhanden sein, um die in dem Prospekt enthaltenen Daten zu verstehen.
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b) Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit wesentlicher Angaben Ein Prospekthaftungsanspruch besteht nur, wenn die für die Beurteilung der Wertpapiere wesentlichen Angaben unrichtig oder unvollständig sind (§ 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG). Der Maßstab für Unrichtigkeit und Unvollständigkeit, also das Auslassen oder die fehlerhafte Darstellung wesentlicher Umstände eines Wertpapierprospekts ist aus den Vorschriften der §§ 5 ff. WpPG i.V.m. den Vorschriften der gemäß § 7 WpPG anwendbaren Prospekt-Verordnung zu entnehmen.
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aa) Wesentliche Angaben. In den Wertpapierprospekt sind nicht nur Tatsachen, sondern auch Wertungen und – soweit zuvor vom Emittenten veröffentlicht – auch Prognosen aufzunehmen. So gehören Angaben über den jüngsten Geschäftsgang und die Geschäftsaussichten des Emittenten zum zwingenden Prospektinhalt (§ 7 WpPG i.V.m. Art. 3, Anhang I Ziff. 12, 12.1, 12.2, 20.9 ProspektVO)3. Alle Äußerungen, seien sie tatsächlicher oder wertender Natur, stellen Angaben im Sinne der börsengesetzlichen Haftung dar4. Das damit begründete weite Haftungsobjekt wird durch den Begriff der Wesentlichkeit eingegrenzt. Die Wesentlichkeit einer Angabe bestimmt sich nach dem Zweck der Prospektpflicht, den Anleger durch möglichst vollständige und richtige Information in die Lage zu versetzen, die Risiken der Anlage einzuschätzen und eine überlegte Investitionsentscheidung zu treffen. Eine Angabe ist daher wesentlich, wenn sie zu den wertbildenden Faktoren der Anlage gehört und von einem durchschnittlichen Anleger „eher als nicht“ bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigt wird5. Die Entscheidung, ob und wann dies der Fall ist, obliegt den Prospektverantwortlichen. Wenn es sich um Angaben handelt, die ein verständiger Anleger bei seiner Investitionsentscheidung berücksichtigen würde, sollte dies den Prospektverantwortlichen erkennbar
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1 Problematik der sog. „overload information“. Zustimmend Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 28 f. 2 Hopt weist zu Recht darauf hin, dass ein solcher Umfang den Prospekt zum „Informationsgrab“ machen würde, vgl. bereits Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken bei Emissionen, 1991, Rz. 185. 3 Ausführlich zur Prognoseberichterstattung Siebel/Gebauer, WM 2001, 118 ff., 173 ff.; Quick/ Kayadelen, WPg 2002, 949 ff.; Fleischer, AG 2006, 1 ff. 4 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81 – „Beton- und Monierbau“, WM 1982, 862, 865 = AG 1982, 278; OLG Frankfurt am Main v. 1.2.1994 – 5 U 213/92 – „Bond“, ZIP 1994, 282, 284 = AG 1995, 134. 5 Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 87; BGH v. 26.9.1991 – VII ZR 376/89, BGHZ 115, 213 = NJW 1992, 429.
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Börsennotierung
sein und von ihnen antizipiert werden. Dies gilt inbesondere für den Emittenten, der sein Geschäft kennt bzw. kennen muss1. 322
bb) Unrichtigkeit. (1) Einzelangaben. Tatsachen sind unrichtig, wenn sie im Zeitpunkt der Prospektveröffentlichung nicht der Wahrheit entsprechen. Für Werturteile und Prognosen wird gehaftet, wenn sie nicht durch Tatsachen gedeckt oder kaufmännisch nicht vertretbar sind2. Für Werturteile gilt das Gebot der Zurückhaltung3. Bei der Erstellung des Prospekts sollte sorgfältig darauf geachtet werden, dass Annahmen, Absichten, Schätzungen oder Erwartungen sprachlich eindeutig gekennzeichnet werden4.
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(2) Gesamteindruck. Für die Beurteilung der Fehlerhaftigkeit eines Prospekts kommt es nicht nur auf die Einzelangaben, sondern vor allem auch auf den Gesamteindruck des Prospekts im Hinblick auf die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage des Emittenten an5. Ein unrichtiger Gesamteindruck entsteht insbesondere, wenn die Informationen über die finanzielle Situation des Emittenten so ungenau und zweideutig sind, dass sie falsche Vorstellungen über das Unternehmen hervorrufen6. Ein unrichtiger Gesamteindruck ergibt sich auch dann, wenn die Verhältnisse des Emittenten zu positiv und beschönigend dargestellt werden. Diese Gefahr besteht insbesondere bei der vollständigen Ausnutzung bilanzrechtlicher Spielräume. Hierdurch kann das Gesamtbild des Unternehmens zu positiv ausfallen und damit eine börsengesetzliche Prospekthaftung auslösen, obwohl die Einzelbewertungen für sich genommen nicht unrichtig sind7. Bei besonders risikobehafteten Anlagen mit eindeutig spekulativem Charakter muss dies unmissverständlich zum Ausdruck kommen8.
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Ein unrichtiges Gesamtbild entsteht auch, wenn auf Probleme und Risiken nicht deutlich oder nicht an deutlich erkennbarer Stelle hingewiesen wird. Prospektgestaltungsmängel können einen Prospektfehler allerdings – nur dann – darstellen, wenn sie die Verständlichkeit des Prospekts erheblich erschweren9. Sowohl bei der Formulierung als auch bei der Gestaltung des Prospekts ist deshalb darauf zu achten, dass ein zutreffendes Bild von dem Emittenten und seiner Geschäftslage vermittelt wird. 1 Schäfer, ZGR 2006, 41, 51. 2 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81 – „Beton- und Monierbau“, WM 1982, 862, 865 = AG 1982, 278; OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82 – „Beton- und Monierbau“, WM 1984, 586, 595 f. 3 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81 – „Beton- und Monierbau“, WM 1982, 862, 865 = AG 1982, 278. 4 Nach Ziffer 4.2.1. der nach Inkrafttreten des WpPG nicht mehr geltenden Going Public-Grundsätze der Deutsche Börse AG waren bei zukunftsgerichteten Aussagen Standardformulierungen wie „erwartet“, „geht davon aus“, „nimmt an“ oder „prognostiziert“ zu verwenden. Bei den Going Public-Grundsätzen handelte es sich um eine freiwillige Selbstregulierung der Kapitalmarktteilnehmer für den Bereich der Frankfurter Wertpapierbörse, die ab 1.8.2004 bis zum Inkrafttreten des WpPG am 1.7.2005 von allen maßgeblichen Emissionshäusern unterstützt wurden, vgl. hierzu Schlitt/Smith/Werlen, AG 2002, 478; Meyer, WM 2002, 1864 zur lediglich in wenigen Punkten (Risikofaktoren, Research) abweichenden Vorfassung. 5 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81 – „Beton- und Monierbau“, WM 1982, 862 = AG 1982, 278; BGH v. 22.2.2005 – XI ZR 359/03, WM 2005, 782, 784 = AG 2005, 477; OLG Frankfurt am Main v. 1.2.1994 – 5 U 213/92 – „Bond“, WM 1994, 291, 295 = AG 1995, 134. 6 OLG Frankfurt am Main v. 1.2.1994 – 5 U 213/92 – „Bond“, WM 1994, 291, 295 = AG 1995, 134; Hopt, Verantwortlichkeit der Banken, Rz. 153. 7 Vgl. BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81 – „Beton- und Monierbau“, WM 1982, 862, 863 = AG 1982, 278. 8 Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 36 m.w.N.; a.A. Schwark, in Schwark, § 45 BörsG Rz. 20. 9 OLG Frankfurt am Main v. 1.2.1994 – 5 U 213/92 – „Bond“, WM 1994, 291, 295 = AG 1995, 134.
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Der interessierte und nicht über überdurchschnittliche Fachkenntnisse verfügende Leser des Prospekts ist nur dann in der Lage, das Beteiligungsrisiko richtig einzuschätzen, wenn er über den tatsächlichen Geschäftszweck und die kapitalmäßige Verflechtung der Aktiengesellschaft, an der er sich zu beteiligen beabsichtigt, vollständig und zutreffend informiert wird1. In der Literatur ist umstritten, ob die Richtigkeitskontrolle unter dem Gesichtspunkt des Gesamteindrucks die Prospektverantwortlichen nicht nur zur umfassenden Offenlegung des tatsächlichen Datenmaterials, sondern auch zur für den Durchschnittsanleger verständlichen und nachvollziehbaren Erläuterung des einschlägigen Datenmaterials verpflichtet2. In der Praxis ist es schon seit Langem üblich, dass nicht nur bei grenzüberschreitenden Emissionen, sondern auch bei Zulassungen zum (früheren) Amtlichen oder Geregelten Markt – nunmehr dem Regulierten Markt – der Frankfurter Wertpapierbörse eine ausführliche Zusammenfassung des Gesamtprospekts, eine Auflistung der maßgeblichen Risikofaktoren als auch eine Zusammenfassung der wichtigsten Kennzahlen mit Erläuterungen für die letzten drei Geschäftsjahre (sog. Operating Financial Results – OFR) in den Prospekt aufgenommen wird. Seit der Umsetzung der Prospektrichtlinie zum 1. Juli 2005 ist dies für öffentlich angebotene Wertpapiere ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben (Anhang I Ziff. 20 ProspektVO).
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cc) Unvollständigkeit. (1) Grundsätze. Ein Prospekt ist unvollständig, wenn er nicht alle zur Beurteilung der Wertpapiere und des Emittenten erforderlichen wesentlichen Angaben enthält. Zu veröffentlichen sind vor allem die Informationen, die über die gegenwärtige und künftige Lage des Unternehmens und damit seinen inneren Wert Auskunft geben3. Für die Beurteilung der Unvollständigkeit bieten die §§ 5 und 7 WpPG i.V.m. Art. 3 Anhänge I bis III ProspektVO, welche die Mindestanforderungen an den Wertpapierprospekt festlegen, nur Anhaltspunkte, da von ihnen auch zahlreiche Angaben formaler oder technischer Art gefordert werden, die nicht als wesentlich anzusehen sind. Das Fehlen einer von den §§ 5 und 7 WpPG i.V.m. Art. 3 Anhänge I bis III ProspektVO vorgeschriebenen Angabe führt damit nicht zwangsläufig zu einer Prospekthaftung. Um dem verständigen Leser ein zutreffendes Gesamtbild über den Emittenten zu vermitteln, sind andererseits in der Regel über die von §§ 5 und 7 WpPG i.V.m. Art. 3 Anhänge I bis III ProspektVO geforderten Angaben hinaus weitere Angaben erforderlich4. Der Zweck des Prospekts, dem Anleger eine informierte Anlageentscheidung zu ermöglichen, gebietet es, dass zusätzlich nur wesentliche Angaben aufgenommen werden, damit die entscheidenden Aussagen des Prospekts nicht durch eine Vielzahl unwesentlicher Informationen überdeckt werden und dadurch das Gesamtbild des Prospekts verzeichnet und damit im Extremfall sogar unrichtig wird. Welche Angaben aufzunehmen sind, richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles.
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Die Rechtsprechung hat die Aufnahme folgender Angaben für erforderlich gehalten: bestimmte Erläuterungen zu einzelnen Posten des Jahresabschlusses5, einen Hinweis
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1 KG v. 21.3.2005 – 8 U 185/04, WM 2005, 1748, 1749. 2 Bejahend Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 83 ff.; ablehnend z.B. Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 19. 3 BGH v. 26.9.1991 – VII ZR 376/89, BGHZ 115, 213 = NJW 1992, 429; BGH v. 21.10.1991 – II ZR 204/90, BGHZ 116, 7, 12 = NJW 1992, 241. 4 So schon OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82 – „Beton- und Monierbau“, WM 1984, 586, 593 und OLG Frankfurt am Main v. 1.2.1994 – 5 U 213/92 – „BHF-Bank/Bond-Anleihe“, WM 1994, 291 = AG 1995, 134 unter Geltung der alten – allerdings weniger detaillierten – Börsenzulassungsverordnung. 5 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81 – „Beton- und Monierbau“, WM 1982, 582, 585 = AG 1982, 862.
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Börsennotierung
auf eine Anfechtungsklage gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss, auf Grund dessen die Wertpapiere emittiert wurden1, Hinweise auf wesentliche Verflechtungen mit anderen Unternehmen2, beabsichtigte Kurspflegemaßnahmen3, eine ungesicherte Forderung in existentieller Größenordnung sowie Verweise auf fiktive Annahmen in Pro forma-Abschlüssen – auch – an anderen Stellen im Prospekt4. Dagegen hat der Bundesgerichtshof den ausdrücklichen Hinweis auf den Begriff „Neuer Markt“ in einem Fondsprospekt nicht für erforderlich gehalten und die Prospekthaftung der emittierenden Bank gegenüber Anlegern wegen Unvollständigkeit der Prospektangaben abgelehnt5. 328
(2) Risikofaktoren. Zu den wesentlichen Angaben gehören die Risikofaktoren der Anlage6. Art. 2 Nr. 3 ProspektVO definiert „Risikofaktoren“ als eine Liste von Risiken, die für die jeweilige Situation des Emittenten und/oder der Wertpapiere spezifisch und für die Anlageentscheidungen wesentlich sind. Dazu zählen die Umstände, die einen erheblichen negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Lage des Emittenten und dessen Geschäftsgang haben können. Dies können je nach Einzelfall ungewöhnliche Wettbewerbsbedingungen, das bevorstehende Auslaufen von Schutzrechten oder Verträgen, oder die Abhängigkeit von bestimmten Märkten, der Preisentwicklung von Rohstoffen, Wechselkurschwankungen, Branchenzyklen, staatlichen Eingriffen oder die Abhängigkeit des Emittenten vom besonderen Fachwissen einzelner Personen der Geschäftsleitung sein7. Die Übersichtlichkeit des Prospekts gebietet es, nur solche Risikofaktoren zu nennen, die einen spezifischen Bezug zum Geschäftsbetrieb und zum Geschäftsumfeld des Emittenten darstellen8. Welche Faktoren dies sind, lässt sich nicht allgemeinverbindlich im voraus festlegen, sondern obliegt in jedem Einzelfall der Einschätzung der Prospektverantwortlichen. Die Aufnahme allgemein gehaltener und umfassend formulierter Risikofaktoren in Form eines Disclaimers führt dagegen nicht zu einer angemessen Risikoaufklärung und kann im Extremfall sogar zu einem unrichtigen Gesamtbild führen, wenn die besonderen Risiken des konkreten Geschäfts des Emittenten in der Masse der allgemeinen Risiken untergehen oder versteckt werden. Sämtliche Risikofaktoren müssen seit der Umsetzung der Prospektrichtliniegebündelt in einem besonderen Abschnitt dargestellt werden (§ 7 WpPG i.V.m. Art. 25 Abs. 1 ProspektVO), wie es der internationalen Praxis schon zuvor entsprach.
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(3) Ratings und negative Presseberichterstattung. Umstritten ist, ob Aussagen und Bewertungen Dritter in den Prospekt aufgenommen werden müssen, sofern die Angaben nicht gesetzlich vorgeschrieben sind9. Der Streit konzentriert sich vor allem auf Einstufungen durch Rating-Agenturen und negative Presseberichte. Eine zwingende Berücksichtigung der Presseberichterstattung ist abzulehnen, da es keinen hinreichend klaren
1 BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97 – „Elsflether Werft“, BGHZ 139, 225, 231 f. = AG 1998, 520. 2 OLG Frankfurt am Main v. 17.3.1999 – 21 U 260/97 – „MHM Mode“, ZIP 1999, 1005, 1006 = AG 2000, 132. 3 BGH v. 5.7.1993 - II ZR 194/92, BGHZ 123, 106 = AG 1994, 32. 4 Jeweils OLG Frankfurt am Main v. 17.3.1999 – 21 U 260/97 – „MHM Mode“, ZIP 1999, 1005, 1006 f. = AG 2000, 32. 5 BGH v. 22.2.2005 – XI ZR 359/03 – „Julius Bär“, WM 2005, 782, 784 ff. = AG 2005, 477. 6 Vgl. Anhang I, IV. D. zu Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.12.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/23/EG, ABl. EG Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64 ff. 7 Quick/Kayadelen, WPg 2002, 949, 953; Siebel/Gebauer, WM 2001, 173, 179. 8 Schlitt/Smith/Werlen, AG 2002, 478; Meyer, WM 2002, 1864. 9 Zum Meinungsstand vgl. Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 33.
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§ 10
Prospekthaftung
rechtlichen Maßstab zur Auswahl der aufzunehmenden Äußerungen gibt1. Die verpflichtende Aufnahme von Ratingeinstufungen ist jedenfalls bei Aktienemissionen schwer begründbar, solange keine gesetzliche Verpflichtung zur Zulassung von Ratingagenturen besteht. Ratingergebnisse und Presseberichterstattungen sind jedoch für die börsengesetzliche Prospekthaftung nicht irrelevant, da die Prospektverantwortlichen, und hierbei insbesondere die emissionsbegleitenden Banken, verpflichtet sind, Presseberichte und Einstufungen von Rating-Agenturen zu verfolgen, die den Berichten und Einstufungen zugrunde liegenden Tatsachen zu überprüfen und diese Tatsachen gegebenenfalls in den Prospekt aufzunehmen. Dabei dient die Ratingeinstufung renommierter Ratingagenturen zumindest zur Plausibilisierung bei der Bestimmung des erforderlichen Due Diligence-Umfangs vor der Platzierung2. (4) Betriebsgeheimnisse und Bankgeheimnis. Ob wesentliche Angaben, die Betriebsgeheimnisse des Emittenten darstellen, im Prospekt veröffentlicht werden müssen, ist ebenfalls umstritten3. § 5 Abs. 1 Satz 1 WpPG, der eine Information über die bewertungserheblichen Verhältnisse fordert, und § 8 Abs. 2 Nr. 2 WpPG, der eine Befreiung durch die BaFin im Hinblick auf einzelne Angaben nur dann gestattet, wenn die Nichtveröffentlichung das Publikum nicht über die für eine fundierte Beurteilung des Emittenten, des Anbieters und der Wertpapiere wesentlichen Tatsachen und Umstände täuscht, sprechen für eine differenzierte Einzelfallentscheidung zwischen dem Vorrang des Informationsinteresses des Kapitalmarktes und dem jeweiligen Unternehmensinteresse.
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(5) Prognosen. Sofern Tatsachen in Rede stehen, denen Prognosen zugrunde liegen, müssen die Prospektverantwortlichen entscheiden, ob sie die Prognose in den Prospekt aufnehmen wollen, sofern dies nicht ohnehin zwingend vorgeschrieben ist (z.B. im Rahmen des Anhangs I Ziff. 12.1, 12.2, 20.9 ProspektVO). Die Prospektverantwortlichen sollten bei der Veröffentlichung von Prognosen vorsichtig und generell zurückhaltend sein, in Anbetracht der Haftungsrisiken, die insbesondere mit spezifischen zukunftsgerichteten Aussagen verbunden sind. Entscheiden sich die Prospektverantwortlichen – trotz erhöhter Haftungsrisiken – zur Aufnahme einer Gewinnprognose in den Prospekt, so sind die Annahmen, die der Prognose zugrunde liegen, detailliert darzustellen. Darüber hinaus ist ein Bericht, der von den eigenen Abschlussprüfern oder anderen unabhängigen Buchprüfern erstellt wurde und in dem festgestellt wird, dass die Prognose auf der angegebenen Grundlage ordnungsgemäß erstellt wurde und dass die Rechnungsgrundlage, die für die Gewinnprognose verwendet wurde, mit den Rechnungslegungsstrategien des Emittenten konsistent ist, in den Prospekt aufzunehmen. In der Regel werden Emittent und Bankkonsortium eine zeitaufwendige Prognose nebst Bericht zu vermeiden suchen4. Wesentliche Angaben, die dem Bankgeheimnis unterfallen, sind in den Prospekt aufzunehmen. Verfügt eine emissionsbegleitende Bank über prospektrelevante Insiderinformationen, so hat sie auf eine Aufnahme hinzuwirken. Dringt sie hiermit beim Emittenten nicht durch, kann sie sogar verpflichtet sein, die Begleitung der Emission abzulehnen5.
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1 Vgl. dazu auch Loritz, NZG 2002, 889, 898; Edelmann, BKR 2003, 438, 441 ff. 2 Für die Aufnahme des Ratings in den Anleiheprospekt, bei allerdings schlechtem Rating und Herabstufung unmittelbar vor der Emission OLG Celle v. 25.11.1992 – 3 U 303/91 – „BondEntscheidung“, NJW-RR 1993, 500, 501. Zur Bedeutung des externen Ratings für die Bestimmung des Umfangs der Due Diligence bei verschiedenen Kapitalmarktinstrumenten oben Rz. 79. 3 Zum Meinungsstand vgl. Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 30. 4 Apfelbacher/Metzner, BKR 2006, 81, 89. 5 Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 30; und bereits Hamann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, zu § 45 BörsG a.F. Rz. 80.
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Börsennotierung
dd) Unerheblichkeit der Prospektbilligung durch die BaFin. Die Überprüfung von Prospekten für Wertpapiere, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen, durch die BaFin, die seit der Umsetzung der Prospektrichtlinie hierfür umfassend zuständig ist, hat keinen Einfluss auf die zivilrechtliche Beurteilung, ob die in dem Prospekt enthaltenen Angaben richtig sind1. Die Prüfung der BaFin soll den Prospektverantwortlichen nicht das Risiko der Haftung abnehmen, sondern nur im Interesse des Individual- und Funktionenschutzes eine zusätzliche Kontrolle errichten, dass nicht Wertpapiere mit unrichtigen oder unvollständigen Angaben in den Verkehr gebracht werden. Eine etwaige Verletzung von Pflichten der BaFin im Rahmen des Prospektbilligungsverfahrens sowie ggf. – unwahrscheinlicher – der Geschäftsführung (der Börse), die für die Zulassung der Wertpapiere zum Börsenhandel zuständig ist, berechtigt den Anleger nicht zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen2. Durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz wurden Regelungen in das Börsengesetz eingeführt, die klarstellen, dass die Börsenorgane ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnehmen3. c) Prospektaktualität
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Für die Beurteilung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektangaben kommt es auf den Kenntnisstand im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Prospekts an (ex ante-Sicht)4. Nach der Prospektveröffentlichung können jedoch noch Veränderungen eintreten, die für die Beurteilung der einzuführenden Wertpapiere von erheblicher Bedeutung sind. Bis zur Einführung der Wertpapiere haben die Prospektverantwortlichen5 sicherzustellen, dass alle wesentlichen neuen Informationen Eingang in den Prospekt finden. Solche neuen Informationensind in einem Nachtrag zum Prospekt zu veröffentlichen (§ 16 Abs. 1 Satz 3 WpPG)6. Der Nachtrag ist bei der BaFin einzureichen, die innerhalb von höchstens sieben Werktagen nach Eingang billigen muss, sofern die Billigungsvoraussetzungen (§ 13 WpPG) erfüllt sind. Nach der Billigung muss der Nachtrag unverzüglich in derselben Art und Weise wie der ursprüngliche Prospekt veröffentlicht werden (§ 16 Abs. 1 Sätze 2 – 4 WpPG). In der Praxis geschieht dies dadurch, dass er entweder insgesamt oder im Wege der Hinweisbekanntmachung veröffentlicht und dem im Wege der Schalterpublizität veröffentlichten Prospekt als Einlegeblatt beigefügt wird7. Ein Verstoß gegen die Aktualisierungspflicht macht den Prospekt unrichtig bzw. unvollständig und bildet die Grundlage einer Pro-
1 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 39; OLG Frankfurt am Main v. 1.2.1994 – 5 U 213/92 – „Bond“, WM 1994, 291, 297 = AG 1995, 134. Das war für die Billigung des Börsenzulassungsprospekts durch die Zulassungsstelle der Börse nach altem Recht unstreitig. Es gilt gleichermaßen nach der Kompetenzübertragung auf die BaFin nach dem ProspektrichtlinieUmsetzungsgesetz. 2 So auch LG Frankfurt v. 3.9.2004 – 2/4 O 435/02, WM 2004, 2155. 3 Vgl. §§ 4 Abs. 6, 31 Abs. 5 BörsG. 4 OLG Frankfurt am Main v. 1.2.1994 – 5 U 213/92 – „Bond“, WM 1994, 291, 295 = AG 1995, 134. 5 BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 178/97 – „Elsflether Werft“, BGHZ 139, 225, 229 = AG 1998, 520; OLG Frankfurt am Main v. 6.7.2004 – 5 U 122/03 – „EM. TV II“, ZIP 2004, 1411, 1413 = AG 2004, 510; a.A. Kort, AG 1999, 9, 15 f.: nur der Emittent. Richtigerweise haften zwar auch (noch) die anderen Prospektverantwortlichen; die Qualifikation eines etwaigen Unterlassens als „grob fahrlässig“ ist bei diesen jedoch erheblich fernliegender als bei dem Emittenten, der sein Geschäft „aus erster Hand“ kennt. 6 Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 26. 7 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 64.
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Prospekthaftung
spekthaftung. Ist der Nachtrag grob fahrlässig fehlerhaft, so werden ebenfalls Prospekthaftungsansprüche ausgelöst. Die Pflicht, für einen zeitnahen Prospekt Sorge zu tragen, endet spätestens mit der Einführung der Wertpapiere, bei Durchführung eines öffentlichen Angebots jedoch schon mit Ende des Angebots (§ 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG)1. Nach diesem Zeitpunkt wird die Unterrichtung des Publikums und des Kapitalmarkts über Veränderungen durch andere Publizitätspflichten, insbesondere durch Ad hoc-Mitteilungen gemäß § 15 WpHG, §§ 30a ff. WpHG, Finanzberichte (§ 37v WpHG), Halbjahresfinanzberichte (§ 37w WpHG), Zwischenmitteilungen (§ 37x WpHG) und weitere Veröffentlichungspflichten gemäß §§ 30b ff. WpHG, sichergestellt. Diese Mitteilungspflichten sind haftungsrechtlich abweichend geregelt2. Die Annahme einer sechsmonatigen nachwirkenden Aktualisierungspflicht war zudem stets praxisfern, da die fortlaufende Aktualisierung wegen ihrer deutlich unter der Ad hoc-Publizitätsschwelle liegenden „Aufgreifschwelle“ extrem zeit- und kostenintensiv wäre. Von der Aktualisierungspflicht eines fehlerfreien Prospekts ist die Berichtigung eines ursprünglich fehlerhaften Prospekts zu unterscheiden, die zu einem Ausschluss der Prospekthaftung ab dem Zeitpunkt der Berichtigung führen kann (vgl. hierzu unten unter Rz. 363 f.).
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4. Anspruchsberechtigung a) Erwerbszeitpunkt Anspruchsberechtigt ist jeder, der auf Grund des Prospekts zugelassene Wertpapiere nach der Veröffentlichung des Prospekts und innerhalb von sechs Monaten nach der Ersteinführung der Wertpapiere erworben hat (§ 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG). Entscheidend ist das Datum des Wertpapierkaufs, nicht der sachenrechtliche Vollzug. Unerheblich ist, ob es sich um einen Erst- oder Folgeerwerb handelt, und ob der Erwerb über die Börse oder außerbörslich erfolgt ist. Ist eine Aktie innerhalb der sechsmonatigen Frist mehrfach weiterveräußert worden, sind alle Erwerber anspruchsberechtigt, falls sich der Prospekt als fehlerhaft erweist, da der Besitz des Wertpapiers seit der Novellierung der Haftungsvorschriften durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz keine Anspruchsvoraussetzung mehr ist. Die Frist beginnt mit der ersten Einführung der Wertpapiere an einer inländischen Börse. Die zusätzliche Einführung der Wertpapiere an einer anderen inländischen Börse berührt diese Frist nicht. Die Prospekthaftung ist damit auf einen Haftungszeitraum von sechs Monaten nach Einführung der Wertpapiere beschränkt.
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b) Erwerbsgegenstand Um das Haftungsrisiko für die Prospektverantwortlichen kalkulierbar zu machen, kann ein Prospekthaftungsanspruch grundsätzlich nur hinsichtlich derjenigen Wertpapiere geltend gemacht werden, die auf Grund des fehlerhaften Prospekts zum Börsenhandel zugelassen wurden (§ 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG). Dem Erwerber von früher
1 Abweichend – Ende der Nachtragspflicht erst mit Notierungsaufnahme – jüngst Schlitt/Schäfer AG 2008, 525, 536, dort auch zum Verhältnis zur Ad hoc-Publizitätsverpflichtung. 2 OLG Frankfurt am Main v. 6.7.2004 – 5 U 122/03 – „EM. TV II“, ZIP 2004, 1411, 1413 = AG 2004, 510; umfassend Stephan, AG 2002, 3 ff. zur alten Rechtslage und Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 46 ff. zur neuen Rechtslage; a.A. noch Ellenberger, EWiR 2003, 409, 410, der eine schon nach alter Rechtslage nicht bestehende Aktualisierungspflicht während des gesamten sechsmonatigen Haftungszeitraums aus einer – zu weit verstandenen – Ingerenz befürwortete.
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§ 10
Börsennotierung
oder später emittierten Wertpapieren steht damit kein Prospekthaftungsanspruch zu. In der Vergangenheit machte diese Voraussetzung dem Erwerber von Aktien, die im Rahmen einer Kapitalerhöhung emittiert worden waren, den Nachweis seiner Anspruchsberechtigung häufig unmöglich. Da es sich beim Effektenkauf um einen Gattungskauf handelt und eine Auftragsspezifizierung hinsichtlich junger Stücke deshalb rechtlich unverbindlich ist, entscheidet allein der Zufall, ob junge oder alte Aktien erworben werden. Hinzu kommt, dass bei der heute üblichen Girosammelverwahrung, bei der Aktien gleicher Ausstattung und mit gleicher Wertpapier-Kennnummer gemeinsam verwahrt werden, kein Anspruch auf Aushändigung bestimmter Stücke besteht, weshalb sich der Anleger nicht mehr als Inhaber der auf Grund des Prospekts zugelassenen Wertpapiere legitimieren kann. Der Gesetzgeber hat diesen Umständen Rechnung getragen und seit dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz ausstattungsgleiche oder auch in sonstiger Weise nicht zu unterscheidende Wertpapiere den auf Grund des Prospekts emittierten Wertpapieren gleichgestellt (§ 44 Abs. 1 Satz 3 BörsG). 336
Die Einführung dieser Bestimmung hat zur Folge, dass der Emittent und die emissionsbegleitenden Banken vor einer Kapitalerhöhung in ihrem eigenen Interesse abzuwägen haben, ob die jungen Stücke zur Erhöhung der Liquidität ausstattungsgleich ausgestaltet und mit derselben ISIN-Nummer zugelassen werden sollen oder ob zur Begrenzung des Haftungsrisikos, das im schlimmsten Fall alle gehandelten Aktien erfassen kann, die Ausstattung durch besondere Gattungsmerkmale oder eine unterschiedliche ISIN-Nummer verändert werden soll. Letztere Alternative wird wegen der negativen Auswirkungen auf Free Float und Kursentwicklung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, wie z.B. Sanierungskapitalerhöhungen, gewählt werden. c) Erwerbsgeschäft
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Nach der Gesetzesbegründung zum Dritten Finanzmarktförderungsgesetz soll nur ein entgeltlicher Erwerb zur Geltendmachung von Prospekthaftungsansprüchen berechtigen, da nur in einem solchen Fall der Erwerbspreis erstattet bzw. die Differenz zwischen Veräußerungs- und Erwerbspreis berechnet werden könne. Diese Begründung ist jedoch nicht zwingend. So kann bei einem Erwerb im Wege der Erbfolge oder des Vermächtnisses ohne weiteres auf den Erwerb des Erblassers abgestellt werden. Bei einem Erwerb in Form einer Schenkung kann der aktuelle Handelspreis zum Zeitpunkt der Schenkung zugrundegelegt werden. Eine Begrenzung von Prospekthaftungsansprüchen auf entgeltliche Erwerbsvorgänge ist daher zumindest nicht zwingend1. d) Inlandsbezug
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Gegen ausländische Emittenten mit ausländischer Börsenzulassung kommt ein börsengesetzlicher Prospekthaftungsanspruch nur in Betracht, wenn die Wertpapiere im Inland oder auf Grund einer zumindest teilweise im Inland erbrachten Wertpapierdienstleistung erworben wurden (§ 44 Abs. 3 BörsG). Wann ein im Inland abgeschlossenes Geschäft vorliegt, ist im einzelnen umstritten2. Am sachgerechtesten erscheint es, bei einem börslichen Erwerb an den Platzierungsmarkt anzuknüpfen3. Der gesetz1 Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 37; Hamann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 45, 46 BörsG Rz. 19. 2 Zum Meinungsstand vgl. Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 39; Bischoff, AG 2002, 489, 494 ff. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 45, 46 BörsG Rz. 41, 72; Hamann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 45, 46 BörsG Rz. 35.
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Prospekthaftung
lichen Regelung ist jedenfalls zu entnehmen, dass ausschließlich im Heimatstaat des (ausländischen) Emittenten erfolgende Erwerbsvorgänge von der deutschen Prospekthaftung nicht erfasst werden. Bei Drittstaatenemittenten, die eine Prospektzulassung in einem Staat oder mehreren Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums nach § 20 WpPG beantragen, behält § 44 Abs. 3 BörsG jedenfalls seine Bedeutung, wenn Deutschland der Eintrittsstaat i.S.v. § 20 Abs. 1 WpPG ist1. 5. Haftungsbegründende Kausalität Die börsengesetzliche Haftung greift nur dann ein, wenn die Wertpapiere auf Grund des Prospekts erworben wurden. Ein Erwerb von Wertpapieren vor Veröffentlichung des Prospekts berechtigt somit nicht zur Geltendmachung von Prospekthaftungsansprüchen. Bei einem Erwerb nach Veröffentlichung des Prospekts ist eine fehlende haftungsbegründende Kausalität wesentlich schwerer nachzuweisen. Seit dem Inkrafttreten des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes hat nicht mehr der Erwerber den ursächlichen Zusammenhang zwischen fehlerhaftem Prospekt und Wertpapiererwerb zu beweisen. Vielmehr trägt nunmehr der in Anspruch genommene Prospektverantwortliche die Darlegungs- und Beweislast fehlender Kausalität (§ 45 Abs. 2 Nr. 1 BörsG). Dieser Nachweis wird in der Regel nicht erbracht werden können, da für die Anleger grundsätzlich die vor dem Inkrafttreten des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes entwickelte Rechtsprechung zur positiven Anlagestimmung am Kapitalmarkt weiterhin streitet2. Danach wird ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Angaben im Prospekt und dem Erwerb der Wertpapiere vermutet, wenn der Erwerb nach Veröffentlichung des Prospekts erfolgte3. Es genügt daher nicht zu beweisen, dass der Anleger den Prospekt nicht kannte.4 Vielmehr muss darüber hinaus nachgewiesen werden, dass es keine positive Anlagestimmung gab oder diese zum Zeitpunkt des Erwerbsgeschäfts bereits beendet war5.
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Die positive Anlagestimmung schwächt sich zwar im Laufe der Zeit ab. Während des maßgeblichen Prospekthaftungsfensters von sechs Monaten nach Veröffentlichung des Prospekts kann eine (positive) Anlagestimmung u.U. noch nicht vollständig beendet sein6. Sie endet jedoch, wenn im Laufe der Zeit andere Faktoren für die Einschätzung des Wertpapiers bestimmend werden7. Vereinzelte negative Presseberichte allein reichen hierfür allerdings nicht aus, da die Rechtsprechung davon ausgeht, dass ein verständiger Anleger ihnen nicht die gleiche Bedeutung beimisst wie dem Pros-
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1 Kuntz, WM 2007, 432, 439 f. 2 Begr. RegE zum 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 54, 76, 78. 3 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81 – „Beton- und Monierbau“, WM 1982, 862, 867 f. = AG 1982, 278; OLG Frankfurt am Main v. 1.2.1994 – 5 U 213/92 – „Bond“, WM 1994, 291, 298 = AG 1995, 134; OLG Frankfurt am Main v. 27.3.1996 – 21 U 92/95 – „Bond-Anleihe“, WM 1996, 1216, 1218. 4 OLG Saarbrücken v. 15.12.2005 – 8 U 330/04, OLG Report Saarbrücken 2006, 448. 5 OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82 – „Beton- und Monierbau“, WM 1984, 291, 298; OLG Frankfurt am Main v. 1.2.1994 – 5 U 213/92 – „Bond“, WM 1994, 291, 298 = AG 1995, 134; OLG Frankfurt am Main v. 27.3.1996 – 21 U 92/95 – „Bond-Anleihe“, WM 1996, 1216, 1219. 6 Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs kann die Dauer der Anlagestimmung nicht allgemeingültig festgelegt werden, besteht jedoch in der Regel ein Jahr nach Veröffentlichung des Prospekts nicht mehr, vgl. BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97 – „Elsflether Werft“, BGHZ 139, 225, 234 = AG 1998, 520. Jedenfalls im Prime Standard der Deutsche Börse AG sollten der nach Prospektveröffentlichung veröffentlichte Quartalsbericht sowie etwaige Ad hoc-Meldungen i.d.R. zu einer Beendigung der Anlagestimmung führen. 7 BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97 – „Elsflether Werft“, BGHZ 139, 225, 234 = AG 1998, 520.
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pekt1. Dagegen kann die vor dem Erwerb erfolgte Veröffentlichung eines Jahresabschlusses, der eine deutliche negative Entwicklung aufweist2, und unter den heutigen Bedingungen des Kapitalmarkts auch ein Quartalsbericht, ein wesentliches Absinken des Börsenindex oder der Konjunkturlage3, ein dramatischer Kurseinbruch des Wertpapiers4 oder die Stellung eines Antrags zur Eröffnung eines Vergleichs- oder Insolvenzverfahrens5 die Anlagestimmung erheblich beeinflussen. Auch negative Ad hoc-Mitteilungen des Emittenten, Quartalsberichte oder negative Berichte von namhaften Analysten und Veröffentlichungen über massive Abverkäufe von Mitgliedern der Geschäftsführung oder des Aufsichtsrats wird man zum Nachweis der Beeinflussung der Anlagestimmung heranziehen können. Ein sicherer Nachweis fehlender Kausalität zwischen dem Erwerbsgeschäft und der von dem Prospekt ausgehenden Anlagestimmung wird in der Praxis dennoch schwer zu führen sein. 341
Eine weitere Möglichkeit, die haftungsbegründende Kausalität auszuschließen, liegt in dem Nachweis, dass der Erwerber die Fehlerhaftigkeit der Prospektangaben, auf die er seinen Anspruch stützt, beim Abschluss des Kaufvertrages positiv kannte (§ 45 Abs. 1 Nr. 3 BörsG). Fahrlässige, auch grob fahrlässige Unkenntnis schließen die Haftung nicht aus. Der Nachweis einer solch positiven Kenntnis wird in der Praxis schwerlich gelingen6. 6. Das Haftungskonzept der Gesamtverantwortlichkeit von Emittent, Banken und anderen Prospektverantwortlichen
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Adressaten der Prospekthaftung sind die Personen, die für den Prospekt die Verantwortung übernommen haben oder von denen der Erlass des Prospekts ausgeht (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BörsG). Diese Personen haften gesamtschuldnerisch für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts. Sie können sich von dieser Haftung entlasten, wenn sie den Nachweis führen, dass sie bei der Prospekterstellung nicht vorsätzlich oder nicht grob fahrlässig gehandelt haben (§ 45 Abs. 1 BörsG). a) Primärverantwortlichkeit des Emittenten
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Zum Kreis der Personen, die für den Prospekt Verantwortung übernommen haben, gehört zunächst der Emittent der Wertpapiere als einer der Unterzeichner des Prospekts (§ 5 Abs. 3 Satz 2 WpPG) (). Die (Gesamt-) Verantwortlichkeit des Emittenten beruht vor allem darauf, dass er den zu veröffentlichenden Informationen am nächsten steht und ihn deshalb die Primärpflicht zur Information der Anleger und des Kapitalmarktes trifft. Um dieser Pflicht zu genügen, hat der Emittent dafür Sorge zu tragen, dass alle für einen richtigen und vollständigen Prospekt erforderlichen Informa1 OLG Düsseldorf v. 5.4.1981 – 6 U 239/82 – „Beton- und Monierbau“, WM 1984, 586, 596. 2 BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97 – „Elsflether Werft“, BGHZ 139, 225, 234 = AG 1998, 520; OLG Frankfurt am Main v. 27.3.1996 – 21 U 92/95 – „Bond-Anleihe“, WM 1996, 1216; OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82 – „Beton- und Monierbau“, WM 1984, 586, 596. 3 BGH v. 14.7.1998 – XI ZR 173/97 – „Elsflether Werft“, BGHZ 139, 225, 234 = AG 1998, 520. 4 OLG Frankfurt am Main v. 27.3.1996 – 21 U 92/95 – „Bond-Anleihe“, WM 1996, 1216, 1219 (Kursabfall um 60 %). Ein Kursverlust von 20 % soll dagegen in der Regel nicht zur Annahme einer Beeinflussung der Anlagestimmung genügen, vgl. LG Frankfurt am Main v. 6.10.1992 – 3/11 O 173/91, WM 1992, 1768, 1773, was unter dem gewandelten Kapitalmarktumfeld heute jedoch abzulehnen sein düfte. 5 OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82 – „Beton- und Monierbau“, WM 1984, 586, 596. 6 Das OLG Frankfurt am Main hat den Erwerb festverzinslicher Wertpapiere zu einem Kurs von 76,5 % für den Nachweis der Kenntnis des Prospekts nicht für ausreichend gehalten, vgl. OLG Frankfurt am Main v. 1.2.1994 – 5 U 213/92 – „Bond“, WM 1994, 291, 298 = AG 1995, 134.
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Prospekthaftung
tionen aus seinem Unternehmen in dem Prospekt dargestellt werden. Die Auswahl der in den Prospekt aufzunehmenden Informationen obliegt damit primär demjenigen, der das Unternehmen und die Branche am besten kennt. Im Vorfeld und während der Prospekterstellung obliegt dem prospektiven Emittenten damit die Organisationspflicht, dass aus den Geschäftsbereichen und (Auslands-) Tochtergesellschaften zeitnah alle prospektwesentlichen Informationen zugemeldet werden. Als Prospektverantwortlicher ist der Emittent entweder zur Rücknahme der Wertpapiere Zug um Zug gegen Rückerstattung des Erwerbspreises oder – sofern die Wertpapiere bereits veräußert worden sind – zur Erstattung des Differenzbetrages zwischen Erwerbs- und Veräußerungspreis verpflichtet (§ 44 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 44 Abs. 2 BörsG). Beide Varianten des Schadensersatzes verstoßen an sich gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 AktG), das die Rückzahlung der von den Aktionären gemachten Einlagen untersagt. Die Rückabwicklung des Aktienerwerbs stellt darüber hinaus einen Verstoß gegen § 71 AktG dar, der das Verbot des Rückerwerbs eigener Aktien ausspricht. Es besteht damit ein Wertungswiderspruch zwischen Aktien- und Börsenrecht. Ein Teil der Literatur will deshalb Prospekthaftungsansprüche gegen den Emittenten nur bei einem Erwerb in einem Umsatzgeschäft anerkennen, bei einem Zeichnungserwerb jedoch dem aktienrechtlichen Kapitalerhaltungsprinzip den Vorrang einräumen1. Eine solche Differenzierung überzeugt jedoch nicht. Nach dem gesetzgeberischen Willen gehen die Prospekthaftungsregelungen der §§ 44, 45 BörsG den aktienrechtlichen Verboten der §§ 57, 71 ff. AktG als abschließende Spezialregelungen vor2. Sie stellen darüber hinaus die jüngeren Regelungen dar, denen nach allgemeinen Grundsätzen gegenüber den älteren Regelungen des Aktiengesetzes der Vorrang gebührt (lex posterior derogat legi priori)3. Nach richtiger Auffassung stehen den Anlegern damit Prospekthaftungsansprüche auch im Falle des Zeichnungserwerbs gegenüber dem Emittenten zu4. Der Emittent muss die Aktien gegen Erstattung des Erwerbspreises übernehmen und analog § 71c AktG innerhalb eines Jahres nach ihrem Erwerb veräußern.
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Dass die Prospekthaftung des Emittenten ausnahmsweise doch gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr des § 57 AktG verstoßen kann, hat das LG Bonn in einem unlängst ergangenen Urteil entschieden. In der zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellation verlangte die Deutsche Telelom AG von der KfW Bankengruppe und der Bundesrepublik Deutschland Rückerstattung von E 66 Mio. für die Übernahme der Prospektverantwortung im Rahmen des sog. „dritten Börsengangs“ im Juni 2000. Dabei hat das LG Bonn anerkennenswerte Gründe der Gesellschaft an einer Haftungsübernahme (Erlangung weitergehender Unabhängigkeit etc.) jedoch allzu pauschal zurückgewiesen5.
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1 Fleischer in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 7 Rz. 58; Schwark in Schwark, 45 BörsG Rz. 13; Hamann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 45, 46 BörsG a.F. Rz. 48. 2 Begr. RegE zum 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 78. 3 LG Frankfurt am Main v. 7.10.1997 – 3/11 O 44/96, WM 1998, 1181; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 14; Krämer/Baudisch, WM 1998, 1161, 1164. 4 LG Frankfurt am Main v. 7.10.1997 – 3/11 O 44/96, WM 1998, 1181; OLG Frankfurt am Main v. 17.3.1999 – 21 U 260/97, ZIP 1999, 1005 = AG 1999, 325; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 14; Krämer/Baudisch, WM 1998, 1161, 1164 ff. 5 LG Bonn v. 1.6.2007 – 1 O 552/05, ZIP 2007, 1267 ff. = AG 2007, 715. Zur Kritik dieses Urteils, verschiedenen vermittelnden Ansätzen sowie zur Frage, ob ein ersichtlicher Verstoß des Emittenten gegen die Einlagenrückgewähr auf den Freistellungsanspruch der Banken im Aktienübernehmevertrag durchschlägt, vgl. umfassend Fleischer, Umplatzierung von Aktien durch öffentliches Angebot und verdeckte Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 AktG, ZIP 2007, 1969 ff.
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b) Verantwortlichkeit der emissionsbegleitenden Kreditinstitute 345
Neben dem Emittenten sind auch die emissionsbegleitenden Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitute Adressaten der Prospekthaftung. Bei Zulassung zum regulierten Markt ergibt sich dies ohne weiteres aus dem Umstand, dass die Emissionsbegleiter gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 WpPG den Prospekt zu unterzeichnen haben. Auch hierbei handelt es sich grundsätzlich um eine Gesamtverantwortung für den Prospekt, auch wenn diese in Bezug auf einige Prospektabschnitte wie z.B. die Finanzinformationen aufgrund des Testats der Wirtschaftsprüfer sowie der in aller Regel eingeholten Comfort Letter hinsichtlich des konkreten Haftungsniveaus gegenüber dem Emittenten deutlich gemindert ist. aa) Prospektverantwortlichkeit der Konsortialmitglieder. In der Regel wird die Emission nicht über ein einziges Kreditinstitut, sondern über ein Konsortium begeben. Die Konsortialbanken bilden regelmäßig eine Außengesellschaft im Sinne des § 705 BGB und sind damit sämtlich prospektverantwortlich. Bei grenzüberschreitenden Emissionen sind jedoch nicht notwendigerweise alle Konsortialmitglieder Emissionsbegleiter. Da nicht alle Banken die Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 Satz 2 BörsG erfüllen, bilden einzelne Banken des globalen Konsortiums häufig ein deutsches Börseneinführungskonsortium, dessen Mitglieder dann als Emissionsbegleiter den Zulassungsantrag stellen und gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 WpPG den Prospekt unterzeichnen. Diese Banken gehören dann qua Gesetz zum Kreis der Prospektverantwortlichen. Dies schließt nicht aus, auch die übrigen Konsortialbanken gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 WpPG als Prospektverantwortliche zu benennen. Eine entsprechende Verpflichtung kann sich aus dem Übernahmevertrag zwischen dem Konsortium und dem Emittenten oder dem Konsortialvertrag zwischen den Konsortialbanken ergeben, ist in der Praxis jedoch selten. Kreditinstitute, die als sog. Sub-Underwriters Wertpapiere übernehmen und weder den Prospekt unterzeichnen noch die Prospektverantwortlichkeit erklären, sind nicht Prospektverantwortliche im Sinne der börsengesetzlichen Haftung, selbst wenn sie als Sub-Underwriter im Prospekt aufgeführt werden1.
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Die Prospektverantwortlichkeit besteht unabhängig davon, ob die einzelne Konsortialbank an der Prospekterstellung mitwirkt2. Entscheidend ist allein, ob die Konsortialbanken nach dem äußeren Bild des Prospekts aus der Sicht der Anleger die Verantwortung für den Prospekt übernommen haben. Eine sachgerechte Differenzierung nach der Stellung im Emissionskonsortium kann richtigerweise über den Verschuldensmaßstab bzw. die individuelle Nachforschungspflicht im Rahmen des Verschuldens vorgenommen werden. bb) Die Überprüfungs- und Nachforschungspflichten der emissionsbegleitenden Banken. Die emissionsbegleitenden Banken verfügen in der Regel nicht über spezifische Informationen über den Emittenten. Sie sind deshalb darauf angewiesen, dass der Emittent ihnen die zur Prospekterstellung notwendigen Unterlagen zur Verfügung stellt. Eine den Verschuldensvorwurf begründende Sorgfaltsverletzung kann daher nur insoweit angenommen werden, wie die emissionsbegleitenden Banken zur Überprüfung der ihnen zur Verfügung gestellten Unterlagen verpflichtet sind. Dabei ist nicht nur umstritten, wie weit die Überprüfungs- und Nachforschungspflichten der emissionsbegleitenden Banken gehen3, sondern auch, ob ein einheitlicher Sorgfaltsmaßstab für alle Konsortialbanken zu gelten hat. Richtigerweise ist zwischen dem Konsortialführer und den 1 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 Rz. 34; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 10. 2 A.A. Sittmann, NZG 1998, 490, 493. 3 Vgl. Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 238 ff. m.w.N.
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restlichen Konsortialmitgliedern zu unterscheiden. Die einfachen Konsortialmitglieder sind in der Regel nicht an der Prüfung des Emittenten und der Prospektangaben beteiligt und erhalten den Prospektentwurf regelmäßig erst wenige Tage vor der Prospektveröffentlichung. Es erscheint daher nicht sachgerecht, ihnen denselben Sorgfaltsmaß aufzuerlegen wie der konsortialführenden Bank, die den Zugang zum Emittenten und den dort vorhandenen Informationen hat. Bei größeren Emissionen mit z.B. acht und mehr Konsorten wäre eine Beteiligung aller Banken an der Due Diligence zudem schlicht unpraktikabel. Die einfachen Konsortialmitglieder können daher lediglich zur Plausibilitätsprüfung des Prospekts und zur Überwachung der Konsortialführer verpflichtet sein1. Die einfachen Konsortialmitglieder können sich für den Fall eines gegen sie erhobenen Prospekthaftungsanspruchs durch den Nachweis entlasten, den Prospekt auf seine Plausibilität hin untersucht und den prospekterstellenden Konsortialführer überwacht zu haben. Im Falle des Unterlassens der Plausibilitätskontrolle und der Überwachung des Konsortialführers kann sich das einfache Konsortialmitglied vom Schuldvorwurf aber noch durch die Beweisführung entlasten, der Konsortialführer habe seine besonderen, auch die Nachforschungspflicht umfassenden Prospektpflichten erfüllt. Denn in diesem Fall ist die Verletzung seiner Pflicht zur Plausibilitätskontrolle und Überwachung des Konsortialführers nicht kausal für den Schaden, weil der Konsortialführer diese Plausibilitätskontrolle und ggf. die Nachforschungen selbst durchgeführt hat2. Der an die konsortialführende Bank anzulegende Sorgfaltsmaßstab gestaltet sich dagegen schwieriger. Einigkeit besteht darüber, dass sich die Bank nicht ohne jede Kontrolle auf die ihr übergebenen Dokumente verlassen darf, sondern die von dem Emittenten gemachten Angaben im Rahmen des Zumutbaren auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen hat. Ferner muss sie den Prospekt einer Plausibilitätskontrolle unterziehen und Prognosen sowie Werturteile darauf überprüfen, ob sie durch Tatsachen gestützt und kaufmännisch vertretbar erscheinen3. Bei Widersprüchen und fehlender Plausibilität hat sie auf Klärung und Korrektur zu dringen4. Eine allgemeine Pflicht zur Kontrolle der Buchführung5 und des Jahresabschlusses6 wird dagegen zu Recht abgelehnt. Auch darf sich die Bank grundsätzlich auf die Angaben von sachverständigen Dritten, insbesondere Steuerberatern, Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern, verlassen und diese Angaben in den Prospekt übernehmen; dies gilt zumindest, wenn sie keine begründeten Zweifel an deren Richtigkeit hat7. Konsortialführende Bank und Emittent haften jedoch für Angaben Dritter, wenn diese erkennbar falsch sind oder sie ein Auswahlverschulden trifft, etwa weil der Dritte erkennbar fachlich ungeeignet ist oder sich in einem Interessenkonflikt zu dem Emittenten befindet8. Ferner ist die konsortialführende Bank verpflichtet, die dem Wirtschafsprüfertestat zugrunde liegenden Bewertungen auf Aktualität zu überprüfen, wenn zwischen dem
1 Assmann, Prospekthaftung, S. 391; Hopt, Verantwortlichkeit der Banken, S. 58 (der darüber hinaus noch zwischen den einzelnen Konsortialmitgliedern differenziert). 2 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 84. 3 BGH v. 1.2.1994 – 5 U 213/92 – „Beton- und Monierbau“, WM 1992, 862, 865 = AG 1995, 134; OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82 – „Beton- und Monierbau“, WM 1984, 586, 595. 4 OLG Frankfurt am Main v. 17.3.1999 – 21 U 260/97 – „MHM Mode“, ZIP 1999, 1005, 1007 = AG 2000, 132. 5 So schon RGZ 80, 196, 198 f. 6 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81 – „Beton- und Monierbau“, WM 1982, 862, 865 = AG 1982, 278. 7 Dies geschieht in der Praxis regelmäßig und wird durch das Verlangen nach einem sog. Comfort Letter der Wirtschaftsprüfer regelmäßig mehr als erfüllt. 8 Hopt, Verantwortlichkeit der Banken, Rz. 192.
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Zeitpunkt der Erstellung des Prüfberichts und dem Abschlussstichtag ein beträchtlicher Zeitraum verstrichen ist1. 350
Eine allgemeine Pflicht zur Durchführung einer „Full-Scale Due Diligence“ ist auf Grund des arbeitsteiligen Zusammenwirkens der an der Prospekterstellung Beteiligten in aller Regel abzulehnen2. Für den Fall eines gegen den Konsortialführer gerichteten Prospekthaftungsanspruchs kann sich dieser durch den Nachweis entlasten, den Prospekt auf seine Plausibilität hin überprüft zu haben und, soweit nach den oben aufgestellten Grundsätzen erforderlich, bei einzelnen Prospektangaben Nachforschungen angestellt zu haben3. Zur Haftungsvermeidung ist dem Konsortialführer jedoch anzuraten, neben eigenen nachgewiesenen Anstrengungen im Rahmen der sog. Business und Financial Due Diligence die Dokumentation durch Einholung von Legal Opinions der Rechtsberater und Comfort Letters der Wirtschaftsprüfer nachzuweisen. Hierbei kommt der Koordination aller prospektbeteiligten Parteien unter Vermeidung von Zeitfallen besonderes Gewicht zu. Die Einhaltung eines vorab zu bestimmenden Zeitplans ist daher unabdingbar. Ferner sollte auf der Management-Ebene die konkrete Nachforschungspflicht, die unter anderem von der Art des zu emittierenden Instruments, der Transaktionsstruktur, der Bonität des Emittenten und der Vorkenntnis des Konsortialführers abhängt, definiert werden.
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Die Bank unterliegt erhöhten Nachforschungspflichten, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der ihr überlassenen Unterlagen und – abgeschwächt – bei besonderen Gefährdungslagen für den Emittenten. Unterlässt sie in einer solchen Situation die Nachprüfung, so handelt sie grob fahrlässig4. Solche konkreten Anhaltspunkte können sich aus Presseberichterstattungen oder negativen Ratings ergeben5. Auch im eigenen Haus vorhandene Kenntnisse sind heranzuziehen6. Zwar gilt das Bankgeheimnis auch bankintern, jedoch ist die Dokumentationsabteilung der Bank gehalten, den Emittenten um seine Zustimmung zur Weitergabe von in anderen Abteilungen der Bank vorhandenen Informationen zu bitten. Informationen, die ein Geschäftsleitungsmitglied der Bank durch seine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat des Emittenten erlangt hat, dürfen der Bank dagegen nicht zugerechnet werden, da Aufsichtsratsmandate persönliche Mandate sind und das Aufsichtsratsmitglied gemäß §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 2, 404 AktG in strafbewehrter Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. c) Weitere Prospektverantwortliche
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Mit der Haftung derjenigen, von denen der Prospekt ausgeht, sollen die „wirtschaftlichen Urheber“ des Prospekts erfasst werden. Hiermit hat der Gesetzgeber diejenigen Personen gemeint, die ein eigenes geschäftliches Interesse an der Emission haben7. Nach dem Willen des Gesetzgebers sind dies nicht nur der Emittent und die emissionsbegleitenden Banken, sondern – je nach den Umständen des Einzelfalls – kom1 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81 – „Beton- und Monierbau“, WM 1982, 862, 864 = AG 1982, 278. 2 So auch Kort, AG 1999 9, 18; Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 45, 46 BörsG Rz. 49. 3 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 84. 4 Begr. RegE zum 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 80; OLG Frankfurt am Main v. 17.3.1999 – 21 U 260/97 – „MHM Mode“, ZIP 1999, 1005, 1007 = AG 2000, 132. 5 OLG Frankfurt am Main v. 1.2.1994 – 5 U 213/92 – „BHF-Bank/Bond-Anleihe“, WM 1994, 291, 297 = AG 1995, 134 und oben Rz. 329. 6 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81 – „Beton- und Monierbau“, WM 1982, 862, 864 = AG 1982, 278; OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82 – „Beton- und Monierbau“, WM 1984, 586, 595. 7 Begr. RegE zum 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 54, 78.
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men auch die Konzernmuttergesellschaft, der seine Beteiligung veräußernde Großaktionär oder Vorstands-, Beirats- oder Aufsichtsratsmitglieder als Prospektverantwortliche in Betracht, sofern sie auf den Börsengang und den Prospekt maßgeblichen Einfluss genommen haben1. Eine generelle persönliche Außenhaftung der Organmitglieder des Emittenten für fehlerhafte Prospekte besteht jedoch de lege lata nicht. d) Einschaltung Dritter als Experten Bei der Erstellung des Prospekts wirken in der Praxis neben dem Emittenten und den konsortialführenden Banken Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer, häufig auch sonstige Emissionsberater mit. Diese leisten entweder Vorarbeiten, die Einfluss auf den Prospektinhalt haben, oder sie erstellen gemeinsam mit dem Emittenten Entwürfe für Teile des Prospekts. So ist der Wirtschaftsprüfer regelmäßig allein für die Bereitstellung der testierten Jahresabschlüsse, etwaiger Zwischenbeschlüsse sowie ggf. sog. pro forma-Angaben des Finanzteils verantwortlich. Gerade dieser Teil, der insbesondere die zwingend in den Wertpapierprospekt aufzunehmenden Jahresabschlüsse der letzten drei Geschäftsjahre samt Bestätigungsvermerken enthält2, ist für die Beurteilung des Emittenten und der Wertpapiere von entscheidender Bedeutung. Da gerade der Wirtschaftsprüfer einen maßgeblichen Beitrag zum Prospekt leistet, wurde in der Literatur in jüngerer Zeit vermehrt die Frage diskutiert, ob der an der Erstellung des Prospekts mitwirkende Wirtschaftsprüfer Investoren unter Umständen direkt aus börsengesetzlicher Prospekthaftung haftet. De lege lata wird eine solche Haftung überwiegend zu Recht abgelehnt, da die börsengesetzliche Haftung vom Konzept der Verantwortlichkeit für den gesamten Prospekt ausgeht und keine Haftungsbegrenzung auf einzelne Prospektteile vorsieht und darüber hinaus der Wirtschaftsprüfer kein von dem Gesetzgeber für maßgeblich gehaltenes eigenes geschäftliches Interesse an der Emission hat3.
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Noch nicht abschließend geklärt ist, ob der Wirtschaftsprüfer nach der geltenden Rechtslage aus anderen Haftungstatbeständen, insbesondere der bürgerlich-rechtlichen Haftung oder der beruflichen Auskunftshaftung, für seinen Prospektbeitrag einstehen muss4. In diesem Zusammenhang sind zwei Urteile des BGH erwähnenswert. So entschied der X. Zivilsenat im Juni 2004, dass ein Wirtschaftsprüfer, der einem Kapitalanleger wegen Prüfung eines Werbeprospekts als so genannter Garant aus allgemeiner zivilrechtlicher Prospekthaftung Schadensersatz schuldet, auch aus Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte haften kann5. In einem anderen Urteil bejahte der X. Zivilsenat der BGH die Einbeziehung des Anlegers in die Schutzwirkung des zwischen Emittent und Wirtschaftsprüfer geschlossenen Vertrages. In diesem Urteil zur Schutzwirkung eines Auftrags über ein Grundstücksbewertungsgutachten wurde ent-
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1 Begr. RegE zum 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 54, 78. 2 § 32 Abs. 1 Nr. 2 BörsG i.V.m. Anhang II, Ziffer 20 der ProspektVO. 3 Vgl. Schwark in Schwark, §§ 44, 45 BörsG Rz. 12; Hamann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 45, 46 BörsG a.F. Rz. 44 und 53 ff.; Assmann, AG 2004, 435, 436 m.w.N.; a.A. Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 36; Bosch, ZHR 163 (1999), 274, 279 ff.; Meyer, WM 2003, 1301, 1306 ff.; LG Hof v. 27.1.2004 – 13 O 295/03, BKR 2004, 287. 4 Zur bürgerlich-rechtlichen Haftung an der Prospekterstellung mitwirkender Dritter vgl. Bosch, ZHR 163 (1999), 206; Canaris, ZHR 163 (1999), 206; H. Schneider, ZHR 163 (1999), 246; Hamann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, §§ 45, 46 BörsG a.F. Rz. 55 ff. De lege lata dürfte jedoch auch eine zivilrechtliche Haftung nach diesen Grundsätzen abzulehnen sein. 5 BGH v. 8.6.2004 – X ZR 283/02, WM 2004, 1869 = NJW 2004, 3420 = ZIP 2004, 1810; in einer nicht vergleichbaren Fallkonstellation bzw. bei Abdruck des Bestätigungsvermerks zum letzten geprüften Jahresabschluss scheiden allerdings Ersatzansprüche aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter sowie aus Prospekthaftung gegen einen Wirtschaftsprüfer aus. Vgl. BGH v. 15.12.2005 – III ZR 424/04, ZIP 2006, 854, 855 ff. = AG 2006, 197.
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schieden, dass als sog. Dritte, die in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen sind, auch eine namentlich nicht bekannte Vielzahl von Kapitalanlegern in Betracht kommen1. Vor dem Hintergrund dieser beiden Urteile kann somit nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass Wirtschaftsprüfer, und insbesondere dann, wenn sie in einem Emissionsprospekt ausdrücklich die Verantwortung übernehmen, schon nach geltendem Recht mit einer erfolgreichen Inanspruchnahme durch Anleger nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte rechnen müssen2. e) Haftung im Außen- und Innenverhältnis 355
aa) Außenverhältnis. Sämtliche Prospektverantwortliche haften im Außenverhältnis als Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 BörsG). Grundsätzlich kommt eine Gesamtschuldnerschaft jedoch nur in Betracht, soweit den einzelnen Prospektverantwortlichen ein eigenes Verschulden trifft. Hat er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt, haftet er nicht gesamtschuldnerisch. Ein Rechtsirrtum schließt ein Verschulden nur aus, wenn er unverschuldet war, etwa beim Vertrauen auf eine gefestigte Rechtsprechung oder einen Comfort Letter des Wirtschaftsprüfers3. Zwischen dem Emittenten, den emissionsbegleitenden Banken und den etwaigen sonstigen Prospektverantwortlichen findet eine Zurechnung des Verschuldens anderer Prospektverantwortlicher gemäß § 425 Abs. 2 BGB, § 278 BGB oder § 831 BGB nicht statt. Etwas anderes gilt jedoch innerhalb der emissionsbegleitenden Banken. Hier wird das Verschulden der konsortialführenden Bank den anderen Konsortialmitgliedern nach der Regel des § 425 Abs. 2 BGB zugerechnet, wobei zuvor jedoch der jeweilige Verschuldungsmaßstab bei der Haftungsbegründung zu berücksichtigen ist4.
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Jeder nach diesen Grundsätzen zur Gesamtschuldnerschaft gehörende Prospektverantwortliche haftet gegenüber dem Anspruchsteller auf den gesamten Schaden, auch wenn die Prospektverantwortlichen im Innenverhältnis abweichende Regelungen zur Schadenstragung getroffen haben.
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bb) Innenverhältnis. Im Innenverhältnis richtet sich die Haftungsverteilung primär nach den Vereinbarungen der Prospektverantwortlichen. Regelmäßig werden die Emissionsbegleiter im Innenverhältnis vom Emittenten freigezeichnet. Eine solche rein intern zwischen den Prospektverantwortlichen wirkende Vereinbarung ist grundsätzlich als zulässig zu erachten, da sie den mit der börsengesetzlichen Haftung verfolgten Zweck des Anlegerschutzes nicht verkürzt. Denn das Risiko, dass der Emittent bei der Leistung der Ersatzansprüche finanziell ausfällt, liegt bei einer solchen Haftungsfreizeichnung nicht beim Anleger, sondern bei den emissionsbegleitenden Banken5. 1 BGH v. 20.4.2004 – X ZR 250/02, WM 2004, 1887 = NJW 2004, 3035 = ZIP 2004, 1814; Voraussetzung ist, dass der Gutachter nach dem Inhalt des ihm erteilten Auftrags wusste oder damit rechnen musste, dass sein Gutachten zur Erlangung von in der Höhe begrenzten Anlagemitteln bei Dritten verwendet werde. Vgl. BGH v. 20.4.2004 – X ZR 250/02, WM 2004, 1887, 1890 f. = NJW 2004, 3035, 3038 = ZIP 2004, 1814, 1817; Zimmer/Binder, WM 2005, 577, 579. Im Gegenteil führt der erstellte Bestätigungsvermerk eines Wirtschaftsprüfers über eine Pflichtprüfung der Gesellschaft im Zusammenhang mit einem geplanten Börsengang nicht zur Einbeziehung an einer Beteiligung interessierter Dritter in den Schutzbereich des Prüfungsvertrages. Vgl. BGH v. 6.4.2006 – III ZR 256/04, WM 2006, 1052, 1055 = AG 2006, 453. 2 Siehe Zimmer/Binder, WM 2005, 577, 583. 3 OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82 – „Beton- und Monierbau“, WM 1984, 586, 595. 4 Hopt, Verantwortlichkeit der Banken, Rn. 192; a.A. Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 8.105: Zurechnung über § 128 HGB analog bzw. § 278 BGB oder § 831 BGB. 5 Kritisch zur vollständigen Haftungsverlagerung allerdings Technau, AG 1998, 454 f. sowie Hirte in Lutter/Scheffler/U. H. Schneider (Hrsg.), Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998, S. 1130 mit letztlich allerdings nicht überzeugender Begründung.
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Existiert keine derartige Vereinbarung, so wird die Verteilung nach dem Maß des individuellen Beitrags zur Fehlerhaftigkeit des Prospekts und dem jeweiligen Verschulden vorgenommen. Grundsätzlich treffen den Emittenten und – abgestuft – die konsortialführende Bank weitaus höhere Sorgfalts- und Überwachungspflichten als die sonstigen Prospektverantwortlichen, für die Informationen über den Emittenten nur schwer zugänglich sind.
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7. Haftungsumfang und Haftungsausschluss a) Haftungsumfang aa) Prospekthaftungsspezifischer Schadensersatzanspruch. Der Haftungsumfang wurde durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz vollständig neu geordnet. Nach früherer Rechtslage hafteten die Prospektverantwortlichen gesamtschuldnerisch auf Ersatz des negativen Interesses (Vertrauensschaden). Zu ersetzen war demnach der Schaden, den der Anleger in seinem Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektangaben erlitten hatte. Der Anleger war so zu stellen, wie er gestanden hätte, wären die Prospektverantwortlichen ihren Informationspflichten nachgekommen1. Er konnte somit entweder die vollständige Rückabwicklung des Erwerbsgeschäfts und damit die Erstattung des Erwerbspreises Zug um Zug gegen Rückübertragung der Wertpapiere verlangen, oder alternativ den Differenzbetrag zwischen dem tatsächlich gezahlten Erwerbspreis und dem hypothetischen Preis, der bei Offenlegung der wahren Sachlage zu zahlen gewesen wäre. Zusätzlich konnte entgangener Gewinn geltend gemacht werden.
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Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz hat einen prospekthaftungsspezifischen Schadensersatzanspruch eingeführt, auf den die Bestimmungen des allgemeinen Schadensersatzrechts nur eingeschränkt anwendbar sind2. Solange der Erwerber Inhaber der Wertpapiere ist, muss er stets die vollständige Rückabwicklung des Erwerbsgeschäfts, d.h. die Erstattung des Erwerbspreises Zug um Zug gegen Rückgabe der Wertpapiere, geltend machen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG). Nach der neuen Regelung steht dem Erwerber aber auch dann ein Prospekthaftungsanspruch zu, wenn er nicht mehr Inhaber der Wertpapiere ist. Ihm ist dann der Differenzbetrag zwischen dem der Höhe nach auf den ersten Ausgabepreis begrenzten Erwerbspreis und dem Veräußerungspreis zu erstatten (§ 44 Abs. 2 BörsG). In beiden Fällen umfasst der Anspruch den Ersatz der üblichen Erwerbsnebenkosten (Maklercourtage, Provisionen), nicht aber den Ersatz entgangenen Gewinns3.
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bb) Haftungsausfüllende Kausalität. Ersatzansprüche sind auch ausgeschlossen, wenn die fehlerhaften Prospektangaben nicht zu einer Minderung des Börsenpreises der Wertpapiere beigetragen haben. Die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende haftungsausfüllende Kausalität obliegt jedoch den Prospektverantwortlichen, weil sie nach Ansicht des Gesetzgebers am ehesten zur Beurteilung der Auswirkungen unrichtiger oder unvollständiger Prospekte in der Lage sind4. Hieraus können sich in Baissephasen schwierige Abgrenzungsprobleme mit für die Prospektverantwortlichen unvorteilhaften Auswirkungen ergeben, sofern die Gerichte insoweit keine Beweiserleichterungen zugestehen.
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1 Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 7 Rz. 229, 155 ff. 2 Begr. RegE zum 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 79. 3 Zu den Einzelheiten der Schadensberechnung vgl. Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 59 ff.; Hauptmann in Vortmann, § 3 Rz. 112 ff. 4 Begr. RegE zum 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 80.
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cc) Schadensminderungsobliegenheit des Erwerbers. Umstritten ist, ob den Erwerber ein Mitverschulden nach § 254 BGB trifft, wenn er die Wertpapiere bei sinkenden Kursen nicht veräußert1. Hiergegen spricht allerdings grundsätzlich die vom Gesetz vorgesehene Schadensabwicklungsregelung. Solange der Erwerber die Wertpapiere hält, ist ihm grundsätzlich der Erwerbspreis zu ersetzen; Ausnahmen gelten für – schwer nachweisbare – Spekulationen zulasten der Prospektverantwortlichen. Anders verhält es sich dagegen, wenn der Erwerber die Wertpapiere vor der Geltendmachung des Prospekthaftungsanspruchs veräußert hat. Hat er unter Börsen- oder Marktpreis veräußert und dadurch die zu erstattende Differenz erhöht, so trifft ihn ein Mitverschulden, das schadensmindernd zu berücksichtigen ist. Der Veräußerungspreis richtet sich in einem solchen Fall nicht nach dem erzielten Veräußerungserlös, sondern nach dem an der Börse erzielbaren Verkaufspreis2. b) Haftungsausschluss
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aa) Prospektberichtigung. Die Prospekthaftung ist ausgeschlossen, wenn die Prospektverantwortlichen vor dem Abschluss des Erwerbsgeschäfts eine deutlich gestaltete Berichtigung des Prospekts veröffentlicht haben (§ 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG). Die Berichtigung kann im Rahmen eines Jahresabschlusses, eines Zwischenberichts, einer Ad hoc-Mitteilung im Sinne des § 15 WpHG oder einer vergleichbaren Bekanntmachung, z.B. durch ein dem Prospekt beizufügendes Einlageblatt3, erfolgen. Sie ist sachlich wie ein Prospekt zu behandeln, d.h. sie löst, wenn sie grob fahrlässig fehlerhaft ist, Prospekthaftungsansprüche aus. Damit Prospektfehler möglichst unverzüglich korrigiert werden, bedarf die Berichtigung, anders als der Prospekt oder der Nachtrag zum Prospekt, nicht der Billigung durch die BaFin.
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§ 45 Abs. 2 Nr. 4 BörsG begründet keine Berichtigungspflicht, sondern eröffnet den Prospektverantwortlichen die Option, einen Prospektfehler zu korrigieren und damit für die Restlaufzeit zwischen dem Zeitpunkt der Berichtigung und dem Ablauf des sechsmonatigen Haftungsfensters erfolgte Aktienerwerbe die Prospekthaftung auszuschließen. Allerdings ist eine derartige Berichtigungsveröffentlichung für den Prospektverantwortlichen nicht unproblematisch, da die Veröffentlichung von den bisherigen Erwerbern, sofern ihnen Verluste entstanden sind, als „Einladung“ zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen angesehen werden kann4. Für das Bookbuilding-Verfahren, bei dem der Kaufvertrag erst nach der Bookbuilding-Periode durch Zuteilung der emissionsbegleitenden Banken zustande kommt, bedeutet dies, dass Berichtigungen während der Bookbuilding-Periode die Haftung ausschließen5. Nach Ablauf der Sechsmonatsfrist sind Entscheidungen über etwaige Prospektberichtigungen ohnehin nicht mehr erforderlich, da Prospekthaftungsansprüche nicht mehr begründet werden können.
364a
bb) Haftungsausschluss für Zusammenfassung. Durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurden Haftungsausschlüsse bei der börsengesetzlichen Prospekthaftung in § 45 Abs. 2 Nr. 5 BörsG um einen weiteren Ausschlusstatbestand ergänzt. Hiernach sind Ansprüche nach § 44 BörsG zu Recht ausgeschlossen, wenn sie ausschließlich aufgrund von Angaben in der Zusammenfassung oder einer Übersetzung ergeben. Jede Zusammenfassung ist gleichsam defintionsgemäß unrichtig bzw. unvollständig, 1 2 3 4 5
Vgl. Hauptmann in Vortmann, § 3 Rz. 119; Sittmann, NZG 1998, 490, 495. Begr. RegE zum 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 79. Begr. RegE zum 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 81. Schäfer, ZGR 2006, 41, 54. Groß, ZHR 162 (1998), 318, 329, 331.
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weil sie auch Angaben weglassen muss, die „an sich“ erforderlich sind. Da aber jeder Prospekt eine Zusammenfassung enthalten muss, ist es folgerichtig, dass eine Prospekthaftung „ausschließlich aufgrund von Angaben der Zusammenfassung“ ausscheiden soll, es sei denn, die Zusammenfassung erscheint auch in der Zusammenschau mit den anderen Teilen des Prospektes als irreführend, unrichtig oder widersprüchlich1. bb) Verbot vorheriger Haftungsausschlüsse. Vereinbarungen, durch welche die Prospekthaftung im voraus ermäßigt oder erlassen wird, sind unwirksam (§ 47 Abs. 1 BörsG). Ein Vergleich, der nach Anspruchsentstehung abgeschlossen wird, wird von dieser Regelung jedoch nicht umfasst2. Das Verbot vorheriger Haftungsausschlüsse betrifft nur das Verhältnis zwischen den Prospektverantwortlichen und dem Anspruchsberechtigten. Die üblicherweise vorgenommenen Vereinbarungen zur Verteilung des Schadens zwischen den Prospektverantwortlichen werden von dieser Regelung nicht berührt.
365
8. Konkurrenzen Neben der börsengesetzlichen Prospekthaftung kann der Erwerber der Wertpapiere nur vertragliche oder vorsätzliche oder grob fahrlässige deliktische Ansprüche geltend machen (§ 47 Abs. 2 BörsG). Andere gesetzliche Ansprüche, die an den Prospektbegriff des Börsengesetzes anknüpfen, werden von den spezialgesetzlichen Regelungen der §§ 44 ff. BörsG verdrängt.
366
a) Bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung Im Anwendungsbereich der börsengesetzlichen Prospekthaftung, d.h. bei Börsenzulassungsprospekten oder gleichgestellten schriftlichen Darstellungen, ist die von der Rechtsprechung entwickelte, nicht kodifizierte bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung ausgeschlossen3. Dies ist gerechtfertigt, da diese einen strengeren Haftungsmaßstab als die börsengesetzliche Prospekthaftung anlegt und zu einer Aushöhlung der Privilegierungen der §§ 44 ff. BörsG führen würde. Prospektverantwortliche im Sinne der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung haben für jede Form von Fahrlässigkeit, auch für einfache, einzustehen. Darüber hinaus geht der Haftungsumfang weiter, da alle nach den §§ 249 ff. BGB liquidierbaren Schäden, auch entgangener Gewinn, umfasst werden4.
367
Der Anwendungsausschluss gilt jedoch nicht für Veröffentlichungen, die keine Darstellungen im Sinne des Börsengesetzes sind, wie etwa Bezugsangebote, Zeichnungsaufforderungen, Werbemaßnahmen, veröffentlichte Research-Analysen und Ad hocMitteilungen nach § 15 WpHG. Ob solche Veröffentlichungen der bürgerlich-recht-
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1 Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 44, 45 BörsG Rz. 98. 2 Schwark in Schwark, § 48 BörsG Rz. 1. 3 Begr. RegE zum 3. FFG, vgl. BT-Drucks. 13/8933, S. 81; OLG Frankfurt am Main v. 17.12.1996 – 5 U 178/95 – „Sachsenmilch“, ZIP 1997, 107, 109 = AG 1997, 33; OLG Frankfurt am Main v. 6.7.2004 – 5 U 122/03 – „EM. TV II“, ZIP 2004, 1411, 1415 = AG 2004, 510. 4 Vor dem Hintergrund der Forderungen des deutschen Gesetzgebers und der Europäischen Union nach einheitlichen und transparenten Kapitalmärkten sowie angesichts einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte sollte die Regelung des § 45 BörsG auch maßgeblich für die Bestimmung des Inhalts und der Reichweite zivilrechtlicher Prospekthaftung werden. Ebenfalls sollte sich die Verjährung aller Ansprüche aus Prospekthaftung einheitlich nach § 46 BörsG richten (vgl. Keul/Erttmann, DB 2006, 1664, 1668 f.). Zur zutreffend engen Konturierung des Prospektbegriffs jüngst auch ausführlich Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 143 ff.
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lichen Prospekthaftung unterfallen, ist bislang nicht abschließend geklärt1. Entscheidend ist, ob sie als Prospekt im Sinne der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung zu qualifizieren sind. Der Prospektbegriff wird üblicherweise in Anlehnung an den Prospektbegriff des § 264a StGB als jede marktbezogene, d.h. an eine bestimmte Zahl von Personen gerichtete schriftliche Erklärung, die für die Beurteilung der Anlage erhebliche Angaben enthält oder den Eindruck eines solchen Inhalts erwecken soll, definiert2. Werbemaßnahmen in Zeitungsanzeigen3, durch sog. Flyer, Imagebroschüren, Kurzexposés und Briefe des Emittenten sollten nicht der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung unterfallen, solange sie nicht den Eindruck vermitteln, die für die Beurteilung der Anlage erheblichen Angaben zu enthalten4. Anlegerschutz und berechtigte Interessen des Kapitalmarktes an der Vermarktung ihrer Produkte sind hier zum Ausgleich zu bringen. Ein klar gestalteter und ausdrücklicher Hinweis (Disclaimer) sollte diesen Ausgleich herstellen und die bürgerlich-rechtliche Haftung ausschließen können5. 369
Vor der Emission der Wertpapiere erfolgte Bezugsangebote werden nicht von der bürgerlich-rechtlichen Haftung erfasst, da sie sich nicht an neue Investoren, sondern an die Altaktionäre wenden6. Halbjahresfinanzberichte und sonstige in Erfüllung wertpapier- und börsenrechtlicher Publizitätserfordernisse abgegebene Erklärungen einschließlich Ad hoc-Mitteilungen werden dagegen zum Teil als Prospekte im Sinne der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung angesehen, obwohl sie in der Regel nicht mit der Intention, Investoren zur Anlageentscheidung zu veranlassen, veröffentlicht werden7. Sieht man diese Veröffentlichungen als Prospekte an, darf ihre Vollständigkeit jedoch nur an der die Informationspflicht auslösenden Norm und nicht an den Vorgaben des § 44 BörsG gemessen werden8. b) Vertragliche und vertragsähnliche Ansprüche
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Ansprüche aus einem Vertrag kommen nur in Betracht, wenn der Anspruchsteller die Wertpapiere unmittelbar bei einer der emissionsbegleitenden Banken oder dem Emittenten erworben hat. In einem solchen Fall haftet die Bank bzw. der Emittent nach § 311a BGB jedoch nur für den Bestand des Rechts, nicht aber für die Bonität des 1 Höchstrichterliche Rechtsprechung liegt hierzu noch nicht vor. Die wenigen Entscheidungen der Instanzgerichte sind unveröffentlicht. 2 Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 67; bei dieser Definition wird man heute aufgrund der Entwicklung der modernen Kommunikationstechniken wie Internet und E-mail das Tatbestandsmerkmal der Schriftlichkeit der Information auf elektronische Übermittlung erweitern müssen, Groß, Kapitalmarktrecht, § 47 BörsG Rz. 5. 3 A.A. OLG Frankfurt am Main v. 29.2.1982 – 21 U 296/81, S. 8 (unveröffentlicht). 4 Die wirtschaftsrechtliche Abteilung des 64. Juristentages 2002 in Berlin hat jedoch empfohlen, vertriebsbezogene Werbeveröffentlichungen außerhalb des Börsenzulassungs- oder Verkaufsprospekts der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung zu unterwerfen. Für emissionsbegleitende mündliche Äußerungen wurde eine entsprechende Empfehlung allerdings abgelehnt. Vgl. Empfehlungen Nr. 1.6 und 1.7, NZG 2002, 1006. Vgl. für die Haftung für Werbeangaben auch Lehmann, DB 2000, 1090 ff. 5 Für diese Wertung spricht auch § 13 VerkProspG. 6 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81 – „Beton- und Monierbau“, WM 1982, 862, 867 f. = AG 1982, 278; Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 6. 7 A.A. BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03 – „Infomatec“, NJW 2004, 2664 f. = AG 2004, 543. Zutreffend wie hier dagegen Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 143 ff. 8 Der Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Haftung für falsche Kapitalmarktinformationen (Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz – KapInHaG) vom 7.10.2004 sprach ebenfalls gegen die Qualifikation als Prospekt de lege lata.
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Schuldners1. Ebenso selten ist eine Haftung der Prospektverantwortlichen für ein Verschulden bei Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2 i.V.m. §§ 241 Abs. 2, 280 BGB), die ebenfalls einen unmittelbaren Kontakt zwischen einem Prospektverantwortlichen und dem Anleger voraussetzt2. Die Verpflichtung des Bankenkonsortiums, in Fällen des mittelbaren Bezugsrechts (§ 186 Abs. 5 AktG) die Wertpapiere den Aktionären anzubieten, reicht hierfür nicht aus3. c) Deliktische Ansprüche Deliktische Ansprüche kommen vor allem bei betrügerischen (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB) oder in sittenwidriger Weise mit Schädigungsvorsatz verfassten (§ 826 BGB) Prospekten4 sowie bei Verletzung von anlegerschützenden Gesetzen, die vorsätzliche unrichtige Angaben in Prospekten sanktionieren (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB bzw. § 400 AktG) in Betracht.
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Ferner können Anleger, die aus einer Kapitalerhöhung hervorgegangene Aktien erwerben, Ansprüche auf den Straftatbestand des sog. Kapitalerhöhungsschwindel stützen, wenn die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder des Emittenten bei der Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister falsche Angaben gemacht oder erhebliche Umstände verschwiegen haben und der Aktienerwerb im Vertrauen auf die Richtigkeit der zum Handelsregister gemachten Angaben erfolgte (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 399 Abs. 1 Nr. 1 AktG). Da der Anleger bei der Geltendmachung eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung die Darlegungs- und Beweislast für alle Anspruchsvoraussetzungen trägt, obliegt es grundsätzlich ihm nachzuweisen, dass er die Registerangaben kannte5. Die Rechtsprechung hält jedoch den Nachweis für ausreichend, dass der Anleger den Inhalt des Kapitalerhöhungsbeschlusses und den Umstand, dass die Durchführung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister eingetragen wurde, kannte6. Der Haftungsumfang bei deliktischen Ansprüchen ist weiter als bei der börsengesetzlichen Prospekthaftung und umfasst alle nach §§ 249 ff. BGB liquidierbaren Schäden einschließlich des entgangenen Gewinns. Die Beschränkungen der §§ 44, 45 BörsG gelten nicht7. Prospektfehler, die von einzelnen Vorstandsmitgliedern zu verantworten sind, werden der Gesellschaft über § 31 BGB zugerechnet. Mittäter, Anstifter und Gehilfen können ebenfalls in Anspruch genommen werden (§ 830 BGB). Deliktische Schadensersatzansprüche unterliegen der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Anleger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Prospektverantwortlichen Kenntnis erlangt hat (§§ 195, 199 BGB). Wie bei der börsenge1 OLG Düsseldorf v. 25.6.1981 – 6 U 79/80 – „Beton- und Monierbau“, ZIP 1981, 847, 850. 2 OLG Frankfurt am Main v. 17.12.1996 – 5 U 178/95 – „Sachsenmilch“, ZIP 1997, 107, 109 = AG 1997, 333. 3 OLG Düsseldorf v. 5.4.1984 – 6 U 239/82 – „Beton- und Monierbau“, WM 1984, 586, 597. 4 OLG Frankfurt am Main v. 21.2.2006 – 5 U 78/04, AG 2006, 584, 585 ff.; außerdem kommt eine deliktische Haftung von Prospektverantwortlichen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in Betracht, wenn ein Anleger mit Hilfe unrichtiger Prospektangaben durch arglistige Täuschung zum Vertragsschluss veranlasst wurde, vgl. BGH v. 28.2.2005 – II ZR 13/03, BKR 2005, 360 ff. 5 BGH v. 11.11.1985 – II ZR 109/84 – „Beton- und Monierbau“, BGHZ 96, 231, 243 = AG 1986, 76. 6 BGH v. 11.7.1988 – II ZR 243/87 – „Kerkerbachbahn“, BGHZ 105, 121, 126 ff. = AG 1988, 331. 7 Begr. RegE zum 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 81; OLG Frankfurt am Main v. 14.2.2003 – 5 W 34/02 – „Comroad I“, ZIP 2003, 1090, 1091.
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setzlichen Prospekthaftung (vgl. oben unter Rz. 344) steht auch den Ansprüchen aus deliktischer Haftung das Verbot der Einlagenrückgewähr i.S.v. § 57 Abs. 1 AktG und das Verbot des Erwerbs eigener Aktien i.S.v. §§ 71 ff. AktG nicht entgegen1. 9. Durchsetzung von Prospekthaftungsansprüchen a) Verjährung 373
Durch das am 1.7.2002 in Kraft getretene Vierte Finanzmarktförderungsgesetz wurde die kenntnisabhängige Verjährungsfrist von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert (§ 46 BörsG). Diese Variante der Verjährungsregelung hat bislang kaum praktische Relevanz erlangt, da die Prospektverantwortlichen sowohl die Kenntnis des Erwerbers von der Fehlerhaftigkeit des Prospekts als auch den Zeitpunkt seiner Kenntniserlangung beweisen müssen. Ein solcher Nachweis wird i.d.R. nur schwer gelingen. b) Gerichtliche Zuständigkeit
374
Gemäß § 48 Satz 1 BörsG a.F. war das Landgericht, in dessen Bezirk die Börse ihren Sitz hatte, die den Prospekt gebilligt oder eine Prospektbefreiung nach § 44 Abs. 4 BörsG erteilt hatte, für die Entscheidung über den Prospekthaftungsanspruch und die in § 47 Abs. 2 BörsG erwähnten vertraglichen, vorvertraglichen und deliktischen Ansprüche ausschließlich zuständig. Die Vorschrift ist durch Art. 8 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren vom 16.8.20052 gestrichen worden. An ihre Stelle ist der ebenfalls durch das vorgenannte Gesetz eingeführte § 32b ZPO getreten, der eine Regelung des ausschließlichen Gerichtsstands bei falscher oder irreführender öffentlicher Kapitalmarktinformation enthält. Nach § 32b Abs. 1 ZPO ist u.a. für Klagen, mit denen der Ersatz eines auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen verursachten Schadens geltend gemacht wird, das Gericht ausschließlich am Sitz des betroffenen Emittenten zuständig, sofern sich der Sitz des Emittenten oder der Zielgesellschaft nicht im Ausland befindet. Der in § 32b ZPO eingeführte ausschließliche Gerichtsstand soll einer Zersplitterung der örtlichen Zuständigkeiten aufgrund verschiedener Gerichtsstände entgegenwirken. § 32b ZPO schafft eine ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Landgerichts für Schadensersatzansprüche aus öffentlichen Kapitalmarktinformationen. Zu den öffentlichen Kapitalmarktinformationen i.S.d. § 32b Abs. 1 ZPO gehören auch Angaben in den der börsengesetzlichen Prospekthaftung unterliegenden Prospekte nach dem WpPG (§ 1 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KapMuG). Nach § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG, der wie die anderen vorgenannten Neueregelungen durch das Kapitalanleger-Musterverfahren eingeführt wurde, sind für Schadensersatzansprüche auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes die Landgerichte zuständig3.
1 Das Integritätsinteresse des durch ein vorsätzlich sittenwidriges, der Gesellschaft zurechenbares Handeln des Vorstands geschädigten Anlegers hat Vorrang vor dem in den Vorschriften der §§ 57, 71 Abs. 2 S. 2 AktG zum Ausdruck kommenden Gedanken der Kapitalerhaltung und Vermögensbindung, vgl. OLG Frankfurt am Main v. 21.2.2006 – 5 U 78/04, AG 2006, 584, 586. 2 BGBl. I 2005, 2437. 3 Assmann in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz 260.
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Prospekthaftung 10. Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
Das Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren vom 16.8.20051 ermöglicht seit dem Inkrafttreten am 1.11.2005 die Durchführung von Musterprozessen über Ansprüche von Kapitalanlegern2.
375
a) Kollektives Musterverfahren Der Gesetzgeber hat sich für ein bereichsspezifisches kollektives Musterverfahren entschieden. In diesem Musterverfahren wird das Vorliegen einer in mehreren Rechtsstreitigkeiten strittigen Musterfrage, etwa der Fehlerhaftigkeit eines Börsenzulassungsprospekts, für alle diese Rechtsstreitigkeiten einheitlich verbindlich entschieden. Im Einzelnen ist das Musterverfahren wie folgt ausgestaltet:
376
aa) Einleitung des Musterverfahrens. Voraussetzung für die Einleitung eines Musterverfahrens ist zunächst, dass bereits ein Rechtsstreit über einen Schadensersatzanspruch wegen falscher oder irreführender öffentlicher Kapitalmarktinformation rechtshängig ist. Öffentliche Kapitalmarktinformationen sind für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmte Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die einen Emittenten von Wertpapieren betreffen. Dies sind nach § 1 Abs. 1 Satz 4 KapMuG insbesondere Angaben in Prospekten nach dem WpPG, Verkaufsprospekten nach dem Verkaufsprospektgesetz und dem Investmentgesetz, Mitteilungen über Insiderinformationen im Sinne des § 15 WpHG, Darstellungen, Übersichten, Vorträge und Auskünfte in der Hauptversammlung über die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen im Sinne des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG, Jahresabschlüsse, Lageberichte, Konzernabschlüsse, Konzernlageberichte sowie Halbjahresfinanzberichte des Emittenten und Angebotsunterlagen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 WpÜG.
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Innerhalb eines solchen Rechtsstreits können sowohl Kläger als auch Beklagter einen Antrag auf Feststellung einer erheblichen Anspruchsvoraussetzung oder Klärung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage in einem Musterverfahren stellen (sog. Musterfeststellungsantrag, § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 KapMuG). In diesem Musterverfahren werden einzelne Tatbestandselemente einer Anspruchsgrundlage festgestellt oder Rechtsfragen geklärt, die einheitlich für eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten gelten. Im Bereich der börsengesetzlichen Prospekthaftung kommt hierfür etwa die Fehlerhaftigkeit der Angaben im Prospekt oder die Pflichtverletzung der Prospektverantwortlichen in Betracht, im Rahmen der Haftung nach §§ 37b und 37c WpHG beispielsweise die Notwendigkeit oder Richtigkeit einer Ad hoc-Mitteilung. Nicht einheitlich feststellungsfähig sind dagegen diejenigen Anspruchsvoraussetzungen, die von der individuellen Situation des einzelnen Klägers abhängen, etwa seine Aktivlegitimation, die haftungsbegründende Kausalität oder der ihm entstandene Schaden.
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Der Musterfeststellungsantrag ist bei dem Prozessgericht zu stellen (§ 1 Abs. 2 KapMuG). Das Prozessgericht veröffentlicht einen zulässigen Antrag im neu eingerichteten Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG). Die Veröffentlichung dient dazu, andere Anleger zur Beteiligung am Musterverfahren zu veranlassen. Die Einsicht in das Klageregister steht dementsprechend jedem unentgeltlich zu (§ 2 Abs. 2 KapMuG). Mit der Bekanntmachung des Musterfeststellungsantrags im Klageregister wird das Verfahren unterbrochen (§ 3 KapMuG).
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1 BGBl. I 2005, 2437 ff. 2 Vollkommer, NJW 2007, 3094 ff.; Erttmann/Keul, WM 2007, 482 ff.; Möllers/Weichert, NJW 2005, 2737 ff.
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Wenn innerhalb von vier Monaten nach der Veröffentlichung nicht in mindestens neun weiteren Rechtsstreitigkeiten gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gestellt wurden, weist das Prozessgericht den Musterfeststellungsantrag zurück und nimmt den Rechtsstreit von Amts wegen wieder auf (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 4 KapMuG). Nicht ausreichend ist, wenn in einem Verfahren zehn oder mehr Kläger dieselben Feststellungsziele verfolgen1. Werden jedoch innerhalb dieser Frist neun gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gestellt, erlässt das Prozessgericht, bei dem der zeitlich erste Musterfeststellungsantrag gestellt wurde, einen Beschluss, der den Gegenstand des Musterverfahrens festlegt. Dieser Beschluss wird dem Oberlandesgericht, das dem Prozessgericht übergeordnet ist, zur Entscheidung vorgelegt (§ 4 Abs. 1 KapMuG). Das eigentliche Musterverfahren, das als Zwischenverfahren nach dem Vorbild des § 93a VwGO ausgestaltet ist, wird anschließend vor dem Oberlandesgericht geführt2. Während des Musterverfahrens setzen die Prozessgerichte die bei ihnen rechtshängigen oder rechtshängig werdenden Rechtsstreitigkeiten aus, deren Entscheidung von der im Musterverfahren zu treffenden Feststellung abhängt. Die Aussetzung erfolgt unabhängig davon, ob in diesem Rechtsstreit ein Musterfeststellungsantrag gestellt wurde oder nicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 KapMuG).
381
bb) Das Verfahren vor dem OLG. Zu Beginn des Musterverfahrens bestimmt das Oberlandesgericht durch unanfechtbaren Beschluss den Musterkläger nach billigem Ermessen (§ 8 Abs. 2 KapMuG). Alle anderen Kläger der ausgesetzten Parallelverfahren werden zu dem Musterverfahren beigeladen (§ 8 Abs. 3 KapMuG). Die Rechtsstellung der Beigeladenen entspricht der des Nebenintervenienten im Sinne des § 67 ZPO. Sie sind abhängige Nebenparteien, die Angriffs- und Verteidigungsmittel und Prozesshandlungen nur im Einklang mit dem Musterkläger geltend machen können (§ 12 KapMuG).
382
Das OLG entscheidet durch Beschluss (sog. Musterentscheid, § 14 Abs. 1 Satz 1 KapMuG). Ein Verzichtsurteil ist im Musterverfahren nicht zulässig, ein vergleichsweiser Abschluss des Musterverfahrens ist ausgeschlossen, sofern dem Vergleich nicht alle Beteiligten zustimmen (§ 14 Abs. 3 KapMuG), da andernfalls der Musterkläger zu Lasten der Beigeladenen über das Feststellungsziel disponieren könnte. Gegen den Musterentscheid steht den Musterparteien und den Beigeladenen der Rechtsbehelf der Rechtsbeschwerde zu (§ 15 Abs. 1 KapMuG). Nimmt der Musterkläger seine Rechtsbeschwerde zurück, bestimmt der Bundesgerichtshof einen neuen Musterrechtsbeschwerdeführer aus dem Kreis der Beigeladenen, die dem Rechtsbeschwerdeverfahren beigetreten sind (§ 15 Abs. 3 Satz 2 KapMuG). Einen ersten großen Fall eines Musterverfahrens stellt das Verfahren Deutsche Telekom AG anlässlich der Platzierung der dritten Tranche (2000) dar, bei dem mehrere Anleger Klage vor dem LG Frankfurt erhoben und eine Fehlerhaftigkeit des entsprechenden Prospekts behauptet haben3. Es zeigt sich jedoch, dass die Erwartung an eine praktikable „Abschichtung“ von Kernfragen selbst nach Einschätzung des Vorsitzenden Richters durch das KapMuG nicht gelungen ist4.
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cc) Rechtliche Bindung des Musterentscheids. Der Musterentscheid bindet die Prozessgerichte im Umfang seiner getroffenen Feststellung und der zu klärenden Rechtsfrage 1 Nach BGH v. 21.4.2008 – II ZB 6/07, NJW 2008, 2187 f. = AG 2008, 546, reichen hierzu zehn Anträge von Streitgenossen; zehn separate Verfahren sind nicht erforderlich. Anders noch OLG München v. 17.7.2007 – W (KAPMU) 11/07, NZG 2007, 798; KG v. 18.9.2007 – 4 SCH 2/06 KapMuG. 2 Zu Bedenken hinsichtlich der Ausgestaltung als Zwischenverfahren vgl. Hess, ZIP 2004, 1381, 1384. 3 LG Frankfurt am Main v. 11.7.2006 – 3/7 OH 1/06 – „Deutsche Telekom AG“, ZIP 2006, 1730. 4 Jahn, ZIP 2008, 1314, 1315.
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(§ 16 Abs. 1 Satz 1 KapMuG). Die Bindung ist in Anlehnung an die Interventionswirkung nach § 68 ZPO konzipiert. Sie umfasst nicht nur den Tenor des Musterentscheids, sondern auch dessen tatsächliche und rechtliche Grundlagen. Der Musterentscheid wirkt somit für und gegen den Musterkläger und die Beigeladenen, und zwar auch für und gegen die Beigeladenen, die einem etwaigen Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beigetreten sind (§ 16 Abs. 3 KapMuG). dd) Kosten. Durch das Musterverfahren sollen keine zusätzlichen Gerichts- oder Rechtsanwaltsgebühren entstehen. Die im Musterverfahren anfallenden Rechtsanwaltsgebühren und Auslagen, insbesondere die Sachverständigenvergütung, sollen im Verhältnis der geltend gemachten Forderungen auf die einzelnen Prozessverfahren verteilt werden (vgl. § 17 KapMuG)1.
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b) Ausschließlicher Gerichtsstand Das Gesetz sieht ferner die Einführung eines neuen ausschließlichen Gerichtsstandes bei falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformationen vor, der in § 32b ZPO verortet worden ist. Hiernach ist bei Klagen gegen inländische Emittenten das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der betroffene Emittent seinen Sitz hat. Die bisherigen Gerichtsstände des § 48 BörsG und des § 13 Abs. 2 VerkProspG, die auf den Sitz der Börse bzw. der BaFin abstellten, sind durch den neuen § 32b ZPO ersetzt worden2.
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c) Ausblick Drei Jahre nach dem Inkrafttreten des KapMuG zum 1.11.2005 ist in Sachen DaimlerChrysler3 der bislang einzige Musterentscheid ergangen, während ein Musterentscheid im Telekomverfahren, in dem die Klagen der Aktionäre Hauptauslöser für die Verabschiedung des KapMuG waren4, noch aussteht. Die Praxistauglichkeit kann noch bis zum 1.11.2010 erprobt werden, da Art. 9 Abs. 2 des Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren5 die Laufzeit des KapMuG bis dahin befristet hat. Als zwischenzeitliches Fazit ist festzuhalten, dass das KapMuG in der konkreten Anwendung zwar zu prozessualer Vereinfachung von Massenverfahren führt6, allerdings immer noch nicht sehr praxistauglich und daher erheblich verbesserungswürdig ist. Dies liegt vor allem an den im Musterverfahren vorzunehmenden Feststellungen des Gerichts, bei denen es im Hinblick auf Kenntnisse über Ad hocpflichtige Sachverhalte oder der Prospektkenntnisse des Anlegers stets auf den Einzelfall ankommt. Für die Beseitigung dieser Unzulänglichkeiten bietet sich die Gelegenheit der seitens der EU geplanten Einfahrung einer opt-in Sammelklage an7. 1 Im Interesse des Anlegerschutzes erscheint diese Regelung auf den ersten Blick sachgerecht. Der Gesetzgeber war bei der Gestaltung dieser Regelung sicherlich von dem Willen motiviert, keine Erfolgshonorare für Rechtsanwälte zuzulassen, wie sie bei der US-amerikanischen Class Action üblich sind. Der Wille des Gesetzgebers, den Anlegern eine kostengünstige Möglichkeit der Geltendmachung ihrer Ansprüche zu ermöglichen, könnte durch die vorgesehene Regelung jedoch konterkariert werden. Da der erhöhte Aufwand der Prozessvertreter der am Musterverfahren Beteiligten überhaupt nicht berücksichtigt wird, besteht für diese auch kein ökonomischer Anreiz zur Durchführung des Musterverfahrens. Hierauf weist bereits Hess zutreffend hin, vgl. Hess, ZIP 2004, 1381, 1386. 2 BGBl. I 2005, 2437 ff., vgl. auch oben bei Rz. 374. 3 OLG Stuttgart v. 15.2.2007 – 901 Kap 1/06, NZG 2007, 352 ff. = AG 2007, 250. 4 Möllers/Weichert, NJW 2005, 2737 ff., 2737. 5 BGBl. I 2005, 2437 ff. 6 Jahn, ZIP 2008, 1314, 1315. 7 Jahn, ZIP 2008, 1314, 1316.
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§ 11 Platzierung und Börsenzulassung im Ausland Rz. I. Einführung in die gesetzlichen Grundlagen der US-Wertpapierregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . .
1
2. Die SEC . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
3. Einzelstaatliche Regulierung . . . . 13 4. Die Entscheidung für ein registriertes versus ein von der Registrierungspflicht befreites Angebot . . . 14 5. Periodische Berichtspflichten . . . . 20 6. ADRs und Global Shares . . . . . . . 23 a) ADRs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 b) Global Shares . . . . . . . . . . . . . 30 7. Haftung nach US-amerikanischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftung aufgrund eines Registrierungsversäumnisses . . . . . . . . b) Haftung bei registrierten Angeboten . . . . . . . . . . . . . . . c) Haftung bei Privatplatzierungen . d) Sonstige gesetzliche Haftung . . .
32 32 33 43 46
II. Börsennotierte Angebote in den Vereinigten Staaten . . . . . . . . . . 49 1. US-Wertpapierbörsen . . . . . . . . . 49 2. Das Registrierungsdokument . . a) Das Registrierungsformular . . b) Der Inhalt des Registrierungsdokuments . . . . . . . . . . . . c) Erstellung des Registrierungsdokuments . . . . . . . . . . . . d) EDGAR . . . . . . . . . . . . . .
. . 52 . . 52 . . 55 . . 60 . . 62
3. Das SEC-Prüfungsverfahren . . . . . 65 4. Publizität bei registrierten Angeboten . . . . . . . . . . . . . . a) Der Zeitraum vor Einreichung b) Die Wartefrist . . . . . . . . . . c) Zeitraum nach Inkrafttreten .
. . . .
. . . .
67 68 69 70
5. Research-Berichte . . . . . . . . . . . 71 6. Deregistrierung . . . . . . . . . . . . . 72 III. Von der Registrierungspflicht befreite Angebote . . . . . . . . . . . . 73 1. Regulation S . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Section 4(2) . . . . . . . . . . . . . . . 81 3. Section
4(11/ 2)
. . . . . . . . . . . . . . 88
4. Rule 144A . . . . . . . . . . . . . . . . 89
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a) Verkäufe ausschließlich an QIBs b) Anforderung der Nicht-Fungibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Lieferung von Informationen . . . d) Nicht-ausschließliche Befreiung . 5. Publizitätsbeschränkungen bei Angeboten, die von der Registrierungspflicht befreit sind . . . . . . a) Regulation S . . . . . . . . . . . . b) Publizitätsverfahren nach Rule 144A und Section 4(2) . . . . . . c) Allgemeine Verkaufsförderung oder allgemeine Werbung . . . . d) Ausnahmeregelungen für bestimmte Formen der Publizität e) Folgen nicht ordnungsgemäßer Publizität . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 91 94 96 97
. 99 . 100 . 102 . 103 . 105 . 108
IV. Die EU-Prospektrichtlinie . . . . . . 110 V. Wertpapieremissionen in Frankreich 111 1. Öffentliche Angebote . . . . . . . . a) Gesetzlicher Rahmen . . . . . . b) Pflicht zur Erstellung eines Prospektes . . . . . . . . . . . . . . c) IOSCO und gegenseitige Anerkennung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . d) Fortlaufende Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . e) Werbung . . . . . . . . . . . . . . . f) Haftung . . . . . . . . . . . . . . .
. 111 . 111 . 112 . 132 . 133 . 136 . 137
2. Privatplatzierungen . . . . . . . . . . 138 VI. Wertpapieremissionen in Italien . . 144 1. Öffentliche Angebote . . . . . . . . . 144 2. Geltungsbereich von Billigungen zur Veröffentlichung eines Prospektes in der Europäischen Gemeinschaft und Anerkennung eines von der zuständigen Behörde eines anderen EU-Mitgliedstaats gebilligten Prospektes in Italien . . . . . . . . . . . . 150 3. Befreiung von italienischen Regelungen zu öffentlichen Angeboten . 154 VII. Wertpapieremissionen in Spanien . 156 1. Öffentliche Angebote . . . . . . . . . 156 a) Gesetzliche Definition . . . . . . . 156 b) Ausnahmeregelungen für Privatplatzierungen . . . . . . . . . . . . . 158
§ 11
Platzierung und Börsenzulassung im Ausland Rz. c) Informationsanforderungen/ Beschränkungen im Hinblick auf Werbung . . . . . . . . . . . . . 160 2. Anforderungen an die Registrierung 163 a) Registrierungsverfahren . . . . . . 163 b) Der Prospekt . . . . . . . . . . . . . 164 c) Befreiungen von dem Registrierungsverfahren . . . . . . . . . . . . 168 3. Grenzübergreifende Anerkennung (Notifizierung) . . . . . . . . . . . . . 169 VIII. Wertpapieremissionen im Vereinigten Königreich . . . . . . . . 172
1. Öffentliche Angebote . . . . . . . . . a) Angebote, die an das Publikum gerichtet sind . . . . . . . . . . . . . b) Zulassung zum Handel an einem regulierten Markt . . . . . . . . . . c) Der Prospekt . . . . . . . . . . . . .
Rz. 172 172 174 176
2. Privatplatzierungen . . . . . . . . . . 183 a) Befreiungen für Privatplatzierungen nach dem FSMA und den Prospectus Rules . . . . . . . . . . 184 b) Werbung für Finanzanlagen (financial promotion) . . . . . . . 186
Schrifttum: Mark Berman (ed.), SEC Regulation Outside the United States: A Guide for Governments, Corporations and Investors (6th ed.), 2007; Harold S. Bloomenthal, Securities Law Handbook (Thomson West, 2007–2008 ed.); John T. Bostleman, The Sarbanes-Oxley Deskbook (Practising Law Institute, 2003, supplement 2007); Thomas Lee Hazen (ed.), Securities Regulation: Selected Statutes, Rules and Forms (Thomson West, 2007); Bryan A. Garner, Securities Disclosure in Plain English (CCH Incorporated, 1999); Edward F. Greene et al., U.S. Regulation of the International Securities and Derivatives Markets (Aspen Law & Business); J. William Hicks, Resales of Restricted Securities (Thomson West, 2007); Louis Loss & Joel Seligman, Fundamentals of Securities Regulation (Aspen Publishers, 2003, 2007 supplement); National Association of Securities Dealers, NASD Manual (CCH Incorporated, 2006); Don Zarin, Doing Business Under the Foreign Corrupt Practices Act (Practising Law Institute, 2004).
I. Einführung in die gesetzlichen Grundlagen der US-Wertpapierregulierung 1. Gesetzgebung Die Wertpapierregulierung der US-Bundesregierung, deren Aufsicht und Durchführung der United States Securities and Exchange Commission (Wertpapier- und Börsenkommission – SEC) obliegt, wird durch mehrere Gesetzeswerke bestimmt. Die wichtigsten sind der United States Securities Act von 1933 (Wertpapiergesetz – Securities Act)1, der die ursprüngliche Begebung von Wertpapieren regelt, und der Securities Exchange Act von 1934 (Börsengesetz – Exchange Act)2, der den Handel bereits begebener und in Umlauf befindlicher Wertpapiere reguliert. Weiterhin zählt hierzu der Trust Indenture Act von 1939 (Gesetz über Anleiheemissionen – Trust Indenture Act)3, der Bestimmungen über große Anleiheemissionen aufstellt, der Investment Company Act von 1940 (Gesetz über Investmentgesellschaften – Investment Company Act)4, der die Aktivitäten von breit gestreuten Kapitalgesellschaften regelt, die in Wertpapiere investieren und mit ihnen handeln, sowie schließlich der SarbanesOxley Act von 2002 (Sarbanes-Oxley Act)5, durch den die Pflichten von Emittenten und ihren leitenden Mitarbeitern erweitert wurden und eine neue Aufsichtsbehörde 1 2 3 4 5
Securities Act of 1933, 15 U.S.C. Sections 77a-77aa. Securities Exchange Act of 1934, 15 U.S.C. Sections 78a-78mm. Trust Indenture Act of 1939, 15 U.S.C. Sections 77aaa-77bbbb. Investment Company Act of 1940, 15 U.S.C. Sections 80a-1-80a-64. Sarbanes-Oxley Act of 2002, Pub. L. No. 107-204, 116 Stat. 745 (neue Teile kodifiziert unter 15 U.S.C. Sections 7201-7266).
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geschaffen wurde, und das Public Company Accounting Oversight Board (Oversight Board), dem die Aufsicht über die Wirtschaftsprüfer obliegt. 2
Der Securities Act von 1933: Hauptziel des Securities Act ist der Anlegerschutz1. Dieser soll durch das Prinzip der „Public Disclosure“ sichergestellt werden, das heißt, bei öffentlichen Angeboten von Wertpapieren sollen alle wesentlichen Tatsachen vollständig offengelegt werden. Diese Offenlegung beim Erstangebot eines Wertpapiers hat in Form eines bei der SEC einzureichenden Registrierungsdokuments (registration statement) zu erfolgen. Im Kern stellt der Securities Act die Anforderung auf, dass ein Wertpapier nur dann im Wege des zwischenstaatlichen Handels oder Verkehrswegs (interstate commerce or transportation) oder auf dem Postweg (the mails) zum Verkauf angeboten werden darf, wenn das Wertpapierangebot durch ein gültiges Registrierungsdokument (registration statement) oder im Rahmen einer zulässigen Befreiung von der Registrierungspflicht (exemption from registration) erfolgt2. Ein gültiges Registrierungsdokument muss bestimmte Informationen über den Emittenten, die Konsortialbanken (underwriter) und das Wertpapier enthalten3. Die SEC hat die Richtigkeit und Vollständigkeit des Registrierungsdokuments sicherzustellen4. Sie „genehmigt“ ein Wertpapier jedoch nicht und nimmt auch keine Beurteilung oder Empfehlung vor5.
3
Neben der vollständigen Offenlegung wesentlicher Tatsachen verfolgt der Securities Act als weiteres wichtiges Ziel die Verhinderung von Irreführung (fraud) und Täuschung (misrepresentation) im zwischenstaatlichen Handel (interstate commerce) von Wertpapieren. Der Securities Act enthält insofern Haftungsvorschriften, die irregeführten Käufern Rechtsmittel (wie nachstehend beschrieben) einräumen6.
4
Der Securities Exchange Act von 1934: Der Exchange Act ist inhaltlich breiter angelegt als der Securities Act und regelt den Handel mit bereits ausgegebenen und in Umlauf befindlichen Wertpapieren. Der Exchange Act bestimmt die periodische Berichterstattung von Unternehmen, deren Wertpapiere ausgegeben und in Umlauf sind, die Einholung von Stimmrechtsvollmachten von Aktionären von Unternehmen, die im Rahmen des Exchange Act registriert sind, die Voraussetzungen zur Abgabe von Übernahmeangeboten, die Regelung des Insiderhandels und von Wertpapierkäufen gegen Kredit, die Marktüberwachung und die Registrierung von Wertpapierbörsen, Broker-Dealers und Wertpapierorganisationen. Wie der Securities Act enthält auch der Exchange Act eine Reihe von Vorschriften zur Bekämpfung von Anlegertäuschung, insbesondere Section 10(b) und Rule 10b-57.
5
Der Sarbanes-Oxley Act von 2002: Der Sarbanes-Oxley Act wurde als Reaktion auf Skandale im Bereich der Rechnungslegung und Corporate Governance bei Unternehmen wie Enron und Worldcom eingeführt. Aufgrund des Gesetzes waren seitens der SEC eine große Anzahl von Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Dieser Prozess war bis April 2003 überwiegend abgeschlossen. Die SEC stand unter starkem Druck, Nicht-US-Unternehmen von den Bestimmungen des Sarbanes-Oxley Act zu befreien, war dazu aber in vielen Fällen nur begrenzt in der Lage, da der Kongress ausdrücklich vorgegeben hatte, dass bestimmte Vorschriften des Gesetzes auch auf Nicht-US-Emit1 2 3 4 5 6 7
Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe
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vorläufige Anmerkung zum Securities Act of 1933. Securities Act of 1933 Sections 1-5. unten Rz. 52–64. Rz. 9–12 und Rz. 52–64. Rz. 9–12 und Rz. 52–64. vorläufige Anmerkung zum Securities Act of 1933. unten Rz. 32–48.
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tenten anwendbar sein sollten1. Die Schlüsselfrage bei der Feststellung, ob ein Unternehmen den Vorschriften des Sarbanes-Oxley Act unterliegt, ist dessen Status als ein nach dem Exchange Act berichtspflichtiges Unternehmen; d.h., die meisten Bestimmungen des Gesetzes sind nur auf Emittenten anwendbar, die im Rahmen des Exchange Act periodische Berichte, wie jährliche Berichte nach Form 20-F, einreichen müssen2. Der Sarbanes-Oxley Act erweitert die Haftung der ihm unterliegenden Emittenten auf verschiedene Weise, u.a. durch
6
– das Erfordernis einer Bestätigung von jährlichen und sonstigen bei der SEC eingereichten periodischen Berichten durch den CEO und den CFO3, – verstärkte Prüfung der jährlichen Berichte4, – das generelle Verbot von Darlehen an leitende Mitarbeiter5, – das Erfordernis der Nichtigerklärung (durch den CEO und CFO) von Gewinnen aus Abrechnungsperioden, für die Berichte bei der SEC eingereicht wurden, die aufgrund wesentlicher Nichteinhaltung von Wertpapiergesetzen revidiert werden müssen6, – das Erfordernis der verstärkten Offenlegung bilanzunwirksamer Finanzierungsvereinbarungen7 und – das Erfordernis der Bekanntmachung eines Ethikkodex für die leitenden Mitarbeiter im Finanzbereich (oder, falls die Gesellschaft keinen solchen Kodex hat, der Gründe hierfür)8. Der Sarbanes-Oxley Act verändert auch die Aufsicht über die Wirtschaftsprüfer der Emittenten, die dem Gesetz unterliegen. Durch das Gesetz wird eine neue Aufsichtsbehörde geschaffen, das Oversight Board (unter der Aufsicht der SEC), dem die Kontrolle der Wirtschaftsprüfer obliegt9. Das Gesetz verstärkt außerdem die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer, indem sie ihre Rotation vorschreibt10 sowie die Durchführung vieler nicht-rechnungslegungsbezogener Dienstleistungen11 gleichzeitig mit einer Abschlussprüfung verbietet.
7
Mit dem Sarbanes-Oxley Act wird außerdem Regulation AC eingeführt, die die Regulierung der Tätigkeit der Research-Analysten erheblich ausgeweitet. Danach müssen der Broker-Dealer und mit ihnen verbundene Personen, die Research-Berichte veröffentlichen, in Umlauf bringen oder zur Verfügung stellen, in diese Berichte eine Er-
8
1 Siehe, z.B., Sarbanes-Oxley Act of 2002 Section 302(b). Diese Section schreibt vor, dass eine Neugründung im Ausland die Verpflichtung zur Bestätigung der bei der SEC eingereichten periodischen Berichte nicht aufhebt. 2 Siehe Sarbanes-Oxley Act of 2002 Section 2(a)(7). Nach der Befreiungsregelung Exchange Act Rule 12g3-2(b) sind Unternehmen von den meisten Vorschriften des Sarbanes-Oxley Act befreit. Siehe auch unten Rz. 21–22. 3 Siehe Sarbanes-Oxley Act of 2002 Sections 302 und 906. 4 Siehe Sarbanes-Oxley Act of 2002 Section 408. 5 Siehe Sarbanes-Oxley Act of 2002 Section 402. 6 Siehe Sarbanes-Oxley Act of 2002 Section 304. 7 Siehe Sarbanes-Oxley Act of 2002 Section 401. Siehe ebenfalls Final Rule: Conditions for Use of Non-GAAP Financial Measures, SEC Release No. 33-8176 und Final Rule: Disclosure in Management’s Discussion and Analysis about Off-balance Sheet Arrangements and Aggregate Contractual Obligations, SEC Release No. 33-8182. 8 Siehe Sarbanes-Oxley Act of 2002 Section 406. Siehe ebenfalls Final Rule: Disclosure Required by Sections 406 and 407 of the Sarbanes-Oxley Act of 2002, SEC Release No. 33-8177. 9 Siehe Sarbanes-Oxley Act of 2002 Title I. 10 Siehe Sarbanes-Oxley Act of 2002 Section 203. 11 Siehe Sarbanes-Oxley Act of 2002 Section 201.
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klärung des Research-Analysten aufnehmen, die bestätigt, dass die im Research-Bericht zum Ausdruck gebrachten Ansichten die persönliche Meinung des Analysten zu den betreffenden Wertpapieren und Emittenten wiedergeben1. Regulation AC schreibt des Weiteren vor, dass die Analysten eine Erklärung dazu abgeben müssen, ob ihre Vergütung in Zusammenhang mit den spezifischen Empfehlungen steht2. Ist dies der Fall, so sind weitere Angaben in Bezug auf die Höhe und den Zweck der Vergütung erforderlich3. 2. Die SEC 9
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Die SEC wurde aufgrund des Exchange Act im Jahr 1934 als eine unabhängige Behörde der US-amerikanischen Bundesregierung gegründet. Ihre Hauptzuständigkeit liegt in der Durchsetzung der US-amerikanischen Wertpapiergesetze4. Die SEC setzt sich aus fünf Commissioners zusammen, die durch den Präsidenten ernannt und den US-Senat bestätigt werden5. Nicht mehr als drei der Commissioners dürfen Mitglied derselben politischen Partei sein. Die Amtsperioden der Commissioners sind gestaffelt, so dass jeweils eine Amtsperiode im Juni eines jeden Jahres abläuft6. Die SEC hat ca. 3 500 Mitarbeiter. Dies ist eine verhältnismäßig geringe Größe für eine US-Bundesbehörde7. Die Tätigkeit der SEC umfasst vier Bereiche: – Dem Bereich Corporation Finance obliegt mit der Prüfung der Registrierungsdokumente für öffentliche Angebote, Quartals- und jährliche Berichte, Stimmrechtsvollmachten, Angebotsunterlagen und anderer eingereichter Unterlagen die Gesamtverantwortung für die Überwachung der Offenlegungspflichten im Rahmen der Bundeswertpapiergesetze. – Der Bereich Enforcement untersucht und verfolgt Verstöße gegen die Wertpapiergesetze im Rahmen von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren8. – Der Bereich Trading and Markets überwacht die Tätigkeit der Sekundärmärkte, einschließlich der Registrierung und des Verhaltens von Börsen und BrokerDealern. – Der Bereich Investment Management überwacht die Einhaltung des Investment Company Act und des Investment Advisers Act.
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Der Securities Act und der Exchange Act ermächtigen die SEC, im Wege von Verwaltungsverfahren über eine Vielzahl von Angelegenheiten zu entscheiden. Nach Maßgabe des Securities Act kann die SEC mit „Stop Order“-Verfahren gegen irreführende Registrierungsdokumente Sperren verhängen sowie die Einstellung unlauterer Ge1 Siehe Sarbanes-Oxley Act of 2002 Section 501; siehe ebenfalls Final Rule: Regulation Analyst Certification, SEC Release 33–8193. 2 Regulation AC, 17 CFR Sections 242 500 et seq. 3 Regulation AC, 17 CFR Sections 242 500 et seq. 4 Siehe Securities Exchange Act of 1934 Section 4(a). Vor Gründung der SEC überwachte die Federal Trade Commission den Securities Act of 1933. Siehe ebenfalls Regulation AC, 17 CFR Sections 242 500 et seq. 5 Siehe ebenda. 6 Siehe ebenda. 7 Bezüglich weiterer Informationen zur SEC siehe die unter http://www.sec.gov verfügbaren Angaben. 8 Bei solchen Verfahren handelt es sich überwiegend nicht um Straf-, sondern Zivilverfahren. Zur strafrechtlichen Verfolgung ist ausschließlich das US-Justizministerium mit Unterstützung der SEC-Mitarbeiter des Bereichs Enforcement befugt.
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Platzierung und Börsenzulassung im Ausland
schäftspraktiken durch „Cease-and-Desist“-Verfahren verfolgen. Die SEC kann außerdem im Rahmen des Exchange Act Disziplinarverfahren gegen Broker-Dealer sowie Verfahren gegen die meisten Personen, die den Bestimmungen des Exchange Act unterliegen, einleiten1. Grundlage der SEC-Regulierungskompetenz: Nach der US-amerikanischen Verfassung darf die US-Bundesregierung nur den Handel zwischen mehreren US-Bundesstaaten regeln, einschließlich der Regulierung der Emission von und des Börsenhandels mit Wertpapieren durch die SEC2. Daher sind Bundeswertpapiergesetze nur anwendbar, wenn Einrichtungen oder Stellen des zwischenstaatlichen Handels eingeschaltet sind (d.h. Telefon, die Post, das Internet oder eine inländische Wertpapierbörse) (instrumentalities of interstate commerce)3. Eine Schlüsselfunktion hat Section 5 des Securities Act, die zwischenstaatlichen Handel zum Verkauf oder zur Lieferung eines Wertpapiers untersagt, soweit nicht ein gültiges Registrierungsdokument für dieses Wertpapier existiert4. Theoretisch würde eine Wertpapiertransaktion, die vollständig innerhalb der Grenzen eines Bundesstaates stattfindet und bei der in keiner Weise zwischenstaatlicher Handel vorgenommen wird, nicht den SEC-Vorschriften unterliegen5. In der Praxis werden jedoch bei nahezu jedem Kontakt in den Vereinigten Staaten Stellen eingeschaltet, die der Bundesgesetzgebung unterstehen, so dass die gesamte Transaktion in die Zuständigkeit der SEC fällt.
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3. Einzelstaatliche Regulierung Die einzelnen US-Bundesstaaten, der District of Columbia und die US-Territorien können Wertpapiertransaktionen regulieren, die innerhalb ihrer jeweiligen Gesetzgebungskompetenz stattfinden6. Vor einer Wertpapieremission muss der Emittent sicherstellen, dass die geplante Emission mit den Wertpapiergesetzen des/der beteiligten Bundesstaates/-staaten (auch „Blue Sky“-Gesetze7 genannt) sowie mit dem Securities Act übereinstimmt. Die Anforderungen sind unterschiedlich, und in einigen 1 Im Besonderen kann die SEC Maßnahmen ergreifen, um jeden, der den Sections 12, 13, 14, oder 15(d) des Exchange Act unterliegt, dazu zu zwingen, dem Exchange Act und dessen Vorschriften zu genügen, wenn die SEC nach Benachrichtigung und Gelegenheit zur Anhörung zu dem Ergebnis kommt, dass diese Person die vorgenannten Abschnitte des Exchange Act nicht beachtet hat. Siehe generell Edward F. Greene et al., U.S. Regulation of the International Securities and Derivatives Markets Section 15.09[2]. 2 U.S. Constitution art. I, Section 8, cl. 3. 3 Der Securities Act definiert „zwischenstaatlichen Handel“ als „Handel und Wirtschaftsverkehr mit Wertpapieren oder alle damit verbundenen Transporte oder Kommunikationen zwischen verschiedenen Bundesstaaten …“ Securities Act of 1933 Section 2(a)(7). Der Exchange Act definiert „zwischenstaatlichen Handel“ als „Handel, Wirtschaftsverkehr, Transport oder Kommunikation zwischen den verschiedenen Bundesstaaten oder zwischen einem ausländischen Staat und einem Bundesstaat …“ Siehe Securities Exchange Act of 1934 Section 3(a)(17). 4 Diese Bestimmung findet nur auf Emittenten, die Mitglieder des Emissionskonsortiums (underwriter) und Platzeure (dealer) Anwendung. Daher sind Transaktionen anderer Personen, wie normale Anleger, von den Anforderungen gemäß Section 5 befreit. 5 Eine solche Transaktion würde jedoch den Blue Sky-Gesetzen dieses Rechtsgebiets unterliegen. Siehe unten Rz. 13. 6 Siehe Securities Act of 1933 Section 18 und Securities Exchange Act of 1934 Section 28(a), nach denen die Befugnis der Bundesstaaten zur Regulierung von Wertpapiergeschäften erhalten bleibt. 7 Staatliche Wertpapiergesetze werden als „Blue Sky“-Gesetze bezeichnet, weil sie dazu dienen „spekulative Pläne zu verhindern, die lediglich Luftschlösser sind“. Hall v. Geiger-Jones Co., 242 U.S. 539 (1917).
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Bundesstaaten müssen die Emittenten bestimmte Informationen oder Dokumente bei den jeweiligen Regierungsbehörden einreichen, die einem Registrierungsdokument nach dem Securities Act ähneln. Ähnlich wie der Securities Act sehen die bundesstaatlichen Gesetze im Allgemeinen eine Reihe von Ausnahmen von den Registrierungs- oder anderen Qualifizierungspflichten vor1. In den meisten Bundesstaaten bestehen darüber hinaus Gesetze über den Sekundärhandel mit Wertpapieren, einschließlich Vorschriften zur Bekämpfung von Betrug und Regulierung der Tätigkeiten der Broker-Dealer. Um die Last der Einhaltung verschiedener Blue Sky-Gesetze bei Transaktionen einzuschränken, die verschiedene Rechtsordnungen berühren, haben viele Bundesstaaten den Uniform Securities Act eingeführt2. 4. Die Entscheidung für ein registriertes versus ein von der Registrierungspflicht befreites Angebot 14
Wie vorstehend bereits erwähnt, bildet Section 5, wonach Wertpapiere mit einem Registrierungsdokument oder aufgrund einer zulässigen Registrierungsbefreiung angeboten werden müssen, den Kern des Securities Act. Beide Ansätze zum Zugriff auf die US-Kapitalmärkte haben Vor- und Nachteile. Eine Registrierung kann für Emittenten angebracht sein, die für den Zugriff auf die US-Kapitalmärkte ein erhebliches Engagement eingehen möchten, sie kann jedoch für Emittenten, die nicht über die Zeit und Mittel verfügen, die für das Registrierungsverfahren erforderlich sind, ungeeignet sein.
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Registrierte Angebote: Der Hauptvorteil einer Registrierung von Wertpapieren im Rahmen des Securities Act ist, dass sie den weitest möglichen Zugriff auf die US-Kapitalmärkte ermöglicht. Sobald ein Registrierungsdokument für ein Wertpapier wirksam geworden ist, steht es dem Emittenten frei, dieses Wertpapier öffentlich anzubieten und zu verkaufen. Mit ordnungsgemäßer Registrierung sind Wertpapiere umlauffähig. Das heißt, der Weiterverkauf der Wertpapiere unterliegt keinen Einschränkungen, z.B. in Bezug auf mögliche Käufer, Dauer des Angebots, Betrag, Kumulation oder Zusammenfassung. Die Registrierung ermöglicht außerdem eine Einführung an einer US-Wertpapierbörse oder den Handel über das NASDAQ-System. Neben dem Zugang zu den Investoren bietet eine Börseneinführung in den USA auch einen gewissen Prestigewert und fördert das Profil des Emittenten.
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Die Registrierung bringt indes auch erhebliche Nachteile mit sich. Die Erstellung eines Registrierungsdokuments ist mit erheblichem Zeitaufwand seitens der Geschäftsleitung des Emittenten verbunden sowie mit beträchtlichen Rechtsberatungs- und Verwaltungskosten. Eine Registrierung ist daher für Emittenten, die nicht über die für den Registrierungsprozess erforderlichen Mittel verfügen oder eine schnelle Finanzierung benötigen, oftmals nicht geeignet. Mit der Registrierung unterliegen die Emittenten auch den fortlaufenden Berichtspflichten des Exchange Act, einschließlich, im Falle von Nicht-US-Emittenten, der Verpflichtung zur Einreichung eines jährlichen Berichts nach Form 20-F (wie nachstehend erläutert). Die Registrierung einer Klasse von Wertpapieren im Rahmen des Securities Act unterwirft Emittenten darüber hi1 Diese Ausnahmeregelungen können darauf ausgerichtet sein, bundesrechtliche Ausnahmen zu ergänzen. Beispielsweise ist die Uniform Limited Offering Exemption auf eine Koordination mit Securities Act Regulation D (siehe unten Rz. 85–87) ausgerichtet. 2 2007 hatten 37 Bundesstaaten, der District of Columbia, Guam und Puerto Rico den Uniform Securities Act eingeführt. Kalifornien, Florida, Illinois, New York und Texas zählen zu den Staaten, die den Uniform Securities Act nicht eingeführt haben. Siehe Blue Sky Law Reporter, 5500.
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naus den meisten Bestimmungen des Sarbanes-Oxley Act. Schließlich können auch einige der mit einer Registrierung nach dem Securities Act einhergehenden Offenlegungspflichten für manche Emittenten nicht akzeptabel sein. Von der Registrierungspflicht befreite Angebote: Der größte Vorteil der Inanspruchnahme einer Befreiung von der Registrierung ist, dass ein Emittent den für den Zugang zu den US-Kapitalmärkten erforderlichen Zeit- und Managementaufwand drastisch reduzieren kann. In den meisten Fällen können die Emittenten sämtliche laufenden Berichtspflichten nach dem Exchange Act umgehen, wenn sie keine Wertpapiere anbieten, die im Rahmen Securities Act registriert sind1. Auf Emittenten, die keine Wertpapiere nach Maßgabe des Securities Act registriert haben oder keine jährlichen Berichte nach dem Exchange Act einreichen, sind auch die meisten Bestimmungen des Sarbanes-Oxley Act nicht anwendbar. Wie nachstehend erläutert, ist es bei einem von der Registrierungspflicht befreiten Angebot für einen Kläger schwieriger, erfolgreich wegen eines Verstoßes gegen die Wertpapiergesetze zu klagen als bei einem registrierten Angebot.
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Insbesondere Rule 144A bietet einem ausländischen privatwirtschaftlichen Emittenten (foreign private issuer), wie in Rule 405 des Securities Act von 1933 definiert2, mehrere Vorteile gegenüber einer Registrierung im Rahmen des Securities Act3. So bietet Rule 144A bei der Erstellung eines Verkaufsprospekts für Zwecke eines Angebots gemäß Rule 144A erhebliche Flexibilität. Beispielsweise müssen die Jahresabschlüsse nicht unbedingt nach den in den USA allgemein anerkannten Grundsätzen der Rechnungslegung (US GAAP) erstellt sein, sondern können den Grundsätzen der Rechnungslegung im Land des Emittenten entsprechen4. Angebote nach Rule 144A entsprechen meist den außerhalb der USA aufgestellten Erfordernissen und ermöglichen damit einen Zugriff auf die US-Kapitalmärkte im Rahmen von Angeboten, bei denen der Emittent eine Finanzierung nicht ausschließlich in den Vereinigten Staaten anstrebt. Emittenten und abgebende Aktionäre bevorzugen in der Regel auch deshalb ein Angebot gemäß Rule 144A, weil sich in der Praxis seit der Einführung der Rule 144A im Jahre 1990 mittlerweile standardisierte Verfahren herausgebildet haben. Einen weiteren Vorteil bietet die Teilnahmemöglichkeit an dem bedeutenden, in den USA unter den so genannten Qualified Institutional Buyers (QIBs) existierenden Secondary Market.
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1 Emittenten, die in den Vereinigten Staaten Wertpapiere aufgrund einer Befreiungsregelung von der Registrierungspflicht anbieten, können trotzdem dem Exchange Act unterliegen. Siehe unten Rz. 20–22 bezüglich einer Erläuterung zu den Berichtspflichten aufgrund des Exchange Act. Viele dieser Emittenten könnten versuchen, von der Befreiungsregelung gemäß Exchange Act Rule 12g3-2(b) Gebrauch zu machen. Siehe unten Rz. 21–22 bezüglich einer Erläuterung der Befreiungsregelung nach Exchange Act Rule 12g3-2(b). 2 Ein Foreign Private Issuer ist jeder Emittent (mit Ausnahme von ausländischen Regierungen), der einer Rechtsordnung außerhalb der Vereinigten Staaten unterliegt, es sei denn mehr als 50 % der emittierten stimmberechtigten Wertpapiere sind direkt oder indirekt im Besitz von US-Einwohnern und (i) die Mehrzahl seiner Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer sind USBürger oder in den USA ansässig oder (ii) mehr als 50 % seines Vermögens befinden sich in den Vereinigten Staaten oder (iii) seine Geschäftstätigkeit erfolgt hauptsächlich in den Vereinigten Staaten. 3 Siehe unten Rz. 89–98 bezüglich einer Erläuterung der technischen Einzelheiten der Ausnahmeregelung gemäß Securities Act Rule 144A. 4 Siehe William E. Decker, The Attractions of the U.S. Securities Markets to Foreign Issuers and the Alternative Methods of Accessing the U.S. Markets: From the Issuer’s Perspective, 17 Fordham Int’l L.J. 10 (1994).
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§ 11 19
Börsennotierung
Das Angebot von Wertpapieren unter Inanspruchnahme einer Befreiungsregelung von der Registrierungspflicht kann indes auch Nachteile haben. So unterliegen Wertpapiere, die im Rahmen eines von der Registrierungspflicht befreiten Angebots emittiert werden, Beschränkungen in Bezug auf ihren Weiterverkauf. Diese Beschränkungen können sich auf die Identität der Käufer oder die Art des Kaufs beziehen und auch eine Sperrfrist vorschreiben. Ein unter eine Befreiungsregelung fallendes Angebot kann daher unter Umständen nicht den erwünschten Zugriff auf die US-Kapitalmärkte bieten, der den Kapitalbedarf der Emittenten deckt, und es hat nicht denselben Prestigewert wie die Einführung an einer US-Wertpapierbörse. Emittenten laufen außerdem Gefahr, dass die SEC zu der Auffassung gelangen könnte, mehrere unter eine Ausnahmeregelung fallende Transaktionen seien de facto „zusammenzufassen“, wodurch die nach Rule 144A zu beachtenden Schwellenwerte überschritten werden können1. Zudem können auch die rechtlichen Verpflichtungen in Bezug auf nicht im Rahmen des Securities Act registrierte Wertpapiere als störend empfunden werden. Beispielsweise ermöglicht Rule 144A zwar eine Befreiung der Emittenten von der Registrierungspflicht, jedoch finden viele Vorschriften der US-Wertpapiergesetze zur Bekämpfung betrügerischen Handelns weiterhin Anwendung2. 5. Periodische Berichtspflichten
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Emittenten sind verpflichtet, ihre Wertpapiere im Rahmen des Exchange Act zu registrieren und danach in periodischen Abständen Berichte einzureichen, wenn die Wertpapiere an einer US-Wertpapierbörse notiert sind3 oder die Vermögenswerte und Aktionärsbasis des Unternehmens eine bestimmte Größe erreicht haben4. Ausländische privatwirtschaftliche Emittenten, die unter die Berichtspflichten des Exchange Act fallen, müssen innerhalb von sechs Monaten nach Ende des Geschäftsjahres des Emittenten bei der SEC einen jährlichen Bericht nach Form 20-F einreichen5. Form 20-F muss die Jahresabschlüsse für die vorangehenden Jahre enthalten, die in Übereinstimmung mit US GAAP erstellt, auf US GAAP übergeleitet oder gemäß den International Financial Reporting Standards (IFRS), wie vom International Accounting Standards Board (IASB)6 verabschiedet, erstellt wurden. Unternehmen, die jährlichen 1 Bezüglich einer Erläuterung des Begriffs der Zusammenfassung siehe unten Rz. 83–84. 2 Siehe Securities Exchange Act of 1934 Rule 10b-5. Siehe ebenso unten Rz. 43–48. 3 Siehe Securities Exchange Act of 1934 Section 12(a). Die NASDAQ und die Vorschriften des NASD Electronic Bulletin Board verlangen für die Notierung von Wertpapieren eine Registrierung im Rahmen des Exchange Act Section 12(g), obwohl aufgrund von Section 12(g) ansonsten keine Registrierung erforderlich ist. Siehe NASD Marketplace Rules 4310, 4320 und 6530, NASD Manual (CCH); siehe ebenso Greene, Section 2.03n. 43. 4 Die allgemeine Regel ist, dass für ein Unternehmen, das in einer Aktienklasse mehr als 500 Aktionäre sowie Vermögenswerte von mehr als 10 000 000 US-Dollar hat, eine Registrierung nach dem Exchange Act erfolgen muss. Siehe Securities Exchange Act of 1934 Section 12(g)(1). Im Falle von Foreign Private Issuers findet die Registrierungspflicht erst bei mindestens in den USA ansässigen 300 Aktionären Anwendung. Siehe Securities Exchange Act of 1934 Rule 12g3-2(a). Allerdings hat die SEC kürzlich angekündigt, dass dieser Schwellenwert unter Umständen wegfallen könnte (siehe SEC Votes to Modernize Disclosure Requirements to Help US Investors in Foreign Countries, SEC Release No. 2008-183). 5 Siehe Securities Exchange Act of 1934 Rule 13a-1; Form 20-F. 1999 wurden die meisten die Emittenten betreffenden Offenlegungspflichten nach Form 20-F revidiert und an die internationalen Berichtsstandards der International Organization of Securities Commissions („IOSCO“) angepasst. Siehe unten Rz. 53 bezüglich weiterer Informationen zu Form 20-F. 6 Siehe Acceptance from Foreign Private Issuers of Financial Statements Prepared in Accordance with International Financial Reporting Standards without Reconciliation to U.S. GAAP, SEC Release No. 33-8879.
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Berichte nach Form 20-F einreichen, müssen zudem über bestimmte wesentliche Ereignisse sowie über Informationen von wesentlicher Bedeutung für die Aktionäre Berichte nach Form 6-K vorlegen, die der Emittent nach Maßgabe der Gesetze seines Heimatlandes veröffentlicht oder veröffentlichen muss (z.B. Ad hoc-Mitteilungen), oder die er bei einer Wertpapierbörse einreicht oder einreichen muss, an der seine Wertpapiere gehandelt werden und die diese Berichte veröffentlicht hat, oder die er an die Inhaber seiner Wertpapiere verteilt oder verteilen muss1. Rule 12g3-2(b): Die Befreiungsregelung nach Rule 12g3-2(b) ermöglicht es Foreign Private Issuers, die grundsätzlich verpflichtet wären, periodische Berichte nach dem Exchange Act einzureichen, stattdessen englische Informationen auf deren Website zu veröffentlichen, die der Emittent nach dem Recht des Landes, in dem er seinen Sitz hat oder gegründet wurde, veröffentlicht hat oder veröffentlichen muss, oder die er bei einer Wertpapierbörse eingereicht hat oder einreichen muss, an der seine Wertpapiere gehandelt werden und die diese Informationen veröffentlicht hat, oder die er an die Inhaber seiner Wertpapiere verteilt hat oder verteilen muss2. Diese Ausnahmeregelung gilt nicht für alle ausländischen privatrechtlichen Emittenten, wie beispielsweise Emittenten, deren Aktien an einer US-Wertpapierbörse notiert sind, sowie die meisten Unternehmen, deren Aktien über das NASDAQ-System gehandelt werden3. Die Emittenten können diese Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen, indem sie einen schriftlichen Antrag bei der SEC einreichen.
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Sich auf diese Ausnahmeregelung zu stützen, kann in praktischer Hinsicht attraktiv sein, weil sie den Emittenten ermöglicht, die Dokumentation ihres Heimatlandes zu verwenden, und sie von der Verpflichtung befreit, einen Geschäftsbericht nach Form 20-F zu erstellen, der nach den IFRS wie vom IASB4 herausgegeben, erstellt wurde, oder auf auf US GAAP übergeleitete Jahresabschlüsse vorzulegen. Darüber hinaus sind Emittenten, die gemäß Rule 12g3-2(b) von den Vorschriften des Exchange Act befreit sind, auch von vielen Vorschriften des Sarbanes-Oxley Act befreit.
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6. ADRs und Global Shares Nicht-US-Emittenten, die Wertpapiere an der US-Wertpapierbörse notieren möchten, haben hierzu zwei verschiedene Möglichkeiten: American Depositary Receipts (ADRs) oder Global Shares (wie nachstehend beschrieben). ADRs und Global Shares haben jeweils bestimmte Vor- und Nachteile, die im Folgenden zusammengefasst werden
1 Siehe Securities Exchange Act of 1934 Rule 13a-16; Form 6-K. Die SEC verpflichtet die ausländischen Emittenten nicht, neben den Geschäftsberichten nach Form 20-F weitere Zwischenberichte vorzulegen, es sei denn, der Emittent erstellt in der Praxis oder aus rechtlichen Gründen solche Berichte. Jedoch verlangen die US-Wertpapierbörsen üblicherweise Zwischenfinanzausweise. Siehe generell Greene, Section 3.03[2][b-c]. Nach Form 6-K vorgelegte Informationen sind für Haftungszwecke gemäß Section 18 des Securities Exchange Act of 1934 nicht als „eingereicht“ (filed) anzusehen. Siehe Securities Exchange Act of 1934 Rule 13a-16(c). 2 Siehe Securities Exchange Act of 1934 Rule 12g3-2(b)(1). 3 Emittenten, die fortlaufend den Befreiungstatbestand gemäß Exchange Act Rule 12g3-2(b) erfüllen und deren Aktien fortlaufend seit dem 5. Oktober 1983 über das NASDAQ-System gehandelt werden, können unter diese Befreiungsregelung fallen. Siehe Securities Exchange Act of 1934 Rule 12g3-2(d)(3). 4 Siehe SEC Release Nos. 33-8879 und 2008-184 für weitere Informationen über die kürzliche Regeländerung der SEC im Bezug auf die Akzeptanz von IFRS-Abschlüssen.
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a) ADRs 24
ADRs sind von einer Bank begebene handelbare Namenspapiere, die einen Anspruch auf Lieferung der zugrundliegenden Wertpapiere eines Nicht-US-Emittenten verkörpern. ADRs werden grundsätzlich von einer US-amerikanischen Geschäftsbank (Depotbank – Depositary) ausgegeben, bei deren Korrespondenzbank (Hinterlegungsbank – Custodian) in dem Sitzstaat des Emittenten die zugrunde liegenden Aktien hinterlegt worden sind. Ein ADR-Inhaber kann ADRs jederzeit gegen zugrundeliegende Aktien umtauschen und Aktien können auf die gleiche Weise gegen Ausgabe zusätzlicher ADRs hinterlegt werden. Ein ADR kann eine zugrunde liegende Aktie oder mehrere zugrundeliegende Aktien oder einen Bruchteil zugrunde liegender Aktien repräsentieren.
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Der Depositary erbringt üblicherweise für den ADR-Inhaber vielfältige Leistungen, wie zum Beispiel die Hinterlegung und Rücknahme von Aktien1. Diese Leistungen umfassen auch die Weiterleitung von Informationen an die ADR-Inhaber in Bezug auf wichtige Entwicklungen, die von dem Emittenten der zugrunde liegenden Aktien mitgeteilt worden sind (einschließlich Umtausch- und Bezugsrechtsangebote sowie Rekapitalisierungspläne). Sie umfassen ebenfalls die Hilfestellung bei der Einreichung der notwendigen Schriftstücke zur Reduzierung von Steuerzahlungen, die aufgrund der bestehenden Steuerabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und ihren wichtigsten Handelspartnern fällig sind. Zu den Leistungen gehört zudem die Benachrichtigung der ADR-Inhaber über die Stimmrechtsausübung der Aktionäre. Der Depositary wird in der Regel für diejenigen Aktien Stimmrechte ausüben, für die ADR-Inhaber Anweisungen gegeben haben. Der Depositary zieht üblicherweise auch Dividenden ein, die auf bei dem Custodian hinterlegte Aktien gezahlt werden, rechnet diese Zahlungen in US-Dollar um und verteilt die Gelder an die ADR-Inhaber.
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ADR-Programme können sponsored oder non-sponsored sein. Ein Nicht-US-Emittent, der ein ADR-Programm „sponsorn“ möchte, schließt mit dem Depositary einen Depotvertrag ab, der beispielsweise die Ausgabe von ADRs nach Hinterlegung der zugrundeliegenden Aktien, die Rücknahme zugrunde liegender Aktien, die Behandlung von Dividenden, die Stimmrechtsausübung für zugrunde liegende Aktien und die von ADR-Inhabern an die Depositary zu zahlenden Gebühren vorsieht. Ein Depositary kann ebenfalls ein unsponsored ADR-Programm ohne Beteiligung des Emittenten konstruieren, wenn er überzeugt ist, dass das Interesse an den Aktien des Emittenten ausreichend ist, um entsprechende Gebührenerträge zu erwirtschaften oder wenn sich ein Kursmakler zur Beteiligung an den für solche Programme entstehenden Kosten bereit erklärt hat. Nach dem Exchange Act muss der Emittent bei einem Programm, das sponsored oder unsponsored ist, eine berichtende Gesellschaft sein oder von den Berichtspflichten des Exchange Acts gemäß Rule 12g3-2(b) befreit sein.
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Ein ADR ist ein nach dem Securities Act zu registrierendes Wertpapier. Die SEC schreibt für die Registrierung der ADRs einen bestimmten Registrierungsantrag, Form F-6, vor. Der Registrierungsantrag muss sowohl von dem Emittenten als auch von dem Depositary unterzeichnet werden, ist nicht umfangreich und verlangt keine detaillierten Angaben über die beiden Unterzeichnenden. Für einige Ausprägungen der ADR-Programme sind die zugrunde liegenden Aktien nach dem Securities Act zu registrieren.
1 Ein Großteil dieser Gebühren wird von dem ADR-Inhaber getragen. Die Depositary kann in einigen Fällen versuchen, von dem Emittenten ein Zahlungsversprechen für die Verwaltungsgebühren zu erhalten, obwohl die Depositary meist auf dieses Erfordernis aufgrund der Möglichkeit zur Verwaltung eines ADR-Programmes verzichten kann.
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aa) Ausprägungen von ADR-Programmen. Es gibt verschiedene Arten von ADR-Programmen, die für unterschiedliche Zielsetzungen des Emittenten geeignet sind: – Level I: Durch ein Level-I-ADR-Programm versucht der Emittent das Interesse des US-amerikanischen Sekundärmarktes an seinen Aktien zu steigern, indem er auf dem Over-the-Counter-Markt den Sekundärhandel von ADRs initiiert (auch „pink sheets“ genannt). Über ein Level-I-Programm kann von dem Emittenten kein frisches Kapital aufgenommen werden, da nur frei handelbare (non-restricted) Aktien des Emittenten im Programm hinterlegt werden können. Seitdem Aktien, die sich im Besitz des Emittenten oder eines mit von ihm kontrollierten Unternehmens (affiliate of the issuer) befinden, nach den US-amerikanischen Wertpapiergesetzen nicht mehr frei handelbar sind, dürfen nur noch Makler, Händler und andere nicht von dem Emittenten kontrollierte Unternehmen (non-affiliates) Aktien im LevelI-Programm hinterlegen. Der Emittent schließt zur Konstruktion eines LevelI-ADR-Programmes einen Depotvertrag mit der Depositary ab, meldet die ADRs gemäß dem Securities Act nach Form F-6 bei der SEC an und erhält eine Befreiung von der Rule 12g3-2(b). – Level II: Durch ein Level-II-ADR-Programm versucht der Emittent das Interesse des US-amerikanischen Sekundärmarktes an seinen Stammaktien zu steigern, indem er die ADRs an einer US-amerikanischen Wertpapierbörse oder an der NASDAQ handelt. Genauso wie bei dem Level-I-ADR-Programm wird von dem Emittenten kein Kapital aufgenommen, es werden nur handelbare Aktien herangezogen und die Hinterlegung von Aktien im Programm durch den Emittenten oder mit ihm verbundene Unternehmen sind nicht gestattet. Der Emittent muss für die Auflage eines Level-II-Programmes einen Depotvertrag ausfertigen, die ADRs gemäß Form F-6 bei der SEC registrieren und die entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen der Wertpapierbörse oder der NASDAQ erfüllen. Der Emittent ist ebenfalls gemäß dem Exchange Act zur Registrierung verpflichtet und unterliegt damit den laufenden Berichtspflichten des Exchange Acts. – Level III: Durch ein Level-III-ADR-Programm ersucht der Emittent in den Vereinigten Staaten Kapital mit Hilfe eines öffentlichen Angebotes für die ADRs aufzunehmen, das in der Regel von US-amerikanischen Konsortialmitgliedern durchgeführt wird. Der Emittent kann darüber hinaus eine gleichzeitige Zulassung an einer US-amerikanischen Wertpapierbörse oder der NASDAQ anstreben. Für die Konstruktion eines Level-III-ADR-Programmes ist der Emittent zur Ausfertigung eines Emissionsvertrages sowie eines Depotvertrages verpflichtet. Die ADRs werden wie bei den Programmen Level I und Level II nach Form F-6 bei der SEC registriert. Da der Emittent tatsächlich ein öffentliches Angebot abgibt, sind die zugrundeliegenden Aktien nach Form F-1 bei der SEC zu registrieren. Wenn der Emittent die Wertpapiere an der Wertpapierbörse oder der NASDAQ notiert, muss er diese ebenfalls gemäß dem Exchange Act registrieren lassen und unterwirft sich damit den laufenden Berichtspflichten. – Rule-144A-Programm: Ein Rule-144A-Programm ermöglicht dem Emittenten die Kapitalaufnahme bei QIBs in den Vereinigten Staaten. Im Unterschied zu einem Level-III-Programm werden die zugrundeliegenden Aktien nicht mithilfe eines öffentlichen Angebotes zum Verkauf angeboten, so dass eine Registrierung gemäß dem Securities Act nicht erforderlich ist; eine Registrierung der ADRs nach Form F-6 ist gleichfalls nicht erforderlich. Zur Auflage eines Rule-144A-ADR-Programmes hinterlegt der Emittent Aktien bei einem Depositary im Austausch gegen ADRs. Der Emittent veräußert diese ADRs an „Käufer“ (wobei diese hauptsächlich Konsortialmitglieder sind), und diese Käufer veräußern die ADRs weiter an die InStrauch
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vestoren. In der Regel erhält der Emittent die in der Rule 12g3-2(b) vorgesehene Befreiung, um seine Mitteilungspflicht gemäß Rule 144A erfüllen zu können1. 29
bb) Vorteile der ADRs. In einigen Nicht-US-Märkten werden Aktien mit einer Kurshöhe gehandelt, die deutlich über oder unter der Kurshöhe der US-Märkte liegt. Da ein einzelnes ADR grundsätzlich eine beliebige Anzahl zugrundeliegender Aktien repräsentieren kann (oder Bruchteile von Aktien), kann das ADR so strukturiert sein, dass sie mit einer Kurshöhe gehandelt wird, die für den US-Markt angemessen ist (in der Regel 15 bis 30 US-Dollar pro ADR). Mit der Verwendung von ADRs kann Emittenten die Möglichkeit zu Auslandsinvestitionen auch dann geboten werden, wenn lokale Gesetze oder Gründungsdokumente der Gesellschaft direkten Auslandsbesitz verbieten oder einschränken. Mit ADRs können in bestimmten Ländern verhängte Börsenumsatzsteuern oder Stempelsteuern vermieden werden, da die sich im Besitz des Custodian befindlichen Stammaktien nicht beim Handel der ADRs übertragen werden. Ein ADR kann auch für US-Investoren günstig sein, da es durch Vorlage bei dem Custodian in New York City (statt durch Hinzuziehung einer Nicht-US-Übertragungsstelle) übertragen und ausgetauscht werden kann. Weil der Depositary die Umrechnung der in Nicht-USWährung gezahlten Dividenden abwickelt, können Dividenden und andere Ausschüttungen an US-Investoren in US-Dollar gezahlt werden. Ein Nachteil der ADRs für USInvestoren besteht darin, dass die Depotgebühren von den ADR-Inhabern getragen werden und die ADR-Inhaber gegenüber dem Emittenten keinen Aktionärsstatus erlangen. b) Global Shares
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Während ADRs seit Jahrzehnten verwendet werden, kam es bei der Fusion zwischen Daimler-Benz und Chrysler im Jahre 1998 erstmals zur Emission von Stammaktien durch ein außerhalb der USA und Kanada gegründetes Unternehmen sowohl an der New Yorker Wertpapierbörse als auch an der Börse seines Sitzstaates in Form des „Global Shares“-Programms der New Yorker Wertpapierbörse. Seit 1998 haben sich auch einige andere Emittenten (insbesondere deutsche Emittenten) dafür entschieden, Global Shares zu notieren. Das Hauptmerkmal der Global Shares liegt darin, dass sie vollständig fungibel sind und entweder am US-Markt oder am Heimatmarkt gehandelt werden können, ohne dass sie an einem Markt gegen Wertpapiere, die an einem anderen Markt gehandelt werden, umgetauscht werden müssen. Global Shares werden in einer weltweiten Registrierungssstelle erfasst (wobei diese auf eine US-amerikanische Unterabteilung der Registrierungstelle zurückgreifen kann) und grenzüberschreitend durch einen zwischen den entsprechenden Depotsystemen des lokalen und des US-Marktes bestehenden Link abgerechnet und bezahlt. Global Shares werden an der New Yorker Wertpapierbörse in US-Dollar notiert und an der Börse des Sitzstaates in lokaler Währung. Dividenden sind in der Währung des Sitzstaates des Emittenten zahlbar, es sei denn, dass US-amerikanische Aktieninhaber sich für Zahlungen in Dollar entscheiden. In einem solchen Fall tauscht die New Yorker Übertragungsstelle im Namen der entsprechenden US-Aktieninhaber die Zahlungen um und leistet sie an diese Aktieninhaber. Wenn der Emittent seine Aktien in Form von Inhaberaktien ausgibt, müssen diese zunächst in Namensaktien umgewandelt werden, bevor Global Shares gebildet werden können.
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Global Shares bieten im Vergleich zu ADRs eine Reihe von Vorteilen. Wie vorstehend erwähnt, sind Global Shares vollständig fungibel und können leicht zwischen dem lokalen und dem US-Markt übertragen werden; diese erhöhte Fungibilität schafft er1 Siehe auch Erörterung der Securities Act Rule 144A Rz. 89–98 und Erörterung der Exchange Act Rule 12g3-2(b) oben bei Rz. 21–22.
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höhte Liquidität. Global Shares beseitigen das Erfordernis der Umverbriefung und die mit ADRs verbundenen Emissionsgebühren. Auch die Schaffung eines separaten Wertpapiers ist nicht mehr notwendig. Im Gegensatz zu den ADRs gibt es zwischen dem Emittenten und dem US-amerikanischen Inhaber der Global Shares eine direkte Beziehung. Ein Nachteil der Global Shares besteht darin, dass der Emittent im Gegensatz zu den ADRs die Kosten der US-amerikanischen Aktionärsleistungen zu tragen hat. 7. Haftung nach US-amerikanischem Recht a) Haftung aufgrund eines Registrierungsversäumnisses Angebotstätigkeiten, bevor die SEC ein Registrierungsdokument für gültig erklärt hat, werden als „Gun Jumping“ bezeichnet. Die verbreitetste Art des Gun Jumping ist die vorzeitige Angebotspublizität, die geeignet ist, den Markt für die anzubietenden Wertpapiere zu „konditionieren“1. Wenn die SEC der Ansicht ist, dass ein Gun Jumping stattgefunden hat, kann sie einen so genannten „Cooling Off“-Zeitraum festlegen, der abgelaufen sein muss, bevor sie ein Registrierungsdokument für gültig erklärt2.
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b) Haftung bei registrierten Angeboten Die SEC kann eine Klage vor einem Bundesgericht anstrengen, um Handlungen oder Praktiken zu untersagen, Gewinne weiterzuleiten oder Unternehmen Strafen aufzuerlegen, die nach ihrer Ansicht gegen den Securities Act verstoßen3.
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Käufern von Wertpapieren, die im Rahmen des Securities Act registriert sind, stehen nach Section 11 und 12 des Securities Act bestimmte Rechtsmittel einschließlich Klagen auf Schadenersatz (Section 11) oder Rückabwicklung (Section 12) zur Verfügung.
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Section 11: Section 11 gewährt ein privates Klagerecht wegen wesentlicher falscher Darstellungen oder Auslassungen in Registrierungsdokumenten (und kann daher bei von der Registrierungspflicht befreiten Angeboten nicht in Anspruch genommen werden). Ein Anspruch nach Section 11 ergibt sich, wenn ein Teil des Registrierungsdokuments bei Inkrafttreten entweder eine unrichtige Darstellung einer wesentlichen Tatsache enthält oder eine wesentliche Tatsache nicht enthält, die in das Registrierungsdokument aufzunehmen ist oder ansonsten erforderlich ist, damit die im Registrierungsdokument enthaltenen Angaben nicht irreführend sind4. Sowohl der Ersterwerber als auch ein späterer Erwerber eines registrierten Wertpapiers können gemäß Section 11 innerhalb von einem Jahr nach Feststellung des behaupteten Verstoßes (oder zu dem Zeitpunkt, an dem er sinnvoller Weise hätte festgestellt werden müs-
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1 Siehe SEC Release No. 33-3844 (1957). Die Publizität im gewöhnlichen Geschäftsverlauf ist auch mit einigen Einschränkungen zulässig. Bezüglich weiterer Informationen zur Publizität vor und während des Registrierungszeitraums siehe unten Rz. 67–70. 2 Siehe unten Rz. 67–70 bezüglich weiterer Informationen zur Publizität vor und während des Registrierungszeitraums. 3 Siehe Securities Act of 1933 Sections 20(b) und 20(d) (Gewährung einer Untersuchungsvollmacht für die SEC und Festsetzung einer Grenze für Geldstrafen bis zum jeweils höheren der nachfolgenden Beträge: 500 000 US-Dollar oder der Bruttobetrag des finanziellen Gewinns eines beklagten Unternehmens). Siehe generell Greene, Section 15.09[3]. Siehe unten Rz. 66 bezüglich einer Erläuterung von durch die SEC verhängten Sperren (Stop Orders). 4 Eine Tatsache ist „wesentlich“ (material), wenn eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein besonnener Anleger diese Tatsache bei einer Anlageentscheidung als wichtig ansehen würde. Siehe TSC Industries v. Northway, Inc., 426 U.S. 438 (1976).
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sen) oder innerhalb von drei Jahren nach dem Zeitpunkt, zu dem das Wertpapier im guten Glauben der Öffentlichkeit angeboten wurde, Ansprüche geltend machen.1 Im Allgemeinen muss der Kläger keinen Nachweis erbringen, dass er im Vertrauen auf den behaupteten Verstoß gehandelt hat2, er muss auch nicht nachweisen, dass der Verlust aufgrund der falschen Darstellung oder Auslassung entstanden ist und er muss ferner nicht nachweisen, dass ein wissentlicher Verstoß seitens des Beklagten vorliegt. 36
In einer Klage gemäß Section 11 kann ein Kläger die folgenden Personengruppen als Beklagte benennen: (i) den Emittenten, (ii) jede Person, die das Registrierungsdokument unterzeichnet hat, (iii) jedes Mitglied der Geschäftsleitung oder jeden Gesellschafter des Emittenten zum Zeitpunkt der Einreichung sowie jede Person, die sich damit einverstanden erklärt hat, dass sie im Registrierungsdokument als künftiges Mitglied der Geschäftsleitung oder künftiger Gesellschafter aufgeführt wird, (iv) jedes Konsortialmitglied in Bezug auf das registrierte Wertpapier und (v) jeden mit dessen Zustimmung benannten „Experten“, der wenigstens einen Teil des Registrierungsdokuments erstellt hat3.
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Der Emittent unterliegt einer strikten (verschuldensunabhängigen) Haftung für falsche Darstellungen und Auslassungen und kann sich dieser Haftung nur entziehen, indem er seinerseits nachweist, dass dem Kläger die wesentliche falsche Darstellung oder Auslassung beim Kauf des Wertpapiers bekannt war4. 1 Siehe Section 13 des Securities Act. 2 Wenn der Emittent jedoch den Inhabern seiner Wertpapiere eine Gewinn- und Verlustrechnung vorgelegt hat, die mindestens die letzten 12 Monate nach dem Datum des Inkrafttretens des Registrierungsdokuments abdeckt, hängt das Recht auf Ersatzleistung von dem Nachweis ab, dass die betreffende Person die Wertpapiere im Vertrauen auf eine falsche Darstellung oder Auslassung im Registrierungsdokument erworben hat. Siehe Securities Act of 1933 Section 11(a) (letzter Satz). Unter diesen Umständen muss der Kläger nachweisen, dass er tatsächlich im Vertrauen auf die angeblichen falschen Darstellungen oder Auslassungen im Registrierungsdokument gehandelt hat. Daher ist es inzwischen die übliche Praxis, dass in die Übernahmeverträge eine Verpflichtung des Emittenten aufgenommen wird, eine solche Gewinnund Verlustrechnung allgemein zur Verfügung zu stellen. Siehe Greene, Section 2.04[1][d]. Die Einreichung eines Geschäftsberichts nach Form 20-F ist eine Möglichkeit, diese Vorschrift nach Section 11(a) des Securities Act of 1933 zu erfüllen. Siehe Securities Act of 1933 Rule 158; siehe generell Greene, Section 15.03[1]. 3 Siehe Securities Act of 1933 Section 11(a). Experten (einschließlich Rechnungsprüfern, Technikern, und Schätzern) sind nur für die von ihnen erstellten oder bescheinigten Teile des Registrierungsdokuments haftbar, die somit mit einem „Expertengutachten“ versehen sind. Siehe Securities Act of 1933 Section 11(a)(4). Außerdem ist jede Person, die aufgrund ihres Aktienbesitzes, durch Vollmacht oder in anderer Weise eine Person beherrscht, die nach Section 11 oder 12 haftbar ist, ebenfalls gesamtschuldnerisch haftbar. Eine beherrschende Person („controlling person“) kann sich der Haftung entziehen, wenn sie nachweisen kann, dass sie „keine Kenntnis vom Bestehen der Tatsachen oder keinen angemessenen Grund zu der Annahme hatte, dass die Tatsachen bestanden“, aus denen sich eine Haftung der beherrschten Person ergibt. Siehe Securities Act of 1933 Section 15. 4 Siehe Securities Act of 1933 Section 11(a). Der Kläger ist generell nicht verpflichtet nachzuweisen, dass er im Vertrauen auf die wesentliche falsche Darstellung oder Auslassung gehandelt hat, oder dass eine kausale Verbindung mit dem Wertverfall des Wertpapiers oder ein wissentlicher Verstoß (scienter) seitens des Beklagten vorliegt. Siehe Greene, Section 15.03[1][a]. Der Emittent kann in der Lage sein, Behauptungen einer wesentlichen falschen Darstellung oder Auslassung zurückzuweisen, insbesondere in Bezug auf Prognosen, Meinungen oder Risikoerläuterungen, wenn diese Informationen mit einem ausführlichen, bedeutsamen, warnenden Begleittext im Hinblick auf die Verlässlichkeit der Informationen versehen sind (die „Bespeaks Caution“-Doktrin). Siehe Greene, Section 15.03[1][c], nn 55 & 56 und den dazugehörigen Text.
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In Bezug auf die nicht mit einem Expertengutachten versehenen Teile eines Registrierungsdokuments steht den Beklagten, mit Ausnahme des Emittenten, die Einrede der „Due Diligence – ordnungemäße Sorgfalt“ zur Verfügung, d.h. die Einrede, sie hätten nach angemessener Überprüfung Veranlassung zur Annahme (reasonable ground to believe) gehabt, und glaubten tatsächlich, dass die Teile des Angebotsdokuments, für die sie verantwortlich waren, wahr sind und keine wesentliche falsche Darstellung oder Auslassung enthielten1. Der Sorgfaltsmaßstab entspricht derjenigen Sorgfalt, die eine gewissenhafte Person bei der Verwaltung ihres eigenen Vermögens walten lässt2. Experten (also Anwälte, Wirtschaftsprüfer usw., die bei der Erstellung des Registrierungsdokuments mitwirken) können sich in Bezug auf die Teile des Registrierungsdokuments, für die sie verantwortlich sind, ebenfalls auf die Einrede der Due Diligence stützen, sind jedoch bei ihrer Überprüfung an den Standard eines Experten gebunden3. Soweit Teile des Registrierungsdokuments durch ein Expertengutachten (z.B. ein Gutachten zur Bewertung von Immobilien) unterlegt sind, müssen die anderen Beteiligten (z.B. Banken) lediglich nachweisen, dass sie keine Anhaltspunkte zu der Annahme hatten, dass wesentliche Angaben unrichtig oder unvollständig dargestellt wurden,. Es ist nicht erforderlich, eigene Untersuchungshandlungen durchzuführen4.
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Die Höhe des Schadenersatzes nach Section 11 entspricht der Differenz zwischen dem Preis des Wertpapiers zum Zeitpunkt des Kaufs durch den Kläger und dem Preis zum Zeitpunkt des Verkaufs durch den Kläger (wenn der Kläger das Wertpapier vor Einleitung des Verfahrens verkauft hat), dem Marktpreis zum Zeitpunkt des Urteils in dem Verfahren (wenn der Kläger das Wertpapier noch hält, wenn das Urteil ergeht) oder dem Preis zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens bzw. dem Verkaufspreis, je nachdem, welches der höhere Betrag ist (wenn der Kläger das Wertpapier im Laufe des Verfahrens verkauft)5. Mehrere Beklagte haften dem Kläger grundsätzlich gesamtschuldnerisch6.
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1 Siehe Securities Act of 1933 Section 11(b)(3)(A). Die Konsortialmitglieder können verlangen, dass die Wirtschaftsprüfer des Emittenten „Comfort Letters“ und die Rechtsberater des Emittenten „Negativerklärungen“ liefern, in denen bestätigt wird, dass den Rechtsberatern keine wesentlichen falschen Darstellungen oder Auslassungen bekannt sind. Siehe Greene, Section 15.03[1][c]. 2 Siehe Securities Act of 1933 Section 11(c). 3 Siehe Securities Act of 1933 Section 11(b)(3)(B). Der Experte muss tatsächlich und vernünftigerweise nach angemessener Überprüfung der Meinung sein, dass die Informationen richtig sind. Siehe auch Escott v. BarChris Construction Corp., 283 F. Supp. 643 (S.D.N.Y. 1968). 4 Siehe Securities Act of 1933 Section 11(b)(3)(C). Diese Einrede wird oftmals in Bezug auf Finanzausweise vorgebracht. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte auf eine solche Einrede eines Emittenten angesichts des Sarbanes-Oxley Act und seiner Anforderung der Bescheinigung der Finanzausweise durch leitende Angestellte des Unternehmens reagieren. 5 Siehe Securities Act of 1933 Section 11(e). Unter keinen Umständen wird einem Kläger mehr als der ursprüngliche Angebotspreis erstattet. Siehe Securities Act of 1933 Section 11(g). Der Beklagte könnte in der Lage sein, den Schadensersatzbetrag zu reduzieren, indem er nachweist, dass der Wertverfall des Wertpapiers auf andere Faktoren als die wesentliche falsche Darstellung oder Auslassung zurückzuführen ist. Siehe Securities Act of 1933 Section 11(e); siehe z.B. Collins v. Signetics Corp., 605 F. 2d 110, 114 (3d Cir. 1979). 6 Siehe Securities Act of 1933 Section 11(f). Die Haftung der Konsorten ist generell auf den Wert ihrer eigenen Konsortialverpflichtung begrenzt. Siehe Securities Act of 1933 Section 11(e). Darüber hinaus sind externe Mitglieder der Geschäftsleitung, außer in Fällen eines „wissentlichen“ Wertpapierbetrugs, nur für einen Teil der gesamten Schadensersatzsumme auf Basis ihrer Haftungsquote haftbar. Siehe Securities Act of 1933 Section 11(f)(2). Die Partien können sich um eine Haftungsbeschränkung im Wege der Haftungsfreistellung bemühen, die SEC und die Gerichte haben die Möglichkeiten einer Haftungsfreistellung jedoch strikt begrenzt. Siehe
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Section 12: Section 12(a)(1) des Securities Act räumt Anlegern ein privates Klagerecht bei Wertpapierverkäufen ein, die einen Verstoß gegen Section 5 des Securities Act darstellen1. Section 12(a)(2) sieht eine Haftung für falsche und irreführende Angaben vor, und zwar sowohl mündlicher als auch schriftlicher Art, die in Zusammenhang mit einem registrierten Angebot erfolgen2. Wie im Rahmen von Section 11, kann auch dieses Rechtsmittel im Falle nicht registrierter Angebote nicht in Anspruch genommen werden3. Im Gegensatz zu Section 11 beschränkt sich die Haftung gemäß Section 12 auf den Verkäufer der Wertpapiere4.
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Die Haftung für einen Verstoß gegen Section 12(a)(1) gilt unbeschränkt für jeden Verstoß gegen Section 5. Die einzige Verteidigungseinrede besteht in dem Nachweis, dass kein Wertpapierverkauf stattfand, kein Verstoß gegen Section 5 vorliegt oder dass keine Vertragsbeziehung zwischen dem Beklagten und dem Kläger besteht. Der Schadensersatz bei einer erfolgreichen Klage gemäß Section 12(a)(1) besteht in einer Rückabwicklung des Kaufs und Erstattung des Kaufpreises oder der Differenz zwischen dem durch den Kläger gezahlten Preis und dem späteren Verkaufspreis (wenn der Kläger das Wertpapier nicht mehr besitzt)5.
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Zur Begründung eines Anspruchs gemäß Section 12(a)(2) muss ein Anleger den Beweis erbringen, dass der Verkäufer anhand eines Prospekts oder durch mündliche Mitteilung ein Verkaufsangebot unterbreitet hat, in dem eine wesentliche Tatsache falsch dargestellt war (und dem Käufer diese Unrichtigkeit oder Auslassung nicht bekannt war). Der Käufer muss keine betrügerische Absicht nachweisen, aber demonstrieren, dass die falsche Darstellung oder Auslassung seine Kaufentscheidung beeinflusst (wenn auch nicht notwendigerweise herbeigeführt) hat6. Der Verkäufer kann einwenden, dass ihm die falsche Angabe oder Auslassung nicht bekannt war und
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z.B. Laventhol, Krekstein, Horwath & Horwath v. Horwitch, 637 F. 2d 672, 672 (9th Cir. 1980), cert. denied, 452 U.S. 963 (1981). Die Beklagten haben das Recht, Beiträge von anderen schadenersatzpflichtigen Partien zu verlangen, es sei denn, die haftbar gemachte Partei wird der Irreführung durch Vorspiegelung falscher Tatsachen für schuldig befunden. Siehe Securities Act of 1933 Section 11(f). Wertpapierverkäufe verstoßen gegen Securities Act Section 5, wenn der Verkauf ohne Registrierung oder Befreiung von der Registrierungspflicht oder ohne einen Prospekt, der den Anforderungen von Section 10 des Securities Act entspricht, stattfindet. Die Haftung gemäß Securities Act Section 11 dagegen erstreckt sich nur auf die im Registrierungsdokument enthaltenen Angaben. Siehe Gustafson v. Alloyd Co., 513 U.S. 561 (1995), wo festgestellt wird, dass Securities Act Section 12(a)(2) nicht auf den Handel im Sekundärmarkt anwendbar ist und sich auf „öffentliche“ Angebote beschränkt, da sie eine Haftung für falsche Darstellungen in Verkaufsdokumenten begründet, die in Handelsgeschäften verwendet werden. Die Haftung gemäß Securities Act Section 12(a)(1) erstreckt sich auch auf Personen, die eine nach Section 12(a)(1) haftbare Person „beherrschen“. Securities Act of 1933 Section 15. „Verkäufer“ wurde dahingehend ausgelegt, dass dieser Begriff nicht nur die unmittelbaren Verkäufer, sondern auch andere Personen umfasst, die ein finanzielles Interesse am Verkauf hatten und aktiv an der Verkaufswerbung beteiligt waren, wie Mitglieder der Geschäftsleitung, leitende Angestellte und Hauptaktionäre eines Emittenten. Siehe Pinter v. Dahl, 486 U.S. 622, 647 (1988), wo der Begriff „Verkäufer“ nach Maßgabe des Securities Act Section 12(a)(1) ausgelegt wird. Siehe Securities Act of 1933 Section 12(a)(1). Dies wurde unterstellt, soweit die irreführenden Angaben in einem Prospekt in Schriftform enthalten waren, da davon ausgegangen wird, dass sich die Verteilung dieser Informationen auf den Marktpreis eines Wertpapiers auswirkt. Siehe Sanders v. John Nuveen & Co., 619 F. 2d 1222, 1227n. 8 (7th Cir. 1980), cert. denied, 450 U.S. 1005 (1981).
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auch bei Anwendung angemessener Sorgfalt nicht bekannt sein konnte1. Der Schadenersatz für Verstöße gegen Section 12(a)(2) ist durch den Private Securities Litigation Reform Act (Reformgesetz für private Wertpapierklagen) von 1995 auf den Wertverfall der Wertpapiere des Klägers begrenzt, der tatsächlich durch die falschen Angaben oder die Auslassung verursacht wurde2. c) Haftung bei Privatplatzierungen Section 10(b) und die in deren Rahmen erlassene Rule 10b-5 enthalten die zentralen Haftungsnormen des Exchange Act. Im Gegensatz zu den Rechtsmitteln des Securities Act können diese Rechtsmittel von Anlegern und der SEC auch bei Angeboten in Anspruch genommen werden, bei denen die Wertpapiere nicht im Rahmen des Exchange Act registriert sind3. Der Nachweis eines erfolgreichen Anspruchs gemäß Rule 10b-5 ist indes schwieriger als der eines Anspruchs aufgrund der verschiedenen Rechtsmittel des Securities Act.
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Ein Anspruch gemäß Rule 10b-5 umfasst sechs Tatbestandsvoraussetzungen: (1) eine unrichtige oder unvollständige Darstellung (misrepresentation or omission), (2) die wesentlich ist4, (3) in Verbindung mit dem Kauf oder Verkauf von Wertpapieren erfolgt, (4) die eine Pflichtverletzung darstellt5, (5) die wissentlich (scienter) begangen wurde6 und (6) im Vertrauen auf welche der Anleger seine Anlagenentscheidung ge-
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1 Siehe Davis v. Arco Financial Services, Inc., 739 F. 2d 1057, 1068 (6th Cir. 1984), wo anhand von fünf Faktoren geprüft wird, welche Sorgfalt für den Nachweis dieser Verteidigungseinrede erforderlich ist: (1) Art und Ausmaß der Beteiligung des Verkäufers am Angebot; (2) ob der Verkäufer Zugriff zu Informationen hatte, die eine Prüfung der während des Angebots gemachten Angaben ermöglicht hätten; (3) die relative Fähigkeit des Verkäufers zur Prüfung dieser Angaben; (4) sein finanzielles Interesse an der Transaktion; und (5) die etwaige Beziehung zwischen dem Verkäufer und dem Käufer. 2 Siehe Pub. L. No. 104-67 (HR 1058), 109 Stat. 737 (1995). Die meisten Bestimmungen des Private Securities Litigation Reform Act wurden als Section 21D und 21E in den Exchange Act sowie als Section 27 und 27A in den Securities Act aufgenommen sowie in verschiedene Haftungsbestimmungen des Securities Exchange Act of 1934 und des Securities Act of 1933. Siehe Securities Act of 1933 Section 12(b). 3 Eine Einrichtung des zwischenstaatlichen Handels muss in das Angebot eingeschaltet sein. Siehe oben Rz. 2. 4 Der allgemeine Standard der Angemessenheit, der ausdrücklich im Zusammenhang mit 10b-5 durch das US-Bundesgericht bei Basic Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 231-32 (1988) eingeführt wurde, besagt, dass eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit bestehen muss, dass die Offenlegung durch einen besonnenen Anleger als eine ausreichende Änderung der gesamten Zusammenstellung (total mix) von Informationen angesehen worden wäre. 5 Eine Pflichtverletzung wird oftmals in dem Versäumnis gesehen, die nach Regulation S-K erforderlichen Informationen offenzulegen. 6 Eine wissentlich begangene Handlung (scienter) stellt einen größeren Verstoß dar als Fahrlässigkeit und ähnelt mehr der groben Fahrlässigkeit. Siehe Ernst & Ernst v. Hochfelder, 425 U.S. 185 (1976). Die Definition z.B. des Siebten US-Appelationsgerichts (Seventh Circuit) ist eine typische Definition, und lautet: Eine solche wissentlich begangene Handlung ist „ein äußerst unbesonnenes Versäumnis, das nicht nur mit einfacher oder sogar unentschuldbarer Fahrlässigkeit verbunden ist, sondern auch eine extreme Abweichung vom gewöhnlichen Sorgfaltsstandard sowie eine Gefahr der Irreführung von Käufern oder Verkäufern darstellt, die dem Beklagten entweder bekannt oder so offensichtlich ist, das der Handelnde sich dessen bewusst sein musste.“ Sundstrand Corp. v. Sun Chemical Corp., 553 F. 2d 1033, 1045 (7th Cir. 1977), cert. denied, 434 U.S. 875 (1977). Diese Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs ist auch bei vorsätzlichem Betrug erfüllt.
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Börsennotierung
troffen hat1. Damit der Anspruch erfolgreich ist, muss der Anleger alle sechs Tatbestandsvoraussetzungen nachweisen. 45
Ist der Anspruch des Anlegers erfolgreich, muss der Beklagte Schadenersatz in Höhe des ursprünglich für die Wertpapiere gezahlten Betrags leisten, abzüglich des tatsächlichen Wertes der Wertpapiere zum Zeitpunkt der Transaktion (d.h. der durch den Beklagten zuviel gezahlte Betrag). Der „tatsächliche“ Wert der Wertpapiere zum Kaufzeitpunkt ist naturgemäß schwer zu ermitteln; ein Maßstab ist der Börsenpreis der Wertpapiere zum Zeitpunkt der Feststellung des betrügerischen Verhaltens. d) Sonstige gesetzliche Haftung
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Personen, die an Wertpapiertransaktionen beteiligt sind, können aufgrund einer Vielzahl von Bundesgesetzen strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt sein. Zu diesen Gesetzen zählen der Sarbanes-Oxley Act und der Foreign Corrupt Practices Act (Gesetz zur Verhinderung der Bestechung ausländischer Regierungen) sowie der Racketeering Influence and Corrupt Organization Act (Gesetz zur Bekämpfung von Erpressung und organisiertem Verbrechen – RICO)2.
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Der Sarbanes-Oxley Act führte verschiedene neue Straftatbestände ein, von denen die meisten auf Emittenten zielen, die periodische Berichte bei der SEC einreichen.3 Hierzu zählen das neue Delikt des „Wertpapierbetrugs“ bezüglich Betrugs in Verbindung mit den Wertpapieren eines Unternehmens, das den Berichtspflichten der SEC unterliegt,4 sowie Strafvorschriften, die sich gegen Angestellte in Führungspositionen und leitende Mitarbeiter in der Rechnungslegung richten, die falsche Versicherungen im Rahmen der periodischen Berichte abgeben5.
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Der Foreign Corrupt Practices Act sieht straf- und zivilrechtliche Sanktionen gegen Unternehmen vor, die Bestechungsgelder an ausländische Regierungsbeamte zahlen6. Nach dem Foreign Corrupt Practices Act sind Unternehmen verpflichtet, Bücher, Unterlagen und ihre Buchführung in Bezug auf bestimmte Transaktionen aufzubewahren sowie ein angemessenes internes Kontrollsystem der Rechnungslegung einzurichten
1 Der Kläger muss nachweisen können, dass die Täuschung des Beklagten ein wesentlicher Faktor bei der Verursachung des Verlusts war. Siehe z.B. Litton Industries v. Lehman Bros. Kuhn Loeb Inc., 767 F. Supp. 1220 (S.D.N.Y. 1991), aus anderen Gründen aufgehoben; 967 F. 2d 742 (2d Circuit 1992). 2 Racketeering Influence and Corrupt Organization Act, 18 U.S.C. Sections 1961–1968 (2003). Das US-amerikanische Justizministerium könnte versuchen, strafrechtliche Verstöße gegen die Wertpapiergesetze nach Maßgabe von RICO zu verfolgen, ein Gesetz, das zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens erlassen wurde. Racketeering Influence and Corrupt Organization Act, 18 U.S.C. Section 1961(1). Die Verfolgung nach RICO setzt voraus, dass der Verkauf von Wertpapieren ein „Muster“ von betrügerischen Handlungen aufweist. 18 U.S.C. Section 1961(5). Siehe auch Greene, Section 15.09[3][c]. Bis 1995 konnte RICO von Klägern in zivilrechtlichen Verfahren in Anspruch genommen werden. Nach dem Private Securities Litigation Reform Act wurde RICO jedoch, soweit keine Verurteilung in einem strafrechtlichen Verfahren vorliegt, als zivilrechtliches Rechtsmittel ausgeschlossen. Racketeering Influence and Corrupt Organization Act, 18 U.S.C. Section 1964. Siehe generell Greene, Section 15.09. [1] [b]. 3 Emittenten, die von 12g3–2(b) befreit sind, sind von den meisten Vorschriften des SarbanesOxley Act befreit. 4 Die maximale Haftstrafe beträgt 25 Jahre. Siehe Sarbanes-Oxley Act Section 807. 5 Siehe ebenfalls Sarbanes-Oxley Act of 2002 Section 906. 6 91 Stat. 1494 (1977), 102 Stat. 1107, 1415–25 (1988), und 112 Stat. 3302 (1998) (kodifiziert unter Securities Exchange Act of 1934 Sections 13(b), 30A und 32(c)).
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und aufrechtzuerhalten1. Dieses Gesetz sieht Strafmaßnahmen2 vor, deren Durchsetzung die SEC vor Gericht erzwingen kann.
II. Börsennotierte Angebote in den Vereinigten Staaten 1. US-Wertpapierbörsen Die New York Stock Exchange: Die New York Stock Exchange (NYSE)3 ist die wichtigste Wertpapierbörse in den Vereinigten Staaten, an der am 31.12.2007 ca. 2 800 Unternehmen mit einer weltweiten Gesamtmarktkapitalisierung von ca. 27 000 000 Mio. US-Dollar notiert sind (einschließlich mehr als 420 ausländische Unternehmen, mit einer weltweiten Gesamtmarktkapitalisierung von mehr als 11 400 000 Mio. US-Dollar). Der Handel an der NYSE findet im Wege des Parketthandels statt. Die NYSE ist eine sich selbst regulierende Organisation, die gemeinsam mit der SEC Vorschriften für ihre Mitglieder aufstellt. Eine ausländische Gesellschaft muss mindestens 5 000 Aktionäre haben, die mindestens 100 Aktien oder ADRs halten, und mindestens 2,5 Mio. ihrer Aktien oder ADRs müssen breit gestreut sein und weltweit einen Gesamtmarktwert von mindestens 100 Mio. US-Dollarhaben, um ihre Aktien an der NYSE einführen zu können4. Zudem muss die Gesellschaft entweder die Listing Standards der NYSE für US-Unternehmen einhalten oder eine von drei alternativen Anforderungen nach den Alternate Listing Standards für Nicht-US-Unternehmen erfüllen. Die Zulassungsanforderungen für US-Unternehmen verlangen eine Mindeststreuung von Aktien einer Gesellschaft innerhalb der Vereinigten Staaten bzw., im Fall von nordamerikanischen Unternehmen, innerhalb von Nordamerika. Während es für viele große Nicht-US-Unternehmen schwierig sein dürfte, diese US-Standards für eine Mindeststreuung zu erfüllen, sind die drei alternativen Anforderungen für Nicht-US-Unternehmen nach den Alternate Listing Standards dagegen auf eine weltweite (und nicht US-bezogene) Streuung der Wertpapiere einer Gesellschaft gerichtet. Die Alternate Listing Standards für Nicht-US-Unternehmen sind nur dann anwendbar, wenn es für die Wertpapiere der Gesellschaft einen breiten, liquiden Markt im Herkunftsland der Gesellschaft gibt. In diesem Fall kann ein Nicht-US-Unternehmen die Anforderungen für ein Listing an der NYSE nach Maßgabe einer Prüfung der Erträge, Erlös und Bewertung oder im Fall einer Gesellschaft, bei der es sich um eine Tochter- oder Schwestergesellschaft einer größeren Publikumsgesellschaft handelt, einer Prüfung für verbundene
1 Siehe Securities Exchange Act of 1934 Section 13(b)(2). 2 Personen, die wegen Bestechung verurteilt wurden, müssen für den Verstoß gegen die Anti-Bestechungsvorschriften (anti-bribery provisions) der FCPA mit einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen und/oder einer Geldstrafe von bis zu 250 000 US-Dollar. Exchange Act Section 32(c)(2)(A). Emittenten, die wegen Bestechlichkeit verurteilt wurden, müssen für den Verstoß gegen die anti-bribery provisions der FCPA mit einer Geldstrafe von 2 000 000 US-Dollar oder mehr rechnen. Exchange Act Section 32(2)(1)(A). Emittenten, die wegen vorsätzlicher Missachtung der record keeping provisions des FCPA verurteilt werden, müssen mit einer Geldstrafe von 25 000 000 US-Dollar oder mehr rechnen. Einzelpersonen müssen mit Geldstrafen von bis zu 5 000 000 US-Dollar und Haftstrafen von bis zu 20 Jahren rechnen. Exchange Act Section 32(a). 3 Die NSYE ist heute eine Tochtergesellschaft einer börsennotierten Holdinggesellschaft, der NYSE Euronext, die aus dem Zusammenschluss der NYSE, Inc. mit der Euronext N.V. entstanden ist. Siehe SEC Release No. 34-56145, S. 2. 4 Siehe New York Stock Exchange Listed Company Manual, Section 103 unter http://www. nyse.com.
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Unternehmen erfüllen.1 Nach den Anforderungen der NYSE müssen die geprüften Jahresabschlüsse den Aktionären innerhalb von drei Monaten nach dem Ende des Geschäftsjahres vorgelegt werden.2 Ein solcher Emittent muss außerdem über ein materielles Nettovermögen auf konsolidierter Basis von mindestens 100 Mio. US-Dollar verfügen sowie für die letzten drei Jahre einen kumulativen Gewinn vor Steuern in Höhe von 100 Mio. US-Dollar, dabei in jedem der letzten drei Jahre wenigstens 25 Mio. US-Dollar vorweisen)3. Nach den Anforderungen der NYSE müssen die geprüften Jahresabschlüsse den Aktionären innerhalb von 120 Tagen (225 Tage für ausländische Gesellschaften) nach dem Ende des Geschäftsjahres vorgelegt werden4. 50
NASDAQ: Das National Association of Securities Dealers Automated Quotation System (NASDAQ) ist die größte elektronische Wertpapierbörse in den Vereinigten Staaten. Die NASDAQ gewann in den 90er Jahren insbesondere wegen ihrer Beliebtheit bei High-Tech-Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Ca. 3200 Unternehmen sind an der NASDAQ notiert (einschließlich ca. 335 ausländischer Gesellschaften). Es existiert kein Börsenparkett, vielmehr werden die Aktien und ADRs elektronisch gehandelt.
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Self Regulatory Organization: Früher bildeten die NYSE und die NASDAQ zwei separate, sich selbst regulierende Organisationen (SROs), die zusammen mit der SEC die für ihre jeweiligen Marktteilnehmer geltenden Vorschriften festsetzten. Die SEC stimmte kürzlich dem Zusammenschluss der sich selbst regulierenden Funktionsbereiche der NYSE und der NASDAQ zu, so dass nun eine einzige Organisation, welche sich aus Verwaltungsratsmitgliedern von NYSE, NASDAQ und verschiedenen Wertpapierbrokern und -händlern zusammensetzt, nahezu alle Wertpapierhäuser überwacht, die Geschäfte mit den Anlegern in den Vereinigten Staaten tätigen.5 Diese neu zusammengesetzte SRO wird als Financial Industry Regulatory Authority, Inc. (FINRA) bezeichnet.6 2. Das Registrierungsdokument a) Das Registrierungsformular (Registration statement)
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Die SEC gibt verschiedene Forms vor, nach denen Emittenten ihre Wertpapiere gemäß Section 5 des Securities Act registrieren können. Die Wahl der Forms hängt vom Status des Emittenten ab (inländisch oder ausländisch), seiner früheren Berichterstattung sowie der Art des zu registrierenden Wertpapiers.
1 Siehe New York Stock Exchange Listed Company Manual, Section 103.01 unter http://www.nyse.com (Tag der letzten Einsichtnahme: 28.4.2008). 2 Diese Bestimmung ist strenger als die in der Bestimmung der SEC festgelegten sechs Monate, sie kann jedoch für ausländische Emittenten ausgesetzt werden. 3 Siehe New York Stock Exchange Listed Company Manual, Section 103. 4 Siehe New York Stock Exchange Listed Company Manual, Section 103. 5 Siehe SEC Release No. 34-56145. 6 Siehe Form 8-K, eingereicht am 3.8.2007 von NYSE Euronext. Am 30.7.2007 haben die NYSE Group, Inc. (NYSE Group) und die NYSE Regulation, Inc. (NYSE Regulation), beide 100%ige Tochtergesellschaften der NYSE Euronext, einen Kaufvertrag über Vermögenswerte mit der National Association of Securities Dealers, Inc. (NASD) abgeschlossen und umgesetzt. Gemäß diesem Vertrag wurden die regulierenden Funktionsbereiche der Mitgliedsunternehmen der NYSE Regulation, einschließlich der damit verbundenen Durchführungstätigkeiten, der Risikobewertung und des Schlichtungsservice (die „Übertragenen Geschäftsbereiche“ – transferred operations), mit denen der NASD zusammengelegt.
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– Form F-1 ist das für Wertpapiere eines Foreign Private Issuers vorgeschriebene Form, soweit keine andere Form vorgeschrieben ist1. Foreign Private Issuers, die seit mindestens einem Jahr keine Wertpapiere nach dem Exchange Act registriert haben oder aus anderen Gründen Form F-3 nicht verwenden dürfen, müssen Form F-1 benutzen. Form F-1 ermöglicht zumindest die Zusammenfassung von Informationen (siehe unten). – Form F-3 erfordert weniger umfangreiche Offenlegungen als Form F-1, und erlaubt Bezugnahmen auf Berichte, die der Emittent bereits nach dem Exchange Act eingereicht hat. Auf Form F-3 können ausländische Foreign Private Issuers zurückgreifen, die sämtliche der nachfolgenden Anforderungen erfüllen: – Der Antragssteller muss in den vorangegangenen zwölf Monaten (i) durch die Regelungen des Exchange Act erfasst worden sein (ii) und alle nach dem Exchange Act erforderlichen Unterlagen eingereicht haben, einschließlich eines jährlichen Berichts nach den Forms 20-F, 10-K oder 40-F2. – Der gesamte Marktwert der stimmberechtigten und stimmrechtslosen Stammaktien des Emittenten, die von nicht mit dem Emittenten verbundenen Unternehmen gehalten werden, beträgt mindestens 75 Mio. US-Dollar oder im Falle eines Angebots von Schuldverschreibungen, ein erstklassiges Rating3. – Weder der Emittent noch eine seiner Tochtergesellschaften haben seit dem Ablauf des letzten Geschäftsjahres, für das ein jährlicher Bericht nach Form 20-F eingereicht wurde, die Vornahme einer erforderlichen Dividendenausschüttung in Form von Vorzugsaktien oder eine Tilgungsfondszahlung angemeldet oder befinden sich im Zahlungsverzug im Hinblick auf eine Verbindlichkeit oder eine Zahlungspflicht aus einem langfristigen Mietvertrag4. – Form F-3 kann durch den Emittenten für eine Shelf Registration (Vorratsregistrierung) verwendet werden, bei der der Emittent im Voraus ein Registrierungsdokument erstellt, die entsprechenden Wertpapiere jedoch zu einem späteren Zeitpunkt anbietet5. Emittenten, die Wertpapiere nach Form F-3 registrieren, können Informationen, die in Dokumenten enthalten sind, die im Rahmen des Exchange Act eingereicht wurden, im Wege der Verweisung einbeziehen. Obwohl das Verfahren der Shelf Registration auch für Aktien Anwendung finden kann, wird es meistens für Schuldverschreibungen angewendet. Zu den Vorteilen einer Shelf Registration 1 Zu den Forms F-1, F-3 und F-4 gibt es die entsprechenden Forms S-1, S-3 und S-4 für US-Emittenten. Die Forms F-2 und S-2 wurden im Zuge der Reform der Wertpapierangebote der SEC mit Wirkung vom 1.12.2005 abgeschafft. 2 Siehe Form F-3, Registrant Requirements (1)-(2). 3 Siehe Form F-3, Transaction Requirements. 4 Siehe Form F-3, Registrant Requirements (3). 5 Shelf Registrations unterliegen der Rule 415 des Securities Act. Wertpapiere, die im Wege einer Shelf Registration in Verbindung mit einem Geschäftszusammenschluss registriert werden und die nicht nach Form F-3 registriert werden, müssen in einem Umfang emittiert werden, die vernünftigerweise erwarten lässt, dass sie innerhalb von zwei Jahren ab dem Gültigkeitstermin der Registrierung verkauft werden. Im Falle eines Registrierungsdokuments, welches ein Angebot von Dividendenwerten (equity securities) des Antragstellers am Markt betrifft, muss das Angebot Wertpapiere betreffen, die nach Form F-3 registriert werden können. Im Rahmen einer Shelf Registration muss der Antragsteller sich verpflichten, die in Item 512(a) der Regulation S-K genannten Zusicherungen abzugeben, d.h. (neben anderen Anforderungen) nachträglich wirksame Änderungen der Registrierungsdokumente einzureichen. Wertpapiere, die im Wege der Shelf Registration registriert wurden, dürfen im Allgemeinen nicht länger als drei Jahre nach dem ersten Gültigkeitstermin der Shelf Registration angeboten oder verkauft werden, sofern der Antragsteller kein neues Registrierungsdokument einreicht; unter bestimmten Umständen gelten jedoch kürzere Fristen.
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für den Emittenten zählen eine flexible Reaktion auf veränderte Marktbedingungen und niedrigere Registrierungskosten. Für Shelf Registrations wurde ein abgewandeltes Due Diligence-Verfahren entwickelt, wobei die erstmalige Due Diligence bei der Registrierung ähnlich wie die bei anderen registrierten Angeboten durchzuführen und bei jeder weiteren Wertpapierausgabe lediglich zu aktualisieren ist. – Form F-4 wird für Wertpapiere verwendet, die im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen ausgegeben werden. – Form F-6 ist eine Kurzform, das für die Registrierung von ADRs verwendet wird. 53
Bevor ein Emittent Wertpapiere an einer US-Wertpapierbörse einführen kann, müssen diese nach dem Exchange Act registriert sein. Das ausführliche Formular für diese Registrierung ist Form 20-F. Es ist auch das Formular, das von Foreign Private Issuers für die Einreichung jährlicher Geschäftsberichte nach dem Exchange Act verwendet wird. Foreign Private Issuers, die bereits Geschäftsberichte nach Form 20-F eingereicht haben, können Form 8-A, ein verkürztes Formular, verwenden. Ausländische Staaten, können Wertpapiere nach dem Exchange Act unter Verwendung von Form 18 registrieren und spätere jährliche Berichte mittels Form 18-K einreichen.
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Zusammenfassung von Informationen: Ursprünglich gab es im Rahmen des Securities Act und des Exchange Act separate Offenlegungsvorschriften. Die SEC hat das Offenlegungssystem durch Zusammenfassung der Berichtspflichten und den Erlass von Regulation S-K vereinfacht, die einen einheitlichen Katalog von Disclosure-Vorschriften für beide Gesetze enthält1. Die SEC erlaubt außerdem die Einbeziehung im Wege der Bezugnahme auf bereits eingereichte Unterlagen sowohl nach den Forms nach dem Securities Act als auch nach dem Exchange Act. b) Der Inhalt des Registrierungsdokuments
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Die verschiedenen zuvor beschriebenen Registrierungsdokumente nach dem Securities Act umfassen in unterschiedlichem Ausmaß die in Form 20-F enthaltenen Angaben. Form 20-F besteht aus drei Teilen.
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Teil I erfordert eine ausführliche Beschreibung der Geschäftstätigkeit des Emittenten, einschließlich der folgenden Angaben: – Informationen zu Geschäftsleitung, leitenden Angestellten (senior management) und Beratern2, – Informationen zur Höhe des Angebots, zum voraussichtlichen Ausgabepreis, zu Art und weiteren Einzelheiten des Angebots sowie zur Börseneinführung3, – ausgewählte Finanzangaben für fünf Jahre, Kapitalausstattung und Verschuldung (capitalisation and indebtedness), Anlass des Angebots und Verwendung des Emissionserlöses4, – Geschichte und Entwicklung des Unternehmens, Geschäftsüberblick, Organisationsstruktur und Angaben zum Vermögen des Emittenten5, 1 Regulation S-X regelt die Offenlegung von Finanzausweisen sowohl nach dem Securities Act als auch nach dem Exchange Act. Kurz gesagt muss eine Gesellschaft die geprüften Bilanzen zum Ende der beiden vorangegangenen Geschäftsjahre sowie die geprüften Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Kapitalflussrechnungen für die drei dem Stichtag der jüngsten geprüften Bilanz vorangehenden Geschäftsjahre wiedergeben. Siehe Regulation S-X Rules 3-01 und 3–02. 2 Form 20-F, Item 1. 3 Form 20-F, Item 2. 4 Form 20-F, Item 3. 5 Form 20-F, Item 4.
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– Angaben zur Geschäfts- und Finanzlage (operating and financial reviews) und Prognosen, einschließlich der Ergebnisse der Geschäftstätigkeit, Liquidität und Eigenkapitalausstattung (capital resources), Trendinformationen, außerbilanzielle Vereinbarungen und Angaben zu vertraglichen Verpflichtungen1, – Hauptaktionäre und Geschäfte mit nahestehenden Parteien (related-party transactions)2, – Marktrisiken, denen der Emittent ausgesetzt ist3, – eine Beschreibung anderer Wertpapiere des Emittenten wie Schuldverschreibungen, Optionsscheine und Bezugsrechte sowie American Depositary Receipts (ADRs)4 und – eine Beschreibung der Steuern, einschließlich der Quellensteuer, denen die US-Aktionäre nach dem Recht des Landes, in dem der Emittent seinen Sitz hat, unterliegen5. Teil II von Forml 20-F fordert einen Bericht des Emittenten über Zahlungsrückstände, rückständige Dividenden und ähnliche Versäumnisse6, wesentliche Änderungen der Rechte der Inhaber von Wertpapieren und die Verwendung des Emissionserlöses7 sowie interne Kontrollen und Verfahren des Emittenten im Hinblick auf die Kapitalmarktkommunikation8. Teil II erfordert außerdem eine Benennung des Finanzexperten des Prüfungsausschusses oder eine Erklärung, warum der Emittent keinen solchen Experten hat, sowie die Offenlegung der an die Wirtschaftsprüfer gezahlten Vergütung9.
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Teil III umfasst die Jahresabschlüsse des Emittenten, einschließlich der konsolidierten geprüften Gewinn- und Verlustrechnungen für die drei letzten Geschäftsjahre sowie der konsolidierten geprüften Bilanzen für die beiden letzten Geschäftsjahre10. Der Emittent kann entweder sowohl die Gewinn- und Verlustrechnungen als auch die geprüften Bilanzen in Übereinstimmung mit den US GAAP (oder mittels einer Überleitungsrechnung (reconcilation) zu US GAAP) erstellen und die Anforderungen der Regulation S-X erfüllen, oder er kann seine Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen gemäß den vom IAS-Committee festgelegten internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen (IAS/IFRS) erstellen11.
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Form 20-F, Item 5. Form 20-F, Item 7. Form 20-F, Item 11. Form 20-F, Item 12. Form 20-F, Item 10. Form 20-F, Item 13. Form 20-F, Item 14. Form 20-F, Item 15. Form 20-F, Item 16A. Form 20-F, Items 17 und 18. Die Europäische Union verlangt, dass alle Unternehmen, einschließlich Banken und Investmentgesellschaften, ihre konsolidierten Finanzausweise nach den internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) erstellen. Die IFRS wurden als künftige weltweite Grundsätze der Rechnungslegung vorgeschlagen. Siehe www.iaseminars.com. Unterdessen hat die SEC kürzlich angekündigt, die Jahresabschlüsse von ausländischen Emittenten des Privatsektors, die entsprechend den vom IASB festgelegten IFRS erstellt wurden, ohne eine Überleitung auf USGAAP anzuerkennen. Siehe SEC Release No. 33-8879. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Anerkennung der Grundsätze des IAS-Committee sich wesentlich auf ausländische Emittenten auswirkt, denn auf den internationalen Rechnungslegungsstandards basierende Rechnungslegungsgrundsätze variieren in der Praxis von Land zu Land.
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Börsennotierung
Emittenten müssen ferner bestimmte Anlagen einreichen, einschließlich wesentlicher Verträge und anderer Instrumente, in denen die Rechte der Inhaber von Wertpapieren der zu registrierenden Klasse festgelegt sind1. c) Erstellung des Registrierungsdokuments
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In der Praxis ähnelt das Verfahren für ein registriertes Angebot dem Verfahren bei einem Angebot in Europa. Der Emittent wählt eine Emissionsbank aus, und der Emittent, die Emissionsbank und ihre jeweiligen Berater führen eine Due Diligence-Prüfung durch und erstellen das Registrierungsdokument nach Maßgabe eines abgestimmten Zeitplans.
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Die Angaben nach der Form für das Registrierungsdokument ist lediglich der Ausgangspunkt der Offenlegungsanforderungen. Das Registrierungsdokument muss alle zusätzlichen Informationen enthalten, die erforderlich sind, damit die Darstellung insgesamt nicht irreführend ist2. Beispielsweise wäre es irreführend, Informationen über einen Geschäftsbereich des Emittenten aufzunehmen, ohne die Tatsache zu erwähnen, dass die Geschäftsführung beschlossen hat, die Aktivitäten in diesem Bereich in naher Zukunft einzustellen. d) EDGAR
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Das seit 1984 in Betrieb befindliche elektronische Datensystem der SEC, Electronic Data Gathering Analysis and Retrieval System, allgemein bekannt unter der Bezeichnung „EDGAR“, ist ein zentralisiertes elektronisches Informationssystem für Unternehmen und Dritte, die Registrierungsdokumente, Prospekte, periodische Berichte und andere Dokumente im Rahmen des Securities Act, des Exchange Act, des Public Utility Holding Company Act, des Trust Indenture Act und des Investment Company Act bei der SEC einreichen3. Die Einreichung kann über EDGAR direkt in elektronischer Form erfolgen.
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In der Praxis spielt das EDGAR-System eine Schlüsselrolle bei der vollständigen Offenlegung wesentlicher Informationen gegenüber den Anlegern. Über die Website der SEC oder über Zugriffsmöglichkeiten auf EDGAR ermöglicht dieses System den Investoren und der übrigen Öffentlichkeit einen sofortigen und kostenlosen bzw. kostengünstigen Zugriff auf die bei der SEC eingereichten Berichte und Registrierungsdokumenten der Emittenten4. Die Einreichung aller Unterlagen über EDGAR ist seit 1996 Pflicht für US-Emittenten sowie seit November 2002 auch für ausländische Emittenten5.
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Emittenten, die Unterlagen bei der SEC einreichen möchten, sollten in ihrem Zeitplan und bei der Planung der Methode der Einreichung ihrer SEC-Unterlagen die technischen Anforderungen von EDGAR berücksichtigen. Die Kapazität von EDGAR zur Bearbeitung von Dokumenten, die nicht in der englischen Sprache abgefasst sind, ist sehr begrenzt, und in den meisten Fällen verlangt die SEC die Einreichung einer vollständigen englischen Übersetzung. Emittenten, die bei der SEC Unterlagen einrei1 2 3 4 5
Form 20-F, Item 19. Siehe Securities Act of 1933 Rule 408. Siehe Edgar Filer Manual, erhältlich unter http://www.sec.gov/info/edgar/filermanual.htm. Siehe http://www.sec.gov/edgar.shtml. Es gibt wenige Ausnahmen von dieser Anforderung, beispielsweise 12g3-2(b) und bestimmte Dokumente, wie Form CB. EDGAR unterliegt der Regulation S-T.
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§ 11
Platzierung und Börsenzulassung im Ausland
chen, müssen außerdem für die Nutzung von EDGAR besondere Passwörter und Zugangscodes einholen1. Die Einreichung von Unterlagen bei EDGAR erfordert darüber hinaus die Erstellung eines Dokuments in Html oder ASKI-Format. 3. Das SEC-Prüfungsverfahren Die SEC wendet bei der Prüfung der Registrierungsdokumente vier verschiedene Prüfungsverfahren an:
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– Die normale Prüfung (customary review) wird bei neuen Emittenten immer angewendet und kann auch in anderen Fällen Anwendung finden. Bei dieser Art der Prüfung führen die SEC-Mitarbeiter eine vollständige Prüfung der finanziellen und rechtlichen Angaben des Registrierungsdokuments durch. – Die verlängerte Prüfung (deferred review) wird angewendet, wenn die ursprüngliche Prüfung des Registrierungsdokuments ergeben hat, dass das Dokument schlecht vorbereitet war oder andere schwerwiegende Probleme aufwies. In diesem Fall benachrichtigt die SEC den Antragsteller entsprechend (ohne besondere Kommentare) und stellt ihm frei, das Verfahren weiter zu betreiben, das Dokument zurückzuziehen oder zu ändern. – Die abgekürzte Prüfung (cursory review) kann bei bereits bekannten Emittenten angewendet werden, bei denen eine erste Prüfung des Registrierungsdokuments seitens der SEC darauf hindeutet, das das Dokument ordnungsgemäß ist, und bei denen die Emissionsbank und der Emittent erbeten haben, dass die SEC die Registrierung an einen bestimmten Termin für gültig erklären soll. In diesem Fall teilt die SEC dem Antragsteller mit, dass eine abgekürzte Prüfung durchgeführt wurde und das Registrierungsdokument zu dem durch den Emittenten und den Konsortialführer gewünschten Termin gebilligt wird. Dieses Verfahren erspart der SEC Verwaltungszeit und -ressourcen und ermöglicht ein Angebot nach Maßgabe des durch den Emittenten vorgesehenen Zeitplans. Die abgekürzte Prüfung ist jedoch mit dem Risiko für den Emittenten verbunden, dass das Registrierungsdokument einen Fehler enthält, der möglicherweise bei einer ausführlicheren SEC-Prüfung entdeckt worden wäre. – Das Schnellverfahren (summary review) ist weniger intensiv als die normale Prüfung, jedoch ausführlicher als eine abgekürzte Prüfung. Bei dieser Art von Prüfung teilt die SEC dem Emittenten mit, dass die Registrierung nach Erhalt des bei der abgekürzten Prüfung vorgesehenen Schreibens, das einen gewünschten Gültigkeitstermin benennt sowie nach Erhalt angemessener Antworten auf die begrenzten Kommentare der SEC für gültig erklärt wird. Rechtsmittel der SEC bei fehlerhaften Registrierungsdokumenten: Die SEC kann Emittenten nicht dazu zwingen, Registrierungsdokumente zu ändern, jedoch stehen ihr Rechtsmittel zur Verfügung, wenn ihre Mitarbeiter der Ansicht sind, dass Angaben fehlerhaft sind. So kann die SEC einen abschlägigen Bescheid erlassen, durch den das Gültigkeitsdatum verschoben wird. Eine solche Zurückweisung muss innerhalb von zehn Tagen nach Einreichung eines Registrierungsdokuments erfolgen. Ein üblicheres Rechtsmittel ist die Sperre (stop order), durch die der Gültigkeitstermin eines 1 Diese Zugangscodes sind der Central Index Key (CIK) Code (eine einmalige Identifikationsnummer), der CIK Confirmation Code (CCC) und das EDGAR-Passwort. In der Praxis können diese Zugangscodes in ca. 24 Stunden durch Einreichung von Form ID eingeholt werden. Unternehmen und ihre Berater, die nicht mit den logistischen Anforderungen von EDGAR vertraut sind, sollten in Erwägung ziehen, die Hilfe einer renommierten Druckerei (financial printer) im Finanzsektor in Anspruch zu nehmen.
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Registrierungsdokuments verschoben, der Verkauf von Wertpapieren gestoppt (falls der Verkauf bereits begonnen hat) und der SEC eine Prüfung des Emittenten und der angebotenen Wertpapiere ermöglicht wird. Im Gegensatz zur Zurückweisung kann die SEC eine Sperre jederzeit verhängen. 4. Publizität bei registrierten Angeboten 67
Bei registrierten Angeboten muss die Öffentlichkeitsarbeit des Emittenten sorgfältig überwacht und gesteuert werden, wobei drei Zeiträume zu unterscheiden sind: a) Der Zeitraum vor Einreichung (Pre-filing Period)
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Vor Einreichung des Registrierungsdokuments bei der SEC untersagt Securities Act Section 5(c) den zwischenstaatlichen Handel für den Verkauf oder das Angebot der betroffenen Wertpapiere1. Aussagen des Emittenten oder anderer Personen, die geeignet erscheinen, den Markt für die anzubietenden Wertpapiere zu „konditionieren“, können als „Gun Jumping“ ausgelegt werden und dazu führen, dass die SEC einen „Cooling-Off“-Zeitraum verhängt. Andererseits hat die SEC verlauten lassen, dass der sachliche Informationsfluss nicht unterbrochen werden soll und der Emittent deshalb im gewöhnlichen Geschäftsverlauf weiterhin Publizität betreiben darf, einschließlich Anzeigen für seine Produkte und Dienstleistungen, der üblichen periodischen Berichte an die Aktionäre, Reaktionen auf nicht erbetene Anfragen von Aktionären und der Presse sowie Pressemitteilungen im Hinblick auf die tatsächliche Geschäftsentwicklung2. Darüber hinaus kann ein Emittent Mitteilungen über ein geplantes Angebot veröffentlichen, sofern die Anforderungen gemäß Securites Act of 1933 Rule 135 erfüllen3. b) Die Wartefrist (Waiting Period)
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Die Waiting Period bezeichnet den Zeitraum zwischen Einreichung des Registrierungsdokuments und dessen Inkrafttreten4. Verkauf und öffentliches Angebot der Wertpapiere sind während dieser Phase nicht zulässig, mündliche Angebote sind jedoch erlaubt. Während dieses Zeitraums dürfen aber keine Angebote angenommen werden. „Tombstone Ads“ und „Identification Statements“ gemäß Securities Act Rule 134 dürfen veröffentlicht werden. In No-Action-Schreiben hat sich die SEC der Ansicht angeschlossen, dass elektronische Roadshows während dieses Zeitraums
1 Bestimmte Aktivitäten, einschließlich Verhandlungen zwischen dem Emittenten und der Konsortialbank, die mit dem Emittenten in einem Vertragsverhältnis steht oder stehen wird, werden nicht als ein Angebot zum Verkauf oder Kauf angesehen. Siehe Securities Act of 1933 Section 4. 2 Diese Erleichterung gilt jedoch hauptsächlich für Emittenten, die bereits Wertpapiere registriert habe. Neue Antragsteller müssen besonders darauf achten, dass sie das Angebot nicht publik machen oder in anderer Weise Informationen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsverlaufs verbreiten. 3 Siehe Securities Act of 1933 Rule 135. Rule 135 beschränkt die Informationen, die in solchen Mitteilungen oder allgemeinen Anzeigen enthalten sein dürfen, auf den Namen des Emittenten, die Bezeichnung, den Betrag und die Grundausstattung der angebotenen Wertpapiere, den voraussichtlichen Zeitpunkt des Angebots, die Art und den Zweck des Angebots, die Kategorie der Käufer, an die sich das Angebot richtet, sowie die Angaben und Aufschriften, die nach bundesstaatlichem oder Bundesrecht vorgeschrieben sind. In Mitteilungen nach Securities Act Rule 135 darf der Name der Konsortialbank nicht enthalten sein. 4 Siehe Securities Act of 1933 Sections 5(a) und 5(b)(1).
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keine Prospekte im Sinne des Securities Act darstellen. Auf diesem Wege können die Konsortialbanken bereits Indikationen von Kaufinteressenten einholen1. c) Zeitraum nach Inkrafttreten (Post-effective Period) Nach Billigung und Inkrafttreten des Registrierungsdokuments dürfen die betreffenden Wertpapiere verkauft werden. Gemäß Securities Act Section 2(a)(10) ist es zulässig, schriftliches Material frei zu verteilen (free writing)2. Die Parteien dürfen, ohne gegen Section 5 zu verstoßen, schriftliches Informationsmaterial (wie Broschüren oder Informationen auf einer Website) verteilen, solange diesem Schriftmaterial ein rechtmäßiger Prospekt gemäß Section 10(a) oder ein vergleichbares Dokument beigefügt ist oder vorangeht.
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5. Research-Berichte Bei registrierten Angeboten besteht ein generelles Verbot für Research-Berichte des Konsortiums3. Derartige Research-Berichte können als unrechtmäßiger Prospekt oder als Gun Jumping gewertet werden. Es bestehen jedoch wichtige Ausnahmeregelungen:
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– Securities Act Rule 138 erlaubt Research-Berichte, wenn sie sich auf eine andere Art von Wertpapieren beziehen als die angebotenen (z.B. Schuldverschreibungen im Gegensatz zu Aktien)4 und – Securities Act Rule 139 erlaubt Research-Berichte über bereits bekannte Emittenten oder große erstmalige Antragsteller, wenn die Berichte im gewöhnlichen Geschäftsverlauf veröffentlicht werden5. 6. Deregistrierung Kürzlich änderte die SEC ihre Vorschriften dahingehend, dass Foreign Private Issuers die Zulassung bestimmter Wertpapiere und bestimmte Mitteilungspflichten beenden können, wenn das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen (der betroffenen Wertpapiere) in den Vereinigten Staaten für einen Zwölf-Monatszeitraum nicht mehr als 5 % des durchschnittlichen weltweiten Handelsvolumens von Wertpapieren der gleichen Gattung beträgt. Vor dieser Änderung waren solche Deregistrierungen schwierig, da sie von der Anzahl der US-Investoren, die Inhaber der betroffenen Wertpapiere sind, abhingen und nicht von der relativen Nachfrage nach den Wertpapieren in den Vereinigten Staaten.6
1 Siehe Net Roadshow, Inc., SEC No-Action Letter, [1997 Decisions Transfer Binder] Fed. Sec. L. Rep. (CCH) p. 77,367, 77,851–52 (Sept. 8, 1997). Der Bereich Corporation Finance der SEC stimmte zu, dass Internet-Roadshows nicht als Prospekte oder Verbreitungen gemäß Securities Act Section 2(a)(10) anzusehen sind, wenn die Roadshow in einer passwort-geschützten Umgebung nur einer begrenzten Zahl von Personen zugänglich ist. Mitarbeiter der SEC wiesen darauf hin, dass Roadshows nicht vor Einreichung eines Registrierungsdokuments durchgeführt werden sollten. 2 Siehe Securities Act of 1933 Section 2(a)(10). 3 Siehe Securities Act of 1933 Sections 2(a)(10) und 5(c). 4 Siehe Securities Act of 1933 Rule 138. 5 Siehe Securities Act of 1933 Rule 139. 6 Siehe SEC Release No. 34-55540.
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III. Von der Registrierungspflicht befreite Angebote 1. Regulation S 73
1990 erließ die SEC Regulation S, um ein Verfahren für die Durchführung von Angeboten außerhalb der Vereinigten Staaten zu etablieren1. Regulation S ist eine „Safe Harbor“-Bestimmung, aufgrund derer der Vertrieb von Wertpapieren durch den Emittenten, durch den Vertreiber2 und ihre jeweiligen verbundenen Unternehmen sowie der Weiterverkauf von Wertpapieren durch alle anderen Personen von den Bestimmungen gemäß Section 5 des Securities Act befreit wird; die übrigen Bestimmungen des Securities Act und Exchange Act finden jedoch weiter Anwendung. Regulation S bestimmt generell, dass die Begriffe „Angebot“, „Angebot zum Verkauf“, „verkaufen“, „Verkauf“ und „Angebot zum Kauf“ auf Angebote und Verkäufe außerhalb der Vereinigten Staaten keine Anwendung finden3.
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Die Anwendbarkeit der Befreiungsregelung für den Emittenten nach Rule 903 als auch der Befreiungsregelung für den Weiterverkauf nach Rule 904 der Regulation S steht unter zwei Grundbedingungen. Erstens muss es sich bei dem Angebot oder Verkauf um eine Offshore-Transaktion handeln (im Wesentlichen eine Transaktion, bei der der Käufer sich zum Zeitpunkt des Kaufauftrags außerhalb der Vereinigten Staaten befindet und deren Ausführung sowie die Wertpapierlieferung außerhalb der Vereinigten Staaten stattfinden)4. Zweitens sind gezielte Verkaufsbemühungen in den Vereinigten Staaten untersagt5. Gezielte Verkaufsbemühungen (directed selling efforts) sind Aktivitäten, die bei vernünftiger Betrachtung darauf abzielen, den Markt in den Vereinigten Staaten für die angebotenen Wertpapiere zu konditionieren6.
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Die Befreiungsregelung nach Regulation S für Emittenten und Vertreiber ist in drei Kategorien unterteilt, abhängig von der Art der angebotenen Wertpapiere, dem Status des Emittenten als ein Unternehmen, das nach dem Exchange Act berichtspflichtig ist, und dem Umfang des Interesses im US-Markt an den angebotenen Wertpapieren. Etwaige zusätzliche Bedingungen, die zu erfüllen sind, damit die Befreiungsregelegung anwendbar ist, bestimmen sich anhand der Kategorie, in die das Angebot fällt7.
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Kategorie 1: Angebote der Kategorie 1 betreffen ausländische Emittenten, an deren Wertpapieren in den USA kein erhebliches Marktinteresse besteht (substantial US market interest – SUSMI)8. Angebote, die unter die Kategorie 1 fallen, müssen allein die beiden vorgenannten allgemeinen Bedingungen erfüllen.
1 Siehe Final Rule: Offshore Offers and Sales, SEC Release No. 33-6863 (1990). Siehe auch Final Rule: Offshore Offers and Sales (Regulation S), SEC Release No. 33-7505 (Abänderungen zu Regulation S von 1998). 2 „Vertreiber“ ist definiert als eine Konsortialbank, ein Händler oder eine andere Person, die aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung am Vertrieb der fraglichen Wertpapiere beteiligt ist. Siehe Securities Act of 1933 Rule 902(d); siehe generell Securities Act of 1933 Rules 903 und 904. 3 Siehe Securities Act of 1933 Rule 901. 4 Siehe Securities Act of 1933 Rules 902(h) und 903(a)(1). 5 Siehe Securities Act of 1933 Rule 903(a)(2). 6 Siehe Securities Act of 1933 Rule 902(c); vgl. Greene, Section 5.02[1] n. 18 (Veröffentlichung einer Mitteilung durch einen Emittenten, in der angekündigt wird, dass ein ausländisches Angebot keine „gezielten Verkaufsbemühungen“ darstellen wird, wenn die Mitteilung Securities Act Rule 135 oder 135c im Rahmen des Securities Act entspricht.) Siehe ebenfalls unten Rz. 99–109. 7 Siehe Securities Act of 1933 Rule 903(b). 8 Siehe Securities Act of 1933 Rule 903(b)(1), Rule 902(j).
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SUSMI ist gegeben, wenn die öffentlichen Märkte in den Vereinigten Staaten im letzten Geschäftsjahr des Emittenten der größte Einzelmarkt für die Aktie waren oder mindestens 20 % des weltweiten Handels der Aktien in den Vereinigten Staaten und weniger als 55 % über die Handelseinrichtungen eines einzelnen ausländischen Staates stattfanden1. Im Falle von Schuldverschreibungen ist SUSMI gegeben, wenn mindestens 300 US-Inhaber der Wertpapiere registriert sind oder Schuldverschreibungen im Wert von wenigstens 1 Mrd. US-Dollar und wenigstens 20 % aller Schuldverschreibungen des Emittenten durch registrierte US-Inhaber gehalten werden2.
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Kategorie 2: Wenn SUSMI gegeben ist, müssen Aktienemittenten, die unter die Berichtspflichten des Exchange Act fallen, sowie Emittenten von Schuldverschreibungen eine Reihe von Anforderungen erfüllen, einschließlich der Aufnahme von Warnhinweisen (Legends) in die Angebotsdokumente und der Beachtung einer Sperrfrist (Restricted Period) von 40 Tagen, während derer keine Angebote oder Verkäufe an USPersonen zulässig sind3.
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Kategorie 3: Kategorie 3 betrifft alle anderen Angebote. Die Anforderungen in dieser Kategorie sind am umfangreichsten. Kategorie B erfordert eine Sperrfrist von 40 Tagen für das Angebot von Schuldverschreibungen und von einem Jahr für das Angebot von Aktien, Stop-Transfer-Verfahren bei Aktienangeboten und Bestätigungen der Käufer, dass sie nicht auf Rechnung einer US-Person kaufen4.
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Auswirkungen von Verkäufen in den USA: Gezielte Verkaufsbemühungen in den Vereinigten Staaten oder ein Versäumnis des Emittenten oder Vertreibers, in Verbindung mit Kategorie 2 und 3 Angebotsbeschränkungen aufzunehmen, heben die Befreiungsregelung für den Emittenten sowie den Vertreiber auf. Regulation S sieht keine Befreiung für Wiederverkäufe in den Vereinigten Staaten durch die Käufer von Wertpapieren vor, die gemäß Regulation S im Ausland platziert wurden. Folglich dürfen Personen, die gemäß Section 2(a)(11) des Securities Act als Konsortialbanken angesehen werden, keine nicht-registrierten öffentlichen Wiederverkäufe dieser Wertpapiere in den Vereinigten Staaten unter Berufung auf die Befreiung von der Registrierungspflicht gemäß Section 4(1) vornehmen5.
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2. Section 4(2) Section 4(2) des Securities Act sieht für eine Emission von Wertpapieren, die nicht mit einem öffentlichen Angebot verbunden ist, eine Befreiung von der Registrierungspflicht gemäß Section 5 vor. Solche Transaktionen werden als Privatplatzierungen bezeichnet und sind mit einer Platzierung von Wertpapieren durch den Emittenten bei einer begrenzten Zahl von qualifizierten Käufern verbunden, die die Weiterverkaufsbeschränkungen akzeptieren. Ob eine Transaktion mit einem öffentlichen Angebot verbunden ist, hängt nicht nur von der Art des Angebots und des Verkaufs durch 1 Siehe Securities Act of 1933 Rule 902(j). 2 Siehe Securities Act of 1933 Rule 902(j). Bei der Feststellung der Kategorie, in die ein bestimmtes Angebot fällt, dürfen sich die Vertreiber auf eine Erklärung des Emittenten stützen, dass nach dessen vernünftiger Ansicht kein erhebliches Interesse im US-Markt für die angebotene Art von Wertpapieren besteht. Siehe Final Rule: Offshore Offers and Sales, SEC Release No. 33-6863 (1990). 3 Siehe Securities Act of 1933 Rule 903(b)(2). Für Zwecke von Regulation S, ist eine „US-Person“ im Allgemeinen ein Gebietsansässiger der Vereinigten Staaten. Siehe Securities Act of 1933 Rule 902(k). 4 Siehe Securities Act of 1933 Rule 903(b)(3). 5 Siehe Greene, Section 5.02[1][e].
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den Emittenten ab, sondern auch von der Art der späteren Angebote und Wiederverkäufe. 82
Das Gesetz enthält keine klaren Definitionen dieser Voraussetzungen, aber die SEC und die Rechtsprechung hat diese im Wege der Auslegung konkretisiert. Ein entscheidender Faktor ist dabei die Fachkundigkeit der Anleger und die Frage, ob die potentiellen Käufer der Wertpapiere über ausreichende Kenntnisse verfügen, so dass sie den Schutz eines Registrierungsdokuments nicht benötigen1. Nach der Rechtsprechung sollen die Anleger auch Zugriff auf das gesamte veröffentlichte Informationsmaterial im Zusammenhang mit der Platzierung haben2. Die Zahl der Angebotsempfänger ist ebenfalls ein Faktor bei der Entscheidung, ob es sich um ein öffentliches oder privates Angebot handelt3. Die Emittenten müssen darüber hinaus das Einverständnis der Käufer einholen, dass sie die Wertpapiere nur unter Umständen weiterverkaufen, die die Befreiung des Emittenten von der Registrierungspflicht nicht gefährden4.
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Zusammenfassung von Angeboten: Wenn ein Emittent den Versuch unternimmt, zwei oder mehr Angebote aufgrund der Ausnahmeregelung für Privatplatzierungen durchzuführen, kann die SEC diese Angebote als ein einheitliches, zusammengefasstes Angebot behandeln. Die Auswirkungen einer solchen Zusammenfassung verschiedener Angebote können gravierend sein, da es unwahrscheinlich ist, dass auch das zusammengefasste Angebot unter eine Befreiungsregelung fällt, und der Emittent damit gegen den Securities Act verstoßen würde.
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Für den Fall, dass keine Safe Harbor-Regelung (wie vorstehend beschrieben) anwendbar ist, hat die SEC eine Liste von fünf Faktoren aufgestellt, die sie bei ihrer Entscheidung berücksichtigt, ob Angebote zusammenfasst werden5: – – – – –
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sind die Angebote Teil eines einheitlichen Finanzierungsplans, sind die Angebote mit der Ausgabe derselben Klasse von Wertpapieren verbunden, sind die Angebote gleichzeitig oder in kurzem zeitlichen Abstand erfolgt, ist dieselbe Art der Vergütung erhältlich und sind die Angebote zu demselben allgemeinen Zweck erfolgt.
Regulation D: Um einige Unsicherheiten in Bezug auf Section 4(2) auszuräumen und die Kapitalaufnahme kleinerer Gesellschaften zu erleichtern, hat die SEC 1982 die Safe Harbor-Regelung nach Regulation D eingeführt6. Regulation D räumt Emittenten ebenfalls eine Befreiungsmöglichkeit von den Registrierungspflichten des Securities Act ein.
1 Siehe Securities and Exchange Commission v. Ralston Purina Co., 346 U.S. 119 (1953). 2 Siehe, z.B., Basic Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224 (1988). Siehe auch Final Rule: Notice of Adoption of Rule 146 under the Securities Act of 1933, SEC Release No. 33-5487 (1974). In der Tat haben einige Gerichte entschieden, dass der Emittent tatsächlich dieselbe Art von Informationsmaterial an die Angebotsempfänger verteilen muss, die auch in einem offiziellen Registrierungsdokument enthalten sein würde, sowie Zugang zu etwaigen zusätzlichen Informationen gewähren muss, die die Anleger verlangen. 3 Siehe Ralston Purina, 346 U.S. 119. 4 Siehe Securities Act of 1933 Section 502(d). 5 Release: Section 3(a)(11) Exemption for Local Offerings, SEC Release No. 33-4434. 6 Siehe Release: Revision of Certain Exemptions from Registration for Transactions Involving Limited Offers and Sales, SEC Release No. 33-6389.
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Regulation D erlaubt den Verkauf von Wertpapieren an bis zu 35 nicht-akkreditierte Investoren und eine unbegrenzte Zahl von akkreditierten Investoren1, die nach dieser Regelung wie folgt definiert sind2:
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– institutionelle Anleger wie Banken, Versicherungsunternehmen und Pensionspläne, – private Business Development-Unternehmen, – Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften, steuerbefreite Wohltätigkeitsorganisationen und Treuhandvermögen, die nicht zum Zweck des Erwerbs der fraglichen Wertpapiere eingerichtet wurden und Vermögenswerte von mehr als 5 Mio. USDollar hatten, – Mitglieder der Geschäftsleitung, leitende Angestellte und persönlich haftende Gesellschafter des Emittenten, – natürliche Personen mit einem Nettovermögen von mindestens 1 Mio. US-Dollar, – natürliche Personen mit einem individuellen Jahreseinkommen von mindestens 200 000 US-Dollar oder Ehegatten mit einem gemeinsamen Jahreseinkommen von mindestens 300 000 US-Dollar und – jede Gesellschaft, bei der alle Gesellschafter akkreditierte Investoren sind. Regulation D erfordert die Übergabe ausführlicher schriftlicher Informationen an alle Anleger, die keine akkreditierten Investoren sind3. Wiederverkäufe von Wertpapieren nach Regulation D unterliegen Beschränkungen, und der Emittent muss dafür Sorge tragen, dass die Käufer der Wertpapiere keine Konsortialbanken sind4. Regulation D räumt für alle Verkäufe, die mindestens sechs Monate vor Beginn oder sechs Monate nach Beendigung eines Angebots nach Regulation D stattfinden, eine Safe Harbor-Regelung ein, solange in keinem dieser Sechsmonatszeiträume Angebote oder Verkäufe derselben oder einer ähnlichen Klasse von Wertpapieren erfolgen.
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3. Section 4(11/ 2) Obwohl es sich hierbei nicht um eine offizielle Safe Harbor-Regelung der SEC oder eine gesetzliche Befreiungsmöglichkeit handelt, ermöglichen die Bedingungen vieler privat platzierter Wertpapiere den Investoren, diese Wertpapiere über die so genannte Befreiungsregelung nach Section „4(11/ 2)“ an Anleger weiterzuverkaufen, die diese Wertpapiere in der ursprünglichen Privatplatzierung hätten erwerben dürfen. Wieder-
1 Siehe Securities Act of 1933 Rules 505 und 506. In einem Angebot nach Rule 506 muss der Emittent vernünftigerweise der Ansicht sein, dass jeder Anleger Kenntnisse und Erfahrung in finanziellen und geschäftlichen Angelegenheiten hat, und dass er in der Lage ist, die Vorteile und Risiken der potentiellen Anlage einzuschätzen. Die Fachkenntnisse des Vertreters eines Käufers können die Fachkenntnisse des Käufers ergänzen oder ersetzen. 2 Siehe Securities Act of 1933 Rule 501. 3 Siehe Securities Act of 1933 Rule 502. 4 Die angemessene Sorgfalt ist wie folgt definiert: (1) angemessene Nachfragen, um festzustellen, ob der Käufer die Wertpapiere für sich selbst oder für andere Personen erwirbt; (2) schriftliche Offenlegung gegenüber jedem Käufer vor dem Verkauf, dass die Wertpapiere nicht im Rahmen des Securities Act registriert sind und daher, außer im Wege einer Registrierung oder aufgrund einer Befreiungsregelung, nicht weiterverkauft werden können; und (3) Anbringung einer Aufschrift auf der Urkunde, dass die Wertpapiere nicht registriert sind. Securities Act of 1933 Rule 502(d). Die SEC hat die Ansicht geäußert, dass diese Beschränkungen nicht erforderlich sind, wenn der Emittent sich bereiterklärt, die Wertpapiere eines Anlegers zu registrieren, wenn sie innerhalb eines Jahres nach dem Angebot weiterverkauft werden. Siehe Release: Interpretive Release on Regulation D, SEC Release No. 33-6455 (1983).
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verkäufe nach Section 4(11/ 2) werden generell als von den Registrierungsanforderungen des Securities Act befreit angesehen. 4. Rule 144A 89
Gleichzeitig mit der Einführung der Regulation S im Jahr 1990 führte die SEC Rule 144A im Rahmen des Securities Act ein1. Hintergrund war u.a. die Befürchtung, dass die US-Kapitalmärkte gegenüber ausländischen Märkten an Konkurrenzfähigkeit verlieren könnten2. Rule 144A ist darauf ausgerichtet, US-Privatplatzierungen für Investoren attraktiver zu gestalten, indem der Wiederverkauf (resale) von Wertpapieren, die im Rahmen nicht-öffentlicher Angebote erworben wurden, erleichtert wird. Wertpapiere nach Rule 144A dürfen nur an QIBs, wie nachstehend definiert, verkauft werden. Diese Anforderung basiert auf der Vorstellung, dass QIBs über ausreichende Kenntnisse verfügen, ihre eigene Anlageentscheidung zu treffen, ohne auf die nach dem Securities Act erforderlichen Offenlegungen angewiesen zu sein.
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Rule 144A ist eine ausschließlich den Wiederverkauf betreffende Befreiungsregelung; d.h. sie kann für Verkäufe durch den Emittentin nicht in Anspruch genommen werden. In der Praxis können Emittenten Rule 144A jedoch nutzen und tun dies auch häufig, insbesondere in Verbindung mit einem Angebot außerhalb der USA. Eine Emissionsbank kann Käufer für Wertpapiere nach Rule 144A akquirieren, und der Emittent kann diese Wertpapiere zunächst an die Emissionsbank im Wege einer Privatplatzierung nach 4(2) verkaufen. Dann kann die Emissionsbank diese Wertpapiere nach Rule 144A weiterverkaufen.
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Wertpapiere gemäß Rule 144A dürfen nur an QIBs verkauft werden3. Zu den QIBs zählen die folgenden Personen und Institutionen, sofern sie Wertpapiere im Wert von mindestens 100 Mio. US-Dollar nicht-verbundener Emittenten besitzen und Ermessensfreiheit zur Tätigung von Investitionen in solche Wertpapiere haben4:
a) Verkäufe ausschließlich an QIBs
– Versicherungsunternehmen, – Investmentgesellschaften, Business Development-Unternehmen und kleine Business Investment-Unternehmen, – Pensionsfonds und Treuhänder, die Vermögenswerte für Pensionspläne halten, – Wohltätigkeitsorganisationen, – Wertpapierhändler, die im Rahmen des Exchange Act registriert sind (der Schwellenwert für diese Kategorie beträgt nur 10 Mio. US-Dollar), – Anlageberater, die nach dem Investment Advisers Act (Gesetz über Anlageberater) registriert sind, – Händler, die als „Vermittler“ bei so genannten risikofreien Eigengeschäften (riskless principal transactions) tätig sind, – Mitglieder einer Gruppe von Investmentgesellschaften und – Kreditinstitute, die das 100 Mio. US-Dollar-Kriterium erfüllen und deren geprüftes Reinvermögen mindestens 25 Mio. US-Dollar beträgt. 1 Final Rule: Resale of Restricted Securities; Changes to Method of Determining Holding Period of Restricted Securities under Rules 144 and 145, SEC Release No. 33-6862. 2 Siehe Final Rule: Resale of Restricted Securities; Changes to Method of Determining Holding Period of Restricted Securities under Rules 144 and 145, SEC Release No. 33-6862. 3 Securities Act of 1933 Rule 144A(d)(1). 4 Securities Act of 1933 Rule 144A(a)(1).
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Platzierung und Börsenzulassung im Ausland
Der Verkäufer muss den Nachweis erbringen, dass der Käufer „bei vernünftiger Betrachtung“ ein QIB ist1. Gemäß Rule 144A bestehen dafür verschiedene Wege, einschließlich einer Prüfung der verfügbaren Finanzinformationen des Käufers (die bei der SEC eingereicht oder anderweitig öffentlich verfügbar sind) oder schriftlicher Bestätigungen leitender Angestellter des Käufers2. In der Praxis führen die Investmentbanken „QIB-Listen“.
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Der Verkäufer muss außerdem angemessene Schritte (reasonable steps) unternehmen, um dem Käufer mitzuteilen, dass er sich auf Rule 144A stützen könnte3. Hierfür ist in der Regel die schriftliche Mitteilung an den Käufer ausreichend. Im Rahmen einer Privatplatzierung enthält die Angebotsunterlage üblicherweise einen Warnhinweis, dass die Konsortialbanken von Rule 144A Gebrauch machen könnten.
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b) Anforderung der Nicht-Fungibilität Im Rahmen von Rule 144A verkaufte Wertpapiere müssen „nicht-fungibel“ sein, d.h. sie dürfen nicht derselben Klasse von Wertpapieren angehören, die an einer US-Wertpapierbörse eingeführt sind oder über das NASDAQ-System notiert werden4. Diese Anforderung liegt die Überlegung zu Grunde, dass Investoren nach Rule 144A weniger Informationen erhalten – und damit potentiell weniger Schutz – als sie beim Kauf von Wertpapieren erhalten hätten, die nach dem Securities Act registriert sind5. Die Anforderung der Nicht-Fungibilität verringert die Wahrscheinlichkeit, dass Wertpapiere gemäß Rule 144A in die Hände der Öffentlichkeit geraten, da die Wertpapiere einer anderen Klasse angehören als die öffentlich gehandelten.
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Eine unterschiedliche Bezeichnung allein genügt nicht, um eine eigene Klasse von Wertpapieren zu schaffen, und ob eine Neuemission von Aktien für Zwecke von Rule 144A als Teil derselben Klasse wie die ausstehenden und an einer Börse eingeführten oder notierten Wertpapiere angesehen werden, hängt davon ab, ob sie im Wesentlichen einen ähnlichen Charakter haben und ob ihre Inhaber im Wesentlichen dieselben Rechte und Privilegien haben. Schuldverschreibungen werden als fungibel angesehen, wenn die Konditionen in Bezug auf Zinssatz, Fälligkeit, Nachrangigkeit, Sicherheit, Wandelbarkeit, vorzeitige Rückzahlungsmöglichkeit, Rückzahlung und alle anderen wesentlichen Bedingungen überwiegend mit denen öffentlich gehandelter Wertpapiere identisch sind6.
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c) Lieferung von Informationen Rule 144A fordert, dass Verkäufer Zugang zu bestimmten Informationen über den Emittenten haben. Diese Anforderung ist erfüllt, wenn der Emittent ein Unternehmen ist, das den Berichtspflichten gemäß Section 13 oder 15(d) des Exchange Act7 unterliegt, oder wenn ein Emittent des Privatsektors seinen Sitz im Ausland hat und ist gemäß Rule 12g3-2(b) zu einer Befreiung von der Berichtspflicht berechtigt. Die SEC 1 2 3 4 5
Securities Act of 1933 Rule 144A(d)(1). Siehe Securities Act of 1933 Rule 144A(d)(1). Siehe Securities Act of 1933 Rule 144A(d)(2). Securities Act of 1933 Rule 144A(d)(3). Siehe Final Rule: Resale of Restricted Securities; Changes to Method of Determining Holding Period of Restricted Securities under Rules 144 and 145, SEC Release No. 33-6862 (1990). 6 Siehe Final Rule: Resale of Restricted Securities; Changes to Method of Determining Holding Period of Restricted Securities under Rules 144 and 145, SEC Release No. 33-6862 (1990). 7 In Bezug auf ausländische Emittenten des Privatsektors bedeutet dies Unternehmen, die Geschäftsberichte auf Form 20-F einreichen.
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hat neulich Änderungen zu Rule 12g3-2(b) angekündigt, welche die Vorschriften für die physischen Einreichungen abschaffen würde, indem Foreign Private Issuers, die bestimmte Anforderungen erfüllen, automatisch eine Befreiung nach Rule 12g3-2(b) gewährt wird1. Die Anforderungen sind u.a., dass (i) der Emittent ein Listing in einer ausländischen Rechtsordnung unterhält, welche den primären Markt für den Handel seiner Wertpapiere darstellt (d.h. 55 % oder mehr des Volumens für den Handel von den Wertpapieren des Emittentenfonds an solch einer Börse in einer ausländischen Rechtsordnung während des letzten vollständigen Geschäftsjahres der Emittenten) und, (ii) der Emittent bestimmte Offenlegungsdokumente in englischer Sprache auf seiner Website veröffentlicht, wie beispielsweise Jahresabschlüsse. Emittenten, die nicht in diese Kategorien fallen, müssen sich bereit erklären, jedem Inhaber bestimmte Informationen zu liefern, der diese für sich selbst oder für einen potenziellen Käufer verlangt2. Zu diesen Informationen zählen eine kurze Beschreibung der Geschäftstätigkeit des Emittenten sowie der durch ihn angebotenen Produkte und Dienstleistungen und die jüngste Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Entwicklung der freien Rücklagen und des Gewinnvortrags und ähnliche Finanzangaben des Emittenten für den Teil der vorangegangenen beiden Geschäftsjahre, in denen der Emittent sein Geschäft ausgeübt hat3. Soweit „angemessen verfügbar“ (reasonably available), sollten die Finanzangaben geprüft sein; darüber hinaus müssen sie zum Datum des Wiederverkaufs „hinreichend aktuell“ (reasonably current) sein4. Im Falle von Foreign Private Issuers werden die Informationen als „hinreichend aktuell“ angesehen, wenn sie den zeitlichen Anforderungen im Heimatland und Haupthandelsmarkt des Emittenten entsprechen5. d) Nicht-ausschließliche Befreiung 97
Rule 144A enthält eine ausdrückliche Vorschrift, nach der die Tatsache, dass Käufer von Wertpapieren eines Emittenten mit Blick auf einen Wiederverkauf nach Rule 144A kaufen könnten, keinen Einfluss darauf hat, ob der Emittent weitere Befreiungstatbestände in Anspruch nehmen kann, wie zum Beispiel Section 4(2) des Securities Act oder Regulation D6. Dieser Aspekt von Rule 144A berücksichtigt, dass die Befreiung für Privatplatzierungen wegfallen kann, wenn ein Käufer Wertpapiere im Rahmen einer Privatplatzierung „mit Blick auf ihren Vertrieb“ (with a view to reselling) erwirbt7. Die Anwendung dieses Konzepts auf Transaktionen nach Rule 144A würde dem Zweck dieser Regelung zuwiderlaufen.
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Wertpapiere, die gemäß Rule 144A verkauft werden, unterliegen jedoch weiterhin Beschränkungen („restricted securities“)8. Der öffentliche Vertrieb solcher beschränkten
1 Proposing Release: Exemption from Registration under Section 12(g) of the Securities Exchange Act of 1934 for Foreign Private Issuers, SEC Release No. 34-57350 (2008); SEC Votes to Modernize Disclosure Requirements to Help US Investors in Foreign Countries, SEC Release No. 2008-183. 2 Securities Act of 1933 Rule 144A(d)(4)(i). 3 Securities Act of 1933 Rule 144A(d)(4)(i). 4 Securities Act of 1933 Rule 144A(d)(4)(i). 5 Securities Act of 1933 Rule 144A(d)(4)(ii). 6 Siehe Securities Act of 1933 Rule 144A, vorläufige Anmerkung Nr. 7. 7 Siehe Securities Act of 1933 Rule 144A, vorläufige Anmerkung Nr. 7; siehe auch Final Rule: Resale of Restricted Securities; Changes to Method of Determining Holding Period of Restricted Securities under Rules 144 and 145, SEC Release No. 33-6862. 8 Securities Act of 1933 Rule 144A, vorläufige Anmerkung Nr. 6.
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(„restricted“) Wertpapiere, einschließlich von Wertpapieren nach Rule 144A, steht unter der Bedingung, dass eine Befreiung von der Registrierungspflicht möglich ist1. 5. Publizitätsbeschränkungen bei Angeboten, die von der Registrierungspflicht befreit sind Bei der Veröffentlichung von Angeboten, die von der Registrierungspflicht befreit sind, muss dafür Sorge getragen werden, dass die Publikation nicht die Befreiung oder die Freistellung von Section 5 des Securities Act gefährdet, auf die sich das Angebot stützt. Eine nicht ordnungsgemäße Publizität kann im Rahmen von Section 5 des Securities Act als „Angebot“ oder „Prospekt“ angesehen werden und außerdem gegen US-Vorschriften zur Bekämpfung betrügerischen Handelns verstoßen. In anderen Rechtsordnungen zulässige Marketingaktivitäten können in den Vereinigten Staaten verboten sein.
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a) Regulation S Wie zuvor erwähnt, steht die Inanspruchnahme von Regulation S unter der Bedingung, dass in den Vereinigten Staaten keine gezielten Verkaufsbemühungen durch den Emittenten oder einen Veräußerer erfolgen, einschließlich durch ihre jeweiligen verbundenen Unternehmen und jeder in ihrem Auftrag handelnden Person2. Aktivitäten, die gezielte Verkaufsbemühungen darstellen können, umfassen:
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– Postversand von Angebotsmaterial an US-Anleger, – Durchführung von verkaufsfördernden Seminaren in den Vereinigten Staaten und – die Schaltung von Anzeigen in Veröffentlichungen mit einer „hohen Auflage in den Vereinigten Staaten“ („general circulation in the United States“)3, in denen erwähnt wird, dass das Angebot der Wertpapiere nach Maßgabe von Regulation S in der „Restricted Press“4 erfolgt, soweit nicht die im Folgenden beschriebene Befreiungsregelung Anwendung findet. Das Einstellen von Angebots- oder Werbematerial (wie z.B. eines Prospekts) auf einer Website im Internet kann u.U. als eine Verkaufsbemühung in den Vereinigten Staaten angesehen werden. Die SEC hat darauf hingewiesen, dass ein Internet-Angebot keine Registrierung im Rahmen des Securities Act erfordert, soweit die Anbieter „angemessene Maßnahmen“ treffen, um Anleger in den Vereinigten Staaten von dem Angebot auszuschließen5.
1 Siehe generell Securities Act of 1933 Rule 144. 2 Siehe Securities Act of 1933 Rules 902(c) und 903(a)(2). 3 Generell hat eine Veröffentlichung eine „hohe Auflage in den Vereinigten Staaten“, wenn sie (i) in erster Linie zur Verbreitung in den Vereinigten Staaten bestimmt ist oder (ii) in den vergangenen 12 Monaten eine durchschnittliche Auflage von 15000 oder mehr Exemplaren pro Ausgabe in den Vereinigten Staaten hatte. 55 Fed. Reg. 18306, 18311, 2. Mai 1990; Securities Act Rule 902(c). 4 „Restricted Press“ erfasst (a) in den USA ansässige Print- oder Rundfunk- und Fernsehmedien, einschließlich ihrer internationalen Ausgaben, und (b) nicht in den USA ansässige Print- oder Rundfunk- und Fernsehmedien, die eine US-Ausgabe oder eine durchschnittliche Verbreitung in den USA von 15 000 oder mehr Exemplaren je Ausgabe haben. Siehe Securities Act of 1933 Rule 902(c). 5 Siehe International Series Release No. 1125, „Statement of the Commission Regarding Use of Internet Websites to Offer Securities, Solicit Securities Transactions or Advertise Investment Services Offshore“, März 23, 1998.
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b) Publizitätsverfahren nach Rule 144A und Section 4(2) 102
Wie zuvor erwähnt und weiter unten ausführlicher beschrieben, steht die Inanspruchnahme der Befreiungsregelung nach Section 4(2) unter dem Vorbehalt, dass weder der Emittent noch eine andere Person in dessen Auftrag die Wertpapiere durch irgendeine Form der allgemeinen Verkaufsförderung oder allgemeinen Werbung, anbietet oder verkauft1. Ein Verstoß gegen diese Beschränkung würde nicht nur die Befreiung einer ursprünglichen Privatplatzierung gefährden, sondern auch das Recht der Konsortialbanken in Frage stellen, sich bei anschließenden Wiederverkäufen der Wertpapiere in den Vereinigten Staaten auf Rule 144A zu berufen. c) Allgemeine Verkaufsförderung oder allgemeine Werbung umfasst u.a.:
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– alle Anzeigen, Artikel, Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die in einer Zeitung, einer Zeitschrift oder einem ähnlichen Medium veröffentlicht oder in Fernsehen oder Radio übertragen werden und – Seminare und Sitzungen, deren Teilnehmer im Wege der allgemeinen Verkaufsförderung oder allgemeinen Werbung eingeladen wurden2.
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Bestimmte Marketingaktivitäten durch die Konsortialbanken in Verbindung mit einem Angebot gemäß Rule 144A in den Vereinigten Staaten werden nicht als allgemeine Verkaufsförderung oder allgemeine Werbung angesehen. Zu diesen zählen schriftliche Mitteilungen, die ausschließlich an QIBs gerichtet sind, sowie Roadshows, zu denen nur QIB-Vertreter eingeladen und zugelassen werden. d) Ausnahmeregelungen für bestimmte Formen der Publizität
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Die Definitionen für gezielte Verkaufsbemühungen und allgemeine Verkaufsförderung enthalten jeweils Ausnahmeregelungen für (1) die Veröffentlichung einer Bekanntmachung durch den Emittenten eines geplanten nicht-registrierten Angebots gemäß Securities Act Rule 135c und (2) die Gewährung des Zugangs für Journalisten zu Pressekonferenzen, Sitzungen und schriftlichem Material außerhalb der Vereinigten Staaten gemäß Securities Act Rule 135e3.
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Securities Act Rule 135c kann nur von Unternehmen in Anspruch genommen werden, die den Berichtspflichten des Exchange Act unterliegen oder gemäß Securities Act Rule 12g3-2b des Exchange Act von diesen befreit sind4. Securities Act Rule 135c enthält eine Safe Harbor-Regelung für Bekanntmachungen (ob in Form einer Pressemitteilung, einer schriftlichen Mitteilung an die Aktionäre oder Mitarbeiter oder einer anderen veröffentlichen Erklärung), vorausgesetzt, dass sie: – nicht zum Zweck der Konditionierung des Marktes in den Vereinigten Staaten für die Wertpapiere genutzt werden5, 1 Siehe Securities Act of 1933 Rule 502(c). 2 Siehe Securities Act of 1933 Rule 502(c). 3 Die Anforderung, dass die Informationen allgemein zugänglich gemacht werden müssen, hat zu einiger Unsicherheit im Hinblick auf die in Europa allgemein übliche Praxis geführt, einer begrenzten Anzahl von Publikationen Einzelinterviews zu gewähren. Falls diese Publikationen eine US-Ausgabe haben oder in den USA weit verbreitet sind und solch ein Exklusivinterview veröffentlichen, könnte dies als eine gezielte Verkaufsbemühung angesehen werden. Es ist außerdem zu beachten, dass routinemäßige Unternehmensmitteilungen nicht als eine gezielte Verkaufsbemühung angesehen werden. Siehe SEC Release No. 33-6863 (1990). 4 Siehe Securities Act of 1933 Rule 135c(a). 5 Securities Act of 1933 Rule 135c(a)(1).
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– nur die begrenzten in Securities Act Rule 135c genannten Informationen enthalten, die sich auf das geplante nicht-registrierte Angebot beziehen (insbesondere die Namen der Konsortialbanken dürfen nicht aufgenommen werden)1, – erwähnen, dass die Wertpapiere nicht im Rahmen des Securities Act registriert werden oder wurden und nicht in den Vereinigten Staaten angeboten oder verkauft werden dürfen, soweit keine Registrierung oder anwendbare Befreiung von der Registrierungspflicht vorliegt2 und – der SEC nach Form 6-K oder gemäß Rule 12g3-2(b) vorgelegt werden3. Rule 135e sieht unter den nachfolgenden Voraussetzungen eine Safe Harbor-Regelung für Pressekonferenzen im Ausland, Zusammenkünfte im Ausland mit Vertretern des Emittenten und etwaigen abgebenden Aktionären sowie für im Ausland veröffentlichte Pressemitteilungen vor4: – das Angebot erfolgt durch einen Foreign Private Issuer mindestens teilweise außerhalb der Vereinigten Staaten5, – sowohl US-amerikanischen als auch ausländischen Journalisten wird Zugang gewährt6 und – das schriftliche Pressematerial muss den Hinweis enthalten, dass es kein Angebot zum Verkauf von Wertpapieren in den Vereinigten Staaten darstellt, dass die Wertpapiere, soweit keine Registrierung oder eine Befreiung von der Registrierungspflicht vorliegt, in den Vereinigten Staaten nicht angeboten oder verkauft werden dürfen, dass jedes öffentliche Angebot im Wege eines Prospekts erfolgen wird, der beim Emittenten oder den abgebenden Aktionären erhältlich ist und ausführliche Informationen über den Emittenten und seine Geschäftsleitung sowie Jahresabschlüsse und gegebenenfalls eine Erklärung hinsichtlich der Absicht des Emittenten oder der abgebenden Aktionäre enthält, die Wertpapiere in den Vereinigten Staaten zu registrieren, und darf keinen Kaufauftrag oder Abschnitt enthalten, der zurückgeschickt werden kann, um Interesse an dem Angebot zu bekunden7.
1 Securities Act of 1933 Rule 135c(a)(3). Informationen müssen sich auf den Namen des Emittenten, die Bezeichnung, den Betrag, die wesentlichen Konditionen der angebotenen Wertpapiere, den Teilbetrag des Angebots, der etwa durch die abgebenden Aktionären angeboten wird, den Zeitpunkt des Angebots, eine kurze Erklärung zur Art und zum Zweck des Angebots ohne Nennung der Konsortialbanken, sowie jede nach bundesstaatlichem oder ausländischem Recht erforderliche Erklärung oder Aufschrift beschränken. Bestimmte zusätzliche Informationen sind im Falle von Bezugsrechtsangeboten, Umtauschangeboten und Angeboten an die Belegschaft zulässig. 2 Securities Act of 1933 Rule 135c(a)(2). 3 Securities Act of 1933 Rule 135c(d). 4 Beim Erlass dieser Mitteilung wies die SEC darauf hin, dass die Safe Harbor-Regelung Folgendes nicht abdeckt: (a) Konferenzschaltungen mit einem oder mehreren Teilnehmern in den Vereinigten Staaten, (b) spätere Pressekontakte, wenn der (US- oder Auslands-) Journalist sich zu diesem Zeitpunkt in den Vereinigten Staaten befindet, (c) bezahlte Anzeigen oder (d) Research-Berichte von Analysten. Siehe Final Rule: Offshore Press Conferences, Meetings with Company Representatives Conducted Offshore and Press-Related Materials Released Offshore, SEC Release No. 33-7470 (1997). 5 Securities Act of 1933 Rule 135e(a)(1). 6 Securities Act of 1933 Rule 135e(a)(2). 7 Securities Act of 1933 Rule 135e(a)(3)(b). Aus technischer Sicht finden diese Anforderungen nur Anwendung, wenn das schriftliche Material sich auf ein Angebot bezieht, bei dem gegenwärtig oder künftig Wertpapiere in den Vereinigten Staaten angeboten werden (ob registriert oder von der Registrierungspflicht befreit). Siehe Securities Act of 1933 Rule 135e(a)(3). Die SEC hat angegeben, dass die Anforderungen sich nicht auf Angebote beziehen, bei denen Wert-
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e) Folgen nicht ordnungsgemäßer Publizität 108
Nicht ordnungsgemäße Publizität kann dazu führen, dass die Befreiungsmöglichkeiten für ein Angebot nach Rule 144A oder Regulation S entfallen, so dass aus diesem Angebot ein unrechtmäßiges, nicht-registriertes Angebot in den Vereinigten Staaten wird. Ein Käufer der Wertpapiere kann dann eine Klage auf eine Rückabwicklung des Kaufs der Wertpapiere (woraufhin ihm die gezahlte Vergütung, zuzüglich Zinsen, erstattet wird, abzüglich des daraus etwa erzielten Ertrags) oder, falls er die Wertpapiere nicht mehr besitzt, auf Schadensersatz erheben1.
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Die SEC verfügt außerdem über ein aktives Überwachungsprogramm und kann eine Untersuchung einleiten, wenn Publikationen in Bezug auf ein Angebot in den Vereinigten Staaten erscheinen, insbesondere wenn Erklärungen einem Teilnehmer am Angebot zuzuordnen sind. In der Praxis kann die SEC ein Angebot verzögern oder verschieben, um die Auswirkungen einer nicht ordnungsgemäßen Publizität während eines „cooling-off“-Zeitraums auslaufen zu lassen. Die SEC kann außerdem verlangen, dass die an der Verbreitung der nicht ordnungsgemäßen Publizität beteiligten Konsortialbanken aus dem Konsortium ausgeschlossen werden.
IV. Die EU-Prospektrichtlinie 110
Mit dem Ziel der europaweiten Harmonisierung der Vorschriften für die Erstellung, die Billigung und die Verbreitung von Börsenzulassungs- und Verkaufsprospekten ist Ende 2003 die EU-Prospektrichtlinie in Kraft getreten2. Die EU-Prospektrichtlinie stellt die Basis für einen einheitlichen europäischen Wertpapiermarkt dar, indem sie eine einheitliche Prospektregelung für öffentliche Angebote und die Zulassung zum Handel von Wertpapieren an geregelten Märkten einführt3. Alle Wertpapiere, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, unterliegen damit grundsätzlich der Prospektpflicht4. Die Richtlinie regelt darüber hinaus den Prospekt selbst betreffende Erfordernisse, wie z.B. Prospektformat, -aufbau und -inhalt5, die Sprache des Prospekts6 und Prospektprüfung, -hinterlegung und -veröffentlichung7. Konkrete Regelungen hinsichtlich der Prospektanforderungen finden sich in der von der Europäischen Kommission im April 2004 verabschiedeten Verordnung zur Durchführung
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papiere vollständig im Ausland angeboten und verkauft werden, da für solche Angebote ein weniger großes Interesse seitens der US-Anleger bestehen dürfte. Siehe Final Rule: Offshore Press Conferences, Meetings with Company Representatives Conducted Offshore and PressRelated Materials Released Offshore, SEC Release No. 33-7470. Securities Act of 1933 Section 12(a)(1) sieht diesen privaten Klagegrund gegen jede Person vor, die ein Wertpapier in Verbindung mit einem Verstoß gegen die Registrierungs- und Prospektvorschriften von Section 5 des Securities Act of 1933 anbietet oder verkauft. Siehe diesbezüglich oben Rz. 32 ff. Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. EG Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64). Art. 1 Abs. 1 Prospektrichtlinie. Art. 3 Abs. 1, 3 Prospektrichtlinie. Bestimmte Wertpapiere sind jedoch vom Anwendungsbereich der EU-Prospektrichtlinie ausgenommen. Siehe Art. 1 Abs. 2 lit. a) bis i) Prospektrichtlinie. Art. 5, 7 Prospektrichtlinie. Art. 19 Prospektrichtlinie. Art. 13, 14 Prospektrichtlinie.
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der Prospektrichtlinie1. Die Verordnung enthält u.a. für verschiedene Arten von Wertpapieren unterschiedliche Mindestvorschriften für die Offenlegung von Informationen im Prospekt (näher hierzu oben § 9 Rz. 9 ff.).
V. Wertpapieremissionen in Frankreich2 1. Öffentliche Angebote a) Gesetzlicher Rahmen Die Aufsicht über den französischen Wertpapiermarkt wird von der französischen Aufsichtsbehörde für Finanzmärkte Autorité des Marchés Financiers (die AMF) durchgeführt, der auch die Billigung des Prospektes obliegt (siehe unten).
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Öffentliche Angebote von Wertpapieren sind in Frankreich geregelt in: – Artikel L.411-1 bis L.412-4, Artikel D.411-1 bis D.411-4 und L.621-8 bis L.621-8-3 des französischen Währungs- und Finanzgesetzbuchs (Code monétaire et financier); – Artikel 211-1 bis 215-1 der französischen Allgemeinen Verordnung der AMF (Buch II, Abschnitt I in Bezug auf die Emission von Finanzinstrumenten an ein breites Publikum) (die Französische Verordnung); und – der Bestimmung Nr. 2005-11 der AMF vom 13.12.2005 in Bezug auf die Offenlegungsanforderungen bei öffentlichen Angeboten (die Französische Ausführungsbestimmung) in ihrer aktuellen Fassung. b) Pflicht zur Erstellung eines Prospektes Beabsichtigt ein Emittent ein öffentliches Angebot seiner Wertpapiere in Frankreich bzw. ihre Zulassung zum Handel an einem französischen regulierten Markt, so ist er verpflichtet, einen nach Maßgabe der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 (die Prospektrichtlinie) und eines der in der Kommissionsverordnung (EG) Nr. 809/2004 vom 29.4.2004 (die Kommissionsverordnung) festgelegten Formate und Module erstellten Prospekt zur Verfügung zu stellen.
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Es sind die beiden folgenden Fallkonstellationen zu unterscheiden:
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– das Angebot von Wertpapieren (Dividendenwerte, Wertpapiere, die zu Kapital- und Schuldinstrumenten mit einem Nennbetrag von unter 1 000 Euro Zugang gewähren) in Frankreich oder die Zulassung solcher Wertpapiere an einem französischen regulierten Markt, die von einem französischen Emittenten oder einem Emittenten mit Sitz in einem Nicht-EWR-Land, für den Frankreich das erste Angebotsland im EWR ist oder für den der französische regulierte Markt der Markt der ersten Zulassung zu einem europäischen regulierten Markt ist; und – das Angebot von Wertpapieren (Dividendenwerte, Wertpapiere, die zu Kapital- und Schuldinstrumenten mit einem Nennbetrag von unter 1 000 Euro berechtigen) in Frankreich oder die Zulassung solcher Wertpapiere, die von einem nichtfranzösischen europäischen Emittenten bzw. einem in einem Nicht-EWR-Land gegründe1 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission (ABl. EU Nr. L 149 v. 30.4.2004, S. 1 ff. mit Berichtigung in ABl. EU Nr. L 186 v. 18.7.2006, S. 17 ff.) zur Durchführung der Prospektrichtlinie 2003/37/EG (ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64 ff.), geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1787/2006 vom 4.12.2006 (ABl. EU Nr. L 337 v. 5.12.2006, S. 17 ff.) und die Verordnung (EG) Nr. 211/2007 vom 27.2.2007 (ABl. EU Nr. L 61 v. 28.2.2007, S. 24 ff.). 2 Der Verfasser dankt Catherine Maison-Blanche, Sean Barrett und Céline Sureau für ihre Unterstützung bei der Erstellung dieses Abschnitts.
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ten Emittenten emittiert werden, am französischen regulierten Markt, wobei Frankreich nicht als erstes Angebotsland im EWR bzw. ein nichtfranzösischer regulierter Markt als Markt der ersten Zulassung zu einem europäischen regulierten Markt fungiert. 114
aa) Billigung des Prospektes durch die AMF. In diesem Fall müssen die emittierten oder veräußerten Wertpapiere Gegenstand eines herausgegebenen Prospektes gemäß der Französischen Verordnung und der Französischen Ausführungsbestimmung sein. Der Prospektentwurf wird bei der AMF zur Billigung eingereicht.
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Der Prospekt kann in Form eines einzigen Dokuments oder in Form von mehreren Einzeldokumenten erstellt werden1. Ein aus mehreren Einzeldokumenten bestehender Prospekt sollte Folgendes umfassen2: – Ein Registrierungsdokument (document de reference) (sofern dieses Registrierungsdokument zuvor durch die AMF eingetragen bzw. genehmigt wurde), oder, im Zusammenhang mit einer Neuemission bzw. einer ersten Notierung der Wertpapiere, ein Basisdokument (document de base) mit Angaben zum Emittenten; – eine Wertpapierbeschreibung (note d’opération) mit Angaben zu den betreffenden Wertpapieren; und – eine kurze, allgemein verständliche Zusammenfassung (résumé) der wesentlichen Merkmale und Risiken in Bezug auf den Emittenten, jeden Garantiegeber und die betreffenden Wertpapiere.
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Ein Emittent, der bereits ein Registrierungsdokument bei der AMF3 eingereicht hat, muss lediglich eine Wertpapierbeschreibung und eine Zusammenfassung erstellen. Sollten seit der Billigung des letzten aktualisierten Registrierungsdokuments bzw. eines etwaigen Nachtrags zu dem erstellten Prospekt wesentliche Veränderungen eingetreten sein bzw. neue Entwicklungen vorliegen, welche die Anleger in ihrer Entscheidungsfindung beeinflussen könnten, sind die Angaben, die normalerweise in dem Registrierungsdokument anzugeben wären, in die Wertpapierbeschreibung aufzunehmen.
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In den Prospekt sind sämtliche Angaben aufzunehmen, die im Hinblick auf den Emittenten und die betreffenden Wertpapiere notwendig sind, um Anleger in die Lage zu versetzen, Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, Finanzlage, Gewinne und Verluste des Emittenten, jedes Garantiegebers der betreffenden Finanzinstrumente sowie die mit den emittierten Wertpapieren verbundenen Rechte und Bedingungen sachgerecht beurteilen zu können. Diese Angaben sollten in leicht analysierbarer und verständlicher Form4 erfolgen.
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Zur Billigung eines Prospekts durch die AMF müssen die Emittenten neben einem Prospektentwurf eine Vielzahl von Unterlagen einreichen, die in der Französischen Ausführungsbestimmung festgelegt sind. Diese Unterlagen umfassen insbesondere: – bestimmte gesetzliche Unterlagen in Bezug auf den Emittenten (insbesondere eine Ausfertigung der aktualisierten Satzung des Emittenten, eine beglaubigte Abschrift 1 Siehe Artikel 212-9-I der Französischen Verordnung. 2 Siehe Artikel 212-9-II der Französischen Verordnung. 3 Das Registrierungsdokument ist nach seiner Offenlegung für einen Zeitraum von zwölf Monaten gültig, sofern es in geeigneter Weise aktualisiert wurde (siehe Artikel 212-24 der Französischen Verordnung). 4 Siehe Artikel 212-7 der Französischen Verordnung.
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des Protokolls der Hauptversammlung, die den Beschluss zur Begebung von Wertpapieren, für welche die Zulassung an einem regulierten Markt angestrebt wird, enthält, die Gesellschafterverträge); – bestimmte Rechnungslegungsunterlagen des Emittenten, einschließlich (i) der geprüften historischen Finanzinformationen zu den letzten drei Geschäftsjahren (bzw. zu dem jeweils kürzeren Zeitraum, in dem der Emittent wirtschaftlich tätig war), der General- und Sonderprüfungsberichte des Abschlussprüfers über die historische Muttergesellschaft und des konsolidierten Jahresabschlusses, zusammen mit sämtlichen Sonderprüfungsberichten, in den von der Prospektrichtlinie und der Kommissionsverordnung festgelegten Fällen1, (ii) den veröffentlichten Zwischenabschluss und den Prüfungsbericht des Abschussprüfers, und (iii), sofern dies angemessen scheint, die Gewinnprognosen und -schätzungen und/oder die nach Maßgabe der Bestimmungen in der Kommissionsverordnung zusammengestellten Pro-forma-Finanzinformationen zusammen mit den satzungsgemäßen Prüfungsvermerken sowie sämtlichen weiteren für die Transaktion aufbereiteten finanzbezogenen Informationen; und – allgemeine Unterlagen (insbesondere geplanter Terminplan für die Transaktion, sämtliche Due Diligence-Berichte, Pressespiegel zum Emittenten). Emittenten mit Sitz in einem Nicht-EWR-Staat müssen die internationalen Rechnungslegungsgrundsätze anwenden, die gemäß dem in Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 festgelegten Verfahren bzw. gemäß den mit diesen Rechnungslegungsgrundsätzen gleichzusetzenden Rechnungslegungsstandards eines Drittlandes angenommen wurden2. Sämtliche bei der AMF durch diese Emittenten eingereichten Unterlagen können wahlweise in Französisch oder Englisch abgefasst sein. Im Falle übersetzter Unterlagen ist die Übereinstimmung der Übersetzung mit dem Original zu bescheinigen3.
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In den Prospekt ist eine durch die gesetzlichen Vertreter des Emittenten unterzeichnete Haftungserklärung (attestation) gemäß dem in Artikel 2 der Französischen Ausführungsbestimmung enthaltenen Muster aufzunehmen. Mit dieser Erklärung bestätigen die Unterzeichnenden nach bestem Wissen und Gewissen die Richtigkeit und Vollständigkeit der im Prospekt enthaltenen Informationen4.
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In dieser Haftungserklärung (attestation) ist zudem anzugeben, dass der Emittent von seinen Abschlussprüfern ein Abschlussschreiben (lettre de fin de travaux) erhalten hat, in der diese bestätigen, dass sie ihre Berufsstandards bei der Überprüfung des gesamten Prospektes angelegt haben. Wenn es angemessen erscheint, muss der Emittent sämtliche wesentlichen Feststellungen der Abschlussprüfer anzeigen5.
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1 Sollte der Emittent seit dem Datum seines letzten geprüften Jahresabschlusses viertel- oder halbjährliche Finanzinformationen veröffentlicht haben, sind diese in den Prospekt aufzunehmen (siehe Ziff. 20.6 von Anhang I der Kommissionsverordnung). Das letzte Geschäftsjahr der geprüften Finanzinformationen darf jedenfalls nicht länger zurückliegen als (a) 18 Monate ab dem Datum der Registrierungsunterlagen, wenn der Emittent einen geprüften Zwischenabschluss in das Registrierungsdokument aufnimmt, (b) 15 Monate ab dem Datum des Registrierungsdokuments, wenn der Emittent einen ungeprüften Zwischenabschluss in das Registrierungsdokument aufnimmt (siehe Ziff. 20.5.1 von Anhang I der Kommissionsverordnung). 2 Die Europäische Kommission hat die allgemein anerkannten Grundsätze der Rechnungslegung in den USA (US GAAP) bis zur endgültigen Konvergenz der US-amerikanischen und europäischen Bestimmungen für die Erstellung eines Prospektes anerkannt. 3 Siehe Artikel 4 Absatz 2 der Französischen Ausführungsbestimmung. 4 Siehe Artikel 212-14 Absatz 2 der Französischen Verordnung. 5 Siehe Artikel 212-14 Absatz 3 der Französischen Verordnung.
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Daher ist vom Emittenten eine Kopie des Abschlussschreibens an die AMF zu übersenden, bevor diese den Prospekt billigt. Sollte die Meldung Feststellungen enthalten, hat die AMF bei der Überprüfung des Prospektes angemessene Maßnahmen zu ergreifen1. 122
Sobald die AMF die Unterlagen als vollständig ansieht, sendet sie dem Emittenten eine Empfangsbestätigung (avis de dépôt) und gibt ihre Billigung bei einem ersten öffentlichen Angebot (première opération par appel public à l’épargne) innerhalb von zwanzig Handelstagen, anderenfalls innerhalb von zehn Handelstagen bekannt2. Wenn der Emittent bereits ein bei der AMF gemäß Artikel 212-13 der Französischen Verordnung registriertes Registrierungsdokument erstellt hat, darf er nicht später als fünf Handelstage vor dem geplanten Datum der Billigung eine Wertpapierbeschreibung einreichen3. Sollte die AMF bei der Überprüfung des Dossiers feststellen, dass die Unterlagen unvollständig sind bzw. dass zusätzliche Informationen aufzunehmen sind, beginnen die genannten Fristen erst dann, wenn die betreffenden zusätzlichen Informationen bei der AMF eingehen4.
123
Das Basisdokument ist vom Emittenten zu verbreiten, sobald er von der AMF eine Registrierungsbestätigung (avis d’enregistrement) erhalten hat, keinesfalls jedoch später als fünf Handelstage vor dem geplanten Datum der Billigung des vollständigen Prospektes5.
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Diese Registrierungsbestätigung wird ausgestellt, sobald die französische Marktaufsicht die Vollständigkeit und Verständlichkeit des Basisdokuments sowie die ordnungsgemäße Darstellung der darin enthaltenen Informationen geprüft hat. Die AMF kann vor einer solchen Registrierungsbestätigung Erläuterungen oder Nachweise in Bezug auf Situation, Geschäftstätigkeit und Ergebnisse des Emittenten sowie in Bezug auf jeden Garantiegeber der bei der Transaktion betroffenen Wertpapiere verlangen. Während der von ihr durchgeführten Prüfung kann sie die Abänderung bzw. Vervollständigung der in dem Prospektentwurf enthaltenen Informationen verlangen6.
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Der vollständige Prospekt7 ist dem Publikum sobald wie möglich8 zur Verfügung zu stellen (sobald der Prospekt gebilligt wurde), in jedem Fall jedoch in einem angemes1 2 3 4 5 6 7
Siehe Artikel 212-15 II Absatz 3 der Französischen Verordnung. Siehe Artikel 212-21 und 212-22 der Französischen Verordnung. Siehe Artikel 212-21 Absatz 4 der Französischen Verordnung. Siehe Artikel 212-21 Absatz 5 der Französischen Verordnung. Siehe Artikel 212-23-5 der Französischen Verordnung. Siehe Artikel L. 621-8-1 des französischen Währungs- und Finanzgesetzbuches. Wenn die Wertpapiere ausschließlich in Frankreich bzw. in einem oder mehreren anderen EGMitgliedstaaten oder EWR-Staaten einschließlich Frankreichs emittiert bzw. veräußert werden, ist der Prospekt in französischer Sprache zu erstellen. Im Wege einer Ausnahmeregelung kann er auch in englischer Sprache nebst einer französischen Übersetzung der Zusammenfassung erstellt werden, wenn es sich bei den Wertpapieren um Schuldinstrumente mit einem Nennbetrag von unter 1 000 Euro handelt oder wenn der Emittent seinen Sitz in einem NichtEWR-Staat hat und der Prospekt vor dem Hintergrund einer an Angestellte von verbundenen Unternehmen oder Niederlassungen in Frankreich gerichteten Wertpapieremission erstellt wird (siehe Artikel 212-12-I der Französischen Verordnung). Wenn die Zulassung zum Handel an einem regulierten Markt nur in Frankreich oder in einem oder mehreren anderen EG-Mitgliedstaaten oder EWR-Staaten einschließlich Frankreichs beabsichtigt ist, ist der Prospekt in französischer oder englischer Sprache zu erstellen. Wird er in englischer Sprache erstellt, so ist die Zusammenfassung in die französische Sprache zu übersetzen, es sei denn, die Zulassung zum Handel an dem in Artikel 516-18 der Französischen Verordnung genannten Teilmarkt wird beantragt (Segment für Notierungen ohne vorheriges öffentliches Angebot) (siehe Artikel 212-12-II der Französischen Verordnung). 8 Siehe Artikel 212-26 der Französischen Verordnung.
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senen zeitlichen Rahmen vor und spätestens zum Beginn der Transaktion; dies kann folgendermaßen durchgeführt werden: – durch Veröffentlichung in einer oder mehreren überregionalen oder weit verbreiteten Zeitungen (journaux à diffusion nationale ou à large diffusion); – durch kostenlose Zurverfügungstellungen am Sitz des Emittenten oder der Euronext oder der Finanzintermediäre, die die Instrumente platzieren bzw. mit ihnen handeln, einschließlich der Zahlstellen; – durch Veröffentlichung auf der Website des Emittenten und gegebenenfalls auf der Website der Finanzintermediäre, die die Instrumente platzieren oder mit ihnen handeln, einschließlich der Zahlstellen; oder – durch Veröffentlichung auf der Website des regulierten Marktes, für den die Zulassung zum Handel angestrebt wird. In jedem Fall ist von den Emittenten eine Hinweisbekanntmachung in einer oder mehreren Zeitungen zu veröffentlichen. Darin ist auszuführen, wie der Prospekt erhältlich ist. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass jedem Interessenten ein kostenloses Exemplar des Prospektes auf Verlangen zugesandt wird1.
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bb) Notifizierung eines Prospektes nach Frankreich. Bei der zweiten Fallkonstellation müssen die emittierten bzw. veräußerten Wertpapiere Gegenstand eines Prospektes sein, der von der zuständigen Behörde desjenigen EWR-Staates gebilligt wurde, in dem der Emittent seinen Sitz hat, und nach Frankreich notifiziert worden ist.
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Im Zusammenhang mit einer Notifizierung des Prospektes sind bestimmte Punkte zu befolgen:
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– Der Emittent muss eine englische Übersetzung des vollständigen Prospektes in der Fassung, die von der zuständigen Behörde seines Herkunftsstaats gebilligt wurde (sofern der Prospekt nicht ursprünglich auf Englisch abgefasst wurde), sowie eine französische Übersetzung der Zusammenfassung bereitstellen; und – der Emittent muss bei der zuständigen Behörde beantragen, dass diese der AMF eine Bescheinigung der Billigung (certificat d’approbation) samt einer Kopie des auf Englisch abgefassten bzw. ins Englische übersetzten Prospektes sowie der französischen Übersetzung der Zusammenfassung übermittelt. Der AMF muss eine elektronische Fassung der Übersetzung der Zusammenfassung zur Veröffentlichung auf ihrer Website zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus ist die AMF über die Art und Weise zu informieren, mittels derer der Prospekt veröffentlicht bzw. bekanntgegeben wird. Dieser Antrag kann mit der Einreichung des Prospektentwurfes bei der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats oder zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen2: – Erfolgt der Antrag auf Notifizierung mit Einreichung des Prospektentwurfes, so sind die vorstehend genannten Dokumente innerhalb eines Geschäftstages nach Billigung des Prospektes von der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats an die AMF zu übermitteln; – erfolgt der Antrag zu einem späteren Zeitpunkt, so sind die vorstehend genannten Dokumente innerhalb von drei Geschäftstagen nach Antragstellung von der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats an die AMF zu übermitteln.
1 Siehe Artikel 212-27 der Französischen Verordnung. 2 Siehe Artikel 17 und 18 der Prospektrichtlinie sowie Artikel 212-39 der Französischen Verordnung.
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Börsennotierung
Die Bescheinigung der Billigung wird zusammen mit der elektronischen Fassung der in die französische Sprache übersetzten Zusammenfassung von der AMF auf ihrer Website veröffentlicht. 130
Die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaats muss auf ihrer Website eine Liste der von ihr gebilligten Prospekte und die Bedingungen für die Verfügbarkeit dieser Prospekte veröffentlichen. Im Falle von grenzüberschreitenden Angeboten müssen Anleger in dem Aufnahmestaat die Website der zuständigen Behörde besuchen, um Informationen über die zur Verbreitung des Prospektes verwendeten Medien zu erhalten. Steht der Prospekt online zur Verfügung, so haben Anleger die Möglichkeit, die Website zu besuchen, auf der der Prospekt veröffentlicht wurde. Wird der Bescheid in einer Zeitung veröffentlicht, so muss die Region, in der dieser Bescheid veröffentlicht wird, der Region entsprechen, in der das Angebot gemacht wird.
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Zusätzlich zu diesem durch die Prospektrichtlinie und die Französische Verordnung festgelegten Notifizierungsverfahren müssen ausländische Emittenten bestimmte Anforderungen nach französischem Recht erfüllen: – Übersetzung der Satzung des Emittenten und Einreichung zweier beglaubigter Abschriften beim Handels- und Gesellschaftsregister des Handelsgerichts Paris (greffe du tribunal de commerce de Paris)1; – Einreichung zweier Abschriften eines durch die gesetzlichen Vertreter des Emittenten unterzeichneten Bogens mit Hintergrundinformationen (fiche de renseignements) bei dem genannten Register2; – Bestellung einer französischen, in Frankreich gegründeten Vertretungsstelle und einer Korrespondenzstelle in Frankreich durch den ausländischen Emittenten, die Korrespondenzstelle wickelt sämtliche Korrespondenz mit der AMF ab und kann mit der vorstehend genannten Vertretungsstelle identisch sein3; – vor Beginn des Angebots Veröffentlichung einer Mitteilung mit umfassenden Informationen über das Angebot in Bezug auf die ausgegebenen bzw. veräußerten Wertpapiere in dem französischen Amtsblatt Bulletin des Annonces Légales Obligatoires (BALO)4; und – im Falle einer Zulassung zum Handel an einem französischen regulierten Markt ist der Prospekt im Vorfeld Euronext Paris bekanntzugeben; außerdem ist eine Pariser Zahlstelle zu bestellen, deren Tätigkeit so lange dauert, wie die börsennotierten Wertpapiere ausstehen. c) IOSCO und gegenseitige Anerkennung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft
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Emittenten mit Sitz in einem Nicht-EWR-Staat können einen Prospekt entsprechend den Standards der Internationalen Organisation der Wertpapierkommissionen (International Organization of Securities Commissions, IOSCO) erstellen, der die gleichen Informationen enthält, die gemäß der Prospektrichtlinie erforderlich sind. In einem solchen Fall ist – mit Zustimmung der AMF – ein Abschlussprüfer zur Überprüfung der Übersetzung des Jahresabschlusses und des Anhanges Mitteilungen sowie der Re1 2 3 4
Siehe Artikel R. 123-115 des französischen Handelsgesetzbuches (Code de commerce). Siehe Artikel R. 123-116 des französischen Handelsgesetzbuches (Code de commerce). Siehe Artikel 216-1 der Französischen Verordnung. Diese Veröffentlichung entfällt ab dem 1.9.2008 (siehe Artikel 8 des Dekretes Nr. 2008-258 in Bezug auf die Veröffentlichung von finanzaufsichtsrechtlichen Informationen vom 13.3.2008, der Artikel 3 des Gesetzes vom 30.1.1907 ersetzt, welcher die Veröffentlichung in dem Bulletin des Annonces Légales Obligatoires vorschrieb).
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§ 11
Platzierung und Börsenzulassung im Ausland
levanz sämtlicher Nachträge und Anpassungen zu bestellen. Vom Abschlussprüfer ist eine Bescheinigung über seine Arbeit zu erstellen (lettre de fin de travaux) und dem Emittenten zu überlassen1. In Vorbereitung auf die erste Zulassung zum Handel an einem französischen regulierten Markt sollte der Prospektentwurf der AMF mit einem Dokument vorgelegt werden, das sämtliche relevanten Informationen enthält, die der Emittent in den vergangenen 12 Monaten im Staat seines Sitzes veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt hat. Dieses Dokument ist gegebenenfalls mit einem Zeitplan bevorstehender Veröffentlichungen und den Themen der Mitteilungen durch den Emittenten in den zwei Monaten nach dem Termin der Einreichung des Prospektentwurfes vorzulegen2. c) Fortlaufende Offenlegungspflichten Diejenigen ausländischen Emittenten, deren Herkunftsmitgliedstaat im Sinne der Prospektrichtlinie nicht Frankreich ist, (für die daher nicht die AMF zuständig ist) und deren Wertpapiere zum Handel an einem französischen regulierten Markt zugelassen werden, sind verpflichtet, Informationen offen zu legen einschließlich (i) der Mitteilungen die aufgrund der Transparenzrichtlinie vorzunehmen sind und (ii) weiterer Informationen, die gemäß den nationalen Gesetzen des Herkunftsmitgliedstaats spezifiziert sind; diese Angaben sind jeweils in Frankreich zu verbreiten.
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Der Status einer Publikumsgesellschaft (société faisant appel public à l’épargne) hat zur Folge, dass sämtliche ausländischen Emittenten, die ein öffentliches Angebot in Frankreich machen, in jedem Fall die von der Französischen Verordnung festgesetzten spezifischen Offenlegungsanforderungen erfüllen müssen (auch dann, wenn der ausländische Emittent an einem europäischen regulierten Markt notiert und die AMF nicht für ihn zuständig ist), einschließlich insbesondere der Offenlegung der Gesamtsumme der innerhalb der vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres an Abschlussprüfer gezahlten Gebühren, der Offenlegung aller Satzungsänderungen und der Offenlegung ihres internen Prüfungsberichtes nach Genehmigung des Jahresabschlusses (durch Veröffentlichung auf ihrer Website).
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Diejenigen ausländischen Emittenten, für die die AMF die zuständige Aufsichtsbehörde im Sinne der Prospektrichtlinie ist, müssen in Frankreich insbesondere die folgenden Dokumente offenlegen und bei der AMF einreichen:
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– einen Jahresbericht innerhalb von vier Monaten nach Ende eines jeden Geschäftsjahres (den Jahresabschluss und gegebenenfalls den Konzernabschluss, den Management-Bericht, Erläuterungen der Personen, die für diese Dokumente verantwortlich sind, und den Prüfungsbericht der Abschlussprüfer); – einen Halbjahresbericht innerhalb von zwei Monaten nach Ende der ersten sechs Monate des Geschäftsjahres; und – einen Zwischenbericht innerhalb von 45 Tagen nach Ende des ersten und dritten Quartals des Geschäftsjahres (für Emittenten, deren Dividendenwerte zum Handel an einem regulierten Markt zugelassen sind). Darüber hinaus sind sämtliche kursrelevanten Informationen schnellstmöglich zu veröffentlichen. 1 Siehe Artikel 4 der Französischen Ausführungsbestimmung sowie Artikel 212-36 und 212-37 der Französischen Verordnung. 2 Siehe Artikel 212-38 der Französischen Verordnung.
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§ 11
Börsennotierung
d) Werbung 136
Ist die AMF zuständige Aufsichtsbehörde, so ist jede Werbung und Bewerbung (communications à caractère promotionnel) in Verbindung mit einem öffentlichen Angebot in Frankreich vor ihrer Veröffentlichung oder Verbreitung bei der AMF einzureichen, sich auf den Prospekt beziehen und angeben, wo ein Exemplar des Prospektes für Anleger erhältlich ist. Jede Publikation oder Werbung muss deutlich als solche erkennbar sein, darf keine falschen oder irreführenden Angaben enthalten, muss Angaben enthalten, die mit den in dem Prospekt enthaltenen bzw. in diesen aufzunehmenden in Einklang stehen, und muss einen Hinweis enthalten, der das Anlegerpublikum auf den Abschnitt „Risikofaktoren“ aufmerksam macht. Die Publikation oder Werbung muss, sofern dies von der AMF verlangt wird, in Abhängigkeit von der Transaktion gegebenenfalls Warnhinweise bezüglich bestimmter außergewöhnlicher Merkmale des Emittenten, der möglichen Garanten oder der Finanzinstrumente enthalten1. Die AMF kann solche verkaufsfördernden Maßnahmen untersagen oder für den Zeitraum von zehn Handelstagen aussetzen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass sie die vorstehend genannten Bestimmungen verletzen2. e) Haftung
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Enthält der Prospekt falsche oder unvollständige Angaben, kann die AMF oder können unmittelbar die Anleger im Wege einer Klage gegen den Emittenten, seine Handlungsbevollmächtigten, die Finanzintermediäre und die Abschlussprüfer, die bei der Erstellung des Prospektes mitgewirkt haben, vorgehen. Jede für den Prospekt verantwortliche Person kann von einer Due Diligence Defence Gebrauch machen, wenn die betreffende Person nachweist, dass sie den Inhalt des Prospektes begründeterweise für richtig und unmissverständlich hielt. 2. Privatplatzierungen
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Die Begebung von Wertpapieren an eine unbestimmte Anzahl „qualifizierter Anleger“ (wie nachstehend definiert), die für eigene Rechnung handeln, oder an maximal „einhundert nichtqualifizierte französische Anleger“ stellt kein öffentliches Angebot nach französischem Recht dar. Somit ist sie von der Einreichung eines Prospektes bei der AMF befreit3. Dennoch ist es marktübliche Praxis, im Rahmen einer Privatplatzierung einen Verkaufsprospekt zu erstellen.
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Ein qualifizierter Anleger ist eine Person oder ein Rechtsträger, die bzw. der in der Lage ist, die mit einer Anlage in Wertpapiere verbundenen Risiken einzuschätzen. Eine Liste von als qualifiziert eingeordneten Anlegern ist aufgrund des Dekretes Nr. 98-880 vom 1.10.1998 in seiner aktualisierten Fassung in Form von Dekret Nr. 2006-557 vom 16.5.2006 und Dekret Nr. 2007-904 vom 15.5.2007 erstellt worden (Artikel D. 411-1 des französischen Währungs- und Finanzgesetzbuches). Zu den qualifizierten Anlegern zählen insbesondere Banken, Finanzinstitute und -organisationen wie z.B. Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAWs). Diese Liste ist um Unternehmen erweitert worden, die mangels einer Entscheidung ihrerseits zuvor nicht als qualifizierte Anleger eingestuft worden wären. Nach diesen
1 Siehe Artikel 212-18 der Französischen Verordnung. 2 Siehe Artikel L. 621-8-2 des französischen Währungs- und Finanzgesetzbuches. 3 Siehe Artikel L. 411-2 des französischen Währungs- und Finanzgesetzbuches.
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§ 11
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Veränderungen werden diese Unternehmen per Gesetz dann als qualifizierte Anleger eingestuft, wenn sie zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen: – Eine Mitarbeiterzahl von mehr als 250 Personen im Jahresdurchschnitt; – ein Bilanzvolumen von über 43 Mio. Euro; und – ein Umsatz bzw. Gesamterlös von über 50 Mio. Euro. Darüber hinaus können Privatpersonen und Rechtsträger, die den Status qualifizierter Anleger erlangen möchten, sich um die Anerkennung dieses Status bemühen. Hierzu bedarf es eines Antrags und einer Erklärung, dass die in Artikel D. 411-1-II des französischen Währungs- und Finanzgesetzbuches festgelegten Kriterien erfüllt sind. Danach erfolgt die Eintragung in ein von der AMF geführtes Register; auf den Status als qualifizierter Anleger kann jederzeit verzichtet werden. Hierfür sind die in der Französischen Verordnung beschriebenen Formalitäten zu erledigen1.
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Privatpersonen, die auf freiwilliger Basis den Status als qualifizierte Anleger erlangen möchten, müssen wenigstens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen2:
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– Halten eines Portfolios von Finanzinstrumenten mit einem Wert von über 500 000 Euro; – Durchführen von Transaktionen mit Finanzinstrumenten in Höhe von über 600 Euro pro Transaktion bei durchschnittlich wenigstens zehn Transaktionen pro Quartal in den vorausgegangenen vier Quartalen; und – Tätigkeit in einer Position im Finanzsektor, deren Ausübung Kenntnisse in der Anlage in Finanzinstrumente voraussetzt, für mindestens ein Jahr. Juristische Personen müssen wenigstens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen3: – Eine Mitarbeiterzahl von weniger als 250 Personen im Jahresdurchschnitt; – ein Bilanzvolumen von weniger als 43 Mio. Euro; und – ein Umsatz bzw. Gesamterlös von weniger als 50 Mio. Euro. Aufgrund des Anstiegs der Zahl von Privatplatzierungen mit anschließender Zulassung der Wertpapiere zum Handel an einem regulierten Markt änderte die AMF ihre Französische Verordnung4, um ausländischen Unternehmen mit Sitz in oder außerhalb der Europäischen Union eine Börsennotierung in Frankreich zu erleichtern und gleichzeitig einen angemessenen Schutz der Anleger zu gewährleisten. Der neue Mechanismus, der Bestandteil eines besseren aufsichtsrechtlichen Ansatzes der AMF ist, ermöglicht die Schaffung eines für die Notierung von nicht öffentlich angebotenen Wertpapieren vorgesehenen Segments auf dem regulierten Markt. Die Französische Verordnung wurde nach einer am 1.10.2007 begonnenen öffentlichen Anhörung erstellt.
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In diesem neuen Rahmen wird es einem Marktbetreiber ermöglicht, ein Segment auf seinem regulierten Markt für Notierungen ohne vorheriges öffentliches Angebot zu öffnen. Wertpapiere können in diesem Segment durch „technische Zulassung“ (cotation technique)5 oder im Anschluss an eine Privatplatzierung bei qualifizierten Anlegern notiert werden. Die neuen Bestimmungen sind daher an die Professionalität der
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1 Siehe Artikel 211-2-1 der Französischen Verordnung und AMF-Bestimmung Nr. 2006-06 v. 4.4.2006. 2 Siehe Artikel D. 411-1-II-2 des französischen Währungs- und Finanzgesetzbuches. 3 Siehe Artikel D. 411-1-II-1 des französischen Währungs- und Finanzgesetzbuches. 4 Siehe den am 14.12.2007 in dem französischen Amtsblatt Journal Officiel veröffentllichten Erlass zur Zulassung der Französischen Verordnung vom 7.12.2007. 5 Zulassung ohne vorherige Kapitalbeschaffung.
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§ 11
Börsennotierung
betreffenden Anleger angepasst und umfassen bestimmte Einschränkungen der besonderen Vorschriften der Französischen Verordnung. Sämtliche gesetzlichen und aufsichtsrechtlichen Bestimmungen aus europäischen Richtlinien, insbesondere der Prospekt- und Marktmissbrauchsrichtlinie1 sowie der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem regulierten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG und der Rechnungslegungsrichtlinien, die auf Emittenten anwendbar sind, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem regulierten Markt zugelassen sind, werden in diesem Segment durchgesetzt. Der Mechanismus bestehet aus zwei wesentlichen Komponenten: Vereinfachte Notierungsvorschriften: – Es bedarf keines Abschlussschreibens (lettre de fin de travaux) von Seiten der Abschlussprüfer; – es bedarf keiner Haftungserklärung (attestation) von Seiten der Anlagedienstleister; und – es bedarf keiner Übersetzung der Zusammenfassung in die französische Sprache, sofern sie in einer im Finanzsektor üblichen Sprache verfasst ist. Gestraffte Vorschriften über permanente und periodische Berichterstattung: – Sämtliche aufsichtsrechtlichen Informationen können in einer im Finanzsektor üblichen Sprache veröffentlicht werden; – es bedarf keiner Veröffentlichung der Abschlussprüfergebühren; und – es bedarf keiner Erstellung eines Pro-forma-Abschlusses zum Zwecke periodischer Berichterstattung. Darüber hinaus enthält die Französische Ausführungsbestimmung einen speziellen Abschnitt für Unternehmen, die eine Notierung ihrer Wertpapiere in diesem Segment beabsichtigen. Die gestrafften Maßnahmen für Notierungen in diesem Segment betreffen Folgendes: – Den bei der AMF einzureichenden Antrag als Teil der Überprüfung des Prospektentwurfes; und – die Verfahrensweisen bei der Überprüfung von Zulassungsanträgen. Darüber hinaus wurde die Empfehlung der AMF bezüglich der Verbreitung von Finanzinformationen mittels Printmedien durch an einem regulierten Markt notierte Unternehmen vom 20.1.2007 entsprechend aktualisiert.
1 Die Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), die Richtlinie 2003/124/EG vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, die Richtlinie 2003/125/EG vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG betreffend die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten, die Richtlinie 2004/72/EG vom 29. April 2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG betreffend zulässige Marktpraktiken, die Begriffsbestimmung von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, die Erstellung von Insider-Verzeichnissen, die Meldung von Eigengeschäften und die Meldung verdächtiger Transaktionen.
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Platzierung und Börsenzulassung im Ausland
VI. Wertpapieremissionen in Italien2 1. Öffentliche Angebote Öffentliche Angebote in Italien unterliegen dem Decreto Legislation n. 58 – Testo Unico della Finanza vom 24.2.1998 (das Konsolidierte Finanzgesetz) und den Durchführungsbestimmungen, die von der Commissione nazionale per le società e la borsa (CONSOB) erlassen wurden. Nach diesen Vorschriften ist ein „öffentliches Angebot“ definiert als eine Mitteilung an Personen in jeder Form und auf jede Art und Weise, in der ausreichende Informationen zu den Angebotsbedingungen und zu den anzubietenden Finanzprodukten3 enthalten sind, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Erwerb oder die Zeichnung dieses Finanzproduktes, einschließlich der von zugelassenen Finanzintermediären vorgenommenen Platzierung, zu entscheiden.
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Wer beabsichtigt, ein öffentliches Angebot zu unterbreiten, ist gemäß Artikel 94 des Konsolidierten Finanzgesetzes im Vorfeld des Angebots zur Veröffentlichung eines Prospekts verpflichtet. Im Falle von Angeboten für (i) EU-Finanzinstrumente4 (wenn Italien Herkunftsmitgliedstaat ist) und (ii) Finanzprodukte, die keine EU-Finanzinstrumente sind, ist die CONSOB in Kenntnis zu setzen und ihr eine Ausfertigung des Prospektes vor dessen Veröffentlichung zu übermitteln.
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Der Prospekt kann nach der Billigung durch die CONSOB veröffentlicht werden. Sollte das öffentliche Angebot Finanzprodukte betreffen, die bereits zugelassen oder an ein breites Publikum5 vertrieben worden sind, so kann die CONSOB innerhalb 2 Der Verfasser dankt Grazia Bonante für ihre Unterstützung bei der Erstellung dieses Abschnitts. 3 Finanzprodukte bezeichnen Finanzinstrumente, wie sie in der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in Financial Instruments Directive, „MIFID“) definiert sind, und jede sonstige Form von Anlagen finanzieller Natur, mit Ausnahme von Bank- oder Posteinlagen, die nicht durch Finanzinstrumente repräsentiert werden. 4 EU-Finanzinstrumente sind: übertragbare Wertpapiere (wie in der MIFID definiert) und Anteile an geschlossenen Fonds für gemeinsame Anlagen. 5 Nach Artikel 2– bis der CONSOB-Verordnung Nr. 11971 v. 14.5.1999 in ihrer aktuellen Fassung sind „Emittenten von Finanzprodukten, die an ein breites Publikum vertrieben werden“ („emittenti instrumenti finanziari diffusi fra il pubblico in misura rilevante“), wie folgt definiert: „1. Als Emittenten von Aktien, die an ein breites Publikum vertreiben werden, sind italienische Emittenten zu bezeichnen, die gleichzeitig: a) mehr als 200 Aktionäre mit einem Anteil von insgesamt mindestens 5 % des eingezahlten Aktienkapitals haben, ausgenommen Mehrheitsaktionäre; und b) denen es nach dem ersten Absatz von Artikel 2435-bis des italienischen Zivilgesetzbuches nicht gestattet ist, einen vereinfachten Jahresabschluss zu erstellen. 2. Die im vorausgehenden Abschnitt angegebenen Grenzen sind nur als überschritten anzusehen, wenn die Aktien entweder: – Gegenstand eines öffentlichen Angebots oder Gegenleistung eines Übernahmeangebots sind; oder – Gegenstand einer Platzierung sind, gleich in welcher Form und einschließlich einer den professionellen Anlegern (vgl. Definition in Artikel 100 des Konsolidierten Finanzgesetzes) vorbehaltenen Platzierung; oder – mit der Zustimmung des Emittenten oder des Mehrheitsaktionärs an einem alternativen Handelssystem gehandelt werden; oder – von Banken emittiert und in deren Haupt- oder Zweigniederlassungen erworben oder gezeichnet werden. 3. Emittenten, deren Aktien gesetzlichen Beschränkungen hinsichtlich ihrer Übertragung, einschließlich der Ausübung von mit den Aktien verbundenen wirtschaftlichen Rechten,
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§ 11
Börsennotierung
von 20 Geschäftstagen ab Erhalt der Mitteilung von dem Anbieter verlangen, zusätzliche Informationen in den Prospekt aufzunehmen. Betrifft das öffentliche Angebot Finanzprodukte, die weder zugelassen noch an ein breites Publikum vertrieben worden sind, ist die Veröffentlichung des Prospekts innerhalb von zehn Tagen nach Erhalt der Mitteilung durch die CONSOB zu billigen, sofern die Finanzprodukte von einem Emittenten begeben werden, der entweder bereits Finanzinstrumente, die an einem regulierten Markt zum Handel zugelassen sind, begeben oder Finanzinstrumente zuvor öffentlich angeboten hat. 147
Betrifft das öffentliche Angebot Finanzinstrumente, für die die Zulassung zum Handel an einem italienischen regulierten Markt angestrebt wird, so kann der Börsenzulassungsprospekt als Angebotsprospekt dienen, sofern Angaben, die dem Publikum zur Verfügung zu stellen sind, in dem Börsenzulassungsprospekt enthalten sind.
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Der Prospekt: Das italienische Recht schreibt vor, dass der Prospekt Angaben enthalten muss, die gemäß den Regelungen für öffentliche Angebote der besonderen Wesensart des Emittenten und der dem breiten Publikum anzubietenden oder zum Handel an einem regulierten Markt zuzulassenden Wertpapiere notwendig sind, um Anleger in die Lage zu versetzen, die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage, die Gewinne und Verluste und die Geschäftsaussichten des Emittenten und etwaiger Garantiegeber sowie die mit diesen Wertpapieren verbundenen Rechte zu beurteilen. Diese Angaben müssen leicht verständlich und umfassend sein.
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In den Prospekt sind insbesondere Angaben über den Emittenten und die öffentlich anzubietenden oder zum Handel an einem regulierten Markt zuzulassenden Wertpapiere aufzunehmen. Der Prospekt muss zudem eine Zusammenfassung enthalten, in der die wesentlichen Merkmale des Emittenten, etwaiger Garantiegeber und der Finanzinstrumente sowie die mit ihnen verbundenen Risiken kurz zu beschreiben sind. Die Zusammenfassung ist in der Sprache zu verfassen, in der der Prospekt erstellt wurde und ist mit dem Warnhinweis zu versehen, dass: – sie als Einführung des Prospektes zu lesen ist; – der Anleger jeder Entscheidung zur Anlage in die Finanzinstrumente auf eine Durchsicht des vollständigen Prospekts durch den Anleger stützen sollte; – im Falle einer Klage, die in Bezug auf die in einem Prospekt enthaltenen Informationen angestrengt wird, von dem Kläger verlangt werden kann, die Kosten für die Übersetzung des Prospektes vor Beginn des Verfahrens zu übernehmen; – diejenigen Personen, die für die Erstellung des Prospektes verantwortlich sind, für die in der Zusammenfassung (einschließlich ihrer Übersetzung) enthaltenen Informationen verantwortlich sind, nur dann zivilrechtlich haftbar gemacht werden können, wenn Letztere irreführend oder fehlerhaft sind oder im Widerspruch zu den übrigen Teilen des Prospektes stehen.
unterliegen oder deren Unternehmensgegenstand ausschließlich in dem Betreiben von nicht gewinnorientierten sozialen Aktivitäten oder in der Nutzziehung aus Produkten und Dienstleistungen durch die Gesellschafter besteht, fallen nicht unter die Definitionen eines Emittenten von weit verbreiteten Aktien. 4. Emittenten von weit gestreuten Anleihen bezeichnen italienische Emittenten mit einem Nettovermögen von mindestens fünf Millionen Euro und einer Zahl von über 200 Anleiheinhabern.“
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§ 11
Platzierung und Börsenzulassung im Ausland
2. Geltungsbereich von Billigungen zur Veröffentlichung eines Prospektes in der Europäischen Gemeinschaft und Anerkennung eines von der zuständigen Behörde eines anderen EU-Mitgliedstaats gebilligten Prospektes in Italien Die von der CONSOB zur Veröffentlichung gebilligten Prospekte (einschließlich aller Nachträge) sind für öffentliche Angebote von EU-Finanzinstrumenten auch in anderen EU-Mitgliedstaaten gültig, wenn kein öffentliches Angebot in Italien erfolgt, so billigt die CONSOB den Prospekt gemäß Artikel 94 des Konsolidierten Finanzgesetzes bezeichnete Genehmigung nur dann, wenn Italien der Herkunftsmitgliedstaat ist.
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Auf Antrag des Emittenten oder des Anbieters sind die nachstehend aufgeführten Unterlagen von der CONSOB innerhalb von drei Geschäftstagen ab dem Datum des Antrags oder innerhalb eines Geschäftstags ab Billigung, wenn der Antrag zusammen mit dem Prospektentwurf eingereicht wird, den zuständigen Behörden derjenigen EUMitgliedstaaten zur Verfügung zu stellen, in denen ein Angebot erfolgen soll:
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– eine Bescheinigung über die Erstellung des Prospektes nach Maßgabe der Richtlinie 2003/71/EG; – ein Exemplar des Prospektes; – falls verlangt, eine Übersetzung der Zusammenfassung in die Amtssprache der Mitgliedstaaten, in denen das öffentliche Angebot erfolgen werden soll. Der Emittent, der Anbieter oder die ansonsten für die Erstellung des Prospektes verantwortlichen Personen haften für diese Übersetzung. Soll das Angebot in Italien als Aufnahmemitgliedstaat erfolgen, kann der von der Behörde des Herkunftsmitgliedstaats gebilligte Prospekt in Italien veröffentlicht werden, sofern die CONSOB vorstehend genannte Unterlagen von der betreffenden Behörde erhält. Sämtliche Nachträge sind in Italien unter den gleichen Voraussetzungen zu veröffentlichen.
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Der Prospekt kann nach Wahl des Emittenten in italienischer oder in einer in der internationalen Finanzwelt gebräuchlichen Sprache, d.h. in englischer Sprache, erstellt werden. In letzterem Fall muss die Zusammenfassung in die italienische Sprache übersetzt werden.
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3. Befreiung von italienischen Regelungen zu öffentlichen Angeboten Italienische Regelungen betreffend öffentliche Angebote, einschließlich der Pflicht, zur Veröffentlichung eines Wertpapierprospektes, gelten nicht für Angebote: – die sich an nicht mehr als 100 Personen richten; – mit einem für zwölf Monate zu berechnenden Gesamtbetrag von maximal 2 500 000 Euro; – die Finanzprodukte mit einer Gesamtgegenleistung von mindestens 50 000 Euro pro Anleger für jedes einzelne Angebot einschließen; – für Finanzprodukte, deren Stückelung mindestens 50 000 Euro beträgt; – für Finanzprodukte, die von Vereinigungen mit Rechtspersönlichkeit oder Einrichtungen ohne Erwerbscharakter emittiert werden, um die von einem Mitgliedstaat anerkannt werden, die zur Erreichung ihrer nicht erwerbsorientierten Ziele notwendigen Mittel zu erlangen; – für Aktien, die im Austausch für bereits ausgegebene Aktien derselben Gattung emittiert werden, sofern mit der Emission dieser neuen Aktien keine Kapitalerhöhung des Emittenten verbunden ist;
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§ 11
Börsennotierung
– für Finanzprodukte, die in Zusammenhang mit einer Übernahme im Wege eines Austauschangebots angeboten werden, sofern ein Dokument zur Verfügung steht, dessen Angaben nach Ansicht der zuständigen Behörde den im Prospekt enthaltenen Angaben gleichwertig sind, hierbei sind die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen; – für Finanzprodukte, die in Zusammenhang mit einer Verschmelzung angeboten oder zugeteilt werden bzw. zuzuteilen sind, sofern ein Dokument zur Verfügung steht, dessen Angaben nach Ansicht der zuständigen Behörde den im Prospekt enthaltenen Angaben gleichwertig sind; hierbei sind die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen; – für den Altaktionären unentgeltlich angebotene oder zugeteilte bzw. zuzuteilende Aktien und Dividenden in Form von Aktien derselben Gattung, für die Dividenden ausgeschüttet werden, sofern ein Dokument zur Verfügung steht, das Angaben über Anzahl und Art der Aktien sowie über Gründe und Einzelheiten des Angebots enthält; – für Wertpapiere, die derzeitigen oder ehemaligen Mitgliedern von Geschäftsführungsorganen oder Beschäftigten von einem Emittenten, dessen Wertpapiere bereits zum Handel an einem regulierten Markt zugelassen sind, oder von der Muttergesellschaft, einer Tochtergesellschaft, einem verbundenen Unternehmen oder einem der gemeinsamen Leitung unterliegenden Unternehmen angeboten oder zugeteilt werden bzw. zuzuteilen sind, sofern es sich um Wertpapiere derselben Gattung handelt wie diejenigen, die zum Handel an demselben Markt zugelassen sind, und ein Dokument zur Verfügung steht, das Angaben über Anzahl und Art der Aktien sowie über Gründe und Einzelheiten des Angebots enthält; – für Finanzinstrumente, die keine Dividendenwerte sind und von Kreditinstituten dauernd oder wiederholt begeben werden, sofern sie: i) nicht nachrangig, wandelbar oder umtauschbar sind; ii) keinen Anspruch auf Zeichnung oder Erwerb anderer Finanzinstrumente gewähren und nicht an ein Derivat gebunden sind; iii) den Empfang rückzahlbarer Einlagen verkörpern; iv) durch ein Einlagensicherungssystem1 gedeckt sind; – für von Banken ausgegebene Geldmarktinstrumente mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten; – die sich ausschließlich an qualifizierte Anleger richten, einschließlich natürlicher Personen sowie kleiner und mittlerer Unternehmen, wie sie von der CONSOB in einer auf den Kriterien des Gemeinschaftsrechts basierenden Verordnung definiert sind; – für Finanzinstrumente, die keine Dividendenwerte sind, die von einem EU-Mitgliedstaat emittiert oder uneingeschränkt und unwiderruflich von einem EU-Mitgliedstaat garantiert oder von internationalen Organisationen öffentlich-rechtlicher Art emittiert werden, zu deren Mitgliedern ein oder mehrere EU-Mitgliedstaaten zählen; – deren Gegenstand von der Europäischen Zentralbank oder den nationalen Zentralbanken der EU-Mitgliedstaaten begebene Finanzinstrumente sind. 155
Sofern eine Befreiung in Bezug auf Privatplatzierungen Anwendung findet, bestehen für einen Prospekt keine gesetzlichen Anforderungen. Wenn jedoch eine Privatplatzierung ein institutionelles Angebot einschließt, wird nach italienischer Marktpraxis 1 Gemäß den Bestimmungen des Gesetzgebungserlasses 385 vom 1.9.1993 zu Einlagensicherungssystemen (deposit guarantee systems).
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§ 11
Platzierung und Börsenzulassung im Ausland
eine Angebotsunterlage erstellt, die die Angebotsempfänger ergänzend über die entsprechende Befreiung in Bezug auf die Privatplatzierung informiert. Das in Italien bei einem institutionellen Angebot verwendete Hauptdokument ist ein Verkaufsprospekt, der üblicherweise in englischer Sprache abgefasst wird (da Privatplatzierungen gewöhnlich nicht nur auf italienische institutionelle Anleger gerichtet sind). Nach dem italienischen Wertpapierrecht sind keine bestimmten Regeln vorgesehen, wie eine institutionelle Angebotsunterlage abzufassen ist. Im Allgemeinen entspricht die Angebotsunterlage den internationalen Offenlegungsanforderungen, was bedeutet, dass es eine ausführliche Beschreibung der Gesellschaft und ihrer Geschäftstätigkeit sowie eine Darstellung und Analyse der Finanz- und Ertragslage (management’s discussion and analysis of financial condition and results of operations – M&DA) gibt. Die Abschlüsse einer italienischen Gesellschaft werden üblicherweise nach den italienischen Rechnungslegungsgrundsätzen erstellt, aber häufig werden die Unterschiede zwischen diesen Rechnungslegungsgrundsätzen und den Rechnungslegungsgrundsätzen nach IAS/IFRS oder US GAAP beschrieben. Diese Praxis wird sich wohl – zumindest soweit es die Angebote von zugelassenen Wertpapieren betrifft – weiterentwickeln, da gemäß der EG-Verordnung 1606/2002 in Italien börsennotierte Unternehmen ab 2005 ihre Jahresabschlüsse unter Verwendung der IAS anstelle der italienischen Rechnungslegungsgrundsätze zu erstellen haben. Wenn das institutionelle Angebot gleichzeitig mit einem italienischen öffentlichen Angebot vorgenommen wird, für das die Einreichung eines Prospektes vorgeschrieben ist, so muss die Angebotsunterlage für das institutionelle Angebot im Wesentlichen dem Prospekt entsprechen, der für das öffentliche Angebot in Italien verwendet wird.
VII. Wertpapieremissionen in Spanien1 1. Öffentliche Angebote a) Gesetzliche Definition Öffentliche Angebote von Wertpapieren in Spanien sind nach Maßgabe der im spanischen Wertpapiergesetz (Ley del Mercado de Valores – LMV) und in dem königlichen Erlass 1310/2005 (die Verordnung für öffentliche Angebote), durch welche die Richtlinie 2003/71/EG in Spanien umgesetzt wurde, durchzuführen. Das LMV und die Verordnung für öffentliche Angebote berechtigen die Comisión Nacional del Mercado de Valores (CNMV) zur Aufsicht über öffentliche Angebote von Wertpapieren2.
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Das LMV und die Verordnung für öffentliche Angebote definieren den Begriff „öffentliches Angebot von Wertpapieren“3 als jede Mitteilung4 an Privatpersonen oder Unternehmen in jeder Form und auf jede Art und Weise, wobei die Mitteilung ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die angebotenen Wertpapiere enthalten muss, um den Anleger in die Lage zu versetzen, sich für die Zeichnung bzw. den Erwerb der angebotenen Wertpapiere zu entscheiden.
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1 Der Verfasser dankt Javier Monzón für seine Unterstützung bei der Erstellung dieses Abschnitts. 2 Siehe Art. 13 LMV. 3 Siehe Art. 38 Verordnung für öffentliche Angebote. 4 Das heißt jede Art von Mitteilung, die sich an Anleger richtet, um für die Zeichnung bzw. den Erwerb übertragbarer Wertpapiere, direkt oder über Dritte, zu werben, einschließlich Telefonaten, persönlicher Besuche, personalisierter Schreiben, E-Mails, Internet, Postsendungen, Radio, TV und/oder Zeitungsanzeigen.
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§ 11
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b) Ausnahmeregelungen für Privatplatzierungen 158
Das LMV und die Verordnung für öffentliche Angebote befreien bestimmte Angebote von Wertpapieren, die als Ausnahme nicht unter die Definition des „öffentlichen Angebots“ fallen, von den allgemeinen Registrierungsanforderungen für öffentliche Angebote1. Demnach besteht die Möglichkeit nicht registrierter Angebote von Wertpapieren: – an „qualifizierte Anleger“ (Definition siehe unten); oder – bei Angeboten an weniger als 100 Anleger (ausschließlich „qualifizierter Anleger“, deren Anzahl nicht begrenzt ist); oder – bei Angeboten mit einem Mindestanlagebetrag von mindestens 50 000 Euro pro Anleger; oder – bei Angeboten von Wertpapieren mit einer Stückelung von jeweils mindestens 50 000 Euro; oder – bei Angeboten von Wertpapieren mit einem Mindestbetrag von weniger als 2 500 000 Euro, wobei diese Obergrenze über einen Zeitraum von zwölf Monaten zu berechnen ist.
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Qualifizierte Anleger. Nach der Verordnung für öffentliche Angebote sind folgende Privatpersonen und Unternehmen als „qualifizierte Anleger“ anzusehen: – Juristische Personen, die in Bezug auf ihre Tätigkeit auf den Finanzmärkten zugelassen wurden oder dort beaufsichtigt werden, einschließlich Kreditinstitute, Wertpapierdienstleistungsunternehmen, sonstige zugelassene oder beaufsichtigte Finanzinstitute, Versicherungsgesellschaften, Organismen für gemeinsame Anlagen und ihre Verwaltungsgesellschaften, Pensionsfonds und ihre Verwaltungsgesellschaften, zugelassene Händler für Rohstoffderivate sowie Einrichtungen, die weder zugelassen sind noch beaufsichtigt werden und deren einzige Tätigkeit in der Wertpapieranlage besteht. – Nationale und regionale Regierungen, Zentralbanken, internationale und supranationale Organismen wie der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank, die Europäische Investitionsbank und andere vergleichbare internationale Organisationen. – Andere juristische Personen, bei denen es sich nicht um „kleine oder mittlere Unternehmen“2 handelt. – In Spanien ansässige Privatpersonen, die ausdrücklich den Status eines „qualifizierten Anlegers“ verlangt haben, vorausgesetzt, mindestens zwei der drei nachfolgenden Bedingungen sind erfüllt: (i) der Anleger hat in jedem der vier vorausgegangenen Quartale mindestens zehn Transaktionen mit signifikantem Volumen auf den Wertpapiermärkten durchgeführt; und/oder (ii) das Volumen des Wertpapierportfolios des Anlegers überschreitet 500 000 Euro; und/oder
1 Siehe Art. 38 Verordnung für öffentliche Angebote. 2 Bei einem kleinen oder mittleren Unternehmen handelt es sich um ein Unternehmen, das gemäß seinem letzten Jahresabschluss mindestens zwei der nachfolgenden Bedingungen erfüllt: 1. Die durchschnittliche Zahl der Beschäftigten lag im letzten Geschäftsjahr nicht höher als 250; 2. die gesamten Vermögenswerte belaufen sich auf maximal 43 000 000 Euro; 3. der Jahresnettoumsatz beläuft sich auf maximal 50 000 000 Euro.
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§ 11
Platzierung und Börsenzulassung im Ausland
(iii) der Anleger arbeitet gegenwärtig oder hat in der Vergangenheit für mindestens ein Jahr in der Finanzbranche in einer Position gearbeitet, deren Ausübung Kenntnisse in der Wertpapieranlage voraussetzt; und – „kleine und mittlere Unternehmen“ mit Sitz in Spanien, die ausdrücklich den Status eines „qualifizierten Anlegers“ verlangt haben. Der Status als spanischer „qualifizierter Anleger“ kann entweder anhand der gesellschaftsrechtlichen Form des jeweiligen Unternehmens (d.h. Versicherungsgesellschaften oder Kreditinstitute) oder (im Falle von Privatpersonen und „kleinen und mittleren Unternehmen“) über das betreffende Register für qualifizierte Anleger festgestellt werden. c) Informationsanforderungen/Beschränkungen im Hinblick auf Werbung Die spanischen Wertpapierbestimmungen sehen ausdrücklich keine bestimmten Beschränkungen in Bezug auf die Vertriebs- und Werbemethoden bei Privatplatzierungen vor. Die Definition des „öffentlichen Angebots“ gemäß der Verordnung für öffentliche Angebote (die im Wesentlichen der Definition aus der Richtlinie 2003/71/ EG folgt) ist jedoch so weit gefasst, dass Werbekampagnen als öffentliches Angebot angesehen werden können. Will ein Anbieter von den Befreiungsregelungen für Privatplatzierungen profitieren, empfiehlt es sich daher, auf jede Art von Werbe- bzw. PR-Maßnahmen in den Medien zu verzichten. Außerdem muss jede Kommunikationstätigkeit im Einklang mit der jeweiligen Befreiungsregelung für Privatplatzierungen stehen.
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Im Falle eines Angebots, das mehrere Befreiungsregelungen in Bezug auf die Registrierung in sich vereint, ist besondere Vorsicht geboten, um anschließende Übertragungen von Wertpapieren an Privatanleger zu vermeiden, welche als gesetzeswidrig angesehen werden könnten: zum Beispiel Übertragungen von mehr als 50 000 Euro an mehrere Unternehmen innerhalb des Anbieterkonzerns, von denen zwar jedes dieser Wertpapiere wiederum an weniger als 100 nichtqualifizierte Anlegern platziert, die die Grenze von 100 Anlegern insgesamt aber überschreiten, so dass die Übertragungen entgegen der Ausnahmeregelung für Privatplatzierungen nach der Verordnung für öffentliche Angebote auf eine erhebliche Anzahl an Privatanlegern abzielen.
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Es gibt keine Anforderung hinsichtlich der Mindestinformationen, die den „qualifizierten Anlegern“ zur Verfügung zu stellen ist. Der Anbieter muss jedoch sicherzustellen, dass sämtlichen „qualifizierten Anlegern“ die gleichen Informationen zur Verfügung stehen. Es ist marktübliche Praxis (und empfiehlt sich aus Haftungsgründen), dass Emittenten eine den internationalen Offenlegungsstandards entsprechende Angebotsunterlage erstellen und sie sodann beim Angebot der Wertpapiere den Anlegern zur Verfügung stellen. Es gibt zwar keine gesetzliche Bestimmung in Bezug auf die Sprache der Angebotsunterlage, im Rahmen internationaler Angebote werden Angebotsunterlagen jedoch zumeist in englischer Sprache erstellt.
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2. Anforderungen an die Registrierung a) Registrierungsverfahren Das Registrierungsverfahren1 für Wertpapiere, die in Spanien öffentlich angeboten werden, beinhaltet Folgendes: 1 Siehe Art. 9, 10, 11 und 38.2 Verordnung öffentliche Angebote.
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§ 11
Börsennotierung
(a) Erfüllung der nachfolgenden Anforderungen durch den Emittenten der angebotenen Wertpapiere: – Der Emittent wurde wirksam gegründet und hat den Geschäftsbetrieb aufgenommen; und – die notierten Aktien schaffen bei identischen Bedingungen keine Nachteile oder Unterschiede in Bezug auf die Rechte der Anteilsinhaber. (b) Die angebotenen Wertpapiere müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllen: – Sie entsprechen dem Rechtssystem, unter das sie fallen. – Sie werden in einem Buchungssystem verzeichnet. – Sie sind frei übertragbar. – Der Gesamtbetrag der Aktien beläuft sich mindestens auf (i) einen Marktwert von 6 000 000 Euro für Aktien; (ii) einen Nennwert von 200 000 Euro für Schuldverschreibungen. Ein Mindestbetrag für andere Wertpapierarten wird nicht verlangt. Die vorstehenden Mindestbeträge sind nicht anwendbar, wenn bereits Wertpapiere derselben Anteilsklasse wie die angebotenen Wertpapiere zur Notierung an dem betreffenden Sekundärmarkt notiert sind. – Spätestens am Tag der Börsenzulassung muss es eine ausreichende Platzierung der Aktien in einem oder mehreren Mitgliedstaaten oder in jedem anderen Land geben, in dem die Aktien bereits an der Börse notiert sind. In Anbetracht dessen setzt die Verordnung für öffentliche Angebote voraus, dass ein 25%iger Streubesitz ausreichend ist, damit die angebotenen Wertpapiere die Bedingung einer ausreichenden Platzierung erfüllen. Die CNMV ist jedoch berechtigt, diesen Wert im Einzelfall anzupassen. (c) Die CNMV wird bestätigen, dass der Emittent bzw. der Betroffene oder Unternehmer bei dem Angebot der Wertpapiere die folgenden Voraussetzungen erfüllt: – Vorlage und Registrierung derjenigen Dokumente bei der CNMV, die bescheinigen, dass der Emittent und die Wertpapiere dem anwendbaren Rechtssystem unterliegen. – Vorlage und Registrierung des nach den für den Emittenten anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen erstellten und geprüften Jahresabschlusses bei der CNMV. – Vorlage, Billigung und Registrierung eines Prospektes bei der CNMV sowie dessen Veröffentlichung nach der Billigung und Registrierung. b) Der Prospekt 164
Das spanische Gesetz verlangt ein hohes Maß an Detailgenauigkeit und Sorgfalt in Bezug auf die in den Prospekt aufzunehmenden Informationen; der Prospekt soll potenziellen Anlegern sämtliche notwendigen Angaben zur Verfügung stellen, anhand derer eine gemäß der Wesensart des Emittenten und der Wertpapiere angemessene, sachgerechte Beurteilung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, der Finanzlage, der Gewinne und Verluste sowie der Geschäftsaussichten des Emittenten sowie der mit den angebotenen Wertpapieren verbundenen Rechte vorgenommen werden kann1.
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Der Prospekt ist nach Wahl des Emittenten in spanischer oder in einer in der Finanzwelt üblicherweise gebräuchlichen oder jeder von der CNMV akzeptierten anderen Sprache zu erstellen.
1 Siehe Art. 16.1 Verordnung für öffentliche Angebote.
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§ 11
Platzierung und Börsenzulassung im Ausland
Der Prospekt besitzt eine Gültigkeit von zwölf Monaten nach seiner Veröffentlichung zum Zwecke öffentlicher Angebote oder der Zulassung zur Notierung an einem amtlichen spanischen Sekundärmarkt oder einem anderen regulierten Markt innerhalb der Europäischen Union, stets vorausgesetzt, dass er, wo dies erforderlich ist, durch den jeweiligen Nachtrag ergänzt wird, in dem jeder wesentliche neue Umstand, Ungenauigkeit oder Fehler in Bezug auf die in dem Prospekt enthaltenen Informationen dargelegt wird, die/der sich auf die Beurteilung der Wertpapiere auswirken könnte und die/der in dem Zeitraum zwischen der Billigung des Prospektes und der ersten Börsennotierung der angebotenen Wertpapiere auftritt oder festgestellt wird.
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Der Emittent oder Anbieter ist für die Richtigkeit und Vollständigkeit der in dem Prospekt enthaltenen Informationen verantwortlich und verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts, der Richtigkeit und der Vollständigkeit dieser Informationen zu ergreifen.
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Ebenso ist die konsortialführende Bank (Lead Manager bzw. Global Coordinator) des betreffenden Angebots für die Richtigkeit und Vollständigkeit der in dem Prospekt enthaltenen Informationen über die angebotenen Wertpapiere (nicht jedoch für die Informationen über den Emittenten) verantwortlich und verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts, der Richtigkeit und der Vollständigkeit dieser Angaben zu ergreifen. c) Befreiungen von dem Registrierungsverfahren Fällt gemäß der Verordnung für öffentliche Angebote ein Angebot von Wertpapieren unter die Definition des „öffentlichen Angebots“, so hat der Emittent den Anforderungen des oben beschriebenen Registrierungsverfahrens1 nachzukommen, außer bei: (a) Aktien, die im Austausch für bereits ausgegebene Aktien derselben Gattung ausgegeben werden, sofern diese Aktienemission keine Kapitalerhöhung zur Folge hat. (b) Wertpapieren, die als Gegenleistung in Bezug auf ein Übernahmeangebot angeboten werden, dem ein Dokument zugrunde liegt, das Informationen enthält, welche von der CNMV mit den in dem Prospekt enthaltenen Informationen als gleichwertig angesehen werden, und das die Anforderungen der EU-Vorschriften berücksichtigt. (c) Wertpapieren, die in Zusammenhang mit einer Verschmelzung angeboten oder zugeteilt werden oder zugeteilt werden sollen, sofern ein Dokument bereitgestellt wird, das Informationen enthält, welche von der CNMV mit den in dem Prospekt enthaltenen Informationen für gleichwertig angesehen werden, und das die Anforderungen der EU-Vorschriften berücksichtigt. (d) Aktien, die den Aktionären angeboten oder zugeteilt werden oder frei zugeteilt werden sollen, und Dividenden, die als Aktien derselben Gattung wie die Aktien, für die solche Dividenden ausgeschüttet werden sollen, sofern ein Dokument bereitgestellt wird, das Informationen über Anzahl und Art der Aktien sowie über die Gründe für und Einzelheiten über das Angebot enthält. (e) Wertpapieren, die derzeitigen oder ehemaligen Geschäftsführungsmitgliedern oder Beschäftigten von ihrem Arbeitgeber oder einem Unternehmen aus dessen Konzern angeboten oder zugeteilt werden bzw. zugeteilt werden sollen, sofern diese Wertpapiere derselben Gattung sind wie die an einem amtlichen Sekundärmarkt bzw. jedem anderen regulierten Markt in der Europäischen Union notierten Wert1 Siehe Art. 38.2 und 41 Verordnung für öffentliche Angebote.
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§ 11
(f)
(g) (h) (i)
(j)
Börsennotierung
papiere und ein Dokument bereitgestellt wird, das Informationen über Zahl und Art der Wertpapiere sowie über die Gründe für und Einzelheiten über das Angebot enthält. Nichtdividendenwerten emittiert von: – dem spanischen Staat, seinen Autonomieregionen oder seinen lokalen Körperschaften; – einem Mitgliedstaat oder einer seiner regionalen oder lokalen Behörden; – internationalen öffentlichen Institutionen, in denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten vertreten sind; – der Europäischen Zentralbank; – den Zentralbanken der Mitgliedstaaten. Aktien der Zentralbanken der Mitgliedstaaten. Wertpapieren, die uneingeschränkt und unwiderruflich durch den spanischen Staat garantiert werden. Schuldverschreibungen, die dauernd oder wiederholt von Kreditinstituten ausgegeben werden, sofern diese Wertpapiere: – nicht nachrangig, wandelbar oder umtauschbar sind. – nicht das Recht zur Zeichnung oder zum Erwerb anderer Wertpapiere gewähren. – nicht an einen Basiswert gebunden sind, auf die sich ihr Kurs oder Wert bezieht. – den Erhalt zurückzahlbarer Einlagen hervorrufen, und – durch ein Einlagensicherungssystem abgedeckt sind. Schuldverschreibungen, die dauernd oder wiederholt von Kreditinstitutionen ausgegeben werden, wenn der Gesamtbetrag des Angebots weniger als 50 000 000 Euro beträgt, wobei die Obergrenze über einen Zeitraum von zwölf Monaten zu berechnen ist, und diese Wertpapiere: – nicht nachrangig, wandelbar oder umtauschbar sind. – nicht das Recht zur Zeichnung oder zum Erwerb anderer Wertpapiere gewähren, und – nicht an einen Basiswert gebunden sind, auf die sich ihr Kurs oder Wert bezieht.
3. Grenzübergreifende Anerkennung (Notifizierung) 169
Im Einklang mit der Richtlinie 2003/71/EG sehen das LMV und die Verordnung für öffentliche Angebote1 vor, dass ein von der CNMV gebilligter Prospekt für die Börsenzulassung und öffentliche Angebote in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union gültig ist und umgekehrt ein von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats der Europäischen Union gebilligter Prospekt für die Börsenzulassung und öffentliche Angebote in Spanien gültig ist. Dadurch sind Prospekte innerhalb der Europäischen Union „passport-fähig“.
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Die Notifizierung eines von einer Behörde eines anderen Mitgliedstaats gebilligten Prospektes nach Spanien setzt voraus, dass die zuständige örtliche Behörde aus der Jurisdiktion, in welcher der Prospekt eingereicht wird, der CNMV die nachstehenden Unterlagen zur Verfügung stellt: 1 Siehe Art. 29 und 30 Verordnung öffentliche Angebote.
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§ 11
Platzierung und Börsenzulassung im Ausland
– eine von der zuständigen örtlichen Behörde in dem betreffenden Mitgliedstaat ausgestellte Bescheinigung, in der erklärt wird, dass der Prospekt nach Maßgabe der Rechtsvorschriften erstellt wurde, die zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG von dem Mitgliedstaat erlassen wurden; – eine Ausfertigung der gebilligten Fassung des Prospektes; und – eine spanische Übersetzung der Zusammenfassung des Prospektes (wobei die Übersetzung unter der Verantwortlichkeit des Unternehmens angefertigt wird, das den Antrag auf Notierung der Wertpapiere in dem betreffenden Mitgliedstaat stellt). Gemäß der Verordnung für öffentliche Angebote ist diese Zusammenfassung in allgemein verständlicher Sprache abzufassen und muss die wichtigsten Merkmale und Risikofaktoren in Bezug auf (i) den Emittenten, (ii) die Garantiegeber und (iii) die angebotenen Wertpapiere in angemessener Art und Weise wiedergeben. Aufgrund des Erhalts dieser Unterlagen wird die CNMV keine Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit dem ausländischen Prospekt durchführen, da diese nach Spanien notifiziert ist. Wenn ein außerhalb Spaniens ansässiger Emittent oder Anbieter ein öffentliches Angebot von Wertpapieren in Spanien anstrebt und Spanien Herkunftsstaat ist, kann die CNMV den Prospekt für das Angebot in Spanien billigen, vorausgesetzt, dass die nachfolgenden Bedingungen erfüllt sind:
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– Der Prospekt muss gemäß internationalen Standards erstellt sein, die von internationalen Wertpapieraufsichtsbehörden festgesetzt werden, wie zum Beispiel die von der International Organization of Securities Commissions (IOSCO) festgesetzten Offenlegungsanforderungen; und – die Informationsanforderungen, einschließlich Finanzinformationen, sind mit denen gleichzusetzen, die nach der Verordnung für öffentliche Angebote festgesetzt sind.
VIII. Wertpapieremissionen im Vereinigten Königreich1 1. Öffentliche Angebote a) Angebote, die an das Publikum gerichtet sind Die Umsetzung der EU-Prospektrichtlinie2 erfolgte im Vereinigten Königreich am 1.7.2005 durch Ergänzungen des Gesetzes über Finanzdienstleistungen und -märkte (Financial Services and Markets Act 2000 – FSMA) und der auf der Grundlage des FSMA erfolgende Erlass von Prospectus Rules der Zulassungsbehörde des Vereinigten Königreichs (die Prospectus Rules). Die betreffenden Vorschriften gelten für „übertragbare Wertpapiere“ wie in der Prospektrichtlinie definiert.
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Übertragbare Wertpapiere werden im Vereinigten Königreich öffentlich angeboten, wenn eine Mitteilung an Personen, in jeder Form und auf jede Art und Weise ergeht, die ausreichende Informationen über (a) die anzubietenden übertragbaren Wertpapiere und (b) die Bedingungen, zu denen sie angeboten werden, bereithält, um Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf bzw. die Zeichnung der fraglichen Wertpapiere zu entscheiden3. Aus diesem Grund ist ein Angebot für übertragbare Wert-
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1 Der Verfasser dankt Jonathan Baird und Judit Kalman für ihre Unterstützung bei der Erstellung dieses Abschnitts. 2 Richtlinie 2003/71/EG. 3 Section 102B FSMA.
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§ 11
Börsennotierung
papiere, das jedweder Person im Vereinigten Königreich gemacht wird, ein öffentliches Angebot für übertragbare Wertpapiere im Vereinigten Königreich, sofern keine spezielle Ausnahmeregelung anwendbar ist. Auf einige wichtige Ausnahmen wird im Abschnitt „Privatplatzierungen“ (s. Rz. 183) eingegangen. Ein Prospekt, der die nachstehend aufgeführten Vorschriften erfüllt, ist zu erstellen, wenn für ein Angebot für übertragbare Wertpapiere keine Ausnahmeregelung anwendbar ist. b) Zulassung zum Handel an einem regulierten Markt 174
Neben dem für ein öffentliches Angebot zu erstellenden Prospekt muss auch ein Prospekt für einen Antrag auf Zulassung zum Handel an einem „regulierten Markt“1, zum Beispiel der Main List der London Stock Exchange, erstellt werden, sofern keine Ausnahmeregelung anwendbar ist und zwar unabhängig davon, ob ein öffentliches Angebot für die betreffenden Wertpapiere im Vereinigten Königreich gemacht wird.
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Emittenten, die eine Notierung ihrer Wertpapiere an der Main List der London Stock Exchange anstreben, müssen zudem die Zulassungsvorschriften der Zulassungsbehörde im Vereinigten Königreich (UK Listing Authority) einhalten (die Zulassungsvorschriften), in denen eine Reihe von Anforderungen und laufenden Verpflichtungen festgesetzt ist, die für börsennotierte Emittenten festgelegt sind2. c) Der Prospekt
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Ein Prospekt muss von der zuständigen Behörde des Herkunftsstaates des Wertpapieremittenten gebilligt werden. Die für das Vereinigte Königreich zuständige Behörde ist die Financial Services Authority (FSA), die bei der Ausübung ihrer Funktionen als solche den Namen „UK Listing Authority – UKLA“ verwendet. Die bei einem durch die UKLA zu billigenden Prospekt einzuhaltenden Anforderungen werden ebenso in den Prospektvorschriften ausgeführt wie die Bestimmungen zur Prospektveröffentlichung nach der Genehmigung.
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Ein gebilligter Prospekt ist bei der UKLA zu hinterlegen und dem Publikum zur Verfügung zu stellen. Ein Prospekt gilt dann als öffentlich verfügbar, wenn er entweder (i) in einer oder mehreren Zeitungen, die überall bzw. in weiten Teilen der EWR-Staaten erhältlich sind, in denen das Angebot gemacht wird, veröffentlicht wird; oder (ii) dem Publikum in gedruckter Form bei den zuständigen Stellen des regulierten Marktes, an dem die übertragbaren Wertpapiere zum Handel zugelassen werden sollen, oder beim Sitz des Emittenten oder bei den die übertragbaren Wertpapiere platzierenden oder veräußernden Finanzintermediäre, einschließlich der Zahlstellen, zur Verfügung gestellt wird; oder (iii) in elektronischer Form auf der Website des Emittenten und gegebenenfalls auf der Website der die übertragbaren Wertpapiere platzierenden oder veräußernden Finanzintermediäre, einschließlich der Zahlstellen veröffentlicht
1 Gemäß der Definition in Artikel 1.14 der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente – MiFID (Richtlinie 2004/39/EG). 2 Verschiedene Regelungen gelten darüber hinaus für Emittenten, die die Zulassung zum Handel an einem nicht-regulierten Londoner Markt anstreben und die ihre Wertpapiere nicht öffentlich anbieten, wie die AIM Rules for Companies für Emittenten, die die Zulassung zum Alternative Investment Market der London Stock Exchange anstreben und die Pflicht zur Erstellung von zu genehmigenden Angaben zur Börsenzulassung (listing particulars) nach Maßgabe der Zulassungsvorschriften (Listing Rules) für Emittenten, die eine Zulassung am Professional Securities Market anstreben.
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§ 11
Platzierung und Börsenzulassung im Ausland
wird; oder (iv) in elektronischer Form auf der Website des regulierten Marktes, an dem die Zulassung zum Handel angestrebt wird, veröffentlicht wird. Die inhaltlichen Anforderungen an Prospekte sind im FSMA und in den Prospectus Rules festgelegt. Das FSMA enthält einen allgemeinen Offenlegungsgrundsatz, wonach ein Prospekt diejenigen Angaben enthalten muss, die erforderlich sind, um Anleger in die Lage zu versetzen, eine informierte Beurteilung folgender Parameter vorzunehmen:
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– Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, Finanzlage, Gewinne und Verluste sowie Geschäftsaussichten des Emittenten der übertragbaren Wertpapiere und jedes Garantiegebers; und – die mit den übertragbaren Wertpapieren verbundenen Rechte1. Der Prospekt muss für gewöhnlich eine Zusammenfassung beinhalten, in der die wesentlichen Merkmale in Bezug auf den Emittenten, jeden Garantiegeber und die übertragbaren Wertpapiere, auf die sich der Prospekt bezieht, sowie die mit ihnen jeweils verbundenen Risiken kurz und in allgemein verständlicher Sprache darzulegen sind.
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Die ausführlichen Prospektanforderungen sind in den Prospectus Rules enthalten, die die in der EU-Prospektverordnung festgelegten inhaltlichen Anforderungen wiedergeben2. Diese schreiben vor, dass der Prospekt ausführliche Informationen über den Emittenten und seine Geschäftstätigkeit sowie über die angebotenen Wertpapiere enthalten muss. So muss u.a. an hervorgehobener Stelle auf die für den Emittenten bzw. seine Branche spezifischen Risikofaktoren hingewiesen werden, die aufzunehmenden geprüften Finanzinformationen sollten im Allgemeinen nach den IAS/IFRS (bzw. in bestimmten Fällen gleichwertigen Standards) erstellt sein und Angaben zur Geschäfts- und Finanzlage (operating and financial review – OFR) sind in Prospekte für Dividendenwerte aufzunehmen. Außerdem besteht die Möglichkeit, weitere Informationen per Verweis in einen Prospekt – mit Ausnahme der Zusammenfassung – einzubeziehen, sofern die Informationen von der zuständigen Behörde im Herkunftsmitgliedstaat des Emittenten gebilligt oder bei ihr hinterlegt worden sind3.
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Wenn die UKLA Herkunftsstaat-Behörde eines Emittenten ist, der Dividendenwerte oder ähnliche Wertpapiere emittiert, und der Emittent das Angebot macht oder dieses mit seiner Zustimmung erfolgt oder den Zulassungsantrag stellt bzw. dieser mit seiner Zustimmung gestellt wird, dann sind der Emittent, seine Geschäftsführungsmitglieder und alle übrigen Personen, die sich selbst ermächtigt oder zugestimmt haben, als Geschäftsführungsmitglieder in dem Prospekt genannt zu werden, für den Inhalt des betreffenden Prospektes verantwortlich4.
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Die EU-Prospektrichtlinie5 sieht die Notifizierung („Passporting“) gebilligter Prospekte in der gesamten Europäischen Union vor, und ein in einem anderen EWR-Mitgliedstaat gebilligter Prospekt kann in das Vereinigte Königreich notifiziert werden, um ein öffentliches Angebot im Vereinigten Königreich zu ermöglichen. Sobald ein Prospekt und etwaige Nachträge durch den Mitgliedstaat, in dem der Emittent seinen Sitz hat, gebilligt werden, ist er zur Verwendung (als Angebots- oder Börsenzulassungsdokument) in jedem anderen EWR-Mitgliedstaat (dem so genannten Aufnahmemitgliedstaat) freigegeben, vorausgesetzt, die entsprechende Aufsichtsbehörde in
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1 2 3 4 5
Section 87A FSMA. Verordnung (EG) Nr. 809/2004 v. 29.4.2004. Prospectus Rule 2.4. Prospectus Rule 5.5.3. Richtlinie 2003/71/EG.
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Börsennotierung
diesem Aufnahmemitgliedstaat wird unterrichtet. Der Aufnahmemitgliedstaat darf keine Billigungs- oder Verwaltungsverfahren in Bezug auf den Prospekt durchführen mit Ausnahme, dass er die Übersetzung der Zusammenfassung in seine Amtssprache verlangen kann1 Von einem Aufnahmemitgliedstaat können jedoch weitere Anforderungen gestellt werden, wenn die betreffenden Wertpapiere für die Börsennotierung in diesem Aufnahmemitgliedstaat vorgesehen sind; im Falle des Vereinigten Königreichs sind das zum Beispiel die in den Zulassungsvorschriften enthaltenen Anforderungen (deren genauer Anwendungsbereich und Umfang von der Art der angestrebten Zulassung abhängig ist). Darüber hinaus hat die FSA aufgrund der Prospectus Rules die Möglichkeit, einen von einem Emittenten mit Sitz in einem Nicht-EWR-Staat gemäß den gesetzlichen Vorschriften dieses Landes erstellten Prospekt zu billigen, wenn das Vereinigte Königreich Herkunftsmitgliedstaat ist und die FSA davon überzeugt ist, dass der Prospekt nach Maßgabe entsprechender internationaler Standards erstellt wurde und die Informationsanforderungen, einschließlich Finanzinformationen, den Anforderungen gemäß dem FSMA, der EU-Prospektverordnung und den Prospectus Rules gleichwertig sind2. 2. Privatplatzierungen 183
Wo dies möglich ist, werden bei einer Privatplatzierung gegenüber einer begrenzten Anzahl an Personen im Vereinigten Königreich (vorausgesetzt, eine Zulassung der fraglichen Wertpapiere zum Handel an einem regulierten Markt wird nicht angestrebt) das Angebot und die Verteilung von Angebotsunterlagen für gewöhnlich so strukturiert, dass Befreiungen von gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen in Anspruch genommen werden können, die ansonsten für ein öffentliches Angebot im Vereinigten Königreich gelten würden. Wenn ein Angebot an eine begrenzte Zahl institutioneller oder professioneller Anleger3 erfolgt, so stehen üblicherweise Befreiungen von Beschränkungen bei der Werbung für Finanzanlagen (financial promotions) gemäß Section 21 FSMA zur Verfügung. a) Befreiungen für Privatplatzierungen nach dem FSMA und den Prospectus Rules
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Die Befreiungen für Privatplatzierungen sind sowohl in Section 86 des FSMA als auch in den Prospectus Rules4 geregelt und müssen in Bezug auf öffentliche Angebote und die Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem regulierten Markt getrennt betrachtet werden. Wenn die folgenden Befreiungstatbestände anwendbar sind, besteht keine Prospektveröffentlichungspflicht, soweit die betroffenen Wertpapiere nicht zum Handel an einem regulierten Markt zugelassen werden: – das Angebot wird ausschließlich qualifizierten Anlegern gemacht oder richtet sich ausschließlich an diese (einschließlich des Falls, dass der qualifizierte Anleger mit eigenem Ermessen für einen Kunden tätig wird); oder
1 Gemäß der Grundsatzerklärung 05/7 der FSA bedarf es nur dann einer Übersetzung der Zusammenfassung des Prospektes in die englische Sprache, wenn der Prospekt bei öffentlichen Angeboten verwendet wird. Siehe auch Prospektvorschrift 4.1.6. 2 Prospectus Rule 4.2.1. 3 Wie in Artikel 2.1 (e) der Prospektrichtlinie definiert. 4 Prospectus Rule 1.2.2R-1.2.3R.
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§ 11
Platzierung und Börsenzulassung im Ausland
– das Angebot wird an weniger als 100 Personen pro EWR-Mitgliedstaat gemacht bzw. richtet sich an weniger als 100 Personen pro EWR-Mitgliedstaat, wobei qualifizierte Anleger nicht eingerechnet werden; oder – der Mindestbetrag, den eine Person für von ihr aufgrund des Angebots erworbene übertragbare Wertpapiere zu zahlen hat, beträgt mindestens 50 000 Euro (bzw. ein entsprechender Betrag); oder – die angebotenen übertragbaren Wertpapiere haben eine Mindeststückelung von 50 000 Euro (bzw. ein entsprechender Betrag); oder – die angebotenen übertragbaren Wertpapiere haben einen Gesamtgegenwert von 100 000 Euro (bzw. ein entsprechender Betrag) liegen. Zudem ist ein Prospekt bei folgenden Emissionen übertragbarer Wertpapiere nicht erforderlich: – Aktien, die im Austausch für bereits emittierte Aktien derselben Gattung ausgegeben werden, wenn die Emission der neuen Aktien nicht mit einer Kapitalerhöhung verbunden ist; oder – übertragbare Wertpapiere, die im Zusammenhang mit einer Übernahme im Wege eines Umtauschangebots oder im Zusammenhang mit einer Verschmelzung angeboten werden, wenn ein Dokument bereitgestellt wird, das Angaben enthält, welche von der FSA mit denen im Prospekt als gleichwertig angesehen werden1; oder – Aktien, die Altaktionären kostenlos angeboten werden, und Dividenden, die in Form von Aktien derselben Gattung wie die Aktien, für die die Dividenden ausgeschüttet werden, wenn ein Dokument bereitgestellt wird, das Angaben zu Anzahl und Art der Aktien enthält sowie die Gründe für und Einzelheiten über das Angebot beinhaltet; – übertragbare Wertpapiere, die den derzeitigen oder ehemaligen Geschäftsführungsmitgliedern oder den Angestellten von ihrem Arbeitgeber, dessen übertragbare Wertpapiere bereits zum Handel zugelassen sind, oder einem verbundenen Unternehmen angeboten werden, wenn ein Dokument bereitgestellt wird, das Informationen zu Anzahl und Art der übertragbaren Wertpapiere enthält sowie die Gründe für und Einzelheiten über das Angebot beinhaltet. Diese Listen sind nicht vollständig; neben dieser können andere Befreiungen maßgeblich sein. Es gibt im Vereinigten Königreich keine bestimmten Vorschriften, die bei einer Privatplatzierung einzuhalten sind. Jedoch wird üblicherweise eine den internationalen Offenlegungsanforderungen entsprechende Angebotsunterlage erstellt und aufgrund marktüblicher Praxis und aus Gründen der Haftungsbeschränkung zur Verfügung gestellt. Diese Angebotsunterlage ist üblicherweise identisch mit der Unterlage, die für Verkäufe an institutionelle Anleger und/oder Privatanleger außerhalb des Vereinigten Königreichs verwendet wird, jedoch mit dem Zusatz bestimmter im Vereinigten Königreich verwendeter Hinweise und entsprechender Verkaufsbeschränkungen (selling restrictions).
1 In Ausgabe Nr. 10 ihres Newsletters List! (Juni 2005) erklärt die UKLA, dass sie ein umfassendes Prüfverfahren zur Beurteilung der Entsprechung zwischen einem Dokument und einem Prospekt anwenden wird.
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§ 11
Börsennotierung
b) Werbung für Finanzanlagen (financial promotion) 186
Nahezu das gesamte Marketing-Material, das im Laufe eines Wertpapierangebots zur Verfügung gestellt wird, kann unter die Definition von „financial promotion“ gemäß Section 21 FSMA fallen. Financial Promotion umfasst jedes Material, das eine Aufforderung oder einen Anreiz enthält, Investitionen zu tätigen, wie Anzeigen, Pressemitteilungen, Anlegerpräsentationen und jede Emissionserläuterungen oder jedes andere Dokument beinhalten, das für Marketingzwecke verwendet wird1. Nach Section 25 FSMA ist es eine strafbare Handlung, wenn eine Person „finanzbezogene Werbung“ im Vereinigten Königreich verbreitet oder verbreiten lässt, es sei denn, die Person besitzt hierfür die entsprechende Erlaubnis (im Allgemeinen handelt es sich in diesem Fall um regulierte Finanzinstitutionen) oder der Inhalt wurde zuvor von einer Person, die eine entsprechend Erlaubnis besitzt, genehmigt oder die Werbung fällt unter eine Befreiungsregelung2.
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Hinsichtlich Beschränkungen bezüglich der Verbreitung von Werbung für Finanzanlagen im Vereinigten Königreich können verschiedene gesetzliche Ausnahmeregelungen einschlägig sein, und, soweit eine Ausnahmeregelung Anwendung findet, ist die Emission oder Genehmigung durch eine ermächtigte Person nicht erforderlich. Die wesentlichen Ausnahmen in diesem Zusammenhang sind: – Werbung für Finanzanlagen gegenüber „professionellen Anlegern“3, Wirtschaftsjournalisten und Mediensprechern oder „vermögenden Unternehmen“4 oder bestimmten anderen Privatpersonen; oder – Personen außerhalb des Vereinigten Königreichs sowie an Personen außerhalb des Vereinigten Königreichs gerichtete Mitteilungen (gleichgültig, ob aus dem Vereinigten Königreich oder von außerhalb des Vereinigten Königreichs)5; oder – Werbung für Finanzanlagen durch ein Unternehmen für Zwecke eines Mitarbeiterbeteiligungsprogrammes (employee share scheme)6. Die Definition eines „Mitarbeiterbeteiligungsprogrammes“ ist weit genug, um viele Arten von Investitionen durch Mitarbeiter in die Wertpapiere ihres Unternehmens abzudecken; oder – Werbung für Finanzanlagen, die sich nur an Aktionäre oder Gesellschaften der Unternehmensgruppe des Emittenten richtet und sich auf die Wertpapiere dieses Emittenten bezieht7.
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Ein Vertrag, der mit einem Kunden aufgrund einer unter Verstoß gegen Section 21 erfolgten Mitteilung abgeschlossen wurde, ist gegenüber dem Kunden nicht durchsetzbar, und der Kunde kann gezahlte Gelder oder übertragene Vermögenswerte zurückfordern und Entschädigung für einen daraus entstandenen Verlust verlangen8. Der Vertrag kann selbst dann nicht durchgesetzt werden, wenn die unrechtmäßige 1 Gemäß Leitfaden der FSMA zu Section 21 FSMA sieht die FSA ein Absichtselement als im Konzept einer „Ermutigung“ enthalten an. 2 Es ist allgemeine Praxis, eine Angebotsunterlage, die im Zusammenhang mit einer Privatplatzierung verwendet wird, nicht als Werbung für Finanzanlagen für Zwecke nach Section 21 FSMA zuzulassen und sich stattdessen auf eine Ausnahmeregelung für die genehmigte Anforderung zu stützen. 3 Gemäß der Definition in Artikel 19 des Financial Services and Markets Act 2000 (Financial Promotion Order 2005) (der FPO). 4 Artikel 49 FPO. 5 Artikel 12 FPO. 6 Artikel 45 FPO. 7 Artikel 45 FPO. 8 Section 30(2) FSMA.
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§ 12
Börsen- und wertpapierhandelsrechtliche Zulassungsfolgepflichten
Mitteilung (unlawful communication) nicht durch die Person erfolgt ist, die den Vertrag mit dem Kunden abgeschlossen hat. Es steht im Ermessen des Gerichts, die Durchsetzung des Vertrags oder der Verbindlichkeit sowie die Einbehaltung überlassener Gelder oder Vermögenswerte zu gestatten, wenn es davon überzeugt ist, dass dies unter den gegebenen Umständen recht und billig wäre1. Ähnliche Bestimmungen gelten für die Ausübung von Rechten, die sich aus Investitionen infolge einer unrechtmäßigen Mitteilung ergeben. Prospekte, die von der UKLA gebilligt wurden, müssen nicht zur Verwendung als Werbung für Finanzanlagen gebilligt werden. Es war zunächst unklar, ob Prospekte, die in das Vereinigte Königreich notifiziert wurden, von derselben Befreiungsregelung profitieren; mittlerweile sind die gesetzlichen Bestimmungen jedoch so klargestellt, dass notifizierte Prospekte keiner Billigung als Werbung für Finanzanlagen bedürfen2.
§ 12 Börsen- und wertpapierhandelsrechtliche Zulassungsfolgepflichten I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1
1. Begründung und Abgrenzung . . . .
1
2. Börsenorganisationsrecht . . . . . . . 6 a) Stufenaufbau und Verhältnis der Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . 6 b) Vorrang der gesetzlichen Marktsegmentverfassung . . . . . . . . . 10 II. Zulassungsfolgepflichten im regulierten Markt . . . . . . . . . . . . . . 12 1. Pflichten des Emittenten nach § 30a Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . a) Gleichbehandlung der Wertpapierinhaber (§ 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorhandensein von Zahlstellen (§ 30a Abs. 1 Nr. 4 WpHG) . . . . c) Unterrichtungen und Mitteilungen (§§ 30a Abs. 1 Nr. 2, 30b, 30e WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zulassung später ausgegebener Aktien (§ 40 Abs. 1 BörsG, § 69 BörsZulV) . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. b) Mindestinhalt des Halbjahresfinanzberichtes (§ 37w Abs. 2 bis 4 WpHG) sowie der Zwischenmitteilung der Geschäftsführung (§ 37x Abs. 2 WpHG) . . . . . . . . 27 c) Veröffentlichung des Halbjahresfinanzberichtes und der Zwischenmitteilung (§§ 37w Abs. 1, 37x Abs. 1 WpHG) . . . . . . . . . 34 d) Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . 36 3. Auskunftserteilung (§ 41 BörsG) . . 37
12 12 13 14 21
2. Halbjahresfinanzbericht (§ 37w WpHG) und Zwischenmitteilung der Geschäftsführung (§ 37x WpHG) . . 25 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 25
4. Jährliches Dokument (§ 10 WpPG) 5. Weitere Zulassungsfolgepflichten (§ 42 BörsG) . . . . . . . . . . . . . . . a) Marktsegmentregulierung durch die Wertpapierbörse . . . . . . . . . b) Zulassungsverfahren . . . . . . . . c) Beispiele für weitere Zulassungsfolgepflichten (insbesondere des Prime Standard der FWB) . . . . .
38 39 39 42 46
III. Freiverkehr (§ 48 BörsG) . . . . . . . 47 1. Herkömmliche Freiverkehrssegmente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Freiverkehrssegment nach Art des „Entry Standard“ . . . . . . . . . . . . 48
1 Section 30(4) FSMA. Bei der Entscheidung, ob dies zutrifft, muss das Gericht berücksichtigen, ob der Antragsteller der begründeten Ansicht war, keine unrechtmäßige Mitteilung vorzunehmen (soweit die Mitteilung durch den Antragsteller erfolgte). Falls die Mitteilung nicht durch den Antragsteller erfolgte, muss das Gericht berücksichtigen, ob ihm bewusst war, dass der Vertrag infolge einer unrechtmäßigen Mitteilung abgeschlossen wurde. 2 Financial Services and Markets Act 2000 (Financial Promotion) (Amendment No. 2) Order 2007 (SI2007/2615).
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§ 12
Börsennotierung
Schrifttum: Ammedick/Strieder, Zwischenberichterstattung börsennotierter Gesellschaften, 2002; Bayer, Empfehlen sich besondere Regelungen für börsennotierte und für geschlossene Gesellschaften? Gutachten E für den 67. Deutschen Juristentag, 2008; Beck, Die Reform des Börsenrechts im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, BKR 2002, 699 (Teil 2); Buchheim, Die Jahres- und Zwischenberichterstattung im Entwurf der EU-Transparenz-Richtlinie, KoR 2003, 241; Buchheim/Ulbrich, EU-Transparenz-Richtlinie: Neuregelung der periodischen und laufenden Berichterstattung kapitalmarktorientierter Unternehmen, KoR 2004, 273; Crüwell, Die Europäische Prospektrichtlinie – Auf dem Weg zu einem europäischen Kapitalmarktrecht, AG 2003, 243; Dehlinger, Vertragliche Marktsegmentregulierung an Wertpapierbörsen, 2003; Fleischer, Prognoseberichterstattung im Kapitalmarktrecht und Haftung für fehlerhafte Prognosen, AG 2006, 2; Fleischer, Buchführungsverantwortung des Vorstands und Haftung der Vorstandsmitglieder für fehlerhafte Buchführung, WM 2006, 2021; Freidank/ Steinmeyer, Fortentwicklung der Lageberichterstattung nach dem BilReg aus betriebswirtschaftlicher Sicht, BB 2005, 2512; Ganzer/Borsch, Quartalsberichte und die Zulassung zum „Prime-Standard“ des amtlichen Markts, BKR 2003, 484; Gebhardt, Prime und General Standard, Die Neusegmentierung des Aktienmarkts an der Frankfurter Wertpapierbörse, WM 2003, Sonderbeilage Nr. 2; Gericke, Handbuch für die Börsenzulassung von Wertpapieren, 1992; Götze, Das jährliche Dokument nach § 10 WpPG – eine Bestandsaufnahme, NZG 2007, 570; Götze/Wunderlich, Regelpublizität; Jährliches Dokument, jeweils in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2008, § 9 bzw. § 11; Hutter/Kaulamo, Das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, NJW 2007, 471; Hammen, Rechte der Emittenten bei der „Fusion“ von Wertpapierbörsen, ZBB 2001, 84; Hammen, Zwischenberichtspflicht im Geregelten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse?, WM 2003, 997; Heidelbach/ Preuße, Zweieinhalb Jahre neues Prospektregime und noch viele Fragen offen, BKR 2008, 10; Kaum/Zimmermann, Das „jährliche Dokument“ nach § 10 WpPG, BB 2005, 1466; Kiem, Wertpapierinhaberorientierte Publizität, in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2008, § 12; Klawitter, Kapitalmarktrechtliche Folgepflichten eines börsennotierten Unternehmens, in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 32; Kümpel, Zur öffentlichrechtlichen Organisation der deutschen Wertpapierbörsen, BKR 2003, 3; Kunold/Schlitt, Die neue EU-Prospektrichtlinie – Inhalt und Auswirkungen auf das deutsche Kapitalmarktrecht, BB 2004, 501; Liebscher/Scharff, Das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister, NJW 2006, 3745; Merkt/Göthel, Vorschriften und Ansätze der Quartalsberichterstattung: Vergleich USA – Deutschland, RIW 2003, 23; Möller, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz, WM 2001, 2405; Mülbert/Steup, Emittentenhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation, WM 2005, 1633; Nießen, Die Harmonisierung der kapitalmarktrechtlichen Transparenzregeln durch das TUG, NZG 2007, 41; Noack, Neue Publizitätspflichten und Publizitätsmedien für Unternehmen – eine Bestandsaufnahme nach EHUG und TUG, WM 2007, 377; Ott/Brauckmann, Zuständigkeitsgerangel zwischen Gesellschaftsorganen und Insolvenzverwalter in der börsennotierten Aktiengesellschaft, BB 2004, 2117; Philipps, Halbjahresfinanzberichterstattung nach dem WpHG, DB 2007, 2326; Potthoff/Stuhlfauth, Der Neue Markt: Ein Handelssegment für innovative und wachstumsorientierte Unternehmen – kapitalmarktrechtliche Überlegungen und Darstellung des Regelwerks, WM 1997, Sonderbeilage Nr. 3; Rattunde/Berner, Insolvenz einer börsennotierten Aktiengesellschaft – Pflicht des Insolvenzverwalters zur Publikation von Ad-hoc-Mitteilungen nach dem Wertpapierhandelsgesetz, WM 2003, 1313; Reuschle, Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, 2002; von Rosen/Gebauer in Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss, 5. Aufl. 2002; Schlitt, Die neuen Marktsegmente der Frankfurter Wertpapierbörse, AG 2003, 57; Schlitt/S. Schäfer, Drei Jahre Praxis unter dem Wertpapierprospektgesetz – eine Zwischenbilanz, AG 2008, 525; Seibt/von Bonin/Isenberg, Prospektfreie Zulassung von Aktien bei internationalen Aktientausch-Transaktionen mit gleichwertigen Dokumentenangaben (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 WpHG), AG 2008, 565; Siebel/Gebauer, Interimsdividende, AG 1999, 385; Siebel/Gebauer, Prognosen im Aktien- und Kapitalmarktrecht – Lagebericht, Zwischenbericht, Verschmelzungsbericht, Prospekt usw. –, WM 2001, 173 (Teil II); Spindler, Prime Standard und General Standard – Die Börse als Ersatzgesetzgeber für Quartalsberichte?, WM 2003, 2073; Spindler, Regeln für börsennotierte vs. Regeln für geschlossene Gesellschaften – Vollendung des Begonnenen?, AG 2008, 598; Spindler/Christoph, Die Entwicklung des
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§ 12
Börsen- und wertpapierhandelsrechtliche Zulassungsfolgepflichten
Kapitalmarktrechts in den Jahren 2003/2004, BB 2004, 219; Streit/Schiermeyer, Anmerkung zu VG Frankfurt am Main v. 29.1.2004 – 9 E 4228/03 (V), EWiR 2004, 457; Strieder, Die Zwischenberichterstattung in Deutschland nach der Veröffentlichung des DRS 6, KoR 2001, 222; Strieder/Ammedick, Zwischenberichterstattung im Jahr 2005 durch zur Umstellung auf IFRS verpflichtete Unternehmen, BB 2004, 2679; Stürwald, Pflicht zur Quartalsberichterstattung im amtlichen und geregelten Markt durch die „Hintertür“?, BKR 2002, 1021; Witte/Rafiqpoor, Die Beerdigung des Neuen Marktes – rechtliche Aspekte, BB 2002, 2615; Zietsch/ Holzborn, Zulassungsfolgepflichten börsennotierter Unternehmen – Eine Übersicht der Pflichten von Unternehmen nach deren Zulassung an einer deutschen Börse („Zulassungsfolgepflichten“), WM 2002, 2356 (Teil I), 2393 (Teil II).
I. Einführung 1. Begründung und Abgrenzung Zulassungsfolgepflichten sind die Pflichten des Emittenten, die durch die Zulassung seiner Wertpapiere zum Börsenhandel begründet werden. Als Informations-, Publizitäts- und sonstige Verhaltenspflichten bewecken sie den Schutz des Anlegerpublikums oder dienen in anderer Weise der Funktionsfähigkeit des Börsenhandels. Bei den Zulassungsfolgepflichten handelte es sich herkömmlich um spezifisch börsenrechtliche und erst seit neuerer Zeit um sonstige kapitalmarktrechtliche Verhaltenspflichten (wie z.B. die Pflicht zur Ad hoc-Publizität nach § 15 Abs. 1 WpHG oder die Pflicht zur Veröffentlichung eines jährlichen Dokuments nach § 37v WpHG). Zunehmend finden sich ursprünglich spezifisch börsenrechtliche Zulassungsfolgepflichten nunmehr auch im WpHG, wie z.B. die Pflichten des Emittenten gegenüber Wertpapierinhabern in § 30a WpHG. Unter der Zulassung von Wertpapieren versteht das Börsengesetz die den Emittenten begünstigende und an ihn gerichtete Erlaubnis der Wertpapierbörse (Geschäftsführung), zum Zweck der Börsenpreisermittlung der zugelassenen Wertpapiere die sachliche und personelle Börseninfrastruktur in Anspruch zu nehmen1. Der Zulassung in diesem Sinne bedürfen Wertpapiere, die auf Antrag des Emittenten im regulierten Markt einer Wertpapierbörse gehandelt werden (§ 32 Abs. 1 BörsG)2. Keine Zulassung liegt dagegen vor, wenn Wertpapiere eines Emittenten auf Antrag eines Handelsteilnehmers oder von Amts wegen durch die Geschäftsführung in den regulierten Markt (nach § 33 Abs. 1 BörsG) oder in den Freiverkehr (§ 48 BörsG) „einbezogen“ werden3. Die Einbeziehung kann ohne Mitwirkung des Emittenten erfolgen, sofern seine Wertpapiere bereits an einer anderen in- oder ausländischen Börse notiert sind (vgl. § 33 Abs. 1 Nr. 1 BörsG). Infolge einer fehlenden Beteiligung des Emittenten werden für ihn durch die Einbeziehung seiner Wertpapiere keine neuen Pflichten begründet; seine Pflichten aufgrund der anderweitigen Börsenzulassung bleiben unberührt. Er ist gemäß § 33 Abs. 3 BörsG über die Einbeziehung seiner Wertpapiere durch die Geschäftsführung zu unterrichten. Aufgrund der Einbeziehung ist lediglich der antragstellende Handelsteilnehmer zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Börsenhandels verpflichtet. 1 Vgl. Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 3, 8; Kümpel, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 17.733; Heidelbach in Schwark, § 30 BörsG Rz. 1 und 6. 2 Im Ausnahmefall sind Wertpapiere kraft Gesetzes zugelassen (staatliche Schuldverschreibungen im Sinne von § 37 BörsG oder neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gemäß § 33 Abs. 4 EGAktG). 3 Eine Einbeziehung von Wertpapieren in den regulierten Markt erfolgt durch die Börsengeschäftsführung (§ 33 Abs. 1 BörsG) bzw. – in den Freiverkehr – durch den Freiverkehrsträger, vgl. Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 57 BörsG Rz. 19; Schwark in Schwark, § 56 BörsG Rz. 1, hält die Einbeziehung von Wertpapieren in den geregelten (jetzt regulierten) Markt für einen Unterfall der Zulassung.
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Börsennotierung
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Mit der Zulassung der Wertpapiere zum Börsenhandel kommt ein öffentlich-rechtliches Dauerrechtsverhältnis zwischen dem Emittenten und der Wertpapierbörse (als Anstalt des öffentlichen Rechts) zustande1. Von der Zulassung an muss der Emittent die ihm auferlegten Verhaltenspflichten erfüllen. Die Wertpapierbörse nimmt ihrerseits die Börsennotierung der zugelassenen Wertpapiere gemäß den Vorgaben des Emittenten auf (Einführung im Sinne des § 38 Abs. 1 BörsG)2 und hat sodann die Börsenpreisermittlung im elektronischen Handel oder durch Skontroführer unter der Voraussetzung ordnungsgemäßer Marktverhältnisse aufrechtzuerhalten. Dem steht eine entsprechende Rechtsposition des Emittenten gegenüber. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Emittenten und der Wertpapierbörse zeichnet sich ferner dadurch aus, dass im Fall einer Nichterfüllung börsenrechtlicher Zulassungsfolgepflichten durch den Emittenten eine primäre Durchsetzung dieser Pflichten durch die Wertpapierbörse, die zu ihrer tatsächlichen Erfüllung führen würde, im Allgemeinen nicht stattfindet. Vielmehr erfolgt eine mittelbare Durchsetzung durch Androhung bzw. Festsetzung anderweitiger Sanktionen (z.B. Ordnungsgeld bis zu 250 000,00 E nach § 22 Abs. 2 Satz 2 BörsG oder Widerruf der Börsenzulassung nach § 39 Abs. 1 bzw. § 42 Abs. 2 Satz 1 BörsG).
3
Adressat von im BörsG geregelten Zulassungsfolgepflichten ist im Außenverhältnis der Emittent als Rechtsträger. Soweit das BörsG die Zulassungsfolgepflichten regelt, unterscheidet es nicht zwischen in- und ausländischen Emittenten. Demgegenüber stellt das WpHG, z.B. hinsichtlich der Zulassungsfolgepflichten in § 30a bis § 30e WpHG, entweder auf Emittenten, für die die BRD Herkunftsstaat ist, oder auf Inlandsemittenten ab. Die Erfüllung der Verhaltenspflichten durch den Emittenten ist im Regelfall eine Maßnahme der Geschäftsführung und obliegt damit dem Vorstand der Aktiengesellschaft. Der Vorstand kann (und wird häufig) die Erfüllung der Pflichten bzw. erforderliche Vorbereitungshandlungen auf seine Mitarbeiter bzw. Fachabteilungen delegieren. Bei bestimmten Verhaltenspflichten kann eine Mitwirkung des Aufsichtsrats des Emittenten erforderlich sein, wenn etwa die Beteiligung des Aufsichtsrats an der Pflichterfüllung aufgrund seiner gesetzlichen Stellung erforderlich ist (z.B. bei der Pflicht zur Erstellung eines – befreienden – Konzernabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen) oder im Einzelfall ein (fakultativer) Zustimmungsvorbehalt hinsichtlich der Erfüllungshandlung besteht. Dagegen scheidet eine Mitwirkung der Hauptversammlung des Emittenten an der Erfüllung der Verhaltenspflichten aus rechtlichen und praktischen Gründen grundsätzlich aus. Eine Besonderheit mag hier die börsenrechtliche Verpflichtung einer Aktiengesellschaft zur Gleichbehandlung der Aktionäre darstellen (§ 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG), die einer ohnehin von allen Gesellschaftsorganen gemäß § 53a AktG zu beachtenden Pflicht entspricht (hierzu Rz. 12). In der Insolvenz des Emittenten geht die interne Zuständigkeit zur Erfüllung börsenrechtlicher bzw. sonstiger kapitalmarktrechtlicher 1 Ausführlich zum Rechtsverhältnis (Börsenbenutzungsverhältnis) zwischen Emittent und Wertpapierbörse Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.733 ff.; Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 30 BörsG Rz. 8; Hammen, ZBB 2001, 84, 91, sieht das öffentlich-rechtliche Börsenbenutzungsverhältnis zwischen Emittent und Wertpapierbörse als verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis an, auf das zivilrechtliche Vorschriften entsprechend Anwendung finden. 2 Die Zulassungsfolgepflichten werden durch die Zulassung der Wertpapiere begründet. Auf die Einführung der Wertpapiere, die zwingend nach Zulassung erfolgt (vgl. § 38 Abs. 1 Satz 1 BörsG), kommt es nicht entscheidend an (vgl. von Rosen/Gebauer in Küting/Weber, Hdb. der Rechnungslegung, § 44b BörsG Rz. 16). Auch die Einführung wird teilweise als Zulassungsfolgepflicht angesehen. Seine Mitwirkung an der Einführung stellt aber wegen § 38 Abs. 4 BörsG (Wegfall der Zulassung bei nicht fristgerechter Einführung) eher eine Obliegenheit des Emittenten dar.
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§ 12
Börsen- und wertpapierhandelsrechtliche Zulassungsfolgepflichten
Verhaltenspflichten nach § 11 WpHG nicht vom Vorstand auf den Insolvenzverwalter über, doch hat der Insolvenzverwalter den Schuldner (also den Emittenten und damit indirekt dessen Vorstand) bei der Erfüllung seiner Pflichten insb. durch Bereitstellung der erforderlichen Mittel zu unterstützen1. Die börsenrechtlichen wie auch die im WpHG kodifizierten Zulassungsfolgepflichten des Emittenten sind eine Ausprägung kapitalmarktrechtlicher Verhaltenspflichten. Auch in anderen Normen und Regelungen als denen des Börsenrechts ist die Zulassung des Emittenten bzw. seine Börsennotierung pflichtbegründendes Tatbestandselement (siehe hierzu insbesondere § 13 Rz. 9 – Insiderrecht –, § 14 Rz. 16 – Ad hoc-Publizität –, § 15 Rz. 4 – Directors Dealings – sowie § 17 Rz. 7 – Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten von Stimmrechtsanteilen –). Sofern diese Bestimmungen ebenfalls dem spezifischen Kapitalmarktrecht zuzuordnen sind (wie die vorstehend angesprochenen Verhaltensregelungen des WpHG), besteht auch deren Zielrichtung im Schutz des Publikums und der Funktionsfähigkeit des Börsenhandels2. Dagegen lassen sich die unterschiedlichen Anforderungen des Aktiengesetzes an börsennotierte und nicht börsennotierte Gesellschaften nicht einheitlich auf diesen Schutzzweck zurückführen. Die Differenzierung des § 3 Abs. 2 AktG diente ursprünglich nicht in erster Linie der Begründung zusätzlicher Verhaltenspflichten börsennotierter Gesellschaften oder deren Organe, sondern – als allgemeine Definitionsnorm – der sprachlichen Entlastung verschiedener Vorschriften des Aktiengesetzes über die Deregulierung des Rechts nicht börsennotierter Gesellschaften. Zunehmend wurden und werden in das Aktiengesetz allerdings Regelungen eingefügt, die an die sog. kapitalmarktorientierte Trennlinie des § 3 Abs. 2 AktG anknüpfen und dabei ersichtlich eine kapitalmarktbezogene Verhaltenssteuerung der börsennotierten Aktiengesellschaft bzw. deren Gesellschaftsorgane bezwecken3. Ein Beispiel hierfür ist die Pflicht von Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten Aktiengesellschaft nach § 161 AktG, jährlich zu erklären, inwieweit die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex angewandt wurden und werden, und diese Erklärung den Aktionären dauerhaft zugänglich zu machen (zur sog. Entsprechenserklärung oben § 2 Rz. 62 ff.). Die Diskussion wird de lege ferenda daher darum geführt, ob es grundsätzlich verschiedene Regeln für börsennotierte und nicht börsennotierte Aktiengesellschaften geben soll4.
4
Die börsenrechtlichen und sonstigen kapitalmarktrechtlichen Verhaltenspflichten ergeben zusammen das auf der Börsenzulassung seiner Wertpapiere beruhende Pflichtenprogramm des Emittenten, seiner Verwaltungsorgane oder dritter Personen5. Dieses Pflichtenprogramm ist für einen (potentiellen) Emittenten vor allem aus unter-
5
1 Zu dem damit entschiedenen Streit siehe etwa Rattunde/Berner, WM 2003, 1313, 1315 ff.; Streit/Schiermeyer, EWiR 2004, 457, 458, sowie Ott/Brauckmann, BB 2004, 2117, 2120 ff. sowie VG Frankfurt a.M. v. 29.1.2004 – 9 E 4228/03 (V), ZIP 2004, 469, hinsichtlich der Pflicht zur Veröffentlichung von Stimmrechtsmitteilungen nach § 25 WpHG. 2 Die Differenzierung zwischen spezifisch börsenrechtlichen und sonstigen Verhaltenspflichten ist für die Frage der Sanktionierbarkeit von Pflichtverstößen durch die Börse von praktischer Bedeutung. 3 Im Handelsrecht (insbesondere im Konzernrechnungslegungsrecht) gibt es ebenfalls kapitalmarktbezogene Differenzierungen zwischen börsennotierten und nichtbörsennotierten Gesellschaften (z.B. in §§ 292a Abs. 1, 293 Abs. 5 oder § 297 Abs. 1 HGB). 4 Vgl. etwa Bayer, Gutachten 67. DJT, pp.; Spindler, AG 2008, 598 – beide m.w.N. 5 Ein Beispiel für Verhaltenspflichten Dritter ist die Mitteilungspflicht des Stimmrechtsinhabers bei Veränderungen seines Stimmrechtsanteils an einer börsennotierten Gesellschaft (§§ 21 ff. WpHG). Auch die Insidervorschriften (§§ 12 ff. WpHG) können in diesem Zusammenhang genannt werden.
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§ 12
Börsennotierung
nehmerischer Sicht von Bedeutung. Der Börsengang bewirkt einen Wandel von einer Aktiengesellschaft mit regelmäßig überschaubarem Aktionärskreis und einer mitgliedschaftlich geprägten Organisation zu einer Gesellschaft, die ihre Aktionäre nicht mehr nur als Verbandsmitglieder, sondern auch als Kapitalanleger betrachtet und sich nach dem speziell für dieses Verhältnis geltenden Kapitalmarktrecht verhalten muss. Bei bestehender Börsennotierung können die Verhaltenspflichten eine Rolle spielen bei Überlegungen zur weiteren Aufrechterhaltung der Kapitalmarktpräsenz des Emittenten (Frage des Delisting; vgl. unten § 61 Rz. 9) oder zur Modifizierung des aktuellen Kapitalmarktauftritts (z.B. Fragen des Dual Listing oder Marktsegmentwechsels). Der Kapitalmarktauftritt des Emittenten wird wesentlich durch die öffentlichkeitswirksamen und für potentielle Investoren häufig entscheidungsrelevanten Anforderungen des jeweiligen (Ziel-)Marktsegments geprägt. Aus diesem Grund kann es für einen Emittenten pauschal vorzugswürdig erscheinen, die Notierung in einem Marktsegment mit strengen Verhaltenspflichten anzustreben bzw. aufrechtzuerhalten. Gleichwohl erfordert es die unternehmerisches Sorgfalt, das konkrete Marktsegment mit seinen spezifischen Verhaltenspflichten im Hinblick auf die individuellen Verhältnisse auszuwählen, damit sich keine erheblichen Differenzen ergeben zwischen den Anforderungen des Marktsegments einerseits und den Möglichkeiten des Emittenten (d.h. seinen sachlichen und personellen Kapazitäten), diese Anforderungen zu erfüllen, andererseits1. Auch Kostenaspekte sind hier von Bedeutung, da Kosten abhängig vom Erfüllungsaufwand der einzelnen Pflichten börsennotierter Unternehmen entstehen (vgl. unten § 61 Rz. 10)2. Zu weiteren Folgekosten kann es führen, wenn die Pflichterfüllung bzw. die Vermeidung von Pflichtverletzungen durch eine besondere Compliance-Organisation des Emittenten gewährleistet werden soll. 2. Börsenorganisationsrecht a) Stufenaufbau und Verhältnis der Rechtsquellen 6
Das Recht enthält an verschiedenen Stellen (Börsengesetz, Wertpapierhandelsgesetz, Börsenzulassungs-Verordnung, Börsenordnungen der Wertpapierbörsen) normative Bestimmungen über die Zulassungsfolgepflichten von Emittenten3. Je nach Marktsegment bzw. Teilbereichen von Marktsegmenten sind diese Normen von einem Emittenten in unterschiedlicher Zusammenstellung zu beachten. In der Normenhierarchie stehen – vorbehaltlich verfassungsrechtlicher oder europarechtlicher Schranken und Vorgaben – das Börsengesetz und das Wertpapierhandelsgesetz auf der obersten Stufe. Das Börsengesetz befasst sich in §§ 40, 41 BörsG mit den Zulassungsfolgepflichten 1 Sofern im Einzelfall die Hauptversammlung des Emittenten im Rahmen der Vorbereitung des Börsengangs eine Entscheidung für ein bestimmtes Marktsegment trifft, ist die Unternehmensverwaltung hieran gebunden und kann nicht aus eigenem Ermessen ein anderes Zielmarktsegment auswählen. Zur Gewährleistung einer sachlich und zeitlich flexiblen Emissionspolitik wird es sich daher bei den Emittenten, für die mehrere Marktsegmente bzw. Börsenplätze in Betracht kommen, regelmäßig empfehlen, dass die Hauptversammlung auf die Benennung eines konkreten Marktsegments verzichtet und die Entscheidung dem pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltungsorgane überlässt. 2 Siehe auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.91, sowie – speziell im Hinblick auf die Kosten der Quartalsberichterstattung – Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.597, und Spindler, WM 2002, 2073, 2079. 3 Daneben gibt es Regelungen über die Bildung von Aktienindizes, die für die Aufnahme eines Emittenten voraussetzen, dass dieser bestimmte Verhaltenspflichten erfüllt (siehe Ziff. 2.2.1 des sog. Leitfadens zu den Aktienindizes der Deutschen Börse). Diese Bedingungen sind nicht Element der nachfolgend beschriebenen Normenhierarchie, was indes ihre Überprüfbarkeit anhand börsenrechtlicher und allgemeiner Normen nicht generell ausschließt.
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§ 12
Börsen- und wertpapierhandelsrechtliche Zulassungsfolgepflichten
des Emittenten des regulierten Markts, wobei in § 40 Abs. 1 BörsG die Pflicht, für später ausgegebene Aktien derselben Gattung die Zulassung zum regulierten Markt zu beantragen und in § 41 Abs. 1 BörsG die allgemeine Auskunftspflicht des Emittenten geregelt sind. Auf Grundlage des § 42 BörsG können die einzelnen Wertpapierbörsen überdies für sog. Teilbereiche des regulierten Markts weitere Unterrichtungspflichten des Emittenten einführen. Das Wertpapierhandelsgesetz befasst sich mit den Zulassungsfolgepflichten des Emittenten von zugelassenen Wertpapieren, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat i.S.v. § 2 Abs. 6 WpHG ist, in einem durch das TUG neu geschaffenen Abschnitt 5a mit der Überschrift „Notwendige Informationen für die Wahrnehmung von Rechten aus Wertpapieren“ in §§ 30a bis 30e WpHG sowie in Abschnitt 11 in §§ 37n bis 37u WpHG und in §§ 37v bis 37z WpHG. Dabei sind in § 30a WpHG eine Reihe von Einzelpflichten geregelt, die früher in § 39 BörsG a.F. geregelt waren, u.a. die Pflicht zur Gleichbehandlung der Inhaber der zugelassenen Wertpapiere, die Pflicht zur Unterhaltung einer inländischen Zahlstelle sowie die Pflicht zur Übermittlung einer Einladung zu Hauptversammlungen oder Gläubigerversammlungen zusammen mit einem Vollmachtsformular. Durch § 30b WpHG werden Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, verpflichtet, Einladungen zu Hauptversammlungen oder Gläubigerversammlungen sowie Dividendenmitteilungen, Umtauschmitteilungen oder Mitteilungen über Zeichnungsrechte etc. auch im elektronischen Bundesanzeige zu veröffentlichen1. Nach § 30c WpHG ist ein Emittent zugelassener Wertpapiere, für den die Bundesrepublik Deutschland Herkunftsstaat ist, verpflichtet, beabsichtigte Änderungen seiner Satzung der BaFin und den Zulassungsstellen der inländischen organisierten Märkte unverzüglich nach der Entscheidung, den Änderungsvorschlag dem Beschlussorgan vorzulegen, mitzuteilen2. Nach § 30e WpHG hat ein Inlandsemittent i.S.v. § 2 Abs. 7 WpHG div. Veröffentlichungen zudem dem Unternehmensregister mitzuteilen, nach §§ 37n bis 37u WpHG unterliegen die Jahresabschlüsse und zugehörige Lageberichte sowie Konzernabschlüsse und zugehörige Konzernlageberichte sowie deren jeweilige Kurzformen der Prüfung durch die BaFin bzw. der DPR (Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung3). Die §§ 37v bis 37z WpHG regeln die Pflicht zur Erstellung von Jahres- und Halbjahresfinanzberichten und von Zwischenmitteilungen der Geschäftsführung, was vor Geltung des TUG (teilweise) in § 40 BörsG a.F. geregelt war (Zwischenbericht für Emittenten von Aktien). Die Börsenzulassungs-Verordnung wurde auf Grundlage verschiedener Ermächtigungen im Börsengesetz ursprünglich von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats für den regulierten Markt erlassen. Die Börsenzulassungs-Verordnung a.F. enthielt in ihren §§ 53 ff. detaillierte Ausführungen zu den Zulassungsfolgepflichten nach §§ 39 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4, 40 BörsG a.F., die nunmehr weitestgehend in §§ 30a ff. WpHG enthalten sind.
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Im Stufenaufbau börsenrechtlicher Zulassungsfolgepflichten stehen die Börsenordnungen der Wertpapierbörsen nicht unmittelbar unter der Börsenzulassungs-Verordnung, sondern – bildlich gesehen – versetzt daneben. Dies beruht darauf, dass sich der Regelungsbereich der Börsenordnung ausschließlich aus dem Börsengesetz ableitet und nicht auch aus der Börsenzulassungs-Verordnung. Die Börsenordnungen werden
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1 Nach § 46 Abs. 4 WpHG bis 31.12.2008 zudem auch in einem Börsenpflichtblatt. 2 Bei der Pflicht zur Mitteilung an die „Zulassungsstelle“ dürfte es sich um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers handeln, da die Zulassung von Wertpapieren durch die Geschäftsführung der Börse erfolgt, § 32 Abs. 1 BörsG, und seit dem FRUG die Zulassungsstellen faktisch aufgehört haben zu existieren. 3 Vgl. §§ 342b ff. HGB; zum Umfang der Prüfungstätigkeit vgl. BB 2008, 1498.
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§ 12
Börsennotierung
von den einzelnen Wertpapierbörsen gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BörsG als Satzungen erlassen und sind – der h.M. zufolge, die in den Wertpapierbörsen Anstalten des öffentlichen Rechts sieht – ebenfalls Rechtsnormen1. Bis zur Börsengesetznovelle durch das FRUG im Oktober 2007 widmeten sich die Börsenordnungen vornehmlich dem (damals sog.) geregelten Markt, der 1986 in das BörsG eingeführt worden war. Seit dem FRUG und der „Zusammenlegung“ von amtlichem und geregeltem Markt im regulierten Markt (vgl. § 52 Abs. 7 BörsG) setzen die BörsO § 42 Abs. 1 BörsG um und definieren Teilbereiche des regulierten Marktes mit zusätzlichen Anforderungen an bzw. Zulassungsfolgepflichten für Emittenten, z.B. der Quartalsberichtspflicht im Prime Standard der FWB (vgl. §§ 63 ff. BörsO FWB)2. De lege lata besteht daher die Bedeutung der Börsenordnungen hinsichtlich der Zulassungsfolgepflichten in erster Linie darin, dass sie für Teilbereiche des regulierten Markts weitere Unterrichtungspflichten des Emittenten zum Schutz des Publikums oder für einen ordnungsgemäßen Börsenhandel vorsehen können (§ 42 BörsG). Damit soll den Wertpapierbörsen eine eigenständige Marktsegmentregulierung ermöglicht werden. 9
Der Freiverkehr wird gemäß § 48 Abs. 1 BörsG durch Geschäftsbedingungen (früher Handelsrichtlinien) reguliert. In Abgrenzung von dem Segment regulierter Markt der Wertpapierbörse ist das Regelwerk des Freiverkehrs privatrechtlicher Natur und wird – formal betrachtet – nicht von der Wertpapierbörse als Anstalt des öffentlichen Rechts herausgegeben, sondern vom jeweiligen Freiverkehrsveranstalter (in der Regel von der sog. Börsenträgergesellschaft3). Der Börsenaufsichtsbehörde obliegt nach § 48 Abs. 3 Satz 1 BörsG die Zulassung des Freiverkehrs als Marktsegment. Die Einbeziehung von Emittenten in den Freiverkehrshandel ist dagegen dem Freiverkehrsveranstalter vorbehalten. In den herkömmlichen Freiverkehrssegmenten unterliegen die Emittenten keinen börsenrechtlichen Verhaltenspflichten. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 BörsG dürfen sie durch die Geschäftsbedingungen auch nicht zur Veröffentlichung von Informationen verpflichtet werden, wenn ihre Wertpapiere ohne ihre Zustimmung in den Freiverkehr einbezogen wurden. Mit dem Regelwerk Neuer Markt wurden erstmals Handelsrichtlinien vorgelegt, die – abweichend von den herkömmlichen Handelsrichtlinien (sog. Freiverkehrsrichtlinien) – ebenfalls Verhaltenspflichten für Emittenten vorsahen und mit diesen über das im (damaligen) amtlichen und geregelten Markt geltende Niveau hinausgingen. Im börsenrechtlichen Stufenaufbau stehen die Geschäftsbedingungen unter dem Börsengesetz und – soweit in der Börsenordnung einer Wertpapierbörse Inhalte der Freiverkehrsregulierung vorgegeben sind – (auch) unter der zwischengeschalteten Börsenordnung. b) Vorrang der gesetzlichen Marktsegmentverfassung
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Seit der Abschaffung der amtlichen Kursfeststellung im amtlichen Handel (jetzt regulierter Markt) durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz ermöglichen insbesondere die jeweils geltenden Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsfolgepflichten 1 Siehe nur Ledermann in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 BörsG Rz. 1; Schwark in Schwark, § 13 BörsG Rz. 1; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.315. 2 Vgl. Gebhardt, WM 2003, Sonderbeilage 2, S. 2 ff.; zur Verfassungsmäßigkeit von § 42 BörsG vgl. Hess. VGH v. 28.3.2007 – 6 N 3224/04, WM 2007, 1264, 1267 ff. 3 Die Börsenträgergesellschaft ist Empfänger der staatlichen Genehmigung zur Errichtung einer Wertpapierbörse und nach Genehmigungserteilung verpflichtet, die Wertpapierbörse zu errichten und zu betreiben sowie diese mit den für die Erfüllung des Anstaltszwecks benötigten finanziellen, personellen und sachlichen Mitteln auszustatten (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 BörsG). Einzige selbst börsennotierte Börsenträgergesellschaft ist derzeit die Deutsche Börse AG (Träger der Frankfurter Wertpapierbörse).
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Börsen- und wertpapierhandelsrechtliche Zulassungsfolgepflichten
eine typisierende Abgrenzung der verschiedenen Marktsegmente der Börse1. Wenngleich vor allem die Befugnis der Wertpapierbörsen zur eigenständigen Bildung von Teilbereichen des regulierten Markts (§ 42 BörsG) Grundlage einer relativen Vielfalt unterschiedlicher Verhaltenspflichtprogramme für Emittenten sein kann, müssen sich alle vorhandenen Marktsegmente und Teilbereiche von Marktsegmenten dem börsengesetzlichen Prinzip des Numerus Clausus der Marktsegmente unterordnen. Dieses Prinzip besagt, dass der Wertpapierhandel unter dem Dach der Börse nur in den zwei Segmentgattungen (Handelssegmenten) regulierter Markt und Freiverkehr stattfindet und nicht (auch) in beliebig gebildeten und organisierten sonstigen Marktveranstaltungen2. Auf diese Weise soll die institutionelle Transparenz des Wertpapierhandels und damit die Funktionsfähigkeit des Börsenbetriebs gewährleistet werden3. Ergänzend kann aus dem Zwei-Segmente-Prinzip hergeleitet werden, dass den potentiellen Emittenten mehrere, durch ihre gesetzlichen Merkmale unterscheidbaren Marktsegmente mit unterschiedlichen Anforderungen zur Verfügung stehen sollen, damit eine Kapitalbeschaffung über den organisierten Kapitalmarkt für eine möglichst hohe Zahl geeigneter Unternehmen in Betracht kommt4. Die Befugnis der Wertpapierbörsen zur Bildung von Teilbereichen des regulierten Markts nach § 42 BörsG hat an diesem Grundsatz nichts geändert, sondern im Gegenteil die gesetzlichen Segmentgattungen regulierter Markt (als Handelssegment) sowie den Numerus Clausus der Marktsegmente insgesamt unberührt gelassen bzw. bestätigt5. Gemessen an dieser gesetzlichen Grundstruktur der Börsensegmentverfassung erschien es nicht unbedenklich, wenn die Frankfurter Wertpapierbörse die ihr an sich zustehende Befugnis zur Regulierung des (damaligen) geregelten Markts dazu in Anspruch nahm, die gesetzliche Einteilung der Marktsegmente durch eine satzungsmäßige Segmentverfassung zu überlagern, hinter die – insbesondere in der Außendarstellung6 – die gesetzliche Differenzierung der Marktsegmentgattungen zugunsten einer frei gewählten und segmentübergreifenden Zuordnung von Emittenten zu bestimmten von der Wertpapierbörse selbst geschaffenen „Standards“ (General Standard und Prime Standard) zurücktreten sollte. Die Anknüpfung der Standards an den vorgegebenen Segmentgattungen (Handelssegmenten) war aber auch hier noch erkennbar (insbesondere infolge satzungsmäßiger Differenzierungen in der Börsenordnung und einer entsprechenden Zulassungspraxis), so dass allein die namentliche Bezeichnung der Segmentstandards durch die Wertpapierbörse die Bedenken nicht zu rechtfertigen vermochte. Die segmentübergreifende Bezeichnung „General Standard“ ging jedoch nach § 71 BörsO FWB a.F. (zwangsläufig) mit einer Nivellierung der damaligen gesetzlichen Merkmale der Segmente amtlicher und geregelter Markt
1 Vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.610. 2 Der Numerus Clausus der Marktsegmente wird auch als Zwei-Segmente-Prinzip bezeichnet (Hammen, WM 2003, 997, 1000 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.585 ff.). Keine Ausnahme von diesem Prinzip stellt der Börsenhandel in einem elektronischen Handelssystem (gemäß § 25 Satz 1 Alt. 1 BörsG a.F. – durch das FRUG ersatzlos weggefallen, doch bestehen elektronische Handelssysteme weiter) dar, da dieser die bestehende Marktsegmentierung unberührt lässt. 3 Vgl. Hammen, WM 2003, 997, 1000; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.585 ff. 4 Dies gilt ungeachtet der Frage, ob unter dem Dach einer einzelnen Börse die verschiedenen Marktsegmente tatsächlich sämtlich bestehen müssen oder ein Ermessen besteht, die Marktsegmente einzurichten und zu veranstalten (hierzu Hammen, WM 2003, 997, 1000; Gebhardt, WM 2003, Sonderbeilage Nr. 2, 4 f.). 5 So auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.587; ähnlich Hammen, WM 2003, 997, 1000 f. (für die Geltung von amtlichem und geregeltem Markt). 6 Vgl. Gebhardt, WM 2003, Sonderbeilage Nr. 2, 4.
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Börsennotierung
in der Weise einher1, dass für die Grundform des geregelten Markts der Frankfurter Wertpapierbörse über § 54 Satz 1 BörsG a.F. hinaus die Regelungen für den amtlichen Markt in seiner Grundform nahezu vollständig entsprechend gelten sollten (was im Ergebnis insbesondere zu einer obligatorischen Zwischenberichtspflicht im geregelten Markt führen sollte). Hierdurch wurde die gesetzlich vorgegebene Abstufung der Marktsegmente aufgehoben mit der Folge, dass der (damalige) geregelte Markt den Emittenten an der Frankfurter Wertpapierbörse nicht mehr (auch) in der gesetzlichen Grundform zur Verfügung stand, sondern lediglich in einer annähernd auf das Niveau des (damaligen) amtlichen Markts angehobenen Version2. Durch die Zusammenlegung der Marktsegmente des amtlichen und des geregelten Maktes im regulierten Markt unter Beibehaltung von § 42 BörsG für den regulierten Markt mit der Eröffnung der Möglichkeit für die Börsen, durch die Börsenordnungen für Teilbereiche des regulierten Marktes zusätzliche Voraussetzungen für die Einführung von Aktien und weitere Unterrichtungspflichten des Emittenten vorzusehen, ist das Vorgehen der FWB nachträglich vom Gesetzgeber sanktioniert worden3.
II. Zulassungsfolgepflichten im regulierten Markt 1. Pflichten des Emittenten nach § 30a Abs. 1 WpHG a) Gleichbehandlung der Wertpapierinhaber (§ 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG) 12
Nach § 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist der Emittent, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat i.S.v. § 2 Abs. 6 WpHG ist4, verpflichtet, die Inhaber der zugelassenen Wertpapiere unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln5. Da sich die Pflicht zur Gleichbehandlung nunmehr in einem Abschnitt über „Notwendige Informationen über die Wahrnehmung von Rechten aus Wertpapieren“ findet und die durch das TUG umgesetzte Transparenzrichtlinie in Artt. 17 und 18 nur Informationspflichten vorsieht, könnte in Erwägung zu ziehen sein, dass sich die 1 So auch Spindler/Christoph, BB 2004, 2197, 2204. 2 Nach Art. 5 der Transparenzrichtlinie (Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 15.12.2004, ABl. EU Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 98 ff.) sind Emittenten des (damaligen) geregelten Markts zur Veröffentlichung sog. Halbjahresfinanzberichte verpflichtet, was durch das TUG in § 37w WpHG als Halbjahresfinanzbericht zwingend für alle Inlandsemittenten in deutsches Recht per Januar 2007 umgesetzt wurde, so dass die Marktgestaltung der Frankfurter Wertpapierbörse im Hinblick auf die Zwischenberichtspflicht von Emittenten des geregelten Markts (General Standard) nachträglich als unbedenklich anzusehen ist (vgl. Buchheim/Ulbrich, KoR 2004, 273, 276 und 282 ff.). 3 Insoweit dürfte die Feststellung in BT-Drucks. 14/8017, S. 80, dass es immer einen Handel in Aktien in einem „amtlichen (heute: regulierten) Markt geben muss, der sich auf die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen beschränkt“, weiterhin Gültigkeit besitzen. 4 Vgl. dazu Kiem in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 12 Rz. 4. 5 Die Zulassungsfolgepflichten für Emittenten des (damaligen) amtlichen Markts nach § 39 BörsG a.F., §§ 63 ff. BörsZulV a.F. sowie § 40 BörsG a.F., §§ 53 ff. BörsZulV a.F. beruhten auf der Börsenzulassungsrichtlinie (Richtlinie 79/279/EWG des Rates vom 5.3.1979, ABl. EG Nr. L 66 v. 16.3.1979, S. 21 ff.) und der Zwischenberichtsrichtlinie (Richtlinie 82/121/EWG des Rates vom 15.2.1982, ABl. EG Nr. L 48 v. 20.2.1982, S. 26 ff.). Diese Richtlinien wurden später in der Koordinierungsrichtlinie (Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.5.2001, berichtigte Fassung in ABl. EG Nr. L 217 v. 11.8.2001, S. 19 ff.) zusammengefasst. Die Prospektrichtlinie (Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64 ff.) ließ die Vorschriften der Koordinierungsrichtlinie über die Zulassungsfolgepflichten unberührt, doch wurde die Koordinierungsrichtlinie durch die Transparenzrichtlinie, ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38, hinsichtlich der Zulassungsfolgepflichten aufgehoben.
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Börsen- und wertpapierhandelsrechtliche Zulassungsfolgepflichten
Gleichbehandlungspflicht nur noch auf eine „gleiche Informationsversorgung“ der Wertpapierinhaber durch den Emittenten beschränkt. Einer solchen Überlegung wird jedoch zu Recht entgegengehalten, dass eine solche Interpretation der Herkunft des Gleichbehandlungsgebotes als inhaltlichem und nicht nur informationellem Gebot nicht gerecht wird und dass dem Gesetzgebungsverfahren für das TUG nicht zu entnehmen ist, dass das materielle Gleichbehandlungsgebot aufgegeben werden sollte1. Da Aktionäre ohnehin nach § 53a AktG unter gleichen Voraussetzungen gleich zu behandeln sind (hierzu unten § 36 Rz. 19 ff.), wird der Norm des § 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG für die Gleichbehandlung der Aktionäre durch den Emittenten überwiegend keine weitere Bedeutung beigemessen. Der Zweck der ehemals börsenrechtlichen und seit dem TUG wertpapierhandelsrechtlichen Vorschrift bestehe allein darin, das Gleichbehandlungsgebot auf die Emittenten von Schuldverschreibungen zu erstrecken2. Diese Ansicht übersieht aber, dass § 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG auch für die Gleichbehandlung der Aktionäre eine eigenständige Bedeutung hat. Diese ist zum einen darin zu sehen, dass die Aktionärsgleichbehandlung hierdurch auch zu einer börsen- bzw. wertpapierhandelsrechtlichen Verhaltenspflicht der (im Sinne von § 3 Abs. 2 AktG) börsennotierten Aktiengesellschaft wird. Im Fall einer sachlich ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Aktionären durch den Emittenten bzw. seine Organe liegt demnach nicht nur aktienrechtliches, sondern auch börsenrechtliches bzw. wertpapierhandelsrechtliches Fehlverhalten des Emittenten vor, was neben aktienrechtlichen Konsequenzen ggf. börsenrechtliche – nicht jedoch wertpapierhandelsrechtliche – Sanktionen (z.B. Ordnungsgeld nach § 22 Abs. 2 Satz 2 BörsG) zur Folge haben kann3. Zum anderen gilt § 53a AktG – im Gegensatz zu § 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG – nicht für Emittenten von Schuldtiteln sowie von Investmentanteilen und nicht für Emittenten zugelassener Wertpapiere mit statutarischem Sitz außerhalb des Geltungsbereichs des Aktiengesetzes4, während § 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG für alle Emittenten gilt, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist. Diese Emittenten werden von § 2 Abs. 6 Nr. 1 lit. b WpHG definiert als (u.a.) die Emittenten von Aktien, die ihren Sitz in einem Drittstaat (d.h. außerhalb der EU oder des EWR) haben und deren Aktien an einem organisierten Markt im Inland oder der EU oder des EWR zugelassen sind und die ein jährliches Dokument i.S.v. § 10 WpPG bei der BaFin zu hinterlegen haben. Selbst dann, wenn ein anderer Mitgliedstaat der EU oder des EWR Herkunftsstaat des Emittenten ist, gelten §§ 30a bis 30c WpHG nach § 30d WpHG, wenn in diesem Herkunftsstaat für den Emittenten keine vergleichbaren Vorschriften gelten (z.B. wegen noch nicht erfolgter Richtlinienumsetzung), seine Wertpapiere jedoch an einem inländischen organisierten Markt zugelassen sind. Was dagegen den Inhalt der Zulassungsfolgepflicht nach § 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG angeht, kann zur Beurteilung von Fragen der börsen- bzw. wertpapierhandelsrechtlichen Gleichbehandlungspflicht von Aktienemittenten grundsätzlich auf den Anwendungsbereich des § 53a AktG verwiesen werden5. Diese pauschale Inbezugnahme ist plausibel, weil erhebliche Verstöße gegen die aktienrechtliche Pflicht 1 2 3 4
So zutreffend Kiem in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 12 Rz. 6 f. Heidelbach in Schwark, § 39 BörsG Rz. 3; Hamann in Schäfer, 1. Aufl., § 44 BörsG Rz. 5. Vgl. Göckeler in Beck’sches Hdb. AG, § 24 Rz. 88. Hierauf weist zu Recht hin, Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 39 BörsG Rz. 10. 5 Bei Aktiengesellschaften mit statutarischem Sitz im Ausland ist eine solche pauschale Verweisung allerdings nicht möglich. Die Rechtskonflikte, die sich hieraus ergeben können (insbesondere wenn nach der ausländischen Aktienrechtsordnung ein den Wirkungen des § 53a AktG entsprechendes Gleichbehandlungsgebot nicht bestehen sollte), können wohl nur anhand einer Einzelfallbetrachtung gelöst werden.
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zur Aktionärsgleichbehandlung die Kapitalmarkttauglichkeit des Emittenten in Zweifel ziehen und – bei rechtstechnischer Betrachtung – Normadressat des § 53a AktG ebenfalls die Aktiengesellschaft selbst ist1, die sich auch in diesem Zusammenhang das Verhalten bzw. die Entscheidungen ihrer Organe zurechnen lassen muss. Streitig ist, ob § 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB ist2. b) Vorhandensein von Zahlstellen (§ 30a Abs. 1 Nr. 4 WpHG) 13
Der Emittent ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass für die gesamte Dauer der Zulassung der Wertpapiere mindestens eine Zahl- und Hinterlegungsstelle im Inland bestimmt ist, bei der alle erforderlichen Maßnahmen hinsichtlich der Wertpapiere, im Fall der Vorlegung der Wertpapiere bei dieser Stelle kostenfrei, bewirkt werden können (§ 30a Abs. 1 Nr. 4 WpHG). Auf die Zahlstellen ist im Emissionsprospekt hinzuweisen (siehe Anhang III Ziff. 5.4.2 der EG-VO 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG3). Diese Stellen müssen während der gesamten Dauer der Zulassung vorhanden sein, woraus sich eine entsprechende Überwachungsobliegenheit des Emittenten ergibt4. Änderungen hinsichtlich der Zahlstellen waren nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 BörsG a.F., § 15 Abs. 1 Nr. 6 BörsZulVO a.F. in einem überregionalen Börsenpflichtblatt bekannt zu machen5. Eine entsprechende Vorschrift über die Veröffentlichung nachträglicher Änderungen der Zahlstelle findet sich in §§ 30a ff. WpHG nicht. Da jedoch die Pflicht zur Unterhaltung einer Zahlstelle als Dauerpflicht ausgestaltet und durch § 39 Abs. 2 Nr. 14, Abs. 4 WpHG mit einer Geldbuße bis zu 100 000,00 E bewehrt ist, wird § 30c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b WpHG zumindest analog anzuwenden und dementsprechend eine Veröffentlichungspflicht gemäß §§ 26, 3a WpAIV anzunehmen sein. Zahlstellen sind Finanzinstitute, über die Dividenden des Emittenten ausbezahlt und Bezugsrechte eingelöst werden, sowie weitere wertpapiertechnische Abwicklungen erfolgen können6. Eine wesentliche Funktion der Zahlstellen liegt auch darin, dass bei ihnen gewöhnlich die sog. Schalterpublizität wertpapierprospektrechtlicher Pflichtveröffentlichungen erreicht wird7, auch wenn diese durch das TUG wesentlich beschnitten wurde. c) Unterrichtungen und Mitteilungen §§ 30a Abs. 1 Nr. 2, 30b, 30e WpHG)
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Der Emittent zugelassener Wertpapiere ist nach §§ 30a Abs. 1 Nr. 2, 30b und 30e WpHG verpflichtet, das Publikum über den Emittenten und die zugelassenen Wertpapiere angemessen zu unterrichten. Diese allgemeine Formulierung wählte § 39 Abs. 1 Nr. 3 BörsG a.F. und wurde konkretisiert durch §§ 63 bis 67, 70 BörsZulV 1 Hüffer, § 53a AktG Rz. 4. 2 Zu § 39 BörsG bejahend: Groß, ZHR 165 (2001), 141, 152; wohl auch Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 39 BörsG Rz. 15; verneinend die h. L., Kiem in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 12 Rz. 12; Heidelbach in Schwark, § 39 BörsG Rz. 7; Zietsch/Holzborn, WM 2002, 2356, 2363; Hamann in Schäfer, 1. Aufl., § 44 BörsG Rz. 20. 3 ABl. EG Nr. L 186 v. 18.7.2005, S. 3. 4 Zietsch/Holzborn, WM 2002, 2356, 2359. Häufig schließen Emittenten mit Zahl- und Hinterlegungsstellen Rahmenvereinbarungen (ggf. als Bestandteil der Übernahmevertrags) ab, um die Existenz dieser Stellen vertraglich abzusichern (siehe Heidelbach in Schwark, § 39 BörsG Rz. 12). 5 Zietsch/Holzborn, WM 2002, 2356, 2359. 6 Bei zugelassenen Schuldverschreibungen können über die Zahlstellen Zinsen oder Tilgungen ausbezahlt, bei zugelassenen Wandelschuldverschreibungen oder Wandelgenussrechten die eingetauschten Aktien ausgegeben werden. 7 Vgl. insbesondere § 14 Abs. 2 Nr. 2 lit. d, Nr. 3 lit. c WpPG (Börsenzulassungsprospekt).
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Börsen- und wertpapierhandelsrechtliche Zulassungsfolgepflichten
a.F. Diese Normen wurden durch das TUG ersetzt durch §§ 30a, 30b und 30e WpHG. Der Inhalt der Unterrichtungspflicht wird durch § 30a Abs. 1 Nr. 2 WpHG, § 30b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WpHG sowie § 30e Abs. 1 WpHG in materieller und formeller Hinsicht abschließend konkretisiert. Andere Unterrichtungsinhalte oder Formen lassen sich daher aus §§ 30a, 30b, 30e WpHG nicht herleiten1. Formell erfolgt die Veröffentlichung der Sachverhalte und Angaben gemäß § 30b WpHG im elektronischen Bundesanzeiger und der Sachverhalte und Angaben gemäß § 30e Abs. 1 WpHG nach § 30e Abs. 2 WpHG i.V.m. §§ 26, 3a WpAIV in Medien, bei denen davon ausgegangen werden kann, „dass sie die Information in der gesamten EU und EWR verbreiten“, wobei die Verbreitung nach § 3a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpAIV „rasch und zeitgleich in allen Mitgliedstaaten der EU und des EWR“ zu erfolgen hat. Faktisch bedeutet dies das Ende des überregionalen Börsenpflichtblattes und die Veröffentlichung in elektronischen Medien, ggf. mit Hinweisbekanntmachung in einem Börsenpflichtblatt. Zu Recht ist daher auch die Ausnahmeregelung entfallen, dass bei umfangreichen Mitteilungen oder Angaben die Zulassungsstelle gestatten kann, dass eine Zusammenfassung veröffentlicht wird, wenn die vollständigen Angaben bei den Zahlstellen kostenfrei erhältlich sind und in der Veröffentlichung hierauf hingewiesen wird (§ 70 Abs. 2 BörsZulV a.F.). Die Unterrichtungspflichten nach §§ 30a Abs. 1 Nr. 2, 30b Abs. 1, 30e Abs. 1 WpHG dienen der laufenden Information der Wertpapierinhaber über die Verhältnisse bei der Gesellschaft. Dabei zielen sie in Abgrenzung insbesondere zur Ad hoc-Publizitätspflicht nicht in erster Linie darauf ab, dem Publikum (kurzfristige) Anlageentscheidungen in Kenntnis kurserheblicher Umstände zu ermöglichen. Vielmehr besteht ihr Hauptzweck darin, durch Veröffentlichung der einschlägigen Sachverhalte und Unterlagen zu gewährleisten, dass die Wertpapierinhaber ihre in den Wertpapieren verkörperten Rechte wahrnehmen und sich ein hinreichendes Bild von Veränderungen dieser Rechte und den sonstigen Entwicklungen des Emittenten machen können. Mit diesem Zweck werden die Unterrichtungspflichten auch künftig im Wesentlichen Bestand haben und eine unverzichtbare Ergänzung der aktienrechtlichen Bestimmungen über die Rechtsausübung der Aktionäre einer börsennotierten Aktiengesellschaft darstellen. Dessen ungeachtet müssen auch die Unterrichtungspflichten mit den technischen Fortschritten hinsichtlich der Kommunikation eines Emittenten mit den Wertpapierinhabern Schritt halten.
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Nach § 30b Abs. 1 Satz 1 WpHG muss der Emittent zugelassener Aktien die Einberufung der Hauptversammlung einschließlich der Tagesordnung und der Gesamtzahl der Aktien und Stimmrechte im Zeitpunkt der Einberufung und Mitteilungen über die Ausschüttung und Auszahlung von Dividenden, die Ausgabe neuer Aktien und die Ausübung von Umtausch-, Bezugs-, Einziehungs- und Zeichnungsrechten unverzüglich im elektronischen Bundesanzeiger und nach § 46 Abs. 4 WpHG bis Ende 2008 auch noch in einem Börsenpflichtblatt veröffentlichen. Damit überschneidet sich die Norm mit Veröffentlichungspflichten2, die sich bereits aus dem Aktiengesetz ergeben. Der Emittent von zugelassenen Schuldtiteln i.S.v. § 30a Abs. 1 Nr. 6 WpHG hat Mitteilungen über die Ausübung von Umtausch-, Zeichnungs- und Kündigungsrechten sowie über die Zinszahlungen, die Rückzahlungen, die Auslosungen und die bisher gekündigten oder ausgelosten, noch nicht eingelösten Stücke unverzüglich im
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1 So auch zu der Vorgängernorm des § 39 Abs. 1 Nr. 3 BörsG Hamann in Schäfer, 1. Aufl., § 44 BörsG Rz. 26, sowie Schwark, Börsengesetz, § 44 Rz. 8. 2 Vgl. Kiem in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 12 Rz. 24 ff.; Noack, WM 2007, 377, 378.
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elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen1. Soweit die genannten Inhalte von inländischen börsennotierten Aktiengesellschaften auch gemäß § 25 AktG im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen sind (insbesondere die Einberufung der Hauptversammlung nach § 121 Abs. 3 Satz 1 AktG), wird den verschiedenen Veröffentlichungspflichten gleichwohl durch eine einmalige Veröffentlichung genügt, wie § 30b Abs. 1 Satz 2 WpHG nunmehr ausdrücklich klarstellt. 17
Der Emittent zugelassener Aktien muss beabsichtigte Änderungen seiner Satzung nach § 30a WpHG grds. unverzüglich nach der Entscheidung, den Änderungsentwurf dem Beschlussorgan, das über die Änderung beschließen soll, vorzulegen, spätestens jedoch zum Zeitpunkt der Einberufung des Beschlussorgans, das die über die Änderung beschließen soll, der BaFin und der Zulassungsstelle mitteilen. Der Emittent anderer Wertpapiere als Aktien muss alle Änderungen seiner Rechtsgrundlage, welche die Rechte der Wertpapierinhaber berühren, spätestens zum Zeitpunkt der Einberufung des Beschlussorgans, das über die Änderung beschließen soll, der BaFin und der Zulassungsstelle mitteilen (§ 30c WpHG). Da die Zulassungsstellen der Börsen durch das FRUG faktisch abgeschafft wurden, dürfte die – wohl als Redaktionsversehen anzusehende – Bezugnahme auf die Zulassungsstelle als eine auf die Geschäftsführung der Börse anzusehen sein. Eine Veröffentlichung dieser Mitteilungen erfolgt im Regelfall nicht2. Da die Satzungsänderungen gemäß § 124 Abs. 2 Satz 2 AktG aus der im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machenden Einladung zur Hauptversammlung, die über sie beschließen soll, ersichtlich sind, erscheint zumindest bei inländischen Aktiengesellschaften eine gesonderte Mitteilung über die beabsichtigten Satzungsänderungen an den Kapitalmarkt vorbehaltlich einer Veröffentlichungspflicht nach § 15 WpHG entbehrlich, insbesondere wenn der vorgesehene neue Satzungstext der Zulassungsstelle (bzw. richtigerweise: der Geschäftsführung der Börse) sowie der BaFin unverzüglich übermittelt wird3. Dadurch wird die Geschäftsführung – wie bei den nach § 30c Alt. 2 WpHG verbleibenden Mitteilungen – in die Lage versetzt, mögliche Auswirkungen der beabsichtigen Satzungsänderungen auf den Börsenhandel der jeweiligen Wertpapiere zu prüfen und ggf. die geeigneten Maßnahmen in die Wege zu leiten.
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Der Emittent der zugelassenen Wertpapiere hat – soweit es sich bei ihm um einen Inlandsemittenten gemäß § 2 Abs. 7 WpHG handelt – nach § 37v WpHG den Jahresfinanzbericht für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres spätestens vier Monate nach Ablauf desselben der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und die Zurverfügungstellung zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung hat gemäß §§ 22, 3a, 3b WpAIV zu erfolgen. Dies gilt jedenfalls soweit nicht ohnehin ein geprüfter Jahresabschluss, ein Lagebericht und ein Bilanzeid abzugeben bzw. offen zu legen ist. Stellt der Emittent Einzelabschluss und Konzernabschluss auf, sind von dieser Unterrichtungspflicht grundsätzlich beide Arten von Jahresabschlüssen erfasst (§§ 37y Nr. 1,
1 Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass diese Veröffentlichungspflicht ggf. im Rahmen der Prospektpublizität (insbesondere bei feststehenden Merkmalen wie Zinssatz und Zahlungstermine) bzw. durch Jahresmeldungen erfüllt werden kann (Gericke, Handbuch für die Börsenzulassung von Wertpapieren, S. 160; Heidelbach in Schwark, § 63 BörsZulV Rz. 3). Die von § 30b Abs. 2 Nr. 1 WpHG genannte Veröffentlichung der Einberufung einer Versammlung von Schuldverschreibungsinhabern ist bei inländischen Emittenten auch nach § 6 SchVG 1899 (bzw. §§ 8, 11 Abs. 2 SchVG-RefE) im elektronischen Bundesanzeiger erforderlich. 2 Sofern es zum Schutz des Publikums oder für einen ordnungsgemäßen Börsenhandel erforderlich ist, kann die Geschäftsführung gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 BörsG die Veröffentlichung der Mitteilung verlangen (Zietsch/Holzborn, WM 2002, 2356, 2359). 3 Vgl. Gericke, Handbuch für die Börsenzulassung von Wertpapieren, S. 160.
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37v WpHG). Bei Emittenten mit statutarischem Sitz im Inland ist zu berücksichtigen, dass sie Jahresabschluss und Lagebericht ohnehin gemäß § 325 HGB im Geltungsbereich des WpHG offen legen und einen Bilanzeid gemäß §§ 264 Abs. 2 Satz 3, 289 Abs. 1 Satz 5 HGB abgeben (müssen). Nach dem Wortlaut des § 30a Abs. 1 Satz 1 WpHG ist die Pflicht zur Erstellung eines Jahresfinanzberichts subsidiär zu den Pflichten des Emittenten nach dem HGB1. Insbesondere die Offenlegungsfristen nach § 325 HGB wurden jedoch durch das TUG angepasst, so dass sich insoweit keine abweichenden Fristigkeiten ergeben2. Der Emittent zugelassener Wertpapiere hat jede Änderung der mit den Wertpapieren verbundenen Rechte unverzüglich zu veröffentlichen (§ 30e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG), und zwar im Falle zugelassener Aktien der Rechte, die mit vom Emittenten begebenen Derivaten verbunden sind, soweit die Derivate ein Umtausch- oder Erwerbsrecht verbriefen und kein Cash-Settlement vorsehen (insb. also Wandel- oder Optionsanleihen). Im Falle anderer Wertpapiere als Aktien sind die Änderungen der Ausstattung dieser Wertpapiere oder indirekte Auswirkungen von Bedingungsänderungen zu veröffentlichen. Und im Falle von Wertpapieren mit Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien sind Änderungen der Rechte, die mit den Aktien verbunden sind, zu veröffentlichen. Dies bereitet dem Emittenten, der die Wertpapiere mit Umtauschrecht emittiert hat, dann etwas Mühe, wenn er nicht auch der Emittent der Bezugsaktien ist3. Der Emittent zugelassener anderer Wertpapiere als Aktien muss nach § 30e Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG ferner unverzüglich veröffentlichen die Aufnahme von Anleihen sowie die für sie übernommenen Gewährleistungen. Hat ein Emittent verschiedene Aktiengattungen oder Aktien ausgegeben, die nur zum Teil zugelassen sind (was etwa nach § 7 Abs. 1 BörsZulV denkbar ist), muss die Rechtsänderung die zugelassenen Aktien betreffen. Änderungen bei den nicht zugelassenen Aktien sind nur beachtlich, wenn diese sich unmittelbar auf die Rechte aus den zugelassenen Aktien auswirken. Im Interesse des Publikumsschutzes wird der Begriff des verbundenen Rechts weit ausgelegt und umfasst hiernach alle Rechte, die in irgendeinem Zusammenhang mit dem Wertpapier stehen4. Beispiele sind Änderungen bei den Stimmrechten oder der Dividendenberechtigung5. Eine Änderung der mit Aktien verbundenen Rechte setzt einerseits nicht zwingend eine Satzungsänderung voraus, was etwa im Fall des Auflebens des Stimmrechts der Vorzugsaktionäre gemäß § 140 Abs. 2 AktG von Bedeutung ist6. Andererseits ist es nicht ausreichend, wenn bestimmte Umstände lediglich der Ausübung eines an sich (gesetzlich oder satzungsmäßig) bestehenden Rechts entgegenstehen, ohne dass das Recht in seinem Bestand 1 Götze/Wunderlich in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 11 Rz. 19; Nießen, NZG 2007, 41, 44; Hutter/Kaulamo NJW 2007, 550, 551; zur Neuregelung der handelsrechtlichen Offenlegungspflichten durch das EHUG vgl. Liebscher/Scharff, NJW 2006, 3745, 3749 f. 2 Götze/Wunderlich in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 11 Rz. 22. 3 Kiem in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 12 Rz. 34, spricht deshalb von einer „Erschwerung der Emissionstätigkeit“; allerdings ist insoweit keine Änderung gegenüber der Rechtslage gemäß § 66 Abs. 2 BörsZulV a.F. eingetreten. 4 Hamann in Schäfer, 1. Aufl., § 44 BörsG Rz. 31; Gebhardt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 66 BörsZulV Rz. 8; Heidelbach in Schwark, § 66 BörsZulV Rz. 3. 5 Zietsch/Holzborn, WM 2002, 2356, 2359. 6 Wie das Beispiel Stimmrechte zeigt, müssen Änderungen im Sinne des § 30e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG die Aktionäre insgesamt oder eine bestimmte Aktionärsgruppe betreffen und insbesondere aus der Sphäre des Emittenten hervorgehen. Der Wegfall von Stimmrechten einzelner meldepflichtiger Aktionäre gemäß § 28 WpHG oder die Nichtberücksichtigung von Stimmrechten im Handelsbestand gemäß § 23 WpHG kann die Veröffentlichungspflicht nicht auslösen.
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betroffen ist. Wird beispielsweise eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss durchgeführt, können Aktionäre von ihrem mitgliedschaftlichen Recht, neue Aktien zu beziehen (§ 186 Abs. 1 AktG), keinen Gebrauch machen. Da aber das Bezugsrecht als solches in seinem Bestand unangetastet bleibt, ist keine gesonderte Veröffentlichung nach § 30e Abs. 1 Satz 1 WpHG geboten. 20
Ergänzenden Charakter haben die Pflichten des Emittenten nach § 30e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG. Diese Norm verpflichtet den Emittenten, die in einem Drittstaat (also außerhalb der EU und des EWR) veröffentliche Informationen auch in der BRD zu veröffentlichen, „soweit sie für die Öffentlichkeit in der EU oder des EWR Bedeutung haben können“. Hierdurch soll ein Informationsgefälle zu Lasten der Öffentlichkeit in der EU verhindert werden. Die Norm ist insb. von Bedeutung für Inlandsemittenten mit Zweitnotierung in den USA1. Die Bedeutung für die Öffentlichkeit in der EU soll immer dann vorliegen, wenn der Emittent zu ihrer Veröffentlichung in dem Drittstaat verpflichtet ist2. Würde diese Aussage zutreffen, bedeutete sie, dass der EUGesetzgeber essentielle Informationen bei der Statuierung der Veröffentlichungspflicht übersehen hätte. Hiervon wird man jedoch nicht ausgehen können. Auch ein „Grundsatz der informationellen Gleichbehandlung der EU-Öffentlichkeit mit der Öffentlichkeit des Drittstaates“ kann hier kaum bemüht werden, da ausdrücklich auf die „Bedeutung“ der Information abgestellt wird. Ein Emittent wird daher eine eigenständige Bewertung der zunächst nur in dem Drittstaat veröffentlichten Information auf seine Bedeutung für die EU-Öffentlichkeit vorzunehmen haben. d) Zulassung später ausgegebener Aktien (§ 40 Abs. 1 BörsG, § 69 BörsZulV)
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Nach § 40 Abs. 1 BörsG ist der Emittent zugelassener Aktien verpflichtet, für später ausgegebene Aktien derselben Gattung die Zulassung zum regulierten Markt zu beantragen. Auf Grundlage der Ermächtigung des § 40 Abs. 2 BörsG sind die Einzelheiten darüber, wann und unter welchen Voraussetzungen die Zulassungsverpflichtung eintritt, in § 69 BörsZulV geregelt. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV ist der Emittent zugelassener Aktien in teilweiser Abweichung vom Wortlaut des § 40 Abs. 1 BörsG verpflichtet, für später „öffentlich“ ausgegebene Aktien derselben Gattung wie der bereits zugelassenen die Zulassung zum regulierten Markt zu beantragen, „wenn ihre Zulassung einen Antrag voraussetzt“. Die Zulassung später ausgegebener Aktien dient der Marktliquidität und damit der ordnungsgemäßen Kursbildung im Börsenmarkt der zugelassenen Aktiengattung3. Sind die bisherigen Aktien an mehreren Wertpapierbörsen im regulierten Markt zugelassen, ist das Zulassungsgebot für jeden Börsenplatz zu beachten.
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Auf der Tatbestandsseite scheidet die Zulassungsverpflichtung von vornherein aus, wenn für die später ausgegebenen Aktien eine behördliche Zulassung, die Gegenstand eines Antrags sein könnte, nicht vorgesehen ist (Fall der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln4). Im Übrigen setzt § 69 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV zunächst voraus, dass die zuzulassenden Aktien öffentlich ausgegeben werden. Da an dieser Stelle nicht de1 Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471, 477. 2 Kiem in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 12 Rz. 37. 3 Gericke, Handbuch für die Börsenzulassung von Wertpapieren, S. 166; Heidelbach in Schwark, § 39 BörsG Rz. 17. 4 Werden bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln neue Aktien ausgegeben, was insbesondere bei Stückaktien entbehrlich ist (§ 207 Abs. 2 Satz 2 AktG), erstreckt sich eine für die bisherigen Aktien (derselben Gattung) bestehende Zulassung zum regulierten Markt gemäß § 33 Abs. 4 EGAktG kraft Gesetzes auf die neuen Aktien.
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finiert ist, unter welchen Umständen eine Aktienausgabe öffentlich erfolgt, und das Aktiengesetz ebenfalls nicht weiterführend ist1, kommt insoweit ein Rückgriff auf den Tatbestand des öffentlichen Angebots im Sinne von § 2 Nr. 4 WpPG in Betracht2. Dementsprechend ist von einer öffentlichen Ausgabe insbesondere auszugehen, wenn hinsichtlich der neuen Aktien ein Börsenhandel von Bezugsrechten eröffnet wird. Dagegen liegt nach der Verwaltungspraxis der BaFin kein öffentliches Angebot vor, wenn die später ausgegebenen Aktien ausschließlich den Altaktionären zum Bezug angeboten werden und eine Erwerbsmöglichkeit eines unbegrenzten Personenkreises – insbesondere mangels eines börslichen Bezugsrechtehandels – nicht besteht3. Weiter kann es an einer öffentlichen Ausgabe bei einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss fehlen, etwa wenn sie gegen Sacheinlagen erfolgt4. § 69 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV setzt als Tatbestandselement überdies voraus, dass die später ausgegebenen Aktien derselben Gattung angehören wie die bereits zugelassenen Aktien. Für den Gattungsbegriff ist § 11 AktG maßgebend. Hiernach können Aktien verschiedene Rechte gewähren, namentlich bei der Verteilung des Gewinns und des Gesellschaftsvermögens. Aktien mit gleichen Rechten bilden eine Gattung. Verschiedene Gattungen stellen insbesondere Stammaktien mit Stimmrecht und stimmrechtslose Vorzugsaktien dar. Keine Gattungsverschiedenheit entsteht durch unterschiedliche Aktiennennbeträge oder eine abweichende Dividendenberechtigung später ausgegebener Aktien (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1, 7 WpPG)5. Auch Nennbetragsaktien einerseits und Stückaktien andererseits sind nicht im Sinne des § 11 AktG gattungsverschieden, da eine Aktiengesellschaft lediglich eine der beiden Aktienarten haben kann (§ 8 Abs. 1 AktG). Erfüllt der Emittent den Tatbestand des § 69 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV, ist er auf der Rechtsfolgenseite verpflichtet, einen Antrag auf Zulassung der ausgegebenen neuen Aktien zu stellen6. Für die Durchführung des Zulassungsverfahrens sind die (allgemeinen) Vorschriften für die Börsenzulassung von Aktien maßgebend (§§ 32 ff. BörsG i.V.m. den entsprechenden Konkretisierungen der Börsenzulassungs-Verordnung bzw. des Wertpapierprospektgesetzes und der Prospektverordnung der Kommis-
1 Aktienrechtlich erfordert die Aktienausgabe keine Ausstellung oder Aushändigung von Aktienurkunden an die Aktionäre oder Hinterlegung einer Globalurkunde, da die Verbriefung für die Entstehung der Mitgliedschaft lediglich deklaratorische Bedeutung hat. 2 So auch Heidelbach in Schwark, § 39 BörsG Rz. 18. 3 Siehe Bekanntmachung zum VerkProspG (Bundesanzeiger vom 21.9.1999). Im Fall der Durchführung eines Bezugsangebots stellt eine etwaige Umplatzierung der nicht von Altaktionären bezogenen neuen Aktien durch Veräußerung an ausgewählte Investoren ebenfalls keine öffentliche Ausgabe im Sinne von § 69 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV dar. 4 Vgl. Heidelbach in Schwark, § 39 BörsG Rz. 18, die zudem darauf hinweist, dass der Sacheinleger in diesem Fall die Beantragung der Zulassung der an ihn ausgegebenen Aktien mit dem Emittenten vereinbaren muss, wenn er ein Interesse an der Fungibilität der neuen Aktien hat. 5 Die Gattungsgleichheit führt hier dazu, dass die in den genannten Vorschriften enthaltenen Erleichterungen hinsichtlich der Prospektpflicht auch für neue Aktien gelten, die – im Vergleich zu den bereits zugelassenen Aktien – mit einer abweichenden Gewinnberechtigung (und damit zunächst mit einer eigenen Wertpapierkennnummer) ausgestattet sind (siehe zum aktienrechtlichen und börsenpraktischen Hintergrund dieser Regelungen Heidelbach in Schwark, § 45 BörsZulV Rz. 7). 6 In der Praxis enthält das Bezugsangebot bei ausbleibender Zulassung der neuen Aktien gelegentlich eine Wahlmöglichkeit zugunsten der Streubesitzaktionäre mit dem Inhalt, dass diese anstelle nicht zuzulassender neuer Aktien, die auf ihr Bezugsrecht entfallen, bereits zugelassene Altaktien erwerben können, die der Mehrheitsaktionär (aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Emittenten bzw. der Bezugsstelle) aus seinem Bestand zur Verfügung stellt (vgl. Heidelbach in Schwark, § 39 BörsG Rz. 19).
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sion1), soweit sich diese Vorschriften nicht speziell mit der erstmaligen Börsenzulassung des Emittenten oder anderen nicht einschlägigen Sachverhalten befassen (z.B. §§ 2 f. BörsZulV). Der Antrag auf Zulassung der später ausgegebenen Aktien muss spätestens ein Jahr nach der Ausgabe der zuzulassenden Aktien oder, falls sie zu diesem Zeitpunkt nicht frei handelbar sind, zum Zeitpunkt ihrer freien Handelbarkeit gestellt werden (§ 69 Abs. 2 Satz 1 BörsZulV). Findet vor der Einführung der Aktien ein Handel der Bezugsrechte im regulierten Markt statt und muss ein Prospekt veröffentlicht werden, so ist der Antrag auf Zulassung unter Beachtung der in § 14 Abs. 1 WpPG für die Prospektveröffentlichung bestimmten Fristen zu stellen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 BörsZulV). Ein solcher Prospekt wird wegen des Tatbestands der öffentlichen Ausgabe in § 69 Abs. 1 Satz 1 BörsZulV häufig erforderlich sein, wenn nicht im Einzelfall eine Befreiung von der Prospektpflicht erteilt wird (hierzu noch Rz. 24). Damit ist der Prospekt im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 BörsZulV – was aus dem Wortlaut dieser Norm nicht ohne weiteres ersichtlich ist – ein Verkaufsprospekt (wenn vor Beginn der Bezugsfrist der Zulassungsantrag gestellt ist) oder ein Börsenzulassungsprospekt (wenn vor Beginn der Bezugsfrist die Zulassung bereits erfolgt ist gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 3 WpPG). Die Form der Veröffentlichung ist insoweit für beide Prospektarten weitgehend einheitlich (vgl. § 14 Abs. 2 WpPG). Die Veröffentlichungsfristen bestimmen sich nach § 14 Abs. 1 WpPG2. 24
Der Zulassungsantrag muss sich im Grundsatz auf alle ausgegebenen Aktien beziehen. Nach § 69 Abs. 1 Satz 2 BörsZulV bleibt jedoch § 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 BörsZulV unberührt. Demzufolge kann der Antrag auf Zulassung auch bei später ausgegeben Aktien insoweit beschränkt werden, als die nicht zuzulassenden Aktien zu einer der Aufrechterhaltung eines beherrschenden Einflusses auf den Emittenten dienenden Beteiligung gehören oder für eine bestimmte Zeit nicht gehandelt werden dürfen und wenn aus der nur teilweisen Zulassung keine Nachteile für die Erwerber der zuzulassenden Aktien zu befürchten sind3. Das Publikum ist über die Teilzulassung im Zulassungsprospekt bzw. – falls kein Zulassungsprospekt erforderlich ist – auf andere geeignete Weise zu unterrichten (§ 7 Abs. 1 Satz 3 BörsZulV)4. Die Prospektpflicht ist insbesondere nach § 4 Abs. 1, Abs. 2 WpPG zu beurteilen. Von den Möglichkeiten einer Prospektbefreiung kommt hier – neben der in § 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG enthaltenen5 – 1 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004, berichtigte Fassung ABl. EU Nr. L 215 v. 16.6.2004, S. 3 ff. 2 Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 WpPG muss der Prospekt mindestens einen Werktag vor Beginn des Bezugsrechtehandels veröffentlicht werden. Umstritten ist jeweils, ob eine Veröffentlichung am Werktag, der dem Beginn des Bezugsrechtehandels unmittelbar vorausgeht, ausreichend ist, oder ein voller Werktag dazwischen liegen muss (hierzu auch § 9 Rz. 69). Als Folgeänderung aus der Verabschiedung des Wertpapierprospektgesetzes verweist § 69 Abs. 2 Satz 2 BörsZulV auf die entsprechende (zusammengefasste) Veröffentlichungsfrist (vgl. § 14 Abs. 1 WpPG). 3 Heidelbach in Schwark, § 7 BörsZulV Rz. 3, spricht sich für eine analoge Anwendung des § 7 Satz 2 BörsZulV aus, wenn ein Mehrheitsaktionär im Rahmen der Durchführung einer Kapitalerhöhung den Streubesitzaktionären zugelassene Aktien aus dem eigenen Bestand im Tausch gegen neue, nicht zuzulassende Aktien anbietet, und so das Interesse des Publikums an handelbaren Stücken erfüllt wird. 4 Der Antrag auf Zulassung von anderen Wertpapieren als Aktien muss sich in jedem Fall auf alle Wertpapiere derselben Emission beziehen (§ 7 Abs. 2 BörsZulV). 5 Nach § 45 Nr. 2b BörsZulV a.F. konnten Aktien, die aufgrund der Ausübung von Umtauschoder Bezugsrechten aus anderen Wertpapieren als Aktien (etwa aus Wandelschuldverschreibungen) später ausgegeben werden, bereits nach Schaffung des entsprechenden bedingten Kapitals prospektfrei zugelassen werden. Die Regelung wurde inhaltlich unverändert in § 4 Abs. 2 Nr. 7 WpPG übernommen. Die in § 45 Nr. 2a BörsZulV vorgesehene Möglichkeit der prospektfreien Zulassung von Aktien, die nach einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln den Inhabern an derselben Börse zum regulierten Markt zugelassenen Aktien zugeteilt
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vor allem eine Befreiung gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG in Betracht, wenn die zuzulassenden Wertpapiere Aktien sind, deren Zahl innerhalb eines Zeitraumes von 12 Monaten niedriger ist als zehn vom Hundert der entsprechenden Zahl der Aktien derselben Gattung, die an derselben Börse zum regulierten Markt zugelassen sind1. Ein Sonderfall liegt vor, wenn das gesamte Kapitalerhöhungsvolumen die 10-Prozent-Schwelle des § 4 Abs. 2 Nr. 1 WpPG überschreitet, gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 BörsZulV aber nur ein Teil der neu ausgegebenen Aktien zum Börsenhandel im regulierten Markt zugelassen werden soll, der die 10-Prozent-Schwelle nicht überschreitet. Einige Börsen nehmen auch in diesem Fall eine Gesamtbetrachtung des Kapitalerhöhungsvolumens vor und stellen nicht auf das konkrete Zulassungsvolumen ab. Weitere wichtige Ausnahmetatbestände von der grundsätzlichen Pflicht zur Erstellung eines (Börsenzulassungs-)Prospektes sind § 4 Abs. 2 Nr. 3 WpPG für Aktientauschtransaktion2 und § 4 Abs. 2 Nr. 6 WpPG für Mitarbeiteraktien3. 2. Halbjahresfinanzbericht (§ 37w WpHG) und Zwischenmitteilung der Geschäftsführung (§ 37x WpHG) a) Grundlagen Durch das TUG wurde die bisher in § 40 BörsG a.F., §§ 53 ff. BörsZulV a.F. enthaltene sog. Zwischenberichterstattung im amtlichen Markt ersetzt durch die nunmehr sog. Halbjahresfinanzberichterstattung für Unternehmen, deren Wertpapiere „zugelassen“ sind, somit also im regulierten Markt notiert sind. Adressat der Halbjahresfinanzberichterstattung sind nur Inlandsemittenten i.S.v. § 2 Abs. 7 WpHG. Der Emittent von zum Handel im regulierten Markt zugelassenen Aktien oder Schuldtiteln i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG mit Ausnahme solcher Wertpapiere, die ein bedingtes Recht zum Erwerb von Aktien begründen, sowie von Zertifikaten, die Aktien vertreten4, ist verpflichtet, innerhalb des Geschäftsjahres regelmäßig mindestens einen Halbjahresfinanzbericht zu veröffentlichen. Die Einzelheiten des Halbjahresfinanzberichts sind in § 37w Abs. 2 bis 5 WpHG geregelt, wobei das BMF durch § 37w Abs. 6 WpHG ermächtigt wird, im Einvernehmen mit dem BMJ Ausführungsbestimmungen zu erlassen, wovon bislang kein Gebraucht gemacht wurde. Die Zwischenberichtspflicht ist Teil des kapitalmarkrechtlichen Informationssystems und steht im Zusammenhang mit der Publikation von Jahresfinanzberichten sowie der Ad hoc-Publizität nach § 15 WpHG5. Die Erfüllung der börsenrechtlichen Pflicht
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werden, hat für die Emittenten des regulierten Markts keine weitere Bedeutung, da die von diesen neu ausgegebenen Aktien gemäß § 33 Abs. 4 EGAktG bereits kraft Gesetzes zugelassen sind. Die Regelung des § 45 Nr. 2a BörsZulV a.F. wurde inhaltich unverändert in § 4 Abs. 2 Nr. 5 WpPG übernommen mit der Ergänzung, dass ein Dokument zur Verfügung gestellt werden muss, das Informationen über die Anzahl und den Typ der Wertpapiere enthält und in dem die Gründe und Einzelheiten zu dem Angebot dargelegt werden. Vgl. Schlitt/S. Schäfer, AG 2008, 525, 527 f. Vgl. dazu Seibt/von Bonin/Isenberg, AG 2008, 565 ff. Vgl. dazu Schlitt/S. Schäfer, AG 2008, 525, 527. Vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, 2007, § 37w WpHG n.F. Rz. 6; damit geht das TUG hinter die Anforderungen an einen Zwischenbericht nach § 40 BörsG zurück (denn dieser erstreckte sich auch auf Aktien vertretende Zertifikate) und entscheidet zugleich den Streit, ob auch Wertpapiere erfasst sind, die ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien gewähren (Wandelschuldverschreibungen, Optionsscheine) (dafür Hamann in Schäfer, 1. Aufl., § 44b BörsG Rz. 10; Heidelbach in Schwark, § 40 BörsG Rz. 4; dagegen Schwark, Börsengesetz, § 44b Rz. 3. Vgl. von Rosen/Gebauer in Küting/Weber, Hdb. der Rechnungslegung, § 44b BörsG Rz. 13. Ausführlich zum Zwischenbericht als Rechnungslegungsinstrument unten § 57.
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zur Halbjahresfinanzberichterstattung ist eine Aufgabe des Vorstands des Emittenten1. Die Kenntnisnahme des Aufsichtsrats von den Zwischenberichten erfolgt häufig im Rahmen der Berichterstattung des Vorstands an den Aufsichtsrat gemäß § 90 Abs. 1 und 2 AktG2. 26
Aufgrund der Zusammenlegung von geregeltem Markt und amtlichen Handel durch das FRUG gilt nunmehr für den gesamten regulierten Markt eine einheitliche Halbjahresfinanzberichterstattung. Diese bleibt jedoch hinter den Erwartungen der internationalen Kapitalmärkte zurück3. Zusätzlich zu dem Halbjahresfinanzbericht hat ein Unternehmen, welches als Inlandsemittent Aktien begibt, nach § 37x WpHG eine sog. „Zwischenmitteilung der Geschäftsführung“ abzugeben. Zwar kann ein Inlandsemittent nach § 37x Abs. 3 WpHG auf die Erstellung einer „Zwischenmitteilung der Geschäftsführung“ verzichten, wenn ein Quartalsfinanzbericht entsprechend den Vorgaben des § 37w Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 und Abs. 4 WpHG erstellt und veröffentlicht wird. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Zwischenmitteilung der Geschäftsführung ein Minus gegenüber dem Quartalsfinanzbericht ist, da im Rahmen der Debatte um die Transparenzrichtlinie die Quartalsfinanzberichterstattung als zu umfangreich angesehen und daher eine weniger belastende Berichterstattung angestrebt wurde. Der Halbjahresfinanzbericht erfasst die ersten sechs Monate des Jahres. Während des Gesetzgebungsverfahrens war erwogen worden, im Falle der Erstellung eines Quartalsberichtes die Erstreckung des Halbjahresfinanzberichtes auf die drei letzten Monate des ersten Halbjahres zu verkürzen. Auf Intervention des Finanzausschusses des Bundestages wurde hiervon jedoch wieder Abstand genommen, weil hierdurch der Halbjahresfinanzbericht faktisch zu einem Quartalsbericht verkürzt würde4. Die Zwischenmitteilung bzw. der Quartalsfinanzbericht bezieht sich auf das erste bzw. dritte Quartal. Der Halbjahresfinanzbericht ist innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf des Halbjahres zu erstellen und zu veröffentlichen. Die Zwischenmitteilung der Geschäftsführung bzw. der Quartalsbericht ist zu erstellen in einem Zeitraum von zehn Wochen nach Beginn und sechs Wochen vor Ende der ersten und der zweiten Jahreshälfte. b) Mindestinhalt des Halbjahresfinanzberichtes (§ 37w Abs. 2 bis 4 WpHG) sowie der Zwischenmitteilung der Geschäftsführung (§ 37x Abs. 2 WpHG)
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Der Halbjahresfinanzbericht muss nach § 37w Abs. 2 WpHG grundsätzlich enthalten 1. einen verkürzten Abschluss, 2. einen Zwischenlagebericht und 3. eine den Vorgaben des § 264 Abs. 2 Satz 3, § 289 Abs. 1 Satz 5 HGB entsprechende Erklärung (sog. Bilanzeid). Der Inhalt des verkürzten Abschlusses wird durch § 37w Abs. 3 WpHG konkretisiert und der des Zwischenberichtes durch § 37w Abs. 4 WpHG.
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Der verkürzte Abschluss besteht aus einer verkürzten Bilanz, einer verkürzten Gewinn- und Verlustrechnung und einem Anhang. Nach § 37w Abs. 3 Satz 2 WpHG 1 Zietsch/Holzborn, WM 2002, 2356, 2361; Siebel/Gebauer, AG 1999, 385, 398. 2 Vgl. Siebel/Gebauer, AG 1999, 385, 398; Heidelbach in Schwark, § 40 BörsG Rz. 27. Denkbar ist auch, dass Satzung oder Geschäftsordnung für die Halbjahresfinanzberichterstattung einen Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Aufsichtsrats vorsehen (vgl. Ammedick/Strieder, Zwischenberichterstattung börsennotierter Gesellschaften, Rz. 23). 3 Mock in KölnKomm. WpHG, 2007, § 37w WpHG n.F. Rz. 3; Fasselt in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 40 BörsG Rz. 9 ff. m.w.N. 4 Vgl. Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/3644, S. 76.
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sind auf den verkürzten Abschluss die für den Jahresabschluss geltenden Rechnungslegungsgrundsätze anzuwenden. Dies bedeutet für deutsche Unternehmen die Anwendung der §§ 246 ff. HGB sowie der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung1. Da § 37w WpHG für Inlandsemittenten gilt und Inlandsemittenten nach § 2 Abs. 7 Nr. 2 WpHG auch ausländische Unternehmen sein können, deren Wertpapiere nur im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, können § 37w WpHG auch ausländische Unternehmen unterfallen. Für diese gelten die Rechnungslegungsgrundsätze ihres jeweiligen Gründungsstaates2. Nach § 325 Abs 2a HGB können Emittenten ihren Verpflichtungen gemäß § 325 Abs. 1 HGB auch dadurch nachkommen, dass an die Stelle des Jahresabschlusses ein Einzelabschluss tritt, der nach den in § 315a Abs. 1 HGB bezeichneten internationalen Rechnungslegungsstandards aufgestellt wurde. Bei dem Abschluss nach § 315a Abs. 1 HGB handelt es sich um einen Abschluss nach Art. 4 der EG-VO Nr. 1606/2002 vom 19.7.2002 zu der Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards3 in der jeweils geltenden Fassung (IAS/IFRS). Dies hat besonders zur Folge, dass nach IAS 34 neben der verkürzten Bilanz und der verkürzten Gewinn- und Verlustrechnung sowie dem Anhang auch eine verkürzte Eigenkapitalveränderungsrechnung und eine verkürzte Kapitalflussrechnung erstellt werden muss. Nach § 37w Abs. 4 WpHG hat der Zwischenlagebericht „mindestens die wichtigen Ereignisse des Berichtszeitraums im Unternehmen und ihre Auswirkungen auf den verkürzten Abschluss anzugeben sowie die wesentlichen Chancen und Risiken für die dem Berichtszeitraum folgenden sechs Monate des Geschäftsjahres zu beschreiben“. Damit erfordert die Halbjahresfinanzberichterstattung eine gewisse Prognoseberichterstattung für das zweite Halbjahr4. Hat der Emittent zudem Aktien begeben, sind auch „die wesentlichen Geschäfte des Emittenten mit nahestehenden Personen“ anzugeben. Insoweit besteht jedoch ein Wahlrecht des Emittenten, die Angaben statt im Zwischenlagebericht im Anhang des Halbjahresfinanzberichts zu machen. Nahestehende Personen sind nach Art. 5 Abs. 4 Transparenzrichtlinie sowohl natürliche wie juristische Personen5. Da Art. 5 Abs. 4 der Transparenzrichtlinie nicht wie § 37w Abs. 4 WpHG den Begriff der „wesentlichen Geschäfte“ sondern der „Großgeschäfte“ verwendet, ist der Begriff der wesentlichen Geschäfte richtlinienkonform auszulegen. Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8.3.20076 führt aus, dass nach IAS/IFRS Jahres- und Halbjahresfinanzberichte erstellende Emittenten sowohl für den Jahres- wie für den Halbjahresfinanzbericht die gleiche Definition der Geschäftsvorfälle mit nahestehenden Unternehmen und Personen verwenden sollen. Art. 4 der Durchführungsrichtlinie konkretisiert als „wesentliche Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen“ solche, die die „Finanzlage oder das Geschäftsergebnis des Unternehmens während der ersten sechs Monate des aktuellen Geschäftsjahres wesentlich beeinflusst haben“ sowie alle Veränderungen bei derartigen Geschäften mit nahestehenden Unternehmen oder Personen7. 1 2 3 4
Zur Haftung des Vorstands wegen fehlerhafter Buchführung vgl. Fleischer, WM 2006, 2021 ff. Mock in KölnKomm. WpHG, 2007, § 37w WpHG n.F. Rz. 21 m.w.N. ABl. EG Nr. L 243 v. 11.9.2002, S. 1. Vgl. dazu Freidank, BB 2005, 2512, 2513 ff.; Philipps, DB 2007, 2326, 2327 f.; allg. Fleischer, AG 2006, 2, 5 ff. 5 Begr. RegE TUG BR-Drucks. 596/06, S. 100. 6 Mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, ABl. EG Nr. L 69 v. 9.3.2007, S. 27. 7 BT-Drucks. 16/2498, S. 45.
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§ 37w Abs. 5 WpHG stellt es dem Emittenten frei, den verkürzten Abschluss und den Zwischenlagebericht einer „prüferischen Durchsicht“ durch einen Abschlussprüfer unterziehen zu lassen (siehe dazu unten § 57 Rz. 18 ff.). Entscheidet sich der Emittent für eine prüferische Durchsicht, gilt nach § 37w Abs. 5 Satz 2 WpHG, dass die Vorschriften über die Bestellung des Abschlussprüfers entsprechend anzuwenden sind. Damit ist unklar, welches Organ des Emittenten darüber zu entscheiden hat, ob der verkürzte Abschluss einer prüferischen Durchsicht unterzogen wird. § 37w Abs. 5 Satz 2 WpHG beantwortet diese Frage nicht, da er voraussetzt, dass bereits ein entsprechender Beschluss zur prüferischen Durchsicht gefasst wurde. Auch die Regierungsbegründung zum TUG adressiert die Frage nicht, da der Regierungsentwurf noch von einer Pflicht zur prüferischen Durchsicht ausging. Auch den Regelungen des Aktiengesetzes ist nicht zu entnehmen, welches Organ berufen ist zu entscheiden, ob eine prüferische Durchsicht erfolgen soll. Nach § 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG entscheidet die Hauptversammlung über die Bestellung des Abschlussprüfers und nach § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG erteilt der Aufsichtsrat dem Abschlussprüfer den Prüfungsauftrag. Beide Normen setzen jedoch – wie auch § 37w Abs. 5 Satz 2 WpHG – voraus, dass eine Abschlussprüfung zu erfolgen hat. Da es sich bei dem Halbjahresfinanzbericht um eine Fortentwicklung des ursprünglich rein börsenrechtlichen Zwischenberichtes handelt, ein wesentlicher Fokus daher auf dem Kapitalmarkt liegt und es sich bei dem Halbjahresfinanzbericht um eine nicht nur auf die Aktionäre beschränkte sondern den ganzen Kapitalmarkt betreffende Kapitalmarktinformation handelt, liegt es nahe, in der Entscheidung über die prüferische Durchsicht eine dem Vorstand des Emittenten obliegende Geschäftsführungsmaßnahme zu sehen. Auch § 37x WpHG regelt nicht, wer die Entscheidung darüber zu treffen hat, ob lediglich eine „Zwischenmitteilung der Geschäftsführung“ oder ein vollständiger „Quartalsfinanzbericht“ erstellt und veröffentlicht wird. Insofern sollte jedoch unstreitig sein, dass die Entscheidung hierüber dem Vorstand des Emittenten obliegt. In diesem Zusammenhang sieht § 37x Abs. 3 Satz 3 WpHG vor, dass dann, wenn der Quartalsfinanzbericht einer prüferischen Durchsicht unterzogen wird, die §§ 320, 323 HGB entsprechende Anwendung finden. Da hinsichtlich der Frage der prüferischen Durchsicht des Quartalsfinanzberichtes § 37x Abs. 3 WpHG nicht auf § 37w Abs. 5 Satz 2 WpHG verweist, sollte hinsichtlich des Quartalsfinanzberichtes die Frage der prüferischen Durchsicht als eine Geschäftsführungsmaßnahme anzusehen sein. Dann liegt es jedoch nahe, auch die prüferische Durchsicht des verkürzten Abschlusses des Halbjahresfinanzberichtes als eine vom Vorstand zu treffende Geschäftsführungsmaßnahme anzusehen. Entscheidet daher der Vorstand des Emittenten, dass der verkürzte Abschluss einer prüferischen Durchsicht unterzogen wird, hat der Aufsichtsrat der Hauptversammlung den Abschlussprüfer, der die prüferische Durchsicht vornehmen soll, vorzuschlagen, die Hauptversammlung hat einen entsprechenden Beschluss zu fassen und der Aufsichtsrat den Abschlussprüfer zu beauftragen (siehe § 57 Rz. 24).
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Der Verweis in § 37w Abs. 5 Satz 2 WpHG auf die Vorschriften „über die Bestellung des Abschlussprüfers“ umfasst auch die Ausschlussgründe für die Bestellung eines Abschlussprüfers nach §§ 319, 319a HGB1. Die prüferische Durchsicht ist nach § 37w Abs. 5 Satz 3 WpHG so anzulegen, dass bei gewissenhafter Berufsausübung ausgeschlossen werden kann, dass der verkürzte Abschluss und der Zwischenlagebericht in wesentlichen Belangen den anzuwendenden Rechnungslegungsgrundsätzen widersprechen. Damit unterscheidet sich die prüferische Durchsicht des verkürzten Abschlusses von der Jahresabschlussprüfung nach § 317 HGB, da der Abschluss1 Begr. RegE TUG, BR-Drucks. 596/06, S. 100; Mock in KölnKomm. WpHG, 2007, § 37w WpHG n.F. Rz. 27.
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Börsen- und wertpapierhandelsrechtliche Zulassungsfolgepflichten
prüfer bei der prüferischen Durchsicht nur eine Negativbestätigung abzugeben hat1. Über das Ergebnis der Prüfung hat der Abschlussprüfer eine „Bescheinigung zum Halbjahresfinanzbericht“ (§ 37w Abs. 5 Satz 4 WpHG) und im Falle einer umfänglichen Prüfung nach § 317 HGB einen „Bestätigungsvermerk“ (§ 37w Abs. 5 Satz 5 WpHG) abzugeben, die jeweils mit dem Halbjahresfinanzbericht zu veröffentlichen sind. Nach § 37w Abs. 5 Satz 6 WpHG hat der Halbjahresfinanzbericht ausdrücklich anzugeben, wenn der verkürzte Abschluss und der Zwischenlagebericht weder einer prüferischen Durchsicht noch einer Prüfung nach § 317 HGB unterzogen wurde. Hinsichtlich des gesamten Verfahrens sind nach § 37w Abs. 5 Satz 7 WpHG die Vorschriften des § 320 HGB über die Vorlagepflicht der gesetzlichen Vertreter der Kapitalgesellschaft und dem Auskunftsrecht des Abschlussprüfers sowie des § 323 HGB zu der Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers entsprechend anzuwenden. Hierdurch kommt der Abschlussprüfer in den Genuss der Haftungsbeschränkung des § 323 Abs. 2 HGB, der ansonsten aufgrund der Freiwilligkeit der prüferischen Durchsicht keine Anwendung fände mit der Folge, dass die Haftung des Abschlussprüfers unbeschränkt wäre. Da nach § 37w Abs. 5 Satz 2 WpHG lediglich die Vorschriften über die „Bestellung des Abschlussprüfers“ auf die prüferische Durchsicht entsprechend anzuwenden sind, finden die Regelungen über die Prüfung des Abschlusses durch den Aufsichtsrat der §§ 170 f. AktG keine Anwendung2. Nach § 37n WpHG bzw. § 37o Abs. 1 Satz 4 WpHG unterliegt der verkürzte Abschluss jedoch der Prüfung durch die BaFin, also dem Enforcement-Verfahren.
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Nach § 37w Abs. 2 Nr. 3 WpHG muss der Halbjahresfinanzbericht zudem eine Erklärung des Vorstandes der Kapitalgesellschaft nach § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB bzw. § 289 Abs. 1 Satz 5 HGB über die Richtigkeit des Jahresabschlusses bzw. des Lageberichtes abgeben (sog. Bilanzeid, siehe dazu unten § 55 Rz. 21 ff.). Ausgenommen von dem Bilanzeid werden durch § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB Kapitalgesellschaften i.S.d. § 327a HGB. § 327a HGB adressiert Kapitalgesellschaften, die „ausschließlich zum Handel an einem organisierten Markt zugelassene Schuldtitel i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG mit einer Mindeststückelung von 50 000 Euro oder dem Ausgabebetrag entsprechenden Gegenwert einer anderen Währung“ begeben. Von der Notwendigkeit der Abgabe eines Bilanzeides werden dadurch ausgenommen insb. Gesellschaften, die ausschließlich Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen einschl. Genussscheinen, Optionsscheinen und Zertifikaten, die solche Schuldtitel vertreten, begeben und keine anderen Wertpapiere zu einem organisierten Markt i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG, also in Deutschland dem regulierten Markt, zugelassen sind. Der Wortlaut von § 327a HGB lässt dabei sowohl die Interpretation zu, dass sämtliche emittierten Schuldtitel (1) zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sein müssen und (2) eine Mindeststückelung von 50 000 Euro oder dem entsprechenden Gegenwert in einer anderen Währung aufweisen müssen, aber auch die Interpretation, dass (1) sämtliche an einem organisierten Markt zugelassenen Schuldtitel eine Mindeststückelung von 50 000 Euro oder dem entsprechenden Gegenwert in einer anderen Währung aufweisen müssen. Der Unterschied besteht in der Bezugnahme des Wortes „ausschließlich“. Die letztgenannte Interpretation ermöglicht es einem Inlandsemittenten, börsennotierte Schuldverschreibungen mit Nominalbeträgen über 50 000,00 Euro und nicht börsennotierte Wertpapiere gleichzeitig zu begeben. Die bisherige Kommentar-
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1 Begr. RegE TUG, BR-Drucks. 596/06, S. 100 f. 2 So auch DAV, NZG 2006, 655, 658; Mock in KölnKomm. WpHG, 2007. § 37w WpHG n.F. Rz. 34.
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literatur interpretiert § 327a HGB jedoch im erstgenannten Sinne, ohne auf die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten einzugehen1. c) Veröffentlichung des Halbjahresfinanzberichtes und der Zwischenmitteilung (§§ 37w Abs. 1, 37x Abs. 1 WpHG) 34
Form und Frist der Veröffentlichung des Halbjahresfinanzberichtes richtet sich nach § 37w Abs. 1 Satz 1, Satz 2 WpHG und die der Zwischenmitteilung nach § 37x Abs. 1 Satz 1, Satz 2 WpHG. Jeweils ist das zu veröffentlichende Dokument nach Satz 1 „der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen“. Außerdem hat das Unternehmen jeweils vor dem Zeitpunkt, zu dem die Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, eine Bekanntmachung darüber zu veröffentlichen, ab welchem Zeitpunkt und unter welcher Internetadresse der Bericht – zusätzlich zu seiner Verfügbarkeit im Unternehmensregister – öffentlich zugänglich ist. §§ 37v Abs. 3, 37w Abs. 6 und 37x Abs. 4 WpHG ermächtigen jeweils das BMF im Einvernehmen mit dem BMJ zum Erlass einer Rechtsverordnung, die den Mindestinhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Veröffentlichung sowie den jeweiligen Mindestinhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Mitteilung konkretisiert und regelt, wie lange der Jahresfinanzbericht und der Halbjahresfinanzbericht allgemein zugänglich bleiben muss (eine entsprechende Ermächtigung für die Zwischenmitteilung bzw. den Quartalsfinanzbericht enthält das Gesetz nicht, da dieser regelmäßig durch Jahresfinanzberichte bzw. Halbjahresfinanzberichte überholt wird). Auf diesen Ermächtigungen beruhen die §§ 22 bis 24 WpAIV. Danach sind die Informationen grundsätzlich weit verbreiteten elektronischen Medien zuzuleiten. Nach § 24 WpAIV sind die Informationen mindestens 5 Jahre im Unternehmensregister der Öffentlichkeit zugänglich zu halten.
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Zusätzlich zu der Bekanntmachung über den Zeitpunkt und die Internetadresse, unter der der Jahresfinanzbericht, der Halbjahresfinanzbericht sowie die Zwischenmitteilung bzw. der Quartalsfinanzbericht öffentlich zugänglich ist, hat das Unternehmen diese Bekanntmachung gleichzeitig mit ihrer Veröffentlichung der BaFin sowie dem Unternehmensregister zu übermitteln. Die Mitteilung der Veröffentlichung gegenüber der BaFin hat nach §§ 23, 3c WpAIV die Tatsache der Veröffentlichung unter Angabe des Textes der Veröffentlichung, der Medien, an die die Information gesandt wurde, sowie des genauen Zeitpunktes der Versendung an die Medien zu erfolgen. Zudem sind dem Unternehmensregister zur Speicherung zu übermitteln der Jahresfinanzbericht (§ 37v Abs. 1 Satz 4 WpHG), der Halbjahresfinanzbericht (§ 37w Abs. 1 Satz 4 WpHG) und die Zwischenmitteilung (§ 37x Abs. 1 Satz 4 WpHG) bzw. der Quartalsfinanzbericht (§ 37x Abs. 3 Satz 2 WpHG). d) Sanktionen
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Die Verletzung der Verpflichtung zur Erstellung oder Veröffentlichung des Halbjahresfinanzberichtes nach § 37w Abs. 1 WpHG bzw. der Zwischenmitteilung der Geschäftsführung nach § 37x Abs. 1 WpHG ist jeweils bußgeldrechtlich sanktioniert. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 24 WpHG wird die Unterlassung oder nicht rechtzeitige Zurverfügungstellung des Jahresfinanzberichtes einschl. Bilanzeid, des Halbjahresfinanzberichtes einschl. Bilanzeid sowie der Zwischenmitteilung als Ordnungswidrigkeit 1 Vgl. Fehrenbacher in MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2008, § 327a HGB Rz. 2; Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), 2. Aufl. 2008, § 327a HGB Rz. 1; Merkt in Baumbach/ Hopt, 33. Aufl. 2008, § 327a HGB Rz. 1.
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Börsen- und wertpapierhandelsrechtliche Zulassungsfolgepflichten
mit einer Geldbuße bis zu 200 000 Euro sanktioniert. Gleiches gilt nach § 39 Abs. 2 Nr. 25 WpHG für die Unterlassung oder nicht rechtzeitige Übermittlung des Jahresfinanzberichtes einschl. des Bilanzeides, des Halbjahresfinanzberichtes einschl. des Bilanzeides oder der Zwischenmitteilung. Schließlich wird durch § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. f bis lit. h WpHG mit einer Geldbuße bis zu 200 000 Euro sanktioniert, wenn die Hinweisveröffentlichung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig vorgenommen oder nicht rechtzeitig nachgeholt wird. Eine zivilrechtliche Haftung kann sich hinsichtlich des Halbjahresfinanzberichtes aus dem Bilanzeid ergeben, soweit dieser als Abgabe einer Garantieerklärung verstanden wird, sowie aus § 823 Abs. 2 BGB jeweils i.V.m. § 37w bzw. § 37x WpHG, soweit diese Normen als Schutzgesetze zu verstehen sind1. 3. Auskunftserteilung (§ 41 BörsG) Der Emittent der zugelassenen Wertpapiere sowie das antragstellende und das einführende Institut oder Unternehmen sind verpflichtet, aus ihrem Bereich alle Auskünfte zu erteilen, die für die Geschäftsführung zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind (§ 41 Abs. 1 BörsG). Empfänger der Auskunft ist das Organ der Wertpapierbörse, für dessen Zuständigkeitsbereich die Auskunft erforderlich ist2. Der Geschäftsführung dienen Auskünfte insbesondere zur Überwachung der Einhaltung der Pflichten, die sich aus der Zulassung für den Emittenten und für das antragstellende Institut oder Unternehmen ergeben (vgl. § 32 Abs. 1 BörsG). Die Geschäftsführung kann Auskünfte insbesondere ihren Entscheidungen über Kursmaßnahmen nach § 25 BörsG zugrunde legen3. Für die Auskunftserteilung nach § 41 Abs. 1 BörsG ist nicht erforderlich, dass diese von der Wertpapierbörse ausdrücklich angefordert wird4. Auskünfte müssen jedoch nur insoweit erteilt werden, als sie für die Aufgabenerfüllung der zuständigen Stellen sachgerecht und erforderlich sind (z.B. nach Eintragung einer Firmenänderung des Emittenten im Handelsregister). Nach § 41 Abs. 2 BörsG kann die Geschäftsführung verlangen, dass der Emittent in angemessener Form und Frist bestimmte Auskünfte veröffentlicht, wenn dies zum Schutz des Publikums oder für einen ordnungsgemäßen Börsenhandel erforderlich ist. Kommt der Emittent dem Verlangen nicht nach, kann die Geschäftsführung nach Anhörung des Emittenten auf dessen Kosten diese Auskünfte selbst veröffentlichen.
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4. Jährliches Dokument (§ 10 WpHG) Eine neuartige Zulassungsfolgepflicht (Dokumentationspflicht), die den börsenrechtlichen Verhaltenspflichten zugeordnet werden kann, wurde den Emittenten des regu-
1 Vgl. Mülbert/Steup, WM 2005, 1633, 1644 ff.; Fleischer, AG 2006, 2, 7 f. 2 Die börsenrechtliche Auskunftspflicht wurde ursprünglich damit begründet, dass das verwaltungsverfahrensrechtliche Auskunftsverfahren mit Erteilung des Verwaltungsakts (Zulassung des Emittenten) abgeschlossen sei (BT-Drucks. 10/4296, S. 16). Da die Organe der Wertpapierbörse jedoch auch nach Zulassung der Wertpapiere ggf. in Form von Verwaltungsakten handeln können (z.B. bei Befreiungen), dient die Auskunftspflicht des § 41 Abs. 1 BörsG vor allem der laufenden Kontrolle der Wertpapierbörse über den Emittenten. 3 Die Auskunft nach § 41 BörsG kann sich auch auf Tatsachen beziehen, die der Geschäftsführung im Rahmen der Ad hoc-Publizität nach § 15 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WpHG mitzuteilen sind (vgl. Hamann in Schäfer, 1. Aufl., § 44c BörsG Rz. 5; Heidelbach in Schwark, § 41 BörsG Rz. 5). 4 Hamann in Schäfer, 1. Aufl., § 44c BörsG Rz. 3; Heidelbach in Schwark, § 41 BörsG Rz. 5; wohl auch Zietsch/Holzborn, WM 2002, 2356, 2361.
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lierten Markts in Umsetzung von Art. 10 der Prospektrichtlinie1 durch § 10 WpPG auferlegt2. Danach müssen die Emittenten mindestens einmal jährlich dem Publikum ein Dokument zur Verfügung stellen, das alle Informationen enthält oder auf sie verweist, die sie in den vorausgegangenen zwölf Monaten in mindestens einem Staat des EWR und in Drittstaaten aufgrund ihrer Verpflichtungen nach dem Gemeinschaftsrecht und den einzelstaatlichen Vorschriften über die Beaufsichtigung von Wertpapieren, Wertpapieremittenten und Wertpapiermärkten veröffentlicht und dem Publikum zur Verfügung gestellt haben. Im Einzelnen sind anzugeben Veröffentlichungen aufgrund von – §§ 15, 15a, 26, 30b Abs. 1 und 2, §§ 30e, 30 f Abs. 2, §§ 37w, 37x, 37y, 37z Abs. 4 WpHG, – § 42 Abs. 1 BörsG i.V.m. einer BörsO sowie – den vorstehenden Normen entsprechenden ausländischen Vorschriften. Nicht aufzunehmen in das jährliche Dokument sind Informationen gemäß – – – – – –
§ § § § § §
15 Abs. 3 Satz 4 WpHG an die BaFin, 26a WpHG, 29a WpHG, 30c WpHG, 37w Abs. 1 Satz 2 WpHG, 161 AktG3.
Die Emittenten haben zumindest auf die Informationen zu verweisen, die von aufgrund der Gesellschaftsrechtsrichtlinien der EG4 und der Koordinierungsrichtlinie5 erlassenen Vorschriften der Mitgliedstaaten oder EWR-Staaten und der IAS-Verordnung6 gefordert werden. Die Veröffentlichung der Dokumentation hat gemäß Art. 27 Abs. 2 der Prospektverordnung7 sowie nach § 10 Abs. 1 Satz 2 WpPG i.V.m. § 14 Abs. 2 WpPG innerhalb von 20 Arbeitstagen nach der Offenlegung des Jahresabschlusses für das letzte abgelaufene Geschäftsjahr zu erfolgen wie ein Prospekt (also z.B. über die Website des Emittenten; vgl. § 14 Abs. 2 WpPG). Das Dokument ist außerdem bei der BaFin nach Offenlegung des Jahresabschlusses zu hinterlegen (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 WpPG). In der Veröffentlichung ist nach Art. 27 Abs. 3 der Prospektverordnung ggf. darauf hinzuweisen, dass die im Gesamtdokument enthaltenen Informationen „veraltet“ (gemeint ist wohl „sachlich überholt“) sind. Praktisch läuft die Dokumentationspflicht darauf hinaus, dass auf einer Webseite (insbesondere der des Emittenten) in einem Gesamtdokument bzw. in Form einer sonstigen Gesamtdarstellung sämtliche gesellschafts-, handels- und bilanz-, umwandlungs- sowie kapitalmarkt1 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003, ABl. EU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64 ff. 2 Zum Hintergrund dieser Norm etwa Götze, NZG 2007, 570; Kaum/Zimmermann, BB 2005, 1466; Kunold/Schlitt, BB 2004, 501, 509; Crüwell, AG 2003, 243, 252. 3 Vgl. ausführlich Götze/Wunderlich in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 11 Rz. 12 ff. m.w.N. 4 Eine Aufstellung der maßgeblichen Gesellschaftsrechtsrichtlinien findet sich in der Begründung zu § 10 WpPG, BR-Drucks. 85/05, S. 72 f. 5 Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.5.2001, berichtigte Fassung in ABl. EG Nr. L 217 v. 11.8.2001, S. 19 ff. 6 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.7.2002, ABl. EG Nr. L 243 v. 11.9.2002, S. 1 ff. 7 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004, berichtigte Fassung ABl. EU Nr. L 215 v. 16.6.2004, S. 3 ff.
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rechtliche Pflichtveröffentlichungen zusammengetragen werden oder auf sie (mit Angabe der Fundstelle) verwiesen wird, die von dem Emittenten innerhalb des 12-Monats-Zeitraums bekannt gemacht oder sonst veröffentlicht wurden. Für die Hinterlegung bei der BaFin fällt eine Gebühr an. Das Unterlassen der Veröffentlichung oder eine unrichtige, unvollständige, unvorschriftsmäßige oder verspätete Veröffentlichung ist mit einem Bußgeld bis zu 50 000 Euro gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 WpPG sanktioniert. 5. Weitere Zulassungsfolgepflichten (§ 42 BörsG) a) Marktsegmentregulierung durch die Wertpapierbörse Nach § 42 BörsG kann die Börsenordnung für Teilbereiche des regulierten Markts ergänzend zu den vom Unternehmen einzureichenden Unterlagen zusätzliche Voraussetzungen für die Einführung von Aktien oder Aktien vertretenden Zertifikaten und weitere Unterrichtungspflichten des Emittenten aufgrund der Einführung von Aktien oder Aktien vertretenden Zertifikate zum Schutz des Publikums oder für einen ordnungsgemäßen Börsenhandel vorsehen1. Eine Teilbereichsbildung ist damit nur im Hinblick auf Aktienemittenten zulässig. Andere börsenfähige Wertpapiere können nicht in einem Teilbereich zusammengefasst werden. Zuständiges Organ der Wertpapierbörse ist der Börsenrat, der nach § 12 Abs. 2 BörsG die Börsenordnung als Satzung erlässt2. Es können auch mehrere Teilbereiche des regulierten Markts unter dem Dach einer Wertpapierbörse geschaffen werden, sofern der regulierte Markt in der Grundform aufrechterhalten bleibt, wie er den Emittenten in der Ausgestaltung durch die Mindestanforderungen des Börsengesetzes und der Börsenzulassungs-Verordnung zur Verfügung steht3. Die Befugnis der Wertpapierbörse zur Marktsegmentregulierung ist nicht auf die Zulassungsfolgepflichten beschränkt, sondern es können auch – wie gemäß §§ 42, 50, 54 BörsG a.F. für den früheren geregelten Markt vorgesehen – für die Zulassung von Aktien oder Aktien vertretende Zertifikate weitere Zulassungsvoraussetzungen vorgesehen werden. Die zusätzlichen Verhaltenspflichten gemäß § 42 BörsG müssen Unterrichtungspflichten zum Schutz des Publikums oder für einen ordnungsgemäßen Börsenhandel sein. Damit sind nach Auffassung des Gesetzgebers ausschließlich weitere Transparenzpflichten gemeint4. Der Tatbestand der Ermächtigungsnorm lässt dagegen keine weiteren Zulassungsfolgepflichten zu, die zwar ebenfalls ein besonders kapitalmarktgerechtes Auftreten der Emittenten bewirken sollen, 1 § 42 BörsG a.F. wurde durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz (BGBl. I 2002, 2010) in das Börsengesetz eingefügt (hierzu Reuschle, Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, S. XVIII ff.; Möller, WM 2001, 2405, 2406; Gebhardt, WM 2003, Sonderbeilage Nr. 2, 4; Spindler, WM 2003, 2073, 2075 ff.; Beck, BKR 2002, 699, 706) und durch die MiFID nur unwesentlich verändert. Von der Ermächtigung zur Teilbereichsbildung haben insbesondere die Frankfurter Wertpapierbörse (Prime Standard) und die Baden-Württembergische Wertpapierbörse (Segment Gate-M) Gebrauch gemacht. Der Prädikatsmarkt der Bayerischen Wertpapierbörse bestand dagegen schon vor Inkrafttreten des § 42 BörsG. 2 Aus der öffentlich-rechtlichen Natur des Rechtsverhältnisses zwischen dem Emittenten und der Wertpapierbörse sowie dem Normcharakter der Börsenordnung folgt im Grundsatz, dass die Wertpapierbörse berechtigt ist, die weiteren Zulassungsfolgepflichten im Sinne von § 42 BörsG einseitig, also ohne Einverständnis der betroffenen Emittenten, zu ändern (vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.400, sowie Kümpel, BKR 2003, 3, 10; Beck, BKR 2002, 699, 707). Da aber eine solche Regeländerung in nicht abgeschlossene Rechtsverhältnisse eingreift, darf sie zumindest nicht willkürlich erfolgen. 3 BT-Drucks. 14/8017, S. 80; dazu Beck, BKR 2002, 699, 706; Zietsch/Holzborn, WM 2002, 2356, 2358. 4 BT-Drucks. 14/8017, S. 80.
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dies aber nicht durch die Verpflichtung zu transparenzförderndem, sondern zu sonstigem Verhalten1. 40
Neben den tatbestandlichen Beschränkungen des § 42 BörsG sind bei der Teilbereichsregulierung die allgemeinen Schranken hoheitlicher Satzungsgebung zu berücksichtigen2. Zum einen steht der Gesetzesvorrang einer „Umgestaltung (…) der im geltenden Recht ohnehin geregelten Publizität“ entgegen. Dies ist insbesondere bei den weiteren Unterrichtungspflichten von Bedeutung, die an gesetzliche Verhaltenspflichten anknüpfen und diese modifizieren. In einem solchen Fall darf die weitere Unterrichtungspflicht (etwa zur Quartalsberichterstattung) den unabdingbaren Kernbereich (Mindestanforderungen) der zugrunde liegenden Zulassungsfolgepflicht (hier der Halbjahresfinanzberichtspflicht nach § 37w WpHG) inhaltlich nicht verändern, sondern allenfalls ausgestalten. Zum anderen ist bei einer Teilbereichsregulierung, die neue Verhaltenspflichten schafft3 oder gesetzliche Verhaltenspflichten inhaltlich ausgestaltet bzw. erweitert (ohne diesen unmittelbar zu widersprechen), zu beachten, dass diese nicht zu einer „weit reichenden Erweiterung der im geltenden Recht ohnehin geltenden Publizität“ führt. Aufgrund des Prinzips des Gesetzesvorbehalts sind vielmehr „die wesentlichen Transparenzpflichten eines Unternehmens durch Gesetz festzulegen“. Bei der Überprüfung weiterer Unterrichtungspflichten am Maßstab des Gesetzesvorbehalts ist allerdings zu beachten, dass es sich bei diesen nicht um belastende hoheitliche Eingriffsakte handelt, sondern um Bedingungen einer freiwilligen Teilnahme von Emittenten an einer freiwilligen Marktveranstaltung der Wertpapierbörse4. Teilnahmebedingungen dieser Art unterliegen – auch als Rechtsnormen – einer zurückgenommen Inhaltskontrolle, insbesondere weil die erstrebte Teilnahme nicht zu den Betätigungen in einem grundrechtsschutzintensiveren Bereich gehört.
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Für die hoheitliche Marktsegmentregulierung der Wertpapierbörse bedeutet dies, dass die weiteren Unterrichtungspflichten nach § 42 BörsG geeignet sein müssen, dem Schutz des Publikums oder einem ordnungsgemäßen Börsenhandel zu dienen, und den Emittenten ein Verhalten auferlegen, mit dem diese Zielsetzung sachgerecht verfolgt werden kann. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung erscheint dagegen nur eingeschränkt möglich5, da die Befugnis der Wertpapierbörse zur Teilbereichsregulierung gerade die gesetzliche Ermächtigung beinhaltet, die Verhaltensanforderungen an Emittenten über das für die Erreichung der kapitalmarktrechtlichen Schutzzwecke erforderliche Maß zu verschärfen. Als „wesentliche“ Transparenzpflichten bleiben dem Gesetzgeber von diesem Standpunkt aus vor allem die Unterrichtungspflichten vor1 Aufgrund von § 42 BörsG könnte z.B. nicht verlangt werden, dass die Emittenten sämtliche Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex einhalten, da nur ein Teil der Kodex-Empfehlungen Transparenzwecke verfolgt. 2 Der Gesetzgeber hat die allgemeinen Schranken der Teilbereichsregulierung in BT-Drucks. 14/8017, S. 81, wie folgt beschrieben: „Eine Umgestaltung oder weit reichende Erweiterung der im geltenden Recht ohnehin geregelten Publizität im Rahmen einer Satzung scheidet allerdings aus, da die wesentlichen Transparenzpflichten eines Unternehmens durch Gesetz festzulegen sind.“ 3 Z. B. die Pflicht zur Veröffentlichung eines Unternehmenskalenders oder der Durchführung von Analystenveranstaltungen. 4 Auch in dem Einzelfall, dass sich ein Emittent faktisch zur Teilnahme am Teilbereich des regulierten Markts „verpflichtet“ fühlt (insbesondere weil die Aufnahme in einen Aktienindex diese Teilnahme voraussetzt), veranlasst dies nicht dazu, die Teilbereichsregelungen insgesamt wie belastende Normen zu behandeln; vgl. aber auch Hess. VGH v. 28.3.2007 – 6 N 3224/04, WM 2007, 1265, das die BörsO mit den Satzungen öffentlich-rechtlicher Berufsverbände oder Anstalten vergleicht. 5 Vgl. demgegenüber Spindler, WM 2003, 2073, 2080 ff.
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Börsen- und wertpapierhandelsrechtliche Zulassungsfolgepflichten
behalten, die aus bestimmten Sachgründen nicht der fakultativen Marktsegmentregulierung einzelner Wertpapierbörsen unterliegen dürfen. Ein solcher Sachgrund kann bestehen, wenn die einheitliche Geltung (bzw. einheitliche Nichtgeltung) einer bestimmten Unterrichtungspflicht an allen Wertpapierbörsen zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des gesamten inländischen Börsenmarkts geboten oder erforderlich ist. Im Übrigen kann es weitgehend den selbststeuernden Mechanismen der Selbstregulierung überantwortet bleiben, nicht bedürfnisgerechte – weil nicht mit vertretbarem Aufwand erfüllbare – weitere Zulassungsfolgepflichten zu verhindern (zum Prime Standard siehe unten Rz. 46). b) Zulassungsverfahren Weder § 42 BörsG noch die Börsenzulassungs-Verordnung enthalten Bestimmungen über das Verfahren der Zulassung eines Emittenten zu einem Teilbereich des regulierten Markts bzw. zur Beendigung der Zulassung zu einem Teilbereich bei fortbestehender Zulassung des Emittenten in der Grundform des regulierten Markts1. Für die Fälle der isolierten (nachträglichen) Zulassung oder Beendigung der Zulassung zu einem Teilbereich des regulierten Markts kann § 42 BörsG dahin ausgelegt werden, dass der Wertpapierbörse (Börsenrat) auch die Befugnis zusteht, in der Börsenordnung entsprechende Verfahrensregelungen vorzusehen. Die Zulassung setzt einen schriftlichen Antrag des Emittenten voraus. Antragsberechtigt ist der Emittent, dessen Aktien zum regulierten Markt der jeweiligen Wertpapierbörse (in seiner Grundform) bereits zugelassen sind bzw. erstmalig dort zugelassen werden sollen. Über den Antrag entscheidet die Geschäftsführung durch Verwaltungsakt2. Die Mitwirkung eines Instituts oder Unternehmens im Sinne von § 32 Abs. 2 BörsG ist für eine isolierte Antragstellung nicht erforderlich. Die Zulassung des Emittenten zum Teilbereich des regulierten Markts kann – sofern der Emittent bereits im regulierten Markt notiert ist – auch von der Veröffentlichung eines Zulassungsprospekts abhängig gemacht werden, da die Ermächtigung des § 42 BörsG die Wertpapierbörse zur Festlegung weiterer Zulassungsvoraussetzungen berechtigt. Die Zulassung ist entsprechend § 51 BörsZulV bekannt zu machen3.
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In der bisherigen Zulassungspraxis wird neben dem Antrag des Emittenten auf Zulassung zum Teilbereich des regulierten Markts auch ein Antrag des Emittenten auf Notierungsaufnahme im Teilbereich des regulierten Markts bzw. eine Angabe über den begehrten Zeitpunkt der Notierungsaufnahme im Teilbereich des regulierten Markts verlangt4. Bei genauer Betrachtung liegt aber eine eigenständige Notierungsaufnahme im Sinne des § 38 Abs. 1 BörsG nicht vor, da sich für den Emittenten durch die Zulassung zu einem Teilbereich des regulierten Markts lediglich Änderungen bei den
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1 Besondere Verfahrensregelungen sind für den Fall entbehrlich, dass ein Emittent mit dem Antrag auf Zulassung von Aktien zum regulierten Markt zugleich den Antrag auf Zulassung zu einem Teilbereich des regulierten Markts verbindet. Hier richtet sich das Zulassungsverfahren einheitlich nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften für die Zulassung von Aktien zum regulierten Markt. 2 In den einschlägigen Börsenordnungen fehlt eine Angabe darüber, innerhalb welchen Zeitraums die Geschäftsführung über den Antrag entscheidet. Nach Gebhardt, WM 2003, Sonderbeilage Nr. 2, 6, soll die Entscheidungsfrist entsprechend allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen drei Monate betragen. 3 Siehe § 64 BörsO FWB. 4 Antrag auf Notierungsaufnahme (Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse), Angabe zum wunschgemäßen Zeitpunkt der Notierungsaufnahme (Gate-M der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse). Vgl. auch Gebhardt, WM 2003, Sonderbeilage Nr. 2, 6 (insbesondere Fn. 41).
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§ 12
Börsennotierung
Verhaltenspflichten ergeben, ohne dass eine Veränderung hinsichtlich der Notierung seiner Aktien im regulierten Markt (als Handelssegment) erfolgt. Ungeachtet dessen ist es sachgerecht, im Zulassungsverfahren einen Zeitpunkt festzulegen, von dem an der Emittent die weiteren Unterrichtungspflichten zu beachten hat. Der Ausdruck „Notierungsaufnahme“ ist hier jedoch unpassend. Aus ähnlichen Gründen dürfte das weitere Erfordernis ins Leere laufen, dass sich der (isolierte) Antrag des Emittenten auf Zulassung zum Teilbereich des regulierten Markts auf alle zur Grundform des regulierten Markts zugelassenen Aktien des Emittenten oder aktienvertretende Zertifikate derselben Gattung beziehen muss1. Denn die Zulassung des Emittenten zu einem Teilbereich des regulierten Markts ändert nichts daran, dass seine Aktien einheitlich im Marktsegment regulierter Markt gehandelt werden. Eine Marktverknappung bzw. Kursverzerrung, die durch das börsengesetzliche Gebot der Zulassung aller Wertpapiere einer Gattung (§ 7 BörsZulV) verhindert werden soll2, droht hier nicht. Eine Aufspaltung in der Weise, dass der Emittent für den einen Teil der Aktien die weiteren Zulassungsfolgepflichten erfüllt, für die anderen Aktien dagegen nicht, ist nicht denkbar. 44
Entsprechend § 32 Abs. 3 BörsG hat der Emittent einen Anspruch auf Zulassung zum Teilbereich des regulierten Markts, wenn keine Ablehnungsgründe bestehen3. Die Ablehnung des Emittenten ist nur aus bestimmten allgemeinen Sachgründen gerechtfertigt. Ein solcher Sachgrund besteht, wenn eine dauerhafte Erfüllung der weiteren Zulassungsfolgepflichten durch den Emittenten im Zeitpunkt der Entscheidung der Geschäftsführung ernsthaft zu bezweifeln ist4. Dies kann der Fall sein, wenn der Emittent bereits zugelassener Aktien oder aktienvertretender Zertifikate seine Pflichten aus der Zulassung nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt hat5. Auch eine Insolvenz des Emittenten rechtfertigt eine Ablehnung des Zulassungsantrags, da unter dieser Voraussetzung die dauerhafte Erfüllung der weiteren Zulassungsfolgepflichten ebenfalls zweifelhaft erscheint6. Weitere Umstände, die eine Ablehnung der Zulassung zum Teilbereich des regulierten Markts rechtfertigen können, sind denkbar, wenn sie ein vergleichbares Gewicht haben. Dagegen wäre die Ablehnung der Zulassung zum Teilbereich des regulierten Markts mit der Begründung, ein ordnungsmäßiger Handel in den Aktien des Emittenten sei nicht gewährleistet, nicht plausibel, wenn die Aktien bereits im regulierten Markt notiert sind und mit der Zulassung zu einem Teilbereich dort notiert bleiben.
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Will der Emittent den Teilbereich des regulierten Markts verlassen, jedoch weiterhin der Grundform des regulierten Markts angehören, muss er einen Antrag auf Widerruf der Zulassung zum Teilbereich des regulierten Markts stellen (entsprechend § 39 Abs. 2 Satz 1 BörsG). Der Widerruf auf Antrag des Emittenten kann nach Einhaltung 1 § 63 Abs. 1 Satz 2 BörsOFWB. Nach Gebhardt, WM 2003, Sonderbeilage Nr. 2, 6, sollen durch diese Regelung verschiedenartige Zulassungen von gattungsgleichen Aktien eines Emittenten verhindert werden, die entstünden, wenn ein Emittent nur einen Teil seiner im General Standard zugelassenen Aktien auch im Prime Standard zuließe. 2 Vgl. Schwark, Börsengesetz, § 36 Rz. 30; Hamann in Schäfer, 1. Aufl.,§ 36 BörsG Rz. 15. 3 So auch Gebhardt, WM 2003, Sonderbeilage Rz. 2, 7. 4 § 63 Abs. 4 Satz 1 BörsO FWB. 5 § 63 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 BörsO FWB. Ähnlich § 32 Abs. 4 BörsG, wonach ein Antrag auf Zulassung zur Grundform des regulierten Markts abgelehnt werden kann, wenn der Emittent seine Pflichten aus der Zulassung zum regulierten Markt an einer inländischen Börse oder einer Börse in der EU oder im EWR nicht erfüllt. 6 Vgl. § 63 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BörsO FWB. Gebhardt, WM 2003, Sonderbeilage Nr. 2, 7, berichtet aus der Praxis des Neuen Markts, dass die weit überwiegende Mehrheit der bei den betreffenden Emittenten eingesetzten Insolvenzverwalter die aus der Börsenzulassung folgenden Pflichten aus Kostengründen nicht mehr erfüllt hat.
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§ 12
Börsen- und wertpapierhandelsrechtliche Zulassungsfolgepflichten
einer Übergangsfrist im Allgemeinen ohne weitere Maßnahmen oder Voraussetzungen wirksam werden, weil die Belange der Anleger durch die Aufrechterhaltung der Zulassung zur Grundform des regulierten Markts und den damit verbundenen Zulassungsfolgepflichten gewahrt bleiben1. Insbesondere sind kein Hauptversammlungsbeschluss und kein Abfindungsangebot an die Aktionäre des Emittenten erforderlich (näher hierzu § 62 Rz. 39 und Rz. 52). Gelingt dem Emittenten eine dauerhafte Erfüllung der weiteren Zulassungsfolgepflichten nicht (mehr), ist die Geschäftsführung zum Widerruf der Zulassung zum Teilbereich des regulierten Markts von Amts wegen berechtigt (entsprechend § 39 Abs. 1 BörsG;). In diesem Fall besteht die Zulassung zur Grundform des regulierten Markts fort2, wenn nicht die Gründe, die dem Emittenten die Erfüllung der weiteren Zulassungsfolgepflichten unmöglich machen, auch einer weiteren Zulassung zur Grundform des regulierten Markts entgegenstehen3. c) Beispiele für weitere Zulassungsfolgepflichten (insbesondere des Prime Standard der FWB) Mit der Ausübung der Ermächtigung des § 42 BörsG können die Wertpapierbörsen das Ziel verfolgen, das Pflichtenprogramm des Emittenten auf das Niveau vergleichbarer internationaler Standards anzuheben. Nach § 66 Abs. 1 BörsO FWB sind die Emittenten zur Veröffentlichung von Quartalsberichten verpflichtet. Eine Zwischenmitteilung der Geschäftsführung nach § 37x Abs. 1 WpHG genügt nicht. Die Quartalsberichte sind jeweils zum Stichtag der ersten drei Quartale eines Geschäftsjahres aufzustellen4. Der Quartalsbericht muss grundsätzlich in deutscher und englischer Sprache abgefasst sein. Emittenten mit Sitz im Ausland können Halbjahres- und einen Quartalsfinanzbericht ausschließlich in englischer Sprache abfassen. Eine prüferische Durchsicht des Quartalsberichts ist nicht obligatorisch5. Der Emittent hat den Halbjahres- und Quartalsfinanzbericht unverzüglich nach der Fertigstellung, spätestens jedoch innerhalb von zwei Monaten bzw. bei Emittenten mit Sitz im Ausland innerhalb von drei Monaten nach Ende des Berichtszeitraums zu veröffentlichen und der Geschäftsführung in elektronischer Form zu übermitteln. Die Geschäftsführung stellt den Halbjahres- und Quartalsfinanzbericht dem Publikum elektronisch oder in anderer geeigneter Weise zur Verfügung6. 1 Ebenso Gebhardt, WM 2003, Sonderbeilage Nr. 2, 8. Nach § 70 Abs. 1 Satz 3 BörsO FWB beträgt die Übergangsfrist bei einem freiwilligen Ausscheiden des Emittenten aus dem Segment Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse regelmäßig drei Monate ab Veröffentlichung der Entscheidung der Börsengeschäftsführung über den Widerruf. 2 Nach § 70 Abs. 4 BörsO FWB hat die Geschäftsführung der Frankfurter Wertpapierbörse im Fall der Beendigung der Zulassung zum regulierten Markt (Prime Standard) die Aufnahme der Notierung (Einführung) der zugelassenen Wertpapiere im regulierten Markt (General Standard) von Amts wegen zu veranlassen. Eine gesonderte Einführung erscheint hier aber – wie bei der Aufnahme des Emittenten in den regulierten Markt (Prime Standard) – entbehrlich, da der Handel der Wertpapiere einheitlich im amtlichen Markt erfolgt. 3 Vgl. Beck, BKR 2003, 699, 706; Schlitt, AG 2003, 57, 68. Zu allgemein daher BT-Drucks. 14/8017, S. 81, wonach ein Ausschluss aus dem regulierten Markt bei Verstoß gegen die weiteren Zulassungsfolgepflichten nicht erfolgen kann. 4 Die Veröffentlichung eines Quartalsberichts für das zweite und vierte Quartal eines Geschäftsjahres steht im Belieben des Emittenten (Schlitt, AG 2003, 57, 67; Gebhardt, WM 2003, Sonderbeilage Nr. 2, 10), erscheint jedoch wegen der Jahres- und Halbjahresfinanzberichte höchstens unter zeitlichen Gesichtspunkten angebracht. 5 § 66 Abs. 4 BörsO FWB; Schlitt, AG 2003, 57, 67. 6 Die weiteren Unterrichtungspflichten des Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse bestehen für den Emittenten darin, einen Unternehmenskalender in deutscher und englischer Sprache zu erstellen und zu aktualisieren, der Angaben über die wesentlichen Termine des Emittenten, insbesondere die Hauptversammlung, die Bilanzpressekonferenz und Analysten-
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§ 12
Börsennotierung
III. Freiverkehr (§ 48 BörsG) 1. Herkömmliche Freiverkehrssegmente 47
Das zweite Marktsegment unter dem Dach der Börse ist der Freiverkehr. Gemäß § 48 Abs. 1 BörsG wird der Freiverkehr durch Geschäftsbedingungen reguliert, die eine ordnungsmäßige Durchführung des Handels und der Geschäftsabwicklung gewährleisten müssen1. Allgemein besteht der Unterschied zwischen dem Freiverkehr einerseits und dem regulierten Markt andererseits darin, dass der Freiverkehr nicht von der Wertpapierbörse selbst, sondern von einem Dritten veranstaltet wird (üblicherweise ist dies die jeweilige Börsenträgergesellschaft). Demzufolge wird der Freiverkehr nicht öffentlich-rechtlich reguliert, sondern mit privatrechtlichen Mitteln (hierzu bereits Rz. 9). Die herkömmlichen Freiverkehrssegmente der Wertpapierbörsen zeichnen sich ferner dadurch aus, dass die Wertpapiere des Emittenten typischerweise nicht auf seinen Antrag hin, sondern auf Antrag eines Handelsteilnehmers in den Freiverkehrshandel einbezogen werden (was eine bereits bestehende anderweitige Börsennotierung des Emittenten oder das Vorliegen eines Prospektes oder zumindest eines Exposés voraussetzt, vgl. § 13 Abs. 2 AGB-Freiverkehr FWB). Infolgedessen können die Emittenten in den herkömmlichen Freiverkehrssegmenten – insoweit übereinstimmend mit der Einbeziehung von Emittenten in den regulierten Markt gemäß § 33 Abs. 1 BörsG) – aufgrund der Einbeziehung nicht verpflichtet werden, sich in einer bestimmten Weise kapitalmarktgerecht zu verhalten2, § 48 Abs. 1 Satz 2 BörsG. Die Verpflichtungen aus einer anderweitigen Börsenzulassung bleiben unberührt. Vielmehr sehen die AGB-Freiverkehr regelmäßig vor, dass die antragstellenden Handelsteilnehmer den Freiverkehrsveranstalter zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Börsenhandels über bevorstehende Hauptversammlungen, Dividendenzahlungen, Kapitalveränderungen und sonstige Umstände, die für die Bewertung des Wertpapiers oder des Emittenten von wesentlicher Bedeutung sein können, unverzüglich unterrichten3. 2. Freiverkehrssegment nach Art des „Entry Standard“
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Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 BörsG i.d.F. durch die MiFID dürfen in den Freiverkehr nur noch Wertpapiere einbezogen werden, die weder zum Handel in den regulierten Markt zugelassen noch einbezogen sind. Eine Konstruktion wie die des Neuen Marktes (nämlich Zulassung zum geregelten Markt und Einführung in den Freiverkehr) ist damit ausgeschlossen. Die Börsenträger haben daher von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, im Freiverkehr verschiedene Marktsegmente einzuführen. Der Freiverkehr an der FWB unterscheidet zwischen „Open Market“ als dem allgemeinen Segment für alle Arten von Wertpapieren und dem „Entry Standard“ spezifisch für Aktien, veranstaltungen enthält, und diesen im Internet zu veröffentlichen und der Geschäftsführung in elektronischer Form zu übermitteln (§ 67 BörsO FWB), jährlich mindestens eine Analystenkonferenz außerhalb der Bilanzpressekonferenz durchzuführen (§ 68 BörsO FWB; hierzu ausführlich Gebhardt, WM 2003, Sonderbeilage Nr. 2, 13 f., mit Hinweisen zur Gleichbehandlung der Teilnehmer) und Ad hoc-Mitteilungen zusätzlich in englischer Sprache zu veröffentlichen (§ 69 BörsO FWB). 1 Ausführlich zum Freiverkehr Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.620 ff. 2 Auch in anderen Gesetzen werden an die Emittenten des Freiverkehrs oder an dritte Personen aufgrund der Einbeziehung von Wertpapieren keine Folgepflichten gerichtet. Allerdings sind die in den Freiverkehr einbezogenen Wertpapiere Insiderpapiere (§ 12 Satz 1 Nr. 1 WpHG), so dass sich das Verbot von Insidergeschäften nach § 14 WpHG auch auf Freiverkehrswerte bezieht (hierzu § 13 Rz. 9). 3 Z.B. § 14 AGB-Freiverkehr FWB.
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§ 12
Börsen- und wertpapierhandelsrechtliche Zulassungsfolgepflichten
der zusätzliche Anforderungen an den Emittenten stellt. Diese sind nach § 16 Abs. 3 AGB-Freiverkehr der FWB unter dem Aspekt der Zulassungsfolgepflichten die Zustimmung des Emittenten zur Einbeziehung seiner Aktien, die Vorlage eines mit dem Bestätigungsvermerk eines Wirtschaftsprüfers versehenen Konzern- bzw. Einzelabschlusses samt Lagebericht, ein detaillierteres Unternehmenskurzportrait des Emittenten zum Zwecke der Veröffentlichung auf der Internetseite des Emittenten sowie insb. ein Vertrag zwischen dem Emittenten und dem Listing-Partner der FWB für die Dauer der Einbeziehung der Aktien in den Entry Standard. Durch den Vertrag muss sich der Emittent verpflichten, jährliche Informationsgespräche mit dem Listing-Partner über Transparenzpflichten und übliche Investor-Relations-Aktivitäten im deutschen Kapitalmarkt zu führen, das Unternehmenskurzportrait bei wesentlichen, den Emittenten betreffenden Änderungen unverzüglich mindestens jedoch jährlich zu aktualisieren, einen aktuellen Unternehmenskalender zu erstellen und zu pflegen, Veröffentlichungen ähnlich der Ad hoc-Publizität vorzunehmen (§ 17 Abs. 2 lit. a AGB-Freiverkehr FWB), geprüfte Konzernjahresabschlüsse samt Konzernlagebericht innerhalb von 6 Monaten nach Geschäftsjahresschluss und Zwischenberichte innerhalb von drei Monaten nach Halbjahresschluss zu veröffentlichen. Sanktioniert sind Verstöße gegen derartige Verpflichtungen durch Vertragsstrafen in Höhe von bis zu 10 000 Euro für jeden Fall eines Pflichtverstoßes und durch die Möglichkeit der Beendigung der Einbeziehung in den Entry Standard (vgl. § 18 AGB-Freiverkehr FWB). Der Entry Standard könnte als privatrechtlich organisierte Fortsetzung des geregelten Marktes aus der Zeit vor der MiFID im „Light-Format“ bezeichnet werden.
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4. Kapitel Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten § 13 Insiderrecht Rz.
Rz. III. Ausgesuchte Einzelfälle in der Unternehmenspraxis . . . . . . . . . . . 50
I. Entstehungsgeschichte, europarechtliche Grundlagen und Bedeutung des Insiderrechts für börsennotierte Aktiengesellschaften . .
1
1. Wertpapiergeschäfte von Organmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
II. Tatbestandsvoraussetzungen der Insiderverbote nach WpHG . . . . .
6
2. Informationsweitergabe durch Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . 52
1. Überblick über die Struktur . . . . . a) Struktur nach WpHG a.F. (bis 29.10.2004) . . . . . . . . . . . b) Struktur nach WpHG n.F. (ab 30.10.2004) . . . . . . . . . . . .
6
2. Insiderpapiere . . . . . . . . . . . . . .
9
3. Insiderinformationen . . . . . . . . . a) Begriff der „konkreten Information“ . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlende öffentliche Bekanntheit c) Emittenten- oder Insiderpapierbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung . . . . . . . . . . . . . e) Auswertung öffentlich bekannter Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . .
13
6. Paketaufbau/Due Diligence/ Unternehmenskäufe . . . . . . . . . . . . . . 72
13 16
7. Übernahmeangebote/„Taking Private“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
6 7
19 21 29
3. Auskünfte an einzelne Aktionäre, Aktionärspools sowie die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4. Optionsprogramme . . . . . . . . . . 63 5. Management Buy Out (MBO) . . . . 67
8. Erwerb eigener Aktien . . . . . . . . 85 IV. Unternehmensinterne Prävention . 87 1. Pflicht zur Verdachtsanzeige und Führung von Insiderverzeichnissen
87
2. Organisationspflichten . . . . . . . . 91
4. Insider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterscheidung zwischen Primärund Sekundärinsider . . . . . . . . b) Primärinsider . . . . . . . . . . . . . aa) Organinsider . . . . . . . . . . bb) Beteiligungsinsider . . . . . . cc) Berufsinsider . . . . . . . . . . c) Sekundärinsider . . . . . . . . . . .
30 30 31 31 33 34 37
1. Strafrechtliche Sanktionen von Verstößen gegen Insiderverbote . . . . . a) Anwendbares Recht . . . . . . . . b) WpHG a.F. . . . . . . . . . . . . . . c) Auswirkungen der Marktmissbrauchsrichtlinie/des AnSVG . .
5. Insiderverbote . . . . . a) Nutzungsverbot . . b) Mitteilungsverbot . c) Empfehlungsverbot
39 39 45 48
3. Zivilrechtliche Haftung . . . . . . . . 98
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
V. Sanktionen und Haftung . . . . . . . 92 92 92 93 94
2. Sanktionen gegen das Unternehmen 97
Schrifttum zur Rechtslage ab 30.10.2004: P. Beck, Kreditderivate als Insidergeschäft, in Gedächnisschrift für U. Bosch, 2006, S. 17; Borsch, Kauf eines Aktienpaketes: Anforderungen an die Due Diligence, DB 2005, 2175; Brandi/Süßmann, Neue Insiderregeln und Ad-hoc-Publizität – Folgen für Ablauf und Gestaltung von M&A-Transaktionen, AG 2004, 642; Bürgers, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BKR 2004, 424; Cahn, Das neue Insiderrecht, Der Konzern 2005, 5; Claussen/Florian, Der Emittentenleitfaden, AG 2005, 745; Diekmann/Sustmann, Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, NZG 2004, 929; Dier/Fürhoff, Die ge-
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§ 13
Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
plante europäische Marktmissbrauchsrichtlinie, AG 2002, 604; v. Dryander/Schröder, Gestaltungsmöglichkeiten für die Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder im Lichte des neuen Insiderrechts, WM 2007, 542; Engert, Hedgefonds als aktivistische Aktionäre, ZIP 2006, 2105; v. Falkenhausen/Widder, Die Weitergabe von Insiderinformationen innerhalb einer Rechtsanwalts-, Wirtschaftsprüfer- oder Steuerberatersozietät, BB 2004, 165; Fleischer, Ab-hoc-Publizität beim einvernehmlichen vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden, NZG 2007, 401; Fromm-Russenschuck/Banerjea, Die Zulässigkeit des Handelns mit Insiderpapieren nach Durchführung einer Due Diligence-Prüfung, BB 2004, 2425; Grothaus, Reform des Insiderrechtes: Großer Aufwand – viel Rechtsunsicherheit – wenig Nutzen?, ZBB 2005, 62; Gunßer, Ad-hoc-Publizität bei Unternehmenskäufen und -übernahmen, 2008; Hammen, Pakethandel und Insiderhandelsverbot, WM 2004, 1753; Hasselbach, Die Weitergabe von Insiderinformationen bei M&A-Transaktionen mit börsennotierten Gesellschaften, NZG 2004, 1087; Hemeling, Gesellschaftsrechtliche Fragen der Due Diligence beim Unternehmenskauf, ZHR 169 (2005), 274; Holzborn/Israel, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, WM 2004, 1948; Kirschhöfer, Führung von Insiderverzeichnissen bei Emittenten und externen Dienstleistern, Der Konzern 2005, 22; Klasen, Insiderrechtliche Fragen zu aktienorientierten Vergütungsmodellen, AG 2006, 24; Th. Koch, Due Diligence und Beteiligungserwerb aus Sicht des Insiderrechts, 2006; St. Koch, Neuerungen im Insiderrecht und der Ad-hoc-Publizität, DB 2005, 267; Kuthe, Änderungen des Kapitalmarktrechts durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, 883; Leppert/Stürwald, Die insiderrechtliche Regelung des Vorschlags für eine Marktmissbrauchsrichtlinie und der Stand der Umsetzung im deutschen Wertpapierhandelsrecht, ZBB 2002, 90; Leuering, Behandlung zukünftiger Umstände im Recht der Ad hoc-Publizität, DStR 2008, 1287; Merkner/Sustmann, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität – Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz „in der Fassung durch den Emittentenleitfaden des BaFin“, NZG 2005, 729; Möllers, Der BGH, die BaFin und der EuGH: Ad-hoc-Publizität beim einvernehmlichen vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp, NZG 2008, 330; Möllers, Insiderinformation und Befreiung von der Adhoc-Publizität nach § 15 Abs. 3 WpHG, WM 2005, 1393; Rittmeister, Due Diligence und Geheimhaltungspflichten beim Unternehmenskauf, NZG 2004, 1032; Rodewald/Tüxen, Neuregelung des Insiderrechts nach dem AnSVG, BB 2004, 2249; Schlitt/S. Schäfer, Quick to market – Aktuelle Rechtsfragen im Zusammenhang mit Block-Trade-Transaktionen, AG 2004, 346; I. Schneider, Unternehmenserwerb mit Informationen aus einer Due Diligence kein strafbarer Insiderhandel, DB 2005, 2678; Schröder, Geschäftsführer, Gesellschafter und Mitarbeiter der GmbH als Insider – Über die strafrechtlichen Risiken des Insiderrechts in der Sphäre der GmbH, GmbHR 2007, 907; Schwintek, Die Anzeigepflicht bei Verdacht von Insidergeschäften und Marktmanipulation nach § 10 WpHG, WM 2005, 861; Sethe, Die Verschärfung des insiderrechtlichen Weitergabeverbotes, ZBB 2006, 243; Singhof/Ch. Weber, Neue kapitalmarktrechtliche Rahmenbedingungen für den Erwerb eigener Aktien, AG 2005, 549; Steidle/Waldeck, Die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen unter dem Blickwinkel der informationellen Seltstbestimmung, WM 2005, 868; Veil, Weitergabe von Informationen durch den Aufsichtsrat an Aktionäre und Dritte, ZHR 172 (2008), 239; Ziemons, Neuerungen im Insiderrecht und bei Ad-hoc-Publizität durch die Marktmissbrauchsrichtlinie und das AnSVG, NZG 2004, 537; Zumbansen/Lachner, Die Geheimhaltungspflicht des Vorstands bei der Due Diligence: Neubewertung im Globalisierten Geschäftsverkehr, BB 2006, 613. Schrifttum zur Rechtslage bis 29.10.2004: Vgl. Literaturverzeichnis zu § 13 der 1. Auflage.
I. Entstehungsgeschichte, europarechtliche Grundlagen und Bedeutung des Insiderrechts für börsennotierte Aktiengesellschaften 1
Ein gesetzliches, strafbewehrtes Verbot des Insiderhandels wurde in Deutschland erstmals durch das am 1.8.1994 in Kraft getretene Wertpapierhandelsgesetz als Bestandteil des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes eingeführt1. Es ersetzte die voran1 BGBl. I 1994, 1749 ff.
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§ 13
Insiderrecht
gehenden freiwilligen und nicht sanktionierten Händler- und Beraterregeln1 und setzte die EG-Insiderrichtlinie2 um. Dabei folgte der deutsche Gesetzgeber nicht der Terminologie der Richtlinie und verwendete statt des Begriffs der Insider-Information (vgl. Art. 1 Nr. 1 der RiLi) den der Insidertatsache und definierte diese abweichend von der Richtlinie mit der Folge von einer Reihe von Einschränkungen der Insiderverbote. Auf EU-Ebene wurde die Insiderrichtlinie im Januar 2003 ersetzt durch die Marktmissbrauchsrichtlinie3. Die Marktmissbrauchsrichtlinie wurde in deutsches Recht umgesetzt durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG)4, das am 30.10.2004 in Kraft getreten ist. Durch das AnSVG wurde das WpHG auf die Terminologie und den Regelungsgehalt der Marktmissbrauchsrichtlinie umgestellt mit einer nicht unbeachtlichen Ausweitung der Verbotstatbestände und damit der Strafbarkeit. Neu eingeführt wurde zudem eine Pflicht des Unternehmens zur Führung von Insiderverzeichnissen (§ 15b WpHG) und bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Abgabe von Verdachtsanzeigen (§ 10 WpHG).
2
Das Insiderhandelsverbot erstreckte sich bereits von Anfang an auf sämtliche Marktsegmente, also heute den regulierten Markt ebenso wie den Freiverkehr5.
3
Das Insiderhandelsverbot ist für börsennotierte Unternehmen in mehrerer Hinsicht von Bedeutung. So werden die Mitglieder der Organe (Vorstand und Aufsichtsrat) sowie Großaktionäre einer Reihe von persönlichen Verpflichtungen unterworfen, den Unternehmen obliegen (nicht nur im Falle von Wertpapierhandelsunternehmen sondern allgemein) bestimmte Organisationspflichten, die Unternehmen unterliegen einer – teilweisen – Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und sie haben die Veröffentlichungspflichten der Ad hoc-Publizität zur Verhinderung des Insiderhandels zu beachten. Konkret gewinnen die Insiderverbote Bedeutung für die Unternehmen z.B. bei den Wertpapiergeschäften von Organmitgliedern, der Informationsweitergabe durch die Aufsichtsratsmitglieder, bei der Abgabe von Auskünften in der Hauptversammlung, bei Optionsprogrammen des Unternehmens für Mitarbeiter, bei Unternehmenskäufen, dem Aufbau von Beteiligungspaketen, Übernahmeangeboten, dem Erwerb eigener Aktien sowie schließlich bei einem Management buy-out oder einem Taking private (Delisting), um nur einige Beispiele zu nennen (vgl. ausführlich unten Rz. 50 ff.).
4
1 Vgl. zu diesen Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, vor § 12 WpHG Rz. 6 ff. m.w.N. 2 Richtlinie des Rates der europäischen Gemeinschaften vom 13.11.1989 (89/592/EWG) zur Koordinierung von Vorschriften betreffend Insidergeschäfte, ABl. EG Nr. 334 v. 18.11.1989, S. 30 ff. – heute Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16 ff. 3 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16 ff.; vgl. dazu Dier/Fürhoff, AG 2002, 604 ff.; Leppert/Stürwald, ZBB 2002, 90 ff. 4 BGBl. I 2004, 2630 ff. 5 Wobei das 2. Finanzmarktförderungsgesetz noch nicht berücksichtigte, dass auch ohne Zustimmung der Emittenten Wertpapiere in den geregelten Markt einbezogen werden konnten – diese Lücke wurde erst durch das 4. FFG (BGBl. I 2002, 2010, 2028 ff.) geschlossen.
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§ 13 5
Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
Zweck der Insiderverbote ist in erster Linie der Institutionenschutz, d.h. der Schutz der Funktionsfähigkeit und der Integrität der Kapitalmärkte1. Insofern wird das Vertrauen der Anleger geschützt, dass sie beim Handel auf organisierten Wertpapiermärkten nicht damit rechnen müssen, dass ein anderer Marktteilnehmer unrechtmäßig Informationen verwendet. Streitig ist jedoch, ob neben diesem primären Funktionenschutz auch ein Individualschutz der auf dem Kapitalmarkt tätigen Anleger Zielsetzung des Gesetzes ist. Dies ist von Bedeutung für die Frage, ob einem Anleger im Falle von Verstößen gegen die Verbote individuelle Schadensersatzansprüche zustehen können (vgl. dazu ausführlich unten Rz. 98 ff.).
II. Tatbestandsvoraussetzungen der Insiderverbote nach WpHG 1. Überblick über die Struktur a) Struktur nach WpHG a.F. (bis 29.10.2004) 6
Im WpHG a.F. knüpfte das Verbot des Insiderhandels in § 14 an den Begriff des „Insiders“ an und unterschied zwischen Primär- und Sekundärinsidern, ohne diese Begriffe jedoch zu gebrauchen. § 13 Abs. 1 WpHG a.F. definierte im 1. Halbsatz den Insider durch personenbezogene Merkmale und vervollständigte die Definition durch den Bezug auf eine Insidertatsache in § 13 Abs. 1 Halbsatz 2 WpHG a.F. Die hierdurch vorgenommene Definition des Primärinsiders wurde durch – wiederum ohne Nennung des Begriffs – die des Sekundärinsiders in § 14 Abs. 2 WpHG a.F. ergänzt. Diese wenig übersichtliche Struktur wurde weiter verkompliziert durch eine Klarstellung in § 13 Abs. 2 WpHG a.F. hinsichtlich der Definition der Insidertatsache. Ergänzt wurden diese Definitionen durch die Definition des Insiderpapiers in § 12 WpHG a.F. Die Strafbarkeit des Insiderhandelsverbots war in § 38 WpHG a.F. niedergelegt. Diese Gesetzesfassung war unnötig kompliziert und dem Gesetzesverständnis nicht förderlich. b) Struktur nach WpHG n.F. (seit 30.10.2004)
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Das WpHG in der Fassung des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes hat die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärinsidern für die Verbotstatbestände in § 14 WpHG aufgegeben. Der Verbotstatbestand des § 14 WpHG enthält in Abs. 2 eine sog. Safe Harbour-Regelung, soweit die Vorschriften der EU-Verordnung Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22.12.20032 eingehalten werden. Der Begriff der Insidertatsache wird nicht weiter verwandt, sondern § 13 WpHG verwendet den der Insiderinformation, und die Insiderpapiere werden weiterhin in § 12 WpHG – wenn auch geringfügig erweitert – definiert. Die Strafvorschriften sehen in § 38 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 WpHG vor, dass der Straftatbestand immer im Falle eines vorsätzlichen oder leichtfertigen Verstoßes gegen das Nutzungsverbot verwirklicht wird. Verstöße gegen das Mitteilungs- bzw. Empfehlungsverbot stellen grundsätzlich „nur“ Ordnungswidrigkeiten nach § 39 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpHG dar. Werden diese Ordnungswidrigkeiten jedoch von einem – im Rahmen des Straftatbestandes erweitert definierten – Primärinsider vorsätzlich begangen, so erwachsen sie zu einer Straftat. In1 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 45; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, vor § 12 WpHG Rz. 45 ff.; Hopt in Bankrechts-Hdb., § 107 Rz. 4; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.17; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, vor § 12 WpHG Rz. 12; Schwark in Schwark, vor § 12 WpHG Rz. 8; Immenga, ZBB 1995, 196, 205; Caspari, ZGR 1994, 530, 532 f.; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 12 WpHG Rz. 2. 2 Zur Durchführung der RiLi 23/6/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates, ABl. EG Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 33 ff.
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sider müssen nicht unmittelbar bei der börsennotierten Gesellschaft oder deren Vertragspartnern beschäftigt sein, um als Insider qualifiziert zu werden. Insb. das Weitergabeverbot kann erhebliche Auswirkungen auf Geschäftsführer von GmbHs, die verbundene Unternehmen im Verhältnis zur börsennotierten AG sind, haben1. Durch die Aufgabe der Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärinsidern für das Verbot von Insidergeschäften, die Einführung von Safe Harbour-Regelungen für Aktienrückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen, den Übergang zum Begriff der Insiderinformation mit einer Reihe von Klarstellungen und der Schließung von Lücken bei der Definition der Insiderpapiere ist die gesamte Struktur erheblich vereinfacht und übersichtlicher geworden. Ergänzt wird die Neuregelung des Insiderrechts durch eine Pflicht zur Anzeige von Verdachtsfällen in § 10 WpHG, der zufolge Wertpapierdienstleistungsunternehmen, andere Kreditinstitute, Kapitalanlagegesellschaften sowie die Betreiber von außerbörslichen Märkten verpflichtet sind, mögliche Verbotsverstöße gegen § 14 WpHG der BaFin anzuzeigen2.
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2. Insiderpapiere Voraussetzung für das Vorliegen eines Insiderpapiers ist zunächst immer, dass es sich um ein Finanzinstrument handelt. Die Finanzinstrumente werden durch § 2b WpHG als Wertpapiere i.S.v. § 2 Abs. 1 WpHG, Geldmarktinstrumente i.S.v. § 2 Abs. 1a WpHG, Derivate i.S.v. § 2 Abs. 2 WpHG sowie als Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren definiert3. Als Wertpapiere definiert § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG auch „Anteile an … Personengesellschaften …, soweit sie Aktien vergleichbar sind“. In diesem Zusammenhang wird kontrovers diskutiert, ob börsengehandelte Anteile an geschlossenen Fonds als Insiderpapiere gelten müssen4. Unstreitig erfasst werden auch Derivate auf Waren oder Edelmetalle5.
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Von dem Insiderhandelsverbot werden als Insiderpapiere in § 12 WpHG jedoch grds. nur Finanzinstrumente erfasst, die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen sind. Das Verbot erstreckt sich damit auf sämtliche Marktsegmente aller deutschen Börsen. § 12 Satz 1 Nr. 2 WpHG erstreckt das Verbot auch auf solche Insiderpapiere, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des EWR zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Dem deutschen Freiverkehr vergleichbare Märkte in der EU bzw. des EWR werden somit nicht erfasst. Mit der Erstreckung der Insiderverbote auf Wertpapiere, die im (deutschen) Freiverkehr gehandelt werden, geht der deutsche Gesetzgeber über Art. 9 Unterabsatz 1 Marktmissbrauchsrichtlinie hinaus, nachdem grundsätzlich nur Finanzinstrumente erfasst werden, „die zum Handel auf einem geregelten Markt in mindestens einem Mitgliedsstaat zugelassen“ sind oder für die ein „entsprechender Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem solchen Markt gestellt wurde“. Der Gesetzgeber begründet die Erstreckung der Insiderverbote auf den Freiverkehr damit, dass dort „verhältnismäßig viele Insiderdelikte begangen werden“6. Zeitlich wird die Entstehung ei-
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1 Dazu ausführlich Schröder, GmbHR 2007, 907 ff. 2 Vgl. dazu Schwintek, WM 2005, 861. 3 Vgl. Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 12 WpHG Rz. 10 ff. und Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 2 WpHG Rz. 107 ff.; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 34 ff. 4 Bejahend Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 12 WpHG Rz. 12; Claussen/Florian, AG 2005, 745, 748; zweifelnd: Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 9; verneinend Bundesregierung Begr. RegE, BT-Drucks. 16/4028, S. 54. 5 BaFin, Emittentenleitfaden, sub. III.1.1., S. 16. 6 Begr. RegE, BT-Drucks. 15/3174, S. 33.
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nes Insiderpapiers durch § 12 Satz 2 WpHG vorverlagert auf den Zeitpunkt, zu dem „der Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder öffentlich angekündigt ist“. Auch insoweit geht der Gesetzgeber – wenn auch nur geringfügig – über die Vorgaben von Art. 9 Unterabsatz 1 Marktmissbrauchsrichtlinie hinaus, da dieser lediglich eine zeitliche Vorverlagerung auf den Zeitpunkt der „Stellung des Antrags auf Zulassung zum Handel“ erfordert, während der deutsche Gesetzgeber bereits auf den Zeitpunkt der öffentlichen Ankündigung der (zukünftigen) Stellung eines Antrags auf Zulassung abstellt. Da der Gesetzgeber insoweit bei der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie ausdrücklich klarstellt, über die EG-rechtlichen Vorgaben hinausgehen zu wollen, steht § 12 WpHG auch nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des EuGH1. Erfasst wird hierdurch auch der sog. „Handel per Erscheinen“, bei dem im Zuge von vorbörslichen Transaktionen zahlreiche Missstände aufgetreten waren. 11
Keiner irgendwie gearteten Zulassung oder Einbeziehung in den Börsenhandel bedürfen Finanzinstrumente nach § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG, solange sie sich auf Finanzinstrumente nach § 12 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG beziehen. Dies sind insb. außerbörsliche Derivate2. Nach der Rechtslage vor dem AnSVG waren nicht börsengehandelte Optionen keine Insiderpapiere3. Dies hatte zur Folge, dass die in der Regel nicht börsenzugelassenen oder -einbezogenen Optionen von Optionsprogrammen keine Insiderpapiere waren. Durch § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG unterfallen auch die Aktienoptionen aus Mitarbeiterprogrammen, die sich auf börsennotierte Aktien beziehen, dem Begriff des Insiderpapiers ebenso wie die im Internet angebotenen, standardisierten sog. „Clickoptions“4.
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Durch die Definition der Finanzinstrumente und indirekt über das Tatbestandsmerkmal der Zulassung bzw. Einbeziehung bzw. der diesbezüglichen Antragstellung wird der Geltungsbereich des Insiderverbotes bestimmt. Allerdings darf die indirekte Bestimmung des Umfangs des Insiderverbotes über die Zulassung bzw. Einbeziehung von Finanzinstrumenten in einen Börsenhandel nicht zu dem Irrtum Anlass geben, dass nur börsliche Geschäfte erfasst sind. Vielmehr erstreckt sich das Verbot auch auf außerbörsliche Geschäfte (sog. Face to Face-Geschäfte), wenn nur die Wertpapiere grundsätzlich börsennotiert sind5, da bereits der Gesetzgeber WpHG insoweit nicht von der durch Art. 2 Abs. 3 der Insiderrichtlinie eröffneten und von der Marktmissbrauchsrichtlinie gestrichenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die Einschaltung eines Berufshändlers zur Voraussetzung für das Verbot zu machen. 3. Insiderinformationen a) Begriff der „konkreten Information“
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Mit der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie und der Durchführungsrichtlinie zur Marktmissbrauchsrichtlinie6 durch das AnSVG hat der Gesetzgeber den für § 13 1 I.S. „Testa und Lazzeri“, WM 2003, 1115; zu den Rechtsfolgen ausführlich Hammen, WM 2005, 813. 2 Vgl. dazu Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 12 WpHG Rz. 16 ff.; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 12 WpHG Rz. 14 ff. 3 OLG Karlsruhe v. 4.2.2004 – 3 Ws 195/03, WM 2004, 2486 = AG 2004, 512; Koch, DB 2005, 267. 4 BaFin, Emittentenleitfaden, sub Ziff. III.1.3., S. 17 f. 5 Unstr., vgl. nur Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 28. 6 Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. EG Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70.
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Abs. 1 Halbsatz 2 WphG a.F. zentralen Tatsachenbegriff aufgegeben und durch den Begriff der Information ersetzt. Durch die Verwendung des Begriffs „präzise Information“ durch die Marktmissbrauchsrichtlinie und des der „konkreten Information“ durch das WpHG dürfte sich keine unterschiedliche Interpretationsnotwendigkeit ergeben, vielmehr dürfte dasselbe gemeint sein1. Dabei ist erklärtes Ziel des Gesetzgebers, mit der „Information über Umstände“ über den bisherigen Tatsachenbegriff hinauszugehen und auch „überprüfbare Werturteile oder Prognosen“ zu erfassen2. Durch § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG wird der Begriff des „nicht öffentlich bekannten Umstandes“ in § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG erweitert um solche, „bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden“. Die Information soll präzise sein, wenn sie sich auf Umstände oder Ereignisse bezieht, die „bereits existieren bzw. eingetreten sind oder bei denen man vernünftigerweise davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren bzw. eintreten werden“. Es werden somit auch zukünftige Umstände erfasst, wenn sie zumindest überwiegend wahrscheinlich sind. Ebenso unterfallen überprüfbare Werturteile und Prognosen als über den reinen Tatsachenbegriff hinausgehende Begriffe dem der konkreten Information3. Weiterhin streitig ist, ob subjektive Wertungen eine Insiderinformation darstellen können4. Streitig ist nach wie vor auch die Behandlung von Gerüchten5 sowie von Plänen und Absichten6. Gesetzlich abgesichert wurde jedoch durch § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG mit der Einbeziehung der zukünftigen Umstände die Handhabung von mehrstufigen Entscheidungsabläufen durch die herrschende Lehre, derzufolge bereits die erste Teilentscheidung eine „konkrete Tatsache“ i.S.d. Terminologie von § 13 Abs. 1 WpHG a.F. darstellen konnte, wenn es nur hinreichend i.S.v. zumindest überwiegend wahrscheinlich war, dass der mit der ersten Teilentscheidung angestoßene Geschehensablauf zu dem beabsichtigten Ergebnis führen wird7. Z.T. wird jedoch auch gefordert, dass eine deutlich mehr als überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Nach der Rechtsprechung8 kann der Plan eines Vorstandsmitgliedes, aus dem Amt auszuscheiden, eine Insiderinformation darstellen, wenn das Ausscheiden hinreichend wahrscheinlich ist. Dies soll jedoch vor einer Entscheidung des Aufsichtsrates nicht gegeben sein. Dies ist zutreffend, da es sich insoweit nicht um einen mehrstufigen, sondern vielmehr um einen einstufigen Entscheidungsablauf handelt, denn ohne Zustimmung des Aufsichtsrates kann es nicht zu einer Vertragsaufhebung kommen.
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Durch den Art. 1 Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie umsetzenden § 13 Abs. 1 Satz 4 WpHG werden sämtliche Formen des „Front Runnings“, also des Vor-, Mit- und Gegenlaufens, als auf Insiderinformationen beruhend qualifiziert. Voraussetzung ist jedoch, dass ein Kundenauftrag vorliegt. Weiter werden durch § 13 Abs. 1 Satz 4 WpHG öffentlich bekannte Umstände in den Begriff der Insiderinformation einbezo-
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1 Vgl. BT-Drucks. 15/3174, S. 33. 2 Vgl. BT-Drucks. 15/3174, S. 33. 3 Bürgers, BKR 2004, 424; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1951; Koch, DB 2005, 267, 268; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 13 WpHG Rz. 23 ff. 4 Vgl. Bürgers, BKR 2004, 424; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 14. 5 Vgl. Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 15 f. m.w.N. 6 Vgl. Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 18 ff. m.w.N. 7 Vgl. Möllers, WM 2005, 1393, 1394 f.; Ziemons, NZG 2004, 537, 541; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 46 sub IV.2.2.7. 8 BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, NZG 2008, 300 = AG 2008, 380; dazu Möllers, NZG 2008, 300 und Fleischer, NZG 2007, 401; Veil, ZHR 172 (2008), 239, 251; Leuering, DStR 2008, 1287.
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gen, die sich auf Warenderivate beziehen und nach der Praxis der jeweiligen Märkte veröffentlicht werden müssten1. b) Fehlende öffentliche Bekanntheit 16
Ähnlich der Diskussionen bei der Ad hoc-Publizität war vor Geltung des AnSVG hinsichtlich des Begriffs der Insidertatsache streitig, wann diese nicht öffentlich bekannt war. Bei der Ad hoc-Publizität regelte jedoch § 15 Abs. 3 WpHG a.F. die Form der Veröffentlichung und ließ damit erkennen, dass nach Durchführung der Veröffentlichung in der dort vorgegebenen Art und Weise die ad hoc-publizitätspflichtige Tatsache als öffentlich bekannt galt. Da das Veröffentlichungsverfahren die Herbeiführung einer Bereichsöffentlichkeit2 i.S. einer Öffentlichkeit für aktive Börsenteilnehmer ausreichen ließ, konnte kaum ernsthaft bestritten werden, dass die einer Bereichsöffentlichkeit bekannten Tatsachen nicht mehr als „nicht öffentlich bekannt“ angesehen werden konnten. Eine entsprechende Regelung im Insiderrecht fehlte jedoch.
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Dementsprechend wurde von einer Mindermeinung die Auffassung vertreten, eine Tatsache sei solange nicht öffentlich bekannt, wie sie noch nicht in den Massenmedien – und damit für jeden Kleinanleger zugänglich – veröffentlicht worden sei3. Grundlage dieser Auffassung war im Wesentlichen die Überzeugung, dass eine Chancengleichheit für Kleinanleger, die die Mittel der Bereichsöffentlichkeit typischerweise nicht nutzen, erst nach Herbeiführung einer Massenpublizität gewährleistet sei. Demgegenüber stellte die herrschende Meinung4 in Anlehnung an die Regierungsbegründung5 wie bei der Ad hoc-Publizität auf die Bereichsöffentlichkeit ab. Diese Meinung war getragen von der Überzeugung, dass nach Herbeiführung der Bereichsöffentlichkeit die Verarbeitung einer Insiderinformation in dem Preis innerhalb von wenigen Minuten erfolgte und dementsprechend der Schutzzweck des Insiderrechts, die Sicherstellung der Insiderhandelsfreiheit der Märkte und damit letztlich die Chancengleichheit, erreicht ist, wenn eine Information keinen Kursvorteil mehr gewähren kann.
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Auch nach der Änderung von § 15 WpHG enthält das Gesetz konkrete Vorgaben für die Veröffentlichung von Insiderinformationen im Rahmen der Ad hoc-Publizität. Durch § 15 Abs. 5 WpHG, §§ 3a, 5 WpAIV ist weiterhin vorgesehen, dass die Herbeiführung einer Bereichsöffentlichkeit ausreicht für die Ad hoc-Publizität, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Bereichsöffentlichkeit in der gesamten EU und in dem gesamten EWR herbeigeführt wird. Durch eine erneute Bestätigung der Bereichsöffentlichkeit als für die Ad hoc-Publizität ausreichend durch den Gesetzgeber in Kenntnis der Diskussion um den Begriff der Insiderinformation hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass eine Bereichsöffentlichkeit die Qualifizierung einer Infor-
1 Vgl. ausführlich Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 28 ff. 2 Vgl. zu dem Begriff Schäfer, in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 33 und der heute erforderlichen Art der Veröffentlichung §§ 3a, 5 WpAIV. 3 Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 122, 123; Lücker, S. 60, vgl. auch Siebold, Das neue Insiderrecht, S. 107 (erst nach Ablauf einer Frist nach Veröffentlichung Wegfall der fehlenden öffentlichen Bekanntheit). 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 34 ff.; Schwark in Schwark, § 13 WpHG Rz. 37 ff.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.117; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 33; Caspari, ZGR 1994, 530, 539. 5 BT-Drucks. 12/6679, S. 46.
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mation als Insiderinformation entfallen lässt1. Ob damit der vorstehend dargelegte Meinungsstreit als beendet betrachtet werden kann, bleibt abzuwarten. c) Emittenten- oder Insiderpapierbezug Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 WpHG muss sich die nicht öffentlich bekannte Information auf „einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf Insiderpapiere“ beziehen. Eine Information soll z.B. Emittentenbezug haben, wenn sie die Vermögens- oder Finanzlage, die Ertragslage, den allgemeinen Geschäftsverlauf oder die Struktur des Emittenten betrifft unabhängig davon, ob es sich um eine unternehmensinterne oder -externe Tatsache handelt. Beispiele sind etwa Umsatzsteigerungen, besondere Vertragsabschlüsse, Kapazitätsauslastungen, Änderungen der Unternehmensstruktur, Erfindungen, Ermittlungsverfahren, Gerichtsentscheidungen oder Übernahmeangebote2. Ein Insiderpapierbezug soll gegeben sein, wenn eine Information den Handel in einem bestimmten Wertpapier betrifft. Als Beispiel hierfür werden die Orderlage an der Börse3, Kurspflegemaßnahmen, Änderungen des Dividendensatzes, Kündigungen von Schuldverschreibungen, sowie die beabsichtigte Kursaussetzung genannt4.
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Streitig war und ist jedoch, inwieweit allgemeine Marktdaten, die keinen spezifischen Bezug zu einem Unternehmen oder einem Wertpapier haben, sondern die gesamtwirtschaftliche Situation oder Rahmenbedingungen des Marktes wie z.B. Zinsentscheidungen der Bundesbank bzw. der EZB betreffen, als Informationen mit Emittentenoder Insiderpapierbezug in Betracht kommen. Diese Diskussion ist eingekleidet in die allgemeine Frage, ob dem Emittenten- oder Insiderpapierbezug überhaupt eine eigenständige Bedeutung zukommt. Soweit dies von einer Mindermeinung5 bejaht wird, muss den allgemeinen Marktdaten ein derartiger Bezug abgesprochen werden. Dies resultiert in der Notwendigkeit der Abgrenzung der Information mit entsprechendem Bezug von denen ohne einen entsprechenden Bezug. Die h.M.6 gelangt zu der Auffassung, dass eine derartige Abgrenzung praktisch nicht möglich ist und daher dem Merkmal der Emittenten- bzw. Insiderpapierbezogenheit keine eigenständige Bedeutung zukommt. Heute rekurriert sie zudem auf die Regierungsbegründung zum AnSVG7, die erklärt, dass es mit der Umsetzung von Art. 1 Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie ausreicht, dass der Emittent nur mittelbar betroffen ist. Dies soll bereits dann gegeben sein, wenn der Prozess der Preisbildung und -entwicklung erheblich beeinflusst wird, obwohl das zugrunde liegende Ereignis nicht im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten ist8.
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1 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, sub. III.2.1.2., S. 20 f.; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 35 ff. 2 Vgl. Schwark in Schwark, § 13 WpHG Rz. 41. 3 Eine Nutzung dieser Kenntnis führt zu dem sog. Frontrunning, das unstreitig gegen die Insiderverbote verstößt, vgl. nur Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 16.90; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 76. 4 Tippach, WM 1993, 1269, 1271. 5 Ott/Schäfer, ZBB 1991, 226, 235; Siebold, Das neue Insiderrecht, S. 111; Tippach, WM 1993, 1269, 1274. 6 Assmann, AG 1994, 237, 242 f.; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 46 ff.; Becker, Das neue WpHG, S. 65; Hopt, ZGR 1991, 17, 31; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 16.92; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 39 ff.; Schwark in Schwark, § 13 WpHG Rz. 42; U. Weber, BB 1995, 157, 163. 7 BT-Drucks. 15/3174, S. 33 f. 8 Ausführlich zum Emittentenbezug Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 13 WpHG Rz. 37 ff.; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 43 m.w.N.
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d) Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung 21
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG, sind Insiderinformationen jedoch nur solche Informationen über nicht öffentlich bekannte Umstände, die „im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen“ geeignet sind. Durch dieses Kriterium der Kurserheblichkeit sollen Bagatellfälle aus dem Insiderhandelsverbot ausgeschlossen werden. Nicht jede grundsätzlich zur Kursbeeinflussung taugliche Gegebenheit soll Insidertatsache sein, sondern nur eine solche, die „nennenswerte Sondervorteile“ verspricht1.
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Ob eine Eignung zur Kursbeeinflussung gegeben ist, wurde vor dem AnSVG anhand einer auf den Zeitpunkt des Insiderhandels bezogenen Prognose ermittelt. Diese sollte anhand objektiver Maßstäbe nachträglich aus einer ex-ante-Betrachtung vorgenommen werden. Bei dieser objektiv-nachträglichen Prognose war auf einen „verständigen Anleger“ abzustellen. Hieran knüpfte die Diskussion an, ob unter „verständig“ zu verstehen sei „durchschnittlich verständig“ oder „mit den Marktgegebenheiten und -gesetzlichkeiten vertraut, also börsenkundig“2.
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Sehr streitig waren die Schwellenwerte, ab denen eine Kurserheblichkeit gegeben sein sollte. Zur Bestimmung der Erheblichkeit sind zunächst zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze zu unterscheiden. Der historische Gesetzgeber3 und eine ältere Auffassung in der Literatur wollten die Erheblichkeit anhand fester Schwellenwerte bestimmen. Dabei wurde z.T. vorgeschlagen, sich an den Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse zu orientieren, nach denen ein Skontroführer eine Kursänderung gesondert anzuzeigen hat4 (bei Schuldverschreibungen Kursbewegung von mehr als 1,5 % des Nennwertes, bei Aktien von mehr als 5 % (bzw. bei Aktien bis 5,00 Euro 10 %) und bei Optionsscheinen von mehr als 10 %). Auffassungen, die die Grenze bei weniger als 5 %5 bzw. bei 10 % oder mehr6 festlegen wollten, haben sich nicht durchgesetzt. Vorteil dieser Auffassung war die Übersichtlichkeit und klare Handhabbarkeit, ihr Nachteil war, dass die unterschiedliche Volatilität der einzelnen Wertpapiere nicht berücksichtigt wurde7.
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Zur Vermeidung der Nachteile wurde sodann vorgeschlagen, statt auf die absolute Kursveränderung auf die Änderung des DVFA/SG-Ergebnisses je Aktie aufgrund der Insidertatsache abzustellen8 oder die Kurserheblichkeit anhand der Änderung der Renditewerte eines Wertpapiers zu bestimmen9. Diese Auffassungen hatten jedoch 1 Begr. RegE BT-Drucks. 12/6679, S. 46 f.; Caspari, ZGR 1994, 530, 540; Assmann in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 62; Immenga, ZBB 1995, 197, 203; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 104, 115. 2 Vgl. zu dieser Diskussion Gerth, Die neue Ad-hoc-Publizität, S. 162; Assmann in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 65c; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 16.117 ff.; Irmen in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 7/718; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 112 ff.; Schwark in Schwark, § 13 WpHG Rz. 46; Lenenbach, Kapitalmarktund Börsenrecht, Rz. 10.36. 3 Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6679, S. 47. 4 Assmann, ZGR 1994, 494, 514 f.; Caspari, ZGR 1994, 530, 540; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 154; Immenga, ZBB 1995, 197, 203; U. Weber, BB 1995, 157, 164; Siebel, BKR 2002, 795, 800. 5 Becker, Das neue Wertpapierhandelsgesetz, S. 65 f. 6 Claussen, DB 1994, 27, 31; Dierlamm, NStZ 1996, 519, 522. 7 Ausführlich zu den Schwellenwerttheorien Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 13 WpHG Rz. 45 ff. m.w.N. 8 Loistl in Claussen/Schwark, Insiderrecht für Finanzanalysten, S. 80, 93 ff.; Pellens/Fülbier in Baetge, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, S. 23, 44 f. 9 Loesche, WM 1998, 1849, 1852; dazu Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 13 WpHG Rz. 69 ff.
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mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass nicht jede Insidertatsache zu einer Änderung des DVFA/SG-Ergebnisses je Aktie führt (insb. nicht Markttatsachen) und dass die Renditewerte nicht für alle Wertpapiere zur Verfügung stehen und nur mit einem erheblichen Arbeitsaufwand permanent errechenbar wären. Die BaFin sowie die Deutsche Börse AG vertraten daher bereits frühzeitig die Auffassung, dass die Erheblichkeit anhand der relativen Veränderungen zu vergleichbaren Wertpapieren oder einem Marktindex zu bestimmen sein sollte1. In jedem Fall sollte jedoch eine Einzelfallprüfung vorgenommen werden, bei der die jeweiligen Schwellenwerte als Orientierungshilfen dienen sollten2.
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Neben den auf feste Schwellenwerte abstellenden Ansätzen und den flexiblen Modellen der relativen Veränderung ist in den letzten Jahren ein dritter Ansatz getreten, der darauf abstellt, ob die Insidertatsache für einen rational handelnden Anleger einen hinreichenden Kauf- oder Verkaufsanreiz darstellt. Z. T. wird dieser Ansatz dahingehend verstanden, dass jeglicher mögliche Kursgewinn als erheblich angesehen werden soll3. Diesem Ansatz ist entgegenzuhalten, dass er mit dem Gesetz unvereinbar ist, weil ein essentielles, die Strafbarkeit beschränkendes Merkmal der Kurserheblichkeit negiert und dementsprechend die Strafbarkeit ausgedehnt wird4. Der Ansatz des Kauf- oder Verkaufsanreizes ist dahingehend weiterentwickelt worden, dass jede Insidertatsache, die es dem Insider als „lohnend“ erscheinen lässt, aufgrund dieser Tatsache Geschäfte mit dem Insiderpapier zu tätigen, als erheblicher und ausreichender Kauf- bzw. Verkaufsanreiz gelten müsse5. Dieser Anreiztheorie ist einzuräumen, dass über das Kriterium des Anreizes ein Insider subjektiv leichter zu bestimmen ist. Es bleiben jedoch die Bedenken, dass durch ein Abstellen auf den Anreiz letztlich auch relative Kursbewegungen, die nicht erheblich sind, zu einer Strafbarkeit führen und dementsprechend entgegen der Wertung des Gesetzgebers Bagatellfälle zu Insidergeschäften werden6.
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Durch das Artt. 1 Nr. 1, 6 Abs. 10 Marktmissbrauchsrichtlinie und Art. 1 Abs. 2 der Durchführungsrichtlinie umsetzende AnSVG wurde die Eignung zur Kursbeeinflussung in § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG dahingehend konkretisiert, dass eine Eignung vorliegt, wenn ein „verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde“. Dies soll nach der Durchführungsrichtlinie der Fall sein, wenn „ein verständiger Anleger [die Information] wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde“. Hierdurch wird die bisher wohl h.L.
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1 BAWe/Deutsche Börse AG, Insiderhandelsverbote und Ad-hoc-Publizität nach dem Wertpapierhandelsgesetz, S. 34. 2 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 72; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.38; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 56. 3 So insb. die StA Frankfurt, unveröffentlichte Ausarbeitung „Insiderverantwortlichkeit von Kursmaklern“ vom 14.11.1995, zitiert nach Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, 3. Aufl., § 13 WpHG Rz. 70a Fn. 4. 4 Zur berechtigten Kritik vgl. Assmann, WM 1996, 1337, 1342, 1355 und Assmann in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 57 ff. 5 Vgl. insb. Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 17; Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449, 455; Kümpel, WM 1996, 653, 656; Süßmann, AG 1997, 63, 64; Wölk, AG 1997, 73; Irmen in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 7/718; Wittich, AG 1997, 1,3; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 113; Soesters, Insiderhandelsverbote, S. 147; Schwark in Schwark, § 13 WpHG Rz. 58 ff.; so jetzt wohl auch Benner in Wabnitz/Janovsky, Hbd. des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 9. Kapitel Rz. 161 ff., 172; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 13 WpHG Rz. 74 ff. 6 Vgl. dazu bereits Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 55; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 65; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.38; Loesche, Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung, S. 145 ff.
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bestätigt, nicht jedoch die Diskussion beendet, ob auf den „durchschnittlich verständigen Anleger“, i.E. also den Kleinanleger1, den „verständigen börsenkundigen Anleger“, i.E. also den institutionellen Anleger2 oder den „reasonable investor“, also den „börsenerfahrenen Laien“, also einer Person „that thinks and behaves in a rational way“3 abzustellen ist4. 28
Die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung – wie von § 13 Abs. 2 Satz 2 WpHG gefasst – ist auch im Zusammenhang mit § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG zu sehen, durch den auch Umstände erfasst werden, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in der Zukunft eintreten werden. Bei diesen zukünftigen Umständen soll die „hineichende Wahrscheinlichkeit“ identisch sein mit der „Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung“5. e) Auswertung öffentlich bekannter Tatsachen
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Letztlich nur klarstellender Natur ist § 13 Abs. 2 WpHG, demzufolge eine Bewertung, die ausschließlich aufgrund öffentlich bekannter Umstände erstellt wurde, keine Insidertatsache begründet, selbst wenn sie den Kurs von Insiderpapieren erheblich beeinflussen kann. Es war daher immer unstreitig, dass jeder, der eine entsprechende Bewertung erstellte oder von ihr Kenntnis erlangte, auf der Basis dieser Bewertung handeln konnte6 oder die Ergebnisse der Bewertung weitergeben durfte. Z. T. wird jedoch die Auffassung vertreten, dass die Kenntnis über die Erstellung einer Bewertung gemäß § 13 Abs. 2 WpHG als solche doch eine Insidertatsache darstellen kann. Es wird differenziert zwischen der Bewertung als solcher und dem Wissen über ihre Verwendung durch Dritte und Letzteres als mögliche Insidertatsache gewertet7. 4. Insider a) Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärinsider
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Das WpHG a.F. unterschied zwischen Primär- und Sekundärinsidern bereits auf der Definitionsebene, ohne dies jedoch sprachlich zum Ausdruck zu bringen. Nach § 13 Abs. 1 Halbsatz 1 WpHG a.F. wurden (Primär-)Insider als sog. Organ-, Beteiligungs- oder Berufsinsider definiert. Die Verbote des § 14 Abs. 1 WpHG a.F., das Nutzungs-, das Mitteilungs- sowie das Empfehlungsverbot, richteten sich nur an den Primärinsider. Auf der Verbotsebene sah § 14 Abs. 2 WpHG a.F. einen gesonderten Verbotstatbestand für Sekundärinsider vor. Diese Regelung ist als wenig übersichtlich und inhaltlich schwer nachvollziehbar kritisiert worden8 und hat eine er1 Fleischer, BKR 2004, 339, 343. 2 OLG Düsseldorf v. 6.7.2004 – III-5 Ss 2/04 – 13/03 I, AG 2005, 44 f.; Assmann in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 58 f.; Schwark in Schwark, § 13 WpHG Rz. 29 ff. 3 CESR, Stellungnahme zur Marktmissbrauchsrichtlinie v. Dezember 2002, S. 10; wohl auch Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 13 WpHG Rz. 88. 4 Vgl. im Übrigen Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 49 ff. m.w.N. 5 Cahn, Der Konzern 2005, 5, 6; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, § 4 Rz. 125 ff. 6 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 75; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.34. 7 Vgl. zu dieser Diskussion Assmann, WM 1996, 1337, 1345; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 75 ff.; Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 20 f.; Claussen, Insiderhandelsverbot, S. 82 ff.; Immenga, ZBB 1995, 197, 203; Siebold, Das neue Insiderrecht, S. 120 ff.; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 59 ff. 8 Schäfer in Schäfer, 1. Aufl., § 13 WpHG Rz. 1 ff.; Soesters, Insiderhandelsverbote des WpHG, S. 128 ff.
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hebliche Umgestaltung durch das WpHG in seiner neuen Fassung gefunden. Die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärinsider ist zwar für die Verbote aufgehoben, bleibt jedoch in gewissem Umfang relevant für die Strafandrohungen1. Die Weitergabe- und Empfehlungsverbote gelten für jedermann, doch entscheidet die Qualifikation als Primär- oder Sekundärinsider durch § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG darüber, ob es sich für den Täter um eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit handelt. b) Primärinsider aa) Organinsider. Organinsider ist nach § 38 Abs. 1 Nr. 2a grundsätzlich ein „Mitglied des Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans, ein persönlich haftender Gesellschafter“ sowohl des Emittenten selbst als auch eines mit dem Emittenten i.S.v. § 15 AktG verbundenen Unternehmens. Erfasst werden damit sämtliche Organe von Unternehmen, ohne dass die Unternehmen zwingend selbst börsennotiert sein müssen2.
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Die Insidereigenschaft der Organinsider besteht jedoch nur insoweit, als aufgrund der Organstellung Informationen erlangt werden („als Mitglied“). Rein private Informationen werden hierdurch ausgeschlossen3. Grundsätzlich werden auch nur Informationen erfasst, die die Gesellschaft, in der die entsprechende Person Organ ist, oder ein verbundenes Unternehmen i.S.v. § 15 AktG betreffen4.
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bb) Beteiligungsinsider. Primärinsider in der Form des Beteiligungsinsiders ist nach § 38 Abs. 1 Nr. 2b WpHG, wer „aufgrund seiner Beteiligung am Kapital des Emittenten oder eines mit dem Emittenten verbundenen Unternehmens“ Kenntnis einer Insiderinformation erlangte. Die Höhe der Beteiligung ist grundsätzlich irrelevant, wird jedoch faktisch von Bedeutung, weil die Beteiligung kausal sein muss für die Informationserlangung („aufgrund“), was kleinste Beteiligungen regelmäßig ausschließen wird5. Am ehesten dürfte die Qualifikation als Beteiligungsinsider von Bedeutung werden für kleinere Beteiligungen im Rahmen von Familien- oder Aktionärspools (vgl. dazu unten Rz. 61 ff.).
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cc) Berufsinsider. Als der wohl wichtigste Primärinsider ist nach § 38 Abs. 1 Nr. 2c WpHG derjenige, der „aufgrund seines Berufs oder seiner Tätigkeit oder seiner Aufgabe bestimmungsgemäß über eine Insiderinformation verfügt“. Dieser sog. Berufsinsider wird sehr weit gefasst und es besteht weitgehend Einigkeit, dass die drei Bereiche des Berufs, der Tätigkeit und der Aufgabe nicht präzise voneinander abgrenzbar sind. Unstreitig bedarf es keiner vertraglichen Beziehung zwischen dem Insider und dem Emittenten des Insiderpapiers6. Der Beruf, die Tätigkeit oder die Aufgabe muss jedoch ursächlich für die
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1 Vgl. ausführlich Schröder in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 38 WpHG Rz. 7, 35 ff. 2 So kann etwa eine oHG eine Anleihe begeben, die börsennotiert wird – in diesem Falle sind auch die Gesellschafter der oHG Organinsider – heute unstrittig, vgl. nur Schwark in Schwark, § 13 WpHG Rz. 4 ff. sowie Schröder in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 38 WpHG Rz. 40 ff. – beide auch m.w.N. zu der Frage von nicht ordnungsgemäß bestellten Organen. 3 Schröder in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 38 WpHG Rz. 43; Irmen in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 7/691; Nerlich, Tatbestandsmerkmale des Insiderhandelsverbots, S. 75; Sandow, Primär- und Sekundärinsider, S. 111 ff.; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.42. 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 13 WpHG Rz. 11 ff.; Schwark in Schwark, § 13 WpHG Rz. 9. 5 Schröder in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 38 WpHG Rz. 48; Claussen, DB 1994, 27 ff.; Schwark in Schwark, § 13 WpHG Rz. 12. 6 Caspari, ZGR 1994, 537, 538; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 145; Irmen in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 7/695; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.45; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 129; Schwark in Schwark, § 13 WpHG Rz. 14.
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Erlangung der Kenntnis sein. Neben dem Ursachenzusammenhang ist wesentliches einschränkendes Element das der Bestimmungsgemäßheit der Kenntniserlangung. 35
Durch den Ursachenzusammenhang werden lediglich Insiderinformationen ausgeschieden, deren Erkenntniserlangungsgrund ausschließlich privater Natur ist1. Von erheblich größerer Bedeutung ist die Einschränkung der Erlangung der Insiderkenntnisse durch das Merkmal der Bestimmungsgemäßheit. Hieran knüpft die Diskussion an, ob die Bestimmungsgemäßheit aus der Sicht des Absenders oder des Empfängers der Information zu ermitteln ist. So wird bestimmungsgemäß verstanden als „regelmäßig oder typisch“2, teils wird die Bestimmungsgemäßheit bejaht bei Vorliegen eines Bezuges zum Verantwortungsbereich des Adressaten3, teils wird bestimmungsgemäß als „für den Emittenten eine Bestimmung ausübend“ verstanden4, teils wird bestimmungsgemäß als „den Bestimmungen gemäß“ und damit auf die Regeln des Unternehmens abstellend verstanden5, teils wird der Ursachenzusammenhang als „vorhersehbar“ bzw. „regelmäßig“ für die Informationserlangung interpretiert6, teils wird über einen „inneren Zusammenhang“ anhand von Fallgruppen das Merkmal der Bestimmungsgemäßheit eingegrenzt7. Eine h.M. ist kaum festzustellen, doch hat die Frage wohl nur eine äußerst begrenzte Bedeutung in der Praxis entwickelt. Nach einer im Strafrecht im Vordringen befindlichen Meinung ist eine Kenntniserlangung nur dann bestimmungsgemäß, wenn „die Beschäftigung notwendig damit einhergeht, dass Kenntnis von der Insiderinformation erlangt wird oder weil der Insider an dem Sachverhalt mitwirkt, auf den sich die Information bezieht8.
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Durch das AnSVG wurde als weiterer Primärinsider derjenige eingefügt, der über das Insiderwissen „auf Grund der Vorbereitung oder Begehung einer Straftat“ verfügt, § 38 Abs. 1 Nr. 2d WpHG. Da hier der Täter keinen Bezug zum Emittenten oder zum Handel von Insiderpapieren mehr aufweisen muss, wird hierdurch die frühere Systematik des Primärinsiders gesprengt9. Diese auf den 17. Erwägungsgrund der Marktmissbrauchsrichtlinie zurückgehende Strafnorm zielt insb. auf terroristische Angriffe (auch wenn die Untersuchungen der US-amerikanischen Behörden nach dem Anschlag in New York am 11.9.2001 ergaben, dass keine Insidergeschäfte mit Blick auf den Anschlag getätigt worden waren10) sowie zur Schließung einer Strafbarkeitslücke, die sich daraus ergeben haben soll, dass ein Betriebsspion für die strafrechtlich relevant erlangten Insiderinformationen „nur“ einem Verwertungs-, nicht jedoch einem Weitergabeverbot unterlag11. c) Sekundärinsider
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Nach § 14 Abs. 2 WpHG a.F. war Sekundärinsider jede Person, die Kenntnis von einer Insidertatsache hatte, ohne selbst Primärinsider zu sein. Dementsprechend waren 1 Eichele, WM 1997, 501, 502 m.w.N. 2 Schwark in Claussen/Schwark, Insiderrecht für Finanzanalysten, S. 32, 39; Tippach, Insiderhandelsverbot, S. 162. 3 Claussen, DB 1994, 27, 28; ähnl. Hopt in Bankrechts-Hdb., § 107 Rz. 16. 4 Schlauss, Die Insiderregeln der §§ 12 ff., S. 35, 38. 5 Weber, BB 1995, 157, 161; Krauel, Insiderhandel, S. 232. 6 Assmann, AG 1997, 50, 54. 7 Schwark in Schwark, § 13 WpHG Rz. 19 ff. 8 Vgl. dazu kritisch Schröder in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 38 WpHG Rz. 54; Altenhain in KölnKomm. WpHG, 2007, § 38 WpHG Rz. 68. 9 Schröder in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 38 WpHG Rz. 62. 10 FAZ v. 24.7.2004, Nr. 170, S. 17. 11 Altenhain in KölnKomm. WpHG, 2007, § 38 WpHG Rz. 73.
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sämtliche Personen, die etwa durch das Merkmal „bestimmungsgemäß“ aus dem Kreis der (Berufs-)Primärinsider ausgeschieden waren, jedoch Kenntnisse von einer Insidertatsache erlangt hatten (also z.B. in nicht bestimmungsgemäßer Form) wenigstens als Sekundärinsider qualifiziert. Sie unterlagen damit wie die Primärinsider dem Nutzungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F., nicht jedoch den Weitergabeund Empfehlungsverboten. § 14 Abs. 2 WpHG a.F. stellte damit einen Auffangtatbestand dar, der immer eingriff, unabhängig davon, wie die Kenntniserlangung von der Insidertatsache erfolgt war. Art. 6 Satz 2 der EG-Insiderrichtlinie stellte den nationalen Gesetzgebern jeweils noch frei, das Weitergabe- und Empfehlungsverbot auf Sekundärinsider zu erstrecken. Demgegenüber enthält die Marktmissbrauchsrichtlinie kein derartiges Wahlrecht mehr, sondern verlangt in Art. 4, dass auch Sekundärinsider den Insiderverboten unterliegen, wenn sie über Insider-Information verfügen und ihnen dies bewusst ist oder sie es hätten wissen müssen. Dies führte zu § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG für die Vorsatztat und § 38 Abs. 4 WpHG für die leichtfertig begangene Tat eines Primärinsiders1 bzw. § 39 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 WpHG für die Sekundärinsider. Wer dementsprechend nicht zu dem erweiterten Kreis der Primärinsider zählt und einen vorsätzlichen oder leichtfertigen Verstoß gegen das Weitergabe- oder Empfehlungsverbot begeht oder wer als Primärinsider leichtfertig gegen das Weitergabe- oder Empfehlungsverbot verstößt, verwirklicht nach § 39 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpHG „nur“ eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 200 000 Euro geahndet werden kann.
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5. Insiderverbote a) Nutzungsverbot Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist es einem Insider verboten, „unter Verwendung seiner Kenntnis von einer Insiderinformation Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern“. Hierdurch wird das sog. Nutzungsverbot oder auch Erwerbs- und Veräußerungsverbot statuiert. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. hatte noch statt „Verwendung“ der Insiderinformation von „Ausnutzung“ gesprochen. Dabei handelte es sich um ein subjektives Tatbestandsmerkmal, das von dem Insider erforderte, dass er sich der Insiderkenntnis bewusst war und die Absicht eines Verstoßes hatte. Ziel der Änderung durch das AnsVG ist, die sich aus dem subjektiven Tatbestandsmerkmal ergebenden Strafbarkeitslücken zu schließen, weil dem Täter die Motive nicht nachweisbar waren2. Durch den Begriff des „Verwendens“ wird ein subjektiv ausgerichtetes Verhalten nicht mehr verlangt, doch soll der Täter die Information in sein Handeln mit einfließen lassen müssen. Eine Verwendung der Insiderinformation liegt nicht vor, wenn die Insiderinformation demjenigen, mit dem das Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft geschlossen werden soll, gleichermaßen vorliegt3.
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Dieses sowohl für Primär- wie Sekundärinsider geltende Verbot erfordert tatbestandlich den Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren. Nach h.L. wird dieser Tatbestand bereits durch den Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrages und nicht erst
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1 Dazu Schröder in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 38 WpHG Rz. 90 ff. 2 Begr. RegE BT-Drucks. 15/3174, S. 34. 3 EuGH v. 10.5.2007 – Rs. C-391/04, WM 2007, 1603, 1605 f. = ZIP 2007, 1207 = AG 2007, 542; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 9.
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durch den dinglichen Vollzug verwirklicht1. Dies wird damit begründet, dass andernfalls Strukturen denkbar wären, bei denen aufgrund fehlender dinglicher Übereignung das Tatbestandsmerkmal mangels Änderung der dinglichen Zuordnung leerlaufen und damit Strafbarkeitslücken entstehen würden. Dem wird jedoch entgegengehalten, dass ohne zumindest eine Verschiebung der Verfügungsmacht eine zu starke Vorverlagerung der Vollendung der Straftat erfolgen würde2. Der h.L. ist insofern Recht zu geben, als ein Abstellen auf einen dinglichen Eigentumsübergang bei Wertpapiergeschäften an ausländischen Börsen zu erheblichen Strafbarkeitslücken führen würde, da regelmäßig Wertpapiere nur in Wertpapierrechnung angeschafft werden und damit die Straftat im Versuchsstadium stecken bleiben würde. Inkonsequent erscheint es dann jedoch, eine bloße Verpfändung von Wertpapieren nicht als einen Verstoß gegen den Erwerbs- bzw. Veräußerungstatbestand anzusehen3. Zumindest dann, wenn die Verpfändung eingesetzt wird, um in absehbarer Weise eine Pfandverwertung durch den Pfandbegünstigten hervorzurufen, wird man hierin eine Veräußerung sehen müssen4. 41
Streitig ist, ob das Nutzungsverbot lediglich den Erwerb und die Veräußerung erfasst, oder auch das Unterlassen eines Erwerbs oder einer Veräußerung5. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass auch in solchen Fällen – in Erweiterung des Wortlauts – ein Verstoß gegen das Nutzungsverbot vorliegt6. Dem wird von der h.M. zu Recht entgegengehalten, dass diese Ausweitung strafrechtlich unzulässig ist und auch nicht der ratio legis entspricht, da deren Ziel, die Insiderhandelsfreiheit der Märkte, im Falle des Unterlassens des Erwerbs oder einer Veräußerung gerade erreicht wird7. Insoweit handelt es sich nicht um ein unechtes Unterlassen i.S.v. § 13 StGB, da nicht „durch Unterlassen ge- oder verkauft wird, sondern das Kaufen bzw. Verkaufen unterlassen wird“8.
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Unbeachtlich ist, zu wessen Vorteil gegen das Nutzungsverbot verstoßen wurde, ob also der Täter auf eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen handelt. Erfasst wird daher auch ein Handeln eines Organs oder eines Prokuristen zugunsten der von ihm vertretenen Gesellschaft (unstr.).
1 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 12; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 39; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 25; Uwe H. Schneider, ZIP 1996, 1769; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.48; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 7. 2 Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 12; Irmen in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 7/722; Casper, WM 1999, 363, 364 mit Fn. 10, 365 mit Fn. 16; Hartmann, Juristische und ökonomische Regelungsprobleme des Insiderhandels, S. 231 f.; Soesters, Insiderhandelsverbote, S. 151. 3 So aber Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 38; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 15. 4 Ebenso Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 40. 5 Z.B.: aufgrund des Erhalts von Insiderinformationen nimmt der Insider Abstand von einem bereits getroffenen Entschluss zur Veräußerung von Wertpapieren und widerruft ggf. bereits erteilten Verkaufsauftrag. 6 Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 38 f.; Weber, BB 1995, 157, 166; Hartmann, Regelungsprobleme des Insiderhandels, S. 232 f. 7 Assmann, ZGR 1994, 494, 519; Becker, Das neue Wertpapierhandelsgesetz, S. 50; Hopt in Bankrechts-Hdb., § 107 Rz. 33; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 16.161 f.; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.49; Irmen in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 7/722; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 14; Soesters, Die Insiderhandelsverbote, S. 153 f.; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 8; FrommRussenschuck/Banerjea, BB 2004, 2425, 2428; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 41; Hasselbach, NZG 2004, 1087, 1091. 8 Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 8.
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Der Tatbestand des Nutzungsverbotes erfordert weiter, dass der Täter den Erwerb oder die Veräußerung „unter Verwendung der Insiderinformation“ vornimmt (vgl. bereits Rz. 39). Hieran hat sich eine umfangreiche Diskussion entzündet. Ausgangspunkt der Diskussion um die Auslegung des Tatbestandsmerkmals des „Verwendens“ sind die im Rahmen von Unternehmenskäufen bzw. Paketerwerben regelmäßig durchgeführten Due Diligence-Prüfungen, bei denen der Erwerbsinteressent nicht selten Insiderinformationen erfährt. „Verwendet“ er diese, wenn er nach der Durchführung der Due Diligence-Prüfung sein Erwerbsvorhaben fortführt? Hierzu haben sich drei unterschiedliche Auffassungen entwickelt. Insbesondere von Seiten der BaFin wird die Auffassung vertreten, dass „Verwenden“ grundsätzlich ein „Handeln in bloßer Kenntnis der Insiderinformation“ bedeutet1. Als Begründung beruft sich die BaFin einerseits auf den Wortlaut des Merkmals „verwenden“, welcher gleichbedeutend sei mit „Gebrauch“ oder „Nutzung“ der Information. Zudem wird darauf verwiesen, dass ein Täter bei jeder Kenntnis von Insiderinformationen diese auch in sein Handeln einfließen lasse, unabhängig davon, ob weitere Motive für den Erwerb oder die Veräußerung der Papiere bei dem Täter vorliegen. Demgegenüber will die Master-PlanTheorie besonders mit Blick auf die Fälle des Paketerwerbs nach einer Due DiligencePrüfung darauf abstellen, dass eine Kauforder letztlich bereits im Zeitpunkt der ersten Kaufabsicht vorliege und daher die tatsächlich erst nach der Due Diligence-Prüfung abgegebene Kauforder lediglich auf einen Zeitpunkt zurückzuführen ist, zu dem noch keine Insiderkenntnisse vorgelegen haben, so dass diese auch nicht verwendet würden2. Dieser Auffassung wird zu Recht entgegengehalten, dass bei der Prüfung der Strafbarkeit auf den Zeitpunkt der Tat, also der Ordererteilung, abzustellen ist, wodurch es sich letztlich verbietet, auf einen Zeitpunkt vor Erlangung der Kenntnis von der Insidertatsache abzustellen3. Die als herrschend zu bezeichnende Kausalitätstheorie interpretiert das Tatbestandsmerkmal des Verwendens als eine Kausalität der Insiderinformation für den Handel in dem Insiderpapier4. Die h.M. wirft der Kenntnistheorie vor, sie durchbreche die Wortlautgrenze zu Lasten des Täters und verstoße damit gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Zudem spreche für die Kausalitätstheorie Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, Personen Geschäfte zu untersagen, die unter Nutzung der Insiderinformation erfolgen. Auch ergebe sich aus Art. 2 Abs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie, der ausdrücklich die reine Erfüllung einer Verbindlichkeit von einer Nutzung ausnimmt, dass schon die Richtlinie demnach eine bloße Kenntnis der Insiderinformation nicht ausreichen lassen will. Schließlich ist auf Erwägungsgrund (30) der Marktmissbrauchsrichtlinie hinzuweisen, der lautet: „Da dem Erwerb oder der Veräußerung von Finanzinstrumenten notwendiger Weise eine entsprechende Entscheidung der Person vorausgehen muss, die erwirbt bzw. veräußert, sollte die Tatsache dieses Erwerbs oder dieser Veräußerung nicht als Verwendung von Insider-Informationen gelten“.
1 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 26; zust. Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 25 ff.; Claussen/Florian, AG 2005, 745, 751; Koch, DB 2005, 267, 269; Ziemons, NZG 2004, 537, 539. 2 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 45 ff.; Hemeling, ZHR 169 (2005), 274, 284 f.; Singhof/Weber, AG 2005, 549, 552. 3 Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 21. 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 25; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 645; Bürgers, BKR 2004, 424, 425; Cahn, Der Konzern 2005, 5, 9; Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2004, 704; Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, 2425, 2427; Hammen, WM 2004, 1753, 1760; Hemeling, ZHR 169 (2005), 274, 284 f.; Klasen, AG 2006, 24, 28; Th. Koch, Due Diligence und Beteiligungserwerb aus Sicht des Insiderrechts, S. 260 ff.; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 7; I. Schneider, DB 2005, 2678.
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Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
Der Theorienstreit ist besonders von Bedeutung für den Erwerb von Beteiligungen/Paketen nach Durchführung einer Due Diligence-Prüfung, die zu Insiderkenntnissen des Erwerbsinteressenten geführt hat. Sowohl die Kausalitätstheorie als h.M. wie auch die Master-Plan-Theorie ermöglichen es, dass die Umsetzung bereits gefasster Entschlüsse trotz nach Entschlussfassung erlangter Insiderinformationen nicht dem Verwertungsverbot unterfällt. b) Mitteilungsverbot
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Als sog. Vorfeldtatbestand enthält § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ein Weitergabeverbot. Um einen Vorfeldtatbestand handelt es sich, weil es tatsächlich nicht zu einer die Interessen der Anleger verletzenden Wertpapiertransaktion gekommen sein muss, sondern bereits die „unbefugte Mitteilung oder Zugänglichmachung“ der Insidertatsache an einen anderen die Tatbestandsverwirklichung darstellt. Adressat des Verbotes war früher lediglich der Primärinsider. Zu Recht bezweifelt wurde, ob die bloße Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte durch die Verbreitung der Insidertatsache eine Strafandrohung von bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe rechtfertigte1. Seit dem AnsVG ist Adressat des Verbotes jeder Insider2. Der Tatbestand wird verwirklicht durch die Weitergabe einer Insidertatsache in jeglicher Form oder das Zugänglichmachen, z.B. durch Übergabe von Akten oder Weitergabe eines Kennwortes3.
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Die Weitergabe bzw. das Zugänglichmachen muss unbefugt erfolgen. Anerkannt ist, dass es sich hierbei um ein Tatbestandsmerkmal und nicht um ein allgemeine Verbrechensmerkmal handelt4. Im Einzelnen ist die Bestimmung der Befugnis jedoch streitig. Die Thesen reichen von einer Zulässigkeit der Weitergabe nur an einen gesetzlichen oder vertraglichen Verschwiegenheitsgeboten unterliegende Personen bis hin zu einer normativ verstandenen „normalen“ aufgaben-, tätigkeits- oder berufsbedingten Weitergabe5. Dabei soll bei einer Weitergabe der Insiderinformationen innerhalb eines Unternehmens entscheidend sein, ob dies aus betrieblichen Gründen erforderlich ist6. Der gleiche Maßstab sollte bei der Weitergabe an betriebsexterne Personen gelten7. Im Übrigen sollte das Merkmal der Befugtheit der Weitergabe anhand einer Interessenabwägung zwischen den Zielen des Insiderrechtes und der Inte-
1 Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 25; dazu ausführlich Sethe, ZBB 2006, 243 ff.; §§ 38, 39 WpHG n.F. berücksichtigen diesen Vorwurf, indem nur noch ein vorsätzlicher Verstoß durch Primärinsider als Vergehen geahndet wird und leichtfertige Verstöße im Übrigen als Ordnungswidrigkeit qualifiziert werden – vgl. oben Rz. 7. 2 Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 45. 3 BT-Drucks. 12/6679, S. 47; Sethe, ZBB 2006, 243 ff.; weitere Beispiele bei Hopt, Bankrechtstag, S. 3, 18 f. 4 Caspari, ZGR 1995, 530, 545; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 24 ff.; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809, 1819; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 30; Süßmann, AG 1999, 162, 163; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 44 ff.; Sethe, ZBB 2006, 243, 249. 5 Vgl. Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 26 ff. m.w.N.; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 44 ff. 6 BAWe/Deutsche Börse AG, Insiderhandelsverbote, S. 21; BaFin, Emittentenleitfaden, sub. III.2.2.2.1., S. 31. 7 So z.B. Assmann, AG 1994, 237, 247; BaFin, Emittentenleitfaden, sub. III.2.2.2.1., S. 31; strenger: Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.54; für Beachtung weiterer Gesichtspunkte (Ad hoc-Publizität etc.): Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 48 f.
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ressen der Beteiligten im Einzelfall erfolgen1. Im Anschluss an eine Entscheidung des EuGH2 wird jüngst gefordert, die Befugnis danach zu bestimmen, ob es sich um eine „einfache“ oder eine „besonders sensible“ Insiderinformation handele3. Hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes erfordert das Weitergabeverbot Vorsatz des Insiders bzgl. der Mitteilung bzw. der Zugänglichmachung. Auch hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Unbefugtheit ist Vorsatz erforderlich; da es sich jedoch insoweit um ein normatives Tatbestandsmerkmal handelt, genügt eine Kenntnis der Umstände, aus denen sich bei Parallelwertung in der Laiensphäre die Unbefugtheit der Mitteilung ergibt4.
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c) Empfehlungsverbot Schließlich verbietet § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG „einem anderen auf der Grundlage einer Insiderinformation den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu empfehlen“. Dieses sog. Empfehlungsverbot stellt wie das Weitergabeverbot einen Vorfeldtatbestand dar, der noch weitergehend ist als das Weitergabeverbot. Anders als bei dem Weitergabeverbot ist nicht einmal die Weitergabe der Insiderinformationen als solcher erforderlich, sondern lediglich die Abgabe eines „Tipps“ ohne Verschaffung der Kenntnis der Insidertatsache5. Verboten ist bereits die Empfehlung, Insiderpapiere zu erwerben oder zu veräußern. Parallel zu der Unterlassung des Erwerbs oder einer Veräußerung von Insiderpapieren im Rahmen des Nutzungsverbotes nach Nr. 1 ist auch bei dem Empfehlungsverbot nach Nr. 3 eine „Empfehlung zu einem Unterlassen“, also ein Abraten von einem Erwerb oder einer Veräußerung, nicht erfasst6. Das Empfehlungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG wurde durch das AnsVG in Umsetzung von Art. 3 lit. b der Marktmissbrauchsrichtlinie ergänzt um die Worte „oder einen anderen dazu auf sonstige Weise zu verleiten“. Das Verleitungsverbot wird verwirklicht, wenn mit beliebigen Mitteln auf den Willen eines Dritten eingewirkt wird7.
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Durch § 14 Abs. 2 WpHG wird ausdrücklich der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen sowie Stabilisierungsmaßnahmen für Preise von Finanzinstrumenten von dem Insiderverbot ausgenommen, soweit sie sich im Rahmen der Safe Harbour-Regelung der Verordnung der Kommission vom 22.12.20038 bewegen. Da diese Verordnung nur für Finanzinstrumente gilt, die zum regulierten Markt zugelassen sind, wird die Verordnung für analog anwendbar erklärt durch § 14 Abs. 2 Satz 2 WpHG für den Freiverkehr und die in den regulierten Markt einbezogenen Finanzinstrumente.
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1 Assmann, AG 1997, 50, 55; Hopt in BankrechtsHdb., § 107 Rz. 41. 2 EuGH v. 22.11.2005 – Rs. C-384/02, ZIP 2006, 123 = NJW 2006, 133 (in NJW als: „Grøngaard und Bang“ – in ZIP als: „Københavens Byret/Dänemark“ benannt). 3 Veil, ZHR 172 (2008), 239, 254 ff.: bei „besonders sensiblen“ Insiderinformationen Befugnis zur Weitergabe nur bei „Unerlässlichkeit“. 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 114; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 48 f. 5 Unstr., vgl. nur BaFin, Emittentenleitfaden, sub. III.2.2.2.2., S. 32. 6 Ganz h.M., vgl. nur Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 128; Irmen in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 7/750; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 16.212; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 68; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 32; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 51; a.A. Cahn, Der Konzern 2005, 5, 12. 7 BT-Drucks. 15/3174, S. 34; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 32; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 67; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 126. 8 Zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates, ABl. EG Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 33 ff.
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III. Ausgesuchte Einzelfälle in der Unternehmenspraxis 1. Wertpapiergeschäfte von Organmitgliedern 50
Für Primärinsider in der Form der Organinsider nach § 38 Abs. 1 Nr. 2a WpHG ist von besonderer Bedeutung für die eigenen Wertpapiergeschäfte das Nutzungsverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG. Da ihre Wertpapiergeschäfte nach § 15a Abs. 1 WpHG zudem berichtspflichtig sind, besteht im Falle der Ausnutzung von Insiderkenntnissen bei Organmitgliedern das hohe Risiko einer Entdeckung im Falle eines Verstoßes. Routineuntersuchungen der BaFin beziehen sich u.a. auf die Prüfung der gemeldeten Wertpapiergeschäfte der Organmitglieder im Vorfeld einer Ad hoc-Publizität. Für Organmitglieder stellt sich das Problem der Nutzung von Insiderkenntnissen insbesondere bei gestreckten Sachverhalten, bei denen zu beurteilen ist, ob „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden“, § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG. Dieses frühzeitige Erwerben bzw. Veräußern von Wertpapieren der eigenen Gesellschaft durch Organe bzw. Personen, die bei einem Emittenten von Aktien Führungsaufgaben wahrnehmen, bevor sich eine Entwicklung zu einer Insiderinformation konkretisiert hat, ist einer der Gründe für die Veröffentlichungspflichten gemäß § 15a WpHG. Seitens einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von börsennotierten Aktiengesellschafen ist daher im Rahmen ihrer internen Organisation den Organen, Führungspersonen und sonstigen Mitarbeitern ein Handelsverbot für die eigenen Aktien der Gesellschaft außerhalb bestimmter Zeitfenster auferlegt worden1.
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Seitens der Organinsider sowie von Führungspersonen, die Berufsinsider sind, werden vielfach – nicht zuletzt auch zur Vermeidung von Insiderproblematiken – die Dienste von Vermögensverwaltern in Anspruch genommen. Diese werden in Vollmacht für den Insider tätig und disponieren als Bevollmächtigte dessen Depot bei Kreditinstituten2. Soweit der Vermögensverwalter ohne Insiderkenntnisse Geschäfte in Wertpapieren tätigt, in denen der Vermögensinhaber/Primärinsider Insiderkenntnisse hat, unterfiel dies nicht § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F., da die Geschäfte nicht „unter Ausnutzung seiner Kenntnis von einer Insidertatsache“ erfolgte. Auch nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG n.F. sollte die Rechtslage sich nicht geändert haben, da der Vermögensverwalter nicht „unter Verwendung einer Insiderinformation“ die Insiderpapiere für Rechnung des Insiders erwirbt. Voraussetzung ist jedoch immer, dass der Vermögensverwalter seinerseits keine Insiderinformationen von dem Vermögensinhaber/Organ erhalten hat3. 2. Informationsweitergabe durch Organmitglieder
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Insbesondere für Organmitglieder, grundsätzlich jedoch ebenso für sämtliche Berufsinsider, stellt sich nach Erhalt einer Insiderinformation die Frage, wem sie diese Tatsache mitteilen oder zugänglich machen dürfen. Zur Konkretisierung der abstrakten Vorgaben sind in der Literatur Fallkonstellationen entwickelt worden. Die Fallkonstellationen sind äußerst zahlreich und können hier nur ansatzweise in einer Zusammenfassung von Fallgruppen behandelt werden.
1 Vgl. dazu unten bei Rz. 91 und Erwägungsgrund (24) der Marktmissbrauchsrichtlinie. 2 Vgl. ausführlich Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 19 Rz. 15 ff. m.w.N. 3 Zu der Frage der Meldepflicht nach § 15a WpHG von Transaktionen, die der Vermögensverwalter veranlasst hat, vgl. unten bei § 15 Rz. 15.
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Eine Fallgruppe bildet die Weitergabe von Insiderinformationen innerhalb desselben Unternehmens an andere Organe, andere Abteilung oder einzelne Mitarbeiter. Hierbei ist zu unterscheiden, ob Insiderinformationen weitergegeben werden, die im Unternehmen selbst „entstanden“ sind, oder ob Insiderinformationen weitergegeben werden, die extern entstanden und bereits vor einer Veröffentlichung in den Informationsbereich des Unternehmens gelangt sind. Beispiele für externe Insiderinformationen sind z.B. ein bevorstehendes Übernahmeangebot, die drohende Insolvenz eines Kreditnehmers des Unternehmens, bei dem ein Vorstand des Unternehmens im Aufsichtsrat oder Beirat vertreten ist, oder der Wegfall von Großaufträgen von dritter Seite. Die Frage der Weitergabe von Insiderinformationen, die ausschließlich außerhalb des Unternehmens entstanden sind, kulminiert in dem Beispiel, dass der Vorstand A eines Kreditinstitutes beim Unternehmen U1 und Vorstand B desselben Kreditinstitutes beim Unternehmen U2 im Aufsichtsrat sitzt und das Unternehmen U1 im Aufsichtsrat die Abgabe eines Übernahmeangebotes für das Unternehmen U2 beschließt.
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Eine weitere Fallgruppe bildet die Weitergabe von Insiderinformationen über die Unternehmensgrenze hinweg. Dies kann z.B. eintreten bei der Beauftragung von Dienstleistern (z.B. Unternehmensberatern, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern oder Steuerberatern) oder Lieferanten oder sonstigen Leistungserbringern. Während in den vorgenannten Fällen die Insiderinformation an nicht konzernmäßig verbundene Dritte weitergegeben werden, kann sich auch innerhalb eines Konzerns die Frage der Weitergabe von Insiderinformationen ergeben, z.B. die Information des Mutterunternehmens durch das Tochterunternehmen oder vice versa.
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In allen Fallgruppen und Einzelfällen richtet sich die Beantwortung der Frage nach der Erfassung durch das Weitergabeverbot danach, ob eine Weitergabe der Insiderinformation „unbefugt“ ist. Art. 3 lit. a der Marktmissbrauchsrichtlinie1 verpflichtet die Mitgliedstaaten, Personen, die dem Insidernutzungsverbot unterliegen, die Weitergabe von Insiderinformationen zu untersagen, „soweit dies nicht im normalen Rahmen der Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufs oder der Erfüllung ihrer Aufgaben geschieht“. Insoweit ist zu unterscheiden zwischen einer unternehmensinternen und einer unternehmensexternen Weitergabe. Die Leitungsorgane des Unternehmens sind verpflichtet, die unternehmensinternen Arbeitsabläufe zu organisieren und zu optimieren. Es obliegt ihnen daher auch, die Weitergabe von Insiderinformationen anzuordnen, soweit dies aufgaben- oder anlassbezogen erforderlich ist. Aufgrund der Selbstorganisationskompetenz des Unternehmens ist der Unternehmensleitung ein weiteres Ermessen einzuräumen2. Auch in diesem Rahmen ist eine Weitergabe jedoch nur aufgaben- und anlassbezogen zulässig3. Die Weitergabe der Insiderinformation ist unternehmensintern immer dann aufgaben- bzw. anlassbezogen, wenn die jeweiligen Dritten Verantwortung für einen bestimmten Tätigkeitsbereich tragen und deshalb Kenntnis von der Insiderinformation erhalten müssen oder gar ein schuldrechtlicher oder organisationsrechtlicher Anspruch des Dritten besteht. Derartige Ansprüche sind bspw. gegeben für den Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand, wenn die Insiderinformation erforderlich ist für die Durchführung des Überwachungsauftrages des Auf-
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1 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über InsiderGeschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. 2 BAWe/Deutsche Börse AG, Insiderhandelsverbote und Ad-hoc-Publizität, S. 21; unklar BaFin, Emittentenleitfaden, sub. III.2.2.1., S. 31. 3 Uwe H. Schneider in FS Wiedemann, S. 1255, 1262; Steinhauer, Insiderhandelsverbot und Adhoc-Publizität, S. 47; Veil, ZHR 172 (2008), 239, 252 ff. (jedoch mit strengeren Anforderungen für „besonders sensible“ Insiderinformationen, für die eine Weitergabe nur befugt sein soll, wenn sie „unerlässlich“ ist).
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sichtsrates1. Entsprechendes gilt für die Weitergabe von Insiderinformationen an den Betriebsrat, soweit dieser die Information zur Durchführung seiner Aufgaben benötigt2. 56
Auf die Weitergabe von Insiderinformationen innerhalb eines Konzerns sind grundsätzlich die gleichen Regeln anzuwenden3. Dies bedeutet, dass eine konzerninterne Weitergabe jedenfalls dann befugt ist, wenn die Weitergabe zur Wahrnehmung der Konzernleitung, zur Sicherstellung der Konzernüberwachung, zur Ermöglichung der konzerninternen Arbeitsteilung und zur Ausübung konzernspezifischer Mitgliedschaftsrechte erfolgt4.
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Die Weitergabe von Insiderinformationen an Unternehmensexterne ist jedenfalls immer dann befugt, wenn dahingehende kapitalmarktrechtliche, gesellschaftsrechtliche oder kartellrechtliche gesetzliche Bestimmungen bestehen5. Aber auch ohne das Bestehen von rechtlichen Pflichten zur Weitergabe einer Insiderinformation ist eine solche Weitergabe befugt, soweit sie zur sachgemäßen Wahrnehmung der jeweiligen Arbeit, Tätigkeit oder Berufsausübung durch den Dritten erforderlich ist6. Dies ist i.d.R. zu verneinen für die Weitergabe von Insiderinformationen durch Arbeitnehmermitglieder im Aufsichtsrat an Gewerkschaften7.
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Besonders komplex gestaltet sich die Beantwortung der Frage der Befugtheit der Weitergabe von Insiderinformationen durch Aufsichtsratsmitglieder. Obwohl ein Aufsichtsratsmandat regelmäßig ad personam vergeben wird und dementsprechend das Aufsichtsratsmitglied dem Unternehmen, dessen Organ es angehört, persönlich verantwortlich ist, ist doch nicht zu verkennen, dass die Auswahl der Personen auch mit Blick auf ihre Funktion in anderen Unternehmen erfolgt. Dies kann etwa geschehen mit Blick auf die Tätigkeit des Aufsichtsratsmitgliedes in einem anderen Unternehmen (z.B. Kreditinstitut, wichtiger Abnehmer oder Lieferant) als Vorstand. Insoweit stellt sich für das Aufsichtsratsmitglied die Frage, ob es Insiderwissen, das es in seiner Eigenschaft als Aufsichtsrat erlangt hat, weitergeben darf. Eine Weitergabe kann beabsichtigt sein an Berater des Aufsichtsrates (die ihrerseits wiederum dem Unternehmen angehören können, bei dem der ratsuchende Aufsichtsrat als Vorstand tätig ist) oder an die Vorstandskollegen/das Unternehmen, bei dem der Aufsichtsrat seine wesentliche Tätigkeit ausübt. Unstreitig ist, dass der Aufsichtsrat sich beraten lassen kann und berechtigt ist, Insiderinformationen an seine Berater weiterzugeben. 1 Vgl. nur Uwe H. Schneider in FS Wiedemann, S. 1255, 1263; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 33; Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, S. 585, 593; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 49. 2 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 80 a.E.; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 29; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 34 (dort auch zur Weitergabe von Insiderinformationen an Betriebsversammlung, Wirtschaftsausschuss und Arbeitnehmer allgemein); Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 50. Zur Weitergabe von Insiderinformationen an einzelne Aktionäre oder die Hauptversammlung vgl. unten bei Rz. 59 ff. 3 Vgl. nur Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 38. 4 Vgl. dazu ausführlich Uwe H. Schneider in FS Wiedemann, S. 1255, 1265 ff.; Singhof, ZGR 2001, 146, 153 ff. (mit Differenzierung zwischen Weitergabe von Mutter an Tochter und Tochter an Mutter sowie von Schwester an Schwester unter Berücksichtigung der verschiedenen Konzernformen). 5 Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 39; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 80 ff. 6 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 96 ff. 7 So EuGH v. 22.11.2005 – Rs. C-384/02 – „Københavns Byret/Dänemark“, ZIP 2006, 123 ff.; dazu ausführlich Veil, ZHR 172 (2008), 239, 252 ff.; Schwintek, EWiR 2006, 155.
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Dabei können die Berater sowohl unternehmensextern wie unternehmensintern (z.B. Rechtsabteilung, Finanzabteilung) sein1. Fraglich ist jedoch, ob der Aufsichtsrat berechtigt ist, sein Insiderwissen, das er als Aufsichtsrat erworben hat, an seine Vorstandskollegen weiterzugeben. Der Aufsichtsrat steht insofern in einem Spannungsfeld zwischen seinen Treue- und Verschwiegenheitspflichten gegenüber dem Unternehmen, dem er als Aufsichtsratsmitglied angehört, und den Verpflichtungen gegenüber dem Unternehmen, dessen Vorstand er ist2. Bei nicht unerheblichen Differenzen im Einzelnen besteht im Ergebnis weitgehend Einigkeit darüber, dass das Insiderwissen des Aufsichtsratsmitgliedes dem Unternehmen, bei dem er Vorstand ist, nicht zugerechnet wird, dem Aufsichtsratsmitglied gegenüber dem Unternehmen, bei der Aufsichtsrat ist, eine Verschwiegenheitspflicht obliegt, dass ihm in seiner Rolle als Vorstandsmitglied keine Pflicht zur Informationsweitergabe obliegt und dass eine etwaige Weitergabe der Insiderinformation z.B. an Vorstandskollegen unbefugt ist3. 3. Auskünfte an einzelne Aktionäre, Aktionärspools sowie die Hauptversammlung Bei der Weitergabe von Insiderinformationen an einzelne Aktionäre, Aktionärspools oder die Hauptversammlung handelt es sich nach altem wie nach neuem Recht in erster Linie um ein Problem der Befugnis zur Informationsweitergabe durch den Vorstand.
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Die Weitergabe von Insiderinformationen durch den Vorstand an einzelne Aktionäre, meist den Großaktionär, entspricht grundsätzlich nicht § 131 AktG. Dieser intendiert, ein Informationsmonopol einzelner Aktionäre zu verhindern4. Auch entspricht es nicht dem Gleichbehandlungsgebot von § 53a AktG, wenn der Vorstand einzelne Aktionäre mit Insiderinformationen versorgt. Es besteht daher Einigkeit, dass eine bevorzugte Information einzelner Aktionäre nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen als befugt i.S.v. § 14 WpHG gelten kann5. Eine entsprechende Befugnis wird z.B. angenommen, wenn dies für eine einheitliche Konzernleitung erforderlich ist oder die berechtigten Interessen des Unternehmens eine Mitteilung an einzelne Aktionäre, typischerweise den Großaktionär, als gerechtfertigt erscheinen lassen. Dies soll etwa der Fall sein, wenn vom Vorstand und Aufsichtsrat geplante Grundlagenentscheidungen wie etwa eine Kapitalerhöhung mit dem Großaktionär vorab abgestimmt werden6. Diese Meinung dürfte nur vor dem Hintergrund der grundsätzlichen deutschen Haltung zu der „Beschädigung“ eines Unternehmens bzw. seines Vorstandes durch Ablehnung von Vorstandsvorschlägen durch die Hauptversammlung vertretbar sein. Von einem berechtigten Interesse des Unternehmens, das zu einer Befugnis zur Infor-
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1 Assmann, WM 1996, 1337, 1349; Tippach, Insiderhandelsverbot, S. 192 f.; Schäfer in Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 48. 2 Vgl. dazu allgemein Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rz. 897 ff.; sowie unten § 27 Rz. 60 ff. 3 Assmann, WM 1996, 1337, 1349; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 80 (zur „normalen“ Situation der allg. Informationsweitergabe); Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, J 197 f.; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 48; Tippach, Insiderhandelsverbot, S. 192 f.; Veil, ZHR 172 (2008), 239, 242 ff. 4 Vgl. hierzu Hüffer, § 131 AktG Rz. 36. 5 Vgl. nur Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 84; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 35; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 53. 6 Vgl. Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, S. 600, 603 f. m.w.N.
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mationsweitergabe führt, kann jedoch nur die Rede sein, wenn es sich um einen beherrschenden Gesellschafter handelt1. 61
Hinsichtlich der Information von Aktionärspools, wie sie typischerweise bei Familiengesellschaften anzutreffen sind, die teilweise börsennotiert sind, gilt grundsätzlich das Gleiche wie für die Information einzelner Großaktionäre. Vor Geltung des WpHG wurden Aktionärspools typischerweise zur Ermöglichung der vor einer Hauptversammlung stattfindenden internen Abstimmung alle von dem Aktionärspool gewünschten Informationen, darunter häufig auch Insiderinformationen, vom Vorstand der Gesellschaft erteilt2. Die Tatsache, dass ein Aktionärspool, insb. ein Familienaktionärspool, Vorabinformationen benötigt, um sich auf eine einheitliche Ausübung der Stimmrechte zu einigen, rechtfertigt nicht die Weitergabe von Insiderinformationen3. Dies gilt nicht nur dann, wenn der Vorstand der börsennotierten Aktiengesellschaft nicht zum Kreis der Familienaktionäre zählt, sondern auch – und gerade –, wenn der Vorstand selber Familienaktionär ist. In diesem Falle befindet er sich in einer äußerst schwierigen Situation, da ihm die Poolvereinbarung die Pflicht zur Informationsweitergabe auferlegen kann. Insoweit kann sich der Vorstand/Familienaktionär darauf berufen, dass er gegen den Poolvertrag verstoßen muss, da er einer gesetzlichen Schweigepflicht unterliegt. Soweit der Aktionärspool jedoch ein „herrschendes Unternehmen“ darstellt, können Informationen zwecks Konzernleitung weitergegeben werden4.
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Streitig ist, ob der Vorstand auf Fragen von Aktionären in der Hauptversammlung gemäß § 131 AktG befugt ist, Insiderinformationen ohne gleichzeitige Herbeiführung einer (Bereichs-)Öffentlichkeit zu erteilen. Kurz nach Verabschiedung des WpHG wurde dies mit der Begründung vertreten, dass jegliche Informationsweitergabe aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung als befugt i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG anzusehen ist5. Demgegenüber hält die heute ganz herrschende Meinung die Weitergabe von Insiderinformationen in der Hauptversammlung nur dann für befugt, wenn gleichzeitig eine (Bereichs-)Öffentlichkeit hergestellt wird6. Will ein Vorstand Insiderinformationen in der Hauptversammlung weitergeben, muss er sicherstellen, dass gleichzeitig eine (Bereichs-)Öffentlichkeit herbeigeführt wird. Erfolgt keine gleichzei1 Und nicht bereits bei jedem Gesellschafter, der nach §§ 21 ff. WpHG meldepflichtig ist, also bereits für jeden Gesellschafter, der nur 3 % der Aktien hält; ebenso Veil, ZHR 172 (2008), 239, 266 ff.; – a.A. jedoch Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, S. 585, 600 ff.; Sethe, ZBB 2006, 243, 251; wohl auch Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 53; wie hier Menke, NZG 2004, 697, 699 f. 2 Vgl. Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 40 f. 3 Heute weitgehend unstrittig, vgl. nur Assmann, AG 1997, 50, 56 f.; Assmann in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 92; Hopt, ZGR 1997, 1, 15 f.; Schlauss, Bankrechtstag, S. 35, 37; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 40; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 37; Irmen in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 3/738; Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, S. 585, 603 f. 4 Vgl. Menke, NZG 2004, 697 ff. 5 So insb. Benner-Heinacher, DB 1995, 765, 766; Irmen in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 7/740. 6 Assmann, AG 1997, 50, 57; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 85 ff.; Götz, DB 1995, 1549, 1551; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 156 f.; Hartmann, Juristische und ökonomische Regelungsprobleme des Insiderhandels, S. 240 f.; Joussen, DB 1994, 2485 ff.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 16 189; Krauel, Insiderhandel, S. 297; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.54; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 83; Soesters, Insiderhandelsverbote des Wertpapierhandelsgesetzes, S. 194; Waldhausen, Ad-hoc-Publizität, S. 54; Sethe, ZBB 2006, 243, 251; Pawlik in KölnKomm. WpHG. 2007, § 14 WpHG Rz. 52.
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tige Ad hoc-Publizität oder sollte zukünftig nicht mehr die Bereichsöffentlichkeit für eine Ad hoc-Publizität genügen (dazu oben Rz. 16 ff.), muss der Vorstand die Auskunft nach § 131 Abs. 3 Nr. 5 AktG verweigern1. 4. Optionsprogramme Eine nicht unerhebliche Bedeutung haben zwischenzeitlich auch in Deutschland Optionsprogramme für Mitarbeiter und Vorstände der börsennotierten Aktiengesellschaften gewonnen. Seit der Entscheidung des BGH zu der Unzulässigkeit von Optionsprogrammen zugunsten von Aufsichtsratsmitgliedern2 ist begünstigtes Organ nur der Vorstand3. Insiderrechtliche Fragen dürften sich meist im Zusammenhang mit den Aktienoptionen von Führungskräften und gelegentlich von sonstigen Mitarbeitern, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für die Gesellschaft4 Optionen erhalten haben, Bedeutung erlangen. Bei der Beurteilung der Relevanz des Insiderrechts für das Stock-Option-Programm ist zwischen den einzelnen Stadien zu differenzieren. Einigkeit besteht, dass bei der Einrichtung von Aktienoptionsprogrammen eine Insiderrelevanz regelmäßig nicht gegeben ist. Zwar sind die durch die Optionspläne Begünstigten regelmäßig Primärinsider, doch soll zumindest während der Vorbereitungsphase wie auch der Beschlussfassungsphase über die Implementierung des Plans kein Erwerbs- oder Veräußerungsvorgang vorliegen5. Bei der Vereinbarung über die Gewährung der Optionen wird jedoch angenommen, dass dies bereits insiderrechtlich relevant sein kann, weil bei Beschaffung einer Deckung für die auszugebenden Optionen z.B. im Wege des Rückkaufs eigener börsennotierter Aktien der Abschluss der Vereinbarung über die Gewährung der Optionen einen Erwerbsvorgang i.S.d. § 14 WpHG darstellen kann, wenn man eine schuldrechtliche Vereinbarung insoweit ausreichen lässt (vgl. dazu oben Rz. 40)6. Selbst wenn die vertragliche Vereinbarung über die Einräumung der Option grundsätzlich insiderrechtlich relevant sein könnte, wird jedoch regelmäßig ein Verstoß verneint, weil es an einer Verwendung einer Insidertatsache fehlt, da das Optionsrecht als Teil des Vergütungsanspruchs und nicht „in Ausnutzung“ oder „unter Verwendung“ von Insiderwissen gewährt wird7. Die Zuteilung der Optionen durch die Gesellschaft war bis 30.10.2004 insiderrechtlich zudem nur relevant, wenn die Optionen bereits zum Börsenhandel zugelassen waren bzw. die Zulassung beantragt bzw. angekündigt war8. Seitdem scheitert die Insiderrelevanz 1 Joussen, DB 1994, 2485, 2488; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 156 f.; Götz, DB 1995, 1549, 1551; Assmann, AG 1997, 50, 57; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 43. 2 Vgl. BGH v. 16.2.2004 – II ZR 316/02, WM 2004, 629 ff. = ZIP 2004, 613 ff. = AG 2004, 265 f. 3 Zu den Fragen des Einsatzes von Wandel- und Optionsanleihen sowie sonstigen schuldrechtlichen Gestaltungen für die Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern vgl. Paefgen, WM 2004, 1169, 1172 f.; Peltzer, NZG 2004, 509 ff. 4 Z.B. als besonders gute Verkäufer oder Leiter wichtiger Abteilungen. 5 Vgl. Dietborn in Kessler/Sauter, Hdb. Stock-Options, Rz. 827 ff. 6 Vgl. dazu Dietborn in Kessler/Sauter, Hdb. Stock-Options, Rz. 831 f.; Casper, WM 1999, 363, 365. 7 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 175; diese Differenzierung kann von Bedeutung werden, wenn ausnahmsweise dem Organmitglied ein Wahlrecht eingeräumt wird zwischen der Gewährung von Optionen und einer Tantieme, vgl. Fürhoff, AG 1998, 83, 84 f.; Klasen, AG 2006, 24, 29 sowie Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 20; Schäfer in Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 91; Dietborn in Kessler/Sauter, Hdb. Stock-Options, Rz. 834 f.; Uwe H. Schneider, ZIP 1996, 1769, 1775; wohl generell a.A. BaFin, Emittentenleitfaden, sub. Ziff. III.2.2.1.3, S. 26 (wenn Insiderinformation Teil der Motivation zur Teilnahme am Optionsprogramm ist). 8 OLG Karlsruhe v. 4.2.2004 – 3 Ws 195/03, AG 2004, 512 ff.; BaFin, Schreiben v. 1.10.1997, Ziff. 1 Abs. 1, Ziff. 2 (aufgehoben); Assmann/Cramer in Assmann/Uwe H. Schneider, 3. Aufl., § 14 WpHG Rz. 88i; Casper, WM 1999, 363, 365; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 19 f.
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nicht mehr daran, dass die Optionen keine Insiderpapiere i.S.v. § 12 WpHG darstellen, da sie nunmehr von § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG erfasst werden1. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei den zugeteilten Optionen um abgetrennte Warrants von Optionsschuldverschreibungen handelt. 64
Grundsätzlich kann die Ausübung einer Option einen insiderrechtlich relevanten Akt darstellen, wenn die veroptionierten Aktien bereits börsennotiert sind oder ein Antrag auf Zulassung gestellt oder angekündigt wurde2. Trotz Zulassung der bezogenen Aktien wird i.d.R. jedoch kein Verstoß gegen ein Insiderverbot vorliegen, da die Ausübung der Option seitens des Optionsberechtigten davon abhängen wird, ob die Option „im Geld“ oder „aus dem Geld“ ist, es mithin an einem „Ausnutzen“ i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. bzw. einer „Verwendung“ einer Insiderinformation i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG n.F. fehlt bzw. der Insider keinen Sondervorteil erzielt, wenn er die Option ausübt und sodann die Aktie hält (allerdings kann ein anschließender Verkauf der Aktie einen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot darstellen – dazu sogleich)3. Einschränkungen können sich dann ergeben, wenn hinsichtlich des Zeitpunktes der Ausübung der Optionen dem Optionsinhaber ein Spielraum eingeräumt worden ist und der Optionsberechtigte bei Ausübung der Option Insiderkenntnisse nutzt4.
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Nach Bezug der Aktien durch den Optionsinhaber unterliegt deren Veräußerung regelmäßig den allgemeinen Regeln des Insiderrechts5. Um den Optionsberechtigten nach Ausübung der Option eine insiderrechtlich unproblematische Veräußerung zu ermöglichen, sind verschiedene Vorschläge entwickelt worden6. In der Praxis hat sich im Anschluss an eine Empfehlung des Gesetzgebers7 als die sicherste Lösung die Einrichtung von sog. Handelsfenstern für den Handel in eigenen Aktien durch Führungskräfte des Unternehmens entwickelt. Diese werden so gelegt, dass regelmäßig sämtliche kursrelevanten Informationen von dem Unternehmen dem Markt institutionalisiert zur Verfügung gestellt werden (wie z.B. Bilanz-Pressekonferenz, Quartalsberichte etc.), so dass aufgrund der Publizität nicht mit der Nutzung/Verwendung von Insidertatsachen/Insiderinformationen zu rechnen ist8.
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Insiderrechtlich irrelevant sind die als Alternativen zu den Stock-Option-Plänen entwickelten sog. „Phantom-Stocks“ sowie sog. „Stock-Appreciation-Rights“, weil beide
1 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, S. 17 f.; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 12 WpHG Rz. 20; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 12 WpHG Rz. 13; zur alten Rechtslage Fürhoff, AG 1998, 83, 84; Käpplinger, Inhaltskontrolle von Aktienoptionsplänen, S. 124. 2 Baums in FS Claussen, S. 3, 46; Casper, WM 1999, 363, 365 ff.; Uwe H. Schneider, ZIP 1996, 1769, 1775. 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 177; Dietborn in Kessler/Sauter, Hdb. Stock-Options, Rz. 838; Fürhoff, AG 1998, 83, 85; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 21. 4 Hierauf weist zu Recht hin: Dietborn in Kessler/Sauter, Hdb. Stock-Options, Rz. 839. 5 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 177; Casper, WM 1999, 363, 367 f.; Dietborn in Kessler/Sauter, Hdb. Stock-Options, Rz. 840; Fürhoff, AG 1998, 83, 85; Uwe H. Schneider, ZIP 1996, 1769, 1775; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 21. 6 Vgl. dazu von Rosen, WM 1998, 1810 ff. 7 Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 14. 8 Vgl. dazu ausführlich Casper, WM 1999, 363, 367 f. sowie Klasen, AG 2006, 24, 30 ff. – sowie auch zu den sonstigen Vorschlägen.
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keine Insiderpapiere i.S.v. § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG darstellen1. Streitig ist dies jedoch für virtuelle Aktienoptionsprogramme2. 5. Management Buy Out (MBO) Ein Management Buy Out einer börsennotierten Aktiengesellschaft ist – soweit ersichtlich – in der Bundesrepublik bisher nicht vorgekommen. Dass dies jedoch nicht unmöglich ist, zeigt der – im Ergebnis fehlgeschlagene – Versuch eines Management Buy Outs von RJR Nabisco in den USA im Jahre 1988, der zu seiner Zeit den größten bis dahin vorgekommenen MBO darstellte3. Anders als bei den typischen MBOs erwirbt das Management die Gesellschaft jedoch nicht von einem kleinen Kreis von Gesellschaftern, sondern von Aktionären einer börsengehandelten Aktiengesellschaft.
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Hat die Gesellschaft einen oder mehrere Großaktionäre, wird das Management typischerweise zunächst mit diesen Kontakt aufnehmen und die Möglichkeit eines Buy Out eruieren. Ziel eines MBO ist regelmäßig jedoch nicht die Übernahme einer wesentlichen Beteiligung oder der Mehrheit an der Gesellschaft sondern die völlige Übernahme der Gesellschaft durch das Management. Dies ist i.d.R. schon deshalb notwendig, weil die Aktiva der Gesellschaft von dem auskaufenden Management genutzt werden zur Finanzierung des Erwerbs der Anteile4. Es wird daher bei einem MBO einer börsennotierten Aktiengesellschaft immer ein Übernahmeangebot an sämtliche Aktionäre mit dem Ziel eines Erwerbs von insg. mind. 95 % der Aktien zur Ermöglichung eines anschließenden Squeeze Out gemäß §§ 327a ff. AktG notwendig werden. Unabhängig von dem Bestehen von Groß- oder Mehrheitsaktionären setzt daher ein MBO einer börsennotierte Aktiengesellschaft immer ein Übernahmeangebot voraus5.
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Die insiderrechtlichen Pflichten des das Übernahmeangebot abgebenden Managements entsprechen daher den insiderrechtlichen Verpflichtungen des Managements einer Bietergesellschaft im herkömmlichen Fall eines Übernahmeangebotes. Es unterscheidet sich von einem herkömmlichen Übernahmeangebot jedoch dadurch, dass das Management der Zielgesellschaft der Bieter ist6 und typischerweise nicht erst durch eine Due Diligence sondern schon bei Fassung des Übernahmebeschlusses die Insiderinformation besitzt.
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Das erwerbende Management ist grundsätzlich (Primär-)Insider i.S.v. § 13 WpHG. Hat es Insiderkenntnisse über die Zielgesellschaft, dessen Vorstand das Management ist, unterlag es nach früherem Recht dem Nutzungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG. Von dieser Insiderkenntnis zu unterscheiden ist der Beschluss des Managements, die Aktiengesellschaft für eigene Rechnung zu erwerben. Diese Insidertatsache unterliegt nicht dem Nutzungsverbot7. Grundsätzlich hat das AnSVG insoweit
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1 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 18; Klasen, AG 2006, 24, 27; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 12 WpHG Rz. 20; Casper, WM 1999, 363, 369 f.; Dietborn in Kessler/Sauter, Hdb. Stock-Options, Rz. 824, 847; Feddersen, ZHR 161 (1997), 269, 285. 2 Vgl. Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 12 WpHG Rz. 20 m.w.N. in Fn. 39. 3 Vgl. dazu das faktisch auch heute noch sehr informative Buch von Burrough/Helyar, Barbarians at the Gate, Verlag Random House, 1990. 4 Dazu und zu deren Grenzen vgl. Freitag, AG 2007, 157 ff. m.w.N. 5 Dies übersehen Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 170 f. und Fürhoff, AG 1998, 83, 86 f.; zu den weiteren Beschränkungen der Nutzung der Aktiva der Zielgesellschaft zur Finanzierung des Buy Out vgl. Class, Der Buy Out von Aktiengesellschaften, 2000, sowie Freitag, AG 2007, 157 ff. 6 Ebenso Fürhoff, AG 1998, 83, 86 f. 7 Unstr., vgl. nur Fürhoff, AG 1998, 83, 87; Begr. RegE BT-Drucks. 12/6679, S. 46.
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keine Änderung vorgenommen. Die Marktmissbrauchsrichtlinie, die durch das AnSVG in deutsches Recht umgesetzt wurde, lautet in ihrem Erwägungsgrund (29): „Der Zugang zu Insider-Informationen über eine andere Gesellschaft und die Verwendung dieser Informationen bei einem öffentlichen Übernahmeangebot mit dem Ziel, die Kontrolle über dieses Unternehmen zu erwerben oder einen Zusammenschluss mit ihm vorzuschlagen, sollte als solche nicht als Insidergeschäft gelten“ (vgl. hierzu ausführlich bei Rz. 79 ff.). Selbst bei europarechtskonformer Auslegung des AnSVG ist dem Wortlaut dieses Erwägungsgrundes nicht zu entnehmen, dass Insiderinformationen der Zielgesellschaft von dem den Buy Out betreibenden Management verwertet werden dürfen. 71
Das das Übernahmeangebot abgebende Buy Out Management darf somit zwar keine Insidertatsachen über die Zielgesellschaft zur Abgabe des Übernahmeangebotes nutzen, jedoch durchaus eine von der vorherrschenden (Börsen-)Bewertung abweichende Vorstellungen von der zukünftigen Entwicklung der Gesellschaft haben. Wenn es seine Entscheidung lediglich aufgrund öffentlich bekannter Informationen trifft, ist die Abgabe des Übernahmeangebotes insiderrechtlich nicht zu beanstanden1. 6. Paketaufbau/Due Diligence/Unternehmenskäufe
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Die Entscheidung eines Unternehmens, eine Beteiligung an einem anderen, börsennotierten Unternehmen zu erwerben, kann grundsätzlich eine Insidertatsache bzw. Insiderinformation darstellen. Häufig wird im Vorgriff auf einen endgültigen diesbezüglichen Beschluss, auf den nach § 10 Abs. 6 WpÜG der § 15 WpHG nicht anzuwenden ist, ein Erwerb von Aktien durchgeführt, der nicht zu einer Mitteilungspflicht nach §§ 21 ff. WpHG bei der Zielgesellschaft führt, durch den also die Beteiligungsgrenze von 3 % der Stimmrechte der börsennotierten Gesellschaft nicht erreicht wird. Selbst ein derartiger Paketaufbau kann bereits eine Insidertatsache bzw. Insiderinformation darstellen. Für den Erwerber stellt die Umsetzung seiner Entscheidung zum Paketaufbau jedoch keinen Verstoß gegen das Nutzungsverbot des § 14 WpHG dar. Nach § 14 Abs. 1 WpHG a.F. nutzt der Erwerber seine Kenntnis nicht aus2. Auch nach § 14 Abs. 1 WpHG n.F. sollte klar sein, dass – nicht zuletzt mit Blick auf Erwägungsgrund (30) der Marktmissbrauchsrichtlinie – keine „Verwendung“ der Insiderinformationen erfolgt (vgl. dazu oben Rz. 43 ff.)3.
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Erfolgt der Paketaufbau in Form eines Pakethandels4, so kann die Verkaufsabsicht zwar eine Insidertatsache darstellen, diese jedoch von dem Verkäufer aus den gleichen Gründen wie die Kaufabsicht des Käufers umgesetzt werden. Etwas anderes
1 Es kann daher insoweit auf die Ausführungen unten bei Rz. 79 ff. verwiesen werden. 2 Assmann/Cramer in Assmann/Uwe H. Schneider, 3. Aufl., § 14 WpHG Rz. 31; Caspari, ZGR 1994, 530, 542; Hopt in Bankrechts-Hdb., § 107 Rz. 60; Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 355 sowie Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 31; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809, 1812. 3 Ebenso Hammen, WM 2004, 1953, 1960. 4 Bei einem Pakethandel sind auf Käufer- wie auf Verkäuferseite regelmäßig nur ein oder wenige Investoren involviert, während bei einem Block-Trade zwar nur ein Verkäufer jedoch eine Vielzahl von institutionellen Investoren als Käufer tätig werden – vgl. zu der Abgrenzung Schlitt/ Schäfer, AG 2004, 346, 347 sowie Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 31; andere grenzen danach ab, ob weniger als 5 % oder 10 % des Grundkapitals gehandelt werden (dann Blockhandel) oder mehr (dann Pakethandel) – vgl. zu dieser Abgrenzung Hammen, WM 2004, 1953, 1955 m.w.N.
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kann jedoch dann gelten, wenn der Verkäufer seinen Verkaufsentschluss aufgrund von Insiderinformationen über die Gesellschaft trifft1. Geht der Paketaufbau durch den Erwerber in den Aufbau einer Beteiligung über, so wird ein Käufer die größere Investition typischerweise nur nach Durchführung einer Due Diligence bei dem Zielunternehmen vornehmen2. Hierbei stellt sich für den Vorstand der Zielgesellschaft die Frage, ob er die Due Diligence zulassen darf, deren Zulassung ad hoc-publizitätspflichtig ist und wie im Rahmen der Due Diligence dem Erwerber mitgeteilte Insiderinformationen zu behandeln sind. Für den die Due Diligence durchführenden Erwerber stellt sich die Frage, ob im Rahmen der Due Diligence erlangte Insiderinformationen bei der Durchführung des nachfolgenden Erwerbs verwendet werden dürfen.
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Nach anfänglichen Unsicherheiten geht die heute ganz h.L. davon aus, dass der Vorstand der Zielgesellschaft aktienrechtlich nicht gegen seine Pflichten nach § 93 AktG verstößt, wenn er die Due Diligence zulässt3. Von der h.L. wird jedoch gefordert, dass zuvor ein sog. „Letter of Intent“ mit einer Vertraulichkeitsverpflichtung für den Vorstand des Erwerbers abgeschlossen wird4. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Zulassung einer Due Diligence durch den Vorstand der Zielgesellschaft ist jedoch, dass rechtlich anerkennenswerte Gründe und Interessen der Zielgesellschaft gegeben sind. Andernfalls würde der Vorstand der Zielgesellschaft gegen seine Verpflichtung aus § 53a AktG verstoßen, weil er im Interesse des verkaufswilligen Groß- bzw. Mehrheitsaktionärs und nicht im Interesse der Gesellschaft handelte.
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Die Zulassung der Due Diligence durch den Vorstand der Zielgesellschaft stellt einen nicht öffentlich bekannten Umstand dar, der im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten ist und häufig geeignet sein wird, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen. Allerdings hat sie keine Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F., so dass die ganz h.M. nach früher geltendem Recht keine Ad hoc-Publizitätspflicht für die Zulassung der Due Diligence durch die Zielgesellschaft als gegeben ansah5. Diese Rechtsauffassung ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG n.F. nicht mehr zweifelsfrei. Die Zulassung der Due Diligence ist eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf den Emittenten der Insiderpapiere bezieht und die grundsätzlich geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerden den Börsenpreis der Papiere erheblich zu beeinflussen, da ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung wegen des bevorstehenden Wechsels eines Groß- bzw. Mehrheitsaktionärs berücksichtigen würde. Die Insiderinformation betrifft den Emittenten unmittelbar, da sie sich auf Umstände bezieht, die in seinem Tätigkeitsbereich eintreten. Aufgrund des Wegfalls der Notwendigkeit einer Auswirkung der Insiderinfor-
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1 Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 354 m.w.N. 2 Zu der Pflicht des Vorstandes zur Vornahme einer Due Diligence vgl. Kiethe, NZG 1999, 976, 981 ff. 3 Rittmeister, NZG 2004, 1032, 1035 f.; Götze, BB 1998, 2326, 2328 f.; Roschmann/Frey, AG 1996, 449 ff.; Mertens, AG 1997, 541 ff.; Schröder, DB 1997, 2161 ff.; Bihr, BB 1998, 1198 ff. (jedoch einschränkend auf Durchführung durch unbeteiligten Wirtschaftsprüfer mit anschließender bloßer Ergebnismitteilung); Kiethe, NZG 1999, 976, 978 f.; a.A. jedoch Lutter, ZIP 1997, 613, 116 ff. 4 Irmen in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 7/737; Schröder, DB 1997, 2161, 2163; Kiethe, NZG 1999, 976, 979; zurückhaltend: Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 41; Wackerbarth in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 10 WpÜG Rz. 91; Rittmeister, NZG 2004, 1032, 1035 f.; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 647. 5 Götze, BB 1998, 2326 ff.; Ekkenga, ZGR 1999, 165 ff.; Burgard, ZHR 162 (1998), 51 ff.; Happ/ Semler, ZGR 1998, 116 ff.
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mation auf die Vermögens- oder Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten und die dadurch bewirkte Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung stellt die Zulassung der Due Diligence nunmehr grundsätzlich eine ad hoc-publizitätspflichtige Tatsache dar. Insoweit wird man den Emittenten jedoch als nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG von der Pflicht zur Veröffentlichung befreit ansehen müssen, weil es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert. Die Begründung hierfür ist dieselbe wie für die aktienrechtliche Zulässigkeit des Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht durch den Vorstand des Emittenten nach § 93 AktG. 77
Je gründlicher die Due Diligence von dem Erwerber durchgeführt wird, desto wahrscheinlicher ist, dass ihm Insiderinformationen über das Zielunternehmen bekannt werden. Für den Vorstand der Zielgesellschaft stellt sich damit die Frage, ob er hierdurch gegen das Mitteilungsverbot bzw. das Verbot der Zugängigmachung in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG (a.F. wie n.F.) verstößt. Nach früherem wie nach neuem Recht ist entscheidend, ob die Zugängigmachung der Insiderinformationen „unbefugt“ erfolgt. Die fast einhellige Auffassung hält die Weitergabe der Information für befugt, da andernfalls ein Verkauf scheitern würde1. Mit der gleichen Begründung nimmt die herrschende Meinung auch eine befugte Weitergabe von Insiderinformationen an, wenn diese nicht im Rahmen der Due Diligence selbst sondern aufgrund vorheriger Information des verkaufswilligen Aktionärs von diesem weitergegeben werden2. Eine Änderung der Rechtslage durch das AnSVG ist insoweit nicht eingetreten.
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Die vorstehenden Ausführungen zu der Zulassung einer Due Diligence und den sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen des Aktien-, Insider- und Ad hoc-Publizitätsrechts gelten entsprechend, wenn nicht nur ein Paket oder eine Mehrheitsbeteiligung sondern ein gesamter Unternehmenskauf oder ein Übernahmeangebot geplant wird. Dies wird unterstrichen durch Erwägungsgrund (29) der Markmissbrauchsrichtlinie, der folgenden Wortlaut hat: „Der Zugang zu Insider-Informationen über eine andere Gesellschaft und die Verwendung dieser Informationen bei einem öffentlichen Übernahmeangebot mit dem Ziel, die Kontrolle über dieses Unternehmen zu erwerben oder einen Zusammenschluss mit ihm vorzuschlagen, sollten als solche nicht als Insider-Geschäft gelten“. Teilweise wird aus dieser Formulierung quasi als Umkehrschluss hergeleitet, dass jedes Handeln im Besitz von Insiderinformationen ein „Verwenden“ der Insiderinformation ist, wenn es nicht unter den engen Ausnahmetatbestand des 29. Erwägungsgrundes bzw. Art. 2 Abs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie fällt, weshalb weitere Käufe vor Durchführung des öffentlichen Übernahmeangebotes unzulässig wären3. Dem wird jedoch zu Recht entgegengehalten, dass bei vorher gefasstem Gesamtentschluss die Kausalität der Insiderkenntnis nicht besteht und jedenfalls ein Pakethandel wenn nicht auch ein Erwerb über die Börse zulässig sein müs-
1 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 164; Hopt in Bankrechts-Hdb., § 107 Rz. 61; Marsch-Barner in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. Unternehmensübernahmen, § 7 Rz. 127; Mertens, AG 1997, 541, 545; Roschmann/Frey, AG 1996, 449, 453; Schröder, DB 1997, 2161, 2165; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 41; Stoffels, ZHR 165 (2001), 362, 380 f.; Süßmann, AG 1999, 162, 169; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 645; zweifelnd Ziemons, NZG 2004, 537, 539 und Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 931. 2 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 164; Fürhoff, AG 1998, 83, 87; Irmen in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 7/736; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809, 1810; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 41 a.E. 3 Ziemons, NZG 2004, 537, 539 f.
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se1. Soweit jedoch die Insiderinformation auf Grund der Due Diligence zu sog. Alongside-Käufen veranlasst, wird die Information „verwendet“2. 7. Übernahmeangebote/„Taking Private“ Zahlreiche bisher nicht völlig geklärte Fragen stellen sich im Zusammenhang mit Wertpapiererwerbs- und Übernahmeangeboten seit Geltung des WpÜG ab 1.1.2002. Von diesen werden nachfolgend Fragen im Zusammenhang mit freiwilligen Übernahmeangeboten bis zur Veröffentlichung des Übernahmeangebotes behandelt3.
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Spätestens mit der Entscheidung des Bieters zur Durchführung eines Übernahmeangebotes und den damit zusammenhängenden Vorbereitungshandlungen stellt der Entschluss des Bieters eine Insidertatsache bzw. Insiderinformation dar4. Z. T. wird argumentiert, dass ab diesem Zeitpunkt das WpÜG dem Insiderrecht generell vorgeht und dementsprechend die insiderrechtlichen Vorschriften überlagert. Begründet wird dies damit, dass Erwägungsgrund (29) der Marktmissbrauchsrichtlinie (vgl. dazu bereits oben bei Rz. 78) den Zugang zu Insiderinformationen über die Zielgesellschaft und die Verwendung dieser Informationen bei einem öffentlichen Übernahmeangebot mit dem Ziel des Kontrollerwerbs oder des Vorschlages eines Zusammenschlusses Zugang und Verwendung nicht als Insidergeschäft gelten sollen5. Da jedoch unklar ist, was unter „Verwendung dieser Information bei einem öffentlichen Übernahmeangebot“ zu verstehen ist, ist dem Postulat zwar grundsätzlich zuzustimmen. Es enthebt jedoch nicht von der Notwendigkeit, jede einzelne Verhaltensweise insiderrechtlich daraufhin zu überprüfen, ob ein Verstoß gegen das Nutzungs- oder Mitteilungsverbot des § 14 Abs. 1 WpHG besteht.
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Unstreitig ist, dass der zukünftige Bieter bereits vor Veröffentlichung seiner Entscheidung Aktien der Zielgesellschaft erwerben darf6. Fraglich ist, ob der Bieter berechtigt ist, seinen Entschluss Dritten mitzuteilen mit der Absicht, diese zu einem Voraberwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft zu bewegen (sog. Warehousing). Die Weitergabe der Information an den Dritten ist nach inzwischen überwiegender Lehre befugt i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG7. Dies ist seit Geltung des WpÜG den Regelungen der §§ 2 Abs. 5, 31 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Nr. 1 WpÜG zu entnehmen, denn andernfalls wäre nicht erklärbar, wie es zu gemeinsam handelnden Personen i.S.d. genannten Vorschriften kommen kann. Tritt der mit der Information des Dritten durch den Bieter gewünschte Erfolg ein, beginnt dieser mit dem Vorerwerb von Wertpapieren
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1 Fromm-Russenschuck/Banerja, BB 2004, 2425, 2426 f.; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 931. 2 Heue unstrittig, vgl. nur Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 165; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 27 f.; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 2007, § 14 WpHG Rz. 34; FrommRussenschuck/Banerjea, BB 2004, 2425, 2427; Hasselbach, NZG 2004, 1087, 1091; Schlitt/ Schäfer, AG 2004, 346, 354; a.A. nur Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 646. 3 Zu den sich im Zusammenhang mit einem freiwilligen Übernahmeangebot nach Veröffentlichung stellenden Fragen sowie Pflichtangeboten vgl. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 160 ff. sowie unten § 60; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 651 ff. 4 Unstr., vgl. nur Hirte in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 10 WpÜG Rz. 107 m.w.N. 5 So Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 53 a.E.; vgl. auch Hopt, ZGR 2002, 333, 357. 6 Vgl. bereits oben bei Rz. 72 ff. (Paketaufbau) sowie Hirte in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 10 WpÜG Rz. 108. 7 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 147 (a.A. noch Assmann, ZGR 2002, 697, 703); Schacht, Insiderhandelsverbot bei öffentlichen Übernahmeangeboten, S. 72, 168 f.; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 93; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 55; Süßmann, AG 1999, 162, 163; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 645 f.
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der Zielgesellschaft. Hierin wird kein Verstoß gegen das Nutzungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG zu sehen sein, wenn – wie Schwark zutreffend betont – die gemeinsam handelnden Personen bei Veröffentlichung der Angebotsunterlagen nach § 11 WpÜG, § 2 Nr. 1 WpÜG-AngVO auch ausdrücklich als solche genannt werden. Für in der Angebotsunterlage nicht genannte Dritte gelten die Vorschriften des Insiderrechts in vollem Umfang1. 82
Informiert der Bieter die Zielgesellschaft über seine Absicht, z.B. um festzustellen, ob eine freundliche Übernahme möglich ist, liegt in der Weitergabe der Insiderinformation wiederum eine befugte Weitergabe2. In diesem Moment werden die informierten Organe der Zielgesellschaft zu Primärinsidern3 und es stellt sich für sie die Frage, ob sie ihrerseits zu einer Ad hoc-Publizität nach § 15 Abs. 1 WpHG verpflichtet sind und ob sie im Falle des Bestehens einer entsprechenden Pflicht gemäß § 15 Abs. 3 WpHG hiervon absehen können4. Die früher wohl h.L.5 lehnte eine Ad hoc-Publizitätspflicht ab. Dies ist nunmehr nicht mehr vertretbar, da die Regierungsbegründung ausdrücklich klarstellt, dass es sich um eine ad hoc-publizitätspflichtige Information handelt6. Dies gilt jedenfalls, sobald die Abgabe des Übernahmeangebots feststeht – was vor und während einer Due Diligence durchaus unsicher sein kann. Allerdings wird ein Absehen von einer Veröffentlichung gemäß § 15 Abs. 3 WpHG nur unter sehr eingeschränkten Aspekten denkbar sein7.
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Es darf zwischenzeitlich als anerkannt angesehen werden, dass die zu Primärinsidern avancierten Organe der Zielgesellschaft berechtigt sind, die Insiderinformation für die Zielgesellschaft in dem Umfang zu nutzen bzw. Dritten mitzuteilen, wie dies nach dem WpÜG der Zielgesellschaft gestattet ist8. Der Vorstand der Zielgesellschaft darf sich daher des Rates und der Hilfe Dritter bei der Beurteilung des zu erwartenden Übernahmeangebotes bedienen und diese in vollem Umfange über die Insiderinformationen informieren. Gleiches gilt auch für die Suche nach einem „White Knight“, wie von § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG ausdrücklich zugelassen9. Sollte die Gesellschaft bereits eigene Aktien im Rahmen eines Rückkaufprogramms erwerben, bedarf es auch keiner Unterbrechung dieses Plans zum Rückerwerb eigener Aktien, da insoweit keine Insiderinformationen „verwendet“ werden, denn die Insiderinformation ist nicht kausal für die Durchführung des bereits vorher getroffenen Beschlusses (vgl. dazu auch unten bei Rz. 85 ff.).
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Für den von der Zielgesellschaft informierten White Knight stellen sich dieselben Fragen wie für die gemeinsam mit dem Bieter handelnden Personen. Zwecks Erhalt eigener Unterstützung darf er sich des Rates und der Hilfe Dritter bedienen und diesen 1 So auch Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 147 a.E. 2 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 148; Hirte in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 10 WpÜG Rz. 108; Fleischer/Kalss, WpÜG, S. 16 ff.; Santelmann/Steinhardt in Steinmeyer/Häger, § 10 WpÜG Rz. 77. 3 Assmann, ZGR 2002, 697, 706 f.; Schacht, Insiderhandelsverbot bei öffentlichen Übernahmeangeboten, S. 73; Wittich in von Rosen/Seifert, Übernahme börsennotierter Unternehmen, S. 377, 382. 4 Vgl. hierzu § 14 Rz. 34 ff. sowie BaFin, Emittentenleitfaden, S. 52. 5 Vgl. nur Geibel in Geibel/Süßmann, § 10 WpÜG Rz. 116 m.w.N. 6 BT-Drucks. 15/3174, S. 35; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 655. 7 Dazu Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 655 f. 8 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 148 ff.; Hopt, ZGR 2002, 333, 357; Schacht, Insiderhandelsverbot bei öffentlichen Übernahmeangeboten, S. 73 ff.; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 56 ff. 9 Fraglich ist jedoch der Zeitpunkt, ab dem dies erfolgen darf (= schon vor Information gemäß § 10 Abs. 5 WpÜG?).
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§ 13
Insiderrecht
die Insiderinformation mitteilen. Aus dem Angebotsvereitelungsverbot des § 33 WpÜG wird jedoch hergeleitet, dass der White Knight zur Vorbereitung eines eigenen konkurrierenden Angebotes durchaus Aktien der Zielgesellschaft vorkaufen kann (was dann keinen Verstoß gegen das Nutzungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG darstellen soll). Vorkäufe lediglich zur Verminderung der Erfolgschancen des geplanten Angebotes des Bieters sollen demgegenüber unzulässig sein1. 8. Erwerb eigener Aktien Aktienrückkaufprogramme von Emittenten waren und sind mehr denn je geeignet, Insidertatsachen bzw. Insiderinformationen darzustellen. Dementsprechend sind sie in der Regel ad hoc-publizitätspflichtig2. Wenn der konkrete Rückkaufbeschluss des Vorstandes – ggf. nach Zustimmung durch den Aufsichtsrat – eine Insiderinformation darstellt und gemäß § 15 WpHG veröffentlicht wird, stellen sich bei der Durchführung des Rückkaufs eigener Aktien keine insiderrechtlichen Probleme. Wird jedoch der Zeitpunkt des Erwerbs eigener Aktien durch die Gesellschaft von dem Wissen des Vorstands um den rückkaufenden Emittenten betreffende Insidertatsachen bestimmt, kann der Rückerwerb seinerseits gegen das Nutzungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verstoßen3. Gänzlich zweifelsfrei ist dies jedoch nicht. Es setzt voraus, dass zwischen Emittent und dem Organ des Emittenten, dem Vorstand, getrennt wird und der Vorstand bei der Entscheidung über den Zeitpunkt des Rückkaufs eigener Aktien wie ein dritter Marktteilnehmer behandelt wird4.
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Durch § 14 Abs. 2 WpHG wird der Handel mit eigenen Aktien zudem ausdrücklich als dann nicht gegen das Verbot von § 14 Abs. 1 WpHG verstoßend bezeichnet, wenn er im Rahmen von Rückkaufprogrammen und Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten erfolgt und die Vorgaben der EG-Verordnung Nr. 2273/20035 befolgt. Die Verordnung gilt nach ihrem Art. 3 ausschließlich für Rückkaufprogramme, die dem Zweck dienen, das Kapital des Emittenten herabzusetzen oder Schuldtitel, die in Beteiligungskapital umgewandelt werden können, zurückzukaufen oder Belegschaftsaktien zurückzunehmen. Hierfür muss der Emittent u.a. nach Art. 4 Abs. 4 der Verordnung alle Transaktionen am Ende des 7. Handelstages nach ihrer Ausführung bekanntgeben. Der Rückkauf hat zu Marktpreisen zu erfolgen (Art. 5 Abs. 1) und nicht mehr als 25 % des durchschnittlichen täglichen Aktienumsatzes auf dem geregelten Markt betragen (Art. 5 Abs. 2)6.
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1 So ausdrückl. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 152; Wittich in von Rosen/Seifert, Übernahme börsennotierter Unternehmen, S. 377, 382. 2 Vgl. von Rosen/Helm, AG 1996, 434, 439 f.; DAV, ZIP 1997, 163, 171; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 69 a.E.; Schäfer in Dreyling/Schäfer, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, Rz. 453; van Aerssen, WM 2000, 391, 402; Bosse, ZIP 1999, 2047, 2048; Waldhausen, Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 254 f.; Zimmer in Schwark, § 15 WpHG Rz. 174 m.w.N. zu den Einzelheiten; a.A. Peltzer, WM 1998, 322, 330; Martens, AG 1996, 337, 340 f.; Claussen, DB 1998, 177, 180. 3 Vgl. nur Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 36. 4 So außer Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 36 auch von Rosen/Helm, AG 1996, 434, 440; Casper, WM 1999, 363, 367; zu Recht zweifelnd: Fürhoff, AG 1999, 83, 84. 5 Der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates (Marktmissbrauchsrichtlinie), ABl. EG Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 33. 6 Vgl. zu den übrigen Bedingungen die Einzelheiten der Art. 4–6 der EG-Verordnung.
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IV. Unternehmensinterne Prävention 1. Pflicht zu Verdachtsanzeige und Führung von Insiderverzeichnissen 87
Nach § 10 Abs. 1 WpHG sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen, andere Kreditinstitute und Betreiber von außerbörslichen Märkten, an denen Finanzinstrumente gehandelt werden, verpflichtet, bei Feststellung von Tatsachen, die den Verdacht begründen, dass mit einem Geschäft über Finanzinstrumente gegen ein Verbot oder Gebot nach § 14 WpHG verstoßen wird, diese unverzüglich der BaFin mitzuteilen1. Diese Pflicht zur Vornahme von Verdachtsanzeigen ist der von Verdachtsanzeigen nach § 11 GwG nachgebildet. Adressat der Anzeigepflicht sind jedoch nicht die Mitarbeiter sondern das Wertpapierdienstleistungsunternehmen bzw. andere2 Kreditinstitute. Andere Emittenten von Insiderpapieren als die vorgenannten sind jedoch nicht zur Abgabe von Verdachtsanzeigen verpflichtet, selbst wenn sie hierzu begründeten Anlass haben.
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Nach § 15b WpHG sind jedoch sämtliche Emittenten nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG und die in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnden Personen3 verpflichtet, Verzeichnisse über diejenigen Personen zu führen, die für sie tätig sind und bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben4. Die Abgrenzung des Personenkreises ist für das jeweilige Unternehmen individuell vorzunehmen und bereitet derzeit trotz der Ausführungsnormen in §§ 14 ff. WpAIV nicht unerhebliche Unsicherheiten5. Leitlinie sollte insoweit sein, dass durch das Insiderverzeichnis die BaFin in die Lage versetzt werden soll, im Falle von Ermittlungen wegen Insiderhandels oder fehlerhafter Ad hoc-Publizität potentielle Insider leichter zu identifizieren. Die Verzeichnisse müssen daher unverzüglich aktualisiert werden und sind der BaFin auf Verlangen zu übermitteln.
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Die in dem Verzeichnis aufgeführten Personen (Insider) sind durch den Emittenten über die Pflichten, die sich aus dem Zugang zu Insiderinformationen ergeben sowie über die Rechtsfolgen von Verstößen gegen diese Pflichten aufzuklären6. Diese Pflicht obliegt dem Emittenten aufgrund Gesetzes (§ 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG) und damit 1 Vgl. umfassend Schwintek, WM 2005, 861 ff. 2 Die Formulierung „andere Kreditinstitute“ scheint zu implizieren, dass bei den Wertpapierdienstleistungsunternehmen Adressaten lediglich solche Institute sind, die Kreditinstitute sind. Mit einer derartigen Interpretation würden Finanzdienstleistungsinstitute, die keine Kreditinstitute jedoch Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind, von der Anzeigepflicht nicht erfasst. Dies dürfte nicht der Absicht des Gesetzgebers entsprechen. Ausweislich der Regierungsbegründung (BT-Drucks. 15/3174, S. 32) sollte hierdurch die Durchführungsrichtlinie zur Marktmissbrauchsrichtlinie umgesetzt werden, die jedoch im Zeitpunkt der Regierungsbegründung nur im Entwurfsstadium vorlag. Es wird zu prüfen sein, ob nach dem Grundsatz nulla poena sine lege stricta Finanzdienstleistungsinstitute, die keine Kreditinstitute sind, von der Pflicht zur Verdachtsanzeige erfasst werden. 3 Hierbei wird es sich regelmäßig um die das Unternehmen beratenden Rechtsanwälte, Steuerberater, InvestorRelations-Agenturen, Unternehmensberater, aber auch um wichtige Kooperationspartner oder Geschäftsbesorger für bedeutende Transaktionen handeln. Gleichfalls werden im Bereich M&A, Corporate Finance oder Kredit beratende Kreditinstitute erfasst und zu einer eigenständigen Führung von Insiderverzeichnissen verpflichtet; keine Dienstleister i.S.v. § 15b WpHG sind Behörden, Gerichte, Mutter- oder Tochtergesellschaften (es sei denn im Rahmen eines Outsourcings o.Ä.), Großaktionäre, Aufsichtsräte oder Lieferanten – vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, S. 96 ff.; Eckhold in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 18 ff. 4 Verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung äußern Steidle/Waldeck, WM 2005, 868 ff. 5 Dazu ausführlich Uwe H. Schneider/v. Buttlar, ZIP 2004, 1621 ff.; Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15b WpHG Rz. 12 ff.; Eckhold in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 5 ff.; Kirschhöfer, Der Konzern 2005, 22 ff. 6 Die BaFin hat auf ihrer Website ein entsprechendes Informationsschreiben veröffentlicht.
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unabhängig davon, ob ein wirksames Arbeitsverhältnis zu den in dem Insiderverzeichnis aufgeführten Personen besteht. Nicht in das Insiderverzeichnis aufzunehmen sind nach § 15b Abs. 1 Satz 4 WpHG gemäß § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB handelnde Personen, im Wesentlichen also die Wirtschaftsprüfer. Diejenigen Personen, die gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 WpHG wegen der Wahrnehmung von Führungsaufgaben eigene Geschäfte in Aktien des Emittenten der BaFin und dem Emittenten mitzuteilen haben (sog. Directors’ Dealings) (vgl. dazu § 15), werden regelmäßig bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben1. Die Einzelheiten der Führung der Insiderverzeichnisse (Umfang, Form, enthaltene Daten, Aktualisierung und Datenpflege, Aufbewahrungsfristen) werden durch eine Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Finanzen bzw. der BaFin gemäß § 15b Abs. 2 WpHG geregelt2.
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2. Organisationspflichten Wertpapierdienstleistungsunternehmen (im Wesentlichen also Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute) unterliegen einer Vielzahl von aufsichtsrechtlich vorgegebenen Organisationspflichten zur Vermeidung internen wie externen Insiderhandels3. Adressat der Organisationspflichten nach § 33 WpHG sind jedoch nur Wertpapierdienstleistungsunternehmen und nicht sämtliche Emittenten. Diesen steht es grundsätzlich frei, in welcher Form sie sicherstellen, dass Unternehmensinsider keine Insidergeschäfte in Aktien des Emittenten vornehmen. Hierzu zählen etwa ein grundsätzliches Verbot des Handels in Aktien des Emittenten mit Ausnahme von bestimmten Zeitfenstern, in denen typischerweise sämtliche Informationen über das Unternehmen publiziert worden sind (vgl. dazu oben bei Rz. 50). Das Unternehmen muss jedoch organisatorisch auch sicherstellen, dass Insiderinformationen, die den Emittenten unmittelbar betreffen, unverzüglich veröffentlicht werden. In jedem Fall ist der Vorstand jedoch durch § 91 Abs. 2 AktG verpflichtet, das Unternehmen so zu organisieren, dass Gesetzesverstöße systematisch verhindert und trotzdem eintretende Gesetzesverstöße unverzüglich behoben werden4. Streitig ist insoweit, ob eine allgemeine Pflicht zur Errichtung einer Compliance-Organisation besteht5. Wiederum für die hiervon besonders betroffenen Wertpapierdienstleistungsunternehmen werden insoweit die Schaffung von Vertraulichkeitsbereichen, die Errichtung von Chinese Walls, die Erstellung von restricted und grey lists für bestimmte Wertpapiere und die Einführung von Wall-Crossing-Verfahren erörtert, ohne dass ein abschließenden Ergebnis festgestellt werden könnte6.
1 Hierin liegt die ratio legis für die Pflicht zur Veröffentlichung der Geschäfte in Aktien des Emittenten. 2 WpAIV, BGBl. I 2004, 3376, i.d.F. v. 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10; vgl. auch BaFin, Emittentenleitfaden, sub. Ziff. VII.4, S. 100 ff. 3 Vgl. dazu etwa Schwark in Schwark, § 33 WpHG Rz. 13 ff. m.u.w.N.; Sethe, ZBB 2006, 243, 254 ff. 4 Vgl. allg. Wiesner in MünchHdb. AG, § 15 Rz. 5; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 91 AktG Rz. 20 ff. 5 Vgl. Veil, ZHR 172 (2008), 239, 258 m.w.N. 6 Vgl. hierzu Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 19.196; Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 44 ff.; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 90; Schwark in Schwark, § 14 WpHG Rz. 33 a.E.
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Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
V. Sanktionen und Haftung 1. Strafrechtliche Sanktionen von Verstößen gegen Insiderverbote a) Anwendbares Recht 92
Da die Strafbarkeit der Insiderverstöße sich im Laufe der Zeit auf Grund von Änderungen des Gesetzes unterschiedlich darstellt, ist zunächst zu überprüfen, ob sich die Rechtslage zwischen Tat und Urteil änderte. In diesem Fall ist gemäß § 2 Abs. 3 StGB die für den Täter günstigste Rechtslage festzustellen und dem Urteil zugrunde zu legen. Dabei ist die gesamte Rechtslage und nicht nur die angedrohte Höchststrafe zu berücksichtigen1. b) WpHG a.F.
93
Nach § 14 Abs. 1 WpHG a.F. unterlagen Primärinsider einem Nutzungs-, Mitteilungs- und Empfehlungsverbot. Vorsätzliche Verstößen hiergegen wurden nach § 38 Abs. 1 WpHG a.F. als Vergehen mit bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bestraft. Sekundärinsider unterlagen nach § 14 Abs. 2 WpHG a.F. einem Nutzungsverbot, das gleichfalls nach § 38 Abs. 1 WpHG als Vergehen mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wurde. Strafbar waren nur vorsätzliche Begehungen. Eine Versuchsstrafbarkeit bestand nicht. c) Auswirkungen der Marktmissbrauchsrichtlinie/des AnSVG
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Nach § 14 Abs. 1 WpHG n.F. unterliegen Primär- wie Sekundärinsider einem Nutzungs-, Mitteilungs- und Empfehlungsverbot. Die hieran anknüpfende Strafbarkeit ist jedoch erheblich differenziert worden. Nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist ein vorsätzlicher Verstoß immer ein Vergehen, das mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird. Neu ist eine Strafbarkeit einer leichtfertigen Begehung eines Verstoßes gegen das Nutzungsverbot, das nach § 38 Abs. 4 WpHG mit Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird. Ebenfalls neu ist die Einführung einer Versuchsstrafbarkeit durch § 38 Abs. 3 WpHG.
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Ein Verstoß gegen das Mitteilungs- und das Empfehlungsverbot ist nur bei vorsätzlicher Begehung durch einen Primärinsider für diesen ein Vergehen, das mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird. Strafbar ist jedoch insoweit auch der Versuch nach § 38 Abs. 3 WpHG.
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Vorsätzliche Verstöße von Sekundärinsidern gegen das Mitteilungs- und Empfehlungsverbot begründen nach § 39 Abs. 2 Nr. 3, 4 WpHG eine Ordnungswidrigkeit, die nach § 39 Abs. 4 WpHG mit Geldbuße bis zu 200 000 Euro geahndet werden kann. Eine Versuchsstrafbarkeit besteht nicht. 2. Sanktionen gegen das Unternehmen
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Normadressat der Insiderverbote sind in erster Linie natürliche Personen. Juristischen Personen werden jedoch die Kenntnisse ihrer Organe zugerechnet, so dass auch sie den Verboten des § 14 Abs. 1 WpHG unterliegen können. Die strafrechtlichen Sanktionen der §§ 38, 14 WpHG richten sich aufgrund von § 14 StGB grundsätzlich nur an natürliche Personen. Allerdings kann einer juristischen Person eine Geldbuße auf1 Vgl. zu den damit verbundenen Fragen ausführlich Schröder in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, Vor § 38 WpHG Rz. 23 ff. m.w.N.
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erlegt werden, wenn eines ihrer Organe oder eine unternehmensinterne Person gegen Insiderverbote verstoßen hat und dementsprechend betriebsbezogene Pflichten i.S.v. der §§ 30, 130 OWiG verletzte1. Streitig ist, ob hieraus eine Pflicht des Unternehmens zur Einrichtung sog. Compliance-Maßnahmen herzuleiten ist2. 3. Zivilrechtliche Haftung Verstöße gegen das Verwertungsverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG können grundsätzlich3 zivilrechtliche Konsequenzen haben. Erörtert wird zunächst, ob ein unter Verstoß gegen das Nutzungsverbot zustande gekommenes Geschäft wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig ist. Dies wird von der ganz überwiegenden Meinung zu Recht verneint4.
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Umstritten ist, ob § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB darstellt und dementsprechend dem Kontrahenten des gegen das Nutzungsverbot verstoßenden Insiders Schadensersatzansprüche gegen den Insider zustehen. Insoweit verneint die ganz überwiegende Meinung bereits den Schutzgesetzcharakter von § 14 WpHG5. Soweit eine Schutzgesetzeigenschaft bejaht wird, wird regelmäßig jedoch die Kausalität der verbotswidrigen Handlung für die Entstehung eines Schadens bestritten, da der Vertragspartner des Insiders auch ohne die verbotswidrige Handlung des Insiders mit einem anderen Kontrahenten zu regelmäßig demselben oder sogar für ihn schlechteren Preis ein Rechtsgeschäft abgeschlossen hätte. Deshalb wird ein Insidergeschäft häufig auch als „victimless crime“ bezeichnet6. Ausnahmen können sich insoweit jedoch bei außerbörslichen face-to-face-Geschäften ergeben.
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Eine Anfechtung des zivilrechtlichen Geschäftes durch den Vertragspartner des Insiders nach §§ 119, 123 BGB kommt gleichfalls nicht in Betracht, da der Insider bei Börsengeschäften mit dem Vertragspartner nicht in unmittelbare Beziehungen tritt und dementsprechend bei diesem keinen Irrtum hervorruft. Die Hervorrufung eines Irrtums durch Unterlassen durch den Insider liegt gleichfalls nicht vor, da der Insider dem Mitteilungsverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG unterliegt und Adressat der Pflicht zur Ad hoc-Publizität von Ausnahmen abgesehen der Emittent ist. Soweit der Vertragspartner des Insiders eine Anfechtung wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft vornehmen sollte, wäre er dem Insider nach § 122 BGB zum
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1 Vgl. zum Ganzen Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 141 ff.; Schwark in Schwark, § 13 WpHG Rz. 26. 2 Vgl. dazu Assmann, AG 1997, 50, 52 (zustimmend); Veil, ZHR 172 (2008), 239, 258 f. (zustimmend); Irmen in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 7/708 (ablehnend); Versteegen, in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 164 (ablehnend). 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 205; Irmen in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 7/762; Krauel, Insiderhandel, S. 308; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 96 ff.; Steinhauer, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, S. 90; Wolf in FS Döser, S. 255, 260 ff. 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 206; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 96; Irmen in Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis, Rz. 7/763; Krauel, Insiderhandel, S. 308; Steinhauer, Insiderhandelsverbot und Ad hoc-Publizität, S. 90. 5 So insb. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 7 und 208; Caspari, ZGR 1994, 530, 532; Hartmann, Juristische und ökonomische Regelungsprobleme des Insiderhandels, S. 249; Immenga, ZBB 1995, 197, 205; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 16.67 ff.; Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel, S. 618 ff.; Steinhauer, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, S. 108; a.A. Claussen, AG 1997, 306, 307; Hopt in BankrechtsHdb., § 107 Rz. 5; Krauel, Insiderhandel, S. 307. 6 Vgl. insb. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 210.
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Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
Ersatz des durch die Anfechtung entstandenen Schadens verpflichtet1. Wiederum können sich Ausnahmen bei face-to-face-Geschäften ergeben. 101
Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Vertragspartners durch den Insider und dementsprechend ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB wird nur von einer Mindermeinung2 bejaht. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass eine Schädigung des Vertragspartners mangels Kausalität regelmäßig nicht eintritt und zudem die insoweit erforderlichen Vorsatzelemente bei dem Insider typischerweise nicht vorliegen werden. Denkbar ist ein Anspruch aus § 826 BGB daher allenfalls bei face-to-face-Geschäften3.
§ 14 Ad hoc-Publizität Rz. I. Ad hoc-Publizität als Teil der Unternehmenspublizität . . . . . . .
1
1. Kapitalmarktrechtliche Publizität .
1
2. Gesellschaftsrechtliche Publizität .
5
II. Europarechtliche Grundlagen und Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
III. Tatbestandsvoraussetzungen bei Insiderinformationen . . . . . . . . . . . 11 1. Normadressat . . . . . a) Emittent . . . . . . . b) Finanzinstrumente c) Börsenzulassung . .
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11 11 13 16
2. Insiderinformation . . . . . . . . . . . 19 a) Tatsachenbegriff . . . . . . . . . . . 19 b) Verhältnis von Insiderinformation zu Tatsachenbegriff . . . . . . 21
Rz. V. Befreiung von Veröffentlichungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Selbstbefreiungsmöglichkeit und Kontrolle durch die BaFin . . . . . . 34 2. Befreiungsvoraussetzungen . . . . . a) Schutz der berechtigten Interessen des Emittenten . . . . . . . . . 36 b) Keine Irreführung der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 c) Gewährleistung der Vertraulichkeit durch Emittent . . . . . . . . . 39 3. Nachholung der Veröffentlichung . 40 VI. Form und Inhalt der Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 VII. Berichtigungsveröffentlichung . . . 46
VIII. Missbrauch der Publizitätspflicht 3. Unmittelbare Betroffenheit des und Nutzung von Kennzahlen . . . 47 Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . 24 IV. Tatbestandsvoraussetzungen bei Weitergabe von Insiderinformationen
IX. Folgen von Pflichtverletzungen . . . 49
2. Befugte Mitteilung oder Zugänglichmachung . . . . . . . . . . . . . . . 30
1. Öffentlich-rechtliche Sanktionen a) Ordnungswidrigkeiten . . . . . . b) Kursmanipulation . . . . . . . . . c) Sonstige Folgen . . . . . . . . . .
3. Rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichteter Dritter . . . . . . . . . . . 32
2. Schadensersatzhaftung des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
4. Unwissentliche Mitteilung oder Zugänglichmachung . . . . . . . . . . 33
3. Schadensersatzhaftung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
1. Normadressat . . . . . . . . . . . . . . 29
1 Zum Ganzen Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 98. 2 Kaiser, WM 1997, 1557, 1560 ff. 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 211 m.w.N.
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Ad hoc-Publizität
Schrifttum zur Rechtslage ab 30.10.2004: Assmann, Ad hoc-Publizitätspflichten im Zuge von Enforcementverfahren zur Überprüfung der Rechnungslegung nach §§ 342b ff. HGB und §§ 37n ff. WpHG, AG 2006, 261; Brandi/Süßmann, Neue Insiderregeln und Ad-hoc-Publizität – Folgen für Ablauf und Gestaltung von M&A-Transaktionen, AG 2004, 642; Bürgers, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BKR 2004, 424; Deiersdorf/Buchheim, Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie: Ausweitung der Publizitätspflichten, BB 2006, 1677; Diekmann/Sustmann, Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, NZG 2004, 929; Dier/Fürhoff, Die geplante Europäische Marktmissbrauchsrichtlinie, AG 2002, 604; Engert, Hedgefonds als aktivistische Aktionäre, ZIP 2006, 2105; Fleischer, Zur zivilrechtlichen Teilnehmerhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation nach deutschem und US-amerikanischem Recht, AG 2008, 265; Fleischer, Ad-hoc-Publizität beim einvernehmlichen vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden, NZG 2007, 401; Grimme/v. Buttlar, Neue Entwicklungen in der Ad-hoc-Publizität – Vom vierten Finanzmarktförderungsgesetz zur Marktmissbrauchsrichtlinie, WM 2003, 901; Gunßer, Ad-hoc-Publizität bei Unternehmenskäufen und -übernahmen, 2008; Handelsrechtsausschuss des DAV, Stellungnahme zum Regierungsentwurf des AnSVG, NZG 2004, 703; Harbarth, Ad-hoc-Publizität beim Unternehmenskauf, ZIP 2005, 1898; Hutter/Kaulamo, Das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Änderungen der anlassabhängigen Publizität, NJW 2007, 471; Kuthe, Änderungen des Kapitalmarktrechts durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, 883; Korsten, Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln bei unrichtigem Jahresabschluss, AG 2006, 321; Leppert/Stürwald, Die insiderrechtliche Regelung des Vorschlags für eine Marktmissbrauchsrichtlinie und der Stand der Umsetzung im deutschen Wertpapierhandelsrecht, ZBB 2002, 90; Leuering, Behandlung zukünftiger Umstände im Recht der Ad-hoc-Publizität, DStR 2008, 1287; Leuering, Die Ad-hoc-Pflicht auf Grund der Weitergabe von Insiderinformationen (§ 15 I 3 WpHG), NZG 2005, 12; Leuschner, Zum Kausalitätserfordernis des § 826 BGB bei unrichtigen Ad-hoc-Mitteilungen, ZIP 2008, 1050; Möllers, Konkrete Kausalität, Preiskausalität und uferlose Haftungsausdehnung, ComROAD I – VIII, NZG 2008, 413; Möllers, Zur „Unverzüglichkeit“ einer Ad-hoc-Mitteilung im Kontext nationaler und europäischer Dogmatik, in FS Horn, 2006, S. 473; Möllers, Insiderinformation und Befreiung von der Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 3 WpHG, WM 2005, 1393; Möllers, Der BGH, die BaFin und der EuGH: Ad-hoc-Publizität beim einvernehmlichen vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp, NZG 2008 330; Nießen, Die Harmonisierung der kapitalmarktrechtlichen Transparenzregeln durch das TUG, NZG 2007, 41; Nietsch, Schadensersatzhaftung wegen Verstoßes gegen Adhoc-Publizitätspflichten nach dem AnSVG, BB 2005, 785; C. Schäfer/M. Weber/P. Wolf, Berechnung und Pauschalierung des Kursdifferenzschadens bei fehlerhafter Kapitalmarktinformation, ZIP 2008, 197; Sven H. Schneider, Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität, BB 2005, 897; Schwintek, Die Anzeigepflicht bei Verdacht von Insidergeschäften und Marktmanipulation nach § 10 WpHG, WM 2005, 861; Simon, Die neue Ad-hoc-Publizität, Der Konzern 2005, 13; Spindler, Kapitalmarktreform in Permanenz – Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, NJW 2004, 3449; Spindler/Speier, Die neue Ad-hoc-Publizität im Konzern, BB 2006, 1677; Tollkühn, Die Ad-hoc-Publizität nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, 2215; Veith, Die Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 3 WpHG, NZG 2005, 254; Widder, Vorsorgliche Ad-hoc-Meldungen und vorsorgliche Selbstbefreiungen nach § 15 Abs. 3 WpHG, DB 2008, 1480; Ziemons, Neuerungen im Insiderrecht und bei Ad-hoc-Publizität durch die Marktmissbrauchsrichtlinie und das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, NZG 2004, 537. Schrifttum zur Rechtslage bis 29.10.2004: Vgl. Literaturverzeichnis zu § 14 der 1. Auflage.
I. Ad hoc-Publizität als Teil der Unternehmenspublizität 1. Kapitalmarktrechtliche Publizität Die Publizitätspflichten eines Unternehmens können ihre Grundlage sowohl im Gesellschaftsrecht wie im Kapitalmarktrecht haben. Die gesellschaftsrechtlichen Publizitätspflichten sind primär auf die Information der Aktionäre als den Gesellschaftern Schäfer
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und die Information der Gläubiger des Unternehmens ausgerichtet. Demgegenüber beziehen die kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten auch ein interessiertes, jedoch mit dem Unternehmen noch nicht notwendigerweise in Rechtsbeziehung stehendes Anlagepublikum ein. Die kapitalmarktrechtliche Publizität erfolgt somit zugunsten eines wesentlich größeren Adressatenkreises1. 2
Bei der kapitalmarktrechtlichen Publizität wird zwischen der des Primärmarktes und der des Sekundärmarktes unterschieden. Die Publizität für den Primärmarkt beruht im Rahmen eines going public im Wesentlichen auf dem Börsenzulassungsprospekt (§ 3 Abs. 1 WpPG, § 32 Abs. 1 BörsG i.V.m. BörsZulV für den regulierten Markt) und dem Verkaufsprospekt (§§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 WpPG für außerbörsliche Platzierungen sowie ggf. den Freiverkehr) bzw. im Rahmen eines Übernahmeangebotes2 auf der Angebotsunterlage (§ 11 Abs. 2 WpÜG i.V.m. WpÜG-AngVO).
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Den Prospekten bzw. der Angebotsunterlage im Primärmarkt entsprechen im Sekundärmarkt die Jahres- bzw. Halbjahresfinanzberichte nach §§ 37v, 37w WpHG und die Zwischenmitteilungen nach § 37x WpHG3. Eine Publizität für Wertpapiere, die in den Freiverkehr einbezogen sind, sehen § 37v WpHG bzw. § 37w WpHG durch die Verwendung des Begriffs des Inlandsemittenten, der seinerseits durch § 2 Abs. 6 und 7 WpHG definiert wird, i.d.R. nicht vor4. Weitere Teile der kapitalmarktrechtlichen Publizität sind die kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz gemäß §§ 21–30 WpHG, durch die der Kapitalmarkt über wesentliche Interessenlagen von Kapitalmarktakteuren aufgrund von Beteiligungen an Gesellschaften von mehr als 3 % informiert wird (vgl. dazu ausführlich unten § 17). Der „kleine Bruder“ dieser kapitalmarktrechtlichen Mitteilungspflichten ist die erst durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz mit Wirkung ab 1.7.2002 eingeführte Pflicht zur Veröffentlichung und zur Mitteilung von Geschäften von Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorganen gemäß § 15a WpHG (vgl. dazu ausführlich unten § 15) (sog. „Directors’ Dealings“). Die kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz beschränkt sich nach § 21 Abs. 2 WpHG auf Gesellschaften, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen (im Gegensatz zu einer Einbeziehung) sind5. Auch die Vorschriften zum Directors’ Dealing gelten nur für Gesellschaften, deren Wertpapiere zum Handel zugelassen sind (§ 15a Abs. 1 Satz 3 WpHG). Nicht erfasst sind somit der Freiverkehr sowie Wertpapiere, die in den regulierten Markt einbezogen wurden6.
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Zu einer tragenden Säule der Sekundärmarktpublizität hat sich zwischenzeitlich die Ad hoc-Publizität entwickelt. Durch sie werden die börsennotierten Unternehmen verpflichtet, unverzüglich kursrelevante Informationen mitzuteilen und den Kapitalmarkt über neueste Entwicklungen im Unternehmen zu informieren. Zweck der Adhoc-Publizität ist die unverzügliche Information des Kapitalmarktes über sämtliche 1 Vgl. schon Schwark, ZGR 1976, 271, 294. 2 Vgl. Heinze, Europäisches Kapitalmarktrecht, S. 92 ff.; Fülbier, Regulierung der Ad-hoc-Publizität, S. 107 ff.; Möllers in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 2 Rz. 18 ff. (mit dem Hinweis in Rz. 46 ff., dass die Angebotsunterlage gemäß WpÜG eigentlich sekundärmarktrechtliche Publizität darstellt). 3 Vgl. dazu Nießen, NZG 2007, 41, 44 f.; Deiersdorf/Buchheim, BB 2006, 1677. 4 Die Forderung nach zwingender Quartalsberichterstattung der Regierungskommission Corporate Governance bezieht sich daher auch nur auf den regulierten Markt, vgl. nur Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rz. 270; dagegen jedoch Merkt, Gutachten G für den 64. DJT 2002, S. G 100. 5 Zu der Frage, ob diese Pflichten auch bei Gesellschaften gelten sollen, deren Aktien ohne Zustimmung der Gesellschaft in den Freiverkehr oder den regulierten Markt einbezogen wurden gemäß §§ 33 Abs. 1, 48 Abs. 1 Satz 2 BörsG, vgl. unten § 17 Rz. 7. 6 Unstr., vgl. nur Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 22.
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neuen, in den Intervallen zwischen den Finanzberichten und Zwischenmitteilungen eintretenden, kursrelevanten Informationen. Hierdurch wird institutionell die Effizienz der Kapitalmärkte gefördert, zumindest mittelbar als Reflex die „Richtigkeit“ der Preise für Kapitalmarktpapiere zwischen den Kapitalmarktakteuren gesichert und die Möglichkeit von Insiderhandel unterbunden1. Spätestens seit dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz wird man aufgrund der Einführung der Schadensersatzregelungen der §§ 37b, 37c WpHG wohl annehmen müssen, dass der Anlegerschutz nicht nur ein Rechtsreflex des Institutionenschutzes ist, sondern einen gleichwertigen Gesetzeszweck neben dem Institutionenschutz und dem Zweck der Unterbindung des Insiderhandels darstellt2. Eine derartige Pflicht besteht bereits seit der Börsengesetznovelle 1987, die eine Ad hoc-Publizität in § 44a BörsG a.F. vorsah. Dieser war jedoch lediglich mit einem Bußgeld von bis zu 100 000 DM bewehrt mit der Folge, dass in den sieben Jahren der Existenz von § 44a BörsG lediglich sechs Ad hoc-Meldungen veröffentlicht wurden3. Die seit 1.1.1995 in Kraft getretene Ad hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 WpHG ist demgegenüber wesentlich härter sanktioniert, derzeit nach § 39 Abs. 2, 4 WpHG mit einer Geldbuße bis zu 1 000 000 Euro und seit 1.7.2002 schadensersatzbewehrt durch §§ 37b, 37c WpHG. Dies hat dazu geführt, dass seit 1995 mehr als 39 000 Ad hoc-Mitteilungen veröffentlicht wurden4. Die Ad hoc-Publizität ist daher aus dem Kanon der Informationsinstrumente des sekundären Kapitalmarktes nicht mehr hinwegzudenken. 2. Gesellschaftsrechtliche Publizität Neben der kapitalmarktrechtlichen Publizität besteht die allgemeine gesellschaftsrechtliche Publizität. Diese richtet sich vornehmlich an die Gesellschafter (Aktionäre) und die Gläubiger der Gesellschaft. Ähnlich der Unterscheidung zwischen einer Publizität für den primären und den sekundären Kapitalmarkt ist auch bei der gesellschaftsrechtlichen Publizität zwischen der Gründungspublizität einerseits und der laufenden Publizität andererseits zu unterscheiden. Die laufende Publizität stützt sich im Wesentlichen auf die Jahresabschlüsse einschließlich Lagebericht und Konzernabschluss gemäß §§ 242 ff. HGB, die gesellschaftsrechtliche Beteiligungstransparenz gemäß §§ 20 f. AktG, die anders als die kapitalmarktrechtliche Transparenz jedoch erst bei einer Beteiligungsquote von 25 % beginnt, sowie die Auskunftsrechte der Aktionäre in der Hauptversammlung gemäß § 131 AktG. Die gesellschaftsrechtliche Publizität wird ergänzt durch die Pflicht des Vorstandes und des Aufsichtsrates der börsennotierten Gesellschaft, jährlich nach § 161 AktG zu erklären, ob und in welchem Umfange dem Deutschen Corporate Governance Kodex entsprochen wird (vgl. dazu ausführlich oben § 2 Rz. 62 ff.).
1 Vgl. nur Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 6 f., 32 ff. m.w.N.; Zimmer in Schwark, § 15 WpHG Rz. 12 ff.; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 13 ff. 2 Fleischer, Gutachten F für 64. DJT, S. F 25, 96 ff.; Möllers in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 3 Rz. 24 ff.; zu weitgehend ist es jedoch, nunmehr den Institutionenschutz als Rechtsreflex des Anlegerschutzes zu bezeichnen – so Köndgen in FS Druey, S. 791, 798; vgl. auch Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, vor § 12 WpHG Rz. 38 ff. 3 Vgl. Wittich, AG 1997, 1, 2; Happ, JZ 1994, 240, 241. 4 In den Jahren 2005 bis 2007 jeweils ca. 3 500, vgl. jeweils Jahresbericht der BaFin.
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II. Europarechtliche Grundlagen und Vorgaben 6
Die deutschen kapitalmarktrechtlichen Regelungen über eine Ad hoc-Publizität sind ohne die EG-rechtlichen Vorgaben kaum denkbar und die Bedeutung des EG-Rechts für die Entwicklung des deutschen Kapitalmarktrechtes kaum zu unterschätzen1. Den ersten Anstoß für die Ad hoc-Publizität in Deutschland gab die Börsenzulassungsrichtlinie (BörsZulRiLi)2 aus dem Jahre 1979. Diese verstand die Ad hoc-Publizität noch als Ergänzung der Jahresabschlusspublizität3, die durch § 44a BörsG a.F. umgesetzt wurde4. Die h.M. sprach § 44a BörsG a.F. die Eigenschaft als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ab5.
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Die Börsenzulassungsrichtlinie wurde durch die Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie6 ersetzt, die diese mit einer Reihe weiterer Richtlinien zusammenfasste. Die sich in dieser zunächst in Artt. 68, 81 Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie findende Regelung war jedoch wörtlich identisch mit der in Art. 13 i.V.m. den beiden Schemata der Börsenzulassungsrichtlinie enthaltenen Regelung der Ad hoc-Publizitätspflicht. Ergänzend enthielt Art. 102 Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie die Modalitäten der Veröffentlichung der Ad hoc-Publizität. Wie bereits die Börsenzulassungsrichtlinie verpflichtete auch die Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie lediglich Unternehmen, deren Aktien zur amtlichen Notierung zugelassen waren, zur Ad hoc-Publizität. Entsprechend galt § 44a BörsG a.F. nur für den (damals sog.) amtlichen Handel und nicht für den geregelten Markt. Für den geregelten Markt enthielt § 72 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 76 BörsG a.F. nur einen Teilverweis auf § 44a Abs. 1 BörsG a.F., was zu einer eingeschränkten Ad hoc-Publizität führte7.
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Art. 68 Abs. 1 und Art. 81 Abs. 1 Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie wurden durch Art. 20 der Marktmissbrauchsrichtlinie8 gestrichen und durch Art. 6 der Marktmissbrauchsrichtlinie ersetzt. Dies hatte zur Konsequenz, dass EG-rechtlich die Ad hocPublizität wegen des weitergehenden Anwendungsbereichs der Marktmissbrauchsrichtlinie nicht mehr nur für den amtlichen sondern auch für den geregelten Markt (in der Terminologie des BörsG i.d.F. ab 1.11.2007: regulierter Markt) als „geregeltem Markt“ i.S.d. Art. 1 Nr. 13 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie9 gilt. Anders als Artt. 68 Abs. 1, 81 Abs. 1 der Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie gibt Art. 6 Marktmissbrauchsrichtlinie nur wesentlich gröbere Vorgaben für die Verpflichtung zur Ad hoc-Publizität10. Die Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie und deren Vorläufer betrafen eine „zusätzliche Information“ des Kapitalmarktes durch den Emittenten und stellten dabei wesentlich auf die durch diese zusätzliche Information möglicherweise bewirkte Änderung der Kurse von Aktien bzw. auf die Fähigkeit des Emittenten, sei1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Vgl. nur Assmann in Assmann/Schütze, Hdb. Kapitalanlagerecht, § 1 Rz. 51 ff. m.w.N. Richtlinie 1979/279/EWG, ABl. EG Nr. L 66 v. 16.3.1979, S. 21. Vgl. Weber in Dauses, Hdb. EU-Wirtschaftsrechts, F III Rz. 54; Pellens, AG 1991, 62, 63. Vgl. Schwark, NJW 1987, 2041, 2045; Schäfer, ZIP 1987, 953, 956. Schwark, BörsG, 2. Aufl., § 44 Rz. 14 (unter Verweis auf die Gesetzesbegründung); a.A. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., BörsG § 44a Rz. 1; Schäfer, ZIP 1987, 953, 956; weitere Nachweise bei Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 196. Richtlinie 2001/34/EG v. 28.5.2001, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1 ff. Insb. galt nicht § 70 BörsZulV über die Art und Form der Veröffentlichung. Richtlinie 2003/6/EG v. 28.1.2003, ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. Richtlinie 93/22/EWG v. 10.5.1993, ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27; diese wurde inzwischen durch die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente 2004/39/EG, ABl. EG Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1 ff. ersetzt. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 lautet: „Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass alle Emittenten von Finanzinstrumenten Insider-Informationen, die sie unmittelbar betreffen, sobald als möglich der Öffentlichkeit bekannt geben“.
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nen Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern der von ihm begebenen Schuldverschreibungen nachzukommen, ab. Die Marktmissbrauchsrichtlinie geht von einem geänderten Konzept aus. Sie definiert nicht „zusätzliche Informationen“ sondern „Insider-Informationen“ in Art. 1 Satz 1 Nr. 1 als „nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen“. Die Unterscheidung zwischen ad hoc-publizitätspflichtigen Informationen und Insiderinformationen entfällt damit und auch die Notwendigkeit, eine Unterscheidung bei der Ad hoc-Publizität vorzunehmen zwischen Informationen, die kursrelevant sind, und Informationen, die Einfluss auf die Fähigkeit des Emittenten von Schuldverschreibungen, seinen Verpflichtungen nachzukommen, haben. Die rudimentären Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie werden jedoch ergänzt durch eine Reihe von Durchführungsverordnungen und -richtlinien der Kommission, die im Ergebnis zu wesentlich präziseren Vorgaben für den nationalen Gesetzgeber führen als dies in den ursprünglichen Richtlinien der Fall war1. Auf EG-rechtlicher Ebene wird erörtert, ob mit der Vorgabe des primären Marktmissbrauchsschutzes durch die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen eine inhaltliche Änderung der Schutzziele verbunden ist2. Diese Frage wird gestellt insbesondere mit Blick auf den individuellen Anlegerschutz vs. einem institutionellen Marktschutz. Mit der Einführung der Schadensersatzregelung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation in §§ 37b, 37c WpHG durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz wird für die Bundesrepublik der Individualschutzcharakter der Ad hoc-Publizität kaum noch zu bestreiten sein3.
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Die nationalen Gesetzgeber hatten die Marktmissbrauchsrichtlinie bis 12.10.2004 umzusetzen. In Deutschland erfolgte die Umsetzung durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz4, das in wesentlichen Teilen zum 30.10.2004 in Kraft getreten ist. Dies führte zu sehr erheblichen Rechtsänderungen. Die vor dem AnSVG geltende Rechtslage ist jedoch für die Beurteilung abgeschlossener Sachverhalte weiterhin von Bedeutung. Zusätzliche Änderungen ergaben sich durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG)5, demzufolge sich der Anwendungsbereich der Ad hoc-Publizität nicht mehr auf „Emittenten von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem inländischen organisierten Markt zugelassen sind“, sondern auf „Inlandsemittenten“ bezieht. Durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) wurde § 15 WpHG nicht geändert.
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1 Vgl. VO (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission, ABl. EG Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 33 (zu Rückkaufprogrammen und Kursstabilisierungsprogrammen), Richtlinie 2003/124/EG der Kommission, ABl. EG Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70 (zu Begriffsbestimmung und Veröffentlichung von Insiderinformationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation), Richtlinie 2003/125/EG der Kommission, ABl. EG Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 73 (zur sachgerechten Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten), Richtlinie 2004/72/EG der Kommission, ABl. EG Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70 ff. (zu Directors’ Dealings und Insider-Verzeichnissen). 2 Vgl. dazu Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 7 ff.; Möllers/Leisch in KölnKomm. WpHG, 2007, §§ 37b, c WpHG Rz. 258 ff.; Leppert/Stürwald, ZBB 2002, 90, 94 f.; Schulte in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 4 Rz. 79 ff.; Dier/Fürhoff, AG 2002, 604, 608. 3 Vgl. Begr. RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 87; Möllers/Leisch in KölnKomm. WpHG, 2007, §§ 37b, c WpHG Rz. 260. 4 AnSVG v. 29.10.2004, BGBl. I 2004, 2630. 5 TUG v. 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10.
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III. Tatbestandsvoraussetzungen bei Insiderinformationen 1. Normadressat a) Emittent 11
Zur Veröffentlichung und Mitteilung kursbeeinflussender Tatsachen war nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. grundsätzlich nur der Emittent von Wertpapieren, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen waren, verpflichtet. Normadressat war somit nur ein Emittent von in einer bestimmten Form qualifizierten Wertpapieren. Nicht an der Börse notierte Konzernmuttergesellschaften, deren Tochtergesellschaften an der Börse notiert sind, waren daher nie Adressat der Publizitätspflicht1. Anders als § 13 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. enthielt § 15 Abs. 1 WpHG a.F. keine Konzernerstreckung2. Unbeachtlich war, ob der Emittent im Inland oder im Ausland ansässig war, solange die von ihm emittierten Wertpapiere an einer inländischen Börse zugelassen sind.
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Seit dem TUG ist Normadressat der in § 2 Abs. 7 WpHG legal definierte „Inlandsemittent“. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um zwei Gruppen von Emittenten. Die eine Gruppe besteht aus Emittenten, für die Deutschland der Herkunftsstaat ist (was durch § 2 Abs. 6 WpHG definiert wird), und die zweite zahlenmäßig wesentlich kleinere Gruppe aus Emittenten, für die ein anderer Mitgliedstaat der EU bzw. des EWR der Herkunftsstaat ist, deren Wertpapiere aber nur im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Nicht zu der ersten Gruppe der Inlandsemittenten zählen diejenigen Emittenten, für die Deutschland zwar der Herkunftsstaat ist, deren Wertpapiere jedoch nicht in Deutschland sondern ausschließlich in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des EWR zugelassen sind und dort den entsprechenden Transparenzpflichten unterliegen. Diese Ausnahme von der ersten Gruppe entspricht der Erweiterung der Definition des Inlandsemittenten durch die zweite letztlich Auslandsemittenten darstellende Gruppe 3. Durch das TUG wurden somit Auslandsemittenten, deren Finanzinstrumente auch an einer deutschen Börse zugelassen waren, von der deutschen Pflicht zur Ad hoc-Publizität ausgenommen, was bei der Bewertung der Auswahl der Ad hoc-Veröffentlichungen in Deutschland zu berücksichtigen ist4. Erweitert wird der Begriff des Inlandsemittenten durch § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG, demzufolge bereits die Stellung des Antrags auf Zulassung und nicht erst die Zulassung die Inlandsemittenteneigenschaft entstehen lässt.
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Die Umsetzung von Art. 6 Marktmissbrauchsrichtlinie in § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG führte insoweit zu einer gewissen Erweiterung des Adressatenkreises für die Ad hocPublizität über den (Inlands-)Emittenten hinaus, da Art. 6 Abs. 3 Marktmissbrauchsrichtlinie nicht nur den Emittenten sondern auch „in dessen Auftrag oder für dessen Rechnung handelnde Personen, die Insider-Informationen im normalen Rahmen der Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufes oder der Erfüllung ihrer Aufgaben an einen Dritten weitergeben“ zur gleichzeitigen Information der Öffentlichkeit verpflichten5, soweit die Dritten nicht gesetzlich oder vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Eine dem § 13 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. ähnliche Konzernklausel (Organmitglied 1 Unstrittig, vgl. nur Kümpel/Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, 3. Aufl., § 15 WpHG Rz. 32; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 151; Geibel in Schäfer, 1. Aufl., § 15 WpHG Rz. 26; Zimmer in Schwark, § 15 WpHG Rz. 20 ff. 2 Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 172 f. 3 Vgl. Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 29; Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471, 473; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 54. 4 Vgl. BaFin, Jahresbericht 2007, sub. VI.4.4, S. 185. 5 Vgl. dazu Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2217; Bürgers, BKR 2004, 424, 426.
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des „Emittenten oder eines mit dem Emittenten verbundenen Unternehmens“ – vgl. auch § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WpHG n.F.) sieht jedoch auch § 15 WpHG n.F. nicht vor1. b) Finanzinstrumente Voraussetzung für die Eigenschaft als Normadressat eines Emittenten ist, dass er – unabhängig von seiner Rechtsform – „Finanzinstrumente“ emittiert hat. Die Finanzinstrumente werden von § 2 Abs. 2b WpHG legal definiert2 entsprechend den Vorgaben von Art. 1 Satz 1 Nr. 3 Marktmissbrauchsrichtlinie und nicht (nur) als Wertpapiere qualifiziert. Anders als § 2 Abs. 1 WpHG a.F. umfassen Finanzinstrumente auch Geldmarktinstrumente (§ 2 Abs. 1a WpHG), Derivate (§ 2 Abs. 2 WpHG) und Rechte auf Zeichnungen von Wertpapieren.
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Die deutsche Ad hoc-Publizitätspflicht wurde zudem hinsichtlich des Adressatenkreises insb. um die Emittenten von Derivaten (einschl. Warenderivaten3) erweitert. Dies kann Bedeutung erlangen für nicht börsennotierte Unternehmen, die jedoch – z.B. im Rahmen von Emissionszertifikaten – über Waren-Wertpapiere oder Waren-Derivate Börsen nutzen4.
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c) Börsenzulassung Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.d.F. vor dem TUG mussten die Wertpapiere zum „Handel an einer inländischen Börse zugelassen“ sein. Trotz der Streichung dieses Tatbestandsmerkmals durch das TUG gibt es indirekt über die Definition des Inlandsemittenten in § 2 Abs. 7 WpHG fort, weil es sich hierbei um Emittenten handelt, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, und dies wiederum im § 2 Abs. 6 Satz 1 WpHG mit der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt verknüpft ist. Durch die Formulierung „zum Handel zugelassen“ werden nur Wertpapiere erfasst, die zum regulierten Markt „zugelassen“ wurden. Die Zulassung zum regulierten Markt erfolgt gemäß § 32 Abs. 2 BörsG. In den Freiverkehr werden Wertpapiere lediglich „einbezogen“, § 48 BörsG. Im Inland ausschließlich im Freiverkehr gehandelte Wertpapiere sind daher bisher nicht ad hoc-publizitätspflichtig5. Erst recht findet ein außerbörslicher Telefonhandel nicht auf einem organisierten Markt i.S.v. § 2 Abs. 5 WpHG statt, so dass insoweit keinerlei Ad hoc-Publizitätspflicht besteht6. 1 Anders als von Burgard, ZHR 162 (1998), 51, 58 gefordert. 2 Vgl. dazu Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 2 WpHG Rz. 12 ff.; Braun in Möllers/ Rotter, Ad-hocPublizität, § 7 Rz. 3; Waldhausen, Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 164 f. – alle m.w.N. 3 Vgl. Leppert/Stürwald, ZBB 2002, 90, 92; Grimme/v. Buttlar, WM 2003, 901, 905; Tollkühn, ZIP 2004, 2215. 4 Vgl. zum Derivatecharakter von Derivaten auf CO2-Emissionsberechtigungen G. Roth in KölnKomm. WpHG, 2007, § 2 WpHG Rz. 97. 5 Unstrittig, vgl. nur Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 43; Geibel/Schäfer, in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 35; Waldhausen, Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 165 ff.; zu dem Streit, ob der – im Frühjahr 2003 eingestellte – neue Markt § 15 WpHG a.F. unterfiel, vgl. Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 39; Waldhausen, Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 168 ff.; Zimmer in Schwark, § 15 WpHG Rz. 25 ff. – alle m.w.N. 6 Unstrittig, vgl. nur Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 42; zur Kritik der Freistellung des Freiverkehrs (und konsequenterweise auch der Einbeziehung von Wertpapieren in den geregelten Markt) vgl. Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 36 ff.; Waldhausen, Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 166 ff. – alle m.w.N.
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Gleichfalls nicht erfasst sind Finanzinstrumente, die in den regulierten Markt nach §§ 32 Abs. 1 Satz 1, 33 BörsG „einbezogen“ sind. Eine Einbeziehung erfolgt – im Gegensatz zu der Zulassung – nicht auf Antrag des Emittenten sondern auf Antrag eines Handelsteilnehmers des regulierten Marktes, i.d.R. ohne vorherige Rücksprache mit oder gar Zustimmung des Emittenten. Werden bspw. von einem französischen Unternehmen emittierte Aktien, die in Frankreich an einem organisierten Markt gehandelt werden, in den regulierten Markt in Deutschland einbezogen, so hat das französische Unternehmen nicht die deutsche Ad hoc-Publizität zu beachten.
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Die Marktmissbrauchsrichtlinie erfasst durch Artt. 6, 9 Finanzinstrumente, die „zum Handel auf einem geregelten Markt in mindestens einem Mitgliedstaat zugelassen sind oder für die ein entsprechender Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem solchen Markt gestellt wurde“. Klarstellend führt Art. 9 Satz 3 Marktmissbrauchsrichtlinie aus, dass die Ad hoc-Publizität gemäß Absätzen 1 bis 3 nicht für Emittenten gilt, „die für ihre Finanzinstrumente keine Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat beantragt oder erhalten haben“. Die Pflicht zur Ad hoc-Publizität erfährt daher aus EG-rechtlicher Sicht keine Vorgabe zur Erweiterung auf in den Freiverkehr oder in den regulierten Markt einbezogene Aktien. Der Gesetzgeber hat es bei der Regelung belassen, dass Emittenten nur ad hoc-publizitätspflichtig sind, wenn ihre Finanzinstrumente auf einem inländischen regulierten Markt gehandelt werden1. Werden jedoch Finanzinstrumente inländischer Unternehmen auf einem geregelten Markt eines anderen Mitgliedstaates gehandelt, so muss dieser Mitgliedstaat eine Ad hoc-Publizität für Insiderinformationen vorsehen. 2. Insiderinformation a) Tatsachenbegriff
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Veröffentlichungspflichtig waren vor dem AnSVG neue, nicht öffentlich bekannte Tatsachen, die in dem Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten waren, wenn sie wegen der Auswirkung auf die Vermögens- oder Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet waren, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen bzw. im Falle von Schuldverschreibungen die Fähigkeit des Emittenten zu beeinträchtigen, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Als Tatsachen wurden grundsätzlich alle „Zustände und Geschehnisse der Vergangenheit und Gegenwart, die sinnlich wahrnehmbar in die Wirklichkeit getreten und daher dem Beweise zugänglich sind“, bezeichnet2. Auch wenn hierdurch zukünftige Ereignisse ausgeschlossen wurden, konnte eine Absicht, etwas in der Zukunft zu tun, bereits eine Tatsache in diesem Sinne begründen3. Auch wenn der Tatsachenbegriff als solcher grundsätzlich identisch war mit dem des Tatsachenbegriffs im Insiderrecht gemäß § 13 Abs. 1 WpHG a.F., so war doch unstreitig, dass der (Gesamt-)Tatbestand der ad hoc-publizitätspflichtigen Tatsache enger war als der (Gesamt-)Tatbestand der Insidertatsache4. Mangels Beweisbarkeit wurden daher grundsätzlich Vorhaben, Pläne, Meinungen, Werturteile, Rechtsauffassungen, Prognosen
1 Zur Kritik hieran vgl. Stellungnahme des DAV Handelsrechtsausschuss, NZG 2004, 703, 704. 2 BGH, JR 1977, 28, 29; BGH v. 26.10.1951 – ZR 8/51, BGHZ 3, 270, 273; BGH v. 21.6.1966 – VI ZR 261/64, BGHZ 45, 296, 304. 3 Von Klitzing, Ad-hoc-Publizität, S. 75 m.w.N. 4 Geibel in Schäfer, 1. Aufl., § 15 WpHG Rz. 30f.; Kümpel/Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, 3. Aufl., § 15 WpHG Rz. 55 f.; Waldhausen, Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 174 f.
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etc. von dem Tatsachenbegriff nicht erfasst1. Allerdings sollte es eine Tatsache sein können, wenn ein Vorstand oder sonstiges Organ Vorhaben, Pläne, Meinungen, Werturteile, Rechtsauffassungen oder Prognosen hatte. Von dem Tatsachenbegriff wurden dann jedoch nicht der Inhalt der Pläne etc. erfasst, sondern Tatsache war, dass der Vorstand ein bestimmtes Vorhaben hatte. Hinsichtlich einer Reihe von Sachverhalten hatte sich eine umfangreiche Diskussion darüber entzündet, ob es sich insoweit um Tatsachen i.S.v. § 15 Abs. 1 WpHG a.F. handelte. Hierzu zählte u.a. die Frage der Einbeziehung von inneren Tatsachen2, von Gerüchten3, von mehrstufigen Entscheidungs- und Entwicklungsprozessen4 oder der von „Gesamttatsachen“5. Insbesondere bei den mehrstufigen Entscheidungsprozessen schien sich die Überzeugung zu bilden, dass nicht auf die letzte Stufe des Entscheidungsprozesses abzustellen war, sondern darauf, wann eine Konkretisierung eintrat, die erwarten ließ, dass eine von der ersten Stufe des Entscheidungsprozesses gewünschte Entscheidung getroffen werden würde. Durchgängig setzte sich jedoch die Erkenntnis durch, dass der Tatsachenbegriff wenig geeignet war, den Tatbestand des § 15 WpHG a.F. und seine Rechtsfolgen ernsthaft zu begrenzen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hatte daher in Zusammenarbeit mit der Deutsche Börse AG einen Katalog von klassischen ad hoc-publizitätspflichtigen „Tatsachen“ zusammengestellt, der für die Praxis einen guten Ausgangspunkt für weitergehende Überlegungen darstellte6.
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b) Verhältnis von Insiderinformation zu Tatsachenbegriff Art. 6 Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie gibt den Mitgliedstaaten vor, die Emittenten von Finanzinstrumenten zu verpflichten, „Insider-Informationen“ unter bestimmten weiteren Bedingungen der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Als solche werden von Art. 1 Satz 1 Nr. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie – verkürzt – bezeichnet „präzise Informationen“. Anders als § 15 WpHG a.F. wird somit nicht auf dem Beweis zugäng1 Schockenhoff/Wagner, AG 1999, 548, 550; Claussen, Ad-hoc-Publizität, Rz. 102, 109; von Klitzing, Ad-hocPublizität, S. 86 ff.; Waldhausen, Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 174 ff. 2 Verneinend: Von Klitzing, Ad-hoc-Publizität, S. 75 f.; bejahend: Geibel in Schäfer, 1. Aufl., § 15 WpHG Rz. 27; Kümpel/Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, 3. Aufl., § 15 WpHG Rz. 56. 3 Ablehnend: Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449, 455; Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad-hoc-Publizität, S. 157 ff.; Braun in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rz. 11 ff.; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 153; Waldhausen, Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 178 f.; Zimmer in Schwark, § 15 WpHG Rz. 32 f.; vorsichtig bejahend: Kümpel/Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, 3. Aufl., § 15 WpHG Rz. 57; von Klitzing, Ad-hoc-Publizität, S. 88 f.; – hiervon zu unterscheiden war die Frage, ob eine Pflicht zur Dementierung von Gerüchten bestand, wenn diese aus Sicht des Emittenten unzutreffend waren – dazu nach neuem Recht Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 652, 653, 656 f. 4 Hier drehte sich der Streit darum, ab welcher Entwicklungsstufe eine Tatsache publizitätspflichtig werden sollte – ausführlich Waldhausen, Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 215 ff.; Geibel in Schäfer, 1. Aufl., § 15 WpHG Rz. 33; Kümpel/Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, 3. Aufl., § 15 WpHG Rz. 58 ff., 61 ff.; Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad-hoc-Publizität, S. 159 f.; Gehrt, Ad-hoc-Publizität, S. 123 ff.; Braun in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rz. 14 ff. 5 Ablehnend: von Klitzing, Ad-hoc-Publizität, S. 80 f.; Kümpel, AG 1997, 66, 69; bejahend: Waldhausen, Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsachen, S. 213 f.; Gehrt, Ad-hoc-Publizität, S. 126 f.; Geibel in Schäfer, 1. Aufl., § 15 WpHG Rz. 33. 6 Vgl. Bekanntmachung des BAWe/Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote und Ad-hoc-Publizität nach dem WpHG, S. 25 ff. mit einer ausführlichen Beispielsliste auf S. 60; zu der fehlenden Bindungswirkung des Katalogs vgl. Braun in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 7 Rz. 20 f. m.w.N.
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liche Tatsachen abgestellt sondern auf Informationen über nicht öffentlich bekannte Umstände oder Ereignisse. Hierzu zählen nach § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG auch solche, „bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden“. 22
Durch die einheitliche Verwendung des Begriffs der Insiderinformation in § 13 und in § 15 WpHG wird im Grundsatz immer dann eine Ad hoc-Publizitätspflicht ausgelöst, wenn eine Information einen solchen Grad der Konkretisierung erreicht hat, dass sie ein Insiderverbot auslöst. Zudem macht der Begriff der Insiderinformation eine Reihe weiterer Tatbestandsmerkmale als Voraussetzung für eine Ad hoc-Publizitätspflicht obsolet, so den „Eintritt“ einer „neuen“ nicht öffentlich bekannten Tatsache nebst „Eignung“ zur „erheblichen Beeinflussung des Börsenpreises“ einschließlich des Kausalitätserfordernisses für die „Auswirkung auf die Vermögens- oder Finanzlage oder den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten“1. Trotz des nunmehr erheblich höheren Gleichlaufs von § 13 und § 15 WpHG besteht immer noch der Zustand fort, dass die ad hoc-publizitätspflichtigen Insiderinformationen nur eine Teilmenge der den Insiderverboten unterliegenden Insiderinformationen darstellen. Der Grund hierfür besteht insb. darin, dass eine Tatsache, um ad hoc-publizitätspflichtig zu sein, den Emittenten unmittelbar betreffen muss. Da die Teilmenge der ad hoc-publizitätspflichtigen Tatsachen jedoch wesentlich größer geworden ist, war es erklärtes Ziel des Gesetzgebers, die Ad hoc-Publizität auszuweiten.
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Aufgrund der identischen Definition der Insiderinformation im Recht der Insiderverbote und dem Recht der Ad hoc-Publizität kann hinsichtlich der früher umstrittenen Fragen der Werturteile, Prognosen, Planungsrechnungen, Gerüchten und Richtigstellungspflichten sowie dem erforderlichen Realisierungsgrad bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen2 und der Entstehung einer Insiderinformation beim Ausscheiden eines Vorstandsmitgliedes (Fall „Schrempp/Daimler Chrysler AG“) auf die Ausführungen in § 13 Rz. 13 ff. und den Katalog der veröffentlichungspflichtigen Insiderinformationen in dem Emittentenleitfaden der BaFin verwiesen werden3. Darüber hinaus haben sich Fragen der Ad hoc-Publizität im Zuge von Enforcementverfahren nach §§ 37n ff. WpHG gestellt4, beim Unternehmenskauf5, bei der Feststellung einer unrichtigen Bilanzierung6, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Zahlen des Jahresabschlusses7, des Berichts über stille Reserven etc. – soweit trotzdem noch Unsicherheiten bestehen, wird z.T. vorgeschlagen, eine vorsorgliche Ad hoc-Publizität zuzulassen8.
1 Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 47 m.w.N. 2 Zum Beispiel des Ausscheidens des Vorstandsvorsitzenden vgl. Fleischer, NZG 2007, 401 und Möllers, NZG 2008, 330; Leuering, DStR 2008, 1287. 3 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, sub. IV.2.2.4., S. 43 sowie Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 51 ff. m.w.N.; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 75 ff. 4 Dazu Assmann, AG 2006, 261. 5 Dazu Harbarth, ZIP 2005, 1898. 6 Dazu Korsten, AG 2006, 321, 328. 7 Dazu Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 70 ff. m.w.N. 8 Befürwortend: Widder, DB 2008, 1480 f.; dagegen: Gunßer, Ad-hoc-Publizität bei Unternehmenskäufen und -übernahmen, 2008, S. 87; unklar: Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 149.
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Ad hoc-Publizität 3. Unmittelbare Betroffenheit des Emittenten
Ad hoc-publizitätspflichtig sind diese Insiderinformationen jedoch seit dem AnSVG nur insoweit, wie die Insiderinformation den Emittenten unmittelbar betrifft. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers war es, durch die Ersetzung des Tatbestandsmerkmals des Eintritts einer Tatsache im Tätigkeitsbereich des Emittenten durch die unmittelbare Betroffenheit des Emittenten den Anwendungsbereich des § 15 WpHG zu erweitern1. § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG konkretisiert die unmittelbare Betroffenheit daher darüber hinausgehend, dass sie insb. vorliegt, wenn die Insiderinformation auf Umständen beruht, „die im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind“. Der früher als eigenständiges Tatbestandsmerkmal fungierende Begriff wurde somit zu einem nur in affirmativer Form („insbesondere“) verwendeten Element und der Theorienstreit um die Frage der Eigenständigkeit des Tatbestandsmerkmals neben dem Tatbestandsmerkmal der Tatsache i.S.d. verneinenden h.M. beendet2.
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Bei den Emittenten unmittelbar betreffenden Umständen kann es sich um unternehmensinterne wie unternehmensexterne handeln. Zu ersteren zählen etwa Beschlüsse von Organen, Abschlüsse von Rechtsgeschäften, die Abgabe von Willenserklärungen, Rechnungslegung etc.3. Zu letzteren zählen Ereignisse, die von außen auf das Unternehmen zukommen und unabhängig davon sind, ob sie im Unternehmen ihre Ursache haben oder der Emittent auf ihren Eintritt Einfluss hat, wie z.B. Prozesse, Naturereignisse, Steuernachforderungen oder sonstige Handlungen Dritter. Allgemeine Marktdaten wie Inflation, Zinsen oder Währungskursrelationen betreffen den Emittenten nur mittelbar und sind daher nicht publizitätspflichtig4. Problematisch ist, ob Herauf- oder Herabstufung eines Emittenten oder eines von ihm emittierten Finanzinstrumentes durch eine Ratingagentur den Emittenten unmittelbar betrifft5, ob ihn wesentliche Veränderungen in der Aktionärsstruktur betreffen6, wie öffentliche Übernahme- oder Erwerbsangebote zu behandeln sind7 oder ob den Emittenten Vorgänge bei verbundenen Unternehmen unmittelbar betreffen8.
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Im Bereich des Eintritts von Insiderinformationen im Konzernzusammenhang ist zunächst danach zu differenzieren, ob im Falle einer Börsennotierung des Emittenten als Muttergesellschaft der Eintritt einer Insiderinformation bei einer nicht börsennotierten Tochtergesellschaft als den Emittenten unmittelbar betreffend gelten kann. Dies wird von der überwiegenden Meinung dahingehend beantwortet, dass der Eintritt der Insiderinformation dem Mutterunternehmen immer dann zuzurechnen sein soll, wenn das Mutterunternehmen einen Konzernabschluss i.S.v. § 290 Abs. 1 HGB aufzustellen hat und Mutter- und Tochterunternehmen verbundene Unterneh-
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BT-Drucks. 15/3174, S. 27. Vgl. zu dem Streit 1. Aufl., § 14 Rz. 27. Vgl. Happ/Semler, ZGR 1998, 116, 124 f. Vgl. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 64; Geibel/Schäfer in Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 84; Zimmer in Schwark, § 15 WpHG Rz. 49; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 85. Bejahend: Begr. RegE BT-Drucks. 15/3174, S. 35; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 94; verneinend: BaFin, Emittentenleitfaden, sub. IV.2.2.2. Verneinend die bisher h.L., vgl. Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 193 ff.; nunmehr bejahend Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 70; Bürgers, BKR 2004, 426; Gehrt, Die neue Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG, S. 140; Kuthe, ZIP 2004, 883, 885. Vgl. dazu ausführlich Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 91 ff. und Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 93. Vgl. dazu Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 96, 104 m.w.N.; Nietsch, BB 2005, 785, 786; Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2032.
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men i.S.d. § 271 Abs. 2 HGB sind1. Einschränkend wird jedoch zum Teil gefordert, dass nur Insiderinformation zu berücksichtigen sind, die bei Tochtergesellschaften eintreten, die in den Konsolidierungskreis i.S.v. §§ 290 ff. HGB einbezogen sind2. Ist jedoch das Tochterunternehmen börsennotiert, nicht aber das Mutterunternehmen und tritt bei dem Mutterunternehmen die Insiderinformation ein, so ist dieser Eintritt dem börsennotierten Tochterunternehmen nicht zuzurechnen, da anderenfalls die Grenze von einer zulässigen Auslegung zu einer unzulässigen Analogie im Strafrecht überschritten würde3. Einen Sonderfall stellt der Eintritt einer ad hoc-publizitätspflichtigen Insiderinformation bei einem Tochterunternehmen dar, wenn sowohl das Tochter- wie das Mutterunternehmen börsennotiert sind. Hier wäre es für den Kapitalmarkt verwirrend, wollte man auch für das Mutterunternehmen den – grundsätzlich gegebenen – Eintritt einer Insiderinformation in seinem Tätigkeitsbereich annehmen. Aus Gründen der Klarheit der Information des Kapitalmarktes bedarf es insoweit einer teleologischen Einschränkung der Ad hoc-Publizitätspflicht auf eine bloße Ad hoc-Publizitätspflicht bei der Tochtergesellschaft4. 27
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 WpHG a.F. enthielt für die ad hoc-publizitätspflichtigen Tatsachen eine Sonderregelung für börsenzugelassene Schuldverschreibungen. Für diese wurde ausdrücklich statuiert, dass eine Tatsache (nur) dann veröffentlichungspflichtig war, wenn sie „die Fähigkeit des Emittenten, seinen Verpflichtungen nachzukommen, beeinträchtigen“ konnte. Diese Regelung ist ersatzlos entfallen. Wenn ein Emittent somit (nur) eine Schuldverschreibung an der Börse zugelassen hat, ist seine Ad hoc-Publizitätspflicht darauf beschränkt, dass die Insiderinformation geeignet ist, im Falle ihres Bekanntwerdens den „Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen“. Dies dürfte i.d.R. dann der Fall sein, wenn eine Beeinträchtigung der Fähigkeit des Emittenten, seinen Verpflichtungen aus der Anleihe nachzukommen, zu befürchten ist. I.d.R. ist daher eine Insiderinformation bei ausschließlicher Zulassung von Schuldverschreibungen nur bei wesentlich schwerwiegenderen Ereignissen anzunehmen als im Falle von Eigenkapitalinstrumenten des Emittenten5.
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Von der Frage der unmittelbaren Betroffenheit zu unterscheiden ist die Frage, ob der Vorstand sich auf eine Unkenntnis der Entstehung einer Insiderinformation berufen 1 Zimmer in Schwark, § 15 WpHG Rz. 55; Wölk, AG 1997, 73, 77; Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449, 451; Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 31; Pellens, AG 1991, 62, 65 (zu § 44a BörsG a.F.); Geibel/ Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 98 f.; Gehrt, Ad-hoc-Publizität, S. 141 f.; von Klitzing, Ad-hoc-Publizität, S. 108 f.; weitergehend (schlichtes Beteiligungsverhältnis ausreichend) Schlittgen, Ad-hoc-Publizität, S. 92 ff. 2 Peltzer, ZIP 1994, 746, 750; Wölk, AG 1997, 73, 77; Waldhausen, Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 198 f. 3 Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 100; Zimmer in Schwark, § 15 WpHG Rz. 57; Kuthe, ZIP 2004, 883, 885; Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449, 451; Gehrt, Ad-hoc-Publizität, S. 142; von Klitzing, Ad-hoc-Publizität, S. 108 f.; Waldhausen, Adhoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 200 f.; a.A. Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 31; Fülbier, Regulierung der Ad-hoc-Publizität, S. 254 f.; Singhof, ZGR 2001, 146, 170; unklar Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2217; Möllers, ZBB 2003, 390, 392. 4 So Gehrt, Ad-hoc-Publizitätspflicht, S. 142 f., 214; Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 31; wohl für Pflicht zur Doppelmeldung: Von Klitzing, Ad-hoc-Publizitätspflicht, S. 108; Waldhausen, Adhoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 200; Fülbier, Regulierung der Ad-hoc-Publizität, S. 253; etwas anderes mag gelten, wenn das Tochterunternehmen im Inland notiert ist und das Mutterunternehmen an einer ausländischen Börse und die Tatsache bei dem Mutterunternehmen eintritt – es sind dann verschiedene Kapitalmärkte betroffen, die durchaus eine Information des deutschen Kapitalmarktes als wünschenswert erscheinen lassen können. 5 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, sub. IV.2.2.5; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 107.
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kann. Insoweit handelt es sich nicht um eine Frage der Wissenszurechnung des Eintritts der Insiderinformation zu dem Unternehmen1, denn die Pflicht zur Ad hoc-Publizität enthält kein kognitives Element. Es ist Aufgabe des Vorstandes, sein Unternehmen so zu organisieren, dass ihm die objektive Entstehung einer Information als dem die Ad hoc-Publizitätspflicht auslösenden Faktor zur Kenntnis kommt. Insoweit handelt es sich um einen Kernbereich der Leitungsfunktion des Vorstandes, den er nicht auf untere Führungsebenen übertragen kann2. Unabhängig von einer Kenntnis des Vorstandes entsteht die Ad hoc-Publizitätspflicht daher – soweit die übrigen Voraussetzungen gegeben sind –, wenn die Insiderinformation objektiv entsteht. Hieran hat auch § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG nichts geändert, demzufolge im Falle einer unwissentlichen Mitteilung von Insiderinformationen an Dritte die Veröffentlichung der Insiderinformation unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern i.S.v. § 121 BGB, nachzuholen ist. Durch diese Vorschrift wird lediglich klargestellt, dass die bereits durch § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG statuierte Veröffentlichungspflicht für den Fall der Mitteilung oder Zugänglichmachung der Insiderinformation an nicht zur Vertraulichkeit verpflichtete Dritte nur insoweit Geltung entfaltet, wie die Mitteilung oder Zugänglichmachung wissentlich erfolgt. Erfasst werden insb. die Fälle, in denen sich der Informationsüberlassende über den Umstand der Weitergabe nicht bewusst war oder er über die Verschwiegenheitspflicht des Dritten oder den Charakter der Information als Insiderinformation irrte3. Durch § 15 Abs. 1 Sätze 4 und 5 WpHG wird daher nur eine zusätzliche Veröffentlichungspflicht statuiert, nicht jedoch die grundsätzlich bereits auf Grund von Satz 1 bestehende eingeschränkt.
IV. Tatbestandsvoraussetzungen bei der Weitergabe von Insiderinformationen 1. Normadressat Durch das AnSVG wurde die Pflicht zur Ad hoc-Publizität nicht nur für den Fall des Vorliegens einer Insiderinformation statuiert, sondern diese auch erweitert um den Fall der Weitergabe von Insiderinformation an Dritte. § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG statuieren eine Ad hoc-Publizitätspflicht für den Emittenten, der ebenso wie in Sätzen 1 und 2 als „Inlandsemittent“ zu verstehen ist4. Der Adressatenkreis wird jedoch erweitert um Personen, die im Auftrag oder auf Rechnung des Emittenten handeln. Zielsetzung der Vorgabe von Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie ist, die Angehörigen derjenigen Berufsgruppen zu erfassen, die in der Sphäre des Emittenten tätig sind und typischerweise Kenntnis von Insiderinformationen erlangen5. Dies wird z.T. dahingehend verstanden, dass jegliches vertragliche Schuldverhältnis zwischen Emittent und „Person“ ausreichend sein soll6. Erfasst sind unstr. insb. Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Public Relations Unternehmen etc.
1 So zutreffend Braun in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 8 Rz. 48. 2 Möllers/Leisch, WM 2001, 1648, 1652. 3 Leuering, NZG 2005, 12, 17; Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2032; Geibel/Schäfer in Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 117; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 110; sowie unten bei Rz. 33. 4 Vgl. oben Rz. 11 ff.; Leuering, NZG 2005, 12, 13. 5 BaFin, Emittentleitfaden, sub. VII.2.2. 6 Simon, Der Konzern 2005, 13, 18.
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Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
2. Befugte Mitteilung oder Zugänglichmachung von Insiderinformation 30
Der Emittent oder die in seinem Auftrag handelnde Person muss die Insiderinformation „im Rahmen der Befugnis“ einem Dritten mitteilen oder zugänglich machen. Der Begriff der Mitteilung oder Zugänglichmachung ist identisch mit dem in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG1. Fraglich ist jedoch, ob in § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG die Insiderinformation nur diejenige ist, die – wie in Satz 1 – den Emittenten unmittelbar betrifft, oder jegliche Insiderinformation wie in § 13 Abs. 1 WpHG. Es liegt zwar nahe, dass in demselben Absatz auch derselbe Insiderbegriff verwendet wird2. Wäre dem jedoch so, würde der Emittent als Adressat der Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG derselben Pflicht wie nach Satz 1 unterliegen. Zur Rechtfertigung eines solchen Ergebnisses kann auch nicht auf § 15 Abs. 3 WpHG verwiesen werden, demzufolge der Emittent keiner Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG unterliegt, wenn die Befreiungsvoraussetzungen von § 15 Abs. 3 WpHG vorliegen. Denn § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG enthält als weiteres Tatbestandsmerkmal, dass die Information an nicht einer Verschwiegenheitspflicht unterliegende Dritte weitergegeben wird. In diesem Fall liegt jedoch die Voraussetzung von § 15 Abs. 3 WpHG nie vor, dass „die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleistet ist“. Durch § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG werden daher Insiderinformationen erfasst, die gerade nicht durch § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG durch einen Emittentenbezug eingeschränkt sind3.
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Weitere Voraussetzung für die Ad hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG ist, dass die Weitergabe der Insiderinformation „befugt“ ist. Insofern gelten dieselben Voraussetzungen wie in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG4. Zudem muss die Weitergabe an Dritte erfolgen, die keiner rechtlichen Verpflichtung zur Vertraulichkeit unterliegen. Da eine befugte Weitergabe vorliegen muss, diese jedoch an Personen erfolgt, die ihrerseits keiner rechtlichen Verpflichtung zur Vertraulichkeit unterliegen, kann im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die Befugnis zur Weitergabe nicht zwingend eine Vertraulichkeitsverpflichtung des Informationsempfängers voraussetzt, denn andernfalls würde der Tatbestand des § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG nie verwirklicht werden können. 3. Rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichteter Dritter
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Der Terminus der „rechtlichen Pflicht zur Vertraulichkeit“ gibt Anlass zu umfangreichen Diskussionen. Unstreitig kann es sich um vertragliche oder gesetzliche Vertraulichkeitspflichten handeln. Als gesetzliche Pflichten kommen insb. § 43a Abs. 2 BRAO, § 43 Abs. 1 WPO, § 57 Abs. 1 Satz 1 StBerG, § 11 FinDAG, § 9 KWG, § 10 BörsG, § 8 WpHG, § 9 WpÜG, § 22 WpPG in Betracht. Ein Teil der Literatur fordert für die vertraglichen Vertraulichkeitspflichten „spezielle und ausdrückliche Vertraulichkeitsvereinbarungen“5, da die Gesetzesbegründung von einer „besonderen“ Vertraulichkeit spricht, während die h.L. insoweit jegliche vertragliche Pflicht, also 1 Vgl. § 13 Rz. 45 ff.. 2 So Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 114. 3 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 649; Leuering, NZG 2005, 12, 14; Geibel/Schäfer in Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 111; Simon, Der Konzern 2005, 13, 18; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 218; a.A. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 114. 4 Vgl. dazu § 13 Rz. 45 ff.; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 116. 5 So insb. Kuthe, ZIP 2004, 883, 885; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1952; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 115.
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§ 14
Ad hoc-Publizität
auch eine vertragliche Nebenpflicht, ausreichen lässt1. Das rechtliche Verbot zur Weitergabe von Insiderinformationen in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG begründet jedoch keine „gesetzliche Verpflichtung zur Vertraulichkeit“, weil dann für § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG praktisch kein Anwendungsbereich verbliebe2. 4. Unwissentliche Mitteilung oder Zugänglichmachung Der Zeitpunkt für die Pflicht zur Veröffentlichung ist grundsätzlich derselbe, zu dem die Insiderinformation dem nicht zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten mitgeteilt wird. Durch § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG wird dieser Zeitpunkt hinausgeschoben für den Fall, dass die Mitteilung „unwissentlich“ erfolgte. Dies dürfte nur dann vorliegen, wenn der Emittent bzw. die in seinem Auftrag handelnde Person sich über den Umstand der Informationsweitergabe (was wohl am ehesten bei der Variante der „Zugänglichmachung“ vorliegen wird) oder über das Vorliegen einer Verschwiegenheitspflicht des Dritten3 oder überhaupt das Vorliegen einer Insiderinformation irrt. Die Insiderinformation ist in diesem Fall „unverzüglich“, also ohne schuldhaftes Zögern, nachzuholen. Dies setzt jedoch Erkenntnis der unwissentlichen Weitergabe voraus.
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V. Befreiung von Veröffentlichungspflicht 1. Selbstbefreiungsmöglichkeit und Kontrolle durch die BaFin Liegen die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG vor, ist grundsätzlich die Insiderinformation gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 WpHG i.V.m. §§ 4 ff. WpAIV unverzüglich4 zu veröffentlichen. Von der Pflicht zur Veröffentlichung einer Ad hoc-Publizität nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG (und nicht von den parallelen Pflichten zur Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 3 oder Abs. 2 Satz 2 WpHG!) macht § 15 Abs. 3 WpHG eine Ausnahme. Während vor dem AnSVG die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht den Emittenten auf Antrag von der Veröffentlichungspflicht befreien konnte, wenn die Veröffentlichung der Tatsache geeignet war, den berechtigten Interessen des Emittenten zu schaden, sieht § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG vor, dass der Emittent ohne Mitwirkung der BaFin von der Veröffentlichungspflicht befreit ist, wenn und solange – es der Schutz der berechtigten Interessen des Emittenten erfordert (Rz. 36), – keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist (Rz. 38) und – der Emittent die Vertraulichkeit der Information gewährleisten kann (Rz. 39). Von der Möglichkeit der Befreiung durch die BaFin wurde in der Praxis nur selten Gebrauch gemacht5. So wurden etwa im Jahr 2002 26 Anträge auf Befreiung von der Ad hoc-Publizität gestellt, die von der BaFin in 18 Fällen gewährt wurde6. Die Befreiung wurde regelmäßig nur für kürzeste Zeiträume, typischerweise wenige Tage, gewährt. 1 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 117 f.; Simon, Der Konzern 2005, 12, 18; Leuering, NZG 2005, 12, 16; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 227. 2 Leuering, NZG 2005, 12, 15; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 226; a.A. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 117. 3 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 117. Dies übersieht Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 231, wenn er ausführt, im Falle des Satzes 5 fehle es an der „befugten“ Weitergabe, weil diese eine wissentliche Weitergabe voraussetze. 4 Vgl. zu diesem Merkmal Möllers in FS Horn, S. 473 ff. 5 Vgl. nur Zimmer in Schwark, § 15 WpHG Rz. 128. 6 Vgl. Jahresbericht der BaFin für 2002, S. 162.
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Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
Da der Emittent für die Befreiung von der Veröffentlichungspflicht nicht mehr die BaFin einzuschalten hat, ist es naheliegenderweise schwierig, den genauen zahlenmäßigen Umfang der Ausnahmeregelung festzustellen. Die Erfahrungen in der Praxis zeigen jedoch, dass die Nutzung eine wesentlich größere Anzahl von Sachverhalten betreffen dürfte als unter der früheren Gesetzesregelung. Immerhin muss der von der Befreiungsmöglichkeit Gebrauch machende Emittent nach § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG die Gründe für die Befreiung zusammen mit einer etwaigen Mitteilung hierüber gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 WpHG der BaFin unter Angabe des Zeitpunktes der Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung mitteilen, wenn die Insiderinformation gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG nach Wegfall der Befreiung veröffentlicht wird1/2. Allerdings ist keine Veröffentlichung vorzunehmen und die BaFin ist von der Befreiung nicht zu unterrichten, wenn die Insiderinformation während des Befreiungszeitraumes ihren Charakter als Insiderinformation wieder verloren hat3. Dies ist etwa der Fall, wenn eine von einem Kreditinstitut gekündigte Kreditlinie während des Befreiungszeitraums erneut eingeräumt wird. Auch wenn es im Einzelfall mangels nachgeholter Veröffentlichung nicht zu einer – nachträglichen – Kontrolle der vorausgegangenen Selbstbefreiung durch die BaFin kommt, sollte das Unternehmen die Gründe für die Selbstbefreiung auch ohne ausdrückliche Rechtspflicht zur Dokumentation und Aufbewahrung derselben4 sorgfältig aufzeichnen und aufbewahren, da diese etwa im Rahmen von Insiderermittlungsverfahren auch später Bedeutung erlangen können. Eine gesetzliche Aufbewahrungsfrist wie etwa § 16 Abs. 2 Satz 1 WpAIV sie für die Insiderverzeichnisse mit 6 Jahren vorsieht, besteht für Selbstbefreiungen nicht. Die Frist des § 257 Abs. 5 HGB von 10 Jahren für Jahresabschlüsse und Handelsbriefe findet keine Anwendung. – Wie bei der vorsorglichen Ad-hoc-Publizität ist streitig, ob eine vorsorgliche Selbstbefreiung zulässig ist5. 2. Befreiungsvoraussetzungen a) Schutz der berechtigten Interessen des Emittenten
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Die eigenverantwortliche Entscheidung des Emittenten über das Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen ist an die Erfüllung von drei Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft. Zunächst muss der „Schutz der berechtigten Interessen des Emittenten“ die Befreiung von der Ad hoc-Publizität „ erfordern“. Dies setzt eine Güterabwägung zwischen den Geheimhaltungsinteressen des Emittenten und dem Informationsinteresse des Kapitalmarktes voraus 6, § 6 Satz 1 WpAIV. Für ein Überwiegen der Interes1 Der Gesetzgeber hat damit nicht von der durch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Marktmissbrauchsrichtlinie eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Emittenten zur unverzüglichen Information der BaFin bereits bei Vornahme der Entscheidung zur Unterlassung einer Veröffentlichung zu verpflichten, da dies nicht dem gewünschten „Entlastungseffekt“ für die BaFin – euphemistisch als Deregulierung bezeichnet – erbracht hätte – vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 15/3174, S. 35. 2 Immerhin führt die spätere Veröffentlichung der Insiderinformation dazu, dass die BaFin feststellt, dass im Jahre 2006 in 192 Fällen und im Jahr 2007 in 209 Fällen von der Befreiungsmöglichkeit Gebrauch gemacht wurde – vgl. BaFin, Jahresbericht 2007, sub. VI.4.4, S. 185. 3 BaFin, Emittentenleitfaden, sup. IV.3, S. 53; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 935; Simon, Der Konzern 2005, 13, 22; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 173 f.; a.A. Bürgers, BKR 2004, 424, 426; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2220; vgl. auch Rz. 40. 4 Dazu Simon, Der Konzern 2005, 13, 21; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 164; a.A. Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 650. 5 Vgl. Widder, DB 2008, 1480, 1481 ff. m.w.N. sowie oben bei Rz. 23. 6 Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 157; Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2033, Assmann in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 136 ff.; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 151 ff.
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Ad hoc-Publizität
sen des Emittenten gibt § 6 Satz 2 WpAIV zwei gesetzliche Regelbeispiele. Dies soll zum einen der Fall sein, wenn das Ergebnis oder der Gang laufender Verhandlungen über Geschäftsinhalte von der Veröffentlichung wahrscheinlich erheblich beeinträchtigt würden und eine Veröffentlichung die Interessen der Anleger ernsthaft gefährden würde. Zum anderen soll dies der Fall sein, wenn durch das Geschäftsführungsorgan des Emittenten abgeschlossene Verträge oder Entscheidungen ebenfalls bekannt gemacht werden müssten, für deren Wirksamkeit noch die Zustimmung eines anderen Organs erforderlich ist, und dies die sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum gefährden würde. Als Beispielsfälle für die erste Fallgruppe werden die vor dem Abschluss stehende Sanierung (z.B. Eintritt eines neuen Großanlegers zur schnellen Zufuhr von benötigtem Eigenkapital) oder laufende Verhandlungen bei einer Unternehmensübernahme genannt1. Für die zweite Fallgruppe werden als Beispielsfälle genannt die noch ausstehende Zustimmung des Aufsichtsrates, wenn diese nicht als hinreichend sicher anzusehen ist, oder die Unvollständigkeit von Geschäftsergebnissen2/3. Streitig ist, ob im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen von § 6 Satz 2 WpAIV das „berechtigte Interesse“ i.S.v. § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG als gegeben anzusehen ist4 oder ob es trotzdem noch einer Interessenabwägung bedarf5. Für die weite Auffassung spricht, dass andernfalls § 6 WpAIV praktisch nutzlos ist, wenn auch in den dort gegebenen Beispielsfälle die Interessenabwägung zwischen den Interessen des Emittenten und denen des Kapitalmarktes trotzdem noch vorzunehmen ist. Für die engere Auffassung sprechen sowohl der Wortlaut von § 6 Satz 2 WpAIV („dies kann insbesondere dann der Fall sein“) wie auch der von Art. 3 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie (wonach sich „die berechtigten Interessen insb. auf die nicht erschöpfenden Fallbeispiele beziehen können“). Für die Praxis dürfte die Auseinandersetzung eher theoretischen Charakter besitzen, da im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen von § 6 Satz 2 WpAIV sowohl in Nr. 1 („… und eine Veröffentlichung die Interessen der Anleger ernsthaft gefährden würde …“) wie in Nr. 2 („… und dies die sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum gefährden würde“) die Publikumsinteressen zu berücksichtigen sind und so zumindest indirekt (wenn auch nicht theoretisch trennscharf) das Kapitalmarktinteresse hinreichend Geltung erlangt.
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b) Keine Irreführung der Öffentlichkeit Zweite Voraussetzung für die eigenverantwortliche Entscheidung des Emittenten zur „Selbstbefreiung“ von der Ad hoc-Publizität ist, dass durch eine Unterlassung der Ad hoc-Publizität „keine Irreführung der Öffentlichkeit“ eintritt. Hiermit ist nicht ge1 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 139 f.; Geibel/Schäfer in Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 132 ff.; Gunßer, Ad-hoc-Publizität bei Unternehmenskäufen, S. 95 ff.; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Anh. – § 6 WpAIV Rz. 31 ff.; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 650; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1904; Möllers, WM 2005, 1393, 1395; Tollkühn, ZIP 2004, 2215. 2 BaFin, Emittentenleitfaden, sub. IV.2.2.9.1.; Gunßer, Ad-hoc-Publizität bei Unternehmenskäufen, S. 89 ff.; Simon, Der Konzern 2005, 13, 20; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1905; Veith, NZG 2005, 254, 256. 3 Inkonsequent erscheint das erste Beispiel der unsicheren Zustimmung des Aufsichtsrates, da in einemsolchen Fall bereits die Existenz einer Insiderinformation zweifelhaft erscheint (= keine hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit). 4 Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Anh. – § 6 WpAIV Rz. 28 f.; Simon, Der Konzern 2005, 13, 19 f. 5 Veith, NZG 2005, 254, 256 ff.; Dreyling, Der Konzern 2005, 1, 3; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 155 ff.
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meint, dass die Öffentlichkeit positiv von dem Nichtvorliegen der Umstände ausgehen muss, die der grds. zu veröffentlichenden Insiderinformation zugrunde liegen, denn dann wäre der Tatbestand von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nicht erfüllbar1. Die ganz überwiegende Meinung sieht in diesem Tatbestandsmerkmal eine Abgrenzungsfunktion zu anderweitigen Marktinformationen oder vorangegangenem Verhalten des Emittenten2, wenn also der Emittent gegenteilige Informationen in den Markt gegeben hat, z.B. – zutreffende – Gerüchte dementierte. c) Gewährleistung der Vertraulichkeit durch Emittent 39
Dritte Voraussetzung für den Aufschub der Ad hoc-Publizität durch den Emittenten ist, dass dieser „die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann“. Die Konkretisierung dieser Voraussetzung erfolgt durch § 7 WpAIV. § 7 WpAIV sieht vor, dass der Emittent während der Dauer des Aufschubs den Zugang zur Insiderinformation zu kontrollieren hat durch Schaffung wirksamer Vorkehrungen dafür, dass nur Personen Kenntnis von der Insiderinformation erlangen, für die dies für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben beim Emittenten unerlässlich ist („need-to-know-Prinzip“) und dass eine unverzügliche Veröffentlichung der Insiderinformation erfolgt, wenn die Vertraulichkeit durch den Emittenten nicht mehr länger gewährleistet werden kann. Ersteres erfordert eine Sicherung der Insiderinformation (vom Schreibschutz bis zum Insiderverzeichnis), letzteres erfordert die Vorbereitung einer Ad hoc-Mitteilung3. Streitig ist, ob ein Wegfall der Aufschubvoraussetzungen vorliegt, wenn aufkommende Gerüchte aus einer anderen Sphäre als der des Emittenten, meist also aus der des Verhandlungspartners, eine Vertraulichkeitslücke vermuten lassen. Zwar „gewährleistet“ der Emittent noch „seine“ Vertraulichkeit, nicht mehr jedoch „die“ Vertraulichkeit. Eine Mindermeinung will i.d.R. keinen Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen erkennen4, während die h.M. danach differenziert, ob es sich um „von außen kommende Gerüchte“ handelt (dann kein Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen) oder um solche aus dem „Herrschaftsbereich des Emittenten“ (dann Wegfall)5. 3. Nachholung der Veröffentlichung
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Liegen die Voraussetzungen für einen Aufschub der Veröffentlichung nicht (mehr) vor, ist sie nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG unverzüglich nachzuholen. Zu veröffentlichen ist jedoch nur, was noch eine Insiderinformation darstellt und nicht allgemeine Informationen, die zwischenzeitlich ihren Charakter als Insiderinformation
1 Simon, Der Konzern 2005, 13, 20 (unstr.). 2 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, S. 56; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 16 m.w.N.; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1905; Möllers, WM 2005, 1393, 1396; Simon, Der Konzern 2005, 12, 20; Veith, NZG 2005, 254, 257; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 158 ff.; a.A. (für Differenzierung zwischen positiven und negativen Informationen) Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 649; Ziemons, NZG 2004, 537, 543. 3 BaFin, Emittentenleitfaden, sub. IV 5.2.3. 4 Bürgers, BKR 2004, 424, 426; wohl auch Spindler, NJW 2004, 3449, 3452; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 161 ff. 5 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 56; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 168 ff.; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 652 f., 656; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 935; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1906 f.; Kuthe, ZIP 2004, 883, 885; Möllers, WM 2005, 1393, 1397; Veith, NZG 2005, 254, 258.
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§ 14
Ad hoc-Publizität
verloren haben1. Die Veröffentlichung hat in derselben Art und Weise zu erfolgen wie die Ad hoc-Publizität nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG (dazu sogleich).
VI. Form und Inhalt der Veröffentlichung Das Veröffentlichungsverfahren ist zweistufig ausgestaltet. Der Emittent hat nach § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG zunächst die BaFin und die Geschäftsführung der organisierten Märkte zu unterrichten, an denen seine Finanzinstrumente und/oder Derivate, die sich auf diese Finanzinstrumente beziehen, gehandelt werden. In einem zweiten Schritt ist nach § 15 Abs. 5 Satz 1 WpHG i.V.m. § 5 WpAIV die Information über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem sowie auf der Website des Emittenten zu veröffentlichen. Die früher erforderliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger ist entfallen. Gleichzeitig mit der Veröffentlichung ist der Geschäftsführung der betroffenen organisierten Märkte sowie der BaFin die Veröffentlichung mitzuteilen, § 15 Abs. 5 Satz 2 WpHG, §§ 3c, 5a WpAIV. Schließlich hat der Emittent nach dem durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) eingefügten § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG dem Unternehmensregister i.S.d. § 8b HGB unverzüglich, jedoch nicht vor Veröffentlichung die Information zur Speicherung zu übermitteln. Mit dem Inkrafttreten des AnSVG und der WpAIV entfiel das überregionale Börsenpflichtblatt als Veröffentlichungsmedium und wurde ersetzt durch die Website des Emittenten.
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Der Zweck der Mitteilung an die Geschäftsführungen der jeweiligen organisierten Märkte besteht darin, dieser die Gelegenheit zu geben, darüber zu entscheiden, ob aufgrund der zu veröffentlichenden Information die Ermittlung des Börsenpreises ausgesetzt oder eingestellt werden soll (§ 15 Abs. 4 Satz 3 WpHG). Eine anderweitige Verwendung der Information durch die Geschäftsführungen der organisierten Märkte ist unzulässig. Zweck der Vorabunterrichtung der BaFin ist, dieser zu ermöglichen, ihrer Pflicht zur Überwachung der Ad hoc-Publizität nachzukommen2.
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Der Mindestinhalt der Mitteilung nach § 15 Abs. 1 WpHG wird durch § 4 WpAIV vorgegeben (vgl. im Einzelnen Rz. 44). Handelt es sich nicht um eine Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 WpHG sondern nach § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG (Berichtigungsveröffentlichung), sind nach § 8 Abs. 2, 4 WpAIV innerhalb von 14 Tagen gegenüber der BaFin zusätzlich die Gründe für die Veröffentlichung der ursprünglichen unwahren Information anzugeben, wobei diese Zusatzangaben so aussagekräftig sein müssen, dass sie eine Bewertung des Sachverhaltes ermöglichen3. Inhalt, Art und Form der Vorabmitteilung gegenüber der BaFin und den Geschäftsführungen der Börsen nach § 15 Abs. 4 WpHG werden durch §§ 8, 9 WpAIV festgelegt auf Schriftform mittels Telefax sowie – auf Verlangen der BaFin – durch nachgereichte, eigenhändig unterschriebene Mitteilung auf dem Postwege.
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Der Mindestinhalt einer Ad hoc-Meldung wird seit dem AnSVG durch die WpAIV in einer wesentlich höheren Detailtiefe als früher geregelt. Die einzelnen Punkte werden von § 4 WpAIV detailliert ausgeführt, angefangen von der Überschrift als „Ad hoc-Mel-
44
1 BaFin, Emittentenleitfaden, sub. IV.3.; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 172 f.; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1906 f.; Sven H. Schneider, BB 2005, 897, 901; Simon, Der Konzern 2005, 13, 22; Veith, NZG 2005, 254, 258; i.E. auch Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 186 f.; a.A. Bürgers, BKR 2004, 424, 426; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2219 f.; wohl auch Kuthe, ZIP 2004, 883, 886. 2 BT-Drucks. 12/6679, S. 49. 3 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, sub. IV.5.2.1, S. 62.
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dung nach § 15 WpHG“ über Name und Anschrift des Emittenten einschließlich ISIN sowie der eigentlich zu veröffentlichen Information, dem Datum des Eintritts der der Information zugrunde liegenden Umstände, einer Erklärung über die unmittelbare Betroffenheit des Emittenten bis hin zu einer Erklärung, warum eine Veröffentlichung der Information den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen geeignet ist. Vergleichbare Mindestangaben enthält § 4 Abs. 2 WpAIV für die Ad hoc-Aktualisierung und § 4 Abs. 3 WpAIV für die Ad hoc-Berichtigung. Zum Inhalt der Ad hoc-Publizität sieht § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG lediglich (negativ) vor, dass Angaben, die die Voraussetzungen für die Ad hoc-Publizität offensichtlich nicht erfüllen, auch in Verbindung mit einer veröffentlichungspflichtigen Information nicht veröffentlicht werden dürfen. Mit der etwas missverständlichen Formulierung ist nicht gemeint, dass sie überhaupt nicht veröffentlicht werden dürfen, sondern lediglich, dass sie nicht in Form einer Ad hoc-Publizität veröffentlicht werden dürfen. Das Verbot der Veröffentlichung ist jedoch nur beschränkt auf offensichtlich nicht veröffentlichungspflichtige Angaben. Von einer offensichtlichen Überflüssigkeit wird ausgegangen, wenn an einer Veröffentlichungspflicht keine vernünftigen Zweifel bestehen können und sich die Überflüssigkeit geradezu aufdrängt1. Ergänzt wird das inhaltliche Verbot von Veröffentlichungen durch die Pflicht in § 4 Abs. 1 Satz 2 WpAIV, dass die Veröffentlichung kurz zu fassen ist. 45
Nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG kann ausnahmsweise nicht nur der Emittent, sondern auch eine Person, die im Auftrage oder auf Rechnung des Emittenten handelt, veröffentlichungspflichtig werden, wenn Insiderinformationen an nicht der Vertraulichkeit unterliegende Personen weitergegeben werden (vgl. oben Rz. 29). Für diesen Fall sieht § 4 Abs. 1 Satz 3 WpAIV vor, dass eine solche veröffentlichungspflichtige Person über die Veröffentlichung den Emittenten unverzüglich zu informieren hat und in der Veröffentlichung ihren Namen und ihre Anschrift sowie die Urheberschaft kenntlich zu machen hat.
VII. Berichtigungsveröffentlichung 46
Seit 1.7.2002 enthält das Gesetz, nunmehr in § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG (vor dem AnSVG in § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG), eine ausdrückliche Pflicht, dass unwahre Tatsachen, die in einer Ad hoc-Meldung oder als selbständige Ad hoc-Meldung veröffentlicht wurden, unverzüglich berichtigt werden müssen, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG vorliegen2. Die Berichtigungspflicht stellt eine selbständige Veröffentlichungspflicht dar und ist vergleichbar mit der Aktualisierungspflicht bei den Börsenzulassungsprospekten3. Erfasst werden nur Informationen, die bereits im Zeitpunkt der Erstveröffentlichung unzutreffend sind. Informationen, die sich nach ihrer Veröffentlichung bewertungserheblich verändern, sind nach § 15 Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen und werden als Ad hoc-Aktualisierung bezeichnet4. Das Veröffentlichungsverfahren für die Berichtigungspublizität wird ausgeführt in § 4 Abs. 3 WpAIV, und für die Aktualisierungspublizität in § 4 Abs. 2 WpAIV.
1 Grimme/v. Buttlar, WM 2003, 901, 903; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 262 ff. 2 Vgl. nur Zimmer in Schwark, § 15 WpHG Rz. 159 ff. 3 Vgl. dazu Schwark in Schwark, § 45 BörsG Rz. 27 f.; Hamann in Schäfer, 1. Aufl., §§ 45, 46 BörsG a.F. Rz. 89 – m.w.N. 4 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, sub. IV. 4.4.; Assmann in Assmann/Uwe. H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 183 ff.
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Ad hoc-Publizität
VIII. Missbrauch der Publizitätspflicht und Nutzung von Kennzahlen § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG (vor dem AnSVG § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG) statuiert ausdrücklich, dass Angaben, die nicht die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllten, auch i.V.m. veröffentlichungspflichtigen Tatsachen nicht veröffentlicht werden dürfen. Mit dieser durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz mit Wirkung ab 1.7.2002 eingeführten Regelung sollte dem damals um sich greifenden Missbrauch der Ad hocMitteilungen zu Werbezwecken entgegengewirkt werden. Verstöße hiergegen kann die BaFin durch verwaltungsrechtliche Maßnahmen mit Zwangsgeldern durchsetzen. Zudem können Ad hoc-Mitteilungen auch Wettberwerbshandlungen darstellen, deren Unterlassung von Wettbewerbern gefordert werden kann1.
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Die Regelung steht in engem Zusammenhang mit der gleichfalls durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz eingeführten Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 6 WpHG (vor dem AnSVG in § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG), derzufolge bei der Veröffentlichung nur im Geschäftsverkehr „übliche“ Kennzahlen verwendet werden dürfen. Welche hierunter fallen, hat die BaFin mit Rundschreiben vom 26.11.2002 konkretisiert. Durch die Verwendung von üblichen Kennzahlen soll der Vergleich mit anderen Kapitalmarktteilnehmern sowie mit früheren Kennzahlen ermöglicht werden2. Seitens der BaFin wurden – nicht als abschließend zu verstehende3 – zunächst 11 und durch den Emittentenleitfaden4 sodann 13 Kennzahlen ausgewählt, nämlich Umsatz, Ergebnis pro Aktie, Jahresüberschuss, Cash-flow, Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT), Ergebnis vor Steuern (EBT), Dividende pro Aktie, Ergebnis vor Steuern und Zinsen und Abschreibungen (EBITDA), Ergebnismarge, Eigenkapitalquote sowie Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, betriebliches Ergebnis und operatives Ergebnis vor Sondereinflüssen. Streitig ist, ob die entsprechenden Kennzahlen des Vergleichszeitraumes und die prozentuale Veränderung mitzuteilen ist5.
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IX. Folgen von Pflichtverletzungen 1. Öffentlich-rechtliche Sanktionen a) Ordnungswidrigkeiten Mit einer Geldbuße bis zu 1 Mio. Euro kann nach § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a, Nr. 7, Abs. 4 WpHG belegt werden, wer vorsätzlich oder leichtfertig die nach § 15 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 oder Satz 5 WpHG gebotene Veröffentlichung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Form oder nicht rechtzeitig vornimmt. Mit einer Geldbuße bis 200 000 Euro kann nach § 39 Abs. 2 Nr. 2c, Nr. 6, Abs. 4 WpHG belegt werden, wer entgegen § 15 Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 WpHG die vorgeschriebene Mitteilung der publizitätspflichtigen Information an die BaFin und an die Geschäftsführung der betreffenden inländischen Börsen vorsätzlich oder fahrlässig nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Form oder nicht rechtzeitig vorgenommen hat. 1 OLG Hamburg v. 19.7.2006 – 5 U 10/06, WM 2006, 2353; dazu Diefenhardt, WuB I G 6. § 15 WpHG 1.07. 2 Vgl. nur Zimmer in Schwark, § 15 WpHG Rz. 157; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 194 f.; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 48 f. 3 Vgl. Grimme/v. Buttlar, WM 2003, 901, 902. 4 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 49. 5 Bejahend BaFin, Emittentenleitfaden, S. 49; verneinend Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15 WpHG Rz. 129.
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§ 14 50
Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
Normadressat dieser Bußgeldtatbestände ist grundsätzlich der Emittent, d.h. die börsennotierte Aktiengesellschaft, im Falle von § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG auch die vom Emittenten beauftragte oder auf Rechnung des Emittenten handelnde Person. Nach § 9 OWiG kommt jedoch auch ein Bußgeld gegen die Vorstandsmitglieder sowie der nachgeordneten Managementebene, wenn dieser Aufgaben zur eigenverantwortlichen Erledigung übertragen wurden, persönlich in Betracht1. Eine Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder kommt immer dann in Betracht, wenn diese vorsätzlich die Aufsichtsmaßnahmen unterlassen, die erforderlich sind, um bußgeldbewehrte Pflichtverstöße durch das Unternehmen zu verhindern. Damit die Vorstände ihrer Organisationspflicht Genüge tun wird vorgeschlagen, dass eine zentrale Stelle zur unverzüglichen Erfassung und Bewertung publizitätspflichtiger Tatsachen im Unternehmen eingerichtet und durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt wird, dass bei dieser sämtliche potentiell ad hoc-publizitätspflichtigen Informationen zusammenlaufen2. Die Verantwortlichkeit der Unternehmen für ihre handelnden Personen richtet sich nach § 30 OWiG. Eine entsprechende Verantwortung treffen Unternehmen und Vorstand, wenn sie die Vertraulichkeit während eines Aufschubs der Veröffentlichung i.S.v. § 7 WpAIV nicht organisatorisch gewährleisten3. b) Kursmanipulation
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Eine fehlerhafte oder unterlassene Ad hoc-Publizität kann grundsätzlich auch den Tatbestand der Marktmanipulation gemäß § 20a WpHG erfüllen. In Betracht kommt insbesondere ein Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation in der Form der unterlassenen oder falschen Angaben gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG. Soweit § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG a.F. darauf abstellte, dass „entgegen bestehenden Rechtsvorschriften“ Angaben verschwiegen werden, so stellt § 15 WpHG eine Norm mit einer Pflicht zur Veröffentlichung i.S.v. § 20a WpHG dar. In den Fällen einer bewussten Veröffentlichung falscher Tatsachen als vermeintlich ad hoc-publizitätspflichtig kommt jedoch auch eine Verwirklichung des Tatbestandes der Marktmanipulation in der Variante von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG a.F. bzw. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG n.F. in Betracht4. c) Sonstige Folgen
52
Außer den vorstehend unter Rz. 49 f. und 51 dargestellten primär strafrechtlichen Konsequenzen kommen auch börsenrechtliche Folgen für den Emittenten in Betracht. So kann ein wiederholter Verstoß gegen die Ad hoc-Publizitätspflicht einen Grund für einen Widerruf der Zulassung von Wertpapieren eines Emittenten zum Handel im regulierten Markt nach § 39 Abs. 1 BörsG nach sich ziehen. Allerdings ist ein Widerruf wegen (wiederholten) Verstoßes gegen die Ad hoc-Publizität in der Bundesrepublik bisher nicht bekannt geworden. 1 Vgl. Schröder in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, Vor § 39 WpHG Rz. 17 ff. und Geibel/ Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 206 ff.; Zimmer in Schwark, § 15 WpHG Rz. 169; i.E. ebenso (wenn jedoch auch § 130 OWiG bemühend) Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 291. 2 So insb. Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 293 ff. m.w.N. 3 Zu der Pflicht zur Einrichtung einer – zumindest temporären – Compliance-Organisation vgl. Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 650; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2219 sowie oben § 13 Rz. 91 m.w.N. 4 Vgl. Zimmer in Schwark, § 15 WpHG Rz. 166 ff.; Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 306; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 205.
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§ 14
Ad hoc-Publizität 2. Schadensersatzhaftung des Unternehmens1
Nach § 15 Abs. 6 WpHG führen Verstöße des Emittenten gegen die Verpflichtung zur Ad hoc-Publizität nur unter den Voraussetzungen der §§ 37b und 37c WpHG zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens, wobei jedoch Schadensersatzansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, unberührt bleiben. Wie bereits zu der Vorgängerregelung des § 44a BörsG a.F. stellt damit das WpHG klar, dass die Ad hoc-Publizitätspflicht keine drittschützende Wirkung i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB hat2.
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3. Schadensersatzhaftung des Vorstands3 Eine (Außen-)Haftung des Vorstands gegenüber Anlegern wegen Verletzung der Vorschriften zur Ad hoc-Publizität nach dem WpHG ist lediglich in den Fällen des § 826 BGB wegen vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung denkbar4. Eine Haftung des Vorstandes nach §§ 37b, 37c WpHG kommt nicht in Betracht, da insoweit nur der Emittent Haftungsadressat ist5. Ob eine deliktische Außenhaftung von Organmitgliedern (Vorstand) wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB in Betracht kommt, ist streitig, nach richtiger Auffassung jedoch zu bejahen6.
1 Vgl. dazu ausführlich § 16 sowie Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 159 ff. 2 Vgl. Finanzausschuss, BT-Drucks. 12/7918, S. 102; Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01, S. 245; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 196 mit umfangr. w.N.; Waldhausen, Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 50; Assmann in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 15 WpHG Rz. 268; Zimmer in Schwark, § 15 WpHG Rz. 172; Thümmel, DB 2001, 2331; a.A. Gehrt, Ad-hoc-Publizität, S. 207 ff.; teilweise auch von Klitzing, Ad-hocPublizität, S. 217 ff., 224 ff.; zum Verhältnis von Kapitalerhaltung zu Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Publizität vgl. Renzenbrink/Holzner, BKR 2002, 434 ff. 3 Vgl. dazu ausführlich § 16. 4 Vgl. dazu BGH v. 19.7.2004 – II ZR 402/02 – „Infomatec I“, WM 2004, 1721 = ZIP 2004, 1593 = AG 2004, 546; BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03 – „Infomatec III“, WM 2004, 1731 = ZIP 2004, 1599 = AG 2004, 543; BGH v. 19.7.2004 – II ZR 217/03 – „Infomatec II“, WM 2004, 1726 = ZIP 2004, 1604 = BKR 2004, 403 sowie Spindler, WM 2004, 2089 ff.; BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287//02 – „EM.TV“, ZIP 2005, 1270 = AG 2005, 609; BGH v. 28.11.2005 – II ZR 80/04 – „ComROAD I“, ZIP 2007, 681 = AG 2007, 322; BGH v. 15.2.2006 – II ZR 246/04 – „ComROAD II“, ZIP 2007, 679; BGH v. 26.6.2006 – II ZR 153/05 – „ComROAD III“, ZIP 2007, 326; BGH v. 4.6.2007 – II ZR 147/05 – „ComROAD IV“, ZIP 2007, 1560 = AG 2007, 620; BGH v. 4.6.2007 – II ZR 173/05 – „ComROAD V“, ZIP 2007, 1564 = AG 2007, 623; BGH v. 7.1.2008 – II ZR 229/05 – „ComROAD VI“, ZIP 2008, 407 = AG 2008, 252; BGH v. 7.1.2008 – II ZR 68/06 – „ComROAD VII“, ZIP 2008, 410 = AG 2008, 254; BGH v. 3.3.2008 – II ZR 310/06 – „ComROAD VIII“, ZIP 2008, 829 = AG 2008, 377. 5 Vgl. nur Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 25 ff.; Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 19. 6 Vgl. nur Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 115 ff. m.w.N.; Leuschner, ZIP 2008, 1050; Möllers, NZG 2008, 413.
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§ 15
Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
§ 15 Directors’ Dealings Rz.
Rz. III. Melde- und Veröffentlichungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
I. Entwicklung der Pflicht zur Mitteilung und Veröffentlichung von Geschäften durch Führungspersonen in Deutschland . . . . . . . . .
1
II. Anwendungsbereich von § 15a WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Erfasste Transaktionen . . . . . . . . 13 a) Erwerb oder Veräußerung . . . . . 13 b) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . 16
3
2. Mitteilung und Veröffentlichung . . 19
1. Emittenten, Märkte und erfasste Finanzinstrumente (sachlicher Anwendungsbereich) . . . . . . . . .
3
2. Normadressaten (persönlicher Anwendungsbereich) . . . . . . . . .
6
IV. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Bußgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Schadensersatz? . . . . . . . . . . . . . 24
Schrifttum: Bednarz, Pflichten des Emittenten bei einer unterlassenen Mitteilung von Directors’ Dealings, AG 2005, 835; Bürgers, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BKR 2004, 424; Diekmann/Sustmann, Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, NZG 2004, 929; Dreyling, Ein Jahr Anlegerschutzverbesserungsgesetz – Erste Erfahrungen, Der Konzern 2006, 1; Erkens, Directors’ Dealings nach dem neuen WpHG, Der Konzern 2005, 29; Escher-Weingart/Hannich, Gesetz zur Neuordnung des Pfandbriefrechts bestimmt den Kreis der Mitteilungspflichten gem. § 15a WpHG („Directors’ Dealings“) neu, NZG 2005, 922; Fischer zu Cramburg/Royé in Heidel (Hrsg.), Aktienrecht und Kapitalmarktrecht 2. Aufl. 2007, Kap. 14; Fleischer, Organpublizität im Aktien-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht, NZG 2006, 561; Fleischer, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetzt, NJW 2002, 2977; Fleischer, Directors’ Dealings, ZIP 2002, 1217; Fleischer, Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln?, Gutachten zum 64. Deutschen Juristentag, 2002; Fürhoff/Schuster, Entwicklung des Kapitalmarktaufsichtsrechts im Jahre 2002, BKR 2003, 134; Großmann/Nikoleyczik, Praxisrelevante Änderungen des Wertpapierhandelsgesetzes – Die Auswirkungen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes, DB 2002, 2031; Hagen-Eck/Wirsch, Gestaltung von Directors’ Dealings und die Pflichten nach § 15a WpHG, DB 2007, 504; Hower-Knobloch, Directors’ Dealings gem. § 15a WpHG, 2007; Hutter/Lempert, Das 4. Finanzmarktförderungsgesetz aus Unternehmenssicht, NZG 2002, 649; S. Koch, Neuerungen im Insiderrecht und der Adhoc-Publizität, DB 2005, 267; Kuthe, Änderungen des Kapitalmarktrechts durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, 883; Letzel, Directors’ Dealings in der Unternehmenspraxis, BKR 2002, 862; Merkner, Directors’ Dealings – Der Anwendungsbereich von § 15a WpHG im Rahmen von Aktienoptionsprogrammen, BKR 2003, 733; Noack, Elektronische Publizität im Aktien- und Kapitalmarktrecht in Deutschland und Europa, AG 2003, 537; Osterloh, Directors’ Dealings, 2007; Pfüller, Directors’ Dealings, in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, 2008, § 22; Pluskat, Die Neuregelung des Directors’ Dealings in der Fassung des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes, DB 2005, 1097; Pluskat, Die durch das AnSVG geänderte Regelung der Directors’ Dealings vor dem Hintergrund der Richtlinie zur Durchführung der Marktmissbrauchsrichtlinie, BKR 2004, 467; Posegga, Pflicht zur Veröffentlichung von Directors’ Dealings: Quo Vadis, Anlegerschutz, BKR 2002, 697; Posegga, Anlegerschutz bleibt durch ex-post-Transparenz bei Directors’ Dealings auf der Strecke, BKR 2002, 1061; Rudolph, Viertes Finanzmarktförderungsgesetz – Ist der Name Programm?, BB 2002, 1036; Uwe H. Schneider, Meldepflichtige Wertpapiergeschäfte von Organmitgliedern („Directors’ Dealings“) im Konzern, AG 2002, 473; Uwe H. Schneider, Der pflichtauslösende Sachverhalt bei „Directors’ Dealings“, BB 2002, 1817; Schuster, Kapitalmarktrechtliche Verhaltenspflichten von Organmitgliedern am Beispiel des § 15a WpHG, ZHR 167 (2003), 193; von Buttlar, Direktors’ Dealings: Änderungsbedarf aufgrund der Markt-
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§ 15
Directors’ Dealings
missbrauchsrichtlinie, BB 2003, 2133; Wastl, Direcotors’ Dealings und aktienrechtliche Treuepflicht, NZG 2005, 17; Weiler/Tollkühn, Die Neuregelung des „directors’ dealing“ nach dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, DB 2002, 1923; Ziemons, Neuerungen im Insiderrecht und bei der Ad-hoc-Publizität durch die Marktmissbrauchsrichtlinie und das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, NZG 2004, 537.
I. Entwicklung der Pflicht zur Mitteilung und Veröffentlichung von Geschäften durch Führungspersonen in Deutschland Eine Pflicht zur Mitteilung und Veröffentlichung von Geschäften in bestimmten Finanzinstrumenten eines Emittenten wurde für Führungspersonen des Emittenten erstmals durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz als § 15a WpHG in Deutschland eingeführt. Die Einführung von § 15a WpHG mit Wirkung ab dem 1.7.2002 erfolgte im Vorgriff auf die Marktmissbrauchsrichtlinie, die erst am 29.1.2003 verabschiedet wurde1. Art. 6 Abs. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass „Personen, die bei einem Emittenten von Finanzinstrumenten Führungsaufgaben wahrnehmen, sowie gegebenenfalls in enger Beziehung zu ihnen stehende Personen“, die zuständigen Behörden zu unterrichten „über alle Eigengeschäfte mit Aktien des genannten Emittenten oder mit sich darauf beziehenden Derivaten oder anderen Finanzinstrumenten“. Diese pauschale Regelung wird konkretisiert durch eine im Wege des Komitologieverfahrens ergangene Richtlinie der Kommission2. Art. 1 Abs. 2 dieser Ausführungsrichtlinie definiert diejenigen Personen, die in enger Beziehung zu einer Führungsperson stehen, und Art. 6 Marktmissbrauchsrichtlinie regelt detailliert die Meldepflichten der Führungspersonen. Da die Richtlinien nicht dem kurz vorher ergangenen § 15a WpHG entsprachen, war das Deutsche Gesetz bereits nach knapp zwei Jahren wieder zu ändern. Diese Änderung erfolgte durch das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (AnSVG)3. Weitere Änderungen wurden eingefügt durch das Gesetz zur Neuordnung des Pfandbriefrechts vom 22.5.20054, das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) vom 5.1.20075 sowie das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) vom 16.7.20076.
1
§ 15a WpHG unterwirft Führungspersonen einer eigenen, nur mittelbar mit dem Unternehmen im Zusammenhang stehenden, kapitalmarktorientierten Mitteilungspflicht. Mit der Regelung verfolgt der Gesetzgeber vier Zwecke:
2
1. Markttransparenz in Form von Beteiligungstransparenz, die sich früher nur im Rahmen von Primärmarktpublizität nach § 28 Abs. 2 Nr. 4 BörsZulV a.F. fand 1 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16 ff. 2 Richtlinie 2004/72/EG der Kommission vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen), ABl. EG Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70 ff. – dazu Pluskat, BKR 2004, 467. 3 BGBl. I 2004, 2630 ff. 4 BGBl. I 2005, 1373. 5 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handeln auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2007, 10. 6 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz), BGBl. I 2007, 1330.
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§ 15
Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
und die auf Sekundärmarkttransaktionen bestimmter Marktteilnehmer (Führungspersonen) erstreckt wird; 2. Indikatorwirkung dergestalt, dass die übrigen Kapitalmarktteilnehmer (vermeintliche) Rückschlüsse auf die weitere Kursentwicklung aufgrund der Eigendispositionen von Führungspersonen des Emittenten ziehen können; 3. Anlegergleichbehandlung (informationelle Chancengleichheit) durch Abmilderung des Wissensvorsprungs der Verwaltungsmitglieder; 4. Förderung der Marktintegrität durch Abschreckung von Insiderhandel durch Führungspersonen1. Die (Ausführungs-)Richtlinie nennt als weiteren Aspekt nicht nur die Abschreckungswirkung sondern konkret die Erleichterung der Überwachung durch die Aufsichtsbehörden2.
II. Anwendungsbereich von § 15a WpHG 1. Emittenten, Märkte und erfasste Finanzinstrumente (sachlicher Anwendungsbereich) 3
§ 15a WpHG gilt nur für Emittenten von börsenzugelassenen Aktien (also AG, KGaA, SE) und nicht für Emittenten in einer anderen Rechtsform (z.B. GmbH), die börsennotierte Finanzinstrumente (z.B. Anleihen, Genussscheine etc.) emittiert haben3. Dies ist auch nicht europarechtswidrig, da Art. 6 Abs. 4 Marktmissbrauchsrichtlinie zwar zunächst in ungenauer Formulierung sämtliche „Emittenten von Finanzinstrumenten“ adressiert, sodann jedoch nur Geschäfte „mit Aktien des genannten Emittenten oder sich darauf beziehenden Derivaten oder anderen Finanzinstrumenten“ erfasst. Aus dieser deutschen Fassung der Marktmissbrauchsrichtlinie wird teilweise hergeleitet, dass der deutsche Gesetzgeber mit der Beschränkung von § 15a WpHG auf Emittenten von Aktien die EG-Richtlinie nicht zutreffend umgesetzt hat4. Aus der englischen Fassung der Marktmissbrauchsrichtlinie ist jedoch deutlich zu entnehmen, dass nur Emittenten von Aktien Adressaten der Regelung sind, denn nur bei diesen macht eine Meldepflicht „relating to shares of said issuer, or to derivatives or other financial instruments linked to them“ Sinn5.
4
Nach § 15a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, Satz 4 WpHG müssen die Aktien des Emittenten an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder ein Antrag auf Zulassung gestellt oder öffentlich angekündigt sein. Von § 15a WpHG nicht erfasst werden Aktien, die im Freiverkehr gehandelt werden, sowie solche, die in den regulierten Markt einbezogen werden. Durch § 15a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WpHG werden Emittenten erfasst, deren Aktien „zum Handel an einem ausländischen organisierten Markt zugelassen sind, sofern der Emittent seinen Sitz im Inland hat oder es sich um Aktien eines Emittenten mit Sitz außerhalb der EU oder es EWR handelt, für welche Deutschland 1 Osterloh, Directors’ Dealings, S. 65 ff., 73 ff.; Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 6 ff. 2 Vgl. Erwägungsgrund (7) der Richtlinie 2004/72; ebenso von Buttlar, BB 2003, 2133, 2134. 3 So zutreffend Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 21; Heinrich in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15a WpHG Rz. 28; Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 8; a.A. Erkens, Der Konzern 2005, 29, 31. 4 Erkens, Der Konzern 2005, 29, 31; Heinrich in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15a WpHG Rz. 28; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1953 in Fn. 78. 5 I.E. ebenso Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 21; Hower-Knobloch, Directors’ Dealings, S. 69; Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 9.
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Herkunftsstaat i.S.d. WpPG ist. Während nach § 15a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 WpHG die Zulassung der Aktien an einer inländischen Börse genügt – unabhängig vom Sitz des Emittenten, ist nach § 15a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WpHG ein Inlandsbezug dadurch hergestellt, dass die zu einem ausländischen organisierten Markt zugelassenen Aktien von einem Emittenten mit Sitz im Inland stammen oder von einem Emittenten, für den die BRD Herkunftsstaat i.S.d. § 2 Nr. 13 WpPG ist1. Für Emittenten mit Sitz außerhalb der EU und des EWR und Aktien, die in der EU oder dem EWR zugelassen sind, bedeutet dies, dass sie bei der BaFin ein Dokument nach Art. 10 der Richtlinie 2003/71/EG hinterlegt haben müssen, um von § 15a WpHG erfasst zu werden. Nr. 2 wurde durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz mit Wirkung zum 1.11.2007 eingefügt und bestätigt die bereits vorher von der BaFin geübte Praxis2. Von der Frage nach der Rechtsform des Emittenten zu unterscheiden ist die Frage, welche von dem Emittenten begebenen Finanzinstrumente in den sachlichen Anwendungsbereich des § 15a WpHG fallen. Von § 15a WpHG werden erfasst Geschäfte „mit Aktien des Emittenten oder sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten, insbesondere Derivaten“. Die insoweit bei Art. 6 Abs. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie einschlägige Stelle lautet, dass zu melden sind „Eigengeschäfte mit Aktien des genannten Emittenten oder mit sich darauf beziehenden Derivaten oder anderen Finanzinstrumenten“. Dies wird von dem deutschen Gesetzgeber dahingehend interpretiert, dass sich die Finanzinstrumente auf die Aktien des Emittenten beziehen müssen, weshalb er unter diesen besonders die Derivate hervorhebt. Das von der BaFin zum früheren Recht veröffentlichte und inzwischen aufgehobene Rundschreiben vom 5.9.2002 nahm Schuldverschreibungen ohne Aktienbezug ausdrücklich von der Meldepflicht aus. Eine derartige Interpretation der EG-Richtlinie ist jedoch durchaus nicht zwingend. Vielmehr kann Art. 6 Abs. 4 der Marktmissbrauchrichtlinie auch dahingehend zu verstehen sein, dass es sich um Aktien, sich auf diese Aktien beziehende Derivate oder um andere Finanzinstrumente handeln muss. Durch die deutsche Umsetzung werden z.B. Anleihen, Genussrechte sowie vergleichbare vom Emittenten ausgegebene Wertpapiere von einer Meldepflicht ausgenommen. Da z.B. auch Anleihen sich zur Vornahme von Insidergeschäften eignen (z.B. bei bevorstehender, einer Führungsperson vorab bekannt gewordener Änderung des Ratings), erscheint die Umsetzung der EG-Richtlinie unvollständig. Allerdings dürfte der deutsche Text der Richtlinie nicht dem englischen Text entsprechen, dem deutlich ein Aktienbezug aller erfassten Finanzinstrumente des Emittenten zu entnehmen ist3. Die BaFin vertritt im Emittentenleitfaden4 eine vermittelnde Meinung, wenn sie zwar einerseits einen „mittelbaren Bezug des Finanzinstruments auf die Aktie des Emittenten“ ausreichen lassen will, andererseits jedoch zur Vermeidung einer „unverhältnismäßigen Ausdehnung“ fordert, dass der Preis des Finanzinstruments „überwiegend von dem der Aktie des Emittenten“ abhängt. Dies soll der Fall sein, „wenn das Finanzinstrument sich zu mehr als 50 % auf die Aktie des Emittenten bezieht“, z.B. mehr als 50 % eines Aktienkorbes („basket“) ausmacht. Zu den sich unmittelbar auf Aktien des Emittenten beziehenden Finanzinstrumenten zählen neben den Derivaten insbesondere die Wandel- und Optionsschuldverschreibungen sowie Optionsscheine. 1 BaFin, Emittentenleitfaden, sub. V.1.1., S. 68 f. 2 Zu der bereits unter der früheren Rechtslage erfolgten Erstreckung auf Emittenten aus Drittstaaten außerhalb der EU und des EWR vgl. Heinrich in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15a WpHG Rz. 34 f. 3 Vgl. von Buttlar, BB 2003, 2133, 2136. 4 Sub. V.2.1., S. 74; zustimmend Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 57; ebenso Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817, 1818; Osterloh, Directors’ Dealings, S. 170; a.A. Zimmer in Schwark, § 15a WpHG Rz. 15.
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Unerheblich ist, ob der Emittent die sich auf seine Aktien beziehenden Finanzinstrumente selbst begeben hat oder diese von dritter Seite begeben wurden1. 2. Normadressaten (persönlicher Anwendungsbereich) 6
Nach dem vor dem AnSVG geltenden Recht waren Normadressaten lediglich Mitglieder des Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans oder persönlich haftende Gesellschafter des Emittenten oder eines Mutterunternehmens des Emittenten2. Da Art. 6 Abs. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie jedoch alle Personen, „die bei einem Emittenten von Finanzinstrumenten Führungsaufgaben wahrnehmen“ erfasst, war die frühere gesetzliche Regelung nicht mehr ausreichend. Die Ausführungsrichtlinie3 sieht in Art. 1 Abs. 1 vor, dass Personen mit Führungsaufgaben sowohl diejenigen Personen sind, „die einem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan des Emittenten angehören“, als auch solche Personen, „die als geschäftsführende Führungskraft zwar keinem der unter Buchstabe a) genannten Organe angehören, aber regelmäßig Zugang zu Insider-Informationen mit direktem oder indirektem Bezug zu Emittenten haben und befugt sind, unternehmerische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven dieses Emittenten zu treffen“. Diese Regelung ist in § 15a Abs. 2 WpHG umgesetzt worden, der neben den Leitungsorganen der AG, KGaA oder SE (bzw. deren Verwaltungs- oder Aufsichtsorganen) als Personen mit Führungsaufgaben diejenigen bezeichnet, „die regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt sind“. Wohl nicht möglich wird es sein, sämtliche in einem Insiderverzeichnis gemäß § 15b WpHG aufgeführten Personen als mitteilungspflichtig nach § 15a WpHG anzusehen4, da nicht jede Person, die bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen hat, auch Führungsaufgaben wahrnimmt. Als Führungsaufgaben wahrnehmend sind nach der (Ausführungs-)Richtlinie nur Personen anzusehen, die „unternehmerische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven des Emittenten treffen“. Nach der Entstehungsgeschichte der Richtlinie und insbesondere den vorausgehenden Anhörungen der Commission of European Securities Regulators (CESR) sollen nur „Top Executives“ erfasst werden, nicht jedoch sämtliche leitenden Angestellten eines Unternehmens5. Leitende Angestellte dürften kaum unternehmerische Entscheidungen über die zukünftige Entwicklung eines Emittenten treffen, auch wenn ihnen ein gewisser Einfluss hierauf nicht abzusprechen ist. Allerdings wird man nicht wie bisher formal an die Organmitgliedschaft anknüpfen können6. Vielmehr wird die gesamte erste Führungsebene, häufig „erweiterter Vorstand“ oder „Bereichsvorstand“ genannt, in den Bereich der Meldepflicht einbezogen sein. Nach § 15a Abs. 5 WpHG wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über den Mindestinhalt, die Art, den Um-
1 Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817, 1818; Bericht Finanzausschuss, BT-Drucks. 14/8601, S. 18. 2 Ausführlich zu der Frage der Organeigenschaft, insb. auch bei der KGaA, Sethe in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 28 ff. 3 Richtlinie 2004/72/EG der Kommission vom 29.4.2004, ABl. EG Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70. 4 So aber Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 936; wie hier Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 34.. 5 Heinrich in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15a WpHG Rz. 41; Erkens, Der Konzern 2005, 29, 32; Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 27; a.A. Kuthe, ZIP 2004, 883, 886. 6 A.A. von Buttlar, BB 2003, 2133, 2136; Koch, DB 2005, 267, 273; wohl auch Schuster, ZHR 167 (2003), 193, 207; wie hier Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 936; Bürgers, BKR 2004, 424, 428; Heinrich in KölnKomm. WpHG, 2007 § 15a WpHG Rz. 41; Hower-Knobloch, Directors’ Dealings, S. 72; Pluskat, DB 2005, 1097, 1098.
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fang und die Form der Mitteilung sowie die Veröffentlichung vorzunehmen1 und diese Ermächtigung auf die BaFin zu übertragen. Nach dieser Vorschrift ist das BMF/ die BaFin somit nicht ermächtigt, den „Personenkreis mit Führungsaufgaben“ näher zu definieren. Die Umsetzung der (Ausführungs-)Richtlinie2 muss daher durch den Gesetzgeber erfolgen. Unterlässt dieser eine ausdrückliche Umsetzung, ist der Begriff der „Personen mit Führungsaufgaben“ richtlinienkonform zu interpretieren. Die BaFin hat zu der Interpretation des Begriffes jedoch im vorstehend dargelegten Sinne Stellung genommen3. § 15a WpHG enthält jedoch keine Konzernklausel mehr, so dass nur die Führungskräfte des Emittenten, nicht mehr jedoch die eines Mutterunterunternehmens des Emittenten zu den Normadressaten gehören4. Die Mitteilungspflicht besteht auch nur für die Dauer der Innehabung einer Führungsposition bei dem Emittenten5. Entscheidend ist hierbei die Ausübung des Amtes unabhängig von der Wirksamkeit der Bestellung6. Die rechtspolitisch geforderte nachwirkende Mitteilungspflicht für einen Zeitraum nach einem Ausscheiden bei dem Emittenten7 ist nicht in die EG-Richtlinie oder das AnSVG übernommen worden.
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Außer den Personen mit Führungsaufgaben obliegt eine Pflicht zur Veröffentlichung nach § 15a Abs. 1 Satz 2 WpHG auch natürlichen Personen, „die mit einer solchen Person in einer engen Beziehung stehen“. Als solche werden durch § 15a Abs. 3 Satz 1 WpHG definiert „Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, unterhaltsberechtigte Kinder und andere Verwandte, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des meldepflichtigen Geschäftes seit mindestens einem Jahr im selben Haushalt leben“. Insofern erfolgte eine Einschränkung der nahestehenden Personen gegenüber dem vor dem AnSVG geltenden Recht, da nicht mehr sämtliche Verwandte ersten Grades erfasst sind, sondern nur noch die unterhaltsberechtigten Kinder und (allerdings alle) anderen Verwandten, die seit mindestens einem Jahr im selben Haushalt leben. Insofern folgt der Gesetzgeber rechtspolitischen Forderungen8, den Anwendungsbereich der nahestehenden Personen realistisch einzuschränken insbesondere auf diejenigen Personen, die im Haushalt der Führungsperson leben. Den nahestehenden Personen obliegt eine eigenständige Mitteilungspflicht, die nicht die Personen mit Führungsaufgaben trifft9.
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Der Kreis der nahestehenden Personen mit eigener Meldepflicht wird seit dem AnSVG von § 15a Abs. 3 Sätze 2 und 3 WpHG erweitert um eine Reihe von juristischen Personen, Gesellschaften und Einrichtungen. Von § 15a Abs. 3 Satz 2 WpHG werden diejenigen juristischen Personen erfasst, bei denen die grundsätzlich meldepflichtigen Personen mit Führungsaufgaben beim Emittenten oder die diesen naheste-
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Hiervon hat das BMF Gebrauch gemacht und die WpAIV erlassen. Richtlinie 2004/72/EG der Kommission. Vgl. Emittentenleitfaden, sub. V.1.2.1., S. 69 f. Vgl. von Buttlar, BB 2003, 2133, 2136; kritisch Uwe H. Schneider, AG 2002, 473, 477 (der jedoch klarstellt, dass die Regelung von § 15a WpHG a.F. nicht analogiefähig ist) – zustimmend Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 37. Heinrich in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15a WpHG Rz. 38. Unstr., vgl. nur Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 32; Zimmer in Schwark, § 15a WpHG Rz. 18. Vgl. dazu Fleischer, ZIP 2002, 1217, 1226; von Buttlar, BB 2003, 2133, 2136; Schuster, ZHR 167 (2003), 193, 206. Schuster, ZHR 167 (2003), 193, 209; Großmann/Nikoleyczik, DB 2002, 2031, 2033; Hutter/ Leppert, NZG 2002, 649, 656. Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 44; Zimmer in Schwark, § 15a WpHG Rz. 23; Uwe H. Schneider, AG 2002, 473, 476; Fleischer, ZIP 2002, 1217, 1226.
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henden Personen gemäß § 15a Abs. 3 Satz 1 WpHG ihrerseits Führungsaufgaben wahrnehmen. Hierbei handelt es sich z.B. um eine Vermögensverwaltungs-GmbH eines Vorstandes des Emittenten, bei der der Vorstand selbst oder z.B. seine Ehefrau Geschäftsführer ist (und sie dementsprechend bei der GmbH Führungsaufgaben wahrnehmen). Soweit also eine Person mit Führungsaufgaben die Verwaltung eigenen Vermögens über eine – häufig auch aus steuerlichen Erwägungen gegründete – Vermögensverwaltungsgesellschaft vornimmt, sind deren Transaktionen in Finanzinstrumenten des Emittenten meldepflichtig. Der Kreis der Personen, die als der Person mit Führungsaufgaben nahestehend erfasst werden, entspricht den Vorgaben von Art. 1 Nr. 2 der (Ausführungs)Richtlinie der Kommission1. 10
Der Kreis der meldepflichtigen Gesellschaften wird durch § 15a Abs. 3 Satz 3 WpHG zur Verhinderung von Umgehungen nochmals erweitert um „juristische Personen, Gesellschaften und Einrichtungen“, die direkt oder indirekt von einer Person, die bei dem Emittenten Führungsaufgaben ausübt, oder von einer dieser nachstehenden natürlichen Person, kontrolliert werden. Gleichfalls ausreichend ist, dass die „juristische Person, Gesellschaft oder Einrichtung“ zugunsten einer Person mit Führungsaufgaben oder einer dieser nahestehenden natürlichen Person gegründet wurde oder deren wirtschaftlichen Interessen weitgehend entspricht: Der Umkehrschluss aus § 15a Abs. 3 Satz 2 WpHG legt nahe, dass eine „Gesellschaft oder Einrichtung“, bei der die Führungsperson gemäß § 15a Abs. 3 Abs. 2 WpHG oder eine ihr nahestehende natürliche Person Führungsaufgaben wahrnimmt, nicht meldepflichtig ist (denn es handelt sich nicht um eine juristische Person)2. Insofern wird zu Recht kritisiert, dass dieses Ergebnis nicht den Vorgaben von Art. 1 Nr. 2 lit. d der EG-Durchführungs-Richtlinie entspricht3. In der Praxis wird dies kaum gravierende Folgen zeitigen, da ein Vorstand selten geschäftsführender Gesellschafter z.B. einer Vermögensverwaltungs-GbR sein wird, an der nicht zumindest ihm nahestehende Personen i.S.v. § 15a Abs. 3 Satz 1 WpHG wesentlich beteiligt sind und daher § 15a Abs. 3 Satz 3 WpHG eingreift.
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Mit „juristischer Person“ meint § 15a Abs. 3 Sätze 2 und 3 WpHG grundsätzlich eine andere juristische Person als den Emittenten, denn andernfalls würde der Emittent durch die Tätigkeit des Vorstandes bei ihm meldepflichtig für Geschäfte in eigenen Wertpapieren. Dies ist weder von der Durchführungs-Richtlinie noch von dem WpHG beabsichtigt, so dass insoweit eine teleologische Reduktion vorzunehmen ist4. Die Bafin ist darüber hinaus der Auffassung, dass auch Geschäfte gemeinnütziger Gesellschaften und Einrichtungen nicht meldepflichtig sind, da „die Führungspersonen“ aufgrund der Gemeinnützigkeit der Gesellschaft oder Einrichtung keinen nennenswerten wirtschaftlichen Vorteil aus der Gesellschaft oder Einrichtung erzielen können5. Dies erscheint aus verschiedenen Gründen unzutreffend. Zweck von § 15a WpHG ist nicht die Verhinderung der Erzielung wirtschaftlicher Vorteile durch den Vorstand, sondern u.a. die Indikatorwirkung und die informationelle Chancengleichheit. Beide Zwecke werden durch die gemeinnützige Einrichtung (insb. Stiftung), für 1 Richtlinie 2004/72/EG v. 29.4.2004. 2 So wohl – unter Hinweis auf das Analogieverbot – Escher-Weingart/Hannick, NZG 2005, 922, 923. 3 Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 45; Heinrich in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15a WpHG Rz. 46. 4 Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 47 f.; Heinrich in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15a WpHG Rz. 47; BaFin, Emittentenleitfaden, sub. V.1.2.4., S. 72; Howe-Knobloch, Directors’ Dealings, S. 76 f.; Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 25 in Fn. 42. 5 Emittentenleitfaden, sub. V.1.2.5., S. 72; wohl zustimmend Heinrich in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15a WpHG Rz. 50.
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die der Vorstand im Rahmen eines Doppelmandates handelt, gleichermaßen verletzt, als handelte der Vorstand im Eigeninteresse. Zudem ist es unzutreffend, dass der Vorstand keinen „nennenswerten wirtschaftlichen Vorteil“ durch die Geschäfte der gemeinnützigen Einrichtung erzielen kann, da auch eine gemeinnützige Stiftung ohne Gefährdung des Gemeinnützigkeitsstatus bis zu einem Drittel der Erträge an den Vorstand oder seine Familie ausschütten kann. Unklar ist, wann eine „Kontrolle“ i.S.d. § 15a Abs. 3 Satz 3 WpHG vorliegt. Die BaFin geht davon aus, dass mindestens 50 % der Gesellschaftsanteile oder der Stimmrechte der Führungsperson oder einer dieser nahestehenden Person zustehen oder ein Beherrschungsvertrag geschlossen wurde1 und wendet damit § 1 Abs. 8 KWG i.V.m. § 290 HGB analog an. Eine „Gründung zugunsten der Führungsperson oder einer ihr nahestehenden Person“ soll dann gegeben sein, wenn die wirtschaftlichen Vorteile aus der juristischen Person, Gesellschaft oder Einrichtung diesen zu mehr als 50 % zukommen. Gleiches soll für eine „weitgehende“ Entsprechung der wirtschaftlichen Interessen gelten2.
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III. Melde- und Veröffentlichungspflichten 1. Erfasste Transaktionen a) Erwerb oder Veräußerung Meldepflichtig nach § 15a WpHG sind „eigene Geschäfte“ der meldepflichtigen Personen. Nach der früher geltenden Fassung waren meldepflichtig „der Erwerb oder die Veräußerung“. Der Gesetzesbegründung ist nicht zu entnehmen, ob der Gesetzgeber hiermit eine Änderung der früheren Rechtslage beabsichtigt hat. Unter „Erwerb oder Veräußerung“ wurden von der herrschenden Lehre sämtliche entgeltlichen Geschäfte, nicht jedoch Schenkungen, Verpfändungen oder Erbschaften subsumiert, wobei auf das schuldrechtliche Geschäft und nicht auf den dinglichen Erwerbs- oder Veräußerungsakt abgestellt wurde3. Die europäische Kommission interpretiert Art. 6 Abs. 4 Marktmissbrauchsrichtlinie, der von „Eigengeschäften“ spricht, dahingehend, dass nach der Ratio erfasst werden Geschäfte, die für den Markt, die anderen Anleger und die Aufsichtsbehörden einen Informationswert besitzen. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn die Initiative zu dem Geschäft von der Führungskraft ausgeht und diese damit ein entgeltliches zielgerichtetes Rechtsgeschäft verfolgt, bei dem der Anschein des Insiderwissens immanent ist. Unentgeltliche Rechtsgeschäfte (Schenkung) und sonstige Rechtsgeschäfte, denen nicht automatisch ein Rechtsschein von Insidergeschäften von Führungsgeschäften innewohnt, sollten daher keine „eigenen Geschäfte“ im Sinne von § 15a Abs. 1 Satz 1 WpHG darstellen4. Die Gegenansicht stellt darauf ab, dass der Zweck von § 15a Abs. 3 WpHG, Umgehungen zu verhindern, eine 1 Emittentenleitfaden, sub. V.1.2.6., S. 73; ebenso Erkens, Der Konzern 2005, 29, 34; Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 48 f.; Heinrich in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15a WpHG Rz. 48 f. 2 BaFin, Emittentenleitfaden, sub. V.1.2.6., S. 73 f. 3 Uwe H. Schneider, AG 2002, 473, 474; Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817, 1819; Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, 3. Aufl., § 15a WpHG Rz. 44 (der jedoch Schenkungen als meldepflichtig ansieht, vgl. Rz. 51); Zimmer in Schwark, § 15a WpHG Rz 25; von Buttlar, BB 2003, 2133, 2137; a.A. Fleischer, ZIP 2002, 1217, 1226 (dingliches Geschäft). 4 Ebenso von Buttlar, BB 2003, 2133, 2137; Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817, 1818 f.; Erkens, Der Konzern 2005, 29, 35; Pluskat, BKR 2004, 467, 471; Pluskat, DB 2005, 1097, 1099; Fleischer, ZIP 2002, 1217, 1226; BaFin, Emittentenleitfaden, sub. V.2.2., S. 75.
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Erfassung auch von Schenkungen erfordere1. Unstreitig unterfallen Erwerb von Todes wegen jedoch nicht § 15a WpHG, da es sich nicht um ein schuldrechtliches Geschäft handelt2. Wertpapierpensionsgeschäfte oder -darlehensgeschäfte (Wertpapierleihe) sind jedoch „eigene Geschäfte“, da sie zumindest für eine gewisse Dauer zu einer Überlassung der Wertpapiere führen3. Demgegenüber sind Verpfändung und Sicherungsübereignung zunächst nur die Bestellung von Verwertungsrechten und begründen daher kein eigenes Geschäft4. 14
Zu den nicht meldepflichtigen, weil nicht Eigengeschäfte der Führungsperson darstellenden Geschäften sollten auch diejenigen zählen, die früher durch § 15a Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F. als „Erwerbe auf arbeitsvertraglicher Grundlage oder als Vergütungsbestandteil“ ausdrücklich von der Veröffentlichungspflicht ausgenommen waren. Auch bei diesen typischerweise im Rahmen von Stock Option Programs oder als Belegschaftsaktien ausgegebene Aktien fehlt es an einer Initiative der Führungskraft, so dass diese Transaktionen keinen Indikatorwert für den Markt darstellen. Etwas anderes gilt jedoch – wie früher – für die Ausübung von der Führungskraft gewährten Optionen oder die Veräußerung der Wertpapiere, die aufgrund der Option gezogen wurden5. Unerheblich ist, ob die Optionen schuldrechtlich gewährt werden und auf Lieferung von Aktien gerichtet sind oder ob nur ein Zahlungsausgleich vorgesehen ist (sog. virtuelle Optionen)6.
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Fraglich ist, ob Geschäfte, die ein Vermögensverwalter für eine Person mit Führungsaufgaben durchführt, nach § 15a WpHG „eigene Geschäfte“ bzw. nach früherem Recht „Erwerbe oder Veräußerungen“ darstellen. Die BaFin7 sah auch diese als mitteilungspflichtig an, wenn der Vermögensverwalter im Rahmen einer – in Deutschland üblichen – Vollmachtsverwaltung tätig wird, und verneint eine Mitteilungspflicht lediglich dann, wenn eine Vollrechtstreuhand des Vermögensverwalters gegeben ist, dieser also treuhänderisch Eigentum an den Wertpapieren erwirbt8. Dem wurde zu Recht entgegen gehalten, dass eine rein formale Sichtweise mit einem Abstellen auf die Eigentümerstellung zu kurz greift. Die Vermögensverwaltung wird von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG definiert als „die Verwaltung einzelner in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum“. Erfolgt ein Erwerb durch einen Vermögensverwalter somit im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ohne vorherige Rücksprache mit dem Vermögensinhaber (der Person mit Führungsaufgaben), so handelt es sich um eine Entscheidung des Vermögensverwalters und nicht der grundsätzlich meldepflichtigen Person9. Die Entscheidung des Vermögensverwalters hat zudem keinerlei Signal- oder Indizwirkung für den Kapital1 Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 65; Heinrich in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15a WpHG Rz. 56. 2 Vgl. nur Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 67. 3 BaFin, Emittentenleitfaden, sub. V.2.2., S. 75; Heinrich in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15a WpHG Rz. 56. 4 Unstr., vgl. nur BaFin, Emittentenleitfaden, sub. V.2.2., S. 75. 5 Vgl. dazu Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 71; Zimmer in Schwark, § 15a WpHG Rz. 29; von Buttlar, BB 2003, 2133, 2137; BaFin, Emittentenleitfaden, sub. V.2.2., S. 75; a.A. (für Meldepflicht bereits der Optionsgewährung) Erkens, Der Konzern 2005, 29, 35; Bürgers, BKR 2004, 424, 428; Osterloh, Directors’ Dealings, S. 173 ff., 180. 6 Vgl. Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 71. 7 Rundschreiben 17/2002 v. 5.9.2002 (inzwischen aufgehoben); offenerer heute Emittentenleitfaden, sub. V.3.6.10., S. 84. 8 Zu der unterschiedlichen Strukturierung vgl. Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 19 Rz. 13 ff. 9 So auch Hagen-Eck/Wirsch, DB 2007, 504, 507 f.
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markt. Vielmehr wäre es geradezu irreführend, die Entscheidungen des Vermögensverwalters als Entscheidungen des potentiellen Insiders zu veröffentlichen. Lediglich dann, wenn der Vermögensinhaber gegenüber dem Vermögensverwalter von seinem Weisungsrecht Gebrauch macht1, hätte die Transaktion einen Informationswert für den Kapitalmarkt (und ist dann auch als „eigenes Geschäft“ meldepflichtig). Da jedoch derartige Weisungen oder Änderungen der Anlagerichtlinien durch den Vermögensinhaber für den Kapitalmarkt und die Aufsichtsbehörden praktisch nur schwer nachprüfbar wären, sollen aufgrund der Missbrauchsgefahr auch Transaktionen von Vermögensverwaltern meldepflichtig sein2. Abzuwägen sind das Risiko des Missbrauchs durch einzelne Führungspersonen gegen eine Vielzahl von Falschmeldungen, die dadurch hervorgerufen werden, dass ein Vermögensverwalter – ohne missbräuchlichen Eingriff des Vermögensinhabers – eigene Entscheidungen trifft, diese jedoch von dem Kapitalmarkt als vermeintliche Entscheidungen der Person mit Führungsaufgaben angesehen werden. Da grundsätzlich nicht davon auszugehen ist, dass die Mehrzahl der Führungspersonen deutscher Emittenten kriminell sind, dürfte dem Kapitalmarkt mehr gedient sein, Falschmeldungen zu vermeiden, als Beweisschwierigkeiten bei möglichen Missbräuchen zu erleiden3. b) Ausnahmen § 15a Abs. 1 Satz 4 WpHG a.F. nahm von einer Mitteilungspflicht ausdrücklich Geschäfte aus, deren Wert bezogen auf die Gesamtzahl der vom Meldepflichtigen innerhalb von 30 Tagen getätigten Geschäfte 25 000 Euro nicht überstieg. Diese de minimis-Grenze ist durch das AnSVG in § 15a Abs. 1 Satz 5 WpHG herabgesetzt worden auf den Betrag von 5 000 Euro für alle Geschäfte, die eine Person mit Führungsaufgaben und die mit dieser Person in einer engen Beziehung stehenden Personen zusammengerechnet innerhalb eines Kalenderjahres vornehmen. Diese Bagatellklausel ist derart gering gehalten, dass sie kaum geeignet ist, den Kapitalmarkt von Veröffentlichungen ohne Aussagewert für die Marktteilnehmer freizuhalten. Dementsprechend ist die Anzahl der Meldungen schon im ersten Jahr der Neuregelung um 100 % angestiegen4.
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Offen ist, worauf bei der Berechnung der „Gesamtsumme der Geschäfte“ nach der Formulierung des WpHG (bzw. dem „Wert“ der Geschäfte nach der Formulierung des WpHG a.F.) abzustellen ist im Falle des Erwerbs bzw. der Veräußerung von Derivaten. Insbesondere bei dem Erwerb von Optionen kann auf den Optionspreis abgestellt werden, oder den leicht das Dreißig- bis Fünfzigfache ausmachenden Ausübungspreis. Nach Sinn und Zweck der Meldepflicht sollte es nicht auf die Höhe des von der Person mit Führungsverantwortung eingesetzten Kapitals sondern des mit diesem Einsatz ausmachenden Aktiengegenwertes ankommen, da dieser das wahre wirtschaftliche Interesse angibt und der Signalwirkung am ehesten gerecht wird. Dementsprechend sollte schon bei dem Erwerb bzw. der Veräußerung von Optionen auf den Optionsausübungspreis und nicht auf den Optionspreis abzustellen sein5.
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Vgl. dazu Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 14 Rz. 45. So insbesondere Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 75 ff. Zustimmend Hagen-Eck/Wirsch, DB 2007, 504, 507 f. Dreyling, Der Konzern 2006, 1, 3; vgl. auch die Zusammenstellung der Entwicklung der Anzahl der Meldungen im Jahresbericht der BaFin 2007, S. 186 f. (rd. 4 600 Meldungen in 2007). 5 Unklar BaFin, Emittentenleitfaden, sub. V.3.6.1.1., S. 81; wie hier wohl Sethe in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 81.
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Wird die Bagatellgrenze nicht erst durch die erste Transaktion überschritten, sind mit der die Grenze überschreitenden Transaktionen auch die vorangehenden Transaktionen zu melden1. 2. Mitteilung und Veröffentlichung
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Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 WpHG hat die meldepflichtige Person die Transaktion dem Emittenten und der Bundesanstalt innerhalb von fünf Werktagen mitzuteilen. Der Regierungsentwurf des AnSVG sah zunächst vor, dass die Meldung schriftlich erfolgen sollte. Auf Empfehlung des Finanzausschusses wurde das gesetzliche Schriftlichkeitserfordernis gestrichen, um dem BMF bzw. der BaFin die Möglichkeit einzuräumen, auch andere Formen zuzulassen2. Dementsprechend sieht § 11 Abs. 1 Satz 1 WpAIV zwar grundsätzlich Schriftlichkeit vor (oder Übersendung per Fax) und § 11 Abs. 2 WpAIV ermächtigt die BaFin, eine Datenfernübertragung zuzulassen. Dies ist bisher jedoch noch nicht erfolgt. Für die Berechnung der Frist von fünf Werktagen finden die §§ 186 ff. BGB Anwendung.
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Zu unterrichten sind sowohl der Emittent wie auch die BaFin. Unterrichtet der Meldepflichtige den Emittenten nicht, erfährt der Emittent jedoch anderweitig von der Transaktion, hat er weder eigene Nachforschungen anzustellen noch eine Veröffentlichung vorzunehmen3. Die Einzelheiten (Mindestinhalt, Art, Umfang und Form der Mitteilung) kann das Bundesministerium der Finanzen bzw. im Falle eine Subdelegation die BaFin nach § 15a Abs. 5 WpHG durch eine Rechtsverordnung bestimmen. Die BaFin hatte – früher ohne Rechtsgrundlage – hierfür durch Rundschreiben vom 27.6.2002 ein Formular entwickelt, das sie ihr per Telefax zu übermitteln bat. Die Einzelheiten werden nunmehr durch §§ 10 bis 13a sowie § 3a WpAIV geregelt4.
21
Der Emittent hat die von der meldepflichtigen Person erhaltene Mitteilung unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern zu veröffentlichen. Adressat ist seit dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) der „Inlandsemittent“. Dieser wird definiert durch § 2 Abs. 7 WpHG5, ergänzt durch die Verweisung in § 15a Abs. 4 Satz 2 WpHG auf § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG um solche Emittenten, deren Aktien zwar noch nicht zugelassen sind, für die ein Zulassungsantrag jedoch bereits gestellt wurde. Bei der Veröffentlichung sind nach früherem6 wie nach neuem7 Recht auf jeden Fall die Namen der die Transaktion durchführenden Meldepflichtigen zu nennen8. Darüber hinaus hat der Emittent die Veröffentlichung der BaFin unverzüglich zu übersenden und die Information dem Unternehmensregister zur Speicherung zu übersenden9.
1 Zimmer in Schwark, § 15a WpHG Rz. 30; BaFin, Emittentenleitfaden, sub. V.2.3., S. 75. 2 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/3493, S. 64; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 937. 3 Unstr., vgl. nur Bednarz, AG 2005, 835 ff.; Hagen-Eck/Wirsch, DB 2007, 504, 508 f.; Heinrich in KölnKomm. WpHG, 2007, § 15a WpHG Rz. 75. 4 WpAIV v. 13.12.2004, BGBl. I 2004, 3376 i.d.F. v. 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10 und Details im Emittentenleitfaden, sub. V.2. und V.3., S. 74–84, erläutert. 5 Vgl. dazu oben § 14 Rz. 12 f.sowie Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 46 mit ausführlicher Darlegung. 6 VG Frankfurt a.M. v. 14.5.2004 – 9 E 1636/03, WM 2004, 1923 ff. = AG 2004, 680. 7 § 12 Nr. 2 WpAIV. 8 VG Frankfurt a.M. v. 14.5.2004 – 9 E 1636/03, WM 2004, 1923 = AG 2004, 680 und VGH Kassel v. 3.5.2006 – 6 UE 2623/04, BKR 2006, 288 halten dies für verhältnismäßig; zustimmend Siller, WuB IG 6 § 15a WpHG 1.05; Möllers/Wenigmann, WuB IG 6 § 15a WpHG 1.06; a.A. Lenenbach, EWiR 2005, 235 f. 9 Vgl. dazu Hagen-Eck/Wirsch, DB 2007, 504, 508 f.
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§ 15
Directors’ Dealings
IV. Sanktionen 1. Bußgeld Nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. d WpHG handelt eine meldepflichtige Person ordnungswidrig, die entgegen § 15a Abs. 1 Satz 1 WpHG eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig macht. Ein Emittent handelt nach § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. b WpHG ordnungswidrig, wenn er entgegen § 15a Abs. 4 Satz 1 WpHG eine Veröffentlichung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig vornimmt oder nicht oder nicht rechtzeitig nachholt. Kommt ein Emittent seiner Verpflichtung nach § 15a Abs. 4 Satz 2 WpHG zur unverzüglichen Übersendung der Veröffentlichung an die BaFin nicht nach, begeht er nach § 39 Abs. 2 Nr. 6 WpHG eine Ordnungswidrigkeit. Sethe1 vertritt die Auffassung, dass auch die Übermittlung an das Unternehmensregister von § 39 Abs. 2 Nr. 6 WpHG erfasst wird und dass sich diese nicht nur auf die nicht rechtzeitige, sondern auch verfrühte Übersendung (da die Übersendung an das Unternehmensregister erst nach der Veröffentlichung erfolgen darf) bezieht. Damit dürften die Grenzen der zulässigen Auslegung zur unzulässigen Analogie überschritten werden. Die beiden erstgenannten Ordnungswidrigkeiten können mit einer Geldbuße bis zu 100 000 Euro und die letztgenannte Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 200 000 Euro geahndet werden.
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Da die früher in § 15a Abs. 4 WpHG a.F. enthaltene Verpflichtung zur Erteilung von Auskünften und der Vorlage von Unterlagen gegenüber der BaFin in diesem Zusammenhang entfallen ist, ist auch der entsprechende Ordnungswidrigkeitentatbestand gestrichen worden. Trotzdem ist die Auskunftspflicht gegenüber der BaFin und das Recht von der BaFin, Vorlage von Unterlagen zu verlangen, nicht ersatzlos entfallen. Dieses ist nunmehr in § 4 Abs. 3 WpHG allgemeiner und in umfassenderer Form enthalten und nach § 39 Abs. 3 Nr. 1 lit. a WpHG als Ordnungswidrigkeit sanktioniert, die nach § 39 Abs. 4 WpHG als Geldbuße bis zu 50 000 Euro geahndet wird.
23
2. Schadensersatz? Ein Verstoß gegen eine Pflicht zur Mitteilung bzw. Veröffentlichung kann eine Pflicht zum Schadensersatz für die mitteilungspflichtige Person bzw. den Emittenten nur dann nach sich ziehen, wenn es sich bei § 15a WpHG um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt. Dies wird in Anlehnung an die Entscheidung des Gesetzgebers zu der Pflicht zur allgemeinen Ad hoc-Publizität nach § 15 WpHG ohne drittschützende Wirkung in § 15 Abs. 6 WpHG von der ganz überwiegenden Meinung abgelehnt2.
24
Grundsätzlich nicht ausgeschlossen jedoch wohl nur selten vorliegend ist eine Schadensersatzpflicht wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB3.
25
Der Deutsche Corporate Governance Kodex hat in Ziff. 6.6 Abs. 1 die Pflicht zur Mitteilung von Directors’ Dealings nur noch referenziert und statuiert darüber hinaus im
26
1 In Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 110a f. 2 Vgl. nur Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, § 15a WpHG Rz. 115; Zimmer in Schwark, § 15a WpHG Rz. 47; Fischer zu Cramburg/Royé in Heidel, § 15a WpHG Rz. 9; Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 63; zweifelnd Fleischer, NJW 2002, 2977, 2978. 3 Vgl. zu der parallelen Situation bei einem vorsätzlichen Missbrauch der Ad hoc-Publizitätspflicht BGH v. 19.7.2004 – II ZR 217/03 – „Infomatec“, WM 2004, 1726 = ZIP 2004, 1604 = BKR 2004, 403 sowie oben § 14 Rz. 54.
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§ 16
Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
Rahmen einer Soll-Vorschrift, dass Vorstände eigene Aktienbestände von mehr als 1 % der von dem Emittenten ausgegebenen Aktien veröffentlichen sollen. Soweit ein Verstoß gegen den Deutschen Corporate Governance Kodex Schadensersatzpflichten nach sich zieht1, kann auch ein Verstoß gegen die Pflichten zur Mitteilung bzw. Veröffentlichung eine Schadensersatzpflicht nach sich ziehen.
§ 16 Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation Rz. I. Formen fehlerhafter Kapitalmarktinformation . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. Primärmarkt . . . . . . . . . . . . . . .
1
2. Sekundärmarkt . . . . . . . . . . . . .
2
II. Haftung des Emittenten für fehlerhafte Ad hoc-Publizität . . . . . . . .
5
1. Anspruchsverpflichteter . . . . . . .
5
2. Informationspflichtverletzung . . . 8 a) Unterlassung einer gebotenen Ad hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . 8 b) Veröffentlichung von unwahren Informationen . . . . . . . . . . . . 10 3. Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . 12
5. Anspruchsberechtigter . . . . . . . . a) Bei unterlassener Ad hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bei unwahrer Ad hoc-Publizität . c) Transaktionserfordernis . . . . . .
Rz. 16 16 19 22
6. Haftungsausschluss . . . . . . . . . . 23 7. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 8. Kausalität und Beweislast . . . . . . 28 9. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . 32 III. Haftung der Verwaltungsmitglieder 33 1. Gegenüber Emittenten . . . . . . . . 33 2. Gegenüber Anleger . . . . . . . . . . . 34
4. Subjektive Pflichtwidrigkeit . . . . . 13 Schrifttum: Abendroth, Der Bilanzeid – sinnvolle Neuerung oder systematischer Fremdkörper?, WM 2008, 1147; Braun/Rotter, Können Ad-hoc-Mitteilungen Schadensersatzansprüche im Sinne der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung auslösen?, BKR 2003, 918; Baums, Haftung wegen Falschinformation des Sekundärmarktes, ZHR 167 (2003), 139; Bürgers, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BKR 2004, 424; Diekmann/Sustmann, AnSVG, NZG 2004, 929; Duve/Basak, Welche Zukunft hat die Organaußenhaftung für Kapitalmarktinformationen?, BB 2005, 2645; Edelmann, Haftung von Vorstandsmitgliedern für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen, BB 2004, 2031; Ehricke in Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 187, 293 ff.; Escher-Weingart/Lägeler/Eppinger, Schadensersatzanspruch, Schadensart und Schadensberechnung gem. der §§ 37b, 37c WpHG, WM 2004, 1845; Fleischer, Erweiterte Außenhaftung der Organmitglieder im Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, ZGR 2004, 437; Fleischer, Finanzinvestoren im ordnungspolitischen Gesamtgefüge von Aktien-, Bankaufsichts- und Kapitalmarktrecht, ZGR 2008, 185; Fleischer, Zur zivilrechtlichen Teilnehmerhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation nach deutschem und US-amerikanischem Recht, AG 2008, 265; Fleischer, Der Inhalt des Schadensersatzanspruchs wegen unwahrer oder unterlassener unverzüglicher Ad-hoc-Mitteilung, BB 2002, 1869; Fuchs/Dühn, Deliktische Schadensersatzhaftung für falsche Ad-hocMitteilungen, BKR 2002, 1063; Geibel, Der Kapitalanlegerschaden, 2002; Groß, Haftung für fehlerhafte oder fehlende Regel- oder Ad hoc-Publizität, WM 2002, 477; Hopt/Voigt in Hopt/ Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, 2005, S. 9, 128 ff.; Holzborn/Foelsch, Schadensersatzpflichten von Aktiengesellschaften und deren Management bei Anlegerverlusten – Ein Überblick, NJW 2003, 932; Krause, Ad-hoc-Publizität und haftungsrechtlicher An1 Vgl. zu dieser Frage oben § 2 Rz. 74 ff.
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§ 16
Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation
legerschutz, ZGR 2002, 799; Kuthe, Änderungen des Kapitalmarktrechts durch das AnSVG, ZIP 2004, 883; Langenbucher, Kapitalerhaltung und Kapitalmarkthaftung, ZIP 2005, 239; Leisch, Vorstandshaftung für falsche Ad hoc-Mitteilungen, ZIP 2004, 1573; Leuschner, Zum Kausalitätserfordernis des § 826 BGB bei unrichtigen Ad-hoc-Mitteilungen, ZIP 2008, 1050; Maier-Reimer/Paschos, Haftung für fehlerhafte Sekundärmarktpublizität, in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2008, § 29; Maier-Reimer/ Webering, Ad hoc-Publizität und Schadensersatzhaftung – Die neuen Haftungsvorschriften des WpHG, WM 2002, 1857; Möllers, Konkrete Kausalität, Preiskausalität und uferlose Haftungsausdehnung – ComROAD I-VIII, NZG 2008, 413; Möllers, Das europäische Kapitalmarktrecht im Umbruch, ZBB 2003, 390; Möllers/Leisch, Schaden und Kausalität im Rahmen der neugeschaffenen §§ 37b und 37c WpHG, BKR 2002, 1071; Möllers/Leisch, Offene Fragen zum Anwendungsbereich der §§ 37b und 37c WpHG, NZG 2003, 112; Möllers/Rotter, Adhoc-Publizität, 2003; Nietsch, Schadensersatzhaftung wegen Verstoßes gegen Ad-hoc-Publizitätspflichten nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BB 2005, 785; Mülbert, Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln?, JZ 2002, 826; Mülbert/Steup, Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation, in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 33; Mülbert/Steup, Emittentenhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation am Beispiel der fehlerhaften Regelpublizität, WM 2005, 1633; Pfüller/Detweiler, Die Haftung der Banken bei öffentlichen Übernahmen nach dem WpÜG, BKR 2004, 383; Renzenbrink/Holzner, Das Verhältnis von Kapitalerhaltung und Ad-hoc-Haftung, BKR 2002, 434; Riekers, Haftung des Vorstands für fehlerhafte Ad-hoc-Meldungen de lege lata und de lege ferenda, BB 2002, 1213; Rößner/Bolkart, Schadensersatz bei Verstoß gegen Adhoc-Publizitätspflichten nach dem 4. FiFöG, ZIP 2002, 1471; Rützel, Der aktuelle Stand der Rechtsprechung zur Haftung bei Ad hoc-Mitteilungen, AG 2003, 69; C. Schäfer/M. Weber/ Wolf, Berechnung und Pauschalierung des Kursdifferenzschadens bei fehlerhafter Kapitalmarktinformation, ZIP 2008, 197; Sven H. Schneider, Kommentar zu BGH-Beschl. vom 28.11.2005 II ZR 80/04 und II ZR 246/04, WuB I G 6 § 15 WpHG 2.07; Spindler, Persönliche Haftung der Organmitglieder für Falschinformationen des Kapitalmarktes, WM 2004, 2089; Tollkühn, Die Ad-hoc-Publizität nach dem AnSVG, ZIP 2004, 2215; Veil, Die Ad-hoc-Publizitätshaftung im System kapitalmarktrechtlicher Informationshaftung, ZHR 167 (2003), 365; Widder, Kommentar zu BGH-Urt. vom 25.2.2008, II ZB 9/07, BB 2008, 855; Wünsche, Kommentar zu BGH-Urt. vom 7.1.2008, II ZR 229/05 (ComROAD VI), BB 2008, 691.
I. Formen fehlerhafter Kapitalmarktinformation 1. Primärmarkt Eine fehlerhafte Kapitalmarktinformation kann erstmals auftreten im Zusammenhang mit dem Betreten des Kapitalmarktes durch das Unternehmen durch eine Börsenzulassung. Soweit der Kapitalmarkt i.V.m. einem Börsenzulassungsprospekt in Anspruch genommen wird, wird die Haftung für Fehler des Börsenzulassungsprospektes durch die §§ 44 ff. BörsG geregelt. Wird der Kapitalmarkt ohne Börsennotierung in Anspruch genommen, gelten die Regelungen des WpPG und die Haftungsvorschriften der §§ 44 ff. BörsG, auf die verwiesen wird. Daneben stehen die spezialgesetzlichen Prospekthaftungsregelungen für die Verkaufsprospekte von Investmentgesellschaften mit der Haftungsregelung des § 127 InvG.
1
2. Sekundärmarkt Nach dem IPO (Initial Public Offering) mit Börsennotierung obliegen dem Emittenten eine Vielzahl von Zulassungsfolgepflichten, insbesondere die der Veröffentlichung von Jahresfinanzberichten nach § 37v WpHG und Halbjahresfinanzberichten nach § 37w WpHG sowie von Zwischenmitteilungen gemäß § 37x WpHG. Spezialgesetzliche Haftungsgrundlagen bestehen insoweit nicht und es wird generell auf die allSchäfer
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Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
gemeine zivilrechtliche Prospekthaftung oder auf deliktsrechtliche Schadensersatzpflichten – insb. i.V.m. dem Bilanzeid gemäß §§ 264 Abs. 2 Satz 3, 289 Abs. 1 Satz 5, 297 Abs. 2 Satz 3, 315 Abs. 1 Satz 6 HGB – rekurriert1. Für den Sonderfall der Verwendung einer fehlerhaften Angebotsunterlage im Zusammenhang mit einem öffentlichen Angebot zum Erwerb von Wertpapieren, insbesondere einem Übernahmeangebot, enthält nunmehr § 12 WpÜG eine spezialgesetzliche Haftungsnorm2. 3
Einen Spezialbereich der fehlerhaften Kapitalmarktinformation stellt die Haftung für fehlerhafte Ad hoc-Publizität dar. Die Ad hoc-Publizität gemäß § 15 WpHG wird haftungsmäßig sanktioniert durch §§ 37b, 37c WpHG im Falle der Unterlassung einer gebotenen Ad hoc-Publizität oder der Vornahme einer fehlerhaften Ad hoc-Publizität. Haftungsadressat dieser spezialgesetzlichen Normen ist de lege lata gegenüber dem Kapitalmarkt bzw. dessen Teilnehmern ausschließlich der zur Ad hoc-Publizität verpflichtete Emittent. Eine Haftung von Organmitgliedern des Emittenten besteht primär gegenüber den Emittenten und lediglich im Falle einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB gegenüber dem Kapitalmarkt bzw. dessen Teilnehmern sowie ggf. wegen falschem Bilanzeid gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 331 HGB.
4
Fehlerhafte Informationen des Kapitalmarktes können sich jedoch noch in einer Vielzahl weiterer Konstellationen ereignen. Genannt seien hier etwa falsche oder unterlasse Informationen im Rahmen von §§ 30a ff. WpHG, von Interviews des Vorstandes, Analystenveranstaltungen, Redebeiträgen von Vorständen oder Aufsichtsräten in der Hauptversammlung (soweit diese öffentlich übertragen werden) und einer Vielzahl weiterer Verlautbarungen des Unternehmens, die vom Kapitalmarkt aufgenommen werden. Diese sind bisher nicht spezialgesetzlich geregelt und in jedem Einzelfall ist eine Haftung anhand der allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsregelungen, insbesondere also der culpa in contrahendo, der vertraglichen Haftung sowie der deliktsrechtlichen Haftung zu prüfen3. Im Herbst 2004 wurde diskutiert, ein einheitliches Haftungsregime einzuführen im Rahmen eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes (KapInHaG). Der hierzu im Sommer 2004 veröffentlichte Diskussionsentwurf4 hat zahlreiche Kritik erfahren und ist im November 2004 zurückgezogen worden5. Im Rahmen dieses Gesetzes sollte die bestehende spezialgesetzliche Haftungsregelung für fehlerhafte Ad hoc-Publizität nach §§ 37b, 37c WpHG erweitert werden auf eine allgemeine Haftung für fehlerhafte Ad hoc-Publizität; zudem sollte diese nicht nur auf den Emittenten sondern ggf. auch auf deren Organe erstreckt werden6. 1 Vgl. dazu Maier-Reimer/Paschos in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 197 ff.; Mock in KölnKomm. WpHG, 2007, § 37v WpHG n.F. Rz. 36; Groß, WM 2002, 477; Möllers in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 13 Rz. 6 ff.; Krause, ZGR 2002, 799, 828 f. – alle m.w.N. 2 Vgl. dazu Pfüller/Detweiler, BKR 2004, 383 ff. m.w.N.; Assmann in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 12 WpÜG Rz. 6 ff.; Steinhardt in Steinmeyer/Häger, § 12 WpÜG Rz. 4 ff. 3 Vgl. dazu ausführlich Maier-Reimer/Paschos in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 320 ff., 340 ff.; Möllers in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 13 Rz. 14 ff. 4 Abgedruckt u.a. in NZG 2004, 1042 ff. 5 Vgl. dazu Duve/Basak, BB 2005, 2645; Fleischer, ZGR 2004, 437, 462 ff.; Fuchs/Dühn, BKR 2002, 1063; Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 127 ff.; Möllers/Leisch in KölnKomm. WpHG, 2007, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 80; Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 26. 6 Vgl. dazu Baums, ZHR 167 (2003), 139, 145 f., 171 ff.; Riekers, BB 2002, 1213 ff.; Spindler, WM 2004, 2089 ff.; Veil, ZHR 167 (2003), 365, 393; umfassend Maier-Reimer/Paschos in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 14 ff.; vgl. auch Langenbucher, ZIP 2005, 239.
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Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation
Es darf heute als weitgehend geklärt angesehen werden, dass die Regelungen über das Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß § 57 AktG keine Sperrwirkung gegenüber Schadensersatzansprüchen aus §§ 37b, 37c WpHG entfalten1.
4a
II. Haftung des Emittenten für fehlerhafte Ad hoc-Publizität 1. Anspruchsverpflichteter Eine Haftung für unterlassene oder fehlerhafte Ad hoc-Publizität nach §§ 37b, 37c WpHG kommt nach der derzeitigen Fassung des Gesetzes nur in Betracht für Emittenten von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind2. Eine Haftung von Mitverantwortlichen ist – anders als in § 12 WpÜG, § 44 BörsG – nicht vorgesehen und kann auch nicht in Form der Gehilfenhaftung gemäß § 830 BGB begründet werden3. Finanzinstrumente werden durch § 2 Abs. 2b, Abs. 1 WpHG definiert als alle Gattungen von übertragbaren Wertpapieren, die ihrer Art nach auf Finanzmärkten handelbar sind, insb. Aktien, Zertifikate, die Aktien vertreten, Schuldverschreibungen, Genussscheine, Optionsscheine und andere Wertpapiere, die mit Aktien oder Schuldverschreibungen vergleichbar sind, sowie Geldmarktinstrumente i.S.v. § 2 Abs. 1a WpHG, Derivate i.S.v. § 2 Abs. 2 WpHG und Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren. Der Sitz des Emittenten ist grds. irrelevant, solange nur seine Finanzinstrumente im Inland zum Handel an einer Börse zugelassen sind. Dem gegenüber begründet § 15 WpHG eine Pflicht zur Ad hoc-Publizität für „Inlandsemittenten“. Da diese seit dem TUG durch § 2 Abs. 7 WpHG in dem Sinne definiert werden, dass eine Zulassung der Wertpapiere nur im Inland erfolgt sein darf, ist der Kreis der nach §§ 37b, 37c WpHG haftenden Emittenten (geringfügig) weiter als der nach § 15 WpHG zur Ad hoc-Publizität verpflichteten Unternehmen4. Der von §§ 37b, 37c WpHG durch die verbale Bezugnahme auf § 15 WpHG intendierte Gleichlauf ist dadurch herbeizuführen, dass der Emittentenbegriff der §§ 37b, 37c WpHG als Inlandsemittent i.S.v. § 2 Abs. 7 WpHG zu lesen ist5.
5
Nicht erfasst werden daher Emittenten von Finanzinstrumenten, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sondern einbezogen sind. Dies kommt insbesondere in Betracht für in den regulierten Markt einbezogene Wertpapiere sowie Wertpapiere, die in den Freiverkehr einbezogen sind6.
6
1 OLG Stuttgart v. 28.4.2008 – 5 U 6/08, WM 2008, 1368, 1369; Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 11 ff. m.w.N.; Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 6. 2 Möllers/Leisch in KölnKomm. WpHG, 2007, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 76; Sethe in Assmann/ Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 131. 3 H.L., Möllers/Leisch in KölnKomm. WpHG, 2007, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 80; Maier-Reimer/ Webering, WM 2002, 1857, 1864; Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 130. 4 Vgl. Maier-Reimer/Paschos in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 64. 5 Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 161; für Herbeiführung des Gleichlaufs durch Ausdehnung der Haftung nach §§ 37b, 37c WpHG auf nicht dem Inlandsemittentenbegriff unterfallende Unternehmen, wenn diese gegen ausländische Parallelvorschriften zu § 15 WpHG verstoßen, Maier-Reimer/Paschos in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 64. 6 Unstr., vgl. nur Möllers/Leisch in Möllers/Rotter, Ad hoc-Publizität, § 14 Rz. 3 ff.; Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 19 f. (allerdings ohne Differenzierung zwischen Zulassung und Einbeziehung in den geregelten Markt); Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 36; für analoge Anwendung von § 37c WpHG im Falle einer freiwilligen Ad hoc-Publizität eines im Freiverkehr notierten Emittenten Möllers/Leisch in KölnKomm. WpHG, 2007, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 92 f. – dagegen Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 38.
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Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
Adressaten von §§ 37b, 37c WpHG sind jedoch nur Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Handel an einer inländischen Börse bereits zugelassen sind1. Die Pflicht zur Ad hoc-Publizität besteht nach § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG für Emittenten von Finanzinstrumenten, die in einem organisierten Markt zugelassen sind oder für die er eine solche Zulassung beantragt hat. Unklar ist damit, ob ein Emittent von Finanzinstrumenten wegen unterlassener oder fehlerhafter Ad hoc-Publizität haftet, wenn die Zulassung seiner Finanzinstrumente bisher lediglich beantragt aber noch nicht erfolgt ist, denn §§ 37b, 37c WpHG gelten nach ihrem Wortlaut nur für Emittenten von zugelassenen Finanzinstrumenten. Gegen eine Haftung scheint zunächst zu sprechen, dass die Pflicht zur Ad hoc-Publizität in § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG ausdrücklich über die Inlandsemittenten hinaus auf Emittenten von Finanzinstrumenten erstreckt wird, die bisher lediglich die Zulassung ihrer Finanzinstrumente beantragt haben. Da der Gesetzgeber die Erstreckung ausdrücklich statuiert, könnte der Umkehrschluss naheliegen, dass in Ermangelung einer entsprechenden Statuierung in §§ 37b Abs. 1, 37c Abs. 1 WpHG keine Haftung in diesen Fällen bestehen soll. Im Ergebnis vermag eine derartige Argumentation jedoch nicht zu überzeugen. Es besteht kein Grund dafür, einen Bereich mit einer Pflicht zur Ad hoc-Publizität zu belegen, einen Verstoß gegen eine derartige Pflicht jedoch nicht mit Schadensersatzansprüchen zu bewehren. Es ist sicherlich unglücklich, dass der Gesetzgeber trotz der weiten Definition der Emittenten in § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG in §§ 37b, 37c WpHG nicht erneut die noch nicht zugelassenen Finanzinstrumente ausdrücklich anführt. Wünschenswert wäre insoweit eine Klarstellung. Auch ohne eine derartige Klarstellung sollte jedoch davon auszugehen sein, dass auch der Emittent von Finanzinstrumenten, deren Zulassung bisher lediglich beantragt worden ist, den Regelungen der §§ 37b, 37c WpHG unterfällt2. 2. Informationspflichtverletzung a) Unterlassung einer gebotenen Ad hoc-Publizität
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Haftungsvoraussetzung für eine unterlassene unverzügliche Veröffentlichung von Insiderinformationen ist, dass den Emittenten eine Pflicht zur Veröffentlichung einer Insiderinformation nach § 15 WpHG trifft3. Durch das AnSVG wurde der Tatbestand von § 37b WpHG an die Änderungen in § 15 WpHG angepasst4. Die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen, die den Emittenten unmittelbar betreffen, wird durch § 15 Abs. 1 WpHG statuiert. Dabei konkretisiert § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG das Tatbestandsmerkmal der unmittelbaren Betroffenheit des Emittenten. Insoweit weicht § 37b Abs. 1 WpHG nicht von dem Tatbestand von § 15 Abs. 1 WpHG ab.
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Beispielsfälle für einen Verstoß gegen eine gebotene Veröffentlichung sind in der Regel die vollständige Unterlassung der Veröffentlichung5. Ebenso wird jedoch auch eine verspätete („nicht unverzügliche“) Veröffentlichung erfasst6. Eine verspätete Veröffentlichung ist eine zumindest zeitweise Unterlassung einer gebotenen Veröffent1 Vgl. als Bsp. OLG Frankfurt v. 18.4.2007 – 21 U 72/06 – „DT AG“, AG 2007, 749, 752. 2 Ebenso Bürgers, BKR 2004, 424, 427; Maier-Reimer/Paschos in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 65; Möllers/Leisch in KölnKomm. WpHG, 2007, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 91; Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 39. 3 Maier-Reimer/Webering, WM 2002, 1857, 1858; Möllers/Leisch in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 14 Rz. 10; Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 42. 4 Vgl. dazu oben § 14 Rz. 6 ff. 5 Möllers/Leisch in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 14 Rz. 11 ff. 6 Begr. RegE zum 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 93; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 167.
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lichung. Meist wird es sich in diesen Fällen um ein Hinauszögern der Veröffentlichung von negativen Nachrichten handeln. Zu beachten ist insoweit § 15 Abs. 3 WpHG, der den Emittenten von einer Pflicht zur Veröffentlichung jedenfalls solange befreit, wie es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert. Gleiches gilt grundsätzlich jedoch auch, wenn positive Tatsachen nicht oder verspätet veröffentlicht werden1. b) Veröffentlichung von unwahren Informationen Das Gegenstück zu der unterlassenen oder verspäteten Ad hoc-Publizität ist eine falsche Ad hoc-Publizität. Nach § 37c Abs. 1 WpHG wird mit Schadensersatz bewehrt, wenn unwahre Insiderinformationen, die den Emittenten unmittelbar betreffen, veröffentlicht werden. Erfasst werden soll hierdurch die Irreführung des Publikums durch ein aktives Tun, indem – positive oder negative – unwahre Tatsachen verbreitet werden2. Durch die Neuformulierung des § 37c WpHG durch das AnSVG ist die irreführende Formulierung des Gesetzes korrigiert worden, dass die unwahre Insiderinformation „wegen ihrer Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet ist, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen“. Da es sich um eine unwahre Information und damit gerade nicht um eine Tatsache i.S.d. alten Gesetzesfassung sondern um eine Fiktion handelt, kann sie grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Vermögensoder Finanzlage des Emittenten haben3. Trotz der Neuformulierung des Gesetzes enthält diese jedoch immer noch eine gewisse contradictio in adjecto. § 13 Abs. 1 WpHG definiert Insiderinformation als eine „konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, …“. Wenn eine Information unzutreffend ist, kann es sich nicht um nicht öffentlich bekannte Umstände handeln, da diese gerade erfunden werden. Insoweit ist das Gesetz jedoch nicht mehr irreführend sondern lediglich als sprachlich missglückt zu bezeichnen. Gemeint ist eine Information, die – wenn sie wahr wäre – eine Insiderinformation darstellte4. Eine vermeintliche Insiderinformation ist unwahr, wenn sie in Wirklichkeit nicht gegeben ist. Unwahr ist sie jedoch auch, wenn sie unvollständig ist. Bei unvollständigen Veröffentlichungen wird ein grundsätzlich veröffentlichungspflichtiger Teil der Informationen nicht veröffentlicht.
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Dies führt zu der Frage, ob eine unwahre Veröffentlichung oder die Unterlassung einer gebotenen Veröffentlichung vorliegt. Wird ein Lebenssachverhalt, der positive und negative Elemente enthält, veröffentlicht unter Weglassung der negativen Elemente (z.B. von Risiken eines Vertragsabschlusses), so wird der Schwerpunkt entscheiden müssen, ob es sich um eine Veröffentlichung einer unwahren Tatsache oder um ein Unterlassen einer gebotenen Veröffentlichung handelt. Häufig wird das aktive Tun, die Veröffentlichung, den Schwerpunkt darstellen. Ist jedoch der unveröffentlichte Teil des Lebenssachverhaltes von dem veröffentlichten klar getrennt, kann es sich um eine zutreffende Ad hoc-Publizität bei gleichzeitiger Unterlassung einer weiteren gebotenen Ad hoc-Publizität handeln5.
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1 Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 51 ff.; Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 28 ff. 2 Begr. RegE zum 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 94. 3 Maier-Reimer/Webering, WM 2002, 1857, 1858. 4 Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 35 m.w.N. 5 Vgl. umfassend Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 31, 36 m.w.N.; Baums, ZHR 167 (2003), 138, 159 ff.; Maier-Reimer/Paschos in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 77 f.; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 172.
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3. Rechtswidrigkeit 12
Die Rechtswidrigkeit wird im Falle des § 37c WpHG durch das positive Tun indiziert, bei dem Unterlassen nach § 37b WpHG durch den Verstoß gegen die Verhaltensnormen des § 15 Abs. 1 WpHG1. 4. Subjektive Pflichtwidrigkeit
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Schadensersatzansprüche setzen grundsätzlich ein Verschulden des Verpflichteten voraus. Dieses wird durch die Formulierung von §§ 37b Abs. 2, 37c Abs. 2 WpHG vermutet, wenn es heißt, dass wegen unterlassener Ad hoc-Publizität nach § 37b Abs. 2 WpHG nicht in Anspruch genommen werden kann, „wer nachweist, dass die Unterlassung nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht“ bzw. dass wegen Veröffentlichung von unwahren Insiderinformationen nach § 37c Abs. 2 WpHG nicht in Anspruch genommen werden kann „wer nachweist, dass er die Unrichtigkeit der Insiderinformation nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht“. Vorsatz ist das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges, grobe Fahrlässigkeit die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße2. Im Falle des Unterlassens einer gebotenen Ad hoc-Publizität trifft den Emittenten somit keine Haftung, wenn die Unterlassung der Veröffentlichung nur auf leichter Fahrlässigkeit beruhte und er dies beweist. Zimmer3 unterscheidet vier Fallgruppen der nicht schuldhaften Unterlassung einer Veröffentlichung: – Der Emittent beweist, dass er die Umstände, die die Veröffentlichungspflicht begründen, nicht kannte bzw. nicht grob fahrlässig verkannt hat; – der Emittent unterliegt einem (seltenen) unvermeidbaren Rechtsirrtum hinsichtlich seiner (abstrakten) Veröffentlichungspflicht (z.B. dass eine Information geeignet ist, im Falle ihres Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen4); – der Emittent hat die Veröffentlichung veranlasst, aber diese wurde aus von ihm nicht zu verantwortenden Umständen nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 15 WpHG durchgeführt; – der Emittent weist nach, dass er die Mitteilung nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verzögert hat.
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Das Verschulden muss sich somit auf die Unterlassung und damit auf sämtliche die Rechtspflicht zur Veröffentlichung begründenden Umstände beziehen. Dies bezieht die Unverzüglichkeit der Veröffentlichung ein. Diese wird von der h.M. verstanden als die Veröffentlichung „ohne schuldhaftes Zögern“ i.S.v. § 121 BGB5. Damit gehört ein grds. nur einfache Fahrlässigkeit erforderndes, subjektives Element zum Tatbestand, was die Frage des Verhältnisses zu der Verschuldensvermutung in § 37b 1 Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 50; Maier-Reimer/Webering, WM 2002, 1857, 1858 f. (m. Fn. 23); Möllers/Leisch in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 15 Rz. 41. 2 Vgl. Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 53. 3 Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 55; vgl. auch Mülbert/Steup in Haberdsack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 188. 4 Möllers/Leisch in KölnKomm. WpHG, 2007, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 167; Maier-Reimer/Paschos in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 84; a.A. Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 41, 61; Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 69. 5 Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 59; Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 65; Maier-Reimer/Paschos in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 81 ff.
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Abs. 2 WpHG aufwirft. Die h. L. will insoweit die dem Emittenten materiell-rechtlich günstigere (Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit) und prozessual ungünstigere (Beweislastumkehr) Vorschrift anwenden, während eine Mindermeinung unter Hinweis auf die Vorgabe der Marktmissbrauchsrichtlinie, dass eine Veröffentlichung „so bald als möglich“ zu erfolgen hat, „unverzüglich“ nicht i.S.v. § 121 BGB sondern i.S.v. „objektiven Kriterien“ versteht1. Ein Schadensersatzanspruch wegen Veröffentlichung von unwahren Insiderinformationen entfällt nach § 37c Abs. 2 WpHG demgegenüber nur, wenn der Emittent nachweist, dass er die Unrichtigkeit der (vermeintlichen) Insiderinformationen nicht gekannt hat und diese Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht. In dem Unternehmen des Emittenten vorhandenes Wissen wird dem Vorstand zugerechnet2.
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5. Anspruchsberechtigter a) Bei unterlassener Ad hoc-Publizität Im Falle einer unterlassenen Ad hoc-Publizität gewährt § 37b Abs. 1 WpHG zwei Gruppen von Kapitalmarktteilnehmern einen Schadensersatzanspruch. Die eine Gruppe besteht aus denjenigen, die die Finanzinstrumente nach der Unterlassung erwerben und bei Bekanntwerden der Insiderinformation noch Inhaber der Finanzinstrumente sind. Die zweite Gruppe besteht aus denjenigen, die die Finanzinstrumente vor dem Entstehen der Insiderinformation erwerben und nach der Unterlassung veräußern. Anspruchsberechtigt sind somit nur Anleger, die während der Desinformation des Marktes, also dem Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt, zu dem eine Ad hoc-Publizität hätte vorgenommen werden müssen, und dem Zeitpunkt der tatsächlichen Veröffentlichung, eine Transaktion in Finanzinstrumenten vorgenommen haben3. Anleger, die in dem Zeitraum der Desinformation des Marktes beide Transaktionen (d.h. Kauf und Verkauf) vornahmen, sind nicht schadensersatzberechtigt4.
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Schäden entstehen diesen beiden Gruppen jeweils mit Blick auf unterschiedliche Insiderinformationen5. Unterlässt es der Emittent, positive Insiderinformationen zu veröffentlichen, erwirbt der Dritte „zu billig“ und erleidet dementsprechend keinen Schaden, wenn aufgrund des Bekanntwerdens der Insiderinformation nach seinem Erwerb der Kurs steigt. Dementsprechend unterfällt die Unterlassung der Veröffentlichung einer kurssteigernden Insiderinformation nicht der ersten, sondern vielmehr der zweiten Fallgruppe. Erwirbt nämlich der Dritte ein Finanzinstrument vor dem Entstehen der positiven Insiderinformation und veräußert er es nach der Unterlassung der Veröffentlichung, so erwirbt er zum „richtigen“ Preis und verkauft „zu billig“, da der Kurs im Falle einer Veröffentlichung der Insiderinformation positiv beeinflusst worden wäre. Ein Dritter, der nach der Entstehung der positiven Insiderinformation aufgrund der Unterlassung der Veröffentlichung erwirbt und bereits vor Veröffentlichung wieder veräußert, fällt somit nicht in den Kreis der grundsätzlich Schadensersatzberechtigten. Dies ist konsequent, denn er hätte im Falle einer zeitgerechten
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1 Möllers/Leisch in KölnKomm. WpHG, 2007, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 171. 2 Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 68 m.w.N.; zu den Organisationspflichten vgl. auch Nietsch, BB 2005, 785,787. 3 Ehricke in Hopt/Vogt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 187, 291; MaierReimer/Paschos in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 86. 4 Maier-Reimer/Paschos in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 87 f. 5 Vgl. dazu Fleischer, BB 2002, 1869 f.
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Veröffentlichung der Ad hoc-Publizität zu einem höheren Preis erworben und kann sich daher nicht darauf berufen, dass er vor der tatsächlichen Veröffentlichung der Ad hoc-Publizität bereits wieder veräußerte, denn andernfalls würde ein Schadensersatzanspruch für ihn einen „Windfall Profit“ ohne innere Rechtfertigung darstellen. 18
Genau umgekehrt verhält es sich bei der (in der Praxis wahrscheinlich wesentlich häufigeren) Unterlassung einer den Börsenkurs beeinträchtigenden, negativen Ad hocPublizität. In diesem Falle ist schadensersatzberechtigt, wer die Finanzinstrumente nach der Unterlassung der negativen Ad hoc-Publizität und damit „zu teuer“ erwirbt und eine nachgeholte Ad hoc-Publizität dazu führt, dass der Börsenkurs des Finanzinstrumentes sich vermindert. Um einen Schaden zu erleiden, muss er jedoch im Zeitpunkt der nachgeholten Ad hoc-Publizität noch Inhaber des Finanzinstrumentes sein. Hat er bereits vorher wieder veräußert, hat er auch wieder „zu teuer“ verkaufen können und dementsprechend keinen Schaden erlitten1. b) Bei unwahrer Ad hoc-Publizität
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Aktivlegitimiert sind im Falle einer Veröffentlichung von unwahren Insiderinformationen zwei Gruppen von Kapitalmarktteilnehmern. Die eine Gruppe erwirbt die Finanzinstrumente nach der Veröffentlichung der unrichtigen Insiderinformation und hält die Finanzinstrumente noch bei einem Bekannt werden der Unrichtigkeit der Insiderinformation. Die zweite Gruppe erwirbt die Finanzinstrumente vor der Veröffentlichung der Insiderinformation und veräußert sie vor einem Bekanntwerden der Unrichtigkeit. In beiden Fallgruppen2 ist Voraussetzung, dass der Dritte auf die Richtigkeit der Insiderinformation vertraute.
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Bei der ersten Fallgruppe handelt es sich um unwahre Insiderinformationen, die den Kurs positiv beeinflussen. Nach der positiven Beeinflussung des Kurses erwirbt der Anleger die Finanzinstrumente „zu teuer“ und erleidet einen Schaden dadurch, dass die Unrichtigkeit der Insiderinformation bekannt wird und der Kurs dementsprechend wieder fällt.
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In der zweiten Fallgruppe erwirbt ein Anleger zu marktgerechten Preisen vor der Veröffentlichung einer unwahren, den Kurs negativ beeinflussenden Insiderinformation. Durch die unwahre, den Kurs negativ beeinflussende Insiderinformation erleidet er einen Schaden und realisiert diesen durch „zu billige“ Veräußerung der Finanzinstrumente, bevor die Unrichtigkeit der Insiderinformation bekannt wird und dementsprechend der Kurs wieder ansteigt3, ohne bereits Eigentümer der betroffenen Finanzinstrumente zu sein. c) Transaktionserfordernis
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Weder im Falle einer unterlassenen Ad hoc-Publizität noch bei unwahrer Ad hoc-Publizität werden Kapitalmarktteilnehmer geschützt, die aufgrund einer unterlassenen oder unwahren Ad hoc-Publizität ihrerseits Transaktionen unterlassen haben, ohne bereits Eigentümer der betroffenen Finanzinstrumente zu sein4. Im Gegensatz zu 1 Vgl. zum Ganzen Möllers/Leisch in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 14 Rz. 43 ff.; Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 64 ff. 2 Vgl. dazu Fleischer, BB 2002, 1869 f. 3 Vgl. zum Ganzen Möller, WM 2001, 2405, 2408; Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 69, 72, 74; Möllers/Leisch in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 14 Rz. 43 ff., 53 ff. 4 Baums, ZHR 167 (2003), 139, 177 ff.; Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 75 f.; MaierReimer/Paschos in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 97.
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der Fassung vor der Geltung des AnSVG werden jedoch aktivlegitimiert nicht nur die Erwerber bzw. Veräußerer von Wertpapieren, sondern auch von Finanzinstrumenten. Hierdurch wird eine vielfach bemängelte Schutzlücke der Erwerber bzw. Veräußerer von Derivaten geschlossen. 6. Haftungsausschluss Sowohl im Falle einer unterlassenen Ad hoc-Publizität wie im Falle einer unwahren Ad hoc-Publizität können Ansprüche von Geschädigten ausgeschlossen sein. Nach § 37b Abs. 3 WpHG besteht ein Anspruch im Falle einer unterlassenen Ad hoc-Publizität dann nicht, wenn der Dritte die Insiderinformation im Falle der ersten Fallgruppe des Absatzes 1 bei dem Erwerb oder im Falle der zweiten Fallgruppe des Absatzes 1 bei der Veräußerung kannte1. Entsprechend gilt im Falle einer unwahren Ad hoc-Publizität, dass ein Anspruch dann nicht besteht, wenn der Dritte die Unrichtigkeit der Insiderinformation im Falle der ersten Fallgruppe des Absatzes 1 bei dem Erwerb oder im Falle der zweiten Fallgruppe des Absatzes 1 bei der Veräußerung kannte. Diese Regelungen sind vergleichbar mit § 45 Abs. 2 Nr. 3 BörsG bzw. § 127 Abs. 3 Satz 2 InvG, wobei diese beiden Normen jeweils auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Wertpapiere bzw. Anteilscheine abstellen. Durch die §§ 37b Abs. 3, 37c Abs. 3 WpHG wird § 254 BGB ausgeschlossen und ein Mitverschulden ist lediglich im Rahmen der durch die beiden Absätze genannten Voraussetzungen – dann auch ganz rechtsvernichtend – möglich2.
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7. Schaden Im Rahmen eines Schadensersatzanspruches des Anlegers gegen die Gesellschaft (und auch den Vorstand) aus § 826 BGB wegen fehlerhafter Ad hoc-Publizität ist anerkannt, dass der Anleger von dem zum Schadensersatz Verpflichteten nach § 249 BGB so zu stellen ist, als wenn er den schadensbehafteten Kauf bzw. Verkauf nicht vorgenommen hätte. Hierzu zählt auch der so genannte Vertragsabschlussschaden, d.h. der täuschungsbedingte Vertragsabschluss stellt als solcher einen ersatzfähigen Schaden dar, mit der Folge, dass die eingegangenen Vertragspositionen (Erwerb eines Wertpapiers) rückabzuwickeln sind unabhängig davon, ob bereits ein Kursrückgang eingetreten ist3. Im Falle eines Kaufs wegen positiver fehlerhafter Ad hoc-Publizität bedeutet dies, dass er von dem Emittenten die Übernahme der erworbenen Aktien Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises verlangen kann4. Demgegenüber ist bei §§ 37b, 37c WpHG höchst streitig, worauf der Schadensersatz5 gerichtet ist. Von einer starken Meinung in der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass der 1 Vgl. als Bsp. OLG Schleswig v. 16.12.2004 – 5 U 50/04, AG 2005, 212 f. 2 Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 77; Maier-Reimer/Paschos in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 149 ff.; Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 86; a.A. Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 209, die in § 37b Abs. 3 bzw. § 37c Abs. 3 WpHG keine Regelung des Mitverschuldens sondern einen Fall fehlender haftungsbegründender Kausalität sehen. 3 BGH v. 19.7.2004 – II ZR 217/03 – „Infomatec II“, WM 2004, 1726 = ZIP 2004, 1604 = BKR 2004, 403, 408 f.; = NJW 2004, 2668; BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 – „EM.TV“, WM 2005, 1358 = ZIP 2005, 1270 = AG 2005, 609; Möllers/Leisch, WM 2001, 1648, 1655. 4 BGH v. 19.7.2004 – II ZR 402/02, WM 2004, 1721 = ZIP 2004, 1593, 1597; zustimmend Edelmann, BB 2004, 2031, 2033. 5 Zu der Terminologie der verschiedenen Schadensbegriffe vgl. Maier-Reimer/Paschos in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 100 ff.
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Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
Schaden im Falle der §§ 37b, 37c WpHG wie im Falle des Schadens nach § 826 BGB zu berechnen ist1. Dieser Schaden wird als negatives Interesse bezeichnet, wobei unklar bleibt, ob etwa bei Kaufpreiszahlung durch den Emittenten gegen Übernahme der Wertpapiere der Emittent auch den entgangenen Gewinn aus einer etwaigen anderweitigen Anlage zu zahlen hat2. Innerhalb dieser Theorie des negativen Interesses wird durchgängig eine konkrete Transaktionskausalität für die Geltendmachung des negativen Interesses gefordert, doch ist streitig, ob bei Fehlen einer Transaktionskausalität wenigstens der Differenzschaden (dazu Rz. 25) geltend gemacht werden kann. 25
Der Geltendmachung des negativen Interesses im Rahmen der kapitalmarktrechtlichen Informationshaftung wird entgegengehalten, dass der Schädiger nicht Vertragspartner des Anlegers ist und dementsprechend eine Naturalrestitution nicht in Betracht kommen soll, da andernfalls der Schädiger eine Anlage zu übernehmen hat, die er niemals selbst inne hatte3. Weiter wird darauf verwiesen, dass der Schädiger im Falle der Übernahme der Aktien den Anleger zudem von dem allgemeinen Kapitalmarktrisiko entlaste, ohne dass hierfür eine innere Rechtfertigung bestehe4. Nach dieser Auffassung soll lediglich der Differenzschaden ersatzfähig sein. Dieser beläuft sich auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem Erwerbspreis und dem Preis, der im Falle einer pflichtgemäßen Ad hoc-Publizität bestanden hätte5. Dabei soll auf den Zeitpunkt abzustellen sein, in dem die Investition bzw. Desinvestition vorgenommen wurde bzw. im Falle einer Unterlassung auf den Zeitpunkt, zu dem die Pflicht bestand. Innerhalb dieser Differenzschadentheorie ist streitig, ob eine Transaktionskausalität der Ad hoc-Publizität bestehen muss, ob es also ausreicht, dass nur der Markt durch die unzutreffende Publizität zu einer fehlerhaften Preisbildung gelangte, oder auch der individuelle Anleger von der fehlerhaften Publizität kausal beeinflusst sein muss.
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Der Theorie des Differenzschadens dürfte zu folgen sein. Die Gesetzesbegründung6 gibt als Schutzzweck der §§ 37b, 37c WpHG an, dass der Anleger davor geschützt werden soll, „zu teuer“ zu erwerben bzw. „zu billig“ zu veräußern. Dies bedeutet, 1 Vgl. insbesondere Möllers, ZBB 2003, 390, 400 f.; Möllers/Leisch, WM 2001, 1648, 1655; Möllers/Leisch in Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, § 14 Rz. 77 ff.; Leisch, ZIP 2004, 1573, 1578 f.; Rössner/Bolkart, ZIP 2002, 1471, 1475; Rieckers, BB 2002, 1213, 1217; Holzborn/Foelsch, NJW 2003, 932, 939 f.; Escher-Weingart/Lägeler/Eppinger, WM 2004, 1845, 1848 f.; Ehricke in Hopt/ Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 293 f.; differenzierend Veil, ZHR 163 (2003), 365, 387 ff. 2 Möllers/Leisch in Möllers/Rotter, Ad hoc-Publizität, § 14 Rz. 80 sprachen zunächst nur von der „Rückabwicklung des Vertrages“ als dem „bedeutendsten Schadensposten“. Dies schien zu implizieren, dass sie auch entgangenen Gewinn ersetzen wollen; so jetzt ausdrücklich Möllers/Leisch in KölnKomm. WpHG, 2007, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 309 ff.; damit wird von der gesetzgeberischen Grundentscheidung bei § 44 BörsG für die Prospekthaftung abgewichen. 3 Fuchs/Dühn, BKR 2002, 1063, 1068; Geibel, Kapitalanlegerschaden, S. 110 ff. 4 Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 88 f., 91; Fleischer, BB 2002, 1869, 1872 f.; MaierReimer/Webering, WM 2002, 1857, 1860 ff.; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 199; Rützel, AG 2003, 69, 79; wohl auch Hutter/Leppert, NZG 2002, 649, 654 f.; Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 73 ff. (mit weitergehenden Differenzierung nach dem Zweck der Kapitalanlage); Baums, ZHR 167 (2003), 139, 185 ff.; Veil, ZHR 167 (2003), 365, 391. 5 Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 89, 91; Maier-Reimer/Webering, WM 2002, 1857, 1860 ff.; Mülbert, JZ 2002, 826, 834; Rützel, AG 2003, 69, 79; Hopt/Voigt in Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 128 ff.; Mülbert/Steup, WM 2005, 1633, 1636 f.; Langenbucher, ZIP 2005, 239, 240 f.; Sethe in Assmann/Uwe Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 73 ff.; differenzierend Fleischer, BB 2002, 1869, 1872 f.; Fuchs/Dühn, BKR 2002, 1063, 1068 f. 6 BT-Drucks. 14/8017, S. 93.
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§ 16
Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation
dass das Vertrauen der Anleger in die Marktgerechtigkeit des organisierten Kapitalmarktes geschützt werden soll und nicht in eine konkrete, von ihm wahrgenommene Ad hoc-Mitteilung des Emittenten. Die Zubilligung des negativen Interesses würde jedoch dem Anleger auch das allgemeine Marktschwankungsrisiko abnehmen. Dies wäre nur gerechtfertigt, wenn man im Bereich der Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen – gewissermaßen als Abschreckung – den Emittenten über den allgemeinen Schutzzweck einer Norm hinausgehend zu weiteren Ersatzleistungen verpflichten will. Dem Schadensersatzrecht wird damit eine Strafkomponente beigelegt, die in den USA zwar nicht unüblich ist, in dem deutschen Schadensersatzrecht bisher jedoch keinen Eingang gefunden hat. Wenn der Gesetzgeber dies beabsichtigen sollte, bedürfte es einer klaren diesbezüglichen Aussage. Schwierigkeiten bereitet allerdings die Berechnung des Kursdifferenzschadens. Es ist der tatsächliche Verkaufspreis bzw. der tatsächliche Kaufpreis mit dem hypothetischen Preis zu vergleichen, der ohne das schädigende Ereignis bestanden hätte. Insoweit wird vorgeschlagen, als Richtgröße die Kursveränderung zu nehmen, die das Wertpapier unmittelbar nach dem Bekanntwerden der wahren Sachlage genommen hat1, ggf. relativiert um die zwischenzeitlich eingetretenen allgemeinen Marktveränderungen (Proportionalisierung)2.
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8. Kausalität und Beweislast Ebenso streitig wie die Berechnung des Schadens ist die Frage des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt. Soweit der Schutzzweck der §§ 37b, 37c WpHG darin gesehen wird, das Vertrauen des Anlegers in eine konkrete Ad hoc-Mitteilung bzw. das Fehlen von ad hoc-meldepflichtigen Tatsachen zu schützen, muss eine konkrete Kausalität für den Erwerb bzw. die Veräußerung des Wertpapieres vorliegen3. Dieses soll zudem regelmäßig vorliegen, da die fehlerhafte Kapitalmarktpublizität bei dem Anleger einen Irrtum hervorgerufen und er sich dementsprechend zu einem Kauf bzw. Verkauf entschlossen habe4. Insoweit wird häufig darauf rekurriert, dass die fehlerhafte Kapitalmarktinformation eine Anlagestimmung ähnlich der bei unrichtigen Prospekten schaffe5.
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Sieht man den Schutzzweck der §§ 37b, 37c WpHG jedoch „nur“ in dem Schutz des Vertrauens des Anlegers in die Effizienz der Kapitalmärkte und dementsprechend die Marktgerechtigkeit der Kurse und gewährt daher nur einen Differenzschaden, ist keine „konkrete“ Kausalität zu fordern sondern lediglich eine Kausalität dahingehend, dass der Pflichtverstoß für die Investition bzw. die Entscheidung des Anlegers zum gegebenen Preis ursächlich war6. Eine pflichtgemäße Veröffentlichung des Emit-
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1 Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 79 ff.; Fleischer, BB 2002, 1869, 1872 f.; Steinhauer, Insiderhandelsverbot und Ad hoc-Publizität, S. 274 ff. 2 Vgl. dazu instruktiv und mit Berechnungsbeispiel Maier-Reimer/Paschos in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 135 ff., 142 ff. sowie C. Schäfer/M. Weber/ Wolf, ZIP 2008, 197 ff. 3 So wohl Leisch, ZIP 2004, 1573, 1579; Baums, ZHR 167 (2003), 139, 181 ff. 4 So insbesondere Baums, ZHR 167 (2003), 139, 182 f.; Möllers/Leisch in Möllers/Rotter, Ad-hocPublizität, § 14 Rz. 111 ff.; Möllers, ZBB 2003, 390, 402 f. 5 Möllers/Leisch in Möllers/Rotter, Ad hoc-Publizität, § 14 Rz. 111 ff. m.w.N. 6 So insbesondere Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 90; Maier-Reimer/Paschos in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 124 ff. m.w.N.; Maier-Reimer/Webering, WM 2002, 1857, 1860 f.; Möllers/Leisch, BKR 2002, 1071, 1079; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 200; Rößner/Bolkart, ZIP 2002, 1471, 1475.
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§ 16
Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
tenten hätte regelmäßig einen abweichenden Marktkurs zur Folge, so dass insoweit der Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt unproblematisch gegeben ist. 30
Der letztgenannten Meinung ist der Vorzug zu geben. Eine Kausalität für einen Vertrauensschaden ist mit Blick auf die Effektivität der Schadensersatzregelungen nicht ohne Blick auf die Beweislast zu sehen. Eine Beweislastumkehr wie in § 45 Abs. 2 Nr. 1 BörsG für den Fall eines fehlerhaften Prospektes sehen die §§ 37b, 37c WpHG gerade nicht vor1. Der BGH hat für den Fall eines Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass der Anleger für die behauptete Kausalität zwischen der falschen Ad hoc-Mitteilung und dem individuellen Willensentschluss in vollem Umfange beweispflichtig ist2. Er hat zudem darauf verwiesen, dass auch die Figur der „Anlagestimmung“, wie sie für die Prospekthaftung entwickelt worden ist, bei der Ad hoc-Publizität praktisch nicht anwendbar sein wird, da sie „wenig verlässliche, verallgemeinerungsfähige Erfahrungssätze aufstelle“. Insbesondere verweist er darauf, dass die Wirkung einer positiven Ad hoc-Meldung jedenfalls endet, wenn im Laufe der Zeit andere Faktoren für die Einschätzung des Wertpapiers bestimmend werden, etwa aufgrund einer wesentlichen Änderung des Börsenindexes, der Konjunktureinschätzung oder durch neue Unternehmensdaten wie Quartalsbericht, Halbjahres- oder Jahresabschluss oder neue Ad hoc-Meldungen3.
31
Für die haftungsausfüllende Kausalität gelten die Allgemeinen Regeln4. 9. Verjährung
32
Nach §§ 37b Abs. 4, 37c Abs. 4 WpHG verjähren die Ansprüche in einem Jahr von dem Zeitpunkt an, zu dem der Dritte von der Unterlassung oder der Unrichtigkeit der Tatsache Kenntnis erlangt, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Unterlassung bzw. Veröffentlichung. Schwierigkeiten bereitet insoweit die Bestimmung des Zeitpunktes im Falle einer Unterlassung. Hier wird auf den Zeitpunkt abzustellen sein, zu dem die Veröffentlichung spätestens hätte erfolgen müssen und nicht auf den Zeitpunkt, zu dem die Unterlassung durch Nachholung der Veröffentlichung beendet wurde5. 1 Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 83 ff. 2 BGH v. 19.7.2004 – II ZR 402/02 – Infomatec I“, WM 2004, 1721 = ZIP 2004, 1593 = AG 2004, 546; BGH v. 19.7.2004 – II ZR 217/03 – „Infomatec II“, WM 2004, 1726 = ZIP 2004, 1604 = BKR 2004, 403, 408 f.; BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03 – „Infomatec III“, WM 2004, 1731 = ZIP 2004, 1599 = BKR 2004, 403 = AG 2004, 543; BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 – „EM.TV“, WM 2005, 1358 = ZIP 2005, 1270 = AG 2005, 609; BGH v. 28.11.2005 – II ZR 80/04 – „ComROAD I“, WM 2007, 683 = ZIP 2007, 681 = BKR 2007, 467 = AG 2007, 322; BGH v. 15.2.2006 – II ZR 246/04 – „ComROAD II“, ZIP 2007, 679; BGH v. 26.6.2006 – II ZR 153/05 – „ComROAD III“, WM 2007, 486 = ZIP 2007, 326 = AG 2007, 169; BGH v. 4.6.2007 – II ZR 147/05 – „ComROAD IV“, WM 2007, 1557 = ZIP 2007, 1560 = AG 2007, 620; BGH v. 4.6.2007 – II ZR 173/05 – „ComROAD V“, WM 2007, 1560 = ZIP 2007, 1564 = AG 2007, 623; BGH v. 7.1.2008 – II ZR 229/05 – „ComROAD VI“, WM 2008, 395 = ZIP 2008, 407 = AG 2008, 252; BGH v. 7.1.2008 – II ZR 68/06 – „ComROAD VII“, WM 2008, 398 = ZIP 2008, 410 = AG 2008, 254; BGH v. 3.3.2008 – II ZR 310/06 – „ComROAD VIII“, WM 2008, 790 = ZIP 2008, 829 = AG 2008, 377; dazu Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 217 ff.; Leuschner, ZIP 2008, 1050 und Möllers, NZG 2008, 413 ff. 3 Zustimmend Edelmann, BB 2004, 2031, 2033; Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 83; zweifelnd Spindler, WM 2004, 2089, 2092 f. 4 Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 85. 5 Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 98; Sethe in Assmann/Uwe H. Schneider, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 92 f., denn – wie Sethe zu Recht ausführt – dann würde die Verjährung nie zu laufen beginnen, wenn die Ad hoc-Publizität nie nachgeholt wird.
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§ 17
Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten
III. Haftung der Verwaltungsmitglieder 1. Gegenüber dem Emittenten Die Verwaltungsmitglieder haften gegenüber dem Emittenten nach den allgemeinen Regeln. Insoweit ist insbesondere auf § 93 Abs. 2 AktG hinsichtlich der Pflichtverletzung durch Vorstandsmitglieder zu verweisen1.
33
2. Gegenüber Anleger Eine unmittelbare Haftung der Verwaltungsmitglieder ergibt sich nach der Rechtsprechung zu fehlerhafter Ad hoc-Publizität nicht aus Teilnehmerhaftung nach §§ 37b, 37c WpHG, § 830 Abs. 2 BGB (da die gesetzgeberische Entscheidung gegen eine Organaußenhaftung nicht unterlaufen werden darf), nicht aus Prospekthaftung (da die Ad hoc-Publizität keinen Prospekt darstellt), nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 WpHG (da § 15 WpHG kein Schutzgesetz ist), nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 88 BörsG a.F. (da ebenfalls kein Schutzgesetz), nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG (da es sich bei der Ad hoc-Mitteilung nicht um eine Darstellung oder Übersicht über den Vermögensstand handelt), nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB (da die Ad hoc-Publizität nicht in einem Prospekt erfolgt), nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB (da keine Stoffgleichheit vorliegt), und nur in eingeschränkten Fällen aus § 826 BGB2 sowie ggf. wegen falschem Bilanzeid gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 331 HGB3.
§ 17 Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten von Stimmrechtsanteilen Rz. I. Entstehungsgeschichte und Regelungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. Entstehungsgeschichte und europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . .
1
2. Gesetzeszweck und Auslegungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
3. Verhältnis zu anderen Vorschriften
5
II. Meldepflicht . . . . . . . . . . . . . . .
7
1. Stimmrechte an börsennotierten Gesellschaften . . . . . . . . . . . . .
7
2. Schwellenwerte des § 21 WpHG a) Quoten . . . . . . . . . . . . . . . b) Berechnung . . . . . . . . . . . . c) Tatbestandsverwirklichung . .
. . . .
Rz. . 9 . 9 . 10 . 12
3. Hinzurechnungstatbestände des § 22 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . a) Tochterunternehmen . . . . . . . . b) Für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . c) Als Sicherheit übertragen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG) . . . .
16 19 22 25
1 Vgl. dazu Zimmer in Schwark, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 119 ff. 2 BGH v. 19.7.2004 – II ZR 402/02 – „Infomatec I“, WM 2004, 1721 = ZIP 2004, 1593 = AG 2004, 546; BGH v. 19.7.2004 – II ZR 217/03 – „Infomatec II“, WM 2004, 1726 = ZIP 2004, 1604 = BKR 2004, 403; BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03 – „Infomatec III“, WM 2004, 1731 = ZIP 2004, 1599 = AG 2004, 543; Maier-Reimer/Paschos in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 192 ff.; Fleischer, AG 2008, 265 ff. (zur zivilrechtlichen Teilnehmerhaftung); Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 33 Rz. 224. 3 Abendroth, WM 2008, 1147, 1150 m.w.N.
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§ 17
Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten Rz.
d) Nießbrauch (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpHG) . . . . . . . . . . . . . e) Erwerbsrechte (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG) . . . . . . . . . . . . . f) Anvertraute Stimmrechte (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG) . . . . g) Abgestimmtes Verhalten (§ 22 Abs. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . .
26 27 30 33
4. Nichtberücksichtigung von Stimmrechten (§ 23 WpHG) . . . . . . . . . 40 5. Meldepflichtiger (§§ 21 Abs. 1 Satz 1, 24 WpHG) . . . . . . . . . . . 41 6. Inhalt, Form und Zeitpunkt der Mitteilung (§§ 17 ff. WpAIV) . . . . . 43 7. Adressat der Mitteilungen . . . . . . 46 8. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . a) Strafrechtliche Sanktionen . . . b) Zivilrechtliche Sanktionen . . . aa) Rechtsverlust (§ 28 WpHG)
. . . .
47 47 48 48
Rz. bb) Schadensersatz (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 21 ff. WpHG) . . . . . . . . . . . . . . 59 9. Mitteilungspflichten für sonstige Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . 60 10. Mitteilungspflichten für Inhaber wesentlicher Beteiligungen (§ 27a WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 III. Veröffentlichungspflicht dvon Inlandsemittenten (§ 26 WpHG) . . 69 1. Inhalt, Form und Frist . . . . . . . . . 69 2. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 74 IV. Nachweispflichten und Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Nachweispflicht (§ 27 WpHG) . . . 75 2. Überwachung durch BaFin (§ 4 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
Schrifttum: Baums/König, Investmentfonds im Universalbankkonzern: Rechtstatsachen und aktuelle Reformfragen, in FS Kropff, 1997, S. 3; Becker, Das neue Wertpapierhandelsgesetz, 1995; Böckenhoff/Ross, „American Depositary Receipts“ (ADR)-Strukturen und rechtliche Aspekte, WM 1993, 1781, 1825; Bosse, Melde- und Informationspflichten nach dem Aktiengesetz und Bundeswertpapierhandelsgesetz im Zusammenhang mit dem Rückkauf eigener Aktien, ZIP 1999, 2047; Bott/Schleef, Transparenz von Beteiligungsverhältnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz – Nutzen für den Anleger?, BB 1998, 330; Bozenhardt, Der Bestätigungsbeschluss nach § 244 AktG, in FS Mailänder, 2006, S. 301; Burgard, Die Berechnung des Stimmrechtsanteils nach §§ 21–23 Wertpapierhandelsgesetz, BB 1995, 2069; Burgard, Die Offenlegung von Beteiligungen, Abhängigkeits- und Konzernlagen bei der Aktiengesellschaft, 1990; Burgard, Kapitalmarktrechtliche Lehren aus der Übernahme Vodafone – Mannesmann, WM 2000, 611; Cahn, Probleme der Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach dem WpHG bei Veränderungen des Stimmrechtsanteils an börsennotierten Gesellschaften, AG 1997, 502; Caspari, Die geplante Insiderregelung in der Praxis, ZGR 1994, 530; Casper, Acting in Concert – Grundlagen eines neuen kapitalmarktrechtlichen Zurechnungstatbestandes, ZIP 2003, 1469; Claussen, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, 1996; DAV-Vorschlag für eine Harmonisierung der gesetzlichen Pflichten zur Mitteilung von Beteiligungen nach Aktiengesetz und Wertpapierhandelsgesetz (April 1995), WiB 1996, 764; DAV-Ergänzungsvorschlag für eine Harmonisierung der gesetzlichen Pflichten zur Mitteilung von Beteiligungen nach Aktiengesetz und Wertpapierhandelsgesetz (März 1996), WiB 1996, 822; Diekmann/ Merkner, Erhöhte Transparenzanforderungen im Aktien- und Kapitalmarktrecht, NZG 2007, 921; Diekmann, Mitteilungspflichten nach §§ 20 ff. AktG und dem Diskussionsentwurf des Wertpapierhandelsgesetzes, DZWir 1994, 13; Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, 2003; Falkenhagen, Aktuelle Fragen zu den neuen Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach Abschnitt 4 und 7 des Wertpapierhandelsgesetzes, WM 1995, 1005; Fleischer/Schmolke, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz nach §§ 21 ff. WpHG und „Hidden Ownership“, ZIP 2008, 1501; Franck, Die Stimmrechtszurechnung nach § 22 WpHG und § 30 WpÜG, BKR 2002, 709; Geibel/Süßmann, Erwerbsangebote nach dem Wertpapiererwerbsund Übernahmegesetz, BKR 2002, 52; Gelhausen/Bandey, Bilanzielle Folgen der Nichterfüllung von Mitteilungspflichten gemäß §§ 20 f. AktG und §§ 21 ff. WpHG nach Inkrafttreten des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes, WPg 2000, 497; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, Bankrechtliche Sonderveröffentlichungen des Instituts für Bankwirtschaft und Bankrecht an der Universität zu Köln, Bd. 49, 1995; Gessler,
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§ 17
Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten
Verlust oder nur Ruhen der Aktionärsrechte nach § 20 Abs. 7 AktG?, BB 1980, 217; Göres, Kapitalmarktrechtliche Pflichten nach dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG), Der Konzern 2007, 15; Goette, Anmerkung zu BGH Beschl. v. 22.1.1996 (II ZR 191/94), DStR 1996, 713; Götze, Das jährliche Dokument nach § 10 WpPG, NZG 2007, 570; Hägele, Praxisrelevante Probleme der Mitteilungspflichten nach §§ 20, 21 AktG, NZG 2000, 726; Hahn, Übernahmerecht und Internationales Privatrecht, RIW 2002, 741; Happ, Zum Regierungsentwurf eines Wertpapierhandelsgesetzes, JZ 1994, 240; Heppe, Zu den Mitteilungspflichten nach § 21 WpHG im Rahmen der Umwandlung von Gesellschaften, WM 2002, 60; Heinsius, Rechtsfolgen einer Verletzung der Mitteilungspflichten nach § 20 Aktiengesetz, in FS Fischer, 1979, S. 215; Heinsius, Besprechung von Assmann/Uwe H. Schneider, Wertpapierhandelsgesetz, WM 1996, 421; Hildner, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002; Hirte, Nachweis mitgeteilter Beteiligungen im Wertpapierhandelsrecht, in FS Lutter, 2000, S. 1347; Hirte/von Bülow (Hrsg.), Kölner Kommentar zum WpÜG, 2003; Holzborn/Foelsch, Schadensersatzpflichten von Aktiengesellschaften und deren Management bei Anlegerverlusten, NJW 2003, 932; Hopt, Zum neuen Wertpapierhandelsgesetz, in Festgabe Hellner (WM-Sonderheft) 1994, S. 29; Hopt, Das neue Insiderrecht nach §§ 12 ff. WpHG, in Das zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung/ Bankrechtstag 1995, S. 3 ff.; Hopt, Familien- und Aktienpools unter dem Wertpapierhandelsgesetz, ZGR 1997, 1; Hüffer, Verlust oder Ruhen von Aktionärsrechten bei Verletzung aktienrechtlicher Mitteilungspflichten, in FS Boujong, 1996, S. 277; Hutter/Kaulamo, Das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Änderungen der anlassabhängigen Publizität, NJW 2007, 471; Jäger, Rechtsprobleme bei der Meldung des Anteilsbesitzes gem. § 21 bzw. § 41 WpHG, insbesondere bei Familienaktiengesellschaften, WM 1996, 1356; Janert, Veröffentlichungspflicht börsennotierter Gesellschaften bei unterlassener Mitteilung nach § 21 WpHG?, BB 2004, 169; Junge, Anzeigepflichten und Publizität bei Beteiligungserwerb, in FS Semler, 1993, S. 473; Kaum/Zimmermann, Das „jährliche Dokument“ nach § 10 WpPG, BB 2005, 1466; Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 105 Rz. 64 ff.; Kirschner, Unterlassene Meldung einer Umfirmierung als Verstoß gegen § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG?, DB 2008, 623; Klawitter in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 32 Rz. 106 ff.; Klöhn, Wettberwerbswidrigkeit von Kapitalmarktinformation?, ZHR 172 (2008), 388; Kropff, Zur Anwendung des Rechts der verbundenen Unternehmen auf den Bund – Versuch einer Bestandsaufnahme nach dem Gelsenberg-Urteil des Bundesgerichtshofs, ZHR 144 (1980), 74; Kümpel/Peters, Aktuelle Fragen der Wertpapierleihe, AG 1994, 525; Lange, Rückgängigmachung einer verdeckten Gewinnausschüttung, GmbHR 1993, 762; Liebscher, Die Zurechnungstatbestände des WpHG und WpÜG, ZIP 2002, 1005; Markwardt, Diskussionsbericht zu den Referaten „Acting in Concert“ von Casper und Pentz, ZIP 2003, 1492; Mertens, Das Aktienrecht im Wissenschaftsprozess, AG 1998, 386; Meyer/Bundschuh, Sicherungsübereignung börsennotierter Aktien, Pflichtangebot und Meldepflichten, WM 2003, 960; Möllers/Holzner, Die Offenlegungspflichten des Risikobegrenzungsgesetzes (§ 27 II WpHG-E), NZG 2008, 166; Mülbert, Empfehlen sich gesetzliche Regelungen zur Einschränkung des Einflusses der Kreditinstitute auf Aktiengesellschaften, in Verhandlungen des 61. Deutschen Juristentages, Band I (Gutachten), Teil E, 1996; Mülbert/ Steup, Das zweispurige Regime der Regelpublizität nach Inkrafttreten des TUG, NZG 2007, 761; H.-P. Müller, Endgültiger Dividendenverlust bei unterlassener Mitteilung gem. § 20 Abs. 7 AktG?, AG 1996, 396; Mutter, Die Holdingsgesellschaft als reziproker Familienpool – Pflichten nach WpHG und WpÜG, DStR 2007, 2013; Neye, Harmonisierung der Mitteilungspflichten zum Beteiligungsbesitz von börsennotierten Aktiengesellschaften, ZIP 1996, 1853; Nießen, Geänderte Transparenzanforderungen im Wertpapierhandelsgesetz, NJW-Spezial 2007, 75; Nießen, Die Harmonisierung der kapitalmarktrechtlichen Transparenzregeln durch das TUG, NZG 2007, 41; Nietsch, Stimmlosigkeit im Recht fehlerhafter Beschlüsse, WM 2007, 917; Nottmeier/Schäfer, Zu den Mitteilungspflichten von Konzernunternehmen gemäß § 24 Wertpapierhandelsgesetz, WM 1996, 513; Nottmeier/Schäfer, Praktische Fragen im Zusammenhang mit §§ 21, 22 WpHG, AG 1997, 87; Pentz, Acting in Concert – Ausgewählte Einzelprobleme zur Zurechnung und zu den Rechtsfolgen, ZIP 2003, 1478; Pitroff, Die Zurechnung von Stimmrechten gemäß § 30 WpÜG, 2004; Pötzsch/Möller, Das künftige Übernahmerecht, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 2; Renz/Rippel, Die Informationspflichten gem. §§ 21 ff. WpHG und deren Änderungen durch das Risikobegrenzungsgesetz, BKR 2008, 309;
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Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
Ringe, Die Neuregelung des internationalen Kapitalmarktpublizitätsrechts durch die Neufassung der Transparenzrichtlinie, AG 2007, 809; Saenger/Kessler, Abgestimmtes Verhalten i.S.d. § 30 Abs. 2 WpÜG bei der Aufsichtsratswahl, ZIP 2006, 837; Schäfer, Die Rechtsfolgen bei Unterlassung der Mitteilung nach §§ 20, 21 AktG, BB 1966, 230; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen der Umsetzung des TUG und FRUG auf Aktien- und Equity-Linked-Emissionen, AG 2007, 227; Schnabel/Korff, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gem. §§ 21 ff. WpHG und ihre Änderungen durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, ZBB 2007, 179; Sven H. Schneider/Uwe H. Schneider, Der Rechtsverlust gem. § 28 WpHG bei Verletzung der kapitalmarktrechtlichen Meldepflichten, ZIP 2006, 493; Uwe H. Schneider, Die kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten von Konzernunternehmen nach §§ 21 ff. WpHG, in FS Brandner, 1996, S. 565; Uwe H. Schneider, Anwendungsprobleme bei den kapitalmarktrechtlichen Vorschriften zur Offenlegung von wesentlichen Beteiligungen an börsennotierten Aktiengesellschaften (§§ 21 ff. WpHG), AG 1997, 87; Uwe H. Schneider, Internationales Kapitalmarktrecht, AG 2001, 269; Uwe H. Schneider, Der kapitalmarktrechtliche Rechtsverlust, in FS Kümpel, 2003, S. 437; Uwe H. Schneider/Brouwer, Kapitalmarktrechtliche Meldepflichten bei Finanzinstrumenten, AG 2008, 557; Uwe H. Schneider/Burgard, Transparenz als Instrument der Steuerung des Einflusses der Kreditinstitute auf Aktiengesellschaften, DB 1996, 1761; Schockenhoff/Schuster, Acting in Concert, ZGR 2005, 568; Schuster, Die internationale Anwendung des Börsenrechts, 1996; Schütz/Bürgers/Riotte, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, 2004; Schwebler/Knauth/Simmert (Hrsg.), Kapitalanlagepolitik – Auswirkung des neuen Versicherungsaufsichtsrechts und des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes, 1994; Segua, Irrungen und Wirrungen im Umgang mit den §§ 21 ff. WpHG und § 244 AktG, AG 2008, 311; Siebel, Zur Auskunftspflicht des Aktionärs – Übersicht mit Hinweisen auf englisches Recht –, in FS Heinsius, 1991, S. 771; Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002; Steuer/Baur, Erwerbsgeschäfte im Grenzbereich bedeutender Beteiligungen nach dem Wertpapierhandelsgesetz, WM 1996, 1477; Stucken in Happ, Aktienrecht, 3. Aufl. 2007, Tz. 7.03 ff.; Sudmeyer, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach §§ 21, 22 WpHG, BB 2002, 685; Timm, Einige Zweifelsfragen zum neuen Umwandlungsrecht, ZGR 1996, 247; Timmann/Birkholz, Der Regierungsentwurf für ein Risikobegrenzungsgesetz, BB 2007, 2749; Weisgerber, Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz, Die Bank 1998, 200; Widder, Rechtnachfolge in Mitteilungspflichten nach §§ 21 ff. WpHG, § 20 AktG?, NZG 2004, 275; Widder/Kocher, Die Behandlung eigener Aktien im Rahmen der Mitteilungspflichten nach §§ 21 ff. WpHG, AG 2007, 13; Wilsing, Wiederaufleben des Stimmrechts aus Vorzugsaktien und Mitteilungspflichten nach § 21 Abs. 1 WpHG, BB 1995, 2277; Witt, Übernahmen von Aktiengesellschaften und Transparenz der Beteiligungsverhältnisse, 1998; Witt, Vorschlag für eine Zusammenfügung der §§ 21 ff. WpHG und des § 20 AktG zu einem einzigen Regelungskomplex, AG 1998, 171; Witt, Die Änderungen der Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach §§ 21 ff. WpHG und § 20 f. AktG durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz und das „KonTraG“, WM 1998, 1153; Witt, Die Änderungen der Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach §§ 21 ff. WpHG durch das geplante Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, AG 2001, 233; Witt, Regelmäßige „Wasserstandsmeldungen“ – unverzichtbarere Bestandteil eines künftigen Übernahmegesetzes, NZG 2001, 809; Zöllner, Zu Schranken und Wirkung von Stimmbindungsverträgen, insbesondere bei der GmbH, ZHR 155 (1991), 168.
I. Entstehungsgeschichte und Regelungsziel 1. Entstehungsgeschichte und europarechtliche Vorgaben 1
In Deutschland herrschte lange Zeit die Auffassung vor, dass Anlagen in börsennotierten Aktiengesellschaften anonym möglich sein müssten. Dementsprechend bestand erheblicher Widerstand gegen Bestrebungen des Gesetzgebers, eine Offenlegung von Beteiligungen vorzusehen1. Da die wesentlichen Kapitalmarktrechte der west1 Vgl. z.B. Schäfer, BB 1966, 230; zu den ideologischen Aspekten vgl. Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, vor § 21 WpHG Rz. 2 ff.
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lichen Staaten eine derartige Offenlegung vorsehen, beschloss die EG 1988 die sog. Transparenzrichtlinie1 (Transparenzrichtlinie 1988), die später in der sog. Kodifizierungsrichtlinie2 aufging. Zur weiteren Harmonisierung folgte 2004 eine neue Transparenzrichtlinie3 (Transparenzrichtlinie 2004). Die Umsetzung der Transparenzrichtlinie 1988 in deutsches Recht erfolgte – verspätet – durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz mit Wirkung ab 1.1.19954. Seitdem mussten wesentliche Beteiligungen an börsennotierten Aktiengesellschaften der Gesellschaft gemeldet werden und waren von dieser zu veröffentlichen. Als wesentliche Beteiligung galt – über die Transparenzrichtlinie 1988 hinausgehend – eine solche in Höhe von 5 % der Stimmrechte5. Erfasst wurden in Deutschland die im (damaligen) amtlichen oder geregelten Markt gehandelten Aktien6. Die Erweiterung auf Gesellschaften, die im geregelten Markt notiert waren, erfolgte zeitgleich mit dem WpÜG mit Wirkung ab dem 1. 1. bzw. 1.4.2002. Die Transparenzrichtlinie 2004 wurde durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG)7 fristgerecht zum 20.1.2007 in deutsches Recht umgesetzt. Dabei machte der deutsche Gesetzgeber von dem durch Art. 9 Abs. 1 Transparenzrichtlinie 2004 fakultativ eingeräumten Recht Gebrauch, unterhalb der bereits von der Transparenzrichtlinie 1988 vorgesehenen Meldeschwelle von 5 % noch eine weitere Meldeschwelle von 3 % einzuführen, um ein „Anschleichen“ zu erschweren8. Zudem wurde das Herkunftsstaatsprinzip und der Inlandsemittent auch für die Mitteilungspflichten eingeführt. Die Transparenzrichtlinie 2004 wurde im Hinblick auf die Offenlegung bedeutender Beteiligungen konkretisiert durch die Richtlinie 2007/14/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen (sog. Transparenzanforderungsrichtlinie)9, die ihrerseits durch die Transparenzrichtlinie-Durchführungsverordnung (TranspRLDV)10, in deutsches Recht umgesetzt wurde. Die TranspRLDV konkretisiert insb. § 22 Abs. 3a Satz 1, § 23 Abs. 4, § 37w Abs. 1 Satz 1 WpHG, § 30 Abs. 3 WpÜG und § 32 Abs. 2 InvG. Weitere Änderungen brachte das Risikobegrenzungsgesetz vom 12.8.2008, das der deutsche Bundestag am 27.6.2008 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses11 verabschiedet hat und das am 18.8.2008 verkündet wurde12. Durch das Risikobegrenzungsgesetz werden die Regelungen der Meldepflichten der §§ 21 ff. WpHG in vier Punkten nicht unerheblich geändert. Diese Änderungen betreffen das abgestimmte Verhalten nach § 22 Abs. 2 WpHG, die Mitteilungspflichten bei Finanzinstrumenten, es werden Mitteilungspflichten bei wesentlichen Beteiligungen als § 27a WpHG neu eingeführt und die Sanktionen bei Verletzungen von Mitteilungspflichten gemäß § 28 WpHG werden spürbar verschärft. 1 Richtlinie 88/627/EWG des Rates vom 12.12.1988, ABl. EG Nr. L 348 v. 17.12.1988, S. 62 ff. 2 Richtlinie über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, 2001/34/EG vom 28.5.2001, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1 ff. 3 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. 4 BGBl. I 1994, 1749 ff. 5 Vorgabe der Transparenzrichtlinie: 10 %; in England: 3 %, in Italien: 2 %. 6 Vorgabe der Transparenzrichtlinie: nur amtlicher Markt. 7 BGBl. I 2007, 10. 8 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/2498, S. 79. 9 ABl. EU Nr. L 69 v. 9.3.2007, S. 27. 10 BGBl. I 2008, 408. 11 BT-Drucks. 16/9778 v. 25.6.2008. 12 BGBl. I 2008, 1666. Siehe auch BR-Drucks. 449/08.
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2. Gesetzeszweck und Auslegungsmethoden 3
Ziel der gesetzlichen Regelung ist die Verbesserung der Information zum Schutz der Anleger auf dem Wertpapiersektor, die Steigerung der Effizienz der Wertpapiermärkte, die Vorbeugung gegen den Missbrauch von Insiderinformationen sowie eine bessere Gewährung des Überblicks über die Aktionärsstruktur und die Beherrschungsverhältnisse für die betroffene Aktiengesellschaft1. Streitig ist, ob den Regelungen auch individualschützender Charakter zukommt und sie damit eine Basis für individuelle Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB darstellen können (vgl. dazu unten Rz. 59).
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Die Regelungen der §§ 21 ff. WpHG gehören dem öffentlichen Recht an, soweit sie Pflichten gegenüber der BaFin betreffen. Dementsprechend greift das Analogieverbot von Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG als Grenze der Auslegung. Soweit die Regelungen zivilrechtliche Pflichten (z.B. des Meldepflichtigen gegenüber der Gesellschaft) enthalten, handelt es sich um zwingendes Privatrecht. Da jedoch auch Verstöße gegen dieses bußgeldbewehrt sind, greift als Auslegungsgrenze wiederum das Analogieverbot2. 3. Verhältnis zu anderen Vorschriften
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Neben denen des WpHG bestehen in einer Vielzahl von Gesetzen Offenlegungs- und Anzeigepflichten. Hervorzuheben sind insbesondere das Aktienrecht (§§ 20 ff., 328 AktG), das Handelsrecht (§§ 106, 107, 162, 176 HGB), das Kapitalgesellschaftsrecht (§ 40 GmbHG sowie diverse Normen im GenG), das Bilanzrecht, das Börsenrecht, das Wertpapierprospektrecht, das Kartellrecht, das Bankrecht, das Versicherungsrecht sowie das Übernahmerecht3. Eine wesentliche Abgrenzung zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten des Aktiengesetzes erfolgt dergestalt, dass die Regelungen des WpHG nur für Stimmrechte an Emittenten, für die die BRD der Herkunftsstaat ist und dessen Aktien an einem organisierten Markt zugelassen sind, gelten. Demgegenüber finden die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten der §§ 20 ff. AktG nach § 20 Abs. 8 AktG nur auf Gesellschaften Anwendung, deren Aktien nicht börsennotiert i.S.v. § 21 Abs. 2 WpHG sind. Trotz klarer Abgrenzung der Anwendungsbereiche sind die Wertungswidersprüche und Transparenzlücken jedoch noch nicht völlig beseitigt worden4.
6
Demgegenüber gelten die Regelungen der §§ 21 ff. WpHG kumulativ zu denen des WpÜG, insbesondere des § 23 WpÜG mit der Pflicht zur Mitteilung von Stimmrechtsanteilen nach Abgabe eines Übernahmeangebotes (sog. Wasserstandsmeldun-
1 BT-Drucks. 12/6679, S. 52; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1502; Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, vor § 21 WpHG Rz. 12 ff.; Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, vor § 21 WpHG Rz. 9 ff. und § 21 WpHG Rz. 1 f.; Schwark in Schwark, vor § 21 WpHG Rz. 2. 2 H.L., vgl. BGH v. 18.9.2006 – II ZR 137/05, ZIP 2006, 2077 = AG 2006, 883 (zu § 30 WpÜG); Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1506; Schwark in Schwark, vor § 21 WpHG Rz. 7; Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, vor § 21 WpHG Rz. 28; a.A. Cahn, AG 1997, 502, 503; Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 9 ff., der für gespaltene Auslegung der zivilrechtlichen und der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Seite plädiert. 3 Vgl. umfassend Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, vor § 21 WpHG Rz. 38 bis 68. 4 Vgl. Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, vor § 21 WpHG Rz. 11 f.; Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, vor § 21 WpHG Rz. 43 ff.
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gen)1. Eine „Harmonisierung“ der Zurechnungstatbestände des WpHG sowie des WpÜG hat dergestalt stattgefunden, dass § 30 WpÜG die Regelungen des § 22 WpHG übernommen hat2. Die sich aus dem Börsenzulassungsprospekt nach § 30 Abs. 3 Nr. 2 BörsG i.V.m. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 7 WpPG i.V.m. der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen3 ergebenden Informationen über die Beteiligungsverhältnisse an der Gesellschaft sind lediglich auf den Zeitpunkt der Börsenzulassung bezogen und anders als die Informationspflichten nach dem WpHG nicht dynamisch ausgestaltet4.
II. Meldepflicht 1. Stimmrechte an börsennotierten Gesellschaften Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG besteht eine Pflicht zur Meldung von bestimmten Höhen von Stimmrechten an Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist. Der Begriff des Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, wird durch § 21 Abs. 2 WpHG eingeschränkt auf solche Emittenten, deren „Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen“ sind. Damit werden die Regelungen der §§ 21 ff. WpHG entsprechend ihrem Zweck auf Emittenten beschränkt, deren Aktien börsenzugelassen sind. Organisierter Markt wird definiert durch § 2 Abs. 5 WpHG und umfasst in Deutschland den regulierten Markt, nicht jedoch den Freiverkehr5. Zudem muss es sich um einen Emittenten handeln, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist. Dies wird definiert durch § 2 Abs. 6 WpHG. Da der Emittent Aktien emittiert haben muss, kommt nur § 2 Abs. 6 Nr. 1 WpHG in Betracht. Danach ist Deutschland der Herkunftsstaat für – Emittenten mit Sitz im Inland und Zulassung seiner Aktien an einem organisierten Markt im Inland, der EU oder dem EWR sowie für – Emittenten mit Sitz in einem Drittstaat (d.h. einem Staat außerhalb der EU oder des EWR) und Zulassung seiner Aktien an einem organisierten Markt im Inland oder auch in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR, letzteres jedoch nur, wenn das jährliche Dokument i.S.d. § 10 WpPG bei der BaFin zu hinterlegen ist6. Ein Drittstaatenemittent hat nach der Prospektrichtlinie bei der Emission den „Herkunftsstaat“ innerhalb der EU oder des EWR zu wählen und bleibt an diese Wahl gebunden auch für die Hinterlegung des jährlichen Dokuments7. Nicht erfasst sind Gesellschaften, deren Aktien – meist ohne ihre Zustimmung und mit 1 Vgl. Möllers in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 23 WpÜG Rz. 8 ff.; Witt, NZG 2000, 809; Burgard, WM 2000, 611. 2 Kritisch hierzu Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, vor § 21 WpHG Rz. 11. 3 ABl. EU Nr. L 149 v. 30.4.2004, S. 1, Nr. L 215 v. 16.6.2004, S. 3. 4 Vgl. nur Schwark in Schwark, vor § 21 WpHG Rz. 6. 5 Vgl. Nießen, NZG 2007, 41, 42; Sudmeyer, BB 2002, 685; kritisch dazu Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 21 WpHG Rz. 48 und Witt, AG 2001, 233, 239; dagegen zutreffend Schwark in Schwark, vor § 21 WpHG Rz. 3. 6 Klawitter in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 32 Rz. 107; Mülbert/Steup, NZG 2007, 761, 765; Weber-Rey in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 23 Rz. 57 ff.; zum jährlichen Dokument vgl. Götze, NZG 2007, 570; Kaum/Zimmermann, BB 2005, 1466. 7 Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471, 472; Ringe, AG 2007, 809, 811 f.
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bloßer Unterrichtung gemäß § 33 Abs. 3 BörsG – in den regulierten Markt aufgrund eines Beschlusses der Geschäftsführung der Börse nach § 33 Abs. 1 BörsG lediglich einbezogen wurden. 8
Meldepflichtig sind das Erreichen sowie das Über- bzw. Unterschreiten von bestimmten Schwellenwerten von Stimmrechten an einem Emittenten. Erfasst werden hiervon jedoch nur Stimmrechte an fremden Gesellschaften, so dass der Erwerb eigener Aktien nicht unter § 21 WpHG fällt1. Durch das den Erwerb eigener Aktien erleichternde KonTraG wurde 1998 eine gesonderte Veröffentlichungspflicht für eigene Aktien eines Inlandsemittenten in § 26 Abs. 1 Satz 2 WpHG eingeführt (dazu unten in Rz. 69)2. 2. Schwellenwerte des § 21 WpHG a) Quoten
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Nach § 21 Abs. 1 WpHG betragen die eine Mitteilungspflicht auslösenden Quoten 3 %, 5 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %, 30 %, 50 % und 75 % der Stimmrechte. Damit ist der deutsche Gesetzgeber über die ursprüngliche Grenze der Transparenzrichtlinie 1988 von 10 % bzw. die Grenze der Transparenzrichtlinie 2004 von 5 % hinausgegangen (Großbritannien: 3 %, Italien: 2 % – Frankreich hat es bei 5 % belassen). Die Nutzung der von der Transparenzrichtlinie 2004 eröffneten Möglichkeit unterhalb der Schwelle von 5 % noch eine weitere Schwelle einzuführen, war im Gesetzgebungsverfahren lebhaft umstritten3 und hat im europäischen Ausland nur wenige Parallelen. Die Schwelle von 30 % stellt nach § 29 Abs. 2 WpÜG das Erreichen der „Kontrolle“ über die Zielgesellschaft dar. Da dies die Verpflichtung zur Abgabe eines Übernahmeangebotes nach §§ 35 ff. WpÜG auslöst, hat das TUG in Umsetzung der Transparenzrichtlinie das Überschreiten der 30 %-Grenze gleichfalls in § 21 WpHG eingefügt4. b) Berechnung
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Für die Berechnung der Schwellenwerte sind ausschlaggebend die Stimmrechte. Dementsprechend sind die Stimmrechte des Meldepflichtigen ins Verhältnis zu setzen zu der Gesamtsumme aller Stimmrechte der börsennotierten Gesellschaft. Dabei sind Mehrstimmrechtsaktien sowohl beim Zähler wie beim Nenner mit zu berücksichtigen, während stimmrechtslose Vorzugsaktien unberücksichtigt bleiben außer in dem Fall, dass ihnen wegen Nichtzahlung des Vorzugs nach § 140 Abs. 2 AktG ein Stimmrecht zusteht. Dies hat zur Konsequenz, dass die Entstehung eines Stimmrechts für grundsätzlich stimmrechtslose Vorzugsaktien eine Meldepflicht des Halters auslösen kann5. Gleichzeitig können Aktionäre mit schon bisher stimmberechtigten 1 Vgl. BT-Drucks. 13/9712, S. 30; Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetzte, § 21 WpHG Rz. 3; Hirte in KölnKomm. WpHG, 2007, § 21 WpHG Rz. 70; a.A. Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 21 WpHG Rz. 34. 2 Vgl. Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 25 WpHG Rz. 5 ff. – die Regelung war zunächst in § 25 Abs. 1 Satz 3 WpHG enthalten und wurde durch das TUG in § 26 WpHG umgelegt. 3 Vgl. BR-Drucks. 579/06, S. 60; Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471, 474 m.w.N. 4 Vgl. Weber-Rey in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 23 Rz. 62 f. 5 So die h.L., Hirte in KölnKomm. WpHG, 2007, § 21 WpHG Rz. 85; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 22 AktG Anh., § 21 WpHG Rz. 23; Hüffer, Anh. § 22 AktG, § 21 WpHG Rz. 6 a.E.; Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 21 WpHG Rz. 30; Burgard, BB 1995, 2069, 2070; Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 16; a.A. Stucken in Happ, Ziff. 7.03 Rz. 3 a.E. m.w.N.; Happ, JZ 1994, 240, 244.
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Aktien durch die entstehenden Stimmrechte der Vorzugsaktien unter eine Schwelle geraten und insoweit meldepflichtig werden. Auslöser einer Meldepflicht können auch Kapitalmaßnahmen des Emittenten sein, insb. also Kapitalerhöhungen, an denen der Aktionär nicht teilnimmt (und deshalb eine Meldeschwelle unterschreitet) oder Kapitalherabsetzungen durch Einziehung von Aktien (mit der Folge des Überschreitens einer Meldeschwelle durch den nicht betroffenen Aktionär). Um den betroffenen Aktionären eine Feststellung des Erreichens, Über- oder Unterschreitens einer Meldeschwelle zu erleichtern, verpflichtet der durch das TUG in Umsetzung von Art. 16 der Transparenzrichtlinie 2004 eingeführte § 26a WpHG Inlandsemittenten (wie durch § 2 Abs. 7 i.V.m. § 21 Abs. 2 WpHG definiert), die Gesamtzahl der Stimmrechte am Ende eines jeden Kalendermonats, in dem es zu einer Zu- oder Abnahme von Stimmrechten gekommen ist, zu veröffentlichen, der BaFin mitzuteilen und dem Unternehmensregister zu übermitteln. Hierauf darf sich der Meldepflichtige nach § 17 Abs. 4 WpAIV verlassen1. Bei der Berechnung sämtlicher ausstehender Stimmrechte ist auf das abstrakte Bestehen und nicht auf die Ausübbarkeit der Stimmrechte abzustellen. Dementsprechend müssen Aktien, deren Stimmrechte nicht ausgeübt werden können, in die Berechnung der Schwellenwerte einbezogen werden. Diese Frage stellt sich z.B. dann, wenn Stimmrechte wegen Verstoßes gegen die Mitteilungspflichten nicht ausgeübt werden können nach § 28 WpHG oder wenn die AG eigene Aktien besitzt, aus der ihr nach § 71b AktG keine Rechte zustehen2. Ein Sonderproblem stellt sich bei der Zurechnung eigener Aktien des Emittenten, wenn der Emittent Tochterunternehmen des meldepflichtigen Aktionärs ist. Hier ist strittig, ob die eigenen Aktien des Emittenten nicht nur im „Nenner“ sondern Kraft Hinzurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG im „Zähler“ des grds. meldepflichtigen Aktionärs zu berücksichtigen sind3.
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c) Tatbestandsverwirklichung Auslöser für eine Mitteilungspflicht nach § 21 WpHG ist das Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten der Schwellenquoten durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise. Das Gesetz stellt damit deutlich auf den Erwerb oder den Verlust der Stimmrechte ab und nicht bereits auf den Abschluss von Verträgen, die zum Erwerb oder Verlust der Stimmrechte führen4. Dementsprechend ist auf das dingliche Erfüllungsgeschäft, durch die das Stimmrecht vermittelnden Aktien übertragen wer1 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 22 AktG Anh., § 26a WpHG Rz. 1. 2 Ganz h.L., Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 21 WpHG Rz. 33 ff.; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 22 AktG Anh., § 21 WpHG Rz. 20; Burgard, BB 1995, 2069, 2070; Cahn, AG 1997, 502, 504 ff.; Falkenhagen, WM 1995, 1005, 1008; Opitz in Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 18 f.; Sudmeyer, BB 2002, 685, 687; Widder/ Kocher, AG 2007, 13, 14; Witt, WM 1998, 1153, 1159; a.A. Schwark in Schwark, § 21 WpHG Rz. 9. 3 Bejahend: BaFin, „Veröffentlichung“ Mitteilungspflichten bei Veränderungen von bedeutenden Stimmrechtsanteilen, S. 4; Burgard, BB 1995, 2069, 2070 f.; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 22 AktG Anh., § 21 WpHG Rz. 20; Happ, JZ 1994, 240, 244; Cahn, AG 1997, 502, 504 ff.; verneinend: Schnabel/Korff, ZBB 2007, 179, 180; Widder/Kocher, AG 2007, 13, 15 ff. 4 Hirte in KölnKomm. WpHG, 2007, § 21 WpHG Rz. 105 ff.; Burgard, BB 1995, 2069; Hüffer, Anh. § 22 AktG, § 21 WpHG Rz. 8; Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 20; Steuer/Baur, WM 1996, 1477; Sudmeyer, BB 2002, 685, 689; Weber-Rey in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 23 Rz. 68; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 22 AktG Anh., § 21 WpHG Rz. 25; Schwark in Schwark, § 21 WpHG Rz. 12; a.A. Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 21 WpHG Rz. 41 ff.
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den, abzustellen1. Dies bedeutet für vinkulierte Namensaktien, dass der Erwerb erst mit Zustimmung der Gesellschaft nach § 68 Abs. 2 AktG eintritt2. Bei bloßen Namensaktien ist zwar die Eintragung im Aktienbuch eine Ausübungsvoraussetzung für das Stimmrecht, nicht jedoch für das Entstehen des Stimmrechts, so dass bereits der Erwerb der Aktien auch ohne Eintragung im Aktienbuch zu einer Meldepflicht führt. 13
Erwerb und Veräußerung erfassen typischerweise die Erfüllungsgeschäfte für Käufe, Verkäufe, Wertpapierpensionsgeschäfte und Wertpapierleihe, Verschmelzungen, Spaltungen, Aufspaltungen, Abspaltungen, Ausgliederungen und Vermögensübertragungen nach dem UmwG3, aber auch Erbgang4.
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Ein Über- oder Unterschreiten von Schwellenwerten kann auch in sonstiger Weise erfolgen. Hierzu zählen insbesondere die Fälle, in denen ohne Tätigkeit des Aktionärs ein Schwellenwert erreicht, über- oder unterschritten wird. Dies kann insbesondere eintreten bei Entstehung von Stimmrechten für Vorzugsaktien oder dem Wegfall dieser Stimmrechte5, bei der Abschaffung eines Mehrfachstimmrechts und bei Kapitalmaßnahmen der Gesellschaft, die nicht sämtliche Aktionäre gleich behandelt (z.B. bei Ausschluss des Bezugsrechts)6.
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Eine Mitteilungspflicht besteht jedoch nicht nur bei dem Erreichen bzw. Über- oder Unterschreiten der Schwellenwerte durch einen Erwerb, eine Veräußerung oder in sonstiger Weise, sondern nach § 21 Abs. 1a WpHG auch dann, wenn die Aktien eines Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland Herkunftsstaat ist, erstmals zum Handel an einem organisierten Markt in der EU oder dem EWR zugelassen werden. § 21 Abs. 1a WpHG entspricht damit § 41 Abs. 2 und Abs. 4a WpHG, die gleichfalls eine Bestandsaufnahme über die Beteiligungsverhältnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt bezwecken7. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Gesellschaft bereits bekannt ist, welche Aktionäre sie im Zeitpunkt eines Börsenganges hat. Aufgrund der Sanktionen im Falle der Unterlassung einer Mitteilung, insbesondere des Rechtsverlustes nach § 28 WpHG, sollte die Gesellschaft ihre ihr bekannten Aktionäre auf diese Pflicht hinweisen. 3. Hinzurechnungstatbestände des § 22 WpHG
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Bei der Berechnung der Stimmrechte nach § 21 Abs. 1 sowie Abs. 1a WpHG mit der entsprechenden Meldepflicht sieht § 22 WpHG eine Hinzurechnung weiterer Stimmrechte zu dem Meldepflichtigen in einer Vielzahl von Fällen vor. Durch die Hinzurechnung von Stimmrechten in einer Reihe von weiteren Situationen versucht § 22 WpHG, Umgehungen von § 21 WpHG auszuschließen8. § 22 WpHG stellt damit einen Auffangtatbestand dar. Der Auffangtatbestand ist jedoch nicht umfassend, da nur „Stimmrechte aus Aktien“ hinzugerechnet werden, und erst seit dem Risiko1 Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 87, 88 sowie die in der vorangehenden Fn. Genannten. 2 Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 20 a.E. 3 Vgl. Hirte in KölnKomm. WpHG, 2007, § 21 WpHG Rz. 109 f.; Steuer/Baur, WM 1996, 1477, 1483; Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 22, 36a; Widder, NZG 2004, 275; zu den Unwandlungsfällen im Einzelnen Heppe, WM 2002, 60 ff. 4 Hirte in KölnKomm. WpHG, 2007, § 21 WpHG Rz. 110. 5 Vgl. dazu Wilsing, BB 1995, 2277 ff. sowie oben bei Rz. 10. 6 Vgl. Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 23 m.w.N.; Hirte in KölnKomm. WpHG, 2007, § 21 WpHG Rz. 124 ff. 7 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 22 AktG Anh., § 21 WpHG Rz. 28. 8 Unstr., vgl. nur Hüffer, Anh. § 22 AktG, § 22 WpHG Rz. 1.
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§ 17
Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten
begrenzungsgesetz erfolgt eine Hinzurechnung von sonstigen Finanzinstrumenten gemäß § 25 WpHG1. Der Wortlaut von § 22 WpHG entspricht dem von § 30 WpÜG. Es ist jedoch durchaus nicht selbstverständlich, dass beide Normen einheitlich auszulegen sind. Die gesetzlichen Regelungen verfolgen unterschiedliche Zwecke (Unterrichtung des Kapitalmarktes vs. Information außenstehender Aktionäre zwecks Unterstützung bei Entscheidung über Desinvestment), führt zu unterschiedlichen Konsequenzen (Mitteilungspflicht vs. Pflicht zum Übernahmeangebot) und hat bei ihrer europarechtskonformen Auslegung unterschiedliche Richtlinien zu beachten2.
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Für die Zurechnungstatbestände des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 WpHG sieht § 22 Abs. 1 Satz 2 WpHG eine Zurechnung von Stimmrechten auch von Tochterunternehmen des Meldepflichtigen vor (mit Ausnahme von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG, der seinerseits einen Zurechnungstatbestand für das Tochterunternehmen enthält – ebenso § 22 Abs. 2 WpHG). Hierbei handelt es sich um eine sog. Kettenzurechnung bei allen Einzeltatbeständen, die eine Einbeziehung aller im Konzern bestehenden Stimmrechte in Verbindung mit der Definition des Tochterunternehmens in Abs. 3 (dazu sogleich) bewirkt. Trotz des – insoweit missverständlichen – Wortlautes sieht die h.L. zu Recht eine Zurechnung nicht nur von Stimmrechten eines unmittelbaren Tochterunternehmens sondern auch eines mittelbaren Tochterunternehmens (Enkelunternehmen) vor3.
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a) Tochterunternehmen Zugerechnet werden nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG Stimmrechte aus Aktien, die einem Tochterunternehmen gehören. Für die Höhe der Zurechnung der Stimmrechte eines Tochterunternehmens stellt § 22 Abs. 1 Satz 3 WpHG klar, dass sie in voller Höhe zugerechnet werden und nicht quotal4.
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Tochterunternehmen wird definiert von § 22 Abs. 3 WpHG als Tochterunternehmen i.S.v. § 290 HGB oder als ein Unternehmen, „auf das ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann“. In beiden Fällen kommt es nicht auf die Rechtsform oder den Sitz weder des Mutter- noch des Tochterunternehmens an5. Damit werden sämtliche „klassischen“ Tochterunternehmen erfasst. Unerheblich ist auch die Rechtsform des Mutterunternehmens, was über die „Ausübung eines beherrschenden Einflusses“ auch natürliche Personen als Mutterunternehmen erfasst6.
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1 Kritisch zur Rechtslage bis zum Risikobegrenzungsgesetz von Bülow in KölnKomm. WpHG, 2007, § 22 WpHG Rz. 19. 2 Vgl. Hirte in KölnKomm. WpHG, 2007, § 22 WpHG Rz. 13; Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 1; a.A. Geibel/Süßmann, BKR 2002, 52, 62. 3 Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 20, 23; Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 22 WpHG Rz. 18 ff.; von Bülow in KölnKomm. WpHG, 2007, § 22 WpHG Rz. 31 f.; Weber-Rey in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 23 Rz. 85; einschränkend Schwark in Schwark, § 22 WpHG Rz. 33 (der in den Fällen des § 22 Abs. 1 Nr. 3–6 WpHG eine Zurechnung nur annehmen will, wenn der Meldepflichtige Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte durch den Zurechnungsmittler hat); ebenso Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 22 AktG Anh., § 22 WpHG Rz. 9. 4 Vgl. Begr. RegE. BT-Drucks. 14/7034, S. 53; Witt, AG 2001, 233, 237; Hildner, Beteiligungstransparenz, S. 100 ff. 5 Dies gilt nach § 290 HGB ohnehin – vgl. hierzu Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 2. 6 Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 2; Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 22 WpHG Rz. 31 – beide m.w. Ausführungen zu den Einzelheiten der Tochtergesellschaftsdefinition bzw. der Ausübung eines beherrschenden Einflusses.
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Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
Nicht als Tochterunternehmen eines Meldepflichtigen gelten nach § 32 Abs. 2 bis Abs. 4 InvG Kapitalanlagegesellschaften und die dem dritten Abschnitt des InvG unterliegenden Investmentgesellschaften mit Sitz in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat. Für sonstige ausländische Investmentfonds und ihre Verwaltungsgesellschaften gelten diese Ausnahmevorschriften erst seit der Einfügung von § 32 Abs. 4 InvG durch das TUG, was insb. für US-amerikanische Investmentfonds Bedeutung hat1. Es muss sich bei den Fonds um Publikumsfonds handeln, so dass Spezialfonds grundsätzlich weiterhin der Regelung des § 22 Abs. 1 WpHG unterliegen2. Ebenso gelten Wertpapierdienstleistungsunternehmen hinsichtlich der Beteiligungen, die von ihnen im Rahmen einer Finanzportfolioverwaltung verwaltet werden, unter den in § 22 Abs. 3a WpHG genannten Voraussetzungen nicht als Tochtergesellschaft3. Die Ausnahme- und Rückausnahmetatbestände entsprechen denen des InvG. Die Frage der Unabhängigkeit der Ausübung von Stimmrechten durch den Vermögensverwalter wird konkretisiert durch §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 3 TranspRLDV4. b) Für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG)
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Dem Meldepflichtigen ebenfalls zugerechnet werden Stimmrechte, die ein Dritter für seine Rechnung hält. Der Tatbestand des Haltens für Rechnung eines Dritten ist sehr vielschichtig. Idealtypisch ist der des Kommissionsgeschäftes (Erwerb im eigenen Namen auf fremde Rechnung). Das Gesetz verwendet ihn etwa auch in § 71a Abs. 2 AktG. Wie dort knüpft an die Formulierung von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG die Diskussion an, ob der Tatbestand nur verwirklicht ist, wenn der Dritte den Weisungen des Meldepflichtigen unterliegt. Entscheidend ist die Zuordnung der Chancen und Risiken aus den Aktien und der sich daraus ergebende Stimmrechtseinfluss unabhängig von seiner rechtlichen Durchsetzbarkeit. Von Bedeutung ist dies etwa dann, wenn ein Meldepflichtiger dem Dritten eine Kurs- oder Dividendengarantie gewährt5. Eine Kursgarantie kann entweder als unmittelbare Garantie gegeben werden, sich jedoch auch in der Form einer Verkaufsoption darstellen, bei der der Meldepflichtige Stillhalter in Geld ist. Die Grenze einer Zurechnung wegen „Haltens für Rechnung“ ist grundsätzlich, dass der Dritte aufgrund des Rechtsverhältnisses mit dem Meldepflichtigen verpflichtet ist, die Stimmrechte im Interesse desselben auszuüben, auch wenn er nicht seinen Weisungen unterliegt. Hieran fehlt es grundsätzlich bei einer bloßen Stillhalterposition des Meldepflichtigen ebenso wie bei einer bloßen Kursgarantie6.
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Ein bedeutender Anwendungsfall von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG ist die Treuhand7. Bei gesetzlich begründeten Rechtsverhältnissen, die denen einer Treuhand sehr ähnlich sind, insbesondere bei der Testamentsvollstreckung und der Insolvenzverwaltung, ist die Person, die stimmrechtsausübungsbefugt ist, nicht Rechtsinhaber. 1 Vgl. von Bülow in KölnKomm. WpHG, 2007, § 22 WpHG Rz. 18. 2 Vgl. zu den zahlreichen Spezialfragen mit Bezug auf Investmentgesellschaften ausführlich Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 40 sowie unten bei Rz. 32. 3 Vgl. Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 35. 4 BGBl. I 2008, 408. 5 Vgl. dazu Burgard, BB 1995, 2071, 2072; Austmann, WiB 1994, 143, 146; Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 22 WpHG Rz. 45. 6 Wie hier Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 30; a.A. Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 22 WpHG Rz. 45 (der jedoch auch fordert, dass der Meldepflichtige ein „wesentliches Risiko“ tragen und deshalb wesentlichen Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte haben müsse). 7 BT-Drucks. 12/6679, S. 53.
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§ 17
Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten
Dies sind vielmehr die Erben bzw. der Insolvenzschuldner. Ähnliches gilt für Vermögensverwalter, die im Rahmen einer Vollmachtsverwaltung1 die Stimmrechte einer Vielzahl von Eigentümern (Kunden) gebündelt ausüben. In all diesen Fällen fehlt es an einem „Halten“ der Stimmrechte durch den Dritten, weil Eigentümer jeweils der Meldepflichtige selbst ist. Eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG kann daher nicht erfolgen2. Eine Hinzurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WpHG kann lediglich im Falle der Nr. 6 („anvertraut“) erfolgen. Demgegenüber ist bei einer Treuhand-Vermögensverwaltung, bei der der Vermögensverwalter als Treuhänder Eigentum an den Aktien erwirbt, sowohl der Treunehmer (Vermögensverwalter) wie der Treugeber meldepflichtig3. Eine Reihe von Spezialfragen der Zurechnung von Stimmrechten stellt sich bei Vermögensverwaltungsgesellschaften und -holdings sowie im Zusammenhang mit Wertpapierpensions- und Wertpapierleihgeschäften4 und auch Total return equity SwapGeschäften (die etwa von der Schaeffler AG zum Anschleichen an die Continental AG vor der Abgabe eine Übernahmeangebotes im August 2008 verwendet wurden)5. Auch wenn bei einem Total return equity Swap der „Sicherungsnehmer“ auf die aus der betreffenden Aktie resultierenden Stimmrechte keinen Einfluss hat und daher eine Zurechnung nach § 22 WpHG in der geltenden Form ausscheidet, erscheint dies de lege lata durchaus erwägenswert.
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c) Als Sicherheit übertragen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG) Grundsätzlich gelten von dem Meldepflichtigen Dritten als Sicherheit übertragene Aktien als solche des Meldepflichtigen, es sei denn, der Dritte ist zur Ausübung der Stimmrechte aus diesen Aktien befugt und bekundet die Absicht, die Stimmrechte unabhängig von den Weisungen des Meldepflichtigen auszuüben. Erfasst werden hiervon nicht nur die Sicherungsübereignung sondern insbesondere auch die Bestellung eines rechtsgeschäftlichen Pfandrechts6. Konsequenz der regelmäßigen Zurechnung der Stimmrechte zum Sicherungsgeber ist, dass der Sicherungsnehmer keinen Erwerb nach § 21 Abs. 1 WpHG vornimmt. Eine Sicherheitenverwertung durch den Sicherungsnehmer (z.B. durch Pfandverkauf an der Börse) führt zum endgültigen Eigentumsverlust des Sicherungsgebers und kann bei diesem dazu führen, dass er bestimmte Quotenschwellen unterschreitet und entsprechend meldepflichtig wird.
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d) Nießbrauch (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpHG) In Abgrenzung zu der Verpfändung sieht § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpHG vor, dass Stimmrechte aus Aktien, an denen zugunsten des Meldepflichtigen ein Nießbrauch 1 Vgl. dazu sowie zu den anderen Formen der Vermögensverwaltung Schäfer in Schwintowski/ Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 19 Rz. 13 ff. 2 Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 34; von Bülow in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 30 WpÜG Rz. 61; Hirte in KölnKomm. WpHG, 2007, § 22 WpHG Rz. 70. 3 Unstr., vgl. nur von Bülow in KölnKomm. WpHG, 2007, § 22 WpHG Rz. 71; Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 22 WpHG Rz. 52. 4 Vgl. ausführlich Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 37–49; Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 22 WpHG Rz. 68 ff. 5 Vgl. dazu bereits Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 30; von Bülow in KölnKomm. WpHG, 2007, § 22 WpHG Rz. 87; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1502. 6 Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6679, S. 53; Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 50 m.w.N. (und in Rz. 51 zu gesetzlichem Pfandrecht).
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Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
bestellt worden ist, zu einer Zurechnung der Stimmrechte führt. Obwohl nach h.L.1 dem Nießbrauchsberechtigten das Stimmrecht nicht zusteht, sieht § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpHG trotzdem eine Zurechnung des Stimmrechtes vor. Die hierfür angeführte Begründung, dass die zivilrechtlich unklare Vorfrage, wem die Stimmrechte zustehen, für das WpHG geregelt werden soll2, vermag nicht vollständig zu überzeugen. § 22 WpHG stellt gerade auf die faktische Einwirkungsmöglichkeit (jenseits einer rechtlichen) ab. Dies muss bei einem Nießbrauch jedoch durchaus nicht der Fall sein. De lege lata ist die Frage jedoch entschieden und bedarf keiner vertieften Ausführung. Allerdings soll auch der Nießbrauchsverpflichtete (Stammrechtsinhaber) nach § 21 WpHG meldepflichtig sein, da insoweit keine Absorption der Mitteilungspflicht erfolge3. e) Erwerbsrechte (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG) 27
Eine wichtige Hinzurechnungsregelung enthält § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG, durch die Stimmrechte aus Aktien zugerechnet werden, „die der Meldepflichtige durch eine Willenserklärung erwerben kann“. Gemeint ist hiermit die unmittelbare Herbeiführung des dinglichen Erwerbs durch eine Willenserklärung4. Der Gesetzgeber hat damit die vor dem 1.1.2002 streitige Frage, ob auch Umstände erfasst werden, bei denen lediglich eine Übereignung verlangt werden kann, im negativen Sinne geklärt. Im Regelfall bedeutet daher der Erwerb einer Kaufoption noch nicht einen Aktienerwerb durch eine Willenserklärung. Im Falle der Ausübung der Option durch den Optionsinhaber bedarf es noch zusätzlich des Abschlusses eines Übereignungsvertrages und der Übertragung des Besitzes bzw. des Besitzmittlungsverhältnisses, so dass i.d.R. durch die Optionsausübung nicht das Eigentum an den Aktien übergeht5. Der ganz h.L. ist zuzustimmen, denn die bloße Möglichkeit, von einem Stillhalter Aktien zu erwerben, vermittelt noch keine Einwirkungsmöglichkeit auf Stimmrechte6, denn der Stillhalter muss die Aktien gar nicht in seinem Depot halten. Dies hat der Gesetzgeber bei Erlass des TUG ausdrücklich bekräftigt7.
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Entsprechendes gilt für verbriefte Optionsrechte, also Wandel- und Optionsanleihen, Optionsscheine und Bezugsrechte. Diese beziehen sich i.d.R. auf noch nicht emittierte Aktien und können daher noch gar keine zurechenbaren Stimmrechte repräsentieren. Aber selbst wenn dem im Einzelfall so wäre, gewähren die vorgenannten In1 Hüffer, § 16 AktG Rz. 7; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 16 AktG Rz. 28 – beide m.w.N. 2 So insb. Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 22 WpHG Rz. 85. 3 Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 56; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 22 AktG Anh., § 22 WpHG Rz. 25. 4 Begr. RegE zu § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 54. 5 Vgl. ausführlich Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 59 m. u.w.N.; von Bülow in KölnKomm. WpHG, 2007, § 22 WpHG Rz. 121 ff.; Cahn, AG 1997, 502, 507; Hüffer, Anh. § 22 AktG, § 22 WpHG Rz. 5; Steuer/Baur, WM 1996, 1477, 1478, 1480; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 16.485; Witt, Übernahme, S. 152 Fn. 80; Witt, AG 1998, 171, 176; Pötzsch/Möller, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 2, S. 18 Fn. 124; Schwark in Schwark, § 22 WpHG Rz. 10; a.A. Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 22 WpHG Rz. 93 ff.; Burgard, BB 1995, 2069, 2076; Bayer in MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2008, § 22 AktG Anh., § 22 WpHG Rz. 27 ff. (der allerdings konzediert, dass der Gesetzgeber des TUG anders entschieden hat und diese Entscheidung de lege lata kritisiert) – die auf die richtlinienkonforme Auslegung von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG verweisen. 6 Vgl. Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 64 m.w.N. 7 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/2498, S. 37; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503; Schnabel/ Korff, ZBB 2007, 179, 183.
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Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten
strumente keine Rechte, die eine Rechtsposition begründen, bei der durch ein einseitiges Handeln ein dinglicher Erwerb der Aktien und damit der Stimmrechte herbeigeführt werden kann1. Gleiches gilt für sog. „Cash Settled Equity Swaps“, wie sie von Schaeffler zum „Anschleichen“ an die Continental AG verwendet wurden2. Inwieweit eine Wertpapierleihe bzw. ein Repo-Geschäft3 unter § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG fällt, hängt entscheidend davon ab, ob der Rückübertragungsanspruch durch eine einseitige Willenserklärung des Verleihers bzw. Pensionsgebers oder „Repurchasers“ zu einem Eigentumswechsel ohne Mitwirkung der Gegenpartei führen kann4.
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f) Anvertraute Stimmrechte (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG) Dem Meldepflichtigen werden gleichfalls Stimmrechte aus Aktien zugerechnet, die ihm anvertraut sind oder aus denen er Stimmrechte als Bevollmächtigter ausüben kann, sofern er die Stimmrechte aus diesen Aktien nach eigenem Ermessen ausüben kann, wenn keine besonderen Weisungen des Aktionärs vorliegen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG). Entscheidend für die erste Alternative dieser Vorschrift ist, dass der Zurechnungsverpflichtete die Vermögensinteressen des Aktionärs auf Grund eines Schuldverhältnisses wahrzunehmen hat, im Rahmen von sich daraus ergebenden Grenzen die Stimmrechte jedoch nach eigenem Ermessen ausüben kann. Demgegenüber erfordert die zweite, durch das TUG eingeführte Alternative lediglich das Bestehen einer Stimmrechtsvollmacht. Hierunter fällt nicht die Legitimationszession i.S.v. § 129 Abs. 3 AktG, da bei dieser keine Stimmrechtsausübung in fremden Namen sondern im eigenen Namen auf Grund einer Ermächtigung i.S.v. § 185 BGB erfolgt5. Wie bisher fällt das Vollmachtsstimmrecht der Banken wegen § 135 AktG ebenfalls unter keine der beiden Alternativen6.
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Anvertraut sind die Aktien, wenn sie aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses dem Meldepflichtigen zur Verfügung gestellt werden. Als derartige Tatbestände kommen in Betracht das elterliche Sorgerecht, die Testamentsvollstreckung, die Vermögensverwaltung oder die Insolvenzverwaltung. Da seit 1.1.2002 nur noch ein „Anvertrauen“ und nicht mehr eine gleichzeitige „Verwahrung“ vorliegen muss, hat sich die Rechtslage hinsichtlich der Vermögensverwalter geändert7. Im Rahmen der Vollmachtsverwaltung8 „verwahrt“ der Vermögensverwalter oder Portfolio-Manager regelmäßig nicht die Aktien der Vermögensinhaber, da diese von einer Bank für den Eigentümer in dessen Depot verwahrt werden. Die zwischen dem Vermögensinhaber und dem Vermögensverwalter vereinbarten Anlagerichtlinien sehen in der Regel nur Vor-
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von Bülow in KölnKomm. WpHG, 2007, § 22 WpHG Rz. 127 (unstr.). Ganz h.L., vgl. nur Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1504 ff. m.w.N. Vgl. dazu Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 22 Rz. 13 ff., 50 ff. H.L., Steuer/Baur, WM 1996, 1477, 1483 f.; Witt, Übernahmen, S. 152 Fn. 80, S. 183; Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 66. Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 34 f.; Schnabel/Korff, ZBB 2007, 179, 181; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 22 AktG Anh., § 22 WpHG Rz. 36. Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 35; Schnabel/Korff, ZBB 2007, 179, 181; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 22 AktG Anh., § 22 WpHG Rz. 35 f.; Hüffer, Anh. § 22 AktG, § 22 WpHG Rz. 5; Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 69 ff.; Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 22 WpHG Rz. 121 ff.; Happ, Aktienrecht, 7.03, Rz. 4 a.E.; a.A. Witt, Übernahmen, S. 154; Witt, AG 1998, 171, 176; Burgard, BB 1995, 2069, 2076 – sehr strittig. Vgl. von Bülow in KölnKomm. WpHG, 2007, § 22 WpHG Rz. 133; Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 68. Vgl. dazu Schäfer in Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, 2. Aufl. 2004, § 19 Rz. 13 ff.
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gaben für den Vermögensverwalter hinsichtlich der Erwerbs- bzw. Veräußerungstatbestände vor, nicht jedoch Weisungen oder Richtlinien hinsichtlich der Ausübung der aus den erworbenen Aktien resultierenden Stimmrechte. Insofern gilt die allgemeine, typischerweise vereinbarte Klausel, dass der Vermögensverwalter berechtigt ist, den depotführenden Banken hinsichtlich der Ausübung der Rechte aus den Wertpapieren Weisungen zu erteilen, also auch Weisungen hinsichtlich der Ausübung der Stimmrechte durch die Banken im Rahmen des Depotstimmrechtes. Dementsprechend müssen die Vermögensverwaltung anbietende Kreditinstitute und Vermögensverwalter mit Finanzdienstleisterstatus beobachten, ob sie bei Erwerb von denselben Wertpapieren für eine Vielzahl von Depots die von § 21 WpHG vorgegebenen Schwellenwerte überschreiten, weil ihnen die daraus resultierenden Stimmrechte zugerechnet werden (vgl. auch unten Rz. 39). Neuere Vermögensverwaltungsverträge sehen daher z.T. eine ausdrückliche Beschränkung der Verwaltungsvollmacht dahingehend vor, dass sie nicht zur Ausübung von Stimmrechten oder zu einer diesbezüglichen Abgabe von Weisungen bevollmächtigt. 32
Unter § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG fallen auch die meisten nicht unter § 32 Abs. 2 bis 4 InvG zu subsumierenden „Fonds“ (vgl. dazu bereits oben bei Rz. 21). Dies gilt insbesondere für ausländische Investment Management-Gesellschaften, die nicht den Unabhängigkeitsanforderungen genügen. Insoweit finden sich häufig Strukturen, nach denen der eigentliche „Fonds“ die Rechtsform eines Trust oder einer (Aktien)Gesellschaft hat, die von einer Management-Gesellschaft verwaltet wird. Dies wirft die Frage auf, ob sämtliche von der Management-Gesellschaft verwalteten Fonds dieser zuzurechnen sind. Je nach Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen dem „Fonds“ und der Management-Gesellschaft können die Aktien des Fonds der Management-Gesellschaft „anvertraut“ sein. Soweit es sich bei dem „Fonds“ ausnahmsweise um ein Tochterunternehmen i.S.v. § 22 Abs. 3 WpHG handelt, kommt auch eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG in Betracht. Dies setzt jedoch voraus, dass die Management-Gesellschaft an dem Fonds selbst beteiligt ist und auf ihn einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Die Möglichkeit der Ausübung eines beherrschenden Einflusses wird wegen Personenidentität der Organe regelmäßig gegeben sein. In vielen Fällen ist eine Management-Gesellschaft jedoch nicht an dem von ihr verwalteten Fonds beteiligt, so dass eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG ausscheidet. Eine Zurechnung kommt weiter in Betracht nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG, wenn in dem zwischen dem Fonds und der ManagementGesellschaft abgeschlossenen Verwaltungsvertrag ein „Anvertrauen“ i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG zu sehen ist. Häufig wird sich ein „Anvertrauen“ auch aus der Organidentität von Fonds und Management-Gesellschaft herleiten lassen1. g) Abgestimmtes Verhalten (§ 22 Abs. 2 WpHG)
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Eine wesentliche Erweiterung der Zurechnung von Stimmrechten enthält § 22 Abs. 2 WpHG. Dieser sieht vor, dass auch Stimmrechte eines Dritten dem Meldepflichtigen zugerechnet werden, „mit dem der Meldepflichtige oder sein Tochterunternehmen sein Verhalten in Bezug auf die börsennotierte Gesellschaft aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt“. § 22 Abs. 2 WpHG ersetzte ab 1.1.2002 den § 22 Abs. 1 Nr. 3 WpHG i.d.F. des 2. FFG von 1998, der als abgestimmtes Verhalten nur ausdrückliche Stimmrechtsvereinbarungen erfasste. Da dessen Kriterien und damit eine Zurechnung leicht vermeidbar waren, lief der alte Tatbestand des „acting
1 Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 22 WpHG Rz. 118 f.
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Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten
in concert“ praktisch leer1. Zugerechnet werden die Stimmrechte, die dem Dritten gehören, sowie solche, die ihrerseits dem Dritten nach § 22 Abs. 1 WpHG zuzurechnen sind. Die vorläufig letzte Änderung von § 22 Abs. 2 WpHG erfolgte durch das Risikobegrenzungsgesetz vom 12.8.2008. Mit dem Verweis auf den anglo-amerikanischen Begriff des „acting in concert“ in der Regierungsbegründung des auch das WpHG ändernden WpÜG war noch nicht viel gewonnen für die Auslegung eines „abstimmten Verhaltens in sonstiger Weise“. Zu Recht wird darauf verwiesen, dass das Kartellrecht in § 1 GWB seit 1973 das Verbot abgestimmter Verhaltensweisen enthält2. Zu den Vereinbarungen zählen jedenfalls sämtliche Verträge des Privatrechts wie des öffentlichen Rechts3. Soweit diese Verträge nichtig sind wegen Verstoßes gegen geltende Gesetze, bedarf es keines Rückgriffs auf sog. „Gentlemen’s Agreements“, da das Verhalten jedenfalls ein „abgestimmtes Verhalten in sonstiger Weise“ darstellt4. Ausgenommen hiervon werden nach § 22 Abs. 2 Satz 1 letzter Satzteil WpHG Vereinbarung „in Einzelfällen“5/6. Von einer derartigen Vereinbarung im Einzelfall ist – wie auch der neue Satz 2 bestätigt – auszugehen, wenn nur einzelne, vergleichsweise unerhebliche Abstimmungspunkte erfasst werden und diese auf eine einzige Hauptversammlung beschränkt bleiben, oder Interessen nur gelegentlich und ad hoc koordiniert werden, wobei unerheblich ist, ob die diesbezüglichen Vereinbarungen schriftlich oder mündlich erfolgen. In der Praxis erweist sich die Abgrenzung der „Einzelfälle“ von der allgemeinen Abstimmung, insbesondere der „in sonstiger Weise“, als äußerst schwierig. Unabgestimmtes Parallelverhalten führt nicht zu einer Stimmrechtszurechnung7, also z.B. ein gleichgerichtetes Stimmverhalten auf einer Hauptversammlung. Voraussetzung ist eine koordinierte Ausübung gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflusses, wie die ratio der Zurechnung von Stimmrechten nahelegt8.
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§ 22 Abs. 2 WpHG hat durch das Risikobegrenzungsgesetz folgende Fassung erhalten: „Dem Meldepflichtigen werden auch Stimmrechte eines Dritten aus Aktien des Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, in voller Höhe zugerechnet, mit dem der Meldepflichtige oder sein Tochterunternehmen sein Verhalten in Bezug auf diesen Emittenten aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt; ausgenommen sind Vereinbarungen in Einzelfällen. Ein abgestimmtes Verhalten setzt voraus, dass der Meldepflichtige oder sein Tochterunterneh-
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1 Vgl. Begr. RegE zum WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 54. 2 Vgl. dazu Zimmer in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl. 2007, § 1 GWB Rz. 92; Liebscher, ZIP 2002, 1005, 1007; Burgard, BB 1995, 2069, 2075. 3 Vgl. nur Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 83 m.w.N. 4 Zu den verschiedenen Konstellationen der Stimmbindungsvereinbarungen vgl. ausführlich Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 83 ff. 5 Wobei erweiternd diese Ausnahme auch auf ein abgestimmtes Verhalten „in sonstiger Weise“ erstreckt wird – vgl. Liebscher, ZIP 2002, 2005, 2008. 6 Vgl. Liebscher, ZIP 2002, 1005, 1007 f.; Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 87, 95; Schwark in Schwark, § 22 WpHG Rz. 19. 7 OLG Stuttgart v. 10.11.2004 – 20 U 16/03, AG 2005, 125, 129; OLG München v. 17.2.2005 – 23 W 2406/04, AG 2005, 407; zu § 30 Abs. 2 WpÜG: BGH v. 18.9.2006 – II ZR 137/05 – „WMF“, BGHZ 169, 98 = AG 2006, 883; OLG Frankfurt v. 25.6.2004 – WpÜG 5/03a, WM 2004, 1638, 1642 und OLG München v. 27.4.2005 – 7 U 2792/04, ZIP 2005, 856, 857 = AG 2005, 482; LG Hamburg v. 16.10.2006 – 412 O 102/04, AG 2007, 177; ausführlich von Bülow in KölnKomm. WpHG, 2007, § 22 WpHG Rz. 150 ff.; Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 82 ff. 8 von Bülow in KölnKomm. WpHG, 2007, § 22 WpHG Rz. 157; BGH v. 18.9.2006 – II ZR 137/05 – „WMF“, BGHZ 169, 98 = AG 2006, 883 (zu § 30 Abs. 2 WpÜG); Saenger/Kessler, ZIP 2006, 837, 839.
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Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
men und der Dritte sich über die Ausübung von Stimmrechten verständigen oder mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten in sonstiger Weise zusammenwirken. Für die Berechnung des Stimmrechtsanteils des Dritten gilt Abs. 1 entsprechend“. 36
Durch diese Änderung ist beabsichtigt, die in der Praxis aufgetretenen Schwierigkeiten der Anwendung von § 22 Abs. 2 WpHG mit der Zurechnung von Stimmrechten bei abgestimmtem Verhalten zu beseitigen und die restriktive Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes1 zu konterkarieren2. Nicht umgesetzt wird damit die ursprüngliche Absicht, den Tatbestand von § 22 Abs. 2 WpHG in dreierlei Hinsicht zu erweitern, da im Ergebnis grundsätzlich weiterhin nur eine Verhaltsabstimmung in Bezug auf den Emittenten und nicht auch eine Verhaltensabstimmung in Bezug auf den Erwerb von Aktien des Emittenten zu einer Zurechnung führt3. Ebenso wenig wurde das ursprüngliche Vorhaben umgesetzt, die Ausnahme für Einzelfälle/-absprachen zu streichen und durch die langfristige Wirkung der Vereinbarung zu ersetzen. Erweitert wird jedoch die Zurechnung um die Fälle, die sich nicht in einer Absprache über die Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung erschöpfen.
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Die wesentliche Änderung der Zurechnungsvorschrift im Falle eines acting in concert durch das Risikobegrenzungsgesetz besteht daher darin, dass eine Verständigung über ein Zusammenwirken in sonstiger Weise „mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten“ erfolgt, als ein „acting in concert“ gilt. Die intendierte Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten muss nach der nunmehrigen Fassung des Gesetzes „dauerhaft und erheblich“4 sein. Der Gesetzgeber hat damit die Kritik berücksichtigt, dass bei einer dauerhaften oder erheblichen Beeinflussung auch eine dauerhafte nicht erhebliche Beeinflussung ein acting in concert darstellen würde5.
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Der Gesetzgeber nimmt mit der Neuregelung jedoch eine bewusste Abkehr von der Rechtsprechung des BGH vor, dass ein acting in concert immer eine Absprache im Hinblick auf die Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung erfordert6. Im Ergebnis unterstützt der Gesetzgeber daher nicht die formale, auf den rein gesellschaftsrechtlich vermittelten Einfluss abstellende Betrachtung, sondern die materiell-rechtliche Betrachtungsweise.
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Soweit ein Vermögensverwalter für eine Vielzahl von Kunden Aktien derselben Gesellschaft erworben hat und die Stimmrechte für sämtliche Kunden einheitlich ausübt, liegt zwar eine Hinzurechnung der Stimmen zu dem Vermögensverwalter nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG vor, doch kein Fall des § 22 Abs. 2 WpHG. Die Aktionäre (= Kunden des Vermögensverwalters) wissen nichts voneinander, so dass diese keine Koordinierung untereinander vornehmen und dementsprechend nicht ihr Verhalten abstimmen i.S.v. § 22 Abs. 2 WpHG7. 1 Vgl. dazu BGH v. 18.9.2006 – II ZR 137/05 – „WMF“, BGHZ 169, 98 ff. = AG 2006, 883, demzufolge nur Absprachen über die Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung, nicht jedoch innerhalb des Aufsichtsrates zu einem „acting in concert“ führen; dazu ausführlich von Bülow in KölnKomm. WpHG, 2007, § 22 WpHG Rz. 157 ff. 2 Begr. RegE, BR-Drucks. 763/07, S. 6. 3 Insoweit zutreffend Renz/Rippel, BKR 2008, 309, 311. 4 Im Gegensatz zu der Fassung des Gesetzentwurfs, die eine „dauerhafte oder erhebliche“ Beeinflussung ausreichen lassen wollte. 5 Vgl. Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2008, 60, 61. 6 Diekmann/Merkner, NZG 2007, 921, 922; Timmann/Birkholz, BB 2007, 2749, 2750; Wilsing/ Goslar, DB 2007, 2467, 2468 f. 7 Unstr., vgl. nur Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 98.
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Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten 4. Nichtberücksichtigung vom Stimmrechten (§ 23 WpHG)
Trotz grundsätzlich gegebener Meldepflicht nach §§ 21, 22 WpHG konnte bis zum Inkrafttreten des TUG die BaFin auf schriftlichen Antrag des Meldepflichtigen zulassen, dass bestimmte Stimmrechte des Meldepflichtigen unberücksichtigt bleiben (§ 23 Abs. 1 WpHG a.F.). § 23 WpHG a.F. beruhte auf der Regelung der TransparenzRichtlinie 1988, die ausdrücklich Ausnahmen für „berufsmäßige Wertpapierhändler“ vorsah. Diese Ausnahmeregelungen gelten seit dem TUG unabhängig von der Erteilung einer Genehmigung für bis zu 5 % der Stimmrechte unmittelbar für Marktteilnehmer, deren Meldungen letztlich eher zu einer Verwirrung des Marktes als zur Herbeiführung einer Transparenz führen würden1. Als solche nennt das Gesetz berufsmäßig Wertpapierhandel durchführende Wertpapierdienstleistungsunternehmen (§ 23 Abs. 1 WpHG), Wertpapierabwicklungssysteme (§ 23 Abs. 2 WpHG), Zentralbanken und vergleichbare Einrichtungen (§ 23 Abs. 3 WpHG) und Market Maker (§ 23 Abs. 4 WpHG)2 unter jeweils spezifischen Voraussetzungen. Den spezifischen Voraussetzungen ist gemein, dass sie voraussetzen, dass kein Einfluss auf den Emittenten ausgeübt wird.
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5. Meldepflichtiger (§§ 21 Abs. 1 Satz 1, 24 WpHG) Meldepflichtig ist nach § 21 Abs. 1 WpHG jeder, der durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise die Schwellenwerte von 3 %, 5 %, 10 %, 15 % 20 %, 25 %, 30 %, 50 % oder 75 % der Stimmrechte an einer börsennotierten Gesellschaft erreicht, überschreitet oder unterschreitet. Erfasst werden alle natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften u.a. Personenzusammenschlüsse jedweder Provenienz. Dabei sind Sitz, Wohnsitz, Aufenthaltsort oder Nationalität des Meldepflichtigen unerheblich. § 21 WpHG entfaltet insofern Weltgeltung (extraterritoriale Wirkung)3.
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Für Konzerne enthält § 24 WpHG die Möglichkeit, dass das Mutterunternehmen die Mitteilungen für alle mitteilungspflichtigen Konzernunternehmen erfüllt. Diese Kann-Vorschrift erleichtert es Konzernen, im Rahmen einer zentralen Regelung von Einzelmitteilungen durch jedes Tochterunternehmen abzusehen. In dem Sinne privilegiert werden jedoch nur Konzerne, die einen Konzernabschluss nach §§ 290, 340i HGB aufstellen, d.h. unter einheitlicher Leitung einer Kapitalgesellschaft (Mutterunternehmen) mit Sitz in Inland stehen. Als Rechtsfolge sieht § 24 WpHG vor, dass verschiedene Mitteilungen durch das Mutterunternehmen zusammengefasst werden und die Mitteilung durch das Mutterunternehmen für die erfassten Tochterunternehmen befreiend wirkt. Erfolgt – aus welchen Gründen auch immer – durch das Mutterunternehmen keine Meldung, obwohl das Tochterunternehmen davon ausgehen durfte, dass (z.B. entsprechend geübter Praxis) die Meldung durch das Mutterunternehmen vorgenommen werden würde, so tritt grundsätzlich keine Befreiung des Tochterunternehmens von seinen Verpflichtungen ein. Es mag dann jedoch an einem Verschulden i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. e, Abs. 4 WpHG fehlen. Das Tochterunternehmen kann die Sanktionen des § 28 WpHG selbst dann treffen, wenn es seiner
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1 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6679, S. 54. 2 Einen Market Maker trifft nach § 4 Abs. 1 TranspRLDV die Pflicht, die BaFin davon zu unterrichten, wenn er das Market Making für ein bestimmtes Finanzinstrument einstellt. 3 Vgl. z.B. ausführlich Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 5 ff.; Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 21 WpHG Rz. 11 ff.; Schwark in Schwark, § 21 WpHG Rz. 2 ff.; Ringe, AG 2007, 809, 813 f.
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Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
Mitteilungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen ist1, was zu Konzernhaftungs-Tatbeständen führen kann2. 6. Inhalt, Form und Zeitpunkt der Mitteilung (§§ 17 ff. WpAIV) 43
Der nach § 21 WpHG Mitteilungspflichtige hat sämtliche hiernach erforderlichen Mitteilungen abzugeben. Hierzu zählen die Tatsache des Erreichens, Überschreitens oder Unterschreitens eines der genannten Schwellenwerte, welcher bzw. welche Schwellenwerte betroffen sind, den Zeitpunkt (Tag) und sinnvollerweise auch den Tag der Kenntniserlangung hiervon (wegen § 21 Abs. 1 Satz 3 WpHG). In der Praxis ergeben sich immer wieder Nachfragen der BaFin, wenn ein Meldepflichtiger lediglich das Unterschreiten der 3 %-Schwelle meldet, da die BaFin auch bei einem Unterschreiten der 3 %-Schwelle an dem Wortlaut von § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. bzw. § 17 Abs. 1 Nr. 5 WpAIV festhält und die Veröffentlichung der Höhe des Stimmrechtsanteils erfordert. Dies ist zwar durch Sinn und Zweck der Norm nicht geboten, da vor einem Erreichen der 3 %-Schwelle ebenfalls nicht die Höhe des Stimmrechtsanteils genannt werden muss. Der insoweit unglücklich formulierte Wortlaut wird von der BaFin jedoch bisher nicht teleologisch sondern eng ausgelegt. Weiter sind zu melden die Anschrift des Meldepflichtigen und des Emittenten. Sämtliche Angaben haben in nachvollziehbarer Form zu erfolgen und müssen einer allgemeinen Plausibilitätsprüfung durch die Gesellschaft zugänglich sein. Sinnvoll ist daher die Angabe der für eine Quotenberechnung angenommene Gesamtzahl von Stimmrechten, die der Emittent gemäß § 26a WpHG veröffentlicht hat.
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Ferner hat die Mitteilung inhaltlich auch die dem Meldepflichtigen nach § 22 WpHG zugerechneten Stimmen aufzuführen. Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 WpAIV sind außer dem Namen des Dritten, der Höhe seiner Beteiligung und den Namen der kontrollierten Unternehmen die zuzurechnenden Stimmen in den Mitteilungen für jede der Nummern in § 22 Abs. 1 und für Abs. 2 WpHG getrennt anzugeben. Eine entsprechende Mitteilung des Meldepflichtigen entlastet jedoch nicht denjenigen, der die zurechenbaren Anteile hält. Dieser hat somit seinen Verpflichtungen zur Mitteilung nach §§ 21, 22 WpHG unabhängig nachzukommen. Als Form sieht § 18 WpAIV die Schriftform oder Telefax vor. Die Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB kann nach § 126 Abs. 3 BGB durch die elektronische Form i.S.d. § 126a BGB ersetzt werden. Die Mitteilung kann in deutscher oder englischer Sprache erfolgen (§ 18 Satz 1 Halbsatz 2 WpAIV).
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Die Mitteilung ist nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG „unverzüglich, spätestens innerhalb von 4 Handelstagen nach Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten der genannten Schwellen“ abzugeben. Unverzüglich bedeutet nach § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB „ohne schuldhaftes Zögern“. Schuldlos ist ein Zögern nur, wenn eine Ungewissheit über die Mitteilungspflicht besteht und diese geklärt werden muss, ohne dass der Mitteilungspflichtige diese Umstände verschuldet hätte (das früher angeführte Beispiel der Notwendigkeit der Feststellung der ausstehenden Stimmrechte wegen teilweiser Ausnutzung von bedingtem Kapital verfängt wegen § 26a WpHG nicht mehr). Da die Frist nach § 21 Abs. 1 Satz 3 WpHG mit dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Meldepflichtige Kenntnis von der Kreuzung der Schwellenwerte hat bzw. von den Umständen haben musste, dass sein Stimmrechtsanteil die Schwellenwerte kreuzt, 1 Vgl. dazu unten Rz. 48 ff. sowie Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 24 WpHG Rz. 23, § 28 WpHG Rz. 43. 2 Vgl. Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 24 WpHG Rz. 6 a.E.
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Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten
stellt sich die Frage der Wissenszurechnung von Vertretern i.S.v. § 166 BGB. Für Konzernsachverhalte ist heute anerkannt, dass Unternehmen im Beteiligungsbereich besonderen Sorgfalts- und Organisationspflichten unterliegen und sie organisatorisch sicherstellen müssen, dass alle mit den Beteiligungen zusammenhängenden Pflichten erfüllt werden. Dies ist insbesondere hinsichtlich der in § 22 WpHG enthaltenen Zurechnungsvorschriften durchaus nicht immer leicht zu bewerkstelligen. § 21 Abs. 1 Satz 4 WpHG vermutet, dass der Meldepflichtige zwei Handelstage nach der Schwellenberührung Kenntnis hat. Die Vermutung wurde durch das Investmentänderungsgesetz1 in das Gesetz eingefügt. Die Änderung war jedoch noch nicht im Gesetzentwurf der Bundesregierung2 enthalten, sondern wurde auf Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestages3 eingefügt, um Art. 9 der Durchführungsrichtlinie4 zur Transparenzrichtlinie umzusetzen. Sie erscheint unangebracht bei einer Schwellenberührung „in sonstiger Weise“, da der Meldepflichtige hier i.d.R. erst durch die Veröffentlilchung des Emittenten nach § 26a WpHG Kenntnis erlangt. § 21 Abs. 1 Satz 4 WpHG sollte daher restiktiv ausgelegt werden und sich nur auf ein Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten von Meldeschwellen durch „Erwerb oder Veräußerung“ beziehen. Für diese Einschränkung spricht auch die Referenz von § 21 Abs. 1 Satz 4 WpHG auf „Handelstage“. 7. Adressat der Mitteilungen Die Mitteilung ist sowohl an die Gesellschaft zu richten wie auch an die BaFin. Sinnvollerweise werden beide Adressaten zeitgleich informiert. Viele börsennotierte Gesellschaften veröffentlichen in den Gesellschaftsblättern oder ihren Websides Einzelheiten der internen Abteilungen/Stellen sowie der entsprechenden Telefax-Nummern, an die die Mitteilungen nach § 21 WpHG zu richten sind.
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8. Sanktionen a) Strafrechtliche Sanktionen Nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. e WpHG handelt ordnungswidrig, der vorsätzlich oder leichtfertig eine Mitteilung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 1a WpHG, nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig macht. Darüber hinaus begeht nach § 39 Abs. 3 Nr. 1 lit. a WpHG eine Ordnungswidrigkeit, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 4 Abs. 3 Satz 1 WpHG der BaFin Auskünfte verweigert oder Unterlagen nicht vorlegt. Die erste Ordnungswidrigkeit wird nach § 39 Abs. 4 WpHG mit einer Geldbuße bis zu 200 000 Euro bedroht, die letztgenannte mit einer Geldbuße bis zu 50 000 Euro.
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b) Zivilrechtliche Sanktionen aa) Rechtsverlust (§ 28 WpHG). Nach § 28 Satz 1 WpHG bestehen Rechte aus Aktien, die einem Meldepflichtigen gehören oder aus denen ihm Stimmrechte gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG zugerechnet werden, nicht für die Zeit, für welche der Meldepflichtige seine Pflichten nach § 21 Abs. 1 oder Abs. 1a WpHG nicht erfüllt. Durch das Risikobegrenzungsgesetz wurde § 28 Satz 3 WpHG angefügt, demzufolge der 1 2 3 4
BGBl. I 2007, 3089. BT-Drucks. 16/5576 v. 11.6.2007. BT-Drucks. 16/3644, S. 91 und Begr. auf S. 122. ABl. EU Nr. L 69 v. 9.3.2007, S. 27.
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Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
Stimmverlust unter bestimmten Umständen noch 6 Monate nach der Nachholung der Meldung fortwirkt (vgl. Rz. 56). Von dem Rechtsverlust werden nach § 28 Satz 2 WpHG Ansprüche ausgenommen, die nach § 58 Abs. 4 AktG und § 271 AktG bestehen, wenn die Mitteilung nicht vorsätzlich unterlassen wurde und nachgeholt worden ist. Bei dieser zivilrechtlichen Sanktion des Rechtsverlustes handelt es sich um die im Verhältnis zu den Ordnungswidrigkeitentatbeständen schärfere und wahrscheinlich auch effektivere Sanktionierung der Mitteilungspflichten1. 49
Voraussetzung für einen Rechtsverlust nach § 28 WpHG ist, dass ein Meldepflichtiger seinen Verpflichtungen nach § 21 Abs. 1 oder 1a WpHG nicht nachgekommen ist. Somit ist auch die Unterlassung der Mitteilung eines Unterschreitens eines Schwellenwertes auslösendes Moment2. Nach dem Wortlaut bestehen die Rechte aus den Aktien nicht, wenn die „Mitteilungspflichten nicht erfüllt werden“. Demgegenüber sieht der Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. e WpHG vor, dass er erfüllt wird durch jede Mitteilung, die nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig gemacht wird. Fraglich ist, ob die Nichterfüllung einer Mitteilungspflicht i.S.v. § 28 WpHG abweichend von § 39 Abs. 2 WpHG zu verstehen ist. Zum Teil wird § 28 WpHG dahingehend interpretiert, dass die Ausformulierungen des § 39 WpHG jeweils einzelne Nichterfüllungsformen i.S.v. § 28 WpHG darstellen3. Demgegenüber wird vertreten, dass nur das vollständige Unterlassen der Mitteilung eine Nichterfüllung i.S.v. § 28 WpHG ist4. Eine vermittelnde Auffassung folgt im Ansatz der Interpretation, dass jegliche der in § 39 WpHG aufgeführten Konstellationen grundsätzlich eine Nichterfüllung i.S.d. § 28 WpHG darstellen, will jedoch im Rahmen einer restriktiven Interpretation nur erhebliche Mängel für eine Nichterfüllung genügen lassen5.
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Da die Sanktionsnorm des § 28 WpHG Strafcharakter hat im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG, wonach die Strafe dadurch gekennzeichnet ist, dass sie auf „Repression und Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt“6, fordert die ganz h.L. zu Recht ein Verschulden in Form von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit als weitere Voraussetzung für einen Verstoß gegen § 28 WpHG7. Für die h.M. spricht auch § 28 Satz 2 WpHG, der ausdrücklich für ein nicht vorsätzliches Unterlassen 1 Zur rechtspolitischen Kritik an den „drakonischen Sanktionen mit wirtschaftlich ruinösen Folgen“ vgl. Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 28 WpHG Rz. 1. 2 Vgl. Witt, Übernahmen, S. 162 Fn. 138 m.w.N. 3 So insb. Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 28 WpHG Rz. 16; Hildner, Beteiligungstransparenz, S. 56; BGH v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, BGHZ 114, 203 = AG 1991, 270 (allerdings zu § 20 AktG); Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 22 AktG Anh., § 28 WpHG Rz. 3; Weber-Rey in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 23 Rz. 117. 4 Insb. Hüffer, Anh. § 22 AktG, § 28 WpHG Rz. 3. 5 So insb. Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 28 WpHG Rz. 5 a.E.; Witt, Übernahmen, S. 162 Fn. 135; i.E. wohl auch Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 28 WpHG Rz. 16; Schwark in Schwark, § 28 WpHG Rz. 3; Kremer/Oesterhaus in KölnKomm. WpHG, 2007, § 28 WpHG Rz. 28 f.; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 22 AktG Anh., § 28 WpHG Rz. 3. 6 BVerfG v. 25.10.1966 – 2 BvR 506/63, BVerfGE 20, 323, 331; BVerfG v. 15.6.1989 – 2 BvL 4/87, BVerfGE 80, 244, 255; BVerfG v. 23.4.1991 – 1 BvR 1443/87, BVerfGE 84, 83, 87. 7 Hüffer, Anh. § 22 AktG, § 28 WpHG Rz. 3; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22 AktG, § 28 WpHG Rz. 6; Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 28 WpHG Rz. 6 ff.; Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 28 WpHG Rz. 20; Burgard, Offenlegung von Beteiligungen, S. 55 f.; Schwark in Schwark, § 28 WpHG Rz. 5; Kremer/Oesterhaus in KölnKomm. WpHG, 2007, § 28 WpHG Rz. 31; a.A. Hägele, NZG 2000, 726, 727; Starke, Beteiligungstransparenz, S. 248.; Sven H. Schneider/Uwe H. Schneider, ZIP 2006, 493, 496 (anders aber Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 28 WpHG Rz. 20).
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Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten
eine Milderung der Rechtsfolgen vorsieht und damit deutlich einen Verschuldensmaßstab zu erkennen gibt. Als Rechtsfolge führt § 28 WpHG einen „Rechtsverlust“ auf, d.h. dass die Rechte für die betreffenden Aktien während der Zeit der Normverletzung (und Stimmrechte ggfls. 6 Monate darüber hinaus) nicht bestehen (und nicht – wie früher teilweise behauptet – bloß nicht geltend gemacht werden können). Im Falle des § 28 Satz 2 WpHG sind sie jedoch nicht endgültig verloren. Erfasst werden von der Sanktion „Rechte aus Aktien“. Streitig ist, welche Rechte „aus der Aktie“ hiermit gemeint sind.
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Unstreitig werden als Rechte erfasst die Vermögensrechte des Aktionärs, insbesondere also das Dividendenrecht gem. § 58 Abs. 4 AktG, das Recht zum Bezug junger Aktien aus einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen gemäß § 186 Abs. 1 AktG, das Bezugsrecht für sonstige Finanzinstrumente gemäß § 221 AktG1, während für Bezugsrechte aus Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln die Frage streitig ist, ob es sich um ein Vermögensrecht oder um einen Teil der durch die Umwandlung von Rücklagen neu strukturierten Mitgliedschaft handelt2, sowie Bezugsrechte aus Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln. Streitig ist, ob zu den Vermögensrechten auch der Anspruch auf Liquidationserlös sowie Ausgleichs-, Umtausch- und Abfindungsansprüche bei der Umwandlung, Verschmelzung oder nach anderen Vorschriften des Konzernrechtes erfasst werden3. Die h. L. verweist darauf, dass § 28 Satz 2 WpHG im Ausnahmefall vorsieht, dass der Liquidationserlös nicht entfällt, was den Umkehrschluss zulasse, dass er regelmäßig in den Fällen des Satzes 1 entfalle. Dem wird von der Mindermeinung entgegengehalten, dass hiermit die verfassungsrechtliche Grenze des Übermaßverbotes und der Eigentumsgarantie von Art. 14 GG überschritten würde, da dies im Falle einer Liquidation den Totalverlust der Aktie zur Folge hätte. Die gleiche Frage wie hinsichtlich des Liquidationserlöses stellt sich bei einer Rückzahlung des Grundkapitals aufgrund einer Kapitalherabsetzung gemäß § 222 Abs. 3 AktG sowie bei Entgelten für die Einziehung von Aktien.
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Neben den Vermögensrechten erfasst der Rechtsverlust des § 28 WpHG auch die Verwaltungsrechte. Hierzu zählen insbesondere die Stimmrechte, das Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung gemäß § 118 Abs. 1 AktG, das Auskunftsrecht gemäß § 131 AktG, das Anfechtungsrecht gemäß § 245 AktG (jedoch nicht das Recht auf Erhebung der Nichtigkeitsklage, da dies auch von Nichtaktionären bei Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses geltend gemacht werden kann) sowie div. Einzel- und Minderheitenrechte, aber auch etwa das Recht des Mehrheitsaktionärs, nach §§ 327a ff. AktG, ein Squeeze-Out-Verfahren zu initiieren4.
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1 Vgl. nur Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 28 WpHG Rz. 13 ff.; Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 28 WpHG Rz. 33 ff.; Schwark in Schwark, § 28 WpHG Rz. 7 ff. 2 So für Bezugsrechte bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln Begr. RegE zum 3. FFG, BT-Drucks. 13/8933, S. 95 und Weber-Rey in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 23 Rz. 123 mit Fn. 191; Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 28 WpHG Rz. 18; Kremer/Oesterhaus in KölnKomm. WpHG, 2007, § 28 WpHG Rz. 71; a.A. Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 28 WpHG Rz. 41. 3 So die h.L., vgl. Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 28 WpHG Rz. 37 ff.; Schwark in Schwark, § 28 WpHG Rz. 9; a.A. Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 28 WpHG Rz. 19 m.w.N.; Weber-Rey in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 23 Rz. 123. 4 Vgl. Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 28 WpHG Rz. 24 ff.; Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 28 WpHG Rz. 25 ff.
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§ 17
Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
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Von dem Rechtsverlust werden erfasst die Aktien, die im Eigentum des Meldepflichtigen stehen sowie solche Aktien, die ihm nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG zugerechnet werden. Von dem Rechtsverlust nicht erfasst werden Aktien, die dem Meldepflichtigen nach § 22 Abs. 2 WpHG wegen abgestimmten Verhaltens zugerechnet werden1. Da Aktien auf sämtlichen Konzernstufen erfasst werden, infiziert eine fehlerhafte Meldung auf einer Stufe sämtliche sonstigen vom Konzern gehaltenen Aktien mit der Konsequenz des Rechtsverlustes nach § 28 WpHG, soweit jeweils im Einzelfall eine Zurechnung zu erfolgen hat2.
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Der Rechtsverlust tritt ein mit dem Zeitpunkt der schuldhaften Verletzung der Mitteilungspflicht. Er endet automatisch mit der Erfüllung der Mitteilungspflichten. Endet eine Mitteilungspflicht während ihrer Verletzungen (z.B. durch Teilveräußerung einer zunächst nicht gemeldeten Beteiligung mit einem Absinken unter die Grenze von 3 %), so erwirbt sie ein Käufer jedoch mit allen Rechten, obwohl nur ex nunc und nicht rückwirkend3. Für den Restbestand des veräußernden, die Meldepflicht verletzenden Aktionärs bleibt es jedoch bei dem Rechtsverlust, selbst wenn keine Meldepflicht mehr besteht4.
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§ 28 WpHG wurde durch das Risikobegrenzungsgesetz vom 12.8.2008 um folgende Sätze 3 und 4 ergänzt: „Sofern die Höhe des Stimmrechtsanteils betroffen ist, verlängert sich die Frist nach Satz 1 bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der Mitteilungspflichten um 6 Monate. Satz 3 gilt nicht, wenn die Abweichung bei der Höhe der in der vorangegangenen unrichtigen Mitteilung angegebenen Stimmrechte weniger als 10 % des tatsächlichen Stimmrechtsanteils beträgt und keine Mitteilung über das Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten einer der in § 21 genannten Schwellen unterlassen wird“. Ziel der Änderung von § 28 WpHG ist eine Verschärfung der gesellschaftsrechtlichen Folgen einer Verletzung von Mitteilungspflichten und dadurch eine verbesserte Durchsetzung der kapitalmarktrechtlichen Meldepflichten5. Hintergrund ist, dass ein Paketaufbau zwischen zwei Hauptversammlungen unter Verstoß gegen die Meldepflichtigen gesellschaftsrechtlich sanktionslos ist, wenn eine Meldepflicht zum Stichtag erfüllt wird. Da dies ein „unbemerktes Anschleichen“ ermöglicht, soll der Zeitraum für ein solches Anschleichen möglichst eingeschränkt werden. Dies versucht der Gesetzgeber dadurch zu erreichen, dass er den Rechtsverlust nicht nur – wie bislang – bis zum Zeitpunkt der Ausführung der Mitteilungspflicht, sondern darüber hinaus erstreckt auf einen Zeitraum von 6 Monaten nach dem Zeitpunkt der Erfüllung der Mitteilungspflichten. Dabei soll sich der Rechtsverlust nur auf die Mitverwaltungsrechte, insbesondere also das Stimmrecht, nicht jedoch die Vermögensrechte des Aktionärs, insbesondere also den Dividendenanspruch, erstrecken6. 1 Sven H. Schneider/Uwe H. Schneider, ZIP 2006, 493, 497 und Uwe H. Schneider in Assmann/ Uwe H. Schneider, § 28 WpHG Rz. 56 nehmen einen Rechtsverlust an, wenn ein wegen § 22 Abs. 3 WpHG Meldepflichtiger seine Aktien nicht meldet, sehen den Verlust jedoch nicht, wenn er meldet, auch wenn der am acting in concert Beteiligte seinerseits nicht meldet; wohl auch Weber-Rey in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 23 Rz. 122. 2 Unstrittig, vgl. Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 28 WpHG Rz. 43 ff.; Weber-Rey in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 23 Rz. 121; Kremer/ Oesterhaus in KölnKomm. WpHG, 2007, § 28 WpHG Rz. 35 f. 3 Vgl. Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 28 WpHG Rz. 70; zur Rechtsnachfolge, insb. der Gesamtrechtsnachfolge, vgl. Widder, NZG 2004, 275, 276. 4 Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 28 WpHG Rz. 39 – mit Ausführungen zu weiteren intrikaten Fragen bei Meldepflichtverletzungen bei mehreren Schwellen. 5 Begr. RegE, BR-Drucks. 763/07, S. 14. 6 BR-Drucks. 763/07, S. 14 f.
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§ 17
Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten
Die Erstreckung der Wirkungen der verspäteten Mitteilung auf eine Frist von 6 Monaten nach Nachholung der Mitteilungen kommt im Wortlaut des Gesetzes nicht zum Ausdruck1. Aufgrund der Formulierung, dass sich die Frist bei „vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der Mitteilungspflicht“ um 6 Monate verlängert, wird man schließen müssen, dass der Verlust des Stimmrechtes bis zum Zeitpunkt der Nachholung der Meldepflicht auch dann stattfindet, wenn den Meldepflichtigen keine grobe Fahrlässigkeit (oder Vorsatz) trifft. Damit würde der Gesetzgeber den Streit entscheiden, welche Form des Verschuldens für einen Rechtsverlust nach § 28 WpHG erforderlich ist (und zwar im Sinne einer Mindermeinung, die jegliches Verschulden ausreichen lassen will – dazu oben bei Rz. 50). Da die Gesetzesbegründung hierfür jedoch keinerlei Anhaltspunkte gibt, besteht zu befürchten, dass der Gesetzgeber hier eher Probleme aufwirft statt sie zu lösen.
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Die zivilrechtlichen Konsequenzen des Rechtsverlustes sind gravierend. Werden Stimmrechte trotz Rechtsverlustes ausgeübt, ist die Hauptversammlung nach § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar und die Anfechtung begründet, wenn die fehlerhaft berücksichtigten Stimmen Einfluss auf das Beschlussergebnis hatten2. Dies hat zur Folge, dass bei angefochtenen Wahlen, z.B. zum Aufsichtsrat, die mit den nicht gemeldeten Stimmrechten eines Mehrheitsaktionärs gewählte Person nicht gewählt wurde sondern eine ggfls. vorgeschlagene andere Person, was mit einer positiven Feststellungsklage von Seiten der anfechtenden Aktionäre geltend gemacht werden kann. In diesem Fall kann eine nach erfolgter Meldung stattfindende Hauptversammlung die Wahl nicht bestätigen, da richtigerweise die andere Person als gewählt zu gelten hat und daher kein Raum für einen Bestätigungsbeschluss nach § 244 Abs. 1 AktG besteht3. Zudem würde die Sanktion des § 28 WpHG faktisch leer laufen und ein Verstoß gegen die Meldepflichten zu einem „kalkulierbaren Risiko“. Grundsätzlich ist der die Stimmrechte aus den Aktien trotz Rechtsverlustes ausübende Aktionär der Gesellschaft zum Ersatz der aus der unrechtmäßigen Stimmechtsausübung entstehenden Schäden verpflichtet. Der Wegfall des Dividendenrechtes führt dazu, dass grundsätzlich den übrigen Aktionären – nach h.M. automatisch – ein erhöhter Dividendenanspruch zusteht. Zahlt die Gesellschaft jedoch in Unkenntnis des Wegfalls des Dividendenrechtes eines bedeutenden Aktionärs die Dividende auch an diesen aus, so hat dieser sie an die Gesellschaft zurückzuzahlen gem. § 62 Abs. 1 AktG4.
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bb) Schadensersatz (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 21 WpHG). Sehr streitig ist, ob ein Verstoß gegen § 21 WpHG gleichzeitig einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung eines Schutzgesetzes begründen kann. Von einer Meinung wird dies damit begründet, dass § 20 AktG nach der dort ganz h.M. ein Schutzgesetz darstelle und bei § 21 WpHG kein dem § 15 Abs. 6 WpHG entsprechender Absatz aufgenommen worden sei5. Dem wird entgegengehalten, dass nur die Funktionsfähigkeit
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1 Wilsing/Goslar, DB 2007, 2467, 2471. 2 Unstr., vgl. Hüffer, § 243 AktG Rz. 19.; Schockenhoff/Schuster, ZGR 2005, 568, 594 ff. 3 So auch LG Mannheim v. 7.4.2005 – 23 O 102/04, AG 2005, 780; LG Köln v. 5.10.2007 – 82 O 114/06, AG 2008, 336 (insoweit jed. nicht abgedruckt); Bozenhardt in FS Mailänder, 2006, S. 301 ff.; a.A. Kirschner, DB 2008, 623, 625; Segna, AG 2008, 311, 317 f. 4 Vgl. ausführlich Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 28 WpHG Rz. 35; Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 28 WpHG Rz. 13 f. – beide m.w.N.; Schockenhoff/ Schuster, ZGR 2005, 568, 597 f. 5 So insb. Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 28 WpHG Rz. 79 ff.; Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22 AktG, § 21 WpHG Rz. 2; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 285; Starke, Beteiligungstransparenz, S. 261; Holzborn/Fölsch, NJW 2003, 932, 937.
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§ 17
Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
der Wertpapiermärkte in den Schutzbereich der §§ 21 ff. WpHG einbezogen worden seien bei der Umsetzung der Transparenzrichtlinie1. 9. Mitteilungspflichten für sonstige Finanzinstrumente 60
Durch das TUG neu eingeführt worden ist eine Mitteilungspflicht für sonstige Finanzinstrumente in § 25 WpHG. Hierdurch werden erfasst Finanzinstrumente, die das Recht verleihen, „einseitig im Rahmen einer rechtlich bindenden Vereinbarung mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien eines Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, zu erwerben“. Wer somit Finanzinstrumente hält, die ihm einseitig das Recht geben, mit Stimmrechten verbundene, bereits ausgegebene Aktien des Emittenten zu erwerben, hat dies – insofern abweichend von § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG – beim Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten der Schwellenwerte von 5 %, 10 %, 15 %, 20 %, 25 %, 30 %, 50 % oder 75 % der Stimmrechte dem Emittenten und gleichzeitig der BaFin entsprechend § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG mitzuteilen (der Schwellenwert von 3 % ist ausdrücklich ausgenommen). Die Regelungen über die Nichtberücksichtigung von Stimmrechten nach § 23 WpHG und die Mitteilung durch Konzernunternehmen nach § 24 WpHG gelten entsprechend.
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Zu den meldepflichtigen Finanzinstrumenten i.S.v. § 2 Abs. 2b WpHG zählen grundsätzlich Festgeschäfte (ohne cash settlement), aber auch zeitlich verzögert zu erfüllende Call-Optionen (nicht jedoch Put-Optionen) mit den Aktien des Emittenten als Basiswert, Wandel- und Optionsschuldverschreibungen sowie sonstige Erwerbsrechte, nicht jedoch gesetzliche Bezugsrechte auf noch nicht ausgegebene Aktien2. Nach der Gesetzesbegründung muss der Erwerb der Aktien allein im Ermessen des Inhabers des Finanzinstrumentes liegen und darf nicht von äußeren Umständen abhängen3. Einschränkend wird weiter ausgeführt, dass der Erwerb der Aktien nicht davon abhängen darf, dass der Preis der zugrunde liegenden Aktien zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Niveau erreicht. Hierunter fallen besonders die Bezugsrechte gemäß § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG, die zur Bedienung von Aktienoptionsplänen mit Erfolgsziel ausgegeben wurden4. Da Kursziele generell das Ermessen des Optionsberechtigten einschränken, sollen Erfolgsziele einer Anwendung von § 25 WpHG generell entgegenstehen5. Gleiches dürfte für Wandel- und Optionsanleihen gelten, bei denen nach Wahl des Emittenten junge oder bereits ausgegebene Aktien geliefert werden können6. Unklar ist, ob nach einem Erreichen des Kurszieles und damit einer grundsätzlichen Entstehung eines Optionsrechtes eine Meldung nach § 25 WpHG vorzunehmen ist. – Nach zumindest bisher h.M. fallen Cash Settled Equity Swaps nicht unter den Anwendungsbereich von § 25 WpHG. Dies wird jedoch jüngst vertreten7. 1 So insb. Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 42 f.; Hüffer, Anh. § 22 AktG, § 21 WpHG Rz. 1; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 16.441; Sudmeyer, BB 2002, 685, 691; Schwark in Schwark, § 28 WpHG Rz. 14. 2 Schnabel/Korff, ZBB 2007, 179, 182 f.; Uwe H. Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 559 ff.; Göres, Der Konzern 2007, 15, 19; Schlitt/S. Schäfer, AG 2007, 227, 233 f. 3 Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 36 f. 4 Weber-Rey in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 23 Rz. 138. 5 Schnabel/Korff, ZBB 2007, 179, 182; Uwe H. Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 562. 6 Ebenso Schlitt/S. Schäfer, AG 2007, 227, 234 mit der Begründung, dass es hier von dem Emittenten abhänge, ob bereits ausgegebene Aktien geliefert werden. 7 Uwe H. Schneider/Brouwer, AG 2008, 557, 562 ff., die jedoch einräumen, dass dies nicht im Einklang steht mit einer historischen und formalen Betrachtungsweise; wie hier Fleischer/ Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1506.
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§ 17
Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten
§ 25 Abs. 1 Satz 3 WpHG i.d.F. des TUG stellte klar, dass grundsätzlich eine Zusammenrechnung der nach § 25 Abs. 1 WpHG meldepflichtigen Rechte mit den Beteiligungen nach § 21 und § 22 WpHG nicht stattfand. Auch nach § 25 Abs. 2 WpHG i.d.F. des TUG waren allerdings die verschiedenen, § 25 Abs. 1 WpHG unterfallenden Bezugsrechte zusammenzurechnen. Nach § 25 Abs. 2 Satz 2 WpHG sind im Falle einer Zurechnung von dinglichen Optionen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG (dazu oben Rz. 27) zusätzliche Meldungen nach § 25 WpHG nicht erforderlich. Derselbe Sachverhalt konnte daher grundsätzlich zu zwei nebeneinander bestehenden Mitteilungspflichten führen1.
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Fraglich war auch der Zeitpunkt der Entstehung der Meldepflicht. In Betracht kam hier der Beginn des Ausübungszeitraumes oder der Zeitpunkt des Erwerbs der „Equity-Linked-Anleihe“. Richtigerweise war auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Anleihe unabhängig vom Zeitpunkt der erstmaligen Möglichkeit der Ausübung der in der Anleihe verbrieften Optionen abzustellen2.
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Bislang stand also die Mitteilungspflicht für gehaltene und zugerechnete Stimmrechte aus Aktien selbständig neben der durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz eingeführten Mitteilungspflicht für sonstige Finanzinstrumente. Der bislang von § 25 Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F. vorgesehene Ausschluss einer Zusammenrechnung mit den Beteiligten nach §§ 21 und 22 WpHG wurde durch das Risikobegrenzungsgesetz ersetzt durch eine ausdrückliche Zusammenrechnung. Die Zusammenrechnung hinsichtlich der Finanzinstrumente (insbesondere Optionen) des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG wird so geregelt, dass zur Vermeidung einer Verwirrung des Kapitalmarktes eine zusätzliche Mitteilung aufgrund der Zusammenrechnung nur erfolgen soll, „wenn hierdurch eine weitere der in § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG genannten Schwellen erreicht, überschritten oder unterschritten wird“3. Mit der Änderung von § 25 WpHG korrespondiert die Einführung einer Verpflichtung des Meldepflichtigen nach § 17 Abs. 1 Nr. 7 WpAIV, die Anzahl der durch Ausübung der Finanzinstrumente erlangten Stimmrechte zu melden, und nach § 17 Abs. 3 Nr. 2, 2a und 2b WpAIV die Höhe des Stimmrechtsanteils, der bestände, wenn die Finanzinstrumente ausgeübt würden, sowie die Höhe des gehaltenen Stimmrechtsanteils in Bezug auf die Gesamtmenge der Stimmrechte des Emittenten anzugeben.
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10. Mitteilungspflichten für Inhaber wesentlicher Beteiligungen (§ 27a WpHG) Durch einen durch das Risikobegrenzungsgesetz neu eingefügten § 27a WpHG wird in Anlehnung an Regelungen in den USA und Frankreich ein Mitteilungspflichtiger, der die Schwelle von 10 % der Stimmrechte aus Aktien oder eine höhere Schwelle erreicht oder überschreitet, verpflichtet, dem Emittenten die mit dem Erwerb der Stimmrechte verfolgten Ziele und die Herkunft der für den Erwerb verwendeten Mittel innerhalb von 20 Handelstagen nach dem Erreichen oder Überschreiten der Schwelle mitzuteilen. Ebenso wird er durch § 27a Abs. 1 Satz 2 WpHG verpflichtet, eine Änderung der einmal kommunizierten Ziele innerhalb von 20 Handelstagen mitzuteilen. Während der Gesetzentwurf zunächst die Einschränkung enthielt, dass der Meldepflichtige nur auf Verlangen des Emittenten die verfolgten Ziele und die Herkunft der für den Erwerb verwendeten Mittel mitzuteilen hatte, entfiel diese Ein1 Schnabel/Korff, ZBB 2007, 179, 183; Weber-Rey in Habersack/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 23 Rz. 141 f. 2 Ebenso Schlitt/S. Schäfer, AG 2007, 227, 234. 3 Vgl. Diekmann/Merkner, NZG 2007, 921, 923 f.; Timmann/Birkholz, BB 2007, 2749, 2751; Wilsing/Goslar, DB 2007, 2467, 2470; Renz/Rippel, BKR 2008, 309, 313.
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Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
schränkung aufgrund der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses1, so dass den Meldepflichtigen unabhängig von der Frage des Emittenten die Pflicht trifft, unaufgefordert zu informieren. Für den Fall der Änderung der ursprünglich angegebenen Ziele besteht zudem eine Aktualisierungspflicht. 66
Der Meldepflichtige hat hinsichtlich der verfolgten Ziele anzugeben, ob – die Investition der Umsetzung strategischer Ziele oder der Erzielung von Handelsgewinnen dient, – er innerhalb der nächsten 12 Monate weitere Stimmrechte durch Erwerb oder auf sonstige Weise zu erlangen beabsichtigt, – er eine Einflussnahme auf die Besetzung von Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorganen des Emittenten anstrebt, und – er eine wesentliche Änderung der Kapitalstruktur der Gesellschaft, insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis von Eigen- und Fremdfinanzierung und die Dividendenpolitik anstrebt. Hinsichtlich der Herkunft der verwendeten Mittel hat der Meldepflichtige anzugeben, ob es sich um Eigen- oder Fremdmittel handelt, die der Meldepflichtige zur Finanzierung des Erwerbs der Stimmrechte ausgenommen hat. Von den Mitteilungspflichten grundsätzlich ausgenommen sind Erwerber aufgrund eines Angebots i.S.d. § 2 Abs. 1 WpÜG sowie Kapitalanlagegesellschaften und Investmentaktiengesellschaften.
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Nach § 27a Abs. 2 WpHG hat der Emittent die erhaltenen Informationen oder aber die Tatsache, dass der Mitteilungspflicht nicht genügt wurde, nach § 26 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichen. Diesbezüglich sieht § 27a Abs. 4 WpHG eine Ermächtigung des BMF zum Erlass einer Rechtsverordnung vor, die „nähere Bestimmungen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Mitteilungen“ treffen kann. Ebenfalls erst aufgrund der Vorschläge des Finanzausschusses wurde § 27a Abs. 3 WpHG eingefügt, demzufolge die Satzung eines Emittenten mit Sitz im Inland vorsehen kann, dass die Mitteilungspflicht gemäß § 27a Abs. 1 WpHG für diesen Emittenten keine Anwendung findet. Hierdurch wird einer Gesellschaft die Möglichkeit eines „opting out“ eröffnet.
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Während des Gesetzgebungsverfahrens wurde an der Regelung erhebliche und substantielle Kritik geübt2. Dem Gesetzentwurf wurde vorgeworfen, nicht effizienzfördernd, sondern -beeinträchtigend zu wirken, zu viele Umgehungsmöglichkeiten zu bieten, keine Sanktionen für Verstöße zu enthalten (da § 28 WpHG keine Anwendung finde, es sich bei § 27a WpHG nicht um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB handele und ein Verstoß nicht als Ordnungswidrigkeit in § 39 WpHG aufgeführt werde), kein wirklicher Regeltransfer aus den Rechten der USA bzw. Frankreichs erfolge, weil die dortigen weitreichenden Ausnahmeregelungen nicht ebenfalls übernommen würden, wegen der zusätzlichen letztlich aber nichtssagenden Meldungen erhebliche Kosten für den Meldepflichtigen und unnötige Informationen für den Kapitalmarkt begründet würden und die Regelung zu einer Abschreckung von Investoren vom deutschen Kapitalmarkt führen würde, weshalb sie nicht einmal als „ Placebo-Gesetzgebung“ oder „Symbolgesetzgebung“ abgetan werden könne. Angesichts 1 Vgl. BT-Drucks. 16/9778, S. 10. 2 Vgl. Möllers/Holzner, NZG 2008, 166 ff.; Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2008, 60, 61 f.; Diekmann/Merkner, NZG 2007, 921, 924 f.; Timmann/Birkholz, BB 2007, 2749, 2751 f.; Wilsing/Goslar, DB 2007, 2467, 2469 f.
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Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten
dieser – weitgehend berechtigten – Kritik ist zu begrüßen, dass durch die „opting outRegelung“ des § 27a Abs. 3 Satz 1 WpHG der Emittent die negativen Wirkungen für sich beschränken kann. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Emittenten hiervon Gebrauch machen werden.
III. Veröffentlichungspflicht von Inlandsemittenten (§ 26 WpHG) 1. Inhalt, Form und Frist Durch das TUG wurden die bis Januar 2007 in § 25 WpHG enthaltenen Veröffentlichungspflichten in § 26 WpHG verschoben, neu gefasst und auf Inlandsemittenten beschränkt. Für die Inlandsemittenten gemäß § 2 Abs. 7 WpHG regelt § 26 WpHG die Verpflichtungen, die ihnen nach Eingang der Anzeige des Meldepflichtigen obliegen. Emittenten mit Sitz im Ausland, deren Aktien (auch) im Inland zugelassen sind, unterliegen nach der Transparenzrichtlinie ausschließlich den im Ausland geltenden – harmonisierten – Meldepflichten1. Inlandsemittenten mit Sitz in einem Drittstatt können nach § 29a WpHG von der BaFin von ihren Pflichten nach § 26 bzw. § 26a WpHG befreit werden, wenn sie gleichwertigen Regeln eines Drittstaates unterliegen.
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Inlandsemittenten haben die Mitteilung unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 3 Handelstagen nach Zugang nach § 20 WpAIV grundsätzlich in deutschen Sprache zu veröffentlichen. Abweichungen in der Sprache sehen §§ 20, 3b WpAIV in Ausnahmefällen vor. Die Mitteilungen sind nach §§ 20, 3a WpAIV in Medien, „bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie die Information in der gesamten EU und EWR verbreiten“ zu veröffentlichen. Die Kosten der Veröffentlichung trägt die Gesellschaft.
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Der Inhalt der Veröffentlichung entspricht dem der Meldung des Meldepflichtigen nach § 21 WpHG mit Ausnahme der Anschrift des Meldepflichtigen (§ 19 WpAIV). Erhält die Gesellschaft von dem Meldepflichtigen nur unvollständige Mitteilungen, muss sie versuchen, dass der Meldepflichtige diese innerhalb der Fristen ergänzt. Ggf. ist die unvollständige Mitteilung fristgemäß zu veröffentlichen unter Hinweis darauf, dass es sich um eine unvollständige Mitteilung handelt2. Im Falle des Erwerbs eigener Aktien durch die Gesellschaft besteht zwar keine Mitteilungspflicht nach § 21 WpHG. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 und 3 WpHG ist die Gesellschaft jedoch zur Veröffentlichung einer entsprechenden Erklärung verpflichtet. Dabei sind von Inlandsemittenten, für die Deutschland der Herkunftsstaat ist, die Schwellenwerte von 3 %, 5 % und 10 % relevant, und für Inlandsemittenten, für die Deutschland nicht der Herkunftsstaat ist, nur die Schwellenwerte von 5 % und 10 %.
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Gleichzeitig mit Durchführung der Veröffentlichung hat die Gesellschaft der BaFin die Veröffentlichung nach § 26 Abs. 2 WpHG mitzuteilen. Für den Inhalt der Mitteilung gelten §§ 21, 3c WpHG.
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Nach § 25 Abs. 4 WpHG i.d.F. vor dem TUG konnte die BaFin die Gesellschaft von der Pflicht zur Veröffentlichung gemäß § 25 Abs. 1, 2 WpHG befreien, wenn eine Veröffentlichung „dem öffentlichen Interesse zuwider laufen oder der Gesellschaft erheblichen Schaden zufügen würde, sofern im letzten Fall die Nichtveröffentlichung nicht zu einem Irrtum des Publikums über die für die Beurteilung der betreffenden Wert-
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1 Nießen, NZG 2007, 41, 43; Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471, 476. 2 Schwark in Schwark, § 25 WpHG Rz. 6 m.w.N.
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Kapitalmarktbezogene Verhaltenspflichten
papiere wesentlichen Tatsachen und Umstände führen kann“. Diese Regelung wurde durch das TUG ersatzlos gestrichen. 2. Sanktionen 74
Ein Vorsätzlicher oder leichtfertiger Verstoß gegen § 26 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, Abs. 2 WpHG stellt nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. g, h WpHG eine Ordnungswidrigkeit dar ebenso wie ein Verstoß gegen § 25 Abs. 1 Satz 1 WpHG nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit.f WpHG eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Beide Ordnungswidrigkeiten können nach § 39 Abs. 4 WpHG mit einer Geldbuße bis zu 200 000 Euro geahndet werden. IV. Nachweispflichten und Überwachung 1. Nachweispflicht (§ 27 WpHG)
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Nach § 27 WpHG muss derjenige, der eine Mitteilung nach § 21 Abs. 1, 1a oder § 25 Abs. 1 WpHG abgegeben hat, auf Verlangen der BaFin oder des Emittenten das Bestehen der mitgeteilten Beteiligung nachweisen. Das Gesetz eröffnet dadurch insb. der Gesellschaft eine begrenzte Überprüfungsmöglichkeit von Mitteilungen nach § 21 WpHG und entspricht § 22 AktG. Nachweispflichtig ist nicht der Meldepflichtige sondern der Mitteilende (was bei richtiger Beurteilung der Rechtslage dieselbe Person sein sollte). Dabei darf die BaFin einen entsprechenden Nachweis nur nach pflichtgemäßem Ermessen verlangen1. Anders als die BaFin, die nicht pauschal für jede ihr mitgeteilte Beteiligung einen Nachweis verlangen kann, weil dies keine Ermessensausübung darstellte, kann der Emittent bei jeder Mitteilung einen Nachweis nach § 27 WpHG verlangen2.
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Der Nachweis kann nicht nur unmittelbar nach der Mitteilung verlangt werden, sondern auch zu jedem späteren Zeitpunkt, z.B. wenn zunächst nicht vorhandene Zweifel entstehen. Deshalb soll auch ein wiederholtes Nachweisverlangen zulässig sein3. 2. Überwachung durch BaFin (§ 4 WpHG)
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Die Überwachung der Einhaltung der Meldepflichten war bis September 2004 in einer gesonderten Norm, § 29 WpHG, geregelt. Diese wurde durch das AnsVG durch eine allgemeine, sämtliche Aufgaben der BaFin WpHG-weit erfassende Norm des § 4 WpHG ersetzt. Inhaltlich unverändert ermächtigt § 4 Abs. 3 WpHG die BaFin, „von jedermann Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen und die Überlassung von Kopien zu verlangen sowie Personen zu laden und zu vernehmen, soweit dies aufgrund von Anhaltspunkten für die Überwachung der Einhaltung eines Verbotes oder Gebotes dieses Gesetzes erforderlich ist“.
1 Vgl. Hirte in FS Lutter, 2000, S. 1346, 1351. 2 Vgl. Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 27 WpHG Rz. 3 m.w.N. 3 Vgl. Opitz in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 27 WpHG Rz. 7; a.A. Uwe H. Schneider in Assmann/Uwe H. Schneider, § 27 WpHG Rz. 7 f.
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5. Kapitel Vorstand § 18 Der Vorstand im Organisationsgefüge der Aktiengesellschaft Rz. I. Der Vorstand als Organ im Verhältnis zu Aufsichtsrat und Hauptversammlung . . . . . . . . . .
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1. Vorstand im Verhältnis zu Aufsichtsrat und Hauptversammlung .
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2. Der Vorstand als notwendiges Organ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Geschäftsführung als Kernaufgabe; Systematisierung der Geschäftsführungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . 7 a) Eigenverantwortliche Unternehmensleitung . . . . . . . . . . . . . 8 b) Unternehmensorganisation . . . . 14 c) Compliance . . . . . . . . . . . . . . 18 4. Allgemeine Sorgfaltspflicht a) „Ordentlicher“ Geschäftsleiter . 19 b) Deutscher Corporate Governance Kodex . . . . . . . . . . . . . 21 c) Unternehmerisches Ermessen (Business Judgment Rule) . . . . . 22 5. Besonderheiten im Konzern . . . . . 23 a) Vorstand der Obergesellschaft . . 24 b) Vorstand der Untergesellschaft . 27 II. Vertretung der Gesellschaft durch den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Organschaftliche Vertretung . . . . . a) Die organschaftliche Vertretung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . b) Außergerichtliche Vertretung . . c) Gerichtliche Vertretung . . . . . . d) Vertretung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 30 33 34 37
2. Gesamtvertretung durch den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3. Vom Gesetz abweichende Regelungen der Vertretungsmacht a) Abweichende Bestimmung . . . . 42
Rz. b) Inhalt der abweichenden Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 c) Einzelermächtigung (§ 78 Abs. 4 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4. Wirkung und Umfang der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Wirkung der Vertretungsmacht . 48 b) Umfang der Vertretungsmacht . . 49 5. Publizität der Vertretungsmacht . . 53 6. Zurechnung von Wissen und Willensmängeln . . . . . . . . . . . . . . . 54 III. Binnenorganisation des Vorstands . 55 1. Geschäftsführung . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . b) Prinzip der Gesamtgeschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . c) Abweichende Regelungen . . .
. . 55 . . 55 . . 56 . . 57
2. Willensbildung im Vorstand a) Vorstandsbeschlüsse . . . . . . . . 58 b) Vorstandssitzungen . . . . . . . . . 61 3. Geschäftsverteilung, Ressortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4. Geschäftsordnung . . . . . . . . . . . 68 5. Vorsitzender des Vorstands . . . . . 72 IV. Zusammenarbeit mit Aufsichtsrat, Hauptversammlung und Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . b) Informationsversorgung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . c) Einbindung des Aufsichtsrats in unternehmerische Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77 77
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2. Hauptversammlung und Aktionäre
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Schrifttum: Arlt, Die Anfechtbarkeit mangelhafter Vorstandsbeschlüsse, DZWIR 2007, 177; Bernhardt/Witt, Unternehmensleitung im Spannungsfeld zwischen Ressortverteilung und
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§ 18
Vorstand
Gesamtverantwortung, ZfB 1999, 825; Bezzenberger, Der Vorstandsvorsitzende der Aktiengesellschaft, ZGR 1996, 661; Böttcher/Blasche, Die Grenzen der Leistungsmacht des Vorstands, NZG 2006, 569; Diekmann/Leuering, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), NZG 2004, 249; Dose, Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, 3. Aufl. 1974; Drexl, Wissenszurechnung im Konzern, ZHR 161 (1997), 491; Fleischer, Wettbewerbs- und Betätigungsverbote für Vorstandsmitglieder im Aktienrecht, AG 2005, 336; Fleischer, Aktienrechtliche Legalitätspflicht und „nützliche“ Pflichtverletzungen von Vorstandsmitgliedern, ZIP 2005, 141; Fleischer, Konzernleitung und Leistungssorgfalt der Vorstandsmitglieder im Unternehmensverbund, DB 2005, 759; Fleischer, Die „Business Judgment Rule“: vom Richterrecht zur Kodifizierung, ZIP 2004, 685; Fleischer, Zur Leitungsaufgabe des Vorstands im Aktienrecht, ZIP 2003, 1; Fleischer, Zur Verantwortlichkeit einzelner Vorstandsmitglieder bei Kollegialentscheidungen im Aktienrecht, BB 2004, 2645; Handelsrechtsausschuss des DAV, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), NZG 2004, 555; Goslar, Verdeckte Beherrschungsverträge – Zugleich Besprechung von LG München I, Urteil vom 31.1.2008 – 5 HK O 19782/06 –, DB 2008, 800; Göz/Holzborn, Die Aktienrechtsreform durch das Gesetz für Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts – UMAG, WM 2006, 157; Haertlein, Vorstandshaftung wegen (Nicht-)Ausführung eines Gewinnverwendungsbeschlusses mit Dividendenausschüttung, ZHR 168 (2004), 437; Hauschka, Die Voraussetzungen für ein effektives Compliance System i. S. von § 317 Abs. 4 HGB, DB 2006, 1143; Hauschka, Compliance am Beispiel der Korruptionsbekämpfung, ZIP 2004, 877; Hauschka, Compliance, Compliance-Manager, Compliance-Programme: Eine geeignete Reaktion auf gestiegene Haftungsrisiken für Unternehmen und Management?, NJW 2004, 257; Hauschka, Corporate Compliance – Unternehmensorganisatorische Ansätze zur Erfüllung der Pflichten von Vorständen und Geschäftsführern, AG 2004, 461; Hauschka, Der Compliance-Beauftragte im Kartellrecht, BB 2004, 1178; Hein, Vom Vorstandsvorsitzenden zum CEO?, ZHR 166 (2002), 464; Henze, Leitungsverantwortung des Vorstands – Überwachungspflicht des Aufsichtsrats, BB 2000, 209; Hirte/Schall, Zum faktischen Beherrschungsvertrag, Der Konzern 2006, 243; Hoffmann-Becking, Zur rechtlichen Organisation der Zusammenarbeit im Vorstand der AG, ZGR 1998, 497; Hoffmann-Becking, Vorstandsvorsitzender oder CEO?, NZG 2003, 745; Hüffer, Die Leitungsverantwortung des Vorstands in der Managementholding, in FS Kapp, 2006, S. 93; Ihrig, Reformbedarf beim Haftungstatbestand des § 93 AktG, WM 2004, 2098; Koch, Das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), ZGR 2006, 769; Kuhner, Unternehmensinteresse vs. Shareholder Value als Leitmaxime kapitalmarktorientierter Aktiengesellschaften, ZGR 2004, 245; Kuthe, Die Fortsetzung der Aktienrechtsreform durch den Entwurf eines Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts, BB 2004, 449; Lieder, Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats nach neuer Rechtslage, DB 2004, 2251; Möller, Änderungen des Aktienrechts durch das MoMiG, Der Konzern 2008, 1; Mülbert, Shareholder Value aus rechtlicher Sicht, ZGR 1997, 129; Ossadnik/Dorenkamp/Wilmsmann, Diversifikation und Risikomanagement: Auswirkungen auf die relative Rendite-Risiko-Position, DB 2004, 1165; Ott/Brauckmann, Zuständigkeitsgerangel zwischen Gesellschaftsorganen und Insolvenzverwalter in der börsennotierten Aktiengesellschaft, ZIP 2004, 2117; Preußner, Deutscher Corporate Governance Kodex und Risikomanagement, NZG 2004, 303; Preußner, Risikomanagement im Schnittpunkt von Bankaufsichtsrecht und Gesellschaftsrecht, NZG 2004, 57; Preußner, Risikomanagement und Compliance in der aktienrechtlichen Verantwortung des Aufsichtsrats unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG), NZG 2008, 574; Preußner/Zimmermann, Risikomanagement als Gesamtaufgabe des Vorstandes, AG 2002, 657; Raiser, Kenntnis und Kennenmüssen von Unternehmen, in FS Bezzenberger, 2000, S. 561; Roth, Das unternehmerische Ermessen des Vorstands, BB 2004, 1066; Scheffler, Der Aufsichtsrat – nützlich oder überflüssig?, ZGR 1993, 63; Uwe H. Schneider, Compliance als Aufgabe der Unternehmensleitung, ZIP 2003, 645; Schütz, Neuerungen im Anfechtungsrecht durch den Referentenentwurf des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts, DB 2004, 419; Schwarz, Vertretungsregelungen durch den Aufsichtsrat (§ 78 Abs. 3 S. 2 AktG) und durch Vorstandsmitglieder (§ 78 Abs. 4 S. 1 AktG), ZHR 166 (2002), 625; Schwarz, Rechtsfragen der Vorstandsermächtigung nach § 78 Abs. 4
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§ 18
Vorstand im Organisationsgefüge der AG
AktG, ZGR 2001, 744; Seibert/Schütz, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts – UMAG, ZIP 2004, 252; Semler, Die Rechte und Pflichten des Vorstands einer Holdinggesellschaft im Lichte der Corporate Governance-Diskussion, ZGR 2004, 631; Sethe, Erweiterung der bank- und kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten um Reporting-Systeme, ZBB 2007, 421; Steffek, Zustellungen und Zugang von Willenserklärungen nach dem Regierungsentwurf zum MoMiG – Inhalt und Bedeutung der Änderungen für GmbHs, AGs und ausländische Kapitalgesellschaften, BB 2007, 2077; Theusinger/Liese, Besteht eine Rechtspflicht zur Dokumentation von Risikoüberwachungssystemen i.S. des § 91 II 1 AktG?, NZG 2008, 289; Turiaux/Knigge, Vorstandshaftung ohne Grenzen? – Rechtssichere Vorstands- und Unternehmensorganisation als Instrument der Risikominimierung, DB 2004, 2199; Ulmer, Haftungsfreistellung bis zur Grenze grober Fahrlässigkeit bei unternehmerischen Fehlentscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat?, DB 2004, 859; Weißhaupt, Modernisierung des Informationsmängelrechts in der Aktiengesellschaft nach dem UMAG-Regierungsentwurf, WM 2004, 705; Wirth, Neuere Entwicklungen bei der Organhaftung – Sorgfaltspflichten und Haftung der Organmitglieder bei der AG, in RWS-Forum 20, Gesellschaftsrecht, 2001, S. 99.
I. Der Vorstand als Organ im Verhältnis zu Aufsichtsrat und Hauptversammlung 1. Vorstand im Verhältnis zu Aufsichtsrat und Hauptversammlung Der Vorstand führt die Geschäfte der AG und leitet sie unter eigener Verantwortung (§§ 76 Abs. 1, 77 AktG); grundsätzlich vertritt er die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich (§ 78 AktG). Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Vertretung befugt (Prinzip der Gesamtgeschäftsführung, § 77 Abs. 1 AktG), sofern die Satzung nichts anderes bestimmt (§ 77 Abs. 2 Satz 2 AktG).
1
Der Vorstand unterliegt der Kontrolle des Aufsichtsrats. Der Aufsichtsrat bestellt den Vorstand und beruft ihn ab (§ 84 AktG). Er hat die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG) und nimmt die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern wahr (§ 112 AktG). Der Aufsichtsrat setzt auch die Bezüge des Vorstands fest (§ 87 AktG)1.
2
Demgegenüber beschließt die Hauptversammlung in wesentlichen Gesellschaftsangelegenheiten (§ 119 Abs. 1 AktG) oder in Fällen, in denen ihr ausnahmsweise eine eigene (ungeschriebene) Kompetenz zusteht2. Über Fragen der Geschäftsführung kann sie grundsätzlich nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt (§ 119 Abs. 2 AktG).
3
Das Organisationsgefüge der AG ist durch das so genannte dualistische Prinzip gekennzeichnet. Die Verwaltung der AG besteht aus zwei Organen, dem Vorstand und dem Aufsichtsrat. Diese beiden Handlungsorgane Vorstand und Aufsichtsrat sind personell (§ 105 AktG) und durch ihre unterschiedlichen Kompetenzen (Leitungsfunktion des Vorstands einerseits und Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats andererseits) strikt voneinander getrennt (so genanntes Trennungsprinzip). Dieses Prinzip, das im Gegensatz zum angelsächsischen „board“-System auf die Trennung von Verwaltung und Kontrolle setzt, hat sich vor allem bei börsennotierten Gesell-
4
1 Näher zu Vorstandsbezügen und zur grundsätzlichen Unzulässigkeit nachträglicher Anerkennungsprämien für Vorstandsmitglieder nach dem Urteil des 3. Strafsenats des BGH in Sachen Mannesmann (BGHSt 50, 331) siehe unten § 19 Rz. 26 ff. 2 Zu ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen siehe unten § 31 Rz. 31 ff.
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§ 18
Vorstand
schaften mit einer Vielzahl von Aktionären bewährt1. Um „Reibungsverluste“ zwischen Aufsichtsrat und Vorstand zu minimieren, wird es durch ein ausgefeiltes System von Berichtspflichten zwischen diesen Organen flankiert. 2. Der Vorstand als notwendiges Organ 5
Die Aktiengesellschaft muss einen Vorstand haben. Sein Fehlen stellt ein Eintragungshindernis bei der Gründung dar (§ 38 Abs. 1 AktG). Wurde die Gesellschaft trotz dieses Hindernisses eingetragen, entsteht sie gleichwohl2. Fallen (sämtliche) Vorstandsmitglieder nach der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister weg, sind neue Mitglieder zu bestellen; auf den Bestand der Gesellschaft hat dies jedoch keine Auswirkungen3. § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG, der durch das MoMiG eingeführt wurde, sieht allerdings vor, dass der Aufsichtsrat die Gesellschaft vertritt, wenn sie keinen Vorstand hat (Führungslosigkeit) und ihr gegenüber Willenserklärungen abzugeben oder Schriftstücke zuzustellen sind4.
6
Der Vorstand kann aus einer oder mehreren Personen bestehen (§ 76 Abs. 2 Satz 1 AktG). Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als 3 Millionen Euro muss er aus mindestens zwei Personen bestehen, es sei denn, die Satzung lässt einen Einpersonenvorstand (auch Alleinvorstand genannt) zu (§ 76 Abs. 2 Satz 2 AktG). In mitbestimmten Gesellschaften führt das Erfordernis eines Arbeitsdirektors (§ 33 MitbestG) stets zu einem mindestens zweiköpfigen Vorstand5. Die Satzung muss die Zahl der Mitglieder des Vorstands oder die Regeln, nach denen die Zahl festgelegt wird, bestimmen (§ 23 Abs. 3 Nr. 6 AktG). Die Vorgabe einer Höchst- und Mindestzahl genügt6. Wirksam ist auch eine Satzungsbestimmung, nach der die Zahl der Vorstandsmitglieder vom Aufsichtsrat bestimmt wird7. Um u.U. notwendige Satzungsänderungen bei Veränderungen der Vorstandsbesetzung zu vermeiden, empfehlen sich Satzungsregelungen, die auf eine fixe Zahl der Vorstandsmitglieder verzichten. Bei Unterbesetzung des Vorstands ist der Vorstand handlungsunfähig; der Aufsichtsrat ist dann verpflichtet, die satzungsmäßige Besetzung durch Bestellung neuer Mitglieder herzustellen8. In dringenden Fällen kommt auch eine Bestellung durch das Gericht (§ 85 AktG) in Betracht9. Ist der Vorstand unterbesetzt, kann er u.U. keine Leitungsentscheidungen treffen (siehe dazu Rz. 9)10. 1 Vgl. Wiesner in MünchHdb. AG, § 19 Rz. 2 ff.; Scheffler, ZGR 1993, 63, 64 f.; Potthoff, DB 1976, 1777, 1778; OLG Frankfurt v. 7.7.1981 – 20 W 267/81, ZIP 1981, 988; OLG Stuttgart v. 27.2.1979 – 12 U 171/77, DB 1979, 885; Schiessl, ZHR 167 (2003), 235, 237 ff. 2 Vgl. Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 76 AktG Rz. 3; Wiesner in MünchHdb. AG, § 19 Rz. 30. 3 Vgl. nur Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 76 AktG Rz. 3; aber auch Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 76 AktG Rz. 59; Wiesner in MünchHdb. AG, § 19 Rz. 32. 4 Siehe hierzu OLG Frankfurt am Main v. 28.1.2008 – 20 W 399/07, AG 2008, 419. 5 Hüffer, § 76 AktG Rz. 24; Fleischer in Spindler/Stilz, § 76 AktG Rz. 105. 6 Begr. RegE BT-Drucks. 8/1678, S. 12; LG Köln v. 10.6.1998 – 91 O 15/98, AG 1999, 137 f.; Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 136; Hüffer, § 23 AktG Rz. 31 m.w.N. 7 BGH v. 17.12.2001 – II ZR 288/99, AG 2002, 289 m. Anm. Schwarz, DStR 2002, 1306 ff. (dort insbesondere zur Europarechtskonformität); Begr. RegE BT-Drucks. 8/1678, S. 12; Hüffer, § 23 AktG Rz. 31 m.w.N. zur h.M.; zweifelnd Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 23 AktG Rz. 160. 8 BGH v. 12.11.2001 – II ZR 225/99, BGHZ 149, 158, 161 f. = AG 2002, 241. 9 Siehe hierzu Steffek, BB 2007, 2077; Möller, Der Konzern 2008, 1, 6 ff. 10 So für den Fall, dass in einem sich nach dem Gesetz aus zwei Personen zusammensetzenden Vorstand nur ein Mitglied bestellt ist, ohne dass die Satzung dies ausdrücklich zulässt: BGH v. 12.11.2001 – II ZR 225/99, BGHZ 149, 158, 160 ff. = AG 2002, 241. Semler, ZGR 2004, 631, 639 dehnt dies zu Recht auch auf den Fall aus, dass zwar die gesetzliche Mindestzahl, nicht aber die durch die Satzung vorgeschriebene Mindestzahl erreicht wird.
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Vorstand im Organisationsgefüge der AG 3. Geschäftsführung als Kernaufgabe; Systematisierung der Geschäftsführungsaufgaben
Aus dem Organisationsgefüge der AG ergibt sich, dass Kernaufgabe des Vorstands die Geschäftsführung ist, die er unter eigener Verantwortung und kontrolliert durch den Aufsichtsrat wahrnimmt.
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a) Eigenverantwortliche Unternehmensleitung Die wichtigste Aufgabe des Vorstands beschreibt das Aktiengesetz im ersten Paragraphen des Abschnitts über den Vorstand: Der Vorstand hat die AG unter eigener Verantwortung zu leiten (§ 76 Abs. 1 AktG). § 77 Abs. 1 AktG geht davon aus, dass dem Vorstand die Geschäftsführung zusteht. Leitung und Geschäftsführung sind keine identischen Funktionsbeschreibungen. Während die Geschäftsführung jede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit für die Gesellschaft umfasst1, wird mit der Leitung der Gesellschaft nur der Teilbereich der Geschäftsführung bezeichnet, der die Führungsfunktion des Vorstands betrifft2. Der Vorstand ist zur Leitung der Gesellschaft nicht nur berechtigt, sondern aufgrund seines Organschaftsverhältnisses auch verpflichtet3.
8
Die Unterscheidung zwischen Leitungs- und Geschäftsführungsfunktion hat insbesondere Bedeutung für die Frage, ob Leitungsentscheidungen im Rahmen der Geschäftsführungsverteilung auf einzelne Vorstandsmitglieder delegiert werden dürfen. Das Gesetz weist dem Vorstand als Kollegialorgan die Leitung der Gesellschaft zu. Eine Delegierung von Leitungsentscheidungen auf einzelne Mitglieder des Vorstands, nachgelagerte Führungsfunktionen innerhalb der Gesellschaft oder sogar Dritte ist damit ausgeschlossen4.
9
Leitung bedeutet zum einen, dass der Vorstand die Richtlinien der Unternehmenspolitik festlegt. Sie umfassen traditionell die Unternehmensplanung, die Unternehmenskoordination, die Unternehmenskontrolle und die Besetzung der Führungsstellen5. Zum anderen erstreckt sich die Leitung darauf, die zur Umsetzung der Unternehmenspolitik erforderlichen Maßnahmen durchzuführen. Das umfasst das Tagesgeschäft und deckt den gesamten Unternehmensgegenstand ab, reicht also von Produktion und Vertrieb bis hin zur Unternehmensfinanzierung6. Hierbei kann der Vorstand Vorbereitungs- und Ausführungsmaßnahmen delegieren (siehe Rz. 14).
10
1 Vgl. Fleischer in Spindler/Stilz, § 77 AktG Rz. 3; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 77 AktG Rz. 6; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 77 AktG Rz. 2; Wiesner in MünchHdb. AG, § 19 Rz. 13; Hüffer, § 77 AktG Rz. 3; siehe näher unten Rz. 55 ff. 2 Vgl. Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 76 AktG Rz. 9; Hüffer, § 76 AktG Rz. 7; Wiesner in MünchHdb. AG, § 19 Rz. 13; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 76 AktG Rz. 4; a.A. Semler, Leitung und Überwachung, S. 8; zweifelnd Henze, BB 2000, 209 f.; zur Auslegung des Begriffs „Leitung“ siehe auch Böttcher/Blasche, NZG 2006, 569. 3 § 76 Abs. 1 AktG: Der Vorstand „hat“ unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten. Siehe dazu Fleischer in Spindler/Stilz, § 76 AktG Rz. 10. 4 BGH v. 12.11.2001 – II ZR 225/99, BGHZ 149, 158, 160 f. = AG 2002, 241; sowie Fleischer, ZIP 2003, 1, 2, 7 ff.; Fleischer, NZG 2003, 449, 450 ff.; Henze, BB 2000, 209 ff.; Henn, Aktienrecht, Rz. 570; Wiesner in MünchHdb. AG, § 19 Rz. 13; Hüffer, § 76 AktG Rz. 7; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 76 AktG Rz. 4; Semler, Leitung und Überwachung, S. 17 ff.; Semler, ZGR 2004, 631, 639; siehe auch Rz. 6. 5 Semler, Leitung und Überwachung, S. 13 ff.; Semler, ZGR 2004, 631, 648 ff.; Henze, BB 2000, 209, 210. 6 Semler, Leitung und Überwachung, S. 12; Wiesner in MünchHdb. AG, § 19 Rz. 14; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 76 AktG Rz. 4.
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§ 18
Vorstand
Eine neuere Lehre nähert sich den Leitungsaufgaben, indem sie dem Vorstand – geprägt durch einen betriebswirtschaftlichen Ansatz – vier Verantwortungsbereiche als unentziehbare und unübertragbare Leitungsaufgaben zuweist: Planungs- und Steuerungsverantwortung, Organisationsverantwortung, Finanzverantwortung und Informationsverantwortung1. In der Praxis werden die beschriebenen Ansätze kaum zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. 11
Im Aktiengesetz werden einzelne Leitungsaufgaben ausdrücklich genannt2. So ist die Pflicht, gemäß § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG Beschlussvorschläge zu jedem Tagesordnungspunkt einer Hauptversammlung zu machen, eine Leitungsaufgabe des Gesamtvorstands3. Auch die übrigen Vorschriften des Aktiengesetzes, die sich ausdrücklich an den Vorstand wenden (z.B. § 92 AktG, § 170 Abs. 1, 2 AktG), bezeichnen regelmäßig Leitungsaufgaben4.
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Die Leitung erfolgt unter eigener Verantwortung des Vorstands. Das bedeutet zunächst, dass der Vorstand grundsätzlich nicht an Weisungen gebunden ist. Weder die Hauptversammlung noch der Aufsichtsrat noch einzelne Aktionäre können ihm Weisungen erteilen. Lediglich im Vertragskonzern sind Weisungen des herrschenden Unternehmens an den Vorstand des abhängigen Unternehmens möglich (siehe dazu Rz. 27). Der Aufsichtsrat ist auf seine Überwachungstätigkeit beschränkt (§ 111 AktG). Soweit bestimmte Arten von Geschäften der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen (§ 111 Abs. 4 AktG), kann der Aufsichtsrat zwar das Tätigwerden des Vorstands verhindern5. Ein Weisungsrecht, mit dem er bestimmte Maßnahmen positiv durchsetzen könnte, steht ihm jedoch gegenüber dem Vorstand nicht zu. Auch die Hauptversammlung kann dem Vorstand in Geschäftsführungsfragen keine Weisungen erteilen, es sei denn, dass der Vorstand die Entscheidung der Hauptversammlung selbst eingeholt hat (§ 119 Abs. 2 AktG). Das Initiativrecht verbleibt aber auch insoweit allein beim Vorstand. Allerdings gilt, dass der Vorstand auf Verlangen der Hauptversammlung verpflichtet ist, Maßnahmen, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, vorzubereiten und die so beschlossenen Maßnahmen auszuführen (§ 83 Abs. 1 und 2 AktG). In jedem Fall kann der Mehrheitsaktionär dem Vorstand keine Weisungen erteilen, es sei denn, es bestünde mit ihm als herrschendem Unternehmen ein Beherrschungsvertrag oder es handelte sich um eine Hauptgesellschaft, in die die AG eingegliedert wurde.
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Unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten bedeutet auch, dass der Vorstand nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen handeln muss. Streitig ist die Frage, an welchen Zielen der Vorstand seine Ermessensentscheidung orientieren darf6. Nach Ziff. 4.1.1 des Deutschen Corporate Governance Kodex ist der Vorstand an das Unternehmensinteresse gebunden und der Steigerung des nachhaltigen Unternehmenswerts verpflichtet. Diese weite Formulierung erlaubt es dem Vorstand, sich am (längerfristigen) „shareholder value“ zu orientieren7, aber auch die Interessen anderer „stakeholder“ (Arbeitnehmer, Gesellschaftsgläubiger, Öffentlichkeit) zu berücksichtigen8. Es besteht keine Loyalitätspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat. Der Vorstand muss bei
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Vgl. Fleischer, ZIP 2003, 1, 5 ff. Siehe Bürgers/Israel in Bürgers/Körber, § 76 AktG Rz. 9. BGH v. 12.11.2001 – II ZR 225/99, BGHZ 149, 158. Fleischer in Spindler/Stilz, § 76 AktG Rz. 19. Zur Wirkungsweise von Zustimmungsvorbehalten siehe Lieder, DB 2004, 2251 ff. Ausführlich Mülbert, ZGR 1997, 129. Vgl. Fleischer in Spindler/Stilz, § 76 AktG Rz. 36. Kuhner, ZGR 2004, 244; siehe auch Henze, BB 2000, 209.
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§ 18
Vorstand im Organisationsgefüge der AG
den Leitungsentscheidungen eine eigene Abwägung zwischen den maßgeblichen Interessen vornehmen1. b) Unternehmensorganisation Leitungsaufgabe des Vorstands ist weiterhin die effektive und effiziente Aufbau- und Ablauforganisation in der Gesellschaft. Bei ihr sind betriebswirtschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen2. Eine effiziente Organisation innerhalb der Gesellschaft bedeutet zum einen, die Aufgaben innerhalb eines mehrköpfigen Vorstands optimal zu verteilen; zum anderen muss der Vorstand auch sicherstellen, dass die Arbeit in den nachgeordneten Führungsebenen optimal aufgeteilt und abgegrenzt ist. Insbesondere müssen klare Zuständigkeiten zugewiesen sein3.
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Dem Vorstand kommt die Pflicht zur Unternehmenskontrolle zu. Erforderlich ist zunächst, die tatsächliche Entwicklung des Unternehmens mit der entsprechenden Planung abzugleichen. Selbstverständlich muss der Vorstand erkannte Planabweichungen aufgreifen und entsprechende Maßnahmen einleiten. Jedem Vorstandsmitglied obliegen auch die Kontrolle der übrigen Vorstandsmitglieder sowie die Sorge um die Pflichterfüllung des Gesamtvorstands4. Die Pflicht zur gegenseitigen Kontrolle der Vorstandsmitglieder erfasst beispielsweise auch die Zahlung von Vergütungen oder Auslagenersatz. Hier muss ein sachgerechtes Prüfungssystem installiert werden5. Die Pflicht zur Unternehmenskontrolle umfasst ferner den Aufbau funktionierender Berichtswege und die Einrichtung einer internen Revision. Die Wirksamkeit des internen Kontrollsystems und des internen Risikomanagementsystems hat der Aufsichtsrat zu überwachen; nach dem BilMoG ist geplant, dass der Aufsichtsrat hierzu einen Prüfungsausschuss bestellen kann6.
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Diese allgemeine Pflicht des Vorstands hat das KonTraG durch Einführung des § 91 Abs. 2 AktG in besonderer Weise aufgegriffen. Der Vorstand hat danach geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute ist die Verpflichtung zur Risikofrüherkennung und -überwachung noch ausführlicher in § 25a Abs. 1 KWG geregelt7. § 91 Abs. 2 AktG fordert zum einen das Ergreifen geeigneter Maßnahmen zur Früherkennung und zum anderen die Einrichtung eines Systems, die so eingeleiteten Maßnahmen auch zu überwachen8. Verstärkt wird die gesetzliche Forderung durch die Tatsache, dass bei der börsennotierten AG die Vornahme entsprechender Maßnahmen und die Erfüllung der Aufgaben des eingerichteten Überwachungssystems Gegenstand der Jahresabschlussprüfung sind (§ 317 Abs. 4 HGB)9. Allgemein geht es um die Früh-
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1 Wiesner in MünchHdb. AG, § 19 Rz. 17. 2 Vgl. Wiesner in MünchHdb. AG, § 25 Rz. 7; sowie Hommelhoff/Schwab, ZfbF 1996, Sonderheft 36, S. 149 ff. 3 Siehe nur Semler/Spindler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, Vor § 76 AktG Rz. 63 ff. 4 Ausführlich hierzu Fleischer, BB 2004, 2645 ff. 5 Siehe nur Semler/Spindler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, Vor § 76 AktG Rz. 66; Wiesner in MünchHdb. AG, § 25 Rz. 5; umfassend Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199 ff. 6 Siehe hierzu Preußner, NZG 2008, 574. 7 Siehe näher OLG Frankfurt v. 12.12.2007 – 17 U 111/07, AG 2008, 453, 454 f.; LG Berlin v. 3.7.2002 – 2 O 358/01, AG 2002, 682, 683 f.; Sethe, ZBB 2007, 421; Preußner, NZG 2004, 57 ff. 8 Siehe auch LG Berlin v. 3.7.2002 – 2 O 358/01, AG 2002, 682, 683; allgemein Jäger, Aktiengesellschaft, § 21 Rz. 74 ff. 9 Vgl. zur Befassung des Wirtschaftsprüfers Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., DB 2000, Beilage Nr. 11, S. 1, 5 ff.
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Vorstand
erkennung bestandsgefährdender Entwicklungen. Risiken unterhalb der Bestandsgefährdung sind nach dem Gesetzeswortlaut nicht gemeint. Bestandsgefährdung liegt vor, wenn sich nachteilige Veränderungen auf die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage der Gesellschaft wesentlich auswirken können1. Es muss sich um Risiken handeln, die ein Insolvenzrisiko erheblich steigern oder hervorrufen; eine lediglich dauerhafte Gefährdung der Unternehmensrentabilität genügt nicht, da ihre Subsumtion den Wortlaut („den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen“) überstrapazierte2. Für die Bestandsgefährdung ist die Gesamtsituation des konkreten Unternehmens maßgeblich; allerdings können auch einzelne Geschäftsvorfälle, etwa der Derivatenhandel im Bankensektor, eine bestandsgefährdende Wirkung auf das Unternehmen haben3. Der Vorstand muss Maßnahmen treffen, die zur Früherkennung solcher Entwicklungen geeignet sind4. Maßnahmen sind geeignet, wenn nach der Erfahrung erwartet werden darf, dass der Vorstand die notwendigen Informationen erhält5. Das vom Gesetz geforderte Überwachungssystem soll gewährleisten, dass die eingeleiteten geeigneten Maßnahmen auch eingehalten werden6. Erforderlich sind eine genaue Zuständigkeitsverteilung, ein ausreichendes Berichtswesen und entsprechende Dokumentation7. Der Dokumentation des Früherkennungssystems kommt für die Bestandssicherungsverantwortung des Vorstands eine zentrale Rolle zu8. Dazu gehören in der Regel eine interne Revision und ein umfassendes Controlling. Teilweise wird auch eine schlüssige und unternehmensweite Risikoerfassung gefordert, die auf Leitlinien des Vorstands zur Risikoerkennung, Risikobewertung und Risikokommunikation beruht9. Ein allgemeines „risk management“ ist nach h.M. jedoch nicht gemeint10. Dem entgegen hat das LG München I sehr weitgehende Anforderungen an die Dokumentation eines Risikofrüherkennungssystems gestellt11. § 91 AktG geht von einer Gesamtverantwortung des Vorstands aus12. Bei ressortmäßiger Aufteilung haben die nicht zuständigen Vorstandsmitglieder Überwachungspflichten13. Der Abschlussprüfer hat nach § 317 Abs. 4 HGB zu beurteilen, ob der Vorstand die ihm obliegenden Maßnahmen in geeigneter Form getroffen hat und das Überwachungssys1 Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; vgl. auch Liebscher in Beck’sches Hdb. AG, § 6 Rz. 115. 2 Vgl. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 91 AktG Rz. 21; a.A. J. Hüffer in FS Imhoff, 1998, S. 93, 100; Zimmer/Sonneborn in Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KonTraG, 2001, § 1 Rz. 182. 3 Vgl. S. von Westphalen, Derivatgeschäfte, Risikomanagement und Aufsichtsratshaftung, 2000, S. 62 ff.; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 91 AktG Rz. 22. 4 Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15. 5 Hüffer, § 91 AktG Rz. 7. 6 Vgl. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 91 AktG Rz. 25; Hüffer, § 91 AktG Rz. 8. 7 LG München I v. 5.4.2007 – 5 HK O 15964/06, AG 2007, 417; siehe auch Hauschka, BB 2006, 1143; Theisen, BB 2003, 1426, 1427 ff.; Gernoth, DStR 2001, 299 ff.; Lück, DB 1998, 8 ff.; Lück, DB 1998, 1925 ff.; Preußner/Becker, NZG 2002, 846 ff.; Wolf, DStR 2002, 466 ff.; Wolf, DStR 2002, 1729 ff.; Wolf, DStR 2003, 1089 ff. 8 So ausdrücklich LG München I v. 5.4.2007 – 5 HK O 15964/06, AG 2007, 417, 418. 9 So Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297, 299. 10 Vgl. statt einiger nur Hüffer, § 91 AktG Rz. 9; Seibert in FS Bezzenberger, 2000, S. 427, 437; a.A. Lück, DB 1998, 8 ff.; Lück, DB 1998, 1925 ff.; wohl auch Ossadnik/Dorenkamp/Wilmsmann, DB 2004, 1165, 1168. Zur Zertifizierbarkeit von Risikomanagement-Systemen siehe Weidemann/Wieben, DB 2001, 1789 ff. 11 LG München I v. 5.4.2007 – 5 HK O 15964/06, AG 2007, 417; kritisch hierzu Theusinger/Liese, NZG 2008, 289. 12 Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; LG Berlin v. 3.7.2002 – 2 O 358/01, AG 2002, 682, 684. 13 Preußner/Zimmermann, AG 2002, 657, 661 f.
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Vorstand im Organisationsgefüge der AG
tem seine Aufgaben erfüllen kann1. Unterbleibt die Dokumentation eines Risikofrüherkennungssystems, kann dies zur Anfechtbarkeit des Beschlusses über die Entlastung des Vorstands führen2. Der Deutsche Corporate Governance Kodex erwähnt das Risikomanagement lediglich in Ziff. 4.1.4, 5.2 und 5.3.2, konkretisiert dieses Aufgabenfeld jedoch nicht näher3. Gemäß Ziff. 4.1.4 sorgt der Vorstand für ein angemessenes Risikomanagement und Risiko-Controlling. Zu den weiteren Einzelheiten siehe oben § 2.
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c) Compliance Zentrale Aufgabe des Vorstands ist es auch sicherzustellen und zu überwachen, dass sich das Unternehmen, seine Organmitglieder und Mitarbeiter rechtmäßig verhalten, d.h. dass sie alle gesetzlichen Ge- und Verbote, insbesondere öffentlich-rechtlicher Art, beachten (so genannte Compliance)4. Dies gilt regelmäßig auch, soweit solche Gesetzesverletzungen für die Unternehmen unter Umständen als „nützlich“ angesehen werden könnten (z.B. Schmiergeldzahlungen)5. Die Vorstandspflichten umfassen zunächst das Aufstellen eines Grundpflichtenhefts, das alle wesentlichen gesetzlichen Aufgaben und Standards enthält. Hinzu kommt die Pflicht zur Aufstellung eines Einzelpflichtenhefts, das die unternehmensbezogenen Pflichten im Einzelnen identifiziert. Letztlich hat der Vorstand auch eine unternehmensweite ComplianceOrganisation einzurichten und diese zu überwachen6. Hierfür bietet sich auch die Ernennung eines Compliance-Beauftragten an7.
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4. Allgemeine Sorgfaltspflicht a) „Ordentlicher“ Geschäftsleiter Die Mitglieder des Vorstands haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG). Dieser allgemeine Verhaltensmaßstab knüpft an die Leitungsaufgabe des Vorstands an (siehe oben Rz. 8 ff.). Die Rechtsprechung hält dabei für maßgeblich, wie ein pflichtbewusster, selbständig tätiger Leiter eines Unternehmens der konkreten Art, der als Treuhänder fremden Vermögensinteressen verpflichtet ist, handeln muss8. Dieser normative Verhaltensmaßstab gilt unabhängig von den Usancen des konkreten Unter1 2 3 4
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Wiesner in MünchHdb. AG, § 25 Rz. 6. Siehe auch Hauschka, DB 2006, 1143 ff. LG München I v. 5.4.2007 – 5 HK O 15964/06, AG 2007, 417; hierzu Liese, BB 2007, 2528. Vgl. nur Preußner, NZG 2004, 303 ff. Siehe dazu und zu den Aufgaben des Vorstands im Einzelnen, Compliance zu gewährleisten, Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645 ff.; Fleischer, AG 2003, 291 ff.; Hauschka, NJW 2004, 257 ff.; Hauschka, AG 2004, 461 ff.; Hauschka, ZIP 2004, 877 ff.; Hauschka, DB 2006, 1143 ff.; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001. Näher Fleischer, ZIP 2005, 141 ff., dort auch zur Diskussion um mögliche Ausnahmen zur Legalitätspflicht. Zu zulässigen Spenden siehe Bürgers/Israel in Bürgers/Körber, § 76 AktG Rz. 16. Siehe umfassend Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645 ff.; siehe auch Hauschka, NJW 2004, 257, 259 ff.; Hauschka, DB 2006, 1143. Siehe Hauschka, NJW 2004, 257, 259 f.; zum Compliance-Beauftragten im Kartellrecht siehe auch Hauschka, BB 2004, 1178 ff. OLG Düsseldorf v. 28.11.1996 – 6 U 11/95, AG 1997, 231, 235; OLG Hamm v. 10.5.1995 – 8 U 59/94, AG 1995, 512, 514; ähnlich BGH v. 20.2.1995 – II ZR 143/93, BGHZ 129, 30, 34 zu § 16 TreuhG; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 24; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 93 AktG Rz. 6; Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 5.
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nehmens und den individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen des jeweiligen Unternehmensleiters1. Jedes Vorstandsmitglied muss also die für seine Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen. Diese Kenntnisse und Fähigkeiten können im Hinblick auf Art, Größe und Bedeutung des Unternehmens sehr unterschiedlich sein. An den Vorstand einer Großbank wird man andere Anforderungen stellen müssen als an den Vorstand eines mittelständischen Produktionsunternehmens. 20
Der Vorstand hat bei der Leitung der Gesellschaft die gesetzliche Kompetenzordnung innerhalb der AG, nämlich die Kompetenzen von Aufsichtsrat und Hauptversammlung, zu beachten. Er muss sich im Rahmen der Satzung und der für ihn verbindlichen Beschlüsse des Aufsichtsrats bewegen. Der Vorstand ist verpflichtet, die von der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossenen Maßnahmen auszuführen (§ 83 Abs. 2 AktG)2. Der Vorstand muss die Zwecke der Gesellschaft fördern und Schaden von ihr abwenden. Da notwendiger Bestandteil der Satzung die Festlegung des Unternehmensgegenstands ist, darf der Vorstand seine unternehmerische Tätigkeit nicht auf Bereiche ausdehnen, die nicht durch den Unternehmensgegenstand gedeckt sind3. Die Gegenstandsüberschreitung wiegt schwerer als die Gegenstandsunterschreitung (der Vorstand bleibt hier hinter den Vorgaben des Unternehmensgegenstands zurück); bei der Unterschreitung wird es sehr auf die Auslegung des Unternehmensgegenstands im Einzelfall ankommen. Relevant ist, ob sich dem Unternehmensgegenstand eine Verpflichtung des Vorstands entnehmen lässt, die Vorgaben umzusetzen. Grundlegende Strukturänderungen der Gesellschaft darf der Vorstand nach dem „Holzmüller“-Urteil des Bundesgerichtshofs4, fortgeführt in den „Gelatine“-Entscheidungen5, nur mit Zustimmung der Hauptversammlung vornehmen. Siehe zur Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung näher unten § 31 Rz. 31 ff. b) Deutscher Corporate Governance Kodex
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Der Deutsche Corporate Governance Kodex greift in Ziff. 4.1 diese dem Gesetz zu entnehmenden Pflichten in allgemeiner Form auf. Nur teilweise beschreibt er sie näher, etwa in Ziff. 4.1.1 mit Hinweis auf die Pflicht des Vorstands, den Unternehmenswert nachhaltig zu steigern; damit wird einem auf kurzfristige Erfolgsziele ausgerichteten shareholder-value-Ansatz eine ausdrückliche Absage erteilt6. Zu den weiteren Einzelheiten siehe oben § 2 und oben Rz. 13.
1 Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 24; Hüffer, § 93 AktG Rz. 4; siehe für entsprechende Fälle im Bereich der Aufsichtsratshaftung Mutter/Gayk, ZIP 2003, 1173, 1775 f. 2 Siehe hierzu ausführlich Haertlein, ZHR 168 (2004), 437, 442 ff. 3 Vgl. Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 23 AktG Rz. 86; Limmer in Spindler/Stilz, § 23 AktG Rz. 16; 4 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 – „Holzmüller“, BGHZ 83, 122 = AG 1982, 158. 5 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 154/02 und II ZR 155/02, AG 2004, 384 ff.; siehe auch BGH v. 20.11.2006 – II ZR 226/05, AG 2007, 203; OLG Hamm v. 19.11.2007 – 8 U 216/07, ZIP 2008, 832; Arnold, ZIP 2005, 1573 ff.; Arnold, AG-Report 2005, R 471 f.; Arnold, AG-Report 2008, R 246. 6 Vgl. Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 3. Aufl. 2008, Rz. 608 f. Zum Shareholder Value siehe etwa Mülbert, ZGR 1997, 129 ff.; ferner Kuhner, ZGR 2004, 244 ff.
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Vorstand im Organisationsgefüge der AG c) Unternehmerisches Ermessen (Business Judgment Rule)
Durch das UMAG1 wurde mit § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG die Business Judgment Rule kodifiziert2. Sie war bereits zuvor von der Rechtsprechung anerkannt worden3. Eine Pflichtverletzung liegt danach nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Es kann also im Bereich unternehmerischen Handelns Fehlentscheidungen des Vorstands geben, die zwar zu einem Schaden der Gesellschaft führen, für die aber die Mitglieder des Vorstands rechtlich nicht einstehen müssen. Damit soll es dem Vorstand ermöglicht werden, bewusst geschäftliche Risiken einzugehen, die die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen mit sich bringen. Das weite unternehmerische Ermessen, das der Geschäftsführung eingeräumt wird, ist jedoch nicht grenzenlos. Eine Pflichtverletzung ist nur dann ausgeschlossen, wenn fünf Voraussetzungen erfüllt sind: Es muss eine unternehmerische Entscheidung vorliegen. Das Handeln des Vorstandsmitglieds muss frei von Sonderinteressen und sachfremden Einflüssen gewesen sein. Es muss dem Wohle der Gesellschaft gedient haben. Der Vorstand muss sich zuvor angemessen informiert haben. Bei seinem Handeln muss der Vorstand gutgläubig gewesen sein. Zu weiteren Einzelheiten der Business Judgment Rule siehe unten § 22 Rz. 18 ff. Noch nicht geklärt ist, ob die Business Judgment Rule auch auf den Insolvenzverwalter anzuwenden ist, wenn er anstelle des Vorstands ein Unternehmen fortführt4.
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5. Besonderheiten im Konzern Durch die Entstehung eines Konzernverhältnisses verändern sich die Leitungspflichten der beteiligten Vorstände; die Reichweite ist noch nicht abschließend geklärt und teilweise sehr umstritten. Die gesetzliche Regelung ist unvollständig5. Die Rechtslage ist zudem vom Grad der Konzernierung abhängig. Zu unterscheiden sind dabei insbesondere faktische Konzerne, die auf bloßem Mehrheitsbesitz (vgl. §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 Satz 3 AktG) beruhen, und Vertragskonzerne, bei denen ein Beherrschungsvertrag (§ 291 AktG) zwischen dem herrschenden Unternehmen und dem abhängigen Unternehmen besteht.
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a) Vorstand der Obergesellschaft Im Konzern stellt sich die Frage, ob den Vorstand des herrschenden Unternehmens die Pflicht trifft, auch das abhängige Unternehmen zu leiten. Hierbei müssen Pflichten gegenüber der eigenen Gesellschaft und Pflichten gegenüber dem abhängigen Un1 Siehe hierzu Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 254; Weißhaupt, WM 2004, 705, 712; ferner zum (teilweise noch zum Referentenentwurf) UMAG Schütz, DB 2004, 419 ff.; Diekmann/Leuering, NZG 2004, 249 ff.; Kuthe, BB 2004, 449 ff. 2 Vgl. zur Business Judgment Rule grundlegend Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 1994, S. 206 ff.; Ulmer, DB 2004, 859 ff.; Fleischer, ZIP 2004, 685 ff.; Fleischer, DB 2006, 542 f.; Grundei/v. Werder, AG 2005, 825 ff.; Ihrig, WM 2004, 2098 ff.; Kinzl, AG 2004, 3 f.; Langenbucher, DStR 2005, 2083 ff.; Roth, BB 2004, 1066 ff.; Wirth, Neuere Entwicklungen bei der Organhaftung – Sorgfaltspflichten und Haftung der Organmitglieder bei der AG, in RWS-Forum 20, Gesellschaftsrecht, 2001, S. 99, 119 ff.; Schaefer/Missling, NZG 1998, 441, 444; Schneider, DB 2005, 707 ff.; siehe zur „Amerikanisierung“ des Haftungsrechts Sieg, DB 2002, 1759, 1760 ff.; ferner Heermann, ZIP 1998, 761 ff. 3 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244 = AG 1997, 377. 4 Siehe hierzu Berger/Frege, ZIP 2008, 204. 5 Fleischer in Spindler/Stilz, § 76 AktG Rz. 70.
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ternehmen unterschieden werden. Gegenüber dem abhängigen Unternehmen besteht generell keine Pflicht des Vorstands des herrschenden Unternehmens, eine Leitungsaufgabe zu übernehmen1. Im faktischen Konzern stehen einer solchen Pflicht bereits die begrenzten rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten entgegen. Im Vertragskonzern besteht zwar ein Weisungsrecht (§ 308 AktG) gegenüber dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft; aus ihm folgt jedoch keine Weisungspflicht. Eine Konzernleitungspflicht könnte sich deshalb nur aus dem Gesetz oder aus Pflichten gegenüber dem eigenen – herrschenden – Unternehmen ergeben2. Überwiegend wird aber angenommen, dass der Vorstand seine Leitungspflicht nicht auch auf abhängige Unternehmen ausdehnen muss; folgerichtig wird eine Konzernleitungspflicht des Vorstands des herrschenden Unternehmens diesem gegenüber3 im genannten Sinne abgelehnt4. Dem ist zuzustimmen, da das Konzernrecht im Rahmen der §§ 311 ff. AktG die Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Vorstands des abhängigen Unternehmens respektiert5. Der Vorstand des herrschenden Unternehmens entscheidet nach eigenem Ermessen, ob und wie er Tochterunterunternehmen in seine Leitung aufnimmt6. 25
Davon unabhängig ist jedoch der Vorstand des herrschenden Unternehmens diesem gegenüber verpflichtet, im Rahmen seiner Sorge für die Gegenstände des Gesellschaftsvermögens eine sorgfältige Beteiligungsverwaltung durchzuführen und die Beteiligungsrechte in verantwortlicher Weise auszuüben. Er muss die sich aus den Beteiligungen ergebenden Einflussrechte entsprechend den an die Geschäftsführung und Leitung anzulegenden Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters wahrnehmen, um die Interessen der herrschenden Gesellschaft zu wahren und die Rentabilität zu sichern7. Dies kann insbesondere im Vertragskonzern erfordern, Aufsichtsratsmitglieder zu entsenden, einen strategischen Rahmen für die Konzernunternehmen vorzugeben oder die Konzernunternehmen aufeinander abzustimmen8. Dazu können auch Konzernrichtlinien zählen. Bei dieser Beteiligungsverwaltung wird man auch unterscheiden können, ob es sich um eine bloße Finanzbeteiligung oder um eine strategische Beteiligung handelt. Allerdings lässt sich auch aus diesen Gesichtspunkten weder für den Vertragskonzern noch für den faktischen Konzern eine Leitungspflicht des Vorstands des herrschenden Unternehmens entnehmen. Insbesondere ist der Vorstand nicht generell verpflichtet, von seinem Weisungsrecht im Ver-
1 Fleischer in Spindler/Stilz, § 76 AktG Rz. 77. 2 Fleischer in Spindler/Stilz, § 76 AktG Rz. 78. 3 Erst recht gegenüber dem abhängigen Unternehmen; ganz h.M. siehe nur Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rz. 11 sowie dort die Nachw. in Fn. 23 f. 4 Vgl. Fleischer in Spindler/Stilz, § 76 AktG Rz. 70 ff.; Hüffer, § 76 AktG Rz. 17; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 76 AktG Rz. 55; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rz. 11; a.A. Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 43 ff., 165 ff., 184 ff.; Wiesner in MünchHdb. AG, § 19 Rz. 12; differenzierend Fleischer, DB 2005, 759; zum Ganzen Götz, ZGR 1998, 524, 526 ff.; Kropff, ZGR 1984, 112 ff.; Martens in FS Heinsius, 1991, S. 523, 530 ff.; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 76 AktG Rz. 49 ff. 5 Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 76 AktG Rz. 16. 6 Siehe auch Semler, ZGR 2004, 631, 656 f. 7 Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 76 AktG Rz. 16. 8 Zu dieser Leitungsaufgabe und weiteren Möglichkeiten der Konzernoberleitung siehe Fleischer in Spindler/Stilz, § 76 AktG Rz. 78 ff.
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Vorstand im Organisationsgefüge der AG
tragskonzern Gebrauch zu machen1. Es bleibt insoweit bei einer unternehmerischen Ermessensentscheidung2. Der Vorstand der Obergesellschaft hat allerdings regelmäßig einen ausreichenden Informationsfluss innerhalb des Konzerns sicherzustellen, weil er eine Vielzahl von Konzerninformationen zur Erfüllung der gesetzlichen Pflichten des herrschenden Unternehmens benötigt3. Hierzu sieht das Gesetz vereinzelt besondere Auskunftsansprüche vor (siehe z.B. § 294 Abs. 3 HGB). Auch kapitalmarktrechtliche Pflichten (z.B. § 15, §§ 21 ff. WpHG) verlangen die Sicherstellung eines ausreichenden Informationsflusses. Derartige Informationen sind besonders privilegiert. Nach § 131 Abs. 4 Satz 3 AktG müssen Informationen, die aufgrund des Konzernverhältnisses erteilt wurden, nicht auch an andere Aktionäre in der Hauptversammlung mitgeteilt werden4. Diese Privilegierung gilt nach h.M. auch im faktischen Konzern5. Zu beachten ist auch, dass sich die Auskunftspflicht des Vorstands eines Mutterunternehmens in der Hauptversammlung, der der Konzernabschluss und der Konzernlagebericht vorgelegt wurden, auch auf die Lage des Konzerns und der in dem Konzernbeschluss einbezogenen Unternehmen erstreckt6.
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b) Vorstand der Untergesellschaft Für den Vorstand der eingegliederten Gesellschaft und der durch einen Beherrschungsvertrag mit einem herrschenden Unternehmen verbundenen Gesellschaft gilt § 76 Abs. 1 AktG nur eingeschränkt. In beiden Fällen ist der Vorstand der Hauptgesellschaft bzw. der herrschenden AG gegenüber dem Vorstand der Untergesellschaft weisungsbefugt (§§ 323 Abs. 1, 308 AktG). Mit Ausnahme von gesetzes- oder satzungswidrigen Weisungen muss der Vorstand entsprechenden Weisungen folgen7. Soweit keine Weisungen erteilt werden, bleibt es bei der allgemeinen Regelung des § 76 Abs. 1 AktG. Der Vorstand des eingegliederten oder mittels Beherrschungsvertrags beherrschten Unternehmens ist insoweit berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten8.
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Im faktischen Konzern verbleibt es bei der eigenverantwortlichen Leitung des abhängigen Unternehmens durch dessen Vorstand (§ 76 Abs. 1 AktG). Ein Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens besteht nicht; es kann allenfalls zur Veranlassung von Maßnahmen kommen9, wobei selbstverständlich in einer Weisung auch eine Veranlassung zu sehen ist. Treffender ist daher folgende Aussage: Der Vorstand ist gegenüber dem herrschenden Unternehmen nicht verpflichtet, dessen Veranlassungen zu folgen, unabhängig davon, ob sie für sein Unternehmen vorteil- oder nachteilhaft sind10. Vorteilhafte Veranlassungen muss er in seine eigenverantwortliche Leitung
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1 Vgl. nur Hüffer, § 76 AktG Rz. 17a; Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 76 AktG Rz. 16; a.A. wohl Götz, ZGR 1998, 524, 526. Im Einzelfall kann jedoch eine solche Verpflichtung bestehen, siehe nur Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 323 AktG Rz. 4. 2 Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 76 AktG Rz. 16. 3 Fleischer in Spindler/Stilz, § 76 AktG Rz. 88. 4 Siehe Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 141. 5 LG München I v. 26.4.2007 – 5 HK O 12848/06, Der Konzern 2007, 448; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 131 AktG Rz. 89 m.w.N. 6 Siehe dazu etwa Arnold/Wasmann, AG 2003, R 226 f. 7 Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 76 AktG Rz. 17. 8 Siehe nur Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 323 AktG Rz. 7. 9 Krieger in MünchHdb. AG, § 69 Rz. 28. 10 Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 76 AktG Rz. 17.
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einbeziehen, d.h. er hat nach eigenem Ermessen, geleitet vom Interesse des abhängigen Unternehmens, zu prüfen, ob er die Maßnahme ausführt1. Dies kann sich im Einzelfall gegenüber dem abhängigen Unternehmen zu einer Pflicht verdichten, solchen Veranlassungen des herrschenden Unternehmens nachzukommen2. Der Vorstand des abhängigen Unternehmens ist zur Befolgung auch nachteiliger Veranlassungen berechtigt, wenn sie im Konzerninteresse liegen, der Nachteil einem Einzelausgleich i.S.d. § 311 AktG zugänglich ist und der Ausgleich zu erwarten, also das herrschende Unternehmen dazu imstande und bereit ist3. Im faktischen Konzern treffen den Vorstand des abhängigen Unternehmens zudem Organisationspflichten4. Er muss sicherstellen, dass er von allen vom herrschenden Unternehmen veranlassten Maßnahmen erfährt, insbesondere, soweit sie unmittelbar gegenüber nachgeordneten Führungsebenen oder Mitarbeitern vorgenommen wurden. Ihre Ausführung muss er überwachen. Der Vorstand hat ferner die Pflicht, alle Vorgänge zu dokumentieren, die Gegenstand des Abhängigkeitsberichts sein werden. Diese Aufgaben kann er im Rahmen der allgemeinen Grundsätze definieren. Gegenüber dem herrschenden Unternehmen bestehen auch Auskunftspflichten (z.B. § 294 HGB, § 44 KWG). Zu möglichen Interessenskonflikten des Vorstands des abhängigen Unternehmens, insbesondere bei DoppelMandaten5, siehe unten § 22 Rz. 101 ff. 29
Schwierigkeiten bereitet die Einordnung so genannter faktischer oder verdeckter Beherrschungsverträge6. Ein solcher Vertrag liegt dann vor, wenn dem herrschenden Unternehmen vertragliche Weisungsrechte gegenüber dem Vorstand der beherrschten Aktiengesellschaft eingeräumt werden, ohne die Zustimmung der beteiligten Hauptversammlungen einzuholen. Bedenklich ist die Auffassung, auch Verträge zwischen herrschenden und abhängigen Unternehmen als Beherrschungsverträge zu qualifizieren, obwohl diese weder ein Weisungsrecht begründen noch nach dem Verständnis der Vertragsparteien als Beherrschungsverträge gedacht waren7. Weil verdeckte Beherrschungsverträge nach h.M. ohne Zustimmung der Hauptversammlung nichtig sind8, entsteht durch diese Rechtsprechung bei Verträgen innerhalb des Konzerns eine erhebliche Rechtsunsicherheit9.
1 Vgl. Fleischer in Spindler/Stilz, § 76 AktG Rz. 89; Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 579. 2 Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rz. 78. 3 Vgl. Krieger in MünchHdb. AG, § 69 Rz. 28; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rz. 78. 4 Näher Krieger in MünchHdb. AG, § 69 Rz. 28; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rz. 80. 5 Dazu speziell Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570 ff.; Aschenbeck, NZG 2000, 1015 ff. 6 Ausführlich Koppensteiner in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, § 291 AktG Rz. 24 ff. 7 Siehe LG München I v. 31.1.2008 – 5 HK O 19782/06 – „HVB“, ZIP 2008, 555 (nicht rechtskräftig); dagegen zu Recht Goslar, DB 2008, 800; zweifelnd auch OLG München v. 24.6.2008 – 31 Wx 083/07, ZIP 2008, 1330; siehe außerdem Verhoeven, EWiR 2008, 161; Wagner, BB 2008, 522. 8 LG München I v. 19.10.2007 – 5 HK O 13298/07, ZIP 2008, 242 m.w.N.; Krieger in MünchHdb. AG, § 70 Rz. 12; eine Mindermeinung will hier trotz Nichtigkeit des Beherrschungsvertrags die §§ 304, 305 AktG analog anwenden, vgl. Hirte/Schall, Der Konzern 2008, 243. 9 Goslar, DB 2008, 800, 804 f.; Wagner, BB 2008, 522 f.
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§ 18
Vorstand im Organisationsgefüge der AG
II. Vertretung der Gesellschaft durch den Vorstand 1. Organschaftliche Vertretung a) Die organschaftliche Vertretung des Vorstands Die AG wird im Rechtsverkehr durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten (§ 78 Abs. 1 AktG). Bestimmt die Satzung nichts anderes, sind sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt (Grundsatz der Gesamtvertretung, § 78 Abs. 2 AktG). Ist eine Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft abzugeben, so genügt jedoch die Abgabe gegenüber einem Vorstandsmitglied (so genannte Passivvertretung, § 78 Abs. 2 Satz 2 AktG). Die Vertretung durch den Vorstand ist eine organschaftliche Vertretung. Das Handeln des Vorstands wird der Gesellschaft als eigenes zugerechnet1. Daneben kann die Gesellschaft auch durch Bevollmächtigte vertreten werden.
30
Für bestimmte Bereiche ist die Vertretung der Gesellschaft durch den Vorstand ausgenommen. Das gilt etwa für die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern selbst; hier wird sie vom Aufsichtsrat vertreten (§ 112 AktG). In einigen Fällen handeln auch Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam, etwa bei der Anmeldung mancher Beschlüsse der Hauptversammlung zur Eintragung in das Handelsregister (vgl. § 184 Abs. 1 Satz 1 AktG)2. Gleiches gilt für den Fall der Anfechtungsund Nichtigkeitsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse. Im Gerichtsverfahren wird die Gesellschaft hierbei durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten (§§ 246 Abs. 2, 249 AktG), es besteht also eine Doppelvertretung der Gesellschaft. Ob die Doppelvertretung auch für das Freigabeverfahren gilt, ist nicht abschließend geklärt3.
31
In der Praxis gewinnt neuerdings das Institut des besonderen Vertreters an Bedeutung. Nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG kann die Hauptversammlung zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen besondere Vertreter bestellen. Bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen im Rahmen des Hauptversammlungsbeschlusses vertritt der besondere Vertreter die Gesellschaft anstelle des Vorstands oder ggf. des Aufsichtsrats. Seine Vertretungsmacht beschränkt sich aber auf die – ggf. auch gerichtliche – Geltendmachung der Ersatzansprüche. Für den Anfechtungsprozess etwa gegen den Bestellungsbeschluss gelten die allgemeinen Regeln4. Der besondere Vertreter hat keine dem Vorstand ähnliche Organstellung5. Zum besonderen Vertreter siehe näher unten § 22 Rz. 54.
32
b) Außergerichtliche Vertretung Die Vertretungsmacht des Vorstands ist grundsätzlich unbeschränkt; sie kann auch nicht beschränkt werden (§ 82 Abs. 1 AktG). Die Vertretungsmacht wird weder durch den Unternehmensgegenstand noch durch den Gesellschaftszweck beschränkt6. Neben der Vertretung im rechtsgeschäftlichen Verkehr zählen zur außergerichtlichen Vertretung der Gesellschaft auch körperschaftliche Akte, wie die Einladung zur
1 Vgl. nur Hüffer, § 78 AktG Rz. 3. 2 Durch die geplante Änderung des § 184 AktG durch das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) ändert sich hieran nichts. 3 Vgl. Schwab in K. Schmidt/Lutter, § 246a AktG Rz. 11 einerseits und Dörr in Spindler/Stilz, § 246a AktG Rz. 9 andererseits. 4 Streitig, so wie hier LG München I v. 4.10.2007 – 5 HK O 12615/07, ZIP 2007, 2420. 5 OLG München v. 28.11.2007 – 7 U 4498/07, ZIP 2008, 73. 6 Vgl. nur Wiesner in MünchHdb. AG, § 23 Rz. 2.
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§ 18
Vorstand
Hauptversammlung. Diskutiert wird, ob bei Missbrauch der Vertretungsmacht das Prinzip der Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht durchbrochen wird1. c) Gerichtliche Vertretung 34
Dem Vorstand kommt die Vertretung der Gesellschaft vor Gericht zu. Die AG ist als juristische Person parteifähig; ob sie auch prozessfähig ist, ist umstritten, aber ohne praktische Bedeutung2. Eine Klageschrift muss die jeweils vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder aufführen (§§ 253 Abs. 4, 130 Nr. 1 ZPO). Als Formulierung kommt in Betracht: „XY AG, vertreten durch die Herren Mitglieder des Vorstands A und B“. Werden die Mitglieder des Vorstands nicht ordnungsgemäß bezeichnet, wäre die Klage zwar gleichwohl zuzustellen; bei Zustellungsverzögerungen könnte jedoch nicht von einer Rückwirkung der Zustellung auf die Klageeinreichung nach § 167 ZPO („wenn die Zustellung demnächst erfolgt“) ausgegangen werden3. Die Gesellschaft kann im Prozess auch durch ein Mitglied des Vorstands und einen Prokurist vertreten werden, sofern unechte Gesamtvertretung besteht. Ist Prozessgegner ein Vorstandsmitglied, wird die Gesellschaft entweder durch den Aufsichtsrat (§ 112 AktG)4 oder einen nach § 147 Abs. 2 AktG bestellten besonderen Vertreter vertreten (siehe dazu und zur Vertretung des besonderen Vertreters im Prozess oben Rz. 32). Zu weiteren Einzelheiten siehe unten § 26 Rz. 52.
35
Die Zustellung einer gegen die AG gerichteten Klage ist gegenüber dem Vorstand zu bewirken (§ 170 Abs. 1 ZPO). Bei einem mehrgliedrigen Vorstand genügt die Zustellung an ein Mitglied des Vorstands (§ 170 Abs. 3 ZPO). Gleiches gilt bei der Vertretung der AG durch den Aufsichtsrat. Vertreten wird die AG im Zweifel jeweils vom Gesamtorgan5. Die Bezeichnung der Beklagten als „AG, vertreten durch den Aufsichtsratsvorsitzenden“ kann jedoch so ausgelegt werden, dass die Klage an den Aufsichtsratvorsitzenden, stellvertretend für das Gremium Aufsichtsrat, zugestellt werden soll; dies gilt nicht, wenn klare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie sich gegen die AG, – fälschlicherweise – alleinvertreten durch den Aufsichtsratsvorsitzenden, richten soll6. Eine Zustellung der Klage an den Aufsichtsratsvorsitzenden ist dabei jedoch nicht unter der Anschrift der Gesellschaft möglich, da Aufsichtsratsmitglieder hier regelmäßig kein Geschäftslokal unterhalten7. Zur Zustellung im Anfechtungsprozess siehe unten § 37 Rz. 115 ff.
36
Die Vernehmung eines Vorstandsmitglieds erfolgt, soweit es die AG vertritt, als Partei und nicht als Zeuge (§ 455 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Gericht kann nach Lage des Falls bestimmen, ob alle oder nur einzelne Vorstandsmitglieder vernommen werden (§§ 455 Abs. 1 Satz 2, 449 ZPO). Eidesstattliche Versicherungen für die Gesellschaft müssen von allen im Zeitpunkt der Abgabe amtierenden Vorstandsmitgliedern abgegeben werden. Dieser Pflicht können sie sich nicht dadurch entziehen, dass sie gezielt ihr Amt niederlegen8. 1 Siehe Fleischer in Spindler/Stilz, § 82 AktG Rz. 12 ff. 2 Vgl. nur Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 78 AktG Rz. 13 m. N. 3 BGH v. 10.3.1960 – II ZR 56/59, BGHZ 32, 114, 119; siehe umfassend Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 78 AktG Rz. 14. 4 Siehe auch OLG Hamburg v. 4.5.2001 – 11 U 274/00, AG 2002, 521. 5 Siehe auch OLG Hamburg v. 4.5.2001 – 11 U 274/00, AG 2002, 521, 522. 6 Siehe auch OLG Hamburg v. 4.5.2001 – 11 U 274/00, AG 2002, 521, 522. 7 Siehe auch OLG Hamburg v. 4.5.2001 – 11 U 274/00, AG 2002, 521, 523. 8 Siehe nur OLG Hamm v. 9.11.1984 – 14 W 136/84, OLGZ 1985, 227, 228 f.; OLG Stuttgart v. 10.11.1983 – 8 W 340/83, ZIP 1984, 113, 114; Habersack in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 78 AktG Rz. 21.
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§ 18
Vorstand im Organisationsgefüge der AG d) Vertretung durch den Aufsichtsrat
Eine Vertretungsmacht des Aufsichtsrats ist zunächst an verschiedenen Stellen vorgesehen, wenn die Gesellschaft keinen Vorstand hat, also führungslos ist (z.B. § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 15 Abs. 1 Satz 2 InsO). Eine weitere gesetzliche Sonderregelung besteht, wenn es um die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern selbst geht. Der Aufsichtsrat vertritt die AG hier als Gesamtorgan (§ 112 AktG). Damit ist auch ausgeschlossen, dass ein Vorstandsmitglied im Namen der AG ein Geschäft mit sich selbst abschließt (Selbstkontrahierung). § 181 BGB gilt daneben weiter und ist einschlägig, wenn das Vorstandsmitglied einen Dritten vertritt1 (siehe unten Rz. 51). Die Sonderregelung des § 112 AktG gilt nach der Rechtsprechung nicht nur gegenüber amtierenden, sondern auch gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern2. Über den Wortlaut des § 112 AktG hinaus wird eine Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats auch dann angenommen, wenn es um Ansprüche aus einem Pensionsvertrag mit einem verstorbenen Vorstandsmitglied geht, die etwa seine Witwe geltend macht3.
37
Bei Aktivvertretung ist ein Beschluss des Aufsichtsrats erforderlich (§ 108 Abs. 1 AktG); Passivvertretung erfolgt durch das Gremium. Einzige Ausnahme ist der Aufsichtsratsvorsitzende, der Willenserklärungen gegenüber der Gesellschaft entgegennehmen kann, soweit der Aufsichtsrat die Gesellschaft vertritt4.
38
2. Gesamtvertretung durch den Vorstand Die Gesamtvertretung durch den Vorstand bedeutet zunächst, dass bei einem mehrgliedrigen Vorstand sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Vertretung der AG befugt sind (§ 78 Abs. 2 Satz 1 AktG). Die gemeinschaftliche Aktivvertretung setzt voraus, dass Erklärungen namens der Gesellschaft entweder gemeinsam durch alle Vorstandsmitglieder oder getrennt in inhaltlicher Übereinstimmung abgegeben werden. In letzterem Fall müssen die Erklärungen aber als Teil einer Gesamterklärung gelten5. Denkbar ist auch, dass ein Vorstandsmitglied gegenüber dem Geschäftspartner allein handelt und die übrigen Vorstandsmitglieder intern zustimmen, wobei die Zustimmung nicht der für das Rechtsgeschäft vorgeschriebenen Form bedarf6. Es besteht ferner die Möglichkeit, das Rechtsgeschäft zu genehmigen (§§ 177 ff. BGB). Fällt bei Gesamtvertretung ein Vorstandsmitglied dauerhaft weg – etwa durch den Widerruf seiner Bestellung oder Tod –, kommt den übrigen Vorstandsmitgliedern die Gesamtvertretungsmacht zu, soweit die nach Gesetz und Satzung erforderliche Zahl der Vorstandsmitglieder nach wie vor besteht7. Bleibt beispielsweise bei einer AG mit einem Grundkapital von drei Millionen Euro oder weniger (§ 76 Abs. 2 Satz 2 1 Drygala in K. Schmidt/Lutter, § 112 AktG Rz. 9; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 112 AktG Rz. 7. 2 BGH v. 22.4.1991 – II ZR 151/90, AG 1991, 269; BGH v. 26.6.1995 – II ZR 122/94, BGHZ 130, 108 = NJW 1995, 2559 = AG 1995, 464; BGH v. 28.4.1997 – II ZR 282/95, AG 1997, 417; BGH v. 21.6.1999 – II ZR 27/98, NJW 1999, 3263. 3 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 112 AktG Rz. 11; Wiesner in MünchHdb. AG, § 23 Rz. 6; Hüffer, § 112 AktG Rz. 2; LG München I v. 18.7.1995 – 28 O 24527/94, AG 1996, 38; a.A. OLG München v. 29.1.1996 – 26 U 4973/95, AG 1996, 328 f. 4 Zu näheren Einzelheiten siehe Wiesner in MünchHdb. AG, § 23 Rz. 7 f. 5 BGH v. 10.3.1959 – VIII ZR 44/58, NJW 1959, 1183. 6 Siehe näher Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 78 AktG Rz. 58; dort auch zu Nichtigkeitsgründen in der Person eines Vorstandsmitglieds. 7 Vgl. Habersack in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 78 AktG Rz. 30; ferner BGH v. 12.11.2001 – II ZR 225/99, BGHZ 149, 158, 161 = AG 2002, 241; BGH v. 17.12.2001 – II ZR 288/99, AG 2002, 289; siehe auch Rz. 6 und 9.
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§ 18
Vorstand
AktG) nur ein Vorstandsmitglied übrig, vertritt es die Gesellschaft allein, soweit nicht die Satzung vorsieht, dass die Gesellschaft durch mindestens zwei Vorstandsmitglieder vertreten wird. Bei bloß vorübergehender Verhinderung eines Vorstandsmitglieds – etwa durch Krankheit – besteht der Grundsatz der Gesamtvertretung fort, d.h. ohne Mitwirkung dieses Vorstandsmitglieds kann die Gesellschaft nicht vertreten werden1. In der Praxis wird man sich in solchen Fällen mit einer Genehmigung durch das verhinderte Vorstandsmitglied oder die Einräumung einer Einzelermächtigung (§ 78 Abs. 4 AktG) behelfen. 40
Besteht der Vorstand nicht aus mehreren Mitgliedern, hat das Einzelmitglied notwendigerweise Einzelvertretungsmacht (§ 78 Abs. 2 AktG)2. Eine gesetzliche Abweichung vom Grundsatz der Gesamtvertretung gilt in der Insolvenz. Einen Insolvenzantrag kann jedes Vorstandsmitglied allein stellen (§ 15 Abs. 1 InsO), sofern der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht wird (§ 15 Abs. 2 Satz 1 InsO)3. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht dann das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über das Vermögen der Gesellschaft auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO).
41
Für die Passivvertretung der Gesellschaft besteht Einzelvertretungsbefugnis. Ist eine Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft abzugeben, genügt die Abgabe gegenüber einem Vorstandsmitglied (§ 78 Abs. 2 Satz 2 AktG). Dies gilt nicht nur für Willenserklärungen, sondern für alle Rechtshandlungen mit rechtsgeschäftlichem Charakter4. 3. Vom Gesetz abweichende Regelungen der Vertretungsmacht a) Abweichende Bestimmung
42
Die Aktivvertretung der Gesellschaft kann abweichend vom Gesetz geregelt werden (§§ 78 Abs. 2 Satz 1, 78 Abs. 3 AktG). Die gesetzlichen Regelungen sind also dispositiv. Die Abweichungen dürfen jedoch nicht so weit gehen, dass einzelne Vorstandsmitglieder ganz von der Vertretung ausgeschlossen werden5. Aus dem Handelsregister ergibt sich stets der Umfang der Vertretungsbefugnis jedes einzelnen Vorstandsmitglieds (§ 81 Abs. 1 AktG).
43
In der Regel bestimmt die Satzung, dass und wie von der gesetzlich geltenden Gesamtvertretung abgewichen wird (§ 78 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AktG). Die Satzung kann die Regelung der Vertretungsverhältnisse auch dem Aufsichtsrat überlassen, der durch Beschluss entscheidet (§ 78 Abs. 3 Satz 2 AktG). Der Aufsichtsrat kann die Beschlussfassung hierüber auch an einen Ausschuss delegieren (§ 107 AktG). Die Hauptversammlung kann außerhalb der Satzung keine abweichende Regelung über die Vertretungsverhältnisse beschließen. Gleiches gilt für den Aufsichtsrat, ohne dass er durch die Satzung dazu ermächtigt wird.
1 BGH v. 12.12.1960 – II ZR 255/59, BGHZ 34, 27, 29 = AG 1961, 51. 2 Vgl. nur Hüffer, § 78 AktG Rz. 11. 3 Zu Fragen der Zuständigkeit von Gesellschaftsorganen und Insolvenzverwalter während der Insolvenz siehe auch Ott/Brauckmann, ZIP 2004, 2117 ff. 4 Vgl. Fleischer in Spindler/Stilz, § 78 AktG Rz. 25; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 78 AktG Rz. 30; Wiesner in MünchHdb. AG, § 23 Rz. 12. 5 Vgl. nur Hüffer, § 78 AktG Rz. 14.
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§ 18
Vorstand im Organisationsgefüge der AG b) Inhalt der abweichenden Regelung
Abweichende Regelungen können in Form der gemeinschaftlichen Gesamtvertretung durch zwei oder mehrere Vorstandsmitglieder, Einzelvertretung oder unechter Gesamtvertretung vorgesehen werden. Häufig sieht die Satzung die gemeinschaftliche Gesamtvertretung durch zwei oder mehrere Vorstandsmitglieder (teilweise auch als modifizierte Gesamtvertretung bezeichnet1) vor. In Betracht kommt, dass jeweils zwei Vorstandsmitglieder die Gesellschaft gemeinschaftlich vertreten. Wie oben bereits beschrieben (Rz. 39), kann diese Form der Gesamtvertretung jedoch bei insgesamt lediglich zwei Vorstandsmitgliedern zu Problemen führen, wenn eines von beiden vorübergehend wegfällt – etwa durch längere Krankheit. Denn das verbleibende Mitglied wird wegen der entgegenstehenden Satzungsregelung nicht einzelvertretungsberechtigt (siehe oben Rz. 39). Es ist daher insbesondere bei kleinen Vorstandsgremien zu empfehlen, für solche Fälle die Einzelvertretungsberechtigung des verbleibenden Vorstandsmitglieds vorzusehen2.
44
Die Einzelvertretungsberechtigung eines Vorstandsmitglieds (§ 78 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 AktG) kommt in der Praxis – insbesondere bei börsennotierten Aktiengesellschaften – seltener vor. Wird sie nur einem Mitglied gewährt – das muss nicht zwingend der Vorstandsvorsitzende sein –, verbleibt es für die übrigen Mitglieder beim Grundsatz der Gesamtvertretung, soweit die Satzung nichts anderes vorsieht.
45
Die unechte Gesamtvertretung (teilweise auch als gemischte Gesamtvertretung bezeichnet) wird vom Gesetz ausdrücklich zugelassen (§ 78 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 AktG). Danach können einzelne Vorstandsmitglieder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung befugt sein. Auch dabei handelt es sich bei den Vorstandsmitgliedern um gesetzliche – organschaftliche – Vertretung. Für Prokuristen bedeutet die unechte Gesamtvertretung (lediglich) die Erweiterung ihrer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht3. Da Vorstandsmitglieder immer auch befugt sein müssen, die Gesellschaft ohne Mitwirkung eines Prokuristen zu vertreten, verbietet sich die unechte Gesamtvertretung bei einem nur aus einem einzigen Mitglied bestehenden Vorstand oder als einzige Vertretungsform bei einem mehrköpfigen Vorstand4. „Halbseitige“ Varianten, etwa die unechte Gesamtvertretung bei gleichzeitiger Einzelvertretungsbefugnis des betreffenden Vorstandsmitglieds, sind zulässig und können auch sinnvoll sein5. Denkbar ist auch die unechte Gesamtvertretung durch ein Vorstandsmitglied und einen Handlungsbevollmächtigten oder in anderer Weise Vertretungsberechtigten.
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c) Einzelermächtigung (§ 78 Abs. 4 AktG) Das Gesetz lässt außerdem die Einzelermächtigung einzelner Vorstandsmitglieder zur Ausübung bestimmter Geschäfte oder Arten von Geschäften zu (§ 78 Abs. 4 AktG). Voraussetzung ist, dass Gesamtvertretung besteht. Dann können einzelne Vorstandsmitglieder vom Gesamtvorstand ermächtigt werden, die Gesellschaft bei bestimmten Geschäften oder Arten von Geschäften allein zu vertreten6. 1 Etwa Wiesner in MünchHdb. AG, § 23 Rz. 14. 2 So auch Wiesner in MünchHdb. AG, § 23 Rz. 14; Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 78 AktG Rz. 16. 3 BGH v. 14.2.1974 – II ZB 6/73, BGHZ 62, 166, 170 = AG 1974, 354. 4 BGH v. 14.2.1974 – II ZB 6/73, BGHZ 62, 166, 170 = AG 1974, 354; Hüffer, § 78 AktG Rz. 16; Roquette in FS Oppenhoff, 1985, S. 335, 338. 5 Hierzu ausführlich BGH v. 14.2.1974 – II ZB 6/73, BGHZ 62, 166 = AG 1974, 354. 6 Zu näheren Einzelheiten Schwarz, ZGR 2001, 744 ff.; Schwarz, ZHR 166 (2002), 625, 633 ff.
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§ 18
Vorstand
4. Wirkung und Umfang der Vertretungsmacht a) Wirkung der Vertretungsmacht 48
Die Wirkungen der Vertretung bestimmen sich trotz der organschaftlichen Vertretung nach den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen (§§ 164 ff. BGB). Um die Gesellschaft wirksam zu vertreten, muss der Vorstand also im Namen der Gesellschaft auftreten und sich im Rahmen seiner Vertretungsmacht halten. Aus den Umständen muss sich ergeben, dass der Vorstand für die Gesellschaft handelt (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB)1. b) Umfang der Vertretungsmacht
49
Die Vertretungsbefugnis des Vorstands ist im Außenverhältnis nicht beschränkbar (§ 82 Abs. 1 AktG). Sie ist allerdings nicht grenzenlos; ihr Umfang wird durch das Gesetz bestimmt2. Das deutsche Aktienrecht kennt keine dem angelsächsischen Recht vergleichbare „ultra-vires Doktrin“. Der Vorstand ist zwar im Innenverhältnis verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, die sich aus der Satzung, den Kompetenzen von Aufsichtsrat und Hauptversammlung und der Geschäftsordnung ergeben. Im Interesse des Rechtsverkehrs wirken diese Beschränkungen jedoch regelmäßig nur intern; sie lassen die Vertretungsbefugnis des Vorstands nach außen unberührt. Damit beeinträchtigt auch die fehlende Zustimmung des Aufsichtsrats zu einem durch den Vorstand vorgenommenen Rechtsgeschäft (§ 111 Abs. 4 AktG) die Vertretungsbefugnis des Vorstands nicht3. Gleiches gilt für so genannte „Holzmüller“-Sachverhalte, wenn der Vorstand ein solches Rechtsgeschäft vornimmt, ohne die nach der Rechtsprechung erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen (siehe dazu ausführlich unten § 31 Rz. 31 ff.). Allerdings stellen andere gesetzliche Zustimmungsvorbehalte ein Wirksamkeitserfordernis dar4. Der Vorstand kann ohne Zustimmung der Hauptversammlung keinen Unternehmensvertrag (vgl. § 293 Abs. 2 AktG) oder Verschmelzungsvertrag (vgl. § 13 UmwG) wirksam abschließen. Gleiches gilt, wenn das Gesetz die Vertretungsbefugnis in Einzelfällen auf ein anderes Organ überträgt (vgl. z.B. § 112 AktG).
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Eine Ausnahme vom Grundsatz der unbeschränkten Vertretungsmacht gilt dann, wenn die von der Rechtsprechung entwickelten Regeln über Kollusion, also dem bewussten und gewollten Zusammenwirken zwischen Vorstand und Geschäftspartner zum Schaden der Gesellschaft, oder über den Missbrauch der Vertretungsmacht eingreifen. Überschreitet der Vorstand die Grenzen seiner Geschäftsführungsbefugnis und handelt dabei bewusst zum Nachteil der AG, entfällt die Vertretungsmacht, soweit dies dem Geschäftspartner bekannt oder jedenfalls objektiv evident war5. Ob diese Regeln auch dann eingreifen, wenn dem Geschäftspartner der Missbrauch der
1 Siehe auch OLG München v. 18.10.2007 – 23 U 5786/06, AG 2008, 423. Die Zeichnungsvorgabe nach § 79 AktG, die nur bloßen Ordnungscharakter hatte, wurde durch das MoMiG aufgehoben. 2 Vgl. Fleischer in Spindler/Stilz, § 82 AktG Rz. 8. 3 Siehe etwa BGH v. 23.6.1997 – II ZR 353/95, WM 1997, 1570, 1571 = AG 1997, 467; sowie Fleischer in Spindler/Stilz, § 78 AktG Rz. 16; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 111 AktG Rz. 86. 4 Vgl. Fleischer in Spindler/Stilz, § 82 AktG Rz. 10. 5 BGH v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, BGHZ 127, 239; BGH v. 19.4.1994 – XI ZR 18/93, NJW 1994, 2082.
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§ 18
Vorstand im Organisationsgefüge der AG
Vertretungsmacht durch den Vorstand der AG nur fahrlässig unbekannt blieb, ist noch nicht abschließend geklärt, aber mit der h.M. zu verneinen1. Eine weitere Beschränkung der Vertretungsbefugnis ergibt sich aus § 181 BGB. Danach ist eine Mehrvertretung ausgeschlossen: der Vorstand kann nicht im Namen der AG und zugleich im Namen eines Dritten mit der AG ein Geschäft abschließen. Eine Befreiung von diesem Verbot kann zwar die Satzung oder der Aufsichtsrat aussprechen, der Aufsichtsrat analog § 78 Abs. 3 AktG jedoch nur, wenn die Satzung eine Ermächtigung hierzu enthält2. Die Variante des § 181 BGB des Selbstkontrahierens ist bereits durch § 112 AktG ausgeschlossen. In der Praxis führt dieses Verbot der Mehrvertretung immer wieder zu Problemen.
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Auch bei mitbestimmten Gesellschaften bewendet das Gesetz es beim Grundsatz der Gesamtvertretung. Eine für die Praxis sehr wichtige Einschränkung der Vertretungsbefugnis ergibt sich jedoch aus § 32 MitbestG: bei mitbestimmten Gesellschaftern können Rechte aus Beteiligungen (mindestens 25 %) an Gesellschaften, die gleichfalls der Mitbestimmung unterliegen, nur aufgrund von Beschlüssen des Aufsichtsrats ausgeübt werden, sofern es um bestimmte Beschlussgegenstände geht: Bestellung, Widerruf oder Entlastung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern, bestimmte Strukturmaßnahmen wie Unternehmensverträge, Auflösung oder Umwandlung. Durch § 32 MitbestG wird die Vertretungsmacht des Vorstands eingeschränkt; ohne die Zustimmung des Aufsichtsrats sind seine Vertretungshandlungen unwirksam. Aufgrund der weitreichenden Folgen, die eine Verletzung von § 32 MitbestG haben kann, sollte diese Vorschrift bei jeder Umstrukturierung im Auge behalten werden (siehe im Einzelnen § 26 Rz. 80 ff.).
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5. Publizität der Vertretungsmacht Die Namen der Vorstandsmitglieder, ihre Vertretungsregelung sowie jede Änderung sind zum Handelsregister anzumelden (§ 81 AktG). Außerdem müssen nach dieser Vorschrift auf allen Geschäftsbriefen die Namen sämtlicher Vorstandsmitglieder und die Registernummer angegeben werden. Damit kann jeder Geschäftspartner der Gesellschaft die Namen der vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder und ihre Vertretungsberechtigung feststellen. Die Anmeldung und Eintragung im Handelsregister haben jedoch nur deklaratorische Bedeutung3.
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6. Zurechnung von Wissen und Willensmängeln Für die Zurechnung von Wissen und Willensmängeln hat die jüngere Rechtsprechung, basierend auf § 166 BGB, neue Regeln entwickelt, die für alle Organisationsformen sowie für Organwalter und Angestellte gleichermaßen gelten4. Die Wissenszurechnung beruht dabei auf dem Gedanken des Verkehrsschutzes und der daran ge1 Vgl. zum Ganzen ausführlich Wiesner in MünchHdb. AG, § 23 Rz. 19; Hüffer, § 82 AktG Rz. 7. 2 H.M.: Hüffer, § 78 AktG Rz. 7; Wiesner in MünchHdb. AG, § 23 Rz. 22; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 78 AktG Rz. 119 (anders noch Erstaufl.); a.A. Habersack in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 78 AktG Rz. 17; Ekkenga, AG 1985, 40, 42. 3 Vgl. dazu und zu weiteren Rechtsfolgen Hüffer, § 81 AktG Rz. 10. 4 Grundlegend BGH v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30; siehe Fleischer in Spindler/Stilz, § 78 AktG Rz. 46 ff.; Raiser in FS Bezzenberger, 2000, S. 561; zur Wissenzurechnung im Konzern Drexl, ZHR 161 (1997), 491; Schüler, Die Wissenszurechnung im Konzern, 2000; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 78 AktG Rz. 87 ff. lehnt den Ansatz der Rechtsprechung grundsätzlich ab.
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knüpften Pflicht zu ordnungsgemäßer Organisation der gesellschaftsinternen Kommunikation. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob eine bestimmte Information zu dokumentieren, verfügbar zu halten und später darauf zurückzugreifen war. Grundsätzlich dürfte das Wissen eines einzelnen Vorstandsmitglieds genügen, um es der AG zuzurechnen1. Die privat erlangte Kenntnis eines Vorstandsmitglieds reicht regelmäßig für eine Wissenszurechnung nicht aus2. Scheidet das Vorstandsmitglied, das über die Kenntnis verfügt, aus, dauert die Wissenszurechnung an die AG auch nach dem Ausscheiden fort, soweit es sich um aktenmäßig festzuhaltendes Wissen handelt3. Praktische Relevanz haben diese Fragen etwa für die Anfechtung von Willenserklärungen der AG oder gutgläubigen Erwerb durch die AG. Im Konzern stellt sich zudem die Frage der Wissenszurechnung bei Doppelmandaten. Grundsätzlich findet keine doppelte Wissenszurechnung zu den beiden Gesellschaften, denen der Doppelmandatsträger angehört, statt4. Ausnahmsweise kann jedoch eine Wissenszurechnung „nach unten“ angenommen werden, wenn der Doppelmandatsträger eine in der Konzernspitze beschlossene Maßnahme bei der abhängigen Gesellschaft umsetzt5.
III. Binnenorganisation des Vorstands 1. Geschäftsführung a) Allgemeines 55
Dem Vorstand steht aufgrund seiner Leitungspflicht auch das Recht zur Geschäftsführung zu. Bei der Geschäftsführung handelt es sich um jede für die Gesellschaft wahrgenommene Tätigkeit, sei sie rechtsgeschäftlicher (z.B. Einkauf von Dienstleistungen) oder tatsächlicher Art (z.B. Produktionsumstellung), mit Wirkung lediglich nach innen oder – wie im Fall der Vertretung – mit Außenwirkung6. Die Geschäftsführungsbefugnis (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AktG) beschreibt das rechtliche Dürfen im Innenverhältnis. Dem steht für Vertreterhandeln die Vertretungsbefugnis gegenüber, die das rechtliche Können im Außenverhältnis bezeichnet. b) Prinzip der Gesamtgeschäftsführung
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Besteht der Vorstand aus mehreren Personen (Kollegialorgan), sind sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinsam zur Geschäftsführung befugt (§ 77 Abs. 1 AktG). Dieses Prinzip der Gesamtgeschäftsführung ist jedoch dispositiv. Die Satzung oder die Geschäftsordnung des Vorstands kann Abweichendes bestimmen. Nach dem Prinzip der Gesamtgeschäftsführung müssen alle Vorstandsmitglieder gemeinsam handeln 1 Vgl. BGH v. 17.5.1995 – VIII ZR 70/94, WM 1995, 1145, 1146 f.; BGH v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 331. 2 Vgl. BGH v. 13.10.2000 – V ZR 349/99, NJW 2001, 359; vgl. Fleischer in Spindler/Stilz, § 78 AktG Rz. 49. 3 BGH v. 17.5.1995 – VIII ZR 70/94, WM 1995, 1145, 1147; BGH v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, BGHZ 109, 327, 331 f.; Habersack in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 78 AktG Rz. 26, 24 f.; Wiesner in MünchHdb. AG, § 23 Rz. 25; a.A. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 78 AktG Rz. 90 (ob das Wissen typischerweise aktenmäßig festzuhalten ist, spiele auf Organebene keine Rolle). 4 BGH v. 13.10.2000 – V ZR 349/99, NJW 2001, 359; Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 78 AktG Rz. 12. 5 Habersack in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 78 AktG Rz. 27. 6 Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 77 AktG Rz. 4; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 77 AktG Rz. 6; Wiesner in MünchHdb. AG, § 22 Rz. 1.
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oder dem Handeln eines von ihnen zustimmen. Für eine wirksame Zustimmung muss die Maßnahme zumindest ihrer Art nach bestimmt sein; eine pauschale Zustimmung zu jeglichem Handeln für einen unbeschränkten Kreis von Geschäften würde gegen das Prinzip der Gesamtvertretung verstoßen und seine Wirkung verfehlen1. c) Abweichende Regelungen Das Prinzip der Gesamtgeschäftsführung hat sich bei großen Gesellschaften als nicht durchgehend praktikabel erwiesen. Abweichende Regelungen bieten sich daher an und sind möglich (§ 77 Abs. 1 Satz 2 AktG). Allerdings müssen die abweichenden Regelungen in der Satzung oder der Geschäftsordnung des Vorstands enthalten sein. Die Regelungen müssen ausdrücklich die Geschäftsführung betreffen; Regelungen der Vertretung erlauben keinen Rückschluss auf die Geschäftsführungsbefugnis2. Die Abweichungen vom Prinzip der Gesamtgeschäftsführung können die Willensbildung im Vorstand, aber auch die Geschäftsverteilung bzw. die Ressortbildung innerhalb des Vorstands betreffen.
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2. Willensbildung im Vorstand a) Vorstandsbeschlüsse Der Vorstand trifft, soweit er aus mehreren Mitgliedern besteht, seine Entscheidungen durch Beschluss. Da keine Form vorgeschrieben ist, können Beschlüsse auch mündlich gefasst werden. Bei Zustimmung aller Mitglieder ist auch schriftliche oder fernmündliche Abstimmung möglich; sofern Manipulationsmöglichkeiten ausgeschlossen werden können, ist auch die Stimmabgabe per Video-Konferenz oder E-Mail denkbar3. Sinnvoll ist hierzu eine Regelung in der Satzung oder Geschäftsordnung. Die Stimmabgabe kann auch in konkludentem Verhalten liegen. Eine Protokollierung ist entbehrlich, auch soweit der Beschluss in einer förmlichen Sitzung gefasst wird. Sie bietet sich aber nicht zuletzt aus Dokumentationsgründen regelmäßig an. Häufig finden sich entsprechende Regelungen in der Geschäftsordnung des Vorstands.
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Es gilt das Prinzip der Einstimmigkeit. Erforderlich sind die Teilnahme und die Zustimmung aller Vorstandsmitglieder. Ausnahmen können „bei Gefahr im Verzug“ im Fall der Unerreichbarkeit einzelner Mitglieder gelten4. Diese Mitglieder müssen jedoch unverzüglich unterrichtet werden und können der Ausführung der Maßnahme widersprechen5.
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Die Satzung oder die Geschäftsordnung können vom Prinzip der Einstimmigkeit absehen und die mehrheitliche Beschlussfassung festlegen. Das kann für bestimmte Gegenstände oder Arten von Gegenständen gelten, es können aber auch bestimmte einfache oder qualifizierte Mehrheitserfordernisse generell oder nur für bestimmte Gegenstände oder Arten von Gegenständen vorgesehen werden6. Kommt keine Stimmenmehrheit zustande, ist der Beschluss nicht gefasst. Stimmengleichstand bedeutet demnach Ablehnung. Für solche Pattsituationen bietet der Stichentscheid eines Mit-
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1 Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 77 AktG Rz. 5; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 77 AktG Rz. 6; Hüffer, § 77 AktG Rz. 7; Wiesner in MünchHdb. AG, § 22 Rz. 3. 2 Vgl. nur Hüffer, § 77 AktG Rz. 9. 3 Vgl. zum Ganzen Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 77 AktG Rz. 24; Fleischer in Spindler/Stilz, § 77 AktG Rz. 22. 4 Siehe Wiesner in MünchHdb. AG, § 22 Rz. 6. 5 Vgl. Hüffer, § 77 AktG Rz. 6. 6 Zum Ganzen Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 77 AktG Rz. 12 ff.
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glieds, nicht notwendigerweise der Vorsitzende, eine gangbare Lösung1. Im zweigliedrigen Vorstand scheidet die Möglichkeit des Stichentscheids durch ein Mitglied jedoch aus2. Ob die Satzung oder Geschäftsordnung das Vetorecht eines Vorstandsmitglieds im Sinne einer endgültigen Blockademöglichkeit oder lediglich ein Vetorecht mit aufschiebender Wirkung bis zu einer zweiten Vorstandsentscheidung vorsehen kann, ist nicht abschließend gesichert3. Die endgültige Wirkung eines Vetorechts ist jedoch zumindest in mitbestimmten Gesellschaften ausgeschlossen, da dem Arbeitsdirektor eine gleichberechtigte Stellung als Vorstandsmitglied mit einem Kernbereich von Zuständigkeiten in Personal- und Sozialfragen zukommt (§ 33 MitbestG); das gilt auch, wenn ihm für seinen Bereich ein eigenes Widerspruchsrecht zukommt4. Wird unter Geltung des Mehrheitsprinzips ein Vorstandsbeschluss gefasst, sind auch die überstimmten Mitglieder an den Beschluss gebunden5. b) Vorstandssitzungen 61
Sollen Beschlüsse in Sitzungen gefasst werden, sind alle Mitglieder des Vorstands unter Bezeichnung des Gegenstands zu laden. Dies gilt auch bei Geltung des Mehrheitsprinzips6. Ein Verstoß führt zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse7. Erscheinen alle Mitglieder und verhandeln in Kenntnis eines Einberufungsmangels – ohne Widerspruch – über die Tagesordnung, liegt darin ein Verzicht auf die Geltendmachung des Mangels8. Für den Vorstandsbeschluss sind die für den Vorstand eines Vereins geltenden Vorschriften entsprechend anwendbar (§§ 28 Abs. 1, 32, 34 BGB)9. Eine besondere Feststellung des Beschlussergebnisses ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Beschluss10. Ebenso wenig muss die Beschlussfassung schriftlich niedergelegt oder protokolliert werden (siehe oben), auch wenn dies in der Praxis üblich und nicht zuletzt aus Dokumentationsgründen sehr zu empfehlen ist.
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Bei Beschlussmängeln ist zu unterscheiden zwischen Mängeln der einzelnen Stimmabgabe und (formalen oder inhaltlichen) Mängeln des Beschlusses selbst. Bei Stimmabgabemängeln (z.B. Irrtum, Anfechtung usw.) ist anerkannt, dass sich der Mangel nur auswirkt, wenn das Beschlussergebnis bei mangelfreier Stimmabgabe so nicht zustande gekommen wäre11. Mängel des Beschlusses selbst führen hingegen zwar grundsätzlich zur Nichtigkeit12. Ob eine Einschränkung der Nichtigkeitsfolge bei nicht
1 BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 59 = AG 1984, 48; Hüffer, § 77 AktG Rz. 11. 2 OLG Hamburg v. 20.5.1985 – 2 W 49/84, AG 1985, 251 f.; OLG Karlsruhe v. 20.5.2000 – 8 U 233/99, AG 2001, 93, 94; Fleischer in Spindler/Stilz, § 77 AktG Rz. 13; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 77 AktG Rz. 9; Riegger, BB 1972, 592. 3 Zum Streitstand Fleischer in Spindler/Stilz, § 77 AktG Rz. 16; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 77 AktG Rz. 17 f.; Hüffer, § 77 AktG Rz. 12. 4 BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 58 = AG 1984, 48; Hüffer, § 77 AktG Rz. 13. 5 Vgl. Liebscher in Beck’sches Hdb. AG, § 6 Rz. 10. 6 Siehe Wiesner in MünchHdb. AG, § 22 Rz. 6. 7 OLG Schleswig v. 5.2.1960 – 5 U 114/59, NJW 1960, 1862; Kort in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 77 AktG Rz. 9. 8 LG Gießen v. 23.6.1998 – 7 T 278/98, RPfl. 1998, 523, 525; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 77 AktG Rz. 25. 9 Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 77 AktG Rz. 8. 10 Vgl. Fleischer in Spindler/Stilz, § 77 AktG Rz. 22; Kort in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2002, § 77 AktG Rz. 9; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 77 AktG Rz. 27; Wiesner in MünchHdb. AG, § 22 Rz. 6; a.A. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 77 AktG Rz. 26; Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 77 AktG Rz. 8. 11 Zu den Einzelheiten Kort in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2002, § 77 AktG Rz. 17 ff. 12 Wiesner in MünchHdb. AG, § 22 Rz. 7; Fleischer in Spindler/Stilz, § 77 AktG Rz. 28.
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schwerwiegenden Verfahrensfehlern vorzunehmen ist (so die h.M. zu Aufsichtsratsbeschlüssen)1, ist nicht geklärt. Hierfür spricht allerdings, dass zwischen Beschlüssen des Aufsichtsrats und Beschlüssen des Vorstands keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Aktionäre können gegen die Gesellschaft Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses und sogar eine vorbeugende Nichtigkeitsklage erheben, sofern sie selbst durch den Beschluss in ihren Mitgliedschaftsrechten verletzt werden2. Werden (nur) einzelne Vorstandsmitglieder in ihren Teilnahmerechten verletzt, kann nur der Betroffene, nicht aber die übrigen Vorstandsmitglieder, diese Verletzung geltend machen3. Zu den Rechten und Pflichten von (überstimmten) Vorstandsmitgliedern bei rechtswidrigen Beschlüssen siehe § 22 Rz. 39. 3. Geschäftsverteilung, Ressortbildung Bei großen Aktiengesellschaften bietet es sich an, die vielfältigen Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands nicht durch alle Mitglieder gemeinschaftlich wahrzunehmen, sondern adäquat zu verteilen. Die Satzung und die Geschäftsordnung eröffnen hier einen weiten Gestaltungsspielraum. Die Aufteilung kann nach Sparten erfolgen, etwa nach bestimmten Unternehmensbereichen, wie Einkauf, Produktion, Vertrieb. Für die Aufteilung kommen aber auch bestimmte Zentralfunktionen (z.B. Forschung und Entwicklung, Einkauf und Produktion, Personal, Recht und Finanzen) oder ein regionaler Schlüssel (Aufteilung nach Regionen oder bestimmten Ländern) in Betracht. Häufig werden diese Gestaltungsmöglichkeiten kombiniert4.
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Bei Gesellschaften mit sehr unterschiedlichen Geschäftsbereichen wird in der Praxis nicht selten auch eine funktionale Trennung zwischen strategischer und operativer Leitung dadurch vorgenommen, dass die einzelnen Geschäftsbereiche in Tochtergesellschaften eingebracht werden, die durch eine Management Holding geführt werden5. Dabei liegt das operative Geschäft in rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften, deren Vorstandsvorsitzende gleichzeitig im Vorstand der Management Holding sitzen und dort an der strategischen Gesamtplanung des Konzerns beteiligt sind.
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Scheidet eine Holdingstruktur aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen aus, findet sich in der Praxis zunehmend die so genannte virtuelle Holding. Dabei handelt es sich um eine rechtlich einheitliche Gesellschaft, bei der die einzelnen Geschäftsbereiche durch ein Vorstandsmitglied und weitere leitende Angestellte geführt werden, die häufig den Titel „Bereichsvorstand“ führen (ohne dies im Rechtssinne zu sein)6. Die Funktion des Gesamtvorstands beschränkt sich – wie im Falle der Management Holding – auf die strategische Leitung des Gesamtunternehmens. Die rechtliche Beurteilung dieser Leitungsorganisation ist im Einzelnen noch nicht abschließend geklärt7.
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1 Drygala in Schmidt/Lutter, § 108 AktG Rz. 32 f.; Spindler in Spindler/Stilz, § 108 AktG Rz. 69. 2 BGH v. 10.10.2005 – II ZR 90/03 – „Mangusta/Commerzbank II“, BGHZ 164, 249 = AG 2006, 38. Zur Anfechtbarkeit mangelhafter Vorstandsbeschlüsse siehe auch Arlt, DZWIR 2007, 177. 3 Fleischer in Spindler/Stilz, § 77 AktG Rz. 28. 4 Vgl. zu den Einzelheiten Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 77 AktG Rz. 57 ff. 5 Siehe hierzu Hüffer in FS Happ, 2006, S. 93 ff. 6 Siehe dazu Schwark in FS Ulmer, 2003, S. 605 ff. 7 Vgl. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 68; sowie Semler, ZGR 2004, 631 ff.
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Die Bildung von Vorstandsausschüssen ist zulässig und kommt in der Praxis vor (z.B. als Koordinations-, Lenkungs- oder Synergieausschüsse)1. Allerdings dürfen Ausschüsse keine Leitungsaufgaben im Kernbereich der Vorstandstätigkeit wahrnehmen2. Der Gesamtverantwortung des Vorstandsgremiums kommt hier besondere Bedeutung zu (siehe unten § 22 Rz. 40 ff.).
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Für alle Gestaltungsformen gilt jedoch, dass die Verantwortung für die eigentliche Unternehmensleitung, die die grundsätzlichen Fragen der Unternehmenspolitik, der Unternehmensplanung und der Unternehmenskontrolle betrifft, beim Gesamtvorstand verbleibt. Daraus folgt auch eine Überwachungs- und Kontrollpflicht aller Vorstandsmitglieder für Aufgaben, die in die Zuständigkeit anderer Vorstandsmitglieder fallen. Hieraus resultiert das Recht, bestimmten Maßnahmen von Vorstandskollegen zu widersprechen3, u.U. sogar eine entsprechende Pflicht. Die Ressortverantwortlichen sind gegenüber dem Gesamtvorstand berichtspflichtig; einzelne Vorstandsmitglieder haben einen Anspruch auf entsprechende Berichterstattung4. 4. Geschäftsordnung
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Für den Erlass der Geschäftsordnung des Vorstands ist primär der Aufsichtsrat zuständig (§ 77 Abs. 2 AktG). Nur wenn die Erlasskompetenz nach der Satzung nicht zwingend beim Aufsichtsrat liegt oder der Aufsichtsrat keine Geschäftsordnung erlässt, kann der Vorstand sich selbst eine Geschäftsordnung geben (§ 77 Abs. 2 Satz 1 AktG). Der Vorstand muss als Kollegialorgan tätig werden und einstimmig über die Geschäftsordnung entscheiden (§ 77 Abs. 2 Satz 3 AktG). Geschäftsordnungsbeschlüsse des Vorstands bedürfen der Schriftform. Wird die Geschäftsordnung durch den Aufsichtsrat erlassen, ist der Beschluss in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen (§ 107 Abs. 2 AktG)5.
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Der Inhalt der Geschäftsordnung ist gesetzlich nicht vorgegeben. Häufig regelt die Geschäftsordnung die vorstandsinterne Zusammenarbeit und das Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat; üblich ist auch, die der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürftigen Geschäfte des Vorstands zu regeln (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG), soweit der Aufsichtsrat die Geschäftsordnung erlässt6. Die Satzung kann Einzelfragen der Geschäftsordnung bindend regeln (§ 77 Abs. 2 Satz 2 AktG). Inwieweit sie die Geschäftsordnung damit inhaltlich vorweg bestimmen kann, ist nicht abschließend geklärt7.
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Die Geschäftsordnung gilt bis zu ihrer Änderung oder Aufhebung, also über die Amtsperiode der Vorstandsmitglieder hinweg. Wird ein neues Vorstandsmitglied bestellt, ist seine Zustimmung zur fortdauernden Geltung der Geschäftsordnung nicht zu verlangen; das Einstimmigkeitsprinzip betrifft nur die Willensbildung bei Erlass der Ge1 Siehe Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 515 f. 2 Siehe nur Kort in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2002, § 77 AktG Rz. 43. 3 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 77 AktG Rz. 23; Martens in FS Fleck, 1988, S. 191, 196; zur Verantwortlichkeit einzelner Vorstandsmitglieder bei Kollegialentscheidungen umfassend Fleischer, BB 2004, 2645 ff. 4 Vgl. nur Wiesner in MünchHdb. AG, § 22 Rz. 15 f. 5 Siehe nur Hüffer, § 77 AktG Rz. 21. 6 Vgl. das Muster bei Happ, Aktienrecht, S. 643 ff. 7 Vgl. zum nicht einheitlichen Meinungsbild Fleischer in Spindler/Stilz, § 77 AktG Rz. 66; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 77 AktG Rz. 52; Kort in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2002, § 77 AktG Rz. 72; Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 77 AktG Rz. 27; Hüffer, § 77 AktG Rz. 20.
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Vorstand im Organisationsgefüge der AG
schäftsordnung1. Etwas anderes gilt nur, wenn der Vorstand durch die Änderung der Geschäftsordnung dem neuen Mitglied eine bestimmte Aufgabe, etwa eine Ressortverantwortung, zuweist2. Bei mitbestimmten Gesellschaften besteht keine Pflicht zum Erlass einer Geschäftsordnung des Vorstands3. Wird eine Geschäftsordnung erlassen, muss sie jedoch die zwingende Zuständigkeit des Arbeitsdirektors für den Kernbereich Personal- und Sozialfragen beachten4.
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5. Vorsitzender des Vorstands Nach § 84 Abs. 2 AktG kann der Aufsichtsrat ein Mitglied des Vorstands zu dessen Vorsitzenden bestellen. Ziff. 4.2.1 Satz 1 Alt. 2 des Deutschen Corporate Governance Kodex empfiehlt, hiervon Gebrauch zu machen.
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Welche Rechte und Pflichten mit diesem Amt verbunden sind, behandelt das Aktiengesetz im Übrigen „stiefmütterlich“. Lediglich § 80 Abs. 1 AktG bestimmt noch, dass der Vorstandsvorsitzende auf Geschäftsbriefen als solcher zu bezeichnen ist. Dies war vor der Aktienrechtsreform 1965 noch anders; nach § 70 Abs. 2 Satz 2 AktG 1937 hatte der Vorstandsvorsitzende noch ein Alleinentscheidungsrecht5. Geblieben ist heute nur die Möglichkeit für Satzung oder Geschäftsordnung für den Vorstandsvorsitzenden einen Stichentscheid bei Stimmengleichheit unter den Vorstandsmitgliedern vorzusehen. Während bei der SE, zu der die Aktiengesellschaft als Rechtsform derzeit in Wettbewerb steht, dem Vorstandsvorsitzenden weitergehend stets auch ein Vetorecht eingeräumt werden kann,6 ist dies bei der Aktiengesellschaft meist nicht zulässig7. Lediglich bei jenen Gesellschaften, die nicht mitbestimmt sind, kommt ebenfalls ein Vetorecht in Betracht8. Einer Regelung durch Satzung und/oder Geschäftsordnung zugänglich ist gegebenenfalls die Rechtsfolge eines Vetos. Dieses kann sowohl endgültig sein oder nur eine begrenzte Suspensivwirkung bis zu einer weiteren Beratung und Beschlussfassung durch den Gesamtvorstand binnen einer bestimmten Frist haben9.
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In der Unternehmenspraxis üben Vorstandsvorsitzende, auch daher, ihr Amt in ganz unterschiedlicher Weise aus10. Ein äußerer Indikator für die im jeweiligen Unternehmen gelebte Binnenkultur ist die Spreizung der Vergütung zwischen den Vorstandsmitgliedern und dem Vorsitzenden.
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Spätestens seit der Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodexes zum 20.7.2007 sollte sich regelmäßig aus der Geschäftsordnung für den Vorstand ergeben,
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1 So überzeugend Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 77 AktG Rz. 41; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 77 AktG Rz. 47; Hüffer, § 77 AktG Rz. 22; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 500; Obermüller, DB 1971, 952, 953; nunmehr auch zustimmend Wiesner in MünchHdb. AG, § 22 Rz. 21 (anders noch Vorauflage). 2 Vgl. Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 500 f. 3 Umstritten; siehe Hüffer, § 77 AktG Rz. 23; Fleischer in Spindler/Stilz, § 77 AktG Rz. 70. 4 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 77 AktG Rz. 48; Hüffer, § 77 AktG Rz. 23; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 505 f.; Schiessl, ZGR 1992, 64, 72 ff. 5 Ausführlich Hein, ZHR 166 (2002), 464, 474 ff. 6 Mutter/Götze, AG-Report 2007, R 291, 292. 7 Hier ist ein Vetorecht nicht mit der Gleichberechtigung des Arbeitsdirektor gemäß § 33 MitbestG zu vereinbaren, vgl. Hüffer, § 77 AktG Rz. 13. 8 Siehe OLG Karlsruhe v. 20.5.2000 – 8 U 233/99, AG 2001, 93, 94. 9 Siehe Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 77 AktG Rz. 14. 10 Vgl. Bernhardt/Witt, ZfB 1999, 825 ff.
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Vorstand
welche Aufgaben und Rechte der Vorsitzende hat1. Fehlt eine nähere Regelung, werden dem Vorsitzenden gemeinhin insbesondere folgende Aufgaben zugewiesen2: (1) Vorbereitung, Leitung und Protokollierung der Vorstandssitzungen, (2) Repräsentation der Gesellschaft gegenüber der Öffentlichkeit, (3) Federführung im Verkehr mit dem Aufsichtsrat, (4) Koordination und Überwachung der Arbeit der einzelnen Vorstandsmitglieder. Welchen „Stil“ die Gesellschaft pflegt, wird künftig an der Erklärung der Unternehmensführung ersichtlich werden3. 76
Diskussionen über die Rolle des Vorstandsvorsitzenden waren in der Literatur durch das „Branding“ einzelner Vorsitzender als „CEO“ entstanden4. Doch auch diese Wogen haben sich geglättet. Man ist sich einig: Soweit damit eine Hierarchisierung im Sinne einer Über/Unterordnung der Vorstandsmitglieder verbunden sein soll, ist diese mit deutschem Recht unvereinbar5. Dass diese Diskussion um die Zulässigkeit eines „CEO“ ähnlichen Vorsitzenden ohnehin (nur) auf einem falschen Verständnis des USamerikanischen Rechts beruhte, das eine Weisungsbefugnis des CEO gerade nicht kennt, ist eine besondere Randnote6. Vorstellbar ist aber eine faktische Annäherung der Leitungsformen durch entsprechende Geschäftsverteilung, Stichentscheid und, soweit zulässig, Vetorecht7.
IV. Zusammenarbeit mit Aufsichtsrat, Hauptversammlung und Aktionären 1. Aufsichtsrat a) Grundsatz 77
Das Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat sowie ihre Aufgabenteilung innerhalb des zweistufigen Verwaltungssystems werden an anderer Stelle behandelt (siehe unten § 23).
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Maßgebend ist der Grundsatz vertrauensvoller Zusammenarbeit zum Wohl der Gesellschaft. Dies unterstreicht für die börsennotierte Aktiengesellschaft Ziff. 3.1 des Deutschen Corporate Governance Kodex. Aktienrechtlich ergibt sich dies für die Mitglieder des Vorstandes aus ihrer allgemeinen Sorgfaltspflicht (§ 93 Abs. 1 AktG). b) Informationsversorgung des Aufsichtsrates
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Ein Ausfluss dieses Gebotes ist die Mitverantwortung des Vorstands für die Informationsversorgung des Aufsichtsrates8. Die Basis bildet die regelmäßige Berichterstat-
1 Siehe Ziff. 4.2.1 Satz 2 des Deutschen Corporate Governance Kodex. 2 Siehe Bezzenberger, ZGR 1996, 661, 662 ff.; Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 747; Hein, ZHR 166 (2002), 464, 484 ff. 3 Vgl. § 289a Abs. 2 Nr. 3 HGB i.d.F. durch den BilMoG; dazu bereits Kuthe/Geiser, NZG 2008, 172, 173 ff. 4 Vgl. Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745; Hein, ZHR 166 (2002), 464; Fleischer, ZIP 2003, 1, 8. 5 Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 77 AktG Rz. 21; Witt in Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, S. 245, 252; Fleischer, ZIP 2003, 1, 8; Fleischer, NZG 2003, 449, 458. 6 Vgl. Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745, 746. 7 Näher Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 77 AktG Rz. 21. 8 Vgl. Ziff. 3.4 Abs. 1 des Deutschen Corporate Governance Kodex.
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Vorstand im Organisationsgefüge der AG
tung nach § 90 AktG, der zugleich Gegenstand, Form und Zeitpunkt festlegt1. Die Berichtspflicht wird regelmäßig in der Geschäftsordnung näher konkretisiert2. Insbesondere ist der Aufsichtsrat über die Planung, die Geschäftsentwicklung und das Risikomanagement zu unterrichten, und zwar wahr, klar und vollständig3. Nach § 90 Abs. 1 AktG ist hierbei auch auf Abweichungen von früheren Berichten einzugehen; auch die Gründe dafür sind darzulegen (so genannte „Follow-up-Berichterstattung“). Vor dem Hintergrund einzelner, von Medien und (Rechts)Politik über Gebühr wahrgenommener Vorkommnisse haben sich Fragen der Compliance von einer Facette der Geschäftsorganisation und des Risikomanagements zu einem eigenständigen Berichtsgegenstand entwickelt. Das Erscheinen gesonderter „Compliance“-Literatur4 und die Herausstellung in Ziff. 3.4 und 4.1.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 20.7.2007 vollzieht dies nach5.
80
Die Berichtspflicht erstreckt sich nicht nur auf die Gesellschaft selbst, sondern ggfs. auch auf den Gesamtkonzern. § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG, wonach bei Mutterunternehmen auch auf Tochterunternehmen und Gemeinschaftsunternehmen nach § 310 HGB einzugehen ist, stellt dies klar. Allerdings ist insoweit hinsichtlich der Reichweite der Berichtspflicht entsprechend der rechtlichen Einflussnahmemöglichkeiten des Vorstands vielfältig zu differenzieren6, etwa zwischen a) Vertragskonzern und faktischem Konzern, b) zwischen Tochtergesellschaften in der Rechtsform der Aktiengesellschaft, der GmbH usw., sowie c) zwischen Tochterunternehmen mit und ohne Drittgesellschafter.
81
Hinsichtlich der Form der Berichterstattung können Satzung und/oder Geschäftsordnung unterschiedliche Vorgaben machen; nach §§ 90 Abs. 4 und 5, 170 Abs. 3 Satz 2 und 340 Abs. 1 Satz 2 AktG genügt sogar Textform, d.h. die Berichte können nach dem Gesetz sogar per e-mail erstattet werden. Nicht alle Gesellschaften schöpfen diese Möglichkeiten aus; die tradierte Aufsichtsratsvorlage „in Papier“ vermag sich in der Praxis vielfach zu behaupten. Die Wahrung der Vertraulichkeit dürfte diese Entwicklung tragen, auch wegen der zivilrechtlichen Haftung nach §§ 93 Abs. 1 Satz 2, 116 AktG und der Strafbarkeit nach § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG.
82
Unabhängig von der gewählten Form sind dem Aufsichtsrat aber Berichte „möglichst rechtzeitig“ zu erstatten (§ 90 Abs. 4 AktG). Nach der Gesetzesbegründung ist „Rechtzeitigkeit“ ein objektives Tatbestandsmerkmal und „möglichst“ beschreibt die Sorgfaltspflicht des Vorstands7. Konkret sollen Berichte jedenfalls vor der Sitzung zu übermitteln sein, und zwar so rechtzeitig, dass die Aufsichtsratsmitglieder noch die Möglichkeit haben, sie zu lesen. In diesem Zusammenhang ist an die Aussage der ersten Regierungskommission Corporate Governance zu erinnern – auf deren Anregung die Änderung des § 90 AktG beruht –, dass besonders vertrauliche oder aktuelle Vorgänge gleichwohl erst in der Sitzung mitgeteilt werden dürfen8.
83
1 Zu Einzelheiten vgl. Wiesner in MünchHdb. AG, § 25 Rz. 13 ff.; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 90 AktG Rz. 16 ff. 2 Siehe Ziff. 3.4 Satz 4 Deutscher Corporate Governance Kodex. 3 Eingehend dazu Wiesner in MünchHdb. AG, § 25 Rz. 33 ff.. 4 Exemplarisch Hauschka, Compliance: Handbuch der Haftungsvermeidung im Unternehmen, 2007. 5 Näher zu den Organisationspflichten und den Auswirkungen auf die Zusammenarbeit von Vorstand und Aufsichtsrat Bürkle, BB 2007, 1797, 1798 bzw. 1800. 6 Näher Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 90 AktG Rz. 31 f. m.w.N. 7 BT-Drucks. 14/8769. 8 Vgl. Baums, Bericht Regierungskommission, S. 71 Rz. 27 am Ende.
Mutter
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§ 18
Vorstand
84
Sowohl der Gesamtaufsichtsrat als auch einzelne Aufsichtsratsmitglieder können nach § 90 Abs. 3 AktG Berichte des Vorstands (an den Aufsichtsrat) verlangen. Letzteres birgt zwar theoretisch die Gefahr des Missbrauchs und der Schikane in sich. Der Vorstand wird sich hier aber gegebenenfalls durch Verweigerung verteidigen dürfen. Will er hierbei dem Vorwurf der Pflichtverletzung jede Grundlage nehmen, kann er ein solches Vorgehen vom Gesamtaufsichtsrat beschließen lassen.
85
Grundsätzlich beschreibt § 90 AktG lediglich einen Mindeststandard1, den – durch Beschluss oder Geschäftsordnung2 für den Vorstand – zu konkretisieren und individuell auf „sein“ Unternehmen zuzuschneiden eine wichtige Aufgabe des Aufsichtsrates ist3.
86
Ergänzt wird die regelmäßige Berichterstattung an den (Gesamt-)Aufsichtsrat nach § 90 AktG durch die Pflicht zur außerordentlichen Berichterstattung an den Aufsichtsratsvorsitzenden nach § 90 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AktG4. Sie hat aus wichtigen Anlässen unverzüglich zu erfolgen. Ein wichtiger Anlass kann auch ein geschäftlicher Vorgang bei einem verbundenen Unternehmen sein, der dem Vorstand bekannt wird.
87
Unabhängig von etwaigen besonderen Vorkommnissen besteht auch eine Pflicht des Vorstands aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG5, meist aufgrund Geschäftsverteilung durch seinen Vorsitzenden, mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden regelmäßig Kontakt zu halten und mit ihm über wesentliche Fragen, wie Strategie, Geschäftsentwicklung und Risikomanagement zu sprechen (dazu im Einzelnen § 27 Rz. 14).
88
Schließlich dient eine regelmäßige Teilnahme des Vorstands an den Sitzungen des Aufsichtsrates der Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Organen6. c) Einbindung des Aufsichtsrates in unternehmerische Entscheidungen
89
Der Vorstand ist gehalten, den Aufsichtsrat in seine unternehmerischen Überlegungen und Entscheidungen beratend einzubinden7. Der Aufsichtsrat wird dadurch zum mitunternehmerischen Organ8. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus den §§ 76 ff. AktG. Literatur9 und Rechtsprechung10 haben jedoch die Aufgabenzuweisung durch § 111 Abs. 1 AktG („Überwachung“) längst zu einer Beratungsaufgabe des Aufsichtsrates fortentwickelt (siehe dazu im Einzelnen § 26 Rz. 15 f.).
90
Bei Geschäften von besonders grundlegender Bedeutung geht die Einbindung des Aufsichtsrates durch den Vorstand über eine bloße Beratung hinaus11. Hier greifen regel-
1 2 3 4 5 6 7 8 9
10 11
Vgl. zum Zusammenwirken von Gesetz und Geschäftsordnung auch Hüffer, § 90 AktG Rz. 2. Beispiel bei Happ, Aktienrecht, Muster 8.01, S. 801 ff. Siehe insoweit auch Ziff. 3.4 Unterabs. 3 Satz 1 des Deutschen Corporate Governance Kodex. Zu Einzelheiten vgl. Hüffer, § 90 AktG Rz. 8. So im Ergebnis, wenngleich gestützt auf § 111 Abs. 1 AktG, wohl auch Henze, BB 2001, 53, 59 „Inhalt der Überwachungspflicht: (…) die ständige Gespräche mit dem Vorstand (…) umfasst.“ Grundlegend Uwe H. Schneider, ZIP 2002, 873; E. Vetter, VersR 2002, 951, 952. Siehe dazu auch Ziff. 3.5 Abs. 1 und 3.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex. Begriffsprägend Drygala in K. Schmidt/Lutter, § 111 AktG Rz. 4. Exemplarisch Drygala in K. Schmidt/Lutter, § 111 AktG Rz. 13 f.; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, § 3 Rz. 94 ff.; Krieger, ZGR 1985, 338, 340; Steinmann/Klaus, AG 1987, 29, 30 f.; vgl. auch Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 1994, S. 41 ff. (zur Rechtspflicht zur Beratung) und S. 27 (zur betriebswirtschaftlichen Funktion als „Sounding Board“) jeweils mit umf. Nachweisen. BGH v. 25.3.1991 – II ZR 199/89 – „Deutscher Herold“, BGHZ 114, 127, 129 f. Vgl. auch Ziff. 3.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex.
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§ 18
Vorstand im Organisationsgefüge der AG
mäßig „echte“ Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG1. Sie werden an anderer Stelle behandelt (siehe § 26 Rz. 24 ff.). Die Unternehmenspraxis konkretisiert insoweit das Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat üblicherweise durch detaillierte Kataloge in den Geschäftsordnungen für den Vorstand2. Sie werden durch gesetzliche Zustimmungsvorbehalte für bestimmte Einzelfälle ergänzt3. Die Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat bewegt sich nach dem Aktiengesetz nicht in starren Grenzen. Vielmehr ist auch hier nach der Lage der Gesellschaft zu differenzieren4. Wenn die Gesellschaft in die Krise gerät oder zu geraten droht, entsteht eine Verpflichtung des Aufsichtsrates alle ihm (gegenüber dem Vorstand) zustehenden Rechte5 auszuschöpfen. Wie Henze zutreffend beschreibt6, ist auch dies ein fließender Prozess, der mit einer Intensivierung der Gespräche zwischen Aufsichtsrat beginnt und über eine Ausweitung der Zustimmungspflichten in eine Prüfung der Frage mündet, ob der Vorstand verstärkt wird oder Vorstandsmitglieder abzuberufen sind. Auch die Rechtsprechung differenziert zwischenzeitlich bei Haftung7 und Berichtspflicht8 entsprechend.
91
2. Hauptversammlung und Aktionäre Das Zusammenwirken von Vorstand und Hauptversammlung ist durch deren (unterschiedliche) Aufgaben geprägt. Sie werden im Einzelnen später beschrieben (siehe unten §§ 31 ff.). Kurz gefasst ist der Vorstand zunächst zur Vorbereitung und Einberufung der Hauptversammlung berufen (dazu im Einzelnen unten § 32). Damit bestimmt er – vorbehaltlich praktisch selten vorkommender Anträge aus dem Aktionärskreis nach § 122 AktG – regelmäßig Zeitpunkt und Gegenstand der Beratungen der Aktionäre in der Hauptversammlung. Die Verpflichtung zur Unterbreitung konkreter Beschlussvorschläge trifft den Gesamtvorstand9.
92
Der Hauptversammlung gegenüber ist der Vorstand im Einzelfall, etwa bei grundlegenden Strukturentscheidungen10, oder regelmäßig11 vorlage- und berichtspflichtig. Dort ist der Vorstand den Aktionären gegenüber auch zur Auskunft verpflichtet12.
93
Letztlich sind auch die Beschlüsse der Hauptversammlung durch die Verwaltung faktisch (vor)bestimmt. Denn ein von deren Beschlussvorschlägen abweichendes Stimmverhalten einer Mehrheit der Aktionäre ist in der Hauptversammlungspraxis selten anzutreffen. Dies ändert freilich nichts an der Pflicht des Vorstands jeden Beschluss
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1 Umfassende Darstellung bei Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, § 3 Rz. 103 ff. 2 Beispiel bei Happ, Aktienrecht, Muster 8.01, S. 801 ff.; zu Gestaltungsgrenzen bereits Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 1994, S. 59 ff. 3 Vgl. etwa §§ 59 Abs. 3, 204 Abs. 1 Satz 2 oder 114 Abs. 1 AktG. 4 Grundlegend Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 2. Aufl. 1996, S. 232 ff.; folgend etwa Thümmel, BB 2002, 1105, 1106. 5 Vgl. die Auflistung bei Henze, BB 2000, 209, 213. 6 Henze, BB 2000, 209, 214 rechte Spalte. 7 LG München v. 31.5.2007 – 5 HK O 11977/06, AG 2007, 827 ff. 8 OLG Stuttgart v. 15.3.2006 – 20 U 25/05, AG 2006, 379, insb. S. 381 f. 9 BGH v. 12.11.2001 – II ZR 225/99, BB 2002, 165 = AG 2002, 241. 10 Grundlegend BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 – „Gelatine“, NJW 2004, 1860 ff. = AG 2004, 384; fortgeführt durch BGH v. 20.11.2006 – II ZR 226/05, AG 2007, 203; zu Informationspflichten in diesem Rahmen bereits BGH v. 15.1.2001 – II ZR 124/99, BB 2001, 483 = AG 2001, 261. 11 Beispielsweise nach § 175 AktG bzw. neuerdings auch nach § 120 Abs. 3 Satz 2 AktG. 12 Zu Einzelheiten siehe unten § 34; monographische Darstellung der Spruchpraxis der Gerichte durch Mutter, Auskunftsansprüche des Aktionärs in der HV, 2002.
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§ 18
Vorstand
der Hauptversammlung auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen und widrigenfalls einen Beschluss anzufechten1. 95
Im Übrigen ist die Hauptversammlungspraxis und das Verhalten der Verwaltung dadurch (negativ) geprägt, dass die Hauptversammlung zu einer Plattform für Auseinandersetzungen zwischen der Verwaltung und einzelnen, regelmäßig in Hauptversammlungen anzutreffenden Aktionären und Aktionärsvertretern verkommen ist, die sich häufig in anschließenden Rechtsstreiten fortsetzen. Hier knüpfen berechtigte Reformüberlegungen von Literatur2 und Politik3 an, die durch Beschränkung von Aktionärsrechten und gekürzte Instanzenzüge Abhilfe schaffen wollen.
96
Den Aktionären gegenüber werden die Pflichten des Vorstands durch das strikte Gleichbehandlungsgebot geprägt. Aufgrund seiner besonderen Bedeutung ist es im Gesetz ausdrücklich verankert4. Ausnahmen sind zulässig, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (etwa aus Bilanzierungserfordernissen in § 294 Abs. 3 HGB) oder schutzwürdige Interessen der Aktiengesellschaft dies verlangen5. Bedeutung hat das Gleichbehandlungsgebot auch für die Informationserteilung an Aktionäre6; Privilegierungen von Großaktionären kennt das Gesetz nicht7.
97
In börsennotierten Aktiengesellschaften ist der Vorstand, auch im Interesse funktionsfähiger Kapitalmärkte, nicht nur zur gleichmäßigen, sondern auch zur zeitnahen Information der Aktionäre verpflichtet. Die §§ 158, 15a9, 21 ff.10, 26 f.11, 30a ff.12 WpHG bilden hier nur den gesetzlichen Rahmen, den die Empfehlungen aus Ziff. 6 des Deutschen Corporate Governance Kodex weiter ausfüllen.
98
Schließlich darf der Vorstand Aktionären außer ihrem Anteil am Bilanzgewinn, sprich der Dividende, grundsätzlich aus dem Gesellschaftsvermögen keinerlei Vermögenswerte zukommen lassen (§ 57 Abs. 1 Satz 1 AktG). Abweichend davon erlaubt das Aktiengesetz in der Fassung durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) einen erweiterten Leistungsverkehr zwischen Gesellschaft und Aktionär (§ 57 Abs. 1 Satz 3 und 4 AktG n.F).
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Vgl. § 245 Nr. 4 AktG. Exemplarisch Mutter, AG-Report 2008, R 3; Seibert, NZG 2007, 841. Gesetzesantrag der Länder Baden-Württemberg und Sachsen, BR-Drucks. 901/07. Siehe §§ 53a, 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG oder § 3 Abs. 1 WpÜG. BGH v. 6.10.1960 – II ZR 150/58, BGHZ 33, 175, 186; BGH v. 19.12.1977 – II ZR 136/76, BGHZ 70, 117, 121 = AG 1978, 135; BGH v. 9.11.1992 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141, 150 f. Vgl. Ziff. 6.3 Deutscher Corporate Governance Kodex. Zu den Ausnahmefällen Vertragskonzern und faktischer Konzern siehe Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 131 AktG Rz. 88 ff.; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 141 f. Dazu § 14. Dazu § 15. Dazu § 17. Dazu § 17. § 30a WpHG n.F. verpflichtet Emittenten nicht nur zur Gleichbehandlung ihrer Investoren (siehe § 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG), sondern insbesondere auch zur öffentlichen Bereitstellung der Informationen, die Aktionäre zur Ausübung ihrer Rechte benötigen (siehe § 30a Abs. 1 Nr. 2 und 5 WpHG). Darüber hinaus sind wesentliche Vorkommnisse, wie etwa die Einberufung der Hauptversammlung (§ 30b Abs. 1 Nr. 1 WpHG) oder Dividendenzahlungen (§ 30b Abs. 1 Nr. 2 WpHG) im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen. In anderen Fällen, wie etwa der Aufnahme von Anleihen, bedarf es der Veröffentlichung und Übermittlung an das Unternehmensregister, siehe § 30e Abs. 1 Nr. 2 WpHG.
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§ 19
Bestellung und Anstellung
§ 19 Bestellung und Anstellung Rz. I. Rechtstatsächliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Unterscheidung von Bestellung und Anstellung . . . . . . . . . . . . .
6
1. Trennung zwischen Anstellung und Bestellung . . . . . . . . . . . . .
6
2. Gesetzliche Mindesterfordernisse .
7
3. Dauer der Bestellung und Anstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
III. Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . .
9
1. Personalhoheit des Aufsichtsrates .
9
2. Dreiklang von Vorstand, Personalausschuss und Aufsichtsrat in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Rz. IV. Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Dauer der Anstellung . . . . . . . . . 25 2. Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz der Angemessenheit der Bezüge . . . . . . . . . . . . . . b) Fixe und variable Bestandteile der Vergütung von Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . c) Nebenleistungen . . . . . . . . . d) Krankheit, Tod oder Unfall . . . e) D&O-Versicherung . . . . . . . . f) Publizität der Vorstandsvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . g) Herabsetzung von Vorstandsvergütungen . . . . . . . . . . . .
. 26 . 26 . . . .
31 39 41 42
. 43 . 49
3. Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . 53
3. Gerichtliche Bestellung von Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . 11
4. Nebentätigkeit . . . . . . . . . . . . . 60
4. Besonderheiten bei mitbestimmten Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . a) Wahlverfahren und Mehrheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besetzung des Personalausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Arbeitsdirektor . . . . . . . . . . . .
6. Auflösungsklauseln . . . . . . . . . . 62
5. Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertretungsmängel . . . . . . . b) Beschlussmängel . . . . . . . . c) Vertrauensschutz bei fehlerhaftem Anstellungsverhältnis
12
5. Urlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 7. Kredite der Gesellschaft . . . . . . . 64
12
V. Versorgungsvertrag . . . . . . . . . . . 71
13 14
VI. Wiederbestellung und Vertragsverlängerung . . . . . . . . . . . . . . . 74
. . 15 . . 16 . . 18
VII. Besonderheiten im Konzern . . . . . 78
. . 23
2. Drittanstellung im Aktienrecht . . 79
1. Zulässigkeit von Doppelmandaten im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . 78
6. Handelsregistereintragung . . . . . . 24 VIII. Ad hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . 80 Schrifttum: Bauer/Arnold, Organbesetzung und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, AG 2007, 807; Bauer/Arnold, Vorstandsverträge im Kreuzfeuer der Kritik, DB 2006, 260; Bauer/ Diller, Zulässige und unzulässige Bedingungen in Wettbewerbsverboten, DB 1997, 94; Fischer/Harth/Meyding, Vorstandsverträge im Konzern: Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Organleihe, BB 2000, 1097; Fleischer, Bestellungshindernisse und Tätigkeitsverbote von Geschäftsleitern im Aktien-, Bank- und Kapitalmarktrecht, WM 2004, 157; Lutter, Anwendbarkeit der Altersbestimmungen des AGG auf Organpersonen, BB 2007, 725; Nägele, Der Dienstwagen, 2002; SpencerStuart, Der SpencerStuart Board Index, Deutschland 2002/2003, 2003; Tänzer, Die angemessene Geschäftsführervergütung, GmbHR 2003, 754; Thüsing, Auf der Suche nach dem iustum pretium der Vorstandstätigkeit – Überlegungen zur Angemessenheit im Sinne des § 87 Abs. 1 S. 1 AktG, ZGR 2003, 367; Thüsing, Nachorganschaftliche Wettbewerbsverbote bei Vorständen und Geschäftsführern, NZG 2004, 9; Weisner/Kölling, Herausforderung für den Aufsichtsrat: Herabsetzung von Vorstandsbezügen in Zeiten der Krise, NZG 1993, 465.
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§ 19
Vorstand
I. Rechtstatsächliche Rahmenbedingungen 1
Eine empirische Erhebung von SpencerStuart der Jahre 2002/2003 ergab eine durchschnittliche Größe der Vorstandsgremien von rund 6 Personen, wobei die meisten Gesellschaften 4–5 Vorstandsmitglieder hatten1.
2
Die deutschen Vorstände sind nach der genannten Studie überwiegend mit Deutschen besetzt; über die Hälfte der befragten Gesellschaften hatten keine ausländischen Vorstandsmitglieder2. Auch Frauen sind in deutschen Vorständen eine Minderheit3. Im Ergebnis unterscheidet sich Deutschland damit zwar nicht von angelsächsischen Vorbildern. Mit einer Frauenquote von rund 12 % in den Boards der S&P 500 liegen die USA aber doch vor Deutschland mit einer Quote von 0,4 %4. Die Mehrheit der Vorstandsmitglieder sind zwischen 51 und 60 Jahre alt, aber weniger als ein Zehntel ist älter als 60 Jahre5.
3
Ganz mehrheitlich werden Vorstandspositionen intern besetzt. In fast dreiviertel aller Gesellschaften stammt die Mehrheit der Vorstandsmitglieder aus dem eigenen Hause, fast 15 % haben den Vorstand ausschließlich aus den eigenen Reihen besetzt6.
4
Fast dreiviertel aller Vorstandsmitglieder hatten Vorstandsanstellungsverträge mit einer Laufzeit von fünf Jahren, knapp 10 % hatten eine Laufzeit von drei Jahren. Eine mehrheitlich kurze Zugehörigkeit zum Vorstand deutet darauf hin, dass mittlerweile Vorstandsdienstverträge nicht mehr „automatisch“ verlängert werden7.
5
Die Vorstandsvergütung hat sich in Deutschland in den letzten 30 Jahren nachhaltig verändert. Nach einer neueren Studie ist nicht nur ein deutlicher Anstieg in absoluten Zahlen, sondern auch relativ im Verhältnis zu leitenden Angestellten (heute das 3,7-fache, 1986 das 2,5-fache) und Aufsichtsrat (heute das 26-fache, 1963 noch das achtfache) zu verzeichnen8.
II. Unterscheidung von Bestellung und Anstellung 1. Trennung zwischen Anstellung und Bestellung 6
Von der Bestellung des Vorstandsmitglieds ist dessen Anstellung zu unterscheiden9. Während die Bestellung die körperschaftliche (Organ-)Stellung als Vertretungs- und Geschäftsführungsorgan der Gesellschaft begründet (§§ 76, 78 AktG), regelt der Anstellungsvertrag die dienstvertraglichen Beziehungen zwischen der Aktiengesellschaft und ihrem Vorstandsmitglied. Anstellung und Bestellung sind voneinander unabhängig und können rechtlich ein verschiedenes Schicksal haben, etwa im Fall des Widerrufs der Bestellung bei fortlaufendem Anstellungsvertrag (vgl. unten § 20 Rz. 17) oder im Fall einer Verschmelzung der Gesellschaft (dazu § 20 Rz. 46). 1 Näher SpencerStuart, Der SpencerStuart Board Index, Deutschland 2002/2003, 2003, S. 36. 2 Zu Einzelheiten vgl. SpencerStuart, Der SpencerStuart Board Index, Deutschland 2002/2003, 2003, S. 36. 3 Vgl. Horstmeier, GmbHR 2007, 125, 128: 4 Frauen unter 685 Vorständen der 100 größten Unternehmen. 4 Siehe SpencerStuart, Der SpencerStuart Board Index, Deutschland 2002/2003, 2003, S. 37. 5 Näher SpencerStuart, Der SpencerStuart Board Index, Deutschland 2002/2003, 2003, S. 38. 6 Näher SpencerStuart, Der SpencerStuart Board Index, Deutschland 2002/2003, 2003, S. 37. 7 Zu weiteren Einzelheiten siehe SpencerStuart, Der SpencerStuart Board Index, Deutschland 2002/2003, 2003, S. 38. 8 Vgl. Gajo, AG-Report 2007, R 422. 9 Exemplarisch BGH v. 17.3.1993 – II ZR 89/92, WM 1993, 1330, 1335, 1336.
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§ 19
Bestellung und Anstellung 2. Gesetzliche Mindesterfordernisse
Die gesetzlichen Mindesterfordernisse und Bestellungshindernisse des § 76 Abs. 3 AktG an Vorstandsmitglieder spielen in der Praxis bei deren Bestellung und Anstellung kaum eine Rolle1. Relevant werden diese aber bei der Bestellung von Ausländern; hier werden teilweise von den Gerichten, jedenfalls bei Nicht-EU-Angehörigen, Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis verlangt2.
7
3. Dauer der Bestellung und Anstellung Nach § 84 Abs. 1 AktG darf die Bestellung und die Anstellung für längstens fünf Jahre erfolgen. Ziff. 5.1.2 Deutscher Corporate Governance Kodex regt an, bei Erstbestellungen die maximal mögliche Bestelldauer nach § 84 AktG von fünf Jahren nicht regelmäßig auszuschöpfen.
8
Verfehlt ist die in der Literatur vertretene analoge Anwendung des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG auf die Erstbestellung von Vorstandsmitgliedern, die dazu führt, dass die Gesellschaft grundlos daran gehindert wird, sich im Zuge langfristiger Personalplanung3 frühzeitig geeignete Kandidaten zu sichern4. Eine gesetzliche Mindestdauer kennt das Gesetz nicht; die Literatur folgert aus der in § 76 AktG verankerten Unabhängigkeit des Vorstandes jedoch eine dafür notwendige Mindestamtszeit von einem Jahr5. Ob die Anstellung6 beschränkende Altersgrenzen für Vorstandsmitglieder, welche Ziff. 5.1.2 letzter Satz des Deutschen Corporate Governance Kodex aus nachvollziehbaren Erwägungen ausdrücklich empfiehlt, nach Erlass des AGG unverändert zulässig sind, ist streitig7. Zwar ist das AGG grundsätzlich auch auf Mitglieder der Organe von Aktiengesellschaften anwendbar8, richtigerweise begründet aber jedenfalls die besondere Leitungsstellung des Vorstandes der Aktiengesellschaft stets eine hinreichende Rechtfertigung für Einschränkungen, auch hinsichtlich des Alters9.
III. Zuständigkeiten 1. Personalhoheit des Aufsichtsrates Die Zuständigkeit für Bestellung und Anstellung liegt nach dem Gesetz grundsätzlich beim Aufsichtsrat (§ 84 Abs. 1 AktG) (siehe dazu unten § 26 Rz. 47 ff.). Beide Be1 Zu Einzelheiten siehe Fleischer, WM 2004, 157. 2 § 81 Abs. 2 AktG. Vorliegende Rechtsprechung betrifft meist GmbH-Geschäftsführer; vgl. OLG Celle v. 2.5.2007 – 9 W 26/07, NZG 2007, 634; OLG Köln v. 30.9.1998 – 2 Wx 22/98, DB 1999, 38; OLG Hamm v. 9.9.1999 – 15 W 191/99, ZIP 1999, 1919; gegen das Erfordernis von Wohnsitz oder ständigem Aufenthalt und Arbeitserlaubnis allerdings OLG Düsseldorf v. 20.7.1977 – 3 W 147/77, GmbHR 1978, 110; OLG Frankfurt v. 14.3.1977 – 20 W 113/77, NJW 1977, 1595 und LG Rostock v. 22.12.2003 – 5 T 9/03, NZG 2004, 532. 3 Ziff. 5.1.2 Satz 2 Deutscher Corporate Governance Kodex. 4 Ausführlich Bauer/Arnold, DB 2007, 1571 ff. 5 Vgl. Bürgers/Israel in Bürger/Körber, § 84 AktG Rz. 8; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 84 AktG Rz. 37 m.w.N. 6 Die Bestellung ist richtigerweise nicht vom AGG erfasst, vgl. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 2007, § 6 Rz. 27; Bauer/Arnold, AG 2007, 807. 7 Exemplarisch Lutter, BB 2007, 725 ff., insb. 729 f.; Esser/Bach, NZG 2007, 321; unentschieden Fleischer in Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 1 Rz. 80. 8 Siehe namentlich §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 6 Abs. 3 und § 7 AGG. 9 Vgl. Bauer/Krieger/Göpfert, DB 2005, 595, 598; zweifelnd Gaul/Naumann, ArbRB 2006, 176.
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§ 19
Vorstand
schlüsse können durch einen Ausschuss des Aufsichtsrates vorbereitet werden (vgl. Ziff. 5.1.2 Satz 3 Deutscher Corporate Governance Kodex). Meist übernimmt diese Aufgabe ein gesonderter Personalausschuss oder das Präsidium des Aufsichtsrates1. Hinsichtlich des Anstellungsvertrags kann zudem die Beschlussfassung auf einen Ausschuss übertragen werden. Allerdings soll nach Ziffer 4.2.2 Deutscher Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 6.6.2006 der Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit stets das Vergütungssystem und wesentliche Vertragselemente beschließen. Was freilich „wesentliche“ Elemente eines Vorstandsdienstvertrages sind, für die der Kodex die Delegation nun ausschließen will, bleibt dunkel. Greift man auf die essentialia negotii der §§ 145 fff. BGB zurück, wären dies wohl die Partei (trivial und über die vorgreifliche Bestellung bereits dem Aufsichtsrat vorbehalten), die Laufzeit (ebenfalls über den Bestellungsbeschluss determiniert, vgl. Rz. 8) und die Vergütung (redundant, da über das Merkmal Vergütungssystem bereits anderweitig im Kodex geregelt). 2. Dreiklang von Vorstand, Personalausschuss und Aufsichtsrat in der Praxis 10
In der Praxis werden Vorstandsbesetzungen meist im Zusammenwirken von Vorstand, Aufsichtsrat und Personalausschuss vorgenommen2. Auch der Deutsche Corporate Governance Kodex nimmt in Ziff. 5.1.2 eine gemeinsame Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat an, für eine langfristige Nachfolgeplanung zu sorgen. Entgegen dem gesetzlichen Ideal liegt, jedenfalls wenn maßgebende Aktionäre fehlen, das Schwergewicht der Selektion und Verhandlung häufig beim Vorstand oder dessen Vorsitzenden; der Aufsichtsrat setzt faktisch nur dessen Entscheidungen um3. Überlegungen im Schrifttum4, aufgrund des hohen Verbreitungsgrades solcher, vom Aktiengesetz nicht gedeckter Praxis5, eine gewohnheitsrechtliche Verlagerung der Personalhoheit vom Aufsichtsrat auf den Vorstand das Wort zu reden, ist entgegenzutreten. § 84 AktG steht nicht zur Disposition der Beteiligten; dies gilt nicht nur in mitbestimmten Aktiengesellschaften. In Folge der Erstreckung des Diskriminierungsschutzes nach dem AGG auch auf Vorstandsmitglieder ist im Übrigen bei der Selektion der Kandidaten, d.h. namentlich bei der Debatte zwischen Vorstand und Aufsichtsrat bzw. Personalausschuss darauf zu achten, dass lediglich gesetzeskonforme Erwägungen angestellt werden. „AGG sicher“ sind beispielsweise sachliche Erwägungen wie Ausbildung oder geleistete Arbeit6. Schwierig könnten hingegen Erwägungen zu Religion oder Geschlecht sein, die nur ausnahmsweise relevant sein dürften7. Diese Fragen betreffen allerdings richtigerweise nur den Abschluss des Dienstverhältnisses, nicht aber den gesellschaftsrechtlichen Akt der Bestellung8. Unter diesem Gesichtspunkt sollte in der Praxis da1 Vgl. Bleicher, Der Aufsichtsrat im Wandel, eine repräsentative Studie über Aufsichtsräte in bundesdeutschen Aktiengesellschaften, 1987, S. 25. 2 Zu Mängeln und konkreten Verbesserungsmöglichkeiten der Planung der Vorstandsnachfolge in der Praxis siehe SpencerStuart, Die Aufsichtsratsleistung auf dem Prüfstand, 2002, S. 17 f. 3 So auch das Fazit einer aktuellen empirischen Erhebung; siehe SpencerStuart, Die Aufsichtsratsleistung auf dem Prüfstand, 2002, S. 17. Ähnliche Befunde wiesen auch ältere Untersuchungen aus; vgl. Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 1994, S. 113 f. 4 Vgl. Peltzer in FS Semler, 1993, S. 261, 263 ff. 5 Eingehend dazu Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 1994, S. 70 ff. 6 Näher Horstmeier, GmbHR 2007, 125, 128 f. 7 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 2007, § 6 Abs. 36. 8 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 2007, § 2 Rz. 16 und § 6 Abs. 27.
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Bestellung und Anstellung
rauf geachtet werden, dass Bestellung und Anstellung sequentiell, jedenfalls aber zumindest gesondert beraten werden, um „AGG“-Risiken weiter zu minimieren. 3. Gerichtliche Bestellung von Vorstandsmitgliedern Anders als beim Aufsichtsrat (§ 104 AktG) spielt die gerichtliche Bestellung bei Vorstandsmitgliedern in der Praxis börsennotierter Aktiengesellschaften nur eine geringe Rolle1. In dringlichen Fällen können allerdings auch hier Vorstandsmitglieder nach § 85 AktG auf Antrag von (anderen) Vorstandsmitgliedern, Aufsichtsratsmitgliedern oder Aktionären gerichtlich bestellt werden2. Die Antragsteller haben dazu das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen glaubhaft zu machen3. Zuständig ist derzeit nach § 145 FGG das Amtsgericht des Sitzes der Gesellschaft bzw. nach der verabschiedeten FGG-Reform ab 1.1.2009 das Amtsgericht, an dem das belegene Landgericht seinen Sitz hat (§§ 376, 375 Nr. 3 FamFG). Das gerichtlich bestellte Vorstandsmitglied hat während der Dauer der Bestellung volle Vertretungsmacht; seine Geschäftsführungsbefugnis kann aber mit Einschränkungen versehen werden4. Mit der Bestellung eines Vorstandsmitglieds durch den Aufsichtsrat endet das Amt eines gerichtlich Bestellten automatisch, da diese nur für die Zeit bis zur Behebung des Mangels erfolgt5. Es endet schon früher, wenn das Gericht die Bestellung im Beschluss befristet hat.
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4. Besonderheiten bei mitbestimmten Gesellschaften a) Wahlverfahren und Mehrheiten In Aktiengesellschaften, die dem Mitbestimmungsgesetz unterliegen (§§ 1, 3, 5 MitbestG), gelten bei der Bestellung (und deren Widerruf) von Vorstandsmitgliedern Besonderheiten. Nach § 31 Abs. 2 MitbestG bestellt der Aufsichtsrat6 die Mitglieder des Vorstandes mit einer besonderen Mehrheit, die mindestens zwei Drittel der Stimmen seiner Mitglieder umfasst. Wird diese Mehrheit nicht erreicht, obliegt es dem nach § 27 MitbestG zu bildenden Vermittlungsausschuss binnen eines Monats einen Vorschlag für die Bestellung zu unterbreiten. Dabei kann er dem Aufsichtsrat denselben oder einen anderen Kandidat vorschlagen. An diesen Vorschlag des Vermittlungsausschusses ist der Aufsichtsrat bei der Beschlussfassung nicht gebunden. Er kann den Vorgeschlagenen, den Kandidaten des ersten Wahlgangs, aber auch einen Dritten wählen7. Erforderlich ist jedenfalls in diesem Wahlgang nach § 31 Abs. 3 MitbestG die absolute Mehrheit der Stimmen8. Wird auch diese Mehrheit nicht erreicht, kommt es nach § 31 Abs. 4 MitbestG zu einem dritten Wahlgang, in dem der Aufsichtsratsvorsitzende eine zweite Stimme hat. Der Aufsichtsrat ist allerdings nicht verpflichtet, einen dritten Wahlgang durchzuführen9. Er kann stattdessen – nach dem Scheitern des zweiten Wahlgangs – auch abbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt ein neues Bestellungsverfahren beginnen10. Geht er in den dritten Wahlgang, 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Aus jüngerer Zeit vgl. OLG Frankfurt v. 28.1.2008 – 20 W 399/07, AG 2008, 419 ff. Vgl. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 85 AktG Rz. 9. Siehe KG v. 20.2.2007 – 1 W 323/06, AG 2007, 400. Siehe BayObLG v. 10.3.1988 – 3 Z 125/87, AG 1988, 301, 303 f. Siehe Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 85 AktG Rz. 18. Eine Delegation auf einen Ausschuss untersagt § 25 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG i.V.m. § 107 Abs. 2 Satz 3 AktG. Siehe Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 31 MitbestG Rz. 9. Vgl. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, § 7 Rz. 350. Fonk in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. Aufsichtsratsmitglieder, § 9 Rz. 46. Siehe Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, § 7 Rz. 353.
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Vorstand
ist – aufgrund des nur dort bestehenden Zweitstimmrechts des Aufsichtsratsvorsitzenden – umstritten, ob der Aufsichtsrat hier bei der Bestellung auf den bzw. die bisherigen Kandidaten beschränkt ist oder ob er auch einen Dritten bestellen kann1. Für eine solche Beschränkung streitet zwar der Missbrauchsgedanke, dagegen aber das Gebot der Handlungsfähigkeit der Gesellschaft sowie die Wahrung des Grundsatzes, dass der Aufsichtsrat grundsätzlich nicht an Wahlvorschläge gebunden ist2. Bei schwierigen Personalentscheidungen, bei denen der Aufsichtsrat in seiner Breite keine klaren Mehrheiten erwartet, kann der formale Lauf der Wahlgänge durch „unverbindliche Probeabstimmungen“ vermieden werden3, um auf der Grundlage deren Ergebnisse die Zahl der Kandidaten abzuschichten, ehe man dann an deren Wahl unter Anwendung des MitbestG herangeht. b) Besetzung des Personalausschusses 13
In mitbestimmten Gesellschaft dürfen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat in ihren soeben beschriebenen Mitwirkungsrechten nicht durch die Bildung von (beschließenden) Personalausschüssen ohne ihre Beteiligung beeinträchtigt werden; nach der Rechtsprechung sind solche Ausschüsse auch mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen4. Die tragenden Erwägungen dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes streiten für deren Erstreckung auf den drittelparitätisch besetzten Aufsichtsrat nach dem DrittelbG. c) Arbeitsdirektor
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Nach § 33 MitbestG ist ein Arbeitsdirektor als gleichberechtigtes Vorstandsmitglied zu bestellen. Dafür gelten grundsätzlich5 die allgemeinen Bestimmungen über die Bestellung und Anstellung von Vorstandsmitgliedern6. Der Gesetzgeber hat die Aufgaben des Arbeitsdirektors bewusst nicht geregelt7. Die Literatur umschreibt seine Aufgaben gemeinhin als die „substanziellen Bereiche der Personal- und Sozialangelegenheiten der Arbeitnehmer“8. Hiervon sollen aber die entsprechenden Angelegenheiten der leitenden Angestellten ausgenommen werden können9. Gleiches gilt für einzelne Personal- und Sozialangelegenheiten, solange der Ressortschwerpunkt beim Arbeitsdirektor verbleibt10. 5. Mängel
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Ungeachtet ihrer Bedeutung für alle Beteiligten erfolgt die Bestellung und Anstellung von Vorstandsmitgliedern immer wieder rechtsfehlerhaft. Dabei treten sowohl Beschlussmängel als auch Vertretungsmängel auf. Die Häufigkeit des Auftretens solcher 1 Exemplarisch Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 31 MitbestG Rz. 12 gegen Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1993, S. 298 ff. 2 Vgl. Thüsing in Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rz. 25. 3 Zu deren Zulässigkeit vgl. Thüsing in Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rz. 21. 4 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, WM 1993, 1330, 1335 f. = AG 1993, 464; zustimmend Kindl, DB 1993, 2065 ff., vorangehend ebenso Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, 1986, S. 116 ff.; a.A. zu Recht im Instanzenzug OLG Hamburg v. 6.3.1992 – 11 U 134/91, AG 1992, 197, 199. 5 Abweichend lediglich § 13 Abs. 1 Montan-MitbestG. 6 Vgl. Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 33 MitbestG Rz. 4 ff. 7 BT-Drucks. 7/4845, S. 9 f. 8 Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 33 MitbestG Rz. 21; Säcker, DB 1979, 1925 ff. 9 Eingehend Hanau, ZGR 1983, 346, 347 ff. 10 Beiner, Der Vorstandsvertrag, 2005, S. 43.
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Bestellung und Anstellung
Mängel erklärt sich meines Erachtens auch durch das Versagen der §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 2, 404 AktG in der Praxis. a) Vertretungsmängel Gegenüber Vorstandsmitgliedern wird die Aktiengesellschaft nach § 112 AktG stets1 und ausschließlich durch den Aufsichtsrat vertreten2. Hierdurch will das Aktiengesetz letztlich eine sachgerechte und unbefangene, von möglichen Interessenkollisionen und darauf beruhenden sachfremden Erwägungen freibleibende Vertretung der Gesellschaft sicherstellen3. Daher gilt die Vertretung durch den Aufsichtsrat nicht nur im rechtsgeschäftlichen Verkehr, sondern gegebenenfalls auch im Rechtsstreit4. Die ausschließliche Vertretungsmacht des Aufsichtsrates ist zudem nicht auf die jeweils im Amt befindlichen Vorstandsmitglieder beschränkt, sondern gilt auch für Ausgeschiedene5.
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Daraus folgt nach richtiger, wenngleich bestrittener Ansicht, dass ein vom Vorstand eigenverantwortlich abgeschlossener Anstellungsvertrag oder eine Vertragsänderung (etwa eine Gehaltserhöhung durch den Vorstandsvorsitzenden) schwebend unwirksam ist; der Aufsichtsrat ihn bzw. sie jedoch genehmigen kann6.
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b) Beschlussmängel Nach § 84 Abs. 1 AktG bestellt der Aufsichtsrat die Vorstandsmitglieder durch Beschluss und beschließt über den Anstellungsvertrag7. Der Aufsichtsrat kann, wie vorstehend ausgeführt, die Beschlussfassung über den Anstellungsvertrag entweder selbst vornehmen oder einem aus seiner Mitte gebildeten Ausschuss übertragen8. Jedenfalls müssen die entsprechenden Beschlüsse durch den Aufsichtsrat bzw. seinen Ausschuss ausdrücklich gefasst werden9. Eine Ersetzung eines fehlenden Beschlusses durch eine stillschweigende Billigung durch den Aufsichtsrat ist sowenig möglich10, 1 Zumindest irreführend, um nicht zu sagen fehlerhaft, Ziff. 4.3.4 Deutscher Corporate Governance Kodex, wonach (nur) wesentliche Geschäfte der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen sollen. 2 BGH v. 28.4.1997 – II ZR 282/95, AG 1997, 417; BGH v. 26.1.1998 – II ZR 279/96, AG 1998, 341. 3 Vgl. BGH v. 11.5.1981 – II ZR 126/80, AP BGB § 622 Nr. 15; BGH v. 8.2.1988 – II ZR 159/87, BGHZ 103, 213, 216; BGH v. 13.2.1989 – II ZR 209/88, NJW 1989, 2055, 2056; BGH v. 5.3.1990 – II ZR 86/89, WM 1990, 630, 631; BGH v. 22.4.1991 – II ZR 151/90, WM 1991, 941 = AG 1991, 269; BGH v. 26.6.1995 – II ZR 122/94, BGHZ 130, 108, 111 = AG 1995, 464; BGH v. 28.4.1997 – II ZR 282/95, NJW 1997, 2324 = AG 1997, 417. 4 OLG Hamburg v. 4.5.2001 – 11 U 274/00, AG 2002, 521 ff. 5 BAG v. 4.7.2001 – 2 AZR 142/00, AG 2002, 458. 6 Wie hier OLG Celle v. 25.2.2002 – 4 U 176/01, BB 2002, 1438 = AG 2003, 433; für Prozessführung auch BGH v. 21.6.1999 – II ZR 27/98, WM 1999, 2026; offenlassend für rechtsgeschäftliche Vertretung allerdings BGH v. 7.7.1993 – VIII ZR 2/92, WM 1993, 1630 = AG 1994, 35 und konkret für eine Vertretung durch Vorstandsmitglieder OLG Karlsruhe v. 13.10.1995 – 10 U 51/95, AG 1996, 224, 225. Für Nichtigkeit hingegen Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 112 AktG Rz. 5 m.w.N. 7 BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/63, BGHZ 41, 282, 285. 8 BGH v. 23.10.1975 – II ZR 90/73, BGHZ 65, 190, 192 ff. 9 Grundlegend BGH v. 11.7.1953 – II ZR 126/52, BGHZ 10, 187, 194; vgl. auch OLG Dresden v. 31.8.1999 – 13 U 1215/99, AG 2000, 43, 44 sowie zur weiteren Spruchpraxis die umfänglichen Nachweise bei Hüffer, § 108 AktG Rz. 4. 10 So ausdrücklich BGH v. 21.1.1991 – II ZR 144/90, AG 1991, 316, 319; OLG Schleswig v. 16.11.2000 – 5 U 66/99, NZG 2001, 275 = AG 2001, 651.
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wie der Beschluss über die Bestellung einen fehlenden Beschluss über den Anstellungsvertrag zu ersetzen vermag1. Gleichwohl nimmt die Praxis hier (wohl im Bemühen, die Konditionen des Vorstandsanstellungsvertrages auch gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern vertraulich zu behandeln) gelegentlich Unschärfen in Kauf – mit weitreichenden rechtlichen Folgen. 19
Denn ein eventueller Beschlussmangel wird auch durch eine spätere Unterzeichnung des Anstellungsvertrages durch den Aufsichtsratsvorsitzenden nicht geheilt; ein solcher Anstellungsvertrag ist – schlicht – unwirksam2.
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Umgekehrt können auch Vereinbarungen, die der Aufsichtsratsvorsitzende allein abgeschlossen hat, vom Aufsichtsrat im nachhinein nicht stillschweigend oder durch schlüssiges Verhalten genehmigt werden3. Daher hilft auch die Kenntnis der Aufsichtsratsmitglieder davon, dass ein Vorstandsmitglied tätig geworden ist, oder die Kenntnis einzelner Aufsichtsratsmitglieder vom Anstellungsvertrag nichts4.
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Fehlt der Beschluss über den Anstellungsvertrag, so besteht zwischen der Gesellschaft und dem Vorstandsmitglied ein fehlerhaftes Anstellungsverhältnis. Von ihm kann sich die Gesellschaft für die Zukunft jederzeit lösen5. Sie ist insbesondere auch nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben daran gehindert, sich auf die Unwirksamkeit des Anstellungsvertrages zu berufen6. Insbesondere bedarf es nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch nicht – wie bei einer außerordentlichen Kündigung der Fall – des Vorliegens eines wichtigen Grundes7.
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Jedoch kann der Aufsichtsrat ein fehlerhaftes Anstellungsverhältnis durch ausdrücklichen Beschluss auch genehmigen und es auf diesem Wege in ein wirksames, ordentliches Anstellungsverhältnis wandeln8. c) Vertrauensschutz bei fehlerhaftem Anstellungsverhältnis
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Die Interessen betroffener Vorstandsmitglieder berücksichtigt die Rechtsprechung dadurch, dass sie (fehlerhafte) Anstellungsverträge für die Dauer einer tatsächlichen Beschäftigung behandelt, als wären sie wirksam9. Der Bundesgerichtshof verkennt dabei nicht, dass er damit die Gesellschaft wirtschaftlich bindet, obwohl das zuständige Organ einen entsprechenden Beschluss nicht gefasst hat. Den Belangen der Gesellschaft will er jedoch (nur) durch den Regress beim Handelnden (meist der Aufsichtsratsvorsitzende) berücksichtigen. Zudem verspricht er sich hiervon eine Ordnungswirkung10; wörtlich heißt es in der genannten Entscheidung: „Die Möglichkeit dieser Inanspruchnahme mindert zugleich die Gefahr, dass ein Aufsichtsratsvorsitzender bei Abschluss und Ausgestaltung eines Anstellungsvertrages eines Vorstandsmitglieds den Aufsichtsrat beiseite schiebt.“
1 OLG Schleswig v. 16.11.2000 – 5 U 66/99, NZG 2001, 275 = AG 2001, 651. 2 OLG Schleswig v. 16.11.2000 – 5 U 66/99, NZG 2001, 275, 276 = AG 2001, 651. 3 OLG Schleswig v. 16.11.2000 – 5 U 66/99, NZG 2001, 275 = AG 2001, 651; BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 286. 4 Ausdrücklich BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 286. 5 BGH v. 21.1.1991 – II ZR 144/90, AG 1991, 316, 319. 6 Ausdrücklich OLG Schleswig v. 16.11.2000 – 5 U 66/99, NZG 2001, 275, 276 = AG 2001, 651 m.w.N. 7 BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 287, 288. 8 OLG Karlsruhe v. 13.10.1995 – 10 U 51/95, AG 1996, 224, 225. 9 OLG Schleswig v. 16.11.2000 – 5 U 66/99, NZG 2001, 275, 276 = AG 2001, 651. 10 BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 290.
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Bestellung und Anstellung 6. Handelsregistereintragung
Die Bestellung zum Mitglied des Vorstandes und deren Beendigung sind zum Handelsregister anzumelden (§ 81 AktG), wobei die Eintragung nicht konstitutiv ist1. Zuständig dafür ist jedoch nicht der Aufsichtsrat, sondern der Vorstand. Ausreichend ist Handeln in vertretungsberechtigter Zahl2; auch eine unechte Gesamtvertretung mit einem Prokuristen ist möglich3. Die Anmeldung hat die Form des § 12 HGB (öffentliche Beglaubigung) zu beachten. Urkunden zum Nachweis der Veränderung (Niederschrift über den Beschluss des Aufsichtsrates) sind in Urschrift oder beglaubigter Abschrift beizufügen4. Nach neuester Rechtsprechung sind die gleichzeitige Anmeldung der Beendigung der Bestellung eines Vorstandsmitglieds und der Anmeldung einer Neubestellung kostenrechtlich verschiedene Gegenstände5. Die insoweit durch entsprechende Gestaltung nach überkommener Ansicht bestehenden Einsparmöglichkeiten sind daher nicht mehr gegeben.
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IV. Bedingungen 1. Dauer der Anstellung Die Dauer der Anstellung darf grundsätzlich nicht länger vereinbart werden als die Dauer der Bestellung und längstens für fünf Jahre. Eine Anstellung auf unbestimmte Zeit, die in der Praxis gelegentlich anzutreffen ist, wird von der Rechtsprechung im Wege der Auslegung in eine Anstellung für die Dauer der Bestellung bzw. für die gesetzliche Höchstdauer von fünf Jahren umgedeutet6.
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2. Vergütung a) Grundsatz der Angemessenheit der Bezüge Nach § 87 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds (Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art) dafür zu sorgen, dass die Gesamtbezüge in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen7. Dies gilt sinngemäß auch für ein eventuelles Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art. Maßgebend für die Angemessenheit sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Aufsichtsrates. Verändern sich die Umstände während der Laufzeit des Vertrages, trägt dem § 87 Abs. 2 AktG Rechnung (näher Rz. 49 ff.).
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Dieses Gesetzespostulat spiegelt zunächst durch die Auffächerung verschiedenster Vergütungskomponenten die in der Praxis anzutreffende Bandbreite wider, die von der ratierlich gezahlten baren Grundvergütung über gängige Sachbezüge wie den privat genutzten Dienstwagen oder Lebens- und Unfallversicherungsschutz bis hin zu
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1 2 3 4
Vgl. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 81 AktG Rz. 23. BayObLG v. 17.9.2003 – 3 Z BR 183/03, GmbHR 2003, 1356 zur GmbH. Siehe Hüffer, § 81 AktG Rz. 5. § 81 Abs. 2 AktG; zu Einzelheiten vgl. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 81 AktG Rz. 16 ff. 5 BGH v. 21.11.2002 – V ZB 29/02, ZIP 2003, 476. 6 ÖOGH v. 25.5.1999 – 1 Ob 11/99, AG 2001, 100, 102. 7 Soziologische und rechtspolitische Annäherung an die Aufgabenstellung Lutter, ZIP 2006, 733; vgl. auch Lücke, NZG 2005, 692.
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differenzierten Aktienoptionsprogrammen reicht1. Die eigentliche Schwierigkeit für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder birgt freilich die Konkretisierung der Angemessenheit im Einzelfall2. Ziff. 4.2.2 Deutscher Corporate Governance Kodex leistet bei dieser Aufgabe nur geringe Hilfestellung, wenn er postuliert: „Kriterien für die Angemessenheit bilden insbesondere die Aufgaben des jeweiligen Vorstandsmitglieds, seine persönlichen Leistung, die Leistung des Vorstands sowie die wirtschaftliche Lage, der Erfolg und die Zukunftsaussichten des Unternehmens unter Berücksichtigung seines Vergleichsumfeldes.“ Auch die weitere Aussage des Deutschen Corporate Governance Kodexes, dass „sämtliche Vergütungsbestandteile für sich und insgesamt“ angemessen sein müssen (Ziff. 4.2.3 Deutscher Corporate Governance Kodex), ist ebenso richtig wie konturlos, wenn es um den Einzelfall geht. Diese Schwierigkeiten tragen aber keinesfalls die im Schrifttum entwickelten Überlegungen zu Regelhöchstgrenzen in Relation zur Unternehmensgröße3. Sie sind einer freien Marktwirtschaft im allgemeinen und dem Aktienrecht im Besonderen fremd und tragen auch durch ihre nivellierende Wirkung sicher nicht zur angemessenen Vergütung des Einzelfalles bei. 28
Da andererseits Verstöße gegen § 87 AktG aus der Sicht der Aufsichtsratsmitglieder eine persönliche Schadensersatzhaftung gegenüber der Gesellschaft auslösen können4, bedient sich die Praxis zur eigenen Enthaftung5 nicht mehr allein veröffentlichter Marktanalysen6, sondern verbreitet auch der Unterstützung von Personalberatern7 und Juristen8. Das Strafverfahren in Sachen „Mannesmann/Vodafone“9 hat dieser Entwicklung weiter Vorschub geleistet.
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Jedenfalls handelt es sich bei der Bemessung der Vergütung von Vorstandsmitgliedern um eine unternehmerische Entscheidung10. Diese Einordnung hat nach den Grundsätzen der „ARAG-Garmenbeck“-Entscheidung des Bundesgerichtshofes11 zur Folge, dass dem Aufsichtsrat bei der Handhabung des § 87 Abs. 1 AktG ein Beurteilungsspielraum zusteht, der nur eingeschränkt justiziabel ist12. Dies hat auch der dritte Strafsenat des BGH in seiner „Mannesmann/Vodafone“ – Entscheidung respektiert13.
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Im Übrigen darf man sich durch § 87 Abs. 2 AktG nicht zu dem Fehlschluss verleiten lassen, dass der Lage der Gesellschaft unter den vorstehend genannten Kriterien eine 1 Vgl. Weisner/Kölling, NZG 2003, 465 rechte Spalte. 2 Grundlegend zuletzt Thüsing, ZGR 2003, 367 ff. 3 Lücke, Vorstand der AG, 2004, § 2 Rz. 130; zustimmend Fonk, NZG 2005, 248; fortführend Thüsing in Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 6 Rz. 9. 4 Vgl. Hüffer, § 87 AktG Rz. 5. 5 Der Begriff entstammt dem Titel einer grundlegenden Monographie von Bastuk, Enthaftung des Managements, 1986. 6 Vgl. zu den aktuellen Veränderungen Gajo, AG-Report 2007, R 422 f. 7 Zur entlastenden Wirkung von Beratern schon früh RGZ 35, 83, 85. 8 Die Enthaftung durch Einholung von „Rechtsrat durch Juristen“ hat bereits anerkannt RGZ 159, 211, 232. 9 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, ZIP 2006, 72. 10 Vgl. Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 157; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 1994, S. 156 m.w.N. 11 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, AG 1997, 377. 12 Auch in der strafrechtlichen Aufarbeitung des Falles „Mannesmann/Vodafone“ wurde der unternehmerische Ermessensspielraum grundsätzlich respektiert, vgl. BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, ZIP 2006, 72, 73 f. 13 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, ZIP 2006, 72, 73 f.; zutreffend ist allerdings auch die Analyse und Kritik von Hoffmann-Becking, dass der subjektive Tatbestand des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zu knapp gewürdigt wurde, NZG 2006, 127, 128.
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besondere Bedeutung für die Angemessenheit der Vergütung zukomme1. Dass dies nicht der Fall ist, offenbart das Beispiel der Gesellschaft in der Krise, die einen ausgewiesenen Sanierer als Vorstand gewinnen will und muss. Unter solchen Umständen können nach den Marktgesetzen sogar besonders hohe Vergütungen erforderlich – und damit auch angemessen im Sinne des Aktiengesetzes – sein2. b) Fixe und variable Bestandteile der Vergütung von Vorstandsmitgliedern Nach Ziff. 4.2.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex soll die Vergütung fixe und variable Bestandteile enthalten. Die Basis der Vergütung bildet praktisch durchgängig eine „feste“ Vergütung. Sie wird üblicherweise in Form eines Jahresgrundgehaltes vereinbart, das in zwölf ratierlichen Raten entrichtet wird3.
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Dieses Grundgehalt wird ergänzt durch variable Elemente. In welchem Ausmaß diese inzwischen in der Praxis greifen, verdeutlicht ein Blick auf die Volatilität der Vorstandsgehälter der DAX 30, wo die Spanne 2006 zwischen s 37,2 % bis + 85,7 % reichte4. Nach einer Anregung des Deutschen Corporate Governance Kodex sollten hierbei einmalige sowie jährlich wiederkehrende, an den geschäftlichen Erfolg gebundene Komponenten und auch Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung und Risikocharakter zum Einsatz kommen5. Für die letztgenannte Säule der Vergütung kommen Aktienoptionen oder vergleichbare Gestaltungen, wie etwa Phantom Stocks in Betracht6. Die Gestaltungsformen solcher Vergütungselemente sind ebenso mannigfaltig wie die damit verbundenen aktienrechtlichen, steuer- und bilanzrechtlichen Fragenstellungen7. Sie werden später gesondert behandelt (§ 53). Unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung der Angemessenheit der Bezüge können jedenfalls zumindest bei Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder Begrenzungsvereinbarungen („Cap’s“, siehe Ziff. 4.2.3 Deutscher Corporate Governance Kodex) zu einer Empfehlung des Kodexes werden, deren Nichtbefolgung Haftungsrisiken für die Aufsichtsratsmitglieder birgt.
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Aktienoptionen und vergleichbare Gestaltungen waren in den vergangenen Jahren außerordentlich populär8. Nach einer Untersuchung, die auf älteren Erhebungen von Loff beruhte9, setzten 93 % der DAX 30 und 82,1 % der NEMAX-Gesellschaften solche Instrumente ein. Dabei setzten die deutliche Mehrzahl der Unternehmen auf echte Aktienoptionsprogramme und nur eine Minderheit auf virtuelle Instrumente wie Phantom Stocks (DAX 30: 21,4 %, NEMAX: 1,2 %).
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Bei der „klassischen“ erfolgsorientierten Vergütung (Tantieme, Gewinnbeteiligung usw.) hat der Gesetzgeber den Aktiengesellschaften mit dem Transparenz- und Publizitätsgesetz breitere Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Die frühere Beschränkung bei der Vereinbarung von Gewinnbeteiligungen der Vorstandsmitglieder durch § 86
34
1 Exemplarisch die Argumentation des BGH zur Herabsetzung der Vergütung eines GmbH-Geschäftsführers, BGH v. 16.6.1992 – II ZR 99/91, BB 1992, 1583. 2 Vgl. Fonk in FS Semler, 1993, S. 139, 150. 3 Formulierungsbeispiel bei Happ, Aktienrecht, Muster 8.08 S. 862. 4 ManagerMagazin v. 14.9.2007, abrufbar unter www.manager-magazin.de/magazin/artikel/ 0,2828,499031,00. html. 5 Siehe Ziff. 4.2.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex. 6 Beispiele für alle Varianten bei Kessler/Sauter, Handbuch Stock Options, 2003, S. 421 ff. 7 Exemplarisch Kessler/Sauter, Handbuch Stock Options, 2003, passim; Mutter, Auskunftsansprüche des Aktionärs in der HV, 2002, S. 12 ff. 8 So auch der Befund von von Dryander/Schröder, WM 2007, 534. 9 Siehe Sauter/Babel in Kessler/Sauter, Handbuch Stock Options, 2003, S. 26 ff.
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§ 19
Vorstand
AktG ist mit Wirkung zum 26.7.2002 entfallen. Seither setzt das Aktienrecht der Phantasie der Aufsichtsräte bei der Gestaltung von Erfolgsbeteiligungen nur noch die Grenze des § 87 AktG, d.h. die Angemessenheit der Bezüge. 35
In der Praxis finden sich daher zahlreiche Varianten, bei denen an Umsatz, Dividende oder Ergebnis in den verschiedensten Berechnungsvarianten (EBIT, Jahresüberschuss nach HGB usw.) angeknüpft wird. Möglich ist auch die Anknüpfung an eine Steigerung des Unternehmenswertes1, beispielsweise abgebildet durch die Entwicklung des Börsenkurses der Gesellschaft2. Die untergerichtliche Rechtsprechung hat insoweit auch ein Abstellen auf den Börsenkurs einer Konzernobergesellschaft akzeptiert3. Bei Aktiengesellschaften mit Beteiligung von Private Equity-Gesellschaften findet sich auch die Spielart einer Anknüpfung an die Umsetzung bestimmter Geschäftspläne4, wobei sich hier nach den Branchenusancen die erfolgsorientierte Vergütung mitunter auch Phantom Stock-Programmgestaltungen deutlich annähert („Carried Interest“)5. Anzutreffen sind auch unternehmensspezifisch abgeleitete individuelle Ziele für das einzelne Vorstandsmitglied (etwa Aufbau einer bestimmten Produktsparte, Entwicklung einer bestimmten Technologie zur Serienreife, Sanierung eines Geschäftsbereichs usw.)6. Bei der Vereinbarung solcher erfolgsorientierter Vergütungen ist allerdings darauf zu achten, dass diese so präzise formuliert werden, dass sie im Streitfall auch justiziabel ist. Gelingt dies nicht, ist der vorzugswürdigere Weg die Vereinbarung einer Ermessenstantieme7. Sie hat ohnehin aus der Sicht der Aktiengesellschaft den Vorzug, dass sie dem Aufsichtsrat eine flexible und differenzierte Leistungsvergütung ermöglicht8. Ermessenstantiemen sind in zwei Spielarten anzutreffen: Möglich ist sowohl deren vorherige in Aussicht Stellung als auch die ex post-Gratifikation besonderer Leistungen9. Im letzteren Fall ist der Übergang zur Sonderzuwendung fließend.
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Ein auf den ersten Blick verblüffendes Phänomen der Praxis ist schließlich die Vereinbarung von Garantietantiemen10. Zwar kommt eine solche Zusage in der Tat dem Festgehalt gleich. Ihre Rechtfertigung findet sich jedoch meist darin, dass dieses Element der Bezüge nicht „ruhegehaltsfähig“ ist.
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Fragen der Vorstandsvergütung, insbesondere aber Ermessens- und Sondertantiemen, insbesondere in der Ausprägung einer nachträglichen Anerkennungsprämie, werden seit der strafrechtlichen Aufarbeitung des Falles „Mannesmann/Vodafone“11 von Auf1 Spätestens seit der Schaffung gesonderter Rechtsgrundlagen in §§ 192, 193 und 71 AktG für eine Vergütung von Vorstandsmitgliedern in Aktienoptionen durch das KonTraG sollte dies unstreitig sein. Denn der Gesetzgeber hat damit die unternehmenswertorientierte Vergütung nicht nur gebilligt, sondern sogar gezielt gefördert. 2 Zweifelnd im Hinblick auf den hinreichenden Zusammenhang von Börsenkurs und Vorstandsleistung Martens, ZHR 169 (2005), 124, 147. 3 LG München v. 23.8.2007 – 5 HK O 10734/07, DB 2007, 2640 unter wenig überzeugendem Hinweis auf die konzernrechtliche Zulässigkeit von Doppelmandaten. Mit Blick auf § 311 AktG wirft diese Gestaltung m.E. aber eher Fragen nach dem Vorliegen eines konzernrechtlichen Eingriffs, der eventuellen Nachteilszufügung und gegebenenfalls der Ausgleichsfähigkeit auf. 4 Vgl. Traugott/Grün, AG 2007, 761, 762 und 765 ff. 5 Vgl. BAG v. 3.5.2006 – 10 AZR 310/05, DB 2006, 1499. 6 Zu Unrecht zweifelnd Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 87 AktG Rz. 36. 7 Beispiel bei Happ, Aktienrecht, Muster 8.08, S. 862. Umfassend zu allen Einzelfragen Nägele, Der Dienstwagen, 2002. 8 Ebenso Hoffmann-Becking, NZG 1999, 797, 799. 9 Zutreffend Liebers/Hoefs, ZIP 2004, 97, 98 linke Spalte. 10 Vgl. etwa OLG Celle v. 29.8.2007 – 3 U 37/07, AG 2008, 165. 11 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, ZIP 2006, 72.
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§ 19
Bestellung und Anstellung
sichtsräten in der Praxis mit einer gewissen „Scheu“ gehandhabt, die sich erst langsam wieder legt. Zu dieser Zurückhaltung besteht kein Anlass; denn der Bundesgerichtshof hat grundsätzlich die Vertrags(gestaltungs)freiheit des Aufsichtsrates anerkannt. Die schließt Ermessenstantiemen wie auch nachträgliche Anerkennungsprämien ein1. Mit etwas Distanz betrachtet, hat der Bundesgerichtshof die Unternehmenspraxis letztlich nur an zwei einfach zu handhabende Grundsätze erinnert: a) Zahlungen bedürfen im Ausgangspunkt grundsätzlich einer (dienstvertraglichen) Anspruchsgrundlage und b) sie müssen im Einzelfall im Unternehmensinteresse liegen, d.h. einen sachlichen Grund haben. Wie hoch die Rechtsprechung hier ihre Aufgreifschwelle legt, unterstreicht der Umstand, dass der Strafsenat des Bundesgerichtshofes das Unternehmensinteresse nicht allein aus § 87 AktG heraus konkretisiert2, sondern bei Anerkennungsprämien neben einer Anreizwirkung für das betroffene Vorstandsmitglied, auch eine Anreizwirkung für andere und künftige Vorstandsmitglieder und Führungskräfte als mögliche tragfähige Argumente anerkennt3. Dies relativiert meines Erachtens auch die verbreitete und aus aktienrechtlicher Sicht berechtigte Kritik an der Entscheidung4, die sich letztlich aus den unterschiedlichen Sprachund Normwelten von Aktien- und Strafrecht nährt; der Bedeutung der entschiedenen Fragen angemessen und der fachlichen Akzeptanz der Entscheidung dienlich wäre daher eine auch verbal stärkere Berücksichtigung der Spruchpraxis des zweiten Zivilsenates gewesen. Fleischer hat der Entscheidung des Strafsenates eine „Drei-Stufen-Theorie“ zur (straf)rechtlichen Beurteilung von Vorstandsvergütungen entnommen5. Richtig daran ist, dass letztlich zwischen im Dienstvertrag anfänglich vereinbarten (variablen) Vergütungsbestandteilen und nachträglichen Vergütungen differenziert wird. Während die erste Fallgruppe vom Bundesgerichtshof „nur“ an § 87 AktG gemessen wird, differenziert er in der zweiten Fallgruppe zwischen strafbaren und straffreien Fällen nach dem Unternehmensinteresse. Die Kautelarpraxis stellt sich daher die Frage nach entsprechenden Vorkehrungen im Dienstvertrag6. So verlockend es aber auf den ersten Blick erscheinen mag, mittels entsprechender „Vorrats“-Klauseln zugunsten eventueller künftiger, nachträglicher Zuwendungen7 von der zweiten in die erste Fallgruppe zu migrieren, so wenig Erfolg dürfte dem im Ergebnis (vor den Strafgerichten) beschieden sein. Denn diese werden wohl kurzerhand die vom BGH zur Differenzierung innerhalb der zweiten Fallgruppe entwickelten Abschichtungen anhand des Unternehmensinteresses auf „ob“ und „wie“ der Anwendung solcher Kautelen erstrecken8. Nimmt man die von Bauer/Arnold aufgezeigte Gefahr hinzu, dass entsprechende Klauseln von Gerichten als Leistungsbestimmungsrechte im Sinne von § 315 BGB (miss)verstanden werden könnten9, ist von der Aufnahme von „Mannesmann/Voda-
1 Ebenso die Entscheidungsexegese durch Spindler, ZIP 2006, 349, 351 und Kort, NZG 2006, 131, 133; kritisch hinsichtlich der aktienrechtlichen Beurteilung Martens, ZHR 169 (2005), 124, 131 ff. 2 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, ZIP 2006, 72, 73 f. 3 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, ZIP 2006, 72, 75. 4 Exemplarisch Spindler, ZIP 2006, 349; Hoffmann-Becking, NZG 2006, 127; Kort, NZG 2006, 131, Fonk, NZG 2006, 813; Peltzer, ZIP 2006, 205; Fleischer, DB 2006, 542. 5 DB 2006, 542, 543. 6 Bauer/Arnold, DB 2006, 546, 547. 7 Exemplarisch Peltzer, ZIP 2006, 205, 207. 8 Mutter/Frick, AG-Report 2006, R 224; Spindler, ZIP 2006, 349, 354. 9 DB 2006, 546, 547.
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§ 19
Vorstand
fone“-Klauseln abzuraten1. Denn die Begründung eines klagbaren Anspruchs auf eine „angemessene“ Sonderzahlung wäre ein zu hoher Preis für den marginalen Gewinn an Rechtssicherheit zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder. c) Nebenleistungen 39
Im Normalfall stellen Aktiengesellschaften ihren Vorstandsmitgliedern Dienstwagen zur uneingeschränkten Privatnutzung2. Das Vorstandsmitglied trägt regelmäßig lediglich die Steuern des Sachbezuges. Die Verbreitung dieses Vergütungselements erklärt sich durch die (noch bestehende) steuerliche Privilegierung. Typischerweise enthalten die Anstellungsverträge von Vorstandsmitgliedern Aussagen zur Art des Fahrzeuges („Oberklasse“), Preisrahmen, Ausstattungen oder Wechselturnus. Insbesondere bei größeren Aktiengesellschaften werden diesbezügliche Vereinbarungen auch durch Abreden über die Stellung von Fahrern durch die Gesellschaft ergänzt.
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Nicht vergleichbar verbreitet ist die Überlassung von Immobilien („Dienstvilla“) durch die Gesellschaft3. Sie kommt aber ebenso vor wie die Ausstattung privater Immobilien von Vorstandsmitgliedern mit Sicherungseinrichtungen4. Nach einer Auffassung in der Literatur soll die Gesellschaft bei entsprechender Gefährdungslage hierzu auch ohne gesonderte Vereinbarung im Anstellungsvertrag verpflichtet sein5. d) Krankheit, Tod oder Unfall
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Überwiegend erhalten Vorstandsmitglieder einige Monate Fortzahlung der Bezüge bei Krankheit, Tod oder Unfall6. Dieses Netz wird meist verstärkt durch die anstellungsvertragliche Zusage von Lebens- und Unfallversicherungen. In der diesbezüglichen Absicherung der Vorstandsmitglieder bestehen allerdings größenspezifische Unterschiede7. e) D&O-Versicherung
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Die Zusage der Gewährung von Versicherungsschutz für Haftpflichtfälle (D&O-Versicherung) (vgl. unten § 22 Rz. 107 ff.) findet sich inzwischen regelmäßig8 in Anstellungsverträgen von Vorstandsmitgliedern. Angesichts der Tendenz der Anbieter solcher Versicherungen, den Deckungsumfang einzuschränken9 und/oder die Prämien (teilweise um ein mehrfaches) anzuheben10, können solche Zusagen für die Aktiengesellschaften nicht unproblematisch werden. Denn sie bergen die Gefahr nicht oder nur zu unverhältnismäßigen Kosten erfüllt werden zu können, wobei im Falle der Nichterfüllung Sekundäransprüche des Vorstandsmitglieds sowie dessen Amtsniederlegung oder Kündigung drohen11. 1 So auch bereits Mutter/Frick, AG-Report 2006, R 224. 2 Zu Einzelfragen siehe Nägele, Der Dienstwagen, 2002. Formulierungsbeispiel für den Anstellungsvertrag bei Happ, Aktienrecht, Muster 8.08, S. 862. 3 Beispiel bei Happ, Aktienrecht, Muster 8.08, S. 862. 4 Vgl. OLG Naumburg v. 30.11.1998 – 11 U 22/98, NZG 1999, 353 (LG Magdeburg). 5 Siehe Fleischer, WM 2003, 1045, 1056; m.E. zweifelhaft. 6 Beispiel bei Happ, Aktienrecht, Muster 8.08, S. 862. 7 Vgl. Tänzer, GmbHR 2003, 754, 756. 8 Vgl. Schmitz/Glöckner, AG-Report 2003, R 206, 208. 9 Siehe Schilling, VW 2003, 1183. 10 Es sollen Prämienanhebungen von 300 bis 500 % zu beobachten sein; vgl. Schmitz/Glöckner, AG-Report 2003, R 206, 208; Kiethe, BB 2003, 537. 11 Deilmann, NZG 2005, 54, 55 f.
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§ 19
Bestellung und Anstellung f) Publizität der Vorstandsvergütung
Die Publizität der Vorstandsvergütung wurde mit dem Vorstandsvergütungsoffenlegungsgesetz auf eine neue Grundlage gestellt1, die angesichts der aktuellen politischen Diskussion wohl absehbar zum Zwischenschritt werden wird. Entgegen der Bezeichnung des Gesetzes erfolgte die Neuregelung nicht durch gesondertes Gesetz, sondern durch Anpassung der bestehenden aktien- und handelsbilanzrechtlichen Regelungen. Im Rahmen der Rechnungslegung finden sich die maßgebenden Bestimmungen zur Offenlegung der Vorstandsbezüge daher unverändertin § 285 Nr. 9 HGB für den Jahresabschluss2 der Aktiengesellschaft und in § 314 Abs. 1 Nr. 6 HGB für den Konzernabschluss. Es handelt sich hierbei teils um aggregierte Angaben, teils bei börsennotierten Aktiengesellschaften um individuelle Angaben betreffend das einzelne Vorstandsmitglied. Die Hauptversammlung börsennotierter Gesellschaften kann allerdings durch einen so genannten „opt-out“-Beschluss die individuelle Offenlegung abbedingen (§ 286 Abs. 5 HGB)3. Dieser Beschluss kann aber nur mit einer Mehrheit von 3/4 des vertretenen Grundkapitals und längstens für die Dauer von 5 Jahren gefasst werden. Danach bedarf es ggf. einer neuen Beschlussfassung.
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Entgegen der Erwartung namhafter Stimmen in der Literatur4, dass die Praxis dies kaum nutzen werde, ist der empirische Befund heute ein anderer. Über 30 % der Aktiengesellschaften haben einen Beschluss gefasst, ihre Vorstandsbezüge nicht individualisert offenzulegen5. Die Einzelfragen, welche die neuen gesetzlichen Rechnungslegungsbestimmungen aufwerfen, sind zwar vielschichtig6. Sie werden sich aber für die Rechtspraxis durch den am 7.12.2007 verabschiedeten Deutschen Rechnungslegungs Standard DRS 17 abschichten, der auf gut 35 Seiten wesentliche Fragen behandelt7; amtlich bekannt gemacht durch das Bundesministerium der Justiz gemäß § 342 HGB am 3.4.2008. Er wird auch das zwischenzeitlich erschienene Schrifttum in seiner Bedeutung relativieren8, einige rechtspolitisch sensiblere Themen, wie etwa die jährliche Neubewertung von Aktienoptionen und aktienkursorientierten Vergütungselementen entsprechend IFRS 29, nicht ausräumen. Sofern angesichts der eingehenden Beratung des Standards Kritik im Vorfeld erster Anwendung geäußert werden kann, hat sich diese gegen die in Tz. A 47 der Begründung des Standards verfochtene Beweislastumkehr zu richten, wonach im Rahmen der Rechnungslegung auch jegliche Drittvergütungen offenzulegen seien, bei denen „sich ein Zusammenhang mit dem Aufgabenbereich als Vorstand nicht ausschließen lässt“. Das ist im HGB so m.E. nicht angelegt; dem Gesetz genügte jene Drittvergütungen anzugeben, bei denen ein Zusammenhang mit der Vorstandstätigkeit besteht.
1 Grundlegend Thüsing, ZIP 2005, 1389 ff. 2 Zu Einzelheiten siehe Merkt in Baumbach/Hopt, § 285 HGB Rz. 9. 3 Vgl. Thüsing, ZIP 2005, 1389. Für einen solchen Beschluss können gewichtige Gründe streiten; vgl. Mutter, AG-Report 2005, R 333 mit einem Formulierungsvorschlag für den Beschluss der Hauptversammlung. 4 Baums, ZHR 169 (2005), 299, 308. 5 Ausführliche Zahlen bei Bayer/Renner, AG-Report 2007, R 532 f. 6 Zu Einzelheiten jüngst Hohenstatt/Wagner, ZIP 2008, 949 ff. 7 Derzeit in der Fassung am 7.12.2007 beschlossenen Fassung abrufbar unter www.standardsetter.de. 8 Etwa Leuering/Simon, NZG 2005, 945; Fleischer, NZG 2006, 561, 563 ff.; Liese, DB 2007, 209. 9 Dazu näher Thüsing in Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 6 Rz. 111.
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43a
§ 19
Vorstand
43b
Diese Publizität der Vorstandsdienstverträge im Anhang von Konzern- und Jahresabschluss wird ergänzt durch die Erläuterungen im Lagebericht nach §§ 289 Abs. 2 Nr. 5, 315 Abs. 2 Nr. 4 HGB, die börsennotierten Aktiengesellschaften die Darstellung der „Grundzüge des Vergütungssystems“ auferlegen. Was er damit genau erwartet, hat der Gesetzgeber im Gesetz selbst nicht deutlich werden lassen; hieran setzt auch berechtigte Kritik im Schrifttum an1. Dessen Überlegungen, diese Vakanz durch Anleihen im US-amerikanischen oder britischen Recht zu überbrücken, überzeugen nicht. Näher liegt dem deutschen Recht die Befruchtung durch die bewährte Praxis der Berichterstattung aufgrund Ziff. 4.2.5 Deutscher Corporate Governance Kodex.
43c
Eine dritte Säule der Publizität der Vorstandsverträge bilden im Rahmen der Rechnungslegung schließlich die Angaben nach §§ 289 Abs. 4 Nr. 8 und Nr. 9, 315 Abs. 4 Nr. 8 und 9 HGB in den Lageberichten. Diese übernahmerechtlich motivierten Bestimmungen verpflichten zur Offenlegung relevanter Vereinbarungen, insbesondere vereinbarter Change of Control-Klauseln (siehe § 20 Rz. 3) und den sich daraus ableitenden Entschädigungsvereinbarungen. Einzelheiten werden für die Belange der Praxis durch den Deutschen Rechnungslegungs Standard Nr. 15a konkretisiert2.
43d
Diese Angaben werden wiederum ergänzt durch den nach § 120 Abs. 3 Satz 2 AktG zu erstattenden (schriftlichen) Bericht des Vorstandes, welcher der Hauptversammlung vorzulegen ist. Entgegen dem Gesetzeswortlaut kann dieser Bericht gesondert oder durch Einbettung in die Lageberichte erstattet werden3.
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Neben diese Bestimmungen zur Rechnungslegung treten die einschlägigen Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex, die sich aufgrund der Reformen des Bilanz- und Aktienrechts der letzten drei Jahre weitgehend sinnentleert haben und zur Vermeidung von Doppelangaben im Rahmen der Corporate Governance Berichterstattung zeitnah aufgegeben werden sollten. Dies gilt insbesondere für die Behandlung der Grundzüge der Vorstandsvergütung, die nach Ziff. 4.2.5 im Corporate Governance Bericht nach Ziff. 3.10 (zusätzlich) geschehen muss.
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Auch die nach Ziff. 4.2.3 letzter Absatz des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Hauptversammlung durch den Vorsitzenden des Aufsichtsrates vorzunehmende Berichterstattung über die Grundzüge des Vergütungssystems und deren Veränderung hat sich im Grunde überholt. Zudem schneiden sich diese Ausführungen seit dem Rückbau des § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG mit den Erläuterungen des Vorstandes nach § 176 Abs. 1 i.V.m. §§ 175 Abs. 2, 120 Abs. 3 Satz 2 AktG. Erste Erfahrungen mit Jahresabschlüssen und Hauptversammlungen der letzten Monate zeigen, dass die meisten Gesellschaften unter den gegebenen Rahmenbedingungen zur Vereinfachung und Vermeidung von vermeintlichen Widersprüchen schlichtweg auf breiter Front wörtliche Dopplungen vornehmen.
46
Diese vielfältigen Informationen der Aktionäre werden in der Hauptversammlung ergänzt durch deren Fragerecht aus § 131 AktG4. Hiervon wird in der Praxis nicht nur
1 Etwa Thüsing, ZIP 2005, 1389, 1393. 2 Amtlich bekanntgemacht gemäß § 342 Abs. 2 HGB am 3.4.2008. 3 Vgl. Neye, BB 2007, 389, 390 (dort Fn. 21); Horn/Parameswaran, NZG 2007, 248; Mutter, AGReport 2007, R 109. 4 Näher dazu Mutter, Auskunftsansprüche des Aktionärs in der HV, 2002, S. 82 f.; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 211 ff.
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Mutter
§ 19
Bestellung und Anstellung
rege Gebrauch gemacht. Seine Konkretisierung beschäftigt auch die Gerichte1. Grundsätzlich gilt hierbei, dass Auskünfte nicht erteilt werden müssen, soweit die betreffenden Angaben bereits in den nach oder entsprechend § 175 Abs. 2 AktG auszulegenden Unterlagen enthalten sind2. Eine weitere Einschränkung erfährt § 131 AktG schließlich durch „opt out“-Beschlüsse der Hauptversammlung nach §§ 286 Abs. 5, 314 Abs. 2 Satz 2 HGB zur Nichtoffenlegung individualisierter Vorstandsbezüge. Sie können und dürfen durch das Auskunftsrecht nicht ausgehebelt werden. Hier hat daher die tradierte Rechtsprechung3 weiter Bestand, wonach Auskünfte zu den Bezügen einzelner Vorstandsmitglieder nicht erteilt zu werden brauchen4.
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Die Rechtsprechung hat auch bei der Frage nach den Bezügen, die Tochtergesellschaften an Vorstandsmitglieder zahlen, Beirats- und Aufsichtsratsämter eingeschlossen, einen Auskunftsanspruch angenommen5.
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g) Herabsetzung von Vorstandsvergütungen Eine Besonderheit des deutschen Aktienrechts ist die Aufgabe des allgemeinen Grundsatzes „pacta sund servanda“ durch § 87 Abs. 2 AktG. Danach können auch vertraglich vereinbarte Bezüge eines Vorstandsmitglieds durch eine einseitige Erklärung des Aufsichtsrates herabgesetzt werden6.
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Voraussetzungen einer Herabsetzung sind materiell eine „wesentliche Verschlechterung in den Verhältnissen der Gesellschaft“ und eine hierdurch entstehende „schwere Unbilligkeit“ für die Gesellschaft. Literatur und Rechtsprechung sind bei der Annahme dieser Umstände zurückhaltend7. In formeller Hinsicht bedarf es eines Beschlusses des Aufsichtsrates8 und der Abgabe einer entsprechenden Gestaltungserklärung gegenüber dem betroffenen Vorstandsmitglied.
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Das Vorstandsmitglied kann sich gegen unberechtigte Herabsetzungen seiner Vergütung durch Klage auf richterliche Bestimmung der angemessenen Herabsetzung oder Klage auf Zahlung seiner bisherigen Vergütung verteidigen9. Aber auch eine berechtigte Herabsetzung seiner Bezüge braucht der Betroffene nicht hinzunehmen. § 87 Abs. 2 Satz 3 AktG eröffnet ihm die Möglichkeit, sein Anstellungsverhältnis au-
51
1 LG Dortmund v. 1.10.1998 – 20 AktE 8/98, AG 1999, 133; OLG Düsseldorf v. 26.6.1997 – 19 W 2/97 AktE, AG 1997, 520; LG Köln v. 18.12.1996 – 91 O 147/96, AG 1997, 188; LG Berlin v. 17.1.1990 – 98 AktE 10/89, AG 1991, 34; OLG Düsseldorf v. 5.11.1987 – 19 W 6/87, AG 1988, 53; LG Dortmund v. 19.2.1987 – 18 AktE 2/86, AG 1987, 189; LG Dortmund v. 26.8.1983 – 18 AktE 1/83, AG 1984, 83; BayObLG v. 25.6.1975 – BReg. 2 Z 15/75, AG 1975, 325; BGH v. 23.11.1961 – II ZR 4/60, AG 1962, 51; OLG Hamm v. 3.11.1959 – 8 U 134/58, AG 1960, 198; LG Detmold v. 28.3.1958 – O 223/57, AG 1959, 140. 2 Siehe Bürgers/Israel in Bürgers/Körber, § 87 AktG Rz. 18; Zöllner, AG 2000, 145, 152. 3 OLG Düsseldorf v. 26.6.1997 – 19 W 2/97 AktE, AG 1997, 520; LG Dortmund v. 1.10.1998 – 20 AktE 8/98, AG 1998, 133; LG Berlin v. 17.1.1990 – 98 AktE 10/89, AG 1991, 34, 36. 4 Anders Wandt, DStR 2006, 1460, 1462. 5 Siehe OLG Düsseldorf v. 5.11.1987 – 19 W 6/87, AG 1988, 53; a.A. noch LG Dortmund v. 19.2.1987 – 18 AktE 2/86, AG 1987, 189. 6 Dogmatisch handelt es sich hierbei wohl um ein einseitiges Gestaltungsrecht, vgl. Weisner/ Kölling, NZG 2003, 465, 467. 7 Vgl. OLG Naumburg v. 16.4.2003 – 5 U 12/03, DB 2004, 178 f.; Hüffer, § 87 AktG Rz. 6; Wiesner in MünchHdb. AG, § 21 Rz. 33; Weisner/Kölling, NZG 2003, 465, 466 m.w.N. 8 Aufgrund der fehlenden Nennung des § 87 Abs. 2 AktG in § 107 AktG soll diese Entscheidung auch auf einen Ausschuss delegiert werden können; vgl. Hüffer, § 87 AktG Rz. 7. 9 Näher Weisner/Kölling, NZG 2003, 465, 467 f.
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§ 19
Vorstand
ßerordentlich zu kündigen. Daneben wird in der Literatur für den Fall unberechtigter Herabsetzung die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB diskutiert, um den Betroffenen die Möglichkeit zu eröffnen, aufgrund § 628 Abs. 2 BGB Schadensersatz – d.h. praktisch die Auszahlung des Dienstvertrages – zu verlangen1. 52
Insgesamt dürfte die schon bislang geringe praktische Bedeutung der Bestimmungen über die Herabsetzung der Vergütung von Vorstandsmitgliedern durch den Trend2 zur Betonung variabler Vergütungselemente weiter abnehmen. 3. Wettbewerbsverbot
53
Nach § 88 AktG unterliegen Vorstandsmitglieder einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot3. Regelungsgegenstand und -zweck sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes „der Schutz der Gesellschaft vor Wettbewerbshandlungen und vor anderweitigem Einsatz der Arbeitskraft der Vorstandsmitglieder“4. Daneben dient das gesetzliche Wettbewerbsverbot auch der Konkurrenzverhütung5, D.h. der Vorstand soll und darf Geschäftschancen der Gesellschaft nicht an sich ziehen6.
54
Das gesetzliche Wettbewerbsverbot gilt nach dem Gesetz für „Vorstandsmitglieder“. Daher ist streitig, ob maßgebend die Dauer der Anstellung oder der Bestellung ist7. Unproblematisch ist dies, wenn die Bestellung widerrufen und die Anstellung durch Kündigung beendet wird8. Relevant wird diese Frage, wenn zwar die Bestellung beendet, nicht aber das Anstellungsverhältnis gekündigt wird (etwa wegen Verstreichens der Frist aus § 626 Abs. 2 BGB). Die Rechtsprechung hat hier jedenfalls dann das Fortbestehen des Wettbewerbsverbotes angenommen, wenn die Gesellschaft vertragskonform die Vergütung fortzahlt9.
55
Inhaltlich bezieht sich das Wettbewerbsverbot „nur“ auf den konkreten Tätigkeitsgegenstand der Gesellschaft selbst10, nicht aber den zugehörigen Konzern11. Davon zu unterscheiden ist eine Wettbewerbstätigkeit im Gegenstandsbereich der Gesellschaft durch Wahrnehmung eines Doppelmandates im Konzern. Hier gilt uneingeschränkt § 88 AktG12.
1 Vgl. Weisner/Kölling, NZG 2003, 465, 468, die zutreffend hervorheben, dass ein solches Vorgehen erhebliche (Prozess)Risiken bergen kann. 2 Auch getragen durch die Empfehlungen und Anregungen des Deutschen Corporate Governance Kodex aus Ziff. 4.2.3. 3 Zu Einzelheiten vgl. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 88 AktG Rz. 7 ff. 4 BGH v. 2.4.2001 – II ZR 217/99, DB 2001, 1189 = AG 2001, 468; BGH v. 17.2.1997 – II ZR 278/95, DB 1997, 1271 = AG 1997, 328. 5 BGH v. 2.4.2001 – II ZR 217/99, DB 2001, 1189 = AG 2001, 468. 6 Näher Verse in Krieger/Uwe H. Schneider, Handbuch Managerhaftung, 2007, § 20. 7 Exemplarisch Hüffer, § 88 AktG Rz. 2 gegen Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 88 AktG Rz. 8. 8 Vgl. aus der Rechtsprechung OLG Frankfurt v. 5.11.1999 – 10 U 257/98, AG 2000, 518, 520. Nach dessen Ansicht endet das Wettbewerbsverbot in diesem Fall übrigens auch dann, wenn zwischen den Beteiligten die Wirksamkeit der Beendigung streitig ist. 9 Vgl. OLG Frankfurt v. 5.11.1999 – 10 U 257/98, AG 2000, 518, 519. 10 Der Gegenstand des Unternehmens bestimmt sich nicht allein nach der Satzung, sondern auch nach dem tatsächlichen Geschäftsfeld; so schon RG v. 19.12.1924 – III 144/24, RGZ 109, 355 f. 11 OLG Frankfurt v. 5.11.1999 – 10 U 257/98, AG 2000, 518, 519. 12 Siehe OLG Köln v. 24.11.1992 – 22 U 72/92, AG 1993, 86, 89.
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§ 19
Bestellung und Anstellung
Erlaubt bleibt dem Vorstandsmitglied hingegen seine private Vermögensanlage. Nach der Rechtsprechung soll dies selbst dann gelten, wenn es in Bereichen investiert, in denen auch die Gesellschaft tätig ist1.
56
Wird gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot verstoßen, kann die Gesellschaft wahlweise in getätigte Geschäfte nach § 88 Abs. 2 Satz 1 AktG eintreten2 oder nach §§ 93 Abs. 2, 88 Abs. 2 Satz 1 AktG Schadensersatz verlangen. Daneben kommt gegebenenfalls auch eine Beendigung von Bestellung und Anstellung aus wichtigem Grund (§ 84 Abs. 3 AktG) in Betracht3.
57
Wettbewerbshandlungen sind jedoch zulässig, wenn der Aufsichtsrat durch Beschluss vorab seine Einwilligung erteilt hat. Diese zeitliche Abfolge ist strikt zu beachten. Denn einer nachträglichen Zustimmung des Aufsichtsrats steht nach der Literatur § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG entgegen4. Nach § 88 Abs. 1 Satz 3 AktG können Einwilligungen auch nur für konkrete Einzelfälle erteilt werden. „Blankoermächtigungen“ sind daher keine „flexible“ Handhabung, sondern schlicht unwirksam5.
58
Häufig wird in Anstellungsverträgen das gesetzliche Wettbewerbsverbot durch ein vertragliches Wettbewerbsverbot ergänzt6. Letzteres reicht oftmals in sachlicher (etwa Einbeziehung des Konzerns) oder zeitlicher Hinsicht (nachvertragliches Wettbewerbsverbot) über das Gesetz hinaus7. Auch werden mitunter Wettbewerbsverbote vertragsstrafenbewehrt8.
59
4. Nebentätigkeit In sachlicher Nähe zum Wettbewerbsverbot steht die Nebentätigkeit von Vorstandsmitgliedern. Sie kann, muss aber nicht wettbewerblichen Charakter haben. Der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt in Ziff. 4.3.5 Nebentätigkeiten nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates zuzulassen. Dies entspricht m.E. bereits gängiger Vertragspraxis9. In sorgfältiger verhandelten Verträgen finden sich neben diesbezüglichen Abwehrklauseln auch positiv formulierte Nebentätigkeitspflichten auf Verlangen des Aufsichtsrates. Hierbei kann es sich sowohl um konzerninterne Ämter als auch um Funktionen in Verbänden und Selbstverwaltungseinrichtungen der Wirtschaft handeln. Ein wesentlicher Gegenstand solcher Regelungen ist auch die Frage einer Anrechnung eventueller Vergütungen aus Nebentätigkeiten auf Vergütungen aus dem Hauptamt.
60
5. Urlaub Das Bundesurlaubsgesetz gilt nach seinem § 2 nicht für Vorstandsmitglieder. Diese haben daher keinen spezialgesetzlichen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Vorstandsanstellungsverträge enthalten jedoch regelmäßig entsprechende Regelungen10. Hierbei werden die Vorstandsmitglieder meist verpflichtet, die Inanspruchnahme untereinander oder mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden abzustimmen oder grundsätzlich telefonisch erreichbar zu bleiben. Fehlen entsprechende Vereinbarun1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
BGH v. 17.2.1997 – II ZR 278/95, AG 1997, 328. Beispiel: BGH v. 2.4.2001 – II ZR 217/99, DB 2001, 1189 = AG 2001, 468 (erfolglos). Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 88 AktG Rz. 37. Siehe Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 88 AktG Rz. 25. Vgl. Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1270. Formulierungsbeispiel bei Happ, Aktienrecht, Muster 8.08, S. 862. Zu Gestaltungsgrenzen Bauer/Diller, DB 1997, 94; Thüsing, NZG 2004, 9. Siehe Fischer/Harth/Meyding, BB 2000, 1097, 1099. Vgl. Happ, Aktienrecht, Muster 8.08, dort § 2. S. Happ, Aktienrecht, Muster 8.08, dort § 7.
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§ 19
Vorstand
gen ausnahmsweise, wird man meines Erachtens meist über die Anwendung von § 612 Abs. 2 BGB zu einem an § 3 Abs. 1 BUrlG orientierten Urlaub von 24 Werktagen kommen. Insbesondere in kleineren, international geprägten Aktiengesellschaften kann sich aber auch eine geringere Zahl von Tagen als „üblich“ erweisen. 6. Auflösungsklauseln 62
Am Markt umworbene Vorstandsmitglieder vermögen in den Vertragsverhandlungen mit dem Aufsichtsrat attraktive Auflösungsklauseln durchzusetzen, die sie unter bestimmten Voraussetzungen berechtigen, den Anstellungsvertrag außerordentlich zu kündigen und die Abgeltung der kapitalisierten Gesamtbezüge zu verlangen. Gelegentlich sind auch darüber hinausgehende Zusatzabfindungen zu beobachten. Sie sollen nach einer Ansicht im Schrifttum abhängig von der Tätigkeitsdauer zwischen 0,5 und 2 Jahresgehälter betragen können1. Richtigerweise verbieten sich jedoch starre Regeln. Vielmehr sind auch derartige Abreden an der Angemessenheit der Bezüge nach § 87 Abs. 1 AktG im Einzelfall zu messen. In der Sache knüpfen solche Klauseln beispielsweise an Veränderungen im Aktionärskreis („Change of Control“) an2. Dies ist aus der Sicht des Vorstandsmitglieds legitim; denn es besteht nachhaltig ein Unterschied in den Gestaltungsmöglichkeiten für einen Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft im Streubesitz und dem Vorstand einer faktisch oder vertraglich konzerngebundenen Gesellschaft3. Nach einer neueren Studie4 verfügt etwa die Hälfte der DAX 30-Gesellschaften über Vorstandsdienstverhältnisse mit entsprechenden Klauseln, wobei Zahlungen überwiegend nur geleistet werden, wenn auch das Vorstandsamt beendet wird. Die bloße Veränderung im tatsächlichen Arbeitsumfeld löst hingegen regelmäßig noch keine Zahlungen aus. Für die Vertragsgestaltung schlagen Bauer/Krets ein Abstellen auf das Über- oder Unterschreiten bestimmter Schwellen nach §§ 21 f. WpHG oder auf einen Kontrollerwerb nach § 29 Abs. 2 WpÜG vor5. Im Übrigen ist bei der Gestaltung solcher Klauseln ggfs. die neue Empfehlung aus Ziff. 4.2.3 Deutscher Corporate Governance Kodex in der Fassung vom 6.6.2008 zur Begrenzung von Abfindungen zu beachten (siehe auch § 20 Rz. 3). Die Formulierung von Klauseln zur uneingeschränkten Umsetzung der neuen Empfehlung bereitet aktienrechtlich Probleme, da eine Begrenzung von Abfindungsansprüchen, d.h. implizit ein Ausschluss von an sich bestehenden vertraglichen Ansprüchen, dort Probleme bereitet, wo man weder einen wichtigen Grund zu Beendigung des Dienstverhältnisses noch zur Beendigung der Organstellung hat (zur Unterscheidung vgl. Rz. 6). Versuche der Praxis, wirksame Klauseln zur Kodexumsetzung zu entwickeln6, sind daher zwangsläufig mit gewissen Modifikationen verbunden, die kapitalmarktrechtlich die Frage aufwerfen, ob trotz besten Bemühens um eine Umsetzung der Empfehlung eine Einschränkung der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG erfolgen muss, welche 1 Vgl. Bauer/Krets, DB 2003, 811, 816. 2 Eingehend dazu Dreher, AG 2002, 214 ff. 3 Dies wird häufig bei der Anwendung der „Mannesmann“-Rechtsprechung auf solche Klauseln verkannt; vgl. Traugott/Grün, AG 2007, 761, 766. 4 Dorrwächter/Trafkowski, NZG 2007, 846, 847. 5 Bauer/Krets, DB 2003, 811, 816; kritisch diesbezüglich Dreher, AG 2002, 214, 218 mit dem zutreffenden Hinweis, dass es in der Praxis entscheidend auf die faktischen Hauptversammlungsmehrheiten ankomme, auf die aber in diesen Bestimmungen nicht abgestellt werde. Ungeachtet der Berechtigung dieses Einwands streitet für den Vorschlag von Bauer/Krets die Rechtssicherheit und Handhabbarkeit. 6 Bauer/Arnold, BB 2008, 1692, 1695.
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§ 19
Bestellung und Anstellung
dann nach Ziff. 3.10 Deutscher Corporate Governance Kodex – wenig „schön“ für die Regierungskommission – mit der fehlenden Aktienrechtskonformität des Kodex zu begründen wäre. Letzteres wäre allerdings nicht neu – Ziff. 4.3.4 letzter Satz Deutscher Corporate Governance Kodex übersieht schon seit vielen Jahren § 112 AktG. Unter dem zuletzt genannten Gesichtspunkt bieten im Einzelfall Aufsichtsräte in Vertragsverhandlungen auch aktiv entsprechende Klauseln an. So eingesetzt, handelt es sich bei Auflösungsklauseln um ein klassisches Verteidigungsmittel gegen feindliche Übernahmen, dessen Zulässigkeit in der Literatur umstritten ist1. Wie jede „pre-bid defence“ wirft ein solches Vorgehen jenseits der konkreten Fragen nach der Angemessenheit im Sinne des § 87 AktG2 und der Vereinbarkeit mit der Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrates nach § 84 AktG auch die grundsätzliche Frage auf, ob es die Sache von Vorstand und Aufsichtsrat ist, mit Mitteln der Gesellschaft über die Zusammensetzung des Aktionärskreises zu befinden3. Insoweit ist mit Blick auf §§ 33 ff. WpÜG eine differenzierte Betrachtung geboten, die auch zu berücksichtigen hat, ob die Gesellschaft von der „opt out“-Möglichkeit nach § 33a WpÜG Gebrauch gemacht hat.
63
Nicht regelbar ist eine Abfindungszahlung bei außerordentlicher Kündigung durch die Gesellschaft. Sie ist nichtig4. 7. Kredite der Gesellschaft Nach § 89 AktG bedürfen Kredite an Vorstandsmitglieder, deren Ehegatten, Lebenspartner5 und minderjährigen Kindern eines Beschlusses des Aufsichtsrates6. Unter Kredit im Sinne dieser Bestimmung fallen jegliche Formen der Kreditgewährung, also auch Bürgschaften und Garantien7.
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Um wirtschaftliche Umgehungen zu unterbinden, erstreckt § 89 Abs. 2 AktG das Beschlusserfordernis auch auf Kredite abhängiger bzw. herrschender Unternehmen. Gleiches gilt für Kredite an einen auf Rechnung des Vorstandsmitgliedes, seines Ehegatten, Lebenspartners oder minderjährigen Kindes Handelnden (§ 89 Abs. 3 AktG). Aus gleichem Grunde werden bei personeller Verflechtung auch Kredite an dritte Gesellschaften erfasst (§ 89 Abs. 4 AktG).
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Der Beschluss des Aufsichtsrates darf nur für einen bestimmten Kredit und längstens drei Monate im voraus gefasst werden (§ 87 Abs. 1 Satz 2 AktG). Der Beschluss hat auch die Verzinsung und die Rückzahlung zu regeln.
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Wird ein Kredit unter Verstoß gegen diese Erfordernisse gewährt, ist er stets sofort zurückzugewähren, es sei denn, der Aufsichtsrat stimmt nachträglich zu. Für einen der Gesellschaft durch die Kreditgewährung entstandenen Schaden (zum Beispiel eine Zinsdifferenz zwischen dem Organkredit und den Kreditlinien der Gesellschaft) haftet das Vorstandsmitglied gegebenenfalls nach Maßgabe von § 93 Abs. 3 Nr. 8 AktG8.
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1 Etwa Bauer/Krets, DB 2003, 811, 816 gegen Michalski, AG 1997, 152, 160. 2 Am parallelen Bestehen der Schranken aus §§ 87 und 84 AktG zweifelnd Dreher, AG 2002, 214, 217. 3 Vgl. Hopt, ZGR 2002, 333, 360 ff. 4 BGH v. 17.3.2008 – II ZR 239/06, ZIP 2008, 1114. 5 Vgl. § 1 PartGG. 6 Etwas anderes gilt nur für Kreditinstitute, bei denen nach § 89 Abs. 6 AktG die Bestimmungen des KWG über Organkredite gelten. 7 Allg. Ansicht; statt aller Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 89 AktG Rz. 14. 8 Näher Hüffer, § 93 AktG Rz. 22 f.
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§ 19
Vorstand
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Kreditbeziehungen zwischen der Gesellschaft und ihren Vorstandsmitgliedern sind nach § 285 Nr. 9c HGB im Jahresabschluss der Gesellschaft offenlegungspflichtig.
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Die diesbezüglichen Regelungen im Deutschen Corporate Governance Kodex (Ziff. 3.9) sind hingegen nur mit Vorsicht zu lesen. Durch den dem Kodex immanenten Zwang zur Verkürzung geben sie die gesetzlichen Beschränkungen äußerst unvollständig wieder.
70
Für Kreditinstitute ergeben sich besondere Beschränkungen aus § 15 KWG.
V. Versorgungsvertrag 71
Rechtstatsächlich besitzen etwa 95 % aller Vorstandsmitglieder eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung1, die im Regelfall etwa 50–60 % des Grundgehaltes zum Zeitpunkt des Ausscheidens ausmacht2. Betriebswirtschaftlich mag man diese Praxis hinterfragen und einer höheren erfolgsorientierten Vergütung den Vorzug geben3. Rechtlich sind Versorgungszusagen – neben und mit der Vergütung – an § 87 AktG zu messen. Daneben sind sie auch unter dem Gesichtpunkt ihrer Vereinbarkeit mit der in § 84 AktG verankerten Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrates bedenklich, wenn sie in Relation zu den „aktiven“ Bezügen ein besonderes Gewicht haben. Diese Vorbehalte verstärken sich durch den Anstieg der Versorgungsbezüge in den letzten Jahren4. Zusätzlich an den Schranken für Abfindungsregelungen, sowie namentlich an den Grundsätzen der „Mannesmann/Vodafone“ Rechtsprechung (Rz. 37), ist der so genannte „dritte Versorgungsfall“ zu messen, bei dem Vorstandsmitgliedern bereits nach deren (vorzeitigem) Ausscheiden aus den Diensten ein Anspruch auf Zahlungen eingeräumt wird, ohne dass auf Alter oder Invalidität abgehoben wird. Solche Vereinbarungen des Aufsichtsrates bedürfen einer gesonderten Begründung im Einzelfall, um das notwendige Unternehmensinteresse darzulegen5. Ob im heutigen rechtspolitischen Umfeld die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1953, die für den dritten Versorgungsfall 50 % der letzten Bezüge gehalten hat6, nochmals erginge, könnte zweifelhaft sein7. Eine offene Folgefrage ist, ob einem Wandel der Anschauungen auch in Ansehung älterer Vereinbarungen durch eine Herabsetzung der Versorgungsleistungen nach § 87 AktG Rechnung getragen werden könnte8.
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Versorgungszusagen werden häufig nicht im Anstellungsvertrag, sondern in einem gesonderten Versorgungsvertrag vereinbart9. Für dessen Abschluss gelten aber die Regeln für Anstellungsverträge entsprechend, d.h. es bedarf insbesondere eines Beschlusses des Aufsichtsrates (vgl. oben Rz. 18).
1 2 3 4 5 6 7
Vgl. Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 166. Siehe Thüsing, AG 2003, 484. Exemplarisch Thüsing, AG 2003, 484. Vgl. Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 167. Begründungsansätze bei Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 167. BGH v. 28.1.1953 – II ZR 265/51, BGHZ 8, 348, 366. Vgl. Peltzer in Semler/Peltzer, Arbeitshandbuch für Vorstandsmitglieder, § 2 Rz. 259, wonach solche Klauseln nicht mehr den heutigen Verhältnissen entsprechen, da sie unterstellen, dass das Vorstandsamt eine „Lebensstellung“ sei. 8 Thüsing in Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 6 Rz. 30, hält dies wohl für den Zeitraum bis zum 63. Lebensjahr für möglich. 9 Muster bei Happ, Aktienrecht, Muster 8.09; S. 888.
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§ 19
Bestellung und Anstellung
Besondere Sorgfalt ist bei der Vertragsgestaltung geboten, wenn es um die Regelungen zur Bemessung und Anpassung des Ruhegehaltes geht; entsprechende Klauseln beschäftigen den Bundesgerichtshof – aus naheliegenden Gründen – immer wieder1.
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Regelungsbedarf besteht hier im Übrigen nicht nur für die Anpassung laufender Versorgungsbezüge: Liegen zwischen dem Ausscheiden aus dem Unternehmen und dem tatsächlichen Beginn der Altersversorgung längere Zeiträume, stellt sich nämlich die Frage, ob sich die Versorgungsanwartschaften des Vorstandsmitglieds entsprechend der tatsächlichen Veränderung der Verhältnisse erhöhen, um eine verdiente Versorgung vor dem Kaufkraftverfall zu bewahren. § 16 BetrAVG, der nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG grundsätzlich auch für Vorstandsmitglieder anwendbar ist, gewährt einen solchen Anspruch nur für laufende Versorgungsbezüge. Eine Analogie lässt die Rechtsprechung nicht zu; der Bundesgerichtshof2 hat vielmehr entschieden, dass sich ein vergleichbarer Anspruch für die Anpassung der Versorgungsanwartschaft in der Zeit zwischen dem Ausscheiden aus dem Unternehmen und dem Beginn der Versorgungsleistungen aus dieser Bestimmung nicht ableiten lässt.
73a
In Fällen, in denen bereits bei Abschluss eines Versorgungsvertrages zu erwarten ist, dass ein längerer Zeitraum zwischen dem Ausscheiden aus dem Unternehmen und dem Eintritt des Versorgungsfalles liegen wird, sollte daher, soweit im Unternehmensinteresse geboten, mittels einer abweichenden Regelung zugunsten des Vorstandsmitglieds etwas anderes vereinbart werden3. Die Regelung des § 16 BetrAVG für laufende Versorgungsleistungen könnte ein denkbares Vorbild sein.
VI. Wiederbestellung und Vertragsverlängerung Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 AktG ist eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils höchstens für fünf Jahre zulässig. Dies gilt sinngemäß für die Anstellungsverträge von Vorstandsmitgliedern. In diesen kann jedoch vereinbart werden, dass sie sich im Fall der Verlängerung der Amtszeit um denselben Zeitraum verlängern4.
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Eine automatische Verlängerung ohne Aufsichtsratsbeschluss kann grundsätzlich weder für die Bestellung noch für die Anstellung vereinbart werden5. Etwas anderes gilt nur für den Fall, dass die Bestellung bzw. Anstellung die gesetzliche Höchstdauer nicht ausschöpft und die Verlängerung hierüber nicht hinausgreift6.
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Ein Beschluss über die Verlängerung der Amtszeit bzw. des Anstellungsvertrages kann nach § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG frühestens ein Jahr vor Ablauf der Amtszeit gefasst werden. Diese nach ihrem Wortlaut eindeutige Vorgabe des Gesetzes ist in jüngerer Zeit aus gegebenen Anlässen zum Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion geworden7. Konkret geht es um die Praxis, das bestehende Vorstandsdienstverhältnis vorzeitig aufzuheben, um danach frei von den Bindungen des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG eine vorzeitige Neubestellung vorzunehmen. Hiergegen wurden rechtspolitisch wie
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1 Exemplarisch BGH v. 19.2.1994 – II ZR 244/93, AG 1995, 188; BGH v. 28.10.1996 – II ZR 46/96, AG 1997, 127. 2 Beschluss v. 14.11.2005 – II ZR 222/04, BB 2005, 2654 mit Anm. Gehrlein. 3 Vgl. Mutter, AG-Report 2006, R 62. 4 Siehe § 84 Abs. 1 AktG am Ende. 5 So schon früh BGH v. 11.7.1953 – II ZR 126/52, NJW 1953, 1465. 6 Siehe § 84 Abs. 1 AktG. 7 Auslösend Götz, AG 2002, 305 ff.
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Vorstand
dogmatisch Einwände erhoben1. Auf den ersten Blick mag dies wie eine Gesetzesumgehung wirken. Erhebt man jedoch die Intention des Gesetzes, dass der Aufsichtsrat spätestens alle fünf Jahre über die Person des Vorstandes und deren Leistungen nachdenken und dann über die Zusammensetzung neu – für wiederum längstens fünf Jahre – entscheiden soll, zum Maßstab zeigt sich, dass diese Praxis mit dem Aktiengesetz vereinbar ist2. Auch der Deutsche Corporate Governance Kodex geht in Ziff. 5.1.2 von dieser Gesetzesauslegung aus3. Zu Recht, denn mit der Aufhebung der laufenden Bestellung bzw. des laufenden Anstellungsvertrages hat der Aufsichtsrat den vom Aktiengesetz verlangten Freiraum neu zu entscheiden. Bestellt er nach dem Ergebnis seiner Überlegungen denselben Vorstand für nicht länger als fünf Jahre, wurde dem Aktiengesetz entsprochen. 77
Eine andere Frage ist, ob der Aufsichtsrat sein Ermessen pflichtgemäß ausübt, wenn er eine solche Gestaltung wählt, anstatt die bestehende Bestellung „weiterlaufen“ zu lassen und zu gegebener Zeit über eine Verlängerung zu entscheiden. Insoweit kommt es meines Erachtens auf die Umstände des Einzelfalls an. Gerechtfertigt ist ein solches Vorgehen jedenfalls dann, wenn es dafür sachliche Gründe gibt4, etwa eine drohende Abwanderung oder die Beendigung einer das Unternehmen lähmenden internen oder externen Nachfolgediskussion. Letzteres Beispiel mag allerdings im Einzelfall grenzwertig sein, weil das Aufkommen solcher Diskussionen auch ein Indiz für eine unzureichende Amtsführung sein könnte.
VII. Besonderheiten im Konzern 1. Zulässigkeit von Doppelmandaten im Konzern 78
Die Zulässigkeit von Vorstandsdoppelmandaten im Konzern wird zwar durch die Literatur thematisiert5 und auch rechtspolitisch diskutiert6. Für die Gestaltungspraxis genügt aber, dass die Rechtsprechung eine Mehrfachbestellung im Konzern „generell“ anerkannt hat7. Der Streit ist aus heutiger Sicht historisch8. Soweit bei der Ausübung der Doppelmandate Interessenkonflikte entstehen können9, sei es Sache der betreffenden Vorstandsmitglieder, sich so zu verhalten, dass eine Pflichtverletzung gegenüber
1 Pointiert Götz, AG 2002, 305 ff.; Bürgers/Israel in Bürgers/Körner, § 84 AktG Rz. 11; Hüffer, § 84 AktG Rz. 7; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 84 AktG Rz. 44. 2 Ebenso Bauer/Arnold, DB 2006, 260; Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 84 AktG Rz. 16. 3 Zur Frage, wann besondere Umstände im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, siehe Leuchten, NZG 2005, 909, 910 f.; Beiner, Der Vorstandsvertrag, 2005, S. 96. 4 So wohl auch die Auffassung der Regierungskommission, vgl. Ziff. 5.1.2 Deutscher Corporate Governance Kodex. 5 Etwa Passarge, NZG 2007, 441; Aschenbeck, NZG 2000, 1015; Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 574; Kort in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 76 AktG Rz. 178; Streyl, Zur konzernrechtlichen Problematik von Vorstandsdoppelmandaten, 1992, S. 171 f.; Semler in FS Stiefel, 1987, S. 719, 732; Timm, ZIP 1993, 114, 117; Dreher in FS Lorenz, 1999, S. 175, 183 ff. 6 Für ein gesetzliches Verbot stritt etwa Hommelhoff, Gutachten G zum 59. DJT 1992, S. 62 f. Die Diskussion auf den DJT zeigte im Übrigen deutliche Unterschiede in der Sichtweise von Unternehmensjuristen und Richterschaft, vgl. Basten, DWiR 1992, 434, 436. 7 OLG Köln v. 24.11.1992 – 22 U 72/92, AG 1993, 86, 89; LG Köln v. 3.2.1992 – 91 O 203/91, AG 1992, 23. 8 Ebenso Krieger in Lutter, Holding-Handbuch, § 6 Rz. 46. 9 Etwa aufgrund Wettbewerb zwischen beiden Unternehmen, vgl. OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, ZIP 2004, 1143.
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Bestellung und Anstellung
der jeweiligen Gesellschaft vermieden wird1. Dabei muss es beachten, dass ein Vorstandsmitglied im jeweiligen Amt ausschließlich in der betreffenden Funktion tätig wird2. Im Einzelfall auftretende Interessenkollisionen, etwa bei Entlastungsbeschlüssen in der Untergesellschaft sind durch Stimmverbote zu lösen3. Soweit in der Literatur angenommen wird, dass Vorstandsdoppelmandate im Konzern eine grundsätzliche Einschränkung der Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG im Hinblick auf Ziff. 4.1.1, 4.2.2, 4.3.1, 4.3.2 und 4.3.3 des Deutschen Corporate Governance Kodexes gebieten4, ist dem nicht zu folgen. Zutreffend ist lediglich, dass im Einzelfall durch das Doppelmandat aufgetretene Interessenkollisionen im Bericht nach Ziff. 3.10 zu adressieren sind – „wenn, denn“. 2. Drittanstellung im Aktienrecht Die Zulässigkeit von Drittanstellungsverträgen, d.h. der Anstellung von Vorstandsmitgliedern durch Dritte, etwa die Konzernmutter oder einen Großaktionär, ist noch immer streitig5. Dabei wird aber meist übersehen, dass der Gesetzgeber zwischenzeitlich mit dem Vorstandsvergütungsoffenlegungsgesetz die Zulässigkeit der Drittvergütung anerkannt hat (§§ 285 Satz 1 Nr. 9a, 314 Abs. 1 Nr. 6a HGB)6. Dass dies im Bilanzrecht und nicht im Aktiengesetz selbst geschah, ist aufgrund der Einheit der Rechtsordnung unerheblich. Den Kritikern ist zuzugestehen, dass solche Gestaltungen möglichen Interessenkonflikten Vorschub leisten7. Dies gilt jedoch für den Fall des Doppelmandates, dessen Zulässigkeit anerkannt ist, in noch weit stärkerem Maße. Auch die befürchtete Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrates ist meines Erachtens nicht zu besorgen. Eher das Gegenteil dürfte zutreffen; will sich nämlich im Fall der Drittanstellung der Aufsichtsrat von einem Vorstandsmitglied lösen, muss er nur die Hürde des § 84 Abs. 3 AktG, nicht aber die (höhere) des § 626 BGB nehmen. Im Übrigen hat es der Aufsichtsrat selbst in der Hand, mit „seinem“ Vorstand einen Dienstvertrag abzuschließen, der ihm neben Wettbewerb und Nebentätigkeit auch eine Drittanstellung untersagt. Sieht der Aufsichtsrat hiervon ab, billigt er letztlich die Drittanstellung. Schließlich gereicht es der Gesellschaft wirtschaftlich zum Vorteil, wenn nicht sie selbst, sondern ein Dritter die Vergütungslast trägt. Daher bestehen m.E. grundsätzlich auch (erst recht) keine Bedenken gegen die namentlich bei Private Equity-Gesellschaften beliebten zusätzlichen Vergütungen, die 1 OLG Köln v. 24.11.1992 – 22 U 72/92, AG 1993, 86, 89; folgend Marsch-Barner, WuB 1993, 434, 436. Beispiel einer Pflichtverletzung bei Hommelhoff, Gutachten 59. DJT 1992, S. 21 f. BGH v. 29.1.1962 – II ZR 1/61, BGHZ 36, 296, 310; BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/85, BGHZ 90, 381, 396. 2 BGH v. 21.12.1979 – II ZR 244/78, NJW 1980, 1629, 1630; Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 577; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, § 93 AktG Rz. 75; Hüffer, § 76 AktG Rz. 19. 3 OLG Karlsruhe v. 23.5.2000 – 8 U 233/99, DB 2000, 1653 = AG 2001, 93; LG Köln v. 17.12.1997 – 91 O 131/97, NZG 1998, 193 = AG 1998, 240 mit Besprechung durch Fischer, NZG 1999, 192 f. 4 Passarge, NZG 2007, 441, 444. 5 Zum Meinungsstand Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 84 AktG Rz. 26; Hüffer, § 84 AktG Rz. 14; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 84 AktG Rz. 66. 6 Wie hier Mutter/Frick, AG-Report 2006, R 32; nachfolgend auch Traugott/Grün, AG 2007, 761, 768. 7 Missverständlich insoweit auch Ziff. 4.3.2 Deutscher Corporate Governance Kodex, der Drittvergütungen überhaupt nicht betrifft, sondern lediglich §§ 263, 266 und 299 StGB und die OECD Konvention zur Bekämpfung der internationalen Korruption aufgreift; siehe Traugott/ Grün, AG 2007, 761, 767.
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Vorstand
zugesagt werden, um die Vorstände zur Erreichung bestimmter Ziele anzureizen, die im strategischen Interesse dieser Investoren liegen (z.B. „Exit“-Boni). Im sachlichzeitlichen Zusammenhang mit Übernahmeangeboten ist hierbei allerdings § 33d WpÜG zu beachten1.
VIII. Ad hoc-Publizität 80
Die Einzelheiten der Ad hoc-Publizität werden an anderer Stelle behandelt (siehe oben § 14). Nach Auffassung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sind personelle Veränderungen im Vorstand einer Aktiengesellschaft nicht stets publizitätspflichtige Tatsachen2. Eine Publizitätspflicht nach § 15 WpHG nimmt sie jedenfalls bei allen für das Unternehmen bedeutsamen Änderungen an, etwa einen Wechsel in der Position des Vorstandsvorsitzenden oder des Finanzvorstandes. Bei der gebotenen Einzelfallbetrachtung sind neben der Bedeutung der Person für das Unternehmen auch die Gründe für den Wechsel zu berücksichtigen3.
81
Ad hoc-Mitteilungen über Personalveränderungen sind jedenfalls ein allfälliger Meldeanlass4.
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Für eine gleichermaßen großzügige wie sorgfältige Handhabung des § 15 WpHG bei Veränderungen im Vorstand streitet jedenfalls nicht nur deren Anteil an positiven Insideranalysen der BaFin5, die im Einzelfall mit strafrechtlichen Verurteilungen endeten6, sondern auch und gerade deren Streitanfälligkeit im Verhältnis zu Aktionären7.
§ 20 Beendigung von Bestellung und Anstellung Rz. I. „Ordentliche“ Beendigung von Bestellung und Anstellung . . . . . .
1
II. Einvernehmliche Trennung durch Aufhebungsvertrag und Niederlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1. Aufhebungsvertrag . . a) Zulässigkeit . . . . . b) Gestaltungsgrenzen c) Form . . . . . . . . .
2 2 3 8
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
1. Widerruf der Bestellung . . . . . . . . 13
2. Amtsniederlegung . . . . . . . . . . . 10
1 2 3 4
Rz. III. Streitige Trennung durch Widerruf der Bestellung und Kündigung des Anstellungsvertrages . . . . . . . . . 13 2. Kündigung des Anstellungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3. Begriff des „wichtigen“ Grundes . . 15 4. Einzelfragen zu Verfahren, Fristen und Rechtsschutz . . . . . . . . . . . 20 a) Zuständigkeit und Formfragen . . 20
Großzügiger Traugott/Grün, AG 2007, 761, 762 (für den Einstieg) und 768 (für den Ausstieg). Emittentenleitfaden (Stand 15.7.2005), S. 50. Näher Fleischer, AG 2007, 401, 403. Zur Entwicklung der Meldepraxis in Deutschland siehe BaFin-Jahresbericht für 2006, S. 175 ff. und BaFin-Jahresbericht für 2005, S. 166 ff. 5 BaFin Jahresbericht für 2005, 155: 6 % der Analysen betrafen Personalnachrichten. 6 Exemplarisch BaFin Jahresbericht für 2006, S. 168. 7 OLG Stuttgart v. 15.2.2007 – 901 KAP 1/06, AG 2007, 250; aufgehoben und zurückverwiesen durch BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, NJW-RR 2008, 865 = BB 2008, 855.
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Beendigung von Bestellung und Anstellung Rz. b) Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB . . . . . . . . c) Anhörung und Abmahnung . . d) Rechtsschutz . . . . . . . . . . . e) Beweislast . . . . . . . . . . . . . f) Anmeldung zum Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
25 28 29 33
. . 36
Rz. 2. Gestaltungsbeschränkung bei Aufhebungsverträgen . . . . . . . . . . . . 43 3. Kürzung bei vorzeitiger Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4. Widerruf der Versorgungszusage . . 45
5. Suspendierung . . . . . . . . . . . . . . 37
V. Besonderheiten der Unternehmensumwandlung . . . . . . . . . . . . . . 46
IV. Besonderheiten der Versorgungszusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
1. Folgen einer Umwandlung für Bestellung und Anstellung . . . . . . 46
1. Anwendbarkeit des Betriebsrentengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
2. Publizität von Abfindungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Schrifttum: Baeck/Hopfner, Schlüssige Aufhebungsverträge mit Organmitgliedern auch nach Inkrafttreten des § 623 BGB, DB 2000, 1914; Bauer, Rechtliche und taktische Probleme bei der Beendigung von Vorstandsverhältnissen, DB 1992, 1413; Bauer/Arnold, Abfindungs-Caps in Vorstandsverträgen – gute Corporate Governance, BB 2007, 1793; Bauer/Diller/Krets, BGH contra BAG: Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB wegen Abberufung und/oder Nichtbestellung eines GmbH-Geschäftsführers?, DB 2003, 2687; Bauer/Krets, Gesellschaftsrechtliche Sonderregeln bei der Beendigung von Vorstands- und Geschäftsführerverträgen, DB 2003, 811; Buchner/Schlobach, Die Auswirkungen von Umwandlungen von Gesellschaften auf die Rechtsstellung ihrer Organpersonen, GmbHR 2004, 1; Dorrwächter/Trafkowski, Anmerkungen zum Abfindungs-Cap in Nummer 4. 2. 3 des Deutschen Corporate Governance Kodexes, NZG 2007, 846; Griebeling/Griebeling, Betriebliche Altersversorgung, 2. Aufl. 2003; Grobys/Littger, Amtsniederlegung durch das Vorstandsmitglied einer AG, ZIP 2002, 2292; Grumann/Gillmann, Abberufung und Kündigung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, DB 2003, 779; Hoffmann-Becking, Abfindungsleistungen an ausscheidende Vorstandsmitglieder, ZIP 2007, 2101; Janzen, Vorzeitige Beendigung von Vorstandsamt und -vertrag, NZG 2003, 468; Liebers/Hoefs, Anerkennungs- und Abfindungszahlungen an ausscheidende Vorstandsmitglieder, ZIP 2004, 97; Thüsing, Geltung und Abdingbarkeit des BetrAVG für Vorstandsmitglieder einer AG, AG 2003, 484.
I. „Ordentliche“ Beendigung von Bestellung und Anstellung Der „Normalfall“ der Beendigung der Anstellung wie der Bestellung zum Mitglied des Vorstandes ist der Zeitablauf. Hinzu kommen bei der Bestellung der Tod des Vorstandsmitglieds und – weniger relevant – der nachträgliche Eintritt eines gesetzlichen Unfähigkeitsgrundes nach § 76 Abs. 3 AktG. Beim Dienstvertrag tritt zum Vertragsablauf das Erreichen der Altersgrenze hinzu. Insoweit ergeben sich keine Änderungen durch das AGG. Es gilt zwar für Mitglieder des Vorstandes, erfasst dort aber nicht die Bestellung, sondern „nur“ die Anstellung (vgl. § 19 Rz. 6 f.). Letzteres wiederum bleibt ohne Belang, weil die Beendigung des Dienstverhältnisses nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des AGG fällt1
1 Vgl. Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 2007, § 6 Rz. 31; Willemsen/Schweibert, NJW 2006, 2583, 2584.
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II. Einvernehmliche Trennung durch Aufhebungsvertrag und Niederlegung 1. Aufhebungsvertrag a) Zulässigkeit 2
Die einvernehmliche Aufhebung der Bestellung und der Anstellung ist jederzeit zulässig1. Insbesondere bedarf es dazu keines wichtigen Grundes2. Zuständig ist grundsätzlich der Aufsichtsrat. Soweit die Zuständigkeit für das Anstellungsverhältnis auf einen Personalausschuss delegiert wurde (vgl. § 19 Rz. 9), vermag dieser zwar über die Bedingungen der Auseinandersetzung, d.h. den Aufhebungsvertrag zu beschließen. Dies gilt aber nur insoweit, wie er hierdurch nicht in die Widerrufszuständigkeit des Gesamtaufsichtsrates eindringt3. D. h. er darf dessen grundsätzlicher Entscheidung über eine Trennung nicht vorgreifen. b) Gestaltungsgrenzen
3
Vorstand und Aufsichtsrat sind grundsätzlich berechtigt, das Anstellungsverhältnis eines Vorstandsmitglieds durch einen Aufhebungsvertrag zu lösen. Richtschnur und Grenze bilden das Unternehmensinteresse4. Sachliche Gründe können sowohl aus der Sphäre der Gesellschaft rühren (etwa Veränderungen im Aktionärskreis oder Neuausrichtung der Gesellschaft) als auch aus der Sphäre des Vorstandsmitglieds (Krankheit, Amtsmüdigkeit). Dazwischen siedeln Trennungsgründe wie Meinungsverschiedenheiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat über grundsätzliche Fragen. Schwieriger als die Frage des „ob“ einer Aufhebungsvereinbarung ist das „wie“5. In zeitlicher Hinsicht ist dies trivial, es geht um eine Abkürzung der Laufzeit des Anstellungsvertrages. Schwieriger gestaltet sich hingegen die Antwort auf die Frage nach den Gestaltungsgrenzen hinsichtlich der übrigen Ausscheidensbedingungen, namentlich der Bemessung einer Abfindung6. Seit dem 20.7.2007 findet die Praxis eine gewisse, wenn auch umstrittene Orientierung in Ziff. 4.2.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex, wonach bereits beim Abschluss von Vorstandsdienstverträgen darauf geachtet werden sollte bzw. seit der Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex vom 6.6.2008 soll, dass Zahlungen an ein Vorstandsmitglied bei vorzeitiger Beendigung des Dienstvertrages ohne wichtigen Grund einschließlich Nebenleistungen den Wert von zwei Jahresvergütungen nicht übersteigen und nicht mehr als die Restlaufzeit des Anstellungsvertrages vergütet wird. Maßgebend für dieses so genannte „Abfindungs-Cap“ soll die Gesamtvergütung des abgelaufenen Geschäftsjahres bzw. die voraussichtliche Gesamtvergütung des laufenden Geschäftsjahres sein. Bei Abfindungen aufgrund einer „Change of Control“-Klausel soll nach den Vorstellungen des Deutschen Corporate Governance Kodex eine Begrenzung auf 150 % des vorstehenden Caps erfolgen. Die Diskussion über die Umsetzung dieser Empfehlungen in konkrete Vertragsformulierungen und bestehende aktienrechtliche Gestaltungsschranken hat die Gerichte noch nicht erreicht7. Die Praxis ist daher letztlich unverändert darauf angewiesen, jeweils die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Maß1 2 3 4 5
Siehe Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, § 7 Rz. 377. Vgl. BGH v. 24.11.1980 – II ZR 182/79, DB 1981, 308, 309. Siehe Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, § 7 Rz. 412. BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, ZIP 2006, 72, 73 f. Exemplarisch die Diskussion um BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04 – „Mannesmann/Vodafone“, ZIP 2006, 72. 6 Facettenreich dazu Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101. 7 Ausführlich zu Gestaltungsschranken und mit möglichen Klauselmustern Bauer/Arnold, BB 2007, 1793 ff.
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gebend können neben den individuellen vertraglichen Vereinbarungen verschiedenste Gesichtspunkte sein: Will das Vorstandsmitglied ausscheiden oder will die Gesellschaft, dass das Vorstandsmitglied ausscheidet? Im letzteren Fall ist weiter danach zu differenzieren, ob die Gestaltungsalternative einer außerordentlichen Kündigung besteht oder ob ein wichtiger Grund für eine Kündigung fehlt. Zu bedenken sind ferner die Risiken einer streitigen Trennung. Dies sind nicht nur die Prozesskosten, sondern auch die Bindung von Gesellschaftsressourcen durch einen Rechtsstreit sowie die Öffentlichkeitswirkung. Ermessensleitend sind auch Umstände wie die Dauer der Tätigkeit für die Gesellschaft, hierbei erworbene Verdienste1 und die Restlaufzeit des Vertrages. Schließlich fließen auch Branchen- und Marktusancen mit ein. Mit diesem Kaleidoskop vor Augen ist die Grenzziehung im Schnittfeld der Pflichten aus §§ 116, 93 AktG und dem Angemessenheitspostulat des § 87 AktG vorzunehmen2. Die Organe haben hierbei faktisch wie aktienrechtlich einen Ermessensspielraum3, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur beschränkt justiziabel ist4. Abfindungen, die das „Cap“ des Deutschen Corporate Governance Kodex übersteigen, sind zwar in den Schranken des § 87 AktG ohne weiteres zulässig. Die maßgebenden Erwägungen5 sollten aber idealiter mit dem Beschluss über die Abfindung zu Protokoll der Aufsichtsratssitzung genommen werden6. Dies erleichtert ggfs. den Nachweis pflichtgemäßen Handelns des Aufsichtsrates. Da die meisten Vorstandsdienstverträge derzeit noch „Alt“-Verträge aus der Zeit vor dem 20.7.2007 sind, die keine spezifischen Klauseln nach Ziff. 4.2.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex enthalten7, ist unverändert eine Richtschnur der Praxis die Abgeltung der Restlaufzeit, gegebenenfalls unter angemessenen Abschlägen aufgrund von im Raum stehenden, meist jedoch streitigen Pflichtverletzungen.
4
Ein in den Verhandlungen über eine vorzeitige Beendigung zur Einigung dienlicher Bereich sind die variablen Bezüge, bei denen zwischen vollständigem Verfall und einer unterstellten Zielerreichung eine erhebliche Bandbreite vorstellbarer Regelungen gegeben ist – sofern der Dienstvertrag keine abschließenden Regelungen enthält, welche die Beteiligten binden8. Je nach Verhandlungsergebnis kann bei einer Abfindung durch eine Einmalzahlung auch eine Abzinsung geboten sein9. Soweit Aktienoptionen Bestandteil der Vorstandsvergütung sind, können sich im Einzelfall aufgrund der individuellen Aktienoptionsbedingungen und/oder des zugrunde-
1 Eingehend dazu Liebers/Hoefs, ZIP 2004, 97 mit zahlreichen Fallbeispielen. 2 A.A. Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 169, der sich bei Abfindungen gegen eine Anwendung von § 87 AktG wendet. Die dahinter stehende gedankliche Aufteilung der Leistungen der Gesellschaft in periodenbezogene Leistungen und Leistungen anlässlich der Vertragsbeendigung wird aber m.E. dem Gebot angemessener „Gesamt“-Bezüge nicht hinreichend gerecht. 3 Ebenso Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101, 2104. 4 Vgl. § 19 Rz. 37. 5 Beispielsweise das Zusammentreffen einer längeren Vertragslaufzeit mit dem Fehlen eines handfesten wichtigen Grundes. 6 Ähnlich Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101, 2104 für Abfindungen, die eine Vollvergütung übersteigen. 7 Der Kodex hat ohne einzelvertragliche Umsetzung keine rechtliche Begrenzungswirkung; vgl. Dorrwächter/Trafkowski, NZG 2007, 846. 8 Zu Letzteren ausführlich Bauer/Göpfert/Sigrist, DB 2006, 1774. 9 Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101, 2104.
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liegenden Hauptversammlungsbeschlusses Gestaltungsgrenzen oder besonderer Regelungsbedarf ergeben1. 6
Auch eine eventuelle Abfindung von Ruhegeldzusagen wirft Sonderfragen auf, die aber an anderer Stelle behandelt werden (siehe unten Rz. 43 ff.).
7
Eine Gestaltungsgrenze anderer Art bildet schließlich § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG. Nach dieser Bestimmung kann eine Aktiengesellschaft erst drei Jahre nach Entstehen eines Schadensersatzanspruches und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit widerspricht, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig. Dies verbietet die bei GmbH-Geschäftsführern nicht unübliche umfassende Erledigungsklausel betreffend wechselseitige Ansprüche in Ausscheidensvereinbarungen mit Vorstandsmitgliedern2. Wurde gleichwohl eine umfassende Erledigungsklausel vereinbart, wirft deren Unwirksamkeit die Folgefrage auf, ob diese auf den gesamten Vertrag durchschlägt. Die Antwort gibt das Gesetz in § 139 BGB, im Zweifel „ja“. c) Form
8
Besondere gesetzliche Formvorschriften für Aufhebungsverträge mit Vorstandsmitgliedern bestehen nicht. Insbesondere gilt das Schriftformerfordernis des § 623 BGB nicht für die Beendigung von Anstellungsverträgen mit Organmitgliedern. Es handelt sich dabei lediglich um eine zur Entlastung der Arbeitsgerichtsbarkeit geschaffene Formvorschrift für Arbeitsverträge3. Soweit daher der Anstellungsvertrag nicht etwas anderes bestimmt, können Aufhebungsverträge formlos geschlossen werden. Ein „klassisches“ Beispiel eines formlosen Aufhebungsvertrages ist die Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung entsprechend § 140 BGB in ein Angebot der Gesellschaft zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages, das durch das Vorstandsmitglied schlüssig angenommen wird4.
9
Von der vorstehenden Fallkonstellation muss die schlüssige Aufhebung eines Arbeitsvertrages unterschieden werden, wenn eine Führungskraft vom Arbeitnehmer zum Vorstandsmitglied aufsteigt. Obwohl es sich bei der Notwendigkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses um einen bekannten Regelungsgegenstand handeln sollte, sind immer wieder Fälle anzutreffen, in denen eine ausdrückliche Regelung im Vorstandsanstellungsvertrag versäumt wurde. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat hier in der Vergangenheit im Wege der Vertragsauslegung eine schlüssige Aufhebung des Arbeitsvertrages angenommen5, um den Gesellschaften zu helfen. Auch dem steht das Schriftformerfordernis aus § 623 BGB meist nicht entgegen, sofern das Vorstandsanstellungsverhältnis – wie regelmäßig der Fall – schriftlich geschlossen wurde6.
1 Näher Bauer/Krets, DB 2003, 811, 815; Bauer/Arnold, DB 2006, 260, 264. 2 Zu Einzelheiten sowie zu möglichen und unzulässigen „alternativen“ Gestaltungsmöglichkeiten Bauer/Krets, DB 2003, 811. 3 Vgl. Putzo in Palandt, § 623 BGB Rz. 2. 4 BAG v. 13.4.1972 – 2 AZR 243/71, AP Nr. 64 zu § 626 BGB, AP 1973, 295. 5 BAG v. 7.10.1993 – 2 AZR 260/93, DB 1994, 428; BAG v. 10.12.1996 – 5 AZB 20/96, DB 1997, 833. 6 Ebenso Baeck/Hopfner, DB 2000, 1914, 1915.
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Beendigung von Bestellung und Anstellung 2. Amtsniederlegung
Die Amtsniederlegung kommt in zwei Varianten vor: als einseitiger Akt des Vorstandsmitglieds, etwa aufgrund von Vertragsverletzungen durch die Gesellschaft, oder „vereinbart“ zur Beendigung der Organstellung im Zusammenhang mit einem Ausscheiden durch Aufhebungsvertrag. Ihre Zulässigkeit ist auch ohne gesetzliche Regelung anerkannt1. Soweit sie nicht einvernehmlich geschieht, soll eine Amtsniederlegung allerdings eines wichtigen Grundes bedürfen und eine unberechtigte Niederlegung das Vorstandsmitglied zum Schadensersatz verpflichten2. Als wichtiger Grund für eine einseitige Amtsniederlegung durch das Vorstandsmitglied wird etwa die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens angesehen3.
10
Die Amtsniederlegung bedarf nach der Rechtsprechung keiner besonderen Form. Sie kann auch mündlich erklärt werden4. Allerdings bedarf es des urkundlichen Nachweises der Amtsniederlegung bei deren Anmeldung zum Handelsregister5. Dies gilt nicht nur für die Niederlegungserklärung als solche, sondern auch für deren Zugang bei der Gesellschaft6. Daher empfiehlt sich in den Fällen der Amtsniederlegung im Zusammenhang mit einem Aufhebungsvertrag diese außerhalb des Vertrages zu erklären7 und den Empfang der Niederlegungserklärung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden auf der Urkunde bestätigen zu lassen.
11
Eine Amtsniederlegung wird aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich sofort wirksam. Dies gilt auch dann, wenn sie nicht auf einen wichtigen Grund gestützt wird oder wenn deren Berechtigung unter den Beteiligten streitig ist8.
12
III. Streitige Trennung durch Widerruf der Bestellung und Kündigung des Anstellungsvertrages 1. Widerruf der Bestellung Nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG kann der Aufsichtsrat – jederzeit – die Bestellung zum Vorstandsmitglied widerrufen, wenn ein wichtiger Grund (dazu sogleich näher Rz. 15) vorliegt. Hierbei ist dem Aufsichtsrat ein Ermessen eingeräumt. Dieses umfasst insbesondere die Entscheidung, ob die Bestellung widerrufen wird9. Eine besondere Rolle spielt dieses namentlich in den Fällen des Vertrauensentzuges durch die Hauptversammlung10. Hier hat der Aufsichtsrat zudem eigenständig zu prüfen, ob dieses aus unsachlichen Gründen entzogen wurde (§ 84 Abs. 3 AktG)11.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Siehe Grobys/Littger, BB 2002, 2292 m.w.N. Vgl. Grobys/Littger, BB 2002, 2292, 2293. Vgl. Hauptmann/Müller-Dott, BB 2003, 2521, 2523. Siehe BGH v. 8.2.1993 – II ZR 58/92, AG 1993, 280. Vgl. OLG Hamm v. 26.9.2002 – 15 W 321/02, DB 2003, 331, 332. OLG Frankfurt v. 19.7.2006 – 20 W 229/06, DB 2006, 2003. Damit der Aufhebungsvertrag nicht nach § 81 Abs. 2 AktG beim Handelsregister vorgelegt werden muss. So auch BGH v. 8.2.1993 – II ZR 58/92, AG 1993, 280, 281 für den GmbH-Geschäftsführer. Vgl. OLG Stuttgart v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 212, dort auch zum Ermessen unter mehreren betroffenen Vorstandsmitgliedern (nur) einen abzuberufen. Ausdrücklich öOGH v. 28.4.1998 – 1 Ob 294/97k, AG 1999, 140, 141; siehe auch Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 1994, S. 81. So etwa im Fall der „Gerling“-Entscheidung des Bundesgerichtshofes, BGH v. 28.4.1954 – II ZR 211/53, BGHZ 13, 188, 192 f.
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2. Kündigung des Anstellungsvertrages 14
Rechtsgrundlage einer außerordentlichen Kündigung ist für die Aktiengesellschaft wie das Vorstandsmitglied regelmäßig § 626 BGB. Lediglich für Sonderfälle kommen besondere Bestimmungen zum Tragen, etwa die außerordentliche Kündigung nach § 87 Abs. 2 AktG im Falle einer Herabsetzung der Bezüge1 oder nach § 113 Abs. 1 InsO im Falle der Insolvenz der Gesellschaft2. Daneben kommt zwar alternativ zur Kündigung grundsätzlich auch eine Anfechtung des Dienstvertrages nach §§ 123, 124 BGB in Betracht. Aufgrund der dazu erforderlichen Besonderheiten im Sachverhalt und der hohen rechtlichen Hürden für eine erfolgreiche Anfechtung3, hat diese keine nennenswerte praktische Relevanz. 3. Begriff des „wichtigen“ Grundes
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Ein wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung ist nach § 84 Abs. 3 AktG namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder ein Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung. In der Praxis hat sich hier eine breite Kasuistik herausgebildet4. So haben die Gerichte etwa einen wichtigen Grund bejaht bei ständigen Verletzungen des Kollegialitätsprinzips und wiederholten Übergriffen in den Kompetenzbereich eines anderen Vorstandsmitglieds5; Vorlage gefälschter Sitzungsunterlagen6; unzureichendem Risiko-Management-System nach § 91 Abs. 2 AktG7; Verstöße gegen Zustimmungsvorbehalte gemäß § 111 Abs. 4 AktG8; oder Verrat von Geschäftsgeheimnissen (Konstruktionszeichnungen)9. Auch unterlassenes Einschreiten gegen sexuelle Belästigungen von Angestellten soll eine fristlose Kündigung tragen10. Gleiches gilt für verbotene Insidergeschäfte oder andere strafbare Handlungen, auch wenn diese im privaten Bereich erfolgen11. Ein „Klassiker“ aus der Spruchpraxis sind Unregelmäßigkeiten in Benzin-, Reisekosten- und Spesenabrechnungen, die einen wichtigen Grund darstellen können. Sie waren zuletzt auch in den verschärften Varianten des zusätzlichen, im Dienstvertrag nicht vorgesehenen Mercedes für die Ehefrau sowie des aus privaten Gründen unterhaltenen Büros in New York zu entscheiden; das OLG München hatte hier jeweils keinen besonderen Begründungsaufwand, einen wichtigen Grund zu bejahen12. Allerdings ist insoweit jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob und in welchem Umfang das Vorstandsmitglied nach seinem Dienstvertrag bzw. der geltenden Spesen1 Dazu § 19 Rz. 49 f.; aktueller Überblick bei Weisner/Kölling, NZG 2003, 465 ff. 2 Näher Hauptmann/Müller-Dott, BB 2003, 2521, 2523. 3 Vgl. OLG Brandenburg v. 12.12.2006 – 6 U 26/06, AG 2007, 590, 591 zur Unbegründetheit der Anfechtung bei nicht offenbarter depressiver Erkrankung, die das Vorstandsmitglied an der Arbeitsaufnahme hindert. 4 Eingehend Jäger, Aktiengesellschaft, 2004, § 21 Rz. 242 ff.; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 84 AktG Rz. 113–128 und Rz. 170 ff.; vgl. auch Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 84 AktG Rz. 129 ff. 5 BGH v. 13.7.1998 – II ZR 131/97, NZG 1998, 726 = AG 1998, 519; nicht ausreichend ist hingegen eine einmalige Überschreitung der Vertretungsbefugnisse, OLG Düsseldorf v. 24.11.2006 – I-16 U 218/05, WM 2007, 889. 6 OLG Düsseldorf v. 2.7.2007 – I-9 U 3/07, AG 2008, 166, 167. 7 LG Berlin v. 3.7.2002 – 2 O 358/01, AG 2002, 682, 683. 8 BGH v. 13.7.1998 – II ZR 131/97, NZG 1998, 726, 727 = AG 1998, 519. 9 BGH v. 13.7.1998 – II ZR 131/97, NZG 1998, 726, 727 = AG 1998, 519. 10 OLG Hamm v. 1.3.2007 – 27 U 137/06, GmbHR 2007, 823. 11 KG v. 3.5.2007 – 23 U 102/06, AG 2007, 745, 746 f.; großzügiger Fleischer in Spindler/Stilz, § 84 AktG Rz. 104. 12 OLG München v. 7.2.2007 – 7 U 4952/06, AG 2007, 361.
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Beendigung von Bestellung und Anstellung
ordnung Ausgaben tätigen durfte1. Auch ein wirtschaftlicher Niedergang des Unternehmens kann ein wichtiger Grund sein2. Entsprechendes gilt natürlich für den wirtschaftlichen Niedergang des Vorstandsmitglieds; anerkannt wurde insoweit die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens3. Schließlich sind auch die Fälle der so genannten „Druckabberufung“ als wichtige Gründe anerkannt4; dies umfasst Abberufungsverlangen einer Aufsichtsbehörde, etwa der BaFin bei Versicherungsaktiengesellschaften5, ebenso wie die entsprechende Forderung der Hausbank6. Kein wichtiger Grund sind Meinungsverschiedenheiten zwischen einer Aktionärsmehrheit und dem Vorstand in Geschäftsführungsfragen7. Letztlich setzt sich hier die Aufgabenzuweisung der §§ 76, 119 Abs. 2 AktG fort. Allerdings vermag die Aktionärsmehrheit im Wege des Vertrauensentzuges durch die Hauptversammlung einen wichtigen Grund zu schaffen, der einen Widerruf der Bestellung zu tragen vermag8. Der formelle Vertrauensentzug durch Beschluss der Hauptversammlung darf im Übrigen nicht mit der „einfachen“ Nichtentlastung verwechselt oder gleichgesetzt werden9. Ebenfalls kein wichtiger Grund ist – jedenfalls bei börsennotierten Aktiengesellschaften – die zutreffende Information der Öffentlichkeit über die Lage der Gesellschaft10. Ferner ist nach Auffassung des OLG Hamm die Berufung eines Vorstandes auf die in seinem Anstellungsvertrag enthaltene Befugnis zur Alleinvertretung kein wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung11. Grundsätzlich ist diese Entscheidung bei einer rein rechtlichen Betrachtung zutreffend. Allerdings sollte bei einer Anwendung auf andere Fälle stets sorgsam geprüft werden, ob die vertragsschließenden Parteien tatsächlich ein solches Verständnis hatten. Häufig verkennen Beteiligte nämlich die Begrifflichkeiten und wollen „nur“ eine Einzelvertretungsbefugnis vereinbaren. Die unterlassene Einholung der Genehmigung für die Übernahme eines Aufsichtsratsmandats ist jedenfalls dann kein wichtiger Grund, wenn das Vorstandsmitglied einen Anspruch auf Genehmigung hatte12. Auch kein wichtiger Grund ist die Abrechnung von Geschäftsessen unter Teilnahme der Ehefrau. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofes kann dies zur Kontakt- und Imagepflege sowie aus „atmosphärischen“ Gründen im Einzelfall angemessen sein13. Ferner kann als wichtiger Grund nicht herangezogen werden, was der Gesellschaft bereits bei der Bestellung bekannt war14.
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Ein wichtiger Grund zum Widerruf der Bestellung genügt nicht „automatisch“ auch für eine außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages15. Vielmehr bedarf es dort einer umfassenderen Abwägung des wichtigen Grundes, der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung für die Gesellschaft, der persönlichen Folgen für den Betroffenen,
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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Siehe BGH v. 28.10.2002 – II ZR 353/00, DB 2002, 2640, 2642. Vgl. BGH v. 28.10.2002 – II ZR 353/00, DB 2002, 2640, 2642. OLG Stuttgart v. 26.10.2005 – 14 U 50/05, GmbHR 2006, 1258. Überblick und Einzelbehandlung aller Fallgruppen bei Fleischer in Spindler/Stilz, § 84 AktG Rz. 112 – 122. VG Frankfurt v. 8.7.2004 – 1 E 7363/03 [1], VersR 2005, 57. Jedenfalls, wenn die Nichtverlängerung einer lebenswichtigen Kreditlinie damit verknüpft wird, vgl. BGH v. 23.10.2006 – II ZR 298/05, ZIP 2007, 119. BGH v. 7.6.1962 – II ZR 131/61, WM 1962, 811. Vgl. öOGH v. 28.4.1998 – 1 Ob 294/97k, AG 1999, 140, 141. Siehe KG v. 3.5.2007 – 23 U 102/06, AG 2007, 745. LG München v. 17.5.2001 – 5 HKO 1227/01, AG 2002, 104, 105. OLG Hamm v. 7.1.1991 – 8 U 155/90, AG 1991, 399. KG v. 3.5.2007 – 23 U 102/06, AG 2007, 745. BGH v. 28.10.2002 – II ZR 353/00, DB 2002, 2640, 2642. BGH v. 12.7.1993 – II ZR 65/92, AG 1993, 514. Vgl. BGH v. 23.10.1995 – II ZR 130/94, WM 1995, 2064, 2065.
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Vorstand
der Dauer der Tätigkeit für die Gesellschaft, den erworbenen Verdiensten um die Gesellschaft und der Restlaufzeit des Vertrages1. In diesem Rahmen können auch die so genannten „nützlichen“ Pflichtverletzungen2 durch Vorstandsmitglieder differenziert gewertet werden, d.h. im Einzelfall gerade unbeschadet des aktienrechtlichen Legalitätsprinzips keine Kündigung tragen. 18
Allerdings ist es nach tradierter Auffassung möglich, im Anstellungsvertrag einen Gleichlauf von Anstellung und Bestellung zu vereinbaren3, so dass das Anstellungsverhältnis gleichwohl „automatisch“ mit dem Widerruf der Bestellung endet4. Aufgrund zweier Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zu Anstellungsverhältnissen von GmbH-Geschäftsführern5 wird die Zulässigkeit von Gleichlaufklauseln neuerdings grundsätzlich bezweifelt6. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Rechtsstellung der Organmitglieder nach § 38 GmbHG und § 84 AktG dürfte eine solche Folgerung aber – wie Grumann/Gillmann7 gezeigt haben – jedenfalls für die Aktiengesellschaft fehlgehen.
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Ist der Widerruf der Bestellung, nicht aber eine Kündigung des Anstellungsvertrages möglich, so stellt der Widerruf der Bestellung durch die Gesellschaft kein vertragswidriges Verhalten im Sinne des § 628 Abs. 2 BGB dar8. Das Vorstandsmitglied ist daher nicht berechtigt zu kündigen und Schadensersatz zu verlangen. Als Folge des Widerrufs verliert das Vorstandsmitglied seinen anstellungsvertraglichen Beschäftigungsanspruch, behält aber seinen Vergütungsanspruch9. 4. Einzelfragen zu Verfahren, Fristen und Rechtsschutz a) Zuständigkeit und Formfragen
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Zuständig für den Widerruf der Bestellung ist stets der gesamte Aufsichtsrat (§§ 84 Abs. 3 Satz 1, 107 Abs. 3 Satz 2 AktG). Neben einem Beschluss des Aufsichtsrates10 im Innenverhältnis11 bedarf es zum Widerruf der Bestellung noch einer entsprechenden Erklärung im Außenverhältnis12. Die Abberufung wird noch nicht mit dem Beschluss des Aufsichtsrates, sondern erst mit Zugang der Erklärung wirksam13. Diese Unterscheidung wird insbesondere relevant, wenn das betreffende Vorstandsmitglied in sonstiger Weise vorab Kenntnis vom Beschluss des Aufsichtsrates erhält. Der Aufsichtsrat darf aufgrund dieser gesetzlichen Kompetenzzuweisung dem Vorsitzenden in seinem Beschluss auch kein weiteres Ermessen einräumen, etwa dergestalt, dass dieser kündigen möge, wenn der Vorstand die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht entkräften könne14. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Vgl. Henze, Aktienrecht, Rz. 407 ff.; Grumann/Gillmann, DB 2003, 770, 774. Eingehend hierzu Fleischer, ZIP 2005, 141 ff. Exemplarisch Bauer/Diller, GmbHR 1998, 809, 810. Muster bei Grumann/Gillmann, DB 2003, 770, 773. BGH v. 1.12.1997 – II ZR 232/96, DB 1998, 874; BGH v. 21.6.1999 – II ZR 27/98, GmbHR 1999, 1140. Etwa Flatten, GmbHR 2000, 922, 925. Grumann/Gillmann, DB 2003, 770, 772 f. Zur GmbH BGH v. 28.10.2002 – II ZR 146/02, WM 2002, 2508; zur abweichenden Beurteilung durch die Arbeitsgerichtsbarkeit Bauer/Diller/Krets, DB 2003, 2687. BGH v. 28.10.2002 – II ZR 146/02, WM 2002, 2508, 2509. Vgl. OLG Köln v. 28.2.2008 – 18 U 3/08, AG 2008, 458. Beispiel bei Happ, Aktienrecht, Muster 8.11, S. 899. Vgl. OLG Stuttgart v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 212. Siehe OLG Stuttgart v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 212. OLG Karlsruhe v. 28.4.2004 – 7 U 62/03, ZIP 2004, 2377.
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Beendigung von Bestellung und Anstellung
Erklärt wird der Widerruf der Bestellung regelmäßig durch den Aufsichtsratsvorsitzenden. Meist ergibt sich dessen Befugnis hierzu ausdrücklich aus der Satzung. Möglich ist jedoch auch, dass der Aufsichtsrat beschließt, einen Dritten, etwa ein anderes Vorstandsmitglied, als Erklärungsboten einzusetzen1. In diesen Fällen ist – wegen § 174 BGB – die Beifügung einer unterzeichneten Mehrfertigung der Niederschrift über den entsprechenden Aufsichtsratsbeschluss zu bedenken. Nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf gilt Entsprechendes auch für Kündigungen durch den Aufsichtsratsvorsitzenden selbst2.
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Hinsichtlich einer außerordentlichen Kündigung gilt im Ausgangspunkt nichts anderes. Auch hier bedarf es eines Beschlusses des Aufsichtsrates und einer Kündigungserklärung. Allerdings kann hier – soweit (nur) das Anstellungsverhältnis betroffen ist – die Beschlussfassung auch einem Ausschuss des Aufsichtsrates übertragen werden3.
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Gesetzliche Formerfordernisse bestehen weder für die Erklärung des Widerrufs der Bestellung noch für die Kündigung4. Meist ergibt sich die Notwendigkeit der Schriftform jedoch aus dem Anstellungsvertrag. In den übrigen Fällen empfiehlt sich die Beachtung dieser Form zu Beweiszwecken.
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Besondere Sorgfalt in formeller Hinsicht ist hingegen bei der Einberufung der Aufsichtsratssitzung geboten, die über Kündigung und Widerruf der Bestellung beschließen soll. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind solche Beschlüsse insbesondere dann nichtig, wenn sie (nur) unter dem allgemeinen Tagesordnungspunkt „Vorstandsangelegenheiten“ angekündigt wurden5. Um Risiken insoweit zu vermeiden, empfiehlt sich daher entweder ein Verzicht aller Aufsichtsratsmitglieder auf die Wahrung von Formvorschriften im Protokoll der Aufsichtsratssitzung festzuhalten oder – ungeachtet der Sensibilität solcher Beschlussgegenstände – eine formelle Ankündigung, etwa „Beratung und Beschlussfassung über den Widerruf der Bestellung von Herrn Mustermann zum Mitglied des Vorstandes aus wichtigem Grund“. Entsprechendes gilt für die Beendigung von Anstellungsverhältnissen durch Kündigung.
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b) Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB Nach § 626 Abs. 2 BGB kann eine Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Kündigungsberechtigter im Sinne dieser Bestimmung ist bei der Aktiengesellschaft grundsätzlich der Aufsichtsrat. Die für die Kündigung maßgebenden Tatsachen liegen nach der Rechtsprechung aber erst dann vor, wenn alles in Erfahrung gebracht ist, was als notwendige Grundlage für die Entscheidung über den Fortbestand oder die Auflösung des Dienstverhältnisses anzusehen ist; einzelne Gesichtspunkte genügen nicht6. Wird aus mehreren Gründen gekündigt, so genügt es, wenn die Frist des § 626 Abs. 2 BGB für einen der Kündigungsgründe gewahrt ist7. Dies erlaubt dem Unternehmen
1 Ausdrücklich etwa OLG Stuttgart v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 212. 2 OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, NZG 2004, 141; näher zu den möglichen Folgerungen für die Praxis Schockenhoff/Topf, DB 2005, 539 ff. 3 LG Berlin v. 3.7.2002 – 2 O 358/01, AG 2002, 682, 683. 4 § 623 BGB gilt für Vorstandsmitglieder nicht, vgl. oben Rz. 8. 5 BGH v. 29.5.2000 – II ZR 47/99, DB 2000, 1959. 6 Vgl. BGH v. 26.2.1996 – II ZR 114/95, ZIP 1996, 636. 7 Allgemeine Ansicht, vgl. Putzo in Palandt, § 626 BGB Rz. 30.
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auch das Nachschieben weiterer Kündigungsgründe, gegebenenfalls auch erst im Prozess1. 26
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist für den Fristbeginn ausschließlich die Kenntnis der Mitglieder des Aufsichtsrates in ihrer Eigenschaft als Mitwirkende an der kollektiven Willensbildung maßgeblich2. Daher löst auch nicht eine außerhalb einer Aufsichtsratssitzung, sondern nur die nach dem Zusammentritt erlangte Kenntnis der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen den Lauf der Ausschlussfrist aus3.
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Der Bundesgerichtshof hat diesen Grundsatz dahingehend eingeschränkt, dass dann, wenn die Einberufung der Aufsichtsratssitzung von einberufungsberechtigten Mitgliedern nach Kenntniserlangung von dem Kündigungssachverhalt unangemessen verzögert werde, sich die Gesellschaft so behandeln lassen müsse, als wäre die Aufsichtsratssitzung mit der billigerweise zumutbaren Beschleunigung einberufen worden. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass sich ein Aufsichtsratsmitglied, das Kenntnisse von Pflichtverletzungen durch Vorstandsmitglieder für sich behält, gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig macht4. Es ist in diesem Fall verpflichtet, den Aufsichtsratsvorsitzenden unverzüglich um die Einberufung einer Aufsichtsratssitzung zu ersuchen, um die anderen Aufsichtsratsmitglieder von seinem Wissen in Kenntnis zu setzen5. Nach der Literatur soll der Aufsichtsratsvorsitzende dabei erforderlichenfalls eine weitere Prüfungsfrist von bis zu zwei Wochen haben6. Diese wurde jedoch vom Bundesgerichtshof noch nicht bestätigt. c) Anhörung und Abmahnung
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Einer vorherigen Anhörung des Vorstandsmitglieds bedürfen weder Widerruf der Bestellung noch außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages7. Ebenso bedarf es keiner vorherigen Abmahnung8. Soweit einzelne Stimmen etwa anderes aus § 314 Abs. 2 BGB folgern9, ist dem der BGH unter Hinweis auf § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht gefolgt10. d) Rechtsschutz
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Das Vorstandsmitglied kann sich gegen eine Abberufung mit der Anfechtungsklage verteidigen11. Nach § 84 Abs. 3 AktG bleibt der Widerruf allerdings wirksam, bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist. Mit Rechtskraft einer obsiegenden Entscheidung erlangt das Vorstandsmitglied sein Amt wieder12.
1 OLG Hamm v. 1.3.2007 – 27 U 137/06, GmbHR 2007, 823. 2 Vgl. BGH v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, ZIP 1998, 1269 ff.; BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, ZIP 2001, 1957. 3 BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, ZIP 2001, 1957. 4 Siehe LG Dortmund v. 1.8.2001 – 20 O 143/93, DB 2001, 2591 = AG 2002, 97. 5 Vgl. LG Dortmund v. 1.8.2001 – 20 O 143/93, DB 2001, 2591, 2592 = AG 2002, 97. 6 Vgl. Schumacher-Mohr, ZIP 2002, 2245, 2247 m.w.N. 7 LG Berlin v. 3.7.2002 – 2 O 358/01, AG 2002, 682, 683. 8 BGH v. 2.7.2007 – II ZR 71/06, WM 2007, 1613; BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, ZIP 2001, 1957. 9 Exemplarisch Grumann/Gillmann, DB 2003, 770, 773; Schumacher-Mohr, DB 2002, 1606. 10 BGH v. 2.7.2007 – II ZR 71/06, WM 2007, 1613. 11 Vgl. öOGH v. 28.4.1998 – 1 Ob 294/97k, AG 1999, 140, 141. 12 Vgl. öOGH v. 28.4.1998 – 1 Ob 294/97k, AG 1999, 140, 141.
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Beendigung von Bestellung und Anstellung
Aufgrund der gewöhnlichen Verfahrensdauer solcher Rechtsstreitigkeiten ist diese Form des Rechtsschutzes in der Praxis jedoch weitgehend bedeutungslos. Regelmäßig endet hier die Amtszeit des Betroffenen vor einer Entscheidung; diesem bleibt dann allenfalls noch die Alternative der Umstellung auf einen Feststellungsantrag, dass die Abberufung unrechtmäßig gewesen sei1.
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Meist verteidigen sich Vorstandsmitglieder daher in solchen Fallgestaltungen ausschließlich gegen die Kündigung. Neben der Frage, ob ein wichtiger Grund (siehe Rz. 15 ff.) vorlag, bildet hier häufig die Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB den Schwerpunkt der Auseinandersetzung (dazu soeben Rz. 25 ff.). Ein gängiges Verteidigungsmittel gegen einen Einwand der Verfristung ist das Nachschieben weiterer Gründe, die der Gesellschaft erst während des Rechtsstreits bekannt werden2.
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Bei der Klageerhebung wie der Verteidigung dagegen ist zu beachten, dass die Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied durch den Aufsichtsrat vertreten wird. Daraus folgt, dass Zustellungen der Klage unter der Anschrift der Gesellschaft nicht möglich sind3. Aktiengesellschaften sind auch nicht verpflichtet, Zustellungen für ihren Aufsichtsrat entgegenzunehmen und an diesen weiterzuleiten4.
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e) Beweislast Die Gesellschaft hat im Rechtsstreit hinsichtlich der Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist aus § 626 Abs. 2 BGB, eingeschlossen die zügige Sachverhaltsaufklärung und die anschließende Behandlung im Aufsichtsrat, nicht nur eine substantiierte Darlegungslast, sondern auch die Beweislast5.
33
Sie trägt ferner die Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes6. Daher empfiehlt es sich für Aktiengesellschaften meist schon aus Gründen der Prozesstaktik auf die Klage eines Vorstandsmitglieds von Seiten der Gesellschaft mit einer Widerklage auf Schadensersatz zu kontern, wenn die Abberufung bzw. die Kündigung auf einer pflichtwidrigen Schädigung der Gesellschaft beruhte7. Insoweit kehrt sich dann aufgrund § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG die Beweislast8.
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Im Fall der Abberufung aufgrund eines Vertrauensentzuges der Hauptversammlung hat hingegen das Vorstandsmitglied zu beweisen, dass der Vertrauensentzug aus unsachlichen Gründen geschah9. Ein non liquet geht zu seinen Lasten10. Allerdings hat
35
1 Exemplarisch öOGH v. 28.4.1998 – 1 Ob 294/97k, AG 1999, 140, 141. 2 Vgl. zum Nachschieben von Gründen für die Abberufung öOGH v. 18.5.1995 – 6 Ob 517/95, AG 1996, 39, 41 und zum Nachschieben von Kündigungsgründen BAG v. 4.6.1997 – 2 AZR 362/96, NJW 1998, 101 f. und BGH v. 13.7.1998 – II ZR 131/97, AG 1998, 519 sowie BGH v. 1.12.2003 – II ZR 161/02, WM 2004, 127. 3 OLG Hamburg v. 4.5.2001 – 11 U 274/00, AG 2002, 521, 523. 4 LG Berlin v. 19.6.2003 – 95 O 98/03, Der Konzern 2003, 639. 5 ThürOLG Jena v. 1.12.1998 – 5 U 1501/97, NZG 1999, 1069. 6 Siehe zur Beweislast der Gesellschaft BGH v. 28.10.2002 – II ZR 353/00, DB 2002, 2640, 2642 sowie zu deren Darlegungslast auch BGH v. 13.7.1998 – II ZR 131/97, NZG 1998, 726 = AG 1998, 519. Vgl. auch Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 84 AktG Rz. 185 m.w.N. 7 Zur Verpflichtung, Schadensersatzansprüche einzuklagen, siehe BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, AG 1997, 377. 8 Vgl. BGH v. 4.11.2002 – II ZR 224/00, ZIP 2002, 2314 = AG 2003, 381. Grundlegend und zu Einzelheiten der Beweislast Goette, ZGR 1995, 648. 9 Vgl. BGH v. 3.7.1975 – II ZR 35/73, AG 1975, 242. 10 Siehe öOGH v. 28.4.1998 – 1 Ob 294/97k, AG 1999, 140, 141.
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die Gesellschaft grundsätzlich eine Darlegungslast hinsichtlich der Gründe für den Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung. f) Anmeldung zum Handelsregister 36
Bei der Anmeldung des Widerrufs der Bestellung zum Handelsregister genügt die Vorlage der Niederschrift über den Beschluss des Aufsichtsrates nach § 81 Abs. 2 AktG1. Nicht erforderlich ist hingegen gegenüber dem Registergericht ein Nachweis der Erklärung des Widerrufs2. 5. Suspendierung
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Die Suspendierung, d.h. die vorübergehende Entbindung von der Amtsführung, ist im Aktiengesetz nicht ausdrücklich geregelt. In der Gestaltungspraxis sollte daher auf eine entsprechende Vereinbarung im Anstellungsvertrag geachtet werden. Fehlt sie, entsteht Rechtsunsicherheit. Zwar nimmt die h.M. an, dass eine Suspendierung grundsätzlich möglich sei3. Hinsichtlich der Voraussetzungen einer Suspendierung werden aber auch unter denen, die sie anerkennen, verschiedene Standpunkte vertreten. Nach einer Ansicht ist eine Suspendierung jedenfalls dann möglich, wenn alle Voraussetzungen für einen Widerruf der Bestellung vorliegen4. Danach wären das Vorliegen eines wichtigen Grundes, ein Aufsichtsratsbeschluss und die Erklärung der Suspendierung gegenüber dem betroffenen Vorstandsmitglied notwendig5.
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Nach der Gegenansicht ist die Suspendierung auch dann zulässig, wenn das Vorliegen eines wichtigen Grundes noch nicht feststeht, aber der konkrete Verdacht eines Verhaltens besteht, das einen wichtigen Grund darstellen würde6. Die Suspendierung dient hier – im Interesse der Gesellschaft – der Aufklärung der Vorwürfe und der anschließenden Entscheidung des Aufsichtsrates über die Abberufung und Kündigung des Anstellungsverhältnisses. Sie ist nur in angemessenem zeitlichen Umfang möglich. Die Literatur sieht die zeitliche Obergrenze für eine Suspendierung bei einem Monat7.
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Nicht möglich ist eine Suspendierung allerdings, wenn sie lediglich dem Aufsichtsrat zusätzliche Zeit für eine Entscheidung über eine Abberufung verschaffen soll8. Hiervon soll allerdings der Fall zu unterscheiden sein, in dem der Aufsichtsrat sich durch die Suspendierung den Raum schaffen will, noch weitere Umstände aufzuklären, die für das Verhalten der Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied von Bedeutung sind, insbesondere für die Festlegung der Bedingungen eines einvernehmlichen Ausscheidens des Vorstandsmitglieds9. 1 OLG Hamm v. 26.9.2002 – 15 W 321/02, DB 2003, 331. 2 So jedenfalls OLG Hamm v. 26.9.2002 – 15 W 321/02, DB 2003, 331. 3 OLG München v. 17.9.1985 – 7 W 1933/85, AG 1986, 234, 235; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, § 7 Rz. 378; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 AktG Rz. 152; kritisch Hüffer, § 84 AktG Rz. 35; ausdrücklich offen gelassen KG Berlin v. 8.7.1983 – 14 U 259/83, AG 1984, 24, 25 mit dem Hinweis, dass der Gesetzgeber diese Maßnahme bei der Aktienrechtsreform 1965 bewusst nicht in das Gesetz aufgenommen habe. 4 OLG München v. 17.9.1985 – 7 W 1933/85, AG 1986, 234, 235; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, § 7 Rz. 380; offen gelassen KG v. 8.7.1983 – 14 U 259/83, AG 1984, 24, 25. 5 Vgl. Hüffer, § 84 AktG Rz. 35. 6 Vgl. Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 AktG Rz. 152 m.w.N.; offenlassend OLG München v. 17.9.1985 – 7 W 1933/85, AG 1986, 234, 235. 7 Vgl. Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 AktG Rz. 152 a.E. 8 So jedenfalls Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 AktG Rz. 154. 9 Siehe Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 AktG Rz. 153.
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Beendigung von Bestellung und Anstellung
Ist eine Suspendierung wirksam, hat sie zur Folge, dass dem suspendierten Vorstandsmitglied im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft die Amtsführung verboten ist1. Ob die Suspendierung auch die Vertretungsmacht im Außenverhältnis entfallen lässt, ist offen. Die wohl überwiegende Ansicht verneint dies aber2. Einigkeit besteht hingegen wiederum, dass das suspendierte Vorstandsmitglied Anspruch auf Weiterzahlung seiner Bezüge hat3. Ob bei einer Suspendierung ein auch zur privaten Nutzung überlassener Dienstwagen zurückverlangt werden kann, hängt von den individuellen vertraglichen Vereinbarungen ab4.
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Zuständig für die Suspendierung ist jedenfalls stets der Gesamtaufsichtsrat; einer Übertragung auf einen Ausschuss steht § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG entgegen5. In mitbestimmten Gesellschaften ist gegebenenfalls das abgestufte Verfahren des § 31 MitbestG (dazu oben § 19 Rz. 12 ff.) einzuhalten6.
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IV. Besonderheiten der Versorgungszusage 1. Anwendbarkeit des Betriebsrentengesetzes Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG gilt das Betriebsrentengesetz grundsätzlich auch für Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften. Die Rechtsprechung nimmt hiervon allerdings Vorstandsmitglieder aus, die aufgrund ihrer (Mehrheits-)Kapitalbeteiligung eines arbeitnehmerähnlichen Schutzes nicht bedürfen7.
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2. Gestaltungsbeschränkung bei Aufhebungsverträgen Soweit das Betriebsrentengesetz anwendbar ist, können sich hierdurch Gestaltungsgrenzen bei der Verhandlung von Aufhebungsverträgen ergeben. Denn § 3 BetrAVG beschränkt die Vertragsfreiheit der Parteien bei der Abgeltung von Ruhegehaltsansprüchen. Ist diese angestrebt, wirft dies die Frage nach der Abbedingbarkeit auf8. Die instanzgerichtliche Rechtsprechung ist hierzu gespalten9. Im Kern der widerstreitenden Argumente steht letztlich die Frage der Schutzbedürftigkeit der Vorstandsmitglieder. Es ist der Verdienst von Thüsing in einer eingehenden Untersuchung dargelegt zu haben, dass dieses nicht besteht10. Im Gegenteil kann gerade der Schutz der Betroffenen, etwa vor Insolvenzrisiken, eine Abfindung gebieten11.
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3. Kürzung bei vorzeitiger Beendigung Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 2 des BetrAVG führt ein vorzeitiges Ausscheiden auch bei unverfallbaren Versorgungsanwartschaften grundsätzlich zu einer Absen1 Vgl. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, § 7 Rz. 378. 2 Siehe Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 AktG Rz. 155; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, § 7 Rz. 378. 3 Vgl. Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 84 AktG Rz. 155. 4 Näher Lingemann/Gotham, DB 2007, 1754, 1755. 5 Siehe OLG München v. 17.9.1985 – 7 W 1933/85, AG 1986, 234, 235. 6 Vgl. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, § 7 Rz. 381. 7 Vgl. BGH v. 28.4.1980 – II ZR 254/78, BGHZ 77, 94 ff.; BGH v. 1.2.1999 – II ZR 276/97, NZA 1999, 380. 8 Grundlegend zuletzt Thüsing, AG 2003, 484 ff. 9 Vgl. OLG Oldenburg v. 18.3.1988 – 6 U 118/87, EzA Nr. 4 zu § 17 BetrVG gegen LG Köln v. 20.3.1985 – 24 O 271/84, DB 1985, 1580. 10 Thüsing, AG 2003, 484 ff. 11 Siehe Thüsing, AG 2003, 484, 491.
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kung des späteren Ruhegehaltes des Vorstandsmitgliedes1. Diese Weiterung wird von den Betroffenen bei der Vertragsgestaltung mitunter verkannt. Aufgrund des in § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG verankerten Günstigkeitsprinzips kann die Kürzung für den Fall vorzeitigen Ausscheidens jedoch bereits im Versorgungsvertrag abbedungen werden2. Allerdings muss dies nach der Rechtsprechung ausdrücklich geschehen3. 4. Widerruf der Versorgungszusage 45
Werden Bestellung und Anstellung wegen schwerer Pflichtverletzungen widerrufen, wirft dies regelmäßig auch die Frage nach der Möglichkeit des Widerrufs gewährter Versorgungszusagen auf. Die Rechtsprechung ist hier bei unverfallbaren Versorgungszusagen jedoch vergleichsweise restriktiv4. Nur schwerste Verfehlungen können nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die Versagung von Ruhegeldansprüchen rechtfertigen5. Er begründet dies damit, dass ein betriebliches Ruhegeld Entgeltcharakter habe und eine besondere Vergütung dafür sei, dass das Vorstandsmitglied seine Arbeitskraft für lange Zeit in den Dienst des Unternehmens gestellt habe. Das bei der Ruhegehaltszusage vorausgesetzte Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung könne zwar durch Treuepflichtverletzungen ebenso gestört werden wie durch ein verfrühtes Ausscheiden aus dem Dienst. Auf der anderen Seite sei die Versorgung aber für ihren Empfänger von lebenswichtiger Bedeutung. Diese existenzielle Bedeutung für den Begünstigten schließe es – so der BGH – aus, ihre Erfüllung von einem „steten Wohlverhalten“ abhängig zu machen. Deshalb könnten nur schwerste Verfehlungen ausnahmsweise die Versagung von Ruhegeldansprüchen rechtfertigen. Dies könne namentlich der Fall sein, wenn der Pensionsberechtigte das Unternehmen, aus dessen Erträgen seine Pension gezahlt werden soll, fortgesetzt geschädigt und dadurch dessen wirtschaftliche Grundlage gefährdet habe6. Der Bundesgerichtshof hat den Widerruf der Versorgungszusage ferner in einem Fall bejaht, in dem ein Schaden von rund 3 Mio. Euro entstanden und eine Kapitalerhöhung um 2,5 Mio. Euro nötig war7. Zugelassen wurde er auch in einem Fall, indem ein Vorstandsmitglied einer Bank diese bewusst und gewollt geschädigt und dabei einen Verlust von mehr als 1 Mrd. DM verursacht hatte8. Von der Auslegung des individuellen Vertrages soll hingegen der Widerruf der Versorgungszusage bei einer Verletzung der Insolvenzantragspflicht abhängen9. Pflichtverletzungen, die nach Art, Ausmaß und Folgen ein solches außerordentliches Gewicht nicht haben, reichen dagegen nach ständiger Rechtsprechung für einen Pensionsentzug selbst dann nicht aus, wenn auf sie eine fristlose Kündigung des Dienstverhältnisses gestützt werden kann10.
1 Zu Einzelheiten siehe Griebling/Griebling, Betriebliche Altersversorgung, 2. Aufl. 2003, S. 114 ff. 2 Blomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 2. Aufl. 1992, § 2 Rz. 19 f. 3 BAG v. 4.10.1994 – 3 AZR 215/94, BB 1995, 881, 882. 4 Bestätigt durch BGH v. 11.3.2002 – II ZR 5/00, NZG 2002, 635. 5 BGH v. 25.11.1996 – II ZR 118/95, AG 1997, 265. 6 So fast wörtlich BGH v. 25.11.1996 – II ZR 118/95, AG 1997, 265. 7 BGH v. 19.12.1983 – II ZR 71/83, ZIP 1984, 307. 8 Beschluss v. 20.9.1993 – II ZA 4/93; berichtet bei Goette, DStR 1994, 146. 9 BGH v. 15.10.2007 – II ZR 236/06, WM 2008, 252. 10 Siehe BGH v. 22.6.1981 – II ZR 146/80, WM 1981, 940, 941; BGH v. 19.12.1983 – II ZR 71/83, ZIP 1984, 307, 308 f.; BGH v. 25.11.1996 – II ZR 118/95, AG 1997, 265.
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§ 20
Beendigung von Bestellung und Anstellung
V. Besonderheiten der Unternehmensumwandlung 1. Folgen einer Umwandlung für Bestellung und Anstellung In den Fällen einer Unternehmensumwandlung (Formwechsel nach dem UmwG) verliert ein Vorstandsmitglied zwar sein Amt1, nicht aber seinen Anstellungsvertrag2. Der Formwechsel berechtigt die Gesellschaft grundsätzlich nicht zur Kündigung des Anstellungsverhältnisses3, wohl aber das Vorstandsmitglied4. Zulässig ist jedoch die Vereinbarung einer automatischen Vertragsbeendigung für den Fall der Umwandlung im Anstellungsvertrag5. Ob hingegen auch eine allgemeine „Gleichlaufklausel“ zur Beendigung des Vertrages führt, ist zweifelhaft. Sie kann auch auf die Fälle des § 84 Abs. 3 AktG begrenzt vereinbart worden sein6.
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In Fällen der Verschmelzung gilt Entsprechendes für die Vorstandsmitglieder der übertragenden Aktiengesellschaft. Aus diesem Grund erhalten Vorstandsmitglieder im Zuge von Fusionsverhandlungen oftmals Zusagen über ihre Bestellung zum Vorstandsmitglied bei der aufnehmenden Gesellschaft. Abgesehen davon, dass solche Zusagen aufgrund der fehlenden Beschlussfassung durch das dazu berufene Organ meist unwirksam sind, müssen sie im Verschmelzungsvertrag nach § 5 Abs. 1 Nr. 8 UmwG offengelegt werden7. 2. Publizität von Abfindungsvereinbarungen Immer wieder kommt es im Zusammenhang mit Umwandlungsvorgängen zum Ausscheiden von Vorstandsmitgliedern durch Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung. Hier ist zu beachten, dass die gezahlte Abfindung als Sondervorteil im Verschmelzungsvertrag ausweispflichtig sein kann8. Diese Verpflichtung sollte gegebenenfalls ernst genommen werden, da von einem Teil des Schrifttums angenommen wird, dass ein Verstoß zur Unwirksamkeit der Abfindungsvereinbarung führe9.
1 A.A. Hoger, ZGR 2007, 868, 884 ff. 2 Vgl. Fischer/Meyding, BB 2000, 1097, 1100; Kübler in Semler/Stengel, § 202 UmwG Rz. 14 m.w.N. 3 Siehe Fischer/Meyding, BB 2000, 1097, 1100; differenzierend allerdings Buchner/Schlobach, GmbHR 2004, 1, 6. 4 Kübler in Semler/Stengel, § 20 UmwG Rz. 58. 5 Röder/Lingemann, DB 1993, 1341, 1342; Kübler in Semler/Stengel, § 202 UmwG Rz. 10 m.w.N.; Marsch-Barner in Kallmeyer, § 20 UmwG Rz. 13. 6 Vgl. Kliemt/von Tiling, ArbRB 2006, 25, 26. 7 Näher Schröer in Semler/Stengel, § 5 UmwG Rz. 70 ff. 8 Abgewogen dazu Schröer in Semler/Stengel, § 5 UmwG Rz. 72; strenger Bauer/Krets, DB 2003, 811, 815. 9 Heckschen, Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, 1989, S. 18; Mayer in Widmann/Mayer, § 5 UmwG Rz. 175; a.A. Schröer in Semler/Stengel, § 5 UmwG Rz. 74.
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§ 21
Vorstand
§ 21 Unternehmensleitung I. Unternehmensplanung . . . . . . . .
Rz. 1
Rz. III. Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . 15
II. Investor Relations und Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
1. Sicherstellung ordnungsgemäßer Kapitalmarktinformation nach dem Wertpapierhandelsgesetz . . . .
4
1. Verlustanzeigepflicht (§ 92 Abs. 1 AktG) . . . . . . . . . . . 20
2. Public Relations/Investor Relations 8 a) Aufgabenstellung . . . . . . . . . . 9 b) Organisation . . . . . . . . . . . . . 10 c) Instrumente . . . . . . . . . . . . . . 11
3. Zahlungsverbot . . . . . . . . . . . . . 29
IV. Besonderheiten im Konzern . . . . . 18 V. Verlustanzeige und Insolvenz . . . . 19
2. Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO) . . . . . . 24
Schrifttum: Bayer/Schmidt, Die Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführung nach §§ 92 Abs. 2 AktG, 64 Abs. 1 GmbHG, AG 2005, 644; Beck, Die Haftung des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 2 GmbHG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG, ZInsO 2007, 1233; Henze, Leitungsverantwortung des Vorstands – Überwachungspflicht des Aufsichtsrats, BB 2000, 209; Kropff, Die Unternehmensplanung im Aufsichtsrat, NZG 1998, 613; Kühnenberger, Verlustanzeigebilanz – zu Recht kaum beachteter Schutz für Eigentümer?, DB 2000, 2077; Martens, Die Anzeigepflicht des Verlustes des Garantiekapitals nach dem AktG und dem GmbHG, ZGR 1972, 254; Möller, Änderungen des Aktienrechts durch das MoMiG, Der Konzern 2008, 1; Müller, Der Verlust der Hälfte des Grund- oder Stammkapitals, ZGR 1995, 191; Reuter, „Krisenrecht“ im Vorfeld des Insolvenz – das Beispiel der börsennotierten AG, BB 2003, 1797; Scheffler, Betriebswirtschaftliche Überlegungen zur Entwicklung von Grundsätzen ordnungsmäßiger Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat, AG 1995, 207.
I. Unternehmensplanung 1
Aus der Leitungspflicht des Vorstands folgt die Pflicht, die Richtlinien der Unternehmenspolitik festzulegen (siehe oben § 18 Rz. 10). Hierzu gehört, wie seit langem anerkannt1, auch eine Unternehmensplanung2.
2
Mit dem KonTraG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass der Unternehmensplanung besondere Bedeutung zukommt. § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG hebt hervor, dass der Vorstand dem Aufsichtsrat über die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung zu berichten hat. Das Gesetz erwähnt insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung. Das TransPuG ergänzte dies um die so genannte „Follow-up“-Berichterstattung, nach der der Vorstand auf Abweichungen der tatsächlichen Entwicklung von früher berichteten Zielen unter Angaben von Gründen einzugehen hat.
3
Wie weit die Rechtspflicht des Vorstands zur Unternehmensplanung reicht, ist nicht abschließend geklärt3. Jedenfalls umfasst sie die Finanzplanung und hier zumindest
1 Vgl. nur Semler, ZGR 1983, 1; ferner Albach, ZGR 1997, 32; Götz, AG 1995, 337. 2 Semler, Leitung und Überwachung, S. 13 ff.; Henze, BB 2000, 209, 210. 3 Überblick über den Meinungsstand bei Hüffer, § 90 AktG Rz. 4 f.; sowie Kropff, NZG 1998, 613 ff.
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Unternehmensleitung
die jährliche Budgetplanung sowie eine auf mehrere Jahre bezogene (Grob-)Planung1. Zu den Grundpflichten zählt auch eine Personalplanung2. Im Hinblick auf den Detaillierungsgrad kommt es auf die Umstände des jeweiligen Unternehmens an, insbesondere auf die Größe und Branche. Aus den Gegebenheiten des Einzelfalls können weitergehende Pflichten zur Planung in anderen Bereichen folgen, insbesondere zur Produktions-, Absatz-, Beschaffungs-, Entwicklungs-, Kosten- und Ergebnisplanung3. Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen gilt ferner, dass alle anerkannten Grundsätze4 der betriebswirtschaftlichen Forschung und Lehre zu berücksichtigen sind. Auch wenn die herrschende Lehre bei betriebswirtschaftlichen Grundsätzen mit der Annahme von Rechtspflichten zurückhaltender ist5, kann die Pflicht zur Berücksichtigung aus § 93 AktG entnommen werden6.
II. Investor Relations und Kapitalmarkt Schrifttum: Deller/Stubenrath/Weber, Die Internetpräsenz als Instrument der Investor Relations, DB 1997, 1577; Günther/Otterbein, Die Gestaltung der Investor Relations am Beispiel führender deutscher Aktiengesellschaften, ZfB 1996, 389; Häusele, Investor Relations: Grundlagen und Bedeutung in der Versicherungswirtschaft, ZVerwWiss 1997, 131; Krystek/ Müller, Investor Relations, DB 1993, 1785; Lentfer/Weber, Das Corporate Governance Statement als neues Publizitätsinstrument, DB 2006, 2357.
1. Sicherstellung ordnungsgemäßer Kapitalmarktinformation nach dem Wertpapierhandelsgesetz Zu den Grundpflichten des gesamten Vorstandes gehört in der börsennotierten Aktiengesellschaft die Sicherstellung ordnungsgemäßer Information des Kapitalmarktes. Die Basis bildet hierbei die kapitalmarktrechtliche Regelpublizität, namentlich die quartalsmäßige Zwischenberichterstattung7. Sie wird an anderer Stelle näher behandelt (siehe unten § 57).
4
Ergänzt wird sie durch die gesetzliche Pflicht zur Ad hoc-Publizität gemäß § 15 WpHG8. Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung ist sie in einem eigenen Abschnitt zu behandeln (vgl. oben § 14). Zweifelsfragen entstehen in diesem Zusammenhang gelegentlich bei der Abgrenzung der Regelpublizität und der Ad hoc-Publizität9.
5
Ein weiteres, gewichtiges Instrument der Kapitalmarktinformation sind die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach § 15a WpHG betreffend Wertpapier-
6
1 BT-Drucks. 13/9712, S. 15; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 90 AktG Rz. 17 f.; Wiesner in MünchHdb. AG, § 25 Rz. 7; einschränkend etwa Fleischer in Spindler/ Stilz, § 90 AktG Rz. 19; Hüffer, § 90 AktG Rz. 4a (Vorstand soll nach pflichtgemäßem Ermessen über Mehrjahresplanung entscheiden können). 2 Enger Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 90 AktG Rz. 18. 3 Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 90 AktG Rz. 8. 4 Siehe Scheffler, AG 1995, 207 ff. 5 Vgl. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 90 AktG Rz. 18; Hüffer, § 90 AktG Rz. 4a; Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 48. 6 Zumindest im Einzelfall können betriebswirtschaftliche Erkenntnisse den Sorgfaltsmaßstab prägen, vgl. Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 46. 7 Überblick bei Blättchen/Jasper/Götz, Being Public, S. 19 ff. 8 Grundlegend zur Eignung von Sachverhalten zur Auslösung einer Mitteilungspflicht Nowak, ZBB 2001, 449 ff. 9 Ausführlich dazu zuletzt Cahn/Götz, AG 2007, 221.
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geschäfte von Mitgliedern der Verwaltung und ihren Angehörigen (directors’ dealings). Sie werden ebenfalls gesondert behandelt (siehe oben § 15). 7
Abgerundet wird das gesetzliche Instrumentarium durch die Beteiligungspublizität nach §§ 21 ff., 41 WpHG1. Entsprechend ihrer Bedeutung wird auch sie in einem eigenen Abschnitt näher dargestellt (dazu oben § 17). Jenseits dessen setzt das geltende Recht keine ausdrücklichen Vorgaben. Ordnungspolitisch wird daber bereits nach dem Gesetzgeber gerufen, der Normen für „Unternehmenskommunikation“ erlassen möge2. Das erscheint aber m.E. nicht opportun. 2. Public Relations/Investor Relations
8
Ein Vorstand, der es bei der Erfüllung der bestehenden kapitalmarktrechtlichen Erfordernisse belässt, genügt in der börsennotierten Aktiengesellschaft nicht seinen allgemeinen Amtspflichten aus §§ 93, 76 f. AktG. Vielmehr hat er für eine weitergehende „Pflege“ des Kapitalmarktes und der Öffentlichkeit zu sorgen. Hierbei greifen die unter den Schlagworten „Public Relations“3 und „Investor Relations“4 behandelten Pflichten ineinander. Mitunter werden diese Begriffe auch wenig trennscharf oder gar synonym benutzt5. Sie können sich in der Zeit der Markt- oder Unternehmenskrise zum Aufgabenschwerpunkt entwickeln6. a) Aufgabenstellung
9
In der Sache geht es darum, den Bekanntheitsgrad des Unternehmens zu steigern, Vertrauen in die Aktien der Gesellschaft zu schaffen und letztlich – auch und gerade – darum, den Börsenkurs zum Wohle von Gesellschaft und Aktionären zu steigern7. Dabei geht es allerdings richtigerweise nicht um kurzfristige Kurzveränderungen, sondern um das Sicherstellen einer angemessenen und fairen Bewertung8. Wenngleich natürlich aus der Unternehmensinnensicht ein Zusammenhang zwischen Aktienkursmaximierung und Kapitalkostenminimierung nicht zu leugnen ist. Neben die Aktionäre treten als eigene Zielgruppe die Investoren in Anleihen der Gesellschaft, so genannte „Fixed Income – IR“9. Während Investor Relations letztlich in allen Facetten den Focus auf die Kapitalmarktakteure richtet, greift Public Relations darüber hinaus und bezieht in die Öffentlichkeitsarbeit auch andere Belange, etwa den Umweltschutz mit ein. Sie zeigt ihre positiven Effekten meist nur indirekt, etwa in der Unterstützung der Bewältigung von Unternehmenskrisen10. b) Organisation
10
In der Unternehmenspraxis werden nach empirischen Erhebungen nur in einem Viertel der Aktiengesellschaften Investor Relations und Öffentlichkeitsarbeit aus einer 1 Einführung und Formulierungsmuster stellt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf ihrer Homepage www.bafin.de bereit. 2 Wiel in Finanzplatz, Heft 4/2008, S. 16. 3 Ausführlich Jäger, Aktiengesellschaft, 2004, § 60. 4 Eingehend Jäger, Aktiengesellschaft, 2004, § 61. 5 Vgl. Krystek/Müller, DB 1993, 1785, 1786. 6 So Wolf in Finanzplatz, Heft 4/2008, S. 18 ff. 7 Ausführlich zu den Zielen der IR-Arbeit Günther/Otterbein, ZfB 1996, 389, 397 ff. 8 Siehe Jäger, Aktiengesellschaft, 2004, § 61 Rz. 3. 9 Näher dazu Degenhart/Heckenmüller/Bozicevic, AG-Report 2007, R 171 f. 10 Näher dazu Krystek/Müller, DB 1993, 1785, 1788.
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Unternehmensleitung
Abteilung heraus betrieben1. Während die Öffentlichkeitsarbeit meist im Ressort des Vorstandsvorsitzenden angesiedelt ist, wird Investor Relations überwiegend vom Finanzvorstand verantwortet2. c) Instrumente Investor und Public Relations-Arbeit ist gemeinsam, dass sie einen Schwerpunkt auf die Multiplikatoren setzen muss. Dies sind Finanzanalysten und Wirtschaftsjournalisten. Die Führung solcher, für die Zielerreichung bedeutsamer Gespräche ist auch rechtlich anspruchsvoll3. Denn der Erwartungshorizont der Gesprächspartner richtet sich hier regelmäßig auf die Weitergabe vertraulicher Hintergrundinformation, was das Aktien- und das Kapitalmarktrecht aber nur in engen Grenzen erlaubt (dazu oben § 13 Rz. 56 ff.).
11
Jenseits solcher Gespräche öffnet sich ein weites Feld. Gängige Instrumente „unpersönlicher“ Ansprache sind4:
12
(1) Geschäftsbericht (2) Zwischen- und Quartalsberichte (3) Ad hoc-Mitteilungen (4) Pressemitteilungen (5) Finanzanzeigen in der Tages- oder Wirtschaftspresse, (6) Fernsehen (7) Aktionärsbriefe5. In neuerer Zeit ist bei den börsennotierten Aktiengesellschaften schließlich auch die Corporate Governance – Berichterstattung der Gesellschaften in den Fokus gerückt6. Diese Instrumente werden flankiert durch Anlässe und persönliche Kontakte, bei denen das Unternehmen und/oder seine Verantwortlichen unmittelbar „verkauft“ werden7:
13
(1) Hauptversammlung (2) Pressekonferenzen (3) Unternehmenspräsentationen (4) Anlegermessen und -foren (5) Roundtable und Einzelgespräche (6) Betriebsbesichtigungen (7) Werksmuseen. Ein über diese tradierte Unterscheidung hinausgreifendes Instrument ist das Internet. Die Homepage bietet ein breites Gestaltungsspektrum für Information und Kom1 Günther/Otterbein, ZfB 1996, 389, 396. 2 Siehe Günther/Otterbein, ZfB 1996, 389, 396: 44 % Finanzabteilung, 19 % selbständige Abteilung, 12 % Konzernrechnungswesen. 3 Vgl. Ekkenga, NZG 2001, 1 ff. 4 Näher jeweils Günther/Otterbein, ZfB 1996, 389, 404 ff.; Häusele, ZVerwWiss 1997, 131, 150 ff.; Jäger, NZG 2000, 186, 188. 5 Weitere Beispiele bei Jäger, Aktiengesellschaft, 2004, § 61 Rz. 20 ff. 6 Vgl. Lentfer/Weber, DB 2006, 2357. 7 Siehe Günther/Otterbein, ZfB 1996, 389, 407 ff.; Häusele, ZverwWiss 1997, 131, 150 ff.; Jäger, NZG 2000, 186, 187.
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munikation1. Ältere wissenschaftliche Erhebungen der deutschen Unternehmenspraxis ergaben, dass die Unternehmen dies zwar erkannt haben, das Potential aber noch nicht vollständig ausschöpften2. Dies hat sich aber heute auf breiter Front gewandelt3. 14a
Eine wichtige Informationsquelle für gezielte Investor-Relations-Arbeit werden die Mitteilungen wesentlicher Aktionäre nach § 27a WpHG in der Fassung durch das Risikobegrenzungsgesetz sein. Danach müssen Aktionäre, die mehr als 10 % der Stimmrechte halten, u.a. angeben, welche strategischen Ziele sie verfolgen. Zudem wird die gezielte Investorenbetreuung künftig bei Namensaktien durch die Neufassung des § 67 AktG erleichtert, die es den Gesellschaften erlaubt, Investoren nach entsprechender Ergänzung der Satzung besser zu identifizieren.
III. Rechnungslegung 15
Die Aktiengesellschaft ist nach §§ 238 Abs. 1, 6 HGB zur Buchführung verpflichtet. Welche Handelsbücher im einzelnen wie zu führen sind, ergibt sich aus dem Gesetz (insbesondere §§ 238 ff. HGB und §§ 150 ff. AktG sowie steuerrechtlich §§ 140 ff. AO) und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung4. In diesem Kontext ist hervorzuheben, dass § 91 AktG (gesellschaftsintern) die Verantwortung dem Vorstand – in Gesamtverantwortung5 – zuweist. Dies darf allerdings nicht dahingehend missverstanden werden, dass das Aktiengesetz zwingend davon ausgehe, dass der Vorstand selbst die Handelsbücher führt. Abgesehen etwa von start up-Gesellschaften mit geringem Geschäftsumfang wird er in der Praxis lediglich seiner Organisations- und Überwachungspflicht nachkommen, diese Aufgabe aber im Übrigen delegieren. Dies ist aktienrechtlich zulässig6.
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Einzelheiten betreffend die Rechnungslegung, namentlich den Jahres- und den Konzernabschluss, werden im Weiteren gesondert behandelt (siehe unten §§ 55, 56). In diesem Zusammenhang sei daher nur der Hinweis erwähnt, dass dem Vorstand nicht nur die Führung der Bücher, sondern natürlich auch die Aufstellung der Jahresabschlüsse obliegt (vgl. § 170 Abs. 1 AktG).
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Besondere Rechungslegungspflichten treffen schließlich im faktischen Konzern den Vorstand der abhängigen Gesellschaft. Er hat geschäftsjährlich Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen („Abhängigkeitsbericht“) zu erstatten (§ 312 AktG). Darin sind alle Rechtsgeschäfte, die die Gesellschaft im vergangenen Geschäftsjahr mit dem herrschenden oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen oder auf Verlangen oder im Interesse dieser Unternehmen vorgenommen hat, und alle anderen Maßnahmen, die sie auf Veranlassung oder im Interesse dieser Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr getroffen oder unterlassen hat, aufzuführen. Bei den Rechtsgeschäften sind Leistung und Gegenleistung, bei den Maßnahmen die Gründe der Maßnahmen und deren Vorteile und Nachteile für die Gesellschaft anzugeben. Bei einem Ausgleich von Nachteilen ist im Einzelnen anzugeben, wie der Ausgleich während des Geschäftsjahres tatsächlich erfolgt ist, oder auf welche Vorteile der Gesellschaft ein Rechtsanspruch gewährt worden ist. Am Schluss des Berichts hat der Vorstand zu erklären, ob die Gesellschaft nach den Umständen, die in dem 1 2 3 4 5 6
Dazu im Einzelnen Deller/Stubenrath/Weber, DB 1997, 1577, 1578 ff. Siehe Stubenrath/Löbig, DB 2002, 1333; Deller/Stubenrath/Weber, DB 1997, 1577, 1580. Siehe auch die Fallbeispiele bei Freter/Sänger, FB 2000, 779 ff. Näher Merkt in Baumbach/Hopt, § 238 HGB Rz. 11 ff. Allg. M.; statt aller Hüffer, § 91 AktG Rz. 3. Vgl. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 91 AktG Rz. 8; Fleischer in Spindler/ Stilz, § 91 AktG Rz. 17.
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Unternehmensleitung
Zeitpunkt bekannt waren, in dem das Rechtsgeschäft vorgenommen oder die Maßnahme getroffen oder unterlassen wurde, bei jedem Rechtsgeschäft eine angemessene Gegenleistung erhielt und dadurch, dass die Maßnahme getroffen oder unterlassen wurde, nicht benachteiligt wurde. Wurde die Gesellschaft benachteiligt, so hat er außerdem zu erklären, ob die Nachteile ausgeglichen worden sind. Die Erklärung ist auch in den Lagebericht auszunehmen.
IV. Besonderheiten im Konzern Besonderheiten im Konzernverhältnis werden sowohl für den Vorstand der Obergesellschaft als auch für den Vorstand der Untergesellschaft in § 18 (Rz. 21 ff.) und § 22 (Rz. 96 ff.) beschrieben. Unterschiedliche Verpflichtungen ergeben sich je nachdem, ob ein Beherrschungsvertrag besteht oder nicht.
18
V. Verlustanzeige und Insolvenz Den Vorstand treffen bestimmte gesetzliche Pflichten, wenn die Gesellschaft in eine Krise gerät. § 92 AktG regelt die Vorstandspflichten bei Verlust des hälftigen Grundkapitals sowie bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft.
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1. Verlustanzeigepflicht (§ 92 Abs. 1 AktG) Ergibt sich bei Aufstellung der Jahres- oder einer Zwischenbilanz oder ist bei pflichtgemäßem Ermessen anzunehmen, dass ein Verlust in Höhe des hälftigen Grundkapitals besteht, hat der Vorstand unverzüglich die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen (§ 92 Abs. 1 AktG). Zusätzlich muss er in der Regel eine Ad hocMitteilung veröffentlichen1. Zweck der Regelung ist, dass in einer solchen Krisensituation die Aktionäre unverzüglich informiert werden, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen2. Als Maßnahmen kommen insbesondere Kapitalveränderungen oder die Auflösung der Gesellschaft in Betracht, für die jeweils ein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich ist. § 92 AktG stellt klar, dass der Vorstand in einer solchen Situation die Einberufung einer Hauptversammlung nicht mit dem Argument unterlassen darf, dass das Wohl der Gesellschaft dies nicht erfordere (§ 121 Abs. 1 AktG). Ob laufende, aussichtsreiche Sanierungsverhandlungen ein kurzfristiges Hinauszögern der Hauptversammlung rechtfertigen, ist nicht abschließend geklärt und im Zweifel restriktiv zu behandeln3.
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Ein Verlust in Höhe des hälftigen Grundkapitals besteht nach herrschender Meinung, wenn der Bilanzverlust nach Verrechnung mit dem gesamten offen ausgewiesenen Eigenkapital, also mit
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– freien und gesetzlichen Rücklagen, – Bilanzgewinn einschließlich Gewinnvortrag, – dem Eigenkapital in den Sonderposten mit Rücklagenanteil,
1 Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 92 AktG Rz. 6. 2 BGH v. 9.7.1979 – II ZR 211/76, WM 1979, 853, 857 = AG 1979, 263; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 92 AktG Rz. 10; Hüffer, § 92 AktG Rz. 1; Wiesner in MünchHdb. AG, § 25 Rz. 54; a.A. Martens, ZGR 1972, 254, 271. 3 Vgl. zum Meinungsstand Hüffer, § 92 AktG Rz. 6 und Fleischer in Spindler/Stilz, § 92 AktG Rz. 12.
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die Hälfte des Grundkapitals übersteigt1. Abweichend hiervon stellt eine Mindermeinung hinsichtlich des Begriffs „Verlust“ in § 92 AktG auch auf den Jahresfehlbetrag i.S.d. § 266 Abs. 3 A V. HGB ab2. Da die Pflicht zur Information der Hauptversammlung jedoch nicht von der Struktur des Eigenkapitals abhängen kann, ist hier der herrschenden Meinung zu folgen3. Für die Ansatz- und Bewertungsregeln sind grundsätzlich die für die Jahresbilanz geltenden Regelungen (§§ 246 ff., 252 ff. HGB) anwendbar4. Anders als bei der Feststellung eines Überschuldungsstatus nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO (bis zum MoMiG § 92 Abs. 2 AktG) sind bei der Feststellung, ob ein Verlust in der Höhe des hälftigen Grundkapitals besteht, keine Verkehrswerte anzusetzen5. Bei positiver Fortbestehungsprognose verbleibt es bei den Buchwerten. Ist sie negativ, muss in der Bilanz zur Feststellung des hälftigen Kapitalverlusts von Liquidationswerten ausgegangen werden6. Stille Reserven unterliegen den für den Jahresabschluss geltenden Regeln. Für die Feststellung des Verlusts des hälftigen Grundkapitals dürfen sie demnach nur aufgelöst werden, soweit sie auch im Jahresabschluss aufgelöst werden dürften7. 22
Der Vorstand muss unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB), die Hauptversammlung einberufen und Verlustanzeige erstatten, wenn sich dieser Verlust bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz ergibt. Zusätzlich hat er die Kapitalentwicklung laufend zu beobachten. Ergeben sich Anzeichen eines hälftigen Kapitalverlusts, muss der Vorstand eine Zwischenbilanz zur endgültigen Klärung aufstellen8. Die Verlustanzeige muss eindeutig zur Tagesordnung angekündigt werden (§ 124 Abs. 1 AktG); der vage Hinweis auf einen Bericht nach § 92 Abs. 1 AktG reicht hierfür nicht aus. Der Vorstand ist verpflichtet, ein konkretes Konzept zur Sanierung vorzubereiten und den Aktionären vorzustellen9. Bestenfalls geschieht dies bereits in der unmittelbar stattfindenden Hauptversammlung; zwingend ist dies jedoch nicht.
23
Ist bereits Insolvenzantrag gestellt, entfällt nach herrschender Meinung das Erfordernis, nach § 92 Abs. 1 AktG die Hauptversammlung einzuberufen10.
1 Vgl. dazu BGH v. 14.10.1958 – VI ZR 189/57, BB 1958, 1181 f.; BGH v. 9.10.1958 – II ZR 348/56, WM 1958, 1416 f. = AG 1958, 293; OLG Köln v. 5.5.1977 – 14 U 46/76, AG 1978, 17, 22; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 92 AktG Rz. 12 f.; Wiesner in MünchHdb. AG, § 25 Rz. 56; Müller, ZGR 1985, 191, 206 f. 2 Habersack in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 92 AktG Rz. 13 ff. 3 Hüffer, § 92 AktG Rz. 2. 4 Fleischer in Spindler/Stilz, § 92 AktG Rz. 8; Habersack in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 92 AktG Rz. 18. Zu weiteren Besonderheiten der Verlustanzeigebilanz siehe Kühnberger, DB 2000, 2077; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 92 AktG Rz. 13. 5 Vgl. nur Wiesner in MünchHdb. AG, § 25 Rz. 56. 6 Vgl. nur Wiesner in MünchHdb. AG, § 25 Rz. 56. 7 Habersack in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 92 AktG Rz. 18; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 92 AktG Rz. 13; Wiesner in MünchHdb. AG, § 25 Rz. 56; Hüffer, § 92 AktG Rz. 4; Müller, ZGR 1985, 191, 205; a.A. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 92 AktG Rz. 9. 8 BGH v. 20.2.1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560, 561; Wiesner in MünchHdb. AG, § 27 Rz. 55. 9 Liebscher in Beck’sches Hdb. AG, § 6 Rz. 121. 10 Vgl. zum Meinungsstand Hüffer, § 92 AktG Rz. 6 und Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 92 AktG Rz. 9.
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§ 21
Unternehmensleitung 2. Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO)
Wird die Gesellschaft zahlungsunfähig oder ergibt sich eine Überschuldung der Gesellschaft, hat der Vorstand ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt einer solchen Krise, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO, bis zum MoMiG § 92 Abs. 2 AktG).
24
Die Zahlungsunfähigkeit bemisst sich nach § 17 Abs. 2 InsO. Zahlungsunfähigkeit ist danach gegeben, wenn die Gesellschaft nicht in der Lage ist, ihre fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ist Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen, wenn die Gesellschaft ihre Zahlungen eingestellt hat. Zahlungseinstellung ist dasjenige äußere Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt. Es muss sich für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen1. Von einer Zahlungseinstellung ist regelmäßig auszugehen, wenn die Gesellschaft ihre fälligen, auf Geld gerichteten Verbindlichkeiten im Großen und Ganzen nicht mehr erfüllt2. Ist die Gesellschaft in der Lage, sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen, begründet die vorübergehende Zahlungsstockung keine Zahlungseinstellung und damit auch keine Zahlungsunfähigkeit3. Begründet nicht bereits die Zahlungseinstellung die Zahlungsunfähigkeit, muss die Zahlungsunfähigkeit auf andere Weise festgestellt werden. Hier kommt es darauf an, ob die AG dauerhaft außerstande ist, ihre fälligen, auf Geld gerichteten Verbindlichkeiten zu erfüllen4.
25
Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO). Diese rechnerische Überschuldung tritt regelmäßig zu einem früheren Zeitpunkt ein als die Zahlungsunfähigkeit. Der früher angenommene so genannte zweistufige Überschuldungsbegriff verlangte neben einer (sich aus einer aus Liquidationswerten aufgestellten Überschuldungsbilanz ergebenden) Überschuldung die vom Vorstand getroffene negative Fortbestehungsprognose. Eine positive Fortbestehungsprognose genügte daher bereits, eine rechtliche Überschuldung abzulehnen. Die Fortbestehungsprognose hat jedoch gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO keine selbstständige Bedeutung mehr. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass der zweistufige Überschuldungsbegriff der Vorschrift des § 19 InsO nicht zugrunde liegt.
26
Zur Feststellung der Überschuldung ist die Aufstellung einer Überschuldungsbilanz erforderlich. Dabei handelt es sich um eine Sonderbilanz, die nicht aus der Jahresbilanz ermittelt werden kann5. In Abkehr von der früheren Rechtslage ist die Überschuldungsprüfung regelmäßig nach Liquidationswerten vorzunehmen; nur ausnahmsweise können Fortführungswerte angesetzt werden6.
27
1 BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222. 2 RG v. 28.9.1920 – VII 93/20, RGZ 100, 62, 65; BGH v. 11.10.1961 – VIII ZR 113/60, NJW 1962, 102; Bußhardt in Braun, InsO, 3. Aufl. 2007, § 17 InsO Rz. 31; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 92 AktG Rz. 27. 3 BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134; vgl. Wiesner in MünchHdb. AG, § 25 Rz. 64; Liebscher in Beck’sches Hdb. AG, § 6 Rz. 121. 4 Vgl. die Nachweise bei Hüffer, § 92 AktG Rz. 8. 5 BGH v. 2.4.2001 – II ZR 261/99, WM 2001, 959, 960; a.A. Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 92 AktG Rz. 31; zu den Einzelheiten der Überschuldungsbilanz siehe Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 92 AktG Rz. 26 ff.; Hüffer, § 92 AktG Rz. 11 ff. 6 BT-Drucks. 12/7302, S. 157; BGH v. 9.10.2006 – II ZR 303/05, BB 2007, 125.
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§ 21 28
Vorstand
Ist Zahlungsunfähigkeit eingetreten oder ergibt sich eine Überschuldung der Gesellschaft, muss der Vorstand ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt dieser Krise, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO, bis zum MoMiG § 92 Abs. 2 AktG). Die dreiwöchige Frist beginnt nach vordringender Ansicht nicht erst, wenn positive Kenntnis vom Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung besteht oder wenn der Vorstand sich böswillig einer sich nach den Fakten aufdrängenden Kenntnisnahme verschließt1, sondern bereits mit objektiver Erkennbarkeit2. Der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der AG ist vom Gesamtvorstand zu stellen; ihn kann aber auch jedes einzelne Mitglied des Vorstands stellen, wenn der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht wird (§ 15 Abs. 1 InsO). Verletzen Vorstandsmitglieder ihre Pflichten nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO, können sie sich schadensersatzpflichtig machen. Ebenfalls droht die Strafbarkeit der Vorstandsmitglieder (§ 15a Abs. 4 und 5 InsO, bis zum MoMiG § 401 Abs. 1 Nr. 2 AktG). 3. Zahlungsverbot
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Nachdem die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben hat, darf der Vorstand keine Zahlungen mehr leisten (§ 92 Abs. 2 Satz 1 AktG, bis zum MoMiG § 92 Abs. 3 Satz 1 AktG). Die Vorschrift soll die Schmälerung der Insolvenzmasse verhindern. Dem Zahlungsverbot nach § 92 Abs. 2 AktG n.F. liegt ein umfassendes Verständnis des Zahlungsbegriffs zugrunde3. Ausdrücklich vom Zahlungsverbot ausgenommen sind Zahlungen, die auch nach Eintreten des Insolvenzgrunds mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind (§ 92 Abs. 2 Satz 2 AktG n.F.). Dies gilt nach neuerer Rechtsprechung auf für die Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung4. Durch das MoMiG wurde § 92 Abs. 2 Satz 3 AktG neu eingeführt, der ein Verbot von Zahlungen an Aktionäre vorsieht. Ob diese Vorschrift neben § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG n.F. und dem Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 Abs. 1 Satz 1 AktG) eigenständige Bedeutung erlangen kann, bleibt abzuwarten. Sie betrifft etwa Rückzahlungen von Aktionärsdarlehen, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen5.
1 So noch BGH v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96, 110 f. = AG 1979, 258; Hüffer, § 92 AktG Rz. 9 u. 13; Fleischer in Spindler/Stilz, § 92 AktG Rz. 34. 2 BGH v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184 (zum GmbH-Recht); Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 92 AktG Rz. 17; Bayer/Schmidt, AG 2005, 644. 3 BGH v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 186 ff.; BGH v. 11.9.2000 – II ZR 370/99, NJW 2001, 304 f.; zu den Einzelheiten Hüffer, § 92 AktG Rz. 14a sowie Weber/Brügel, DB 2004, 1923, 1924. 4 BGH v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 = NJW 2007, 2118; bestätigt von BGH v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275; anders noch BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 274 f. = AG 2001, 303; BGH v. 18.4.2005 – II ZR 61/03, BB 2005, 1905; vgl. hierzu Altmeppen, NJW 2007, 2121; Goette, DStR 2007, 1176; Beck, ZInsO 2007, 1233, 1236 ff. 5 Siehe dazu Möller, Der Konzern 2008, 1, 8 ff.
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§ 22
Haftung des Vorstands
§ 22 Die Haftung des Vorstands Rz. 1
Rz. 2. Haftung nach § 117 AktG . . . . . . 69
II. Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft (Binnenhaftung) . . . . . . . . . . . . . . .
3
1. Objektiver und subjektiver Tatbestand, Beginn und Ende der Haftung . . . . . . . . . . . . . . .
3. Deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . 72 a) Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB . 73 b) Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetzen . . . . . . . 74
3
I. Binnenhaftung und Außenhaftung .
2. Pflichten der Vorstandsmitglieder im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . a) Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . b) Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . c) Verschwiegenheitspflicht . . . . . d) Pflichten aus § 93 Abs. 3 AktG . e) Pflichten aus dem Anstellungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Handlung aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses . . . . g) Pflichten des überstimmten Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . h) Haftung bei Gesamtgeschäftsführung und Geschäftsverteilung . .
9 12 23 25 33 35 36 39 40
3. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . 43 4. Schaden der Gesellschaft und Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . 46 5. Darlegungs- und Beweislast . . . . . 48 6. Gesamtschuldnerische Haftung . . 50 7. Pflicht zur Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs . . . . . . a) Geltendmachung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . b) Geltendmachung durch die Hauptversammlung . . . . . . . . c) Geltendmachung durch Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 52 . 52 . 54 . 55
IV. Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . 76 1. Keine Haftung nach § 93 AktG . . . 76 2. Deliktsrechtliche Haftung . . . . . . 77 3. Weitere Anspruchsgrundlagen . . . a) Haftung bei Vertragsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB . . . . . . . . . . . . . . c) Haftung für die Erfüllung steuerlicher Pflichten . . . . . . . . . . . d) Ersatzansprüche nach § 25 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . .
81 81 83 84 86
V. Kapitalmarktrechtliche Haftung . . 87 1. Haftung für Verstöße gegen §§ 15, 20a WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . 94 3. Haftung wegen Nichtabgabe von Entsprechenserklärungen oder fehlerhaften Entsprechenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 VI. Haftung im Konzern . . . . . . . . . . 96 1. Haftung der Vorstandsmitglieder der herrschenden Gesellschaft . . . 97
8. Verzicht und Vergleich . . . . . . . . 57
2. Haftung der Vorstandsmitglieder der abhängigen Gesellschaft . . . . . 102
9. Schadensersatzanspruch der Gesellschaftsgläubiger . . . . . . . . 62
VII. D&O-Versicherung . . . . . . . . . . 107
10. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . 66 III. Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber den Aktionären . . . . . . 67 1. Keine Haftung nach § 93 AktG . . . 68
1. Zulässigkeit und Gegenstand der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . 107 2. Angemessener Selbstbehalt nach dem Deutschen Corporate Governance Kodex? . . . . . . . . . . 113
Schrifttum: Abram, Ansprüche von Anlegern wegen Verstoßes gegen Publizitätspflichten oder den Deutschen Corporate Governance Kodex?, NZG 2003, 307; Abram, Ansprüche von Anlegern wegen Verstoßes gegen § 161 AktG oder den Deutschen Corporate Governance Kodex – ein Literaturbericht, ZBB 2003, 41; Aschenbeck, Personenidentität bei Vorständen in
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§ 22
Vorstand
Konzerngesellschaften (Doppelmandat im Vorstand), NZG 2000, 1015; Altmeppen, Abschied vom „Durchgriff“ im Kapitalgesellschaftsrecht, NJW 2007, 2657; Arnold/Born, Vorstand und Aufsichtsrat – Drittanstellung von Vorstandsmitgliedern in vertraglich beherrschten Aktiengesellschaften, AG-Report 2005, R 428; Bachmann, Der „Deutsche Corporate Governance Kodex“: Rechtswirkungen und Haftungsrisiken, WM 2002, 2137; Bauer/Krets, Gesellschaftsrechtliche Sonderregeln bei der Beendigung von Vorstands- und Geschäftsführerverträgen, DB 2003, 811; Baums, Haftung wegen Falschinformation des Sekundärmarktes, ZHR 167 (2003), 139; Bayer, Aktionärsklagen de lege lata und de lege ferenda, NJW 2000, 2609; Berg/Stöcker, Anwendungs- und Haftungsfragen zum Deutschen Corporate Governance Kodex, WM 2002, 1569; Buchta, Die Haftung des Vorstands einer Aktiengesellschaft – aktuelle Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung, DStR 2003, 740; Böttcher, Verpflichtung des Vorstands einer AG zur Durchführung einer Due Diligence, NZG 2005, 49; Dauner-Lieb, Die Existenzvernichtungshaftung als deliktische Innenhaftung gemäß § 826 BGB, ZGR 2008, 34; Derleder/Fauser, Der Regress bei gesamtschuldnerischer Haftung juristischer Personen und ihrer Organe und seine Auswirkungen auf die Organtätigkeit – Praxisfolgen des Kirch-Urteils, BB 2006, 949; Diekmann/Leuering, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), NZG 2004, 249; Diekmann/ Sustmann, Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), NZG 2004, 929; Drygala/Drygala, Wer braucht ein Frühwarnsystem?, ZIP 2000, 297; Edelmann, Haftung von Vorstandsmitgliedern für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen – Besprechung der Infomatec-Urteile des BGH, BB 2004, 2031; Emmerich, Anmerkungen zu der Vulkan-Doktrin, AG 2004, 423; Erttmann/Keul, Das Vorlageverfahren nach dem KapMuG – zugleich eine Bestandsaufnahme zur Effektivität des Kapitalanlegermusterverfahrens, WM 2007, 482; Ettinger/Grützediek, Haftungsrisiken im Zusammenhang mit der Abgabe der Corporate Governance Entsprechenserklärung gem. § 161 AktG, AG 2003, 353; Findeisen/Backhaus, Umfang und Anforderungen an die haftungsbegründende Kausalität bei der Haftung nach § 826 BGB für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen, WM 2007, 100; Fleischer, Buchführungsverantwortung des Vorstands und Haftung der Vorstandsmitglieder für fehlerhafte Buchführung, WM 2006, 2021; Fleischer, Das Mannesmann-Urteil des Bundesgerichtshofs: Eine aktienrechtliche Nachlese, DB 2006, 542; Fleischer, Konturen der kapitalmarktrechtlichen Informationsdeliktshaftung, ZIP 2005, 1805; Fleischer, Unternehmensspenden und Leitungsermessen des Vorstands im Aktienrecht, AG 2001, 171; Fleischer, Vorstandsverantwortlichkeit und Fehlverhalten von Unternehmensangehörigen – Von der Einzelüberwachung zur Errichtung einer Compliance-Organisation, AG 2003, 291; Fleischer, Zum Grundsatz der Gesamtverantwortung im Aktienrecht, NZG 2003, 449; Fleischer, Die „Business Judgment Rule“ im Spiegel von Rechtsvergleichung und Rechtsökonomie, in FS Wiedemann, 2002, S. 827; Fleischer, Die „Business Judgment Rule“: Vom Richterrecht zur Kodifizierung, ZIP 2004, 685; Fleischer, Zur aktienrechtlichen Verantwortlichkeit faktischer Organe, AG 2004, 517; Fleischer, Zur deliktsrechtlichen Haftung der Vorstandsmitglieder für falsche Ad-hoc-Mitteilungen, DB 2004, 2031; Fleischer, Zur organschaftlichen Treuepflicht der Geschäftsleiter im Aktien- und GmbH-Recht, WM 2003, 1045; Fleischer, Zur Verantwortlichkeit einzelner Vorstandsmitglieder bei Kollegialentscheidungen im Aktienrecht, BB 2004, 2645; Goette, Zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast der objektiven Pflichtwidrigkeit bei der Organhaftung, ZGR 1995, 648; Götz, Die Überwachung der Aktiengesellschaft im Lichte jüngerer Unternehmenskrisen, AG 1995, 337; Götz, Leitungssorgfalt und Leitungskontrolle der Aktiengesellschaft hinsichtlich abhängiger Unternehmen, ZGR 1998, 524; Göz/ Holzborn, Die Aktienrechtsreform durch das Gesetz für Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts – UMAG, WM 2006, 157; Grundei/v. Werder, Die Angemessenheit der Informationsgrundlage als Anwendungsvoraussetzung der Business Judgement Rule, AG 2005, 825; Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996; Handelsrechtsausschuss des DAV, Zum Gesetz über die Haftung für fehlende Kapitalmarktinformationen, NZG 2004, 1099; Habersack/Schürnbrand, Die Rechtsnatur der Haftung aus §§ 93 Abs. 3 AktG, 43 Abs. 4 GmbHG, WM 2005, 957; Hauptmann/Müller-Dott, Pflichten und Haftungsrisiken der Leitungsorgane einer Aktiengesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften in der Insolvenz, BB 2003, 2521; Hauschka, Grundsätze pflichtgemäßer Unternehmensführung – Entwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), ZRP 2004, 65; Heermann, Wie weit reicht die Pflicht
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§ 22
Haftung des Vorstands
des Aufsichtsrats zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Mitglieder des Vorstands?, AG 1998, 201; Heermann, Unternehmerisches Ermessen, Organhaftung und Beweislast, ZIP 1998, 761; Hellgardt, Die deliktische Außenhaftung von Gesellschaftsorganen für unternehmensbezogene Pflichten – Überlegungen vor dem Hintergrund des Kirch/BreuerUrteils des BGH, WM 2006, 1514; Hess, Der Regierungsentwurf für ein Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz – eine kritische Bestandsaufnahme, WM 2004, 2329; Hess/Michailidou, Das Gesetz über Musterverfahren zu Schadensersatzklagen von Kapitalanlegern, ZIP 2004, 1381; Hoffmann-Becking, Vorstands-Doppelmandate im Konzern, ZHR 150 (1986), 570; HoffmannBecking, Zur rechtlichen Organisation der Zusammenarbeit im Vorstand der AG, ZGR 1998, 497; Holzborn/Israel, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, WM 2004, 1948; Horn, Die Haftung des Vorstands der AG nach § 93 AktG und die Pflichten des Aufsichtsrats, ZIP 1997, 1129; Hüffer, Probleme des Cash Managements im faktischen Aktienkonzern, AG 2004, 416; Kau/Kukat, Haftung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern bei Pflichtverletzungen nach dem Aktiengesetz, BB 2000, 1045; Kiethe, Gesellschaftsstrafrecht – Zivilrechtliche Haftungsgefahren für Gesellschaften und ihre Organmitglieder, WM 2007, 722; Kiethe, Die Renaissance des § 826 BGB im Gesellschaftsrecht, NZG 2005, 333; Kiethe, Die zivil- und strafrechtliche Haftung von Vorstandsmitgliedern eines Kreditinstituts für riskante Kreditgeschäfte, WM 2003, 861; Kiethe, Persönliche Organhaftung für Falschinformation des Kapitalmarkts – Anlegerschutz durch Systembruch?, DStR 2003, 1982; Kiethe, Falsche Erklärung nach § 161 AktG – Haftungsverschärfung für Vorstand und Aufsichtsrat?, NZG 2003, 559; Kind, Darf der Vorstand einer AG Spenden an politische Parteien vergeben?, NZG 2000, 567; Kindler, Unternehmerisches Ermessen und Pflichtenbindung, ZHR 162 (1998), 101; Kinzl, Gesetzgeber auf Abwegen? Kritische Überlegungen zur Übernahme der Business Judgment Rule, AG-Report 2004, R 3; Kinzl, Wie angemessen muss „angemessene Information“ als Grundlage für Vorstandsentscheidungen sein?, DB 2004, 1653; Knauth/Käsler, § 20a WpHG und die Verordnung zur Konkretisierung des Marktmanipulationsverbotes (MaKonV), WM 2006, 1041; Koch, Das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), ZGR 2006, 769; Kock/Dinkel, Die zivilrechtliche Haftung von Vorständen für unternehmerische Entscheidungen – Die geplante Kodifizierung der Business Judgment Rule im Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts, NZG 2004, 441; Körber, Geschäftsleitung der Zielgesellschaft und due diligence bei Paketerwerb und Unternehmenskauf, NZG 2002, 263; Körner, Infomatec und die Haftung von Vorstandsmitgliedern für falsche ad hoc-Mitteilungen, NJW 2004, 3386; Körner, Comply or disclose: Erklärung nach § 161 AktG und Außenhaftung des Vorstands, NZG 2004, 1148; Kort, Die Haftung von Vorstandsmitgliedern für falsche Ad-hoc-Mitteilungen, AG 2005, 21; Kuntz, Zur Frage der Verantwortlichkeit der Geschäftsleiter der abhängigen Gesellschaft gegenüber dem herrschenden Unternehmen, Der Konzern 2007, 802; Kuthe, BB-Gesetzgebungsreport: Die Fortsetzung der Aktienrechtsreform durch den Entwurf eines Gesetzes für Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts, BB 2004, 449; Langenbucher, Vorstandshandeln und Kontrolle – Zu einigen Neuerungen durch das UMAG, DStR 2005, 2083; Laub, Grenzen der Spendenkompetenz des Vorstands, AG 2002, 308; Leisch, Vorstandshaftung für falsche Ad-hoc-Mitteilungen – ein höchstrichterlicher Beitrag zur Stärkung des Finanzplatzes Deutschland, ZIP 2004, 1573; Leuschner, Zum Kausalitätserfordernis des § 826 BGB bei unrichtigen Ad-hoc-Mitteilungen, ZIP 2008, 1050; Lück, Elemente eines Risiko-Managementsystems, DB 1998, 8; Lück, Der Umgang mit unternehmerischen Risiken durch ein Risikomanagementsystem und durch ein Überwachungssystem, DB 1998, 1925; Lutter, Die Erklärung zum Corporate Governance Kodex gemäß § 161 AktG, ZHR 166 (2002) 523; Lutter, Die Business Judgment Rule und ihre praktische Anwendung, ZIP 2007, 841; Maier-Reimer/Wilsing, Das Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten, ZGR 2006, 79; Mansdörfer/Timmerbeil, Zurechnung und Haftungsdurchgriff im Konzern, WM 2004, 362; Martens, Der Grundsatz gemeinsamer Vorstandsverantwortung, in FS Fleck, 1988, S. 191; Medicus, Deliktische Außenhaftung der Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer, ZGR 1998, 570; Meilicke/Heidel, UMAG: „Modernisierung“ des Aktienrechts durch Beschränkung des Eigentumsschutzes der Aktionäre, DB 2004, 1479; Menke, Befugnis des Vorstands einer börsennotierten Aktiengesellschaft zur bevorzugten Information eines Aktionärspools, NZG 2004, 697; Möllers, Konkrete Kausalität, Preiskausalität und uferlose Haftungsausdehnung – ComROAD I–VIII, NZG 2008, 413; Möllers/Leisch, Haftung von
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Vorstand
Vorständen gegenüber Anlegern wegen fehlerhafter Ad-hoc-Meldungen nach § 826 BGB, WM 2001, 1648; Müller, Die Durchsetzung konzernrechtlicher Ersatzansprüche nach dem UMAG, Der Konzern 2006, 725; Müller, Gesellschafts- und Gesellschafterschaden, in FS Kellermann, 1991, S. 317; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 1994; Mutter/Gayk, Wie die Verbesserung der Aufsichtsratsarbeit – wider jeder Vernunft – die Haftung verschärft, ZIP 2003, 1773; Paefgen, Dogmatische Grundlagen, Anwendungsbereich und Formulierung einer Business Judgment Rule im künftigen UMAG, AG 2004, 245; Park, Börsenstrafrechtliche Risiken für Vorstandsmitglieder von börsennotierten Aktiengesellschaften, BB 2001, 2069; Passarge, Vorstands-Doppelmandate – ein nach wie vor aktuelles Thema!, NZG 2007, 441; Preußner, Deutscher Corporate Governance Kodex und Risikomanagement, NZG 2004, 303; Preußner/Zimmermann, Risikomanagement als Gesamtaufgabe des Vorstandes, AG 2002, 657; Preußner/Becker, Ausgestaltung von Risikomanagementsystemen durch die Geschäftsleitung – Zur Konkretisierung einer haftungsrelevanten Organisationspflicht, NZG 2002, 846; Reuschle, Ein neuer Weg zur Bündelung und Durchsetzung gleichgerichteter Ansprüche – Zum Entwurf eines Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (KapMuG), WM 2004, 2334; Reuter, „Krisenrecht“ im Vorfeld der Insolvenz – das Beispiel der börsennotierten AG, BB 2003, 1797; Rieger, Gesetzeswortlaut und Rechtswirklichkeit im Aktiengesetz, in FS Peltzer, 2001, S. 339; Roth, Das unternehmerische Ermessen des Vorstands, BB 2004, 1066; Rützel, Der aktuelle Stand der Rechtsprechung zur Haftung bei Ad-hoc-Mitteilungen, AG 2003, 69; U. H. Schneider, Die Weitergabe von Insiderinformationen im Konzern, in FS Wiedemann, 2002, S. 1255; S. H. Schneider, „Unternehmerische Entscheidung“ als Anwendungsvoraussetzung für die Business Judgment Rule, DB 2005, 707; S. H. Schneider/U. H. Schneider, Vorstandshaftung im Konzern, AG 2005, 57; Schnorbus, Grundlagen der persönlichen Haftung von Organmitgliedern nach § 25 Abs. 1 UmwG, ZHR 167 (2003), 666; Schüppen, To comply or not to comply – that’s the question! „Existenzfragen“ des Transparenz- und Publizitätsgesetzes im magischen Dreieck kapitalmarktorientierter Unternehmensführung, ZIP 2002, 1269; Seibert, Die Entstehung des § 91 Abs. 2 AktG im KonTraG – „Risikomanagement“ oder „Frühwarnsystem“?, in FS Bezzenberger, 2000, S. 427; Seibert/Schütz, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts – UMAG, ZIP 2004, 252; Seidel, Der Deutsche Corporate Governance Kodex – eine private oder doch eine staatliche Regelung?, ZIP 2004, 285; Semler/Gittermann, Persönliche Haftung der Organmitglieder für Fehlinformationen des Kapitalmarktes – Zeigt das KapInHaG den richtigen Weg?, NZG 2004, 1081; Sessler, Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, WM 2004, 2344; Spindler, Haftung und Aktionärsklage nach dem neuen UMAG, NZG 2005, 865; Spindler, Persönliche Haftung der Organmitglieder für Falschinformationen des Kapitalmarktes, WM 2004, 2089; Spindler/ Christoph, Die Entwicklung des Kapitalmarktrechts in den Jahren 2003/2004, BB 2004, 2197; Sünner, Ungereimtheiten des Entwurfs eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes, DB 2004, 2460; Theusinger/Liese, Rechtliche Risiken der Corporate Governance-Erklärung, DB 2008, 1419; Thümmel, Aufgaben und Haftungsrisiken des Managements in der Krise des Unternehmens, BB 2002, 1105; Thümmel, Aufsichtsratshaftung vor neuen Herausforderungen – Überwachungsfehler, unternehmerische Fehlentscheidungen, Organisationsmängel und andere Risikofelder, AG 2004, 83; Thümmel, Haftung für geschönte Ad-hoc-Meldungen: Neues Risikofeld für Vorstände oder ergebnisorientierte Einzelfallrechtsprechung?, DB 2001, 2331; Thümmel, Organhaftung nach dem Referentenentwurf des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) – Neue Risiken für Manager?, DB 2004, 471; Turiaux/Knigge, Vorstandshaftung ohne Grenzen? – Rechtssichere Vorstands- und Unternehmensorganisation als Instrument der Risikominimierung, BB 2004, 2199; Ulmer, Haftungsfreistellung bis zur Grenze grober Fahrlässigkeit bei unternehmerischen Fehlentscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat?, DB 2004, 859; Unzicker, Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen – Aktuelle Bestandsaufnahme drei Jahre nach „Infomatec“, WM 2007, 1596; E. Vetter, Deutscher Corporate Governance Kodex, DNotZ 2003, 748; Weitnauer, Haftung für die Außendarstellung des Unternehmers, DB 2003, 1719; Wirth/Arnold/ Greene, Corporate Law in Germany, 2004; Wollburg, Unternehmensinteresse bei Vergütungsentscheidungen, ZIP 2004, 646.
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Haftung des Vorstands
I. Binnenhaftung und Außenhaftung Bei der zivilrechtlichen Haftung von Mitgliedern des Vorstands ist zwischen der Haftung gegenüber der Gesellschaft (so genannte Binnenhaftung) und der Haftung gegenüber Dritten (so genannte Außenhaftung) zu unterscheiden. Zur Außenhaftung zählt auch die Haftung gegenüber Aktionären der Gesellschaft1.
1
Die zentrale Haftungsnorm im Binnenverhältnis ist § 93 AktG. Daneben gibt es im Konzernrecht spezielle Haftungstatbestände zugunsten der Gesellschaft (§§ 310, 318 AktG). Auch § 117 Abs. 2 AktG ist im Rahmen der Binnenhaftung zu nennen. Zu einer Außenhaftung von Vorstandsmitgliedern kann hingegen eine Vielzahl von Anspruchsgrundlagen führen2. Einen allgemeinen Haftungstatbestand gegenüber Gläubigern der AG oder Aktionären, vergleichbar mit § 93 AktG im Binnenverhältnis, kennt das AktG nicht3. Die Haftung im Außenverhältnis ist daher selten4.
2
II. Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft (Binnenhaftung) 1. Objektiver und subjektiver Tatbestand, Beginn und Ende der Haftung Grundlage für die Haftung von Vorstandsmitgliedern gegenüber der Gesellschaft ist § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG. Danach sind Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG haben die Vorstandsmitglieder bei der Geschäftsleitung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Diese Vorschrift ist damit zugleich objektive Pflichtenquelle und subjektiver Pflichtenmaßstab5: In § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG werden auf der einen Seite Pflichten im Sinne eines objektiven, pflichtenbegründenden Tatbestands geregelt, sozusagen als Auffangtatbestand für nicht von Gesetz, Satzung oder Geschäftsordnung konkretisierte Pflichten der Vorstandsmitglieder. Auf der anderen Seite wird aber auch das zur Haftung erforderliche Verschulden objektiv-typisiert, indem jede Abweichung von der konkret erforderlichen Sorgfalt zugleich einen Schuldvorwurf begründet6. Durch § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ist die Business Judgment Rule als zentraler Bestandteil der Vorstandshaftung in das Gesetz integriert worden. Eine Pflichtverletzung liegt dann schon objektiv7 nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Damit besteht für unternehmerische Entscheidungen ein haftungsrechtlicher Freiraum. § 93 AktG ist insoweit zwingend, als eine Milderung der Anforderungen an die Sorgfalt der Vorstandsmitglieder vertraglich nicht vereinbart werden kann8. Ob dies auch 1 Vgl. Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 1. 2 Ausführlich zur zivil-, straf- und öffentlich-rechtlichen Binnen- und Außenhaftung Jäger, Aktiengesellschaft, 2004, § 21 Rz. 95 ff. 3 Jedoch regelt § 93 Abs. 5 AktG die Geltendmachung von Gesellschaftsansprüchen durch Gläubiger. 4 Vgl. Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 1. 5 Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 5; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 6; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 20; Kock/Dinkel, NZG 2004, 441 f. 6 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 98; Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 9. 7 Hüffer, § 93 AktG Rz. 4c. 8 Vgl. die Nachw. bei Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 3.
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für eine Verschärfung gilt, wie die herrschende Lehre annimmt1, erscheint jedoch zweifelhaft. Warum sollten Vorstand und Aufsichtsrat nicht zum Wohle von Gesellschaft, Aktionären und Gläubigern höhere Anforderungen vereinbaren können? Dass dies Vorstandsmitglieder zu einem risikoscheuen Verhalten veranlassen könnte2, rechtfertigt keine Beschränkung der Vertragsautonomie und mag im Einzelfall sogar gewollt sein. 4
§ 93 Abs. 2 AktG begründet eine gesetzliche, unmittelbar an die Organstellung des Vorstands anknüpfende Haftung. Die Vorschrift ist Anspruchsgrundlage für Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihre Organe.
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Die organschaftliche Haftung aus § 93 Abs. 2 AktG hat zwei Hauptfunktionen: Sie soll zum einen der Gesellschaft einen Ausgleich für Nachteile bieten, die sie durch pflichtwidriges Handeln von Vorstandsmitgliedern erlitten hat. Sie soll zum anderen präventiv auf die Vorstandsmitglieder einwirken, ihre Pflichten gegenüber der Gesellschaft zu erfüllen; insoweit soll zugleich auch das Vermögen der Aktionäre geschützt werden3.
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Da die Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG nur an die Organstellung anknüpft, ist sie unabhängig von einem Anstellungsvertrag mit der geschädigten Gesellschaft4. Sie greift daher zugunsten der geschädigten Gesellschaft auch im Falle einer Drittanstellung ein5, deren Zulässigkeit bei der Aktiengesellschaft allerdings umstritten ist (siehe näher in § 19 Rz. 79).
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Die Haftung beginnt mit der Bestellung zum Vorstandsmitglied gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG. Im Falle eines faktischen Organs beginnt sie im Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit als Vorstandsmitglied mit Billigung des Aufsichtsrats6. Analog hierzu endet sie entweder mit einer wirksamen Amtsniederlegung durch das Vorstandsmitglied oder bei Einigkeit des Vorstandsmitglieds und des Aufsichtsrats über die Beendigung der Geschäftsführung, jeweils aber erst dann, wenn das Vorstandsmitglied seine Funktionen tatsächlich nicht mehr ausübt7.
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Nach tatsächlicher Einstellung der Tätigkeit als Vorstandsmitglied kann es zu einer Haftung bei Verletzung nachwirkender Pflichten, wie etwa der Verschwiegenheitspflicht, kommen8. Ferner kann eine eigenständige Pflichtverletzung in einer Amtsniederlegung zur Unzeit liegen und sogar zur Unwirksamkeit der Amtsniederlegung füh-
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Siehe zum Streitstand nur Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 27. So das Argument von Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 5. Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 12; Hüffer, § 93 AktG Rz. 1. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 26. Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 11; Arnold/Born, AG-Report 2005, R 428. 6 BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367 = AG 1964, 190; OLG München v. 16.7.1997 – 7 U 4603/96, AG 1997, 575, 576; näher Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 33 ff.; Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 169 ff.; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 11 f., 17; zur aktienrechtlichen Verantwortlichkeit faktischer Organe umfassend (auch aus rechtsvergleichender Sicht) Fleischer, AG 2004, 517 ff. 7 Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 167; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 13; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 38 ff. und Rz. 48 für Mängel beim Ausscheiden; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 10. 8 Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 39.
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Haftung des Vorstands
ren1. § 93 Abs. 2 AktG gilt gemäß § 48 Satz 2 AktG auch im Gründungsstadium der Gesellschaft bis zu ihrer Eintragung im Handelsregister2. 2. Pflichten der Vorstandsmitglieder im Einzelnen Anknüpfungspunkt für die Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG sind die Pflichten der Vorstandsmitglieder. § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG verlangt von den Vorstandsmitgliedern, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG haben die Vorstandsmitglieder darüber hinaus über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren.
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Durch § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG wird eine umfassende, generalklauselartige Verpflichtung begründet, den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden. Vergleichsmaßstab ist ein pflichtbewusster, selbständiger Leiter eines Unternehmens der konkreten Art, der nicht mit eigenen Mitteln wirtschaftet, sondern ähnlich wie ein Treuhänder fremden Vermögensinteressen verpflichtet ist3. Zu unterscheiden sind Sorgfalts-, Treue- und Verschwiegenheitspflichten.
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Ist ein Vorstandsmitglied Organ in verschiedenen Gesellschaften (Doppelmandat) (zur Zulässigkeit § 19 Rz. 78), ist zwischen den verschiedenen Pflichtenkreisen zu unterscheiden4. Die korrekte Erfüllung der Pflichten gegenüber der einen Gesellschaft schließt eine Pflichtverletzung gegenüber der anderen nicht aus5. Im Übrigen können sich auch aus anderen Vorschriften des AktG und anderer Gesetze oder aus dem Anstellungsvertrag6 spezielle Anforderungen an das Vorstandsmitglied ergeben, deren Verletzung ebenso zur organschaftlichen Haftung führen kann. Da nur die Verletzung von Pflichten aus der Organstellung zur Haftung nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG führt, wird eine Abgrenzung zu anderen das Vorstandsmitglied treffenden Pflichten notwendig, z.B. als Privatperson7.
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a) Sorgfaltspflicht Zunächst ist jedes Vorstandsmitglied nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zur Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters verpflichtet. Sorgfaltswidrig kann ein Handeln, aber auch ein Unterlassen sein8. Die Vorstandsmitglieder haben insbesondere
1 OLG Dresden v. 20.10.2004 – 3 W 966/04, NotBZ 2005, 112; zur GmbH OLG Koblenz v. 26.5.1994 – 6 U 455/91, GmbHR 1995, 730 f. 2 Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 4. 3 Vgl. BGH v. 20.2.1995 – II ZR 143/93, BGHZ 129, 30, 34 = AG 1995, 274; OLG Düsseldorf v. 28.11.1996 – 6 U 11/95, AG 1997, 231, 235; Hüffer, § 93 AktG Rz. 4. 4 Siehe hierzu Passarge, NZG 2007, 441. 5 BGH v. 21.12.1979 – II ZR 244/78, NJW 1980, 1629, 1630 = AG 1980, 111 zum Aufsichtsrat; ferner LG Dortmund v. 1.8.2001 – 20 O 143/93, DB 2001, 2591, 2592 = AG 2002, 97. 6 Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 26; Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 5; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 86. 7 Zur Abgrenzung im Einzelnen Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 74; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 28. 8 Vgl. OLG München v. 14.3.2006 – 7 U 5267/05, AG 2006, 723 zur unterlassenen Absicherung von Währungskursrisiken bei Zinssatz- und Währungsswapgeschäften; OLG Koblenz v. 10.6.1991 – 6 U 1650/89, ZIP 1991, 870, 871 zur Unterlassung des Widerrufs der Bankvollmacht eines Angestellten bei der GmbH.
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– für die Rechtsmäßigkeit der Organisation und Entscheidungsprozesse innerhalb der Gesellschaft einzustehen (Überwachungspflicht), – ein rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft in ihren Außenbeziehungen sicherzustellen (Legalitätspflicht), – die sie persönlich im Verhältnis zu Dritten treffenden Pflichten zu beachten und – die Regeln sorgfältiger Unternehmensleitung einzuhalten1. 13
Der anzuwendende Sorgfaltsmaßstab ist objektiv-typisiert und relativ2: Er ist objektiv-typisiert, da nicht das Übliche, sondern das Erforderliche die Anforderungen an das Vorstandsmitglied bestimmt3. Er ist insoweit relativ, als er sich nach der konkreten Situation richtet, in der das Vorstandsmitglied gehandelt hat. Individuelle Fähigkeiten werden nur dann berücksichtigt, wenn sich dadurch ein strengerer Sorgfaltsmaßstab ergibt4. Vorstandsmitglieder müssen die zur Ausübung ihres Amts notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse besitzen bzw. sich ggf. aneignen5. Fehlt es daran, dürfen sie das Amt nicht annehmen oder müssen es niederlegen. Anderenfalls kann ein Übernahmeverschulden vorliegen6. Auch handelt unter Umständen schuldhaft, wer sich bei fehlenden eigenen Kenntnissen oder Fähigkeiten nicht fachkundiger Hilfe bedient7. Die Relativität des Sorgfaltsmaßstabs rührt daher, dass seine absolute Bestimmung nicht möglich ist. Die Anforderungen an das Verhalten der Vorstandsmitglieder hängen von einer Vielzahl von Faktoren ab und variieren von Fall zu Fall8.
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Eine Konkretisierung der Pflichten bewirkt grundsätzlich auch der Deutsche Corporate Governance Kodex. Seine Tragweite ist noch nicht ganz absehbar. Ob und welche seiner Empfehlungen den Sorgfaltsmaßstab des § 93 AktG konkretisieren, wird in der Literatur noch kontrovers diskutiert9. Die Rechtsprechung hatte zunächst angenommen, dass der Kodex auf Vorschriften des AktG „zurückwirken“ könne10. Das LG München I hat hingegen entschieden, dass auf den Corporate Governance Kodex keine Anfechtungsklage gestützt werden könne, da er weder Gesetz noch Satzung sei11. Dem ist zuzustimmen. Der Kodex kann als privates Regelwerk12 nicht unmit-
1 Zu einzelnen Sorgfaltspflichten ausführlich Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 89 ff.; Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 14 ff.; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 30 ff. 2 Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 79. 3 OLG Düsseldorf v. 28.11.1996 – 6 U 11/95, AG 1997, 231, 235. 4 Vgl. Mutter/Gayk, ZIP 2003, 1773, 1775 f. zur Haftungsverschärfung bei individueller Sachkunde. 5 Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 193; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 99. 6 Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 159. 7 Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 9. 8 Zur Haftung von Vorstandsmitgliedern eines Kreditinstituts für riskante Kreditgeschäfte Kiethe, WM 2003, 861 ff.; zu Parteispenden Kind, NZG 2000, 567 ff. 9 Kritisch Bachmann, WM 2002, 2137, 2138 f. und Buchta, DStR 2003, 740, 741 f.; tendenziell eine Konkretisierung befürwortend Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1575 ff.; Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353, 354 f.; Seidel, ZIP 2004, 285, 290 f.; Thümmel, AG 2004, 83, 85; insgesamt zurückhaltender Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 30 ff.; Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 42 ff.; Hüffer, § 161 AktG Rz. 3 f.; speziell zum Deutschen Corporate Governance Kodex und Risikomanagement Preußner, NZG 2004, 303 ff. 10 OLG Schleswig v. 19.9.2002 – 5 U 164/01, NZG 2003, 176, 179 = AG 2003, 102. 11 LG München I v. 22.11.2007 – 5 HK O 10614/07, AG 2008, 90; siehe hierzu Thümmel, BB 2008, 11; E. Vetter, NZG 2008, 121. 12 Ausführlich Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 158 ff.
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Haftung des Vorstands
telbar normkonkretisierende Eigenschaften haben1. Außerdem sollen die Verhaltensempfehlungen nach der ausdrücklichen gesetzgeberischen Vorstellung unverbindlich sein2. Die Nichtabgabe einer Entsprechenserklärung nach § 161 AktG oder die Abgabe einer fehlerhaften Entsprechenserklärung stellt zwar möglicherweise einen Pflichtverstoß dar3. Eine andere, im Ergebnis wohl zu verneinende Frage ist, ob daraus Ersatzansprüche der Gesellschaft oder Dritter erwachsen (siehe dazu unten Rz. 95). Nach § 91 Abs. 2 AktG hat der Vorstand geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden können4. Diese Vorschrift hat in Literatur und Praxis ein Eigenleben entwickelt, das in dieser Intensität vom Gesetzgeber nicht erwartet und gewollt war5. Das Risikoüberwachungssystem hilft dem Vorstand bei der Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten. Fehlt es oder hat es Mängel, ist dies eine Pflichtverletzung, für die der gesamte Vorstand haftet6. Siehe näher dazu oben § 18 Rz. 16.
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Ein besonderes Spannungsverhältnis besteht schließlich zwischen der Sorgfaltspflicht und dem unternehmerischen Ermessen. Nach § 76 Abs. 1 AktG leitet der Vorstand die Gesellschaft in eigener Verantwortung; dabei hat er jedoch die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden (§ 93 Abs. 1 AktG). Nach § 82 Abs. 2 AktG ist er an die Beschränkungen gebunden, die die Satzung, der Aufsichtsrat, die Hauptversammlung und die Geschäftsordnungen des Vorstands und des Aufsichtsrats für die Geschäftsführungsbefugnis getroffen haben7. Die eigene Verantwortung der Unternehmensleitung, also das unternehmerische Ermessen8, steht mit den Sorgfaltsanforderungen in einem Dialog und Spannungsverhältnis gleichermaßen9: Bei Fehlschlägen im unternehmerischen Bereich muss es Haftungsfreiräume geben, aber nicht jeder Fehlschlag darf haftungsfrei sein.
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Klassisches Beispiel für dieses Spannungsfeld ist die Einschätzung künftiger Umstände, etwa des Verlaufs der Konjunktur oder der Entwicklung der Wechselkurse. Bei solchen Entscheidungen ist in der Regel nicht nur eine Entscheidung richtig und angemessen, vielmehr handelt es sich – wie so oft – um unternehmerische Entscheidun-
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1 Buchta, DStR 2003, 694, 695. 2 BT-Drucks. 14/8769, S. 21; Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 56. Zur Bedeutung der Business Judgment Rule im Urteil des 3. Strafsenats des BGH in Sachen Mannesmann (BGHSt 50, 331) vgl. Hoffmann-Becking, NZG 2006, 127, 128. 3 OLG München v. 23.1.2008 – 7 U 3668/07, ZIP 2008, 742; hierzu Born, BB 2008, 692; siehe ferner aus der älteren Literatur Bachmann, WM 2002, 2137, 2143; Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1577; Ettinger/Grützediek, AG 2003, 353, 354; Schüppen, ZIP 2002, 1269, 1272 f.; Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 527 ff.; ausführlich Theusinger/Liese, DB 2008, 1419. 4 Ausführlich Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297 ff.; Lück, DB 1998, 8 ff.; Lück, DB 1998, 1925 ff.; Preußner/Becker, NZG 2002, 846 ff. 5 Zur Überspannung der Bestimmung Seibert in FS Bezzenberger, 2000, S. 427 ff. 6 LG Berlin v. 3.7.2002 – 2 O 358/01, AG 2002, 682, 683 f.; Lange/Wall, Risikomanagement nach dem KonTraG, 2001, § 6 Rz. 63 ff.; von Westphalen, Derivatgeschäfte, Risikomanagement und Aufsichtsratshaftung, 2000, S. 69 ff.; Buchta, DStR 2003, 694, 698. 7 Zur Haftung bei Verstößen gegen Ermächtigungsbeschlüsse der Hauptversammlung KG v. 22.8.2001 – 23 U 6712/99, ZIP 2001, 2178, 2180 = AG 2002, 243. 8 Zum unternehmerischen Ermessen grundlegend Mutter, Haftung des Aufsichtsrats für unternehmerische Fehlentscheidungen, 1994, passim. Aus jüngerer Zeit Sven H. Schneider, DB 2005, 707; Lutter, ZIP 2007, 841; Roth, BB 2004, 1066 ff.; Fleischer, ZIP 2004, 685 ff.; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 35 ff. 9 Vgl. zu den Sorgfaltspflichten bei freigebigen Zuwendungen zu gemeinnützigen Zwecken das Strafurteil BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, DB 2002, 626 ff. mit Anm. Gehrlein, NZG 2002, 463 ff. = AG 2002, 347; sowie Fleischer, AG 2001, 171 ff.
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gen unter Unsicherheit und Risiko. So heißt es im grundlegenden ARAG/Garmenbeck-Urteil des BGH1, dass ohne einen weiten Handlungsspielraum eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist. 18
§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG löst dieses Spannungsfeld auf. Danach liegt eine Pflichtverletzung nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Diese so genannte Business Judgment Rule, die durch das UMAG2 in das Gesetz eingefügt wurde, geht auf den anglo-amerikanischen Rechtskreis zurück3. Auf seiner Grundlage hatte der BGH im ARAG/Garmenbeck-Urteil4 einen Haftungsfreiraum für Vorstandsmitglieder anerkannt. Diese richterliche Rechtsfortbildung fand Zustimmung in der Literatur und wurde durch die weitere Rechtsprechung konkretisiert. Der Gesetzgeber hat an diese Rechtsprechung angeknüpft5 und die Gesetzeslage mit ihr in Einklang gebracht6.
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Die Business Judgment Rule hat fünf Tatbestandsvoraussetzungen, die jedoch im Gesetz nicht mit gleicher Deutlichkeit zum Ausdruck kommen7: Es muss (1) eine unternehmerische Entscheidung vorliegen. Das Vorstandsmitglied muss bei dieser Entscheidung (2) sachlich unbefangen, insbesondere frei von Eigeninteressen sein. Die Entscheidung muss (3) dem Gesellschaftswohl dienen und (4) auf angemessener Information beruhen. Schließlich muss das Vorstandsmitglied – in den Grenzen des aus ex-ante-Sicht objektiv Nachvollziehbaren – hinsichtlich der sachlichen Unbefangenheit und der Angemessenheit der Informationen (5) in gutem Glauben gehandelt haben.
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Die wichtigste Voraussetzung der Business Judgment Rule betrifft das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung8. Die positive Umschreibung dieses Merkmals fällt schwer. Überwiegend erblickt man das Charakteristikum unternehmerischer Entscheidungen in ihrer Zukunftsbezogenheit und in ihrem prognostischen Einschlag, der ein Handeln unter Unsicherheit zur Folge hat9. Eine unternehmerische Entscheidung liegt dann nicht vor, wenn Ermessensspielräume ausscheiden, weil gesetzliche, statuarische oder vertragliche Pflichten nur eine richtige Entscheidung zulassen10. Ferner verlangt § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, dass ein Handeln zum Wohle der Gesellschaft vorliegt. Der Begriff „handeln“ ist nach der Gesetzesbegründung weit zu verstehen. Er umfasst die Entscheidung selbst sowie auch die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung, unabhängig davon, ob dies durch Rechtsgeschäft oder tatsächliche Handlung geschieht11. Die Handlung dient zum Wohle der Gesellschaft, 1 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, ZIP 1997, 883 ff. = AG 1997, 377; dazu Horn, ZIP 1997, 1129 ff. 2 Zum UMAG allgemein siehe Koch, ZGR 2006, 769; Göz/Holzborn, WM 2006, 157; Schäfer, ZIP 2005, 1253. 3 Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 56. 4 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, ZIP 1997, 883 ff. = AG 1997, 377; dazu Horn, ZIP 1997, 1129 ff. 5 BR-Drucks. 3/05, S. 19. 6 Hüffer, § 93 AktG Rz. 4a. 7 Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 62; Hüffer, § 93 AktG Rz. 4e; Bürgers/Israel in Bürgers/Körber, § 93 AktG Rz. 11 ff. 8 Hierzu Sven H. Schneider, DB 2005, 707. 9 BR-Drucks. 3/05, S. 19, Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 63; Hüffer, § 93 AktG Rz. 4f. 10 Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 12; Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 63. 11 BR-Drucks. 3/05, S. 19.
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§ 22
Haftung des Vorstands
wenn die Entscheidung zum Ziel hat, den Bestand des Unternehmenswerts zu erhalten, die Rentabilität zu fördern oder den nachhaltigen Unternehmenswert zu steigern1. Nach anderer Formel liegt ein Handeln zum Wohle der Gesellschaft jedenfalls dann vor, wenn es der langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen dient2. Das Erfordernis der sachlichen Unbefangenheit ergibt sich nicht explizit aus dem Gesetzestext, folgt aber aus dem Merkmal „zum Wohle der Gesellschaft handeln“. In der Regel darf nur der annehmen, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, der sich bei seiner Entscheidung frei von sachfremden Einflüssen weiß3. Dies liegt bei einem Handeln zum eigenen Nutzen oder zum Nutzen von dem Geschäftsleiter nahestehenden Personen oder Gesellschaften jedenfalls nicht vor. Legitim ist ein Handeln zum eigenen Vorteil nur dann, wenn sich der Vorteil nur mittelbar aus dem Wohle der Gesellschaft ableitet4. Sofern eine unternehmerische Entscheidung zu treffen ist, muss der Vorstand auf der Grundlage angemessener Information handeln. Der Haftungstatbestand ist nicht verwirklicht, wenn das Vorstandsmitglied seine Entscheidung in sachgemäßer Beurteilung der Lage getroffen hat, auch wenn sich diese Beurteilung später als unrichtig herausstellt. Die Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG stellt gerade keine Erfolgshaftung, sondern „nur“ eine Haftung für sorgfaltswidriges Verhalten dar. Die Sorgfaltswidrigkeit bestimmt sich nicht aus nachträglicher Sicht (ex post), sondern ex ante. Entgegen einer früher verbreiteten Meinung ist es nicht erforderlich, dass das Vorstandsmitglied alle zur Verfügung stehenden Informationen und Erkenntnisquellen ausgenutzt und diese ggf. – wie z.B. internes Controlling – auch selbst geschaffen hat5. Unternehmerisches Handeln steht oft unter Zeitdruck6. Ausreichend ist daher eine in der konkreten Entscheidungssituation unter Berücksichtigung des Faktors Zeit und unter Abwägung der Kosten und Nutzen weiterer Informationsgewinnung angemessene Tatsachenbasis7. Bei einer Unternehmenstransaktion wird daher etwa die Durchführung einer Due Diligence gefordert8, eine Due Diligence wird aber gleichwohl nicht in allen Fällen erforderlich sein. Bei all dem muss das Vorstandsmitglied in gutem Glauben handeln. Fehlt es hieran, verdient das Vorstandsmitglied keinen Schutz. In derartigen Fällen wird es meist schon an einer der vorgenannten Tatbestandsvoraussetzungen fehlen, so dass dem Merkmal des Handelns in gutem Glauben lediglich die Funktion einer „Notbremse“ zukommt9.
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Von der Haftungsprivilegierung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG sind bestimmte Pflichten ausgenommen wie etwa die Pflicht zur Beachtung von Wettbewerbsverboten (§ 88 AktG), zur Verschwiegenheit, zur Einrichtung eines Risikomanagementsystems nach § 91 Abs. 2 AktG sowie zur Kapitalerhaltung (vgl. § 93 Abs. 3 AktG).
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1 2 3 4 5 6 7
Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 13. BR-Drucks. 3/05, S. 19. Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 15; Lutter, ZIP 2007, 841. Vgl. BR-Drucks. 3/05, S. 20. So aber Kinzl, DB 2004, 1653 f.; wie hier Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2086. Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 56, 69. Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 13; aus betriebswirtschaftlicher Sicht Grundei/v. Werder, AG 2005, 825. 8 Böttcher, NZG 2005, 49, 54. 9 So zu Recht Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 71.
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§ 22
Vorstand
b) Treuepflicht 23
Der Vorstand ist Verwalter fremden Vermögens1. Die im Gesetz nur bruchstückhaft in § 88 Abs. 1 AktG (Wettbewerbsverbot) und § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG (Verschwiegenheitspflicht) angesprochene Treuepflicht2 verlangt vom Vorstandsmitglied, gesellschaftsfremde Interessen hinter diejenigen der Gesellschaft zurückzustellen, seine Organstellung nicht zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil anderer zu missbrauchen3 und sich loyal gegenüber der Gesellschaft zu verhalten. Das bedeutet auch, dass das Mitglied seine Arbeitskraft, Fähigkeiten und Kenntnisse vorbehaltlos in den Dienst der Gesellschaft stellt, sofern nicht etwa ein zulässiges Vorstands-Doppelmandat es erlaubt, die Arbeitskraft auf mehrere Gesellschaften zu verteilen4.
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Ein Vorstandsmitglied darf Geschäfte oder Geschäftschancen der Gesellschaft nicht an sich ziehen (vgl. § 88 Abs. 1 AktG)5. Nach der so genannten Geschäftschancenlehre dürfen sich Vorstandsmitglieder bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben für die Gesellschaft grundsätzlich nicht von eigenen wirtschaftlichen Vorteilen zulasten der Gesellschaft leiten lassen6. c) Verschwiegenheitspflicht
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Die Verschwiegenheitspflicht beruht auf der Treuepflicht7 und folgt unmittelbar aus § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG. Sie umfasst vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft und ist durch § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG auch strafrechtlich geschützt. Gleichzeitig kann bei einem Geheimnis, das eine Insiderinformation ist, eine Strafbarkeit nach § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG in Betracht kommen. Die Verschwiegenheitspflicht kann auch durch Unterlassen verletzt werden, insbesondere, wenn das Vorstandsmitglied nicht für die Geheimhaltung geheimer oder vertraulicher Informationen durch gebotene Organisationsmaßnahmen sorgt8.
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Die Verschwiegenheitspflicht kann in bestimmten Bereichen und unter bestimmten Voraussetzungen hinter das Unternehmensinteresse zurücktreten, etwa bei der Zulassung von Due-Diligence-Prüfungen im Rahmen von Veränderungen im (Groß-)Aktionärskreis9. Das gilt insbesondere, wenn Geheimnisse oder vertrauliche Angaben an Personen weitergegeben werden, die ihrerseits einer Berufsverschwiegenheit unterliegen oder wenn die Gesellschaft sie zur Wahrnehmung eigener Rechte offenbaren 1 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04 – „Mannesmann“, BGHSt 50, 331, 335 ff.; hierzu Fleischer, DB 2006, 542. 2 Ausführlich Fleischer, WM 2003, 1045 ff.; sowie zu den einzelnen Treuepflichten Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 156 ff. 3 Buchta, DStR 2003, 695, 697. Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern bei unentgeltlichen Gesellschaftszuwendungen zur Förderung von Kunst, Wissenschaft und Sport, soweit letztlich (auch) private Zwecke verfolgt werden, BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01 – „SWEG“, AG 2002, 347; dazu Laub, AG 2002, 308 ff.; Henze, WuB II A. § 93 AktG 1.02, S. 785; ferner Wollburg, ZIP 2004, 646 ff. 4 Wiesner in MünchHdb. AG, § 20 Rz. 10. 5 BGH v. 23.9.1985 – II ZR 246/84, WM 1985, 1443, 1444 (zur GmbH). 6 Zur Geschäftschancenlehre ausführlich Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 124 ff.; siehe auch Liebscher in Beck’sches Hdb. AG, § 6 Rz. 127; Wirth/Arnold/Greene, Corporate Law in Germany, 2004, S. 96; Fleischer, AG 2005, 336. 7 Vgl. nur Hüffer, § 93 AktG Rz. 6; Kittner, ZHR 136 (1972), 208, 220. 8 Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 189. 9 Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 158 f.; Körber, NZG 2002, 263 ff.; Fleischer, ZIP 2002, 651 f.; siehe auch Menke, NZG 2004, 697 ff. zur bevorzugten Information eines Aktionärspools.
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§ 22
Haftung des Vorstands
muss1. Grundsätzlich keine Verschwiegenheitspflicht besteht im Vorstand oder gegenüber dem Aufsichtsrat, jedoch greift die Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Betriebsrat und dem Wirtschaftsausschuss, soweit hier nicht das BetrVG eine Information verlangt2. Geheimnisse sind Umstände mit Bezug auf die Gesellschaft, die nicht allgemein bekannt sind und nach deren Willen auch nicht allgemein bekannt werden oder weiter verbreitet werden sollen3. Zu den Geheimnissen gehören z.B. Informationen über die Finanzsituation der Gesellschaft, ihre Geschäftspartner sowie Verlauf und Ergebnisse von Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen. Insbesondere sind auch solche Informationen geheimhaltungspflichtig, deren Weitergabe zu immateriellen Schäden der Gesellschaft, etwa einem Ansehensverlust, führen könnten4. Dem Vorstand kommt bei der Einstufung einer Tatsache als Geheimnis ein gewisser Spielraum zu5.
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Vertrauliche Angaben sind Informationen, deren Bekanntwerden für die Gesellschaft materiell oder immateriell nachteilig sein kann, auch wenn sie allgemein bekannt und damit keine Geheimnisse mehr sind6. Trotz der Formulierung „Angabe“ werden sämtliche „Angelegenheiten“ der Gesellschaft, die vertraulich sind, von der Verschwiegenheitspflicht in der Alternative der vertraulichen Angaben erfasst7.
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Die Verschwiegenheitspflicht gilt nach der Literatur nicht für solche Tatsachen, die einem Vorstandsmitglied ohne jeden Zusammenhang mit seiner Organtätigkeit zur Kenntnis gelangt sind8. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Findet der Vorstand beispielsweise verlorene Geschäftsunterlagen am Bahnhof während einer Urlaubsreise, darf er sie natürlich nicht preisgeben, sondern muss sie an sich nehmen9.
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Zu den Pflichten eines Vorstandsmitglieds einer börsennotierten Gesellschaft gehört auch, die Öffentlichkeit zutreffend über die Lage der Gesellschaft zu informieren (näher zu Investor Relations § 21 Rz. 8 ff.), so dass insbesondere die wahrheitsgemäße Mitteilung von Verlusten einer Beteiligung keinen Verstoß gegen § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG darstellt10. Informationspflichten kraft Gesetzes, etwa die Pflicht zu Ad hocMitteilungen nach § 15 WpHG, oder Auskunftsrechte von Behörden haben ferner Vorrang vor der Verschwiegenheitspflicht11.
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1 Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 157; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 82; Beispiele bei Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 107 ff.; 116 ff. 2 Siehe Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 21; Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 155; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 107, 111. 3 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, NJW 1975, 1412, 1413; Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 18. 4 Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 153; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 193. 5 Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 102; Bürgers/Israel in Bürgers/ Körber, § 93 AktG Rz. 48. 6 Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 19; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 103. 7 Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 19; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 195. 8 Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 105. 9 Ähnlich Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 20. 10 LG München I v. 17.5.2001 – 5 HK O 1227/01, AG 2002, 104, 105. 11 Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 112; Habersack/Schürnbrand, WM 2005, 957.
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§ 22
Vorstand
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Eine spezielle gesetzliche Normierung der Verschwiegenheitspflicht stellen die Insidertatbestände der §§ 12 ff. WpHG dar, die jede unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen verbieten. Überdies haben Vorstandsmitglieder im Rahmen ihrer Kontrollpflichten sicherzustellen, dass Angestellte nicht gegen Insiderverbote verstoßen.
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Ist ein Vorstandsmitglied einer Gesellschaft zugleich Mitglied des Aufsichtsrats einer anderen Gesellschaft, ist zwischen den jeweiligen Pflichtenkreisen zu unterscheiden. Erhält das Vorstandsmitglied bei Wahrnehmung seiner Funktion in einer Gesellschaft Informationen, die für beide Gesellschaften von Interesse sind, ist es durch die in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG normierte Schweigepflicht an ihrer Weitergabe an die andere Gesellschaft gehindert. d) Pflichten aus § 93 Abs. 3 AktG
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Bestimmte die Vorstandsmitglieder treffende Verbote werden in § 93 Abs. 3 AktG aufgezählt. Es handelt sich in erster Linie um Fälle, in denen die Kapitalgrundlage der Gesellschaft geschmälert wird1. Der Unterschied zur Haftung allein nach § 93 Abs. 2 AktG besteht in einer zusätzlichen Beweiserleichterung für die Gesellschaft. Es wird ein Schaden in Höhe des ausgezahlten Betrags vermutet. Insoweit muss sich das Vorstandsmitglied zusätzlich entlasten, indem es beweist, dass ein Schaden der Gesellschaft überhaupt nicht entstehen wird; der Nachweis, dass ein Schaden bislang noch nicht eingetreten ist, reicht nicht2. Macht die Gesellschaft einen über den ausgezahlten Betrag hinausgehenden Schaden geltend, ist dieser Schaden zwar ebenfalls von § 93 Abs. 3 AktG umfasst, allerdings greift insoweit nur die normale Beweislastverteilung3. Besonderheiten bestehen auch bei der Geltendmachung des Ersatzanspruchs der Gesellschaft durch ihre Gläubiger nach § 93 Abs. 5 AktG. Die Vorstandsmitglieder haften den Gläubigern schon bei leichtester Fahrlässigkeit, während dies bei „normalen“ Pflichtverletzungen nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG bei grober Fahrlässigkeit der Fall ist (§ 93 Abs. 5 Satz 2 AktG). § 93 Abs. 3 AktG umfasst: – Verstöße gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 AktG, das als umfassendes Verbot der Leistung von Vermögensgegenständen an Aktionäre außerhalb ordnungsgemäßer Gewinnausschüttung zu verstehen ist4, – die Zahlung von Zinsen oder Gewinnanteilen an Aktionäre (entgegen §§ 57 Abs. 2 und Abs. 3, 58 Abs. 4, 233 AktG), – verbotene Geschäfte in eigenen Aktien in Form von Zeichnung, Erwerb, Inpfandnahme oder Einziehung, also Verstöße gegen §§ 56, 71 bis 71e, 237 bis 239 AktG5, – die Ausgabe von Inhaberaktien vor voller Leistung des Ausgabebetrags entgegen § 10 Abs. 2 AktG, – die Verteilung von Gesellschaftsvermögen unter Verstoß gegen §§ 57 Abs. 3, 225 Abs. 2, 230, 233, 237 Abs. 2, 271, 272 AktG,
1 Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 216. 2 Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 214; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 192. 3 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 96, 107; Fleischer in Spindler/ Stilz, § 93 AktG Rz. 215. 4 Siehe nur Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 20. 5 Ausführlich Arnold in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 7.
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§ 22
Haftung des Vorstands
– Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, es sei denn, dies wäre mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO, bis zum MoMiG § 92 Abs. 3 Satz 2 AktG)1, – die Gewährung unzulässiger Vergütungen an Mitglieder des Aufsichtsrats (§§ 113, 114 AktG), – die Gewährung unzulässiger Kredite an Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats (§§ 89, 115 AktG)2, – die Ausgabe von Bezugsaktien bei bedingter Kapitalerhöhung unter Verstoß gegen § 199 AktG. e) Pflichten aus dem Anstellungsvertrag Auch wenn zwischen der Organstellung und dem Anstellungsvertrag zu unterscheiden ist und beide verschiedene Wege gehen können, kann neben die Haftung aus § 93 AktG nicht eine eigenständige Haftung aus dem Anstellungsvertrag treten3. Regelt der Anstellungsvertrag über die aus der Organstellung resultierenden Pflichten hinaus weitere Pflichten, haften die Vorstandsmitglieder zwar auch für ihre Verletzung, aber nur gemäß § 93 AktG4.
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f) Handlung aufgrund eines Hauptversammlungsbeschlusses Eine Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft ist nach § 93 Abs. 4 AktG ausgeschlossen, wenn die Maßnahme des Vorstands auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht. Ein Beschluss der Hauptversammlung ist im Grundsatz dann gesetzmäßig, wenn er weder nichtig noch anfechtbar ist5. Im Fall einer – rückwirkenden – Heilung der Nichtigkeit greift der Haftungsausschluss des § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG wieder ein6. Wird ein angefochtener Beschluss innerhalb der Anfechtungsfrist nicht angefochten, erwächst er in Bestandskraft und wird dadurch gesetzmäßig i.S.d. § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG7.
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Der Ausschluss der Haftung greift allerdings nur in dem Umfang der Bindung des Vorstands durch § 83 Abs. 2 AktG. Er gilt also insbesondere nicht bei einem Beschluss der Hauptversammlung ohne Verlangen des Vorstands, mangels Bindung bei seiner bloßen Ermächtigung oder bei einem Verstoß gegen die Zuständigkeit der Hauptversammlung8. Der Beschluss der Hauptversammlung hat auch dann keine entlastende Wirkung, wenn er vom Vorstandsmitglied pflichtwidrig, etwa durch unzureichende Information, herbeigeführt wurde9. Da nach § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG das Handeln des Vorstands auf dem Beschluss der Hauptversammlung beruhen muss,
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1 Vgl. hierzu LG Verden v. 14.2.2000 – 4 O 317/99, AG 2002, 109. 2 Als Beispiel hier OLG Koblenz v. 23.11.2000 – 6 U 1434/95, ZIP 2001, 1093. 3 BGH v. 12.6.1989 – II ZR 334/87, WM 1989, 1335, 1337 = AG 1989, 354; siehe auch oben Rz. 6. 4 Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 227. 5 Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 208; Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 225; Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 15. 6 So die h.M.; vgl. Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 317 ff.; Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 227. 7 Siehe Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 228 mit den Nachw. zum Streitstand. 8 Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 223; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 308 ff. 9 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 116; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 214.
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§ 22
Vorstand
kommt eine nachträgliche Billigung des Vorstandshandelns durch die Hauptversammlung nicht in Betracht1. Anders ist die Rechtslage aber bei Zustimmungsbeschlüssen der Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG, bei denen der Vorstand zuvor einen Vertrag ausgehandelt und abgeschlossen hat, dessen Wirksamkeit aber von der Zustimmung der Hauptversammlung abhängt. Nach einer Mindermeinung kann der Vertragsschluss schon zeitlich nicht auf dem nachfolgenden Zustimmungsbeschluss „beruhen“2. Mit der h.M. ist jedoch anzunehmen, dass alle (rechtmäßigen) Beschlüsse nach § 119 Abs. 2 AktG zur Haftungsbefreiung nach § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG führen, sofern die Geschäftsführungsmaßnahme nicht bereits durchgeführt ist (was bei Zustimmungsbeschlüssen, die erst zur Wirksamkeit der Geschäftsführungsmaßnahme führen, nicht der Fall ist)3. Es kann dabei kein Unterschied bestehen, ob der Vorstand zum Abschluss eines Vertrags ermächtigt oder die Wirksamkeit des Vertrags auf die Zustimmung der Hauptversammlung bedingt wird. 38
Für das Vorliegen eines entlastenden Hauptversammlungsbeschlusses ist wegen des Einwendungscharakters das Vorstandsmitglied beweispflichtig; gleichfalls muss es sich vom Vorwurf der pflichtwidrigen Herbeiführung eines solchen Beschlusses gemäß § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG entlasten4. g) Pflichten des überstimmten Vorstandsmitglieds
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Fassen Vorstandsmitglieder mit Mehrheit einen pflichtwidrigen Beschluss, haftet das überstimmte Vorstandsmitglied hierfür nicht5. § 93 AktG normiert nur eine Haftung für eigenes Verschulden und nicht für das Beschlussverhalten anderer. Ist ein Beschluss pflichtwidrig oder verstößt gar gegen Satzung oder Gesetz, wird das Vorstandsmitglied von seiner Mitverantwortung für das Handeln des Gesamtvorstands frei6. Das Vorstandsmitglied trifft auch keine Pflicht, durch Nichterscheinen oder auf andere Weise die Beschlussunfähigkeit des Vorstands-Gremiums herbeizuführen7. Es muss aber auf rechtmäßiges Verhalten des Vorstands hinwirken und ggf. gegen die Ausführung gesetz- und satzungswidriger Beschlüsse einschreiten, etwa durch Gegenvorstellung im Vorstand oder durch Vorlage an den Aufsichtsrat8. Ob ein überstimmtes Vorstandsmitglied gegen einen rechtswidrigen Beschluss Klage erheben muss, ist noch nicht geklärt9.
1 Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 55; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 112, 115; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 213; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 314 f. 2 Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 314; in der Richtung ähnlich OLG München v. 28.11.2007 – 7 U 4498/07, ZIP 2008, 73, 74 sowie LG München I v. 4.10.2007 – 5 HK O 12615/07, ZIP 2007, 2420. 3 Hoffmann in Spindler/Stilz, § 119 AktG Rz. 15, 18; Hüffer, § 119 AktG Rz. 15; weitergehend Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 119 AktG Rz. 20; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 29; für eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG Canaris, ZGR 1978, 207, 214 ff. 4 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 120; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 335. 5 Vgl. Fleischer, BB 2004, 2645, 2648. 6 Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 52 ff. 7 Vgl. Fleischer, BB 2004, 2645, 2648. 8 OLG Hamm v. 10.5.1995 – 8 U 59/94, AG 1995, 512, 514; ausführlich Fleischer, BB 2004, 2645, 2648 ff. 9 Näher Fleischer in Spindler/Stilz, § 77 AktG Rz. 35, der eine Pflicht nur bei ganz erheblichen drohenden Vermögensschäden bejaht; siehe ferner BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/ Garmenbeck“, BGHZ 135, 244, 248 = AG 1997, 377 (dort in Bezug zum Aufsichtsrat).
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Arnold
§ 22
Haftung des Vorstands h) Haftung bei Gesamtgeschäftsführung und Geschäftsverteilung
Grundsätzlich besteht haftungsrechtlich eine Gesamtverantwortung des Vorstands1. Das schließt jedoch eine Verteilung der Geschäfte auf die einzelnen Vorstandsmitglieder im Sinne einer horizontalen Arbeitsteilung mit haftungsbeschränkender Wirkung nicht aus.
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Besteht Gesamtgeschäftsführung, verletzt ein Vorstandsmitglied seine Pflichten bereits dann, wenn es ohne Zustimmung der anderen Vorstandsmitglieder handelt2. Bei Geschäftsverteilung gilt: Eine Zurechnung des Fehlverhaltens des einen Vorstandsmitglieds nach § 278 BGB oder eine Haftung nach § 831 BGB scheiden aus, da ein Vorstandsmitglied nicht Erfüllungsgehilfe des anderen ist bzw. zwischen beiden kein Abhängigkeitsverhältnis besteht3. Im Übrigen gilt: Durch eine Geschäftsverteilung wird die Gesamtverantwortung der Vorstandsmitglieder auf eine allgemeine Überwachungspflicht bezüglich der fremden Ressorts reduziert. Eingreifen muss das Vorstandsmitglied nur, wenn Anhaltspunkte für Missstände bestehen. Die Geschäftsverteilung muss allerdings wirksam sein. So können keine Aufgaben auf einzelne Vorstandsmitglieder verteilt werden, die nach dem Gesetz zwingend dem Gesamtvorstand zugewiesen sind, wie etwa Vorbereitung und Ausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 83 AktG), Berichterstattung an den Aufsichtsrat (§ 90 AktG), Buchführung (§ 91 Abs. 1 AktG), Insolvenzantragspflicht und Pflicht zur Verlustanzeige (§ 92 AktG)4, Vorlage an und Einberufung der Hauptversammlung (§§ 119 Abs. 2, 121 Abs. 2 AktG), Aufstellung von Jahresabschluss und Lagebericht sowie Vorlage an den Aufsichtsrat (§§ 170 ff. AktG), die Entscheidung über die Anfechtung von Beschlüssen der Hauptversammlung (§ 245 Nr. 4 AktG) sowie darüber hinaus die Unternehmensplanung, -kontrolle und -koordination5, insbesondere die Einrichtung eines Risikomanagementsystems nach § 91 Abs. 2 AktG6. Zudem muss die Geschäftsverteilung auf Satzung, Beschluss der Hauptversammlung oder Geschäftsordnung beruhen; eine formlose oder faktische Geschäftsverteilung ist nicht wirksam7.
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Im Rahmen wirksamer Geschäftsverteilung trägt jedes Vorstandsmitglied für das ihm zugewiesene Ressort die volle Verantwortung8. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass keine Pflichtverstöße begangen werden und die ihm unterstellten Mitarbeiter sorgfältig ausgewählt und überwacht werden9. Wegen der Gesamtverantwortung des Vorstands hat jedes Vorstandsmitglied aber zugleich auch Aufsichts- und Überwachungs-
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1 OLG Köln v. 31.8.2000 – 18 U 42/00, AG 2001, 363, 364; Martens in FS Fleck, 1988, S. 191, 193 ff.; Fleischer, NZG 2003, 449 ff.; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 506 ff. 2 OLG München v. 3.3.1993 – 7 U 3817/92, AG 1993, 285, 286; OLG München v. 16.7.1997 – 7 U 4603/96, AG 1997, 575, 576. 3 Fleischer, NZG 2003, 449, 453; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 20; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 55 ff. 4 Zu den Pflichten des Vorstands in der Insolvenz der Gesellschaft siehe Hauptmann/MüllerDott, BB 2003, 2521 ff.; zum „Krisenrecht“ Reuter, BB 2003, 1797 ff.; ferner Thümmel, BB 2002, 1105 ff. 5 Götz, ZIP 2002, 1745, 1747 f. 6 Zu letzterem LG Berlin v. 3.7.2002 – 2 O 358/01, AG 2002, 682, 683 f.; dazu Preußner/Zimmermann, AG 2002, 657 ff. 7 Fleischer in Spindler/Stilz, § 77 AktG Rz. 56 f.; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 55. 8 OLG Hamm v. 24.4.1991 – 8 U 188/90, GmbHR 1992, 375, 376 (zur GmbH); Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 60 ff.; Fleischer, NZG 2003, 449, 452; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 131; ausführlich Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2203 f. 9 OLG Köln v. 31.8.2000 – 18 U 42/00, AG 2001, 363, 364; Götz, AG 1995, 337, 338.
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Vorstand
pflichten für die Ressorts der anderen Vorstandsmitglieder1. Im Ausgangspunkt darf ein Vorstandsmitglied jedoch davon ausgehen, dass die Aufgaben durch die anderen Vorstandsmitglieder in deren Ressorts ordnungsgemäß wahrgenommen werden2. Eine Haftung kann insoweit nur durch eine Verletzung der allgemeinen Überwachungspflicht eintreten3. Dabei wird im Regelfall der allgemeinen Überwachungspflicht genügt, wenn sich jedes Vorstandsmitglied in den Sitzungen des Vorstands über die Tätigkeit der anderen Mitglieder informiert. Bestehen Anhaltspunkte für Missstände oder Fehlentwicklungen in anderen Ressorts, wird aus der Pflicht zur Überwachung allerdings eine Pflicht zum Eingreifen4, entweder durch Einschaltung des Gesamtvorstands oder des Aufsichtsrats5. 3. Verschulden 43
Haftung aus § 93 Abs. 2 AktG ist Verschuldenshaftung. Hierbei handelt es sich um einen objektiv-typisierten Verschuldensmaßstab, der auf individuelles Können im Ausgangspunkt keine Rücksicht nimmt6. Verfügt ein Vorstandsmitglied allerdings über besondere Fertigkeiten, aufgrund derer er ausgewählt wurde, schuldet er auch ihre Erbringung7. Insoweit wirkt individuelles Können haftungsverschärfend. Das Vorstandsmitglied haftet für jede, auch leichte Fahrlässigkeit. Das Verschulden muss sich nur auf die Pflichtverletzung als solche beziehen und braucht die Möglichkeit eines Schadenseintritts nicht zu umfassen8.
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Im Rahmen des § 93 Abs. 2 AktG haften Vorstandsmitglieder nur für eigenes Verschulden. Fremdverschulden wird ihnen nach § 278 BGB grundsätzlich nicht zugerechnet9. Im Anwendungsbereich des § 278 Satz 1 BGB bedient sich die Gesellschaft und nicht das Vorstandsmitglied der Angestellten zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen. Das Vorstandsmitglied übt nur das Direktionsrecht der Gesellschaft als Arbeitgeberin aus. Auch Überwachungspflichten i.S.v. § 831 BGB bestehen nicht; eine Anwendung dieser Vorschrift scheitert daran, dass die Gesellschaft und nicht das Vorstandsmitglied Geschäftsherr ist10 und das Vorstandsmitglied auch nicht unter Übernahmegesichtspunkten nach § 831 Abs. 2 BGB haftet11.
1 Im Einzelnen Fleischer, NZG 2003, 449, 453 ff.; ferner Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 512 f.; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 152. 2 OLG Köln v. 31.8.2000 – 18 U 42/00, AG 2001, 363, 364; BGH v. 26.6.1995 – II ZR 109/94, NJW 1995, 2850, 2851 zur Buchführung bei der GmbH. 3 BGH v. 1.3.1993 – II ZR 61/92, NJW 1994, 2149, 2150 zur Haftung bei Verletzung der Insolvenzantragspflicht. 4 BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, NJW 1997, 130, 132 = AG 1997, 37 zur Geschäftsverteilung bei der GmbH; OLG Köln v. 31.8.2000 – 18 U 42/00, AG 2001, 363, 364. 5 BGH v. 20.10.1954 – II ZR 280/53, NJW 1954, 1841, 1842 zu Bedenken im Hinblick auf die Wahl eines Vorstandsmitglieds; vgl. zur Pflicht eines Aufsichtsratsmitglieds zur Unterrichtung des Gesamtaufsichtsrats bei Kenntnis von rechtwidrigem Verhalten des Vorstands LG Dortmund v. 1.8.2001 – 20 O 143/93, DB 2001, 2591, 2592 = AG 2002, 97. 6 Hüffer, § 93 AktG Rz. 14; Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 9. 7 Beispiele sind der spezialisierte Wirtschaftsprüfer als Finanzvorstand, der Rechtsanwalt als Vorstand im Ressort Recht, der Chirurg in der Produktentwicklung eines OP-Geräteherstellers, der spezialisierte Bankier bei Absicherungsgeschäften von Wechselkursrisiken. 8 Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 196; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 99; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 160. 9 Fleischer, AG 2003, 291, 292; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 161. 10 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 18; Hüffer, § 93 AktG Rz. 14. 11 Fleischer, AG 2003, 291, 292.
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Haftung des Vorstands
Bei der vertikalen Aufgabendelegation vom Vorstandsmitglied auf Angestellte ist zu unterscheiden: Ist die Delegation unzulässig, weil das Vorstandsmitglied die Aufgabe selbst wahrzunehmen hat, haftet es wegen einer eigenen Pflichtverletzung. Ist die Aufgabendelegation zulässig, hat das Vorstandsmitglied geeignete Mitarbeiter auszuwählen, hinreichend zu instruieren und zu überwachen1. Nur wenn es diese ihm persönlich obliegenden Pflichten verletzt, kann es zu einer Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG kommen2.
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4. Schaden der Gesellschaft und Kausalität Schaden ist nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen jede Minderung des Gesellschaftsvermögens, die nicht durch einen mit dem haftungsauslösenden Ereignis in Zusammenhang stehenden Vermögenszuwachs ausgeglichen wurde. Die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB finden Anwendung3. Der in der Literatur zum Teil vertretenen Ansicht, nach der nicht jede Vermögensminderung ein Schaden sei, sondern nur eine dem Unternehmenszweck widersprechende Vermögensbeeinträchtigung4, ist nicht beizupflichten5. Begründet wird diese Ansicht mit der besonderen Natur des § 93 Abs. 2 AktG, der einen Schadensersatzanspruch als Folge der Beweislastumkehr nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG schon bei Vorliegen eines Schadens der Gesellschaft gewähre6. Gegen sie spricht, dass der Begriff des Schadens außerhalb der jeweiligen Unternehmenszwecke zu bestimmen ist. Anderenfalls würden bei der Feststellung des konkreten Schadens erneut Gesichtspunkte der Pflichtwidrigkeit abgehandelt7. Die Höhe des Schadens ist durch Vergleich der tatsächlichen Lage der Gesellschaft mit derjenigen zu ermitteln, die sich bei pflichtgemäßem Verhalten der Vorstandsmitglieder ergeben hätte.
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Der Schaden muss durch die Pflichtwidrigkeit adäquat kausal verursacht worden sein. An dieser Stelle wird auch die Frage rechtmäßigen Alternativverhaltens relevant. Dabei geht es um den Einwand des in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieds, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre und deswegen nicht zu ersetzen sei. Allerdings ist hierfür der sichere Nachweis notwendig, dass der Schaden auf jeden Fall eingetreten wäre; die bloße Möglichkeit seines anderweitigen Eintritts reicht nicht aus8.
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5. Darlegungs- und Beweislast Der Gesellschaft kommen im Schadensersatzprozess gegen Vorstandsmitglieder Beweiserleichterungen zugute, die ihre prozessuale Stellung erheblich verbessern9. Die Beweislastregel des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG gelangt zur Anwendung, wenn der Ein1 Ausführlich Fleischer, AG 2003, 291, 292 ff.; sowie Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2204 ff. 2 Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 88. 3 Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 30; Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 198; inzwischen auch Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 7. 4 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 23. 5 Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 155; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 263; Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 199. 6 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 23. 7 Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 263. 8 Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 267; Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 203. 9 Ausführlich zum Nebeneinander von Regeln über die Darlegungs- und Beweislast, Vermutungsregeln und Beweisführungsregeln Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 278.
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Vorstand
tritt eines Schadens, nicht aber der Pflichtverstoß feststeht1. Das Vorstandsmitglied muss sich entlasten, d.h. nachweisen, dass es sich sorgfaltsgemäß verhalten hat. Die Entlastung muss sowohl die Pflichtmäßigkeit des Vorstandshandelns als auch das fehlende Verschulden umfassen2. Da diese Doppelentlastung sowohl vom Vorwurf der Pflichtwidrigkeit als auch des Verschuldens oftmals erhebliche Probleme bereitet, empfiehlt es sich, hierauf durch eine lückenlose, nachvollziehbare Dokumentation der getroffenen unternehmerischen Entscheidungen vorbereitet zu sein3. In geeigneten Fällen ist (zu Lasten des Vorstandsmitglieds) auch an den Anscheinsbeweis zu denken, etwa bezüglich seiner Handlung oder ihrer Kausalität für einen Schaden, wenn der äußere Ablauf des Geschehens nach der Lebenserfahrung auf einem bestimmten Handeln oder Unterlassen beruht4. Dass auch ausgeschiedene Vorstandsmitglieder mit der Umkehr der Darlegungs- und Beweislast belastet bleiben5, ist bedenklich. Anders als aktive Vorstandsmitglieder haben sie keinen oder keinen ungehinderten Zugang mehr zu Unterlagen und sonstigen Informationsquellen der Gesellschaft6. Die Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf die Business Judgment Rule (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG) folgt den üblichen Regeln. Weil das Vorstandsmitglied sich insoweit auf den Ausschluss einer Pflichtverletzung („safe harbor“) beruft, trägt es die Darlegungs- und Beweislast7. 49
Die Gesellschaft muss im Regelfall die Handlung des Vorstandsmitglieds, Eintritt und Höhe des Schadens sowie die adäquate Kausalität zwischen Handlung und Schaden beweisen. Handlung bezeichnet dabei dasjenige positive Tun oder Unterlassen, das die Gesellschaft dem Vorstandsmitglied als möglicherweise pflichtwidrig vorwerfen will8. Im Anschluss daran ist es Sache des beklagten Vorstandsmitglieds darzulegen und zu beweisen, dass die Handlung nicht pflichtwidrig oder nicht schuldhaft gewesen ist oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre9. Hat die Gesellschaft Schwierigkeiten bei der Bezifferung des Schadens, kann aber die Pflichtwidrigkeit nachweisen, kommt ihr die allgemeine Beweislastregel des § 287 ZPO zugute, die bei feststehender Pflichtwidrigkeit den Nachweis des eingetretenen Schadens erleichtert10. Danach genügt es, wenn die Gesellschaft Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, die für eine Schadensschätzung hinreichende Anhaltspunkte bieten11. Unter die Beweiserleichterung des § 287 ZPO fällt auch die Frage der Kausalität zwischen dem pflichtwidrigen Handeln des Vorstandsmitglieds und dem
1 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 108; Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 208; Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 31. 2 Vgl. nur Hüffer, § 93 AktG Rz. 16. 3 Vgl. auch Liebscher in Beck’sches Hdb. AG, § 6 Rz. 137. 4 Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 168; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 284, 289; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 104. 5 So aber unter Berufung auf den Gesetzgeber, dem diese Problematik bekannt gewesen sei, und Einsichtsrechte des ausgeschiedenen Vorstands gegenüber der Gesellschaft OLG Hamm v. 10.5.1995 – 8 U 59/94, ZIP 1995, 1263, 1265 = AG 1995, 512. 6 Vgl. Rieger in FS Peltzer, 2001, S. 339, 351 f.; Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 12. 7 Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 72. 8 Vgl. grundlegend Goette, ZGR 1995, 648, 671 ff. 9 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 106; Goette, ZGR 1995, 648, 674; Wirth/Arnold/Greene, Corporate Law in Germany, 2004, S. 100; zur GmbH BGH v. 4.11.2002 – II ZR 224/00, AG 2003, 381. 10 Vgl. zur GmbH grundlegend BGH v. 4.11.2002 – II ZR 224/00, AG 2003, 381, 382. 11 BGH v. 1.2.2000 – X ZR 222/98, NJW-RR 2000, 1340, 1341.
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Haftung des Vorstands
Schaden der Gesellschaft1. § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG und § 287 ZPO kommen allerdings nicht nebeneinander zu Anwendung, da sonst ein „Vermutungszirkelschluss“ droht2. 6. Gesamtschuldnerische Haftung Sind mehrere Vorstandsmitglieder für den Schaden verantwortlich, ordnet § 93 Abs. 2 AktG die gesamtschuldnerische Haftung nach §§ 421 ff. BGB an3. Jedes Vorstandsmitglied haftet gegenüber der Gesellschaft unabhängig von seinem konkreten Verschuldensbeitrag und unabhängig von den Beiträgen der anderen Vorstandsmitglieder auf Ersatz des ganzen Schadens4. Das gilt auch, wenn bei Geschäftsverteilung zwischen den Vorstandsmitgliedern ein oder mehrere Vorstandsmitglieder die Pflichtverletzung begangen und andere ihre Kontroll- oder Aufsichtspflicht verletzt haben. Ebenso kann zwischen Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats gesamtschuldnerische Haftung bestehen, wenn auch Mitglieder des Aufsichtsrats ihre Pflichten verletzt haben und auch sie gemäß §§ 116, 93 AktG zum Schadensersatz verpflichtet sind.
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Unterschiedliche Verursachungsbeiträge der einzelnen Vorstandsmitglieder finden jedoch im Regressprozess der Vorstandsmitglieder untereinander Berücksichtigung5. Bereits vor Erbringung seiner eigenen Leistung kann der mithaftende Gesamtschuldner von den Mitschuldnern verlangen, ihren Anteilen entsprechend an der Befriedigung des Gläubigers mitzuwirken und ihn von einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger freizustellen6.
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7. Pflicht zur Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs a) Geltendmachung durch den Aufsichtsrat Der Aufsichtsrat ist nach dem ARAG/Garmenbeck-Urteil des BGH7 grundsätzlich verpflichtet, Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder geltend zu machen, will er sich nicht selbst einer Haftung gemäß §§ 116, 93 AktG aussetzen. Seine Pflichten sind bei der Geltendmachung möglicher Schadensersatzansprüche gegen Mitglieder des Vorstands wie folgt abgestuft8:
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Zunächst hat der Aufsichtsrat generell das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern eigenverantwortlich auf Schlüssigkeit zu prüfen. Fällt diese Prüfung positiv aus, schließt sich eine Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage an. Diese Prüfung erstreckt sich insbesondere auf Beweisfragen und die Beitreibbarkeit der Klagesumme. Verläuft sie positiv, hat der Aufsichtsrat die Ansprüche grundsätzlich zu verfolgen. Er kann von der Verfolgung ausnahmsweise absehen, wenn überwiegende Gründe des Unternehmenswohls gegen die Rechtsverfolgung sprechen. In Einzelfällen können sogar außerhalb des Unterneh-
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BGH v. 4.11.2002 – II ZR 224/00, AG 2003, 381, 382. Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 278. Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 298 ff. Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 25; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 21; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 127. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 127. Näheres auch bei Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 21; Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 25. BGH v. 15.10.2007 – II ZR 136/06, ZIP 2007, 2313. BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, ZIP 1997, 883, 885 ff. = AG 1997, 377. Vgl. Kau/Kukat, BB 2000, 1045, 1046; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 107 ff.; Heermann, AG 1998, 201 ff.; Horn, ZIP 1997, 1129, 1136 ff.
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menswohls liegende Umstände berücksichtigt werden, unter Umständen auch die persönlichen Verhältnisse von Vorstandsmitgliedern und die Konsequenzen für das Vorstandsmitglied und seine Familie. b) Geltendmachung durch die Hauptversammlung 54
Die Ersatzansprüche müssen darüber hinaus von den jeweils zur Verfolgung berufenen Organen geltend gemacht werden, wenn es die Hauptversammlung nach § 147 Abs. 1 AktG mit einfacher Mehrheit beschließt1. Die Hauptversammlung kann hierzu auch einen besonderen Vertreter bestellen (§ 147 Abs. 2 Satz 1 AktG), der anstelle der Verwaltungsorgane die Ersatzansprüche gerichtlich oder außergerichtlich geltend macht. Nach § 147 Abs. 2 Satz 2 AktG hat daneben das Gericht auf Antrag von Aktionären, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von einer Million Euro erreichen, als Vertreter der Gesellschaft zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs andere als die nach den §§ 78, 112 oder nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG zur Vertretung der Gesellschaft berufenen Personen zu bestellen, wenn ihm dies für eine gehörige Geltendmachung zweckmäßig erscheint. Das Institut des besonderen Vertreters führte über viele Jahre ein Schattendasein. Nur äußerst wenige Gerichtsentscheidungen mussten sich mit diesem Rechtsinstitut beschäftigen2. Das Institut des besonderen Vertreters erfuhr in letzter Zeit eine gewisse Renaissance3. Anders als bei der Abstimmung über eine Sonderprüfung (dort § 142 Abs. 2 AktG) besteht beim Beschluss über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen und die Bestellung eines besonderen Vertreters ein weitreichendes Stimmverbot etwa des Großaktionärs nach § 136 Abs. 1 AktG, wenn die Gesellschaft gegen ihn einen Anspruch geltend machen soll. Aus der gesetzlichen Konzeption der §§ 142 ff. AktG folgt aber, dass bei unklarem Sachverhalt zunächst ein Sonderprüfer tätig werden muss4. Erst wenn der Sachverhalt feststeht, kann die Hauptversammlung einen besonderen Vertreter bestellen. Dies zeigt insbesondere die Sechs-MonatsFrist des § 147 Abs. 1 Satz 2 AktG, die nur bei aufgeklärtem Sachverhalt eingehalten werden kann5. Andernfalls würden Sinn und Zweck des Stimmverbots nach § 142 Abs. 2 AktG ausgehebelt und der besondere Vertreter zum gesetzlich nicht vorgesehenen Sonderermittler gemacht. Auskunfts- und Ermittlungsrechte, soweit sie überhaupt bestehen, muss der besondere Vertreter gegen die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, geltend machen6. In der Hauptversammlung hat der besondere Vertreter weder Teilnahme-, noch Rede-, noch Berichts-, noch Auskunftsrecht gegenüber Aktionären7. c) Geltendmachung durch Aktionäre
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Durch das UMAG wurde mit § 148 AktG eine neue Möglichkeit für Aktionäre geschaffen, in Prozessstandschaft8 die in § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG bezeichneten Ersatz-
1 Näher OLG Frankfurt am Main v. 9.10.2003 – 20 W 487/02, DB 2004, 177 f. = AG 2004, 104. 2 BGH v. 18.12.1980 – II ZR 140/79, NJW 1981, 1097; RG v. 15.10.1926 – II 584/25, RGZ 114, 396; RG v. 4.11.1913 – II 297/13, RGZ 83, 248; RG v. 24.10.1910 – I 80/10, RGZ 74, 301. 3 Siehe OLG München v. 28.11.2007 – 7 U 4498/07, ZIP 2008, 73. 4 Anders jedoch OLG München v. 28.11.2007 – 7 U 4498/07, ZIP 2008, 73, 76. 5 Zu diesem Verständnis von § 147 Abs. 1 Satz 2 AktG siehe allerdings auch OLG München v. 22.11.2007 – 7 U 4498/07, ZIP 2008, 73, 77. 6 OLG München v. 22.11.2007 – 7 U 4498/07, ZIP 2008, 73, 78 ff. 7 LG München I v. 28.7.2008 – 5 HK O 12504/08, ZIP 2008, 1588. 8 Hüffer, § 148 AktG Rz. 15.
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Haftung des Vorstands
ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen1. Der Geltendmachung ist gemäß § 148 Abs. 1 AktG ein Klagezulassungsverfahren vorgeschaltet. Aktionäre, deren Anteile im Zeitpunkt der Antragstellung zusammen den einhundertsten Teil des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100 000 Euro erreichen, können bei Gericht die Zulassung beantragen, im eigenen Namen die in § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG bezeichneten Ersatzansprüche der Gesellschaft geltend zu machen. Dieses Klagezulassungsverfahren ist ein Verfahren nach der ZPO und soll auch die Minderheit in die Lage versetzen, einen ex ante aussichtsreichen Prozess in die Wege zu leiten, ohne Gefahr zu laufen, im späteren Prozess mit den Kosten belastet zu werden. Zugleich sollen aussichtslose oder zu missbräuchlichen Zwecken betriebene „räuberische“ Klagen von vornherein ausgeschaltet werden2. Das Gericht hat die Klage gemäß § 148 Abs. 1 Satz 2 AktG zuzulassen, wenn – die Aktionäre nachweisen, dass sie die Aktien vor dem Zeitpunkt erworben haben, in dem sie oder im Falle der Gesamtrechtsnachfolge ihre Rechtsvorgänger von den beanstandeten Pflichtverstößen aufgrund einer Veröffentlichung Kenntnis erlangen mussten, – sie glaubhaft machen, dass sie die Gesellschaft unter Setzung einer angemessenen Frist vergeblich aufgefordert haben, selbst Klage zu erheben, – Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, dass der Gesellschaft durch Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes oder der Satzung ein Schaden entstanden ist und – der Geltendmachung des Ersatzanspruchs keine überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohls entgegenstehen. Weitere Verfahrensfragen sind in § 148 Abs. 2 AktG geregelt. Nicht geregelt ist, wer Antragsgegner in dem Verfahren ist, obwohl es, wie sich aus § 148 Abs. 2 Satz 4 AktG ergibt, einen solchen geben muss. Die Aktiengesellschaft selbst kann nicht Klagegegner sein. Sie ist vielmehr nach § 148 Abs. 2 Satz 7 AktG beizuladen. Daher kommen als Antragsgegner nur Gesellschaftsorgane oder angebliche Haftungsschuldner in Betracht3. In Durchbrechung von § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO räumt § 148 Abs. 3 AktG der Gesellschaft die Möglichkeit ein, das Verfahren in jedem Stadium zu übernehmen. Durch die Klageübernahme tritt die Gesellschaft im Wege des gesetzlich vorgesehenen Parteiwechsels in den Stand des Verfahrens ein, einschließlich bereits erfolgter Beweisaufnahme4. Die Gesellschaft kann aber auch selbst Klage erheben, mit der Folge, dass andere Aktionärsklagen unzulässig werden (§ 148 Abs. 3 Satz 1 AktG), was zu Friktionen und neuerlicher Beweisaufnahme führen kann5. Nach erfolgreichem Klagezulassungsverfahren ist die Klage gemäß § 148 Abs. 4 Satz 1 AktG innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft beim zuständigen Gericht (§ 148 Abs. 2 AktG) zu erheben. In den Rechtskraftwirkungen eines daraufhin ergehenden Urteils wirkt sich die Prozessstandschaft für die Gesellschaft aus. Das Urteil entfaltet gemäß § 148 Abs. 5 Satz 1 AktG Wirkung sowohl auf die Gesellschaft als auch auf die übrigen, nicht beteiligten Aktionäre.
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Siehe hierzu Langenbucher, DStR 2005, 2083, 2089 f.; Müller, Der Konzern 2006, 725. Siehe Begr. RegE, BR-Drucks. 3/05 v. 7.1.2005, S. 40 f. Vgl. Hüffer, § 148 AktG Rz. 11 und Spindler, NZG 2005, 865, 868 (Fn. 36). Vgl. Fleischer in Spindler/Stilz, § 148 AktG Rz. 82. Spindler, NZG 2005, 865, 868.
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Im Vertragskonzern und im faktischen Konzern können Aktionäre außerdem Ersatzansprüche des abhängigen Unternehmens geltend machen. Nach § 309 Abs. 2 Satz 1 AktG sind die gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens der abhängigen Gesellschaft gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sie ihre Pflichten bei der Erteilung von Weisungen an das abhängige Unternehmen verletzen. Dieser Ersatzanspruch kann nach § 309 Abs. 4 Satz 1 AktG auch von jedem Aktionär geltend gemacht werden. Der Aktionär kann jedoch nur Leistung an die Gesellschaft fordern. Gleiches gilt für Ersatzansprüche des abhängigen Unternehmens gegen ihre eigenen Verwaltungsmitglieder (§ 310 Abs. 1, Abs. 4 AktG). Veranlasst im faktischen Konzern ein herrschendes Unternehmen eine abhängige Gesellschaft, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder zu ihrem Nachteil eine Maßnahme zu treffen oder zu unterlassen, ohne dass es den Nachteil bis zum Ende des Geschäftsjahrs tatsächlich ausgleicht oder der abhängigen Gesellschaft einen Rechtsanspruch auf einen zum Ausgleich bestimmten Vorteil gewährt, so ist es der Gesellschaft gegenüber zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verpflichtet (§ 317 Abs. 1 Satz 1 AktG). Als Gesamtschuldner haften daneben die Mitglieder des Vorstands der abhängigen Gesellschaft, wenn sie es unter Verletzung ihrer Pflichten unterlassen haben, das nachteilige Rechtsgeschäft oder die nachteilige Maßnahme in dem Abhängigkeitsbericht aufzuführen oder anzugeben, dass die Gesellschaft durch das Rechtsgeschäft oder die Maßnahme benachteiligt wurde und der Nachteil nicht ausgeglichen wurde (§ 318 Abs. 1 Satz 1 AktG). Auch diese Ansprüche können von den Aktionären des abhängigen Unternehmens geltend gemacht werden (siehe §§ 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG i.V.m. § 309 Abs. 4 AktG). 8. Verzicht und Vergleich
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Nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG kann die Gesellschaft erst drei Jahre nach ihrer Entstehung auf Ersatzansprüche gegen Vorstandsmitglieder verzichten oder sich über sie – auch im Prozess1 – vergleichen2. Zusätzliche Bedingung ist jedoch, dass die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit zustimmt3 und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, Widerspruch zur Niederschrift des Notars erhebt. Durch die Zustimmungspflicht der Hauptversammlung soll ein doloses Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat verhindert werden. Die beschränkte Wirkung von Verzicht und Vergleich erfasst alle Schadensersatzansprüche der Gesellschaft unabhängig von ihrer Rechtsgrundlage4. Unwirksam sind auch Gestaltungen zur Umgehung des Vergleichs- und Verzichtsverbots, etwa durch Abtretung des Ersatzanspruchs5. „Verzicht“ und „Vergleich“ sind weit zu verstehen und erfassen alle auf Ausschluss oder Schmälerung des Anspruchs gerichteten Rechtshandlungen der Gesellschaft, so z.B. eine Stundung, die wirtschaftlich einen Teilverzicht darstellt, einen Prozessvergleich und einen Verzicht oder ein Anerkenntnis der Gesellschaft im Prozess über eine negative Feststellungsklage des Vorstandsmitglieds6. 1 Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 53 m.w.N. 2 Hüffer, § 93 AktG Rz. 28. 3 Zu Stimmverboten Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 236; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 222; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 355 ff. 4 Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 242; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 130. 5 Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 18. 6 Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 53; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 135; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 375 ff.
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§ 22
Haftung des Vorstands
Rechtshandlungen unter Verstoß gegen § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG sind endgültig unwirksam. Eine Heilung durch Zeitablauf ist nicht möglich. Das gilt auch bei Zustimmung der Hauptversammlung, wenn sie vor Ablauf der Dreijahresfrist erteilt wird. Möglich ist nur eine Neuvornahme des Rechtsgeschäfts, auch durch Bestätigung (§ 141 BGB)1. Den Gläubigern gegenüber kann die Ersatzpflicht der Vorstandsmitglieder jedoch nicht durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft aufgehoben werden (siehe unten Rz. 63).
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Die Frist von drei Jahren beginnt mit der Entstehung des Anspruchs. Ihre konkrete Berechnung richtet sich nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB. Der Fristbeginn hängt ferner von der Möglichkeit klagweiser Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs ab2. Allerdings findet § 199 BGB keine Anwendung, da es sich nicht um eine Verjährungsfrist handelt, so dass es auf Kenntnis oder Kennenmüssen von Vorstand oder Aufsichtsrat nicht ankommt3.
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Nach § 93 Abs. 4 Satz 4 AktG gilt das Verzichts- und Vergleichsverbot nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist4.
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Diskutiert werden Gestaltungsmöglichkeiten, trotz des umfassenden Verzichts- und Vergleichsverbots in § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG mit der Gesellschaft eine Art „Generalbereinigung“ zu vereinbaren; am Aussichtsreichsten erscheint hier die Garantie eines Dritten, etwas des Großaktionärs, dass die Gesellschaft Ersatzansprüche nicht geltend macht5.
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9. Schadensersatzanspruch der Gesellschaftsgläubiger Nach § 93 Abs. 5 AktG kann der Ersatzanspruch der Gesellschaft aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit diese von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen können. Gleiches gilt für Verstöße der Vorstandsmitglieder gegen die in § 93 Abs. 3 AktG aufgeführten Verpflichtungen. Handelt es sich jedoch um die Verletzung der allgemeinen Pflicht aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, etwa im Bereich der Geschäftsführung, können die Gläubiger den Ersatzanspruch der Gesellschaft nur dann geltend machen, wenn die Vorstandsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gröblich verletzt haben (§ 93 Abs. 5 Satz 2 1. Halbsatz AktG). Hierunter ist grobe Fahrlässigkeit zu verstehen6. Ob sich das Verfolgungsrecht der Gläubiger der Gesellschaft dogmatisch als gesetzliche Prozessstandschaft darstellt oder einen eigenen Anspruch der Gläubiger begründet, kann dahinstehen7. Da der Gläubiger auf Leistung an sich selbst und nicht an die Gesellschaft klagen muss8, das Vorstandsmitglied aber dennoch schuldbefreiend an die Gesellschaft leisten kann9, wird § 93 Abs. 5 AktG letzt-
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Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 245. Hüffer, § 93 AktG Rz. 28. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 221. Näher Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 226. Umfassend Bauer/Krets, DB 2003, 811, 812 ff. Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 409 f.; Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 26. 7 Zum Meinungsstand Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 396 ff.; ferner Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 57; Hüffer, § 93 AktG Rz. 31. 8 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 143; Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 27; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 239. 9 Hüffer, § 93 AktG Rz. 32.
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§ 22
Vorstand
lich als „Anspruchsvervielfältigung eigener Art“1 zu verstehen sein. Im Prozess kommt dem Gläubiger die Beweiserleichterung des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG zugute2. 63
Eine Gesamtgläubigerschaft zwischen Gesellschaft und Gläubiger besteht nicht3. Gemäß § 93 Abs. 5 Satz 3 AktG wirken Verzicht, Vergleich oder (gesetzmäßiger) Beschluss der Hauptversammlung4 nicht gegen den Gläubiger. Das Vorstandsmitglied braucht insgesamt nur einmal zu leisten. Das von der Gesellschaft bereits verklagte Vorstandsmitglied kann der Klage des Gläubigers weder die Einrede der Rechtshängigkeit entgegensetzen5 noch kommt es zu einer Rechtskrafterstreckung6. Letzteres folgt schon aus dem Charakter des Verfolgungsrechts als eigener Anspruch und der Parteiverschiedenheit in den Prozessen. Allerdings erlischt der Anspruch des Gläubigers, wenn das Vorstandsmitglied an die Gesellschaft leistet, selbst wenn der Gläubiger zuvor Leistung vom Vorstandsmitglied an sich selbst verlangt hatte7.
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Neben diesem Weg über das Verfolgungsrecht verbleibt den Gesellschaftsgläubigern auch noch der übliche Weg der Klage gegen die Gesellschaft mit nachfolgender Vollstreckung in den Anspruch der Gesellschaft gegen das Vorstandsmitglied. Dies schließt eine schuldbefreiende Leistung des Vorstandsmitglieds an die Gesellschaft aus8. Einem Vorstandsmitglied stehen aber gegenüber dem Anspruch des Gläubigers alle Einreden und Einwendungen zu, die es gegen die Gesellschaft hat, es sei denn, sie wären durch § 93 Abs. 5 Satz 3 AktG ausgeschlossen9.
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Nach § 93 Abs. 5 Satz 4 AktG übt während der Dauer eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft der Insolvenzverwalter das Recht der Gläubiger gegen die Vorstandsmitglieder aus10. Eine Inanspruchnahme der Vorstandsmitglieder durch die Gläubiger nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nicht mehr möglich. Auch insoweit gilt die Privilegierung des § 93 Abs. 5 Satz 3 AktG11. 10. Verjährung
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Nach § 93 Abs. 6 AktG verjähren Ansprüche aus § 93 AktG in fünf Jahren. Für den Fristbeginn ist nach inzwischen h.M. § 200 BGB und nicht § 199 Abs. 1 BGB einschlägig12. Denn bei der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 93 Abs. 6 AktG handelt es sich nicht um „die regelmäßige Verjährungsfrist“ von drei Jahren nach §§ 195, 199
1 Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 251; Hüffer, § 93 AktG Rz. 32, ferner Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 142, 145. 2 Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 246. 3 Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 414 ff. 4 Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 247, zur Rechtslage im Insolvenzverfahren aber Rz. 250 f.. 5 Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 419. 6 Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 27; Hüffer, § 93 AktG Rz. 34; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 244. 7 Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 61; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 146. 8 Hüffer, § 93 AktG Rz. 34. 9 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 147; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 252. 10 Näher Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 421 ff.; Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 62. 11 Hüffer, § 93 AktG Rz. 35. 12 Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 63; Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 259; inzwischen auch Hüffer, § 93 AktG Rz. 37 und Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 255.
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§ 22
Haftung des Vorstands
Abs. 1 BGB1. Unabhängig davon, ob nun § 199 BGB oder § 200 BGB einschlägig ist, beginnt der Lauf der Verjährung wegen der Anknüpfung an die Entstehung des Anspruchs taggenau. Keinesfalls ist also erst der Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, der maßgebende Beginn der Verjährung. Der Anspruch „entsteht“, wenn seine klagweise Geltendmachung durch den Berechtigten möglich ist2.
III. Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber den Aktionären Eine Haftung droht Vorstandsmitgliedern nicht nur von Seiten der Gesellschaft, sondern auch von Seiten der Aktionäre. Allerdings ist die Haftung insoweit beschränkt, als Aktionäre nur ihren unmittelbaren Schaden geltend machen können. Sie können grundsätzlich nicht, wie § 117 Abs. 1 Satz 2 AktG klarstellt, einen Schaden in Form der Wertminderung ihrer Aktien durch die Schädigung der Gesellschaft (so genannter mittelbarer oder Reflexschaden) geltend machen3. Eine Ausnahme besteht bei einer Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber den Aktionären aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz. Im Rahmen dieser Anspruchsgrundlage geht der Anspruch der Aktionäre auch auf Ersatz des Reflexschadens, allerdings nur auf Leistung an die Gesellschaft4. Anderenfalls wären die Vorstandsmitglieder einer Doppelhaftung, zum einen seitens der geschädigten Gesellschaft, zum anderen seitens der mittelbar geschädigten Aktionäre, ausgesetzt. Ferner wird durch Leistung in das Gesellschaftsvermögen der mittelbare Schaden der Aktionäre ausgeglichen5. Eine Leistung an sich selbst kann der Aktionär erst verlangen, wenn die Gesellschaft nicht mehr werbend tätig ist und der geltend gemachte Betrag nicht mehr zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger benötigt wird6.
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1. Keine Haftung nach § 93 AktG Die Pflichten aus § 93 AktG bestehen nur gegenüber der Gesellschaft. Aktionäre können auf diese Norm keinen eigenen Anspruch stützen, insbesondere ist § 93 Abs. 2 AktG kein Schutzgesetz7.
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2. Haftung nach § 117 AktG § 117 AktG stellt eine aktienrechtliche Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche der Gesellschaft (Abs. 1 Satz 1) und von Aktionären (Abs. 1 Satz 2) dar. Der Anspruch richtet sich zunächst gegen Dritte, die vorsätzlich unter Benutzung ihres Einflusses auf die Gesellschaft ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats, einen Prokuristen oder einen Handlungsbevollmächtigten dazu bestimmt haben, zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu handeln. Aufgrund von § 117 Abs. 2 1 § 195 BGB kommt nur zur Anwendung, soweit keine anderweitige Sonderbestimmung eingreift; siehe Peters in Staudinger, BGB, 2004, § 195 BGB Rz. 11. 2 BGH v. 23.3.1987 – II ZR 190/86, NJW 1987, 1887, 1888 = AG 1987, 245; ferner OLG München v. 16.7.1997 – 7 U 4603/96, AG 1997, 575, 577. 3 BGH v. 20.3.1995 – II ZR 205/94, NJW 1995, 1739, 1746 f. = AG 1995, 368; BGH v. 10.11.1986 – II ZR 140/85, ZIP 1987, 29, 30 ff. = AG 1987, 126. 4 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 170; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 484 ff.; Liebscher in Beck’sches Hdb. AG, § 6 Rz. 142. 5 Bayer, NJW 2000, 2609, 2610. 6 BGH v. 20.3.1995 – II ZR 205/94, NJW 1995, 1739, 1746 f. = AG 1995, 368. 7 OLG Koblenz v. 5.11.2004 – 5 U 875/04, AG 2005, 211; KG v. 20.7.2001 – 9 U 1912/00, AG 2003, 324, 325; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 169; Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 64 m.w.N.
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Vorstand
AktG bestehen aber auch Ansprüche gegen pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder. 70
Voraussetzung für einen Anspruch gegen Vorstandsmitglieder ist nach § 117 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 AktG nicht nur, dass ein Dritter vorsätzlich unter Benutzung seines Einflusses auf die Gesellschaft Führungspersonen dazu bestimmt hat, zum Schaden der Gesellschaft oder ihrer Aktionäre zu handeln, sondern auch, dass das Vorstandsmitglied unter Verletzung seiner Pflichten gehandelt hat. Gemäß § 117 Abs. 2 Satz 2 AktG gilt die Beweislastumkehr nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG. Ferner entspricht § 117 Abs. 2 Satz 3 AktG der Entlastungsregel des § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG, wonach die Ersatzpflicht der Mitglieder des Vorstands nicht eintritt, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht. Ebenso wenig wie im Rahmen § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG wird gemäß § 117 Abs. 2 Satz 4 AktG bei Billigung der Handlung durch den Aufsichtsrat die Ersatzpflicht ausgeschlossen.
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Die praktische Bedeutung der Haftung der Vorstandsmitglieder nach § 117 Abs. 2 AktG, für die kumulativ die Voraussetzungen des § 117 Abs. 1 AktG und die des § 93 AktG vorliegen müssen, liegt darin, dass die Vorstandsmitglieder nicht nur der Gesellschaft, sondern auch den Aktionären zum Ersatz verpflichtet sind. Ersatzfähig sind Schäden der Aktionäre, „soweit sie, abgesehen von einem Schaden, der ihnen durch Schädigung der Gesellschaft zugefügt worden ist, geschädigt worden sind“. Gemeint ist damit eine Schädigung der Gesellschaft, die dem Aktionär durch Wertminderung seiner Aktie als eigener Schaden vermittelt wird, so dass mittelbare Schäden bzw. Reflexschäden ausgeschlossen sind. Der Schadensausgleich erfolgt in diesem Fall allein über den Anspruch der Gesellschaft auf Schadensersatz1. Die bloße Beeinträchtigung von nicht gesellschafts- oder mitgliedschaftsbezogenen Vermögensinteressen des Aktionärs begründet keinen Ersatzanspruch2. 3. Deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche
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Denkbar sind ferner Schadensersatzansprüche der Aktionäre nach allgemeinem Deliktsrecht3. a) Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB
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Voraussetzung für einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB ist die Verletzung eines absoluten Rechts. Als ein solches absolutes Recht wird grundsätzlich auch das Mitgliedschaftsrecht und damit die Stellung als Gesellschafter einer AG anerkannt4. Inwieweit dies auch für Verletzungen des Mitgliedschaftsrecht durch Gesellschaftsorgane gilt, ist noch nicht abschließend geklärt5.
1 BGH v. 4.3.1985 – II ZR 271/83, NJW 1985, 1777, 1778 = AG 1985, 217; BGH v. 22.6.1992 – II ZR 178/90, NJW 1992, 3167, 3171 f. = AG 1993, 28; ausführlich Müller in FS Kellermann, 1991, S. 317, 331 ff. 2 BGH v. 22.6.1992 – II ZR 178/90, NJW 1992, 3167, 3171 f. = AG 1993, 28. 3 Hierzu allgemein Hellgardt, WM 2006, 1514. 4 BGH v. 12.3.1990 – II ZR 179/89, NJW 1990, 2877, 2878; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 267 ff.; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 470 ff.; grundlegend Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, 1996, S. 143 ff.; ablehnend Krieger/Sailer in K. Schmidt/Lutter, § 93 AktG Rz. 65. 5 Vgl. den Überblick bei Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 270 ff.
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Haftung des Vorstands b) Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetzen
Nach § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB ist derjenige zum Ersatz eines Schadens verpflichtet, der gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ein solcher Ersatzanspruch setzt voraus, dass das verletzte Gesetz den Schutz der Aktionäre bezweckt. Zu den Schutzgesetzen zählt § 331 Nr. 1 HGB, nach dem mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer als Vorstandsmitglied die Verhältnisse der Gesellschaft in der Eröffnungsbilanz, Jahresabschluss, Lagebericht oder Zwischenabschluss vorsätzlich (§ 15 StGB) unrichtig wiedergibt oder verschleiert. Ferner rechnen hierzu § 266 StGB1, § 399 AktG2 und § 400 AktG3, nicht aber die Verletzung der allgemeinen Buchführungspflicht4.
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Ob die Pflicht aus § 92 Abs. 1 AktG zur unverzüglichen Einberufung einer Hauptversammlung bei Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals und nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO (bis zum MoMiG § 92 Abs. 2 AktG) zur Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Vorstand ein Schutzgesetz darstellt, ist umstritten5. Denkbar sind auch Ansprüche der Aktionäre gegen Vorstandsmitglieder aus § 826 BGB6.
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IV. Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber Dritten 1. Keine Haftung nach § 93 AktG Ebenso wenig wie Aktionäre haben Dritte einen Ersatzanspruch nach § 93 AktG gegen die Vorstandsmitglieder, von § 93 Abs. 5 AktG abgesehen.
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2. Deliktsrechtliche Haftung Gegenüber Dritten kann eine Haftung nach Deliktsrecht in Betracht kommen. Für Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB ist zu unterscheiden:
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Ein Schadensersatzanspruch gegen ein Vorstandsmitglied nach § 823 Abs. 1 BGB kommt in Betracht, wenn das Vorstandsmitglied unmittelbar den Anspruchsteller – den Dritten – an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder einem sonstigen absoluten Recht verletzt hat. Praktische Relevanz haben Ansprüche Dritter aus § 823 Abs. 1 BGB gegen Vorstandsmitglieder in jüngster Zeit wegen Eingriffen in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erfahren, der ebenfalls zu den absolut geschützten Rechten zählt7.
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1 Vgl. Hüffer, § 93 AktG Rz. 19. Siehe zu § 266 StGB insbesondere BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04 – „Mannesmann“, BGHSt. 50, 331. 2 BGH v. 11.7.1988 – II ZR 243/87, NJW 1988, 2794 = AG 1988, 331. 3 BGH v. 17.9.2001 – II ZR 178/99, NZG 2002, 38, 40 = AG 2002, 43; siehe auch BGH v. 16.12.2004 – 1 StR 420/03, AG 2005, 162, 163; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 33 Rz. 214. 4 H. M.; siehe Hüffer, § 91 AktG Rz. 3 m.w.N.; a.A. Fleischer, WM 2006, 2021, 2026 ff. 5 Siehe zum Meinungsstand Fleischer in Spindler/Stilz, § 92 AktG Rz. 17; zum Schutzgesetzcharakter von § 92 Abs. 2 AktG a.F. KG v. 20.7.2001 – 9 U 1912/00, AG 2003, 324, 325; sowie Weber/Brügel, DB 2004, 1923, 1925. 6 Vgl. LG Frankfurt am Main v. 28.4.2003 – 3–7 O 47/02, AG 2003, 461 f. für Anspruch gegen die AG; grundsätzlich Möllers/Leisch, WM 2001, 1648, 1651 ff.; Kiethe, NZG 2005, 333. 7 BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03 – „Kirch/Deutsche Bank“, BGHZ 166, 84; OLG München v. 10.12.2003 – 21 U 2392/03, ZIP 2004, 19, 24.
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Der Schadensersatzanspruch kann aber auch bei einer nur mittelbaren Verletzung des Dritten in geschützten Rechtsgütern in Betracht kommen1. Eine solche mittelbare Verletzung liegt vor, wenn das Vorstandsmitglied eine Verkehrspflicht, etwa eine Produktsicherungspflicht, verletzt hat, die zur Verletzung eines absoluten Rechtsguts führt. Das Vorstandsmitglied haftet aber nur dann, wenn ihm persönlich die verletzte (Verkehrs-)Pflicht im Interesse des geschädigten Dritten oblag. Es darf sich also nicht um eine Pflicht des Vorstandsmitglieds handeln, die nur im Verhältnis zur Gesellschaft bestand2. Nach dem VI. Zivilsenat des BGH können Organmitgliedern aufgrund ihrer Aufgaben solche Pflichten zum Schutze Dritter obliegen3. Zwar bestehen Pflichten aus der Organstellung nur der Gesellschaft gegenüber, die ihrerseits dem Dritten haftet. Gehen allerdings mit den Pflichten des Organs gegenüber der Gesellschaft auch Pflichten des Organs gegenüber einem Dritten einher, etwa aufgrund einer Garantenstellung zum Schutze fremder Rechtsgüter, kann dem Organ eine persönliche Verantwortung gegenüber Dritten obliegen. Die Organe können selbst dann deliktsrechtlich verantwortlich sein, wenn sie nicht eigenhändig gehandelt haben, sondern die Ursache für die Schädigung in Versäumnissen bei der das Organ treffenden Organisation und Kontrolle der Gesellschaft zu suchen ist4. Der XI. Zivilsenat des BGH geht in seinem Ansatz sogar noch weiter: Was der juristischen Person aufgrund der vertraglichen Treuepflicht untersagt sei, sei zwangsläufig auch dem oder den für sie handelnden Organen verboten; das Organ der Gesellschaft dürfe deren Vertragspartner nicht in dessen absolut geschützten Rechtsgütern i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB verletzen5.
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Die genannten Grundsätze gelten insbesondere für Rechtsgutverletzungen im Bereich der zivilrechtlichen Produkthaftung6 und ebenso für die strafrechtliche Produktverantwortlichkeit7. 3. Weitere Anspruchsgrundlagen a) Haftung bei Vertragsverhandlungen
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Ein Vorstandsmitglied kann nach § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB ferner haften, wenn es bei Vertragsverhandlungen eines Dritten mit der Gesellschaft in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst8. Grundsätzlich trifft die Pflicht zum Schadensersatz aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen zwar nur den Vertragspartner. Vorstandsmitglieder nehmen aber im Rahmen von Vertragsverhandlungen dann besonders persönliches Vertrauen in Anspruch, wenn sie eine über das normale Verhand1 Hierzu aus rechtssystematischer Sicht Medicus, ZGR 1998, 570, 571 ff. 2 Näher Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 287. 3 BGH v. 5.12.1989 – VI ZR 335/88, NJW 1990, 976, 978; ausführlich Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 15 ff. 4 Kritisch insoweit der II. Zivilsenat BGH v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, NJW 1994, 1801, 1803, da dies für den Regelfall eine Haftung von Organen juristischer Personen bedeute, die der gesellschaftsrechtlichen Haftungskonzentration auf die juristische Person fremd sei. 5 BGH v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03 – „Kirch/Deutsche Bank“, BGHZ 166, 84. Siehe hierzu Derleder/Fauser, BB 2006, 949. 6 Ausführlich Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 499 ff. 7 Siehe dazu das „Lederspray-Urteil“ als Leitentscheidung, BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, NStZ 1990, 587 ff. 8 Fleischer in Spindler/Stilz, § 93 AktG Rz. 266 ff.; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 285 f.; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 495 ff.; Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 34 f., auch zur Aufklärungspflicht bezüglich der Insolvenzreife der Gesellschaft.
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Haftung des Vorstands
lungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrags übernommen haben1. Über § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB hinaus hat die Rechtsprechung eine eigene Haftung auch bei eigenem wirtschaftlichen Interesse des an den Vertragverhandlungen beteiligten Dritten entwickelt. Voraussetzung ist jedoch, dass der Vertreter bei wirtschaftlicher Betrachtung gleichsam in eigener Sache tätig wird und damit als der eigentliche wirtschaftliche Interessenträger angesehen werden muss2.
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b) Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB Nach § 266a StGB machen sich die Vorstandsmitglieder bei Nichtabführung von Beiträgen an die Sozialversicherungsträger nicht nur strafbar, sondern i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB auch schadensersatzpflichtig3. Die persönliche Haftung greift allerdings nur für die Arbeitnehmeranteile, nicht für die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung4.
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c) Haftung für die Erfüllung steuerlicher Pflichten Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AO haben die Vorstandsmitglieder als gesetzliche Vertreter der Aktiengesellschaft deren steuerliche Pflichten zu erfüllen und haften nach § 69 Satz 1 AO persönlich für Steuerausfälle. Diese persönliche Haftung umfasst nach § 69 Satz 2 AO auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge. Sie beschränkt sich aber aufgrund ihres Charakters als Schadensersatz auf die Steuern, die aufgrund der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung der Vorstandsmitglieder ausgefallen sind5.
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Die steuerlichen Pflichten, wie z.B. die Pflicht zur Abgabe richtiger Steuererklärungen, zur (rechtzeitigen) Entrichtung von Steuern oder zur anteiligen Tilgung bei nicht ausreichenden Gesellschaftsmitteln6, müssen während der Amtszeit der Vorstandsmitglieder verletzt worden sein7. Ferner muss der Steuerausfall des Fiskus als Schaden ursächlich durch die Pflichtverletzung hervorgerufen worden sein8. Die Pflichtwidrigkeit einer Handlung indiziert im Übrigen das Verschulden der Vorstandsmitglieder9, das sich nur auf die Pflichtverletzung und nicht den entstehenden Schaden zu beziehen braucht. Da fehlendes individuelles Können nicht entlastet, muss sich ein Vorstandsmitglied eines fachkundigen Beraters bedienen, ansonsten kann ein Übernahmeverschulden zu bejahen sein (siehe bereits oben unter Rz. 13)10.
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1 Vgl. jüngst wieder OLG Koblenz v. 27.2.2003 – 5 U 917/02, ZIP 2003, 571, 573 mit umfangreichen Nachweisen. 2 BGH v. 13.6.2002 – VII ZR 30/01, NJW-RR 2002, 1309, 1310. 3 BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, NJW 1997, 130, 131 f. = AG 1997, 37; im Einzelnen Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 291 ff. 4 Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 39. 5 Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Rz. 13 ff.; Intemann in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2004, § 69 AO Rz. 6. 6 BFH v. 1.8.2000 – VII R 110/99, BStBl. II 2001, 271. 7 Intemann in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2004, § 69 AO Rz. 33. 8 Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Rz. 20 ff. 9 BFH v. 25.7.2003 – VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540. 10 Intemann in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2004, § 69 AO Rz. 70.
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§ 22
Vorstand
d) Ersatzansprüche nach § 25 UmwG 86
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 UmwG sind Vorstandsmitglieder des übertragenden Rechtsträgers als Gesamtschuldner zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den dieser Rechtsträger, seine Anteilsinhaber oder seine Gläubiger durch eine Verschmelzung erleiden1. Es handelt sich hierbei um eine Haftung der Vorstandsmitglieder auch gegenüber Aktionären und außenstehenden Dritten. Die gleiche Haftung besteht auch für Spaltungen (§§ 123 ff., 125 Satz 1 UmwG) und Vermögensübertragungen nach §§ 174 ff., 184 UmwG. § 205 UmwG statuiert eine ähnliche Haftung für den Formwechsel.
V. Kapitalmarktrechtliche Haftung 1. Haftung für Verstöße gegen §§ 15, 20a WpHG 87
Bei der kapitalmarktrechtlichen Haftung ist zu unterscheiden zwischen Anspruchsgrundlagen aus dem Deliktsrecht und den jeweils einschlägigen Spezialgesetzen2. Zur Haftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation siehe auch oben § 16.
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Die Rechtsprechung verneint eine Haftung bei fehlerhaften Ad hoc-Mitteilungen, die sich auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 WpHG stützt, mangels Schutzgesetzcharakters von § 15 WpHG3. Dies hat der BGH in seiner „Infomatec“-Rechtsprechung für § 15 WpHG a.F. bestätigt4. Dem ist – auch für § 15 WpHG n.F. – zuzustimmen, weil § 15 Abs. 6 WpHG Schadensersatzansprüche von Dritten nur unter den Voraussetzungen der §§ 37b, 37c WpHG zulässt5, auch wenn diese Vorschriften lediglich Ansprüche gegen die Gesellschaft und nicht gegen die Organmitglieder persönlich gewähren6. Insoweit scheidet auch eine Haftung wegen Betrugs nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB aus, da es zumeist an der so genannten Stoffgleichheit zwischen dem Nachteil des Anlegers und dem Vorteil des Vorstandsmitglieds aus der unrichtigen Ad hocMitteilung fehlen wird7. Strafrechtlich kann die Bekanntgabe unrichtiger Halbjahreszahlen in einer Ad hoc-Mitteilung aber zu einer Verurteilung nach § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG führen8. Da diese Strafvorschrift zugleich als Schutzgesetz im Sinne des § 823 1 Im Einzelnen zur Haftung nach § 25 UmwG Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666 ff.; sowie Kübler in Semler/Stengel, § 25 UmwG Rz. 3 ff. 2 Siehe zum geltenden Recht und zu rechtspolitischen Überlegungen Baums, ZHR 167 (2003), 139 ff.; zur börsenstrafrechtlichen Risiken Park, BB 2001, 2069 ff.; Weitnauer, DB 2003, 1719 ff.; zusammenfassend Unzicker, WM 2007, 1596. 3 LG München v. 28.6.2001 – 12 O 10157/01, ZIP 2001, 1814, 1815; LG Kassel v. 14.8.2002 – 4 O 46/02, DB 2002, 2151; LG Frankfurt am Main v. 17.1.2003 – 3–07 O 26/01, ZIP 2003, 400, 401; vgl. im Detail Rützel, AG 2003, 69, 70 ff.; siehe nun aber für eine auf § 826 BGB gestützte Haftung die „Infomatec“-Rechtsprechung des BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03, AG 2004, 534 und II ZR 402/02, AG 2004, 546 sowie II ZR 217/03; siehe näher oben § 16 Rz. 5 ff. 4 BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03, AG 2004, 543, 544. 5 So für die Rechtslage vor dem AnSVG vom 28.10.2004 Edelmann, BB 2004, 2031. Gleiches gilt auch für § 15 WpHG in der Fassung des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630); so auch Leisch, ZIP 2004, 1573, 1577 f.; Fleischer, DB 2004, 2031, 2032; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 33 Rz. 213. 6 LG Kassel v. 14.8.2002 – 4 O 46/02, DB 2002, 2151. 7 LG Kassel v. 14.8.2002 – 4 O 46/02, DB 2002, 2151; so auch BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03 – „Infomatec“, AG 2004, 543, 544 f.; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 33 Rz. 215 f. 8 BGH v. 16.12.2004 – 1 StR 420/03, BGHSt 49, 381; siehe aber auch BGH v. 19.7.2004 – II ZR 402/02, AG 2004, 546, der einen Verstoß gegen § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG verneint, wenn eine Ad hoc-Mitteilung nur einen einzelnen Geschäftsabschluss bekanntgibt.
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§ 22
Haftung des Vorstands
Abs. 2 BGB anerkannt ist, kann hieraus in Einzelfällen1 eine persönliche zivilrechtliche Haftung von Vorstandsmitgliedern auch für fehlerhafte Ad hoc-Mitteilungen folgen, wenn die Ad hoc-Mitteilung unrichtige Darstellungen über die Verhältnisse der Gesellschaft enthält2. Ganz ähnliche Prinzipien galten bei Verstößen gegen § 20a WpHG a.F. bzw. § 88 BörsG a.F. Nach überwiegender Meinung stellte weder § 20a WpHG a.F. noch § 88 BörsG a.F. ein Schutzgesetz dar3. Das hat der BGH in „Infomatec“ für § 88 BörsG a.F. auch bestätigt4. § 20a WpHG in der Fassung nach dem AnSVG dürfte ebenfalls kein Schutzgesetz sein5. Zu § 20a WpHG ist darüber hinaus auch die Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung – MaKonV) zu beachten6.
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Der BGH gewinnt seit der „Infomatec“-Rechtsprechung den weiter gehenden Anlegerschutz bei Verstößen gegen Vorschriften des Kapitalmarktrechts aus § 826 BGB, also aus der Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung7. Der Anspruch besteht sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen die verantwortlichen Vorstandsmitglieder8. Der Anleger hat nach der „ComROAD“-Rechtsprechung des BGH den Vorsatz der Gesellschaftsorgane und die Kausalität der Ad hoc-Mitteilung für die Anlageentscheidung zu beweisen. Danach muss im Rahmen der Informationsdeliktshaftung gemäß § 826 BGB der Nachweis des konkreten Kausalzusammenhangs zwischen einer fehlerhaften Ad hoc-Mitteilung und der individuellen Anlageentscheidung sogar dann geführt werden, wenn die Kapitalmarktinformation vielfältig und extrem unseriös gewesen ist9. Der Anscheinsbeweis steht dafür nicht zur Verfügung. Eine große zeitliche Nähe des Aktienerwerbs zur Ad hoc-Mitteilung erleichtert zwar den Kausalitätsbeweis; die sich aus einer Ad hoc-Mitteilung möglicherweise entwickelte Anlagestimmung nimmt aber mit der Zeit ab. Eine schematische, an einen bestimmten festen Zeitraum angelehnte Betrachtungsweise verbietet sich. Als zu lang wurden neun Monate seit dem Aktienerwerb angesehen10.
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Nicht abschließend geklärt ist, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um Sittenwidrigkeit anzunehmen. Noch vor „Infomatec“ wurden einzelne fehlerhafte Angaben in einer öffentlichen Erklärung als solche aber noch nicht als sittenwidrig ange-
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1 BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 – „EM. TV“, ZIP 2005, 1270, 1272; siehe dazu Fleischer, ZIP 2005, 1805. 2 Kiethe, DStR 2003, 1982, 1984. 3 Vgl. zum Stand der Diskussion Vogel in Assmann/Uwe H. Schneider, § 20a WpHG Rz. 12 ff.; die Schutzgesetzeigenschaft von § 88 BörsG a.F. und § 15 WpHG in einem obiter dictum bezweifelnd BVerfG v. 24.9.2002 – 2 BvR 742/02, NZG 2003, 77 78 ff.; OLG München v. 1.10.2002 – 30 U 855/01, ZIP 2002, 1989, 1991 = AG 2003, 106; LG Kassel v. 14.8.2002 – 4 O 46/02, DB 2002, 2151; LG Augsburg v. 9.1.2002 – 6 O 1640/01, AG 2002, 465, 466. 4 BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03, AG 2004, 543, 544. 5 LG Berlin – 3 Wi Js 82/04, ZInsO 2005, 661; siehe auch Leisch, ZIP 2004, 1573, 1578; Fleischer, DB 2004, 2031, 2032 f. 6 BGBl. I 2005, 515 sowie BR-Drucks. 18/05 v. 7.1.2005; eingehend Knauth/Käsler, WM 2006, 1041. 7 BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03, AG 2004, 534 und II ZR 402/02, AG 2004, 546 sowie II ZR 217/03 – „Infomatec“; dazu auch Körner, NJW 2004, 3386 ff.; Spindler/Christoph, BB 2004, 2197, 2200; Kort, AG 2005, 21; siehe bereits LG Augsburg v. 24.9.2001 – 3 O 4995/00, DB 2001, 2334, 2335. 8 BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 – „EM. TV“, ZIP 2005, 1270, 1272. 9 BGH v. 4.6.2007 – II ZR 173/05 – „ComROAD V“, AG 2007, 623; bestätigt u.a. durch BGH v. 3.3.2008 – II ZR 310/06 – „ComROAD VIII“, WM 2008, 790; zur Kausalität siehe insbesondere Findeisen/Backhaus, WM 2007, 100; Möllers, NZG 2008, 413; Leuschner, ZIP 2008, 1050. 10 BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03, AG 2004, 543, 546.
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§ 22
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sehen, vielmehr könne sich die Sittenwidrigkeit nur aus einer Gesamtwürdigung der Fehlerhaftigkeit mit anderen Umständen ergeben, insbesondere dann, wenn es sich um eine grobe und ungerechtfertigte Übertreibung handele1. Die „Infomatec“-Entscheidungen haben klargestellt, dass Sittenwidrigkeit zumindest bei direkt vorsätzlicher unlauterer Beeinflussung des Sekundärmarktpublikums durch eine grob unrichtige Ad hoc-Mitteilung vorliegt2. Der BGH hatte aber auch eine bewusst unrichtige Auskunft aus eigennützigem Interesse über die Absicht der Beteiligung an einer Kapitalerhöhung als sittenwidrig angesehen3. Wenn sich die Täuschung durch fehlerhafte Mitteilungen nicht auf einige, das Unternehmen betreffende Einzeltatsachen beschränkt, sondern durch dauerhafte Falschmitteilungen ein Bild von einem Unternehmen gezeichnet wird, das es so nicht gibt, dürfte die Grenze zur Sittenwidrigkeit nach § 826 BGB allerdings in der Regel überschritten sein4. Für den Vorsatz genügt dolus eventualis5. Dies bedeutet, dass das Vorstandsmitglied den bedingten Vorsatz gehabt haben muss, Anlegern durch die fehlerhafte Ad hoc-Mitteilungen Schaden als Folge des Erwerbs von Aktien zuzufügen. Es reicht aus, dass der Täter die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und zumindest billigend in Kauf genommen hat6. Eine Haftung kommt auch für unterlassene und verspätete Veröffentlichungen in Betracht7. 92
Greift die deliktsrechtliche Haftung wegen Verstößen gegen das Kapitalmarktrecht ein, gehört zu den ersatzfähigen Schäden zum einen der Vermögensschaden durch den Kursverfall oder, wenn die unrichtige Information ursächlich für die Anlageentscheidung war, der Schaden durch Zahlung des Kaufpreises. Zum anderen kann der Käufer auch einen Nichtvermögensschaden erleiden, wenn und soweit aufgrund der fehlerhaften Mitteilungen die tatsächliche Geldanlage mit der gewollten nicht mehr identisch ist. Rechtsfolge ist die Rückgängigmachung der dem Willen des Geschädigten widersprechenden Vermögensdisposition (§ 249 BGB)8. Für die auf § 826 BGB gestützte Haftung gewährt der BGH dem Aktionär ein Wahlrecht zwischen Erstattung des Differenzschadens und Erstattung des Kaufpreises gegen Rückübertragung der Aktien9, auch wenn damit letztlich der Schädiger das Kursrisiko trägt. Die Diskussion über den ersatzfähigen Schaden bei §§ 37b, 37c WpHG ist noch nicht abgeschlossen10.
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Insbesondere mit Blick auf die eingeschränkte Haftung für Ad hoc-Mitteilungen nach § 15 WpHG wird rechtspolitisch eine Haftungslücke beklagt. Aufgrund der Haftung 1 LG Kassel v. 14.8.2002 – 4 O 46/02, DB 2002, 2151. 2 BGH v. 19.7.2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149, 157; bestätigt u.a. durch BGH v. 7.1.2008 – II ZR 229/05 – „ComROAD VI“, AG 2008, 252 und BGH v. 7.1.2008 – II ZR 68/06 – „ComROAD VII“, AG 2008, 254. 3 BGH v. 22.6.1992 – II ZR 178/90, NJW 1992, 3167, 3174 = AG 1993, 28. 4 LG Frankfurt am Main v. 28.4.2003 – 3–7 O 47/02, AG 2003, 461, 462. 5 Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 33 Rz. 218. 6 BGH v. 19.7.2004 – II ZR 402/02, AG 2004, 546, 547. 7 Siehe hierzu Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 33 Rz. 219 und BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, ZIP 2008, 639. 8 So Möllers/Leisch, WM 2001, 1648, 1655; ihnen folgend LG Frankfurt am Main v. 28.4.2003 – 3–7 O 47/02, AG 2003, 461, 462; offenlassend OLG München v. 1.10.2002 – 30 U 855/01, ZIP 2002, 1989, 1991 = AG 2003, 106. 9 BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 – „EM. TV“, ZIP 2005, 1270; dazu Fleischer, ZIP 2005, 1805, 1808 f.; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 33 Rz. 221. 10 Siehe nur Leisch, ZIP 2004, 1573, 1578 f.
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Haftung des Vorstands
der Gesellschaft, obwohl die Fehlhandlung oder das Unterlassen ursächlich auf die Vorstandsmitglieder zurückgehe, werde die Gesamtheit der Aktionäre belastet. Dies sei unter dem Gesichtspunkt der Kapitalerhaltung und des Gläubigerschutzes fraglich und bei den zumeist insolventen Gesellschaften ohnehin nicht weiterführend1. Auch vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber schon kurze Zeit nach dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, durch das die Haftungstatbestände der §§ 37b, 37c WpHG Gesetz wurden, in einem 10-Punkte-Programm eine persönliche Haftung der Organmitglieder der Emittenten angekündigt2. Die Umsetzung steht weiterhin aus. Mit dem „Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG)“3 wurde diese Ankündigung nicht in die Tat umgesetzt. Die Novellierung der §§ 37b, 37c WpHG zeichnet ausweislich der Gesetzesbegründung4 nur die Änderungen in § 15 WpHG nach, ohne eine persönliche Haftung der Organmitglieder zu begründen. Bei Schadensersatzansprüchen wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation kann seit 2005 ein Musterverfahren nach dem KapMuG5 durchgeführt werden; ein solches Musterverfahren hat das Ziel, eine in vielen Prozessen gleichgelagerte Musterfrage rechtlicher oder tatsächlicher Art einheitlich und mit Breitenwirkung durch das Oberlandesgericht zu klären6. Der Gesetzgeber hatte zudem überlegt, die direkte Haftung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber Anlegern für vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Unternehmensangaben durch den Entwurf eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes (KapInHaG) zu regeln7. Der Entwurf des KapInHaG wurde jedoch 2004 zurückgenommen.
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2. Prospekthaftung Zu einer persönlichen Haftung der Organmitglieder kann es allerdings im Wege der so genannten Prospekthaftung kommen. Neben der Haftung für einen unrichtigen Börsenprospekt nach § 44 BörsG kommt grundsätzlich auch die allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftung in Betracht, etwa wenn eine Aktiengesellschaft mit ihrem Prospekt
1 Im Einzelnen Kiethe, DStR 2003, 1982, 1984 m.w.N. 2 „Maßnahmekatalog zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes“, Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz Nr. 10/03 vom 25.2.2003, worin es heißt: „Künftig soll nicht nur der Emittent von Wertpapieren, d.h. das Unternehmen selbst, den Anlegern gegenüber haften, sondern zusätzlich auch die verantwortlichen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder persönlich“ sowie „Geprüft wird ferner, inwieweit Schadensersatzansprüche nicht nur bei falschen oder unterlassenen Ad-hoc-Mitteilungen, sondern auch bei anderen Falschinformationen, z.B. hinsichtlich der Angaben in Abschlüssen, Lageberichten und Zwischenberichten oder etwa auch bei irreführenden Aussagen in Reden oder Interviews eingeräumt werden sollten.“ 3 BGBl. I 2004, 2630; dazu Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929 ff.; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948 ff. 4 BT-Drucks. 15/3174, S. 40. 5 Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (KapMuG) vom 16.8.2005, BGBl. I 2005, 2437. Ausführlich zum KapMuG Maier-Reimer/Wilsing, ZGR 2006, 79. 6 Eine skeptische Bestandsaufnahme zum KapMuG machen Erttmann/Keul, WM 2007, 482. 7 Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Haftung für falsche Kapitalmarktinformationen des BMF vom 7.10.2004, NZG 2004, 1042 ff.; dazu die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2004, 1099 ff.; Semler/Gittermann, NZG 2004, 1081 ff.; Sünner, DB 2004, 2460.
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§ 22
Vorstand
um den Beitritt von stillen Gesellschaftern wirbt1. Dass Vorstandsmitglieder in der Regel für die Richtigkeit des Prospekts einzustehen haben, ergibt sich aus ihrer Organstellung, auf deren Grundlage sie letztlich auch für den Prospekt verantwortlich sind2. 3. Haftung wegen Nichtabgabe von Entsprechenserklärungen oder fehlerhaften Entsprechenserklärungen 95
Ob bei Nichtabgabe von Entsprechenserklärungen nach § 161 AktG oder der Abgabe von fehlerhaften Entsprechenderklärungen Ersatzansprüche von Dritten, zumeist Kapitalanlegern, oder der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern entstehen können, ist Gegenstand einer heftigen Debatte in der Literatur3. Im Ergebnis sind solche Ersatzansprüche schwer zu begründen und, zumindest für die Binnenhaftung, wegen oft fehlenden Schadens oder Kausalität kaum praxisrelevant4.
VI. Haftung im Konzern 96
Konzerngesellschaften sind rechtlich selbständig (Trennungsprinzip). Ein Haftungsdurchgriff auf die Obergesellschaft oder ihre Organmitglieder, etwa wegen schädigenden Verhaltens auf die abhängige Gesellschaft, ist dem deutschen Recht grundsätzlich fremd. Daher geht es bei der Inanspruchnahme der Obergesellschaft wegen Konzernwirkungen, sofern keine gesetzliche oder vertragliche Haftungsgrundlage besteht, um eine Durchbrechung des Trennungsprinzips zum Zweck der Vermeidung von Missbräuchen und auch um Gläubigerschutz5. 1. Haftung der Vorstandsmitglieder der herrschenden Gesellschaft
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Wie bereits dargestellt (§ 18 Rz. 24 ff.), ist mit der überwiegenden Meinung6 eine Konzernleitungspflicht des Vorstands des herrschenden Unternehmens diesem gegenüber7 1 OLG Hamburg v. 18.2.2000 – 11 U 213/98, AG 2001, 141, 142; KG v. 20.7.2001 – 9 U 1912/00, AG 2003, 324, 326; zuletzt bestätigt durch BGH v. 7.1.2008 – II ZR 229/05 – „ComROAD VI“, AG 2008, 252 und BGH v. 7.1.2008 – II ZR 68/06 – „ComROAD VII“, AG 2008, 254. Zur Prospekthaftung ausführlich Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 33 Rz. 9 ff. 2 BGH v. 1.12.1994 – III ZR 93/93, NJW 1995, 1025; zuletzt bestätigt durch BGH v. 7.1.2008 – II ZR 229/05 – „ComROAD VI“, AG 2008, 252 und BGH v. 7.1.2008 – II ZR 68/06 – „ComROAD VII“, AG 2008, 254. 3 Vgl. Abram, NZG 2003, 307, 308 ff.; E. Vetter, DNotZ 2003, 748, 762 f.; Kiethe, NZG 2003, 559, 562 ff.; Berg/Stöcker, WM 2002, 1569, 1575 ff.; Körner, NZG 2004, 1148; Kort in FS Raiser, 2005, S. 203; Theusinger/Liese, DB 2008, 1419, 1420 f.; hieran ändert auch die geplante Änderung des § 161 AktG durch das BilMoG nichts. 4 Siehe Mutter in Abeltshauser/Buck, Corporate Governance, 2004, S. 29 f.; sowie den Überblick bei Hüffer, § 161 AktG Rz. 25 ff.; Sester in Spindler/Stilz, § 161 AktG Rz. 48 ff.; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 161 AktG Rz. 63 ff. 5 Mansdörfer/Timmerbeil, WM 2004, 362, 363. 6 Vgl. Hüffer, § 76 AktG Rz. 17; Fleischer in Spindler/Stilz, § 76 AktG Rz. 73; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 76 AktG Rz. 55; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rz. 11; a.A. Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 43 ff., 165 ff., 184 ff.; Wiesner in MünchHdb. AG, § 19 Rz. 12; zum Ganzen Götz, ZGR 1998, 524, 525 ff.; Kropff, ZGR 1984, 112 ff.; Martens in FS Heinsius, 1991, S. 523, 530 ff.; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 76 AktG Rz. 49 ff. 7 Erst recht gegenüber dem abhängigen Unternehmen; ganz h.M. siehe nur Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rz. 11 sowie dort die Nachw. in Fn. 23.
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Haftung des Vorstands
im Sinne einer auf die abhängige Gesellschaft ausgedehnten und intensiven Leitungspflicht abzulehnen. Das Konzernrecht respektiert im Rahmen der §§ 311 ff. AktG die Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Vorstands des abhängigen Unternehmens. Der Vorstand des herrschenden Unternehmens entscheidet vielmehr nach eigenem Ermessen, ob und wie er Tochterunterunternehmen in seine Leitung aufnimmt. Insoweit ist er auch verpflichtet, im Rahmen seiner Sorge für die Gegenstände des Gesellschaftsvermögens des herrschenden Unternehmens eine sorgfältige Beteiligungsverwaltung durchzuführen und die Beteiligungsrechte in den abhängigen Unternehmen in verantwortlicher Weise zum Nutzen des gesamten Konzerns auszuüben1. Übt das Vorstandsmitglied dieses Konzernleitungsermessen2 sorgfaltswidrig aus, kann es dabei seine Pflichten gegenüber der herrschenden Gesellschaft verletzen3. Die Literatur nimmt teilweise auch eine Pflicht zur Konzernplanung, Konzernkoordinierung und Konzernkontrolle an4. Folgt man dem, droht bei Verletzung dieser Pflichten ebenfalls eine Haftung.
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Ferner hat die Entscheidung des BGH in Sachen „Bremer Vulkan“ die Haftungssituation auch für Vorstandsmitglieder weiter verschärft5. In dem Urteil wurden nicht nur die Muttergesellschaft, sondern über § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB auch ihre Vorstandsmitglieder persönlich dafür schadensersatzpflichtig gehalten, dass staatliche Subventionen von der Tochter-GmbH in den konzernweiten cash pool6 eingebracht wurden und nicht rechtzeitig vor der Illiquidität des Konzerns von der TochterGmbH abgezogen werden konnten. Im Ergebnis läuft das auf den Haftungsdurchgriff auf konzernleitende Vorstandsmitglieder hinaus7. Diese Rechtsprechung dürfte auch nach der „Trihotel“-Entscheidung des BGH Bestand haben, die lediglich die Figur des existenzvernichtenden Eingriffs aufgab, aber keine Aussage zur Vorstandshaftung traf8.
99
Gegenüber der abhängigen Gesellschaft kann das Vorstandsmitglied – im Vertragskonzern wie auch faktischen Konzern – nach den konzernrechtlichen Bestimmungen der § 309 Abs. 2 Satz 1, § 323 i.V.m. § 309 Abs. 2 Satz 1 oder § 317 Abs. 3 AktG haftbar werden, wenn es bei der Erteilung von Weisungen seine Pflichten verletzt. Besteht allerdings neben einem Beherrschungsvertrag ein Gewinnabführungsvertrag, fehlt es bei einer rechtswidrigen Weisung an einem Schaden9. Eine Haftung nach § 309 Abs. 2 AktG kommt auch nicht in Betracht, wenn der Schaden durch Untätigkeit bzw. mangelnde Konzernleitung entsteht; erforderlich bleibt stets ein aktives Tun in Form einer Weisung10. In beiden Situationen ist nur eine Haftung des Vorstands des herrschenden Unternehmens gegenüber seiner eigenen Gesellschaft möglich.
100
1 Ähnlich Liebscher in Beck’sches Hdb. AG, § 6 Rz. 119; für den Holding-Vorstand siehe auch Semler, ZGR 2004, 631, 656 f. 2 Dazu Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 76 AktG Rz. 54. 3 Siehe nur Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 114 und Sven H. Schneider/Uwe H. Schneider, AG 2005, 57. 4 Hommelhoff, Die Konzernleitungspflicht, 1982, S. 182; Götz, ZGR 1998, 524, 531. 5 BGH v. 17.9.2001 – II ZR 178/99, NZG 2002, 38, 40 = AG 2002, 43; vgl. den Überblick über die Vulkan-Doktrin bei Emmerich, AG 2004, 423 ff. 6 Ausführlich zum Cash Management Hüffer, AG 2004, 416 ff. 7 Vgl. J. Vetter, ZIP 2003, 601, 611. Zur strafrechtlichen Verantwortung in Sachen Bremer Vulkan BGH v. 13.5.2004 – 5 StR 73/03, AG 2004, 450 ff. 8 BGH v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, NJW 2007, 2689; siehe hierzu Altmeppen, NJW 2007, 2657 und Dauner-Lieb, ZGR 2008, 34. 9 Krieger in MünchHdb. AG, § 70 Rz. 159. 10 Krieger in MünchHdb. AG, § 70 Rz. 160.
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§ 22 101
Vorstand
Besondere Fragen stellen sich schließlich, wenn ein Vorstandsmitglied der herrschenden Gesellschaft von dieser als Organmitglied in die abhängige Gesellschaft abgeordnet worden ist1 und als solches gegenüber der abhängigen Gesellschaft eine Pflichtverletzung begangen hat. Hier sind zwei gegenläufige Tendenzen zu bedenken: Grundsätzlich hat in einer solchen Konstellation das Vorstandsmitglied auch gegenüber der herrschenden Gesellschaft die Pflicht, seine Pflichten gegenüber der abhängigen Gesellschaft nicht zu verletzen und damit die herrschende Gesellschaft nicht mittelbar zu schädigen2. Auf der anderen Seite sind die Pflichtenkreise des Vorstandsmitglieds in beiden Gesellschaften getrennt, da die Erfüllung der Pflichten gegenüber der einen Gesellschaft nicht notwendigerweise zugleich auch die Erfüllung der Pflichten gegenüber der anderen bedeutet3. Diesen „Konflikt“ wird man möglicherweise dadurch auflösen können, dass ein Vorstandsmitglied gegenüber der herrschenden Gesellschaft jedenfalls dann pflichtwidrig handelt, wenn es seine Pflichten gegenüber der abhängigen Gesellschaft verletzt und dadurch die herrschende Gesellschaft zugleich mittelbar geschädigt wird4. Ferner stellt eine Verletzung von Pflichten gegenüber der einen Gesellschaft zugleich eine Verletzung von Pflichten gegenüber der anderen dar, wenn sich die Pflichten, die dem Vorstandsmitglied gegenüber der einen Gesellschaft oblagen, mit den Pflichten gegenüber der anderen Gesellschaft decken5. 2. Haftung der Vorstandsmitglieder der abhängigen Gesellschaft
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Pflichtverletzungen auf Seiten der abhängigen Gesellschaft können sowohl bei der Begründung des Konzernverhältnisses als auch während seines Bestehens begangen werden, wobei weiter zwischen vertraglicher und faktischer Konzernierung zu unterscheiden ist.
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Vor Abschluss eines Beherrschungsvertrags hat ein Vorstandsmitglied sowohl die Bonität der herrschenden Gesellschaft zu prüfen als auch potentielle Missbräuche des Beherrschungsvertrags durch sorgfältige Ausgestaltung des Vertrags zu verhindern6. Ein Haftungsausschluss nach § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG greift insoweit nicht7.
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Besteht eine vertragliche Beherrschung oder Eingliederung, wird § 93 AktG durch die speziellen konzernrechtlichen Haftungstatbestände der §§ 310, 323 Abs. 1 AktG verdrängt. Der Ausschluss des § 93 AktG greift aber nicht, wenn keine Weisung nach § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG erteilt wurde8. In sein Ermessen kann der Vorstand das Konzerninteresse aber auch im weisungsfreien Raum einbeziehen. Die beherrschte AG ist Partei eines Beherrschungsvertrags und damit in einer anderen Situation als die unbeherrschte AG. Eine zum Schadensersatz nach § 93 Abs. 2 AktG führende 1 Vgl. Martens in FS Heinsius, 1991, S. 523, 532 ff. 2 BGH v. 10.11.1986 – II ZR 140/85, ZIP 1987, 29, 30 ff. = AG 1987, 126; OLG Düsseldorf v. 28.11.1996 – 6 U 11/95, AG 1997, 231, 235; Baums, ZGR 1987, 554, 556; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 28; Passarge, DStR 2007, 441 f. 3 BGH v. 21.12.1979 – II ZR 244/78, NJW 1980, 1629, 1630 = AG 1980, 111 zum Aufsichtsrat; OLG Düsseldorf v. 28.11.1996 – 6 U 11/95, AG 1997, 231, 235; ferner LG Dortmund v. 1.8.2001 – 20 O 143/93, DB 2001, 2591, 2592 = AG 2002, 97; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 28. 4 Zum Ausgleich bei mittelbarer Schädigung der Obergesellschaft durch Pflichtverletzung gegenüber der Untergesellschaft BGH v. 30.4.2001 – II ZR 322/99, AG 2001, 469 f. 5 OLG Düsseldorf v. 28.11.1996 – 6 U 11/95, AG 1997, 231, 235. 6 Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 116. 7 Vgl. Langenbucher in K. Schmidt/Lutter, § 293 AktG Rz. 5 m.w.N. 8 Koppensteiner in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 310 AktG Rz. 11; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 310 AktG Rz. 12; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 117; Hüffer, § 310 AktG Rz. 1.
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§ 22
Haftung des Vorstands
Pflichtverletzung liegt stets darin, dass ein Ausgleichsanspruch nach § 302 AktG nicht oder nicht unverzüglich geltend gemacht wird1. Bei bestehender faktischer Abhängigkeit unterliegen die Vorstandsmitglieder im Grundsatz den gleichen Pflichten (§§ 93 Abs. 1, 76 ff. AktG) wie in einer unabhängigen Gesellschaft2. An der eigenständigen Leitung der abhängigen Gesellschaft durch ihren Vorstand ändert sich grundsätzlich nichts. Allerdings darf der Vorstand in den Grenzen des Unternehmensinteresses auch das Konzerninteresse mitberücksichtigen. Nach richtiger Auffassung gebietet ihm dies sogar seine Treupflicht. Jenseits dessen erfolgt der Schutz der Gesellschaft über die §§ 311 ff. AktG im faktischen Konzern. Der Vorstand der abhängigen Gesellschaft hat hier zu prüfen, ob der durch eine vom herrschenden Unternehmen veranlasste Maßnahme entstehende Nachteil ausgleichsfähig und das herrschende Unternehmen zum Ausgleich imstande und bereit ist3. Besteht ein Ausgleichsanspruch, hat der Vorstand ihn geltend zu machen, um eine Haftung nach § 93 AktG zu vermeiden. Im Wege der Gesetzeskonkurrenz wird § 93 AktG allerdings im Anwendungsbereich des § 318 AktG verdrängt, wenn es das Vorstandsmitglied pflichtwidrig unterlässt, über ein nachteiliges Rechtsgeschäft oder eine nachteilige Maßnahme im Abhängigkeitsbericht zu berichten; der Ersatzanspruch aus § 318 AktG ist dann gegenüber dem aus § 93 AktG vorrangig4. Die Haftung würde sich jedoch auch aus § 93 AktG ergeben5.
105
Im Übrigen sind auch im faktischen Konzern Pflichtverstöße des Vorstands der abhängigen Gesellschaft ohne nachteilige Veranlassung durch die herrschende Gesellschaft denkbar. Hier gelten die allgemeinen Haftungsregeln, etwa durch eine Darlehensgewährung, die gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstößt6. Für eine Haftung des Vorstands der abhängigen Gesellschaft gegenüber der herrschenden Gesellschaft gibt es keine Rechtsgrundlage7.
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VII. D&O-Versicherung Schrifttum: Dreher/Görner, Der angemessene Selbstbehalt in der D&O Versicherung, ZIP 2003, 2321; Dreher, Der Abschluss von D&O Versicherungen und die aktienrechtliche Zuständigkeitsordnung, ZHR 165 (2001), 293; Dreher, Die Rechtsnatur der D&O Versicherung, DB 2005, 1669; Dreher, Die selbstbeteiligungslose D&O-Versicherung in der AG, AG 2008, 429 ff.; Fleischer, Haftungsfreistellung, Prozesskostenersatz und Versicherung für Vorstandsmitglieder, WM 2005, 909, Kästner, Aktienrechtliche Probleme der D&O Versicherung, AG 2000, 113; Kort, Voraussetzungen und Zulässigkeit einer D&O-Versicherung von Organmitgliedern, DStR 2006, 799, Mutter, Zur Anpassung der Vergütung von Aufsichtsräten an den Deutschen Corporate Governance Kodex, ZIP 2002, 1230; Ries/Peiniger, Haftung und Versicherung von Managern, 2007; Schilling, D&O: Engere Bedingungen, höhere Prämien, VW 2003, 1183; Sieg in Krieger/Uwe H. Schneider, Handbuch Managerhaftung, 2007, § 16; E. Vetter, Aktienrechtliche Probleme der D&O Versicherung, AG 2000, 453.
1 2 3 4
Aschenbeck, NZG 2000, 1015, 1016. OLG Hamm v. 10.5.1995 – 8 U 59/94, AG 1995, 512, 514. Aschenbeck, NZG 2000, 1015, 1018; siehe auch Hüffer, § 76 AktG Rz. 19. Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 119; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 318 AktG Rz. 11 ff. 5 H. F. Müller in Spindler/Stilz, § 318 AktG Rz. 2. 6 OLG Hamm v. 10.5.1995 – 8 U 59/94, AG 1995, 512, 515. Siehe hierzu auch Thür. OLG v. 25.4.2007 – 6 U 947/05, AG 2007, 785. 7 Kuntz, Der Konzern 2007, 802.
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§ 22
Vorstand
1. Zulässigkeit und Gegenstand der D&O-Versicherung 107
D&O Versicherungen schützen Organmitglieder vor Inanspruchnahme wegen fahrlässig begangener Pflichtverletzungen1. Ein „Basiskonzept“ für derartige Haftpflichtversicherungen wurde vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft erarbeitet2, nachdem entgegenstehende aufsichtsrechtliche Beschränkungen entfallen waren3. Unverändert stammen aber bedeutendere Anbieter aus dem angelsächsischen Wirtschaftskreis4. Während in den Anfangsjahren der Markt zweifellos durch die Nachfrager bestimmt war, hat sich dies in den letzten Jahren geändert. Mittlerweile ist der Versicherungsmarkt für D&O-Produkte ein Anbietermarkt. Darin spiegelt sich letztlich auch das Ansteigen der Schadensfälle wieder, die mit immer stärkeren Leistungsausschlüssen der Versicherer einhergehen5. Die Versicherungsbedingungen der einzelnen Anbieter unterscheiden sich in Struktur und Ausgestaltung deutlich6; Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sollten daher den Versicherer mit Bedacht und nicht nur über Preispunkte auswählen7. Entschließt man sich im Ergebnis solcher Überlegungen zum Wechsel des Versicherers, ist erneut Obacht geboten. Denn hier kann es zu Deckungslücken kommen, wenn die Nachhaftung des bisherigen Versicherers mit Beginn des neuen Versicherungsverhältnisses endet, die neue Police jedoch keine entsprechende Rückwärtsversicherung einschließt8.
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Regelmäßig werden solche Versicherungen nicht durch die einzelnen Vorstandsmitglieder, sondern durch die Aktiengesellschaften abgeschlossen. Die Policen sichern üblicherweise alle Verwaltungsmitglieder (Vorstand und Aufsichtsrat) sowie alle sonstigen Leitungsverantwortlichen (Bereichsvorstände, Prokuristen u.Ä.), wobei der Anspruch aus der Versicherung meist den Versicherten zusteht (Versicherung auf fremde Rechnung nach § 74 VVG)9. Die Aktiengesellschaft wird ihrerseits beim Abschluss des Versicherungsvertrages mit dem D&O-Versicherer grundsätzlich durch den Vorstand vertreten10. Die D&O-Versicherung ist regelmäßig Haftpflicht- und nicht Eigenschadenversicherung; d.h. im Schadensfall kann die Gesellschaft, obwohl Versicherungsnehmerin, den Versicherer nicht unmittelbar in Anspruch nehmen11. D&O-Versicherungen bieten aber auch für Vorstandsmitglieder, entgegen deren verbreiteter Hoffnung, nur einen lückenhaften Schutz. Dafür sorgen die zahlreichen Beschränkungen der Versicherungspraxis12.
1 Vgl. Kort, DStR 2006, 799, 800; Schmitz/Glöckner, AG-Report 2003, R 156 ff. 2 Siehe AG-Report 1998, R 158 ff. 3 Vgl. zur Entwicklung des Aufsichtsrechts Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 173 m.w.N. 4 Vgl. Lange, DStR 2002, 1626, 1627 zur Marktentwicklung seit 1986. 5 So jedenfalls die Analyse von Dreher, DB 2005, 1669, 1670. 6 Vgl. Sieg in Krieger/Uwe H. Schneider, Handbuch Managerhaftung, 2007, § 16 Rz. 10. 7 Entscheidungshilfe bei Sieg in Krieger/Uwe H. Schneider, Handbuch Managerhaftung, 2007, § 16 Rz. 74 f. 8 Siehe Ries/Peiniger, Haftung und Versicherung von Managern, 2007, S. 167. 9 Vgl. Klein, GmbH-StB 2003, 169, 170. 10 E. Vetter, AG 2000, 453, 457 f. 11 Siehe OLG München v. 15.3.2005 – 25 U 3940/04, DB 2005, 1675; dazu auch Dreher, DB 2005, 1669. 12 Näher Kirnberger/Kusterer, AG-Praxis von A-Z, 2006, S. 255 f.; Ries/Peiniger, Haftung und Versicherung von Managern, 2007, S. 168 ff.
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§ 22
Haftung des Vorstands
Die Prämien der D&O-Policen bestimmen sich regelmäßig nach Umsatz und Risikolage der einzelnen Aktiengesellschaft. Aufgrund der beschriebenen Marktveränderungen sind diese zuletzt stark gestiegen.
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Nicht nur aufgrund des hohen Verbreitungsgrades von D&O-Versicherungen in deutschen Aktiengesellschaften1 ist die Diskussion um die Zulässigkeit des Abschlusses solcher Versicherungen2 aus der Sicht der Praxis rechtshistorisch. Daran hat auch die „Mannesmann/Vodafone“-Entscheidung des BGH3 nicht geändert4. Nichts anderes gilt – mit Abstrichen – auch für die kontrovers geführte Debatte, ob die Gewährung von Versicherungsschutz als Vergütung anzusehen ist5. Im Hintergrund steht hier die damit korrespondierende Notwendigkeit der Beteiligung des Aufsichtsrats (§ 87 AktG) bzw. der Hauptversammlung (§ 113 AktG) im Innenverhältnis. Aber auch diese, insbesondere mit Blick auf Aufsichtsratsmitglieder geführte Diskussion hat ihre ursprüngliche Schärfe verloren, nachdem die Praxis insoweit durch entsprechende Satzungsregelungen Vorsorge trifft6. Entsprechende Satzungsbestimmungen können erforderlichenfalls sogar „mit Rückwirkung“ beschlossen werden, um auch für zurückliegende Jahre jeglichen akademischen Diskussionen die Grundlage zu nehmen7.
110
Die für die Praxis gewichtige Frage der Behandlung der Prämien für D&O-Versicherungen bei der Besteuerung der Gesellschaft („Betriebsausgaben“) und der Versicherten („keine Lohn- oder Einkommensteuer“) ist mittlerweile ebenfalls durch Erlasse der Finanzverwaltung8 geklärt.
111
Noch nicht ausdiskutiert ist das Ineinandergreifen von Risiko-Management nach § 91 Abs. 2 AktG9 und D&O-Versicherung. Aus Kreisen der Versicherungswirtschaft wurde hierzu vertreten, dass der Vorstand aus Gründen der Risikofrüherkennung und Risikominimierung „im Regelfall“ sogar zum Abschluss einer D&O-Versicherung rechtlich verpflichtet sei10. Zwar ist einzuräumen, dass §§ 76, 87 und 113 AktG nicht berührungsfrei mit § 91 Abs. 2 AktG sind. Hieraus aber den Grundsatz einer Versicherungspflicht abzuleiten, erscheint kühn. Meines Erachtens wird hier Regel
112
1 Das jährliche Prämienaufkommen beträgt bereits über 200 Mio. Euro, vgl. Kiethe, BB 2003, 537. Zur Praxis der DAX 30 zuletzt Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 ff.; zuvor aus Sicht der Versicherungswirtschaft E. Vetter, AG 2000, 453 und Schilling, VW 2000, 788 f. 2 Vgl. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 175; Fleischer, WM 2005, 909, 919. 3 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, ZIP 2006, 72. 4 Anders Kort, DStR 2006, 799. 5 So die ehemals h.M. Hüffer, § 113 AktG Rz. 2; Feddersen, AG 2000, 385, 394; Potthoff/Trescher, AR-Mitglied, S. 335; Kästner, AG 2000, 113, 118; Henssler in RWS-Forum Gesellschaftsrecht, 2001, S. 141, 146 f.; gegen Vergütungscharakter Lange, ZIP 2001, 1524, 1526; Mertens, AG 2000, 447, 451; Notthoff, NJW 2003, 1350, 1354; Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 302 ff.; Kiethe, BB 2003, 537, 539; nach der steuerlichen Behandlung differenzierend Mutter, Auskunftsansprüche des Aktionärs in der Hauptversammlung, 2002, S. 20; Mutter, ZIP 2002, 1230, 1231; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 1028 f.; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 113 AktG Rz. 13 unter zusätzlicher Abstützung auf § 285 Nr. 9 lit. a Satz 1 HGB. 6 Formulierungsbeispiel bei Mutter, ZIP 2002, 1230, 1231. 7 Kästner, AG 2000, 113, 118 sowie allgemein zur rückwirkenden Anpassung der Aufsichtsratsvergütungen Hüffer, § 179 AktG Rz. 28; Henn, Aktienrecht, S. 106; Zöllner in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 209; Dempewolf, NJW 1958, 1212, 1214; Jacobs/Woeste, AG 1958, 211, 212; wohl a.A. Semler in Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch Aufsichtsratsmitglieder, § 10 Rz. 18. 8 Abgedruckt DStR 2002, 678; grundlegend Küppers/Dettmeier/Koch, DStR 2002, 199. 9 Dazu allgemein Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297. 10 E. Vetter, AG 2000, 453, 454 f. und 458.
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Vorstand
und Ausnahme verkehrt. Nur im Einzelfall kann eine Rechtspflicht zum Abschluss einer D&O-Versicherung in Betracht kommen1. 2. Angemessener Selbstbehalt nach dem Deutschen Corporate Governance Kodex? 113
Der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt beim Abschluss von D&O-Versicherungen in Ziff. 3.8 die Vereinbarung eines „angemessenen“ Selbstbehaltes. Rechtstatsächlich2 gehörte diese Empfehlung zu denjenigen, die in der Praxis nur zögerlich aufgegriffen wurden3. Neben praktischen Schwierigkeiten bei der Konkretisierung dieser Empfehlung dürften damit verbundene makro- und mikroökonomische Fehlsteuerungen eine Erklärung sein4. Aktienrechtlich ist diese Zurückhaltung der Praxis legitim; eine Verpflichtung zur Vereinbarung eines Selbstbehaltes ergibt sich weder unmittelbar aus dem Aktiengesetz noch aus einer Ausfüllung der Generalklauseln aus §§ 116, 93 AktG5. Es ist vielmehr eine reine Zweckmäßigkeitsentscheidung des Aufsichtsrats verlangt6. Eine andere, rechtspolitisch erörterte Frage ist die Einführung einer Versicherungspflicht de lege ferenda7.
114
Im Übrigen besteht auch bei jenen Unternehmen, die einen „angemessenen“ Selbstbehalt vereinbaren, offenkundig (noch) kein inhaltlicher Konsens8. Anzutreffende Selbstbehalte weisen nach einer empirischen Studie9 bei Verwendung von „Festbeträgen“ eine erhebliche Spannbreite von 5100 Euro bis 100 000 Euro je Organmitglied auf. Häufig wird aber auch mit prozentualen Selbstbehalten gearbeitet. Dort soll die Spanne bei Aufsichtsratsmitgliedern von 15 % bis zu 100 % und bei Vorstandsmitgliedern von 15 % bis zu 50 % der Jahresfestbezüge reichen. Auch die rechtswissenschaftliche Literatur vermochte bislang dem „angemessenen Selbstbehalt“ im Sinne der Empfehlung des Deutschen Corporate Governance Kodex noch keine klare Kontur zu geben10. Es verwundert daher nicht, dass zwischenzeitlich selbst aus Reihen der Wissenschaft die Frage der Streichung dieser Kodex-Empfehlung gestellt wird11.
1 Im Ergebnis wie hier Lange, DStR 2002, 1626, 1630; Kort, DStR 2006, 799, 801. 2 Empirische Übersichten bei Oser/Wader, DB 2004, 1121, 1125; Oser/Orth/Wader, DB 2003, 1337; Berlin Center of Corporate Governance, NZG 2003, 622. 3 Vgl. Kort, DStR 2006, 799, 800; Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 ff. 4 Zu den möglichen Ursachen Kort, DStR 2006, 799, 803; Fleischer WM 2005, 909, 920. 5 Ebenso Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321, 2324 m.w.N.; Fleischer, WM 2005, 909, 919; Bürgers/ Israel in Bürgers/Körber, § 84 AktG Rz. 18; a.A. Kort, DStR 2006, 799, 802 f., der aus der Mannesmann/Vodafone – Entscheidung des BGH eine Rechtspflicht zum Selbstbehalt folgern will; ich kann dem nicht folgen. 6 Dreher, DB 2005, 1669; Dreher, AG 2008, 429, 438. 7 Dazu Fleischer in Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 12 Rz. 16; differenzierte Darstellung der Pro und Contra – Argumente bei Sieg in Krieger/Uwe H. Schneider, Handbuch Managerhaftung, 2007, § 16 Rz. 67 – 73. 8 So auch Fleischer in Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 12 Rz. 20. 9 Vgl. Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321 ff. 10 Exemplarisch Kort, DStR 2006, 799, 803 f. 11 Fleischer, WM 2005, 909, 920.
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6. Kapitel Aufsichtsrat § 23 Der Aufsichtsrat innerhalb der Verfassung der AG Rz. I. Der Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. Die Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat – Überblick . . . . . . .
1
2. Das zweistufige Verwaltungssystem des AktG im Vergleich zum BoardSystem . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
3. Mitbestimmung im Unternehmen .
6
4. Die jüngere Rechtsentwicklung zur Verbesserung der Aufsichtsratstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
Rz. II. Der Aufsichtsrat als Pflichtorgan . . 12 1. Der Aufsichtsrat als gesetzlich notwendiges Organ . . . . . . . . . . . . . 12 2. Der Beirat . . . . . . . . . . . . . . . . 13 III. Verhältnis des Aufsichtsrates zu anderen Organen der AG . . . . . . . 15 1. Der Aufsichtsrat im Verhältnis zur Hauptversammlung . . . . . . . . . . 15 2. Der Aufsichtsrat im Verhältnis zum Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3. Der Aufsichtsrat im Verhältnis zum Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . 25 IV. Kollegialorgan . . . . . . . . . . . . . . 27
Schrifttum: Baums, Der Aufsichtsrat – Aufgaben und Reformfragen, ZIP 1995, 11; Baums, Aktienrecht für globalisierte Kapitalmärkte – Generalbericht –, in Hommelhoff/Lutter/ Schmidt/Schön/Ulmer (Hrsg.), Corporate Governance, 2002, S. 13; Bernhardt, Vorstand und Aufsichtsrat (unter Einschluss des Verhältnisses zum Abschlussprüfer), in Hommelhoff/Lutter/Schmidt/Schön/Ulmer (Hrsg.), Corporate Governance, 2002, S. 119; Hoffmann-Becking, Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen einer Verbesserung der Arbeit des Aufsichtsrats, in FS Havermann, 1995, S. 229; Kropff, Zur Vinkulierung, zum Vollmachtsstimmrecht und zur Unternehmensaufsicht im deutschen Recht, in Semler/Hommelhoff/Doralt/Druey (Hrsg.), Reformbedarf im Aktienrecht, 1994, S. 3; Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006; Lutter, Defizite für eine effiziente Aufsichtsratstätigkeit und gesetzliche Möglichkeiten der Verbesserung, ZHR 159 (1995), 287; Schwark, Corporate Governance: Vorstand und Aufsichtsrat, in Hommelhoff/Lutter/Schmidt/Schön/Ulmer (Hrsg.), Corporate Governance, 2002, S. 75; Ulmer, Paritätische Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat von Großunternehmen – noch zeitgemäß?, ZHR 166 (2002), 271.
I. Der Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft 1. Die Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat – Überblick Nach der gesetzlichen Verfassung der AG sind dem Aufsichtsrat als wichtigste Aufgaben die Bestellung und Abberufung des Vorstandes, die Kontrolle der Geschäftsführung des Vorstandes sowie dessen laufende Beratung zugewiesen, während dem Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG die alleinige eigenverantwortliche Leitung des Unternehmens obliegt. § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG bestimmt ausdrücklich, dass dem Aufsichtsrat Maßnahmen der Geschäftsführung nicht übertragen werden können, ihm also keine unternehmerische Initiative eingeräumt ist. Aufsichtsrat und Vorstand bilE. Vetter
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Aufsichtsrat
den gemeinsam die Verwaltung der Gesellschaft (vgl. § 120 Abs. 2 AktG). Die gleichzeitige Mitgliedschaft im Aufsichtsrat und im Vorstand ist nach § 105 Abs. 1 AktG grundsätzlich1 nicht zulässig. 2. Das zweistufige Verwaltungssystem des AktG im Vergleich zum Board-System 2
Die institutionelle Trennung der Leitungs- und Kontrollfunktionen der AG und die strikte Aufteilung auf zwei Organe ist charakteristisch für das dualistische System des AktG (so genanntes Two-Tier-System). Es steht im Gegensatz zum monistischen System (so genanntes One-Tier-System), in dem eine institutionelle Kontrolle der Geschäftsleitung durch ein separates Gremium fehlt und sowohl die Leitungs- wie auch die Kontrollaufgaben von den Mitgliedern eines einzigen Gremiums (Board of Directors oder Verwaltungsrat) wahrgenommen werden und das vor allem im angelsächsischen Rechtsraum aber auch in vielen Staaten mit romanischer Rechtstradition vorherrscht.
3
Schon im Rahmen der Aktienrechtsreform 1965 aber auch danach ist wiederholt die Frage erörtert worden, ob nicht die institutionelle Trennung in Vorstand und Aufsichtsrat zugunsten des Board-Systems aufgegeben werden sollte2. Der Gesetzgeber hat sich stets gegen den Vorschlag der Übernahme des Board-Systems und für die Beibehaltung der bestehenden Unternehmensverfassung der AG ausgesprochen3. Auch die Regierungskommission Corporate Governance unter Leitung von Baums hat keine Notwendigkeit zur grundlegenden Änderung der bestehenden Aufgabenteilung in der AG in zwei getrennte Organe gesehen4.
4
Der Systemstreit hängt eng mit der Frage nach der optimalen Unternehmensführung und ihrer effizienten Kontrolle zusammen (vgl. im Einzelnen oben § 2 Rz. 9 ff.). Im internationalen Wettbewerb der Systeme hat sich bislang nicht die Überlegenheit eines der beiden Modelle herausgestellt. Die Frage darf nicht überbewertet werden, da rechtstatsächlich seit langem Konvergenzen zwischen beiden Systemen festzustellen sind5.
5
Einstweilen frei. 3. Mitbestimmung im Unternehmen
6
Einschneidende Veränderungen im System des Aufsichtsrates hat die paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer bewirkt, die 1976 durch das MitbestG eingeführt worden ist und eine paritätische Besetzung des Aufsichtsrates durch Mitglieder der Anteilseigner und der Arbeitnehmer vorsieht.
7
Durch das MitbestG ist das Prinzip der Homogenität des Aufsichtsrates, d.h. der gleichen Rechtsstellung aller Aufsichtsratsmitglieder und ihrer einheitlichen Bindung an 1 Zur Ausnahme nach § 105 Abs. 2 AktG siehe § 25 Rz. 11. 2 Vgl. z.B. die Angaben bei Kropff, Aktiengesetz, S. 95; Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission, 1980, Rz. 222 ff.; Lieder, Aufsichtsrat, S. 417 ff., 636 ff. 3 Siehe z.B. Geßler, BB 1961, 1135; Eckardt, NJW 1958, 1945; Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission, 1980, Rz. 223. 4 Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 18. 5 Siehe Assmann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992, Einl. Rz. 267; Baums, ZIP 1995, 11, 15; Hopt, ZGR 2000, 779, 783; Kropff in Reformbedarf im Aktienrecht, S. 3, 17; Lieder, Aufsichtsrat, S. 641; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, Vorb. § 95 AktG Rz. 19; Röller, AG 1994, 333, 334; Wiedemann, GesR I, S. 342; differenzierend Davies, ZGR 2001, 268, 283.
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§ 23
Der Aufsichtsrat innerhalb der Verfassung der AG
das Unternehmensinteresse nicht aufgegeben worden (siehe dazu § 29 Rz. 7). Allerdings hat die durch das MitbestG bedingte Größe des Aufsichtsrates wie auch die faktisch nahezu unvermeidbare Fraktionsbildung der Anteilseignervertreter einerseits und der Arbeitnehmervertreter andererseits die effiziente Gremienarbeit in Unternehmen in vielen Fällen erschwert und die notwendige freimütige Diskussion und Auseinandersetzung mit dem Vorstand in den Sitzungen des Aufsichtsrates gelegentlich erheblich beeinträchtigt1. Angesichts dieser problematischen Entwicklung sind wiederholt – wenn auch ohne Erfolg – Überlegungen angestellt worden, die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsrates der paritätisch mitbestimmten AG zu reduzieren2. Für die Zukunft ist erheblicher politischer Druck auf die paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat zu erwarten. Dazu trägt unter anderem das in der internationalen wirtschaftlichen Diskussion stark propagierte Prinzip des shareholder value wie auch die im Ausland vorherrschende breite Ablehnung der deutschen Mitbestimmung im Unternehmen wesentlich bei, wie sie zuletzt in der Diskussion um das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft deutlich geworden ist3. Auch der Einfluss des Kapitalmarktrechts auf die Corporate Governance und die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit in der EU für in den Mitgliedstaaten wirksam gegründete Gesellschaften4 werden den Druck zur Änderung der paritätischen Mitbestimmung im Aufsichtsrat deutscher Großunternehmen weiter erhöhen5. 4. Die jüngere Rechtsentwicklung zur Verbesserung der Aufsichtsratstätigkeit Die Einrichtung des Aufsichtsrates als Organ zur Überwachung der Unternehmensleitung ist in der Öffentlichkeit wiederholt in die Kritik geraten6. Die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des Aufsichtsrates ist gleichwohl abgelehnt und stattdessen verstärkt auf die Ausschöpfung der bestehenden gesetzlichen Kompetenzen des Aufsichtsrates hingewiesen worden. Der Gesetzgeber hat nur zurückhaltend in die rechtliche Organisation und Aufgabenstellung des Aufsichtsrates eingegriffen mit dem Ziel einer Stärkung der Rechte des Aufsichtsrates und der Steigerung der Effizienz seiner Tätigkeit, indem unter anderem die Rechtsstellung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gestärkt und damit der Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder insgesamt besser Rechnung getragen wird7.
8
Auswirkungen auf die Organisation und Arbeitsweise des Aufsichtsrates ergeben sich auch aus dem Deutschen Corporate Governance Kodex (siehe dazu generell oben
9
1 Vgl. z.B. Hoffmann-Becking in FS Havermann, 1995, S. 229, 241; Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 297; Ulmer, ZHR 166 (2002), 271, 272. 2 Vgl. Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission, 1980, Rz. 492 ff.; Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 49; siehe z.B. auch Baums, AG 1997 Sonderheft, 26, 27; Hopt, AG 1997 Sonderheft, 42; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 180. 3 Vgl. Heinze, ZGR 2002, 66; Schiessl, ZHR 167 (2003), 235, 240; Teichmann, ZGR 2002, 383, 392; Zöllner, AG 2003, 2, 10; siehe aber auch Thoma/Leuering, NJW 2002, 1449, 1454. 4 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – „Centros“, AG 1999, 226; EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – „Überseering“, AG 2003, 37; EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C 167/01 – „Inspire Art“, AG 2003, 680. 5 Bernhardt in Corporate Governance, S. 119, 121; Ulmer, ZHR 166 (2002), 271; vgl. auch Hopt in Hommelhoff/Lutter/Schmidt/Schön/Ulmer (Hrsg.), in Corporate Governance, 2002, S. 27, 43; Schwark, AG 2004, 173 ff. 6 Siehe z.B. Baums, ZIP 1995, 11; Lutter, ZHR 159 (1995), 287; sowie die Hinweise bei Deckert, ZIP 1996, 985; Götz, AG 1995, 337, 344; Möllers, ZIP 1995, 1725. 7 Der Vollständigkeit halber ist weiterhin zu erwähnen das Gesetz zur Namensaktie und zur Stimmrechtsausübung v. 18.1.2000, BGBl. I 2001, 123.
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§ 2 Rz. 42 ff.), der sich primär an börsennotierte Gesellschaften richtet. Der Kodex, der von der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex regelmäßig aktualisiert wird, ist kein staatliches Recht und ihm kommt als „soft law“1 auch keine unmittelbare rechtlich verpflichtende Wirkung zu (siehe dazu oben § 2 Rz. 45). Er widmet unter anderem sowohl dem Aufsichtsrat als auch der Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat jeweils gesonderte Kapitel, in denen zahlreiche Empfehlungen und Anregungen2 zur Verwirklichung einer guten Zusammenarbeit zwischen beiden Organen und einer effizienten Überwachung und Beratung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat enthalten sind, denen die Kodex-Kommission nach ihrem Verständnis best practice beimisst, was bisweilen kritisch beurteilt wird3. 10
Weitere Einflüsse auf die Stellung und Funktion des Aufsichtsrates folgen auch aus den Initiativen der EU-Kommission zur Umsetzung ihres Aktionsplans zu Corporate Governance vom 21.5.20034 und dem Katalog der OECD über Standards der Corporate Governance vom 22.4.20045, der Kommissionsempfehlung vom 15.2.2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften6 sowie der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.5.20067.
11
Nach dem Regierungsentwurf des BilMoG8, das der Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben dient, soll dem Aufsichtsrat börsennotierter Gesellschaften nach einem neuen § 100 Abs. 5 AktG zwingend mindestens ein unabhängiger Finanzexperte angehören.
II. Der Aufsichtsrat als Pflichtorgan 1. Der Aufsichtsrat als gesetzlich notwendiges Organ 12
Die Einrichtung eines Aufsichtsrates ist eine gesetzlich angeordnete Aufgabe. Jede AG muss einen Aufsichtsrat haben, dem das AktG zwingend zahlreiche Aufgaben zugewiesen hat. Besteht bei der Gesellschaft kein Aufsichtsrat, ist sie handlungsunfähig, soweit es um Aufgaben geht, die zwingend dem Aufsichtsrat zugewiesen sind. Dem Vorstand obliegt es deshalb für einen nach den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zusammengesetzten und ordnungsgemäß besetzten Aufsichtsrat zu sor1 Hüffer, § 76 AktG Rz. 15c; Kort in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2003, vor § 76 AktG Rz. 37 und 40; kritisch Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 161; Bachmann, WM 2002, 2137, 2142. 2 Zum Unterschied zwischen Empfehlungen und Anregungen siehe oben § 2 Rz. 43. 3 Vgl. z.B. Hoffmann-Becking, ZHR 170 (2006), 2, 3; E. Vetter, BB 2005, 1689, 1692; E. Vetter, DB 2007, 1963, 1967. 4 Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union – Aktionsplan, Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament (KOM [2003] 284); abgedruckt auch in NZG 2003, Beilage Heft 13; vgl. dazu z.B. Bayer, BB 2004, 5 ff.; Habersack, ZHR 168 (2004), 373; Maul/Lanfermann, BB 2004, 1861. 5 OECD Principles of Corporate Governance, im Internet abrufbar unter www.die-aktiengesellschaft.de/index_34432.htm; siehe hierzu Uwe H. Schneider, AG 2004, 429. 6 Empfehlung der Kommission vom 15.2.2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern/börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats, ABl. EG Nr. L 52 v. 25.2.2005, S. 51. 7 Richtline 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 157 v. 9.6.2006, S. 87. 8 Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz), BR-Drucks. 344/08.
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gen. Für den Vorstand besteht insbesondere eine Verpflichtung, die ordnungsgemäße Besetzung des Aufsichtsrates zu überwachen1. Gegebenenfalls ist er verpflichtet, die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 AktG zu beantragen, damit die Handlungsfähigkeit des Aufsichtsrates gewährleistet ist (siehe dazu § 25 Rz. 38 ff.). Hierzu kann er notfalls auch vom Registergericht durch Zwangsgeldandrohung nach § 407 Abs. 1 AktG gezwungen werden. Die Bezeichnung Aufsichtsrat ist zwingend; die Verwendung anderer Bezeichnungen, z.B. Verwaltungsrat oder Beirat, ist unzulässig. 2. Der Beirat Der Aufsichtsrat unterscheidet sich deutlich von einem freiwillig eingesetzten Beirat, der in manchen Gesellschaften – auch ohne Satzungsregelung2 – besteht und dessen Mitglieder meist vom Vorstand, seltener vom Aufsichtsrat, ernannt werden. Der Beirat ist kein Organ der Gesellschaft. Seine typische Aufgabe ist neben der Pflege der Geschäftsbeziehungen die allgemeine Beratung des Vorstandes3.
13
Einstweilen frei.
14
III. Verhältnis des Aufsichtsrates zu anderen Organen der AG 1. Der Aufsichtsrat im Verhältnis zur Hauptversammlung Die Hauptversammlung wählt die Mitglieder der Aktionäre im Aufsichtsrat. Hierzu muss der Aufsichtsrat der Hauptversammlung nach § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG Wahlvorschläge unterbreiten. Zwar können auch die Aktionäre eigene Vorschläge vorlegen, doch hat diese Möglichkeit in der Unternehmenspraxis keine wesentliche Bedeutung.
15
Der Aufsichtsrat hat der Hauptversammlung gemäß § 171 Abs. 2 AktG über die Wahrnehmung seiner Aufgaben im abgelaufenen Geschäftsjahr schriftlich Rechenschaft abzulegen. Für börsennotierte Gesellschaften ergibt sich dabei nach § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG ausdrücklich die Pflicht zur Angabe der Sitzungshäufigkeit und der eingerichteten Aufsichtsratsausschüsse.
16
Die Hauptversammlung beschließt nach § 120 AktG über die Entlastung sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder. Im Hinblick auf die dem Aufsichtsrat eingeräumte Kompetenz zur Bestellung und Abberufung des Vorstandes kann man deshalb die Hauptversammlung als oberstes Organ der Gesellschaft bezeichnen4. Daraus darf jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass der Hauptversammlung gegenüber dem Aufsichtsrat Weisungsrechte zustünden. Neben der Versagung der Entlastung, der keine wesentliche aktienrechtliche Bedeutung zukommt (§ 120 Abs. 2 Satz 2 AktG), kann die Hauptversammlung allerdings ein von ihr gewähltes Aufsichtsratsmitglied der Anteilseigner nach § 103 Abs. 1 AktG durch einen Beschluss mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen abberufen.
17
1 Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 104 AktG Rz. 29; Hüffer, § 104 AktG Rz. 2; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 104 AktG Rz. 7. 2 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 20; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1989, Vorb. § 76 AktG Rz. 28. 3 Voormann, Der Beirat im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1990, S. 9. 4 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 15; vgl. dazu generell von Rechenberg, Die Hauptversammlung als oberstes Organ der AG, 1986.
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Aufsichtsrat
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Der Hauptversammlung stehen keine direkten Einflussmöglichkeiten auf den Aufsichtsrat hinsichtlich der Besetzung des Vorstandes und damit letztlich auf die Geschäftspolitik zu. Indirekte Einflussmöglichkeiten auf die Besetzung des Vorstandes kann die Hauptversammlung wahrnehmen, indem sie einem Vorstandsmitglied das Vertrauen entzieht. Beruht der Vertrauensentzug nicht auf offensichtlich unsachlichen Gründen, kann – nach umstrittener Ansicht muss – der Aufsichtsrat das Vorstandsmitglied nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG abberufen1. Gleiches soll auch dann gelten, wenn dem Vorstandsmitglied von der Hauptversammlung die Entlastung nach § 120 AktG verweigert worden ist2.
19
Das AktG enthält nur eine unvollständige Regelung der inneren Ordnung und Arbeitsweise des Aufsichtsrates und überlässt in dem noch verbleibenden Spielraum die weitere Ausgestaltung der Satzungsautonomie und der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates. Ergänzende Regelungen hinsichtlich der inneren Ordnung des Aufsichtsrates und seiner Arbeitsweise finden sich üblicherweise in der Geschäftsordnung, die sich der Aufsichtsrat selbst gibt, soweit nicht die Hauptversammlung in der Satzung bereits eine Regelung getroffen hat (siehe dazu § 27 Rz. 2). Die Satzung kann allerdings die Organisationsautonomie des Aufsichtsrates insoweit nicht einschränken, als diese gesetzlich geschützt ist. 2. Der Aufsichtsrat im Verhältnis zum Vorstand
20
Die Aufgabe des Aufsichtsrates ist im Wesentlichen auf die Bestellung und Abberufung des Vorstandes, die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes sowie die Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses beschränkt. Für den Aufsichtsrat besteht keine Möglichkeit zur direkten Einwirkung auf die Geschäftsführung des Vorstandes; die Übernahme von Geschäftsführungsaufgaben ist ihm untersagt (§ 111 Abs. 4 Satz 1 AktG).
21
Wesentlicher Bestandteil der Personalkompetenz des Aufsichtsrates ist die Kompetenz zum Abschluss des Anstellungsvertrages mit den Vorstandsmitgliedern und zur Festlegung ihrer Vergütung, die regelmäßig an einen besonderen Aufsichtsratsausschuss delegiert wird. Bei der Bemessung der Vergütung sind die gesetzlichen Vorgaben (§ 87 AktG) und die Empfehlungen in Ziff. 4.2.3 Deutscher Corporate Governance Kodex hinsichtlich der fixen und variablen Vergütungskomponenten (siehe dazu oben § 19 Rz. 31 ff.) zu beachten.
22
Für die Machtbalance zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ist andererseits § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG von Bedeutung, der bestimmt, dass die Satzung oder der Aufsichtsrat bestimmte Arten von Geschäften des Vorstandes festzulegen haben, die nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates vorgenommen werden dürfen. Mit der Möglichkeit der Ausübung seines Vetorechts gegenüber dem Vorstand oder der Zustimmung zu einem konkreten Geschäft wirkt der Aufsichtsrat in eigener Verantwortung partiell an der Geschäftsführung mit, ohne dass ihm dadurch Initiativrechte oder Weisungsrechte gegenüber dem Vorstand eingeräumt werden. Nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG ist ein vollständiger Verzicht auf die Aufstellung eines Katalogs zustimmungs1 Vgl. z.B. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 368; Mertens in KölnKomm. AktG, 1989, § 84 AktG Rz. 107; Wiesner in MünchHdb. AG, § 20 Rz. 51 jeweils m.w.N. 2 Kort in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2006, § 84 AktG Rz. 165; Säcker in FS Müller, 1981, S. 745, 751; a.A. mit guten Gründen Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 84 AktG Rz. 127; Hüffer, § 84 AktG Rz. 30; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 120 AktG Rz. 45.
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§ 23
Der Aufsichtsrat innerhalb der Verfassung der AG
pflichtiger Geschäfte unzulässig. Die Bedeutung dieser Gesetzesänderung für die Unternehmensmitbestimmung darf nicht übersehen werden1. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass der Aufsichtsrat ohnehin verpflichtet ist, regelmäßig zu überprüfen, ob und inwieweit Zustimmungsvorbehalte einzuführen sind. Das Unterlassen der Anordnung eines notwendigen Zustimmungsvorbehalts kann ein Überwachungsverschulden des Aufsichtsrates begründen2. Nach allgemeiner Ansicht3 liegt neben der ex-post Ergebniskontrolle der Geschäftsführung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat ein besonderes Gewicht der Überwachungsaufgabe in der in die Zukunft gerichteten Beratung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat als ex-ante Kontrolle der künftigen Geschäftspolitik und der beabsichtigten Strategie. Treffend ist die Umschreibung des Aufsichtsrates als einem „Forum kooperativer Kritik“4. Die Mitwirkung des Aufsichtsrates an wichtigen Unternehmensentscheidungen und die damit verbundene notwendige enge und laufende Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Vorstand sind wesentliche Grundlagen einer effizienten Rolle des Aufsichtsrates.
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Der Vorstand gibt sich zur Organisation seiner inneren Ordnung, Geschäftsführungskompetenz und Zusammenarbeit durch einstimmigen Beschluss seiner Mitglieder eine Geschäftsordnung. Dem Aufsichtsrat steht nach § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG allerdings das Recht zu, jederzeit die Regelung der Geschäftsordnung an sich zu ziehen und selbst die Geschäftsordnung des Vorstandes zu erlassen (siehe dazu oben § 18 Rz. 68).
24
3. Der Aufsichtsrat im Verhältnis zum Abschlussprüfer Der im Regelfall5 von der Hauptversammlung zur Prüfung des Jahresabschlusses (und gegebenenfalls des Konzernabschlusses) bestellte Abschlussprüfer nimmt in der Organisation der AG nach – wenn auch nicht unumstrittener – Ansicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung6 Organfunktionen wahr. Unabhängig von dieser Frage soll er hier wegen seiner wichtigen Rolle für die Kontrolle der Geschäftsführung erwähnt werden.
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Für die ordnungsgemäße Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe, insbesondere hinsichtlich der Prüfung des Jahresabschlusses und des Konzernabschlusses ist der Aufsichtsrat in hohem Maße auf die Unterstützung durch den Abschlussprüfer ange-
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1 Hopt in Hommelhoff/Lutter/Schmidt/Schön/Ulmer (Hrsg.), Corporate Governance, 2002, S. 27, 60. 2 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 106; Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 41, 44; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 79; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 61a. 3 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89 – „Deutscher Herold“, BGHZ 114, 127, 130; Hüffer, § 111 AktG Rz. 5; Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 297; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 249; a.A. Mertens, AG 1980, 67, 68, der die Beratungskompetenz des Aufsichtsrates als eigenständige Aufgabe sieht; ähnlich Theisen, AG 1995, 193, 199; vgl. auch Scheffler, ZGR 1993, 63, 69. 4 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1989, Vorb. § 95 AktG Rz. 1. 5 Ausnahme: Bei Versicherungsunternehmen wird der Abschlussprüfer vom Aufsichtsrat gemäß § 341k Abs. 2 Satz 1 HGB bestellt. 6 BGH v. 15.12.1954 – II ZR 322/53, BGHZ 16, 17, 25; BGH v. 24.3.1980 – II ZR 88/79, BGHZ 76, 338, 342; ablehnend z.B. BayObLG v. 17.9.1987 – 3 Z 76/87, ZIP 1987, 1547, 1549; Claussen/Korth in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1991, § 318 HGB Rz. 30; Hopt in Baumbach/Hopt, § 318 HGB Rz. 2; Schulze-Osterloh, BB 1980, 1403, 1405; Simitis in FS Reinhardt, 1972, S. 329, 333; anders Hommelhoff, BB 1998, 2567: „Funktionsträger innerhalb der Unternehmensverfassung“; ebenso Nonnenmacher, WPg-Sonderheft 2001, S. 15.
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§ 24
Aufsichtsrat
wiesen. Ihm kommt eine zentrale Hilfsfunktion als unabhängiger Informationslieferant für den Aufsichtsrat zu1.
IV. Kollegialorgan 27
Der Aufsichtsrat nimmt die ihm durch Gesetz oder Satzung zugewiesenen Aufgaben gegenüber den anderen Organen der Gesellschaft als Kollegialorgan durch die Gesamtheit seiner Mitglieder wahr. Er übt seine Rechte und Pflichten als Gremium insbesondere durch Beschlüsse aber auch durch sonstige Maßnahmen aus. Dem einzelnen Mitglied stehen die dem Aufsichtsrat als Organ eingeräumten Befugnisse grundsätzlich2 nicht zu. Der Aufsichtsrat kann zur Arbeitserleichterung und Effizienzsteigerung aus seiner Mitte vorbereitende oder entscheidende Ausschüsse einsetzen (siehe dazu § 28 Rz. 8).
§ 24 Zusammensetzung und Größe des Aufsichtsrates I. Gesetzliche Modelle . . . . . . . . . .
Rz. 1
Rz. II. Statusverfahren . . . . . . . . . . . . . 21
1. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1. Verfahrenszweck und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2. DrittelbG . . . . . . . . . . . . . . . a) Größe und Zusammensetzung b) Zurechnungen im Konzern . . c) Wahlverfahren . . . . . . . . . .
. . . .
. 5 . 5 . 8 . 11
3. MitbestG . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 a) Größe und Zusammensetzung . . 12 b) Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . 17
2. Verfahrensablauf . . . . . . . . . . a) Antragsberechtigung . . . . . . b) Außergerichtliches Verfahren c) Gerichtliches Verfahren . . . . d) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
23 23 24 27 29
4. MontanMitbestG . . . . . . . . . . . . 18 Schrifttum: Göz, Statusverfahren bei Änderungen in der Zusammensetzung des Aufsichtsrats, ZIP 1998, 1523; von Hoyningen-Huene, Der Konzern im Konzern, ZGR 1978, 515; Martens, Das aktienrechtliche Statusverfahren und der Grundsatz der Amtskontinuität, DB 1978, 1065; Oetker, Der Anwendungsbereich des Statusverfahrens nach den §§ 97 ff. AktG, ZHR 149 (1985), 575; Oetker, Das Recht der Unternehmensmitbestimmung im Spiegel der neueren Rechtsprechung, ZGR 2000, 19; Raiser, Geklärte und ungeklärte Fragen der Konzernmitbestimmung, in FS Kropff, 1997, S. 243; Seibt, Drittelbeteiligungsgesetz und Fortsetzung der Reform des Unternehmensmitbestimmungsrechts, NZA 2004, 767; Wolff, Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat, DB 2002, 790.
1 Vgl. z.B. Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 279; Clemm in FS Havermann, 1995, S. 83, 96; Feddersen, AG 2000, 385, 387; Forster in FS Kropff, 1997, S. 71, 74; SchulzeOsterloh, ZIP 1998, 2129, 2133. 2 Soweit § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG einem Aufsichtsratsmitglied das Recht einräumt, vom Vorstand die Vorlage eines Berichts zu verlangen, ist der Bericht nicht an das einzelne Aufsichtsratsmitglied, sondern an den Gesamtaufsichtsrat zu erstatten.
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E. Vetter
§ 24
Zusammensetzung und Größe
I. Gesetzliche Modelle Die Größe und Zusammensetzung des Aufsichtsrates sind im AktG und in verschiedenen Mitbestimmungs-Gesetzen geregelt. Welches Gesetz und gegebenenfalls welche Form der Mitbestimmung im Aufsichtsrat gilt, entscheidet sich danach, ob die Gesellschaft arbeitnehmerfrei ist oder nicht. Beschäftigt die AG oder KGaA oder eine von ihr nach § 17 AktG abhängige Gesellschaft im Inland Arbeitnehmer, so bestimmen sich Größe und Zusammensetzung des Aufsichtsrates in Abhängigkeit von der Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer nach dem AktG sowie dem jeweils anwendbaren Mitbestimmungsstatut. Insgesamt sind fünf verschiedene Modelle zu unterscheiden.
1
1. AktG Der Aufsichtsrat der arbeitnehmerfreien AG oder eines Tendenzunternehmens im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2 DrittelbG und § 1 Abs. 4 MitbestG, das in der Rechtsform der AG geführt wird, besteht nach § 95 Abs. 1 Satz 1 AktG mindestens aus 3 Mitgliedern. Die Satzung kann in Abhängigkeit von der Höhe des Grundkapitals in dem nach § 95 Abs. 1 Satz 2 AktG zulässigen Rahmen auch eine höhere Mitgliederzahl festlegen, die jedoch stets durch drei teilbar sein muss. Bis zu einem Grundkapital von 1 500 000 Euro beträgt die Höchstzahl des Aufsichtsrates 9 Mitglieder, bis zu einem Grundkapital von 10 000 000 Euro 15 Mitglieder und bei einem über 10 000 000 Euro hinausgehenden Grundkapital 21 Mitglieder. Die Einrichtung eines nur aus drei Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrates ist aus praktischen Gründen oftmals nicht ratsam, da der Aufsichtsrat nicht beschlussfähig ist, wenn auch nur ein Aufsichtsratsmitglied an der Sitzungsteilnahme verhindert ist1.
2
Hat die AG oder KGaA im Inland einen Beschäftigungsstand von weniger als 500 Arbeitnehmern und ist sie erst nach dem 9.8.1994 in das Handelsregister eingetragen worden, so wird der Aufsichtsrat gemäß der Privilegierung (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 DrittelbG) allein nach den Bestimmungen des AktG gebildet.
3
Nach herrschender Meinung kommt auch bei einer Gesellschaft mit nicht mehr als 4 regelmäßig beschäftigten wahlberechtigten Arbeitnehmern eine Beteiligung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer nicht in Betracht2, so dass der Aufsichtsrat ausschließlich aus Vertretern der Aktionäre gebildet wird, sofern der Gesellschaft nicht die Arbeitnehmer von inländischen Konzerngesellschaften gemäß § 2 Abs. 2 DrittelbG zugerechnet werden (siehe dazu unten Rz. 8).
4
2. DrittelbG a) Größe und Zusammensetzung Das DrittelbG erfasst Gesellschaften in der Rechtsform der AG und KGaA, soweit diese nicht vollkommen mitbestimmungsfrei sind oder die Vorschriften des MitbestG, MontanMitbestG oder des MontanMitbestErgG zur Anwendung gelangen. Es findet Anwendung auf Unternehmen bis zu einer Obergrenze von 2 000 im Inland regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern. Bei Montan-Unternehmen gilt eine Obergrenze von 1 000
1 LG Karlsruhe v. 5.5.1993 – O 177/92 KfH III, AG 1994, 87. 2 OLG Düsseldorf v. 27.12.1996 – 19 W 4/96 AktE – „Babcock-BSH“, AG 1997, 129, 130; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 28 Rz. 5; Richardi in FS Zeuner, 1994, S. 147, 148; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, Anhang § 117 E BetrVG 1952 Rz. 15.
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Aufsichtsrat
Arbeitnehmern. Der Arbeitnehmerbegriff richtet sich nach § 5 Abs. 1 BetrVG, schließt aber nach § 3 Abs. 1 DrittelbG ausdrücklich die leitenden Angestellten aus. 6
Beschäftigt die AG oder KGaA im Inland weniger als 500 Arbeitnehmer, bestimmt sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrates nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 DrittelbG i.V.m. § 95 AktG, es sei denn, die Gesellschaft ist erst nach dem 9.8.1994 in das Handelsregister eingetragen worden. Bei nach diesem Stichtag eingetragenen Gesellschaften bleibt der Aufsichtsrat bis zu einer Zahl von 500 beschäftigten Arbeitnehmern ebenso mitbestimmungsfrei wie generell bei Tendenzunternehmen (§ 1 Abs. 2 DrittelbG).
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Die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsrates muss durch drei teilbar sein und bestimmt sich im Übrigen in den Grenzen des § 95 AktG nach der Satzung. Ein Drittel der Mitglieder des Aufsichtsrates muss gemäß § 4 Abs. 1 DrittelbG aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen. Besteht der Aufsichtsrat nur aus drei Mitgliedern, muss das Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer in einem Betrieb des Unternehmens beschäftigt sein. Sind für den Aufsichtsrat zwei oder mehr Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer zu wählen, so müssen sich darunter nach § 4 Abs. 2 DrittelbG zwei in den Betrieben des Unternehmens beschäftigte Arbeitnehmer befinden. Eine Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten findet nicht mehr statt. Sind mehr als zwei Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer zu wählen, können diese weiteren Mitglieder auch unternehmensexterne Personen sein und z.B. von Gewerkschaften gestellt werden (vgl. § 4 Abs. 2 DrittelbG)1. b) Zurechnungen im Konzern
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Ist die AG oder KGaA herrschendes Unternehmen, ist bei der Prüfung der Voraussetzungen die Zurechnungsvorschrift des § 2 Abs. 2 DrittelbG zu beachten. Danach gelten die Arbeitnehmer der inländischen Betriebe von Konzerngesellschaften mit Sitz im Inland als Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens, sofern es mit diesen Gesellschaften einen Beherrschungsvertrag im Sinne von § 291 AktG abgeschlossen hat2 oder die Tochtergesellschaft in die Hauptgesellschaft gemäß §§ 319 ff. AktG eingegliedert ist. Die Arbeitnehmer sonstiger abhängiger Unternehmen im Sinne von § 18 AktG bleiben hingegen bei der Ermittlung der maßgeblichen Arbeitnehmerzahl außer Betracht3. Wird die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG erforderliche Beschäftigtenzahl unter Anwendung der Zurechnungsvorschrift des § 2 Abs. 2 DrittelbG erreicht, steht den Arbeitnehmern aus den inländischen Betrieben sämtlicher abhängiger Unternehmen bei der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens sowohl das aktive wie auch das passive Wahlrecht zu. Die beschränkte mitbestimmungsrechtliche Berücksichtigung von Konzernverhältnissen gemäß § 2 Abs. 2 DrittelbG kann dazu führen, dass eine arbeitnehmerlose Holdinggesellschaft, die einen Konzern mit insgesamt nicht mehr als 2 000 Arbeitnehmern leitet, im Aufsichtsrat keine Arbeitnehmervertreter hat.
1 Seibt, NZA 2004, 767, 771; Spindler in Spindler/Stilz, § 96 AktG Rz. 19. 2 OLG Zweibrücken v. 18.10.2005 – 3W 136/05, AG 2005, 928, 929; LG Berlin v. 19.12.2006 – 102 O 59/06 AktG, AG 2007, 455, 457. Das Weisungsrecht nach § 37 Abs. 1 GmbHG verbunden mit einem isolierten Gewinnabführungsvertrag mit einer 100%igen GmbH-Tochtergesellschaft genügen nicht; Seibt, NZA 2004, 767, 770; vgl. zum BetrVG 1952 OLG Düsseldorf v. 27.12.1996 – 19 W 4/96 AktE – „Babcock-BSH“, AG 1997, 129, 130. 3 OLG Zweibrücken v. 18.10.2005 – 3W 136/05, AG 2005, 928, 929; LG Berlin v. 19.12.2006 – 102 O 59/06 AktG, AG 2007, 455, 456; Deilmann, NZG 2005, 659, 660; Seibt, NZA 2004, 767, 770.
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Zusammensetzung und Größe
Gehört die AG oder KGaA einem mehrstufigen Konzern an und ist sie selbst sowohl abhängiges Unternehmen als auch als Zwischengesellschaft zugleich die Spitze eines Teilkonzerns, so ist umstritten, ob eine Zurechnung der Arbeitnehmer der nachgeordneten Enkelgesellschaften des Teilkonzerns nicht nur zur obersten Konzernspitze, sondern auch zu einer in der Rechtsform der AG oder KGaA organisierten Tochtergesellschaft vorzunehmen ist. Die Frage, die allgemein mit dem Schlagwort des Konzerns im Konzern1 umschrieben wird, ist im Aktienrecht wie auch im Mitbestimmungsrecht umstritten. Die Anerkennung der Rechtsfigur des Konzerns im Konzern wird teilweise mit dem Argument der Unteilbarkeit der Leitungsmacht zwischen Gesellschaften auf unterschiedlichen Konzernebenen verneint. Sie ist jedoch für das Mitbestimmungsrecht, d.h., soweit es um die Ermittlung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates und das Wahlrecht der Arbeitnehmer geht, richtigerweise dann zu bejahen, wenn in einem dezentral geführten Konzern die Tochtergesellschaft als Spitze eines Teilkonzerns nicht nur die Weisungen der Konzernspitze weiterleitet, sondern selbst über einen autonomen Entscheidungsspielraum verfügt, Konzernleitungsaufgaben (z.B. Finanzierung der Konzerngesellschaften, strategische und operative Planung, Konzern-Controlling, Zuständigkeit zur Auswahl von Führungskräften sowie arbeits- und sozialrechtliche Grundsatzfragen) wahrnimmt und den Gesellschaften des Teilkonzerns auch tatsächlich unternehmerische Direktiven erteilen kann2. In den bisher veröffentlichten Gerichtsentscheidungen konnten diese Voraussetzungen jedoch in keinem Fall bejaht werden. Ist die AG oder KGaA Teil eines Konzerns, der von einem Unternehmen geleitet wird, das in einer mitbestimmungsfreien Rechtsform betrieben wird oder seinen Sitz im Ausland hat, und fehlt der AG oder KGaA der notwendige Entscheidungsspielraum zur Anerkennung eines Konzerns im Konzern, bleiben die Arbeitnehmer der Gesellschaften des Teilkonzerns bei der Ermittlung der maßgeblichen Arbeitnehmerzahl der AG oder KGaA vollkommen außer Betracht, da das DrittelbG eine mitbestimmungsrechtliche Auffanglösung, wie sie § 5 Abs. 3 MitbestG darstellt (siehe dazu unten Rz. 15), nicht kennt.
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Wird eine AG als Gemeinschaftsunternehmen von zwei oder mehreren beteiligten Obergesellschaften gemeinsam beherrscht, kann für die Gesellschaft eine mehrfache Konzernzugehörigkeit in Frage kommen (Mehrmütterkonzern)3, so dass die Arbeitnehmer des Gemeinschaftsunternehmens bei der Ermittlung des maßgeblichen Mitbestimmungsstatuts bei jeder Obergesellschaft zu berücksichtigen sind und sie bei jeder Obergesellschaft, soweit diese mitbestimmungspflichtig ist, aktiv und passiv
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1 Vgl. dazu z.B. Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 18 AktG Rz. 40; von HoyningenHuene, ZGR 1978, 515; Raiser in FS Kropff, 1997, S. 243, 251; Windbichler in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 18 AktG Rz. 83. 2 BAG v. 21.10.1980 – 6 ABR 41/78, AG 1981, 227; OLG Frankfurt v. 10.11.1986 – 20 W 27/86 – „VDM AG/Metallgesellschaft AG“, AG 1987, 55; OLG Zweibrücken v. 9.11.1983 – 3 W 25/83 – „Hochtief AG/Streif AG“, AG 1984, 80, 81; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, Anhang § 5 MitbestG Rz. 32; K. Schmidt in FS Lutter, 2000, S. 1167, 1190; offenlassend aber OLG Düsseldorf v. 27.12.1996 – 19 W 4/96 AktE – „Babcock-BSH“, AG 1997, 129, 130; LG Hamburg v. 26.6.1995 – 321 T 61/94 – „AMB/Volksfürsorge“, AG 1996, 89; a.A. von Hoyningen-Huene, ZGR 1978, 515, 536; Lutter, Mitbestimmung im Konzern, 1975, S. 12; Windbichler in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 18 AktG Rz. 83. 3 BGH v. 4.3.1974 – II ZR 89/72 – „Seitz“, BGHZ 62, 193, 199; OLG Hamm v. 2.11.2000 – 27 U 1/00 – „Hucke“, AG 2001, 146, 147; Geßler, ZGR 1974, 476; kritisch Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, 1989, S. 522 ff.
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Aufsichtsrat
wahlberechtigt sind1. Die Frage der Anerkennung einer mehrfachen Konzernzugehörigkeit wird jedoch weder im Bereich der Mitbestimmung einheitlich beurteilt noch lässt sich eine einheitliche Unternehmenspraxis feststellen2. Sie hängt davon ab, ob die einheitliche Leitung der verschiedenen beteiligten Unternehmen auf Grund einer auf Dauer angelegten Basis beruht, wobei strenge Anforderungen zu stellen sind3. Die mehrfache Konzernzugehörigkeit ist z.B. im Fall eines zwischen dem Gemeinschaftsunternehmen und jedem Mutterunternehmen bestehenden gemeinsamen Beherrschungsvertrages zu bejahen4. Gleiches ist ebenfalls anzunehmen, wenn zwischen den Müttern ein Konsortial- oder Poolvertrag besteht, der ihre Interessen und das Einflusspotential gegenüber dem Gemeinschaftsunternehmen bündelt und die gemeinsame Leitung begründet5. Die bloße Personenidentität der Geschäftsführungsorgane der mehrheitlich beteiligten Unternehmen reicht nicht aus6. c) Wahlverfahren 11
Sämtliche Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer werden von den in den inländischen Betrieben des Unternehmens beschäftigten wahlberechtigten Arbeitnehmern nach § 5 Abs. 1 DrittelbG in allgemeiner, geheimer, gleicher und unmittelbarer Wahl gewählt. Leitende Angestellte sind bei der Wahl nicht wahlberechtigt7. Wahlvorschläge für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer können gemäß § 6 DrittelbG sowohl die Betriebsräte als auch die wahlberechtigten Arbeitnehmer unterbreiten. Im Unterschied zu § 16 MitbestG sind eigene Wahlvorschläge der im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften nicht vorgesehen8. 3. MitbestG a) Größe und Zusammensetzung
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Beschäftigt die AG oder KGaA in der Regel9 im Inland mehr als 2 000 Arbeitnehmer, hat sie einen paritätischen Aufsichtsrat nach dem MitbestG zu bilden (§ 1 Abs. 1 MitbestG). Tendenzunternehmen sind nach § 1 Abs. 4 MitbestG ausdrücklich ausgenommen. 1 BAG v. 16.8.1995 – 7 ABR 57/94 – „uniVersa Lebensversicherung“, BAGE 80, 322; OLG Düsseldorf v. 30.10.2006 – 1 – 26 W 14/06 AktE, AG 2007, 170, 173; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 76 BetrVG 1952 Rz. 56; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 5 MitbestG Rz. 54; a.A. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 5 MitbestG Rz. 40; Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, 1989, S. 524. 2 Vgl. z.B. die Nachweise bei Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 28 Rz. 22; Löwisch in FS Schlechtriem, 2003, S. 833. 3 BAG v. 18.6.1970 – 1 ABR 3/70 – „Braunschweigische Kohlenbergwerke“, BAGE 22, 390, 393; vgl. auch BAG v. 30.10.1986 – 6 ABR 19/85 – „Gildemeister“, BAGE 53, 287, 299; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 5 MitbestG Rz. 50. 4 Bayer in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 18 AktG Rz. 45; Krieger in MünchHdb. AG, § 68 Rz. 77; Löwisch in FS Schlechtriem, 2003, S. 833, 848. 5 OLG Hamm v. 2.11.2000 – 27 U 1/00 – „Hucke“, AG 2001, 146, 147; Hüffer, § 18 AktG Rz. 15; Krieger in MünchHdb. AG, § 68 Rz. 77; Maul, NZG 2000, 470. 6 BAG v. 16.8.1995 – 7 ABR 57/94 – „uniVersa Lebensversicherung“, BAGE 80, 322, 324. 7 Seibt, NZA 2004, 767, 769. 8 Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 6 DrittelbG Rz. 2; Seibt, NZA 2004, 767, 773. 9 Zum Begriff der regelmäßig Beschäftigten vgl. OLG Düsseldorf v. 9.12.1994 – 19 W 2/94 – „Milchwerke Köln/Wuppertal“, AG 1995, 328, 329; LG Nürnberg/Fürth v. 10.10.1983 – 4 O 3900/8 AktE, AG 1984, 54, 55; Oetker, ZGR 2000, 19, 28; Raiser, § 1 MitbestG Rz. 18; Ulmer in FS Heinsius, 1991, S. 855, 864.
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Zusammensetzung und Größe
Bei Unternehmen mit in der Regel nicht mehr als 10 000 Arbeitnehmern besteht der Aufsichtsrat nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 MitbestG aus 12 Mitgliedern, und zwar nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 MitbestG aus je 6 Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer. Bei Unternehmen mit in der Regel mehr als 10 000 aber nicht mehr als 20 000 Arbeitnehmern besteht der Aufsichtsrat nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG aus 16 Mitgliedern, und zwar nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 MitbestG aus je 8 Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer. Unternehmen, die in der Regel über 20 000 Arbeitnehmer beschäftigen, haben nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 MitbestG einen Aufsichtsrat mit 20 Mitgliedern zu bilden, und zwar nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 MitbestG aus je 10 Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer. Unter den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer muss sich ein leitender Angestellter und ein oder mehrere Vertreter der Gewerkschaften befinden.
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Das MitbestG sieht keine feste gruppenabhängige Sitzverteilung zwischen den Arbeitern und Angestellten für die zu besetzenden Aufsichtsratssitze vor, verlangt aber nach § 15 Abs. 1 Satz 2 MitbestG eine Mindestrepräsentanz durch einen leitenden Angestellten. Eine nachträgliche Änderung des Arbeitnehmerstatus eines Aufsichtsratsmitglieds im Sinne der Gruppenzuordnung nach § 3 Abs. 1 MitbestG hat nach § 24 Abs. 2 MitbestG keine Auswirkung auf sein Aufsichtsratsmandat und die Sitzverteilung im Aufsichtsrat1.
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Ist die AG oder KGaA die Konzernspitze eines Unterordnungskonzerns im Sinne von § 18 AktG, gelten die regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer der inländischen Betriebe der Konzerngesellschaften gemäß § 5 Abs. 1 MitbestG zugleich als Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens. Dies gilt auch, wenn es im Inland ansässige Auslandsgesellschaften sind2. Die Zahl der eigenen Arbeitnehmer der Konzernspitze ist unerheblich. Infolge der Zurechnung nach § 5 Abs. 1 MitbestG fällt eine AG oder KGaA auch dann unter die Geltung des MitbestG, wenn sie selbst keine eigenen Arbeitnehmer hat, aber in den inländischen Betrieben des Konzerns insgesamt regelmäßig mehr als 2 000 Arbeitnehmer beschäftigt sind3. Beschränkt sich eine arbeitnehmerlose AG nur auf die Funktion einer vermögensverwaltenden Holding, kann sie bei Widerlegung der Konzernvermutung des § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG trotz Mehrheitsbeteiligung an paritätisch mitbestimmten Gesellschaften einen Aufsichtsrat bilden, der frei von Arbeitnehmervertretern ist4. Sofern die AG oder KGaA einem mehrstufigen Konzern angehört und selbst nicht nur abhängiges Unternehmen ist, sondern als Zwischengesellschaft zugleich auch die Spitze eines Teilkonzerns bildet, hängt die Zurechnung der Arbeitnehmer der nachgeordneten Enkelgesellschaften des Teilkonzerns zur in der Rechtsform der AG oder KGaA organisierten Tochtergesellschaft neben der Zurechnung zur obersten Konzernspitze davon ab, ob eine dezentrale Konzernorganisation besteht und die tatsächlichen Voraussetzungen eines Konzerns im Konzern5 gegeben sind (siehe dazu oben Rz. 9). Scheidet die Anwendung des MitbestG auf die Konzernspitze aus, weil diese in einer mitbestimmungsfreien Rechtsform organisiert ist oder sich ihr Sitz im Ausland befindet, weist § 5 Abs. 3 MitbestG
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1 Raiser, § 24 MitbestG Rz. 3. 2 Götz, Der Konzern 2004, 449, 454; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 5 MitbestG Rz. 55. 3 BayObLG v. 24.3.1998 – 3 Z BR 236/96 – „Walter Holding AG I“, AG 1998, 523; OLG Stuttgart v. 30.3.1995 – 8 W 355/93 – „CVH AG“, AG 1995, 380; LG Hamburg v. 26.6.1995 – 321 T 61/94 – „AMB/Volksfürsorge“, AG 1996, 89; Oetker, ZGR 2000, 19, 30; Raiser, § 5 MitbestG Rz. 6. 4 BayObLG v. 6.3.2002 – 3 Z BR 343/00 – „Walter Holding AG II“, AG 2002, 511. 5 Vgl. dazu z.B. Geßler, BB 1977, 1313; von Hoyningen-Huene, ZGR 1978, 515, Raiser in FS Kropff, 1997, S. 243, 251; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 5 MitbestG Rz. 39.
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Aufsichtsrat
dem Unternehmen, das als Spitze eines Teilkonzerns der mitbestimmungsfreien Konzernspitze am nächsten steht und in einer mitbestimmungsgeeigneten Rechtsform (z.B. AG oder KGaA) organisiert ist, im Wege der Fiktion die Funktion des herrschenden Unternehmens zu. Die Arbeitnehmer der inländischen Betriebe der Konzerngesellschaften gelten als Arbeitnehmer dieses Unternehmens und ihnen steht hinsichtlich der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer der Spitze eines Teilkonzerns sowohl das aktive wie auch das passive Wahlrecht zu1. 16
Die Satzung kann auch eine fakultative Vergrößerung des Aufsichtsrates über die gesetzlich bestimmte Größe hinaus vorsehen und für Gesellschaften mit in der Regel nicht mehr als 10 000 Arbeitnehmern auch einen Aufsichtsrat mit 16 oder 20 Mitgliedern und für Gesellschaften mit in der Regel mehr als 10 000 aber nicht mehr als 20 000 Arbeitnehmern einen Aufsichtsrat mit 20 Mitgliedern vorsehen, wobei stets das Paritätsgebot gemäß der für die entsprechend höhere Mitgliederzahl maßgeblichen Regelung in § 7 Abs. 2 MitbestG gilt. b) Wahlverfahren
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Die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner erfolgt gemäß § 8 MitbestG in Verbindung mit § 101 AktG durch die Hauptversammlung, ohne Bindung an Wahlvorschläge(§ 101 Abs. 1 Satz 2 AktG). Für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer gelten die §§ 9–24 und 34 MitbestG sowie drei Wahlordnungen2, die die näheren Einzelheiten des Wahlverfahrens regeln3. Sämtliche Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer werden von den wahlberechtigten Arbeitnehmern in direkter oder indirekter Wahl gewählt. Bei nicht mehr als 8 000 regelmäßig beschäftigen Arbeitnehmern ist die unmittelbare Wahl durch die Belegschaft, bei mehr als 8 000 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern dagegen die Wahl über Delegierte vorgesehen4. Allerdings können die wahlberechtigten Arbeitnehmer über die Art des Wahlverfahrens selbst entscheiden und gemäß § 9 Abs. 3 MitbestG auf Antrag eines Quorums von 5 % aller wahlberechtigten Arbeitnehmer darüber abstimmen5, dass die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer entgegen der gesetzlichen Regelwahlart nach dem jeweils anderen Wahlverfahren erfolgt. Wahlvorschläge für die Aufsichtsratsmitglieder, die von den Arbeitnehmern zu stellen sind, können von den wahlberechtigten Arbeitnehmern unterbreitet werden, wobei ein Vorschlag gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 MitbestG von mindestens einem Fünftel der Arbeitnehmer oder mindestens von 100 Arbeitnehmern unterzeichnet werden muss. Das Recht zur Vorlage von Vorschlägen zur Wahl der Vertreter der Gewerkschaften im Aufsichtsrat ist nach § 16 Abs. 2 MitbestG ausschließlich den im Unternehmen oder in Konzernunternehmen vertretenen Gewerkschaften vorbehalten. Für den Vertreter der leitenden Angestellten im Aufsichtsrat ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 MitbestG nur ein Vor-
1 OLG Düsseldorf v. 30.10.2006 – I-26 W 14/06 AktE, AG 2007, 170, 172; Hoffmann/Lehmann/ Weinmann, § 5 MitbestG Rz. 67; Raiser, § 5 MitbestG Rz. 44; Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler, MitbestR, § 5 MitbestG Rz. 72; vgl. auch LG Köln v. 3.4.1984 – 3 AktE 1/82 – „IVG“, AG 1985, 252, 255. 2 BGBl. I 2002, 1682. 3 Vgl. dazu Fuchs/Köstler, Handbuch zur Aufsichtsratswahl, 3. Aufl. 2004; Henssler in Ulmer/ Habersack/Henssler, MitbestR, vor § 9 MitbestG Rz. 1 ff.; Wienke/Podewin/Prinz/Schöne, Die Wahlordnungen zum MitbestG, 2002. 4 Vgl. zum Wahlverfahren z.B. Wolff, DB 2002, 790. 5 Vgl. im Einzelnen Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 9 MitbestG Rz. 10; Oetker, ZGR 2000, 19, 25; Raiser, § 9 MitbestG Rz. 7.
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schlag zulässig, der von den wahlberechtigten leitenden Angestellten des Unternehmens in einer Vorabstimmung beschlossen wird1. 4. MontanMitbestG § 1 Abs. 2 MitbestG nimmt vom Anwendungsbereich des MitbestG ausdrücklich die Unternehmen aus, die dem Montan-Mitbestimmungsgesetz von 1951 unterliegen2. Die praktische Bedeutung dieser Mitbestimmungsform geht zunehmend zurück und erfasst nur noch relativ wenige Unternehmen, die in der Regel mehr als 1 000 Arbeitnehmer beschäftigen (§ 1 Abs. 2 MontanMitbestG).
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Das MitbestErgG erfasst diejenigen Aktiengesellschaften, die zwar nicht selbst dem MontanMitbestG unterliegen, die aber ein oder mehrere Unternehmen beherrschen, deren Aufsichtsrat sich nach dem MontanMitbestG zusammensetzt und die den Unternehmenszweck des Konzerns insgesamt prägen (§ 3 Abs. 1 MitbestErgG). Die tatsächliche Bedeutung des MitbestErgG ist gering3.
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Einstweilen frei.
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II. Statusverfahren 1. Verfahrenszweck und Anwendungsbereich Bei Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der Organisationsstruktur eines Unternehmens oder aus sonstigen Gründen können Zweifel an der richtigen Zusammensetzung des Aufsichtsrates einer Gesellschaft entstehen und die Frage nach der notwendigen Anpassung an die veränderten Verhältnisse aufkommen. § 96 Abs. 2 AktG bestimmt ausdrücklich, dass der Aufsichtsrat einer Gesellschaft ungeachtet von Veränderungen selbst bei Einigkeit sämtlicher Beteiligter über die veränderten rechtlichen Grundlagen in jedem Fall nach den bisher angewandten Vorschriften zusammenzusetzen ist, solange nicht ein förmliches Verfahren mit Wirkung inter omnes gemäß den §§ 96–99 AktG zur Feststellung der maßgeblichen Vorschriften oder der Änderung der Zusammensetzung des Aufsichtsrates stattgefunden hat. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens bleibt der Aufsichtsrat im Amt. Das Gesetz folgt damit dem so genannten Status quo-Prinzip4 oder Kontinuitätsprinzip5, um in jedem Fall die Arbeitsfähigkeit des bestehenden Aufsichtsrates und die Wirksamkeit seiner Beschlüsse zu gewährleisten6. Das Statusverfahren hat zum Ziel, Zweifelsfragen bezüglich der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften für die Zusammensetzung des Aufsichtsrates auszuräumen. Die Überleitung von einem zum anderen Modell erfolgt in zwei Stufen, nämlich der verbindlichen Feststellung der maßgebenden Vorschriften und der anschließenden Satzungsänderung und Neubestellung des Aufsichtsrates. 1 Vgl. Raiser, § 15 MitbestG Rz. 25; Wolff, DB 2002, 790, 791. 2 Vgl. dazu Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 1 MontanMitbestG Rz. 4 ff. 3 Vgl. die Nachweise bei Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, MitbestErgG Einl. Rz. 10; zu den Fortgeltungsgesetzen im Übrigen vgl. z.B. Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 28 Rz. 35 ff. 4 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 28 Rz. 50; Hüffer, § 96 AktG Rz. 13; Rittner, DB 1969, 2165, 2167. 5 Raiser, § 6 MitbestG Rz. 4; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 29; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 96 AktG Rz. 75. 6 OLG Düsseldorf v. 10.10.1995 – 19 W 5/95 AktE – „Babcock-BSH“, AG 1996, 87; Hüffer, § 96 AktG Rz. 1; Oetker, ZHR 149 (1985), 575, 577; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 96 AktG Rz. 32.
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Aufsichtsrat
Hauptanwendungsfall des Statusverfahrens der §§ 97–99 AktG ist der Wechsel des anzuwendenden Mitbestimmungsstatuts der Gesellschaft mit der sich daraus ergebenden nicht mehr den Vorschriften entsprechenden Zusammensetzung des Aufsichtsrates. Nach dem Wortlaut von § 97 Abs. 1 AktG wie auch aus Gründen der Praktikabilität kommt das Statusverfahren nach herrschender Ansicht auch dann zur Anwendung, wenn sich wegen einer Über- oder Unterschreitung der gesetzlichen Schwellenzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer die Größe und Zusammensetzung des Aufsichtsrates innerhalb eines Mitbestimmungsmodells (z.B. § 7 Abs. 1 und 2 MitbestG) verändern und nicht mehr den maßgeblichen Vorschriften entsprechen1. Keine Anwendung finden die §§ 97–99 AktG, wenn die Größe des Aufsichtsrates z.B. gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 MitbestG durch Satzungsänderung vergrößert oder verkleinert wird2. Bei einer Vergrößerung des Aufsichtsrates kommt eine Nachwahl der zusätzlichen Aufsichtsratsmitglieder nach den maßgeblichen Vorschriften oder die gerichtliche Bestellung nach § 104 AktG in Betracht, sobald die Satzungsänderung im Handelsregister eingetragen ist. Bei einer Verkleinerung des bisher gegenüber den gesetzlichen Anforderungen durch eine Satzungsregelung größeren Aufsichtsrates muss jedoch regelmäßig der Ablauf der laufenden Amtsperiode abgewartet werden, da auch nach Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister in der Praxis mit Amtsniederlegungen von Mitgliedern des Aufsichtsrates, insbesondere der Arbeitnehmer unter Beachtung des Gruppenproporzes, nicht gerechnet werden kann und in ihre Rechtsstellung als Mitglieder des Aufsichtsrates während einer laufenden Amtsperiode nicht eingegriffen werden darf3. Ebenso wenig kommt das Statusverfahren in Betracht, wenn sich die Zahl der Angehörigen der verschiedenen Arbeitnehmergruppen innerhalb der Belegschaft ändert, so dass der zwischen den unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer bestehende Gruppenproporz verschoben wird, da die Zusammensetzung des Aufsichtsrates im Sinne von § 96 Abs. 1 AktG nicht berührt wird. In diesem Fall bleiben die Aufsichtsratsmitglieder im Amt und es muss das Ende der laufenden Amtsperiode des Aufsichtsrates abgewartet werden4. 2. Verfahrensablauf a) Antragsberechtigung
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Das außergerichtliche Statusverfahren kann vom Vorstand gemäß § 97 Abs. 1 AktG durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern eingeleitet werden. Dem Vorstand allein steht das Initiativrecht zu. Auch wenn die Verfahrenseinleitung eine Maßnahme der Geschäftsführung ist, kann sie nicht von der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängig gemacht werden, denn der Vorstand ist verpflichtet, für die Gesetzmäßigkeit
1 OLG Düsseldorf v. 20.6.1978 – 19 W 3/1978 – „Herberts“, DB 1978, 1358; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 28 Rz. 53; Oetker, ZHR 149 (1985), 575, 577; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 6 MitbestG Rz. 14; a.A. Göz, ZIP 1998, 1523, 1525; Rosendahl, AG 1985, 325, 326. 2 OLG Hamburg v. 26.8.1988 – 11 W 53/88 – „Horten“, AG 1989, 64, 65; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 6 MitbestG Rz. 15; Hüffer, § 97 AktG Rz. 3; Martens, DB 1978, 1065, 1069; Raiser, § 7 MitbestG Rz. 5; Göz, ZIP 1998, 1523, 1526; a.A. BAG v. 3.10.1989 – 1 ABR 12/88, AG 1990, 361; Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 7 MitbestG Rz. 9; Oetker, ZHR 149 (1985), 575, 585. 3 Vgl. OLG Hamburg v. 26.8.1988 – 11 W 53/88 – „Horten“, AG 1989, 64, 65; OLG Dresden v. 18.2.1997 – 14 W 1396/96, ZIP 1997, 589, 591; Raiser, § 7 MitbestG Rz. 5; Göz, ZIP 1998, 1523, 1527. 4 Hüffer, § 97 AktG Rz. 3; Martens, DB 1978, 1065, 1069; Oetker, ZGR 2000, 19, 22; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 6 MitbestG Rz. 15.
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der Organisation zu sorgen1. Daneben besteht die Möglichkeit, das Statusverfahren gemäß § 98 Abs. 1 AktG durch Antrag bei dem am Sitz der Gesellschaft zuständigen Gericht einzuleiten. Neben dem Vorstand ist auch der in § 98 Abs. 2 AktG genannte Kreis von Personen und Gremien antragsberechtigt, insbesondere jedes Aufsichtsratsmitglied, jeder Aktionär, je nach Struktur der Gesellschaft der Gesamtbetriebsrat oder Betriebsrat, der Gesamt- oder Unternehmenssprecherausschuss der leitenden Angestellten, ein Zehntel der Belegschaft sowie die vorschlagsberechtigten Gewerkschaften. b) Außergerichtliches Verfahren Es zählt zu den Aufgaben des Vorstandes darauf zu achten, dass die Zusammensetzung des Aufsichtsrates nach den maßgeblichen Vorschriften erfolgt2. Gelangt der Vorstand nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage zur Überzeugung, dass infolge einer Änderung der Verhältnisse die Voraussetzungen für die bestehende Zusammensetzung des Aufsichtsrates nicht mehr vorliegen, ist er nach § 97 Abs. 1 Satz 1 AktG verpflichtet, unverzüglich das Statusverfahren einzuleiten. Die Meinungsbildung, dass der Aufsichtsrat nicht nach den für ihn maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt ist, erfolgt durch Beschluss des Vorstandes, der nach den Regeln für die Gesamtgeschäftsführung nach § 77 Abs. 1 AktG herbeizuführen ist3. Es empfiehlt sich, eine rechtzeitige Information und Abstimmung des Vorstandes mit den übrigen Beteiligten, insbesondere dem Aufsichtsrat vorzunehmen, um eventuelle Zweifelsfragen frühzeitig zu klären oder bei unüberwindbaren Meinungsverschiedenheiten gegebenenfalls statt der Bekanntmachung nach § 97 Abs. 1 AktG direkt die gerichtliche Klärung nach § 98 Abs. 1 AktG zu beantragen4.
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Der Vorstand leitet das Statusverfahren nach § 97 Abs. 1 AktG durch Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern ein. Gleichzeitig hat er die Einleitung des Verfahrens durch Aushang in sämtlichen Betrieben der Gesellschaft und ihrer Konzernunternehmen bekanntzumachen. Die Bekanntmachung ist eine Erklärung des Vorstandes; eine Delegation ist nicht möglich. Die Bekanntmachung, z.B. durch Mitarbeiter der Personalabteilung, löst die Wirkungen des § 97 Abs. 2 AktG nicht aus. Der Inhalt der Bekanntmachung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 Satz 2 und 3 AktG. Danach ist neben der Feststellung, dass der Aufsichtsrat nicht nach den für ihn maßgebenden Vorschriften zusammengesetzt ist, anzugeben, nach welchen Vorschriften nach Ansicht des Vorstandes die Zusammensetzung des Aufsichtsrates erfolgen müsse und schließlich der Hinweis, dass diese Vorschriften zur Anwendung kommen, sofern nicht das nach § 98 Abs. 1 AktG zuständige Gericht innerhalb eines Monats nach der Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger angerufen wird. Der Vorstand hat die nach seiner Ansicht anzuwendenden Vorschriften exakt zu benennen.
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Eine Bekanntmachung ohne den gesetzlichen Mindestinhalt ist wirkungslos und löst nicht die Rechtsfolgen des § 97 Abs. 2 AktG aus5. Gleiches gilt, wenn die Bekannt-
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1 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 70; Raiser, § 6 MitbestG Rz. 9; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 6 MitbestG Rz. 17. 2 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, §§ 97–99 AktG Rz. 3; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 97 AktG Rz. 28. 3 Hüffer, § 97 AktG Rz. 3; Spindler in Spindler/Stilz, § 97 AktG Rz. 4; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 97 AktG Rz. 17. 4 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 6 MitbestG Rz. 17. 5 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, §§ 97–99 AktG Rz. 11; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 97 AktG Rz. 25.
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machung im Bundesanzeiger unterblieben ist1. Die Bekanntmachung kann zusätzliche Angaben enthalten. Empfehlenswert aber rechtlich nicht erforderlich ist die genaue Angabe des zuständigen Gerichts2. Ebenso zu empfehlen und in der Praxis üblich ist die Angabe einer knappen Begründung, welche tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen dazu geführt haben, dass die bisher maßgebenden gesetzlichen Vorschriften über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates nicht mehr anwendbar sind3. Die Bekanntmachung nach § 97 Abs. 1 AktG setzt den Eintritt von Tatsachen voraus. Planungen des Vorstandes genügen dafür nicht. Aus dem Wortlaut von § 97 Abs. 1 AktG ergibt sich, dass für die Bekanntmachung die der Änderung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen zugrunde liegende rechtliche oder tatsächliche Änderung bereits eingetreten sein muss, da die Angaben des Vorstandes nachprüfbar sein müssen. Die Veräußerung eines Betriebes oder einer Beteiligungsgesellschaft muss deshalb abgeschlossen sein; Vorgänge nach dem UmwG müssen durch Eintragung im Handelsregister rechtswirksam geworden sein4. Allerdings ist der Vorstand im Interesse einer möglichst zügigen Herbeiführung der gesetzlich vorgesehenen Arbeitnehmerrepräsentanz im Aufsichtsrat berechtigt, das langwierige Wahlverfahren zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer bereits vor der Bekanntmachung einzuleiten5. Wird innerhalb der Monatsfrist nach der Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger das nach § 98 Abs. 1 AktG zuständige Gericht nicht angerufen, wird der Inhalt der Bekanntmachung unangreifbar, selbst wenn die rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen der darin genannten Vorschriften nicht zutreffen sollten6. Der Aufsichtsrat muss dann gleichwohl nach den vom Vorstand genannten Vorschriften zusammengesetzt werden (§ 97 Abs. 2 Satz 1 AktG). c) Gerichtliches Verfahren 27
Gegen die Bekanntmachung des Vorstandes können die in § 98 Abs. 2 AktG genannten Antragsberechtigten innerhalb eines Monats nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger das nach § 98 Abs. 1 AktG zuständige Landgericht anrufen, das dann über die richtige Zusammensetzung des Aufsichtsrates zu entscheiden hat. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens bleibt der Aufsichtsrat in der bisherigen Zusammensetzung im Amt. Die Bekanntmachung des Vorstandes zeigt insoweit keine Wirkung7. Unabhängig von einer vorherigen Bekanntmachung des Vorstandes kann der in § 98 Abs. 2 Satz 1 AktG genannte Personenkreis beim zuständigen Gericht gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 AktG formlos Antrag auf Feststellung der für die Zusammensetzung des Aufsichtsrates maßgebenden Vorschriften stellen, wenn Zweifel über die Grundlagen der Zusammensetzung des Aufsichtsrates bestehen. Weitere Voraussetzungen verlangt das Gesetz nicht, insbesondere muss der Antragsteller, soweit er dem Personenkreis nach § 98 Abs. 2 Nr. 1–5 AktG angehört, kein besonderes Fest1 Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 97 AktG Rz. 25; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 6 MitbestG Rz. 23. 2 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 28 Rz. 59; Hopt/Roth/Peddinghaus in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 97 AktG Rz. 41. 3 Weitergehend z.B. Oetker, ZHR 149 (1985), 575, 592, der gesetzliche Verpflichtung annimmt. 4 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 28 Rz. 59; Grunewald in Lutter, § 20 UmwG Rz. 30; a.A. Hopt/Roth/Peddinghaus in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 97 AktG Rz. 27; vgl. auch Kiem/Uhrig, NZG 2001, 680, 684. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 28 Rz. 58; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, §§ 97–99 AktG Rz. 25. 6 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 6 MitbestG Rz. 24; Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler, MitbestR, § 6 MitbestG Rz. 26. 7 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 6 MitbestG Rz. 23; Hüffer, § 97 AktG Rz. 6.
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stellungsinteresse darlegen1. Bei den in § 98 Abs. 2 Nr. 6–8 AktG genannten Arbeitnehmergremien und Organisationen oder der Mindestzahl von Arbeitnehmern ist jedoch erforderlich, dass sie Belange von Wahl- oder Vorschlagsberechtigten wahrnehmen oder in ihrem Vorschlagsrecht beeinträchtigt sind. Örtlich und sachlich zuständig ist gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 AktG das Landgericht, in dessen Bezirk die AG ihren Sitz hat. Nach § 98 Abs. 2 und 3 AktG besteht die Möglichkeit der Verfahrenskonzentration bei einem Landgericht für mehrere Landgerichtsbezirke2. Das zuständige Gericht entscheidet über den Antrag im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit bzw. nach dem 1.9.2009 im Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit unter Berücksichtigung der in § 99 AktG enthaltenen besonderen Verfahrensregelungen3. Der Antrag ist vom Gericht nach § 99 Abs. 2 Satz 1 AktG in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Für das Verfahren gilt der Grundsatz der Amtsermittlung nach § 12 FGG (§ 26 FamFG). Anhörungsberechtigt sind neben dem Vorstand und jedem Aufsichtsratsmitglied antragsberechtigte Betriebsräte sowie die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften. Antragsrücknahme ist bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung zulässig. Das Gericht entscheidet über den Antrag durch einen mit Gründen zu versehenden Beschluss, der vom Gericht – ohne die Gründe – ebenfalls in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen ist (§ 99 Abs. 3 AktG). Gegen die Entscheidung des Landgerichts steht jedem Beteiligten mit einer Frist von 2 Wochen als Rechtsmittel die sofortige Beschwerde nach § 99 Abs. 3 Satz 2 AktG offen. Die Frist beginnt mit der Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger. Für den Vorstand und den Antragsteller ist das Datum der Zustellung der Entscheidung maßgebend. Die Entscheidung wird erst mit Rechtskraft wirksam und wirkt für und gegen alle (§ 99 Abs. 5 Satz 1 und 2 AktG). Der Vorstand hat die Entscheidung nach § 99 Abs. 5 Satz 3 AktG unverzüglich zum Handelsregister einzureichen.
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d) Rechtsfolgen Mit Unanfechtbarkeit der Bekanntmachung des Vorstandes (§ 97 Abs. 2 AktG) oder mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung (§ 98 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 97 Abs. 2 AktG) treten die bisherigen Satzungsbestimmungen über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates, die Zahl seiner Mitglieder sowie die Wahl, Abberufung und Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern mit Beendigung der ersten Hauptversammlung, die nach dem Ablauf der Anrufungsfrist einberufen wird (nicht „stattfindet“), spätestens 6 Monate nach Ablauf dieser Frist insoweit außer Kraft, als sie den nunmehr maßgebenden gesetzlichen Vorschriften widersprechen. Zum selben Zeitpunkt erlischt auch das Amt sämtlicher bisheriger Mitglieder des Aufsichtsrates, ohne dass es dazu weiterer Erklärungen bedarf, und zwar auch dann, wenn noch kein neuer Aufsichtsrat gewählt worden ist4.
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Nach der gesetzlichen Konzeption des Statusverfahrens findet innerhalb der Sechsmonatsfrist eine Hauptversammlung statt, die die neuen Satzungsbestimmungen ab-
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1 Hopt/Roth/Peddinghaus in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 98 AktG Rz. 22; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 98 AktG Rz. 12. 2 Vgl. die Angaben bei Spindler in Spindler/Stilz, § 98 AktG Rz. 5; Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler, MitbestR, § 6 MitbestG Rz. 33. 3 Vgl. dazu Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 99 AktG Rz. 7 ff.; von Falkenhausen, AG 1967, 309 ff. 4 OLG Frankfurt v. 23.4.1985 – 5 U 149/84 – „Sperry GmbH“, AG 1985, 220; Hüffer, § 97 AktG Rz. 5; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 97 AktG Rz. 32.
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weichend von § 179 Abs. 2 AktG statt der Dreiviertelmehrheit nur mit einfacher Mehrheit beschließen (§ 97 Abs. 2 Satz 4 AktG) und die neuen Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner wählen kann. Sämtliche bisherigen Mitglieder des Aufsichtsrates scheiden mit Ablauf der Hauptversammlung nach § 97 Abs. 2 Satz 3 AktG aus dem Aufsichtsrat aus. Das Amt der neuen Aufsichtsratsmitglieder beginnt mit Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister. Zulässig ist es, dass die Hauptversammlung die Satzungsänderung wie auch die Neuwahl der Aufsichtsratsmitglieder nach der Bekanntmachung gemäß § 97 Abs. 1 AktG aber noch vor Ablauf der Monatsfrist von § 97 Abs. 2 Satz 1 AktG beschließt, verbunden mit der Anweisung an den Vorstand, die Satzungsänderung erst nach widerspruchslosem Ablauf der Monatsfrist zum Handelsregister anzumelden. Die bisher geltenden Satzungsänderungen treten dann mit Eintragung der neuen Satzungsbestimmungen analog § 97 Abs. 2 Satz 3 AktG außer Kraft1. Gleichzeitig endet auch das Amt der bisherigen und beginnt das Amt der neuen Mitglieder des Aufsichtsrates. Versäumt die Gesellschaft die Durchführung einer Hauptversammlung vor Ablauf der Sechsmonatsfrist von § 97 Abs. 2 Satz 2 AktG, bleibt dem Vorstand nur der Weg der gerichtlichen Bestellung der neuen Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner und der Arbeitnehmer nach § 104 AktG auf Basis der allgemeinen gesetzlich anzuwendenden Vorschriften2.
§ 25 Begründung, Dauer und Beendigung der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat I. Begründung der Mitgliedschaft . . . 1. Voraussetzungen der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Voraussetzungen . . . b) Aktienrechtliche Voraussetzungen . aa) Höchstzahl von Aufsichtsratsmandaten . . . . . . . . . . bb) Verbot der Aufsichtsratsbesetzung entgegen dem Organisationsgefälle . . . . . . cc) Verbot der Überkreuzverflechtung . . . . . . . . . . . dd) Inkompatibilität . . . . . . . . ee) Satzungsmäßige Wählbarkeitsvoraussetzungen . . . c) Besondere Voraussetzungen für Arbeitnehmervertreter . . . . . . . d) Unvereinbarkeit des Aufsichtsratsmandates . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1 1 1 4 4 9 10 11 14 16 17
2. Bestellung des Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Rz. a) Wahl durch die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tagesordnung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . bb) Beschlussfassung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . b) Wahl durch die Belegschaft . . . . c) Entsendung . . . . . . . . . . . . . . aa) Form . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsstellung . . . . . . . . . d) Ersatzmitglieder . . . . . . . . . . . aa) Bedeutung . . . . . . . . . . . . bb) Verfahren . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsstellung . . . . . . . . . e) Gerichtliche Bestellung . . . . . . aa) Bedeutung . . . . . . . . . . . . bb) Voraussetzungen . . . . . . . . cc) Antragsberechtigung . . . . . dd) Verfahren . . . . . . . . . . . . . ee) Rechtsstellung . . . . . . . . .
19 19 22 26 27 27 28 29 29 31 36 38 38 40 41 42 44
II. Amtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 28 Rz. 63. 2 Vgl. Rittner, DB 1969, 2165, 2168; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 97 AktG Rz. 32.
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Begründung, Dauer und Beendigung Rz. 1. Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2. Beginn der Amtszeit . . . . . . . . . . 51 III. Beendigung der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . 1. Amtsniederlegung . . . . . . . . . . 2. Abberufung . . . . . . . . . . . . . . a) Abberufung durch die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen . . . . . . . bb) Verfahren . . . . . . . . . . . . b) Abberufung durch den entsendungsberechtigten Aktionär . . c) Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer . d) Abberufung durch das Gericht . aa) Voraussetzungen . . . . . . . bb) Verfahren . . . . . . . . . . . .
. 52 . 52 . 55 . 55 . 55 . 57
Rz. a) Gesetzliche Voraussetzungen . . 65 b) Satzungsmäßige Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 4. Statusverfahren . . . . . . . . . . . . . 68 5. Verkleinerung des Aufsichtsrates . 70 IV. Rechtsfolgen der unwirksamen Aufsichtsratswahl . . . . . . . . . . . 72 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . 72
60 61 61 63
2. Unwirksame Bestellung eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds . . . . 74 a) Auswirkungen auf die persönliche Rechtsstellung des Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Auswirkungen auf die Arbeit des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . 76
3. Wegfall persönlicher Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
3. Unwirksame Wahl des gesamten Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . 77
. 59 . . . .
Schrifttum: Austmann, Globalwahl zum Aufsichtsrat, in FS Sandrock, 1995, S. 277; Bollweg, Die Wahl des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 1997; Deckert, Inkompatibilitäten und Interessenkonflikte, DZWir 1996, 406; Deckert, Der Aufsichtsrat nach der Reform, NZG 1998, 710; Dreher, Die Organisation des Aufsichtsrats, in Feddersen/ Hommelhoff/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Corporate Governance, 1995, S. 33; Dreher, Die Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder, in FS Boujong, 1996, S. 71; Fuchs/Köstler, Handbuch zur Aufsichtsratswahl, 3. Aufl. 2004; Hoffmann-Becking, Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen einer Verbesserung der Arbeit des Aufsichtsrats, in FS Havermann, 1995, S. 229; Krebs, Interessenkonflikte bei Aufsichtsratsmandaten in der AG, 2002; Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006; Lutter, Die Unwirksamkeit von Mehrfachmandaten in den Aufsichtsräten von Konkurrenzunternehmen, in FS Beusch, 1993, S. 509; Mülbert, Die Stellung der Aufsichtsratsmitglieder, in Feddersen/Hommelhoff/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Corporate Governance, 1995, S. 99; Reichert/Schlitt, Konkurrenzverbot für Aufsichtsratsmitglieder, AG 1995, 241; Rellermeyer, Ersatzmitglieder des Aufsichtsrats, ZGR 1987, 563; Schwark, Corporate Governance: Vorstand und Aufsichtsrat, in Hommelhoff/Lutter/Schmidt/Schön/Ulmer (Hrsg.), Corporate Governance, 2002, S. 75; Singhof, Die Amtsniederlegung durch das Aufsichtsratsmitglied einer AG, AG 1998, 318; Ulmer, Aufsichtsratsmandat und Interessenkollision, NJW 1980, 1603; Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, 1996.
I. Begründung der Mitgliedschaft 1. Voraussetzungen der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat a) Allgemeine Voraussetzungen Mitglied des Aufsichtsrates einer Gesellschaft kann jede natürliche unbeschränkt geschäftsfähige Person sein (§ 100 Abs. 1 Satz 1 AktG). Wer der Betreuung gemäß §§ 1896 ff. BGB untersteht, kann nicht Mitglied eines Aufsichtsrates sein. Einer juristischen Person ist die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat nicht möglich.
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Das AktG kennt keine bestimmte förmliche Sachqualifikation für das Aufsichtsratsmitglied. Allerdings ist die Erfüllung bestimmter Mindestkenntnisse und Mindest-
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fähigkeiten für die sachgerechte Wahrnehmung der Rechte und Pflichten eines Aufsichtsratsmitglieds unverzichtbar, um den dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgaben gerecht werden und die dabei normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können1. Insoweit steht jedes Aufsichtsratsmitglied dafür ein, dass es diese Grundvoraussetzungen mitbringt oder sich bis zum Amtsantritt verschaffen wird, um zur effizienten Erfüllung seiner Überwachungstätigkeit und zur Bewältigung der regelmäßigen und nicht delegierbaren Grundaufgaben beitragen zu können2. Hieraus können jedoch keine Rechte gegen die Wirksamkeit der Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds abgeleitet werden3. 3
Ziff. 5.4.1 Deutscher Corporate Governance Kodex empfiehlt, darauf zu achten, dass dem Aufsichtsrat jederzeit Mitglieder angehören, die über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen. Diese Empfehlung bezieht sich nicht auf das generelle Anforderungsprofil und die Mindestqualifikation jedes einzelnen Aufsichtsratsmitglieds, sondern im Sinne einer „Autarkie des Aufsichtsrates“4 auf den insgesamt im Aufsichtsrat bereitzuhaltenden Sachverstand als notwendige Voraussetzung einer ordnungsmäßigen, reibungslosen und effizienten Überwachung. Entscheidend ist der „Mix an Begabungen“ im Aufsichtsrat als einem Kollektivorgan5. Im Einzelfall können sich allerdings spezielle individuelle Anforderungen ergeben6. Auch berührt die Nichtbefolgung dieser Empfehlung nicht die Wählbarkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds oder die Wirksamkeit seiner Wahl, sondern unterstreicht vielmehr die Bedeutung der ausgewogenen Zusammensetzung sowie die Gesamtverantwortung des Aufsichtsrates für seine optimale Zusammensetzung und die Qualität und Effizienz seiner Arbeit7. Diese Gesichtspunkte sollen nach dem Kodex bereits bei den Vorschlägen des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 124 Abs. 3 AktG) beachtet werden8. b) Aktienrechtliche Voraussetzungen
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aa) Höchstzahl von Aufsichtsratsmandaten. Wer bereits dem Aufsichtsrat von zehn Gesellschaften angehört, die kraft Gesetzes einen Aufsichtsrat zu bilden haben, kann nicht zum Aufsichtsratsmitglied gewählt werden.
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Bei der Ermittlung der Zahl der Aufsichtsratsmandate werden nur Handelsgesellschaften mit einem obligatorischen Aufsichtsrat erfasst. Beiräte oder Verwaltungsräte sowie Aufsichtsräte einer ausländischen Gesellschaft bleiben nach herrschender jedoch nicht zweifelsfreier Ansicht bei der Berechnung der Höchstzahl nach § 100 1 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82 – „Hertie“, BGHZ 85, 292, 295; Hommelhoff, ZGR 1983, 551 ff.; Schwark in FS Werner, 1984, S. 841, 848; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/ Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 118; vgl. auch v. Werder/Wieczorek, DB 2007, 297. 2 Dreher in FS Boujong, 1996, S. 71, 75; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 7; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 119. 3 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 2; a.A. Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats, S. 111 ff.; Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 262 ff. 4 Hommelhoff, ZGR 1983, 551 ff., 561. 5 Peltzer, Deutsche Corporate Governance, Rz. 272. 6 Peltzer, Deutsche Corporate Governance, Rz. 273; vgl. generell z.B. Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 310. 7 Vgl. dazu auch Deckert, NZG 1998, 710, 711; Möllers, ZIP 1995, 1725, 1732; Semler in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 2 Rz. 75 ff. 8 Siehe dazu die Kontroverse Lutter, ZIP 2003, 417; Sünner, ZIP 2003, 834; vgl. generell Leyens, Information, S. 253.
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Begründung, Dauer und Beendigung
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AktG – ungeachtet ihrer eventuellen funktionalen Vergleichbarkeit im Einzelfall – ebenfalls stets außer Betracht1. Über die Regelung von § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AktG hinaus empfiehlt Ziff. 5.4.5 Deutscher Corporate Governance Kodex, dass Vorstandsmitglieder von börsennotierten Gesellschaften nicht mehr als fünf Aufsichtsratsmandate in konzernexternen börsennotierten Gesellschaften wahrnehmen sollen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, dass für die verantwortliche Wahrnehmung des einzelnen Aufsichtsratsmandates (z.B. Sitzungsvorbereitung, Teilnahme an den Sitzungen, Beteiligung an schriftlichen Beschlüssen) genügend Zeit zur Verfügung stehen muss. Die Hauptversammlung soll deshalb auch in die Lage versetzt werden, dies pauschal zu überprüfen, indem im Aufsichtsratsbericht nach § 171 Abs. 2 Satz 1 AktG angegeben werden soll, wenn ein Aufsichtsratsmitglied im Geschäftsjahr nur an weniger als der Hälfte der Sitzungen des Aufsichtsrates teilgenommen hat (Ziff. 5.4.7 Deutscher Corporate Governance Kodex).
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Mitglieder des gesetzlichen Vertretungsorgans eines herrschenden Unternehmens können das so genannte Konzernprivileg in Anspruch nehmen. Zur Erleichterung einer einheitlichen Leitung im Konzern werden bis zu fünf Aufsichtsratsmandate auf die Höchstzahl nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AktG nicht angerechnet, die ein Mitglied des gesetzlichen Vertretungsorgans eines herrschenden Unternehmens in Aufsichtsräten von Tochtergesellschaften innehat. Einem Aufsichtsratsmitglied wie einem leitenden Mitarbeiter eines herrschenden Unternehmens steht das Konzernprivileg nicht zu2. Den gesetzlichen Vertretern einer Gesellschaft, die die Spitze eines Teilkonzerns bildet, steht das Konzernprivileg in analoger Anwendung von § 100 Abs. 2 Satz 2 AktG ebenfalls zu. Auf die Erfüllung der besonderen Voraussetzungen des mitbestimmungsrechtlichen Konzerns im Konzern kommt es dabei nicht an3.
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Im Hinblick auf die zeitlich ungleich höhere Beanspruchung und besondere Verantwortung, die mit dem Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden zwangsläufig verbunden sind, zählen Mandate als Aufsichtsratsvorsitzender doppelt (§ 100 Abs. 2 Satz 3 AktG). Nimmt ein gesetzlichen Vertreter einer herrschenden Gesellschaft den Aufsichtsratsvorsitz in nachgeordneten Gesellschaften wahr, bleiben bis zu fünf Vorsitzmandate nach § 100 Abs. 2 Satz 2 AktG anrechnungsfrei; eine Doppelzählung der Vorsitzmandate innerhalb der Konzernmandate findet nicht statt4. Der maßgebliche Zeitpunkt zur Berechnung der Zahl der Aufsichtsratsmandate im Sinne von § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AktG ist der geplante Amtsantritt5. Die Missachtung der gesetzlichen Anforderungen führt zur Nichtigkeit der Wahl (§ 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG)6.
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bb) Verbot der Aufsichtsratsbesetzung entgegen dem Organisationsgefälle. § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG will den Risiken einer Beeinträchtigung der Effizienz der Aufsichts-
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1 Hüffer, § 100 AktG Rz. 3; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 100 AktG Rz. 17; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 33. 2 Hüffer, § 100 AktG Rz. 4; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 100 AktG Rz. 26; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 250 AktG Rz. 26. 3 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 8; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 100 AktG Rz. 18; Spindler in Spindler/Stilz, § 100 AktG Rz. 18; a.A. Hüffer, § 100 AktG Rz. 4. 4 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 9; Hüffer, § 100 AktG Rz. 4; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 AktG Rz. 22. 5 Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats, S. 107; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 7; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 100 AktG Rz. 108. 6 Hüffer, § 100 AktG Rz. 11; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 100 AktG Rz. 29; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 100 AktG Rz. 112.
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ratsarbeit durch Wahrnehmung der Überwachungsaufgabe durch Personen entgegen dem natürlichen hierarchischen Organisationsgefälle im Konzern begegnen. Die Besetzung des Aufsichtsrates einer herrschenden Gesellschaft mit gesetzlichen Vertretern eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens ist deshalb ausgeschlossen. Ausgehend vom Regelungszweck der Vorschrift erstreckt sich das Verbot von § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG nicht nur auf inländische, sondern auch auf ausländische abhängige Unternehmen1. 10
cc) Verbot der Überkreuzverflechtung. Den besonderen Risiken einer Beeinträchtigung der Effizienz der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrates durch wechselseitige Abhängigkeiten will das Verbot des § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AktG vorbeugen. Deshalb können die gesetzlichen Vertreter einer anderen Kapitalgesellschaft, deren Aufsichtsrat bereits ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft angehört (§ 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AktG) nicht Mitglied des Aufsichtsrates der Gesellschaft sein. Die Missachtung des Verbots führt zur Nichtigkeit der Wahl (§ 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG).
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dd) Inkompatibilität. Eine gleichzeitige Mitgliedschaft in Aufsichtsrat und Vorstand ist nach § 105 Abs. 1 AktG unzulässig. Ausnahmsweise darf der Aufsichtsrat nach § 105 Abs. 2 Satz 1 AktG eines seiner Mitglieder zum Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern bestellen, wenn das vertretene Vorstandsmitglied fehlt oder sein Amt nicht ausüben kann. Die Bestellungsdauer muss zeitlich begrenzt sein und darf insgesamt ein Jahr nicht übersteigen. Die Inkompatibilität von Geschäftsführung und Überwachung erstreckt sich nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut auch auf Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern, Prokuristen und zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte.
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Prokurist ist jeder, dem gemäß § 48 Abs. 1 HGB Prokura erteilt worden ist. Soweit die Gesellschaft dem MitbestG untersteht, ist hinsichtlich der Mitgliedschaft von Prokuristen als Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat die mitbestimmungsrechtliche Sonderregelung in § 6 Abs. 2 Satz 2 MitbestG zu beachten. Danach scheidet ein Prokurist als Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer aus, wenn er dem Vorstand unmittelbar unterstellt ist und sich seine Prokura über den gesamten Geschäftsbereich des Vorstands erstreckt und nicht im Innenverhältnis auf ein Ressort beschränkt ist2. Wählbar ist damit z.B. ein Prokurist, dem nur Prokura für eine Zweigniederlassung erteilt wurde oder dessen Prokura im Innenverhältnis ungeachtet ihrer Unteilbarkeit im Außenverhältnis (§ 50 Abs. 2 HGB) auf einen bestimmten Geschäftsbereich beschränkt ist3. Für die Besetzung des mitbestimmten Aufsichtsrates nach dem DrittelbG, MontanMitbestG oder MitbestErgG bleibt es mangels mitbestimmungsrechtlicher Sonderregelungen bei dem Verbot gemäß § 105 Abs. 1 AktG4. Nach § 105 Abs. 1 AktG ist ein zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter ebenfalls von der Wahl ausgeschlossen. Die Regelung stellt ab auf die nach den Vorstellungen des Gesetzes (§ 54 Abs. 1 HGB) organisatorisch unterhalb der Ebene des Prokuristen tätigen Personen. Sie erfasst jedoch erst
1 von Caemmerer in FS Geßler, 1971, S. 81, 89; Hüffer, § 100 AktG Rz. 5; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 AktG Rz. 28; Stein, AG 1983, 49, 50. 2 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 6 MitbestG Rz. 49; Raiser, § 6 MitbestG Rz. 53; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 6 MitbestG Rz. 52. 3 Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 6 MitbestG Rz. 15; Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler, MitbestR, § 6 MitbestG Rz. 52. 4 Hüffer, § 105 AktG Rz. 3; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 105 AktG Rz. 17.
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recht den Generalbevollmächtigten, der in der Unternehmenshierarchie über der Ebene der Prokuristen unmittelbar unterhalb des Vorstandes angesiedelt ist1. Wird ein Vorstandsmitglied trotz bestehender Inkompatibilität zum Mitglied des Aufsichtsrates gewählt (Gleiches gilt umgekehrt für ein Aufsichtsratsmitglied bezüglich der Bestellung zum Mitglied des Vorstandes), so ist die Wahl gemäß § 134 BGB unwirksam, wenn die gleichzeitige Wahrnehmung beider Funktionen entgegen dem Verbot des § 105 Abs. 1 AktG beabsichtigt ist2. Im Regelfall wird die Aufgabe des früheren Amtes gewollt sein. In diesem Fall ist die Wahl schwebend unwirksam, bis der Zustand der Inkompatibilität beseitigt ist, sei es durch Ablauf der regulären Amtszeit oder durch vorzeitige Amtsniederlegung3. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Antritts des neuen Amtes an. Wird die Inkompatibilität nicht rechtzeitig beseitigt, ist die zunächst schwebend unwirksame Wahl endgültig unwirksam (§ 250 Abs. 1 Nr. 4 AktG)4.
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ee) Satzungsmäßige Wählbarkeitsvoraussetzungen. § 100 Abs. 4 AktG wie auch § 6 Abs. 2 Satz 2 MitbestG sowie die §§ 2, 3 Abs. 2 und 5 MontanMitbestG erlauben, durch Regelungen in der Satzung persönliche Anforderungen für die Aufsichtsratsmitglieder aufzustellen, soweit diese von der Hauptversammlung ohne Bindung an Wahlvorschläge gewählt oder auf Grund einer Satzungsbestimmung in den Aufsichtsrat entsandt werden. Der Grundsatz der freien Auswahl der Hauptversammlung muss jedoch erhalten bleiben und darf nicht mittels einer inhaltlichen Konkretisierung zu einem faktischen Entsendungsrecht ohne satzungsmäßige Legitimation umfunktioniert werden5. Für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer gilt eine derartige Satzungsbestimmung nicht6.
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Die satzungsmäßigen Wählbarkeitsvoraussetzungen eines Aufsichtsratsmitglieds können sich z.B. auf seine Aktionärseigenschaft, die deutsche Staatsangehörigkeit, das Alter7 aber auch auf bestimmte am Unternehmensgegenstand ausgerichtete besonders wichtige Sachkenntnisse beziehen, sich an der Vermeidung von Interessenkonflikten der Aufsichtsratsmitglieder orientieren8 oder die Wiederwahl beschränken9. Zulässig ist auch die Übernahme der Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex in die Satzung, die dieser hinsichtlich der Wählbarkeit von Aufsichtsratsmitgliedern enthält, so dass gewährleistet ist, dass z.B. eine Altersgrenze für die Aufsichtsratsmitglieder besteht (Ziff. 5.4.1 Deutscher Corporate Governance Kodex), dem Aufsichtsrat nicht mehr als zwei ehemalige Vorstandsmitglieder angehö-
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1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 6; Hüffer, § 105 AktG Rz. 4. 2 Hüffer, § 105 AktG Rz. 6; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 105 AktG Rz. 19. 3 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 5; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 250 AktG Rz. 26. 4 Hüffer, § 105 AktG Rz. 6; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 100 AktG Rz. 29. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 12a; Hüffer, § 105 AktG Rz. 9; Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats, S. 113. 6 Hüffer, § 105 AktG Rz. 10; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 100 AktG Rz. 27. 7 Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats, S. 114; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 100 AktG Rz. 104; kritisch gegenüber einer solchen Altersgrenze z.B. Dreher in Corporate Governance, S. 33, 41; Schwark in Corporate Governance, S. 75, 104. Peltzer, Deutsche Corporate Governance, S. 177 will stattdessen die Altersgrenze in die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates aufnehmen. 8 Siehe Dreher in FS Boujong, 1996, S. 71, 74; Dreher, JZ 1990, 896, 904; Hoffmann-Becking in FS Havermann, 1995, S. 229, 233. 9 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 12a; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 100 AktG Rz. 104.
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ren (Ziff. 5.4.2 Deutscher Corporate Governance Kodex) und keine Personen in den Aufsichtsrat gewählt werden können, die Vorstandsmitglied einer börsennotierten Gesellschaft sind und bereits fünf Aufsichtsratsmandate in börsennotierten Gesellschaften innehaben (Ziff. 5.4.5 Deutscher Corporate Governance Kodex) oder Organfunktionen oder Beratungsaufgaben bei einem wesentlichen Wettbewerber wahrnehmen (Ziff. 5.4.2 Deutscher Corporate Governance Kodex; siehe auch unten Rz. 18)1. Hat die Gesellschaft diese Empfehlungen des Kodex in die Satzung aufgenommen, muss der Aufsichtsrat dies bereits beim Beschluss über den Wahlvorschlag an die Hauptversammlung nach § 124 Abs. 3 AktG berücksichtigen. Ein Hauptversammlungsbeschluss, der die in der Satzung enthaltenen persönlichen Anforderungen für die Übernahme eines Aufsichtsratsmandats missachtet, ist gemäß § 251 Abs. 1 AktG anfechtbar2. Fallen bei einem Aufsichtsratsmitglied die nach der Satzung erforderlichen persönlichen Voraussetzungen nachträglich weg, kommt nur eine Abberufung aus wichtigem Grund nach § 103 Abs. 3 AktG in Betracht3. c) Besondere Voraussetzungen für Arbeitnehmervertreter 16
Die besonderen Wählbarkeitsvoraussetzungen für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer, die neben den allgemeinen Wählbarkeitsvoraussetzungen zu berücksichtigen sind, sind in den mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften niedergelegt (§ 4 Abs. 3 DrittelbG, § 7 Abs. 2 MitbestG, § 7 Abs. 3 MitbestG i.V.m. § 8 BetrVG, § 7 Abs. 4 MitbestG, § 4 Abs. 2, § 6 Abs. 1 MontanMitbestG, §§ 5 und 6 MontanMitbestErgG). d) Unvereinbarkeit des Aufsichtsratsmandates
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Die Unabhängigkeit der Mitglieder des Aufsichtsrates ist ein zentrales Gebot einer effizienten Überwachung. Das AktG enthält jedoch kein Verbot der gleichzeitigen Mitgliedschaft in den Aufsichtsräten von konkurrierenden Unternehmen4. In der Tagesordnung der Hauptversammlung ist der tatsächlich ausgeübte Beruf der Aspiranten anzugeben. Die Mitteilung an die Aktionäre nach § 125 AktG muss bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung auch Angaben zu deren Mandaten in gesetzlich zu bildenden Aufsichtsräten anderer Gesellschaften enthalten. Ohnehin kann die Feststellung eines wesentlichen Konkurrenzverhältnisses angesichts der breiten Diversifikation vieler Unternehmen Schwierigkeiten bereiten5. Entscheidet sich die Mehrheit der Aktionäre in der Hauptversammlung für den vorgeschlagenen Kandidaten in voller Kenntnis seiner gleichzeitigen Tätigkeit bei einem anderen Unternehmen, ist diese Wahl nach der Konzeption des AktG uneingeschränkt wirksam6. Die EU-Kommission hat Empfehlungen zur Unabhängigkeit 1 Vgl. dazu generell Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats, S. 114; vgl. auch Lieder, NZG 2005, 569; Wirth, ZGR 2005, 327, 343. 2 Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 251 AktG Rz. 4; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 100 AktG Rz. 117; Raiser, § 6 MitbestG Rz. 26. 3 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 100 AktG Rz. 129; Hüffer, § 100 AktG Rz. 11; Reichert/Schlitt, AG 1995, 241, 252; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 AktG Rz. 50. 4 OLG Flensburg v. 26.4.2004 – 2 W 46/04 – „Mobilcom“, AG 2004, 453, 454; Hoffman-Becking in FS Havermann, 1995, S. 229, 233; Wiedemann, Organverantwortung, S. 30; Uwe H. Schneider, BB 1995, 365, 366; Dreher, JZ 1990, 896, 900; a.A. Lutter in FS Beusch, 1993, S. 509, 517; Säcker in FS Rebmann, 1989, S. 781, 788; Reichert/Schlitt, AG 1995, 241, 244. 5 Peltzer, Deutsche Corporate Governance, Rz. 284. 6 Hüffer, § 105 AktG Rz. 13b; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 5; a.A. Lutter in FS Beusch, 1993, S. 509, 518; Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats, S. 116; Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 299.
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von Aufsichtsratsmitgliedern veröffentlicht1. Nach Ziff. 5.4.2 Deutscher Corporate Governance Kodex soll dem Aufsichtsrat eine nach seiner Einschätzung ausreichende Zahl von unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern angehören, wobei grundsätzlich ein Mitglied ausreicht2. Nach dem Entwurf des BilMoG (§ 100 Abs. 5 AktG) müssen kapitalmarktorientierte Unternehmen gemäß § 100 Abs. 5 AktG sicherstellen, dass dem Aufsichtsrat mindestens ein unabhängiges Mitglied angehört, das zudem über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügt. Ziff. 5.4.2 Deutscher Corporate Governance Kodex enthält die Empfehlung, dass kein Aufsichtsratsmitglied Organfunktionen oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern übernehmen soll. Der Begriff des wesentlichen Wettbewerbers wird im Kodex nicht näher präzisiert. Angesichts der regelmäßig üblichen breiten Diversifikation von Unternehmen und der Tatsache, dass Aufsichtsratsmitglieder den Aufsichtsräten mehrerer Unternehmen angehören dürfen (vgl. § 100 Abs. 2 Nr. 1 AktG), ist der Begriff im Zweifel eng auszulegen. Man wird darunter Unternehmen zu verstehen haben, die identische Tätigkeitsfelder zu ihrem Kerngeschäft zählen, unabhängig davon, ob sie in diesen Gebieten bereits tätig sind oder sie erst erschließen wollen3. Hat der Aufsichtsrat die Beachtung dieser Kodex-Empfehlung einstimmig in seine Geschäftsordnung übernommen und damit Individualpflichten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder begründet oder besteht bereits eine entsprechende Satzungsbestimmung, ist ein Aufsichtsratsmitglied verpflichtet, sein Mandat niederzulegen, wenn es in einem Konkurrenzunternehmen in den Vorstand oder Aufsichtsrat eintreten oder für dieses Beratungsaufgaben übernehmen will.
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2. Bestellung des Aufsichtsratsmitglieds a) Wahl durch die Hauptversammlung aa) Tagesordnung der Hauptversammlung. Die Wahl der Vertreter der Anteilseigner obliegt nach §§ 101 Abs. 1, 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG der Hauptversammlung. Stehen Aufsichtsratswahlen an, muss in die Tagesordnung der Hauptversammlung der Tagesordnungspunkt „Aufsichtsratswahlen“ aufgenommen werden und nach § 124 Abs. 2 Satz 1 AktG auch angegeben werden, nach welchen gesetzlichen Vorschriften sich der Aufsichtsrat zusammensetzt und ob die Hauptversammlung an Wahlvorschläge gebunden ist.
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Nach § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG ist in der Tagesordnung der Hauptversammlung ein Wahlvorschlag des Aufsichtsrates zu unterbreiten. Nach Ziff. 5.3.3 Deutscher Corporate Governance Kodex soll für die Erarbeitung der Wahlvorschläge ein allein von den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner besetzter Nominierungsausschuss gebildet werden4. Dem Vorstand steht das Vorschlagsrecht nicht zu. Ein dennoch erfolgter Wahlvorschlag des Vorstandes kann sogar zur Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses führen5. Der Beschluss des Aufsichtsrates über den Wahlvorschlag bedarf lediglich der Mehrheit der Stimmen der Aufsichtsratsmitglieder Anteilseigner
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1 Vgl. dazu Habersack, ZHR 168 (2004), 373, 374; Maul/Lanfermann, BB 2004, 1861, 1862. 2 Hüffer, ZIP 2006, 637, 641; Lieder, NZG 2005, 569, 570; E. Vetter, BB 2005, 1689, 1690; weitergehend Leyens, Information, S. 322. 3 Vgl. auch Reichert/Schlitt, AG 1995, 241, 247; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 6; ähnlich Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 20 ff. 4 Vgl. dazu E. Vetter, DB 2007, 1963, 1967. 5 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 49/01 – „Hypo-Vereinsbank“, AG 2003, 319, 320; OLG Hamm v. 7.1.1985 – 8 U 47/84, AG 1986, 260, 261; Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats, S. 129; Semler in MünchHdb. AG, § 35 Rz. 56; einschränkend Hüffer, § 124 AktG Rz. 13.
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(§ 124 Abs. 3 Satz 4 AktG). Im Hinblick auf die gemeinsame Verantwortung aller Aufsichtsratsmitglieder zur qualifizierten Besetzung des Aufsichtsrates sind die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer jedoch zur Teilnahme an den Beratungen des Aufsichtsrates berechtigt1. Den Wahlvorschlag hat der Aufsichtsrat nach pflichtgemäßem Ermessen zu erarbeiten2. 21
Der Wahlvorschlag hat nach § 124 Abs. 3 Satz 3 den Namen, ausgeübten Beruf und den Wohnort der zur Wahl vorgeschlagenen Personen anzugeben. Darüber hinaus sind bei börsennotierten Gesellschaften in der Mitteilung an die Aktionäre nach § 125 Abs. 1 AktG auch Angaben zu Mitgliedschaften in anderen gesetzlich zu bildenden Aufsichtsräten erforderlich. Zusätzlich sollen auch Angaben zu anderen vergleichbaren in- und ausländischen Kontrollgremien beigefügt werden3. Verstöße gegen die Anforderungen nach §§ 124 Abs. 3 Satz 3 und 125 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 AktG führen zur Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses, sofern nicht die Relevanz für den Hauptversammlungsbeschluss verneint werden muss4. Ein Verstoß gegen die Sollvorschrift des § 125 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 AktG bleibt sanktionslos5.
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bb) Beschlussfassung der Hauptversammlung. Versäumt der Aufsichtsrat die Unterbreitung eines Wahlvorschlages an die Hauptversammlung entgegen § 124 Abs. 3 AktG oder fehlt es an anderen Voraussetzungen der ordnungsgemäßen Bekanntmachung, darf die Hauptversammlung keinen Beschluss fassen (§ 124 Abs. 4 Satz 1 AktG). Ein dennoch getroffener Hauptversammlungsbeschluss über die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder ist wegen nicht ordnungsmäßiger Bekanntmachung des Tagesordnungspunktes anfechtbar6, es sei denn, dass der Fehler für den Hauptversammlungsbeschluss nicht relevant war. Angesichts des organisatorischen und finanziellen Aufwandes der Einberufung einer neuen Hauptversammlung wird der Versammlungsleiter bei weniger schwerwiegenden Einberufungsmängeln jedoch stets abzuwägen haben, ob die Beschlussfassung bei Inkaufnahme des Anfechtungsrisikos vertretbar ist, wenn etwa realistischerweise wegen des Formfehlers mit einer Anfechtung nicht zu rechnen ist7.
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Die Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrates bedarf eines Beschlusses der Hauptversammlung mit einfacher (absoluter) Stimmenmehrheit, sofern die Satzung nicht gemäß § 133 Abs. 2 AktG eine höhere oder niedrigere Mehrheit (z.B. relative Mehrheit) vorsieht8. Die gesetzliche Regelung eröffnet einem Aktionär, der über die Mehrheit der Stimmen in der Hauptversammlung verfügt, die Möglichkeit, alle zur Wahl stehenden Aufsichtsratspositionen mit Personen seines Vertrauens zu besetzen und sich auch selbst zu wählen, ohne dabei auf Interessen von Minderheitsaktionären Rück-
1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 14; a.A. Hüffer, § 124 AktG Rz. 17; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 35 MitbestG Rz. 21. 2 Vgl. auch Leyens, Information, S. 303. 3 Vgl. dazu eingehend Mülbert/Bux, WM 2000, 1665. 4 Hüffer, § 124 AktG Rz. 18; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 124 AktG Rz. 98. 5 Hüffer, § 125 AktG Rz. 10; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 125 AktG Rz. 46. 6 Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 124 AktG Rz. 46; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 124 AktG Rz. 100. 7 Ebenso Hüffer, § 124 AktG Rz. 18; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 124 AktG Rz. 101; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 124 AktG Rz. 42. 8 BGH v. 13.3.1980 – II ZR 54/78, BGHZ 76, 191, 193; BGH v. 14.11.1988 – II ZR 82/88, AG 1989, 87, 88; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 133 AktG Rz. 78; Semler in MünchHdb. AG, § 39 Rz. 83; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 133 AktG Rz. 92, 93.
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sicht nehmen zu müssen1. Bei börsennotierten Gesellschaften ist Ziff. 5.4.2 Satz 1 Deutscher Corporate Governance Kodex zu beachten2. Dies führt dazu, dass dem Aufsichtsrat mindestens ein unabhängiges Mitglied angehört. Das AktG schreibt für die Aufsichtsratswahl kein bestimmtes Abstimmungsverfahren vor. Zur Verfahrenskonzentration ist in der Praxis allgemein die so genannte Global- oder Listenwahl3 üblich. Dabei wird der Wahlvorschlag des Aufsichtsrates zur Besetzung der vakanten Positionen insgesamt (en bloc) zur Abstimmung gestellt. Das Verfahren, auch Blockwahl genannt, ist zulässig4, da nach dem Gesetz keine gesonderte Abstimmung für jede einzelne Aufsichtsratsposition erforderlich ist und bei mehrheitlicher Annahme des Wahlvorschlages alle in der Liste genannten Personen gewählt sind. Aktionäre, die nicht der Wahl aller vorgeschlagenen Kandidaten zustimmen wollen, sind danach gezwungen die Liste insgesamt abzulehnen oder ihre Ablehnung einzelner Personen bei ihrer Wahlentscheidung zurück zu stellen. Der Versammlungsleiter ist zur Vermeidung von Missverständnissen verpflichtet5, vor der Abstimmung die Unterschiede zwischen der Globalwahl und der Einzelwahl zu erläutern und darauf hinzuweisen, dass eine Beschlussfassung der Hauptversammlung zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder im Wege der Einzelabstimmung nur dann stattfindet, wenn zuvor der Globalvorschlag von der Hauptversammlung mit Mehrheit abgelehnt worden ist. Das LG München6 verlangt auf Antrag eines einzigen Aktionärs die Durchführung der Einzelwahl der Aufsichtsratsmitglieder. Dies lässt sich jedoch weder dem AktG noch der Rechtsprechung des BGH7 entnehmen. Bei börsennotierten Gesellschaften findet gemäß der Empfehlung in Ziff. 5.4.3 Satz 1 Deutscher Corporate Governance Kodex – aber auch aus Vorsichtsgründen – meist eine Einzelwahl statt8.
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Jeder Aktionär kann der Hauptversammlung einen Gegenvorschlag zur Wahl des Aufsichtsrates unterbreiten. Unabhängig von den Erfolgsaussichten eines solchen Vorschlags hat er nach § 137 AktG bei der Beschlussfassung Priorität gegenüber dem Vorschlag des Aufsichtsrates, wenn er gemäß § 127 i.V.m. §§ 125, 126 AktG erfolgt ist, in der Hauptversammlung beantragt und von einer Minderheit von 10 % des vertretenen Grundkapitals unterstützt wird. War der Gegenvorschlag vorher nicht gemäß § 127 i.V.m. §§ 125, 126 AktG angekündigt, sondern wird er erstmals in der Hauptversammlung gestellt, genießt das Minderheitsverlangen keine Priorität9. Die Reihen-
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1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 15; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 100 AktG Rz. 14; Timm, NJW 1987, 977, 986; vgl. auch BGH v. 7.6.1962 – II ZR 131/61, AG 1962, 216, 217; LG Mannheim v. 17.1.1990 – 21 O 9/89, AG 1991, 29; a.A. OLG Hamm v. 3.11.1986 – 8 U 59/86 – „Banning“, AG 1987, 38. 2 Vgl. Hüffer, ZIP 2006, 637, 642; Lieder, NZG 2005, 569, 572; E. Vetter, BB 2005, 1689, 1691. 3 Vgl. zum Begriff Austmann in FS Sandrock, 1995, S. 277, 278; Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats, S. 187; Semler in MünchHdb. AG, § 39 Rz. 81; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, S. 367. 4 LG Dortmund v. 29.6.1966 – 10 O 191/66, AG 1968, 390, 391; LG Hamburg v. 11.1.1968 – 28 O 211/67, DB 1968, 302; Hüffer, § 101 AktG Rz. 6; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 101 AktG Rz. 16; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 19; Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats, S. 186 ff.; Dietz, BB 2004, 452, 454. 5 BGH v. 21.7.2003 – II ZR 109/02 – „Deutsche Hypothekenbank“, BGHZ 156, 38, 40; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 19; Hüffer, § 101 AktG Rz. 6; Austmann in FS Sandrock, 1995, S. 277, 282. 6 LG München I v. 15.4.2004 – 5 HKO 10813/03 – „Hypo-Vereinsbank“, AG 2004, 330. 7 BGH v. 21.7.2003 – II ZR 109/02 – „Deutsche Hypothekenbank“, BGHZ 156, 38, 40. 8 Vgl. Hüffer, ZIP 2006, 637, 643; E. Vetter, BB 2005, 1689, 1692. 9 Hüffer, § 137 AktG Rz. 2; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 137 AktG Rz. 8; Steiner, Hauptversammlung, S. 134.
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folge der Abstimmung über die Wahlvorschläge liegt vielmehr im Ermessen des Versammlungsleiters, es sei denn, dass die Hauptversammlung die Abstimmungsreihenfolge beschließt1. b) Wahl durch die Belegschaft 26
Die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer bestimmt sich nach den jeweils auf die Gesellschaft anzuwendenden mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften (vgl. §§ 5 ff. DrittelbG2, §§ 10 ff. und §§ 18 ff. MitbestG3 nebst drei Wahlordnungen4 oder § 6 MontanMitbestG5). c) Entsendung
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aa) Form. Die Satzung kann gemäß § 101 Abs. 2 AktG ein Recht zur Entsendung von Mitgliedern in den Aufsichtsrat vorsehen. In Betracht kommt entweder ein Entsendungsrecht für bestimmte in der Satzung namentlich genannte Aktionäre (§ 101 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AktG) oder für die Inhaber bestimmter Aktien (§ 101 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AktG), wobei das Inhaberentsendungsrecht nur in der Verbindung mit der Ausgabe von vinkulierten Namensaktien zulässig ist. Das Entsendungsrecht ist ein Sonderrecht im Sinne von § 35 BGB und kann dem Berechtigten nur durch Satzungsänderung und nicht gegen seinen Willen entzogen werden. Das an bestimmte Namensaktien geknüpfte Entsendungsrecht kann zusammen mit diesen übertragen werden. Das Recht zur Entsendung von Mitgliedern in den Aufsichtsrat ist durch Höchstzahl begrenzt auf ein Drittel der Mitglieder, aus denen der Aufsichtsrat nach Gesetz oder Satzung zu bestehen hat (§ 101 Abs. 2 Satz 4 AktG).
28
bb) Rechtsstellung. Das Entsendungsrecht wird ausgeübt durch Mitteilung des berechtigten Aktionärs gegenüber dem Vorstand. Das entsandte Mitglied hat die gleichen Rechte und Pflichten wie die übrigen Mitglieder des Aufsichtsrates und ist nur dem Unternehmensinteresse und insbesondere keinen Weisungen des Entsendungsberechtigten unterworfen6. Der Entsendungsberechtigte kann das entsandte Mitglied jedoch nach § 103 Abs. 2 Satz 1 AktG ohne wichtigen Grund jederzeit abberufen7. d) Ersatzmitglieder
29
aa) Bedeutung. § 111 Abs. 5 AktG verlangt, dass Aufsichtsratsmitglieder ihr Amt persönlich wahrnehmen und schließt in § 101 Abs. 3 Satz 1 AktG im Gegensatz zu anderen Rechtsordnungen Stellvertreter von Aufsichtsratsmitgliedern aus. Zulässig ist nach § 101 Abs. 3 Satz 2 AktG die Wahl eines Ersatzmitglieds, das automatisch in den Auf1 LG Hamburg v. 11.1.1968 – 28 O 211/67, DB 1968, 302; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 21; Hüffer, § 137 AktG Rz. 3; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 101 AktG Rz. 45; a.A. Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 533. 2 Vgl. dazu Fuchs/Köstler, Handbuch zur Aufsichtsratswahl, 3. Aufl. 2004; Seibt, NZA 2004, 767 ff. 3 Vgl. dazu Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 9 MitbestG Rz. 8; Raiser, vor § 9 MitbestG Rz. 23. 4 Fuchs/Köstler, Handbuch zur Aufsichtsratswahl, 3. Aufl. 2004; Wienke/Podewin/Prinz/Schöne, Die Wahlordnungen zum MitbestG, 2002; Wolff, DB 2002, 790. 5 Vgl. dazu Engels, BB 1981, 1349, 1357; Henssler in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, vor § 9 MitbestG Rz. 1. 6 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 22; Hüffer, § 101 AktG Rz. 10; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 101 AktG Rz. 55. 7 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 103 AktG Rz. 29; Hüffer, § 103 AktG Rz. 7.
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sichtsrat nachrückt, wenn der Aufsichtsratssitz, z.B. durch Tod oder Mandatsniederlegung des Aufsichtsratsmitglieds, vakant geworden ist, sofern im Zeitpunkt des Nachrückens die persönlichen Mandatsvoraussetzungen erfüllt sind und sich das Ersatzmitglied nicht ausdrücklich die Annahme des Mandates für den Ersatzfall vorbehalten hat1. Die Wahl von Ersatzmitgliedern kommt sowohl für die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner wie auch der Arbeitnehmer2 in Betracht und wird in der Unternehmenspraxis insbesondere seit Einführung der paritätischen Mitbestimmung von beiden Seiten des Aufsichtsrates vielfach genutzt. Lediglich für das weitere „neutrale“ Mitglied nach dem MontanMitbestG oder MitbestErgG kann kein Ersatzmitglied bestellt werden. Die Wahl von Ersatzmitgliedern sichert der Anteilseignerseite bei paritätischer Besetzung des Aufsichtsrates die Möglichkeit der leichten Stimmenmehrheit durch das Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden ohne Inanspruchnahme einer gerichtlichen Bestellung; für die Arbeitnehmervertreter ermöglicht sie bei einer Vakanz ein sofortiges Nachrücken unter Vermeidung des komplizierten und langwierigen Wahlverfahrens.
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bb) Verfahren. Das Ersatzmitglied kann nach § 101 Abs. 3 Satz 3 AktG nur gleichzeitig mit dem Aufsichtsratsmitglied und auf demselben Weg gewählt werden, d.h. durch dieselbe Hauptversammlung hinsichtlich der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner oder, soweit es um Ersatzmitglieder der Arbeitnehmer geht, durch die Belegschaft in derselben Wahl nach den jeweils anzuwendenden mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften3.
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Ungeachtet des Wortlautes von § 101 Abs. 3 Satz 2 AktG besteht allgemeine Einigkeit, dass ein Ersatzmitglied nicht nur für ein bestimmtes Aufsichtsratsmitglied, sondern auch für mehrere Aufsichtsratsmitglieder gewählt werden kann4. Es rückt dann nach, wenn eines dieser Aufsichtsratsmitglieder wegfällt. Zulässig ist es auch, eine Liste mit mehreren Ersatzmitgliedern für ein Aufsichtsratsmitglied zu bestellen, sofern bereits bei der Bestellung festgelegt wird, welches Ersatzmitglied in den Aufsichtsrat nachrückt5.
32
Ist das Ersatzmitglied nach Wegfall eines Aufsichtsratsmitglieds in den Aufsichtsrat nachgerückt, bleibt es grundsätzlich für die gesamte restliche Amtszeit des weggefallenen Aufsichtsratsmitglieds im Amt. In jedem Fall erlischt das Amt spätestens mit Ablauf der Amtszeit des weggefallenen Aufsichtsratsmitglieds (§ 102 Abs. 2 AktG). In der Praxis wird jedoch meist durch Satzungsregelung bestimmt, dass das Amt des Nachgerückten vorzeitig endet, nämlich sobald die Hauptversammlung einen Nachfolger für das vorzeitig weggefallene Aufsichtsratsmitglied gewählt hat6.
33
Im Falle der satzungsmäßigen Beendigung des Amts des in den Aufsichtsrat nachgerückten Ersatzmitglieds durch Nachwahl eines Aufsichtsratsmitglieds ist für den Hauptversammlungsbeschluss dieselbe Mehrheit erforderlich wie für die Abberufung
34
1 Im Ergebnis ähnlich Hüffer, § 101 AktG Rz. 13; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 1034; Rellermeyer, ZGR 1987, 563, 576. 2 Ausdrückliche Ausnahme nach § 101 Abs. 3 Satz 2 AktG: das weitere „neutrale“ Mitglied gemäß § 8 Abs. 1 MontanMitbestG oder § 5 Abs. 3 MitbestErgG. 3 Hüffer, § 101 AktG Rz. 12; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 1031; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 101 AktG Rz. 74. 4 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86 – „Heidelberger Zement“, BGHZ 99, 211, 220; Bommert, AG 1986, 315, 320; Heinsius, ZGR 1982, 232, 237; Rellermeyer, ZGR 1987, 563, 566. 5 Bommert, AG 1986, 315, 320; Raiser, § 6 MitbestG Rz. 29; Rellermeyer, ZGR 1987, 563, 566. 6 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86 – „Heidelberger Zement“, BGHZ 99, 211, 218; Hoffmann/ Preu, Aufsichtsrat, Rz. 707; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 101 AktG Rz. 89.
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Aufsichtsrat
eines Aufsichtsratsmitglieds1. Soweit in der Satzung nicht von der Möglichkeit nach § 103 Abs. 1 Satz 3 AktG Gebrauch gemacht worden ist, eine geringere Mehrheit vorzusehen, ist also für die Neuwahl gemäß § 103 Abs. 1 Satz 2 AktG generell eine Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. 35
Die Satzung kann für den Fall der Wahl eines Nachfolgers des weggefallenen Aufsichtsratsmitglieds auch bestimmen, dass der ursprüngliche Status des nachgerückten „ehemaligen“ Ersatzmitglieds hinsichtlich der übrigen Aufsichtsratsmitglieder, für die es ursprünglich ebenfalls bestellt war, nach seinem Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat wieder auflebt, so dass innerhalb einer Amtsperiode des Aufsichtsrates auch ein mehrmaliges Nachrücken möglich ist2.
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cc) Rechtsstellung. Die Wahl zum Ersatzmitglied hat aufschiebenden Charakter; die Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied erfolgt unter der aufschiebenden Bedingung des Wegfalls eines Aufsichtsratsmitglieds3. Ersatzmitglieder sind deshalb bis zu ihrem Nachrückens keine Aufsichtsratsmitglieder; sie sind gegenüber der Gesellschaft wie außenstehende Dritte zu behandeln4. Die Ersatzmitglieder haben insbesondere keine Auskunftsrechte gegenüber dem Vorstand. Vorstand und Aufsichtsrat sind ihnen gegenüber vielmehr zur Verschwiegenheit verpflichtet, es sei denn, sie geben ihnen vertrauliche Informationen im Hinblick auf ihr bevorstehendes Nachrücken auf einen in absehbarer Zeit freiwerdenden Aufsichtsratssitz. Dann ist das Ersatzmitglied analog §§ 116, 93 AktG zur Verschwiegenheit verpflichtet5.
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Nach Eintritt in den Aufsichtsrat hat das Ersatzmitglied die gleichen Rechte und Pflichten wie die anderen Aufsichtsratsmitglieder6. e) Gerichtliche Bestellung
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aa) Bedeutung. Im Fall der unvollständigen Besetzung des Aufsichtsrates eröffnet § 104 AktG die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen den Aufsichtsrat zur Sicherstellung seiner Funktionsfähigkeit durch gerichtlichen Beschluss zu ergänzen. Die gerichtliche Bestellung kommt sowohl für die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner wie die der Arbeitnehmer in Betracht, wenn sofortige Abhilfe erforderlich ist, um die Handlungsfähigkeit des beschlussunfähigen Aufsichtsrates herbeizuführen (§ 104 Abs. 1 AktG), zur Sicherung der vollständigen Besetzung des paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrates (§ 104 Abs. 3 AktG) oder wenn der Aufsichtsrat für einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten unvollständig besetzt ist (§ 104 Abs. 2 AktG). Als vorsorgliche 1 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86 – „Heidelberger Zement“, BGHZ 99, 211, 216; BGH v. 29.6.1987 – II ZR 242/86 – „Strabag“, AG 1987, 348, 349; BGH v. 25.1.1988 – II ZR 148/87 – „Allianz Leben“, AG 1988, 139; Hüffer, § 101 AktG Rz. 13a; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 1036; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 101 AktG Rz. 90. 2 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86 – „Heidelberger Zement“, BGHZ 99, 211, 214; Hoffmann/ Preu, Aufsichtsrat, Rz. 707. 3 OLG Karlsruhe v. 10.12.1985 – 8 U 107/85 – „Heidelberger Zement“, AG 1986, 168, 169; Bommert, AG 1986, 315, 317; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 101 AktG Rz. 84; Rellermeyer, ZGR 1987, 563, 571. 4 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 1039; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 101 AktG Rz. 78; Rellermeyer, ZGR 1987, 563, 567. 5 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 1039; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 101 AktG Rz. 78. 6 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86 – „Heidelberger Zement“, BGHZ 99, 211, 216; BGH v. 29.6.1987 – II ZR 242/86 – „Strabag“, AG 1987, 348, 349; BGH v. 25.1.1988 – II ZR 148/87 – „Allianz Leben“, AG 1988, 139; BGH v. 14.11.1988 – II ZR 82/88, AG 1989, 87, 88; Hüffer, § 101 AktG Rz. 12; Volhard in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 19 Rz. 27.
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Begründung, Dauer und Beendigung
Maßnahme kommt auch die aufschiebend bedingte gerichtliche Bestellung in Betracht, wenn die Aufsichtsratswahl angefochten worden ist. Die gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds kommt in Betracht, wenn die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrates betroffen ist und ein Ersatzmitglied nicht zur Verfügung steht und für die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds der Anteilseigner nicht bis zur nächsten Hauptversammlung zugewartet werden soll oder auch wenn das aufwendige und langwierige Verfahren zur Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds der Arbeitnehmer vermieden werden soll.
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bb) Voraussetzungen. Im Falle der Beschlussunfähigkeit muss der Vorstand die gerichtliche Ergänzung unverzüglich beantragen, es sei denn, bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung ist mit einer Ergänzung zu rechnen (§ 104 Abs. 1 Satz 1 AktG). Ist der Aufsichtsrat unvollständig besetzt aber gleichwohl noch beschlussfähig, ist es, von Dringlichkeitsfällen abgesehen, erforderlich, dass die Vakanz im Aufsichtsrat mehr als drei Monate bestanden hat (§ 104 Abs. 2 AktG)1. Die Dringlichkeit ist dann anzunehmen, wenn im Aufsichtsrat Entscheidungen von besonderer Bedeutung anstehen, das reguläre Verhältnis zwischen den im Aufsichtsrat vertretenen Gruppen nicht mehr besteht und dies Einfluss auf das Beschlussergebnis haben kann2. Dies kann die Wahl eines neuen Aufsichtsratsvorsitzenden oder Stellvertreters3, der Beschluss über die Bestellung oder Abberufung eines Vorstandsmitglieds wie auch eine wichtige Strukturentscheidung sein4. Beim paritätisch mitbestimmten Gesellschaften ist nach § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG stets ein dringender Fall gegeben, wenn der Aufsichtsrat – abgesehen vom weiteren „neutralen“ Mitglied nach dem MontanMitbestG oder dem MitbestErgG – unvollständig besetzt ist.
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cc) Antragsberechtigung. Die gerichtliche Bestellung kann nach § 104 Abs. 1 Satz 1 AktG sowohl vom Vorstand, jedem Aufsichtsratsmitglied als auch von jedem Aktionär beantragt werden. Die Antragsbefugnis schließt das Recht ein, Personalvorschläge für die Bestellung zu unterbreiten. Für den Antrag des Vorstandes ist Unterzeichnung in vertretungsberechtigter Zahl ausreichend. Bei mitbestimmten Gesellschaften steht die Antragsbefugnis für Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer darüber hinaus auch den in § 104 Abs. 1 Satz 3 AktG genannten Arbeitnehmervertretungen und einer Mindestzahl von Arbeitnehmern zu.
41
dd) Verfahren. Zuständig ist das Amtsgericht am Sitz der Gesellschaft. Die Entscheidung ergeht im FGG-Verfahren bzw. nach dem 1.9.2009 im Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gesichtsbarkeit durch Beschluss. Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen ohne Bindung an den Vorschlag des Antragstellers5, folgt ihm in der Praxis jedoch regelmäßig. Das Gericht hat nach § 104 Abs. 4 Satz 3 AktG in jedem Fall darauf zu achten, dass die gesetzlichen Vo-
42
1 Vgl. auch LG Wuppertal v. 24.6.1969, AG 1970, 174, 175; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 104 AktG Rz. 13. 2 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 104 AktG Rz. 13; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 104 AktG Rz. 27. 3 Hüffer, § 104 AktG Rz. 7; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 104 AktG Rz. 59; a.A. Niewiarra/Servatius in FS Semler, 1993, S. 217, 225. 4 AG Wuppertal v. 23.11.1970 – HRB 2057, DB 1971, 764, 765; AG Detmold v. 11.11.1981 – 17 HRB 0013, AG 1983, 24, 25; Hüffer, § 104 AktG Rz. 7; a.A. Volhard in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 19 Rz. 34. 5 BayObLG v. 20.8.1997 – 3 Z BR 193/97, AG 1998, 36; OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04 – „Mobilcom“, ZIP 2004, 1143 = AG 2004, 453; Hüffer, § 104 AktG Rz. 5; Volhard in Semler/ Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 19 Rz. 35.
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Aufsichtsrat
raussetzungen (§§ 100 Abs. 2 und 105 Abs. 1 AktG) und eventuell von der Satzung bestimmte persönliche Wählbarkeitsvoraussetzungen erfüllt sind. 43
Der gerichtlich Bestellte ist nicht verpflichtet, die Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied anzunehmen. Im paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat hat das Gericht bei Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer darauf zu achten, dass die bestellte Person dem in § 7 Abs. 2 MitbestG vorgeschriebenen Gruppenproporz entspricht1. Der Beschluss ist dem Antragsteller, der Gesellschaft sowie dem bestellten Aufsichtsratsmitglied bekanntzugeben2.
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ee) Rechtsstellung. Die Amtszeit des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds kann im Beschluss bestimmt werden. Bei Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner ist eine Bestellung bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung vielfach üblich, aber nicht zwingend geboten. Nach Ziff. 5.4.3 Satz 2 Deutscher Corporate Governance Kodex soll die Bestellung nur bis zur nächsten Hauptversammlung beantragt werden. Fehlt eine derartige zeitliche Begrenzung, ist das Aufsichtsratsmitglied nach § 104 Abs. 5 AktG bis zur Behebung des „Mangels“ bestellt, d.h. bis zur Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung3. Eine Ablösung des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds durch gerichtliche Bestellung eines anderen Aufsichtsratsmitglieds scheidet aus4. Das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied hat die gleichen Rechte und Pflichten wie die anderen Aufsichtsratsmitglieder5.
II. Amtszeit 1. Dauer 45
Aufsichtsratsmitglieder werden normalerweise für den in der Satzung bestimmten Zeitraum bestellt, der in der Praxis meist dem gesetzlichen maximalen Zeitraum gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 AktG entspricht. Dies ist eine Bestellung bis zur Hauptversammlung, die über die Entlastung für das vierte nachfolgende Geschäftsjahr beschließt, wobei das bei Amtsantritt laufende Geschäftsjahr nicht mitgezählt wird. Dies führt in der Praxis regelmäßig zu einer maximalen Amtszeit von rund fünf Jahren. Enthalten weder die Satzung noch der Hauptversammlungsbeschluss eine Regelung zur Amtszeit, gilt die Bestellung für die gesetzliche Höchstdauer nach § 102 Abs. 1 Satz 1 AktG6. Wird die Beschlussfassung der Hauptversammlung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates entgegen der Regelung von § 120 Abs. 1 AktG nicht innerhalb von acht Monaten nach Beginn des nächsten Geschäftsjahres durchgeführt, sondern verschoben oder vergessen, endet die Amtszeit des Aufsichtsratsmitglieds mit Ablauf der Frist, in der die Hauptversammlung über die Entlastung
1 BayObLG v. 20.8.1997 – 3 Z BR 193/97, AG 1998, 36, 37; Raiser, § 6 MitbestG Rz. 45; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 104 AktG Rz. 16. 2 Hüffer, § 104 AktG Rz. 5; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 104 AktG Rz. 39. 3 Vgl. Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 38; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 104 AktG Rz. 24. 4 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 100 AktG Rz. 104; E. Vetter, DB 2005, 875, 877; a.A. AG Charlottenburg v. 5.11.2004 – HRB 93752, DB 2004, 2630. 5 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 6 MitbestG Rz. 64; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 104 AktG Rz. 33; Raiser, § 6 MitbestG Rz. 48. 6 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 44; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 102 AktG Rz. 10; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 102 AktG Rz. 20.
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Begründung, Dauer und Beendigung
für das vierte Geschäftsjahr seit Amtsantritt hätte beschließen müssen (§ 175 Abs. 1 Satz 2 AktG)1. Für den ersten Aufsichtsrat einer neugegründeten AG gilt § 102 AktG nicht. Die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder endet nach § 30 Abs. 3 Satz 1 AktG kraft Gesetzes spätestens mit Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das erste Voll- oder Rumpfgeschäftsjahr beschließt. Kommt es innerhalb der Frist von § 120 Abs. 1 AktG nicht zu einem Entlastungsbeschluss, endet das Amt der Aufsichtsratsmitglieder gleichwohl zwangsweise nach Ablauf von acht Monaten nach Beendigung des ersten Voll- oder Rumpfgeschäftsjahres der Gesellschaft2.
46
Die Satzung kann auch eine kürzere Amtszeit vorsehen, als in § 102 Abs. 1 Satz 1 AktG bestimmt ist. Diese Regelung ist auch für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer verbindlich3. Zulässig ist es auch, im Wahlbeschluss der Hauptversammlung im Rahmen der gesetzlichen Höchstgrenze eine kürzere Amtszeit festzulegen, sofern die Satzung keine abschließende Regelung enthält4. Die Entscheidung der Hauptversammlung gilt jedoch nicht für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer5.
47
Da das AktG keine feste Amtsperiode des Aufsichtsrats mit identischen Amtszeiten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder zugrunde legt, muss auch die Amtszeit nicht für alle Aufsichtsratsmitglieder gleich sein. Differenzierungen müssen allerdings mit dem Grundsatz der gleichen Rechtsstellung aller Aufsichtsratsmitglieder vereinbar sein6. Diskriminierungen sind unzulässig; insbesondere darf für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer keine kürzere Amtszeit bestimmt werden als für die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner7. Zulässig ist es, z.B. ein turnusmäßiges Ausscheiden verbunden mit der Neuwahl eines bestimmten Teils der Aufsichtsratsmitglieder in jedem Jahr oder alle zwei Jahre vorzusehen. Über dieses Verfahren ist gewährleistet, dass der Aufsichtsrat zu jedem Zeitpunkt mit in der Gremienarbeit erfahrenen Mitgliedern besetzt ist8, aber andererseits auch in kürzeren Abständen die Möglichkeit der personellen Erneuerung besteht9.
48
Die Wiederwahl von Aufsichtsratsmitgliedern ist zulässig. Bei der vorzeitigen Wiederwahl vor Ablauf der Amtszeit muss die verbleibende restliche Amtszeit bei der Ermittlung der Höchstdauer gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 AktG berücksichtigt werden10, da eine § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG vergleichbare Bestimmung für den Aufsichtsrat fehlt
49
1 BGH v. 24.6.2002 – II ZR 296/01, AG 2002, 676, 677. 2 Gerber in Spindler/Stilz, § 30 AktG Rz. 14; Pentz in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 30 AktG Rz. 24; a.A. Röhricht in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 30 AktG Rz. 10; vgl. auch BGH v. 24.6.2002 – II ZR 296/01, AG 2002, 676, 677. 3 Hüffer, § 102 AktG Rz. 4; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 102 AktG Rz. 6. 4 OLG Frankfurt v. 19.11.1985 – 5 U 30/85, AG 1987, 159, 160; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 44; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 102 AktG Rz. 8; Raiser, § 6 MitbestG Rz. 32. 5 Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 6 MitbestG Rz. 203; Hüffer, § 102 AktG Rz. 5; Raiser, § 6 MitbestG Rz. 32; Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 15 MitbestG Rz. 147. 6 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86 – „Heidelberger Zement“, BGHZ 99, 211, 215; Hüffer, § 102 AktG Rz. 4; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 28. 7 Hüffer, § 102 AktG Rz. 4; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 28; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 102 AktG Rz. 16. 8 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 41; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 718; vgl. auch Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 102 AktG Rz. 9. 9 Peltzer, Deutsche Corporate Governance, Rz. 286. 10 Hüffer, § 102 AktG Rz. 6; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 102 AktG Rz. 17; a.A. Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 102 AktG Rz. 34.
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und auch der dieser Bestimmung zugrunde liegende Rechtsgedanke nicht auf den Aufsichtsrat übertragbar ist1. 50
Die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer richtet sich gemäß § 5 Abs. 1 DrittelbG, § 15 Abs. 1 MitbestG und § 6 Abs. 7 Satz 1 MitbestErgG nach der in der Satzung oder, falls die Satzung keine Regelung enthält, nach der im AktG bestimmten Amtszeit. 2. Beginn der Amtszeit
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Die Amtszeit beginnt mit der Annahme der Bestellung, sei sie durch Wahl, Entsendung oder gerichtliche Bestellung. In der Praxis kommt nicht selten eine aufschiebend bedingte Bestellung vor, z.B. dass ein anderes Mitglied zuvor aus dem Aufsichtsrat ausscheidet2 oder etwa die Wahl eines (noch) aktiven Vorstandsmitglieds zum Aufsichtsratsmitglied ausdrücklich mit Wirkung zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Vorstand. Hängt die Wahl von einer Satzungsänderung ab, kann die Wahl mit Wirkung ab der Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister beschlossen werden3. Die Bestellung bedarf der Annahme durch das bestellte Aufsichtsratsmitglied4, die in der Praxis üblich im voraus unter der Bedingung, dass die Wahl erfolgt, erklärt werden oder auch konkludent geschehen kann, z.B. durch faktische Übernahme des Amtes und Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung.
III. Beendigung der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat 1. Amtsniederlegung 52
Die Amtsniederlegung ist gesetzlich nicht geregelt aber nach allgemeiner Meinung für alle Aufsichtsratsmitglieder unabhängig von der Art ihrer Bestellung möglich. Das Aufsichtsratsmitglied kann sein Aufsichtsratsmandat ohne Angaben von Gründen jederzeit niederlegen, ohne dass hierzu ein wichtiger Grund vorliegen muss5. Aus dem besonderen körperschaftlichen Status des Aufsichtsratsamtes (siehe dazu § 29 Rz. 1) ergeben sich keine Schranken, die die sofortige Niederlegung verhindern. Allerdings ist das Aufsichtsratsmitglied auf Grund der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Treuepflicht verpflichtet, die Niederlegung nicht zur Unzeit, z.B. kurzfristig in einer Krise des Unternehmens, zu erklären. Bei Missachtung der Treuepflicht ist die Niederlegung gleichwohl wirksam, kann aber Schadensersatzansprüche der Gesellschaft auslösen6. Nach Ziff. 5.5.3 Deutscher Corporate Governance Kodex sollen wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds zur Beendigung des Mandats führen. Soll dieser Empfehlung, die auch als ausdrückliche Verpflichtung in die Satzung oder Geschäftsordnung 1 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 102 AktG Rz. 48; Hüffer, § 102 AktG Rz. 6; a.A. Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 40. 2 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 95 AktG Rz. 20; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 102 AktG Rz. 16. 3 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 101 AktG Rz. 90; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 101 AktG Rz. 32. 4 Hüffer, § 101 AktG Rz. 7; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 101 AktG Rz. 26; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, S. 370. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 518; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 31; Singhof, AG 1998, 318, 321. 6 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 31; Singhof, AG 1998, 318, 323; a.A. Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 48.
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des Aufsichtsrates übernommen werden kann, entsprochen werden, ist das Aufsichtsratsmitglied verpflichtet, bei Auftreten von andauernden wesentlichen Interessenkonflikten sein Aufsichtsratsmandat niederzulegen (siehe dazu auch § 29 Rz. 27)1. Ein Ersatzmitglied kann sein Amt nach den gleichen Grundsätzen ebenfalls niederlegen. Falls es für mehrere Aufsichtsratsmitglieder zum Ersatzmitglied gewählt worden ist, kann es seine Ersatzmitgliedschaft für ein bestimmtes Aufsichtsratsmitglied niederlegen und für ein anderes gleichwohl aufrechterhalten2.
53
Die Niederlegung ist eine zugangsbedürftige Willenserklärung, die gegenüber der Gesellschaft abzugeben ist. Haben weder die Satzung noch die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates den Adressaten der Niederlegungserklärung bestimmt, ist sie an den Vorstand zu richten3. Geht die Niederlegungserklärung dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates als unzuständigem Adressat zu, ist dieser zur Weiterleitung an den Vorstand verpflichtet4. Bloße Untätigkeit auch über einen längeren Zeitraum führt nicht zur Beendigung des Aufsichtsratsamtes5. Sofern die Satzung keine Niederlegungsfrist – in der Praxis meist ein Monat – bestimmt, wird die Niederlegung mit Zugang bei der Gesellschaft wirksam oder zu dem in der Niederlegungserklärung angegebenen späteren Zeitpunkt6.
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2. Abberufung a) Abberufung durch die Hauptversammlung aa) Voraussetzungen. Die von der Hauptversammlung ohne Bindung an Wahlvorschläge gewählten Aufsichtsratsmitglieder können gemäß § 103 Abs. 1 AktG jederzeit vorzeitig abberufen werden. Hierzu ist ein Hauptversammlungsbeschluss mit einer Mehrheit von drei Vierteln erforderlich, ohne dass ein wichtiger Grund gegeben sein muss. Die Satzung kann nach § 103 Abs. 1 Satz 3 AktG eine höhere oder eine niedrigere Mehrheit vorsehen, muss aber sicherstellen, dass die Regelung für alle von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieder einheitlich ist7.
55
Für den Beschluss der Hauptversammlung bedarf es eines Beschlussvorschlages des Aufsichtsrates, der in entsprechender Anwendung von § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG lediglich mit den Stimmen der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner herbeizuführen ist. Ein Beschlussvorschlag des Vorstandes kommt in entsprechender Anwendung von § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG nicht in Betracht8.
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bb) Verfahren. Der Beschluss der Hauptversammlung nach § 103 Abs. 1 AktG beendet nicht per se das Aufsichtsratsamt, sondern muss als empfangsbedürftige Willenserklä-
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1 Vgl. auch Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 900; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 6. 2 LG Mannheim v. 18.11.1985 – 24 O 114/85, WM 1986, 104, 105; Bommert, AG 1986, 315, 320; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 33; Rellermeyer, ZGR 1987, 563, 576. 3 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 49; Singhof, AG 1998, 318, 326; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 103 AktG Rz. 61; a.A. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 33; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 103 AktG Rz. 58 auch Vorsitzender des Aufsichtsrates als Adressat; siehe auch LG Flensburg v. 7.4.2004 – 6 O 17/03 – „Mobilcom“, DB 2004, 1253, 1254. 4 Hüffer, § 103 AktG Rz. 17; Singhof, AG 1998, 318, 326. 5 BGH v. 13.6.1983 – II ZR 67/82, AG 1983, 312, 313. 6 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 34; Singhof, AG 1998, 318, 327; siehe auch LG Flensburg v. 7.4.2004 – 6 O 17/03 – „Mobilcom“, DB 2004, 1253, 1254. 7 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86 – „Heidelberger Zement“, BGHZ 99, 211, 215; Hüffer, § 103 AktG Rz. 4; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 54. 8 A.A. Steiner, Hauptversammlung, S. 139.
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rung dem betroffenen Aufsichtsratsmitglied, sofern es nicht bei der Feststellung des Beschlussergebnisses in der Hauptversammlung anwesend ist, mitgeteilt werden. Für die Mitteilung ist ausschließlich der Vorstand zuständig1. 58
Die Verweigerung der Entlastung eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 AktG stellt keine Abberufung gemäß § 103 Abs. 1 AktG dar2; erst recht genügt nicht der Beschluss der Hauptversammlung zur bloßen Vertagung der Entlastungsentscheidung3. Die Abberufung muss Gegenstand eines gesonderten Hauptversammlungsbeschlusses sein. Der Entzug des Vertrauens der Hauptversammlung genügt nicht4. b) Abberufung durch den entsendungsberechtigten Aktionär
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Der nach § 101 Abs. 2 AktG entsendungsberechtigte Aktionär ist nach § 103 Abs. 2 Satz 1 AktG nach freiem Ermessen jederzeit zur Abberufung des entsandten Aufsichtsratsmitglieds berechtigt. Sind die in der Satzung niedergelegten Entsendungsvoraussetzungen weggefallen, kann in diesem Fall ausnahmsweise auch die Hauptversammlung das entsandte Aufsichtsratsmitglied nach § 103 Abs. 2 Satz 2 AktG mit einfacher Mehrheit abberufen. c) Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer
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Für die Aufsichtsratsmitglieder, die nicht von der Hauptversammlung frei gewählt sind, bestehen mitbestimmungsrechtliche Sonderbestimmungen, die eine Abberufung durch den Wahlkörper der Arbeitnehmer durch Entscheidung mit drei Viertel Mehrheit zulassen (§ 103 Abs. 4 AktG, § 12 DrittelbG und § 23 MitbestG)5. d) Abberufung durch das Gericht
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aa) Voraussetzungen. Bei allen Aufsichtsratsmitgliedern – unabhängig davon, welcher Gruppe sie zuzurechnen sind und auf welchen Weg sie zum Organmitglied bestellt worden sind – besteht die Möglichkeit der Abberufung durch das Gericht (Amtsgericht am Sitz der Gesellschaft). Die Abberufung kommt nach § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG nur in Betracht, wenn in der Person des Aufsichtsratsmitglieds ein wichtiger Grund gegeben ist und die Abberufung vom Aufsichtsrat beantragt wird. Hierfür genügt ein Verhalten, bei dem für die übrigen Aufsichtsratsmitglieder eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsratsmitglied nicht zumutbar ist. Dazu zählen eine schwerwiegende Pflichtverletzung, Behinderung der Arbeit des Aufsichtsrats6 oder die Gefährdung der Gesellschaft und ihrer Interessen7, wie z.B. die heimliche Weitergabe von nachteiligen
1 Hüffer, § 103 AktG Rz. 5; a.A. Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 55; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 103 AktG Rz. 10, die auch Übermittlung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden ausreichen lassen wollen. 2 Hüffer, § 103 AktG Rz. 3; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 120 AktG Rz. 47; Semler in MünchHdb. AG, § 34 Rz. 29. 3 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, S. 344. 4 Hüffer, § 103 AktG Rz. 3; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 120 AktG Rz. 47; Semler in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 2 Rz. 47. 5 Vgl. dazu Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 710 ff.; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 103 AktG Rz. 49. 6 OLG Hamburg v. 23.1.1990 – 11 W 92/89 – „HEW/Jansen“, AG 1990, 218, 219; Hoffmann/ Kirchhoff in FS Beusch, 1993, S. 377, 385. 7 OLG Hamburg v. 23.1.1990 – 11 W 92/89 – „HEW/Jansen“, AG 1990, 218, 219.
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Informationen über das Unternehmen an die Kartellbehörden1. Auch der Verstoß eines Aufsichtsratsmitglieds gegen Insiderhandelsverbote reicht aus2. Gleiches gilt für schwere Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht3; eine fahrlässige Verletzung der Verschwiegenheitspflicht soll jedoch z.B. nur im Wiederholungsfall zur Abberufung berechtigen4. Ein wichtiger Grund ist auch dann anzunehmen, wenn ein Aufsichtsratsmitglied bei seiner Wahl die Tätigkeit im Aufsichtsrat eines Konkurrenzunternehmens entgegen § 125 Abs. 1 Satz 3 AktG verschwiegen hat5. War die Konkurrenztätigkeit bei der Wahl offengelegt worden, liegt ein wichtiger Grund zur Abberufung nach § 103 Abs. 3 AktG allerdings erst vor, wenn infolge der Konkurrenztätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds eine konkrete Gefährdung der Interessen der Gesellschaft zu befürchten ist6; erst recht gilt dies, wenn der Interessenkonflikt nachhaltig ist7 (siehe dazu auch § 29 Rz. 27).
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bb) Verfahren. Das Amtsgericht am Sitz der Gesellschaft entscheidet auf Antrag des Aufsichtsrates im Verfahren nach dem FGG bzw. nach dem 1.9.2009 im Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Über seinen Abberufungsantrag beschließt der Aufsichtsrat mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 103 Abs. 3 Satz 2 AktG)8. Der Beschluss muss vom Aufsichtsratsplenum getroffen werden. Eine Delegation der Entscheidung auf einen Aufsichtsratsausschuss kommt nicht in Betracht, auch wenn § 103 AktG in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG nicht erwähnt ist9. Bei dem Aufsichtsratsbeschluss ist das Aufsichtsratsmitglied, dessen Abberufung beantragt werden soll, gemäß dem allgemeinen Grundsatz des Verbots des Richtens in eigener Sache nicht stimmberechtigt10. Das Gericht hat die Zulässigkeitsvoraussetzungen, zu denen auch die Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses gehört, von Amts wegen zu prüfen11. Besteht der Aufsichtsrat nur aus drei Mitgliedern, ist das betroffene Aufsichtsratsmitglied verpflichtet, durch Teilnahme unter Stimmenthaltung die
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1 LG Frankfurt v. 14.10.1986 – 3/11 T 29/85 – „Nur Neckermann Touristic“, AG 1987, 160, 161; siehe auch OLG Zweibrücken v. 28.5.1990 – 3 W 93/90 – „REWE-Südwest Handels AG“, AG 1991, 70; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 933; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 103 AktG Rz. 32. 2 Fleck in FS Heinsius, 1991, S. 89, 103; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 103 AktG Rz. 65. 3 OLG Stuttgart v. 7.11.2006 – 8 W 388/06 – „Carl Zeiss SMT AG“, AG 2007, 218, 219; Hopt/ Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 103 AktG Rz. 67; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 288. 4 AG München v. 2.5.1985 – HRB 2212 – „Vereinigte Krankenversicherung“, AG 1986, 170. 5 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 102 AktG Rz. 59; Kübler in FS Claussen, 1997, S. 239, 248. 6 Dreher, JZ 1990, 896, 899; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 103 AktG Rz. 34; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1604; ebenso wohl Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 6; a.A. z.B. Lutter in FS Beusch, 1993, S. 509, 522; Mülbert, Corporate Governance, S. 99, 121, die generell wichtigen Grund annehmen wollen. 7 Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 6; vgl. auch Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 352. 8 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 55; Hüffer, § 103 AktG Rz. 12; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 930. 9 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 930; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 103 AktG Rz. 28; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 103 AktG Rz. 34. 10 Deckert, DZWir 1996, 406, 409; Hüffer, § 103 AktG Rz. 12; Krebs, Interessenkonflikte, S. 158; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 930; Raiser, § 6 MitbestG Rz. 36; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605; a.A. Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 55; Hoffmann/Lehmann/ Weinmann, § 6 MitbestG Rz. 45; Hoffmann/Kirchhoff in FS Beusch, 1993, S. 377, 380. 11 BayObLG v. 28.3.2003 – 3Z BR 199/02, AG 2003, 427, 428; Hoffmann/Kirchhoff in FS Beusch, 1993, S. 377, 380; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 103 AktG Rz. 43.
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Beschlussfassung über den Antrag an das Gericht nach § 103 Abs. 3 AktG zu ermöglichen1. 64
Die Entscheidung des Amtsgericht ergeht im Verfahren nach dem FGG bzw. nach dem 1.9.2009 nach dem Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Beschluss (§ 145 Abs. 1 FGG). Die Abberufung wird nach § 16 FGG bereits mit Zustellung des Beschlusses beim betroffenen Aufsichtsratsmitglied als Antragsgegner wirksam und nicht erst mit Eintritt der formellen Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung2. Der gegen die Entscheidung nach § 103 Abs. 3 Satz 4 AktG möglichen sofortigen Beschwerde kommt gemäß § 24 Abs. 1 FGG keine aufschiebende Wirkung zu. 3. Wegfall persönlicher Voraussetzungen a) Gesetzliche Voraussetzungen
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Erfüllt das Aufsichtsratsmitglied in seiner Person nicht mehr die gesetzlichen Anforderungen für die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat, erlischt das Aufsichtsratsmandat, ohne dass es einer weiteren Erklärung bedarf. Typischer Fall auf Seiten der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer ist der Verlust der Arbeitnehmereigenschaft bei den (zwingend) unternehmensangehörigen Aufsichtsratsmitgliedern, sei es, dass das Arbeitsverhältnis durch Kündigung oder Eintritt in den Ruhestand beendet wird oder dass im Falle der Aufsichtsratsmitbestimmung in der Konzernobergesellschaft nach § 2 DrittelbG oder § 5 MitbestG das Konzernunternehmen, bei dem das Aufsichtsratsmitglied beschäftigt ist, aus dem Konzernverbund ausscheidet3. Für den paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat ist dies in § 24 Abs. 1 MitbestG ausdrücklich geregelt. Der Wechsel der Gruppenzugehörigkeit führt hingegen nicht zur Beendigung des Mandats des Aufsichtsratsmitglieds der Arbeitnehmer (§ 24 Abs. 2 MitbestG). Hat das Aufsichtsratsmitglied der Anteilseigner, wegen seiner Zugehörigkeit zur Geschäftsleitung des herrschenden Unternehmens die Privilegierung des § 100 Abs. 2 Satz 1 AktG in Anspruch genommen, so erlöschen mit seinem Ausscheiden aus der Geschäftsleitung diejenigen über zehn Aufsichtsratsmandate hinausgehenden Mandate, die es zeitlich zuletzt übernommen hat4. Ebenso erlischt das Aufsichtsratsmandat automatisch, wenn für das Aufsichtsratsmitglied ein Ausschlusstatbestand nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG dadurch entsteht, dass die Gesellschaft, deren Geschäftsleitung er angehört, zum abhängigen Unternehmen wird5. b) Satzungsmäßige Voraussetzungen
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Der Wegfall der nach der Satzung gemäß § 100 Abs. 4 AktG erforderlichen Wählbarkeitsvoraussetzungen für die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat führt nicht automatisch zum Amtsverlust des Aufsichtsratsmitglieds, sondern kann lediglich Anlass für eine Abberufung durch die Hauptversammlung nach § 103 Abs. 1 AktG sein6. Ob im Wegfall der satzungsmäßigen Voraussetzungen ein wichtiger Grund zur gerichtlichen Ab1 BGH v. 2.4.2007 – IIV ZR 325/05, AG 2007, 484; 485; vgl. auch Priester, AG 2007, 190, 192; a.A. BayObLG v. 28.3.2003 – 3Z BR 199/02, AG 2003, 427, 428. 2 Hüffer, § 103 AktG Rz. 13; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 103 AktG Rz. 41. 3 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 24 MitbestG Rz. 5; Raiser, § 24 MitbestG Rz. 2. 4 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 100 AktG Rz. 32; Raiser, § 6 MitbestG Rz. 26. 5 Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 AktG Rz. 48. 6 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 100 AktG Rz. 129; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 AktG Rz. 50.
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berufung gemäß § 103 Abs. 3 AktG liegen kann, wird im Schrifttum zurückhaltend beurteilt und nur im Besonderen Ausnahmefall angenommen1. Hat die Gesellschaft die Empfehlung von Ziff. 5.5.3 Satz 2 Deutscher Corporate Governance Kodex anerkannt, wonach wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds zur Beendigung des Mandats führen sollen und ist dieser Empfehlung durch Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in der Satzung Rechnung getragen worden, so gilt diese Regelung nach allgemeiner Ansicht nur für die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner. Gleiches gilt hinsichtlich der Empfehlung gemäß Ziff. 5.4.2 Deutscher Corporate Governance Kodex, die vorsieht, dass kein Aufsichtsratsmitglied Organfunktionen oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern übernehmen soll. Ist diesen Kodex-Empfehlungen jedoch durch Begründung entsprechender Verpflichtungen der Aufsichtsratsmitglieder in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates durch einstimmigen Beschluss (vgl. dazu § 27 Rz. 5) Folge geleistet worden, liegt in der Übernahme von Organfunktionen oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern oder dem Auftreten von wesentlichen Interessenkonflikten in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds ein wichtiger Grund im Sinne von § 103 Abs. 3 AktG, der zur gerichtlichen Abberufung berechtigt2.
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4. Statusverfahren Hat bei der Gesellschaft ein Statusverfahren nach den §§ 97–99 AktG stattgefunden (vgl. § 24 Rz. 21 ff.), das durch eine unanfechtbare Bekanntmachung des Vorstandes (§ 97 Abs. 2 AktG) oder durch Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung (§ 98 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 97 Abs. 2 AktG) abgeschlossen ist, ist die Gesellschaft zur Einberufung einer Hauptversammlung und zur Änderung ihrer Satzung entsprechend den nunmehr anzuwendenden Vorschriften und zur Neuwahl des Aufsichtsrates innerhalb eines Zeitraums von 6 Monaten nach dem rechtskräftigen Abschluss des Statusverfahrens verpflichtet. Mit Beendigung dieser Hauptversammlung erlischt das Amt der bisherigen Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 AktG.
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Findet innerhalb dieser Frist keine Hauptversammlung statt, in der die notwendigen Beschlüsse gefasst werden, treten die bisherigen Satzungsbestimmungen über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates, die Zahl seiner Mitglieder sowie die Wahl, Abberufung und Entsendung von Aufsichtsratsmitgliedern mit Fristablauf insoweit außer Kraft, als sie den nunmehr maßgebenden gesetzlichen Vorschriften widersprechen. Zum selben Zeitpunkt endet auch das Amt aller Mitglieder des Aufsichtsrates gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 AktG ohne weitere Erklärungen3.
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5. Verkleinerung des Aufsichtsrates Wird die Größe des Aufsichtsrates einer mitbestimmungsfreien Gesellschaft durch Satzungsänderung reduziert, scheidet das Statusverfahren aus, da § 97 Abs. 1 Satz 1 AktG voraussetzt, dass die Zusammensetzung des Aufsichtsrates nicht den gesetzli1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 50; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 100 AktG Rz. 34. 2 Vgl. bereits früher Kübler in FS Claussen, 1997, S. 239; 242; Lutter in FS Beusch, 1993, S. 509, 522; Krebs, Interessenkonflikte, S. 301; Wardenbach, Interessenkonflikte, S. 320; siehe auch BGH v. 21.2.1963 – II ZR 76/62, BGHZ 39, 116, 123. 3 Hüffer, § 97 AktG Rz. 5; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, §§ 97–99 AktG Rz. 22; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 97 AktG Rz. 34.
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chen Bestimmungen entspricht. Abweichungen der tatsächlichen Größe des Aufsichtsrates gegenüber der Regelung in der Satzung werden hingegen vom Statusverfahren nicht erfasst1. Eine Änderung der Satzungsbestimmung über die Größe des Aufsichtsrates durch Beschluss der Hauptversammlung, die mit Eintragung im Handelsregister wirksam wird (§ 181 Abs. 3 AktG), hat in der laufenden Amtsperiode des Aufsichtsrates keine Auswirkungen auf die Amtszeit seiner Mitglieder. Ergibt sich in der mitbestimmungsfreien Gesellschaft die Verkleinerung des Aufsichtsrates aus einer Kapitalherabsetzung und der Reduktion der gesetzlich zu beachtenden Höchstgrenzen in § 95 Abs. 1 Satz 4 AktG, so entspricht der amtierende Aufsichtsrat zwar nicht den gesetzlichen Bestimmungen. Dies hat aber auf das Mandat der Aufsichtsratsmitglieder keine Auswirkung, da das Gesetz für diesen Fall keine vorzeitige Beendigung der Amtszeit des Aufsichtsrates anordnet2. 71
Das Statusverfahren der §§ 97–99 AktG kommt nach h.M. beim mitbestimmten Aufsichtsrat nicht zur Anwendung, wenn die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder, die bisher auf Grund einer fakultativen Satzungsregelung über den gesetzlichen Größenanforderungen lag, durch Satzungsänderung, aber ohne tatsächliches Absinken der Arbeitnehmerzahl reduziert werden soll3. Bis zur effektiven Anpassung der Mitgliederzahl an die neue Aufsichtsratsgröße muss regelmäßig der Ablauf der laufenden Amtsperiode der Vertreter der Arbeitnehmer abgewartet werden. Scheidet aber die zur Erfüllung der neuen Satzungsbestimmung erforderliche Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und Arbeitnehmer aus sonstigen Gründen ohnehin aus dem Aufsichtsrat aus, tritt die Neuregelung vorzeitig in Kraft4, so dass für eine Nachwahl von Aufsichtsratsmitgliedern zur Erfüllung der ursprünglichen Mitgliederzahl des Aufsichtsrates keine Notwendigkeit mehr besteht5.
IV. Rechtsfolgen der unwirksamen Aufsichtsratswahl 1. Vorbemerkung 72
Die Unwirksamkeit von Aufsichtsratsbestellungen kann sich aus unterschiedlichen Gründen und in verschiedenen Konstellationen ergeben, wobei grundsätzlich zwischen der unwirksamen Bestellung eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds und der unwirksamen Einsetzung des gesamten Aufsichtsrates zu unterscheiden ist. In der Praxis wird meist nur die Bestellung eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds, insbesondere der Beschluss zu seiner Wahl anfechtbar oder nichtig sein oder seine Bestellung durch Wegfall gesetzlich zwingender persönlicher Amtsvoraussetzungen nichtig werden (vgl. dazu im Einzelnen unten § 37 Rz. 148 ff.). 1 OLG Hamburg v. 26.8.1988 – 11 W 53/88, AG 1989, 64, 65; Hüffer, § 97 AktG Rz. 3; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 95 AktG Rz. 27; a.A. BAG v. 3.10.1989 – 1 ABR 12/88 – „Alexanderwerk AG“, AG 1990, 361, 362; für analoge Anwendung Oetker, ZHR 149 (1985), 575, 586. 2 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 95 AktG Rz. 100; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 95 AktG Rz. 25; a.A. wohl Oetker, ZHR 149 (1985), 575, 586. 3 OLG Hamburg v. 26.8.1988 – 11 W 53/88, AG 1989, 64, 65; LAG Düsseldorf v. 18.12.1987 – 10 Ta BV 132/87 – „Alexanderwerk AG“, AG 1989, 66, 67; Hüffer, § 97 AktG Rz. 3; Martens, DB 1978, 1065, 1069; Göz, ZIP 1998, 1523, 1526; a.A. BAG v. 3.10.1989 – 1 ABR 12/88 – „Alexanderwerk AG“, AG 1990, 361, 362; Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 7 MitbestG Rz. 9; Oetker, ZHR 149 (1985), 575, 585. 4 Raiser, § 7 MitbestG Rz. 5; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 6 MitbestG Rz. 15. 5 LAG Düsseldorf v. 18.12.1987 – 10 Ta BV 132/87 – „Alexanderwerk AG“, AG 1989, 66, 67; Göz, ZIP 1998, 1523, 1527.
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Begründung, Dauer und Beendigung
Die Unwirksamkeit eines Aufsichtsratsmandats kann in vielfacher Weise geltend gemacht werden und insbesondere als Vorfrage in anderem rechtlichen Zusammenhang auch vor Gericht relevant sein1. Soweit es um die Feststellung der Nichtigkeit der Wahl zum Aufsichtsratsmitglied geht und der Feststellung inter-omnes-Wirkung zukommen soll, kann dies nur durch Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 252 AktG erreicht werden (vgl. dazu im Einzelnen unten § 37 Rz. 158).
73
2. Unwirksame Bestellung eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds a) Auswirkungen auf die persönliche Rechtsstellung des Aufsichtsratsmitglieds Durch einen unwirksamen Bestellungsakt (Wahl, gerichtliche Bestellung oder Entsendung) wird die bestellte Person nicht Mitglied des Aufsichtsrates, hat bei der Tätigkeit im Aufsichtsrat jedoch die Pflichten eines Aufsichtsratsmitglieds wahrzunehmen. Es haftet bei Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten gemäß §§ 116, 93 AktG2. Die Unwirksamkeit seiner Bestellung berührt auch nicht die strafrechtliche Verantwortlichkeit3.
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Hinsichtlich der Vergütung eines unwirksam bestellten Aufsichtsratsmitglieds will die herrschende Meinung pauschal dieselben Ansprüche zubilligen, wie bei einem wirksam bestellten Aufsichtsratsmitglied4. Dem kann nur mit Einschränkungen zugestimmt werden. Beruht die Unwirksamkeit der Bestellung zum Aufsichtsratsmitglied auf einem gesetzlichen Verbot, das im Interesse der Unabhängigkeit der Aufsichtsratskontrolle der Vermeidung von Interessenkonflikten dient (z.B. §§ 100 Abs. 2 Nr. 2 und 3, 105 Abs. 1 AktG), so kommt eine Vergütung des Scheinaufsichtsratsmitglieds nicht in Betracht, sondern ihm steht lediglich eine Aufwandsentschädigung zu. Anders ist dies z.B. bei Verstoß gegen die gesetzliche Höchstzahl von 10 Aufsichtsratsmandaten (§ 100 Abs. 2 Nr. 1 AktG) oder bei Wegfall der Arbeitnehmereigenschaft eines Aufsichtsratsmitglieds der Arbeitnehmer.
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b) Auswirkungen auf die Arbeit des Aufsichtsrates Im Fall der unwirksamen Bestellung nur eines Teils der Aufsichtsratsmitglieder ist in der Gesellschaft ein Aufsichtsrat vorhanden, so dass eine generelle Nichtigkeit der Aufsichtsratsbeschlüsse nicht in Betracht kommt. Die Wirksamkeit des einzelnen Aufsichtsratsbeschlusses, an dem ein Scheinmitglied mitgewirkt hat, hängt davon ab, ob die Beschlussfassung ohne die Stimme des Scheinmitglieds zu einem anderen Beschluss geführt hätte5. Der Gesellschaft obliegt der Beweis, dass der Beschluss auch ohne die Stimme des Scheinmitglieds zustande gekommen wäre. Eine mögliche Beeinflussung des Stimmverhaltens der übrigen Aufsichtsmitglieder durch das Schein1 Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 250 AktG Rz. 18; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 250 AktG Rz. 4; vgl. z.B. LG Flensburg v. 7.4.2004 – 6 O 17/03 – „Mobilcom“, DB 2004, 1253. 2 RG v. 9.10.1936 – II 43/36, RGZ 152, 273, 278; Hüffer, § 101 AktG Rz. 17; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 101 AktG Rz. 93; Stein, Das faktische Organ, 1984, S. 126. 3 K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 250 AktG Rz. 29; Stein, Das faktische Organ, 1984, S. 130. 4 Hüffer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2001, § 250 AktG Rz. 19; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 101 AktG Rz. 94; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 250 AktG Rz. 30. 5 BGH v. 17.4.1967 – II ZR 157/64, BGHZ 47, 341, 346; Baums, ZGR 1983, 300, 320; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 108 AktG Rz. 144; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 76.
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§ 26
Aufsichtsrat
mitglied ist wegen der eigenverantwortlichen Meinungsbildung und Stimmabgabe jedes einzelnen Aufsichtsratsmitglieds (§ 111 Abs. 5 AktG) unbeachtlich1. 3. Unwirksame Wahl des gesamten Aufsichtsrates 77
Die Unwirksamkeit der Wahl des gesamten Aufsichtsrates wird in der Praxis nur selten vorkommen. Praktische Relevanz kann insbesondere das Erlöschen der organschaftlichen Stellung seiner Mitglieder durch Ablauf der Amtszeit nach § 102 Abs. 1 AktG erlangen, wenn die Beschlussfassung der Hauptversammlung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates entgegen der Regelung von § 120 Abs. 1 AktG nicht innerhalb von acht Monaten nach Beginn des nächsten Geschäftsjahres durchgeführt wird. In diesem Fall endet die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder2 mit Ablauf der Acht-Monats-Frist (§ 175 Abs. 1 Satz 2 AktG).
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Ist die Wahl aller Aufsichtsratsmitglieder unwirksam, so sind nach h.M. auch die Beschlüsse des Aufsichtsrates unwirksam3. Ein Aufsichtsrat, dessen Wahl unwirksam war oder dessen reguläre Amtszeit nach § 102 AktG abgelaufen oder im Rahmen eines Statusverfahrens nach § 97 Abs. 2 Satz 3 AktG vorzeitig beendet worden ist, kann keine wirksamen Beschlüsse fassen.
§ 26 Kompetenzen des Aufsichtsrates Rz. I. Die allgemeine Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates . . . . . .
1
1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . .
1
2. Inhalt der Überwachungsaufgabe a) Gegenstand und Umfang der Überwachung . . . . . . . . . . . . . 3 aa) Überwachungsgegenstand . . 3 bb) Zu überwachender Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . 6 b) Kriterien der Überwachung . . . . 9 aa) Ordnungsmäßigkeit und Rechtmäßigkeit . . . . . . . . 10 bb) Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit . . . . . . . . 11 c) Abstufung der Überwachungsintensität . . . . . . . . . . . . . . . 14
Rz. 3. Beratung als präventive Kontrolle . 15 4. Mittel der Überwachung . . . . . . . a) Meinungsäußerung des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . b) Einsichtnahme und Prüfung . . . c) Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . bb) Anordnung von Zustimmungsvorbehalten . . . . . . . cc) Gegenstand von Zustimmungsvorbehalten . . . . . . . dd) Aufsichtsratspflichten bei der Festlegung von Zustimmungsvorbehalten . . . . . . . ee) Bedeutung der Zustimmung .
17 18 19 24 24 27 28 33 35
1 BGH v. 17.4.1967 – II ZR 157/64, BGHZ 47, 341, 350; Baums, ZGR 1983, 300, 323; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 76; Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher Aufsichtsratsbeschlüsse, 1986, S. 209; Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, 1994, S. 140. 2 BGH v. 24.6.2002 – II ZR 296/01, AG 2002, 676, 677; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 102 AktG Rz. 12; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 6 MitbestG Rz. 67; vgl. auch Raiser, § 6 MitbestG Rz. 31; a.A. Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 30 Rz. 40; Hüffer, § 102 AktG Rz. 3; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, S. 332. 3 BGH v. 16.12.1953 – II ZR 167/52, BGHZ 11, 231, 246 (zur GmbH); Hüffer, § 101 AktG Rz. 17; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 250 AktG Rz. 31.
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Kompetenzen Rz. ff) Verfahren zur Erteilung der Zustimmung . . . . . . . . . . gg) Verfahren bei Zustimmungsverweigerung . . . . . . . . . . d) Gesetzliche Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder . . . . f) Abhängigkeitsbericht . . . . . . . .
36 40 41 42 44
II. Personalkompetenz . . . . . . . . . . 47 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . 47 2. Bestellung und Anstellung a) Bestellung und Abberufung . . . . 50 b) Regelung des Anstellungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . 51 3. Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . 52 III. Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung . . . . . . . . 53 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Prüfung des Jahresabschlusses und Konzernabschlusses . . . . . . 54 b) Prüfung der Geschäftsführung . . 55 3. Rechtliche Bedeutung der Berichtspflicht des Aufsichtsrates . . . . . . 60 IV. Mitwirkung bei Geschäftsführungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 62
Rz. 1. Mitwirkung beim Jahresabschluss . 62 a) Bestellung und Beauftragung des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . 63 b) Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . 67 2. Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . 72 b) Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . 74 3. Mitwirkung bei Kapitalmaßnahmen 78 4. Ausübung von Beteiligungsrechten (§ 32 MitbestG, § 15 MitbestErgG) a) Allgemeine Bedeutung . . . . . . . b) Anwendungsbereich . . . . . . . . aa) Geltungsbereich von § 32 MitbestG . . . . . . . . . . . . . bb) Betroffene Beteiligungsrechte c) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . .
79 79 80 80 81 82
5. Verhaltenspflichten bei Übernahmeangeboten . . . . . . . . . . . . 85 a) Stellungnahme gemäß § 27 WpÜG 85 b) Abwehrmaßnahmen gemäß § 33 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 6. Kompetenzen im Hinblick auf die Hauptversammlung . . . . . . . . . . 87 a) Einberufung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Beschlussvorschläge für die Hauptversammlung . . . . . . . . . 88 7. Änderung der Satzungsfassung . . . 89
Schrifttum: Boujong, Rechtliche Mindestanforderungen an eine ordnungsgemäße Vorstandskontrolle und -beratung, AG 1995, 203; Deckert, Organschaftliche und vertragliche Beratungspflichten des Aufsichtsratsmitglieds, AG 1997, 109; Dreher, Das Ermessen des Aufsichtsrats, ZHR 158 (1994), 614; Feddersen, Neue gesetzliche Anforderungen an den Aufsichtsrat, AG 2000, 385; Götz, Die Überwachung der Aktiengesellschaft im Lichte jüngerer Unternehmenskrisen, AG 1995, 337; Henze, Prüfungs- und Kontrollaufgaben des Aufsichtsrates in der Aktiengesellschaft, NJW 1998, 3309; Hoffmann-Becking, Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen einer Verbesserung der Arbeit des Aufsichtsrats, in FS Havermann, 1995, S. 229; Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, 1981; Krieger, Interne Voraussetztungen für die Abgabe der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG, in FS Ulmer, 2003, S. 365; Lippert, Überwachungspflicht, Informationsrecht und gesamtschuldnerische Haftung des Aufsichtsrates nach dem AktG 1965, 1976; Lutter, Defizite für eine effiziente Aufsichtsratstätigkeit und gesetzliche Möglichkeiten der Verbesserung, ZHR 159 (1995), 287; Lutter, Die Erklärung zum Corporate Governance Kodex gemäß § 161 AktG, ZHR 166 (2002), 523; Martens, Der Grundsatz gemeinsamer Vorstandsverantwortung, in FS Fleck, 1988, S. 191; Möllers, Professionalisierung des Aufsichtsrates, ZIP 1995, 1725; Mülbert, Die Stellung der Aufsichtsratsmitglieder, in Feddersen/Hommelhoff/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Corporate Governance, 1995, S. 99; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der AG, 1994; Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung in der mitbestimmten AG, 1982; Pahlke, Risikomanagement nach KonTraG – Überwachungspflichten und Haftungsrisiken für den Aufsichtsrat, NJW 2002, 1680; Peltzer, Haftungsgeneigte Personalentscheidungen des Aufsichtsrates, in FS Semler, 1993, S. 261; Raiser, Pflicht und Ermes-
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Aufsichtsrat
sen von Aufsichtsratsmitgliedern, NJW 1996, 552; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, 1986; Schwark, Corporate Governance: Vorstand und Aufsichtsrat, in Hommelhoff/Lutter/ Schmidt/Schön/Ulmer (Hrsg.), Corporate Governance, 2002, S. 75; Semler, Aufgaben und Funktionen des aktienrechtlichen Aufsichtsrats in der Unternehmenskrise, AG 1983, 141; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1992; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008; E. Vetter, Die Berichterstattung des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung als Bestandteil seiner Überwachungsaufgabe, ZIP 2006, 257; Wardenbach, Interessenkollison und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, 1996.
I. Die allgemeine Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates 1. Vorbemerkung 1
Die Aufgabe des Aufsichtsrates ist im AktG nur knapp und unvollständig beschrieben. Lapidar bestimmt § 111 Abs. 1 AktG die Aufgabe des Aufsichtsrates mit der Überwachung der Geschäftsführung und betont damit die funktionale Aufgabe und zentrale Verantwortung des Aufsichtsrates innerhalb der Zuständigkeitsordnung der AG. Neben der Regelung von § 111 Abs. 1 AktG finden sich im AktG und in anderen Gesetzen verschiedene verstreute Vorschriften, die dem Aufsichtsrat im Rahmen seiner Überwachungsaufgabe weitere Rechte und Pflichten zuweisen1. Maßnahmen der Geschäftsführung können dem Aufsichtsrat oder einem seiner Mitglieder jedoch nach § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG nicht übertragen werden; die unternehmerische Initiative ist dem Aufsichtsrat damit ausdrücklich untersagt. Ebenso wenig kann der Aufsichtsrat ein bestimmtes Vorstandshandeln erzwingen. Die organschaftliche Überwachung erstreckt sich nicht nur auf die Prüfung bereits abgeschlossener Vorgänge, sondern bezieht die laufenden Geschäfte und Maßnahmen des Vorstandes ebenso ein wie die beabsichtigte Geschäftspolitik und grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung (§ 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG). Demgemäß lässt sich die organschaftliche Überwachung durch den Aufsichtsrat in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Aufgaben des Vorstandes als Geschäftsleiter sowohl als vorausschauende, begleitende (vorbeugende) sowie als nachträgliche Kontrolltätigkeit umschreiben. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Überwachungsfelder umfasst die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates die Überwachung des Vorstandes im engeren Sinne, dessen Beratung sowie die Mitwirkung bei wichtigen Entscheidungen des Vorstandes2. Ziel und Zweck der Überwachung durch den Aufsichtsrat ist es, beanstandungsbedürftige Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstandes zu verhindern und dem Unterlassen notwendiger unternehmerischer Entscheidungen des Vorstandes und sonstigen Versäumnissen des Vorstandes entgegenzuwirken3.
1 Vgl. z.B. §§ 33 Abs. 1, 59 Abs. 3, 77 Abs. 2 Satz 1, 84 Abs. 1, 2, und 3, 87 Abs. 1 und 2, 88 Abs. 1, 89, 90 Abs. 1, 3 und 5, 112, 114, 115, 124 Abs. 3 Satz 1, 171, 172, 179 Abs. 1 Satz 1, 188 Abs. 1, 204 Abs. 1 Satz 2, 223, 245 Nr. 5, 249 Abs. 1, 314 AktG, weiterhin § 32 MitbestG und § 15 MitbestErgG, § 341k Abs. 2 HGB. 2 Gleiche Systematik z.B. bei Deckert, AG 1997, 109, 111; Deckert, NZG 1998, 710, 711. 3 BGH v. 21.12.1979 – II ZR 244/78 – „Elektrische Licht und Kraftanlagen AG/Schaffgotsch“, AG 1980, 111, 112; BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244, 255; Henze, NJW 1998, 3309, 3312; Goette in FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 123, 132; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 11 und 25; vgl. auch Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 134.
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Kompetenzen
Die Aufgaben und Befugnisse sind in erster Linie dem Aufsichtsrat als Organ und nicht den Mitgliedern zugewiesen1. Soweit das AktG dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied Individualrechte einräumt (siehe z.B. § 29 Rz. 80), dienen sie der Erfüllung der organschaftlichen Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates durch die Gesamtheit seiner Mitglieder (z.B. §§ 90 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 Satz 1, 110 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 170 Abs. 3 AktG) und leiten sich von dessen Funktion innerhalb der Organisationsstruktur der AG ab. Entsprechendes gilt auch für einen vom Aufsichtsrat eingesetzten Ausschuss.
2
2. Inhalt der Überwachungsaufgabe a) Gegenstand und Umfang der Überwachung aa) Überwachungsgegenstand. Gegenstand der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates nach § 111 Abs. 1 AktG ist die Geschäftsführung des Vorstandes, d.h. die Leitung der Gesellschaft (§ 76 Abs. 1 AktG); richtigerweise die Leitung des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens2. Die Überwachung ist sowohl Organkontrolle als auch Funktionskontrolle3. Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates erstreckt sich nicht auf die Prüfung sämtlicher Geschäftsführungsaktivitäten des Vorstandes in allen Einzelheiten. Vielmehr muss sich das Interesse des Aufsichtsrates grundsätzlich auf die Prüfung der zentralen Führungs- und Leitungsentscheidungen des Vorstandes und grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftspolitik4 konzentrieren und darf keine Kontrolle der Details und des laufenden Tagesgeschäfts verfolgen5. Einzelmaßnahmen des Vorstandes sind deshalb von der Überwachung des Aufsichtsrates grundsätzlich ausgenommen6.
3
Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates erstreckt sich auch auf die vom Vorstand nach § 91 Abs. 2 AktG wahrzunehmende Risikofrüherkennung7. Der Aufsichtsrat hat dabei zu überwachen, ob der Vorstand Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung von bestandsgefährdenden Risiken ergriffen hat und insbesondere ein geeignetes und funktionsfähiges Risikomanagement- und Überwachungssystem unterhält (siehe dazu oben § 18 Rz. 16). Ziff. 5.3.2 Deutscher Corporate Governance Kodex empfiehlt die Aufgabe dem Prüfungsausschuss (Audit Committee) zu übertragen.
4
Zur weiteren Konkretisierung der Überwachungspflicht des Aufsichtsrates kann dabei auf das Spektrum der in § 90 Abs. 1 AktG normierten Berichts- und Informations-
5
1 BGH v. 28.11.1988 – II ZR 57/88 – „Opel“, BGHZ 106, 54, 63; BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89 – „Deutscher Herold“, BGHZ 114, 127, 130; Hüffer, § 111 AktG Rz. 9; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 10; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 111 AktG Rz. 18. 2 Vgl. Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 76 AktG Rz. 15; Henze, BB 2000, 209. 3 So wohl auch Hüffer, § 111 AktG Rz. 2; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 63; differenzierend hingegen Uwe H. Schneider in FS Kropff, 1997, S. 271, 276 einerseits und Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 100 andererseits. 4 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89 – „Deutscher Herold“, BGHZ 114, 127, 129; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 163 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 22; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 12; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 111 AktG Rz. 19. 6 Hüffer, § 111 AktG Rz. 3; Henze, BB 2000, 209, 214; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 111; siehe z.B. LG Stuttgart v. 29.10.1999 – 4 KfH O 80/98 – „Altenburger und Stralsunder Spielkarten Fabriken“, AG 2000, 237, 238. 7 Claussen/Korth in FS Lutter, 2000, S. 327, 329; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 210; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 211; Pahlke, NJW 2002, 1680, 1684.
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Aufsichtsrat
pflichten des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat (siehe oben § 18 Rz. 79 ff.) zurückgegriffen werden1. 6
bb) Zu überwachender Personenkreis. Die Überwachung hat nicht nur die Wahrnehmung der Geschäftsführung des Vorstandes als Ganzes zum Gegenstand, sondern richtet sich grundsätzlich auch auf die Tätigkeit des einzelnen Vorstandsmitglieds2. Sofern der Aufsichtsrat jedoch keine Anzeichen dafür hat, dass der Gesamtvorstand seiner Pflicht zur organinternen Überwachung des einzelnen Ressortvorstandes (vgl. dazu oben § 22 Rz. 42) nicht ausreichend nachkommt, wirkt sich die auf das einzelne Mitglied bezogene Überwachung des Aufsichtsrates nicht in besonderen Kontrollmaßnahmen aus3. Muss der Aufsichtsrat allerdings von einer mangelhaften Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgabe ausgehen, hat er sowohl bezüglich des einzelnen Mitglieds tätig zu werden, gegen das individuelle Bedenken bestehen, als auch hinsichtlich der Geschäftsführungstätigkeit des Gesamtvorstandes wegen dessen Pflicht zur wechselseitigen Kontrolle der einzelnen Ressorts4.
7
Nicht zur vom Aufsichtsrat zu überwachenden Zielgruppe zählen jedoch Mitarbeiter des Unternehmens, und zwar auch dann nicht, wenn sie herausgehobene Positionen (z.B. Generalbevollmächtigter, Bereichsleiter, Direktor) oder leitende Funktionen (z.B. Leiter einer Unternehmenssparte bei divisionaler Organisation) wahrnehmen oder an der Vorbereitung und Durchführung von wichtigen unternehmerischen Entscheidungen mitwirken5. Ihnen gegenüber hat der Aufsichtsrat auch keine Ansprüche auf Berichterstattung6. Insoweit bleibt es bei der Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe allein gegenüber dem Vorstand, dem die Organisation, Führung und Kontrolle (Direktionsrecht) dieser Mitarbeiter im Rahmen seiner Geschäftsführungsaufgabe obliegt und der damit auch die Verantwortung für die von diesen getroffenen Führungsentscheidungen im Rahmen seiner Geschäftsführungsaufgabe (§ 76 AktG) trägt7. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Aufsichtsrat auf Grund konkreter Anhaltspunkte davon ausgehen muss, dass er vom Vorstand nicht ordnungsgemäß und umfassend unterrichtet wird und er deshalb weitere Erkundigungen für notwendig hält8.
8
Im Unterordnungskonzern bezieht sich die Überwachung durch den Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft auch auf die Geschäftsführung des Vorstandes der Konzern1 Henze, NJW 1998, 3309; Hüffer, § 111 AktG Rz. 3; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 12. 2 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 19; a.A. v. Schenck in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 7 Rz. 28; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 114. 3 Im Ergebnis ebenso wohl Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 67. 4 Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 114. 5 OLG Köln v. 5.5.1977 – 14 U 46/76 – „Herstatt“, AG 1978, 17, 21; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 24; Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 290; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 117; a.A. Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 252; Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 158 ff.; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 69; Roth, AG 2004, 1, 9; vermittelnd Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 21; Henze, NJW 1998, 3309. 6 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 24; Lutter, AG 2006, 517, 521; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 21; Lippert, Überwachungspflicht, S. 83; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 42; a.A. Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 175. 7 BGH v. 12.7.1979 – III ZR 154/77 – „Herstatt“, BGHZ 75, 120, 133; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 68; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 36; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 117; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 43. 8 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 24; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 172; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 135; zum Mitarbeiter als Auskunftsgeber nach §§ 111 Abs. 2 Satz 1 oder 109 Abs. 1 Satz 2 AktG vgl. Dreher in FS Ulmer, 2003, S. 87, 96.
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Kompetenzen
obergesellschaft, sofern dieser konzernleitende Aufgaben hinsichtlich der abhängigen Konzernunternehmen wahrnimmt, indem er etwa bei diesen Gesellschafterrechte wahrnimmt oder auf deren Geschäfte in sonstiger Weise (z.B. durch Weisungen nach § 308 AktG auf Grund eines Beherrschungsvertrages) Einfluss nimmt1. Dies ist Geschäftsführung des Vorstandes für die Konzernobergesellschaft. Die Geschäftsführung der abhängigen Konzerngesellschaften wird nicht vom Überwachungsauftrag des Aufsichtsrates der Konzernobergesellschaft nach § 111 Abs. 1 AktG erfasst, denn er ist nicht Aufsichtsrat des Konzerns, sondern (nur) der Konzernobergesellschaft2. b) Kriterien der Überwachung Der Aufsichtsrat hat nach der überwiegenden Meinung nicht nur die „ureigene und zentrale Aufgabe“3, die Ordnungsmäßigkeit und die Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung des Vorstandes zu überwachen, sondern auch deren Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit4. Bisweilen wird die Überwachung des Aufsichtsrates deshalb auf die Überwachung der Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit beschränkt5. Zwischen den einzelnen Kriterien besteht ein enger Zusammenhang, so dass inhaltliche Überschneidungen teilweise nicht zu vermeiden sind6.
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aa) Ordnungsmäßigkeit und Rechtmäßigkeit. Im Rahmen der Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung hat sich der Aufsichtsrat davon zu vergewissern, dass der Vorstand die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG beachtet und hat sich insbesondere ein eigenes Urteil zu bilden, ob die innere Organisation und Ressortabgrenzung sowie die Zusammenarbeit des Vorstandes funktioniert und ob eine nach anerkannten betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen sachgerechte und funktionsadäquate Organisation des Unternehmens einschließlich der Unternehmensplanung und der Einrichtung eines internen Kontrollsystems gemäß § 91 Abs. 2 AktG besteht7. Der Aufsichtsrat hat weiterhin die rechtzeitige, systematische und vollständige Berichterstattung sowie eine den Aufgaben des Vorstandes angemessene und sorgfältige Vorbereitung der Führungsentscheidungen zu überwachen8. Bei seiner Kontrolle der Rechtmäßigkeit hat der Aufsichtsrat zu prüfen, ob der Vorstand die durch Gesetz, Satzung, Geschäftsordnung, Einzelbeschlüsse des Aufsichtsrates (z.B. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) oder durch den Anstellungsvertrag begründeten Pflichten eingehalten hat9. Ziff. 5.3.2 Deutscher Corporate Governance Kodex er-
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1 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 369; Hüffer, § 111 AktG Rz. 10; Lutter in FS Fischer, 1979, S. 419, 425; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 23; Uwe H. Schneider in FS Hadding, 2004, S. 621. 2 Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 326; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 132; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, S. 508; a.A. Hommelhoff, AG 1995, 225, 226; Uwe H. Schneider, BB 1981, 249, 252; vgl. auch Kropff in FS Claussen, 1997, S. 659, 668; Lutter in FS Stimpel, 1985, S. 825, 831. 3 Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 285. 4 Dreher, ZHR 158 (1994), 614, 620; Henze, BB 2001, 54, 59; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 71; Scheffler, AG 1995, 207, 208; Semler in FS Peltzer, 2001, S. 489, 497; vgl. aus betriebswirtschaftlicher Sicht Theisen, AG 1995, 193, 200. 5 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89 – „Deutscher Herold“, BGHZ 114, 127, 129; Boujong, AG 1995, 203, 204; Götz, AG 1995, 337, 350; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 91. 6 Vgl. auch Henze, NJW 1998, 3309, 3310; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 124. 7 Hüffer, § 111 AktG Rz. 10; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 74; Pahlke, NJW 2002, 1680, 1685. 8 Henze, BB 2000, 209, 214; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 184; Theisen, Überwachung der Unternehmensführung, 1987, S. 240. 9 Henze, BB 2001, 54, 59; Lippert, Überwachungspflicht, S. 51; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 72; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 65.
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streckt die Überwachung auch auf die Compliance, also auf die Prüfung, ob der Vorstand bei seinen organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung der Rechtstreue des Unternehmens und beim Aufbau von Sicherungseinrichtungen von seinem unternehmerischen Ermessen pflichtgemäß Gebrauch gemacht hat1. Eine Pflicht zum Einschreiten bei einem gesetzeswidrigen Verhalten des Vorstandes besteht nur bei schwerwiegenden Verstößen oder wenn der Gesellschaft aus dem Verhalten des Vorstandes ein Schaden droht2. 11
bb) Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit. Der Aufsichtsrat hat sich im Rahmen der Überwachung davon zu überzeugen, dass die vom Vorstand bereits getroffenen wie auch die geplanten Einzelentscheidungen mit der verabschiedeten Unternehmenspolitik und Gesamtstrategie übereinstimmen. Er hat darauf zu achten, dass die Entscheidungen und Maßnahmen der Geschäftsführung am Gebot der Wirtschaftlichkeit ausgerichtet sind und im Interesse des langfristigen Erhalts des Unternehmens die Sicherung der Liquidität und Finanzierung des Unternehmens sowie die Erhaltung und Stärkung seiner Ertragskraft beachten3. Der Vorstand hat im Rahmen seines Entscheidungsprozesses unter Verwertung aller verfügbaren relevanten Daten regelmäßig auch alternative Lösungen zur Erfüllung der verfolgten Ziele zu suchen und diese in seine Überlegungen einzubeziehen. Der vom Vorstand durchgeführte Entscheidungsprozess wie auch seine im konkreten Einzelfall getroffene Entscheidung muss für den Aufsichtsrat nachvollziehbar und folgerichtig sein. Der Entscheidungsprozess des Vorstandes muss auch nach Umsetzung der beschlossenen Maßnahme eine nachträgliche Überprüfung durch den Aufsichtsrat anhand der zugrunde gelegten Annahmen zulassen, inwieweit die ursprünglichen Prognosen tatsächlich eingetreten sind und der angestrebte Erfolg auch erzielt worden ist, so. Soll-Ist-Vergleich4. Dies entspricht auch dem Prinzip der so genannten Follow-up-Berichterstattung (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG)5.
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Bei der Kontrolle der Zweckmäßigkeit hat der Aufsichtsrat vor allem zu prüfen, ob die vom Vorstand getroffenen oder die anstehenden wesentlichen Entscheidungen auch zielführend und vernünftig sind, um die im Rahmen der verabschiedeten Unternehmensplanung und Gesamtstrategie angestrebten Ziele zu erreichen. Die Kontrolle der Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung des Vorstandes ist freilich eng mit der Frage der Kontrolle der Wirtschaftlichkeit verbunden, so dass diesem Kriterium neben der Wirtschaftlichkeit regelmäßig keine eigenständige Bedeutung mehr zukommt6.
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Dem Vorstand steht im Rahmen seiner Geschäftsführung bei Zweckmäßigkeitsentscheidungen ein breiter unternehmerischer Ermessensspielraum zu (vgl. dazu oben § 22 Rz. 16 ff.), den der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan zu respektieren hat7. 1 Vgl. Bürkle, BB 2007, 1797, 1799; E. Vetter, DB 2007, 1963, 1966; vgl. auch Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 246. 2 Vgl. dazu mit Differenzierungen im Einzelnen z.B. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 72; Raiser/ Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 109; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 124. 3 LG Stuttgart v. 29.10.1999 – 4 KfH O 80/98 – „Altenburger und Stralsunder Spielkarten Fabriken“, AG 2000, 237, 238; Götz, AG 1995, 337, 350; Mertens, ZGR 1977, 270, 278; Pahlke, NJW 2002, 1680, 1685. 4 Götz, AG 1995, 337, 350; Henze, BB 2000, 209, 215; Henze, BB 2001, 54, 59; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 191. 5 Vgl. z.B. Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 24; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 192; Seibert, NZG 2002, 608, 609. 6 Skeptisch gegenüber einem eigenständigen Überwachungskriterium der Zweckmäßigkeit auch Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 84; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 89; a.A. Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 191. 7 Goette in FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 123, 126; Hüffer, § 111 AktG Rz. 7; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 986; vgl. auch BGH v. 4.7.1977 – II ZR 150/75 – „Berolina“, BGHZ 69, 207, 213 (zur Publikums-KG).
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Kompetenzen
Der Aufsichtsrat hat in diesen Fällen die Sorgfalt des Vorstandes bei der Entscheidungsfindung zu prüfen. Solange die Entscheidung des Vorstandes im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens gemäß der Business Judgement Rule im Sinne von § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG bleibt, darf der Aufsichtsrat nicht seine eigene, unter Umständen abweichende Beurteilung gegenüber dem Vorstand durchsetzen1, sondern muss den Vorstand gewähren lassen. Nur im Falle eines unter Zustimmungsvorbehalt stehenden Geschäfts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG kann der Aufsichtsrat seine eigene Ermessensentscheidung gegenüber dem Vorstand durchsetzen (vgl. dazu unten Rz. 39). Allerdings ist der Aufsichtsrat, auch wenn es sich nicht um einen zustimmungspflichtigen Vorgang im Sinne von § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG handelt, berechtigt und in der Regel sogar verpflichtet, dem Vorstand in der Aufsichtsratssitzung seine auf Grund eigener Informationen und Erfahrungen gebildete abweichende Auffassung offenzulegen und mit ihm über die Zweckmäßigkeit der Maßnahme zu diskutieren2, so dass dem Vorstand die Möglichkeit eröffnet wird, seine Entscheidung unter Berücksichtigung der Überlegungen des Aufsichtsrates zu überdenken und zu revidieren. Ist der Aufsichtsrat der Ansicht, dass sich der Vorstand mit seiner Geschäftsführung außerhalb der Bandbreite der im Rahmen des Unternehmensinteresses vertretbaren Handlungsalternativen bewegt, ist er zum Eingreifen verpflichtet3. c) Abstufung der Überwachungsintensität Generell besteht im Schrifttum Einigkeit, dass der Aufsichtsrat die Intensität der Überwachung gegenüber dem Vorstand der jeweiligen Geschäftsentwicklung und Risikolage der Gesellschaft anzupassen hat4. Soweit die Geschäftsentwicklung in normalen Bahnen verläuft, sie gegenüber der Unternehmensplanung wie auch der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung keine signifikanten negativen Abweichungen aufweist und die Lage des Unternehmens zufriedenstellend ist, ist der Aufsichtsrat bei seiner Überwachungstätigkeit zur Zurückhaltung gegenüber dem Vorstand im Sinne einer bloßen begleitenden Überwachung verpflichtet. In der Krise des Unternehmens ist in jedem Fall eine sachlich und zeitlich höhere Kontrolldichte geboten5. Dies führt z.B. regelmäßig zu zusätzlichen und häufigeren Berichten des Vorstandes, verstärkter Ausschusstätigkeit des Aufsichtsrates, einer höheren Sitzungsfrequenz des Gesamtaufsichtsrates sowie dem verstärktem Gebrauch von Zustimmungsvorbehalten nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG und kann im Extremfall auch eine Neuorganisation oder aus wichtigem Grund die Neubesetzung des Vorstandes erforderlich machen6.
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3. Beratung als präventive Kontrolle Die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat ist nicht auf die Kontrolle der in der Vergangenheit liegenden, abgeschlossenen Vorgänge 1 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 86; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 111 AktG Rz. 29. 2 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 29; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 29; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 202. 3 Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 206; vgl. auch BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92 – „Vereinigte Krankenversicherung“, BGHZ 124, 111, 127. 4 OLG Hamburg v. 12.1.2001 – 11 U 162/00 – „Spar Handels-AG“, AG 2001, 359, 362; Henze, BB 2000, 209, 214; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 27; Hüffer, § 111 AktG Rz. 7; a.A. Claussen, AG 1984, 20 ff. 5 OLG Hamburg v. 12.1.2001 – 11 U 162/00 – „Spar Handels-AG“, AG 2001, 359, 362; Hopt/ Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 318; Hüffer, § 111 AktG Rz. 7. 6 Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 106; Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 90.
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beschränkt, sondern erstreckt sich, wie die in § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–4 AktG normierten Berichtspflichten des Vorstandes deutlich machen, auch auf laufende Vorgänge und Maßnahmen hinsichtlich der künftigen Entwicklung sowie insbesondere auf die Beratung mit dem Vorstand über die künftige Geschäftspolitik1. Die Beratung ist Teil der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrates2. Dieses Verständnis hat der BGH betont, indem er die ständige Diskussion des Aufsichtsrates mit dem Vorstand und die laufende Beratung als wesentliche Komponenten der gesetzlichen Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates ausdrücklich hervorgehoben und als „das vorrangige Mittel der in die Zukunft gerichteten Kontrolle des Vorstands“ bezeichnet hat3. 16
Der vorausschauenden und präventiven Kontrolle, die der Aufsichtsrat damit als „Organ kooperativer Kontrolle“4 und als „institutioneller Ratgeber und Gesprächspartner des Vorstandes“5 wahrnimmt, kommt eine zentrale Rolle bei der Beratung über die beabsichtigte Geschäftspolitik und strategische Planung des Vorstandes zu, denn sie bilden die wesentliche Grundlage für die weitere Unternehmensentwicklung, auch wenn zwischen Vorstand und Aufsichtsrat regelmäßig ein Informationsgefälle besteht und im Aufsichtsrat auch meist keine vergleichbaren Spezialkenntnisse vorhanden sind. Setzt sich der Aufsichtsrat aber aus Mitgliedern mit Kenntnissen, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen in den unterschiedlichsten Gebieten zusammen, wie dies auch Ziff. 5.4.1 Deutscher Corporate Governance Kodex empfiehlt, so kann der Aufsichtsrat seiner Rolle als kompetenter Ratgeber des Vorstandes durchaus gerecht werden. Die offene Diskussion und Beratung des Aufsichtsrates mit dem Vorstand über die beabsichtigten und entscheidenden Weichenstellungen der künftigen Geschäftspolitik und die ihnen zugrunde liegenden Prämissen bilden ein wichtiges Kontrollelement des Aufsichtsrates, denn sie bringen den Vorstand in einen Begründungsund Argumentationsdruck, was auch zur kritischen Überprüfung der eigenen Position zwingt. 4. Mittel der Überwachung
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Dem Aufsichtsrat stehen verschiedene Überwachungsmittel zur Verfügung, die sich in ihrem Charakter und der Intensität ihrer Einwirkung auf den Vorstand stark unterscheiden. Soweit der Aufsichtsrat beim Vorstand kein pflichtwidriges Verhalten feststellt, steht die Wahl des Überwachungsmittels in seiner freien Entscheidung6. a) Meinungsäußerung des Aufsichtsrates
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Im Regelfall findet die Überwachung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat durch Kenntnisnahme der schriftlichen und mündlichen Berichte des Vorstandes (§ 90 Abs. 1 AktG) und der darauf aufbauenden Diskussion statt. Im Dialog mit dem Vor1 Boujong, AG 1995, 203, 205; Deckert, AG 1997, 109, 111; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 94; Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 176; kritisch Möllers, ZIP 1995, 1725, 1727; Scheffler, ZGR 1993, 63, 69. 2 Hüffer, § 111 AktG Rz. 5; Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 88; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 49; a.A. Dreher, ZHR 155 (1991), 349, 360. 3 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89 – „Deutscher Herold“, BGHZ 114, 127, 130; BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 345; BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244, 255. 4 So die prägnante Formulierung von Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, Vorb. § 95 AktG Rz. 1. 5 So Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 94; ähnlich K. Schmidt, GesR, S. 820. 6 Vgl. BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92 – „Vereinigte Krankenversicherung“, BGHZ 124, 111, 127.
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Kompetenzen
stand werden von einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern zu dessen Berichterstattung Zustimmung, Bedenken, Hinweise oder Fragen formuliert, die dem Vorstand ein repräsentatives Bild darüber vermitteln, ob die von ihm verfolgte Geschäftspolitik vom Aufsichtsrat mitgetragen wird und inwieweit eine Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur angezeigt ist. Es steht dem Aufsichtsrat grundsätzlich frei, ob er es bei dem bloßen kritischen Dialog und den Diskussionsbeiträgen der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder belassen will oder ob er eine förmliche Meinungsbildung im Aufsichtsrat als sog. Meinungsbeschluss1 herbeiführt, der dem Vorstand den Willen des Überwachungsorgans in Form der Zustimmung oder Ablehnung unmissverständlich zum Ausdruck bringt. Solange es sich nicht um die Versagung der Zustimmung des Aufsichtsrates zu einem Geschäft gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG handelt (siehe dazu unten Rz. 40), ist der Vorstand nicht verpflichtet, den Beschluss des Aufsichtsrates zu befolgen2, hat sich aber mit der Stellungnahme des Aufsichtsrates auseinanderzusetzen3. b) Einsichtnahme und Prüfung Der Aufsichtsrat kann nach § 111 Abs. 2 AktG auch eigene Prüfungsmaßnahmen durchführen und dazu einzelne Aufsichtsratsmitglieder beauftragen; möglich ist auch die Übertragung der Aufgabe auf einen Aufsichtsratsausschuss4. Für „bestimmte Aufgaben“ können auch besondere Sachverständige beauftragt werden. Die Rechte auf Einsichtnahme und Prüfung stehen dem Aufsichtsrat als Organ zu; das einzelne Aufsichtsratsmitglied kann diese Rechte aus § 111 Abs. 2 Satz 1 AktG ohne Beauftragung durch den Aufsichtsrat nicht ausüben5. Grundlage der Prüfung ist stets ein entsprechender Beschluss des Aufsichtsrates.
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Gegenstand des Einsichts- und Prüfungsrechts sind z.B. Unterlagen aus dem Rechnungswesen der Gesellschaft, von der Gesellschaft abgeschlossene Verträge, Verfahrensakten über Rechtsstreitigkeiten oder Vorstandsprotokolle6. Auch die Besichtigung von Betrieben und Fabrikationseinrichtungen kommt in Betracht7. Das Prüfungsrecht schließt naturgemäß die Befragung von Mitarbeitern ein, die mit dem konkreten Prüfungsvorgang befasst sind oder waren8. Es gewährt dem Aufsichtsrat aber keine Rechte bei abhängigen Gesellschaften9. Hier ist der Aufsichtsrat darauf angewiesen,
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1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 31; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 1271; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 203. 2 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 715; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 32; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 111 AktG Rz. 128. 3 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 33; vgl. auch Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 292. 4 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 34; Hüffer, § 111 AktG Rz. 12. 5 BayObLG v. 25.4.1968 – 2 Z 56/67, AG 1968, 329, 330; Lippert, Überwachungspflicht, S. 102; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 240. 6 Lutter, Information, S. 110; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 43. 7 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 33; Lutter, Information, S. 102; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 128. 8 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 45; Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 57. 9 Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 338; Hüffer, § 111 AktG Rz. 11; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 44; weitergehend Martens, ZHR 159 (1995), 567, 586; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 422 ff.
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dass der Vorstand die vom Aufsichtsrat angeforderten Informationen von der Tochtergesellschaft beschafft1. 21
Wird der Prüfungsauftrag an ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied erteilt, so sind die übrigen Aufsichtsratsmitglieder von der Teilnahme an der Untersuchung ausgeschlossen2. Dadurch kann besonderen Geheimhaltungsbedürfnissen Rechnung getragen werden. Die Tätigkeit nach § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG erfolgt im Rahmen der organschaftlichen Überwachungsaufgabe.
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Das Einsichts- und Prüfungsrecht des Aufsichtsrates stellt eine Ergänzung des Berichtssystems nach § 90 AktG dar und ist deshalb nicht auf besondere Einzelfälle, wie z.B. Fälle des § 142 AktG, beschränkt, sondern es kann sich auch routinemäßig (z.B. Stichprobe) auf bestimmte Fragen erstrecken3. Ein allgemeines, flächendeckendes Einsichts- und Prüfungsrecht steht dem Aufsichtsrat jedoch nicht zu. Im Übrigen muss der Aufsichtsrat stets den verfolgten Überwachungszweck sorgfältig mit den möglichen negativen Auswirkungen einer solchen Maßnahme gegenüber dem amtierenden Vorstand, dem Unternehmen wie auch in der Öffentlichkeit abwägen. Dies zwingt den Aufsichtsrat im Unternehmensinteresse regelmäßig zur Zurückhaltung und zur vorrangigen Wahrnehmung des Rechts auf Zusatzberichte nach § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG, so dass das Einsichts- und Prüfungsrecht nach § 111 Abs. 2 AktG in der Praxis nur als ultima ratio, z.B. bei schwerwiegenden Vorgängen, in Betracht kommt4. Bei dringendem Verdacht auf Unregelmäßigkeiten ist der Aufsichtsrat verpflichtet, geeignete Prüfungsmaßnahmen zu beschließen5.
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Die Erteilung eines Prüfungsauftrages an einen zur Verschwiegenheit verpflichteten besonderen Sachverständigen6 ist nach § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG nur für bestimmte, konkret bezeichnete Aufgaben möglich7. c) Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG
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aa) Allgemeines. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG sieht vor, dass bestimmte Arten von Geschäften des Vorstandes nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates vorgenommen werden dürfen. Satzung oder Aufsichtsrat haben zwingend Zustimmungsvorbehalte für bestimmte Arten von Geschäften vorzusehen. Sofern die Satzung nicht bereits einen Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte enthält, ist der Aufsichtsrat deshalb verpflichtet, entweder durch einen Ad hoc-Beschluss oder in anderer Weise, z.B. gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG im Wege der Änderung der Geschäftsordnung des Vorstandes, Zustimmungsvorbehalte für bestimmte Arten von Geschäften anzuordnen.
1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 36; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 44. 2 Lutter, Information, S. 103; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 111 AktG Rz. 300. 3 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 33; Schulze-Osterloh, ZIP 1998, 2129, 2132. 4 Hoffmann-Becking in FS Havermann, 1995, S. 229, 239; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 243; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 42; a.A. Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 111 AktG Rz. 76. 5 Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 146. 6 Vgl. zum Sachverständigenbegriff z.B. Lutter, Information, S. 111; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 132. 7 Hüffer, § 111 AktG Rz. 12; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 165; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 130.
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§ 26
Kompetenzen
Nachdem ein völliges Absehen von der Festlegung von zustimmungspflichtigen Geschäften nicht mehr zulässig ist, ist die frühere Streitfrage1, ob die Satzung das Recht des Aufsichtsrates zur eigenständigen Begründung von Zustimmungsvorbehalten aufheben oder einschränken kann, hinfällig geworden.
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Durch einen Zustimmungsvorbehalt wird gewährleistet, dass der Aufsichtsrat bei grundlegenden Entscheidungen rechtzeitig informiert wird und die Möglichkeit der präventiven Kontrolle erhält2. Der Aufsichtsrat nimmt partiell an der Geschäftsführung teil und trägt insoweit auch unternehmerische Verantwortung3. Der Zustimmungsvorbehalt reicht über den Charakter eines reinen Überwachungsinstruments hinaus4, verschafft dem Aufsichtsrat aber keine Initiativrechte oder Weisungsrechte gegenüber dem Vorstand, sondern nur ein Vetorecht.
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bb) Anordnung von Zustimmungsvorbehalten. Auf welchem Weg die Anordnung erfolgt, ist vor allem eine Frage der Zweckmäßigkeit und Praktikabilität. Die Festlegung eines Katalogs zustimmungspflichtiger Geschäfte in der Satzung durch Beschluss der Hauptversammlung führt zwangsläufig zu relativ unflexiblen Regelungen und ist in der Praxis bei großen Publikumsgesellschaften selten. Flexibler ist ein Katalog durch Beschluss des Aufsichtsrates5. Der Aufsichtsrat kann die Kompetenz zur Errichtung von Zustimmungsvorbehalten nicht auf einen Aufsichtsratsausschuss übertragen (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG).
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cc) Gegenstand von Zustimmungsvorbehalten. Nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG bezieht sich das Recht zur Anordnung von Zustimmungsvorbehalten auf bestimmte Arten von Geschäften. Dazu zählen Rechtsgeschäfte aber auch unternehmensinterne Maßnahmen des Vorstandes, sofern sie nach generellen objektiven Kriterien bereits konkret bestimmbar sind6. In jedem Fall ist das Verbot in § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG zu beachten. Ein Zustimmungsvorbehalt, der im Wege der Generalklausel pauschal auf die Erfassung von z.B. „allen wesentlichen oder außergewöhnlichen Geschäften“ abzielt, ist deshalb als Eingriff in die eigenverantwortliche Leitungskompetenz des Vorstandes (§ 76 AktG) ebenso wenig zulässig wie ein flächendeckender Katalog von Zustimmungsvorbehalten, der dem Vorstand jeden Freiraum und die Initiative nimmt, die für ein unternehmerisches Handeln notwendig sind7.
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Konkrete inhaltliche Vorgaben zum Gegenstand der Geschäfte des Vorstandes oder einen Mindestkatalog nennt das Gesetz nicht. Aus der Regierungsbegründung zum TransPuG ergibt sich jedoch, dass es sich um grundlegende Vorgänge handeln muss,
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1 Vgl. z.B. Götz, ZGR 1990, 633, 634; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 111 AktG Rz. 62; Wiedemann, GesR, S. 340; E. Vetter, Beiträge zur inneren Ordnung des Aufsichtsrates der mitbestimmten AG, 1982, S. 65 ff. 2 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244, 255; BGH v. 11.12.2006 – II ZR 243/05, AG 2007, 167, 168 (zur GmbH); OLG Hamburg v. 29.9.1995 – 11 U 20/95, AG 1996, 84; Boujong, AG 1995, 203, 205; Götz, NZG 2002, 599, 602; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 230. 3 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244, 254; HoffmannBecking in FS Havermann, 1995, S. 229, 242; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 302; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 212. 4 OLG Stuttgart v. 23.1.1979 – 12 U 171/77 – „Uhingen AG“, AG 1979, 200, 203; E. Vetter, Beiträge zur inneren Ordnung des Aufsichtsrates der mitbestimmten AG, 1982, S. 77; a.A. Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 57. 5 Vgl. auch Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 38; Peltzer, NZG 2002, 10, 15. 6 Götz, ZGR 1990, 633, 641; Hüffer, § 111 AktG Rz. 19; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 61. 7 Götz, ZGR 1990, 633, 642; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 39; Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 25.
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die die Ertragsaussichten und die Risikoexposition des Unternehmens grundlegend verändern1. In der Sache ähnlich stellt Ziff. 3.3 Deutscher Corporate Governance Kodex auf die zu erwartenden grundlegenden Veränderungen der Vermögens-, Finanzoder Ertragslage ab. Soweit in der Regierungsbegründung zum TransPuG speziell von der „existentiellen Bedeutung“ gesprochen wird2, darf dies nicht im Sinne von § 91 Abs. 2 AktG verstanden und am Kriterium der Bestandsgefährdung festgemacht werden, will man die Pflicht zur Festlegung von zustimmungspflichtigen Geschäften nicht entgegen der gesetzgeberischen Zielsetzung nur auf seltene Extremfälle beschränkt wissen. Die Pflicht zur Anordnung von Zustimmungsvorbehalten muss deshalb auf Geschäfte bezogen werden, die für das künftige Schicksal der Gesellschaft von außergewöhnlicher oder herausragender Bedeutung sind3. Die Konkretisierung obliegt den zuständigen Organen der Gesellschaft unter Berücksichtigung der individuellen Organisationsstruktur der Gesellschaft und des spezifischen Wirtschaftszweigs, in dem sie tätig ist. Über den Wortlaut von § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG hinaus kann der Aufsichtsrat nach der herrschenden Meinung in besonderen Ausnahmefällen auch ad hoc einen Zustimmungsvorbehalt für ein einzelnes Geschäft beschließen, das für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung ist4. 30
Umstritten ist, inwieweit Maßnahmen der Unternehmensplanung einem Zustimmungsvorbehalt unterworfen werden können. Aus der allgemeinen Berichtspflicht des Vorstandes nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG lässt sich dazu nichts ableiten. Soweit es um die langfristig angelegte Mehrjahresplanung oder die strategische Planung geht, fehlt es an der für § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG notwendigen Konkretisierung der Geschäftsführungsmaßnahme, so dass ein Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrates ausscheidet, da sonst in unzulässiger Weise in den Kernbereich der Autonomie des Vorstandes zur Definition der Geschäftspolitik und Langfristplanung weit im Vorfeld konkreter Maßnahmen eingegriffen würde5. Der Aufsichtsrat ist bei seiner Überwachungsaufgabe insoweit darauf beschränkt, zu den Überlegungen des Vorstandes durch Äußerung von Anregungen, Bedenken oder Kritik zu reagieren. Anders ist es bei einzelnen spezifischen Planungsmaßnahmen und insbesondere bei der Jahresplanung des jeweils folgenden Jahres (Budget), die sich regelmäßig bereits in einer Vielzahl von konkreten Einzelmaßnahmen niederschlägt, deren Vorbereitung, z.B. durch Abschluss bindender Verträge (Investitionen, Kooperationen, Personalentscheidungen), oder deren Ausführungsbeginn bereits kurz bevorsteht. Hier ist deshalb ein Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrates zulässig und in vielen Unternehmen auch üblich6.
31
In einer Konzernobergesellschaft können sich die Zustimmungsvorbehalte auch auf Geschäfte erstrecken, die von einer nachgeordneten Gesellschaft durchgeführt werden. Der Vorstand hat in diesem Fall durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Geschäfte, von der nachgeordneten Konzerngesellschaft nicht ohne seine Kennt1 2 3 4
Vgl. BT-Drucks. 14/8769, S. 17; ebenso Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 34. BT-Drucks. 14/8769, S. 17. Schwark in Corporate Governance, S. 75, 92 ff.; Götz, NZG 2002, 599, 603. Boujong, AG 1995, 203, 206; Götz, ZGR 1990, 633, 643; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 39; weitergehend Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 64; a.A. Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 152; kritisch auch Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 7. 5 Hüffer, § 111 AktG Rz. 18; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 68; a.A. Kropff, NZG 1998, 613, 616; Lutter, AG 1991, 249, 254; Semler, ZGR 1983, 1, 23. 6 Hüffer, § 111 AktG Rz. 18; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 68; vgl. auch Kallmeyer, ZGR 1993, 104, 108.
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nis durchgeführt werden, so dass er in die Lage versetzt wird, rechtzeitig vorher die Zustimmung seines Aufsichtsrates zu beantragen1. Nach einer überwiegenden Meinung im Schrifttum sollen Zustimmungsvorbehalte im Zweifel konzernweit auszulegen sein2. Da Geschäfte einer Tochtergesellschaft, die die inhaltlichen Kriterien eines Zustimmungsvorbehalts erfüllen, auf die Ertragsund Liquiditätslage oder die Risikoexposition im Konzern regelmäßig eine vergleichbare Wirkung haben, wie wenn sie von der Konzernobergesellschaft unmittelbar durchgeführt werden würden, ist der konzernweiten Auslegung von durch die Satzung angeordneten Zustimmungsvorbehalten vor dem Hintergrund der konzernweiten Überwachungspflicht des Aufsichtsrates (vgl. oben Rz. 8) zuzustimmen, sofern nicht die Satzung selbst bereits bei einzelnen Zustimmungsvorbehalten danach differenziert, ob sie konzernweite Bedeutung haben sollen oder nicht, so dass für eine konzernweite Auslegung bei anderen Zustimmungsvorbehalten kein Raum mehr bleibt3. Bei durch den Aufsichtsrat eingeführten Zustimmungsvorbehalten kommt eine über den Wortlaut hinausgehende konzernweite Anwendung nur in Betracht, wenn der Aufsichtsrat dieses Verständnis dem Vorstand gegenüber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat4.
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dd) Aufsichtsratspflichten bei der Festlegung von Zustimmungsvorbehalten. Enthält die Satzung keinen Katalog von zustimmungspflichtigen Geschäften, ist der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG verpflichtet, bestimmte Arten von Geschäften von seiner Zustimmung abhängig zu machen. Er handelt pflichtwidrig, wenn er in dieser Situation von der Anordnung von Zustimmungsvorbehalten völlig absieht5.
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Unabhängig vom Inhalt eines bereits in der Satzung oder durch frühere Entscheidungen des Aufsichtsrates festgelegten Katalogs zustimmungspflichtiger Geschäfte ist der Aufsichtsrat im Rahmen seiner gesetzlichen Überwachungsaufgabe verpflichtet, nach pflichtgemäßen Ermessen6 zu prüfen, ob der bestehende Katalog ausreichend und angemessen ist oder ob weitere Arten von Geschäften einem Zustimmungsvorbehalt unterworfen werden sollen7. Zu berücksichtigen sind dabei die individuellen Bedürfnisse und die Risikolage der Gesellschaft, ihre Größe und Organisationsstruktur aber auch die Art und Intensität der Informationsversorgung des Aufsichtsrates durch den Vorstand, für die Ziff. 3.4 Abs. 3 Satz 1 Deutscher Corporate Governance Kodex eine nähere Regelung durch den Aufsichtsrat empfiehlt8 und in der eine frühzeitige Information des Aufsichtsrates geregelt werden kann, so dass der Bedarf von generellen Zustimmungsvorbehalten relativ gering sein kann. Ausnahmsweise kann für den
34
1 Götz, NZG 2002, 599, 603; Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 341; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 433. 2 Götz, ZGR 1990, 633, 654; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 40; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 687; Lutter in FS Fischer, 1979, S. 419, 433; Schilling, AG 1981, 341, 344. 3 Ebenso wohl Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 340; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 432. 4 Hüffer, § 111 AktG Rz. 21; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 78; a.A. Götz, ZGR 1990, 633, 655; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 690; Lenz, AG 1997, 448, 452. 5 Berrar, DB 2001, 2181, 2184. 6 BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92 – „Vereinigte Krankenversicherung“, BGHZ 124, 111, 127; Boujong, AG 1995, 203, 206; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 106; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 79; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 217. 7 Götz, NZG 2002, 599, 602; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 111 AktG Rz. 107; Lieder, DB 2004, 2251, 2252. 8 Peltzer, Deutsche Corporate Governance, Rz. 47.
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Aufsichtsrat eine Ermessensreduzierung „auf null“ eintreten, die im konkreten Fall die Pflicht zur Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts und zur Zustimmungsverweigerung auslöst, wenn eine gesetzeswidrige Maßnahme des Vorstandes droht, die auf andere Weise nicht mehr verhindert werden kann1. Lehnt der Aufsichtsrat in dieser Situation den Antrag eines Aufsichtsratsmitglieds auf Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts durch Beschluss ab, ist dieser Beschluss gesetzwidrig und damit nichtig2. Darüber hinaus kann diese Entscheidung die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder wegen sorgfaltswidrigen Verhaltens nach §§ 116, 93 AktG auslösen3. Von einer Anordnungspflicht des Aufsichtsrates ist ebenfalls auszugehen, wenn der Vorstand eine satzungswidrige Maßnahme vorbereitet, die nur durch einen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrates verhindert werden kann4. 35
ee) Bedeutung der Zustimmung. Der Zustimmungsvorbehalt ist Bestandteil der internen Kontrolle der Geschäftsführung. Er beschränkt die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes, hat aber keine direkte Außenwirkung. Führt der Vorstand ein Geschäft ohne die erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrates durch, ist das Geschäft im Außenverhältnis uneingeschränkt wirksam, kann aber die persönliche Haftung auslösen5. Hat der Aufsichtsrat die Zustimmung zu einem bestimmten Geschäft erteilt, ist der Vorstand nicht zur Durchführung verpflichtet6. Im Übrigen befreit die Zustimmung des Aufsichtsrates den Vorstand nicht von seiner rechtlichen Verantwortung für das Geschäft (§ 93 Abs. 4 Satz 2 AktG)7.
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ff) Verfahren zur Erteilung der Zustimmung. Grundsätzlich kann der Aufsichtsrat bei von ihm selbst angeordneten Zustimmungsvorbehalten auch eine allgemeine Einwilligung im Voraus, erteilen8. Bei in der Satzung angeordneten Zustimmungsvorbehalten ist er jedoch in jedem Einzelfall zur Prüfung des einzelnen Geschäfts verpflichtet, sofern die Satzung nicht die Möglichkeit der generellen Einwilligung zulässt9.
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Der Zustimmungsvorbehalt als Instrument der Präventivkontrolle kann nur dann seine Wirkung entfalten, wenn der Aufsichtsrat rechtzeitig vor Ausführung des geplanten Geschäfts eingeschaltet wird. Dem praktischen Bedürfnis an der Möglichkeit einer nachträglichen Zustimmung in Eilfällen zur Vermeidung von drohenden Nachteilen darf im Sinne einer ultima ratio allenfalls dann Rechnung getragen werden, 1 BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92 – „Vereinigte Krankenversicherung“, BGHZ 124, 111, 127; LG Bielefeld v. 16.11.1999 – 15 O 91/98 – „Balsam“, AG 2000, 136, 138; Götz, ZGR 1990, 633, 639; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 595; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 79. 2 BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92 – „Vereinigte Krankenversicherung“, BGHZ 124, 111, 127. 3 BGH v. 11.12.2006 – II ZR 243/05, AG 2007, 167 (zur GmbH); Boujong, AG 1995, 203, 207; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 79; Ulmer/Habersack in UlmerHabersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 61a. 4 LG Bielefeld v. 16.11.1999 – 15 O 91/98 – „Balsam“, AG 2000, 136, 138; Schön, JZ 1994, 685, 686; Boujong, AG 1995, 203, 206; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 106. 5 Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 305.1; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 86. 6 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 37; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 88; Habersack in MünchKomm. AktG, §. Aufl. 2008, § 111 AktG Rz. 128. 7 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 37; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 87; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 111 AktG Rz. 128. 8 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 42; Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 51. 9 Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 51; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 111 AktG Rz. 126; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 158.
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wenn vom Vorstand zuvor vergeblich alle zumutbaren Anstrengungen unternommen worden sind, kurzfristig eine Entscheidung des Aufsichtsrates (z.B. auf telefonischem oder schriftlichem Weg) herbeizuführen und der Vorstand im Übrigen nach pflichtgemäßem Ermessen davon ausgehen kann, dass der Aufsichtsrat dem vorgesehenen Geschäft mehrheitlich zustimmen wird1. Dabei hat der Vorstand vor einer endgültigen Entscheidung in jedem Fall eine Abstimmung mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden oder bei dessen Verhinderung mit dem stellvertretenden Vorsitzenden zu suchen2. Zulässig ist eine Ausnahmeregelung z.B. in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates, die in Eilfällen den Vorstand vom Vorwurf der Pflichtwidrigkeit befreit, wenn zumindest die Zustimmung des Aufsichtsratsvorsitzenden eingeholt worden ist3. Während bei der Einrichtung von Zustimmungsvorbehalten für den Aufsichtsrat ein Delegationsverbot besteht, kann er die Prüfung und Entscheidung über die Zustimmung oder Ablehnung eines zustimmungspflichtigen Geschäfts einem Ausschuss übertragen4.
38
Bei der Entscheidung über die vom Vorstand beantragte Zustimmung hat der Aufsichtsrat ein eigenes Ermessen5. Hält er das beabsichtigte Geschäft nach sorgfältiger Prüfung und pflichtgemäßem Ermessen für unvertretbar, ist er verpflichtet, seine Zustimmung zu verweigern6; hält er es nach seinen eigenen unternehmerischen Vorstellungen für unzweckmäßig, kann er die Zustimmung verweigern, muss es aber nicht7.
39
gg) Verfahren bei Zustimmungsverweigerung. Hat der Aufsichtsrat die Zustimmung verweigert, darf der Vorstand das Geschäft nicht ausführen. Führt er es trotz der Zustimmungsverweigerung des Aufsichtsrates gleichwohl durch, ist das Geschäft im Außenverhältnis wirksam, kann aber zur persönlichen Ersatzpflicht der Vorstandsmitglieder nach §§ 93 Abs. 1, 82 Abs. 2 AktG führen. Hat der Aufsichtsrat die vom Vorstand beantragte Zustimmung verweigert, kann der Vorstand wegen des vom Aufsichtsrat ausgesprochenen Veto nach § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG die Hauptversammlung um Erteilung der Zustimmung ersuchen. Für die Zustimmung ist ein Beschluss der Hauptversammlung mit einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich. Die Satzung kann dieses qualifizierte Mehrheitserfordernis weder erschweren noch erleichtern (§ 111 Abs. 4 Satz 5 AktG). Die Möglichkeit der Anrufung der Hauptversammlung nach § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG spielt in der Unternehmenspraxis keine Rolle und bildet insbesondere für Publikumsgesellschaften keine praktikable Alternative, das Veto des Aufsichtsrates zu überwinden.
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1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 41; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 80; strenger dagegen Götz, ZGR 1990, 633, 644. 2 Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 49; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 215. 3 Vgl. Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 393; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 683; kritisch aber Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 48. 4 OLG Hamburg v. 29.9.1995 – 11 U 20/95, AG 1996, 84, 87; Hüffer, § 111 AktG Rz. 19; Lutter/ Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 117; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 84. 5 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244, 255; Goette in FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 123, 129; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 212; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 117a; vgl. auch LG Darmstadt v. 6.5.1986 – 14 O 328/85 – „Opel“, AG 1987, 218, 221. 6 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 671; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 111 AktG Rz. 127; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 153. 7 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 116; Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 94; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 85.
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d) Gesetzliche Zustimmungsvorbehalte 41
Neben dem durch die Satzung oder durch Beschluss des Aufsichtsrates festgelegten Kreis von zustimmungspflichtigen Geschäften gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG unterwirft das AktG darüber hinaus bestimmte Geschäfte des Vorstandes zwingend einem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrates und begründet somit für diese Geschäfte ein Mitwirkungsrecht und eine erhöhte Mitverantwortung des Aufsichtsrates. Verträge der Gesellschaft mit Aufsichtsratsmitgliedern, insbesondere Verträge über Beratungsleistungen außerhalb der Aufsichtsratstätigkeit, bedürfen nach § 114 Abs. 1 AktG der Zustimmung des Aufsichtsrates (vgl. § 30 Rz. 12). Die Gesellschaft darf Kredite an Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 AktG nur mit Einwilligung des Aufsichtsrates gewähren. Auch für die Gewährung eines Kredits an Vorstandsmitglieder sowie an bestimmte Führungskräfte des Unternehmens und abhängiger Gesellschaften bedarf es nach § 89 AktG eines vorherigen Beschlusses des Aufsichtsrates (vgl. oben § 19 Rz. 64 ff.). e) Verfolgung von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder
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Ein wichtiger Bestandteil der repressiven Überwachung des Aufsichtsrates ist die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegenüber pflichtwidrig handelnden Mitgliedern des Vorstandes1. Ist die präventive Überwachung fehlgeschlagen, ist der Aufsichtsrat unabhängig von den der Hauptversammlung zustehenden Möglichkeiten der Rechtsverfolgung nach § 147 AktG verpflichtet, Ersatzansprüche der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 AktG gegen die verantwortlichen Mitglieder des Vorstandes geltend zu machen, wenn ihnen ein Fehlverhalten und eine Verletzung ihrer Pflichten nach § 93 Abs. 1 AktG vorgeworfen werden kann. Der Aufsichtsrat ist nach der Rechtsprechung2 zur eigenverantwortlichen Prüfung und im Interesse des Unternehmens an der Wiederherstellung des geschädigten Vermögens grundsätzlich auch zur Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen die Mitglieder des Vorstandes verpflichtet. Dabei steht ihm bei der in vollem Umfang gerichtlich nachprüfbaren Prüfung des Bestehens eines Schadensersatzanspruches sowie der Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits kein Handlungs- und Entscheidungsermessen zu3. Lediglich hinsichtlich der tatsächlichen Anspruchsverfolgung ist dem Aufsichtsrat ein enger, begrenzter und nur beschränkt gerichtlich überprüfbarer Ermessensspielraum eingeräumt, der im Einzelfall dazu führen kann, dass nach Abwägung aller relevanten Umstände von einer Durchsetzung eines bestehenden Schadensersatzanspruches Abstand genommen werden darf (vgl. dazu auch oben § 22 Rz. 53)4.
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Unterlässt der Aufsichtsrat die Geltendmachung von voraussichtlich durchsetzbaren Schadensersatzansprüchen gegenüber dem pflichtwidrig handelnden Vorstand, ohne dass dies durch „gewichtige Interessen und Belange der Gesellschaft“5 gerechtfertigt ist, oder versäumen die Aufsichtsratsmitglieder gänzlich eine sorgfältige und sachge-
1 Henze, NJW 1998, 3309; Raiser, NJW 1996, 552, 554. 2 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244; vgl. dazu z.B. Götz, NJW 1997, 3275, 3277; Boujong, DZWiR 1997, 326; Horn, ZIP 1997, 1129; kritisch demgegenüber Dreher, JZ 1997, 1074. 3 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244; Götz, NJW 1997, 3275; Henze, NJW 1998, 3309, 3311; Horn, ZIP 1997, 1129, 1137; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 112; Raiser, NJW 1996, 552, 554. 4 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244, 254; Horn, ZIP 1997, 1129, 1138; kritisch z.B. Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 113. 5 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244, 255.
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rechte Analyse der Sach- und Rechtslage, kommt für sie eine persönliche Haftung nach den §§ 116, 93 AktG in Betracht1. f) Abhängigkeitsbericht Im Fall der faktischen Konzernierung, d.h., handelt es sich bei der Gesellschaft um eine konzernabhängige Gesellschaft und ist sie in dieser Rolle weder Partei eines Beherrschungsvertrages noch besteht ein Gewinnabführungsvertrag mit dem herrschenden Unternehmen, hat der Vorstand nach § 312 AktG für jedes Geschäftsjahr innerhalb der ersten drei Monate des Folgejahres einen schriftlichen Bericht über die Beziehungen der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen, den so genannten Abhängigkeitsbericht, zu erstellen (vgl. dazu im Einzelnen unten § 58 Rz. 341 ff.). Der Bericht dient dem Aufsichtsrat zur Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes und soll gewährleisten, dass das zugunsten der abhängigen Gesellschaft bestehende Benachteiligungsverbot (§ 311 AktG) beachtet wird. Der Aufsichtsrat ist neben dem Vorstand für die ordnungsgemäße Erfüllung der Berichtspflicht des Vorstandes verantwortlich (§ 318 Abs. 2 AktG) und muss deshalb eigenverantwortlich prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen einer Pflicht zur Erstellung des Berichts gemäß § 312 AktG bestehen und gegebenenfalls den Vorstand zur Erstellung und Vorlage des Berichts auffordern2. Kommt der Vorstand dieser Aufforderung nicht nach, hat der Aufsichtsrat in seinem schriftlichen Bericht an die Hauptversammlung nach § 171 Abs. 2 AktG auf das Fehlen des Abhängigkeitsberichts hinzuweisen3.
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Der Aufsichtsrat hat den Abhängigkeitsbericht zu prüfen, wobei er sich dabei auf den Prüfungsbericht des Abschlussprüfers stützen kann, der den Bericht nach § 313 AktG gleichzeitig mit dem Jahresabschluss und dem Lagebericht ebenfalls zu prüfen und den Aufsichtsrat über das Prüfungsergebnis nach § 313 Abs. 2 Satz 2 AktG schriftlich zu informieren hat (vgl. dazu im Einzelnen unten § 58 Rz. 352 ff.). Anders als der Abschlussprüfer ist der Aufsichtsrat, der sich bei seiner Überwachungsaufgabe allein am Interesse der abhängigen Gesellschaft zu orientieren hat4, zur uneingeschränkten Prüfung des Berichts auf Richtigkeit und Vollständigkeit der relevanten Vorgänge verpflichtet5. Dabei trifft die Repräsentanten des herrschenden Unternehmens im Aufsichtsrat, die ihr spezielles Sonderwissen über einzelne Vorgänge berücksichtigen müssen, eine besondere Verantwortung, auf die vollständige Erfassung aller relevanten Vorgänge zu achten6.
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Der Abhängigkeitsbericht wird nicht veröffentlicht, sondern ist nur für den Aufsichtsrat und den Abschlussprüfer bestimmt, die den Bericht des Vorstandes zu prü-
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1 Dreher, JZ 1997, 1074, 1075; Götz, NJW 1997, 3275, 3277; Heermann, AG 1998, 201, 202; Thümmel, DB 1997, 1117, 1119. 2 Ebenso Hüffer, § 318 AktG Rz. 6; Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2000, § 314 AktG Rz. 70. 3 Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 318 AktG Rz. 14; Hüffer, § 312 AktG Rz. 10. 4 Koppensteiner in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, § 314 AktG Rz. 6; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 464. 5 Krieger in MünchHdb. AG, § 69 Rz. 95; Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2000, § 314 AktG Rz. 18; kritisch Koppensteiner in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, § 314 AktG Rz. 6. 6 Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 314 AktG Rz. 13; Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2000, § 314 AktG Rz. 24; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 463.
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fen haben1. Der Bericht und der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers sind gemäß § 314 Abs. 1 Satz 2 AktG jedem Aufsichtsratsmitglied auszuhändigen, sofern die Berichte nicht auf Grund eines Beschlusses des Aufsichtsrates nur den Mitgliedern eines Ausschusses, z.B. dem Prüfungsausschuss, vorbehalten bleiben sollen. Der Abschlussprüfer hat an den Verhandlungen des Aufsichtsrates oder eines vorbereitenden Ausschusses über den Abhängigkeitsbericht teilzunehmen und über die wesentlichen Ergebnisse seiner Prüfung mündlich zu berichten (§ 314 Abs. 4 AktG). Am Ende seiner Beratungen entscheidet der Aufsichtsrat durch Beschluss, ob er den Abhängigkeitsbericht billigt oder ob Einwendungen zu erheben sind (§ 314 Abs. 3 AktG). Diese Entscheidung ist nach § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG zwingend dem Aufsichtsratsplenum vorbehalten und kann nicht zur endgültigen Erledigung auf einen Ausschuss übertragen werden. Besteht bei der Gesellschaft ein Prüfungsausschuss, so wird ihm im Regelfall auch die Vorbereitung der Entscheidung des Gesamtaufsichtsrates hinsichtlich der Prüfung des Abhängigkeitsberichts übertragen. Das Ergebnis seiner Prüfung hat der Aufsichtsrat in seinen Bericht an die Hauptversammlung (§ 171 Abs. 2 AktG) aufzunehmen und mit einer Schlusserklärung abzuschließen, deren Wortlaut sich aus § 314 Abs. 3 AktG ergibt. Dabei hat er auch zur Prüfung des Abschlussprüfers Stellung zu nehmen und dessen Bestätigungsvermerk in dem Bericht ebenfalls wiederzugeben (§ 314 Abs. 2 Satz 3 AktG).
II. Personalkompetenz 1. Vorbemerkung 47
Von der Qualität des Managements hängt in entscheidendem Umfang das Schicksal des Unternehmens und seiner weiteren Entwicklung ab. Deshalb kommt den Personalentscheidungen des Aufsichtsrates zentrale Bedeutung zu2. Die Auswahl geeigneter neuer sowie die laufende Beurteilung der bereits aktiven Mitglieder des Vorstandes sind „die höchste und verantwortungsvollste Aufgabe des Aufsichtsrats; an ihr muss sich in gegebenen Abständen seine Menschenkenntnis und organisatorische Kraft erweisen“ (Walther Rathenau)3. Die Bestellung und Abberufung der Mitglieder des Vorstandes und insbesondere die des Vorstandsvorsitzenden bilden wesentliche Elemente der allgemeinen Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates4. Es obliegt dem Aufsichtsrat, die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen festzulegen, die ein Kandidat für eine konkrete, vakante Vorstandsposition zu erfüllen hat. Der Aufsichtsrat trifft seine Personalentscheidungen nach der Vorstellung des AktG unter Berücksichtigung der unternehmerischen Anforderungen und der langfristigen strategischen Ausrichtung des Unternehmens in eigener Verantwortung und ist dabei keinen Weisungen Dritter unterworfen5.
1 OLG Frankfurt v. 6.1.2003 – 20 W 449/93 – „Rabobank Deutschland“, ZIP 2003, 761, 762; OLG Düsseldorf v. 11.4.1988 – 19 W 32/86, AG 1988, 275, 277; KG v. 11.2.1972 – 1 W 1672/71, ATG 1973, 25; weitergehende Forderungen z.B. bei Uwe H. Schneider in FS Lutter, 2000, S. 1193, 1197; E. Vetter, ZHR 171 (2007), 342, 365. 2 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 359; Fonk in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 9 Rz. 1; Götz, AG 1995, 337, 348. 3 Rathenau, Vom Aktienwesen, 1918, S. 19. 4 Vgl. z.B. Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 28; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 106; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 68 und 78. 5 Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 84 AktG Rz. 14; Hüffer, § 84 AktG Rz. 5; Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 42.
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In der Praxis erfolgen die Beschlüsse des Aufsichtsrates regelmäßig nach Vorbereitung durch den Personalausschuss oder das Aufsichtsratspräsidium1 gleichwohl unter normalen Umständen meist in enger Abstimmung mit dem amtierenden Vorstand, insbesondere mit dessen Vorsitzenden, der dabei eng mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates zusammenarbeitet2. Gelegentlich wird dabei von einem faktischen Kooptationsverfahren gesprochen3. Die sachgerechte Personalauswahl bildet eine wesentliche Voraussetzung für eine gute und kooperative Zusammenarbeit innerhalb des Vorstandes und dieser ist auf Grund seiner Sachnähe regelmäßig auch am besten in der Lage, das genaue Anforderungsprofil zu definieren4. Dieses Vorgehen ist im Hinblick auf die Unabhängigkeit des Aufsichtsrates nicht völlig frei von Bedenken5, aber letztlich unvermeidbar und in vielen Fällen sogar notwendig, wenn das neue Vorstandsmitglied in den Vorstand als Kollegialorgan möglichst reibungslos integriert werden und mit den anderen Vorstandsmitgliedern erfolgreich zusammenarbeiten soll6. Entscheidend ist, dass der Aufsichtsrat ungeachtet der Einbindung des Vorstandes Herr des Verfahrens bleibt, wie es das Gesetz verlangt und seine Personalentscheidung nach sorgfältiger Beratung des Vorschlages in eigener Verantwortung trifft7. Dies fügt sich auch in die Vorstellungen des Deutschen Corporate Governance Kodex ein, der in Ziff. 5.1.2 Satz 2 empfiehlt, dass die langfristige Nachfolgeplanung für den Vorstand durch Aufsichtsrat und Vorstand gemeinsam erfolgt und damit zu recht deutlich macht, dass die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Vorstand bei der Personalpolitik hinsichtlich der Besetzung des Vorstandes nicht unvereinbar, sondern in gewissem Rahmen durchaus erwünscht ist. Unabhängig davon ist in jedem Fall festzuhalten, dass bei sorgfaltswidriger Personalauswahl und Bestellung eines ungeeigneten Kandidaten die Haftung der Mitglieder des Aufsichtsrates nach den §§ 93, 116 AktG in Betracht kommen kann8.
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Der Deutsche Corporate Governance Kodex enthält z.B. hinsichtlich der Bestellung des Vorstandes, der Vergütung der Vorstandsmitglieder sowie der Behandlung von Interessenkonflikten der Vorstandsmitglieder neben mehreren Anregungen verschiedene Empfehlungen, deren Transformation in gesellschaftsinterne Verpflichtungen meist dem Aufsichtsrat obliegt: Ziff. 4.2.1 Satz 2 (Vorstandsgeschäftsordnung), Ziff. 4.2.3 (Vergütungsregeln), Ziff. 4.3.4 Satz 1 (Offenlegung von Interessenkonflikten der Vorstandsmitglieder), Ziff. 4.3.4 Satz 3 (Aufsichtsratszustimmungsvorbehalt bei Geschäften der Vorstandsmitglieder mit der Gesellschaft), Ziff. 4.3.5 (Aufsichtsratszustimmungsvorbehalt bei Nebentätigkeiten der Vorstandsmitglieder), Ziff. 5.1.2 Absatz 2 (Wiederbestellung unter gleichzeitiger Aufhebung der laufenden Bestellung und Festlegung einer Altersgrenze).
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1 Götz, AG 1995, 337, 348; Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 58 ff.; Potthoff/ Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 1611. 2 Vgl. z.B. Martens in FS Fleck, 1988, S. 191, 202; Peltzer, NZG 2002, 10, 12; Servatius, AG 1995, 223, 224. 3 Martens in FS Fleck, 1988, S. 191, 203; Wilhelm, NJW 1983, 912, 915. 4 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 336; Martens in FS Fleck, 1988, S. 191, 202; Peltzer in FS Semler, 1993, S. 261, 264. 5 Vgl. z.B. Götz, AG 1995, 337, 348; Peltzer, NZG 2002, 10, 13. 6 Martens in FS Fleck, 1988, S. 191, 204; Peltzer, NZG 2002, 10, 12; vgl. auch Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 224. 7 Fonk in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 9 Rz. 17; Hüffer, § 84 AktG Rz. 5; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 336. 8 Vgl. Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 42; Peltzer in FS Semler, 1993, S. 261, 267; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 1611.
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2. Bestellung und Anstellung a) Bestellung und Abberufung 50
Die Zuständigkeit zur Bestellung und zum Widerruf der Bestellung der Mitglieder des Vorstandes liegt nach § 84 Abs. 1 Satz 1 und 3 sowie Abs. 3 Satz 1 AktG und § 31 Abs. 1 MitbestG ausschließlich beim Aufsichtsrat, der diese Aufgabe zwingend durch das Aufsichtsratsplenum wahrzunehmen hat. Eine Delegation zur endgültigen Erledigung auf einen Ausschuss ist nach § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG weder durch Beschluss des Aufsichtsrates noch durch eine Regelung in der Satzung zulässig und führt zur Unwirksamkeit des Bestellungsbeschlusses des Aufsichtsratsausschusses1. b) Regelung des Anstellungsverhältnisses
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Von der Bestellung des Vorstandsmitglieds als körperschaftlichem Organisationsakt ist das vertragliche Anstellungsverhältnis zu unterscheiden (vgl. dazu oben § 19 Rz. 6). Aus § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG ergibt sich, dass für die Regelung des Anstellungsverhältnisses, d.h. der individuellen dienstvertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Vorstandsmitglied und der Gesellschaft, im Unterschied zur Bestellung keine zwingende ausschließliche Zuständigkeit des Gesamtaufsichtsrates besteht. Diese Aufgabe wird deshalb in der Unternehmenspraxis aus organisatorischen Gründen wie auch aus Gründen der Vertraulichkeit üblicherweise auf das Aufsichtsratspräsidium oder den Personalausschuss übertragen. Vgl. zum Anstellungsverhältnis der Mitglieder des Vorstandes im Einzelnen oben § 19 Rz. 25 ff. 3. Vertretung
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Dem Aufsichtsrat obliegt nach § 112 AktG die gerichtliche wie außergerichtliche Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Mitgliedern des Vorstandes. Die Regelung will die unbefangene Vertretung der Gesellschaft sicherstellen und das Risiko des Einflusses von sachfremden Überlegungen bei der Wahrnehmung der Vertretung der Gesellschaft vermeiden, wobei unter typisierender Betrachtung allein auf das abstrakte Befangenheitsrisiko abzustellen ist2. Aus diesem Grund gilt die Vertretungsregel von § 112 AktG nicht nur gegenüber amtierenden, sondern auch gegenüber ehemaligen Mitgliedern, z.B. soweit es um die Rechtmäßigkeit oder Wirksamkeit ihres Ausscheidens als Organmitglied3, um Fragen ihres Anstellungsvertrages, ihrer Pensionsansprüche4, um die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach § 93 Abs. 2 AktG5 geht, aber auch um den Abschluss eines Beratungsvertrages mit einem ehemaligen Vorstandsmitglied6 oder mit einer von ihm kontrollierten Gesellschaft, es sei denn, dass durch den zeitlichen Abstand zu seinem Ausscheiden aus dem Vor1 Hüffer, § 84 AktG Rz. 12; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 41. 2 BGH v. 22.4.1991 – II ZR 151/90, AG 1991, 269, 270; BGH v. 26.6.1995 – II ZR 122/94, BGHZ 130, 108, 112; Hüffer, § 112 AktG Rz. 2; Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 80; Schmits, AG 1992, 149, 152. 3 BGH v. 11.5.1981 – II ZR 126/80 – „BFK“, AG 1982, 18; BGH v. 9.10.1986 – II ZR 284/85, AG 1987, 19; BGH v. 8.2.1988 – II ZR 159/87, BGHZ 103, 213; BGH v. 26.6.1995 – II ZR 122/94, BGHZ 130, 108; Schmits, AG 1992, 149; Semler in FS Rowedder, 1994, S. 441, 445; Werner, ZGR 1989, 369. 4 BGH v. 13.2.1989 – II ZR 209/88, AG 1989, 247; BGH v. 5.3.1990 – II ZR 86/89, AG 1990, 359; BGH v. 22.4.1991 – II ZR 151/90, AG 1991, 269; BGH v. 28.4.1997 – II ZR 282/95, AG 1997, 417. 5 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244, 255. 6 BGH v. 22.4.1991 – II ZR 151/90, AG 1991, 269; BGH v. 7.7.1993 – VIII ZR 2/92, AG 1994, 35.
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stand deutlich wird, dass ein Zusammenhang mit seiner früheren organschaftlichen Stellung nicht besteht und insoweit kein Anlass zur Besorgnis der Befangenheit gegeben ist1. Auch gegenüber den Hinterbliebenen eines Vorstandsmitglieds wird die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat vertreten2. Nur bei Geschäften des täglichen Lebens, die keinen Bezug zur früheren Vorstandstätigkeit haben, vertritt jedoch der Vorstand die Gesellschaft3.
III. Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung 1. Allgemeines Über die im abgelaufenen Geschäftsjahr wahrgenommene Überwachung der Geschäftsleitung sowie insbesondere über das Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts und des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns sowie gegebenenfalls des Konzernabschlusses hat der Aufsichtsrat der Hauptversammlung nach § 171 Abs. 2 AktG zu berichten. Der Bericht ist schriftlich zu erstatten und vom Aufsichtsratsvorsitzenden oder im Verhinderungsfall von dessen Stellvertreter zu unterzeichnen4. Die Vorbereitung des Berichts kann einem Ausschuss übertragen werden. Die Beschlussfassung über das Ergebnis der Prüfung und den Inhalt des Berichts muss jedoch nach § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG durch das Aufsichtsratsplenum erfolgen5. Der Bericht ist nicht nur Bericht über das Ergebnis der eigenen Prüfung des Jahresabschlusses, sondern auch Rechenschaftsbericht des Aufsichtsrates über seine gesamte eigene Tätigkeit während des abgelaufenen Geschäftsjahres und bildet damit eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung der Hauptversammlung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates nach § 120 AktG6.
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2. Inhalt a) Prüfung des Jahresabschlusses und Konzernabschlusses Der Inhalt des Berichts insbesondere hinsichtlich der Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts und des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns sowie gegebenenfalls des Konzernabschlusses ergibt sich im Wesentlichen aus § 171 Abs. 2 AktG. Der Aufsichtsrat hat zum Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses sowie bei Mutterunternehmen auch des Konzernabschlusses durch den Abschlussprüfer Stellung zu nehmen und zu erklären, ob nach dem abschließenden Ergebnis seiner eigenen Prüfung Einwendungen zu erheben sind und ob er den aufgestellten Jahres-
1 Fonk in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 9 Rz. 278; Semler in FS Rowedder, 1994, S. 441, 448; vgl. auch Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 81. 2 LG München I v. 18.7.1995 – 28 O 24527/94, AG 1996, 38; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 436; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 112 AktG Rz. 11; a.A. OLG München v. 25.10.1995 – 7 U 3786/95, WiB 1996, 578. 3 Semler in FS Rowedder, 1994, S. 441, 447; Werner, ZGR 1989, 369, 382; vgl. auch Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 112 AktG Rz. 15. 4 A/D/S, 6. Aufl. 1997, § 171 AktG Rz. 62; Claussen/Korth in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1991, § 171 AktG Rz. 19; Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 171 AktG Rz. 169. 5 A/D/S, 6. Aufl. 1997, § 171 AktG Rz. 63; Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 171 AktG Rz. 170; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 2140. 6 OLG Stuttgart v. 15.3.2006 – 20 U 25/0504 – „RTV Family Entertainment“, AG 2006, 379, 380; LG München I v. 10.3.2005 – 5 HK O 18110/04 – „Para“, AG 2005, 408; Hüffer, § 171 AktG Rz. 12; Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 171 AktG Rz. 145; Trescher, DB 1998, 1016, 1017; E. Vetter, ZIP 2006, 257, 258; vgl. auch E. Vetter, ZIP 2006, 952.
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abschluss und Konzernabschluss billigt (vgl. zum Jahresabschluss im Einzelnen unten § 55 und zum Konzernabschluss § 56). b) Prüfung der Geschäftsführung 55
§ 171 Abs. 2 Satz 2 AktG verlangt ausdrücklich auch die Mitteilung über Art und Umfang der Prüfung der Geschäftsleitung durch den Aufsichtsrat. In Anlehnung an die Berichterstattungspflichten des Vorstandes gegenüber dem Aufsichtsrat nach § 90 Abs. 4 AktG ist auch der Aufsichtsrat zur Beachtung der Grundsätze einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft verpflichtet1. Die Vorschrift verlangt eine aussagekräftige individuelle und qualitative Darlegung der während des Berichtsjahres erfolgten Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrates. Dabei ist insbesondere auf die unterschiedlichen vom Aufsichtsrat genutzten Überwachungsinstrumente einzugehen wie z.B. die Berichterstattung nach § 90 Abs. 1 AktG; Unterrichtung des Aufsichtsratsvorsitzenden nach § 90 Abs. 2 AktG, Sonderberichte nach § 90 Abs. 3 AktG, Einsichtnahme in Bücher oder die Beauftragung von Sachverständigen nach § 111 Abs. 2 AktG sowie die Prüfung zustimmungspflichtiger Geschäfte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG2.
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Die Veränderungen im Vorstand unterliegen der Informationspflicht des Aufsichtsrates, da Bestellung und Abberufung von Mitgliedern des Vorstandes in die ausschließliche Zuständigkeit des Aufsichtsrates fallen und zu den wichtigsten Elementen seiner Überwachungsaufgabe zählen3. Aber auch bei den Veränderungen im Aufsichtsrat besteht eine Informationspflicht, da die Hauptversammlung als nicht ständiges Organ unterrichtet werden muss, welche Personen die Überwachungsaufgabe im abgelaufenen Berichtszeitraum wahrgenommen haben. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil im Kreis der Aufsichtsratsmitglieder Änderungen erfolgen können, die überhaupt nicht auf einer Beschlussfassung der Hauptversammlung beruhen (z.B. gerichtliche Bestellung, Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer) oder die auf einem bereits längere Zeit zurückliegenden Hauptversammlungsbeschluss beruhen (Amtsantritt eines Ersatzmitglieds)4.
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Die Erläuterung der Überwachungstätigkeit hat sich an der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft zu orientieren und muss entsprechend der Pflicht der Aufsichtsrates zur Intensivierung seiner Überwachungstätigkeit in Krisenzeiten der Gesellschaft der besonderen Problemlage durch eine intensivere Berichterstattung an die Hauptversammlung Rechnung tragen5. Liegt die Geschäftsentwicklung im Plan bei finanziell gesicherter Lage, ist eine knappere Berichterstattung ausreichend6. Besondere Schwerpunkte der Überwachung des Aufsichtsrates insbesondere, wenn sie Anlass oder Ge1 OLG Nürnberg v. 20.9.2006 – 12 U 3800/04 – „DIC Asset“, AG 2007, 295, 298; LG München I v. 5.4.2007 – 5 HK O 15964/06, AG 2007, 417, 418; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 2095. 2 LG München I v. 10.3.2005 – 5 HK O 18110/04 – „Para“, AG 2005, 408; Trescher, DB 1989, 1981, 1982; Maser/Bäumker, AG 2005, 906, 909; E. Vetter, ZIP 2006, 257, 262; restriktiv Drygala, AG 2007, 381; vgl. auch Kiethe, NZG 2006, 888, 891. 3 Vgl. auch Kropff in G/H/E/K, AktG, 1973, § 171 AktG Rz. 32; Lutter, AG 2008, 1, 8; zurückhaltend hingegen Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 44 Rz. 21. 4 E. Vetter, ZIP 2006, 257, 260; Liese/Theusinger, BB 2007, 2528, 2532. 5 OLG Hamburg v. 12.1.2001 – 11 U 162/00 – „Spar Handels-AG“, AG 2001, 359, 362; OLG Stuttgart v. 15.3.2006 – 20 U 25/0504 – „RTV Family Entertainment“, AG 2006, 379, 380; Sünner, AG 2006, 450, 451; E. Vetter, ZIP 2006, 257, 262. 6 LG Krefeld v. 20.12.2006 – 11 O 70/06 – „Jagenberg“, ZIP 2007, 730, 732; E. Vetter, ZIP 2006, 257, 262; wohl auch Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 171 AktG Rz. 156.
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genstand einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung gewesen sind (z.B. Erwerb oder Veräußerungen von wesentlichen Beteiligungen, große Investitionen), verlangen besondere Erwähnung. Bei börsennotierten Gesellschaften verlangt § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG darüber hinaus ausdrücklich die Angabe der vom Aufsichtsrat gebildeten Ausschüsse einschließlich der Darstellung ihrer speziellen Aufgaben und Funktionen, soweit sie sich nicht unmittelbar aus der Bezeichnung des Ausschusses erschließen lassen, sowie die gesonderte Mitteilung der Anzahl der Sitzungen des Aufsichtsrates und seiner Ausschüsse. Die namentliche Angabe der Ausschussmitglieder und des Ausschussvorsitzenden im Bericht ist jedoch entbehrlich1. Anderes gilt für die kapitalmarktorientierte AG hinsichtlich des unabhängigen Finanzexperten gemäß § 100 Abs. 5 AktG sowie des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses2. Ziff. 5.4.8 Deutscher Corporate Governance Kodex empfiehlt im Bericht des Aufsichtsrates anzugeben, wenn ein Aufsichtsratsmitglied an weniger als der Hälfte der Sitzungen des Aufsichtsrates persönlich teilgenommen hat. Die Regelung hat im Wesentlichen präventiven Charakter3. Ziff. 5.5.3 Deutscher Corporate Governance Kodex empfiehlt die Angabe von aufgetretenen Interessenkonflikten und deren Behandlung im Bericht des Aufsichtsrates. Die Vorschrift ist nicht unproblematisch4. Sie verlangt die partielle Aufgabe der Vertraulichkeit der Sitzungen des Aufsichtsrates, die durch § 116 Satz 2 AktG neuerdings besonders betont wird und die auch gegenüber dem allgemeinen Auskunftsrecht der Aktionäre nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG geschützt ist5. Im Übrigen soll durch die Kodex-Regelung die Bereitschaft der Aufsichtsratmitglieder zur Offenlegung von Konflikten gefördert und nicht dadurch eingeschränkt werden, dass jeder dem Aufsichtsrat mitgeteilte Interessenkonflikt zwangsläufig auch in die Öffentlichkeit getragen wird. Da mit der Preisgabe von Interna des Aufsichtsrates unter Umständen auch Nachteile für die Gesellschaft verbunden sein können, denen keine adäquaten Vorteile der Aktionäre gegenüberstehen, wird der Aufsichtsrat den Umfang und die Ausführlichkeit der Berichterstattung unter Berücksichtigung des Unternehmensinteresses im Einzelfall abzuwägen haben6. Die Angabe des Namens des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds und eine konkrete Schilderung des Konfliktes ist im Regelfall nicht erforderlich7 und muss auch auf Fragen von Aktionären in der Hauptversammlung nicht erfolgen, wenn der Aufsichtsrat der Auffassung ist, dass der Interessenkonflikt des einzelnen Mitglieds die Beratungen und Beschlüsse des Organs im abgelaufenen Geschäftsjahr nicht beeinträchtigt hat. Allerdings wird man erwarten müssen, dass in dem Bericht des Aufsichtsrates deutlich gemacht wird, wie der Konflikt beseitigt worden ist, z.B. indem das betreffende Aufsichtsratsmitglied an der Sitzung oder an der Abstimmung nicht teilgenommen hat oder dadurch, dass es, wie dies z.B. auch Ziff. 5.5.3 Satz 2 Deutscher Corporate Governance Kodex bei wesentlichen und nicht 1 A.A. A/D/S, 6. Aufl. 2001, § 171 AktG Rz. 47. 2 E. Vetter, ZIP 2006, 257, 260; siehe auch Lutter, AG 2008, 1, 10. 3 Vgl. Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 1109. 4 Siehe auch Peltzer, Deutsche Corporate Governance, Rz. 318. 5 Vgl. z.B. BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 330; OLG Stuttgart v. 15.2.1995 – 3 U 118/94 – „Daimler-Benz“, AG 1995, 234, 235; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 49; Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 191. 6 Vgl. auch die Entscheidung des BGH v. 29.11.1982 – II ZR 88/91, BGHZ 86, 1, 19, die den Vorstand im Rahmen des Auskunftsrechts der Aktionäre nach § 131 AktG im Unternehmensinteresse zur Abwägung ermächtigt. 7 Vgl. Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 1137; Lutter, AG 2008, 1, 9; E. Vetter, ZIP 2006, 257, 261.
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nur vorübergehenden Interessenkonflikten vorsieht, aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden ist. Dauert der Interessenkonflikt noch an, wird man jedoch vom Aufsichtsrat in seinem Bericht an die Hauptversammlung konkretere Angaben verlangen müssen. 59
Nach § 176 Abs. 1 Satz 2 AktG soll der Aufsichtsratsvorsitzende den schriftlichen Bericht des Aufsichtsrates zu Beginn der Hauptversammlung mündlich erläutern. Inhalt und Umfang seiner Erläuterungen bestimmt der Aufsichtsratsvorsitzende selbst, da es sich dabei um seine persönliche Amtspflicht und Verantwortung handelt1. Seine Ausführungen sollten sich nicht auf die bloße Wiedergabe des schriftlichen Berichts beschränken, sondern zusätzliche Informationen über die Gegenstände des Aufsichtsratsberichts enthalten2. Zur Lage der Gesellschaft und der geschäftlichen Entwicklung werden vom Aufsichtsratsvorsitzenden jedoch keine zusätzlichen persönlichen Ausführungen erwartet3. Sofern sich aus der Unternehmensentwicklung besondere Aufgaben für den Aufsichtsrat als Überwachungsorgan ergeben haben, muss hierauf bereits im Aufsichtsratsbericht eingegangen werden und kann nicht der persönlichen Auffassung des Aufsichtsratsvorsitzenden überlassen werden. Bei der Erläuterungspflicht nach § 176 Abs. 1 Satz 2 AktG handelt es sich um eine Sollvorschrift, deren in der Praxis nicht seltene Missachtung4 jedoch keine Anfechtbarkeit der Beschlüsse der Hauptversammlung begründet5. 3. Rechtliche Bedeutung der Berichtspflicht des Aufsichtsrates
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Dem Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung kommt besondere Bedeutung zu. Dies gilt speziell im Fall der faktischen Konzernierung, d.h. bei einer konzernabhängigen Gesellschaft. Über das Ergebnis der Prüfung des nicht veröffentlichten schriftlichen Berichts des Vorstandes über die Beziehungen der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen, den so genannten Abhängigkeitsbericht (vgl. oben Rz. 44), durch den Aufsichtsrat hat dieser in seinen Bericht an die Hauptversammlung zu berichten. Der Aufsichtsratsbericht ist eine wesentliche Informationsgrundlage für die Beschlussfassung der Hauptversammlung, und zwar sowohl, was die Entlastungsbeschlüsse (§ 120 AktG) als auch was den Beschluss über die Gewinnverwendung (§ 174 AktG) anbetrifft. § 175 Abs. 2 AktG bestimmt deshalb, dass der Bericht des Aufsichtsrates neben anderen Unterlagen (Jahresabschluss und Lagebericht) von der Einberufung der Hauptversammlung an in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen ist und darüber hinaus auch jedem Aktionär auf Verlangen unverzüglich eine Abschrift zu erteilen ist (vgl. dazu auch unten § 55 Rz. 37 ff.).
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Wird die Pflicht zur Vorlage des Berichts des Aufsichtsrates nach §§ 176 Abs. 1 Satz 1 und 175 Abs. 2 AktG missachtet, führt dies zur Anfechtbarkeit der Entlastungs-
1 A/D/S, 6. Aufl. 1997, § 176 AktG Rz. 23; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, S. 290; Hüffer, § 176 AktG Rz. 4. 2 Claussen/Korth in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1991, § 176 AktG Rz. 10; Hüffer, § 176 AktG Rz. 4; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1983, S. 161. 3 Ebenso Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, S. 290; a.A. Claussen/Korth in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1991, § 176 AktG Rz. 10. 4 Vgl. auch Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 61. 5 Hüffer, § 176 AktG Rz. 6; Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 176 AktG Rz. 21; a.A. wohl Claussen/Korth in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1991, § 176 AktG Rz. 12; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1. Aufl. 1973, § 243 AktG Rz. 64.
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beschlüsse1 sowie des Beschlusses über die Gewinnverwendung2. Kommt der Aufsichtsrat seiner gesetzlichen Berichtspflicht nach § 314 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht nach, den Bericht über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen zu prüfen und über das Ergebnis der Prüfung an die Hauptversammlung zu berichten, ist der Entlastungsbeschluss der Hauptversammlung ebenfalls anfechtbar3. Darüber hinaus kommt eine Haftung der Aufsichtsratsmitglieder nach §§ 93, 116 und 318 Abs. 2 AktG in Betracht, wenn der Aufsichtsrat seine gesetzlichen Berichtspflichten missachtet4. Gibt der Bericht des Aufsichtsrates die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen unrichtig wieder oder verschleiert er sie, so machen sich die Aufsichtsratsmitglieder strafbar (§ 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG)5.
IV. Mitwirkung bei Geschäftsführungsmaßnahmen 1. Mitwirkung beim Jahresabschluss Wesentlicher Bestandteil der Überwachung der Geschäftsführung ist die Pflicht des Aufsichtsrates den vom Vorstand aufgestellten und vom Abschlussprüfer geprüften Jahresabschluss und den Lagebericht sowie den Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinns und bei Mutterunternehmen auch den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht zu prüfen und hierüber der Hauptversammlung schriftlich zu berichten. Der Aufsichtsrat ist dabei auf die enge Zusammenarbeit mit dem Abschlussprüfer angewiesen.
62
a) Bestellung und Beauftragung des Abschlussprüfers Die Bestellung des Abschlussprüfers zur Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts erfolgt durch Beschluss der Hauptversammlung gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG auf Vorschlag des Aufsichtsrates (§ 124 Abs. 3 Satz 1 AktG), der die Entscheidung über den Wahlvorschlag auf einen Ausschuss übertragen kann6 (§ 58). Besteht ein Prüfungsausschuss, hat der Aufsichtsrat nach dem BilMoG bei kapitalmarktorientierten Unternehmen (§ 264d HGB) den Vorschlag auf eine Empfehlung des Prüfungsausschusses zu stützen. Der Vorstand hat kein Vorschlagsrecht. Ein gleichwohl erfolgter Bestellungsvorschlag des Vorstandes führt gemäß § 243 Abs. 1 AktG zur Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses7. Ist die Gesellschaft ein Mutter1 BGH v. 4.3.1974 – II ZR 89/72 – „Seitz“, BGHZ 62, 193, 194; LG Hagen v. 8.12.1964 – 8 HO 132/64, AG 1965, 82; Hüffer, § 120 AktG Rz. 15; Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 175 AktG Rz. 34; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 243 AktG Rz. 35. 2 BGH v. 4.3.1974 – II ZR 89/72 – „Seitz“, BGHZ 62, 193, 194; LG Hagen v. 8.12.1964 – 8 HO 132/64, AG 1965, 82; Claussen/Korth in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1991, § 175 AktG Rz. 16; Hüffer, § 175 AktG Rz. 5. 3 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01 – „Ingram Macrotron“, AG 2003, 273, 274; BGH v. 4.3.1974 – II ZR 89/72 – „Seitz“, BGHZ 62, 193, 194; OLG Karlsruhe v. 9.6.1999 – 1 U 288/98 – „MLP“, AG 2000, 78, 79; LG Köln v. 3.2.1992 – 91 O 203/91 – „Nordstern/Winterthur“, AG 1992, 238, 240; LG Berlin v. 2.12.1996 – 99 O 173/96 – „Brau und Brunnen AG“, AG 1997, 183, 184. 4 Claussen/Korth in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1991, § 171 AktG Rz. 21; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 318 AktG Rz. 14; Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 171 AktG Rz. 178. 5 Vgl. Hefendehl in Spindler/Stilz, § 400 AktG Rz. 454; Trescher, DB 1998, 1016, 1017. 6 Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 316; Hüffer, § 124 AktG Rz. 13; Semler in MünchHdb. AG, § 35 Rz. 53; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 124 AktG Rz. 71; a.A. Hommelhoff, BB 1998, 2567, 2570. 7 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 49/01 – „Hypo-Vereinbank“, BGHZ 153, 32, 44.
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unternehmen gilt Entsprechendes für den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht (§ 170 Abs. 1 Satz 2 AktG). 64
Von der Bestellung ist der Prüfungsauftrag als schuldrechtliches Vertragsverhältnis (Geschäftsbesorgung § 675 BGB)1 zwischen der Gesellschaft und dem Abschlussprüfer zu unterscheiden. Entgegen der früheren Rechtslage ist der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG allein zuständig und zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt, dem Abschlussprüfer den Prüfungsauftrag für den Jahres- und den Konzernabschluss nach § 290 HGB zu erteilen und die Vergütung zu vereinbaren (vgl. dazu im Einzelnen unten § 58 Rz. 55 ff.). Ergänzend bestimmt § 318 Abs. 1 Satz 4 HGB, dass der Aufsichtsrat den Prüfungsauftrag unverzüglich im Anschluss an den Bestellungsbeschluss der Hauptversammlung (§ 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG) zu erteilen hat. Die Zuständigkeit zur Erteilung des Prüfungsauftrages eröffnet dem Aufsichtsrat auch die Möglichkeit, nach eigenem Ermessen über den gesetzlichen Mindestumfang der Prüfung nach § 317 HGB hinaus zusätzliche Prüfungsschwerpunkte festzulegen oder den Prüfungsauftrag zu erweitern. Im Regelfall ist der Aufsichtsrat für die Vergütungsregelung auf die Unterstützung durch den Vorstand, insbesondere den Finanzvorstand angewiesen, der auch mit den sonstigen Tätigkeiten des Abschlussprüfers für die Gesellschaft vertraut ist2, die für die Bemessung der Vergütung relevant sein können und die der Abschlussprüfer gegenüber dem Aufsichtsrat nach der Empfehlung von Ziff. 7.2.1 Deutscher Corporate Governance Kodex ohnehin offenlegen soll. Auch bei der Festlegung von Prüfungsschwerpunkten kann der Aufsichtsrat gezwungen sein, auf Informationen des Vorstandes zurückzugreifen. Hierbei ist grundsätzlich Zurückhaltung geboten. Der Aufsichtsrat muss in jedem Fall sicherstellen, dass er Herr des Verfahrens bleibt und seine Entscheidungskompetenz nicht durch eine übermäßige Einbindung des Vorstandes beeinträchtigt wird3. Der Deutsche Corporate Governance Kodex enthält mehrere Empfehlungen an den Aufsichtsrat, die bei der Erteilung des Prüfungsauftrages beachtet werden sollen4. Dabei geht es unter anderem um Empfehlungen zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und ihrer Kontrolle durch den Aufsichtsrat (Ziff. 7.2.1) und um Regelungen hinsichtlich der Aufgabe des Abschlussprüfers als Informationslieferant des Aufsichtsrates (Ziff. 7.2.3 und 7.2.4). Nach dem BilMoG5 soll sich in der kapitalmarktorientierten AG der Prüfungsausschuss nach § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG besonders mit der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers befassen.
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Die Erteilung des Prüfungsauftrages kann entgegen der überwiegenden Meinung im Schrifttum auf einen Aufsichtsratsausschuss delegiert werden, da § 111 Abs. 2 AktG in der Aufzählung der delegationsresistenten Aufgaben von § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG nicht enthalten ist6. Dies entspricht auch der Regelung des Deutschen Corporate Governance Kodex, der in Ziff. 5.3.2 die Einrichtung eines Prüfungsausschusses (Audit Committee) empfiehlt, der sich unter anderem auch ausdrücklich mit der Erteilung des Prüfungsauftrages befassen soll. 1 Vgl. z.B. Zimmer in Großkomm. HGB, 4. Aufl. 2002, § 318 HGB Rz. 28. 2 Vgl. z.B. Dörner, WPg-Sonderheft 2001, 18; Köstler, WPg-Sonderheft 2001, 20; Peltzer, Deutsche Corporate Governance, Rz. 229. 3 Weitergehend Feddersen, AG 2000, 385, 387. 4 Vgl. z.B. Gelhausen/Hönsch, AG 2002, 529, 530; Peltzer, Deutsche Corporate Governance, Rz. 356 ff. 5 Vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG), BR-Drucks. 344/08. 6 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 44 Rz. 5; Hüffer, § 111 AktG Rz. 12c; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 1793; a.A. Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 310; Hommelhoff, BB 1998, 2567, 2570; Ziemons, DB 2000, 77, 79.
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Während im Regelfall der Abschlussprüfer von der Hauptversammlung bestellt wird, bestehen für Versicherungsunternehmen Besonderheiten. Der Aufsichtsrat hat nicht nur die Abschlusskompetenz für den Prüfungsauftrag nach § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG, sondern abweichend vom allgemeinen Grundsatz des § 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG anstelle der Hauptversammlung auch die alleinige Zuständigkeit für die dem Prüfungsauftrag zugrunde liegende Bestellung des Abschlussprüfers zur Prüfung des Jahresabschlusses und des Konzernabschlusses (§ 209 Abs. 5 Satz 1 AktG und § 341k Abs. 2 Satz 1 HGB).
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b) Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses Der Vorstand ist verpflichtet, den Jahresabschluss und Lagebericht nach § 170 Abs. 1 Satz 1 AktG unverzüglich nach ihrer Aufstellung dem Aufsichtsrat zur Prüfung vorzulegen, der sie an den bestellten Abschlussprüfer weiterleitet. Entsprechendes gilt für den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht (§ 170 Abs. 1 Satz 2 AktG). Sobald der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers dem Aufsichtsrat vorliegt, der gemäß § 170 Abs. 3 Satz 1 AktG jedem Aufsichtsratsmitglied auszuhändigen ist, sofern der Prüfungsbericht nicht durch ausdrücklichen Beschluss des Aufsichtsratsplenums1 nur den Mitgliedern eines Ausschusses (z.B. Bilanz- oder Prüfungsausschuss, Audit Committee, Präsidium) vorbehalten ist, hat dieser den Jahresabschluss sowie einen erstellten Konzernabschluss nebst den dazugehörenden Lageberichten und den Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinns selbständig zu prüfen. Die Prüfung erstreckt sich sowohl auf die Rechtmäßigkeit des Abschlusses wie auch auf die Zweckmäßigkeit der vom Vorstand getroffenen bilanzpolitischen Entscheidungen wie z.B. die Ausübung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten, da sie der Sache nach ergebnisverwendenden Charakter haben können2. Der gesetzliche Prüfungsumfang des Aufsichtsrates geht damit über den Prüfungsauftrag des Abschlussprüfers hinaus (vgl. im Einzelnen unten § 55 Rz. 36).
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An der so genannten Bilanzsitzung des Aufsichtsrates, in der der Jahresabschluss dem Aufsichtsrat durch den Vorstand erläutert wird und anschließend darüber beraten werden soll, hat der Abschlussprüfer nach § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG teilzunehmen und über die wesentlichen Ergebnisse seiner Prüfung mündlich zu berichten (vgl. dazu im Einzelnen unten § 58 Rz. 199 ff.). Besteht entsprechend der Empfehlung von Ziff. 5.3.2 Deutscher Corporate Governance Kodex ein Aufsichtsratsausschuss (z.B. Prüfungs-, Bilanzausschuss oder Audit Committee), der die Beratungen des Gesamtaufsichtsrates über den Jahresabschluss vorbereitet, so hat der Abschlussprüfer nach § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG entweder an der Sitzung dieses Ausschusses oder des Aufsichtsratsplenums teilzunehmen. Sinnvoll und empfehlenswert ist eine Teilnahme des Abschlussprüfers an beiden Sitzungen3. Dabei geht es nicht um die bloße Duplizierung der Erläuterungen, sondern um eine besondere Anpassung der Schwerpunkte und Akzente der mündlichen Erläuterungen an den unterschiedlichen Teilnehmerkreis. Die ordnungsgemäße und verantwortungsvolle Vorbereitung der dem Gesamtaufsichtsrat obliegenden Entscheidung durch den Ausschuss wie auch die Beratungen des Gesamtaufsichtsrates in der Bilanzsitzung über die Billigung des Jahresabschlusses leben in wesentlichen Umfang von den zusätzlichen mündlichen Infor-
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1 Ebenso Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 170 AktG Rz. 88. 2 A/D/S, 6. Aufl. 2001, § 171 AktG Rz. 21; Forster in FS Kropff, 1997, S. 71, 84; Schulze-Osterloh, ZIP 1998, 2129, 2134. 3 A/D/S, 6. Aufl. 2001, § 171 AktG Rz. 23; Hüffer, § 171 AktG Rz. 11a; Kropff in FS Müller, 2001, S. 481, 499.
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mationen des Abschlussprüfers und der Möglichkeit des Gesprächs mit ihm1. Deshalb ist der Vorsitzende des Aufsichtsrates, bzw. der Ausschussvorsitzende auch gut beraten, die Teilnahme des Abschlussprüfers in beiden Sitzungen vorzusehen, es sei denn, das jeweilige Gremium lehnt die Teilnahme des Abschlussprüfers durch Mehrheitsentscheidung ab2. Die Pflicht des Abschlussprüfers hinsichtlich des Konzernabschlusses zur mündlichen Erläuterung der wesentlichen Ergebnisse seiner Prüfung gilt nach § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG nunmehr auch für die Sitzung des Aufsichtsrates oder des Ausschusses, in der über den Konzernabschluss beraten werden soll. 69
§ 172 Satz 1 AktG räumt dem Aufsichtsrat einen weitreichenden Einfluss auf den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluss ein. Beschließt der Aufsichtsrat in eigener Verantwortung3 und nach sorgfältiger Prüfung die Billigung des vorgelegten Jahresabschlusses, so bedeutet dies zugleich dessen Feststellung, es sei denn, er stimmt mit dem Vorstand überein, die Feststellung des Jahresabschlusses der Hauptversammlung zu überlassen (vgl. dazu im Einzelnen unten § 55 Rz. 41).
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Die Aufgabe der Billigung des Jahresabschlusses kann der Aufsichtsrat zur endgültigen Erledigung nicht auf einen Ausschuss übertragen (§ 107 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 171 AktG)4. Allerdings empfiehlt Ziff. 5.3.2 Deutscher Corporate Governance Kodex die Einrichtung eines Prüfungsausschusses (Audit Committee), der sich unter anderem mit Fragen der Rechnungslegung befassen soll. Ihm kann die Vorbereitung der Prüfung des Jahresabschlusses und der abschließenden Beratung und Entscheidung des Gesamtaufsichtsrates übertragen werden.
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Auch der Konzernabschluss muss nach § 171 Abs. 2 Satz 5 AktG vom Aufsichtsrat förmlich gebilligt werden, sofern nicht die Billigung der Hauptversammlung überlassen wird (§ 173 Abs. 1 Satz 2 AktG). Die neue gesetzliche Regelung, die zwar anders als z.B. § 42a Abs. 3 GmbHG keine Feststellung des Konzernabschlusses vorsieht5, trägt damit nicht nur der gewachsenen Bedeutung von Konzernabschluss und Konzernlagebericht Rechnung, sondern betont auch die Pflicht des Aufsichtsrates zur eingehenden Prüfung des Konzernabschlusses (vgl. dazu im Einzelnen unten § 56 Rz. 16 ff.). 2. Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG a) Allgemeines
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Nach § 161 AktG hat der Aufsichtsrat neben dem Vorstand die so genannte Entsprechenserklärung abzugeben und zu erklären, ob den vom Bundesministerium der Justiz im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemachten Empfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden sowie nach dem durch das BilMoG (RegE) geänderten § 161 AktG die Abweichungen auch zu begründen. Die Pflicht zur Abgabe der Entsprechenserklärung richtet sich nicht an die börsennotierte Gesellschaft als Adressat, sondern ist eine Pflicht 1 Vgl. auch Forster, AG 1999, 193, 197; Hommelhoff, BB 1998, 2625, 2627; Schulze-Osterloh, ZIP 1998, 2129, 2133. 2 Hommelhoff, BB 1998, 2625, 2627; Kropff in FS Müller, 2001, S. 481, 499. 3 A/D/S, 6. Aufl. 2001, § 171 AktG Rz. 20; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 489. 4 Claussen/Korth in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1991, § 171 AktG Rz. 3; Hüffer, § 172 AktG Rz. 4; Rürup in FS Budde, 1995, S. 543, 546. 5 Kritisch dazu z.B. Busse von Colbe, BB 2002, 1583, 1586; Kropff in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 172 AktG Rz. 85.
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ihrer Organe Vorstand und Aufsichtsrat1. Die Erklärung erstreckt sich zum einen auf die Einhaltung der Kodex-Empfehlungen für die abgelaufene Rechenschaftsperiode als auch auf deren Einhaltung in der Zukunft. Für die Vergangenheit ist die Erklärung nach § 161 AktG reine Wissenserklärung2, für die Zukunft ist sie jederzeit abänderbare unverbindliche Absichtserklärung3 (vgl. dazu im Einzelnen oben § 2 Rz. 65). Die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG ist keine gemeinsame Erklärung von Vorstand und Aufsichtsrat, sondern beide Organe haben jeweils eigenständig die jährliche Entsprechenserklärung abzugeben; ein rechtlicher Einigungszwang besteht nicht4; in praxi ist angesichts des Drucks möglicher negativer Reaktionen des Kapitalmarktes wohl aber von einem faktischen Zwang auszugehen. Die Erklärungen können bei Übereinstimmung zu einer gemeinsamen Erklärung zusammengefasst werden5. Dies wird auch der Regelfall sein, denn Vorstand und Aufsichtsrat werden im Interesse des Unternehmens bemüht sein, negative Reaktionen der Kapitalmärkte zu vermeiden, die die zwangsläufige Folge von divergierenden Entsprechenserklärungen wären.
73
b) Zuständigkeiten Soweit es um die Entsprechenserklärung für die Vergangenheit geht, handelt es sich um eine reine Wissenserklärung über einen abgeschlossenen Sachverhalt, die der Aufsichtsrat nicht nur hinsichtlich der seine eigene Amtsführung betreffenden Verhaltensempfehlungen abzugeben hat, sondern auch hinsichtlich der die verschiedenen anderen Adressaten betreffenden Kodex-Empfehlungen6. Bei der Entsprechenserklärung für die Zukunft ist die aktienrechtliche Zuständigkeitsordnung zu beachten (vgl. dazu im Einzelnen oben § 2 Rz. 67)7. Es ist danach zu unterscheiden, ob es sich um Kodex-Empfehlungen handelt, die den Aufsichtsrat und seine Mitglieder angehen und über deren Einhaltung oder Ablehnung der Aufsichtsrat im Rahmen seiner gesetzlichen Kompetenzen entscheiden kann, oder um solche, die andere Adressaten betreffen und deren Anerkennung nicht in den Händen des Aufsichtsrates liegt. Wegen der an den Aufsichtsrat und seine Mitglieder gerichteten Empfehlungen bedarf es einer Entscheidung im Aufsichtsrat, ob den Kodex-Empfehlungen entsprochen werden soll oder nicht. Der Aufsichtsrat kann insoweit nur für die an ihn selbst, bzw. den Aufsichtsratsvorsitzenden oder an seine Mitglieder, gerichteten Verhaltensempfehlungen eine bis zum jederzeitigen Widerruf verbindliche Erklärung im Sinne einer Absichtserklärung abgeben. Soweit es die künftige Amtsführung anderer Organe oder von Organmitgliedern anbetrifft, hat der Aufsichtsrat deren Entscheidung abzuwarten, da ihm keine Entscheidungskompetenz über deren künftiges Verhalten zu-
1 Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 369; Peltzer, NZG 2002, 593, 595; Seibert, BB 2002, 581, 583; Seibt, AG 2002, 249, 252. 2 Hüffer, § 161 AktG Rz. 14; Ihrig/Wagner, BB 2002, 2509, 2511; Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 371. 3 BT-Drucks. 14/8769, S. 22; Hüffer, § 161 AktG Rz. 20; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 161 AktG Rz. 54; E. Vetter, DNotZ 2003, 748, 755. 4 Ihrig/Wagner, BB 2002, 789, 790; Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 369; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 161 AktG Rz. 84; a.A. Schüppen, ZIP 2002, 1269, 1271; Seibt, AG 2002, 249, 253; ebenso wohl auch Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 173. 5 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 491; Peltzer, NZG 2002, 593, 595; E. Vetter, DNotZ 2003, 748, 755. 6 Ihrig/Wagner, BB 2002, 2509, 2511; Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 371; E. Vetter, DNotZ 2003, 748, 756. 7 Hüffer, § 161 AktG Rz. 10; Ihrig/Wagner, BB 2002, 2509, 2511; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 173.
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steht1. Insoweit hat die Entsprechenserklärung des Aufsichtsrates auch für die Zukunft nur den Charakter einer Wissenserklärung2. Im Regelfall wird sich der Aufsichtsrat vor Abgabe der Entsprechenserklärung mit dem Vorstand abstimmen. 75
Eine Übertragung der Entscheidung über die Entsprechenserklärung des Aufsichtsrates auf einen Aufsichtsratsausschuss zur abschließenden Erledigung scheidet aus, auch wenn § 161 AktG nicht im Katalog der delegationsresistenten Aufgaben in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG erwähnt ist3. Die Entsprechenserklärung für die Zukunft enthält eine Bindungswirkung bis zum jederzeitigen Widerruf und greift, soweit die Verhaltensempfehlungen des Kodex die Amtsführung des Aufsichtsrates betreffen, in die Verantwortung sowie die innere Ordnung und Arbeitsweise des Aufsichtsrates als Organ ein (vgl. z.B. Ziff. 5.1.3: Erlass einer Geschäftsordnung des Aufsichtsrates, Ziff. 5.3.1: Einsetzung von Aufsichtsratsausschüssen, Ziff. 5.3.2: Einrichtung eines Prüfungsausschusses, Ziff. 5.4.7 und 5.5.3: Aufsichtsratsbericht an die Hauptversammlung) wie auch in die Rechte seiner einzelnen Mitglieder (Ziff. 5.4.2: Begrenzung der konzernfremden Aufsichtsratsmandate bei börsennotierten Gesellschaften, 5.5.2: Offenlegung von Interessenkonflikten). Eine derart weitreichende Kompetenz kann nicht auf einen Aufsichtsratsausschuss zur abschließenden Entscheidung übertragen werden, sondern muss vom Aufsichtsratsplenum wahrgenommen werden, dem auch die alleinige Zuständigkeit für eine eventuelle Transformation der Verhaltensempfehlungen in innergesellschaftlich bindende Regelungen4 zusteht5.
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Die Erklärung für die Vergangenheit setzt eine sorgfältige Sachverhaltsermittlung und Prüfung voraus, ob Aufsichtsrat, Vorstand und Hauptversammlung sowie die einzelnen Organmitglieder die Empfehlungen in der abgelaufenen Rechnungsperiode beachtet haben oder nicht. Auch mit der Absichtserklärung zum künftigen Umgang mit dem Verhaltensempfehlungen kann umfangreicher Abstimmungsbedarf mit dem Vorstand, einzelnen Mitgliedern von Vorstand und Aufsichtsrat und gegebenenfalls auch mit Großaktionären verbunden sein, bevor der Aufsichtsrat einen Beschluss zur Entsprechenserklärung nach § 161 AktG fassen kann. Darüber hinaus kann Abstimmungsbedarf zwischen Vorstand und Aufsichtsrat entstehen, wenn Abweichungen von Kodexempfehlungen gemäß Ziff. 3.10 Deutscher Corporate Governance Kodex im Geschäftsbericht (Corporate Governance Bericht) erläutert werden sollen. Es ist deshalb ratsam die Vorbereitung der Entscheidung des Aufsichtsratsplenums einem Ausschuss zu übertragen6.
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Über den Inhalt seiner Entsprechenserklärung entscheidet der Aufsichtsrat durch Beschluss. Soweit sich die Entsprechenserklärung auf Empfehlungen bezieht, die materiell Regelungen der inneren Ordnung und Arbeitsweise des Aufsichtsrates darstellen (z.B. Ziff. 5.2, 5.3.1, 5.3.2, 5.4.7, 5.5.3, 5.6), reicht für die Absichtserklärung zur künf-
1 Vgl. Ringleb in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 1538. 2 Ihrig/Wagner, BB 2002, 2509, 2511. 3 Hüffer, § 161 AktG Rz. 13; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 496; Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 376; Seibt, AG 2002, 249, 253; teilweise a.A. Ihrig/Wagner, BB 2002, 2509, 2513. 4 Vgl. dazu z.B. Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 536 ff.; E. Vetter, DNotZ 2003, 748, 759. 5 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 496; Seibt, AG 2002, 249, 253; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 161 AktG Rz. 93. 6 Lutter in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 1536; Seibt, AG 2002, 249, 254; unter Umständen mag auch die Einsetzung eines Corporate Governance Beauftragten sinnvoll sein; vgl. dazu Peltzer, Deutsche Corporate Governance, Rz. 381; Peltzer, DB 2002, 2580.
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tigen Befolgung der Empfehlungen ein Beschluss mit einfacher Mehrheit1 ebenso aus wie der Beschluss, die entsprechenden Empfehlungen in echte gesellschaftsinterne Pflichten, z.B. in Bestimmungen der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates zu transferieren. Gleiches gilt für die Empfehlungen hinsichtlich des Verhaltens des Aufsichtsratsvorsitzenden, da er in seiner Amtsführung vom Willen des Aufsichtsrates abhängt. Verschiedene Kodexempfehlungen wie z.B. Ziff. 5.4.2, 5.5.2 und 5.5.3 haben jedoch persönliche Verhaltenspflichten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder zum Gegenstand, die auf Grund der körperschaftlichen Rechtsstellung der Aufsichtsratsmitglieder keiner vertraglichen Regelung zugänglich sind. Für die künftige Befolgung dieser Empfehlungen bedarf es für die Entsprechenserklärung einer einstimmigen Entscheidung des Aufsichtsrates, unabhängig davon, ob der Aufsichtsrat die Empfehlung in die Aufsichtsratsgeschäftsordnung integriert oder nicht, da den Aufsichtsratsmitgliedern gegen ihren Willen keine zusätzlichen Pflichten auferlegt werden können2. Im Falle von personellen Veränderungen im Aufsichtsrat führt dies dazu, dass unverzüglich nach Übernahme des Mandates das Einverständnis des neuen Aufsichtsratsmitglieds eingeholt werden muss, und zwar entweder durch individuellen Beitritt des neuen Mitglieds zu dem bestehenden Aufsichtsratsbeschluss, bzw. zur bestehenden Aufsichtsrats-Geschäftsordnung, oder gegebenenfalls auch im Rahmen eines neuen Beschlusses des Aufsichtsratsplenums3. 3. Mitwirkung bei Kapitalmaßnahmen Enthält die Satzung eine Ermächtigung des Vorstandes nach § 202 AktG, das Grundkapital durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen zu erhöhen (genehmigtes Kapital), bedarf der Vorstand zur Ausnutzung der Ermächtigung und zur Festsetzung der Ausgabebedingungen gemäß § 204 Abs. 1 Satz 2 AktG der Zustimmung des Aufsichtsrates (vgl. dazu im Einzelnen unten § 43 Rz. 32). Enthält die Ermächtigung des Vorstandes auch die Möglichkeit zum Ausschluss des Bezugsrechts ist auch insoweit die Zustimmung des Aufsichtsrates erforderlich (§ 204 Abs. 1 Satz 2 AktG). Die Aufgabe kann auf einen Aufsichtsratsausschuss (z.B. Aufsichtsratspräsidium) übertragen werden4, was in der Praxis aus Gründen der Praktikabilität und der üblicherweise bei Kapitalmaßnahmen kurzfristig zu treffenden Entscheidungen auch regelmäßig erfolgt.
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4. Ausübung von Beteiligungsrechten (§ 32 MitbestG, § 15 MitbestErgG) a) Allgemeine Bedeutung Untersteht die Gesellschaft dem MitbestG oder dem MitbestErgG und ist sie an einer anderen Gesellschaft beteiligt, für die das gleiche Mitbestimmungsstatut gilt, so bedarf der Vorstand bei der Wahrnehmung von bestimmten Beteiligungsrechten in diesen Gesellschaften eines vorherigen Beschlusses der Anteilseignervertreter seines eigenen Aufsichtsrates. Die Vorschrift des § 32 MitbestG bewirkt die Zuweisung der Entscheidungskompetenz in der Wahrnehmung von bestimmten Beteiligungsrechten an den Aufsichtsrat, der dadurch ähnlich wie bei § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG Geschäfts1 Ebenso Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 375; Semler/Wagner, NZG 2003, 553, 555; E. Vetter, DNotZ 2003, 748, 759. 2 Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 374; Seibt, AG 2002, 249, 259; E. Vetter, DNotZ 2003, 748, 759. 3 Hüffer, § 161 AktG Rz. 13; Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 537; E. Vetter, DNotZ 2003, 748, 760. 4 Hirte in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 204 AktG Rz. 15; Hüffer, § 204 AktG Rz. 6; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 25 ff.
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führungsfunktionen wahrnimmt und für den Vorstand bindende Entscheidungen trifft. Ziel der Vorschriften ist die Vermeidung der Kumulation von Arbeitnehmermitbestimmungsrechten in Konzernen und Unternehmensgruppen auf den verschiedenen Beteiligungsstufen1. b) Anwendungsbereich 80
aa) Geltungsbereich von § 32 MitbestG. Unterstehen sowohl die Obergesellschaft als auch die Beteiligungsgesellschaft dem MitbestG, so ist die Vorschrift von § 32 MitbestG zu beachten. Die Geltung von anderen Mitbestimmungsstatuten führen nicht zur Anwendbarkeit von § 32 MitbestG. Ein Abhängigkeits- oder Konzernverhältnis ist nicht erforderlich2. Eine Beteiligung von 25 % am Kapital oder an den Stimmen ist ausreichend (§ 32 Abs. 2 MitbestG), wobei die Zurechnungsbestimmungen des § 16 Abs. 2 bis 4 AktG nicht anwendbar sind3. Indirekte Beteiligungen werden nicht berücksichtigt4. Handelt es sich um mehrstufige Beteiligungsverhältnisse, ist, auch wenn für alle Gesellschaften das MitbestG gilt, für die Anwendung von § 32 MitbestG jeweils nur auf das direkte Beteiligungsverhältnis abzustellen, so dass es für die Hauptversammlung einer Enkelgesellschaft nicht eines Aufsichtsratsbeschlusses der Konzernspitze bedarf5.
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bb) Betroffene Beteiligungsrechte. Die von § 32 MitbestG erfassten Beteiligungsrechte orientieren sich an den gesetzlichen Zuständigkeiten der Hauptversammlung und sind in der Vorschrift abschließend aufgezählt6. Betroffen sind bestimmte Personalentscheidungen, nämlich die Bestellung (§ 101 AktG), Abberufung (§ 103 AktG) und Entlastung von Aufsichtsratsmitgliedern (§§ 119 Abs. 1 Nr. 3, 120 AktG) sowie die Entlastung von Vorstandsmitgliedern (§§ 119 Abs. 1 Nr. 3, 120 AktG). Weiterhin sind bestimmte Sachentscheidungen erfasst, die die rechtlichen Grundlagen der Gesellschaft betreffen, nämlich die Auflösung (§ 262 AktG), die Umwandlung (§ 1 UmwG), der Abschluss von Unternehmensverträgen nach §§ 291 und 292 AktG sowie die Fortsetzung der Gesellschaft nach Auflösung (§ 274 AktG). Andere Entscheidungen aus dem Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung der Untergesellschaft wie z.B. die Satzungsänderungen, Maßnahmen der Kapitalbeschaffung, der Gewinnverwendung oder Strukturmaßnahmen im Sinne der so genannten Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung des BGH7 werden nicht erfasst. c) Verfahren
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Über die Ausübung der von § 32 MitbestG erfassten Beteiligungsrechte beschließt der Aufsichtsrat der Obergesellschaft ausschließlich mit den Stimmen der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner. Demgemäß bestimmt sich die Beschlussfähigkeit ausschließlich nach der Zahl der teilnehmenden Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseig-
1 Gach in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 32 MitbestG Rz. 1; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 32 MitbestG Rz. 1. 2 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 32 MitbestG Rz. 8; Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler, MitbestR, § 32 MitbestG Rz. 6. 3 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, Anh. § 117 B § 32 MitbestG Rz. 5; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 32 MitbestG Rz. 8; Raiser, § 32 MitbestG Rz. 7. 4 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 32 MitbestG Rz. 5; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 346; Raiser, § 32 MitbestG Rz. 5. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 45; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 32 MitbestG Rz. 21. 6 Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 32 MitbestG Rz. 12; Raiser, § 32 MitbestG Rz. 16. 7 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 – „Holzmüller“, BGHZ 83, 122; BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 – „Gelatine“, BGHZ 159, 30; vgl. dazu Goette, DStR 2004, 927.
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Kompetenzen
ner1. Die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer können nach herrschender Meinung an der Beratung teilnehmen aber keine Anträge stellen2. Der Aufsichtsrat kann die spezielle Entscheidungskompetenz nach § 32 MitbestG durch Beschluss des Aufsichtsrates, bei dem entsprechend § 32 Abs. 1 Satz 2 MitbestG nur die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner stimmberechtigt sind3, auf einen besonderen Ausschuss übertragen4, der nicht mit Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer besetzt werden darf5. Der Vorstand ist verpflichtet, die Entscheidung des Aufsichtsrates nach § 32 MitbestG vor der Ausübung der Beteiligungsrechte bei der Beteiligungsgesellschaft einzuholen. Das Fehlen des vorherigen Beschlusses des Aufsichtsrates wirkt sich nicht nur auf die Geschäftsführungsbefugnis aus, sondern erfasst auch die Vertretungsmacht des Vorstandes. Fehlt der erforderliche Beschluss des Aufsichtsrates, ist die Ausübung der Beteiligungsrechte in der Hauptversammlung der nachgeordneten Gesellschaft mangels Vertretungsmacht des Vorstandes (schwebend) unwirksam und kann nur gemäß §§ 180 Satz 2, 177 BGB geheilt werden6. Der nach § 32 MitbestG erfolgte Beschluss ist für den Vorstand bindend und wird damit zur Weisung an den Vorstand. Befolgt er den Beschluss nicht, stellt dies eine Verletzung der Sorgfaltspflicht im Sinne von § 93 Abs. 1 AktG dar, sofern der Vorstand keinen Grund zur Annahme hatte, dass der Aufsichtsrat auch ein wegen veränderter Umstände abweichendes Stimmverhalten des Vorstandes billigen würde7. Mit § 32 MitbestG unvereinbar ist eine pauschale Ermächtigung des Vorstandes zur Ausübung der Beteiligungsrechte. Zulässig und zweckmäßig ist die Erteilung einer zeitlich und sachlich beschränkten Ermächtigung des Vorstandes, die der Aufsichtsrat jederzeit wieder rückgängig machen kann8. So kann dem Vorstand z.B. die Ermächtigung erteilt werden, in der Hauptversammlung für die Entlastung zu stimmen, sofern das Testat des Abschlussprüfers ohne Einschränkungen erteilt wird und seine Berichte auch im Übrigen keine Hinweise enthalten, die eine Entlastung der Verwaltung ohne weitere Erörterung im Aufsichtsrat nicht zulassen9.
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Einstweilen frei.
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1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 50; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, Anh. § 117 B § 32 MitbestG Rz. 19; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 32 MitbestG Rz. 26; a.A. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 32 MitbestG Rz. 56. 2 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 50; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, Anh. § 117 B § 32 MitbestG Rz. 17; Raiser, § 32 MitbestG Rz. 18; a.A. Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 347; für eigenes (formelles und materielles) Antragsrecht Wlotzke/Wißmann/ Koberski/Kleinsorge, § 32 MitbestG Rz. 16. 3 Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 32 MitbestG Rz. 57; Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung, S. 383. 4 Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 32 MitbestG Rz. 57; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, Anh. § 117 B § 32 MitbestG Rz. 20; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/ Henssler, MitbestR, § 32 MitbestG Rz. 28; a.A. Philipp, DB 1976, 1622, 1628. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 52; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, Anh. § 117 B § 32 MitbestG Rz. 22; a.A. Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 32 MitbestG Rz. 20; Raiser, § 32 MitbestG Rz. 21; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 32 MitbestG Rz. 28. 6 Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 343; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 32 MitbestG Rz. 22; Raiser, § 32 MitbestG Rz. 14. 7 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 32 MitbestG Rz. 26; Philipp, DB 1976, 1622, 1625; Raiser, § 32 MitbestG Rz. 23; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 32 MitbestG Rz. 18; a.A. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 32 MitbestG Rz. 52. 8 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 29 Rz. 51; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 501. 9 Ebenso Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 303.
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Aufsichtsrat
5. Verhaltenspflichten bei Übernahmeangeboten a) Stellungnahme gemäß § 27 WpÜG 85
Ist die AG Zielgesellschaft eines Übernahmeangebotes, haben Vorstand und Aufsichtsrat nach § 27 WpÜG zu dem Angebot eine begründete Stellungnahme abzugeben. Über den Inhalt seiner Stellungnahme, die im Regelfall mit der des Vorstandes übereinstimmen wird, hat der Aufsichtsrat in eigener Verantwortung einen Beschluss herbeizuführen1. Der Aufsichtsrat kann diese Aufgabe auf einen Ausschuss delegieren (vgl. dazu im Einzelnen unten § 60 Rz. 154)2. b) Abwehrmaßnahmen gemäß § 33 WpÜG
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Im Falle eines Übernahmeangebotes nach § 29 Abs. 1 WpÜG trifft den Vorstand der Zielgesellschaft als Ausfluss seiner gesetzlichen Neutralitätspflicht die Pflicht, keine Handlungen vorzunehmen, durch die der Erfolg des Angebotes verhindert werden könnte (§ 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG). Davon ausgenommen sind nach § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG unter anderem Handlungen, die im wohlverstandenen Interesse des Unternehmens liegen und denen zuvor der Aufsichtsrat zugestimmt hat, so dass damit insoweit faktisch die Neutralitätspflicht aufgehoben ist3. Gleiches gilt gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 WpÜG für die Ausübung einer von der Hauptversammlung nach § 33 Abs. 2 Satz 1 WpÜG erteilten Ermächtigung zur Vornahme von Abwehrmaßnahmen. Über die Zustimmung entscheidet der Aufsichtsrat nach denselben Maßstäben, wie sie für den Vorstand gelten, durch Beschluss (vgl. dazu im Einzelnen unten § 60 Rz. 333)4. 6. Kompetenzen im Hinblick auf die Hauptversammlung a) Einberufung der Hauptversammlung
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Im Regelfall obliegt die Einberufung der Hauptversammlung dem Vorstand (§ 121 Abs. 2 AktG). § 111 Abs. 3 AktG verpflichtet daneben den Aufsichtsrat, die Hauptversammlung einzuberufen, wenn es das Wohl der Gesellschaft verlangt. Die Einberufung kommt nur in Betracht, wenn es um einen Gegenstand aus dem Kompetenzbereich der Hauptversammlung geht und wenn nicht der Vorstand seinerseits bereits wegen dieses Beschlussgegenstandes eine gebotene Einberufung der Hauptversammlung vornimmt oder wenn es um Maßnahmen gegen Mitglieder des Vorstandes geht. Zu nennen ist hier insbesondere der Fall des Vertrauensentzuges gegenüber einem Vorstandsmitglied durch die Hauptversammlung zum Zwecke der vorzeitigen Abberufung des Vorstandsmitglieds durch den Aufsichtsrat (§ 84 Abs. 3 Satz 2 AktG) oder die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds (§ 103 Abs. 1 AktG). Für Geschäftsführungsfragen fehlt der Hauptversammlung grundsätzlich die Beschlusskompetenz, so dass insoweit eine Einberufung der Hauptversammlung nur in Betracht kommt, wenn dazu im Sinne
1 Vgl. Hirte in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 27 WpÜG Rz. 20; Krause/Pötzsch in Assmann/ Pötzsch/Uwe H. Schneider, 2005, § 27 WpÜG Rz. 36. 2 Ekkenga in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, 2003, § 33 WpÜG Rz. 62; Hirte in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 27 WpÜG Rz. 21; Seibt, DB 2002, 529, 531. 3 Vgl. Ekkenga in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, 2003, § 33 WpÜG Rz. 4; Hirte in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 33 WpÜG Rz. 33; Uwe H. Schneider, AG 2002, 125, 129; Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1, 8. 4 Hirte in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 33 WpÜG Rz. 87 und 136; Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1, 11.
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Kompetenzen
der Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung des BGH1 die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich ist2. Die Befugnis ist zwingend vom Aufsichtsratsplenum wahrzunehmen, das über die Einberufung mit einfacher Mehrheit beschließt3. b) Beschlussvorschläge für die Hauptversammlung Nach § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG hat der Aufsichtsrat neben dem Vorstand zu den Tagesordnungspunkten, über die die Hauptversammlung beschließen soll, Beschlussvorschläge vorzulegen. Die Vorschläge werden in der Regel mit denen des Vorstandes übereinstimmen; zwingend ist dies jedoch nicht4. Soweit es um die Bestellung von Prüfern (Abschlussprüfer oder Sonderprüfer) und die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern geht, ist der Aufsichtsrat alleine zur Unterbreitung von Beschlussvorschlägen berechtigt und verpflichtet. Über den Beschlussvorschlag an die Hauptversammlung beschließt der Aufsichtsrat mit einfacher Mehrheit. Die Aufgabe, Beschlussvorschläge zu machen, kann einem Aufsichtsratsausschuss übertragen werden5.
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7. Änderung der Satzungsfassung § 179 AktG begründet die ausschließliche Zuständigkeit der Hauptversammlung zur Festlegung des Inhalts der Satzung. Änderungen der Satzung bedürfen nach § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG eines Hauptversammlungsbeschlusses. Für bloße Änderungen der Fassung der Satzung, also ihrer sprachlichen Form, kann die Hauptversammlung den Aufsichtsrat ermächtigen, die Änderung vorzunehmen, ohne dass ein weiterer Hauptversammlungsbeschluss erforderlich ist. Hauptanwendungsfälle der Ermächtigung von § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG sind die Anpassung des Grundkapitalbetrages nach Durchführung einer bedingten oder genehmigten Kapitalerhöhung oder die Textanpassung an eine geänderte Gesetzesterminologie. In der Praxis weit verbreitet ist die generelle Ermächtigung des Aufsichtsrates auf Grund einer Regelung in der Satzung. Der Aufsichtsrat kann die ihm erteilte Befugnis auch an einen Ausschuss delegieren6. Der Aufsichtsrat beschließt die Fassungsänderung mit einfacher Mehrheit. Einer notariellen Beurkundung bedarf es nicht; die vom Aufsichtsratsvorsitzenden oder seinem Stellvertreter unterzeichnete Niederschrift des Beschlusses (§ 107 Abs. 2 Satz 1 AktG) ist ausreichend7. Die Änderung der Satzungsfassung muss wie jede Satzungsänderung im Handelsregister eingetragen werden. Ihre Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister obliegt dem Vorstand gemäß § 181 Abs. 1 AktG8. 1 Vgl. BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 – „Holzmüller“, BGHZ 83, 122; BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 – „Gelatine“, BGHZ 159, 30; vgl. dazu Goette, DStR 2004, 927. 2 Hüffer, § 111 AktG Rz. 14; weitergehend generell für Geschäftsführungsfragen Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 123; Semler in MünchHdb. AG, § 35 Rz. 9; vgl. dazu auch Henze in FS Ulmer, 2003, S. 211 ff.; Hüffer in FS Ulmer, 2003, S. 279 ff. 3 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 548; Hüffer, § 111 AktG Rz. 15. 4 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 506; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 124 AktG Rz. 72. 5 Hüffer, § 124 AktG Rz. 13; Semler in MünchHdb. AG, § 35 Rz. 53; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 124 AktG Rz. 71; zum Nominierungsausschuss nach Ziff. 5.3.3 Deutscher Corporate Governance Kodex vgl. E. Vetter, DB 2007, 1963, 1967. 6 Hüffer, § 179 AktG Rz. 11; Semler in MünchHdb. AG, § 39 Rz. 57; Zöllner in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1989 § 179 AktG Rz. 149. 7 Siebel in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 5 Rz. 77; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 110. 8 Hüffer, § 181 AktG Rz. 2; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 181 AktG Rz. 9; Zöllner in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1989 § 181 AktG Rz. 3.
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Aufsichtsrat
§ 27 Innere Ordnung des Aufsichtsrates I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1
II. Geschäftsordnung des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1. Regelungsgegenstand und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2. Erlasszuständigkeit . . . . . . . . . .
5
3. Gültigkeitsdauer . . . . . . . . . . . .
6
III. Vorsitz und Stellvertreter . . . . . .
7
1. Rechtsstellung des Aufsichtsratsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Kompetenzen des Aufsichtsratsvorsitzenden . . . . . b) Besondere Kompetenzen des Aufsichtsratsvorsitzenden . . . . . . . aa) Besondere aktienrechtliche Kompetenzen . . . . . . . . . . bb) Besondere Kompetenzen nach dem MitbestG . . . . . . . . . c) Faktische Bedeutung des Aufsichtsratsvorsitzenden . . . . . . .
7 7 12 12 13 14
2. Stellvertreter . . . . . . . . . . . . . . . 15 3. Wahlverfahren . . . . . . . . . . . . . 17 a) Wahl nach AktG . . . . . . . . . . 17 b) Wahl nach MitbestG . . . . . . . . 19 4. Gerichtliche Bestellung . . . . . . . . 21 5. Amtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 6. Informationspflichten der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 7. Ehrenvorsitzender . . . . . . . . . . . 24 IV. Arbeitsweise des Aufsichtsrates . . 26 1. Sitzungen des Aufsichtsrates . . . . a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . b) Sitzungshäufigkeit . . . . . . . . . c) Einberufung des Aufsichtsrates . aa) Zuständigkeit . . . . . . . . . . bb) Formalien . . . . . . . . . . . . d) Sitzungsleitung . . . . . . . . . . . e) Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mitglieder des Aufsichtsrates
26 26 27 30 30 34 38 40 40
Rz. bb) Vorstand . . . . . . . . . . . . . 44 cc) Dritte . . . . . . . . . . . . . . . 45 dd) Beauftragte an Stelle von verhinderten Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . 46 2. Beschlüsse des Aufsichtsrates . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussfähigkeit . . . . . . . . . aa) Gesetzliche Voraussetzungen bb) Satzungsgestaltung . . . . . . c) Vertagung der Beschlussfassung . d) Formen der Beschlussfassung . . aa) Beschlussfassung in Präsenzsitzungen . . . . . . . . . . . . . bb) Beschlussfassung nach § 108 Abs. 4 AktG . . . . . . . . . . . cc) Kombinierte Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . e) Beschlussverfahren . . . . . . . . . aa) Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen . . . . . . . . bb) Besondere Verfahrensvoraussetzungen nach MitbestG . . . . . . . . . . . . .
47 47 48 48 49 51 53 53 54 56 57 57 59
3. Interessenkollision und Stimmrecht 60 a) Konfliktkonstellationen . . . . . . 60 b) Konfliktauflösung . . . . . . . . . . 61 4. Stimmbotschaft . . . . . . . . . . . . . 69 5. Sitzungsniederschrift . . . . . . . . . 72 a) Bedeutung und Inhalt . . . . . . . 72 b) Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . 75 6. Fehlerhafte Beschlüsse des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . b) Beschlussmängel . . . . . . . . . aa) Inhaltliche Mängel des Aufsichtsratsbeschlusses . . . . bb) Verfahrensmängel des Aufsichtsratsbeschlusses . . . . c) Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . .
. 77 . 77 . 78 . 78 . 79 . 81
7. Effizienzprüfung des Aufsichtsrates 82 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . 82 b) Durchführung . . . . . . . . . . . . 84
Schrifttum: Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher Aufsichtsratsbeschlüsse, 1986; Baums, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, ZGR 1983, 300; Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrates und seiner Ausschüsse, 1992; Dreher, Interessenkonflikte bei Aufsichtsratsmitgliedern von Aktiengesellschaften, JZ 1990, 896; Feddersen, Neue gesetzliche Anforderungen an den Aufsichtsrat, AG 2000, 385; Götz, Rechtsfolgen fehlerhafter Aufsichtsrats-
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Innere Ordnung des Aufsichtsrates
beschlüsse: analoge Anwendung der §§ 241 ff. AktG?, in FS Lüke, 1997, S. 167; Hoffmann-Becking, Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen einer Verbesserung der Arbeit des Aufsichtsrats, in FS Havermann, 1995, S. 229; Hommelhoff, Die Autarkie des Aufsichtsrats, ZGR 1983, 551; Kindl, Die Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, 1993; Kindl, Beschlussfassung des Aufsichtsrates und neue Medien – Zur Änderung des § 108 Abs. 4 AktG, ZHR 166 (2002), 335; Krebs, Interessenkonflikte bei Aufsichtsratsmandaten in der Aktiengesellschaft, 2002; Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrates, 1981; Krieger, Interne Voraussetzungen für die Abgabe der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG, in FS Ulmer, 2003, S. 365; Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, 1994; Lutter, Der Stimmbote, in FS Duden, 1977, S. 269; Lutter, Die Erklärung zum Corporate Governnace Kodex gemäß § 161 AktG, ZHR 166 (2002), 523; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, 1989; Meilicke, Fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse, in FS Schmidt, 1959, S. 71; Mertens, Zuständigkeiten des mitbestimmten Aufsichtsrates, ZGR 1977, 270; Mertens, Verfahrensfragen bei Personalentscheidungen des mitbestimmten Aufsichtsrats, ZGR 1983, 189; Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung in der mitbestimmten AG, 1982; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1983; Säcker, Anpassung von Satzungen und Geschäftsordnungen an das MitbestG 1976, 1977; K. Schmidt, Anfechtungsbefugnisse von Aufsichtsratsmitgliedern, in FS Semler, 1993, S. 329; Uwe H. Schneider, Geheime Abstimmungen im Aufsichtsrat, in FS Fischer, 1979, S. 727; Uwe H. Schneider, Die Teilnahme von Vorstandsmitgliedern an Aufsichtsratssitzungen, ZIP 2002, 873; Seibt, Deutscher Corporate Governance Kodex und Entsprechens-Erklärung (§ 161 AktG-E), AG 2002, 249; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1992; Ulmer, Die Anpassung der Satzungen mitbestimmter Aktiengesellschaften an das MitbestG 1976, 1980; Ulmer, Aufsichtsratsmandat und Interessenkollision, NJW 1980, 1603; Ulmer, Geheime Abstimmungen im Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften?, AG 1982, 300; Ulmer, Stimmrechtsschranken für Aufsichtsratsmitglieder bei eigener Kandidatur zum Vorstand, NJW 1982, 2288; E. Vetter, Beiträge zur inneren Ordnung des Aufsichtsrates der mitbestimmten Aktiengesellschaft, 1982; E. Vetter, Die Teilnahme des Vorstandes an den Sitzungen des Aufsichtsrates und die Corporate Governance, VersR 2002, 951; Wagner, Aufsichtsratssitzung in Form der Videokonferenz, NZG 2002, 57; Wiedemann, Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, 1989.
I. Vorbemerkung Das AktG enthält keine umfassende Regelung der inneren Ordnung und Arbeitsweise des Aufsichtsrates, sondern regelt in den §§ 107–110 AktG nur einige wenige Einzelfragen. Für mitbestimmte Gesellschaften sieht das MitbestG weitere Bestimmungen vor. Beide Gesetze enthalten aber nur ein Mindestmaß an Vorschriften, die so wichtig sind, dass sie von allen erfassten Gesellschaften eingehalten werden müssen und lassen den Gesellschaften im Übrigen bewusst Gestaltungsspielraum zur Regelung der inneren Ordnung des Aufsichtsrates und der Organisation des eigenen Verfahrensablaufs. Jede Gesellschaft kann auf ihre besonderen Verhältnisse abgestimmte Regeln für die innere Ordnung, Arbeitsweise und die Zusammenarbeit im Aufsichtsrat festlegen, soweit das AktG und das MitbestG nicht Bestimmungen mit zwingendem oder abschließendem Charakter enthalten, die keine Änderungen und Ergänzungen zulassen (§ 23 Abs. 5 AktG). Im Interesse der Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrates und der Effizienz seiner Tätigkeit bei der Erfüllung seiner Aufgaben sind zusätzliche, meist die gesetzlichen Bestimmungen ergänzende Regelungen z.B. über die Durchführung der Sitzungen, die Beschlussfassung und die Protokollierung notwendig und auch weitgehend üblich, wenngleich die Handhabung in den einzelnen Gesellschaften oft sehr unterschiedlich ist. In der Praxis finden sich oftmals Regelungen der inneren Ordnung des Aufsichtsrates und des Verfahrens sowohl in der Satzung als auch daneben in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates. Bisweilen bestehen aber neben den Regelungen in der Satzung zur inneren Ordnung des Aufsichtsrates auch nur verschiedene Einzelbeschlüsse des Aufsichtsrates zu einzelnen Verfahrensfragen. E. Vetter
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Die §§ 107 Abs. 1, 108 Abs. 2 Satz 1 und 109 Abs. 3 AktG begründen die ausschließliche Gestaltungsbefugnis der Satzung zur Regelung der in diesen Vorschriften bestimmten Fragen der inneren Ordnung und Arbeitsweise des Aufsichtsrates. Die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates ist im AktG nicht speziell geregelt. Ihre Zulässigkeit wird aber vom Gesetz stillschweigend vorausgesetzt, wie sich aus den §§ 82 Abs. 2 und 108 Abs. 4 AktG ergibt. Eine besondere ausschließliche Regelungsermächtigung des Aufsichtsrates, die durch die Satzung nicht eingeschränkt werden kann, ergibt sich aus § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG hinsichtlich der Bildung und Besetzung von Aufsichtsratsausschüssen1. Soweit das AktG weder der Satzung noch dem Aufsichtsrat die ausschließliche Kompetenz zur Regelung bestimmter Fragen der inneren Ordnung und der Arbeitsweise eingeräumt hat, besteht eine konkurrierende Regelungsbefugnis zwischen Satzungsgeber und Aufsichtsrat, so dass sowohl die Satzung als auch die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates Fragen der inneren Ordnung des Aufsichtsrates und Verfahrensfragen regeln können. Als dem „Grundgesetz der Verbandsorganisation“2 kommt jedoch der Satzung Vorrang gegenüber einer förmlichen Geschäftsordnung des Aufsichtsrates oder entsprechenden Einzelbeschlüssen des Aufsichtsrates3 zu, so dass der Aufsichtsrat nur noch solche Gegenstände seiner inneren Ordnung und des Verfahrens eigenständig regeln kann, die in der Satzung nicht oder nur unvollständig geregelt sind4. Durch das MitbestG hat sich an dieser Ausgangslage nichts geändert. Insbesondere kann eine Beschränkung der Regelungsbefugnis der Satzung zugunsten eines Grundsatzes der Organisationsautonomie des paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrates, wie es vereinzelt nach Inkrafttreten des MitbestG vertreten worden ist5, nicht anerkannt werden6. § 25 Abs. 2 MitbestG schließt die nach dem AktG bestehende vorrangige Regelungskompetenz der Hauptversammlung als Satzungsgeber zur Regelung von Fragen der inneren Ordnung des Aufsichtsrates und seines Verfahrens nicht aus, soweit dem Aufsichtsrat dadurch nicht die eigenverantwortliche Organisation seiner Arbeit verwehrt wird und sich aus einzelnen Bestimmungen des MitbestG keine Besonderheiten ergeben.
II. Geschäftsordnung des Aufsichtsrates 1. Regelungsgegenstand und Bedeutung 3
Durch den Erlass einer förmlichen Geschäftsordnung ist dem Aufsichtsrat die Möglichkeit eröffnet, seine innere Organisation und Arbeitsweise eigenverantwortlich festzulegen7. Die Geschäftsordnung ist damit ein wesentliches Instrument der Selbstorganisation des Aufsichtsrates8. Sie braucht sich nicht auf Verfahrensregelungen, wie 1 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 – „Siemens“, BGHZ 83, 106, 112. 2 Wiedemann in FS Barz, 1974, S. 561, 571; Heim, AG 1972, 229, 230; Hölters, BB 1975, 797, 801. 3 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 328. 4 Hüffer, § 107 AktG Rz. 23; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 163; eingehend Paefgen, Struktur, S. 139 ff.; E. Vetter, Beiträge, S. 47 ff. 5 Hommelhoff, BFuP 1977, 507, 515 ff.; Föhr, Das MitbestGespr 1977, 131, 132. 6 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 – „Siemens“, BGHZ 83, 106, 119; BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81 – „Dynamit Nobel“, BGHZ 83, 144, 148; Hüffer, § 107 AktG Rz. 2; Paefgen, Struktur, S. 144 ff.; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 17. 7 Mustergeschäftsordnungen finden sich z.B. bei Happ, Aktienrecht, Form. 9.01; Hölters in Münchener Vertragshandbuch Bd. 1 Gesellschaftsrecht, Form V. 72; Siebel in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, Anlage § 3–2. 8 Hüffer, § 107 AktG Rz. 23; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 161.
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z.B. Bestimmungen über die Einladung zu Sitzungen, die Teilnahme von Dritten an Sitzungen und die Einsetzung von Aufsichtsratsausschüssen zu beschränken, sondern sie kann in dem von Gesetz und Satzung eingeräumten Spielraum auch Rechte oder Verhaltenspflichten der Aufsichtsratsmitglieder begründen oder konkretisieren1. Ob die Notwendigkeit zum Erlass einer förmlichen Geschäftsordnung des Aufsichtsrates besteht, hängt auch davon ab, inwieweit die Satzung bereits Regelungen zur inneren Ordnung des Aufsichtsrates enthält. Bei größeren Aufsichtsräten von 12 oder mehr Mitgliedern wird man allerdings im Regelfall eine Verpflichtung zum Erlass einer förmlichen Geschäftsordnung allein schon im Hinblick auf die in § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG niedergelegte ausschließliche Zuständigkeit des Aufsichtsrates zur Einsetzung von Aufsichtsratsausschüssen und der Festlegung ihrer Aufgaben sowie generell zur Sicherstellung eines möglichst reibungslosen Verfahrensablaufs annehmen müssen, soweit der Aufsichtsrat hierzu keine Einzelbeschlüsse getroffen hat2. Ziff. 5.1.3 Deutscher Corporate Governance Kodex empfiehlt unabhängig von der Aufsichtsratsgröße den Erlass einer Geschäftsordnung als wesentliche Voraussetzung einer guten Corporate Governance.
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2. Erlasszuständigkeit Die Zuständigkeit zum Erlass einer förmlichen Geschäftsordnung liegt allein beim Aufsichtsrat3, der zu deren Verabschiedung keiner besonderen Ermächtigung in der Satzung bedarf4. Für den Beschluss ist die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich5. In der paritätisch mitbestimmten AG kann der Aufsichtsratsvorsitzende dabei auch sein Zweitstimmrecht nach § 29 MitbestG einsetzen6. Werden zur Erfüllung der Empfehlungen oder Anregungen des Deutschen Corporate Governance Kodex in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates besondere über die gesetzliche Regelung hinausgehende individuelle Pflichten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder begründet oder konkretisiert (z.B. Ziff. 5.4.5, 5.5.2, 6.6), genügt ein Beschluss des Aufsichtsrates mit einfacher Mehrheit nicht, sondern es ist ein einstimmiger Beschluss notwendig (vgl. dazu im Einzelnen oben § 2 Rz. 57)7. Bei personellen Veränderungen im Aufsichtsrat ist insoweit jeweils der Beitritt des neuen Aufsichtsratsmitglieds oder eine erneute einstimmige Beschlussfassung des Aufsichtsrates erforderlich8.
1 Vgl. z.B. Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 12 Rz. 149. 2 Für Verpflichtung z.B. auch Feddersen, AG 2000, 385, 390, 394; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 654; Semler in FS Peltzer, 2001, S. 489, 505; anders wohl Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 3. 3 Hüffer, § 107 AktG Rz. 23; missverständlich Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 163. 4 Heim, AG 1972, 229; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 209; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 163. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 4; Hüffer, § 107 AktG Rz. 23; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 653; a.A. wohl Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 179 ff. 6 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 25 MitbestG Rz. 14; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 14; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 14. 7 Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 374; Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 537; E. Vetter, DNotZ 2003, 748, 759; a.A. Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 1023 zur Altergrenze der Aufsichtsratsmitglieder. 8 Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 537; E. Vetter, DNotZ 2003, 748, 759.
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3. Gültigkeitsdauer 6
Die vom Aufsichtsrat beschlossene Geschäftsordnung gilt auf unbestimmte Zeit und bleibt solange in Kraft, bis die Hauptversammlung im Bereich der konkurrierenden Regelungskompetenz in der Satzung eine Regelung vornimmt oder der Aufsichtsrat die Geschäftsordnung durch einen neuen Mehrheitsbeschluss ändert oder aufhebt1. Sie erlischt nicht mit dem Ablauf der Amtsperiode des Aufsichtsrates2 und gilt automatisch für jedes neu in den Aufsichtsrat eintretende Mitglied wie auch für den insgesamt neugewählten Aufsichtsrat, ohne dass eine Bestätigungserklärung der neuen Mitglieder erforderlich ist3. Dies gilt auch für den Fall der Änderung der Größe oder der Zusammensetzung des Aufsichtsrates auf Grund eines Statusverfahrens, soweit nicht gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen4.
III. Vorsitz und Stellvertreter 1. Rechtsstellung des Aufsichtsratsvorsitzenden a) Allgemeine Kompetenzen des Aufsichtsratsvorsitzenden 7
Das AktG enthält keine zusammenhängende und umfassende Regelung der Aufgaben und Kompetenzen des Vorsitzenden des Aufsichtsrates, sondern weist ihm nur punktuell in verschiedenen Einzelbestimmungen bestimmte Funktionen, Rechte und Pflichten zu. Gewohnheitsrechtlich hat er diejenigen Befugnisse, die einem Vorsitzenden eines Gremiums üblicherweise zustehen, um dessen Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit zu gewährleisten5. Nach allgemeiner Meinung ist er kein eigenständiges Organ der Gesellschaft6, auch wenn ihm das Gesetz zum Teil besondere Aufgaben zugewiesen hat7. Nach § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG sind ihm z.B. die vom Vorstand aus wichtigem Anlass zu erstellenden Berichte zuzuleiten. Wichtigste Aufgabe des Aufsichtsratsvorsitzenden ist die Organisation und Koordination der Arbeit des Aufsichtsrates, die Leitung der Aufsichtsratssitzungen und die Ausführung der Aufsichtsratsbeschlüsse, soweit dies nicht dem Vorstand oder dem Gesamtaufsichtsrat obliegt8.
1 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 212; Hüffer, § 107 AktG Rz. 24; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 165. 2 OLG Hamburg v. 23.7.1982 – 11 U 179/80 – „Beiersdorf“, AG 1983, 21, 22; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 5; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 653; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 165; differenzierend Säcker, DB 1977, 2031, 2035. 3 Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 25 MitbestG Rz. 168; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 14; a.A. Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 25 MitbestG Rz. 15; Säcker, DB 1977, 2031, 2036. 4 OLG Hamburg v. 23.7.1982 – 11 U 179/80 – „Beiersdorf“, AG 1983, 21, 22; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 164; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 14. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 22; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 43. 6 Luther/Rosga in FS Meilicke, 1985, S. 80, 81; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 675; Semler in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 4 Rz. 40. 7 Zweifel deshalb bei Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 214; Peus, ZGR 1987, 545, 552. 8 OLG Karlsruhe v. 20.6.1980 – 15 U 171/79 – „Bilfinger und Berger“, AG 1981, 102, 106; siehe dazu im Einzelnen z.B. Semler in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 4 Rz. 110.
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Der Aufsichtsratsvorsitzende entscheidet im Allgemeinen (§ 110 Abs. 1 AktG) über die Einberufung der Sitzungen und ist für deren Vorbereitung verantwortlich1. Hierzu zählt nicht nur die Festlegung der Tagesordnung sowie deren rechtzeitiger Versand einschließlich der notwendigen Beratungsunterlagen, sondern auch die möglichst frühzeitige Mitteilung von Beschlussvorschlägen, um allen Aufsichtsratsmitgliedern die Möglichkeit zu eröffnen, für den Fall ihrer persönlichen Verhinderung an der Beschlussfassung des Aufsichtsrates durch schriftliche Stimmabgabe (§ 108 Abs. 3 AktG) (siehe dazu Rz. 69 ff.) teilzunehmen2. Der Aufsichtsratsvorsitzende entscheidet vorbehaltlich einer Regelung in der Satzung oder der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates auch darüber, ob gegebenenfalls eine Beschlussfassung des Aufsichtsrates ohne die Abhaltung einer Sitzung auf schriftlichem oder fernmündlichem Weg oder in anderer vergleichbarer Form in Betracht kommt3. Schließlich obliegt dem Aufsichtsratsvorsitzenden die Koordination der Tätigkeit der Aufsichtsratsausschüsse sowie die Organisation und Koordination der für die Aufsichtsratssitzung vorgesehenen Berichte des Vorstandes (§ 90 AktG), einzelner Aufsichtsratsausschüsse (§ 107 Abs. 3 Satz 3 AktG), des Abschlussprüfers (§ 171 Abs. 1 Satz 2 AktG) oder von hinzugezogenen Auskunftspersonen und Sachverständigen (§ 109 Abs. 1 Satz 2 AktG). In den Händen des Aufsichtsratsvorsitzenden einer börsennotierten AG liegt auch die Organisation der Selbstevaluierung des Aufsichtsrates, sofern dieser durch Mehrheitsbeschluss die regelmäßige Durchführung einer Effizienzkontrolle seiner Arbeit gemäß der Empfehlung nach Ziff. 5.6 Deutscher Corporate Governance Kodex beschlossen hat (siehe dazu Rz. 82 ff.).
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Als Sitzungsleiter entscheidet der Aufsichtsratsvorsitzende, soweit nicht die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates bereits Vorgaben enthalten oder der Aufsichtsrat im Einzelfall eine Verfahrensfrage durch Beschluss entscheidet, über den Ablauf der Sitzung4. Der Aufsichtsratsvorsitzende bestimmt z.B. die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte, wobei er von der von ihm festgelegten Reihenfolge abweichen darf. Er legt die Reihenfolge der Redner fest und entscheidet darüber, ob die Mitglieder des Vorstandes oder Dritte an der Sitzung teilnehmen dürfen. Weitere wichtige Aufgabe des Sitzungsleiters ist die Herbeiführung rechtsfehlerfreier Aufsichtsratsbeschlüsse5. Dies schließt ein, darauf zu achten, dass keine ungültigen Stimmen abgegeben werden. Nach Ende der Aufsichtsratssitzung hat der Aufsichtsratsvorsitzende für die Erstellung des Sitzungsprotokolls zu sorgen (§ 107 Abs. 2 Satz 1 AktG)6 und die Ausführung der Beschlüsse des Aufsichtsrates zu überwachen7. Dem Aufsichtsratsvorsitzenden kann kein Vetorecht gegen Beschlüsse des Aufsichtsrates eingeräumt werden8. Außerhalb der paritätischen Mitbestimmung ist hingegen eine Regelung in der Sat-
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1 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 39; Semler in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 4 Rz. 74. 2 Semler in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 4 Rz. 69. 3 Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 135; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 51. 4 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 36; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 705; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 81. 5 Mertens in KölnKomm. AktG, 1996, § 107 AktG Rz. 37; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 114; Semler in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 4 Rz. 165. 6 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 107; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 54. 7 OLG Karlsruhe v. 20.6.1980 – 15 U 171/79 – „Bilfinger und Berger“, AG 1981, 102, 106; Semler in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 4 Rz. 110. 8 Hüffer, § 108 AktG Rz. 8; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 66.
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zung1 oder in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates2 zulässig, nach der der Aufsichtsratsvorsitzende bei Stimmengleichheit das Recht zum Stichentscheid hat. 10
Als Annexkompetenz steht dem Aufsichtsratsvorsitzenden das Recht zu, die Gesellschaft beim Abschluss von Hilfsgeschäften zu vertreten, die für die ordnungsgemäße Wahrnehmung seiner Aufgaben als Vorsitzendem des Gremiums sowie zur Vorbereitung und Durchführung der Aufsichtsratssitzungen erforderlich sind. Hierzu zählen z.B. die Anmietung entsprechender Sitzungsräume, die Hinzuziehung von Sachverständigen wie auch die Beauftragung eines Personalberaters im Zusammenhang mit der Suche neuer Vorstandsmitglieder3. Soweit die Gesellschaft bei Geschäften durch den Aufsichtsratsvorsitzenden vertreten wird, gilt dieser zur Passivvertretung der Gesellschaft ermächtigt, d.h., er ist zum Empfang von Willenserklärungen an die Gesellschaft berechtigt4. Gegenüber dem Vorstand obliegt die Vertretung der Gesellschaft nach § 112 AktG dem Aufsichtsrat, sofern nicht der Aufsichtsrat die Zuständigkeit unter Berücksichtigung der Grenzen von § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG einem Ausschuss übertragen hat5. Dem Aufsichtsratsvorsitzenden kann insoweit weder durch die Satzung noch durch die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates die organschaftliche Vertretungsmacht eingeräumt werden6. Regelmäßig beinhaltet aber ein Beschluss des Aufsichtsrates, der einer rechtsgeschäftlichen Umsetzung bedarf, konkludent auch die Ermächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden die dazu erforderlichen Erklärungen für den Aufsichtsrat abzugeben, sofern nicht der Aufsichtsrat ausdrücklich ein anderes Aufsichtsratsmitglied mit der Aufgabe betraut7. Ob der Aufsichtsratsvorsitzende zur Kundgabe des Beschlusses des Aufsichtsrates über die Abberufung eines Vorstandsmitgliedes oder die Kündigung des Anstellungsverhältnisses eines Vollmachtsnachweises nach § 174 Satz 1 BGB bedarf, ist umstritten8. Vielfach findet sich in der Satzung oder der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates die Bestimmung, dass Willenserklärungen des Aufsichtsrates in dessen Namen vom Aufsichtsratsvorsitzenden abgegeben werden. Hierdurch wird dem Aufsichtsratsvorsitzenden nur die Funktion eines Erklärungsvertreters des Aufsichtsrates übertragen, da ihm in der Sache keine Kompetenz zur Entscheidung und Willensbildung für den Aufsichtsrat eingeräumt werden kann9. Der Aufsichtsratsvorsitzende bedarf deshalb zur Abgabe einer Erklärung im Namen des Aufsichtsrates stets eines vorangehenden Beschlusses des Auf1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 21; Hüffer, § 108 AktG Rz. 8. 2 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 139; hingegen nur für Regelung in der Satzung Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 21; Hüffer, § 108 AktG Rz. 8. 3 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 680; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 48; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 172; Semler in FS Claussen, 1997, S. 381, 397; a.A. wohl Berger, Die Kosten der Aufsichtsratstätigkeit in der AG, 1999, S. 113. 4 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 97; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 682; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 112 AktG Rz. 23; Werner, ZGR 1989, 369, 387. 5 OLG Stuttgart v. 20.3.1992 – 2 U 115/90, AG 1993, 85, 86. 6 BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 285; OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, AG 2004, 321, 322; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 47; Semler in FS Rowedder, 1994, S. 441, 449. 7 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 113; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 47; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 175; a.A. Heim, AG 1967, 4, 5; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 59. 8 Dafür OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, AG 2004, 321, 323; Pusch, RdA 2005, 170, 174; a.A. Bednarz, NZG 2005, 539, 542. 9 OLG Stuttgart v. 20.3.1992 – 2 U 115/90, AG 1993, 85, 86; Hüffer, § 107 AktG Rz. 23; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 172; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 59; Werner, ZGR 1989, 369, 384.
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sichtsrates oder eines Aufsichtsratsausschusses, falls die Angelegenheit auf einen Ausschuss übertragen worden ist1. Rechtsgeschäftliche Erklärungen, die der Aufsichtsratsvorsitzende im Zuständigkeitsbereich des Aufsichtsrates abgibt und denen kein entsprechender Aufsichtsratsbeschluss zugrunde liegt, sind nach den Grundsätzen des Vertreters ohne Vertretungsmacht gemäß § 177 BGB schwebend unwirksam und können nachträglich vom Aufsichtsrat genehmigt werden2. In der Praxis wird dem Aufsichtsratsvorsitzenden neben seinen üblichen Aufgaben regelmäßig kraft Satzungsbestimmung die Leitung der Hauptversammlung übertragen3. Die Satzung kann bestimmen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende oder der Stellvertreter nur dann zur Leitung der Hauptversammlung berufen sind, wenn sie dem Kreis der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner angehören4.
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b) Besondere Kompetenzen des Aufsichtsratsvorsitzenden aa) Besondere aktienrechtliche Kompetenzen. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist die zentrale Person für die Informationsvermittlung zwischen dem Aufsichtsrat und den anderen Organen der Gesellschaft. Er erhält die vom Vorstand aus wichtigem Anlass zu erstellenden Berichte gemäß § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG sowie die sonstigen Berichte des Vorstandes zur Weiterleitung an den Gesamtaufsichtsrat (§ 90 Abs. 5 Satz 3 AktG)5. Entsprechendes gilt auch für den Prüfungsbericht des Abschlussprüfers (§ 170 Abs. 3 AktG, § 318 Abs. 7 Satz 4 HGB). Er hat nach § 176 Abs. 1 Satz 2 AktG den Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung über die Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts sowie des Gewinnverwendungsvorschlages mündlich zu erläutern. Weiterhin soll er die Hauptversammlung nach der Empfehlung in Ziff. 4.2.3 Abs. 6 Deutscher Corporate Governance Kodex über die Grundzüge des Vergütungssystems des Vorstandes und deren Veränderungen informieren (vgl. dazu im Einzelnen oben § 19 Rz. 45). In verschiedenen Einzelbestimmungen weist das AktG dem Vorsitzenden des Aufsichtsrates besondere Kompetenzen zu. Besondere Mitwirkungsbefugnisse stehen ihm bei der Anmeldung von Kapitalmaßnahmen zum Handelsregister zu (§§ 184 Abs. 1, 188 Abs. 1, 195 Abs. 1, 203 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 188 Abs. 1, 207 Abs. 2, 223, 229 Abs. 3 und 237 Abs. 2 AktG).
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bb) Besondere Kompetenzen nach dem MitbestG. In der paritätisch mitbestimmten Gesellschaft räumen §§ 29 Abs. 2 Satz 1 und 31 Abs. 4 Satz 1 MitbestG dem Aufsichtsratsvorsitzenden, falls ein Beschluss des Aufsichtsrates zu einem Patt geführt hat, das so genannte Zweitstimmrecht ein (siehe dazu Rz. 59). Nach § 27 Abs. 3 MitbestG ist er auch kraft Amtes Mitglied des so genannten ständigen Ausschusses oder auch Vermittlungsausschusses (siehe dazu im Einzelnen § 28 Rz. 33).
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1 Luther/Rosga in FS Meilicke, 1985, S. 80, 87. 2 OLG Karlsruhe v. 13.10.1995 – 10 U 51/95 – „HSB“, AG 1996, 224, 225; Hüffer, § 112 AktG Rz. 7; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 112 AktG Rz. 5; Werner, ZGR 1989, 369, 393; a.A. Stein, AG 1999, 28, 38. 3 Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 36; vgl. auch Ulmer, Die Anpassung der Satzungen, S. 42. 4 OLG Hamburg v. 23.7.1982 – 11 U 179/80 – „Beiersdorf“, AG 1983, 21, 22; Raiser, § 27 MitbestG Rz. 30; E. Vetter, Beiträge, S. 104; H.P. Westermann in FS Fischer, 1979, S. 835, 844; a.A. Föhr, Das MitbestGespr 1977, 131, 133. 5 Siehe dazu Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 247.
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§ 27
Aufsichtsrat
c) Faktische Bedeutung des Aufsichtsratsvorsitzenden 14
Die bloße Darstellung der gesetzlichen und gewohnheitsrechtlichen Befugnisse des Aufsichtsratsvorsitzenden wird seiner besonderen Bedeutung nicht gerecht, wobei diese nicht zuletzt auch wesentlich von der fachlichen und persönlichen Autorität und Führungsstärke des Aufsichtsratsvorsitzenden im Einzelfall bestimmt wird. In der Unternehmenspraxis nimmt der Aufsichtsratsvorsitzende regelmäßig eine zentrale Funktion zwischen Aufsichtsrat und Vorstand ein1. Er ist Gesprächspartner des Vorstandes. Hierdurch ist der Aufsichtsratsvorsitzende meist über alle wesentlichen Entwicklungen und wichtigen Anlässe (§ 90 Abs. 1 Satz 2 AktG) im Unternehmen frühzeitig informiert. Sein Wort als Berater des Vorstandes hat im Allgemeinen besonderes Gewicht. Der Gesetzgeber macht die erhöhte Verantwortung und Arbeitsbelastung des Aufsichtsratsvorsitzenden dadurch deutlich, dass Vorsitz-Mandate im Rahmen von § 100 Abs. 2 Satz 3 AktG doppelt gezählt werden. Auch Ziff. 5.2 Abs. 3 Deutscher Corporate Governance Kodex unterstreicht seine besondere Bedeutung mit der Empfehlung, dass er regelmäßigen Kontakt mit dem Vorsitzenden bzw. Sprecher des Vorstandes halten soll, um mit ihm die Strategie, die Geschäftsentwicklung wie auch das Risikomanagement zu beraten. 2. Stellvertreter
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Nach § 107 Abs. 1 Satz 1 AktG hat der Aufsichtsrat mindestens einen Stellvertreter zu wählen, der die Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsratsvorsitzenden übernimmt, wenn dieser „behindert“ ist (§ 107 Abs. 2 Satz 3 AktG). Auch im paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat kann die Satzung weitere Stellvertreter vorsehen, sofern dabei der Grundsatz der gleichen Rechtsstellung aller Aufsichtsratsmitglieder beachtet wird2. Der Vertretungsfall ist dann gegeben, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende eine ihm obliegende Aufgabe innerhalb des dafür zur Verfügung stehenden Zeitraumes nicht rechtzeitig erledigen kann3. Der Verhinderungsfall liegt auch dann vor, wenn das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden unbesetzt ist4. Eine Verhinderung ist allerdings nicht schon dann gegeben, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende die Aufgabe nicht selbst wahrnehmen, sondern seinem Stellvertreter überlassen will5. Wird der Stellvertreter im Verhinderungsfall tätig, hat er – mit Ausnahme der Vergütungsansprüche – dieselben Rechte und Pflichten wie der Aufsichtsratsvorsitzende, und zwar im Zweifel unabhängig davon, ob es sich um gesetzliche oder in der Satzung begründete Befugnisse handelt.
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Im paritätisch mitbestimmtem Aufsichtsrat ist der nach § 27 Abs. 1 und 2 MitbestG zu wählende Stellvertreter stets Mitglied kraft Amtes des nach § 27 Abs. 3 MitbestG zu bildenden so genannten Vermittlungsausschusses (siehe dazu § 28 Rz. 33). Das Zweitstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden steht ihm jedoch nach §§ 29 Abs. 2 Satz 3, 31 Abs. 4 Satz 3 MitbestG nicht zu. Sieht die Satzung für den paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat einen oder mehrere weitere Stellvertreter vor, ist für die nach § 29 1 Vgl. Krieger, ZGR 1985, 338, 342; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 161; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 1025; siehe auch Sihler, WPg-Sonderheft 2001, S. 111, 112. 2 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 – „Siemens“, BGHZ 83, 106, 112; OLG Hamburg v. 23.7.1982 – 11 U 179/80 – „Beiersdorf“, AG 1983, 21, 22; Paefgen, Struktur, S. 289 ff.; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 17; H.P. Westermann in FS Fischer, 1979, S. 835, 837. 3 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 684; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 66. 4 LG Mainz v. 19.12.1989 – 10 HO 65/89, AG 1991, 33, 34. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 23; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 684; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 70.
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§ 27
Innere Ordnung des Aufsichtsrates
MitbestG durchzuführende Wahl erforderlich, dass die Satzungsbestimmung keine Beschränkung des passiven Wahlrechts auf die Gruppe der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner enthält, sondern im Grundsatz jedes Aufsichtsratsmitglied gewählt werden kann1. Andernfalls ist die Satzungsregelung wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der gleichen Rechtsstellung aller Aufsichtsratsmitglieder unwirksam. 3. Wahlverfahren a) Wahl nach AktG Für Gesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs des MitbestG bestimmt sich die Wahl von Aufsichtsratsvorsitzendem und Stellvertreter allein nach den aktienrechtlichen Vorschriften. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates wird nach § 107 Abs. 1 Satz 1 AktG aus dem Kreis seiner Mitglieder gewählt. Sieht die Satzung keine andere Mehrheit vor, genügt für die Wahl die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die Satzung kann auch die relative Mehrheit genügen lassen oder eine höhere Mehrheit vorsehen, solange hierdurch nicht für ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied faktisch ein Vetorecht begründet wird2. Bei der Wahl sind alle Mitglieder des Aufsichtsrates stimmberechtigt einschließlich des Kandidaten selbst3. Die Wahl eines oder mehrerer Stellvertreter erfolgt nach denselben Regelungen, wie sie im Rahmen von § 107 Abs. 1 AktG für die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden gelten. Bei der Wahl mehrerer Stellvertreter sollte der Aufsichtsrat in jedem Fall auch die Reihenfolge festgelegen, in der sie den Aufsichtsratsvorsitzenden vertreten, sofern nicht die Satzung bereits eine Regelung getroffen hat4.
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Wie die Wahl vonstatten geht und wer sie leitet, wenn der Aufsichtsrat erstmals nach der Wahl seiner Mitglieder zusammentritt oder wenn sowohl das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden als auch das des Stellvertreters vakant geworden ist, ist gesetzlich nicht geregelt. Meist sieht die Satzung vor, dass der Aufsichtsrat nach der Neuwahl der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner durch die Hauptversammlung zusammentritt, ohne dass es dazu einer gesonderten Einladung bedarf. Üblich ist die Durchführung der konstituierenden Sitzung des Aufsichtsrates unmittelbar im Anschluss an die Hauptversammlung, in der die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner gewählt worden sind, wenn zu diesem Zeitpunkt die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer bereits erfolgt ist. Treten die Aufsichtsratsmitglieder nicht aus eigener Initiative zusammen, kann nach dem Gedanken des § 110 Abs. 2 AktG sowohl der Vorstand als auch jedes Aufsichtsratsmitglied zur konstituierenden Sitzung einberufen5. Vielfach üblich ist die Einberufung durch den Vorstand, der gesetzlich verpflichtet ist, für ein funktionsfähiges Überwachungsorgan zu sorgen. Über die Sitzungsleitung bis zur Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden müssen sich die versammelten Aufsichtsratsmitglieder ad hoc verständigen. In aller Regel wird die Sitzungsleitung nach parlamentarischem Vorbild vom ältesten Mitglied übernommen, sofern die
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1 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 – „Siemens“, BGHZ 83, 106, 112; OLG Hamburg v. 23.7.1982 – 11 U 179/80 – „Beiersdorf“, AG 1983, 21, 22; Hüffer, § 107 AktG Rz. 11; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 25 MitbestG Rz. 7; Wank, AG 1980, 148, 150; H.P. Westermann in FS Fischer, 1979, S. 835, 837. 2 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 9; Hüffer, § 107 AktG Rz. 3; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 660; a.A. Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 9. 3 Hüffer, § 107 AktG Rz. 3; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 209. 4 Happ, Aktienrecht, Form. 9.01 Rz. 10. 5 Vgl. Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 13; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 110 AktG Rz. 13; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 110 AktG Rz. 10.
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§ 27
Aufsichtsrat
Geschäftsordnung des Aufsichtsrates keine Regelung enthält und die anwesenden Aufsichtsratsmitglieder keinen Sitzungsleiter wählen1. b) Wahl nach MitbestG 19
Ist der Aufsichtsrat paritätisch mitbestimmt, so gilt für die Wahl des Vorsitzenden des Aufsichtsrates und des Stellvertreters zwingend das Verfahren gemäß § 27 MitbestG, der die aktienrechtlichen Regelungen in § 107 AktG modifiziert und ein potentiell zweistufiges Wahlverfahren vorsieht. Danach wählt der Aufsichtsrat aus seiner Mitte den Aufsichtsratsvorsitzenden und einen Stellvertreter, und zwar in einem ersten Wahlgang mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder, aus denen der Aufsichtsrat nach Gesetz oder Satzung insgesamt besteht (Sollstärke). Dem Aufsichtsrat steht es frei zu entscheiden, ob die Wahl für beide Positionen durch Blockwahl erfolgt oder ob jeweils getrennte Abstimmungen durchgeführt werden2. Wird die erforderliche Mehrheit auch nur für eine der beiden Positionen nicht erreicht, sind die Kandidaten für beide zu besetzende Positionen nicht gewählt. Bei erfolglosem erstem Wahlgang ist nach § 27 Abs. 2 MitbestG ein zweiter Wahlgang durchzuführen, in dem zwei getrennte Abstimmungen stattfinden, wobei die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner den Aufsichtsratsvorsitzenden und die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer den Stellvertreter jeweils mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen wählen. Der zweite Wahlgang muss alsbald nach dem ersten Wahlgang gemäß § 27 Abs. 1 MitbestG stattfinden. Für die Beschlussfähigkeit jeder Gruppe als eigenständigem Wahlkörper ist entsprechend dem Gedanken des § 28 MitbestG die Teilnahme der Hälfte ihrer nach Gesetz oder Satzung bestimmten Zahl von Mitgliedern erforderlich3. Durch das Verfahren des § 27 MitbestG ist gewährleistet, dass der Aufsichtsratsvorsitzende bei weitgehender Geschlossenheit der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner von der Anteilseignerseite gestellt wird, was sogar gegen den geschlossenen Willen der Bank der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat erfolgen kann. Gängige Unternehmenspraxis ist es, dass der Aufsichtsratsvorsitzende von den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Stellvertreter von den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer gestellt wird, ohne dass es zu einem zweiten Wahlgang kommt. Dieses Ergebnis ist jedoch nicht zwingend und kann auch nicht durch die Satzung vorgeschrieben werden4. Einschränkungen der Wahlfreiheit der Aufsichtsratsmitglieder durch die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates durch das Aufstellen von Qualifikationsmerkmalen für den Aufsichtsratsvorsitzenden oder den Stellvertreter sind unwirksam5.
1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 13; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 116; Siebel in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 5 Rz. 85. 2 Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 27 MitbestG Rz. 5; Raiser, § 27 MitbestG Rz. 12; E. Vetter, Beiträge, S. 83. 3 Raiser, § 27 MitbestG Rz. 13; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 27 MitbestG Rz. 8; a.A. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 27 MitbestG Rz. 15: drei Mitglieder ausreichend. 4 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 145/80 – „Bilfinger und Berger“, BGHZ 83, 151, 154; OLG Karlsruhe v. 20.6.1980 – 15 U 171/79 – „Bilfinger und Berger“, AG 1981, 102, 105; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 27 MitbestG Rz. 3; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 27 MitbestG Rz. 3. 5 Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 27 MitbestG Rz. 3; Raiser, § 27 MitbestG Rz. 9.
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§ 27
Innere Ordnung des Aufsichtsrates
Auch im paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat ist die Wahl weiterer Stellvertreter zulässig1. Für die Wahl ist mangels einer besonderer Regelung in der Satzung oder Aufsichtsratsgeschäftsordnung nicht das Verfahren nach § 27 MitbestG zu beachten, sondern es genügt ein Beschluss des Aufsichtsrates mit einfacher Mehrheit (§ 29 MitbestG)2. Die Satzung kann jedoch nicht die Wahlfreiheit beschränken und verbindlich festlegen, dass der weitere Stellvertreter der Gruppe der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner angehören muss3. Der weitere Stellvertreter hat die Befugnisse des Aufsichtsratsvorsitzenden gemäß § 107 Abs. 1 Satz 3 AktG nur, wenn sowohl der Aufsichtsratsvorsitzende als auch der nach § 27 MitbestG gewählte Stellvertreter verhindert sind. Das Zweitstimmrecht nach § 29 Abs. 2 MitbestG kann dem weiteren Stellvertreter jedoch nicht eingeräumt werden4. Zulässig und in der Praxis vielfach üblich ist es, dass dem weiteren Stellvertreter, der regelmäßig aus den Reihen der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner kommt, im Fall der Verhinderung des Aufsichtsratsvorsitzenden die Leitung der Hauptversammlung übertragen wird5.
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4. Gerichtliche Bestellung Findet innerhalb angemessener Zeit nach der Neuwahl des Aufsichtsrates keine konstituierende Aufsichtsratssitzung statt, in der der Aufsichtsratsvorsitzende und der Stellvertreter nach § 107 Abs. 1 AktG gewählt werden, oder scheitert die Konstituierung an der notwendigen Stimmenmehrheit, kann die Hauptversammlung nicht die Wahl anstelle des Aufsichtsrats vornehmen6. Auf Antrag hat das Registergericht den Aufsichtsratsvorsitzenden und seinen Stellvertreter zu bestellen (§ 104 Abs. 2 AktG analog)7. Antragsberechtigt sind sowohl der Vorstand, jedes Aufsichtsratsmitglied als auch jeder Aktionär.
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5. Amtszeit Enthält die Satzung, die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates oder der Wahlbeschluss selbst keine entgegenstehende Regelung, beginnt die Amtszeit des Aufsichtsratsvorsitzenden oder Stellvertreters mit der Annahme der Wahl. Sie endet mit dem Ende der Amtszeit, für die das betreffende Aufsichtsratsmitglied gewählt ist8. Nach herrschender Meinung kann auch vorgesehen werden, dass sich die Amtszeit des Vorsitzenden oder Stellvertreters im Falle der Wiederwahl automatisch auch über die lau1 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 – „Siemens“, BGHZ 83, 106, 112; OLG Hamburg v. 23.7.1982 – 11 U 179/80 – „Beiersdorf“, AG 1983, 21, 22; Hüffer, § 107 AktG Rz. 11; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 17; Wank, AG 1980, 148, 150; H.P. Westermann in FS Fischer, 1979, S. 835, 837. 2 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 30; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 27 MitbestG Rz. 21; a.A. Raiser, § 27 MitbestG Rz. 15; Wank, AG 1980, 148, 152, die die Beachtung des Verfahrens nach § 27 MitbestG verlangen. 3 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 – „Siemens“, BGHZ 83, 106, 112; OLG Hamburg v. 23.7.1982 – 11 U 179/80 – „Beiersdorf“, AG 1983, 21, 22. 4 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 60; Raiser, § 27 MitbestG Rz. 33; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 27 MitbestG Rz. 20; a.A. Paefgen, Struktur, S. 299; H.P. Westermann in FS Fischer, 1979, S. 835, 842. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 30; Wank, AG 1980, 148, 150. 6 Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 24. 7 Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 27 MitbestG Rz. 35; Hüffer, § 107 AktG Rz. 3b; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 25; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 27 MitbestG Rz. 4; a.A. Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 8. 8 Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 129; Hüffer, § 107 AktG Rz. 4; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 26.
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§ 27
Aufsichtsrat
fende Amtsperiode hinweg fortsetzt. Hierzu bedarf es jedoch einer ausdrücklichen Regelung des Aufsichtsrates1. In jedem Fall endet das Amt mit dem Ausscheiden des Mitglieds aus dem Aufsichtsrat2. Außerhalb des Geltungsbereichs des MitbestG kann die Amtszeit für den Aufsichtsratsvorsitzenden und den Stellvertreter unterschiedlich bemessen werden3. Beim paritätisch besetzten Aufsichtsrat kommen jedoch für beide Ämter nur identische Amtszeiten in Betracht, wobei die Wahl nicht zwingend für die gesamte Amtszeit des Aufsichtsrates erfolgen muss4. Der Aufsichtsratsvorsitzende kann sein Amt jederzeit durch Erklärung gegenüber dem Aufsichtsrat niederlegen, soweit die Niederlegung nicht zur Unzeit erfolgt. Gleiches gilt auch für den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden. Der Aufsichtsrat kann den Aufsichtsratsvorsitzenden oder den Stellvertreter jederzeit abberufen, sofern nicht nach der Satzung oder der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates ein wichtiger Grund für die Abberufung gegeben sein muss5. Für den Widerrufsbeschluss bedarf es derselben Stimmenmehrheit wie für die ursprüngliche Wahl; d.h., im paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat ist spiegelbildlich das Verfahren nach § 27 Abs. 1 oder nach Abs. 2 MitbestG durchzuführen6, je nachdem, ob der Betreffende mit Zweidrittelmehrheit des gesamten Aufsichtsrates oder nur mit der einfachen Mehrheit der maßgeblichen Aufsichtsratsbank gewählt worden war. Im paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat hat die vorzeitige Vakanz im Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden oder des Stellvertreters auf den Bestand des jeweils anderen Amtes entgegen der so genannten TandemTheorie7 keine Auswirkung8. Allerdings ist unverzüglich eine Nachwahl für die restliche Amtsperiode des Aufsichtsrates durchzuführen, um die entstandene Vakanz zu beenden. Für die Nachwahl gelten die Regelungen von § 27 Abs. 1 und 2 MitbestG, d.h., es ist zunächst der Versuch einer Wahl mit Zwei-Drittel-Mehrheit zu unternehmen9. 6. Informationspflichten der Gesellschaft 23
Nach § 107 Abs. 1 Satz 2 AktG ist der Vorstand verpflichtet, zum Handelsregister anzumelden, wer zum Aufsichtsratsvorsitzenden und zum Stellvertreter gewählt worden ist. Die Anmeldung dient nur der Unterrichtung des Handelsregisters10. Für die Anmeldung genügt deshalb die Schriftform durch Unterzeichnung der Anmeldung durch den Vorstand in vertretungsberechtigter Zahl11. Es bedarf weder der Einrei1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 15; Hüffer, § 107 AktG Rz. 4; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 662. 2 Hüffer, § 107 AktG Rz. 4; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 24. 3 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 663; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 25. 4 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 672; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 27 MitbestG Rz. 16; Raiser, § 27 MitbestG Rz. 16. 5 Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 139; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 664; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 30. 6 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 27 MitbestG Rz. 19; Raiser, § 27 MitbestG Rz. 17; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 27 MitbestG Rz. 13; a.A. – einfache Mehrheit genügt – Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 139; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 27 MitbestG Rz. 23; siehe auch Paefgen, Struktur, S. 276 ff. 7 Vgl. dazu Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, 2. Aufl. 1978, § 27 MitbestG Rz. 16. 8 Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 137; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 27 MitbestG Rz. 17; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 17; E. Vetter, Beiträge, S. 110 ff. 9 Raiser, § 27 MitbestG Rz. 22; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 27 MitbestG Rz. 11; Gach in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 27 MitbestG Rz. 13. 10 Unscharf Hüffer, § 107 AktG Rz. 3: „deklaratorische Bedeutung“. 11 Hüffer, § 107 AktG Rz. 8; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 21.
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§ 27
Innere Ordnung des Aufsichtsrates
chung des Aufsichtsratsbeschlusses noch der Unterschrift des Aufsichtsratsvorsitzenden. Im Interesse der Publizität der wesentlichen Verhältnisse der Gesellschaft verlangt § 80 Abs. 1 Satz 1 AktG, dass auf allen Geschäftsbriefen der Gesellschaft neben den Mitgliedern des Vorstandes auch der Vorsitzende des Aufsichtsrates mit seinem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen anzugeben ist. 7. Ehrenvorsitzender Gelegentlich wird von Gesellschaften ein „Ehrenvorsitzender der Gesellschaft“ oder ein „Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrates“ ernannt1. Hierbei handelt es sich um einen Titel, der als Ehrung an herausragende Personen verliehen wird, die sich besondere Verdienste um die Gesellschaft erworben haben (z.B. langjährige Aufsichtsratsvorsitzende). Das AktG enthält zur Verleihung einer solchen Ehrung keine Regelung.
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Die Ernennung, die in der Praxis entweder von der Hauptversammlung oder vom Aufsichtsrat ausgesprochen wird, ist zulässig, soweit sie lediglich eine Ehrung der betreffenden Person darstellt. Der Ehrenvorsitzende hat keine korporationsrechtlichen Befugnisse, insbesondere kann ihm kein generelles Teilnahmerecht eingeräumt werden2.
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IV. Arbeitsweise des Aufsichtsrates 1. Sitzungen des Aufsichtsrates a) Bedeutung Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die direkte Aussprache, Beratung und Meinungsbildung unter den Aufsichtsratsmitgliedern und die Willensbildung des Aufsichtsrates ungeachtet der Möglichkeiten, die die moderne Kommunikationstechnik bietet, im Regelfall in Sitzungen unter körperlicher Anwesenheit der Aufsichtsratsmitglieder an einem gemeinsamen Ort erfolgen, weil auf diesem Weg die beste Möglichkeit zum direkten persönlichen Kontakt und zum Meinungsaustausch zwischen den Mitgliedern besteht3. Bei der börsennotierten AG bestimmt § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG, dass im schriftlichen Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung die Zahl der stattgefundenen Sitzungen des Aufsichtsrates und seiner Ausschüsse im abgelaufenen Geschäftsjahr anzugeben ist.
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b) Sitzungshäufigkeit In der börsennotierten AG gilt nach § 110 Abs. 3 Satz 1 AktG zwingend eine Mindestzahl von zwei Aufsichtsratssitzungen pro Kalenderhalbjahr (nicht eine pro Quartal). Für die Einhaltung der gesetzlichen Mindestzahl nach § 110 Abs. 3 Satz 1 AktG bedarf es neuerdings nicht zwingend stets einer körperlichen Zusammenkunft der Aufsichtsratsmitglieder, wie der geänderte Wortlaut „abhalten“ statt „zusammentreten“ deutlich macht. Regelfall sollen Präsenzsitzungen sein. Im begründeten Ausnahmefall ist aber auch eine als Video- oder Telefon-Konferenz einberufene Sitzung bei der Ermittlung der Zahl der Pflichtsitzungen nach § 110 Abs. 3 AktG zu berücksich1 Vgl. z.B. Jüngst, BB 1984, 1583; Lutter, ZIP 1994, 645; Siebel in FS Peltzer, 2001, S. 519. 2 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 25; Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 46; a.A. Siebel in FS Peltzer, 2001, S. 519, 533. 3 Vgl. die Regierungsbegründung zum TransPuG, BR-Drucks. 109/02, S. 38; siehe auch Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 57.
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§ 27
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tigen1. Die Missachtung der gesetzlichen Mindestfrequenz bleibt ohne unmittelbare Sanktion und ist auch im Aufsichtsratsbericht nach § 171 Abs. 2 AktG über die bloße Angabe der Zahl der Sitzungen hinaus nicht besonders anzugeben. Die Beschlussfassung des Aufsichtsrates außerhalb einer Sitzung im schriftlichen Verfahren gemäß § 108 Abs. 4 AktG zählt nicht als Pflichtsitzung im Sinne von § 110 Abs. 3 AktG2. 28
Für nichtbörsennotierte Gesellschaften gilt im Grundsatz dieselbe Sitzungsfrequenz. Allerdings kann der Aufsichtsrat mit einfacher Mehrheit beschließen, dass nur eine Sitzung pro Kalenderhalbjahr abgehalten wird (§ 110 Abs. 3 Satz 2 AktG), sofern nicht die Satzung eine entgegenstehende Regelung enthält und nicht aktuelle Entwicklungen die Durchführung zusätzlicher Aufsichtsratssitzungen erfordern. Der Beschluss über ein „opt out“ bedarf keiner alljährlichen Bestätigung.
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Unabhängig von der starren gesetzlichen Vorgabe des § 110 Abs. 3 AktG ist der Vorsitzende des Aufsichtsrates verpflichtet, eine außerordentliche Sitzung einzuberufen, sofern sich aus besonderem Grund eine konkrete Notwendigkeit ergibt3. Dies kann bei einem wichtigen Anlass in Betracht kommen, über den der Vorsitzende des Aufsichtsrates durch den Vorstand gemäß § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG unterrichtet worden ist. Ziff. 5.2 Abs. 3 Deutscher Corporate Governance Kodex enthält die Empfehlung, bei wichtigen Ereignissen, die für die Beurteilung der Lage und Entwicklung der Gesellschaft sowie für die Leitung des Unternehmens von wesentlicher Bedeutung sind, erforderlichenfalls eine Sondersitzung des Aufsichtsrates einzuberufen. c) Einberufung des Aufsichtsrates
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aa) Zuständigkeit. Die Einberufung des Aufsichtsrates ist grundsätzlich Sache des Aufsichtsratsvorsitzenden, der hierüber in eigener Verantwortung unter Berücksichtigung der Unternehmensinteressen entscheidet. Dabei wird er in Abhängigkeit von Art und Bedeutung des Beratungs- oder Beschlussgegenstandes stets auch abzuwägen haben, ob im Einzelfall anstelle einer physischen Zusammenkunft der Aufsichtsratsmitglieder ausnahmsweise nicht ebenso eine Beschlussfassung außerhalb der Sitzung nach § 108 Abs. 3 oder Abs. 4 AktG in Betracht kommt4. Der Aufsichtsratsvorsitzende muss die Einberufung des Aufsichtsrates nicht höchstpersönlich vornehmen, sondern er kann sie auch an den Vorstand delegieren, der dann im Namen des Aufsichtsratsvorsitzenden einlädt5.
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Der Aufsichtsratsvorsitzende hat dafür zu sorgen, dass die nach § 110 Abs. 3 AktG für börsennotierte Gesellschaften vorgeschriebene Sitzungsfrequenz eingehalten wird und kann sich nicht damit entschuldigen, dass er die Sitzung z.B. wegen der Tätigkeit und Zusammenkunft von Aufsichtsratsausschüssen oder mangels konkretem Beratungs- oder Beschlussbedarf im Aufsichtsratsplenum nicht für erforderlich hält6. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist ungeachtet des bestehenden Sitzungsterminplans zur 1 Hüffer, § 110 AktG Rz. 11; Spindler in Spindler/Stilz, § 110 AktG Rz. 48; gegen Telefonkonferenz Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 110 AktG Rz. 59; kritisch auch Ihrig/ Wagner, BB 2002, 789, 794. 2 Götz, NZG 2002, 599, 601; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 110 AktG Rz. 29; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 110 AktG Rz. 44. 3 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 35; Hüffer, § 110 AktG Rz. 10; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 693. 4 Kindl, ZHR 166 (2002), 335, 340; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 51. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 37; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 110 AktG Rz. 39. 6 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 110 AktG Rz. 2; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 110 AktG Rz. 8.
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Einberufung einer Sitzung innerhalb von zwei Wochen verpflichtet, wenn ein Aufsichtsratsmitglied oder der Vorstand die unverzügliche Einberufung des Aufsichtsrates verlangen. Das Verlangen kann formlos sein und muss keinen konkreten Beschlussantrag enthalten. Es genügt, wenn der Beratungsgegenstand und die Gründe für die Einberufung mitgeteilt werden (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AktG)1. Der Aufsichtsratsvorsitzende muss einem ordnungsgemäßen Einberufungsverlangen eines Aufsichtsratsmitglieds oder des Vorstandes unverzüglich nachkommen, auch wenn er selbst die Notwendigkeit der Einberufung nicht für gegeben hält, es sei denn, dass das Verlangen rechtsmissbräuchlich ist2. Für ein ordnungsgemäßes Einberufungsverlangen des Vorstandes ist ein Beschluss des Gesamtvorstandes erforderlich3. Kommt der Aufsichtsratsvorsitzende einem ordnungsgemäßen Einberufungsverlangen nicht nach, hat nicht nur der Vorstand, sondern auch das einzelne Aufsichtsratsmitglied das Recht zur Selbsteinberufung (§ 110 Abs. 2 AktG). Für eine ordnungsgemäße Selbsteinberufung haben das Aufsichtsratsmitglied oder der Vorstand den Aufsichtsrat unverzüglich unter Mitteilung des vergeblichen Einberufungsverlangens und der Angabe des Beratungsgegenstandes sowie unter Beachtung der sonstigen in der Satzung oder Geschäftsordnung festgelegten Regeln einzuberufen4. Bei Einberufung einer Aufsichtsratssitzung ohne Beachtung der in § 110 Abs. 1 und 2 AktG genannten Voraussetzungen können wirksame Beschlüsse nur gefasst werden, wenn alle Aufsichtsratsmitglieder anwesend und mit der Durchführung der Sitzung einverstanden sind5.
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Bis zum Beginn der Aufsichtsratssitzung kann der Aufsichtsratsvorsitzende im Rahmen seiner Befugnisse als Vorsitzender des Gremiums nach pflichtgemäßem Ermessen auch ohne ausdrückliche Regelung in der Satzung oder Aufsichtsratsgeschäftsordnung eine von ihm einberufene Sitzung aufheben oder verlegen. Dies gilt auch für den Fall, dass die Sitzung auf ein Einberufungsverlangen eines Aufsichtsratsmitglieds oder des Vorstandes nach § 110 Abs. 1 Satz 1 AktG zurückgeht6. Allerdings handelt der Aufsichtsratsvorsitzende dabei pflichtwidrig, wenn er nicht zugleich unverzüglich eine neue Sitzung mit einer Einberufungsfrist von zwei Wochen nach § 110 Abs. 1 Satz 2 AktG einberuft7. Ist die Aufsichtsratssitzung nach § 110 Abs. 2 AktG einberufen worden, ist der Aufsichtsratsvorsitzende nicht zur Aufhebung oder zur Verlegung der Sitzung berechtigt8. Zur Vertagung der begonnenen Aufsichtsratssitzung ist der Aufsichtsratsvorsitzende ebenfalls nicht befugt.
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bb) Formalien. Die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates können für die Einberufung einer Aufsichtsratssitzung Formalien aufstellen und z.B. die Einhaltung bestimmter Formen und Fristen festlegen. Die schriftliche Einladung ist gesetzlich
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1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 43; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 110 AktG Rz. 9. 2 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 694; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 110 AktG Rz. 11. 3 Hüffer, § 110 AktG Rz. 6; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 110 AktG Rz. 23. 4 Hüffer, § 110 AktG Rz. 9; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 696. 5 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 110 AktG Rz. 24; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 110 AktG Rz. 21. 6 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 697; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 110 AktG Rz. 12; a.A. Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 45; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 50. 7 Anders Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 697, nach denen die neue Sitzung in jedem Fall binnen zwei Wochen nach dem Einberufungsverlangen stattfinden muss. 8 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 110 AktG Rz. 20; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 110 AktG Rz. 38.
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nicht vorgesehen aber üblich und sollte in der Satzung oder Geschäftsordnung vorgeschrieben werden. In der Praxis hat sich eine Einladungsfrist von zwei Wochen, wie sie auch in § 110 Abs. 1 Satz 2 AktG bestimmt ist, bewährt. Für die Wahrung der Einberufungsfrist ist nicht der Zugang der Einladung im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlich. Maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt, zu dem nach Aufgabe bei der Post der Zugang beim Adressaten normalerweise zu erwarten ist1. Fehlt eine ausdrückliche Regelung, muss die Einberufungsfrist angemessen sein und sollte nicht unter einer Woche liegen2. In jedem Fall dürfte eine Einladungsfrist von zwei Wochen angemessen sein (vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 AktG)3. Eine ausdrückliche Einladung ist auch dann erforderlich, wenn in einer vorangegangenen Aufsichtsratssitzung Termin und Ort der Sitzung bereits bestimmt worden sind. Zulässig ist es, wenn die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates im Ausnahmefall eine Abkürzung der Einladungsfrist durch den Aufsichtsratsvorsitzenden sowie die Einladung per Telefon, Telefax oder E-Mail zulassen, wenn dies wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit erforderlich ist4. 35
Jedes Mitglied des Aufsichtsrates muss zur Sitzung eingeladen werden. In der Einladung sind die Gesellschaft, sowie Ort, Tag und Zeitpunkt der Sitzung bekanntzugeben. Ob die vom Aufsichtsratsvorsitzenden in der Praxis meist in Abstimmung mit dem Vorstand festgelegte Tagesordnung zusammen mit der Einladung mitzuteilen ist und welche Rechtsfolgen sich für die Gültigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen ergeben, wenn die Tagesordnung erst später mitgeteilt wird, ist umstritten5. In jedem Fall muss die Tagesordnung die einzelnen Tagesordnungsgegenstände präzise benennen und so rechtzeitig vor der Sitzung an die Aufsichtsratsmitglieder versandt werden, dass diese sich auf die einzelnen Gegenstände angemessen vorbereiten und über die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit ihres persönlichen Erscheinens in der Sitzung entscheiden können6. Über nicht ordnungsgemäß angekündigte Tagesordnungspunkte darf im Aufsichtsrat zwar beraten aber nicht Beschluss gefasst werden7.
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Die Überlassung der Sitzungsunterlagen muss nicht zwingend bereits mit der Einladung und Tagesordnung erfolgen, sofern nicht in der Satzung oder Geschäftsordnung des Aufsichtsrates etwas anderes bestimmt ist. Jedoch müssen die Unterlagen den Aufsichtsratsmitgliedern so rechtzeitig zugesandt werden, dass ihnen vor der Aufsichtsratssitzung eine angemessene Vorbereitungszeit bleibt und gegebenenfalls auch noch die Möglichkeit besteht, beim Aufsichtsratsvorsitzenden oder dem Vorstand weitere Informationen einzuholen8. Die Mitteilung konkreter Beschlussvor1 Hüffer, § 110 AktG Rz. 3 unter Hinweis auf BGH v. 30.3.1987 – II ZR 180/86, BGHZ 100, 264, 267 und die anerkannten Grundsätze zur Einberufung der Gesellschafterversammlung in der GmbH. 2 Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 110 AktG Rz. 54. 3 Baums, ZGR 1983, 300, 313; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 408; einschränkend Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, S. 128. 4 Happ, Aktienrecht, Form. 9.01 Rz. 13; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 408; Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 65. 5 Vgl. einerseits Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 36; Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 52; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 691; Säcker/Theisen, AG 1980, 29, 33; andererseits Hüffer, § 110 AktG Rz. 4; siehe auch Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 408. 6 Baums, ZGR 1983, 300, 316; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 408; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 110 AktG Rz. 4. 7 Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 25 MitbestG Rz. 160; Paefgen, Struktur, S. 224; Säcker, NJW 1979, 1521, 1522; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 17. 8 Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 140; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 110 AktG Rz. 23; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 110 AktG Rz. 18.
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schläge in der Tagesordnung, wie dies § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG für die Hauptversammlung vorschreibt, ist für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Aufsichtsratsbeschlusses nicht erforderlich1. Andererseits ist der Aufsichtsratsvorsitzende verpflichtet, zur ordnungsgemäßen Sitzungsvorbereitung und zur Ermöglichung von schriftlichen Stimmabgaben (siehe dazu Rz. 69) verhinderter Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 108 Abs. 3 AktG für die möglichst frühzeitige, nicht notwendigerweise zusammen mit der Tagesordnung zu versendende Mitteilung von Beschlussvorschlägen zu sorgen2, da im Regelfall eine schriftliche Stimmabgabe nur auf der Grundlage eines konkreten Beschlussvorschlages vorgenommen werden kann. Er wird deshalb sorgfältig abzuwägen haben, ob er etwa bei einer hoch vertraulichen Angelegenheit auf die vorherige Angabe von Beschlussvorschlägen verzichten will und damit die Erteilung von schriftlichen Stimmabgaben gemäß § 108 Abs. 3 AktG zwangsläufig ausscheidet. Der Aufsichtsratsvorsitzende hat Ergänzungsanträge eines Aufsichtsratsmitglieds oder des Vorstandes zu bereits angekündigten Tagesordnungspunkten zu berücksichtigen und den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern unverzüglich mitzuteilen, sofern noch eine angemessene Vorbereitung möglich ist3. Die Organisation und Vorbereitung von getrennten Gruppen-Vorbesprechungen des Vorstandes mit den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder der Anteilseigner obliegt nicht dem Aufsichtsratsvorsitzenden, sondern sind Sache der beteiligten Aufsichtsratsmitglieder4. Ziff. 3.6 Deutscher Corporate Governance Kodex enthält für Aufsichtsräte von mitbestimmten Gesellschaften die Anregung, jeweils gesonderte Vorbesprechungen zwischen dem Vorstand und den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer wie auch der Anteilseigner durchzuführen. In jedem Fall hat der Vorstand sicherzustellen, dass Informationen, die in Vorbesprechungen einer Gruppe von Aufsichtsratsmitgliedern gegeben werden, auch den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern in der Aufsichtsratssitzung zur Verfügung stehen5.
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d) Sitzungsleitung Die Leitung der Aufsichtsratssitzung obliegt dem Aufsichtsratsvorsitzenden, der dabei auf eine sachgerechte Erledigung der einzelnen Gegenstände der Tagesordnung zu achten hat. Er entscheidet über die Sitzungsteilnahme von nicht dem Aufsichtsrat angehörenden Personen. Er bestimmt die Reihenfolge der Behandlung der Tagesordnung, wobei er von der ursprünglich festgelegten Tagesordnung nach eigenem Ermessen abweichen kann, wenn es ihm zweckmäßig erscheint6. Er legt die Reihenfolge der Redner fest und kann, sofern es im Interesse der sachgerechten Erledigung der Tagesordnung notwendig erscheint, Beschränkungen der Redezeit oder kurzzeitige Sitzungsunterbrechungen anordnen7. Die Vertagung eines Tagesordnungspunktes oder 1 Baums, ZGR 1983, 300, 316; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 41; Hüffer, § 110 AktG Rz. 4; Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 55; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 692; Siebel in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 5 Rz. 42. 2 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 41; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 692; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 110 AktG Rz. 4. 3 Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 410; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 691. 4 Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 142; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 18. 5 Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 28 MitbestG Rz. 8; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 698; kritisch Hoffmann-Becking in FS Havermann, 1995, S. 229, 242. 6 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 704; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 18; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 99 ff. 7 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 53; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 704; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 1038.
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der ganzen Sitzung überschreitet jedoch die Kompetenzen des Aufsichtsratsvorsitzenden und bedarf eines Beschlusses des Aufsichtsrates, sofern er nicht durch die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates zur Vertagung ermächtigt ist. Stehen Beschlüsse des Aufsichtsrates auf der Tagesordnung, obliegt es dem Aufsichtsratsvorsitzenden, für die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens zu sorgen und auf die Stellung von formell und materiell fehlerfreien Anträgen hinzuwirken. In seiner Eigenschaft als Versammlungsleiter entscheidet er auch darüber, ob ein Aufsichtsratsmitglied einem Stimmverbot unterliegt1, bestimmt die Art der Abstimmung und stellt das Beschlussergebnis fest2. Ob der Aufsichtsratsvorsitzende auch eine geheime Abstimmung des Aufsichtsrates anordnen kann, ist im Schrifttum umstritten. Nach richtiger Ansicht ist die geheime Abstimmung jedoch nicht mit der persönlichen Verantwortung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds für die eigene Stimmabgabe zu vereinbaren und deshalb grundsätzlich unzulässig3. Bei Einverständnis aller anwesenden Aufsichtsratsmitglieder ist aber gegen eine geheime Abstimmung nichts einzuwenden. 39
Die Entscheidungen des Aufsichtsratsvorsitzenden im Rahmen der Sitzungsleitung stehen grundsätzlich unter dem Vorbehalt, dass nicht das Aufsichtsratsplenum auf Antrag eines Aufsichtsratsmitglieds eine andere Entscheidung trifft. Spricht jedoch der Aufsichtsratsvorsitzende für ein Aufsichtsratsmitglied ein Stimmverbot aus, handelt es sich um die Beurteilung einer Rechtsfrage, so dass sowohl die Entscheidung des Aufsichtsratsvorsitzenden wie auch ein hierzu ergangener Beschluss des Aufsichtsrates vorläufigen Regelungscharakter haben und im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung korrigiert werden können4. e) Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung
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aa) Mitglieder des Aufsichtsrates. Jedes Mitglied des Aufsichtsrates hat ein grundsätzlich unentziehbares Recht auf Teilnahme an der Sitzung des Aufsichtsrates5. Es ist darüber hinaus kraft seines Amtes auch verpflichtet, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren an den Sitzungen teilzunehmen6. Liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass bei Teilnahme eines Aufsichtsratsmitglieds eine ernsthafte Gefährdung der Interessen der Gesellschaft zu befürchten ist (z.B. Verrat von Betriebsgeheimnissen), kann nicht der Aufsichtsratsvorsitzende allein, wohl aber der Aufsichtsrat durch Beschluss das Aufsichtsratsmitglied, falls mildere Mittel zur Wahrung der Interessen der Gesell1 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 704; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 54. 2 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 54; Mertens, KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 39. 3 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 55; Mertens, ZGR 1983, 189, 206 ff.; a.A. Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 108 AktG Rz. 42; Hüffer, § 108 AktG Rz. 5; Spindler in Spindler/Stilz, § 108 AktG Rz. 18; Kollhosser in FS Hadding, 2004, S. 501, 508; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 720; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 125; Uwe H. Schneider in FS Fischer, 1979, S. 727, 735; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 26. 4 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 54a; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 54. 5 Hüffer, § 109 AktG Rz. 2; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 825; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 109 AktG Rz. 8; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 31; a.A. differenzierend Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 159 ff. 6 Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 7; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 950; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 31; Säcker, NJW 1979, 1521, 1522; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 109 AktG Rz. 7.
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schaft nicht zur Verfügung stehen, von der Anwesenheit in der Sitzung zu den jeweils betroffenen Tagesordnungspunkten ausschließen1. Mit dem Ausschluss des Aufsichtsratsmitglieds von der Sitzung bei einzelnen Tagesordnungspunkten ist nicht zwangsläufig der Verlust der sonstigen Rechte als Organmitglied verbunden. Insbesondere verliert das Mitglied nicht automatisch sein Stimmrecht und kann deshalb bei einer Beschlussfassung seine Stimme durch Stimmboten nach § 108 Abs. 3 Satz 1 AktG abgeben. Ziff 5.4.7 Deutscher Corporate Governance Kodex geht offensichtlich von einer Pflicht zur regelmäßigen Sitzungsteilnahme der Aufsichtsratsmitglieder aus und empfiehlt, im schriftlichen Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung gemäß § 171 Abs. 2 AktG anzugeben, falls ein Aufsichtsratsmitglied in einem Geschäftsjahr an weniger als der Hälfte der Sitzungen des Aufsichtsrates teilgenommen hat. Nach § 108 Abs. 3 Satz 1 AktG gelten Aufsichtsratsmitglieder, die von der schriftlichen Stimmabgabe Gebrauch gemacht haben, als Teilnehmer an der Beschlussfassung. Zur Frage nach der persönlichen Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung lässt sich der Vorschrift keine Anwort entnehmen. Nach dem Sinn und Zweck der Kodex-Regelung, die die Bedeutung der persönlichen Teilnahme und der direkten Diskussion im Aufsichtsrat unterstreicht, ist die Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung im Sinne einer physischen Anwesenheit der Aufsichtsratsmitglieder zu verstehen2, so dass im Bericht nach § 171 Abs. 2 AktG die Nichtanwesenheit eines Aufsichtsratsmitglieds an mehr als der Hälfte der Sitzungen auch dann anzugeben ist, wenn es sich an den Beschlussfassungen durch schriftliche Stimmabgabe beteiligt hat. Nicht anzugeben sind hingegen Aufsichtsratsmitglieder, die telefonisch oder mittels Videoübertragung an der Sitzung teilnehmen, da Ziff. 5.4.7 Deutscher Corporate Governance Kodex im Licht von § 110 Abs. 3 AktG verstanden werden muss, der diese Form der Sitzung der Präsenzsitzung gleichsetzt3.
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Wird durch ein Aufsichtsratsmitglied der Sitzungsablauf gestört, so kann der Aufsichtsratsvorsitzende als Sitzungsleiter das Mitglied nach vorheriger Abmahnung als ultima ratio von der Sitzung ausschließen4. Gegen diese Maßnahme kann der Aufsichtsrat angerufen werden. Auch im Fall des Saalverweises ist das Aufsichtsratsmitglied zur Ausübung seines Stimmrechts nach § 108 Abs. 3 Satz 1 AktG berechtigt. Werden persönliche Angelegenheiten eines Aufsichtsratsmitglieds behandelt, wie z.B. die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft (§§ 116, 93 AktG), die Zustimmung zur Einräumung eines Kredits (§ 115 AktG), die Zustimmung zu einem Beratungsvertrag (§ 114 AktG) oder zur Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds zum Vorstandsmitglied (§ 105 AktG), so entspricht es allgemeiner Usance, dass das betroffene Aufsichtsratsmitglied nach Darlegung seiner Ansicht im Aufsichtsrat von sich aus auf die Teilnahme an den weiteren Beratungen verzichtet5. Es besteht
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1 Hüffer, § 109 AktG Rz. 2; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 109 AktG Rz. 8; unter Hinweis auf § 103 Abs. 3 AktG enger Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 161 ff. 2 Siehe auch Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 57. 3 Ebenso Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 1109. 4 Behr, AG 281, 284; Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 87; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 699; Säcker, NJW 1979, 1521, 1522. 5 Krebs, Interessenkonflikte, S. 163; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 109 AktG Rz. 8; Säcker in FS Rebmann, 1989, S. 781, 787; für Ausschluss in diesen Fällen Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 25 MitbestG Rz. 19.
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jedoch keine rechtliche Verpflichtung, den Beratungen des Aufsichtsrates fernzubleiben1. 43
Ziff. 5.5.2 Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt, dass Aufsichtsratsmitglieder Interessenkonflikte, insbesondere solche, die auf Grund einer Beratung oder Organfunktion bei Kunden, Lieferanten, Kreditgebern oder sonstigen Geschäftspartnern entstehen können, im Aufsichtsrat offenlegen. Ziff. 5.5.3 Deutscher Corporate Governance Kodex enthält die Empfehlung, im schriftlichen Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung gemäß § 171 Abs. 2 AktG über aufgetretene Interessenkonflikte und deren Behandlung zu informieren2. Die Empfehlung steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Vertraulichkeit des Aufsichtsrates, die durch die ausdrückliche Erwähnung der Verschwiegenheitspflicht in § 116 Satz 2 AktG besonders betont wird. Bei kodexkonformem Verhalten ist damit z.B. im Falle eines Interessenkonfliktes, der sich aus der Behandlung von persönlichen Angelegenheiten eines Aufsichtsratsmitglieds ergibt, im Bericht des Aufsichtsrates auch darzulegen, ob das Aufsichtsratsmitglied an den Beratungen des Aufsichtsrates und einer eventuellen Abstimmung teilgenommen hat oder nicht. Hat das betreffende Aufsichtsratsmitglied an den Beratungen und der Abstimmung des Aufsichtsrates nicht teilgenommen, ist die Unterrichtung der Hauptversammlung über den aufgetretenen Interessenkonflikt in allgemeiner und anonymisierter Form ausreichend3.
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bb) Vorstand. Der Vorstand hat kein gesetzliches Recht auf Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung4. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 109 Abs. 1 Satz 1 AktG. Die Regelung hat im Hinblick auf die Vertraulichkeit der Sitzungen des Aufsichtsrates nur klarstellenden Charakter5. Dem Aufsichtsrat steht es frei, den Vorstand insgesamt oder einzelne Vorstandsmitglieder zu seinen Sitzungen oder auch nur zu einzelnen Tagesordnungspunkten zuzulassen oder ihnen die Teilnahme ohne Angabe von Gründen zu verweigern. Die Entscheidung über die Teilnahme trifft in der Regel der Vorsitzende des Aufsichtsrates als Sitzungsleiter6; sie kann aber auch durch Beschluss des Aufsichtsrates getroffen werden. Auf Verlangen des Aufsichtsrates sind die Mitglieder des Vorstandes zur Teilnahme an den Aufsichtsratssitzungen verpflichtet7. Zulässig sind auch Satzungsbestimmungen, die den Vorstand verpflichten, an den Sitzungen auf Einladung des Aufsichtsrates teilzunehmen8.
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cc) Dritte. § 109 Abs. 1 Satz 1 AktG unterstreicht die Vertraulichkeit der Verhandlungen des Aufsichtsrates, indem er deutlich macht, dass außer den Mitgliedern des Aufsichtsrates und des Vorstandes dritte Personen an der Aufsichtsratssitzung nicht teilnehmen sollen. Eine Teilnahme von Sachverständigen und Auskunftspersonen kommt nach § 109 Abs. 1 Satz 2 AktG nur im Ausnahmefall zu einzelnen Tagesordnungspunkten in 1 Dreher, JZ 1990, 896, 901; Krebs, Interessenkonflikte, S. 163; Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 12 Rz. 164; weitergehend Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 697; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605. 2 Kritisch gegenüber der Berichtspflicht z.B. Peltzer, Deutsche Corporate Governance, Rz. 318. 3 Ebenso Lutter, AG 2008, 1, 8; Peltzer, Deutsche Corporate Governance, S. 180. 4 Hüffer, § 109 AktG Rz. 3; Kindl, Die Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 8; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 701; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 31; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 109 AktG Rz. 11; E. Vetter, VersR 2002, 951. 5 Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 8; E. Vetter, VersR 2002, 951. 6 Vgl. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 701; Uwe H. Schneider, ZIP 2002, 873, 876; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 109 AktG Rz. 13. 7 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 49; Hüffer, § 109 AktG Rz. 3; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 701. 8 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 109 AktG Rz. 11; Uwe H. Schneider, ZIP 2002, 873, 874; E. Vetter, VersR 2002, 951.
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Innere Ordnung des Aufsichtsrates
Betracht. Die Entscheidung über die Teilnahme steht dem Aufsichtsratsvorsitzenden als Sitzungsleiter zu, sofern nicht der Aufsichtsrat hierüber auf Antrag eines Mitglieds einen Beschluss fasst1. Weder für die nach § 101 Abs. 3 Satz 2 AktG bestellten Ersatzmitglieder2 noch für künftige Aufsichtsratsmitglieder besteht ein besonderes Teilnahmerecht, selbst wenn hierfür im Einzelfall gute Gründe bestehen mögen3. Der Abschlussprüfer hat kein Teilnahmerecht, wohl aber trifft ihn gemäß § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG die Pflicht zur Teilnahme an der so genannten Bilanzsitzung des Aufsichtsrates oder der Sitzung eines Ausschusses, in der der Jahresabschluss, Lagebericht und der Gewinnverwendungsvorschlag beraten werden, sofern nicht der Aufsichtsrat auf die Teilnahme des Abschlussprüfers verzichtet, was jedoch pflichtwidrig ist4. Die Hinzuziehung von Hilfskräften des Aufsichtsratsvorsitzenden zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufsichtsratssitzung liegt in Rahmen seiner Entscheidungsbefugnis als Sitzungsleiter, sofern nicht der Aufsichtsrat selbst eine Entscheidung trifft5. Hierzu zählen z.B. der Protokollführer6 oder Dolmetscher7 bei Teilnahme von ausländischen Aufsichtsratsmitgliedern, die den Verhandlungen in deutscher Sprache nicht ausreichend folgen können. dd) Beauftragte an Stelle von verhinderten Aufsichtsratsmitgliedern. Nach § 109 Abs. 3 AktG kann die Satzung vorsehen, dass an den Sitzungen des Aufsichtsrates und seiner Ausschüsse Personen, die dem Aufsichtsrat nicht angehören, an Stelle von verhinderten Aufsichtsratsmitgliedern teilnehmen können. Erforderlich ist eine Ermächtigung des verhinderten Aufsichtsratsmitglieds in Textform8. Gemäß § 126b BGB ist dazu eine Ermächtigung durch Telefax oder E-Mail ausreichend9. Dem beauftragten Dritten steht kein eigenes Rede- oder Antragsrecht zu10. Er tritt in der Sitzung vielmehr als Bote des verhinderten Aufsichtsratsmitglieds (§ 108 Abs. 3 Satz 3 AktG)11 auf und darf nur die von diesem schriftlich vorformulierten Erklärungen und Anträge vortragen, bzw. dessen schriftliche Stimmabgabe nach § 108 Abs. 3 AktG überreichen12.
1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 47; Hüffer, § 109 AktG Rz. 5; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 702. 2 Hüffer, § 109 AktG Rz. 4; Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 46; Lutter, ZIP 1984, 645, 652; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 109 AktG Rz. 15. 3 Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 46; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 109 AktG Rz. 15; a.A. Janberg/Oesterlink, AG 1960, 240, 242. 4 Deilmann in FS Sandrock, 2000, S. 165, 176; Hüffer, § 171 AktG Rz. 11a; Schulze-Osterloh, ZIP 1998, 2129, 2133; a.A. Gelhausen, AG 1997 Sonderheft, 73, 78. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 51; Hüffer, § 109 AktG Rz. 5; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 702. 6 Vgl. Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 46 ff.; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 1967. 7 Dreher in FS Lutter, 2000, S. 357, 368; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 109 AktG Rz. 21. 8 Lutter in FS Duden, 1977, S. 269, 274; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 109 AktG Rz. 26; Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 26; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 109 AktG Rz. 37. 9 Hüffer, § 109 AktG Rz. 7; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 700. 10 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 109 AktG Rz. 87; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 109 AktG Rz. 25; Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 27. 11 Hüffer, § 109 AktG Rz. 7; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 109 AktG Rz. 38. 12 Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 27; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 700.
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2. Beschlüsse des Aufsichtsrates a) Allgemeines 47
Die Willensbildung des Aufsichtsrates als Gremium erfolgt nach § 108 Abs. 1 AktG durch Beschluss, der stets auf Grund der Beratungen und Verhandlungen seiner Mitglieder durch Abstimmung über einen ihnen vorliegenden Beschlussvorschlag herbeizuführen ist. Der Beschluss muss ausdrücklich gefasst werden1. Der Beschluss ist infolge der Beteiligung einer Mehrzahl von Aufsichtsratsmitgliedern ein mehrseitiges Rechtsgeschäft eigener Art2, dessen Inhalt aber nach den allgemeinen Regeln auslegungsfähig ist3. b) Beschlussfähigkeit
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aa) Gesetzliche Voraussetzungen. Eine Beschlussfassung ist nur möglich, wenn der Aufsichtsrat handlungsfähig, d.h., beschlussfähig ist. Dies setzt die Beteiligung einer bestimmten Mindestzahl von Aufsichtsratsmitgliedern voraus. Vorbehaltlich satzungsautonomer Regelungen der Beschlussfähigkeit verlangt § 108 Abs. 2 Satz 2 AktG, dass mindestens die Hälfte der Mitglieder, aus denen der Aufsichtsrat nach Gesetz oder Satzung besteht (Sollstärke), an der Beschlussfassung teilnimmt. Als Teilnahme an der Beschlussfassung im Sinne von § 108 Abs. 2 AktG zählen nicht nur die abgegebenen Ja- und Neinstimmen, sondern auch die Stimmenthaltungen4. Bei der Ermittlung der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrates sind schriftliche Stimmabgaben durch Stimmboten nach § 108 Abs. 3 AktG5 und fernmündliche Stimmabgaben ebenso zu berücksichtigen wie diejenigen, die im Rahmen einer Video-Konferenz oder durch Zuschaltung eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds per Video-Technik abgegeben werden6. Auf die Wirksamkeit der einzelnen Stimmabgabe kommt es bei der Ermittlung der Beschlussfähigkeit nicht an7.
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bb) Satzungsgestaltung. Das AktG lässt für den nicht paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat sowohl die Verschärfung als auch die Herabsetzung der in § 108 Abs. 2 AktG niedergelegten Beschlussfähigkeitsvoraussetzungen zu. Die Satzung kann die Teilnahme einer bestimmten Anzahl, der Mehrheit oder sogar aller Aufsichtsratsmitglieder verlangen, wobei die Regelung deutlich machen muss, ob sie sich auf die tatsächlich vorhandene oder die nach Gesetz oder Satzung erforderliche Mitgliederzahl bezieht8. Eine Regelung, die die Teilnahme aller nach Gesetz oder Satzung erforderlichen Mitglieder verlangt, ist aller1 BGH v. 11.7.1953 – II ZR 126/52, BGHZ 10, 187, 194; BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 286; BGH v. 19.12.1988 – II ZR 74/88, AG 1989, 129, 130; BGH v. 27.5.1991 – II ZR 87/90, AG 1991, 398, 653; Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 41; Baums, ZGR 1983, 300, 336; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 20. 2 Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, S. 61; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 6; vgl. auch Wiedemann, GesR I, S. 179. 3 BGH v. 19.12.1988 – II ZR 74/88, AG 1989, 129, 130; OLG Schleswig v. 16.11.2000 – 5 U 66/99 – „BE-KA Bau“, AG 2001, 651, 653; Baums, ZGR 1983, 300, 337; Hüffer, § 108 AktG Rz. 4; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 13. 4 BGH v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, AG 2007, 484, 485; OLG Karlsruhe v. 20.6.1980 – 15 U 171/79 – „Bilfinger und Berger“, AG 1981, 102, 103; Hüffer, § 108 AktG Rz. 10; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 57; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 108 AktG Rz. 36. 5 Hüffer, § 108 AktG Rz. 11; Lutter in FS Duden, 1977, S. 269, 285; Raiser, § 28 MitbestG Rz. 1; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 28 MitbestG Rz. 2. 6 Hoffmann-Becking in Liber Amicorum Happ, 2006, S. 81, 87; Wagner, NZG 2002, 57, 59. 7 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 57; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 108 AktG Rz. 35. 8 Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 108 AktG Rz. 54.
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dings nicht mit § 108 Abs. 2 Satz 4 AktG vereinbar und unzulässig, da sie die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrates gefährdet, indem sie de facto dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied ein Vetorecht gegen Beschlüsse des Aufsichtsrates einräumt1. Genügt für die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrates nach der Satzung die Teilnahme von weniger als der Hälfte der Mitglieder, müssen in jedem Fall mindestens drei Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen (§ 108 Abs. 2 Satz 3 AktG)2. Bei der Bestimmung der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrates durch die Satzung muss der Grundsatz der gleichen Rechtsstellung aller Aufsichtsratsmitglieder gewahrt werden, d.h., dass Satzungsregelungen, die für die Beschlussfähigkeit z.B. die Teilnahme des Aufsichtsratsvorsitzenden oder bestimmter anderer Aufsichtsratsmitglieder verlangen, unzulässig sind, da anderenfalls diesen Aufsichtsratmitgliedern de facto ein Vetorecht gegen Beschlüsse des Aufsichtsrates eingeräumt werden würde3. Ist der Aufsichtsrat unvollständig besetzt, berührt das, solange die Mindestzahl von drei Mitgliedern erreicht wird, die Beschlussfähigkeit grundsätzlich nicht, auch wenn hierdurch das für seine Zusammensetzung maßgebende gesetzliche zahlenmäßige Verhältnis zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer nicht mehr gewahrt ist (§ 108 Abs. 2 Satz 4 AktG, § 28 Satz 2 MitbestG, § 10 Satz 2 MontanMitbestG, § 11 Satz 2 MitbestErgG)4. Hiervon kann auch durch die Satzung nicht abgewichen werden5. Für den paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat gilt für die Beschlussfähigkeit § 28 MitbestG, der zwingend die Teilnahme von mindestens der Hälfte der Mitglieder verlangt, aus denen der Aufsichtsrat zu bestehen hat (Sollstärke) und damit keine Satzungsregelung zulässt, die geringere Voraussetzungen für die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrates vorsieht. Ob § 28 MitbestG generell zwingender Natur ist und damit auch Verschärfungen der Beschlussfähigkeit verbietet, ist umstritten6 und bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden7. In jedem Fall sind Satzungsregelungen unwirksam, die gegen den Grundsatz der gleichen Rechtsstellung aller Aufsichtsratsmitglieder verstoßen. Dies ist z.B. bei einer Satzungsbestimmung der Fall, die für die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrates verlangt, dass mindestens die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner anwesend ist und sich unter ihnen der Aufsichtsratsvorsitzende befindet8. 1 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 62; a.A. Hüffer, § 108 AktG Rz. 10; missverständlich Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 56. 2 LG Düsseldorf v. 13.8.1998 – 31 O 104/97 – „Nordhäuser Tabakfabriken AG/AHAG“, AG 1999, 134, 135; LG Karlsruhe v. 5.5.1993 – O 177/92 KfH III, AG 1994, 87. 3 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 56; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 718; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 108 AktG Rz. 38. 4 Hüffer, § 108 AktG Rz. 11; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 65. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 56; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 717. 6 Für zweiseitig zwingenden Charakter z.B. OLG Karlsruhe v. 20.6.1980 – 15 U 171/79 – „Bilfinger und Berger“, AG 1981, 102, 105; LG Hamburg v. 17.3.1980 – 64 T 22/79 – „HamburgMannheimer Versicherung“, AG 1981, 106; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 28 MitbestG Rz. 11; Martens, ZGR 1983, 237, 255; Raiser, § 28 MitbestG Rz. 3; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 28 MitbestG Rz. 4; E. Vetter, Beiträge, S. 127 ff.; a.A. OLG Hamburg v. 4.4.1984 – 2 W 25/80 – „Hamburg-Mannheimer Versicherung“, AG 1984, 246; LG Frankfurt v. 3.10.1978 – 3/11 T 32/78 – „Dresdner Bank“, AG 1978, 319; Heinsius, AG 1977, 281, 282; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 59; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 28 MitbestG Rz. 2; Paefgen, Struktur, S. 154 ff. 7 Offengelassen in BGH v. 25.2.1982 – II ZR 145/80 – „Bilfinger und Berger“, BGHZ 83, 151, 153. 8 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 145/80 – „Bilfinger und Berger“, BGHZ 83, 151, 154; LG Hamburg v. 17.3.1980 – 64 T 22/79 – „Hamburg-Mannheimer Versicherung“, AG 1981, 106; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 718; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 28 MitbestG Rz. 9; Raiser, § 28 MitbestG Rz. 3.
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c) Vertagung der Beschlussfassung 51
Der Vorsitzende des Aufsichtsrates ist berechtigt, eine von ihm selbst einberufene Aufsichtsratssitzung vor deren Beginn aufzuheben oder zu verlegen1. Nach Beginn der Sitzung kommt nur noch eine Vertagung der Sitzung oder eines einzelnen Tagesordnungspunktes in Betracht. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates hat jedoch kein Recht zur Vertagung, sondern bedarf hierzu einer ausdrücklichen Ermächtigung durch die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates2. Der Aufsichtsrat kann allerdings in jedem Fall die Vertagungsentscheidung des Aufsichtsratsvorsitzenden durch Mehrheitsbeschluss wieder aufheben3.
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Bei Gesellschaften, für die das MitbestG gilt, müssen Vertagungsklauseln die zwingende Regelung von § 28 MitbestG beachten. Deshalb sind Regelungen in der Satzung oder Geschäftsordnung des Aufsichtsrates, die die zwingende Vertagung der Beschlussfassung anordnen, wenn die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner und der Arbeitnehmer nicht in gleicher Anzahl an der Sitzung teilnehmen oder der Aufsichtsratsvorsitzende bei der Beschlussfassung fehlt, mit dem Grundsatz der gleichen Rechtsstellung aller Aufsichtsratsmitglieder unvereinbar und unzulässig4. Wirksam sind jedoch Klauseln, die eine Vertagung der Beschlussfassung bei Fehlen des Aufsichtsratsvorsitzenden5 oder bei einer ungleichen Präsenz der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner oder der Arbeitnehmer6 auf Antrag zulassen. Dabei ist jedoch nur eine einmalige Vertagung zulässig7. d) Formen der Beschlussfassung
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aa) Beschlussfassung in Präsenzsitzungen. Die Beschlüsse des Aufsichtsrates werden grundsätzlich in Sitzungen gefasst. Die Beschlussfassung erfolgt durch Abstimmung über einen zu dem jeweiligen Tagesordnungspunkt unterbreiteten Beschlussantrag. Jedes Aufsichtsratsmitglied hat das unentziehbare Recht, einen Beschlussantrag zu stellen und darüber eine Abstimmung zu verlangen8. Über Sachanträge zu in der Tagesordnung nicht angekündigten Beratungsgegenständen kann der Aufsichtsrat nur dann Beschluss fassen, wenn in der Sitzung kein anwesendes Aufsichtsratsmitglied diesem Verfahren widerspricht und auch die fehlenden Aufsichtsratsmitglieder innerhalb einer
1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 45; Semler in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 4 Rz. 73. 2 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 722; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 66; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 28 MitbestG Rz. 10; Raiser, § 28 MitbestG Rz. 4. 3 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 81; Paefgen, Struktur, S. 205. 4 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 28 MitbestG Rz. 3. 5 LG Hamburg v. 29.6.1979 – 64 T 3/79 – „Hapag Lloyd“, AG 1979, 345; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 28 MitbestG Rz. 3; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 28 MitbestG Rz. 7; E. Vetter, Beiträge, S. 147; a.A. Wlotzke/Wißmann/Koberski/ Kleinsorge, § 28 MitbestG Rz. 7; Raiser, § 28 MitbestG Rz. 4. 6 LG Hamburg v. 29.6.1979 – 64 T 3/79 – „Hapag Lloyd“, AG 1979, 345; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 28 MitbestG Rz. 3; Raiser, § 28 MitbestG Rz. 4; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 28 MitbestG Rz. 7; Werner, AG 1979, 330, 333; a.A. Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 28 MitbestG Rz. 7; Paefgen, Struktur, S. 203. 7 Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 416; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 28 MitbestG Rz. 10; Raiser, § 28 MitbestG Rz. 4; Werner, AG 1979, 330, 333. 8 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 719; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 17; Säcker, NJW 1979, 1521, 1522.
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bestimmten angemessenen Frist keinen Widerspruch einlegen und darüber hinaus Gelegenheit erhalten, binnen dieser Frist nachträglich ihre Stimme abzugeben1. bb) Beschlussfassung nach § 108 Abs. 4 AktG. Der Aufsichtsrat kann nach § 108 Abs. 4 AktG seine Beschlüsse ohne die Durchführung einer Sitzung im schriftlichen Verfahren, auf fernmündlichem Weg oder auch mittels anderer vergleichbarer Kommunikationsformen, z.B. Telefon- oder Video-Konferenzen herbeiführen. Alle Formen der Beschlussfassung außerhalb der Präsenzsitzung sind deshalb nur zulässig, wenn kein Mitglied des Aufsichtsrates dem Verfahren widerspricht. Die Satzung oder die Aufsichtsratsgeschäftsordnung können nach § 108 Abs. 4 AktG das Widerspruchsrecht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds jedoch ausschließen oder modifizieren und generell bestimmte alternative Beschlussformen ohne Aufsichtsratssitzung, wozu auch Telefonund Video-Konferenzen zählen, zulassen. Der Ausschluss des Widerspruchsrechts des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds ist im Interesse einer größeren Flexibilität des Aufsichtsrates anzuraten2. Die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates können die Zulässigkeitsvoraussetzungen für alternative Formen der Beschlussfassung auch modifizieren und z.B. den Widerspruch von zwei Aufsichtsratsmitgliedern oder einem Drittel der Mitglieder verlangen. Zulässig ist auch, bestimmte alternative Formen der Beschlussfassung völlig zu untersagen3. Für die Bilanzsitzung des Aufsichtsrates ist wegen der in § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG ausdrücklich angeordneten Teilnahme- und Berichtspflicht des Abschlussprüfers stets eine echte Präsenzsitzung zu verlangen4. Dies schließt die Hinzuschaltung einzelner Aufsichtsratsmitglieder durch moderne Kommunikationsmittel nicht aus5.
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Bei Beschlüssen im schriftlichen Verfahren leitet der Aufsichtsratsvorsitzende allen Aufsichtsratsmitgliedern den präzise formulierten Beschlussantrag einschließlich der im Regelfall notwendigen zusätzlichen Erläuterungen mit Angabe der Antwortfrist für die Stimmabgabe oder den Widerspruch gegen die Form der Beschlussfassung zu, falls das Recht zum Widerspruch nicht durch Satzung oder Geschäftsordnung ausgeschlossen ist. Die Reaktionsfrist muss angemessen sein, kann aber durchaus kürzer als die allgemeine Frist zur Einberufung einer Aufsichtsratssitzung sein6. Stimmabgabe per Telefax ist zulässig, auch wenn dies im Gesetz nicht erwähnt ist7. Gleiches gilt für die Abstimmung per e-mail, wenn die Identität des Absenders z.B. durch eine elektronische Signatur gesichert ist8. Bei der Ermittlung der Beschlussfähigkeit sind Ja- und Nein-Stimmen sowie Enthaltungen nach den allgemeinen Regeln als Teilnahme an der Beschlussfassung zu berücksichtigen. Das Schweigen einzelner Aufsichtsratsmitglieder bleibt bei der Ermittlung der Beschlussfähigkeit außer Be-
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1 Baums, ZGR 1983, 300, 316; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 40; Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 63; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 110 AktG Rz. 21; a.A. Hüffer, § 110 AktG Rz. 4. 2 Vgl. Kindl, ZHR 166 (2002), 335, 338. 3 Hüffer, § 108 AktG Rz. 16; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 726; einschränkend Kindl, ZHR 166 (2002), 335, 345. 4 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 110 AktG Rz. 71; Neuling, AG 2002, 610, 613; a.A. Spindler in Spindler/Stilz, § 108 AktG Rz. 58; vgl. auch Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 110 AktG Rz. 45. 5 A.A. Neuling, AG 2002, 610, 613. 6 Hoffmann-Becking in Liber Amicorum Happ, 2006, S. 81, 82; a.A. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 726. 7 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 91; Hüffer, § 108 AktG Rz. 16; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 726. 8 Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 422; Spindler in Spindler/Stilz, § 108 AktG Rz. 56.
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tracht und kann insbesondere nicht als Widerspruch gewertet werden1. Bis zur Feststellung des Beschlussergebnisses durch den Aufsichtsratsvorsitzenden sind alle Stimmen zu berücksichtigen, auch wenn sie erst nach Fristablauf eingehen2. 56
cc) Kombinierte Beschlussfassung. Keine grundsätzlichen Bedenken bestehen gegen eine Kombination der Beschlussfassung des Aufsichtsrates unter Teilnahme einiger Aufsichtsratsmitglieder in der Sitzung und der Beteiligung der übrigen abwesenden Mitglieder durch nachträgliche schriftliche Stimmabgabe innerhalb einer zuvor vom Aufsichtsratsvorsitzenden festgelegten angemessenen Frist3. Ein solches Vorgehen kann aus Gründen der Verfahrensökonomie im Einzelfall durchaus angemessen sein, wenn andernfalls eine Beschlussfassung in der Aufsichtsratssitzung mangels Beschlussfähigkeit scheitern würde4. Erforderlich ist auch bei dieser Mischform, die im Gesetz nicht besonders erwähnt ist, die Zustimmung sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder oder die ausdrückliche Zulassung der kombinierten oder gemischten Beschlussfassung nach § 108 Abs. 4 AktG durch die Satzung oder Geschäftsordnung des Aufsichtsrates, wodurch auch das sonst bestehende Widerspruchsrecht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gegen diese Form der Beschlussfassung ausgeschlossen werden kann5. e) Beschlussverfahren
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aa) Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen. Ist ein Antrag zur Abstimmung gestellt worden, so erfolgt die Entscheidung des Aufsichtsrates, sofern Gesetz oder Satzung nichts Gegenteiliges vorsehen, mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Dazu genügt es, wenn die Zahl der abgegebenen gültigen Ja-Stimmen die Zahl der NeinStimmen übersteigt. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt. Anders als bei der Ermittlung der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrates werden Stimmenthaltungen nicht mitgezählt, auch nicht als Nein-Stimmen6, es sei denn, dass die Satzung etwas anderes bestimmt7.
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Die Satzung kann für Gesellschaften, die nicht paritätisch mitbestimmt sind, für Beschlüsse des Aufsichtsrates in Angelegenheiten, die ihm kraft Gesetzes zugewiesen sind, keine größere Mehrheit als die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen vorsehen, da die Beschlussfassung des Aufsichtsrates nicht erschwert werden darf, wenn er in Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben eine Entscheidung treffen muss8. Soweit es aber Aufgaben sind, die ihm durch die Satzung übertragen werden (z.B. Be-
1 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 32; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 108 AktG Rz. 37. 2 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 33; a.A. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 726. 3 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 88; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 727; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 19; Skepsis bei Hüffer, § 108 AktG Rz. 16. 4 Vgl. Kindl, ZHR 166 (2002), 335, 343; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 108 AktG Rz. 205. 5 Kindl, ZHR 166 (2002), 335, 342; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 727; vgl. auch Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 108 AktG Rz. 71. 6 BGH v. 25.1.1982 – II ZR 164/81, BGHZ 83, 35, 36; Hüffer, § 108 AktG Rz. 6; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 43. 7 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 732; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 44; Raiser, § 29 MitbestG Rz. 6; a.A. Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 29 MitbestG Rz. 6. 8 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 65; Hüffer, § 108 AktG Rz. 8; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 730.
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schlüsse nach §§ 111 Abs. 4 Satz 21, 179 Abs. 1 Satz 2, 202 Abs. 3 Satz 2, 204 Abs. 1 Satz 2, 205 Abs. 2 Satz 2 AktG oder über die Einsetzung von Aufsichtsratsausschüssen) kann die Satzung – nicht aber die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates2 – auch eine größere Stimmenmehrheit festlegen, als das Gesetz verlangt (z.B. 2/3 oder 3/4-Mehrheit der abgegebenen Stimmen)3. Im Bereich der paritätischen Mitbestimmung ist das Prinzip der einfachen Stimmenmehrheit abgesehen von gesetzlichen Sonderregelungen zwingend und kann durch die Satzung nicht verschärft werden4. Grundsätzlich haben bei der Auszählung alle Stimmen gleiches Gewicht. Die Satzung – nicht aber die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates5 – kann allerdings für den Aufsichtsratsvorsitzenden (oder im Verhinderungsfall für seinen Stellvertreter) bei Stimmengleichstand das Recht zum Stichentscheid vorsehen6. Die Einräumung eines Vetorechts des Aufsichtsratsvorsitzenden gegen einen Beschluss des Aufsichtsrates ist jedoch unzulässig7. Nach Durchführung der Abstimmung stellt der Aufsichtsratsvorsitzende das Ergebnis der Beschlussfassung fest und verkündet den Aufsichtsratsbeschluss8. Die Beschlussfeststellung ist jedoch im Unterschied zur Hauptversammlung (§ 130 Abs. 2 AktG) weder Wirksamkeitsvoraussetzung für den Beschluss des Aufsichtsrates, noch kommt ihr konstitutive Wirkung für den Beschlussinhalt zu9. bb) Besondere Verfahrensvoraussetzungen nach MitbestG. Auch im paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat gilt der Grundsatz der Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, sofern nicht für bestimmte Beschlüsse kraft Gesetzes eine größere Mehrheit verlangt wird. Für die Beschlussfassung im paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat sieht § 29 MitbestG ein potentiell mehrstufiges Verfahren vor. Hat eine Abstimmung im Aufsichtsrat zu einem Stimmengleichstand von Jaund Neinstimmen geführt, kann bei Sachentscheidungen wie auch bei Verfahrensfragen10 eine zweite Abstimmung über den identischen Beschlussgegenstand durchgeführt werden, in der dem Aufsichtsratsvorsitzenden gemäß § 29 Abs. 2 MitbestG eine Zweitstimme zusteht. Auf die Ursache des Stimmengleichstandes oder die Zusammensetzung der Ja- und Neinstimmen kommt es nicht an. Die Durchführung einer zweiten Abstimmung ist nicht zwingend und kann auch nicht durch die Satzung oder die Ge-
1 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 108 AktG Rz. 37; a.A. Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 46. 2 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 65; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 730. 3 Hüffer, § 108 AktG Rz. 8; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 730; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 46. 4 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 29 MitbestG Rz. 8; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 29 MitbestG Rz. 3; Raiser, § 29 MitbestG Rz. 7; Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler, MitbestR, § 29 MitbestG Rz. 8. 5 Hüffer, § 108 AktG Rz. 8; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 730; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 45. 6 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 64; Hüffer, § 108 AktG Rz. 8; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 108 AktG Rz. 25. 7 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 145/80 – „Bilfinger und Berger“, BGHZ 83, 151, 156; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 730; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 108 AktG Rz. 25. 8 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 54; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 39; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 1039. 9 Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 115; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 129; a.A. OLG Hamburg v. 6.3.1992 – 11 U 134/91 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, AG 1992, 197, 198; Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 189 ff.; Baums, ZGR 1983, 300, 321. 10 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 75; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 238 ff.; Raiser, § 29 MitbestG Rz. 9; E. Vetter, Beiträge, S. 179 ff. m.w.N.
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schäftsordnung des Aufsichtsrates vorgeschrieben werden1. Allerdings können die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates einer Minderheit (z.B. ein oder zwei Aufsichtsratsmitgliedern) das Recht einräumen, eine zweite Abstimmung zu verlangen2. Fehlt eine solche Regelung, entscheidet der Aufsichtsratsvorsitzende im Rahmen der ihm obliegenden Sitzungsleitung3. Kommt es nicht zu einer zweiten Abstimmung, ist der Beschlussantrag abgelehnt4. Über den Zeitpunkt der zweiten Abstimmung entscheidet der Aufsichtsratsvorsitzende als Sitzungsleiter, sofern nicht der Aufsichtsrat einen Beschluss fasst5. Die zweite Abstimmung kann – gegebenenfalls nach kurzer Unterbrechung – sowohl in derselben Sitzung als auch erst in einer neu anzuberaumenden Aufsichtsratssitzung durchgeführt werden6. Massgebliche Gesichtspunkte für die Terminierung der zweiten Abstimmung sind dabei u.a. die Dringlichkeit der Entscheidung des Aufsichtsrates sowie die Aussichten, die entstandene Kontroverse auf anderem Weg als durch Einsatz der Zweitstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden auflösen zu können. Die Entscheidung über den Einsatz der Zweitstimme steht allein dem Aufsichtsratsvorsitzenden zu, die dieser nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Berücksichtigung des Unternehmensinteresses vorzunehmen hat7. Eine Pflicht zur Abgabe der Zweitstimme besteht ebensowenig8, wie die Stimme des Aufsichtsratsvorsitzenden automatisch doppelt gezählt werden darf9. Selbst ein unterschiedliches Votum zwischen Erst- und Zweitstimme soll nach herrschender Meinung zulässig sein10. Die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates können keine Pflicht des Aufsichtsratsvorsitzenden zur Abgabe der Zweitstimme begründen11. Verzichtet der Aufsichtsratsvorsitzende auf den Gebrauch der Zweitstimme, ist der Beschlussantrag bei einem erneuten Stimmenpatt nach der zweiten Abstimmung endgültig abgelehnt.
1 Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 29 MitbestG Rz. 8; Paefgen, Struktur, S. 245; Raiser, § 29 MitbestG Rz. 14; a.A. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 29 MitbestG Rz. 33. 2 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 78; Säcker, NJW 1979, 1521, 1522; Ulmer/ Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 29 MitbestG Rz. 19; differenzierend Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 29 MitbestG Rz. 15. 3 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 29 MitbestG Rz. 14; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 732. 4 Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 29 MitbestG Rz. 8; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 29 MitbestG Rz. 11; Raiser, § 29 MitbestG Rz. 10. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 78; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 29 MitbestG Rz. 9; E. Vetter, Beiträge, S. 173. 6 Raiser, § 29 MitbestG Rz. 11; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 29 MitbestG Rz. 14; E. Vetter, Beiträge, S. 192. 7 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 79; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 29 MitbestG Rz. 12; Semler in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 4 Rz. 94. 8 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 29 MitbestG Rz. 18; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 29 MitbestG Rz. 33; H.P. Westermann in FS Fischer, 1979, S. 835, 847; a.A. Luther, ZGR 1977, 306, 310. 9 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 732; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 29 MitbestG Rz. 16; E. Vetter, Beiträge, S. 203; a.A. Luther, ZGR 1977, 306, 310; Paefgen, Struktur, S. 262; Schaub, ZGR 1977, 293, 304. 10 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 29 MitbestG Rz. 18; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 29 MitbestG Rz. 16; Raiser, § 29 MitbestG Rz. 12; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 29 MitbestG Rz. 16; H.P. Westermann in FS Fischer, 1979, S. 835, 847; a.A. E. Vetter, Beiträge, S. 202; im Ergebnis auch Paefgen, Struktur, S. 261. 11 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 733; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 29 MitbestG Rz. 16; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 29 MitbestG Rz. 20; a.A. Schaub, ZGR 1977, 293, 304.
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Innere Ordnung des Aufsichtsrates 3. Interessenkollision und Stimmrecht a) Konfliktkonstellationen
Nach der Konzeption des Gesetzes stellt das Amt des Aufsichtsratsmitglieds ein Nebenamt dar, wie sich daraus ergibt, dass das Aufsichtsratsmitglied mehreren gesetzlich zu bildenden Aufsichtsräten angehören darf (§ 100 Abs. 2 Nr. 1 AktG) und regelmäßig nur mit vier ordentlichen Pflichtsitzungen pro Jahr rechnen muss (§ 110 Abs. 3 AktG). Diese Situation bringt es mit sich, dass ein Aufsichtsratsmitglied in einen Interessenkonflikt zwischen seiner Aufgabe als Mitglied des Aufsichtsrates einerseits und seinem Hauptamt oder seinen sonstigen Interessen andererseits geraten kann. So kommen einerseits Interessenkonflikte bei der unmittelbaren Ausübung des Aufsichtsratsamtes in Betracht als auch Konflikte mit der Tätigkeit außerhalb des Aufsichtsrates. Die Aufsichtsratsmitglieder haben bei der Ausübung ihres Aufsichtsratsmandates das Unternehmensinteresse zu wahren (siehe dazu § 29 Rz. 7); dies gilt insbesondere bei der Abstimmung im Aufsichtsrat. Diese materiellrechtliche Verpflichtung reicht jedoch nicht aus, um in allen Situationen mögliche Interessenkonflikte zu beseitigen, vielmehr bedarf es einer zusätzlichen verfahrensmäßigen Absicherung1.
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b) Konfliktauflösung Das AktG enthält keine allgemeinen Regeln für die Lösung von Interessenkonflikten eines Aufsichtsratsmitglieds, sondern sieht nur einige wenige Sondertatbestände für spezielle Konfliktlagen vor. Für die Beschlussfassung im Aufsichtsrat besteht kein generelles Stimmverbot für den Fall von Interessenkonflikten2. Allerdings unterliegt ein Aufsichtsratsmitglied in entsprechender Anwendung der vereinsrechtlichen Vorschrift des § 34 BGB dann einem Stimmverbot, wenn über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit dem Aufsichtsratsmitglied beschlossen oder über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und der Gesellschaft abgestimmt werden soll3. So ist das Aufsichtsratsmitglied z.B. nicht stimmberechtigt, wenn über die Zustimmung zu einem Beratungsvertrag zwischen ihm und der Gesellschaft nach § 114 AktG4 oder über die Zustimmung zu einem ihm von der Gesellschaft zu gewährenden Kredit nach § 115 AktG Beschluss gefasst werden soll5. Ebenso ist ein Stimmverbot beim Beschluss über ein Rechtsgeschäft der Gesellschaft mit einem Geschäftspartner anzunehmen, wenn das Aufsichtsratsmitglied nicht in eigener Person, sondern als gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter (oder Berater) des Geschäftspartners (oder Prozessgegners) betroffen ist6. Besteht jedoch zwischen der Ge1 Anders Behr, AG 1984, 281, 286. 2 Dreher, JZ 1990, 896, 901; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 66; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 728; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605. 3 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 905; Meilicke in FS Schmidt, 1959, S. 71, 85; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 49; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 61; a.A. Behr, AG 1984, 281, 285; Wilhelm, NJW 1983, 912, 913. 4 BGH v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, AG 2007, 484, 485; Dreher, JZ 1990, 896, 897 Fn. 20; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 29 MitbestG Rz. 19; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 904; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 37; E. Vetter, AG 2006, 173, 179; a.A. Behr, AG 1984, 281, 285; MarschBarner in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 12 Rz. 110; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision, S. 334. 5 Dreher, JZ 1990, 896, 897 Fn. 20; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 115 AktG Rz. 5; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 37; a.A. Behr, AG 1984, 281, 285; Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 12 Rz. 112. 6 Dreher, JZ 1990, 896, 902; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 728; Krebs, Interessenkonflikte, S. 141; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605.
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sellschaft und dem Geschäftspartner ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne von § 17 AktG, ist das Stimmverbot wegen des Schutzes der abhängigen Gesellschaft durch die §§ 308 und 311 ff. AktG nicht erforderlich1. 62
Generell unterliegt ein Aufsichtsratsmitglied einem Stimmverbot im Fall des Richtens in eigener Sache2. Dies ist z.B. der Fall, wenn im Aufsichtsrat über den Vorschlag Beschluss gefasst werden soll, dem Aufsichtsratsmitglied durch die Hauptversammlung die Entlastung zu verweigern, es nach § 103 Abs. 1 AktG durch Beschluss der Hauptversammlung oder nach § 103 Abs. 3 AktG durch Gerichtsbeschluss abzuberufen3 oder der Hauptversammlung die Bestellung eines Sonderprüfers wegen eines eventuellen Fehlverhaltens des Aufsichtsratsmitglieds vorzuschlagen. Gleiches gilt bei der Stellungnahme des Aufsichtsrates nach § 142 Abs. 5 Satz 1 AktG zum gerichtlichen Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers wegen behaupteten Fehlverhaltens4. Ein Stimmverbot entsprechend § 34 BGB besteht nach allgemeiner Meinung jedoch dann nicht, wenn der Aufsichtsratsbeschluss als korporationsrechtlicher Sozialakt zu qualifizieren ist5, d.h., wenn es z.B. um die Wahl zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates oder um andere Funktionen im Aufsichtsrat geht6. Auch beim Beschluss über die eigene Bestellung zum Mitglied des Vorstandes ist das Aufsichtsratsmitglied nach herrschender Meinung mangels eines ausdrücklichen gesetzlichen Verbots stimmberechtigt7.
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Eine besondere Konfliktlage besteht für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer im Fall eines Arbeitskampfes, indem sie einerseits den Erwartungen der Belegschaft gerecht werden wollen, andererseits aber zugleich als Organmitglieder die Interessen des Unternehmens bei der Überwachung und Beratung des Vorstandes im Auge behalten müssen. § 7 Abs. 2 MitbestG sieht die Mitgliedschaft von Gewerkschaftsvertretern im Aufsichtsrat zwingend vor und lässt damit ein Nebeneinader von Tarifvertragsrecht und Unternehmensmitbestimmung zu. Daraus folgt, dass die Arbeitnehmervertreter z.B. zur Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik berechtigt sind; die Übernahme einer herausragenden Rolle bei der Organisation eines gegen die Interessen des Unternehmens gerichteten Streiks oder gar die Beteiligung an der Streikleitung ist ihnen dabei jedoch verwehrt8. Das aktiv am Arbeitskampf beteiligte Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer, insbesondere der Funktionär der Gewerkschaften im Aufsichtsrat, darf von der Teilnahme an den Beratungen des Aufsichtsrates, 1 Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 AktG Rz. 30; a.A. wohl Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 108 AktG Rz. 54. 2 Krebs, Interessenkonflikte, S. 137; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision, S. 268; Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 12 Rz. 121; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 49. 3 Deckert, DZWir 1996, 406, 409; Hüffer, § 103 AktG Rz. 12; Krebs, Interessenkonflikte, S. 158; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision, S. 268; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 103 AktG Rz. 32; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605; a.A. Hoffmann/Lehmann/ Weinmann, § 6 MitbestG Rz. 45. 4 Spindler in Spindler/Stilz, § 108 AktG Rz. 28; a.A. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 728; offengelassen bei Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 49. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 66; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 905; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 50; Raiser, § 29 MitbestG Rz. 5. 6 Hüffer, § 108 AktG Rz. 9; Krebs, Interessenkonflikte, S. 153; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 37. 7 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 66; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 50; Wilhelm, NJW 1983, 912, 915; a.A. Hüffer, § 108 AktG Rz. 9; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 31 MitbestG Rz. 18a. 8 Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 25 MitbestG Rz. 134; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 503; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 908; a.A. Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 25 MitbestG Rz. 119; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 125.
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in denen es z.B. um Informationen über den Arbeitskampf und um Gegenmaßnahmen des Unternehmens geht, wie auch von der Abstimmung ausgeschlossen werden. Der Gesellschaft kann nicht zugemutet werden, Personen in der Aufsichtsratssitzung zu dulden, wenn dort über gegen die Unternehmensinteressen gerichtete Streikaktionen berichtet wird und mögliche Abwehrmaßnahmen erörtert werden, da dadurch eigene, vitale Interessen des Unternehmens gefährdet werden, indem die geplanten Gegenmaßnahmen oder andere damit zusammenhängende Überlegungen des Vorstandes und des Aufsichtsrates der Streikleitung bekannt werden1. Wird die Gesellschaft das Ziel eines Übernahmeversuches, ergibt sich für ihre Aufsichtsratsmitglieder eine gesteigerte Pflichtenlage. Allgemein verweist § 3 Abs. 3 WpÜG hinsichtlich der Verhaltenspflichten der Organmitglieder zur Klarstellung2 auf ihre Pflicht zur Beachtung des Unternehmensinteresses. Daneben bestehen besondere übernahmerechtliche Pflichten der Organe der börsennotierten Zielgesellschaft. Den Aufsichtsrat einer Zielgesellschaft trifft mit dem Vorstand nach § 27 WpÜG als Gesamtverantwortung3 die Pflicht zur Abgabe einer Stellungnahme zum Angebot des Bieters. Handelt es sich um eine freundliche Übernahme, d.h., wenn die Übernahme im Einverständnis mit der Verwaltung erfolgen soll, hat sich der Aufsichtsrat der Zielgesellschaft in eigener Verantwortung mit dem Vorhaben zu befassen und dabei vor allem die Haltung des Vorstandes gegenüber dem Vorhaben auf ihre Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit und die Vereinbarkeit der Aufgabe der Selbständigkeit der Zielgesellschaft mit dem Unternehmensinteresse zu prüfen4. Im Rahmen dieser Prüfung und der Beschlussfassung5 über die Stellungnahme im Aufsichtsrat, die auch an einen Aufsichtsratsausschuss delegiert werden kann6, kann ein Interessenkonflikt für diejenigen Aufsichtsratsmitglieder entstehen, die in anderer Funktion auch für den Bieter tätig sind, sei es als Organmitglieder oder als externe Berater (vgl. im Einzelnen unten § 60 Rz. 154).
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Im Fall einer feindlichen Übernahme, wenn also die Übernahme gegen den Willen der Verwaltung stattfinden soll, führen die unterschiedlichen Interessen zwischen Bieter und Zielgesellschaft zwangsläufig zu einem tiefen Interessenkonflikt für diejenigen Aufsichtsratsmitglieder, die zugleich für den Bieter tätig sind. Hier kommt eine Teilnahme eines Funktionsträgers des Bieters an den Beratungen und der Beschlussfassung des Aufsichtsrates der Zielgesellschaft nicht in Betracht, da die Pflicht der Organmitglieder zur Wahrung des Unternehmensinteresses gemäß § 3 Abs. 3 WpÜG keinen ausreichend sicheren Schutz der Zielgesellschaft gegen den Abfluss von im Abwehrkampf wichtigen Informationen an den Bieter bietet7. Das Teilnahme- und Stimmverbot dient dem Schutz der Interessen der Zielgesellschaft, denn es muss ver-
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1 Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 29 MitbestG Rz. 24; a.A. Wlotzke/Wißmann/Koberski/ Kleinsorge, § 25 MitbestG Rz. 116; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 131. 2 Schwennicke in Geibel/Süßmann, 2002, § 3 WpÜG Rz. 21; Versteegen in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 3 WpÜG Rz. 34; Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1, 15; vgl. auch Altmeppen, ZIP 2001, 1073, 1077; a.A. Lange, WM 2002, 1837, 1740. 3 Hirte in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 27 WpÜG Rz. 18; Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 419; Schwennicke in Geibel/Süßmann, 2002, § 27 WpÜG Rz. 5. 4 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 919; einschränkend wohl Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 12 Rz. 152. 5 Unscharf insoweit Hopt, ZGR 2002, 333, 371; richtig hingegen Hirte in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 27 WpÜG Rz. 20. 6 Hirte in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 27 WpÜG Rz. 21; Seibt, DB 2002, 529, 531. 7 Hopt, ZGR 2002, 333, 371; Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 12 Rz. 154; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 109 AktG Rz. 10.
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hindert werden, dass der Funktionsträger an den Beratungen und Beschlüssen des Aufsichtsrates über das Übernahmeangebot sowie eventuelle nach § 33 WpÜG zulässige Maßnahmen des Vorstandes teilnimmt und dadurch von den geplanten Gegenmaßnahmen oder anderen damit zusammenhängende Überlegungen des Vorstandes und des Aufsichtsrates Kenntnis erhält. Der Aufsichtsratsvorsitzernde ist deshalb verpflichtet, dieses Aufsichtsratsmitglied von der Aufsichtsratssitzung auszuschließen1. Bei einer freundlichen Übernahme ist die Teilnahme des Funktionsträgers des Bieters nicht in jedem Fall unzulässig. Ein Ausschluss kann aber notwendig werden, wenn die Übernahme nicht von einer breiten Mehrheit im Aufsichtsrat unterstützt wird, sondern umstritten ist und Zweifel bestehen, ob die Übernahme im Interesse der Zielgesellschaft liegt und deshalb noch offen ist, wie sich die Verwaltung der Zielgesellschaft gegenüber dem Übernahmeangebot verhalten soll2. Speziell in dieser Situation muss eine Teilnahme von Funktionsvertretern des Bieters an den Beratungen des Aufsichtsrates kritisch geprüft werden. In jedem Fall muss gewährleistet werden, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates der Zielgesellschaft bei den Beratungen und Beschlüssen über das Übernahmeangebot, insbesondere welchen Inhalt die Stellungnahme gemäß § 27 WpÜG haben soll und ob bestimmte Maßnahmen des Vorstandes das Neutralitätsgebot nach § 33 WpÜG beachten, allein das Interesse der Zielgesellschaft verfolgen. 66
Unterliegt das Aufsichtsratsmitglied (nur) einem Stimmverbot, hat es grundsätzlich gleichwohl das Recht auf Teilnahme an der Beratung3. Im Allgemeinen wird das betroffene Aufsichtsratsmitglied den weiteren Beratungen im Aufsichtsrat nach Darlegung seiner Position fernbleiben. Nimmt es dennoch weiter an der Aufsichtsratssitzung und der Abstimmung teil, ist es ist allerdings verpflichtet, bei der Abstimmung keine Stimme abzugeben oder sich der Stimme zu enthalten, wenn andernfalls die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrates nicht erreicht wird4. Soll die Beratung und Beschlussfassung des Beratungsgegenstandes im Aufsichtsrat unter Beteiligung eines „befangenen“ Aufsichtsratsmitglieds vermieden werden oder – soweit möglich – ohne dessen Beeinflussung erfolgen, kommt innerhalb der in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG genannten Grenzen auch eine Übertragung auf einen Aufsichtsratsausschuss zur weiteren Behandlung und Entscheidung in Betracht, dem das Aufsichtsratsmitglied nicht angehört5. Für die Sitzungen des Ausschusses kann der Aufsichtsratsvorsitzende zur Auflösung der entstandenen Interessenkollision dem betroffenen Aufsichtsratsmitglied gemäß § 109 Abs. 2 AktG die Teilnahme verwehren6.
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Häufen sich die Interessenkonflikte eines Aufsichtsratsmitgliedes oder besteht eine grundsätzliche oder dauerhafte Interessenkollision, der auch durch Stimmenthaltungen im Einzelfall nicht angemessen begegnet werden kann, ist das Aufsichtsratsmit1 Weitergehend Hopt, ZGR 2002, 333, 372; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 923, die eine Abberufung des Aufsichtsratsmitgliedes für erforderlich halten. 2 Ebenso Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 919; vgl. auch Hopt, ZGR 2002, 333, 371. 3 Behr, AG 1984, 281, 283; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 905; Potthoff/Trescher/Theisen, ARMitglied, Rz. 2013; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 109 AktG Rz. 10. 4 BGH v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, AG 2007, 484, 485; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 108 AktG Rz. 63; Spindler in Spindler/Stilz, § 108 AktG Rz. 39; Krebs, Interessenkonflikte, S. 174; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 49; E. Vetter, AG 2006, 173, 179; a.A. Behr, AG 1984, 281, 285; vgl. auch Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605. 5 Dreher, JZ 1990, 896, 903; Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 12 Rz. 179; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 109 AktG Rz. 26. 6 Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 155; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 100 AktG Rz. 158; ähnlich Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 AktG Rz. 74.
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glied nicht mehr in der Lage, seiner Aufgabe zur Wahrung des Unternehmensinteresses pflichtgemäß nachzukommen, so dass die Frage der Verpflichtung zur Niederlegung des Aufsichtsratsmandates zu prüfen ist. Der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt in Ziff. 5.5.2 ausdrücklich, die Offenlegung von Interessenkonflikten eines Aufsichtsratsmitglieds, insbesondere solche, die auf Grund einer Beratung oder Organfunktion bei Kunden, Lieferanten, Kreditgebern oder sonstigen Geschäftspartnern entstehen können. Die Regelung erfasst sowohl den Interessenkonflikt im Einzelfall als auch den andauernden Konflikt. Mit der Offenlegung von Interessenkonflikten, die gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden zu erfolgen hat1, wird dieser in den Stand gesetzt, zu prüfen, ob das Aufsichtsratsmitglied einem Stimmverbot unterliegt oder ob dem Aufsichtsratsmitglied aus dem Gesichtspunkt der Besorgnis der Befangenheit empfohlen werden soll, sich bei der Abstimmung der Stimme zu enthalten. In jedem Fall ist nach der Empfehlung von Ziff. 5.5.3 Deutscher Corporate Governance Kodex erforderlich, im schriftlichen Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung gemäß § 171 Abs. 2 AktG über einen zu einem Beratungsgegenstand aufgetretenen Interessenkonflikt und dessen Behandlung zu informieren. Bei kodexkonformem Verhalten ist damit im Falle eines offengelegten Interessenkonfliktes der Hauptversammlung auch darüber zu berichten, ob das betreffende Aufsichtsratsmitglied an den Beratungen und der Abstimmung teilgenommen hat oder wie der Interessenkonflikt auf anderen Weise aufgelöst worden ist. Einstweilen frei.
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4. Stimmbotschaft § 108 Abs. 3 Satz 1 AktG eröffnet Aufsichtsratsmitgliedern, die an der Sitzungsteilnahme verhindert sind oder an der Sitzung nur zeitweise teilnehmen können, die Möglichkeit sich an der Willensbildung des Aufsichtsrates dadurch zu beteiligen, dass sie an der Abstimmung durch schriftliche Stimmabgabe teilnehmen. Hierzu bedarf es im Unterschied zum Fall der Vertretung des Aufsichtsratsmitglieds durch Dritte nach § 109 Abs. 3 AktG keiner Satzungsregelung; ebensowenig ist dazu das Einverständnis des Aufsichtsrates erforderlich. Das verhinderte Aufsichtsratsmitglied kann seine schriftliche Stimme in der Sitzung durch ein anderes Aufsichtsratsmitglied oder im Fall einer Satzungsregelung gemäß § 109 Abs. 3 AktG auch durch einen Dritten überreichen lassen2. Die schriftliche Stimme muss dem Aufsichtsratsvorsitzenden in der Sitzung spätestens bei der Abstimmung überreicht werden, Das Recht zur schriftlichen Stimmabgabe besteht im paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat auch hinsichtlich der Zweitstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden (§§ 29 Abs. 2 Satz 2, 31 Abs. 4 Satz 2 MitbestG). Die Rechte als Sitzungsleiters können jedoch nicht mittels Stimmbotschaft übertragen werden, sondern gehen bei Verhinderung des Aufsichtsratsvorsitzenden auf den nach § 27 MitbestG gewählten Stellvertreter über3.
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Die Stimmbotschaft ist eine schriftliche Erklärung des verhinderten Aufsichtsratsmitglieds, die den Beschlussgegenstand und das Votum wiedergeben und vom verhinderten
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1 So ausdrücklich die Frankfurter Grundsatzkommission Corporate Governance, Abschnitt III. 4, abgedruckt AG 2000, 106, 113; vgl. auch Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 1128. 2 Lutter in FS Duden, 1977, S. 269, 271; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 28; Riegger, BB 1980, 130, 132. 3 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 108 AktG Rz. 99; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 21; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 108 AktG Rz. 51.
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Aufsichtsratsmitglied eigenhändig unterzeichnet sein muss1. Eine inhaltlich unbestimmte Stimmbotschaft ist unwirksam2. Eine telefonische Übermittlung der Stimmabgabe durch das verhinderte Aufsichtsratsmitglied an den Boten, der sie dann weisungsgemäß zu Papier bringt, genügt der Schriftform nach § 108 Abs. 3 AktG nicht3. Die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates können insoweit auch keine Befreiung vorsehen4. Die schriftliche Stimme bleibt eine Erklärung des verhinderten Aufsichtsratsmitglieds. Der Überbringer handelt nicht als dessen Vertreter, sondern ist bloßer Stimmbote, dem kein eigener Entscheidungsspielraum zusteht und der deshalb die Stimmbotschaft auch nicht verändern darf5. Ob aus dem Schriftformgebot von § 108 Abs. 3 AktG die eigene Namensunterschrift des Aufsichtsratsmitglieds zu folgern ist, ist in der Literatur umstritten. Zu berücksichtigen ist, dass das Schriftformerfordernis keine Schutz- und Warnfunktion gegenüber dem verhinderten Aufsichtsratsmitglied hat, sondern ausschließlich Beweiszwecken dient. Entscheidend ist, dass anhand des in der Sitzung vorgelegten Schriftstückes die Authentizität der Willenserklärung des abwesenden Aufsichtsratsmitglieds festgestellt werden kann6. Dies ist nicht nur bei Vorlage einer schriftlichen Erklärung im Original sondern grundsätzlich auch bei einem Telefax oder einer Telekopie möglich7. Ein Telegramm oder Telex erfüllt diese Anforderungen nicht, wird von der herrschenden Meinung jedoch ebenfalls als ausreichend angesehen8. Im Zuge der Entwicklung der modernen Kommunikationsmittel, dem das AktG auch sonst verstärkt Rechnung trägt (vgl. nur § 109 Abs. 3 AktG), wird man auch die Vorlage eines E-Mail des verhinderten Aufsichtsratsmitglieds an den Stimmboten als ausreichend betrachten müssen, wenn die Identität des Absenders durch eine digitale Signatur oder Ähnliches sichergestellt ist9. 71
Die Erteilung einer Stimmbotschaft nach § 108 Abs. 3 AktG setzt notwendigerweise die rechtzeitige Mitteilung eines konkreten Beschlussantrags vor der Aufsichtsratssitzung voraus. Wird der Beschlussantrag in der Aufsichtsratssitzung geändert, geht die
1 Siehe z.B. die Muster bei Happ, Aktienrecht, Form. 9.10; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 421. 2 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 353. 3 Hüffer, § 108 AktG Rz. 14; Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 34; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 26; a.A. Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 108 AktG Rz. 112; Lutter in FS Duden, 1977, S. 269, 282; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 27; Riegger, BB 1980, 130, 131. 4 Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 31a; a.A. Luther, ZGR 1977, 306, 308. 5 Hüffer, § 108 AktG Rz. 14; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 20; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 25. 6 Lutter in FS Duden, 1977, S. 269, 281; Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 32; Riegger, BB 1980, 130, 131; a.A. Hüffer, § 108 AktG Rz. 15; Ulmer in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 31a, die in jedem Fall die Vorlage der unterzeichneten Stimmbotschaft im Original verlangen. 7 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 86; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 723; Paefgen, Struktur, S. 212; Spindler in Spindler/Stilz, § 108 AktG Rz. 55. 8 Vgl. Lutter in FS Duden, 1977, S. 269, 281; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 20; Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 33; Paefgen, Struktur, S. 211; a.A. Hüffer, § 108 AktG Rz. 15; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 108 AktG Rz. 53; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 31a. 9 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 108 AktG Rz. 111; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 420; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 108 AktG Rz. 168; a.A. Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 108 AktG Rz. 53; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 723.
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Stimmbotschaft ins Leere1. Der Stimmbote ist mangels eigenen Entscheidungsspielraums nicht berechtigt, die schriftliche Stimmabgabe anzupassen. Bloße Formulierungsänderungen, die den Beschlussinhalt in der Sache nicht berühren, sind unschädlich, wenn aus der Stimmbotschaft zu erkennen ist, dass sie die Änderung abdeckt2. Durch Blanko-Erklärungen, die vom Stimmboten erst in der Aufsichtsratssitzung der konkreten Situation nach Anweisung des abwesenden Aufsichtsratsmitglieds angepasst werden, darf die Authentizität seiner Willenserklärung jedoch nicht umgangen werden3. Gegebenenfalls ist die Stimmbotschaft mit mehreren in Betracht kommenden gestaffelten Alternativen zu versehen4. 5. Sitzungsniederschrift a) Bedeutung und Inhalt Die Sitzungsniederschrift bildet kein notwendiges Element der Beschlussfassung des Aufsichtsrates und hat auch keine konstitutive Wirkung hinsichtlich der wiedergegebenen Beschlüsse. Die Wirksamkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen wird durch eine mangelhafte oder gar völlig unterbliebene Protokollierung nach der ausdrücklichen Anordnung in § 107 Abs. 2 Satz 3 AktG nicht berührt. Die Niederschrift hat lediglich Beweisfunktion für die inhaltlich richtige und vollständige Wiedergabe der getroffenen Beschlüsse5. Sie kann aber auch Bedeutung für die Verantwortung der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder hinsichtlich ihres jeweiligen Abstimmungsverhaltens haben.
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Über die Sitzungen des Aufsichtsrates ist nach § 107 Abs. 2 Satz 1 AktG eine Niederschrift anzufertigen, die der Aufsichtsratsvorsitzende zu unterzeichnen hat. Der notwendige Inhalt ergibt sich aus § 107 Abs. 2 AktG. Danach sind neben Ort und Tag der Sitzung die Teilnehmer anzugeben, sei es, dass sie persönlich in der Sitzung anwesend sind oder z.B. fermündlich oder durch Video-Zuschaltung teilnehmen. Weiterhin erforderlich ist die Wiedergabe der Tagesordnungspunkte, der wesentliche Inhalt der Verhandlungen sowie die Beschlüsse. Die bloße Aufzeichnung der Beschlussergebnisse ist also nicht ausreichend; andererseits wird auch kein Wortprotokoll verlangt, sondern es sind die tragenden Gesichtspunkte der Verhandlungen und die getroffenen Beschlüsse wiederzugeben. Nicht erforderlich ist die Wiedergabe jedes einzelnen Wortbeitrages; eine Zusammenfassung der Diskussion mit Darstellung der wesentlichen Gesichtspunkte ist ausreichend. Auch bei der Wiedergabe der vom Vorstand erstatteten Berichte, die in der Praxis üblicherweise mündlich anhand einer Vielzahl von Folien und Schaubildern erfolgt, genügt eine zusammenfassende Darstellung, soweit nicht in der anschließenden Diskussion Einzelheiten aufgegriffen werden6. Erforderlich ist die Angabe des genauen Wortlauts der Beschlüsse, bzw. der Beschlussanträge sowie des Abstimmungsergebnisses. Eine namentliche Wiedergabe des Stimmverhaltens der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder ist grundsätzlich nicht er-
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1 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 725; Riegger, BB 1980, 130, 132. 2 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 353; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 84; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 725. 3 Näher Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 420; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 724; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 26; Paefgen, Struktur, S. 213; Riegger, BB 1980, 130, 133. 4 Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 108 AktG Rz. 57; Hopt/Roth in GroßKomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 108 AktG Rz. 106; Werner, ZGR 1977, 236, 242. 5 Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 33 ff.; Hüffer, § 109 AktG Rz. 13; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 79. 6 Ähnlich Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 100; Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 75.
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forderlich1 und kommt nur in Betracht, wenn dies von einem Aufsichtsratsmitglied in der Sitzung, z.B. aus haftungsrechtlichen Gründen, gefordert wird2. Soweit sich allerdings ein Aufsichtsratsmitglied wegen der Gefahr der Befangenheit oder der Interessenkollision bei einer Abstimmung der Stimme enthalten hat, sollte dies ausdrücklich festgehalten werden, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Beschluss später angegriffen wird. Erklärungen zu Protokoll, insbesondere Widersprüche gegen Beschlüsse oder gegen Maßnahmen des Aufsichtsratsvorsitzenden, müssen in jedem Fall festgehalten werden3. Soweit im Beschluss auf Unterlagen Bezug genommen wird, sind diese genau zu bezeichnen, damit im Zweifelsfall eine Identifizierung an Hand der beim Aufsichtsratsvorsitzenden oder beim Vorstand geführten Akten erfolgen kann. Ob die Unterlagen dem Protokoll auch als Anlage beigefügt werden sollen, ist oftmals eine Frage der Praktikabilität, da die Unterlagen vielfach sehr umfangreich sind. Zwingend erforderlich ist dies jedoch nicht4; jedenfalls solange nicht, wie ein Aufsichtsratsmitglied nicht in der Sitzung die Beifügung beantragt. 74
Beschließt der Aufsichtsrat ohne die Durchführung einer Sitzung nach § 108 Abs. 4 AktG im schriftlichen Verfahren, auf fernmündlichem Weg oder mittels anderer vergleichbarer moderner Kommunikationsformen, bedarf es analog § 107 Abs. 2 AktG ebenfalls der Niederschrift über die Beschlussfassung, die vom Aufsichtsratsvorsitzenden zu unterzeichnen ist5. Die Niederschrift über eine Beschlussfassung des Aufsichtsrates außerhalb einer Sitzung ist allen Aufsichtsratsmitgliedern vom Aufsichtsratsvorsitzenden zuzusenden6. Davon hängt jedoch die Wirksamkeit des Beschlusses nicht ab7. b) Zuständigkeiten
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Der Aufsichtsratsvorsitzende hat das Protokoll nach § 107 Abs. 2 Satz 1 AktG zu unterzeichnen, der damit die Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit des Protokolls übernimmt8. Falls die Aufsichtsratssitzung wegen Verhinderung des Aufsichtsratsvorsitzenden vom Stellvertreter geleitet worden ist, hat dieser als Sitzungsleiter das Protokoll zu unterzeichnen, auch wenn die Verhinderung des Aufsichtsratsvorsitzenden zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Protokolls nicht mehr besteht9. Über Berichtigungsverlangen von Aufsichtsratsmitgliedern entscheidet allein der Aufsichtsratsvorsitzende, da er die Verantwortung für die Ordnungsmäßigkeit des Protokolls trägt. Der Aufsichtsrat kann hierüber nicht durch Beschluss 1 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 72; Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 75. 2 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 73; Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 76; zweifelnd Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 708. 3 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 101; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 73; E. Vetter, DB 2004, 2623, 2628. 4 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 72; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 180; a.A. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 707. 5 Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 84; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 174; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 84; a.A. Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 27 MitbestG Rz. 15; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 23 im Fall des schriftlichen Beschlussverfahrens. 6 Vgl. z.B. Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 105; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 108 AktG Rz. 123; zur Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren. 7 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 105. 8 Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 90; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 76; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 107 AktG Rz. 201. 9 Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 93; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 133.
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entscheiden1. Deshalb kann die in der Praxis gelegentlich anzutreffende Übung, die Genehmigung des Sitzungsprotokoll in der nachfolgenden Aufsichtsratssitzung unter einem gesonderten Tagesordnungspunkt zu behandeln, richtigerweise nur den Bericht des Aufsichtsratsvorsitzenden beinhalten, ob von den Mitgliedern des Aufsichtsrates ein Berichtigungsverlangen gestellt und wie ihm Rechnung getragen worden ist. Aus praktischen Gründen empfehlenswert ist eine Regelung in der Aufsichtsratsgeschäftsordnung, wonach das Protokoll als genehmigt gilt, wenn nicht innerhalb einer bestimmten Frist (z.B. zwei Wochen nach Versand) beim Aufsichtsratsvorsitzenden Widerspruch erhoben wird2. Wer das Protokoll erstellt, sagt das Gesetz nicht. Weitgehend üblich ist hierfür die Hinzuziehung eines Protokollführers, der meist Angestellter der Gesellschaft ist (z.B. Justitiar oder Leiter des Vorstandssekretariats), der das Protokoll aber selbst nicht zu unterzeichnen braucht. Die Verantwortung für den Inhalt des Protokolls bleibt jedoch in jedem Fall unverändert beim Aufsichtsratsvorsitzenden. Der Aufsichtsrat kann durch Beschluss die Hinzuziehung eines aufsichtsratsexternen Protokollführers ablehnen3. Dann obliegt die Aufgabe der Protokollführung dem Aufsichtsratsvorsitzenden persönlich. Jedem Aufsichtsratsmitglied steht auf Verlangen eine Abschrift des vollständigen Sitzungsprotokolls nebst allen Anlagen zu (§ 107 Abs. 2 Satz 4 AktG), und zwar auch dann, wenn es an der Sitzung nicht teilgenommen hat4. Die Aufsichtsratsmitglieder können nicht auf Protokollauszüge oder die bloße Einsichtnahme in das Protokoll verwiesen werden5. In der Praxis üblich ist der unaufgeforderte Versand des Protokolls, für den der Aufsichtsratsvorsitzende Verantwortung trägt. Das Aufsichtsratsmitglied hat kein Recht auf Abschriften von Protokollen von Aufsichtsratssitzungen aus früheren Amtsperioden, zu denen es noch nicht dem Aufsichtsrat angehört hat6. Ein Einsichtsrecht kommt insoweit nur bei Vorliegen besonderer Gründe in Betracht, sofern nicht der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 2 AktG einen entsprechenden generellen Bewilligungsbeschluss fasst7. Ebenso wenig wie dem Vorstand ein Recht auf Teilnahme an den Sitzungen des Aufsichtsrates zusteht, hat er nach den gesetzlichen Bestimmungen einen Anspruch auf Aushändigung einer Abschrift des Sitzungsprotokolls8. In der Praxis erhalten jedoch die Mitglieder des Vorstandes meistens, zumindest der Vorsitzende des Vorstandes, im Interesse einer guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen beiden Organen, wie sie auch der Deutsche Corporate Governance Kodex beschreibt, eine Abschrift. Mindestens die auszugsweise Überlassung des Protokolls ist in der Regel auch deshalb erforderlich, weil die Ausführung der 1 Hüffer, § 109 AktG Rz. 12; a.A. Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 102; vgl. auch Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 82. 2 Ebenso Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 77; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 83. 3 Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 52; Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 40; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 702; a.A. Hüffer, § 109 AktG Rz. 12; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 74, Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 107 AktG Rz. 184, die Widerspruch eines Mitgliedes ausreichen lassen wollen. 4 Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 125. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 102; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 711; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 AktG Rz. 86. 6 Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 125; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 711; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 81. 7 Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 425; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 194; großzügiger Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 126; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 711. 8 Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 132; vgl. auch Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 194.
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Aufsichtsratsbeschlüsse vielfach in den Händen des Vorstandes liegt. Eine Überlassung des Protokolls kommt jedoch nicht in Betracht, soweit der Aufsichtsrat ausnahmsweise ein besonderes Interesse daran hat, seine Beratungen und Beschlüsse gegenüber dem Vorstand geheimzuhalten1. Dies wird bei der Behandlung von Personalfragen des Vorstandes und Aufsichtsrates regelmäßig der Fall sein. 6. Fehlerhafte Beschlüsse des Aufsichtsrates a) Vorbemerkung 77
Der Aufsichtsratsbeschluss ist ein körperschaftliches Rechtsgeschäft, das unter einem Fehler leiden kann. Dabei ist zwischen Verfahrensfehlern einerseits und inhaltlichen Verstößen des Beschlusses gegen Bestimmungen des Gesetzes, der Satzung oder der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates zu unterscheiden. Im AktG fehlt eine ausdrückliche Regelung, wie fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse zu behandeln sind. Eine im Wesentlichen vom neueren Schrifttum und von einigen Instanzgerichten vertretene Auffassung will die für die Fehlerhaftigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen geltenden Bestimmungen der §§ 241 ff. AktG analog auch auf Aufsichtsratsbeschlüsse anwenden und zwischen Fehlern, die zur Nichtigkeit des Beschlusses führen, und solchen, die lediglich zur Anfechtung berechtigen, unterscheiden. Ein fehlerhafter Aufsichtsratsbeschluss ist danach nicht stets nichtig, sondern es ist auf die Schwere des Verstoßes gegen Gesetz oder Satzung2 oder darauf abzustellen, ob der Verfahrensmangel einen Verstoß gegen verzichtbare oder unverzichtbare Vorschriften bildet3. Der BGH hat sich bei der Behandlung der Fehlerhaftigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen im Prinzip gegen eine Differenzierung zwischen anfechtbaren und nichtigen Aufsichtsratsbeschlüssen ausgesprochen und eine Analogie zu den Vorschriften der §§ 241 ff. AktG ausdrücklich abgelehnt4. Zur Begründung hat er dabei im Wesentlichen auf das besonders zu schützende Vertrauen der Öffentlichkeit und der Anleger in den Bestand der Entscheidung der Hauptversammlung abgestellt, das beim Aufsichtsratsbeschluss, der in den meisten Fällen nur interne Wirkung habe, nicht gegeben sei. Er hat weiter darauf hingewiesen, dass sich die Abgrenzungskriterien der §§ 241 und 243 AktG nicht auf Aufsichtsratsbeschlüsse übertragen ließen. Allerdings hat der BGH unter Hinweis auf das Erfordernis des Rechtsschutzinteresses hinsichtlich der Feststellung der Nichtigkeit eines als fehlerhaft betrachteten Aufsichtsratsbeschlusses und das Rechtsprinzip der Verwirkung5 einen Weg aufgezeigt, der dazu führt, dass in der Praxis die unterschiedlichen Lösungsansätze in den meisten Fällen 1 Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 132; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 83; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, S. 181. 2 OLG Hamburg v. 25.5.1984 – 11 U 183/83 – „Beiersdorf“, AG 1984, 248, 249; OLG Stuttgart v. 15.4.1985 – 2 U 57/85 – „Dornier“, AG 1985, 193, 194; OLG Hamburg v. 6.3.1992 – 11 U 134/91 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, AG 1993, 197, 198; OLG Celle v. 9.10.1989 – 9 U 186/89 – „Pelikan“, AG 1990, 264, 265. 3 Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 113 ff.; Baums, ZGR 1983, 300, 305; Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, S. 94 ff.; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 93. 4 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 347; BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92 – „Vereinigte Krankenversicherung“, BGHZ 124, 111, 115; BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244, 247; LG Frankfurt v. 19.12.1995 – 2/14 O 183/95 – „Deutsche Börse AG“, ZIP 1996, 1661, 1662; zustimmend z.B. auch Götz in FS Lüke, 1997, S. 167, 175 ff.; Hüffer, § 108 AktG Rz. 19; Kindl, AG 1995, 153; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 734; a.A. K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 241 AktG Rz. 35; Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, S. 94 ff., 120. 5 Vgl. BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 352.
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zu gleichen Ergebnissen gelangen werden1. Ein Mangel der einzelnen Stimmabgabe führt nur ausnahmsweise zur Fehlerhaftigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses. Die Stimmabgabe als empfangsbedürftige Willenserklärung2 kann z.B. nach allgemeinen Regeln angefochten werden, mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen einer Stimmbotschaft nach § 108 Abs. 3 AktG unwirksam sein oder gegen ein Stimmverbot verstoßen3. Ein Mangel einer einzelnen Stimmabgabe ist für die Beschlussfassung nur dann beachtlich, wenn die abgegebene Stimme für die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrates ausschlaggebend oder die fehlerhafte Stimmabgabe für das Abstimmungsergebnis rechnerisch entscheidend war4. Bleibt das Abstimmungsergebnis auch ohne Berücksichtigung der nichtigen Stimmabgabe unverändert, ist der Aufsichtsratsbeschluss uneingeschränkt gültig5. b) Beschlussmängel aa) Inhaltliche Mängel des Aufsichtsratsbeschlusses. Ein inhaltlicher Mangel liegt vor, wenn der Aufsichtsratsbeschluss seinem Inhalt nach gegen zwingende Bestimmungen der Satzung oder des Gesetzes verstößt. Dazu zählen z.B. Verstöße gegen die dem AktG zugrundeliegende Kompetenzordnung der Organe der Gesellschaft, Verstöße gegen die Vorschriften des MitbestG und die Missachtung der bürgerlich-rechtlichen Regelungen der §§ 134 und 138 BGB. Aufsichtsratsbeschlüsse mit inhaltlichen Mängeln sind unheilbar nichtig. Beispiele: Verabschiedung einer Regelung, für deren Erlass die Hauptversammlung zuständig ist6; Beschluss zur Erteilung einer Weisung an den Vorstand7; Erlass einer Geschäftsordnung, die gegen Vorschriften des AktG oder des MitbestG verstößt8; Beschluss über die Besetzung des Präsidial- oder Personalausschusses unter diskriminierender Nichtberücksichtigung der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer9; Beschluss des Aufsichtsrates, der die Grenzen des dem Aufsichtsrat eingeräumten Ermessens überschreitet10. 1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 108; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 734. 2 BGH v. 14.7.1954 – II ZR 342/53, BGHZ 14, 264, 267; Baltzer, Der Beschluss als rechtstechnisches Mittel organschaftlicher Funktion im Privatrecht, 1965, S. 142; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 10. 3 Vgl. z.B. Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 73; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 108 AktG Rz. 74; Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, S. 139. 4 Baums, ZGR 1983, 300, 320; Hüffer, § 108 AktG Rz. 17; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 74; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 108 AktG Rz. 75. 5 Baums, ZGR 1983, 300, 320; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 736; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 74. 6 Baums, ZGR 1983, 300, 325; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 109; Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, S. 163. 7 Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 165; Meilicke in FS Schmidt, 1959, S. 71, 96. 8 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 333; OLG Hamburg v. 23.7.1982 – 11 U 179/80 – „Beiersdorf“, AG 1983, 21, 22; Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 180; Baums, ZGR 1983, 300, 327; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 735; Raiser, § 28 MitbestG Rz. 5. 9 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 358; OLG München v. 27.1.1995 – 23 U 4282/94, AG 1995, 466, 467; LG Frankfurt v. 19.12.1995 – 2/14 O 183/95 – „Deutsche Börse AG“, ZIP 1996, 1661, 1664; kritisch Zöllner in FS Zeuner, 1995, S. 161, 182. 10 BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92 – „Vereinigte Krankenversicherung“, BGHZ 124, 111, 127; BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244, 256; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 80.
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Aufsichtsrat
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bb) Verfahrensmängel des Aufsichtsratsbeschlusses. Ist der Aufsichtsratsbeschluss unter Verletzung einer gesetzlichen oder in der Satzung enthaltenen Verfahrensvorschrift zustandegekommen, ist der Beschluss grundsätzlich nichtig, es sei denn, dass der Verfahrensverstoß weniger gravierend ist. Nichtigkeit ist insbesondere in folgenden Fällen anzunehmen. Beispiele: Nichtladung eines Aufsichtsratsmitglieds1; Beschlussfassung außerhalb der Tagesordnung gegen den Widerspruch eines Aufsichtsratsmitglieds2; Unzulässiger Ausschluss eines Aufsichtsratsmitglieds3; Beschlussfassung trotz Beschlussunfähigkeit4; Abgabe einer unwirksamen Stimme, wenn diese für das Beschlussergebnis ausschlaggebend war5.
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Keine Nichtigkeit ist anzunehmen, wenn bei der Beschlussfassung gegen eine Verfahrensvorschrift von geringerem Gewicht verstoßen worden ist, z.B. bei Teilnahme fremder Personen an der Beschlussfassung, wenn die unzulässige Stimmabgabe für das Beschlussergebnis nicht kausal war6. Ein Aufsichtsratsbeschluss, der gegen eine bloße Ordnungsvorschrift geringeren Gewichts verstößt, ist uneingeschränkt gültig, z.B. bei fehlerhafter Protokollierung des Beschlusses nach § 107 Abs. 2 Satz 3 AktG7; der Teilnahme fremder Personen an den Beratungen des Aufsichtsrates entgegen § 109 Abs. 1 Satz 1 AktG8 oder bei Beschluss des Vermittlungsausschusses unter Versäumnis der Monatsfrist des § 31 Abs. 3 Satz 1 MitbestG9. c) Rechtsbehelfe
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Die Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses kann nicht durch Anfechtung des Beschlusses, sondern nur mittels Feststellungsklage nach § 256 ZPO geltend gemacht werden10. Die Klage, die von jedem Aufsichtsratsmitglied erhoben werden kann, ist 1 OLG Stuttgart v. 15.4.1985 – 2 U 57/85, AG 1985, 193, 194; OLG Karlsruhe v. 13.10.1995 – 10 U 51/95 – „HSB“, AG 1996, 224, 226; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 108 AktG Rz. 152; Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, S. 125; a.A. Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 195; Baums, ZGR 1983, 300, 317; Kindl, Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 195. 2 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 110; Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, S. 134; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 108 AktG Rz. 76 ff. 3 LG Frankfurt v. 19.12.1995 – 2/14 O 183/95 – „Deutsche Börse AG“, ZIP 1996, 1661, 1662; LG Mühlhausen v. 15.8.1996 – 1 HKO 3127/96 – „APEX Bäuerliche AG“, AG 1996, 527; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 110; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 77; a.A. Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 198; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 736. 4 BGH v. 27.5.1991 – II ZR 87/90, AG 1991, 398, 399; Götz in FS Lüke, 1997, S. 167, 182; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 110; Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, S. 138; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 41. 5 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 736; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 75; Spindler in Spindler/Stilz, § 108 AktG Rz. 69. 6 BGH v. 17.4.1967 – II 157/64, BGHZ 47, 341, 346; Baums, ZGR 1983, 300, 324; Hüffer, § 108 AktG Rz. 18; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 41; anders noch BGH v. 24.2.1954 – II ZR 63/53, BGHZ 12, 327, 331. 7 AG Ingolstadt v. 18.1.2001 – HRB 2468 – „Net logistics AG“, AG 2002, 110, 111; HoffmannBecking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 109; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 190; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 737. 8 Baums, ZGR 1983, 300, 323; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 737; Spindler in Spindler/Stilz, § 108 AktG Rz. 69. 9 Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 29 MitbestG Rz. 46; Mertens, ZGR 1983, 189, 202; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 40; a.A. Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, 1981, S. 102. 10 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 347; BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92 – „Vereinigte Krankenversicherung“, BGHZ 124, 111, 125; früher bereits BGH v. 25.2.1965 – II ZR 287/63, BGHZ 43, 261, 265; Götz in FS Lü-
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Innere Ordnung des Aufsichtsrates
gegen die Gesellschaft zu richten, die dabei vom Vorstand gemäß § 78 Abs. 1 AktG vertreten wird1. Auch die Gesellschaft selbst vertreten durch den Vorstand2 oder auch ein einzelnes Vorstandsmitglied3 sind zur Klagerhebung berechtigt. In diesem Fall wird die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat vertreten. Steht die Frage der Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses im Raum, gebietet es das allseitige Interesse, den Schwebezustand alsbald zu beenden sowie Klarheit und Rechtssicherheit über die Rechtsfolgen des gerügten Verfahrensmangels bei der Beschlussfassung im Aufsichtsrat oder eines inhaltlichen Fehlers des Beschlusses herbeizuführen. Hierzu kommen neben den zum Rechtsinstitut der Verwirkung entwickelten Grundsätzen auch eine Begrenzung des zur Geltendmachung des Mangels erforderlichen Rechtsschutzinteresses in Betracht4. Ist der Aufsichtsratsbeschluss z.B. mit minderschweren Verfahrensmängeln behaftet, auf die das Aufsichtsratsmitglied, dessen mitgliedschaftliche Teilhaberechte betroffen sind, verzichten kann, muss der Beschlussmangel alsbald nach Ablauf einer angemessenen Frist zur rechtlichen Prüfung gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden gerügt werden5. Dieser hat dann einen mangelfreien Beschluss entweder in der nächsten Aufsichtsratssitzung oder in Eilfällen in einer Sondersitzung oder auch durch Beschlussfassung auf schriftlichem Weg herbeizuführen. Andernfalls kann der Mangel des Zustandekommens des Aufsichtsratsbeschlusses nicht mehr geltend gemacht werden; es tritt insoweit Verwirkung des Rechts ein6. Praktikabel und angemessen ist eine Rügefrist von einem Monat, die mit Ablauf der nächsten Aufsichtsratssitzung beginnt. Die Klage gemäß § 256 ZPO auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses muss vor Ablauf dieser Frist erhoben werden7. Das Urteil, mit dem die Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses festgestellt wird, wirkt nicht nur inter partes, sondern für und gegen alle; es ist für die Aktionäre sowie für die Mitglieder des Aufsichtsrates und des Vorstandes verbindlich8. 7. Effizienzprüfung des Aufsichtsrates a) Allgemeines Nach Ziff. 5.6 Deutscher Corporate Governance Kodex soll der Aufsichtsrat regelmäßig die Effizienz seiner Tätigkeit überprüfen, um sie kontinuierlich zu verbessern. Generell
1
2 3 4 5 6 7 8
ke, 1997, S. 167, 187; Kindl, AG 1995, 153; a.A. Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 154 ff.; Baums, ZGR 1983, 300, 305 ff.; Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, S. 194; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 93. BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81 – „Dynamit Nobel“, BGHZ 83, 144, 146; BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 345; Hüffer, § 108 AktG Rz. 20; Kindl, Die Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 188; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 90; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 78; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 108 AktG Rz. 85; a.A. Bork, ZIP 1991, 137, 144; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 313. BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 352; Hüffer, § 108 AktG Rz. 20. Meilicke in FS Schmidt, 1959, S. 71, 109; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 90. BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 351. BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 352. Hüffer, § 108 AktG Rz. 20; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 108 AktG Rz. 78. Hüffer, § 108 AktG Rz. 20; Kindl, AG 1993, 153, 161; vgl. auch Baums, ZGR 1983, 300, 341; Götz in FS Lüke, 1997, S. 167, 187. Baums, ZGR 1983, 300, 308; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 91; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 108 AktG Rz. 85; a.A. Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, S. 176.
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Aufsichtsrat
besteht für den Aufsichtsrat die Verpflichtung, die eigene Arbeit wie auch die seiner Ausschüsse, insbesondere bei der Verabschiedung von Beschlüssen und sonstigen Maßnahmen auf Effizienz zu überprüfen1, um bei Aufdeckung von eventuellen Effizienzproblemen und anderen Schwierigkeiten für Abhilfe zu sorgen. An dieser generellen Aufgabe haben alle Aufsichtsratsmitglieder mitzuwirken. Die ausdrückliche Empfehlung des Kodex geht über diese allgemeine Pflicht hinaus und will sicherstellen, dass sich der Aufsichtsrat abseits von aktuellen Tagesfragen regelmäßig, gezielt und systematisch mit der Frage der Qualität und Effizienz seiner eigenen Arbeit befasst. 83
Bekennt sich der Aufsichtsrat durch Mehrheitsbeschluss zur regelmäßigen Selbstevaluierung gemäß Ziff. 5.6 Deutscher Corporate Governance Kodex oder ist eine entsprechende Verpflichtung in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates niedergelegt, obliegt es dem Aufsichtsratsvorsitzenden dafür zu sorgen, dass die Effizienzkontrolle auch regelmäßig und ernsthaft durchgeführt wird2. Die Effizienzprüfung hat im Aufsichtsratsplenum stattzufinden3. Die Selbstevaluierung bezieht sich auf die Wahrnehmung der Aufgabe des Aufsichtsrates einschließlich seiner Ausschüsse sowohl in organisatorischer Hinsicht (z.B. Sitzungsvorbereitung, Informationsversorgung, Beratungsintensität und Ausschussarbeit) als auch in Bezug auf die materiell-inhaltliche Arbeit seiner Tätigkeit4. Eine Bewertung der Mitarbeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds durch die übrigen Organmitglieder ist nicht Gegenstand der Effizienzprüfung5. b) Durchführung
84
Die Art und Weise der Selbstevaluierung ist im Kodex nicht näher geregelt und bleibt allein der autonomen Entscheidung des Aufsichtsrates überlassen. In Betracht kommt in erster Linie die kritische Selbsteinschätzung der eigenen Arbeit des Aufsichtsrates durch die Organmitglieder selbst. Die Prüfung kann grundsätzlich auch durch eine offene Diskussion im Aufsichtsratsplenum erfolgen. Vorzugswürdig ist jedoch eine interne anonymisierte Umfrage unter den Aufsichtsratsmitgliedern anhand speziell entwickelter Fragebögen. Bei erstmaliger Durchführung der Selbstevaluierung oder bei vollständigem oder nahezu vollständigem Wechsel der Aufsichtsratsbesetzung ist die Inanspruchnahme professioneller Hilfe von externen Beratern oder auch des Abschlussprüfers6 ratsam, da externe Dritte vielfach eher als die Aufsichtsratsmitglieder in der Lage sein werden, z.B. eine bench-mark-Aussage über die Effizienz der Arbeit des Aufsichtsrates im Vergleich zu anderen Unternehmen vorzunehmen7. Zur Häufigkeit der Selbstevaluierung macht die Kodex-Empfehlung keine Aussage. Eine automatische jährliche Selbstevaluierung des Aufsichtsrates ist nicht angezeigt8. Sinnvoll, praktikabel und ausreichend erscheint eine ernsthafte und gründliche zweibis dreimalige Durchführung der Selbstevaluierung des Aufsichtsrates innerhalb einer
1 Vgl. auch Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 62. 2 Vgl. auch Peltzer, Deutsche Corporate Governance, Rz. 323; Schiessl, AG 2002, 593, 600. 3 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 832; Semler in FS Raiser, 2005, S. 399, 402; Seibt, DB 2003, 2107, 2111; a.A. Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 253. 4 Siehe dazu z.B. die Checkliste bei Seibt, DB 2003, 2107, 2111. 5 A.A. Hüffer, § 107 AktG Rz. 2a; Seibt, DB 2003, 2107, 2109. 6 Peltzer, NZG 2002, 593, 597; teilweise a.A. Semler in FS Raiser, 2005, S. 399, 401; Seibt, DB 2003, 2107, 2110. 7 Vgl. Seibt, DB 2003, 2107, 2110. 8 A.A. Seibt, DB 2003, 2107, 2109; v. Werder in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 1156; Ziff. 4.5 German Code of Corporate Governance (GCCG), abgedruckt z.B. in DB 2000, 1573 ff.
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§ 28
Ausschüsse
regulären Amtsperiode von rund 5 Jahren, sofern nicht aus besonderen Gründen kürzere Evaluationsintervalle notwendig sind.
§ 28 Ausschüsse I. Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1
Rz. 2. Personelle Zusammensetzung . . . 17
1. Bedeutung und Aufgabe . . . . . . . .
1
2. Ausschussform . . . . . . . . . . . . .
3
V. Innere Ordnung und Arbeitsweise . 19
II. Einsetzung . . . . . . . . . . . . . . . .
4
1. Beschluss des Aufsichtsrates . . . .
4
2. Gesetzliche Anordnung . . . . . . . .
6
3. Anordnungen der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
III. Delegationsverbote . . . . . . . . . . .
8
1. Ausdrückliche gesetzliche Delegationsverbote . . . . . . . . . . .
8
2. Ungeschriebene Delegationsverbote
9
3. Folgen des Delegationsverbotes . . . 13 IV. Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1. Regelung der inneren Ordnung a) Ausschussvorsitz . . . . . . . b) Beschlussfassung . . . . . . . c) Teilnahmerechte . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
19 20 22 23
2. Überwachung der Ausschüsse und Berichtspflichten . . . . . . . . . . . . 25 VI. Praktische Verbreitung von Aufsichtsratsausschüssen . . . . . . 29 1. Personalausschuss . . . . . . . . . . . 29 2. Aufsichtsratspräsidium . . . . . . . . 31 3. Vermittlungsausschuss . . . . . . . . 33 4. Prüfungsausschuss . . . . . . . . . . . 34 5. Nominierungsausschuss . . . . . . . 37
1. Größe des Ausschusses . . . . . . . . 14 Schrifttum: Altmeppen, Der Prüfungsausschuss – Arbeitsteilung im Aufsichtsrat, ZGR 2004, 390; Deckert, Effektive Überwachung der AG-Geschäftsführung durch Ausschüsse des Aufsichtsrates, ZIP 1996, 985; Dreher, Die Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder, in FS Boujong, 1996, S. 71; Feddersen, Neue gesetzliche Anforderungen an den Aufsichtsrat, AG 2000, 385; Hoffmann-Becking, Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen einer Verbesserung der Arbeit des Aufsichtsrats, in FS Havermann, 1995, S. 229; Huwer, Der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats, 2008; Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, 1981; Krieger, Zum Aufsichtsratspräsidium, ZGR 1985, 338; Lehmann, Aufsichtsratsausschüsse, DB 1979, 2117; Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006; Lutter, Defizite für eine effiziente Aufsichtsratstätigkeit und gesetzliche Möglichkeiten der Verbesserung, ZHR 159 (1995), 287; Mertens, Verfahrensfragen bei Personalentscheidungen des mitbestimmten Aufsichtsrats, ZGR 1983, 189, 200; Möllers, Professionalisierung des Aufsichtsrates, ZIP 1995, 1725; Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung in der mitbestimmten AG, 1982; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, 1986; Säcker, Aufsichtsratsausschüsse nach dem MitbestG, 1979; Scheffler, Aufgaben und Zusammensetzung von Prüfungsausschüssen (Audit Committees), ZGR 2003, 236; Semler, Ausschüsse des Aufsichtsrats, AG 1988, 60; Spindler, Die Empfehlungen der EU für den Aufsichtsrat und ihre deutsche Umsetzung im Corporate Governance Kodex, ZIP 2005, 2033; E. Vetter, Update des Deutschen Corporate Governance Kodex, BB 2005, 1689; E. Vetter, Die Änderungen 2007 des Deutschen Corporate Governance Kodex, DB 2007, 1963.
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Aufsichtsrat
I. Kompetenzen 1. Bedeutung und Aufgabe 1
Der Aufsichtsrat kann zur Wahrnehmung seiner Aufgaben nach § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG Ausschüsse bilden. Sie sind auf Grund ihrer geringeren Mitgliederzahl in der Lage, flexibler zu reagieren und die ihnen übertragenen Aufgaben nicht nur diskret sondern in der Regel auch schneller, konzentrierter und professioneller als das Plenum zu erledigen1. Mit der Einsetzung von Aufsichtsratsausschüssen kann damit zum Teil auch der verbreiteten Kritik über die Ineffizienz der Aufsichtsräte entgegengetreten werden, soweit diese auf die Größe des Aufsichtsrates von bis zu 20 oder 21 Mitglieder gestützt wird2. Bei der überschaubaren Größe eines Aufsichtsratsausschusses kann davon ausgegangen werden, dass sich die Mitglieder stärker mit ihrer Aufgabenstellung identifizieren. Andererseits darf durch die Aufgabendelegation keine Entleerung der Arbeit des Aufsichtsratsplenums stattfinden und auch die notwendige Information des Plenums über die Tätigkeit des Ausschusses muss gewährleistet werden.
2
Der Aufsichtsrat von börsennotierten Gesellschaften hat nach § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG im Bericht an die Hauptversammlung die Einsetzung von Aufsichtsratsausschüssen mitzuteilen. Nachdem Ziff. 5.3.1 Satz 1 Deutscher Corporate Governance Kodex in Abhängigkeit von den spezifischen Gegebenheiten des Unternehmens und der Aufsichtsratsgröße die Bildung von fachlich qualifizierten Ausschüssen zur Steigerung der Effizienz der Aufsichtsratsarbeit ausdrücklich empfiehlt, ist zu erwarten, dass die Ausschusstätigkeit in Zukunft weiter an Bedeutung zunehmen und zum festen Bestandteil guter Corporate Governance gehören wird. 2. Ausschussformen
3
In der Praxis finden sich Aufsichtsratsausschüsse mit unterschiedlichen Rechten und Funktionen3. Vorbereitende Ausschüsse haben die ihnen zugewiesenen Angelegenheiten zu prüfen und für die endgültige Beschlussfassung durch das Aufsichtsratsplenum Entscheidungsvorschläge zu erarbeiten. Beschlusskompetenzen des Aufsichtsrates zur abschließenden Entscheidung in der Sache stehen ihnen nicht zu. Davon zu unterscheiden sind entscheidende Ausschüsse, die die ihnen zugewiesenen Angelegenheiten an Stelle des Aufsichtsratsplenums endgültig und abschließend entscheiden. Zur Entlastung des Aufsichtsratsplenums und im Interesse einer effizienten Aufsichtsratstätigkeit regt Ziff. 5.3.5 Deutscher Corporate Governance Kodex gerade die Einsetzung entscheidender Ausschüsse an. Seltener sind überwachende Ausschüsse. Für Gesellschaften im Geltungsbereich des MitbestG ist die Bildung des so genannten Vermittlungsausschusses als ständigem Ausschuss nach § 27 Abs. 3 MitbestG zwingend4, der in der Praxis allerdings nur in seltenen Ausnahmefällen tätig wird.
1 Deckert, ZIP 1996, 985, 987; Hoffmann-Becking in FS Havermann, 1995, S. 229, 236; Lutter, AG 1994, 176, 177; Möllers, ZIP 1995, 1725, 1731; kritisch demgegenüber Claussen/Bröcker, AG 2000, 481, 491; Sünner, AG 2000, 492, 496. 2 Vgl. auch Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 56. 3 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 2; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 99; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 9 ff.; Semler, AG 1988, 60, 61. 4 Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 27 MitbestG Rz. 44; Raiser, § 27 MitbestG Rz. 35; Ulmer/ Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 27 MitbestG Rz. 21.
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§ 28
Ausschüsse
II. Einsetzung 1. Beschluss des Aufsichtsrates Zur Einsetzung eines Ausschusses ist ausschließlich der Aufsichtsrat befugt. Die Einsetzung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Aufsichtsrates, der eigenverantwortlich zu entscheiden hat, ob er seine Aufgaben im Aufsichtsratsplenum oder im Wege der Arbeitsteilung und Delegation durch einen oder mehrere Ausschüsse erledigen will und welche speziellen Kompetenzen dem Ausschuss eingeräumt werden sollen1.
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Weit verbreitet und zulässig ist, die Einrichtung von Aufsichtsratsausschüssen bereits in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates zu regeln2. Der Aufsichtsrat hat dann jeweils nach seiner Konstituierung die einzelnen Ausschussmitglieder für die neue Amtsperiode des Aufsichtsrates zu wählen. Bei aktuellem Handlungsbedarf kommt unabhängig von einer bestehenden Geschäftsordnung auch die Einsetzung eines Ausschusses durch einen Ad hoc-Beschluss des Aufsichtsrates in Betracht. Schließlich kann der Aufsichtsrat jederzeit einem bereits bestehenden Ausschuss aus aktuellem Anlass durch Beschluss weitere Zuständigkeiten, z.B. im Fall einer Beteiligungsakquisition oder bei einer Kapitalerhöhung hinsichtlich der Zustimmung nach § 204 Abs. 1 Satz 2 AktG3 übertragen. Der Beschluss des Aufsichtsrates über die Einsetzung eines Ausschusses bedarf in jedem Fall nur der einfachen Mehrheit4.
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2. Gesetzliche Anordnung Nach § 27 Abs. 3 MitbestG hat der Aufsichtsrat unmittelbar nach seiner Konstituierung einen ständigen Ausschuss, den so genannten Vermittlungsausschuss, einzusetzen, der dem Plenum Beschlussvorschläge zur Besetzung des Vorstandes vorzulegen, falls im ersten Wahlgang eine Personalentscheidung des Plenums die nach § 31 Abs. 3 und 5 MitbestG erforderliche Mehrheit von zwei Drittel der Stimmen nicht erreicht hat (vgl. dazu oben § 19 Rz. 12). Der Ausschuss besteht zwingend aus vier Mitgliedern5. Ihm gehören der Vorsitzende des Aufsichtsrates und sein Stellvertreter kraft Gesetzes als Mitglieder an. Die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner und der Arbeitnehmer wählen in separaten Wahlgängen mit einfacher Mehrheit jeweils ein weiteres Mitglied6. Die Aufgabenzuweisung nach § 31 Abs. 3 und 5 MitbestG
1 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 – „Siemens“, BGHZ 83, 106, 115; BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 353; Krieger, ZGR 1985, 338, 361; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 100; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 14; Säcker, Aufsichtsratsausschüsse, S. 32; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 93. 2 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 16; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 79 ff.; Säcker, Aufsichtsratsausschüsse, S. 32; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 124; a.A. Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 25 MitbestG Rz. 14. 3 Vgl. Hirte in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 202 AktG Rz. 167; Krieger in MünchHdb. AG, § 58 Rz. 29; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1989, § 202 Rz. 23. 4 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 16; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 101; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 76. 5 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 27 MitbestG Rz. 17; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 27 MitbestG Rz. 23; Raiser, § 27 MitbestG Rz. 35. 6 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 27 MitbestG Rz. 28; Raiser, § 27 MitbestG Rz. 34; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 27 MitbestG Rz. 22.
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ist nicht abschließend, so dass dem Vermittlungsausschuss noch weitere Aufgaben übertragen werden können1. Bei der Wahrnehmung dieser Kompetenzen unterliegt er den allgemeinen Regeln über die Arbeitsweise eines Ausschusses2. 3. Anordnungen der Hauptversammlung 7
Das Gesetz geht von der Organisationsautonomie des Aufsichtsrates hinsichtlich der Einsetzung und Besetzung von Aufsichtsratsausschüssen aus. Damit scheiden sowohl Satzungsbestimmungen als auch Beschlüsse der Hauptversammlung zur Bildung eines bestimmten Ausschusses wie z.B. des Aufsichtsratspräsidiums oder zur Festlegung der Größe und zur Ausschusszugehörigkeit bestimmter Aufsichtsratsmitglieder oder zur Beachtung eines bestimmten Gruppenproporzes aus3.
III. Delegationsverbote 1. Ausdrückliche gesetzliche Delegationsverbote 8
Soweit es um die Einrichtung eines vorbereitenden Ausschusses geht, sieht das AktG keine Delegationsverbote vor. Anders ist dies für Ausschüsse mit Entscheidungskompetenz. § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG enthält einen Katalog von Aufgaben, die zwingend dem Aufsichtsratsplenum zur Erledigung zugewiesen sind und die nicht an einen Ausschuss delegiert werden können. Zu den in der Praxis wichtigsten Aufgaben, die dem Aufsichtsratsplenum vorbehalten sind, zählen die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters (§ 107 Abs. 1 AktG), die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern (§ 84 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 AktG) sowie der Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand (§ 77 Abs. 2 Satz 1 AktG). Zu nennen ist weiterhin die Festlegung von zustimmungspflichtigen Geschäften (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG), die Prüfung des Jahresabschlusses und Lageberichts sowie die Prüfung des Konzernabschlusses und Konzernlageberichts (§ 171 Abs. 1 AktG) sowie die Billigung des Jahresabschlusses und des Konzernabschlusses (§ 171 Abs. 2 Satz 4 und 5 AktG). Im faktischen Konzern ist auch die Prüfung des Berichts des Vorstandes über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen (§ 314 Abs. 2 und 3 AktG) als nicht delegationsfähige Aufgabe des Aufsichtsrates zu nennen. 2. Ungeschriebene Delegationsverbote
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Der Katalog der dem Plenum zwingend vorbehaltenen Aufgaben in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG hat keinen abschließenden Charakter. Es besteht Einigkeit, dass nur das Aufsichtsratsplenum selbst Entscheidungen über seine eigene innere Ordnung
1 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 27 MitbestG Rz. 17; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 27 MitbestG Rz. 26. 2 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 739; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 27 MitbestG Rz. 17; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 27 MitbestG Rz. 25. 3 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 – „Siemens“, BGHZ 83, 106, 115; BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 353; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 16; Hüffer, § 107 AktG Rz. 16; Lehmann, AG 1977, 14, 15; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 69; a.A. Leyens, Information, S. 244; Lutter, ZGR 2001, 224, 230.
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und Arbeitsweise treffen kann1. Dazu zählt z.B. die Einsetzung und Besetzung von Aufsichtsratsausschüssen (§ 107 Abs. 3 Satz 1 AktG)2 sowie die Rückgängigmachung einer beschlossenen Delegation an einen Aufsichtsratsausschuss3. Ein Delegationsverbot besteht auch hinsichtlich der Entscheidung über die Abgabe der Entsprechenserklärung des Aufsichtsrates nach § 161 AktG (vgl. dazu im Einzelnen oben § 2 Rz. 67). Die Entsprechenserklärung greift, soweit die Verhaltensempfehlungen des Kodex die zukünftige Amtsführung des Aufsichtsrats betreffen, in die Verantwortung sowie die innere Ordnung und Arbeitsweise des Aufsichtsrates als Organ wie auch in die Individualrechte der einzelnen Mitglieder ein. Solche Entscheidungen müssen vom Aufsichtsratsplenum wahrgenommen werden, dem auch die Zuständigkeit für die eventuelle Transformation der Empfehlungen in interne Regelungen zusteht4.
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Auch wenn die allgemeine Überwachungspflicht des Aufsichtsrates nicht in § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG erwähnt ist, besteht doch allgemeine Übereinstimmung, dass sie als wesentlicher Bestandteil seiner gesetzlichen Überwachungsaufgabe nach § 111 Abs. 1 AktG vom Delegationsverbot erfasst wird5. Der Kern der Überwachungsaufgabe lässt sich den Berichtspflichten des Vorstandes nach § 90 Abs. 1 AktG entnehmen. Wie sich nicht zuletzt auch aus dem Gedanken von § 111 Abs. 5 AktG entnehmen lässt, hat der Aufsichtsrat diese Pflicht als Plenaraufgabe wahrzunehmen und kann sie nicht generell und pauschal, sondern nur für bestimmte Teilbereiche und Sonderaufgaben delegieren.
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Die regelmäßige Überprüfung der Effizienz der Tätigkeit des Aufsichtsrats (Ziff. 5.6 Deutscher Corporate Governance Kodex) kann ebenfalls nicht auf einen Ausschuss delegiert werden, sondern muss vom Aufsichtsratsplenum wahrgenommen werden. Aus der Natur der Sache ist die ernsthafte kritische Selbsteinschätzung der eigenen Arbeit des Aufsichtsrates, die sich auf alle Aufgaben des Plenums einschließlich der Arbeit der Ausschüsse erstreckt sowie die regelmäßige Prüfung seiner effizienten und funktionsgerechten Organisation nur durch die Gesamtheit aller Aufsichtsratsmitglieder möglich (vgl. dazu im Einzelnen § 27 Rz. 83).
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3. Folgen des Delegationsverbotes Soweit ein Delegationsverbot besteht, kann ein Aufsichtsratsausschuss keine wirksamen Beschlüsse an Stelle des Aufsichtsratsplenums vornehmen. Im Rahmen seiner Aufgabe der Vorbereitung der endgültigen Entscheidung des Aufsichtsratsplenums hat der vorbereitende Ausschuss Informationen zu sammeln, auszuwerten und zu gewichten. Zwangsläufig sind mit dieser Tätigkeit auch wertende Entscheidungen verbunden, die sich auf die spätere Entscheidung des Plenums präjudizierend auswirken 1 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 746; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 81; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 17; Semler, AG 1988, 60, 61; Ulmer/Habersack in Ulmer/ Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 131. 2 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 3a; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 746; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 154; a.A. Lehmann, AG 1977, 14, 16. 3 OLG Hamburg v. 29.9.1995 – 11 U 20/95, AG 1996, 84, 85; Hüffer, § 107 AktG Rz. 18; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 154; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 131. 4 Lutter in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2006, § 161 AktG Rz. 43; Krieger in FS Ulmer, 2003, S. 365, 376; Seibt, AG 2002, 249, 253. 5 OLG Hamburg v. 29.9.1995 – 11 U 20/95, AG 1996, 84; Hommelhoff in FS Werner, 1984, S. 315, 324; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 130; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 62; Semler, AG 1988, 60, 61.
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können. Dies macht die Einsetzung eines vorbereitenden Ausschusses im Bereich der dem Gesamtaufsichtsrat zwingend vorbehaltenen Aufgaben nicht unzulässig1, sondern führt nur zur gesteigerten Verantwortung der Ausschussmitglieder bei der Sachaufklärung und der Information des Aufsichtsratsplenums sowie bei der Vorlage des Entscheidungsvorschlages an das Plenum, das sich eine eigene Meinung zu bilden und eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen hat2.
IV. Besetzung 1. Größe des Ausschusses 14
Über die Größe und Zusammensetzung eines Aufsichtsratsausschusses entscheidet der Aufsichtsrat wie auch über die Grundsatzfrage der Einsetzung eines Ausschusses im Rahmen seiner Organisationsautonomie nach pflichtgemäßem Ermessen unter Beachtung der Gesichtspunkte der sachlichen Anforderungen an die Ausschusstätigkeit und der Effizienz der Erledigung der Aufgaben, ohne dass die Satzung insoweit entgegen dem Sinn und Wortlaut von § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG Vorgaben machen kann3. Für den Beschluss des Aufsichtsrates genügt die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. In paritätisch mitbestimmten Gesellschaften erfolgt die Wahl nicht im Verfahren nach § 27 MitbestG, sondern nach § 29 MitbestG, wobei dem Aufsichtsratsvorsitzenden die Möglichkeit der Zweitstimme offen steht4.
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Für Ausschüsse mit bloßen Vorbereitungs-, Überwachungs-, oder Durchführungsaufgaben ohne Entscheidungskompetenzen bestehen keine gesetzlichen Mindestanforderungen an ihre Mitgliederzahl. Zulässig ist auch ein Ausschuss aus nur zwei Mitgliedern5.
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Ausschüsse mit Entscheidungsbefugnis, die an Stelle des Aufsichtsratsplenums endgültige Entscheidungen in der Sache treffen, müssen die gesetzlichen Bestimmungen über die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrates beachten. Aus § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG, der für die Beschlussfähigkeit die Teilnahme von mindestens drei Mitgliedern verlangt und der auf beschließende Ausschüsse entsprechend anzuwenden ist, ergibt sich damit, dass diese mindestens aus drei Mitgliedern bestehen müssen, da nur bei dieser Mindestgröße eine hohe Gewähr für eine sachgerechte und kollegiale Mei-
1 Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 49; Siebel in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 6 Rz. 24. 2 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 749; Mertens, ZGR 1983, 189, 199; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 48 ff., 206; Semler, AG 1988, 60, 65; vgl. zum Spezialfall der Personalentscheidung teilweise weitergehend Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 74 ff. 3 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 – „Siemens“, BGHZ 83, 106, 115, 118; BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 355; OLG Hamburg v. 29.9.1995 – 11 U 20/95, AG 1996, 84, 85; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 17; Lehmann, DB 1979, 2117, 2119; Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung, S. 312. 4 Hoffmann/Lehmann/Weinmann, § 25 MitbestG Rz. 38; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 56; Ulmer/ Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 123; Zöllner in FS Zeuner, 1994, S. 161, 181; a.A. Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 29 MitbestG Rz. 41; Säcker, Aufsichtsratsausschüsse, S. 56 ff. 5 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 29 MitbestG Rz. 33; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 102; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 88; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 125; a.A. Semler, AG 1988, 60, 67; Spindler in Spindler/Stilz, § 107 AktG Rz. 89.
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nungsbildung des Gremiums unter Berücksichtigung möglichst aller maßgeblichen Gesichtspunkte gegeben ist1. 2. Personelle Zusammensetzung Die Ausschussmitglieder müssen nach § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG aus der Mitte des Aufsichtsrates gewählt werden. Bei der personellen Besetzung eines Ausschusses hat sich der Aufsichtsrat in Anwendung der Sorgfaltspflichten gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG an den dem Ausschuss zugewiesenen Aufgaben sowie grundsätzlich in erster Linie an der Qualifikation der zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder, insbesondere an ihren Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen und ihrer zeitlichen Verfügbarkeit zu orientieren2. Alle Aufsichtsratsmitglieder haben das gleiche passive Wahlrecht3.
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Für Gesellschaften mit einem mitbestimmten Aufsichtsrat besteht nach zutreffender Meinung im Geltungsbereich des DrittelbG4 und des MitbestG5 kein Gebot der proportionalen Besetzung des Ausschusses gegenüber der Besetzung des Aufsichtsratsplenums. Ebenso wenig besteht ein Anspruch der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer, in jedem Ausschuss mindestens mit einem Mitglied vertreten zu sein6. Das Recht auf Gleichbehandlung der Aufsichtsratsmitglieder gilt nur gegenüber dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied, nicht aber gegenüber der Aufsichtsratsbank, zu der es gehört7. Bei der Besetzung eines Ausschusses unterliegt der mitbestimmte Aufsichtsrat allerdings einem Diskriminierungsverbot, das sachwidrige Differenzierungen nach der Gruppenzugehörigkeit der Aufsichtsratsmitglieder nicht zulässt. Allgemeine Erwägungen oder etwa Regelungen in einer Aufsichtsratsgeschäftsordnung, die den pauschalen Ausschluss von Arbeitnehmervertretern in einem Aufsichtsratsausschuss vorsehen, führen wegen fehlerhaften Organisationsermessens zur Nichtigkeit des ent-
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1 BGH v. 23.10.1975 – II ZR 90/73 – „Rütgers“, BGHZ 65, 190, 192; BGH v. 19.12.1988 – II ZR 74/88, AG 1989, 129, 130; BGH v. 27.5.1991 – II ZR 87/90, AG 1991, 398, 399; HoffmannBecking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 18; Hüffer, § 107 AktG Rz. 17; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 94. 2 Dreher in FS Boujong, 1996, S. 71, 87; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 17; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 57; Zöllner in FS Zeuner, 1994, S. 161, 177. 3 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 – „Siemens“, BGHZ 83, 106, 113; BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 358; Dreher in FS Boujong, 1996, S. 71, 92; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 19; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 55. 4 LG Passau v. 31.5.1994 – HK O 75/93 – „Vogt electronic AG“, AG 1994, 428; HoffmannBecking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 21; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 278. 5 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81 – „Dynamit Nobel“, BGHZ 83, 144, 148; BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 357; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 22; Hüffer, § 107 AktG Rz. 21; Semler, AG 1988, 60, 63; Wlotzke/ Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 29 MitbestG Rz. 38; a.A. Geitner, AG 1976, 210, 211. 6 OLG München v. 27.1.1995 – 23 U 4282/94 – „Vogt electronic AG“, AG 1995, 466, 467; Altmeppen in FS Brandner, 1996, S. 3, 8; Jaeger, ZIP 1995, 1735, 1736; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005 § 107 Rz. 279; Zöllner in FS Zeuner, 1994, S. 161, 164; a.A. Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 29 MitbestG Rz. 38; Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung, S. 342; Wiedemann, GesR I, S. 615; offengelassen in BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 358. 7 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81 – „Dynamit Nobel“, BGHZ 83, 144, 147; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 157.1; Kindl, DB 1993, 2065, 2069.
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sprechenden Aufsichtsratsbeschlusses1. Im Allgemeinen wird man deshalb von einer Diskriminierungsvermutung auszugehen haben, wenn die Arbeitnehmerseite von der Beteiligung an allen Aufsichtsratsausschüssen ausgeschlossen ist. Gleiches gilt für einen Personalausschuss oder einen Präsidialausschuss in einem nach dem MitbestG gebildeten Aufsichtsrat, dem wesentliche Kompetenzen zugewiesen sind (z.B. Entscheidungen über Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) und der unter anderem auch für die Arbeitnehmer wichtige Angelegenheiten endgültig zu entscheiden hat2. Die Diskriminierungsvermutung kann von der Gesellschaft widerlegt werden, indem sie nachweist, dass die Ausschussbesetzung durch objektive, sachliche Gründe insbesondere die mangelnde Fachkompetenz der Arbeitnehmervertreter für die im Ausschuss anstehenden Aufgaben gerechtfertigt ist3. Bei einem Ausschuss, der sich z.B. mit zentralen Belegschaftsinteressen und Fragen der Sozialpolitik befasst, scheidet eine Rechtfertigung zum Ausschluss der Arbeitnehmerseite regelmäßig aus4. Stattdessen kann ein Ausschluss von Arbeitnehmervertretern bei Fach- und Spezialausschüssen, wie z.B. dem Kreditausschuss der Banken, eher in Betracht kommen, denn eine Verbesserung der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrates durch die Bildung von Ausschüssen für Spezialaufgaben kann nur erreicht werden, wenn die Ausschussmitglieder auch über die nötigen Fachkenntnisse verfügen5. Im Geltungsbereich des MitbestG hat der BGH die ohne Berücksichtigung der Arbeitnehmervertreter erfolgte Besetzung eines Personalausschusses, der die Entscheidung über den dem Aufsichtsratsplenum zur Vorstandsbestellung vorzuschlagenden Kandidaten trifft, als diskriminierend eingestuft6. Dabei ergibt sich die Diskriminierung der Arbeitnehmervertreter nicht nur aus der Vorenthaltung von Mitspracherechten, sondern auch dadurch, dass sie von wichtigen Informationen abgeschnitten werden können, ohne dass dies durch Teilnahmerechte nach § 109 Abs. 2 AktG effektiv verhindert werden kann7. Keine Diskriminierung besteht nach dem Rechtsgedanken von § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG, wenn der von Ziff. 5.3.3 Deutscher Corporate Governance Kodex empfohlene Nominierungsausschuss ausschließlich mit Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner besetzt wird8.
1 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 351; OLG München v. 27.1.1995 – 23 U 4282/94 – „Vogt electronic AG“, AG 1995, 466, 467; LG Frankfurt v. 19.12.1995 – 2/14 O 183/95 – „Deutsche Börse AG“, ZIP 1996, 1661, 1664; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 108. 2 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 358; OLG München v. 27.1.1995 – 23 U 4282/94 – „Vogt electronic AG“, AG 1995, 466, 467; Altmeppen in FS Brandner, 1996, S. 3, 9; Hüffer, § 107 AktG Rz. 21; Semler, AG 1988, 60, 63. 3 Kindl, DB 1993, 2065, 2070; Oetker, ZGR 2000, 19, 50; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 55; Semler, AG 1988, 60, 63; Zöllner in FS Zeuner, 1994, S. 161, 186. 4 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 21; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 110. 5 Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 84; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 127b. 6 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 358; zustimmend Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 108. 7 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 361; LG Frankfurt v. 19.12.1995 – 2/14 O 183/95 – „Deutsche Börse AG“, ZIP 1996, 1661, 1663; Henssler in 50 Jahre BGH, Festgabe der Wissenschaft, 2000, S. 387, 397; Säcker, ZHR 148 (1984), 153, 181. 8 E. Vetter, DB 2007, 1963, 1967; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 129.
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V. Innere Ordnung und Arbeitsweise 1. Regelung der inneren Ordnung Die gesetzlichen Bestimmungen zur inneren Ordnung und Arbeitsweise von Aufsichtsratsausschüssen behandeln nur Einzelfragen. Die Satzung kann einzelne Fragen in demselben Umfang wie für den Gesamtaufsichtsrat regeln, sofern dabei die Organisationsautonomie des Aufsichtsrates zur Einrichtung und Besetzung von Ausschüssen respektiert wird1. Im Übrigen ist die nähere Ausgestaltung der inneren Ordnung von Ausschüssen grundsätzlich Sache des Aufsichtsrates. Im Zweifel gelten die Bestimmungen des Gesetzes, der Satzung und der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates auch für einen Ausschuss.
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a) Ausschussvorsitz Der Vorsitzende eines Aufsichtsratsausschusses hat als Leiter dieses Gremiums mit wenigen Ausnahmen im Grundsatz die gleichen Rechte und sitzungsleitenden Befugnisse wie der Vorsitzende des Aufsichtsrates2. Das gesetzliche Zweitstimmrecht nach § 29 Abs. 2 MitbestG steht ihm nicht zu3. Durch die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates kann ihm jedoch ein Zweitstimmrecht für den Fall der Stimmengleichheit im Ausschuss eingeräumt werden4.
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Die Satzung kann den Aufsichtsratsvorsitzenden weder zum Mitglied kraft Amtes in allen Ausschüssen bestimmen5 noch kann sie vorsehen, dass er automatisch Vorsitzender eines Aufsichtsratsausschusses ist, dem er als Mitglied angehört6. Im Unterschied zur Regelung von § 107 Abs. 1 Satz 1 AktG für die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden durch den Gesamtaufsichtsrat besteht auch keine gesetzliche Verpflichtung, einen Ausschussvorsitzenden zu wählen. Die Wahl ist aber aus praktischen Gründen der Ausschussarbeit meist unabdingbar. Auch Ziff. 5.3.1 Satz 3 Deutscher Corporate Governance Kodex geht davon aus, dass Aufsichtsratsausschüsse im Regelfall einen Vorsitzenden haben, wobei Ziff. 5.2 Abs. 2 Deutscher Corporate Governance Kodex empfiehlt, dass der Aufsichtsratsvorsitzende in jedem Fall den Vorsitz im Ausschuss für die Behandlung der Vorstandsverträge sowie im Ausschuss zur Vorbereitung der Aufsichtsratssitzungen innehat. Der Ausschussvorsitzende wird im Regelfall vom Aufsichtsratsplenum gewählt, das die Wahl aber auch dem Ausschuss überlassen kann7. Im paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat wird der Ausschussvorsitzende mit der einfachen Stimmenmehrheit gewählt, ohne dass das Ver-
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1 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 – „Siemens“, BGHZ 83, 106, 118; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 25; Hüffer, § 107 AktG Rz. 21; Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung, S. 366. 2 Hüffer, § 107 AktG Rz. 19; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 117. 3 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81 – „Dynamit Nobel“, BGHZ 83, 144, 148; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 117; Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung, S. 358; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 57. 4 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 – „Siemens“, BGHZ 83, 106, 117; BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81 – „Dynamit Nobel“, BGHZ 83, 144, 147; Hüffer, § 107 AktG Rz. 22; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 93; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 161. 5 Hopt/Roth in Großkomm. AktG 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 256; Semler, AG 1988, 60, 63; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 121. 6 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 26; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 763; a.A. Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung, S. 369; Siebel in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 6 Rz. 77. 7 Hopt/Roth in Großkomm. AktG 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 417; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 763; Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung, S. 369.
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Aufsichtsrat
fahren nach § 27 MitbestG anzuwenden ist1. Dem Aufsichtsratsvorsitzenden steht in diesem Fall bei der Wahl des Ausschussvorsitzenden das Zweitstimmrecht nach § 29 Abs. 2 MitbestG zu. b) Beschlussfassung 22
Für die Beschlussfähigkeit von Ausschüssen gelten im Grundsatz die allgemeinen Vorschriften, sofern dem Ausschuss die Befugnis eingeräumt ist, an Stelle des Aufsichtsratsplenums endgültig zu entscheiden. Danach ist § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG entsprechend anzuwenden, so dass in jedem Fall mindestens drei Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen müssen2. Da Ausschüsse meist nur drei Mitglieder haben, bedeutet dies, dass die Beschlussfähigkeit nur gegeben ist, wenn sich sämtliche Ausschussmitglieder an der Beschlussfassung beteiligen. Unter dem Vorbehalt der Beachtung dieser Mindestanforderung kann die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates für größere Ausschüsse auch ein höheres oder niedrigeres Quorum festlegen. Fehlt eine besondere Regelung, müssen in entsprechender Anwendung der § 108 Abs. 2 Satz 2 AktG und § 28 Satz 2 MitbestG mindestens die Hälfte der Mitglieder des Ausschusses teilnehmen3. Die Beschlüsse eines Ausschusses erfolgen mit einfacher Stimmenmehrheit, sofern der Aufsichtsrat in der Geschäftsordnung oder durch Einzelbeschluss nichts anderes beschlossen hat4. Dies gilt auch für Gesellschaften, auf die das MitbestG anzuwenden ist5. Dem Ausschussvorsitzenden kann durch die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates und nach herrschender Meinung auch durch die Satzung ein Recht zum Stichentscheid für Pattsituationen eingeräumt werden, das nicht zwingend dem Zweitstimmrecht nach § 29 Abs. 2 MitbestG nachgebildet sein muss6 und das dem Ausschussvorsitzenden auch dann zugebilligt werden kann, wenn er nicht zugleich auch Vorsitzender des Aufsichtsrates ist7. c) Teilnahmerechte
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Grundsätzlich steht allen Aufsichtsratsmitgliedern die Möglichkeit der Teilnahme an Ausschusssitzungen offen. Die Satzung kann keine Teilnahmebeschränkungen anordnen8. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates kann jedoch die Teilnahme von nicht dem Ausschuss angehörenden Aufsichtsratsmitgliedern beschränken oder ganz ausschlie-
1 Raiser, § 25 MitbestG Rz. 56; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 163; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 128. 2 BGH v. 23.10.1975 – II ZR 90/73 – „Rütgers“, BGHZ 65, 190, 192; BGH v. 19.12.1988 – II ZR 74/88, AG 1989, 129, 130; BGH v. 27.5.1991 – II ZR 87/90, AG 1991, 398, 399; HoffmannBecking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 30; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 94. 3 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 30; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 118; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 168. 4 Hopt/Roth in Großkomm. AktG 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 424; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 120. 5 Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung, S. 357; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/ Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 136. 6 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 – „Siemens“, BGHZ 83, 106, 117; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 31; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 768; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 66. 7 BGH v. 25.2.1982 – ZR II 102/81 – „Dynamit Nobel“, BGHZ 83, 144, 150; Hüffer, § 107 AktG Rz. 22; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 136. 8 Hüffer, § 109 AktG Rz. 6; Säcker, Aufsichtsratsausschüsse, S. 47.
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Ausschüsse
ßen (§ 109 Abs. 2 AktG), sofern nicht der Aufsichtsrat diese Entscheidung aufhebt1. Dem Ausschussvorsitzenden steht diese Befugnis nicht zu2. Das Recht zur Teilnahme umfasst auch das Recht auf Einsichtnahme in alle Sitzungsunterlagen der betreffenden Ausschusssitzung einschließlich der vom Vorstand hierfür vorgelegten Berichte und auf Erhalt des später zu erstellenden Sitzungsprotokolls3. Es erstreckt sich jedoch nicht auf Unterlagen früherer Ausschusssitzungen4. Macht der Aufsichtsratsvorsitzende von der Befugnis gemäß § 109 Abs. 2 AktG Gebrauch, nicht dem Ausschuss angehörenden Aufsichtsratsmitgliedern die Teilnahme an der Ausschusssitzung aus Gründen der Geheimhaltung zu untersagen, entfällt auch deren Recht auf Zugang zu den Sitzungsunterlagen5. Im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens hat der Aufsichtsratsvorsitzende unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Vertraulichkeit zu entscheiden, ob er die nicht dem Ausschuss angehörenden Ausschussmitglieder generell von der Sitzungsteilnahme ausschließt oder ob er ihnen als möglicherweise weniger einschneidende Maßnahme nur den Zugriff auf die Sitzungsunterlagen verwehrt6. Soweit der Aufsichtsratsvorsitzende die Teilnahme an der Ausschusssitzung auf die Ausschussmitglieder beschränkt hat, wie dies typischerweise für den Personalausschuss oder das Präsidium zutrifft, sind die Ausschussmitglieder auch gegenüber den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern zur Verschwiegenheit über den Inhalt der Beratungen des Ausschusses verpflichtet, da sonst das dem Aufsichtsratsvorsitzenden durch § 109 Abs. 2 AktG eingeräumte Recht, Teilnahmebeschränkungen anzuordnen, faktisch leerlaufen würde7. Die Unterrichtung des Aufsichtsratsplenums nach § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG liegt in diesen Fällen ausschließlich in den Händen des Ausschussvorsitzenden.
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2. Überwachung der Ausschüsse und Berichtspflichten Die Delegation von einzelnen Teilbereichen der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates nach § 111 Abs. 1 AktG auf einen Ausschuss führt nicht dazu, dass sich auch die Gesamtverantwortung aller Aufsichtsratsmitglieder grundlegend ändert und das Aufsichtsratsplenum insoweit von der gesetzlichen Überwachungsaufgabe völlig entlastet wird8. Vielmehr wird die allgemeine Überwachungspflicht des Aufsichtsrates, die auch die nicht dem Ausschuss angehörenden Aufsichtsratsmitglieder zu beachten haben, für diese durch die Ausschussbildung teilweise inhaltlich modifiziert. Im Üb1 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 766; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 231; a.A. Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 109 AktG Rz. 20; Spindler in Spindler/Stilz, § 107 AktG Rz. 111. 2 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 28; Leyens, Information, S. 281; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 150. 3 Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 157; Hüffer, § 109 AktG Rz. 6; Kindl, Die Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, 1993, S. 153; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 229. 4 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 765; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 229. 5 Deckert, ZIP 1996, 985, 992; Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 29 MitbestG Rz. 44; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 109 AktG Rz. 24; differenzierend Brinkschmidt, Protokolle des Aufsichtsrats, S. 163 ff. 6 Hopt/Roth in Großkomm. AktG 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 421; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 247 ff. 7 Deckert, ZIP 1996, 985, 992; Siebel in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 6 Rz. 126; zu weitgehend aber LG Düsseldorf v. 8.3.1988 – 36 O 138/87 – „SMS Schloemann Siemag“, AG 1988, 386, die Einrichtung eines Personalausschusses durch einstimmigen Beschluss des Plenums bedeute einen Verzicht auf Auskunftsrechte. 8 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005 § 107 AktG Rz. 296; Götz, NZG 2002, 599, 601; Semler, AG 1988, 60, 62.
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Aufsichtsrat
rigen bleibt der Gesamtaufsichtsrat ungeachtet der Aufgabendelegation an den Ausschuss weiterhin Herr des Verfahrens und kann die Angelegenheit durch Beschluss jederzeit sowohl bei einem vorbereitenden als auch bei einem entscheidenden Ausschuss wieder an sich ziehen und im Plenum behandeln1. Für die Überwachungspflichten und die Verantwortung der nicht dem Ausschuss angehörenden Aufsichtsratsmitglieder ist grundsätzlich danach zu differenzieren, ob es sich um einen vorbereitenden Ausschuss oder um einen Ausschuss mit Entscheidungsbefugnis handelt. Da der Ausschuss mit Entscheidungsbefugnis die ihm zugewiesenen Angelegenheiten an Stelle des Aufsichtsratsplenums endgültig und abschließend entscheidet, trifft die Aufsichtsratsmitglieder, soweit sie dem Ausschuss nicht angehören, keine Verantwortung mehr in der Sache, sondern nur noch die Verantwortung für die sachgerechte Auswahl ausreichend qualifizierter Ausschussmitglieder sowie für die allgemeine Überwachung der Erledigung der dem Ausschuss zugewiesenen Aufgaben2. Dazu gehört vor allem, dass sie sich durch regelmäßige Berichterstattung des Ausschusses gegenüber dem Aufsichtsratsplenum über die im Ausschuss getroffenen Entscheidungen von der ordnungsgemäßen Wahrnehmung der delegierten Aufgaben unter Beachtung des Gesetzes und der Satzung sowie eventueller Beschlüsse des Plenums überzeugen3. Die dem Ausschuss nicht angehörenden Aufsichtsratsmitglieder sind für einzelne Fehlentscheidungen des Ausschusses nicht verantwortlich, solange für sie keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass die Ausschussmitglieder ihren Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß nachgekommen sind4. Soweit es sich um einen vorbereitenden Ausschuss handelt, wird die endgültige Entscheidung in der Sache vom Gesamtaufsichtsrat unter Berücksichtigung der vom Ausschuss vorgelegten Vorschläge und Erläuterungen getroffen, so dass die Verantwortung für die Richtigkeit der Entscheidung auch unverändert beim Aufsichtsratsplenum und damit bei allen Aufsichtsratsmitgliedern liegt5. Sie haben darauf zu achten, dass die Berichterstattung des Ausschusses zusammen mit dem Beschlussvorschlag eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für eine eigenverantwortliche Entscheidung des Gesamtaufsichtsrates bildet. 26
Jeder Ausschusses hat die Verpflichtung, das Aufsichtsratsplenum über seine Arbeit regelmäßig und fortlaufend zu informieren (§ 107 Abs. 3 Satz 3 AktG)6. Die Information des Plenums, die normalerweise durch den Ausschussvorsitzenden jeweils in der nächsten ordentlichen Aufsichtsratssitzung zu erfolgen hat, kann sich grundsätzlich auf eine zusammenfassende Darstellung der wesentlichen Ergebnisse der Ausschusstätigkeit im vorangegangenen Berichtszeitraum beschränken7, solange nicht der Aufsichtsrat eine detaillierte Berichterstattung verlangt.
1 BGH v. 14.11.1983 – ZR II 33/83 – „Reemtsma“, BGHZ 89, 48, 56; OLG Hamburg v. 29.9.1995 – 11 U 20/95, AG 1996, 84, 85; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 125; Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung, S. 366; Spindler in Spindler/Stilz, § 107 AktG Rz. 110; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 131. 2 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 296; Semler, AG 1988, 60, 62; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 120. 3 OLG Hamburg v. 29.9.1995 – 11 U 20/95, AG 1996, 84, 85; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 128; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 159. 4 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005 § 107 Rz. 296. 5 Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 192; Semler, AG 1988, 60, 65; vgl. auch Dreher in FS Boujong, 1996, S. 71, 89. 6 Hommelhoff in FS Werner, 1984, S. 315; 330; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 128. 7 Ihrig/Wagner, BB 2002, 789, 793; Spindler in Spindler/Stilz, § 107 AktG Rz. 110.
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Ausschüsse
Die Einrichtung eines vorbereitenden Ausschusses lässt die Verantwortung des Aufsichtsrates für die Entscheidung in der Sache unberührt. Für die eigene Meinungsbildung und verantwortliche Entscheidung aller Aufsichtsratsmitglieder sind diese zwingend auf die rechtzeitige und vollständige Information des Plenums über alle entscheidungsrelevanten Tatsachen und die den Entscheidungsvorschlag tragenden Überlegungen und Wertungen durch den Aufsichtsratsausschuss angewiesen1. Dabei können die nicht dem Ausschuss angehörenden Aufsichtsratsmitglieder, soweit keine entgegenstehenden Anhaltspunkte bestehen, grundsätzlich darauf vertrauen, dass sie vom Ausschuss über alle relevanten Umstände, die für die Entscheidung des Plenums notwendig sind, rechtzeitig und ausreichend informiert werden2 und sich auf eine Prüfung der Nachvollziehbarkeit und Plausibilität des Entscheidungsvorschlages beschränken3. Die Information des Plenums schließt die Weiterleitung von schriftlichen Vorstandsberichten sowie die Information über mündliche Berichte und Erläuterungen des Vorstandes ein4.
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Der entscheidende Ausschuss tritt hingegen im Prozess der Entscheidungsfindung für den delegierten Aufgabenbereich an die Stelle des Aufsichtsratsplenums. Über die getroffenen Beschlüsse hat der Ausschuss im Plenum zu berichten. Weitergehende Informationswünsche von nicht dem Ausschuss angehörenden Aufsichtsratsmitgliedern sind nur beachtlich, wenn diese durch einen Mehrheitsbeschluss des Plenums unterstützt werden5 oder der Aufsichtsratsvorsitzende mit ihrer Beantwortung einverstanden ist6. Eine besondere Informationspflicht ergibt sich aus der Empfehlung in Ziff. 4.2.2 Satz 1 Deutscher Corporate Governance Kodex, nach der der Aufsichtsrat über die Struktur des Vorstandsvergütungssystems beraten und sie regelmäßig überprüfen soll, was die Information des Aufsichtsratsplenums über die Vergütungsgrundsätze und den Vergütungsrahmen durch das für die Vorstandsverträge zuständige Gremium voraussetzt.
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VI. Praktische Verbreitung von Aufsichtsratsausschüssen 1. Personalausschuss Regelmäßig verfügen alle Gesellschaften, die einen Aufsichtsrat mit 6 oder mehr Mitgliedern haben, über einen Personalausschuss. Dies entspricht auch der Empfehlung der EU-Kommission7. Ihm sind aus Gründen der besonderen Vertraulichkeit die Personalangelegenheiten der Vorstandsmitglieder zugewiesen. Die Gespräche zur Auswahl eines geeigneten Kandidaten für ein Vorstandsamt wie auch die Verhandlung des Anstellungsvertrages aber auch die Frage eines vorzeitigen Ausscheidens eines Vorstandsmitglieds machen eine diskrete Behandlung der Angelegenheit unabdingbar. 1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 24; Hoffmann-Becking in FS Stimpel, 1985, S. 589, 601; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 128. 2 Mertens, ZGR 1983, 189, 200; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 64. 3 Spindler in Spindler/Stilz, § 107 AktG Rz. 110. 4 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 779; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 207 ff.; einschränkend Leyens, Information, S. 281. 5 Götz, NZG 2002, 599, 601; Hoffmann-Becking in FS Stimpel, 1985, S. 589, 602; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 751; a.A. LG Frankfurt v. 19.12.1995 – 2/14 O 183/95 – „Deutsche Börse AG“, ZIP 1996, 1661, 1664. 6 Hoffmann-Becking in FS Stimpel, 1985, S. 589, 602; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 23b: analog § 109 Abs. 2 AktG. 7 Dokument 2005/162/EG vom 15.2.2005, ABl. EG Nr. L 52 v. 25.2.2005, S. 51; vgl. dazu z.B. Spindler, ZIP 2005, 2033, 2039; Leyens, Information, S. 275.
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Aufsichtsrat
Soweit es um die Bestellung oder Abberufung von Vorstandsmitgliedern geht, kann der Personalausschuss wegen des Delegationsverbots in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG nur in Vorbereitung für die Beschlussfassung des Aufsichtsratsplenums tätig werden1. Bei der Regelung der vertraglichen Angelegenheiten der Vorstandsmitglieder besteht hingegen kein Delegationsverbot, so dass der Personalausschuss z.B. über die Bedingungen des Anstellungsvertrages endgültig entscheidet2. Allerdings muss der Ausschuss das gesetzliche Delegationsverbot auch bei den ihm zur abschließenden Entscheidung übertragenen Angelegenheiten beachten und darf nicht durch vertragliche Regelungen, wie z.B. die Vereinbarung mit einem Vorstandsmitglied über dessen einvernehmliches Ausscheiden, das Aufsichtsratsplenum in seiner Entscheidungsautonomie über die Fortsetzung oder Beendigung der Stellung als Organmitglied faktisch präjudizieren3. Nach der Neufassung von Ziff. 4.2.2 Deutscher Corporate Governance Kodex soll der Personalausschuss das Vergütungssystem für den Vorstand einschließlich der wesentlichen Vertragselemente dem Aufsichtsratsplenum zur Beschlussfassung vorlegen. 30
Als Ausschuss mit Entscheidungskompetenz muss der Personalausschuss aus mindestens drei Mitgliedern bestehen4. Richtet sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrates nach dem MitbestG, so ist eine Ausschussbesetzung ohne Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer wegen ihres diskriminierenden Charakters regelmäßig unzulässig5. Dies gilt nicht in gleichem Maße bei einem Personalausschuss in einem nach dem DrittelbG gebildeten Aufsichtsrat, so dass die Besetzung ausschließlich mit Anteilseignervertretern zulässig ist6. Nach der Empfehlung der EU-Kommission soll die Mehrheit der Ausschussmitglieder unabhängig sein7. Vorsitzender des Personalausschusses ist in der Praxis regelmäßig der Vorsitzende des Aufsichtsrates. Dies entspricht auch der Empfehlung in Ziff. 5.2 Abs. 2 Deutscher Corporate Governance Kodex. 2. Aufsichtsratspräsidium
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In vielen Gesellschaften hat der Aufsichtsrat ein Aufsichtsratspräsidium gebildet8. Dem Präsidium obliegt vor allem die Vorbereitung der Aufsichtsratssitzungen und 1 BGH v. 25.2.1982 – ZR II 102/81 – „Dynamit Nobel“, BGHZ 83, 144, 150; Hoffmann-Becking in FS Havermann, 1995, S. 229, 236; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 95; eingehend Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 68 ff. 2 Hoffmann-Becking in FS Havermann, 1995, S. 229, 236; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 95; vgl. z.B. auch BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 353. 3 BGH v. 24.11.1980 – ZR II 182/79 – „Poullain/WestLB“, BGHZ 79, 38, 40; BGH v. 25.2.1982 – ZR II 102/81 – „Dynamit Nobel“, BGHZ 83, 144, 150; BGH v. 14.11.1983 – ZR II 33/83 – „Reemtsma“, BGHZ 89, 48, 55; Hoffmann-Becking in FS Stimpel, 1985, S. 589, 599; Hüffer, § 84 AktG Rz. 12; Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 68; Mertens, ZGR 1983, 189, 200; Säcker, BB 1979, 1321, 1322. 4 Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 81; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 94 Fn. 96. 5 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 358; Altmeppen in FS Brandner, 1996, S. 3, 9; Hüffer, § 107 AktG Rz. 21; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 120 ff.; Semler, AG 1988, 60, 63. 6 Altmeppen in FS Brandner, 1996, S. 3, 14; Hoffmann-Becking in FS Havermann, 1995, S. 229, 239. 7 Dokument 2005/162/EG vom 15.2.2005, ABl. EG Nr. L 52 v. 25.2.2005, S. 51; vgl. dazu z.B. Lieder, NZG 2005, 569, 570; Spindler, ZIP 2005, 2033, 2039. 8 Vgl. z.B. Krieger, ZGR 1985, 338; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 786; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 1099.
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Ausschüsse
die Koordination der Sitzungen der Ausschüsse sowie die ständige Fühlungnahme mit dem Vorstand. Der Aufsichtsratsvorsitzende sowie der oder gegebenenfalls die weiteren stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden sind geborene Mitglieder des Präsidiums1. Die weiteren Mitglieder des so genannten Vermittlungsausschusses nach § 27 Abs. 3 MitbestG sind nicht automatisch auch Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums2. Für die Größe des Präsidiums und die Wahl eventueller weiterer Mitglieder gelten die allgemeinen Grundsätze3. Soweit das Präsidium nur der Unterstützung und Entlastung des Aufsichtsratsvorsitzenden dient und einzelne seiner Aufgaben übernimmt, ist ein zweiköpfiges Gremium bestehend aus dem Aufsichtsratsvorsitzenden und seinem Stellvertreter ausreichend4. Werden ihm jedoch auch Aufgaben des Aufsichtsrates übertragen, wie nicht selten die typischen Funktionen des Personalausschusses oder die Zuständigkeit zur Entscheidung bei besonders eiligen zustimmungspflichtigen Geschäften, ist eine Besetzung mit drei Mitgliedern zwingend5.
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3. Vermittlungsausschuss Gesellschaften, die einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat haben, sind nach § 27 Abs. 3 MitbestG verpflichtet, einen so genannten Vermittlungsausschuss als ständige Einrichtung zu bilden, der zwingend aus vier Mitgliedern besteht. Der Aufsichtsratsvorsitzende und sein Stellvertreter sind Mitglieder kraft Amtes. Die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner und die der Arbeitnehmer wählen jeweils noch ein weiteres Mitglied6 (vgl. dazu im Einzelnen oben § 19 Rz. 12).
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4. Prüfungsausschuss In zunehmendem Umfang haben Gesellschaften einen Prüfungs- oder Bilanzausschuss eingerichtet, der in der Praxis vielfach auch als Audit Committee bezeichnet wird7. Seine Einsetzung bleibt nach dem Entwurf des BilMoG8 auch in kapitalmarktorientierten Unternehmen gemäß § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG freiwillig. Der Prüfungsausschuss soll die Effizienz der Aufsichtsratsarbeit steigern und ist regelmäßig für die Überwachung des Rechnungswesens, der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems
1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 8; Krieger, ZGR 1985, 338, 363; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 789; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 113. 2 Krieger, ZGR 1985, 338, 362; Paefgen, Struktur und Aufsichtsratsverfassung, S. 374; Raiser, § 27 MitbestG Rz. 37; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 129; a.A. Säcker, Aufsichtsratsausschüsse, S. 34. 3 Krieger, ZGR 1985, 338, 363; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 789; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 113. 4 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 8; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 97; a.A. Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 107 AktG Rz. 252. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 32 Rz. 8; Krieger, ZGR 1985, 338, 364; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 97. 6 Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 27 MitbestG Rz. 24; Gach in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 27 MitbestG Rz. 22. 7 Vgl. Altmeppen, ZGR 2004, 390 ff.; Ranzinger/Blies, AG 2001, 455 ff.; Scheffler, ZGR 2003, 236 ff. Vgl. allgemein Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 313 ff. 8 Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG), BR-Drucks. 344/08.
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§ 28
Aufsichtsrat
und des Risikomanagementsystems zuständig1. Dabei nimmt er für das Aufsichtsratsplenum teilweise vorbereitende Aufgaben aber teilweise auch Entscheidungsfunktionen wahr. 35
Typische Aufgabe ist es, den Jahresabschluss, Lagebericht, Konzernabschluss und Konzernlagebericht zur Vorbereitung der endgültigen Entscheidung des Aufsichtsratsplenums zu prüfen, den Vorschlag für den von der Hauptversammlung zu wählenden Abschlussprüfer zu erarbeiten und den Auftrag einschließlich des Prüferhonorars mit dem Abschlussprüfer zu verhandeln und nach dessen Bestellung durch die Hauptversammlung mit ihm den Vertrag abzuschließen. Weitere Aufgaben sind regelmäßig die Festlegung von Prüfungsschwerpunkten für die Abschlussprüfung, die Prüfung des Risikoüberwachungssystems2, die Compliance3, Fragen der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers4, die Koordination zwischen der Abschlussprüfung und der internen Revision5 und die Beobachtung und Verfolgung von besonderen Risiken, die sich im Laufe des Geschäftsjahres ergeben haben. Nach Ziff. 7.1.2 Deutscher Corporate Governance Kodex soll der Prüfungsausschuss neuerdings auch die Halbjahres- und etwaige Quartalsfinanzberichte mit dem Vorstand erörtern.
36
Ziff. 5.2 Abs. 2 Satz 2 Deutscher Corporate Governance Kodex regt zur Stärkung der Unabhängigkeit des Ausschusses ausdrücklich an, dass der Aufsichtsratsvorsitzende nicht den Vorsitz im Prüfungsausschuss übernehmen sollte und empfiehlt, dass der Ausschussvorsitzende über besondere Kenntnisse und Erfahrungen in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen und internen Kontrollverfahren verfügen soll6. Nach dem Entwurf des BilMoG7 müssen kapitalmarktorientierte Unternehmen gemäß § 107 Abs. 4 i.V.m. § 100 Abs. 5 AktG sicherstellen, dass dem Aufsichtsrat oder dem Prüfungsausschuss mindestens ein unabhängiges Mitglied angehört, das über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügt. Für die Beurteilung der Unabhängigkeit kann auf die Kommissionsempfehlung vom 15.2.2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften zurückgegriffen werden8.
1 Vgl. z.B. Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 157 v. 9.6.2006, S. 87; dazu z.B. Huwer, Prüfungsausschuss, S. 370 ff.; Lanfermann/Maul, DB 2006, 1505. 2 Huwer, Prüfungsausschuss, S. 134 ff.; Scheffler in FS Havermann, 1995, S. 651, 674; Schäfer, ZGR 2004, 416, 429. 3 Bürkle, BB 2007, 1797, 1799; E. Vetter, DB 2007, 1963, 1966; vgl. auch Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 246. 4 Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 992; Schäfer, ZGR 2004, 416, 426. 5 Scheffler, ZGR 2003, 236, 255; Siebel in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 6 Rz. 161. 6 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 491; Lieder, NZG, 2005, 569, 573; Spindler in Spindler/Stilz, § 107 AktG Rz. 127; E. Vetter, BB 2005, 1689, 1690. 7 Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG), BR-Drucks. 344/08. 8 Empfehlung der Kommission vom 15.2.2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern/börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats, ABl. EG Nr. L 52 v. 25.2.2005, S. 51; siehe dazu auch Hüffer, ZIP 2006, 637; Lieder, NZG 2005, 569; Spindler, ZIP 2005, 2033.
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E. Vetter
§ 29
Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes 5. Nominierungsausschuss
Ziff. 5.3.3 Deutscher Corporate Governance Kodex empfiehlt die Einrichtung eines Ausschusses, der die Personalvorschläge des Aufsichtsrates erarbeitet, die der Hauptversammlung nach § 124 Abs. 3 AktG zur Entscheidung vorgelegt werden1. Für die Erarbeitung der Vorschläge bedarf es eines Anforderungsprofils, das die auf das konkrete Unternehmen ausgerichteten Qualifikationsstandards und Unabhängigkeitsstandards formuliert2 und dabei sowohl Ziff. 5.4.1 Satz 1 Deutscher Corporate Governance Kodex als auch die Erkenntnisse der Effizienzprüfung berücksichtigt3. Nach dem Rechtsgedanken von § 124 Abs. 3 Satz 4 AktG werden die Mitglieder des Nominierungsausschusses ausschließlich von den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner aus ihren Reihen gewählt4.
§ 29 Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes I. Rechtsstellung . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1
1. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . .
1
2. Gleichheit und Unabhängigkeit a) Gleichheit . . . . . . . . . . . . . b) Unabhängigkeit . . . . . . . . . c) Höchstpersönliche Amtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
3 3 5
. .
8
3. Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 4. Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . b) Persönlicher Geltungsbereich der Verschwiegenheitspflicht . . . c) Typische Geheimnisse und vertrauliche Angaben . . . . . . . . . . aa) Geheimnisse . . . . . . . . . . bb) Vertrauliche Angaben . . . . . d) Reichweite der Satzungsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zwingender Charakter der Verschwiegenheitspflicht . . bb) Richtlinien . . . . . . . . . . . . e) Konfliktsituationen . . . . . . . . . f) Sanktionen . . . . . . . . . . . . . .
12 12 14 17 18 19 20 20 21 22 23
5. Loyalitäts- und Treuepflicht . . . . . 26
Rz. a) Das Aufsichtsratsamt als Nebenamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Interessenkollision . . . . . . . . . aa) Interessenkollision im Rahmen der Aufsichtsratstätigkeit . . . . . . . . . . . . . bb) Treuepflichten außerhalb der Aufsichtsratstätigkeit . . cc) Eigennützige Einflussnahme
26 27 27 29 30
6. Mitteilungspflichten als Unternehmensinsider . . . . . . . . . . . . . . . 31 7. Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . b) Festsetzung und Herabsetzung der Vergügung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Festsetzung der Vergütung . . bb) Herabsetzung der Vergütung c) Arten der Vergütung . . . . . . . . aa) Feste Vergütung . . . . . . . . bb) Variable Vergütung . . . . . . cc) Stock options . . . . . . . . . . d) Bemessung der Vergütung . . . . . e) Ersatz von Aufwendungen . . . . f) Steuerliche Behandlung der Aufsichtsratsvergütung . . . . . . . . .
32 32 33 33 36 37 38 40 42 46 51 52
1 E. Vetter, DB 2007, 1963, 1967; vgl. allgemein Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 107 AktG Rz. 327 ff.. 2 Vgl. Leyens, Information, S. 292 ff.; Kremer in Ringleb/Kremer/Luther/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 1005b. 3 Leyens, Information, S. 303; v. Werder/Wieczorek, DB 2007, 297, 302. 4 E. Vetter, DB 2007, 1963, 1967; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 107 AktG Rz. 129.
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§ 29
Aufsichtsrat
Rz. II. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Rz. 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 79
1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . 53 2. Haftungsgrundlage . . . . . . . . . . . 54
2. Gesetzlich geregelte Antrags- und Klagebefugnisse . . . . . . . . . . . . . 80
3. Objektiver Sorgfaltsmaßstab . . . . . 57 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . 57 b) Funktionsbezogene, personelle Differenzierungen . . . . . . . . . . 58
3. Klagen zur Durchsetzung von persönlichen Rechtsansprüchen außerhalb der organschaftlichen Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
4. Pflichtenkreis der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Personenbezogene Pflichten . . . 63 b) Funktionsbezogene Pflichten . . . 65
4. Klagen zur Durchsetzung der individuellen organschaftlichen Rechte und Pflichten des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . 82 a) Streit wegen Verletzung von Eigenrechten des Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . . . 85
5. Verfolgung von Ersatzansprüchen . a) Ansprüche im Innenverhältnis . . aa) Anspruchsberechtigter . . . . bb) Geltendmachung von Ersatzansprüchen . . . . . . . . . . . b) Ansprüche im Außenverhältnis .
68 68 68 69 71
6. Verzicht und Vergleich . . . . . . . . 74 7. Haftpflichtversicherung der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . 75 8. Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . 78 III. Klagerechte des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . 79
5. Klagen zur Durchsetzung der Rechte des Aufsichtsrates gegenüber einem anderen Organ . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Klagen des Aufsichtsratsmitglieds aus eigenem Recht . . . . . . . . . 87 b) Klagen des Aufsichtsratsmitglieds an Stelle des Aufsichtsrates . . . . 88
Schrifttum: Bayer, Aktionärsrechte und Anlegerschutz, in Hommelhoff/Lutter/Schön/ Schmidt/Ulmer (Hrsg.), Corporate Governance, 2002, S. 137; Berger, Die Kosten der Aufsichtsratstätigkeit in der AG, 1999; Bork, Passivlegitimation und gesetzliche Vertretung der AG bei Klagen einzelner Aufsichtsratsmitglieder, ZIP 1991, 137; Deckert, Klagemöglichkeiten einzelner Aufsichtsratsmitglieder, AG 1994, 457; Dreher, Die Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder, in FS Boujong, 1996, S. 71; Dreher, Der Abschluss von D & O Versicherungen und die aktienrechtliche Zuständigkeitsordnung, ZHR 165 (2001), 293; Feddersen, Neue gesetzliche Anforderungen an den Aufsichtsrat, AG 2000, 385; Götz, Die Überwachung der Aktiengesellschaft im Lichte jüngerer Unternehmenskrisen, AG 1995, 337; Henssler, D&O-Versicherung in Deutschland, RWS Forum Gesellschaftsrecht 2001, 2001, S. 131; Hommelhoff, Die Autarkie des Aufsichtsrats, ZGR 1983, 551; Kästner, Aktienrechtliche Probleme der D & O Versicherung, AG 2000, 113; Kindl, Die Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, 1993; Lewerenz, Leistungsklagen zwischen Organen und Organmitgliedern der AG, 1977; Lippert, Überwachungspflicht, Informationsrecht und gesamtschuldnerische Haftung des Aufsichtsrates nach dem AktG 1965, 1976; Lutter, Information und Vertraulichkeit, 3. Aufl. 2006; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, 1989; Mertens, Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern, in FS Steindorff, 1990, S. 173; Mertens, Bedarf der Abschluss einer D&O Versicherung durch die Aktiengesellschaft der Zustimmung der Hauptversammlung?, AG 2000, 447; Möllers, Professionalisierung des Aufsichtsrates, ZIP 1995, 1725; Mülbert, Die Stellung der Aufsichtsratsmitglieder, in Feddersen/Hommelhoff/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Corporate Governance, 1995 S. 99; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, 1994; Raiser, Klagebefugnisse einzelner Aufsichtsratsmitglieder, ZGR 1989, 44; Säcker, Anpassung von Satzungen und Geschäftsordnungen an das MitbestG 1976, 1977; Schiessl, Deutsche Corporate Governance post Enron, AG 2002, 593; Schwark, Corporate Governance: Vorstand und Aufsichtsrat, in Hommelhoff/Lutter/Schmidt/Schön/Ulmer (Hrsg.), Corporate Governance, 2002, S. 75; Seibt, Deutscher Corporate Governance Kodex und Entsprechens-Erklärung (§ 161 AktG-E), AG 2002, 249; Semler, Leitung und Überwachung der AG, 2. Aufl. 1996; Steinbeck, Über-
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E. Vetter
§ 29
Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes
wachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1992; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 3. Aufl. 2003; Ulmer, Aufsichtsratsmandat und Interessenkollision, NJW 1980, 1603; E. Vetter, Aktienrechtliche Probleme der D & O Versicherung, AG 2000, 453; E. Vetter, Deutscher Corporate Governance Kodex, DNotZ 2003, 548; E. Vetter, Die Verantwortung und Haftung des überstimmten Aufsichtsratsmitglieds, DB 2004, 2623; Wardenbach, Interessenkollison und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, 1996; Weiß, Aktienoptionspläne für Führungskräfte, 1999.
I. Rechtsstellung 1. Rechtsgrundlage Mit der Annahme seiner Wahl, die in der Praxis meist bereits im Voraus ausdrücklich erklärt wird und auch danach erklärt werden kann aber ebenso konkludent, z.B. durch Teilnahme an der nächsten Aufsichtsratssitzung, zum Ausdruck gebracht werden kann, tritt das Aufsichtsratsmitglied zum vorgesehenen Zeitpunkt in ein korporatives Rechtsverhältnis zur Gesellschaft1. Entsprechendes gilt für den Fall der Entsendung nach § 101 Abs. 2 AktG oder der gerichtlichen Bestellung nach § 104 AktG.
1
Neben dem korporativen Rechtsverhältnis wird zwischen der Gesellschaft und dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied zugleich ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet, ohne dass es hierzu entsprechender Willenserklärungen beider Seiten bedarf, da der Inhalt der rechtlichen Stellung des Aufsichtsratsmitglieds allein durch Gesetz und Satzung bestimmt wird und individuellen Vereinbarungen nicht zugänglich ist2. Ein mit dem Anstellungsverhältnis der Vorstandsmitglieder vergleichbares vertragliches Anstellungsverhältnis, das neben das korporative Rechtsverhältnis tritt, besteht nach h.L. zwischen der AG und den Aufsichtsratsmitgliedern deshalb nicht3.
2
2. Gleichheit und Unabhängigkeit a) Gleichheit Die Aufsichtsratsmitglieder haben alle die gleichen Rechte und Pflichten4. Dies gilt unabhängig davon, von wem und auf welchem Weg sie in den Aufsichtsrat berufen wurden. Ihnen stehen insbesondere die gleichen organinternen Teilnahme-, Informations-, Rede- und Mitwirkungsrechte sowie die gleichen Befugnisse gegenüber den anderen Gesellschaftsorganen zu5. Eine Sondersituation ist lediglich hinsichtlich des Aufsichtsratsvorsitzenden gegeben, dem das Gesetz eine herausgehobene Stellung mit zum Teil besonderen Befugnissen einräumt (vgl. z.B. §§ 90 Abs. 2, 107 Abs. 2 Satz 1, 109 Abs. 2, 110 Abs. 1 Satz 1 AktG) (vgl. § 27 Rz. 12). 1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 10; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 842; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 113 AktG Rz. 27. 2 Hüffer, § 101 AktG Rz. 2; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 842; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 101 AktG Rz. 5. 3 Henssler in FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 387, 416; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 9; Hüffer, § 101 AktG Rz. 2; a.A. Grunewald, GesR, 2. C Rz. 84; Säcker, NJW 1979, 1521, 1525. 4 BVerfG v. 7.11.1972 – 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103, 112; BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 330; BGH v. 25.2.1982 – II ZR 145/80 – „Bilfinger und Berger“, BGHZ 83, 151, 154; Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 25 MitbestG Rz. 76; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, vor § 95 AktG Rz. 9; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 101; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 111 AktG Rz. 17. 5 Vgl. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 826; Mülbert in Corporate Governance, S. 99, 108 ff.
E. Vetter
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§ 29 4
Aufsichtsrat
Für den mitbestimmten Aufsichtsrat ist der Grundsatz der gleichen Rechtsstellung z.B. in den § 4 Abs. 3 MontanMitbestG und § 5 Abs. 4 MitbestErgG ausdrücklich niedergelegt; er gilt aber uneingeschränkt für die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner und der Arbeitnehmer gleichermaßen im Geltungsbereich des DrittelbG1 und des MitbestG2, soweit nicht das Gesetz selbst ausdrücklich bestimmte Unterschiede anerkannt hat. b) Unabhängigkeit
5
Die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner und der Arbeitnehmer haben die gleichen Rechte und Pflichten und sind bei ihrer Amtsführung nicht Vertreter von Partikularinteressen, sondern haben ihr Amt unabhängig und eigenverantwortlich auszuüben3. Insbesondere sind sie nach h.M. in gleicher Weise allein auf die Wahrung des Unternehmensinteresses4 verpflichtet und haben ihr Verhalten ebenso wie der vom Aufsichtsrat zu kontrollierende Vorstand danach auszurichten. Sie dürfen nicht zu Lasten des Unternehmensinteresses die Interessen derjenigen Gruppe verfolgen, der sie ihr Aufsichtsratsmandat verdanken5. Weder das AktG noch das MitbestG lassen ein imperatives Mandat der Aufsichtsratsmitglieder zu6.
6
Die Verpflichtung zur unabhängigen Wahrnehmung ihrer Aufgaben bezieht sich nicht nur auf das Verhältnis der Aufsichtsratsmitglieder zu Aktionären und Dritten, sondern, wie sich aus dem Rechtsgedanken der §§ 105 Abs. 1 und 124 Abs. 3 Satz 1 AktG ergibt, auch auf die Unabhängigkeit gegenüber dem Vorstand. Ziff. 5.4.2 Satz 3 Deutscher Corporate Governance Kodex unterstreicht die Unabhängigkeit des Aufsichtsrates gegenüber dem Vorstand unter anderem durch die Empfehlung, dass dem Aufsichtsrat unabhängig von der Gesamtzahl seiner Mitglieder nicht mehr als zwei ehemalige Mitglieder des Vorstandes angehören sollen. Im Übrigen empfiehlt Ziff. 5.4.2 Satz 1 Deutscher Corporate Governance Kodex ausdrücklich, darauf zu achten, dass dem Aufsichtsrat eine nach seiner Einschätzung ausreichende Zahl unabhängiger Mitglieder angehört7. Ein Aufsichtsratsmitglied gilt nach Ziff. 5.4.2 Satz 2 Deutscher Corporate Governance Kodex als unabhängig, wenn es in keiner geschäftlichen oder persönlichen Beziehung zur Gesellschaft oder deren Vorstand steht, die einen Interessenkonflikt begründet8. 1 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 330; Hueck, RdA 1975, 35, 37; Mertens, AG 1977, 306, 308 (sämtlich zum BetrVG 1952). 2 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81 – „Dynamit Nobel“, BGHZ 83, 144, 147; BGH v. 25.2.1982 – II ZR 145/80 – „Bilfinger und Berger“, BGHZ 83, 151, 154; BGH v. 28.11.1988 – II ZR 57/88 – „Opel“, BGHZ 85, 54, 65; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 76; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 25 MitbestG Rz. 20; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 119. 3 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 331; BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81 – „Siemens“, BGHZ 83, 106, 112; BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171, 83 – „BuM/WestLB“, BGHZ 90, 381, 398. 4 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 331; Hüffer, § 116 AktG Rz. 5; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, vor § 95 AktG Rz. 15; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 109; Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 93. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 1; Säcker in FS Rebmann, 1989, S. 781, 786; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 55. 6 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 7; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 99; Säcker, Anpassung, S. 14; E. Vetter, Beiträge, S. 14. 7 Vgl. Lieder, NZG 2005, 569, 570; E. Vetter, BB 2005, 1689, 1690; siehe eingehend Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 320 ff. 8 Zur weiteren Ausfüllung dieses Begriffs kann auf die Empfehlungen der Kommission 15.2.2005, Dokument 2005/162/EG v. 15.2.2005, ABl. EG Nr. L 52 v. 25.2.2005, S. 51, zurückgegriffen werden, siehe auch Lieder, NZG 2005, 569, 570; E. Vetter, BB 2005, 1689, 1691.
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E. Vetter
§ 29
Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes
Nach dem Entwurf des BilMoG1 muss dem Aufsichtsrat kapitalmarktorientierter Unternehmen (§ 264d HGB) gemäß § 100 Abs. 5 AktG mindestens ein unabhängiges Mitglied angehören, das zudem über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügt. Kriterien der Unabhängigkeit finden sich in der Kommissionsempfehlung vom 15.2.2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften2. Das Unternehmensinteresse bildet nicht nur die Handlungs- und Entscheidungsmaxime des Aufsichtsrates als Kollegialorgan, sondern dient auch als Verhaltensmaßstab für die Tätigkeit seiner einzelnen Mitglieder. Von der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH ist das Unternehmensinteresse insbesondere im Zusammenhang mit der Einführung der paritätischen Mitbestimmung als Verhaltensmaßstab der Mitglieder des Aufsichtsrates seit langem anerkannt3. Eine Definition oder eine nähere Konkretisierung des Unternehmensinteresses findet sich in der Rechtsprechung jedoch nicht. Auch im umfangreichen Schrifttum, das das Unternehmensinteresse mehrheitlich als Verhaltensmaßstab anerkannt hat, besteht keine übereinstimmende Auffassung, wie das Unternehmensinteresse zu verstehen und inhaltlich auszufüllen ist4, so dass der Begriff als Verhaltensmaßstab der Organmitglieder noch immer relativ vage ist. Diese Situation hat sich auch durch die neuerdings vielfach besonders betonte Ausrichtung am shareholder value nicht grundsätzlich geändert5. Der Streit um das Unternehmensinteresse ist nur in Extremfällen von Bedeutung. Fest steht allerdings, dass das Unternehmensinteresse nicht als das Konglomerat der verschiedenen auf das Unternehmen bezogenen Individualinteressen der verschiedenen Gruppen verstanden werden darf. Keinesfalls kann das Unternehmensinteresse auch mit dem Interesse am bloßen Erhalt des Unternehmens quasi als kleinsten gemeinsamen Nenner der unterschiedlichen Einzelinteressen gleichgesetzt werden6. Es ist von jedem Aufsichtsratsmitglied eine persönliche und eigenverantwortliche Meinungsbildung in der konkreten Situation vorzunehmen und im Konfliktfall bei divergierenden und nicht miteinander kompatiblen Einzelinteressen der erwerbswirtschaftlichen Zielsetzung des Unternehmens der Vorrang gegenüber anderen Gruppenoder Individualinteressen einzuräumen7.
1 Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG), BR-Drucks. 344/08. 2 Empfehlung der Kommission vom 15.2.2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern/börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats, ABl. EG Nr. L 52 v. 25.2.2005, S. 51; siehe dazu auch Hüffer, ZIP 2006, 637; Lieder, NZG 2005, 569; Spindler, ZIP 2005, 2033. 3 BVerfG v. 7.11.1972 – 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103, 112; BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77, 1 BvR 533/77, 1 BvR 419/78, 1 BvL 21/78 – „Mitbestimmung“, BVerfGE 50, 290, 350; BGH v. 4.3.1974 – II ZR 89/72 – „Seitz“, BGHZ 62, 193, 197; BGH v. 29.1.1962 – II ZR 1/61, BGHZ 36, 296, 306; BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 331. 4 Vgl. z.B. Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision; Raisch in FS Hefermehl, 1976, S. 347; Raiser in FS Schmidt, 1976, S. 101; Mülbert, ZGR 1997, 129 ff.; Kuhner, ZGR 2004, 244. 5 Vgl. dazu mit Differenzierungen im Einzelnen Mülbert, ZGR 1997, 129, 140; v. Werder, ZGR 1998, 69, 77 ff.; Hüffer, ZHR 161 (1997), 214, 217; K. Schmidt, GesR, S. 806. 6 Wiedemann, BB 1978, 5, 11; Wiedemann, GesR I, S. 626; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 49; a.A. Raisch in FS Hefermehl, 1976, S. 347, 349; Raiser in FS Schmidt, 1976, S. 101, 109; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 822. 7 Wiedemann, BB 1978, 5, 11; Wiedemann, GesR I, S. 627; Junge in FS von Caemmerer, 1978, S. 547, 554; E. Vetter, Beiträge, S. 42.
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c) Höchstpersönliche Amtsausübung 8
§ 111 Abs. 5 AktG bestimmt, dass die Mitglieder des Aufsichtsrates ihre Aufgaben nicht durch andere erledigen lassen dürfen. Sie haben ihr Amt persönlich, eigenständig und in eigener Verantwortung wahrzunehmen und sind keinerlei Weisungen unterworfen1. Vereinbarungen, nach denen ein Aufsichtsratsmitglied sein Stimmrecht nach Weisung eines anderen ausüben soll, sind nach § 134 BGB ebenso unwirksam2 wie Vereinbarungen, die das Aufsichtsratsmitglied zur Niederlegung seines Mandates verpflichten, falls es der Weisung eines anderen nicht Folge leistet3. Die Pflicht zur höchstpersönlichen Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandates nach § 111 Abs. 5 AktG verbietet dem Aufsichtsratsmitglied nicht, sich im Einzelfall der Dienste Dritter zur Erledigung bestimmter Aufgaben zu bedienen, solange es sich hierbei nur um unterstützende Hilfsfunktionen handelt, wie z.B. zur Vorbereitung der Aufsichtsratssitzung oder aber zur Klärung von konkreten Einzelheiten und speziellen Fragen, die über die normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge hinausgehen, die ein Aufsichtsratsmitglied ohne fremde Hilfe selbst beurteilen können muss4.
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Eine Zuziehung von Beratern und Sachverständigen im Sinne einer ständigen Mitwirkung bei der Erledigung der Aufgaben des Aufsichtsratsmitglieds, wie z.B. die generelle Zuziehung bei der Durchsicht und Prüfung des Jahresabschlusses oder des Prüfungsberichts des Abschlussprüfers, ist jedoch nicht zulässig5. Zu Recht erwartet der BGH von einem Aufsichtsratsmitglied wirtschaftliche und rechtliche Mindestkenntnisse und Mindestfähigkeiten für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten und zur Beurteilung der normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge. In jedem Fall ist das Aufsichtsratsmitglied auch bei der Zuziehung von Dritten verpflichtet, sich ein persönliches, eigenverantwortliches Bild von dem zu beurteilenden Vorgang zu machen und darf nicht blindlings dessen Urteil ohne eigene kritische Würdigung folgen6. 3. Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit
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Jedes Aufsichtsratsmitglied trifft die Pflicht zur Mitwirkung und kollegialen Zusammenarbeit mit den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern7. Als Mitglied eines Kollegialorgans ist das einzelne Aufsichtsratsmitglied verpflichtet, persönlich nach seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten dazu beizutragen, dass der Aufsichtsrat die ihm obliegenden Aufgaben ordnungsgemäß, sachgerecht und effizient im Interesse des Unternehmens erfüllen und der Gesamtverantwortung seiner Mitglieder gerecht werden kann8. Inhalt1 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82 – „Hertie“, BGHZ 85, 293, 294. 2 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 822; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 25 MitbestG Rz. 27; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 122. 3 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 822; Oetker in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 25 MitbestG Rz. 27; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 100. 4 Hopt/Roth in Großkomm. AktG 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 755; Lutter/Krieger, DB 1995, 257, 259; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 166, Semler in FS Claussen, 1997, S. 381, 392. 5 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82 – „Hertie“, BGHZ 85, 293, 296; Hopt/Roth in Großkomm. AktG 4. Aufl. 2005, § 111 AktG Rz. 749; kritisch Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 556. 6 Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 556; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 890; Potthoff/Trescher/ Theisen, AR-Mitglied, Rz. 821. 7 Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 88; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 10; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 116. 8 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 292; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 887; Mülbert in Corporate Governance, S. 99, 102; Semler in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 1 Rz. 35; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 25.
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Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes
lich ist die Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit durch positive Mitwirkungshandlungen des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gekennzeichnet, wie z.B. die Einhaltung der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates, die Einsetzung von Aufsichtsratsausschüssen und die Mitarbeit in Ausschüssen, die sorgfältige Sitzungsvorbereitung sowie die eigenverantwortliche Urteilsbildung über die Beschlussgegenstände. Daneben steht die Pflicht zur regelmäßigen Teilnahme an den Aufsichtsratssitzungen sowie die offene, vollständige und rechtzeitige Unterrichtung der anderen Aufsichtsratsmitglieder über alle für die Arbeit des Aufsichtsrates relevanten Vorgänge und Entwicklungen1. Ziff. 5.6 Deutscher Corporate Governance Kodex empfiehlt die regelmäßige Überprüfung der Effizienz der Tätigkeit des Aufsichtsrates mit dem Ziel einer kontinuierlichen Verbesserung. Grundsätzlich ist der Aufsichtsrat bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben, insbesondere bei allen seinen Beschlüssen und Maßnahmen, stets verpflichtet, die eigene Arbeit wie auch die seiner Ausschüsse auf Effizienz zu überprüfen2, um bei der Aufdeckung von Problemen und Schwachstellen unmittelbar für Abhilfe sorgen zu können. Dazu hat jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied im Rahmen seiner Pflicht zur kollegialen Zusammenarbeit beizutragen.
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4. Verschwiegenheitspflicht a) Grundlagen Die Mitglieder des Aufsichtsrates unterliegen nach § 116 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG der Pflicht zur Verschwiegenheit, die sich inhaltlich am Unternehmensinteresse zu orientieren hat. Der Gesetzgeber hat diese für die Zusammenarbeit im Aufsichtsrat elementare Pflicht im Rahmen der durch das TransPuG erfolgten Gesetzesänderungen dadurch besonders betont, dass in § 116 Satz. 2 AktG nunmehr typische Beispiele vertraulicher Vorgänge ausdrücklich genannt werden3. Die Verschwiegenheitspflicht ist Ausdruck der Treuepflicht, der auch das Aufsichtsratsmitglied unterliegt und die einen festen Bestandteil der Sorgfaltspflichten des Aufsichtsratsmitglieds bildet4. Neben die aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht treten die besonderen Verhaltenspflichten der Aufsichtsratsmitglieder der börsennotierten AG nach §§ 13 ff. WpHG als so genannter Primärinsider gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, d.h. insbesondere die Insiderhandelsverbote nach § 14 WpHG5. Die schuldhafte Verletzung der Geheimhaltungspflicht durch ein Mitglied des Aufsichtsrates ist nach § 404 AktG strafbar.
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In der Sache ist die Verschwiegenheitspflicht notwendige Voraussetzung, um eine offene Kommunikation und vertrauensvolle Zusammenarbeit von Vorstand und Aufsichtsrat wie auch innerhalb des Aufsichtsrates zu gewährleisten6. Zwischen beidem besteht ein „unlösbarer Zusammenhang“7. Der Vorstand ist gemäß § 90 AktG gegen-
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1 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 654; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 10; Mülbert in Corporate Governance, S. 99, 102; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 112. 2 Vgl. auch Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 62. 3 Vgl. Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 66. 4 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 327; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 187; Hüffer, § 116 AktG Rz. 6; Lutter, Information, S. 173; Schwintowski, NJW 1990, 1009, 1011. 5 Vgl. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 293 ff.; Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 12 Rz. 186 m.w.N. 6 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 116 AktG Rz. 215; Hüffer, § 116 AktG Rz. 6; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 106. 7 Vgl. Begr. RegE zum TransPuG, BR-Drucks. 109/02, S. 41.
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über dem Aufsichtsrat zur rechtzeitigen und offenen Information und Berichterstattung in allen für diesen bedeutsamen Angelegenheiten verpflichtet und muss sich seinerseits im Unternehmensinteresse auf eine vertrauliche Behandlung der dem Aufsichtsrat mitgeteilten Angelegenheiten des Unternehmens verlassen können. Auch für die Beratungen des Aufsichtsrates, dem nach § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG unter anderem regelmäßig über die Arbeit der Aufsichtsratsausschüsse zu berichten ist, ist die Sicherstellung der strikten Vertraulichkeit die unverzichtbare Grundlage einer offenen Aussprache sowie effektiven und konstruktiven Zusammenarbeit. Diesem Ziel dient auch § 116 Satz 2 AktG, der die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder hinsichtlich der erhaltenen vertraulichen Berichte und vertraulichen Beratungen erwähnt. Die Vorschrift hat nur klarstellenden Charakter und lässt die generelle Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG unberührt1. b) Persönlicher Geltungsbereich der Verschwiegenheitspflicht 14
Die Verschwiegenheitspflicht trifft alle Aufsichtsratsmitglieder in gleicher Weise unabhängig davon, auf welchem Weg sie zum Aufsichtsratsmitglied bestellt worden sind. Insbesondere kommt eine Differenzierung der Verschwiegenheitspflicht zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer nicht in Betracht2. Etwas anderes gilt gemäß § 394 Satz 1 AktG nur für die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat entsandten Mitglieder, sofern und soweit sie gegenüber der Gebietskörperschaft berichtspflichtig sind3.
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Selbstverständlich besteht keine Pflicht zur Verschwiegenheit im Verhältnis zu den anderen Aufsichtsratsmitgliedern4. Dies gilt grundsätzlich auch im Verhältnis zwischen einem Mitglied eines Aufsichtsratsausschusses und den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern5, wenngleich die Ausschussmitglieder gehalten sind, dem Ausschussvorsitzenden die Entscheidung zu überlassen, welche vertraulichen Informationen an die übrigen Aufsichtsratsmitglieder weitergegeben werden sollen. Dies gilt nicht nur für die regelmäßige Berichterstattung an das Aufsichtsratsplenum nach § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG, sondern insbesondere dann, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende die Teilnahme von nicht dem Ausschuss angehörenden Aufsichtsratsmitgliedern an den Ausschusssitzungen nach § 109 Abs. 2 AktG ausgeschlossen hat und der Aufsichtsrat hinsichtlich der Weitergabe von Informationen mehrheitlich nichts anderes beschließt. Eine erhöhte Verschwiegenheit besteht dann, wenn es um Angelegenheiten geht, die gerade aus Gründen der erhöhten Vertraulichkeit einem Ausschuss zugewiesen werden, wie dies z.B. typischerweise beim Personalausschuss der Fall ist6. Speziell die Auswahl und Anhörung potentieller Kandidaten für ein zu besetzendes Vorstandsamt oder Einzelheiten des Anstellungsvertrages der Mitglieder des Vorstandes 1 Hopt/Roth in Großkomm. AktG 4. Aufl. 2005, § 116 AktG Rz. 217; Schüppen, ZIP 2002, 1269, 1274; Ihrig/Wagner, BB 2002, 789, 794. 2 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 330; Edenfeld/Neufang, AG 1999, 49, 52; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 36; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 116 AktG Rz. 55. 3 Vgl. dazu z.B. Lutter/Grunewald, WM 1984, 385, 397; Schwintowski, NJW 1990, 1009. 4 OLG Hamburg v. 25.5.1984 – 11 U 183/83 – „Beiersdorf“, AG 1984, 248, 251; Lutter, Information, S. 175; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 53; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 133. 5 Lutter, Information, S. 137; Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 12 Rz. 34. 6 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 7; Lutter, Information, S. 137; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, S. 205.
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Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes
unterliegen einer besonderen Vertraulichkeit. Gemäß § 101 Abs. 3 Satz 2 AktG gewählte Ersatzmitglieder gehören vor ihrem Nachrücken nicht dem Aufsichtsrat an. Deshalb haben die Aufsichtsratsmitglieder die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht auch im Verhältnis zu Ersatzmitgliedern zu beachten, solange diese noch nicht in den Aufsichtsrat nachgerückt sind1. Nach dem Ausscheiden eines Aufsichtsratsmitglieds aus dem Aufsichtsrat besteht die Verschwiegenheitspflicht als nachwirkende Treuepflicht unverändert fort2. Die Verschwiegenheitspflicht gilt nicht nur gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit sondern auch gegenüber den Aktionären, der Belegschaft, den betriebsverfassungsrechtlichen Gremien (z.B. Betriebsrat, Wirtschaftsausschuss) sowie gegenüber den Gewerkschaften3. Bedient sich ein Aufsichtsratsmitglied bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben ausnahmsweise der Hilfe Dritter (z.B. Hilfskräfte, Sachverständige), hat es diese sorgfältig auszusuchen und die Einhaltung der Vertraulichkeitskeitsverpflichtung durch geeignete Vorkehrungen oder durch die Auswahl von beruflich zur Verschwiegenheit Verpflichteten sicherzustellen4.
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c) Typische Geheimnisse und vertrauliche Angaben Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich auf Geheimnisse des Unternehmens und vertrauliche Angaben (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG), soweit im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens oder sein Ansehen in der Öffentlichkeit ein objektives und gerichtlich nachprüfbares Unternehmensinteresse an der Geheimhaltung gegeben ist5. Weder Vorstand noch der Aufsichtsrat können das objektiv erforderliche Geheimhaltungsinteresse durch Beschluss begründen oder erweitern6. Allerdings ist das objektive Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens grundsätzlich zu vermuten, wenn der Vorstand oder der Aufsichtsrat eine Information ausdrücklich als vertraulich bezeichnet haben und sich danach verhalten7. Es obliegt jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied im Rahmen seiner pflichtgemäßen Amtsführung zu prüfen, ob die Voraussetzungen zur vertraulichen Behandlung einer bestimmten Information gegeben ist oder nicht. Dabei steht ihm kein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zu8.
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aa) Geheimnisse. Geheimnisse sind relativ unbekannte Tatsachen, deren Weitergabe an Dritte für die Gesellschaft schädlich sein könnte9. Geheimnisse können z.B. kauf-
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1 Hopt/Roth in Großkomm. AktG 4. Aufl. 2005, § 116 AktG Rz. 216; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 914; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 116 AktG Rz. 56. 2 OLG Koblenz v. 5.3.1987 – 6 W 38/87, AG 1987, 184; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 45; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 123; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 116 AktG Rz. 15. 3 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 275; Mülbert in Corporate Governance, S. 99, 117; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 132. 4 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 332; Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 567; Hüffer, § 116 AktG Rz. 6; Lutter/Krieger, DB 1995, 257, 259. 5 Hüffer, § 93 AktG Rz. 7; Rittner in FS Hefermehl, 1976, S. 365, 369; Ulmer/Habersack in UlmerHabersack/Henssler, MitbestR, § 25 MitbestG Rz. 104. 6 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 329. 7 Vgl. Begr. RegE zum TransPuG, BR-Drucks. 109/02, S. 43; siehe auch Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 25 MitbestG Rz. 103; Lutter, Information, S. 160 „indizielle Bedeutung“. 8 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 50; Hüffer, § 116 AktG Rz. 7; Lutter, Information, S. 168; Rittner in FS Hefermehl, 1976, S. 365, 369. 9 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 329; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 191; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 116 AktG Rz. 52.
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Aufsichtsrat
männische Unternehmensdaten, Daten über Geschäftspartner, Personaldaten, technische Daten aus dem Entwicklungs- und Produktionsprozess sowie strategische Daten und Vorgänge aus dem Planungsprozess sein1. 19
bb) Vertrauliche Angaben. Zu den vertraulichen Angaben zählen alle Informationen, deren Weitergabe an Dritte nicht dem Unternehmensinteresse entspricht2. Vertrauliche Angaben sind insbesondere (vgl. § 116 Satz 2 AktG) die Beratungsgegenstände des Aufsichtsrates und seiner Ausschüsse, vertrauliche Berichte des Vorstandes, des Abschlussprüfers oder von Sachverständigen, der Verlauf der Sitzung einschließlich der Abstimmung sowie die Stellungnahmen und die Stimmabgabe einzelner Aufsichtsratsmitglieder3. Auch die eigene Stimmabgabe unterliegt von außergewöhnlichen persönlichen Konfliktsituationen abgesehen, der Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder4. d) Reichweite der Satzungsautonomie
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aa) Zwingender Charakter der Verschwiegenheitspflicht. Die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder nach § 116 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG stellt eine abschließende Regelung dar, die weder durch die Satzung noch durch die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates begründet, gemildert oder verschärft werden kann (§ 23 Abs. 5 AktG)5. Nach herrschender Meinung sind jedoch Verfahrensrichtlinien und erläuternde Hinweise zu der sehr allgemein gehaltenen Regelung der Verpflichtung nach § 116 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zulässig6, sofern ein Aufsichtsratsmitglied vertrauliche Informationen des Aufsichtsrates an Dritte weitergeben will, da es sowohl im Interesse der Gesellschaft als auch des Aufsichtsratsmitglieds liegt, Verletzungen der Verschwiegenheitspflicht auszuschließen7. Derartige Regelungen oder mehrheitliche Äußerungen der Mitglieder des Aufsichtsrates auf Geheimhaltung und erst recht der Hinweis des Vorstandes auf die Vertraulichkeit der Angelegenheit begründen eine gesteigerte Prüfungs- und Sorgfaltspflicht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds, die zur Schadensersatzpflicht führen kann8, wenn diese Hinweise „nicht ohne sorgfältige Prüfung und, wenn erforderlich, sachkundige Beratung beiseite geschoben werden“9.
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bb) Richtlinien. Zulässig und in der Praxis hilfreich ist es, dem Aufsichtsrat einen vom Vorstand erstellten Katalog zur Verfügung zu stellen, in dem z.B. generell geheimhaltungsbedürftige Gegenstände sowie typische oder wiederkehrende Vorgänge mit vertraulichem Charakter festgehalten werden10. Dieser Katalog kann in die Geschäftsordnung des Aufsichtsrates integriert werden, so dass sichergestellt ist, dass er auch jedem 1 Vgl. dazu Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 191; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 269 ff. 2 Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 195; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 264; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 45. 3 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 332; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 265 ff.; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 912. 4 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 267; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 50; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 116 AktG Rz. 54; a.A. Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 106; Säcker, NJW 1986, 803, 807. 5 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 327; Säcker in FS Fischer, 1979, S. 635, 637. 6 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 328; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 52; Rittner in FS Hefermehl, 1976, S. 365, 377; Säcker in FS Fischer, 1979, S. 635, 645. 7 Vgl. dazu den Vorschlag bei Lutter, Information, S. 307 ff. 8 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 47. 9 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 329. 10 Lutter, Information, S. 271; Wessing/Hölters, DB 1976, 1671, 1672.
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§ 29
Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes
Aufsichtsratsmitglied bei Antritt seines Aufsichtsratsmandats zur Kenntnis gebracht wird. In einer Richtlinie können neben einem Katalog geheimhaltungsbedürftiger Gegenstände auch Regelungen zum Verfahren enthalten sein, falls ein Aufsichtsratsmitglied die Absicht hat, bestimmte Informationen an Dritte weiterzugeben. e) Konfliktsituationen Das Aufsichtsratsmitglied kann in eine schwierige Lage geraten, wenn es sich veranlasst sieht, zur Vermeidung eines Schadens oder einer Beeinträchtigung von Rechten Dritter Informationen weiterzugeben, die unter die Verschwiegenheitspflicht fallen. Hierbei kann es sich nur um seltene Ausnahmefälle handeln1, in denen der für das Unternehmen durch die Weitergabe der vertraulichen Information drohende Schaden deutlich geringer ist als der an anderer Stelle sonst entstehende Schaden. Das Aufsichtsratsmitglied ist verpflichtet, den Vorsitzenden des Aufsichtsrates oder den Vorstand rechtzeitig vorher zu unterrichten, um dem Vorstand als dem für die Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Organ die Information der Öffentlichkeit zu ermöglichen, bzw. das Unternehmen in den Stand zu setzen, die durch die Weitergabe der vertraulichen Informationen zu befürchtende Beeinträchtigung und Schädigung seiner Interessen möglichst gering zu halten2.
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f) Sanktionen Bei schuldhafter Verletzung der Verschwiegenheitspflicht, haftet das Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft auf Schadensersatz (§ 116 i.V.m. § 93 Abs. 2 AktG). Daneben ist das unbefugte Offenbaren eines Geheimnisses der Gesellschaft oder dessen unbefugte Verwertung, nicht aber generell jede Verschwiegenheitspflichtverletzung3 unter Strafe gestellt (§ 404 Abs. 1 und 2 AktG, § 38 Abs. 1 WpHG).
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Einstweilen frei. 5. Loyalitäts- und Treuepflicht a) Das Aufsichtsratsamt als Nebenamt
Das Aufsichtsratsmandat ist eine treuhänderische Funktion und begründet eine besondere Vertrauensstellung. Hieraus ergibt sich für jedes Aufsichtsratsmitglied eine Loyalitäts- und Treuepflicht gegenüber dem Unternehmen, in dessen Aufsichtsrat es tätig ist, nach der es dessen Interesse zu wahren und alles zu unterlassen hat, was diese Interessen schädigt4. Ungeachtet des in § 116 AktG enthaltenen Verweises auf die sinngemäße Geltung des in § 93 AktG für die Mitglieder des Vorstandes geregelten Pflichten- und Verantwortungskreises ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Aufsichtsratsmandat im Unterschied zur Tätigkeit als Vorstandsmitglied, wie auch der Gesetzgeber und die Rechtsprechung5 anerkannt haben (vgl. §§ 100 Abs. 2 Nr. 1, 1 Ebenso Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 51; Lutter, Information, S. 167; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 135. 2 Siehe auch Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 283; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1983, S. 391; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 920; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 116 AktG Rz. 434. 3 Vgl. Geilen in KölnKomm. AktG, 1983, § 404 AktG Rz. 37; Lutter, Information, S. 171; Otto in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 404 AktG Rz. 21. 4 Hüffer, § 116 AktG Rz. 4; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 27; Mülbert in Corporate Governance, S. 99, 116; Wiedemann, Organverantwortung, S. 17. 5 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82 – „Hertie“, BGHZ 85, 293, 296.
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Aufsichtsrat
110 Abs. 3 AktG), üblicherweise ein Nebenamt ist, so dass das Risiko von Rollenkonflikten und Interessenkollisionen zwischen der Pflicht zur Wahrung der Interessen der AG, deren Aufsichtsrat das Aufsichtsratsmitglied angehört und seinen hauptberuflichen Interessen außerhalb des Unternehmens oder anderen Rollen, praktisch vorprogrammiert ist. Deshalb kommt für die Mitglieder des Aufsichtsrates eine pauschale Übernahme der Grundsätze über die Loyalitäts- und Treupflichten des Vorstandes, der eine hauptberufliche Aufgabe wahrnimmt, nicht in Betracht1; es bedarf vielmehr der sachgerechten Differenzierung. Wegen des Charakters des Aufsichtsratsmandates als Nebenamt kann nicht verlangt werden, dass das Aufsichtsratsmitglied stets und in allen Situationen den Interessen der AG Vorrang gibt. Vielmehr ist nach verbreiteter Ansicht zur Bestimmung des Pflichtenstellung eines Aufsichtsratsmitglieds auf den jeweiligen Tätigkeitsbereich abzustellen, in dem die Interessenkollision aufgetreten ist2. b) Interessenkollision 27
aa) Interessenkollision im Rahmen der Aufsichtsratstätigkeit. Gerät das Aufsichtsratsmitglied bei der Ausübung seines Aufsichtsratsmandates in einen Konflikt zwischen seinen hieraus resultierenden Pflichten und eigenen Interessen oder Drittinteressen, z.B. als Vertreter, Aufsichtsratsmitglied oder Berater eines anderen Unternehmens (Lieferanten, Kreditgeber, Wettbewerber etc.), ist es auf Grund seiner Loyalitäts- und Treuepflicht verpflichtet, den Interessenkonflikt im Aufsichtsrat offenzulegen, um einerseits die Gefahr einer Beeinflussung der anderen Mitglieder des Aufsichtsrates zu vermeiden3 und andererseits dem Aufsichtsrat die Möglichkeit zu geben, über geeignete Maßnahmen zur Überwindung des Interessenkonfliktes bis hin zum Ausscheiden des Aufsichtsratsmitglieds als ultima ratio zu beraten. Dies entspricht auch der Empfehlung von Ziff. 5.5.2 Deutscher Corporate Governance Kodex. Im Einzelfall mag es ausreichen, wenn das Aufsichtsratsmitglied an der Beratung des Aufsichtsrates oder an der Abstimmung nicht teilnimmt oder sich der Stimme enthält, um eine Beeinflussung des Beschlussergebnisses zu vermeiden4. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass es sich bei dem Stimmrecht um ein „Pflichtrecht“ handelt, von dem das Aufsichtsratsmitglied auch grundsätzlich Gebrauch machen muss5. Dies gilt in besonderem Maße für die Anteilseignervertreter im paritätisch besetzten Aufsichtsrat6. Bei Nichtabgabe ihrer Stimme im Aufsichtsrat ist zwangsläufig die leichte Stimmenmehrheit der Anteilseignerseite in Gefahr, sofern nicht die Arbeitnehmerseite ebenfalls nicht vollzählig an der Abstimmung teilnimmt. Trägt ein Aufsichtsratsmitglied durch Nichtabgabe seiner Stimme dazu bei, dass der Aufsichtsrat einen dem Unternehmensinteresse widersprechenden Beschluss fasst, muss das Aufsichtsratsmitglied, das wegen des aus seiner Doppelrolle resultierenden Interessenkonflikts nicht an der Abstimmung teilgenommen hat, mit Schadensersatzansprüchen rechnen. Infolge seiner Loyalitäts- und Treuepflichten gegenüber dem Unternehmen ist es verpflichtet, bei unvermeidbaren Interes1 Hüffer, § 116 AktG Rz. 4; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 97; K. Schmidt, GesR, S. 828; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1604. 2 Zu dieser Differenzierung vgl. Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 23 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 56; kritisch hingegen Wiedemann, Organverantwortung, S. 24 ff. 3 Wiedemann, Organverantwortung, S. 28; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 100 AktG Rz. 69; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 63. 4 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 23. 5 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 108 AktG Rz. 50; Mülbert in Corporate Governance, S. 99, 119; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 62. 6 Vgl. Wiedemann, Organverantwortung, S. 28.
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Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes
senkollisionen dem Unternehmensinteresse den Vorrang gegenüber den anderen Interessen einzuräumen und sich für das Unternehmensinteresse einzusetzen1. Bei Missachtung des Unternehmensinteresses kann es sich zu seiner Entlastung nicht auf den Interessenkonflikt und seine Verpflichtungen gegenüber Dritten berufen2. Sieht sich das Aufsichtsratsmitglied nicht in der Lage, den Konflikt zu lösen oder ist mit einem dauerhaften Konflikt oder wiederkehrenden Konfliktfällen zu rechnen, ist das Aufsichtsratsmitglied, sofern keine anderen Lösungswege offenstehen, in letzter Konsequenz verpflichtet, eine der beiden Pflichtenstellungen aufzugeben3. Dies entspricht auch dem Deutschen Corporate Governance Kodex (Ziff. 5.5.3), der in diesen Fällen das Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat empfiehlt. In jedem Fall ist nach der Empfehlung von Ziff. 5.5.3 Deutscher Corporate Governance Kodex erforderlich, im schriftlichen Bericht des Aufsichtsrates an die Hauptversammlung gemäß § 171 Abs. 2 AktG über einen zu einem Beratungs- oder Beschlussgegenstand des Aufsichtsrates aufgetretenen Interessenkonflikt eines Aufsichtsratsmitglieds und dessen Behandlung zu informieren. Anzugeben ist z.B., ob das betreffende Aufsichtsratsmitglied an den Beratungen des Aufsichtsrates und einer Abstimmung teilgenommen hat oder ob es bei einem Dauerkonflikt aus dem Aufsichtsrat ausgeschieden ist. Soweit der Interessenkonflikt frühzeitig erkannt und durch geeignete Maßnahmen Auswirkungen auf die Arbeit des Aufsichtsrates ausgeschlossen werden konnten, ist eine Darstellung der Situation im Aufsichtsratsbericht ohne namentliche Benennung des betroffenen Aufsichtsratsmitglieds ausreichend4.
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bb) Treuepflichten außerhalb der Aufsichtsratstätigkeit. Bei Entscheidungen, die das Aufsichtsratsmitglied außerhalb seiner Aufsichtsratsfunktion zu treffen hat und die sich auf die Gesellschaft nachteilig auswirken können, ist das Aufsichtsratsmitglied nicht verpflichtet, davon zugunsten der Gesellschaft Abstand zu nehmen5. Geschäftschancen, die sich dem Aufsichtsratsmitglied unabhängig von seinem Aufsichtsratsmandat bieten, kann es privat oder auch durch die Gesellschaft, deren Geschäftsführungsmitglied es ist, wahrnehmen, auch wenn die Gesellschaft, deren Aufsichtsrat er angehört, selbst an der Realisierung der Geschäftschance interessiert ist6. Dies widerspricht auch nicht der Regelung in Ziff. 5.5.1 Deutscher Corporate Governance Kodex. Treuwidrig und unzulässig ist es aber, dabei z.B. auf vertrauliche Informationen aus dem Aufsichtsrat zurückzugreifen7.
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cc) Eigennützige Einflussnahme. Unzulässig ist auch die Ausnutzung der Funktion und Einflussmöglichkeiten als Aufsichtsratsmitglied, um den Vorstand zum Nachteil des Unternehmens zu einem bestimmten Geschäft oder einem sonstigen Verhalten zu veranlassen, das im persönlichen Interesse des Aufsichtsratsmitglieds oder im Interesse der
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1 Edenfeld/Neufang, AG 1999, 49, 51; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 500; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 58; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605. 2 BGH v. 21.12.1979 – II ZR 244/78 – „Elektrische Licht und Kraftanlagen AG/Schaffgotsch“, AG 1980, 111, 112. 3 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 65; Mülbert in Corporate Governance, S. 99, 119; Semler/Stengel, NZG 2003, 1, 6. 4 Lutter, AG 2008, 1, 9; Peltzer, Deutsche Corporate Governance, Rz. 319; E. Vetter, ZIP 2006, 257, 261. 5 Dreher, JZ 1990, 896, 900; Deckert, DZWir 1996, 406, 408; Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 239; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 63; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1606. 6 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 29; Spindler in Spindler/Stilz, § 116 AktG Rz. 59. 7 Hüffer, § 116 AktG Rz. 4; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 32; vgl. auch Wiedemann, Organverantwortung, S. 21.
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Gesellschaft liegt, deren Geschäftsführung er angehört1. Dieses Prinzip erfährt durch Ziff. 5.5.1 Deutscher Corporate Governance Kodex besonderen Nachdruck. 6. Mitteilungspflichten als Unternehmensinsider 31
Besondere kapitalmarktrechtliche Mitteilungspflichten ergeben sich nicht nur für die Mitglieder des Vorstandes sondern auch für die Mitglieder des Aufsichtsrates als so genannter Primärinsider unter dem Gesichtspunkt directors’ dealings2 (§ 15a Abs. 1 WpHG) (vgl. oben § 15 Rz. 3 ff.). 7. Vergütung a) Rechtsgrundlage
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Den Mitgliedern des Aufsichtsrates steht für ihre Tätigkeit nicht schon kraft Gesetzes eine Vergütung zu. Eine allgemeine Vermutung, dass Aufsichtsratsmitglieder nur gegen Entgelt tätig werden, besteht nicht. Ebenso wenig kann von einer stillschweigenden Vereinbarung einer angemessenen oder üblichen Vergütung ausgegangen werden; § 612 BGB ist nicht anwendbar3. Voraussetzung für eine Vergütung ist nach § 113 Abs. 1 Satz 2 AktG, dass die Satzung eine Vergütung festgesetzt hat oder ob sie von der Hauptversammlung bewilligt worden ist. Fehlt es hieran, wird die Aufsichtsratstätigkeit unentgeltlich erbracht4 und die Mitglieder des Aufsichtsrates haben gegen die Gesellschaft nur Anspruch auf Auslagenersatz gemäß den §§ 670 und 675 BGB5. Von den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer wird erwartet, dass sie einen Teil ihrer Aufsichtsratsvergütung an die Hans-Böckler-Stiftung zur Finanzierung von gewerkschaftlichen Bildungsmaßnahmen abführen6. b) Festsetzung und Herabsetzung der Vergütung
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aa) Festsetzung der Vergütung. Bei den meisten Gesellschaften wird die Aufsichtsratsvergütung bereits in der Satzung festgesetzt. Nach § 113 Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 AktG kommt aber auch die alljährliche Bewilligung der Vergütung durch einen gesonderten Hauptversammlungsbeschluss in Betracht, der in der Praxis regelmäßig für das abgelaufene Geschäftsjahr getroffen wird und für den die einfache Stimmenmehrheit genügt. Zulässig ist auch, dass der Hauptversammlungsbeschluss bereits vor Beginn des Geschäftsjahres erfolgt. Eine solche vorherige Bewilligung der Aufsichtsratsvergütung durch die Hauptversammlung soll nach h.L.7 als Grundsatzbeschluss im Zweifel ungeachtet der fehlenden Transparenz auch für nachfolgende Geschäftsjahre gelten, und zwar solange, bis die Hauptversammlung etwas anderes beschließt, auch wenn dem
1 BGH v. 21.12.1979 – II ZR 244/78 – „Elektrische Licht und Kraftanlagen AG/Schaffgotsch“, AG 1980, 111, 112; Hüffer, § 116 AktG Rz. 5; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 64; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1605. 2 Vgl. dazu z.B. Fleischer, ZIP 2002, 1217 ff.; Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817 ff. 3 Hüffer, § 113 AktG Rz. 2; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 113 AktG Rz. 22. 4 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 10; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 113 AktG Rz. 27. 5 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 13; Hüffer, § 113 AktG Rz. 2; Semler in FS Claussen, 1997, S. 381, 382. 6 Vgl. Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 460; Hopt/Roth in Großkomm. AktG 4. Aufl. 2005, § 113 AktG Rz. 11. 7 Berger, Die Kosten der Aufsichtsratstätigkeit, S. 41; Hopt/Roth in Großkomm. AktG 4. Aufl. 2005, § 113 AktG Rz. 89; Hüffer, § 113 AktG Rz. 2.
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Wortlaut des Hauptversammlungsbeschlusses der Grundsatzcharakter und die langfristige Wirkung nicht zu entnehmen sind1. Eine Satzungsbestimmung über die Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrates hat im Zweifel abschließenden Charakter2. Die Hauptversammlung kann für die Mitglieder des Aufsichtsrates eine zusätzliche Vergütung bewilligen, wenn die Satzung nur die Mindestvergütung regelt3. Für diesen Beschluss ist die einfache Mehrheit ausreichend. Ist die Satzungsbestimmung hingegen abschließend, ist ein Beschluss der Hauptversammlung mit satzungsändernder Mehrheit notwendig4.
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Empfehlenswert ist auch, den Fälligkeitszeitpunkt exakt festzulegen. Ist die Fälligkeit nicht ausdrücklich geregelt, so wird der feste Teil der Aufsichtsratsvergütung mit Ablauf des Geschäftsjahres fällig; der variable Vergütungsteil wird erst mit Ablauf der Hauptversammlung fällig, die über die Gewinnverwendung für das abgelaufene Geschäftsjahr beschließt5.
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bb) Herabsetzung der Vergütung. Ist die Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrates in der Satzung festgesetzt, ist zur Herabsetzung der Vergütung eine Satzungsänderung erforderlich, die gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 AktG durch Beschluss der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit herbeigeführt werden kann. Die Satzungsregelung mit der herabgesetzten Vergütung wird mit Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister wirksam (§ 181 Abs. 3 AktG). Für das abgelaufene Geschäftsjahr kommt ihr jedoch keine Bedeutung zu6. Was das laufende Geschäftsjahr anbetrifft, wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass die Satzungsänderung zur Herabsetzung der Vergütung im Zweifel schon für das laufende Geschäftsjahr, in dem der Hauptversammlungsbeschluss gefasst wird7, gelten soll, zumindest aber hinsichtlich des variablen Vergütungsteils8. Diese Auslegung ergibt sich jedoch weder aus dem Wortlaut von § 113 Abs. 1 Satz 4 AktG noch aus dem Zweck der Vorschrift. Sie wird auch nicht der Bedeutung der Aufsichtsratstätigkeit als verantwortungsvoller Aufgabe gerecht. Ebenso wenig überzeugt die Differenzierung zwischen fester und variabler Vergütung, da der Anspruch auf beide Vergütungsbestandteile bereits mit Beginn des Geschäftsjahres dem Grunde nach entstanden ist. Ohne Zustimmung der Aufsichtsratsmitglieder gilt die Herabsetzung der Vergütung deshalb erst für das nach der Eintragung der Satzungsänderung im Handelsregister beginnende Geschäftsjahr9.
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1 A. A. deshalb E. Vetter, BB 1989, 442, 443, wonach der Grundsatzcharakter der Vergütungsregelung dem Wortlaut des Hauptversammlungsbeschlusses zu entnehmen sein muss. 2 Geßler in G/H/E/K, 1973, § 113 AktG Rz. 25. 3 Hopt/Roth in Großkomm. AktG 4. Aufl. 2005, § 113 AktG Rz. 87; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 113 AktG Rz. 25. 4 LG Memmingen v. 31.1.2001 – 2 H O 1685/00 – „Schneider Rundfunkwerke“, AG 2001, 375, 376; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 113 AktG Rz. 25; Spindler in Spindler/ Stilz, § 113 AktG Rz. 26. 5 Hopt/Roth in Großkomm. AktG 4. Aufl. 2005, § 113 AktG Rz. 77; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 113 AktG Rz. 17; Semler in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 10 Rz. 4. 6 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 23; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 113 AktG Rz. 34. 7 Hüffer, § 113 AktG Rz. 6; Wellkamp, WM 2001, 489, 493. 8 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 23; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 113 AktG Rz. 152; a.A. Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 113 AktG Rz. 34. 9 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 AktG Rz. 96; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 113 AktG Rz. 34; Semler in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 10 Rz. 24.
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Aufsichtsrat
c) Arten der Vergütung 37
Die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder kann auf unterschiedliche Weise bestimmt werden. Eine einheitliche Unternehmenspraxis lässt sich nicht feststellen.
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aa) Feste Vergütung. Die feste Vergütung (Fixum) kann entweder als alleinige Vergütung festgesetzt oder aber – wie meist üblich – als Teil einer Gesamtvergütung gewährt werden, die durch einen zusätzlichen Bestandteil, nämlich eine variable Vergütung, ergänzt wird, deren Höhe sich am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens ausrichtet.
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Viele Gesellschaften sehen ein so genanntes Sitzungsgeld vor. Ist dieser Betrag so hoch, dass er nicht mehr als pauschalierter Aufwendungsersatz der Aufsichtsratsmitglieder für die tatsächlich entstandenen Kosten betrachtet werden kann, stellt er eine weitere Komponente der Aufsichtsratsvergütung dar und bedarf es eines Beschlusses der Hauptversammlung nach § 113 Abs. 1 AktG1.
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bb) Variable Vergütung. Der Gesetzgeber hat eine Variante einer jährlichen variablen Vergütung (Aufsichtsratstantieme) ausdrücklich normiert. Erhalten die Aufsichtsratsmitglieder eine variable Vergütung in Form eines Anteils am Jahresgewinn der Gesellschaft, ist nach § 113 Abs. 3 Satz 1 AktG zwingend der Bilanzgewinn zugrunde zu legen, der jedoch um eine Verzinsung von mindestens 4 % der auf den geringsten Ausgabebetrag der Aktien geleisteten Einlagen zu kürzen ist. Dies bedeutet, dass der maßgebliche Orientierungswert durch die Bildung von offenen Rücklagen verringert und durch die Auflösung von offenen Rücklagen vergrößert wird. Die Regelung in § 113 Abs. 3 Satz 1 AktG unterscheidet sich nur geringfügig von der früheren Vorschrift des § 86 Abs. 2 AktG, der den Bezugswert für die variable Vergütung des Vorstandes unterschiedlich definiert und am Jahresgewinn ausrichtete. Die Vorschrift des § 113 Abs. 3 Satz 1 AktG hat in der Unternehmenspraxis keine größere Bedeutung gefunden.
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Der Deutsche Corporate Governance Kodex (Ziff. 5.4.6 Abs. 2 Satz 1) empfiehlt neben der festen Vergütung ausdrücklich zusätzlich die Gewährung einer erfolgsorientierten Vergütung und regt darüber hinaus an, dabei auch auf den langfristigen Unternehmenserfolg bezogene Bestandteile zu integrieren (Ziff. 5.4.6 Abs. 2 Satz 2)2. In der Praxis weiter verbreitetet als die Orientierung am Bilanzgewinn ist demgegenüber die Festsetzung einer dividendenabhängigen Tantieme. Auch wenn hierfür § 113 Abs. 3 Satz 1 AktG nicht unmittelbar gilt, ist die Kürzung um 4 % des Jahresgewinns zu beachten3. Neuerdings wird die variable Vergütung auch an anderen bilanziellen Kennzahlen oder bestimmten betriebswirtschaftlichen Renditekenngrößen orientiert, wie z.B. EBIT, EBITA, NOPAT, ROI, ROCE oder unternehmenswertbasierten Bezugsgrößen (z.B. EVA)4. Vielfach wird auch auf das Konzernergebnis abgestellt. Ob solche Tantiemeregelungen an § 113 Abs. 3 Satz 1 AktG zu messen sind, ist nicht zuverläs-
1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 16; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 452; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 113 AktG Rz. 10; vgl. auch E. Vetter, ZIP 2008, 1, 2. 2 Vgl. z.B. Deutsches Aktieninstitut/Towers Perrin in Deutsches Aktieninstitut (Hrsg.), Empfehlungen zur Vergütung des Aufsichtsrates, 2003, S. 37 ff.; sowie Mutter, ZIP 2002, 1230. 3 Berger, Die Kosten der Aufsichtsratstätigkeit, S. 66; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 28a; Hopt/Roth in Großkomm. AktG 4. Aufl. 2005, § 113 Rz. 119; Krieger in FS Röhricht, 2005, S. 349, 364; E. Vetter, ZIP 2008, 1, 4; a.A. Hüffer, § 113 AktG Rz. 9; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 113 AktG Rz. 37. 4 Vgl. z.B. Deutsches Aktieninstitut/Towers Perrin in Deutsches Aktieninstitut (Hrsg.), Empfehlungen zur Vergütung des Aufsichtsrates, 2003, S. 32.
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Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes
sig geklärt1. Bei der Wahl einer bestimmten Bilanzkennzahl als Bezugsgröße für die variable Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrates sollte maßgeblich die Zielsetzung sein, dass die Bezugsgröße weder der Gefahr der Manipulation durch Maßnahmen des Vorstandes im Bereich des Rechnungswesens noch durch Entscheidungen des Aufsichtsrates hinsichtlich der Gewinnausschüttung ausgesetzt ist. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere die Orientierung der Aufsichtsratstantieme an der Höhe der ausgeschütteten Dividende kritisch zu beurteilen. Im Interesse der Unabhängigkeit der Mitglieder des Aufsichtsrates ist darüber hinaus generell anzustreben, dass die Bemessungsgrundlage für ihre variable Vergütung nicht vollständig mit der der Mitglieder des Vorstandes identisch ist2. Für die nach Ziff. 5.4.6 Abs. 2 Deutscher Corporate Governance Kodex angeregte langfristig ausgerichtete Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrates, die von der jährlichen variablen Vergütung zu unterscheiden ist, für die der Kodex jedoch keine konkreten inhaltlichen Vorgaben enthält, ist von entscheidendem Gewicht, dass als Bezugsgröße nicht allein der Aktienkurs herangezogen wird, sondern dass als Bemessungsgrundlage eine breitere Bezugsbasis verwendet wird. Dies ist z.B. bei der Orientierung am so genannten Total Shareholder Return (TSR) gegeben, der neben der langfristigen Kursentwicklung der Aktie auch den Wert etwaiger Bezugsrechte und die Dividendenaussschüttung berücksichtigt3. cc) Stock options. Den Mitgliedern des Aufsichtsrates können generell keine Aktienoptionen, so genannte Stock options, als Vergütung eingeräumt werden. und zwar weder mit Hilfe von Wandelschuldverschreibungen oder Optionsanleihen noch durch den Rückkauf von Aktien4.
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Ungeachtet der in einem obiter dictum getroffenen Aussagen des BGH im MobilCom-Fall5 ist die Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrates in Form der bloßen schuldrechtlichen Nachbildung von Aktienoptionen, so genannte Phantom Stock Options, die das Grundkapital der AG unberührt lassen, oder so genannte Stock Appriciation Rights, die Zahlungspflichten abhängig von der Aktienkursentwicklung auslösen, als zulässig anzusehen6. Der Begünstigte erhält dabei von der Gesellschaft jeweils eine Geldleistung, ohne Aktionär zu werden (vgl. auch unten § 53 Rz. 56 und § 54 Rz. 36)7. Der vom BGH angesprochenen Gefahr für die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates durch übereinstimmende Erfolgsparameter von Vorstand und Auf-
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1 Vgl. einerseits Krieger in FS Röhricht, 2005, S. 349, 359; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 Rz. 119 und 126; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 177; E. Vetter, ZIP 2008, 1, 4; andererseits Gehling, ZIP 2005, 549, 555; Marsch-Barner in FS Röhricht, 2005, S. 401, 417; unentschieden Hüffer, § 113 AktG Rz. 10. 2 Vgl. z.B. Deutsches Aktieninstitut/Towers Perrin in Deutsches Aktieninstitut (Hrsg.), Empfehlungen zur Vergütung des Aufsichtsrates, 2003, S. 26; generell zum Problem des back scratching Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 64; Peltzer, NZG 2002, 10, 16. 3 Siehe z.B. Deutsches Aktieninstitut/Towers Perrin in Deutsches Aktieninstitut (Hrsg.), Empfehlungen zur Vergütung des Aufsichtsrates, 2003, S. 34; Marsch-Barner in FS Röhricht, 2005, S. 401, 417; E. Vetter, ZIP 2008, 1, 4. 4 BGH v. 16.2.2004 – II ZR 316/02 – „MobilCom“, BGHZ 158, 122 ff.; Habersack, ZGR 2004, 721, 732; Peltzer in FS Priester, 2007, S. 573, 575; E. Vetter, ZIP 2008, 1, 4; Zweifel bei Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 180; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 AktG Rz. 43; Spindler in Spindler/Stilz, § 113 AktG Rz. 51. 5 BGH v. 16.2.2004 – II ZR 316/02 – „MobilCom“, BGHZ 158, 122, 129. 6 Gehling, ZIP 2005, 549, 557; Hoffmann-Becking, ZHR 169 (2005), 155, 179; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 AktG Rz. 47; Richter, BB 2004, 949, 956; Spindler in Spindler/Stilz, § 113 AktG Rz. 54; E. Vetter, AG 2004, 234, 237; E. Vetter, ZIP 2008, 1, 5; wohl auch Hüffer, § 113 AktG Rz. 10; a.A. Habersack, ZGR 2004, 721, 732; Meyer/Ludwig, ZIP 2004, 940, 944; Paefgen, WM 2004, 1169, 1173; Peltzer, NZG 2004, 509. 7 Vgl. Feddersen, ZHR 161 (1997), 269, 285; Mäger, BB 1999, 1389, 1393.
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Aufsichtsrat
sichtsrat kann im Übrigen durch eine Begrenzung der variablen Vergütung ausreichend begegnet werden1. 44–45
Einstweilen frei.
d) Bemessung der Vergütung 46
Eine gesetzliche Gebührenordnung für Aufsichtsräte existiert nicht2. § 113 Abs. 1 Satz 3 AktG verlangt ähnlich wie die für den Vorstand geltende Parallelvorschrift von § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG, dass die Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder und der Lage der Gesellschaft steht. Die Sollvorschrift ist im Sinne einer Begrenzung der Vergütung nach oben zu verstehen ohne jedoch weitergehende Vorgaben aufzustellen3. Für die Angemessenheit wird man nicht allein auf die Ertragslage der Gesellschaft, sondern auf ihre Gesamtsituation abstellen müssen und – soweit möglich – auf Unternehmen vergleichbarer Branche, Art und Größe. Was den fixen Anteil der Aufsichtsratsvergütung anbetrifft, so kommt als angemessene Vergütung auch eine Pauschalvergütung in Betracht, die sich unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Zeitaufwandes von 4–5 Aufsichtsratssitzungen pro Jahr (§ 110 Abs. 3 AktG) am Honorar eines qualifizierten Beraters bemisst4. Die Aufsichtsratsvergütung ist in der Vergangenheit vielfach als zu niedrig kritisiert worden5. Das Niveau der Aufsichtsratsvergütung in vielen Gesellschaften trägt weder der verantwortungsvollen Tätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder sowie dem verbreiteten Ruf nach stärkerer Professionalität der Aufsichtsratsmitglieder6, wie sie zu Recht auch vom Deutschen Corporate Governance Kodex gefordert wird (Ziff. 5.4.1), angemessen Rechnung, noch hält sie einem Vergleich mit dem Honorar qualifizierter Berater Stand7. Inzwischen zeigt sich jedoch eine Tendenz zur Erhöhung der Aufsichtsratsvergütung.
47
Für die Vergütung der Mitglieder des Aufsichtsrates ist der Grundsatz der Gleichbehandlung zu wahren8. Damit ist es durchaus vereinbar, wenn die Hauptversammlung im Ausnahmefall nach sachlichen Gesichtspunkten eine Sondervergütung für ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied beschließt, um damit eine außerordentliche Tätigkeit zu vergüten9. In der Praxis weit verbreitet ist die Regelung, dass der Aufsichtsratsvorsitzende, der stellvertretende Vorsitzende und der Vorsitzende eines Ausschusses das Mehrfache der Vergütung des einfachen Aufsichtsratsmitglieds erhalten. Dies widerspricht nicht dem Grundsatz der gleichen Rechtsstellung der Aufsichtsratsmitglieder10. Da die Positionen besonderen Anforderungen genügen müssen, ist die Differen1 Bösl, BKR 2004, 474, 477; E. Vetter, ZIP 2008, 1, 5; vgl. auch Lutter in FS Hadding, 2004, S. 561, 572. 2 Vgl. dazu Geßler, DB 1978, 63; Lutter, AG 1979, 85. 3 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 AktG Rz. 56; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 113 AktG Rz. 12. 4 Ähnlich z.B. Peltzer, Deutsche Corporate Governance, Rz. 299. 5 Vgl. z.B. Hoffmann-Becking in FS Havermann, 1995, S. 229, 245; Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 304. 6 Vgl. Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 304; Möllers, ZIP 1995, 1725, 1732. 7 Vgl. z.B. Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 65; Semler in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 10 Rz. 50; zu rechtstatsächlichen Angaben vgl. Theisen, DB 1999, 1665 ff. 8 Berger, Kosten der Aufsichtsratstätigkeit, S. 52; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 843; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 113 AktG Rz. 30. 9 OLG Stuttgart v. 9.4.1991 – 12 U 206/90, AG 1991, 404; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 AktG Rz. 106. 10 Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, § 25 MitbestG Rz. 86; Hüffer, § 113 AktG Rz. 4; Säcker, NJW 1979, 1521, 1525; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 113 AktG Rz. 39.
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Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes
zierung sachlich gerechtfertigt und liegt auch auf der Linie des Deutschen Corporate Governance Kodex (Ziff. 5.4.6 Abs. 1 Satz 3). Für den Aufsichtsratsvorsitzenden, dessen besondere Arbeitsbelastung der Gesetzgeber in § 100 Abs. 2 Satz 3 AktG ausdrücklich anerkannt hat, wird in der Praxis nach Vorschlägen im Schrifttum inzwischen bis zur vierfachen Vergütung des einfachen Aufsichtsratsmitglieds gezahlt1. Mit § 113 Abs. 1 Satz 2 AktG ist es auch vereinbar, wenn sich die Satzung darauf beschränkt, die Gesamtvergütung des Aufsichtsrates festzulegen und es dem Aufsichtsrat überlässt, den Betrag nach eigenem pflichtgemäßem Ermessen (§§ 315 und 420 BGB) unter den Aufsichtsratsmitgliedern aufzuteilen2. Kriterien für die Aufteilung können dabei z.B. der von den jeweiligen Aufsichtsratsmitgliedern erbrachte Arbeitseinsatz sowie die Mitgliedschaft oder der Vorsitz in Aufsichtsratsausschüssen sein3.
48
Aufsichtsratsmitglieder, die dem Aufsichtsrat nicht während des gesamten Geschäftsjahres angehören, haben nur Anspruch auf eine anteilige Vergütung entsprechend der Dauer ihrer Aufsichtsratszugehörigkeit4.
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Die an alle Aufsichtsratsmitglieder in einem Geschäftsjahr gezahlten Gesamtbezüge sind nach § 285 Nr. 9a HGB im Anhang zum Jahresabschluss anzugeben. Ziff. 5.4.6 Abs. 3 Deutscher Corporate Governance Kodex enthält darüber hinaus die Empfehlung, im Corporate Governance Bericht die individuelle Vergütung jedes einzelnen Aufsichtsratsmitglieds aufgegliedert nach Bestandteilen anzugeben, d.h. z.B. getrennt nach fixen und variablen Anteilen, sowie eventuelle zusätzliche Vergütungen der Aufsichtsratsmitglieder für Beratungs- und Vermittlungsleistungen ebenfalls offenzulegen. Beratungshonorare an dem Aufsichtsratsmitglied zuzurechnende Gesellschaften sind dabei zu berücksichtigen5. Für die Erfüllung dieser Empfehlung bedarf es der Zustimmung eines jeden Aufsichtsratsmitglieds, sofern nicht die Satzung zum Zeitpunkt der Wahl des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds bereits eine entsprechende Regelung (§ 100 Abs. 4 AktG) enthält6.
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e) Ersatz von Aufwendungen Vom Vergütungsanspruch nach § 113 Abs. 1 Satz 2 AktG zu unterscheiden ist der Anspruch des Aufsichtsratsmitglieds gemäß §§ 670, 675 BGB auf Erstattung der Aufwendungen, die es im Zusammenhang mit der Ausübung seines Mandates für erforderlich halten durfte7. Der Anspruch besteht, ohne dass es hierzu einer Satzungsregelung oder eines Bewilligungsbeschlusses der Hauptversammlung bedarf. Den Aufsichtsratsmitgliedern kann anstelle der Einzelabrechnung auch eine Aufwandspauschale (z.B. als Sitzungsgeld) zur Abdeckung ihrer mit der Aufsichtsratstätigkeit
1 E. Vetter, ZIP 2008, 1, 6; siehe bereits Hoffmann-Becking in FS Havermann, 1995, S. 229, 245; Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 309. 2 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 AktG Rz. 92; Hüffer, § 113 AktG Rz. 3; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 113 AktG Rz. 30; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 113 AktG Rz. 30. 3 Vgl. auch Deutscher Corporate Governance Kodex (Ziff. 5.4.6). 4 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 AktG Rz. 71; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 113 AktG Rz. 19; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 113 AktG Rz. 47. 5 Vgl. E. Vetter, ZIP 2008, 1, 10. 6 Vgl. Lutter, ZHR 166 (2002), 523, 537; Seibt, AG 2002, 249, 259; E. Vetter, DNotZ 2003, 548, 559. 7 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 13; Hüffer, § 113 AktG Rz. 2; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 845.
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üblicherweise anfallenden tatsächlichen Aufwendungen gewährt werden1. Eine überhöhte Aufwandspauschale ist jedoch als Vergütung zu betrachten, für die eine Regelung in der Satzung oder ein Hauptversammlungsbeschluss notwendig ist2. Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der Aufsichtsratsmitglieder für die Teilnahme an Schulungen und Lehrgängen3, soweit es um den Erwerb von allgemeinen Mindestkenntnissen wirtschaftlicher und rechtlicher Art geht, da jedes Aufsichtsratsmitglied über diese Kenntnisse bereits bei Amtsantritt verfügen muss. f) Steuerliche Behandlung der Aufsichtsratsvergütung 52
Die Aufsichtsratsvergütung ist als Betriebsausgabe der Gesellschaft handelsrechtlich in voller Höhe, in steuerlicher Hinsicht nach § 10 Nr. 4 KStG jedoch nur zur Hälfte abzugsfähig4. Beim Aufsichtsratsmitglied unterliegt die Aufsichtsratsvergütung der Einkommensteuer und zusätzlich der Umsatzsteuer, soweit das Aufsichtsratsmitglied nicht von der so genannten Kleinunternehmerbefreiung nach § 19 UStG Gebrauch machen kann5.
II. Haftung 1. Vorbemerkung 53
Die Verfolgung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen Organmitglieder der AG, speziell gegen Mitglieder des Aufsichtsrates, sind in Deutschland trotz klarer materiellrechtlicher Haftungsregelungen eine Seltenheit. Allerdings ist nicht zuletzt seit dem ARAG/Garmenbeck-Urteil des BGH aus dem Jahre 19976 eine zunehmende Tendenz von Regressprozessen gegen Organmitglieder festzustellen7, nachdem das Recht der Organhaftung, noch im Jahre 1980 nicht als „lebendes Recht“8 und noch 15 Jahre später als „praktisch nicht existent“9 bezeichnet worden war. Auswirkungen der §§ 147, 148a AktG auf eine vermehrte Inanspruchnahme der Aufsichtsratsmitglieder lassen sich noch nicht feststellen. 2. Haftungsgrundlage
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Das AktG enthält für die Mitglieder des Aufsichtsrates keine eigenständige Regelung ihrer Haftung10. Vielmehr verweist § 116 Satz 1 AktG hinsichtlich ihrer Sorgfalts1 Berger, Kosten der Aufsichtsratstätigkeit, S. 129; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 452; Hüffer, § 113 AktG Rz. 2; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 847. 2 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 16; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 113 AktG Rz. 29; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 113 AktG Rz. 10. 3 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 14; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 846; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 113 AktG Rz. 10; a.A. jetzt Köstler/Zachert/ Müller, 8. Aufl. 2006, Aufsichtsratspraxis, Rz. 714; vgl. auch Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 113 AktG Rz. 24. 4 Kritisch zu dieser Regelung z.B. Clemm/Clemm, BB 2001, 1873; E. Vetter, ZIP 2008, 1, 2; vgl. auch Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 65. 5 Vgl. wegen der Einzelheiten z.B. Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 453 ff. 6 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244. 7 LG Stuttgart v. 29.10.1999 – 4 KfH O 80/98 – „Altenburger und Stralsunder Spielkarten Fabriken“, AG 2000, 237, 238; LG Bielefeld v. 16.11.1999 – 15 O 91/98 – „Balsam“, AG 2000, 136; LG Dortmund v. 1.8.2001 – 20 O 143/93 – „Harpener/Omni II“, AG 2002, 97, 98. 8 Wiedemann, GesR I, S. 624. 9 Baums, ZIP 1995, 11, 13. 10 Kritisch insoweit z.B. Raiser, NJW 1996, 552, 553; Raiser, NJW 1996, 2257, 2261.
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Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes
pflicht und Verantwortlichkeit pauschal auf die in § 93 Abs. 1 AktG geregelte Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Mitglieder des Vorstandes, die für die Mitglieder des Aufsichtsrates hinsichtlich ihrer Aufgaben sinngemäß gelten. Auf die Erläuterungen zur Haftung des Vorstandes (Beweislast, Kausalitätsnachweis, gesamtschuldnerische Haftung und Geltendmachung der Ansprüche) wird deshalb ergänzend verwiesen (vgl. oben § 22 Rz. 46 ff.). Für die Beurteilung der Verantwortlichkeit und Haftung der Aufsichtsratsmitglieder muss freilich situationsbezogen der Unterschied zwischen der umfassenden Leitungsverantwortung des Vorstandes und der begrenzten Überwachungspflicht des Aufsichtsrates berücksichtigt werden sowie die Tatsache, dass es sich bei dem Aufsichtsratsmandat um ein bloßes Nebenamt handelt1. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben, nämlich insbesondere der Pflicht zur Überwachung der Geschäftsführung, haben die Mitglieder des Aufsichtsrates demgemäß nach §§ 116, 93 Abs. 1 AktG die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften „Überwachers“ anzuwenden2. Bei schuldhafter Verletzung ihrer individuellen Pflichten haften sie der Gesellschaft auf Schadensersatz. Der nach §§ 116, 93 Abs. 1 AktG begründete Standard hat damit eine Doppelfunktion; er bestimmt den Pflichtenkreis des Aufsichtsratsmitglieds und ist zugleich Verschuldensmaßstab3.
55
Die §§ 116, 93 AktG haben zwingenden Charakter, so dass zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder ein Haftungsausschluss oder eine Haftungsbeschränkung weder durch die Satzung noch durch eine individuelle Vereinbarung mit der Gesellschaft zulässig ist4; eine derartige Regelung ist nach § 23 Abs. 5 AktG unwirksam. Ebenso ist eine Änderung des gesetzlich festgelegten Sorgfaltsmaßstabes, den die Mitglieder des Aufsichtsrates nach §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 AktG zu beachten haben, zum Nachteil der Gesellschaft nicht zulässig5.
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3. Objektiver Sorgfaltsmaßstab a) Grundsatz Über den Maßstab der Sorgfaltspflicht der Mitglieder des Aufsichtsrates gibt eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1982 Auskunft, die auch der Tatsache Rechnung trägt, dass das Aufsichtsratsamt keine hauptberufliche Tätigkeit, sondern im Unterschied zur Tätigkeit des Vorstandes im Normalfall lediglich ein Nebenamt ist. Danach muss das Aufsichtsratsmitglied spätestens bei Antritt des Aufsichtsratsmandates mindestens über diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten allgemeiner, wirtschaftlicher, organisatorischer und rechtlicher Art verfügen, die erforderlich sind, „um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe ver-
1 Fleck in FS Heinsius, 1991, S. 89, 90; Hopt in FS Mestmäcker, 1996, S. 909, 916; Peltzer, WM 1981, 346, 349; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 116 AktG Rz. 2. 2 Doralt in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 13 Rz. 6; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 58; Hüffer, § 116 AktG Rz. 2; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 982; Semler in FS Peltzer, 2001, S. 489, 497. 3 Dreher in FS Boujong, 1996, S. 71, 79; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1989, § 93 AktG Rz. 7; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 116 AktG Rz. 2; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rz. 182; kritisch Hüffer, § 93 AktG Rz. 3. 4 Hüffer, § 116 AktG Rz. 8; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 1012; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 116 AktG Rz. 560. 5 Vgl. zur insoweit vergleichbaren Regelung der Haftung der Vorstandsmitglieder z.B. Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 25; Hüffer, § 93 AktG Rz. 1; Uwe H. Schneider in FS Werner, 1984, S. 795, 803.
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stehen und sachgerecht beurteilen zu können“1. Dies schließt Kenntnisse über die Aufgaben und Kompetenzen des Aufsichtsrates und seiner Arbeitsweise sowie die Rechte und Pflichten des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds und des Vorstandes ein2. Der BGH hat damit die herrschende Meinung bestätigt, dass eine personenbezogene Differenzierung nicht in Betracht kommt und der objektive Sorgfaltsmaßstab im Sinne eines Mindeststandards für alle Aufsichtsratsmitglieder einheitlich ist. Insbesondere dürfen für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer keine niedrigeren Sorgfaltsanforderungen gestellt werden als für die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner3. Angesichts der gesetzlichen Aufgabe des Aufsichtsrates zur Prüfung des Jahresabschlusses, Lageberichts, des Vorschlags zur Verwendung des Bilanzgewinns sowie gegebenenfalls des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts (§ 171 Abs. 1 AktG), muss jedes Aufsichtsratsmitglied über ausreichende Sachkunde im Sinne der financial literacy verfügen. Es muss sich im Rahmen dieser Prüfung, den Berichten des Vorstandes nach § 90 AktG und dem schriftlichen Bericht des Abschlussprüfers wie auch dessen eventueller zusätzlicher mündlicher Erläuterungen ein realistisches Bild über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft und ihrer künftigen Aussichten verschaffen können, um aus den gesamten Informationen die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen4. b) Funktionsbezogene, personelle Differenzierungen 58
Der allgemeine Sorgfaltsmaßstab der Mitglieder des Aufsichtsrates nach §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 AktG ist nicht abstrakt für das Anforderungsprofil eines objektiv-typisierten Aufsichtsratsmitglieds einer AG zu bestimmen, sondern er hängt vom konkreten organisatorischen Zuschnitt des Unternehmens, dem tatsächlichen Geschäftsumfang und seiner individuellen Situation ab. Demgemäß ist bei den notwendigen Fähigkeiten und Kenntnissen des Aufsichtsratsmitglieds danach zu differenzieren, ob es sich z.B. um ein regionales mittelständisches Unternehmen, einen diversifizierten Konzern oder eine multinationale Unternehmensgruppe handelt und in welcher Wirtschaftsbranche das Unternehmen tätig ist5.
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Gehören dem Aufsichtsrat Personen mit besonderer Qualifikation oder Fachkenntnissen an, ist ein erhöhter Sorgfaltspflichtenmaßstab im Bereich ihrer speziellen Qualifikation und Kenntnisse zu beachten. Dies bedeutet, dass ein Aufsichtsratsmitglied seine besonderen Kenntnisse und Erfahrungen, z.B. als Rechtsanwalt, Finanzfachmann, Marketingexperte, Wirtschaftsprüfer, Ingenieur oder auch als ehemaliges Vorstandsmitglied der Gesellschaft, anzuwenden hat, wenn vom Aufsichtsrat ein in seinen speziellen Kompetenz- oder Erfahrungsbereich fallender Vorgang behandelt wird6. 1 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82 – „Hertie“, BGHZ 85, 293, 295; Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 574. 2 Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 574; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 7. 3 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 116 AktG Rz. 56; Hüffer, § 116 AktG Rz. 2; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 1005; Schwark in FS Werner, 1984, S. 841, 850. 4 Vgl. Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 310; Dreher in FS Boujong, 1996, S. 71 ff.; Peltzer, NZG 2002, 593, 597; Peltzer, Deutsche Corporate Governance, Rz. 193. 5 Dreher in FS Boujong, 1996, S. 71, 76; Hüffer, § 116 AktG Rz. 3; Schwark in FS Werner, 1984, S. 841, 849; Edenfeld/Neufang, AG 1999, 49, 50. 6 OLG Düsseldorf v. 8.3.1984 – 8 U 75/83, AG 1984, 273, 275 (zur Publikums-KG); LG Hamburg v. 16.12.1980 – 8 O 229/79 – „Lenz Bau“, AG 1982, 51, 53; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 61; Möllers, ZIP 1995, 1725, 1733; Spindler in Spindler/Stilz, § 116 AktG Rz. 17; a.A. Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 116 AktG Rz. 52; Hüffer, § 116 AktG Rz. 3; Wirth, ZGR 2005, 327, 335.
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Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes
Ein Berufen auf den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab eines Aufsichtsratsmitglieds ist in diesem Fall ausgeschlossen. Dies gilt besonders auch deshalb, weil der Beurteilung eines solchen Vorgangs durch dieses Aufsichtsratsmitglied bei den Beratungen des Aufsichtsrates erfahrungsgemäß besonderes Gewicht beigemessen wird. Die übrigen Aufsichtsratsmitglieder dürfen sich, soweit sie über eine vergleichbare Qualifikation nicht verfügen, auf das Urteil und die Expertise dieses Mitglieds mit für sie selbst haftungsentlastender Wirkung verlassen, sofern es plausibel ist und keine Anhaltspunkte für ein fehlerhaftes Urteil ersichtlich sind1. Ein gesteigerter Sorgfaltsmaßstab besteht auch für die Mitglieder eines Aufsichtsratsausschusses. Erst recht ist ein höherer Sorgfaltsmaßstab zu beachten, wenn von den Ausschussmitgliedern spezielle Fachkenntnisse erwartet werden, wie dies z.B. beim Prüfungsausschuss (Audit Committee), dem Investitionsausschuss oder dem Kreditausschuss einer Bank erforderlich ist2. Dies gilt aber auch unabhängig davon, ob die Mitglieder in den Ausschuss wegen besonderer Fachkenntnisse oder einer sonstigen besonderen Qualifikation gewählt worden sind oder nicht, da die anderen Aufsichtsratsmitglieder billigerweise auf die sorgfältige und vertiefte Überwachung des Vorstandes durch den Aufsichtsratsausschuss grundsätzlich3 vertrauen dürfen4, sofern kein konkreter Anlass für Zweifel an einer ordnungsgemäßen und sorgfältigen Überwachung besteht5. Verfügt ein Aufsichtsratsmitglied nicht über die für einen bestimmten Aufsichtsratsausschuss benötigten Fachkenntnisse und sonstigen Erfahrungen, darf es nicht in den Ausschuss gewählt werden und muss seine Wahl ablehnen6. Für den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses verlangt Ziffer 5.3.2 Satz 2 Deutscher Corporate Governance Kodex ausdrücklich „besondere Kenntnisse und Erfahrungen in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen und internen Kontrollverfahren“7. Nach dem BilMoG muss dem Prüfungsausschuss einer kapitalmarktorientierten AG (§ 264d HGB)8 mindestens ein Mitglied angehören, das über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügt. Nimmt das Aufsichtsratsmitglied die Wahl dennoch an, kommt im Schadensfall eine Haftung aus dem Gesichtspunkt des Übernahmeverschuldens in Betracht9. Besonders hohe Anfor1 Dreher in FS Boujong, 1996, S. 71, 83; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 61; Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 572; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 1008; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 117; Schwark in FS Werner, 1984, S. 841, 849; strenger jedoch Möllers, ZIP 1995, 1725, 1733. 2 Vgl. auch Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 116 AktG Rz. 64; Mutter/Gayk, ZIP 2003, 1773, 1774; a.A. wohl Luttermann, BB 2003, 745, 748. 3 Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 33; einschränkend jedoch Doralt in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 13 Rz. 34; Hüffer, § 116 AktG Rz. 9. 4 OLG Hamburg v. 29.9.1995 – 11 U 20/95, AG 1996, 84, 85; Götz, AG 1995, 337, 346; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 61; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 57; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen, S. 289; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, 1986, S. 64. 5 Sehr weitgehend OLG Düsseldorf v. 8.3.1984 – 6 U 75/83, AG 1984, 273, 275 (zur PublikumsKG), das bei Unternehmen in der Anlaufphase vom Aufsichtsratsmitglied auch ohne konkrete Verdachtsmomente eigene Nachforschungen verlangt; siehe auch BGH v. 22.10.1979 – II ZR 151/77, AG 1980, 109, 110 (zur Publikums-KG). 6 Doralt in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 13 Rz. 23; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 1008; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 57; Schwark in FS Werner, 1984, S. 841, 848; Mutter/Gayk, ZIP 2003, 1773, 1775. 7 Vgl. Habersack, HSA 2005 II, 533, 554; Lieder, NZG 2005, 573; E. Vetter, BB 2005, 1689. 8 Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG), BR-Drucks. 344/08. 9 Hüffer, § 116 AktG Rz. 3; Feddersen, AG 2000, 385, 389; Götz, AG 1995, 337, 345; Potthoff/ Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 806; Spindler in Spindler/Stilz, § 116 AktG Rz. 14.
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derungen bestehen für den Sorgfaltsmaßstab und die Pflichten des Aufsichtsratsvorsitzenden, denn ihm kommt mit der Übernahme der Vorsitzendenfunktion zwangsläufig eine gesteigerte Verantwortung in persönlicher und zeitlicher Hinsicht für die erfolgreiche und effiziente Tätigkeit des Aufsichtsrates zu1. 4. Pflichtenkreis der Aufsichtsratsmitglieder 61
Die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes ist die wichtigste Aufgabe des Aufsichtsrates. Bei seiner Überwachungstätigkeit hat sich der Aufsichtsrat am Maßstab der Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung des Vorstandes auszurichten2. An der ordnungsgemäßen und möglichst effektiven Erfüllung dieser Aufgabe hat das einzelne Aufsichtsratsmitglied höchstpersönlich und eigenverantwortlich mitzuwirken3. Die in der Betriebswirtschaftslehre entwickelten Grundsätze ordnungsmäßiger Aufsichtsratstätigkeit4, die teilweise auch Eingang in den Deutschen Corporate Governance Kodex gefunden haben, haben keine Verbindlichkeit. Sie begründen weder Rechtspflichten5 noch reicht ihre Einhaltung automatisch als Nachweis der Erfüllung der Sorgfaltspflichten als Aufsichtsratsmitglied aus6. Die Grundsätze können freilich zur Schärfung des Bewusstseins der Aufsichtsratsmitglieder bei Wahrnehmung ihrer Überwachungsaufgabe beitragen und Anhaltspunkte zur Konkretisierung einzelner Sorgfaltspflichten liefern. Soweit die Aufsichtsratsmitglieder unternehmerische Entscheidungen treffen, kommen auch für sie die Grundsätze der Business Judgement Rule in Betracht, wie sie in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG geregelt sind7.
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Die Unwirksamkeit der Wahl oder der Entsendung beeinträchtigt nicht die Sorgfaltspflicht und Verantwortung eines Aufsichtsratsmitglieds gemäß §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 AktG, wenn es das Amt wahrgenommen hat und im Rahmen seines Mandates tätig geworden ist8. a) Personenbezogene Pflichten
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Das Aufsichtsratsmitglied braucht zwar nicht über einen umfassenden ökonomischen und juristischen oder speziell bilanzrechtlichen Sachverstand zu verfügen9, es hat in 1 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 116 AktG Rz. 61; Krieger, ZGR 1985, 338, 342; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 21; Semler, AG 1983, 141, 144; differenzierend Dreher in FS Boujong, 1996, S. 71, 85. 2 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 986; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 490 ff.; Semler in FS Peltzer, 2001, S. 489, 497. 3 Deckert, DZWir 1996, 406, 407; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 9; Mülbert in Corporate Governance, S. 99, 116; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 796; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 25. 4 Arbeitskreis „Externe und interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft/Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., DB 1995, 1; vgl. dazu z.B. Potthoff, DB 1995, 163; Theisen, AG 1995, 193. 5 Hüffer, § 111 AktG Rz. 1; vgl. auch Claussen/Bröcker, AG 2000, 481, 482; Semler, Leitung und Überwachung, S. 54. 6 Semler in FS Peltzer, 2001, S. 489, 494; Spindler in Spindler/Stilz, § 116 AktG Rz. 20. 7 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 60; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 116 AktG Rz. 86 ff.; Spindler in Spindler/Stilz, § 116 AktG Rz. 37. 8 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 101 AktG Rz. 92; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 116 AktG Rz. 47; Lowe, Fehlerhaft gewählte Aufsichtsratsmitglieder, 1988, S. 86. 9 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 7; a.A. Prühs, AG 1970, 347, 352; differenzierend Doralt in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 15 Rz. 19.
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seiner Person aber sicherzustellen, dass es über die für die Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandates notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, um die für die Lage der Gesellschaft maßgeblichen wirtschaftlichen Zusammenhänge und die normalerweise anfallenden Geschäftsvorfälle ohne die Inanspruchnahme der Hilfe Dritter zu beurteilen1. Das Aufsichtsratsmitglied muss in der Lage sein, sich auf Grund der schriftlichen und mündlichen Berichterstattung des Vorstandes und der Feststellungen und Erläuterungen des Abschlussprüfers sowie gegebenenfalls der Diskussion im Aufsichtsrat ein realistisches Bild über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft und ihre weitere Entwicklung zu machen. Das einzelne Aufsichtsratsmitglied muss ausreichende Kenntnisse zur sachgerechten Beurteilung der Überwachungsaufgabe und Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrates besitzen, nämlich insbesondere Kenntnisse der Ordnungsmäßigkeit von Zusammensetzung, Organisation und Arbeitsweise des Aufsichtsrates2, der Rechte und Pflichten des Aufsichtsrates sowie des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds3, der Rechte und Pflichten des Vorstandes4 sowie der Ordnungsmäßigkeit der Berichterstattung des Vorstandes gemäß § 90 AktG5.
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b) Funktionsbezogene Pflichten Das Aufsichtsratsmitglied ist zur regelmäßigen Teilnahme an den Aufsichtsratssitzungen und zur sorgfältigen Vorbereitung der zur Beratung und Beschlussfassung anstehenden Gegenstände verpflichtet. Ziff. 5.4.5 Deutscher Corporate Governance Kodex betont zu Recht, dass es darauf zu achten hat, dass ihm genügend Zeit zur Wahrnehmung des Aufsichtsratsmandates zur Verfügung steht. Darüber hinaus hat es im Interesse des Unternehmens auf eine gesetzeskonforme Erledigung der dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgaben und eine funktionsgerechte Organisation und Arbeitsweise des Gremiums hinzuwirken, was gegebenenfalls auch die Einberufung einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung, zu der das einzelne Aufsichtsratsmitglied nach § 110 Abs. 2 AktG berechtigt ist, erforderlich machen kann6. Bei einer schwierigen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, bei risikoträchtigen Angelegenheiten oder sonstigen konkreten Besorgnisgründen steigt dabei die Pflicht zur kritischen Prüfung und insbesondere zum intensiven Gebrauch des individuellen Fragerechts des Aufsichtsratmitglieds gegenüber dem Vorstand und gegebenenfalls auch zur Einforderung von zusätzlichen Berichten nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG bis hin zur Beauftragung von einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern oder Sachverständigen mit bestimmten Sonderaufgaben nach § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG7 oder zur Anordnung von Zustim-
1 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82 – „Hertie“, BGHZ 85, 293, 295. 2 Doralt in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 10 Rz. 22; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 7. 3 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 116 AktG Rz. 45; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 7; Semler in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 2 Rz. 85; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 805. 4 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 7; Schwark in FS Werner, 1984, S. 841, 844. 5 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 7; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 805. 6 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 889; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 11. 7 Vgl. Hüffer, § 116 AktG Rz. 3; Semler, Leitung und Überwachung, Rz. 240; Semler, AG 1983, 141, 142; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rz. 256.
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mungsvorbehalten nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG1. Die Ausweitung der Individualrechte des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds in den §§ 90 Abs. 3 Satz 2 und 110 Abs. 2 AktG zielt bewusst auf eine Stärkung der Verantwortung und des Verantwortungsbewusstseins des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds ab2. Zu eigenen Nachforschungen oder Kontrollmaßnahmen am Aufsichtsrat vorbei sowie zu direkten Fragen an den Vorstand oder einzelne seiner Mitglieder außerhalb der Aufsichtsratssitzung ist das Aufsichtsratsmitglied jedoch weder berechtigt noch verpflichtet3. 66
Gerichtsentscheidungen über Pflichtverletzungen von Aufsichtsratsmitgliedern oder Beiratsmitgliedern einer Publikums-Kommanditgesellschaft, auf die die §§ 116, 93 AktG meist entsprechend angewendet werden, mit der Folge persönlicher Haftung ergehen meist im Fall der Insolvenz der Unternehmen. Pflichtverletzungen sind bejaht worden z.B. bei Untätigkeit bei ungewöhnlich leichtfertigen Maßnahmen des Vorstandes4 oder bei Gerüchten über ein Fehlverhalten des Vorstandes5; bei Unterlassung weitergehender Prüfungen, wenn die Jahresabschlussprüfung Anlass dazu gibt6; der Zustimmung zu einer Auszahlung ohne erforderliche Erkundigungen7; bei Duldung der unzulässigen Verzögerung der Stellung des Insolvenzantrages durch den Vorstand trotz Kenntnis der Überschuldung8; der Veranlassung des Vorstandes zum Abschluss eines gesellschaftsschädlichen Geschäfts9; der Zustimmung zum Verkauf von Vermögensgegenständen durch den Vorstand deutlich unter dem Verkehrswert, der leicht festzustellen war10; dem Versäumnis der Weitergabe wichtiger Informationen an den Gesamtaufsichtsrat, z.B. über die mangelnde Bonität eines Kunden, deren Kenntnis zur Versagung des beantragten Kredits durch den Aufsichtsrat geführt hätte11; dem Versäumnis der Information des Gesamtaufsichtsrates über ungesicherte Darlehensvergabe an die Obergesellschaft12, dem Unterlassen der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied wegen sorgfaltswid-
1 Henze, NJW 1998, 3309, 3312; weitergehend Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 164 ff. 2 Siehe Seibert, NZG 2002, 608, 610. 3 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 62a; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 16; Brandi, ZIP 2000, 173, 174; a.A. Leyens, Information des Aufsichtsrats, S. 175 ff.; Roth, AG 2004, 1, 8. 4 BGH v. 4.7.1977 – II ZR 150/75, BGHZ 69, 207, 214 (zur Publikums-KG). 5 LG Bielefeld v. 16.11.1999 – 15 O 91/98 – „Balsam“, AG 2000, 136; zustimmend von Gerkan, EWiR 2000, 107; H. P. Westermann, ZIP 2000, 25. 6 BGH v. 7.11.1977 – II ZR 43/76, AG 1978, 106, 108 (zur Publikums-KG); BGH v. 22.10.1979 – II ZR 151/77, AG 1980, 109, 110 (zur Publikums-KG). 7 BGH v. 11.12.2006 – II ZR 243/05, AG 2007, 167 (zur GmbH). 8 BGH v. 9.7.1979 – II ZR 118/77 – „Herstatt“, BGHZ 75, 96, 107; Vorinstanz OLG Köln v. 5.5.1977 – 14 U 46/76 – „Herstatt“, AG 1978, 17, 20. 9 BGH v. 21.12.1979 – II ZR 244/78 – „Elektrische Licht- und Kraftanlagen AG/Schaffgotsch“, AG 1980, 111, 112; vgl. dazu Ulmer, NJW 1980, 1603. 10 LG Stuttgart v. 29.10.1999 – 4 KfH O 80/98 – „Altenburger und Stralsunder Spielkarten Fabriken“, AG 2000, 237, 238; zustimmend Kort, EWiR 1999, 1145. 11 LG Hamburg v. 16.12.1980 – 8 O 229/79 – „Lenz Bau“, AG 1982, 51, 53; LG Bielefeld v. 16.11.1999 – 15 O 91/98 – „Balsam“, AG 2000, 136; zustimmend von Gerkan, EWiR 2000, 107; H. P. Westermann, ZIP 2000, 25; zur Informationspflicht vgl. z.B. auch LG Dortmund v. 1.8.2001 – 20 O 143/93 – „Harpener/Omni II“, AG 2002, 97, 98; Emde, DB 1999, 1486; a.A. Grunewald, GesR, 2. C Rz. 86. 12 LG Dortmund v. 1.8.2001 – 20 O 143/93 – „Harpener/Omni II“, AG 2002, 97, 98; vgl. auch LG Hamburg v. 16.12.1980 – 8 O 229/79 – „Lenz Bau“, AG 1982, 51, 53; vgl. auch OLG Jena v. 25.4.2007 – 6 U 947/05 – „MSP“, ZIP 2007, 1314.
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Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes
riger Geschäftsführung1 oder der Gewährung von nachträglichen vertraglich nicht vereinbarten Anerkennungsprämien2. Aufsichtsratsmitglieder dürfen nicht kommentarlos hinnehmen, dass der Aufsichtsrat einen satzungswidrigen, rechtswidrigen oder gesellschaftsschädlichen Beschluss fasst. Jedes Aufsichtsratsmitglied ist vielmehr verpflichtet, zumutbare Anstrengungen zu unternehmen, den Beschluss zu verhindern. Wieweit die Pflicht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds reicht, lässt sich nicht generell bestimmen. Mindestens muss das Aufsichtsratsmitglied im Rahmen der Beratungen deutlich seine Auffassung zum Ausdruck bringen und erläutern, weshalb es den vorgesehenen Beschluss für fehlerhaft und schädlich hält, und bei der Beschlussfassung dagegen stimmen. Eine bloße Stimmenthaltung bei der Abstimmung ist dazu nicht ausreichend3. Darüber hinaus sollte das überstimmte Aufsichtsratsmitglied im eigenen Interesse seine ablehnende Haltung ausdrücklich zu Protokoll geben, um hierdurch dem eventuellen Vorwurf der Pflichtverletzung begegnen zu können4. Besteht die Pflichtverletzung im Unterlassen eines notwendigen Aufsichtsratsbeschlusses, sollte das Aufsichtsratsmitglied dokumentieren können, dass es alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, den pflichtgemäßen Aufsichtsratsbeschluss herbeizuführen5. Zur Erhebung einer Klage gegen einen seiner Ansicht nach fehlerhaften Beschluss ist das Aufsichtsratsmitglied nur in seltenen Ausnahmefällen verpflichtet, etwa wenn bei Durchführung des Beschlusses mit erheblichen Schäden für die Gesellschaft zu rechnen ist oder Strafgesetze verletzt werden6. Durch Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat (oder der Androhung) kann der fehlerhafte Beschluss nicht zuverlässig verhindert werden; es kann deshalb auch nicht vom Aufsichtsratsmitglied verlangt werden7.
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5. Verfolgung von Ersatzansprüchen a) Ansprüche im Innenverhältnis aa) Anspruchsberechtigter. Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der Sorgfaltspflichten als Aufsichtsratsmitglied steht nach §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG der Gesellschaft als der geschädigten Person zu.
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bb) Geltendmachung von Ersatzansprüchen. Für die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche gegen die Aufsichtsratsmitglieder ist der Vorstand gemäß § 78 AktG
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1 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244; Götz, NJW 1997, 3275, 3277; Thümmel, DB 1997, 1117, 1119; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rz. 218. 2 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, AG 2006, 110; vgl. dazu z.B. Fleischer, DB 2006, 542, 543; Hoffmann-Becking, NZG 2006, 127, 128. 3 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 116 AktG Rz. 17; Spindler in Spindler/Stilz, § 116 AktG Rz. 34; E. Vetter, DB 2004, 2623, 2625; a.A. LG Berlin v. 8.10.2003 – 101 O 80/02, ZIP 2004, 73. 4 OLG Düsseldorf v. 22.6.1995 – U 104/94 – „ARAG/Garmenbeck“, AG 1995, 416, 417; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 31 Rz. 100; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 996; Noack, DZWir 1994, 341, 343; Peltzer, WM 1981, 346, 352. 5 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 995; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 2173; E. Vetter, DB 2004, 2623, 2628. 6 Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 520; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 116 AktG Rz. 58; Raiser, ZGR 1989, 44, 68; Spindler in Spindler/Stilz, § 116 AktG Rz. 41; offengelassen in BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244, 248; vgl. auch Mülbert in Corporate Governance, S. 99, 117. 7 Im Ergebnis ebenso Doralt in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 13 Rz. 40; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 997; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 116 AktG Rz. 39; E. Vetter, DB 2004, 2623, 2627.
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zuständig1. Wegen der engen wechselseitigen Verbundenheit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat sowie dem Risiko der eigenen Haftung kommt es im Regelfall nicht zur Verfolgung von Rechtsansprüchen durch den Vorstand gegen Mitglieder des Aufsichtsrates. Treffend ist deshalb in diesem Zusammenhang bereits von der „Bisssperre“ des Vorstandes gesprochen worden2. Die weitaus meisten Regressfälle werden deshalb in der Praxis nach Eintritt der Insolvenz des Unternehmens vom Insolvenzverwalter eingeleitet. 70
Dem Vorstand obliegt die eigenverantwortliche Prüfung der Ansprüche gegen die Aufsichtsratsmitglieder. Er ist zu deren außergerichtlicher und gerichtlicher Verfolgung berechtigt und nach den Grundsätzen des BGH-Urteils im Fall ARAG/Garmenbeck3 über die Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen pflichtwidrig handelnde Mitglieder des Vorstandes, die hier entsprechend zu berücksichtigen sind4, im Unternehmensinteresse grundsätzlich auch verpflichtet, sofern ausreichende Erfolgsaussichten zur Anspruchsdurchsetzung bestehen. Dem Vorstand ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten ein sehr begrenzter Beurteilungsspielraum und hinsichtlich der Anspruchsverfolgung nur ein enger Ermessensspielraum eingeräumt5. Pflichtverletzungen des Aufsichtsrates stehen im Regelfall in engem Zusammenhang mit entsprechenden Pflichtverletzungen des Vorstandes. In der Praxis wird deshalb eine Verfolgung der Ansprüche durch den Vorstand gegen Mitglieder des eigenen Aufsichtsrates wegen der kollegialen wechselseitigen Verbundenheit und dem Risiko der eigenen Haftung nur dann Realität werden, wenn z.B. nach einem Wechsel der Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschaft die bisherigen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder ausgeschieden sind und nun die Amtsgeschäfte von einem neuen Vorstand wahrgenommen werden. Bleibt die Verfolgung der Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Mitglieder des Aufsichtsrates nach §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG durch den Vorstand aus den zuvor genannten Gründen aus, kommt eine Geltendmachung der Ansprüche durch die Hauptversammlung (§ 147 Abs. 1 Satz 1 AktG) oder im Klagezulassungsverfahren durch eine qualifizierte Aktionärsminderheit nach § 148a AktG in Betracht. b) Ansprüche im Außenverhältnis
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Eine unmittelbare Haftung der Mitglieder des Aufsichtsrates gegenüber Aktionären ist nicht generell ausgeschlossen. Sie wird aber – wenn überhaupt – nur in seltenen Ausnahmefällen nach deliktsrechtlichen Grundsätzen relevant werden. Erörtert wird unter anderem eine Haftung wegen Verletzung der Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre, die als sonstiges absolutes Recht unter den Schutz von § 823 Abs. 1 BGB fallen6. In diesen Fällen wird aber primär eine Haftung der Mitglieder des Vorstandes als dem geschäftsführenden Organ in Betracht kommen (vgl. dazu im Einzelnen oben § 22 Rz. 72 ff.)7. 1 Goette in FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 123, 129; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 1013; Peltzer, WM 1981, 346, 348. 2 Peltzer, WM 1981, 346, 348; vgl. auch Trescher, DB 1995, 661. 3 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244. 4 Doralt in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 13 Rz. 61; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 1013. 5 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG/Garmenbeck“, BGHZ 135, 244, 254. 6 Vgl. Doralt in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 13 Rz. 128; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 1019. 7 Vgl. z.B. Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1989, § 93 AktG Rz. 174 m.w.N.; Seibt, AG 2002, 249, 255 ff.
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Als weitere Anspruchsgrundlagen der Aktionäre können auch § 117 Abs. 2 AktG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz, z.B. § 263 StGB (Betrug), § 266 StGB (Untreue)1, § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug) oder die durch die §§ 399 ff. AktG abgesicherten Pflichten2 sowie § 826 BGB3, in Betracht kommen4. Kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB sind jedoch die §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1 AktG5.
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Einstweilen frei.
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6. Verzicht und Vergleich Nach § 93 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 116 AktG kommt ein Verzicht oder Vergleich über Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen Mitglieder des Aufsichtsrates erst drei Jahre nach ihrer Entstehung in Betracht. Eine vorher getroffene Vereinbarung ist unwirksam6. Diese zeitlichen Anforderungen sind dann unbeachtlich, wenn das Aufsichtsratsmitglied zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder die Ersatzpflicht im Insolvenzplan geregelt ist (§ 93 Abs. 4 Satz 4 AktG). Zur Wirksamkeit des Verzichts oder Vergleichs, bei dem die Gesellschaft gegenüber dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied durch den Vorstand vertreten wird, bedarf es nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG eines zustimmenden Beschlusses der Hauptversammlung, für den im Unterschied zur Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds (§ 103 Abs. 1 Satz 2 AktG) die einfache Mehrheit ausreicht, sofern nicht die Satzung eine höhere Mehrheit verlangt. Die Wirkung des Hauptversammlungsbeschlusses entfällt, wenn eine Minderheit von 10 % des Grundkapitals Widerspruch zur Niederschrift erhebt, z.B. mit dem Ziel Ersatzansprüche nach § 147 AktG zu verfolgen. Die von der Hauptversammlung nach § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG alljährlich zu beschließende Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates enthält im Unterschied zum GmbH-Recht keinen Verzicht auf Ersatzansprüche (§ 120 Abs. 2 Satz 2 AktG).
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7. Haftpflichtversicherung der Aufsichtsratsmitglieder In vielen Gesellschaften besteht eine Vermögenschaden-Haftpflichtversicherung, so genannte D&O Versicherung, die jeweils von der AG selbst auf ihre Kosten abgeschlossen wird und die Versicherungsschutz für sämtliche Mitglieder des Vorstandes, des Aufsichtsrates wie zumeist auch für die übrigen Führungskräfte des Unternehmens einschließt. Diese Versicherung (Directors & Officers Liability Insurance) deckt das Haftungsrisiko ab, dass das einzelne Aufsichtsratsmitglied im Falle einer schuldhaft fehlerhaften Ausübung seiner Pflichten als Organmitglied persönlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, und zwar sowohl von Dritten als auch durch die AG selbst7.
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Oft wird für die versicherten Personen ein Selbstbehalt, insbesondere bei grob fahrlässigem Verhalten vereinbart. Ziff. 3.8 Deutscher Corporate Governance Kodex emp-
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1 BGH v. 11.7.1988 – II ZR 243/87, BGHZ 105, 121, 124; vgl. auch BGH v. 6.4.2000 – 1 StR 280/99, BGHSt 46, 30; BGH v. 6.2.2002 – 1 StR 185/01, NJW 2002, 1211. 2 BGH v. 11.7.1988 – II ZR 243/87, BGHZ 105, 121. 3 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83 – „BuM/WestLB“, BGHZ 90, 381, 399. 4 Vgl. dazu z.B. Kossen, DB 1988, 1785, 1791. 5 BGH v. 9.7.1979 – II ZR 211/76 – „Herstatt II“, AG 1979, 263; BGH v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366, 375. 6 Hüffer, § 93 AktG Rz. 28; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1989, § 84 AktG Rz. 136. 7 Vgl. z.B. Henssler, RWS Forum Gesellschaftsrecht 2001, S. 131, 139; Ihlas, Organhaftung und Haftpflichtversicherung, 1997, S. 59 ff., 187 ff.; Lattwein/Krüger, NVersZ 2000, 365.
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Aufsichtsrat
fiehlt generell die Vereinbarung eines angemessenen Selbstbehaltes1 für die von der Gesellschaft abgeschlossene D&O Versicherung der Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates, da davon ausgegangen wird, dass andernfalls die Wirkung der aus der persönlichen Haftung abgeleiteten präventiven Verhaltenssteuerung der Aufsichtsratsmitglieder verloren ginge2. Das einzelne Aufsichtsratsmitglied kann seinerseits den Selbstbehalt durch Abschluss einer Zusatzversicherung auf eigene Kosten reduzieren oder auch völlig ausschließen. Werden diese Kosten von der Gesellschaft übernommen, wird der Empfehlung von Ziff. 3.8 Deutscher Corporate Governance Kodex nicht entsprochen3. Ob diese Zusatzversicherung beim D&O-Versicherer der Gesellschaft oder einem anderen Versicherungsunternehmen abgeschlossen wird, ist im Hinblick auf die Erfüllung der Anforderungen von Ziff. 3.8 Deutscher Corporate Governance Kodex ohne Belang. 77
Die aktienrechtliche Zulässigkeit einer D&O Versicherung ist unbestritten4. Insbesondere stellt der Abschluss einer D&O Versicherung für die Mitglieder des Aufsichtsrates durch die Gesellschaft keinen Verzicht auf Ersatzansprüche dar und verstößt deshalb auch nicht gegen § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG5. Für den Abschluss der Versicherung ist der Vorstand zuständig6. Diese Auffassung wird dem Sinn und Zweck der D&O Versicherung nicht gerecht und führt auch zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten, da § 113 AktG verlangt, dass die Vergütung des Aufsichtsrates exakt bestimmt sein muss. Zu Recht wird der Abschluss einer gesellschaftsfinanzierten D&O Versicherung für Aufsichtsratsmitglieder mit dem Eigeninteresse der AG und der verantwortlichen Risikovorsorge7 begründet und als Bestandteil der rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen für die Übernahme des Aufsichtsratsmandates sowie als Fürsorgemaßnahme der Gesellschaft angesehen, auf die § 113 AktG nicht anwendbar ist8. Der rechtlichen Qualifikation als Maßnahme im Eigeninteresse der Gesellschaft entspricht auch die Beurteilung der Finanzverwaltung9, die die Prämienzahlungen durch die Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen nicht anteilig als steuerpflichtige Einkünfte der Mitglieder des Aufsichtsrates betrachtet. Nach Auffassung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder ist bei der von der Ge1 Zur Frage der Angemessenheit vgl. Dreher/Görner, ZIP 2003, 2321, 2326; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 116 AktG Rz. 331; Messmer, VW 2002, 1384, 1386; Schiessl, AG 2002, 593, 595; Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550, 553. 2 Vgl. Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 75; siehe auch Bayer in Corporate Governance, S. 137, 158; Schwark in Corporate Governance, S. 75, 101; Götz, AG 1995, 337, 345; Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 305; Zimmer, NJW 1998, 3521, 3526; generell ablehnend Dreher/ Görner, ZIP 2003, 2321, 2324. 3 Ebenso Seibt, AG 2003, 465, 474. 4 Vgl. z.B. auch Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 75; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 519; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 1024; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1989, § 84 AktG Rz. 83. 5 Berger, Kosten der Aufsichtsratstätigkeit, S. 145; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 93 AktG Rz. 191; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1989, § 84 AktG Rz. 83; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rz. 467; E. Vetter, AG 2000, 453, 454; ebenso wohl Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rz. 75. 6 Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 321; Mertens, AG 2000, 447, 452; E. Vetter, AG 2000, 453, 457. 7 E. Vetter, AG 2000, 453, 455; Lange, DStR 2002, 1626, 1630; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 113 AktG Rz. 82; zurückhaltend Dreher, ZHR 165 (2001), 293, 313; Henssler, RWS Forum Gesellschaftsrecht 2001, S. 131, 150. 8 Mertens, AG 2000, 447 ff.; E. Vetter, AG 2000, 453 ff.; Dreher, ZHR 165 (2001), 293 ff.; Lange, ZIP 2001, 1524, 1526; Hopt/Roth in Großkomm. AktG 4. Aufl. 2005, § 113 AktG Rz. 53; differenzierend Spindler in Spindler/Stilz, § 113 AktG Rz. 16. 9 Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen v. 24.1.2002 – IV C 5 – S 2332 – 8/02, abgedruckt z.B. in AG 2002, 287; vgl. dazu z.B. Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550.
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sellschaft abgeschlossenen und finanzierten D&O Versicherung unter bestimmten Voraussetzungen von einem überwiegend eigenbetrieblichen Interesse auszugehen, so dass die Prämienbeiträge nicht der Lohn- oder Einkommensteuer der versicherten Personen unterliegen und bei der Gesellschaft in vollem Umfang als Betriebsausgabe abzugsfähig sind. Ungeachtet der umstrittenen rechtlichen Qualifikation der gesellschaftsfinanzierten D&O Versicherung im Hinblick auf § 113 Abs. 1 AktG ist der Versicherungsvertrag jedoch auch bei Fehlen der Zustimmung der Hauptversammlung in jedem Fall wirksam1. 8. Freistellung Eine Haftungsfreistellung zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder durch die Gesellschaft scheidet wegen § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG aus2. Zulässig ist eine Haftungsfreistellung durch Dritte3. Diese kommt insbesondere für die Vertreter des herrschenden Unternehmens, die Aufsichtsratsmandate in Tochtergesellschaften wahrnehmen, hinsichtlich einer eventuellen Haftung wegen fehlerhafter Wahrnehmung ihrer Überwachungspflichten in Betracht.
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III. Klagerechte des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds 1. Allgemeines Das AktG räumt dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied in einigen wenigen Fällen das Recht ein, Klage gegen die Gesellschaft zu erheben. Ob über diese ausdrücklich normierten Fälle hinaus dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied oder einer Gruppe von Aufsichtsratsmitgliedern auch in anderen Fällen die Möglichkeit eröffnet ist, Klagen gegen die AG oder gegen ihre Organe zu erheben, ist hinsichtlich der Voraussetzungen und Grenzen dieser Klagemöglichkeiten in Literatur und Rechtsprechung in hohem Maße umstritten4. Zu unterscheiden ist dabei zwischen verschiedenen Konstellationen; zum einen die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle sowie die Fälle der Durchsetzung individueller Ansprüche des Aufsichtsratsmitglieds. Zum anderen geht es um die Ansprüche des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Rechte und Pflichten als Organmitglied sowie die aus der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates abgeleiteten Ansprüche eines Aufsichtsratsmitglieds gegen ein anderes Organ der Gesellschaft.
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2. Gesetzlich geregelte Antrags- und Klagebefugnisse Soweit es um die richtige Zusammensetzung des Aufsichtsrates (§ 98 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG) oder die Besetzung des beschlussunfähigen oder unterbesetzten Aufsichtsrates (§ 104 Abs. 1 Satz 1 AktG) geht, ist jedes Aufsichtsratsmitglied befugt, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Auch zur Beantragung der gericht1 Krüger, NVersZ 2001, 8, 9; a.A. Kästner, AG 2000, 113, 117. 2 Habersack in FS Ulmer, 2003, S. 151, 156; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 522; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rz. 467. 3 Hüffer, § 116 AktG Rz. 8; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 116 AktG Rz. 74; zurückhaltend H. P. Westermann in FS Beusch, 1993, S. 871, 887; differenzierend unter dem Gesichtspunkt der zwingenden Unabhängigkeit Habersack in FS Ulmer, 2003, S. 151, 165. 4 Vgl. z.B. Deckert, AG 1994, 457; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 212 ff.; siehe auch Mülbert in Corporate Governance, S. 99, 109.
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Aufsichtsrat
lichen Bestellung eines fehlenden Vorstandsmitglieds ist das einzelne Aufsichtsratsmitglied berechtigt1. Unter den Voraussetzungen von § 245 Nr. 5 AktG ist jedes Mitglied des Aufsichtsrates zur Anfechtungsklage und nach § 249 Abs. 1 AktG, zur Nichtigkeitsklage gegen einen fehlerhaften Hauptversammlungsbeschluss sowie zur Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses befugt (§ 256 Abs. 7 i.V.m. § 249 Abs. 1 AktG) (vgl. dazu im Einzelnen unten § 37 Rz. 91)2. 3. Klagen zur Durchsetzung von persönlichen Rechtsansprüchen außerhalb der organschaftlichen Befugnisse 81
Das einzelne Aufsichtsratsmitglied ist berechtigt, seine persönlichen Ansprüche auf Zahlung der Aufsichtsratsvergütung und des Aufwendungsersatzes im Wege der Leistungsklage zu verfolgen3. Die Klage ist gegen die Gesellschaft zu richten, die vom Vorstand gemäß § 78 Abs. 1 AktG vertreten wird. 4. Klagen zur Durchsetzung der individuellen organschaftlichen Rechte und Pflichten des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds a) Streit wegen Verletzung von Eigenrechten des Aufsichtsratsmitglieds
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Das AktG räumt dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied verschiedene organschaftliche Rechte ein, die es in die Lage versetzen sollen, seinen aus § 111 Abs. 1 AktG abzuleitenden Pflichten als Organmitglied ordnungsgemäß nachkommen zu können. Der BGH spricht bei diesen subjektiven organschaftlichen Rechten von so genannten Eigenrechten des Mitglieds4. Wird das Aufsichtsratsmitglied in diesen Eigenrechten beeinträchtigt, so ist es befugt, die Durchsetzung dieser Rechte im Wege der Klage im eigenen Namen zu verfolgen5.
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Nach Ansicht der Rechtsprechung, die den Gesellschaftsorganen der AG bisher die Anerkennung der Teil-Partei- und Teil-Prozessfähigkeit gemäß § 50 Abs. 1 ZPO versagt hat6, ist für derartige Klagen stets die Gesellschaft passivlegitimiert, die dabei gemäß § 78 Abs. 1 AktG durch den Vorstand vertreten wird7. Diese generelle Lösung ist deshalb problematisch und unbefriedigend, weil in einem Teil der Fälle der Vorstand ungeachtet der gesetzlichen Funktionstrennung in der AG in die inneren Angelegenheiten des Aufsichtsrates eingreifen müsste und darüber hinaus bei der Klage zur Durchsetzung bestimmter Maßnahmen als Organfremder oft auch weder rechtlich noch faktisch in der Lage ist, diese selbst zu erbringen8. Richtigerweise ist zu differenzieren und die Klage des Aufsichtsratsmitglieds auf Kompetenzschutz deshalb 1 Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 85 AktG Rz. 9; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 833. 2 Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 356; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 836. 3 Deckert, AG 1994, 457, 458; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 70; Hüffer, § 90 AktG Rz. 16; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 97. 4 BGH v. 28.11.1988 – II ZR 57/88 – „Opel“, BGHZ 106, 54, 62; Säcker, NJW 1979, 1521 spricht von Hilfsrechten; vgl. auch Deckert, AG 1994, 457, 458. 5 Hüffer, § 90 AktG Rz. 21; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 838; Säcker, NJW 1979, 1521. 6 Offengelassen in BGH v. 28.11.1988 – II ZR/57/88 – „Opel“, BGHZ 106, 54, 62; siehe auch OLG Hamburg v. 6.3.1992 – 11 U 134/91 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, AG 1992, 197. 7 Vgl. BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82 – „Hertie“, BGHZ 85, 293, 295; BGH v. 28.11.1988 – II ZR/57/88 – „Opel“, BGHZ 106, 54, 62; Hüffer, § 90 AktG Rz. 22; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1989, § 90 AktG Rz. 53; differenzierend hinsichtlich der Vertretung der AG z.B. Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 839; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 15. 8 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 315; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 274.
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Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes
nicht gegen die Gesellschaft, sondern gegen dasjenige Organ (oder den Aufsichtsratsvorsitzenden innerhalb des Organs Aufsichtsrat) zu richten, durch das das Aufsichtsratsmitglied nach seinem eigenen Vortrag in seinen organschaftlichen Eigenrechten beeinträchtigt wird und das durch die Klage zu einem rechtskonformen Verhalten angehalten werden soll, um die Eigenrechte des Aufsichtsratsmitglieds zu befriedigen1. Werden dem Aufsichtsratsmitglied vom Vorstand die in § 90 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AktG vorgeschriebenen Regelberichte oder ein Anforderungsbericht gemäß § 90 Abs. 3 AktG, der nach der durch das TransPuG erfolgten Gesetzesänderung auch von einem einzelnen Aufsichtsratsmitglied verlangt werden kann, entgegen der Bestimmung des § 90 Abs. 5 AktG vorenthalten, kann es die Erfüllung der Berichtspflicht im eigenen Namen im Wege der Leistungsklage gegen den Vorstand als das verpflichtete Organ geltend machen2. Gleiches gilt für die Vorlage des Jahresabschlusses (§ 170 Abs. 3 AktG) und des Berichts über die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen (§ 314 Abs. 1 AktG). Beruht die Vorenthaltung der Berichte auf einer Weigerung des Aufsichtsratsvorsitzenden, dem sie bereits vom Vorstand zugeleitet worden sind und der damit seine Berichtspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat erfüllt hat3, ist die Klage auf Aushändigung gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden als das verpflichtete Organ (innerhalb des Organs Aufsichtsrat) zu richten4. Nach § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG und § 318 Abs. 1 Satz 4 HGB erteilt der Aufsichtsrat dem Abschlussprüfer den Auftrag zur Erstellung des Prüfungsberichts zum Jahresabschluss und Konzernabschluss. Werden die Prüfungsberichte des Abschlussprüfers einem Aufsichtsratsmitglied entgegen § 170 Abs. 3 AktG vorenthalten oder werden ihm die vom Aufsichtsrat nach § 109 Abs. 1 Satz 2 AktG in Auftrag gegebenen Sachverständigenberichte nicht zugänglich gemacht, ist es zur Klage auf Aushändigung der Berichte gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden berechtigt5. Wird einem Aufsichtsratsmitglied entgegen § 109 Abs. 1 Satz 1 AktG die Teilnahme an der Sitzung des Aufsichtsrates verweigert, kann es seine Rechte durch Klage gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden durchsetzen6. Gleiches gilt für den Fall, dass dem Aufsichtsratsmitglied unter Verstoß gegen § 107 Abs. 2 Satz 4 AktG das Sitzungsprotokoll nicht ausgehändigt wird7. Das Aufsichtsratsmitglied hat nach § 109 Abs. 2 AktG kein uneingeschränktes Recht auf Teil1 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 316; Säcker, NJW 1979, 1521, 1526; Steinbeck, Überwachungspflicht, S. 213. 2 Bork, ZIP 1991, 137, 141; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 316; Raiser, AG 1989, 185, 189; H. Westermann in FS Bötticher, 1969, S. 369, 380; a.A. BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82 – „Hertie“, BGHZ 85, 293, 295; Hüffer, § 90 AktG Rz. 22; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1989, § 90 AktG Rz. 53. 3 Vgl. BayObLG v. 25.4.1968 – 2 Z 56/67, AG 1968, 329, 330. 4 Lewerenz, Leistungsklagen zwischen Organen und Organmitgliedern, S. 100; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 226; H. Westermann in FS Bötticher, 1969, S. 369, 381; ebenso wohl Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 315; a.A. Bork, ZIP 1991, 137, 143; Raiser, AG 1989, 185, 189: Passivlegitimation des Aufsichtsrates vertreten durch den Vorstand. 5 Bork, ZGR 1989, 1, 32; ebenso wohl Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 315; offengelassen in BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82 – „Hertie“, BGHZ 85, 292, 295; a.A. Hüffer, § 170 AktG Rz. 15; Spindler in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 90 AktG Rz. 62: Passivlegitimation der AG vertreten durch den Vorstand; wieder anders Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 15: Passivlegitimation der AG vertreten durch den Aufsichtsrat. 6 Ebenso wohl Lewerenz, Leistungsklagen zwischen Organen und Organmitgliedern, 1977, S. 134; a.A. Lippert, Überwachungspflicht, Informationsrecht und gesamtschuldnerische Haftung des Aufsichtsrates, S. 122; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 97, die Passivlegitimation der AG annehmen. 7 A.A. Hüffer, § 107 AktG Rz. 14; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 107 AktG Rz. 80, die Passivlegitimation der AG vertreten durch den Vorstand annehmen wollen.
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Aufsichtsrat
nahme an der Sitzung eines Aufsichtsratsausschusses. Es ist insoweit von einer Entscheidung des Aufsichtsratsvorsitzenden, die nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen hat, abhängig. Wird die Teilnahme verweigert, kann das Aufsichtsratsmitglied seine Rechte durch Klage gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden durchsetzen1. b) Geltendmachung der Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen des Aufsichtsrates 85
Aufsichtsratsbeschlüsse können sowohl ihrem Inhalt nach wie auch nach der Art ihres Zustandekommens mit Mängeln behaftet sein. Nach einer von Teilen des Schrifttums vertretenen Auffassung ist ein Aufsichtsratsbeschluss bei schweren inhaltlichen Verstößen gegen Gesetz oder Satzung sowie bei absoluten Verfahrensmängeln nichtig, während er bei Verletzung von verzichtbaren oder heilbaren Verfahrensmängeln nur anfechtbar ist2. Der BGH ist der Differenzierung zwischen anfechtbaren und nichtigen Aufsichtsratsbeschlüssen nicht gefolgt und hat für die Fehlerhaftigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen insbesondere eine Analogie zu den Vorschriften der §§ 241 ff. AktG über die Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen ausdrücklich abgelehnt3. Im Wesentlichen hat er auf das besonders zu schützende Vertrauen der Öffentlichkeit und der Anleger in den Bestand der Entscheidung der Hauptversammlung hingewiesen, das beim Aufsichtsratsbeschluss, der in den meisten Fällen nur interne Wirkung habe, nicht gegeben sei. Andererseits hat der BGH hinsichtlich der Rechtsschutzmöglichkeiten des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds betont, dass dieses seine Einwendungen gegen einen von ihm als fehlerhaft betrachteten Beschluss in jedem Fall „mit aller unter den jeweils gegebenen Verhältnissen zumutbaren Beschleunigung“ geltend machen muss4, da die Gesellschaft andernfalls in einem unzumutbaren Zustand der Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Bestandskraft des Aufsichtsratsbeschlusses steht. In ihren praktischen Auswirkungen kommen damit die unterschiedlichen Auffassungen in den meisten Fällen zu identischen Ergebnissen.
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Jedem Aufsichtsratsmitglied steht die Möglichkeit offen, jederzeit die Fehlerhaftigkeit eines Beschlusses des Aufsichtsrates gerichtlich geltend zu machen, sofern der Fehler nicht in einem weniger gravierenden Verfahrensverstoß liegt. In Betracht kommt die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses5, die gegen die Gesellschaft zu richten ist, die dabei vom Vorstand gemäß § 78 Abs. 1 AktG vertreten wird6. Das Auf1 Lewerenz, Leistungsklagen zwischen Organen und Organmitgliedern, 1977, S. 135; Lippert, Überwachungspflicht, Informationsrecht und gesamtschuldnerische Haftung des Aufsichtsrates, S. 122; a.A. Raiser, § 25 MitbestG Rz. 97: Passivlegitimation der AG. 2 Axhausen, Anfechtbarkeit aktienrechtlicher Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 113 ff.; Baums, ZGR 1983, 300, 305; Lembke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, S. 94 ff.; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 93; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1996, § 241 AktG Rz. 35. 3 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 347; BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92 – „Vereinigte Krankenversicherung“, BGHZ 124, 111, 115; vgl. dazu z.B. auch Götz in FS Lüke, 1997, S. 167 ff.; Kindl, AG 1995, 153; Spindler in Spindler/ Stilz, § 108 AktG Rz. 73. 4 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 352. 5 BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74 – „Bayer“, BGHZ 64, 325, 326; BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 347; BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 – „ARAG“, BGHZ 135, 244, 247; Hüffer, § 108 AktG Rz. 18; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 90. 6 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 102/81 – „Dynamit Nobel“, BGHZ 83, 144, 146; BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 345; Kindl, Die Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, S. 188; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 108 AktG Rz. 90; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 78.
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Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitgliedes
sichtsratsmitglied ist jedoch nicht berechtigt, eine Anfechtungsklage zur Beseitigung eines fehlerhaften Aufsichtsratsbeschlusses zu erheben1. Ist der Aufsichtsratsbeschluss mit einem minderschweren Mangel (z.B. Verstoß gegen verzichtbare Verfahrensvorschriften) behaftet, kann seine Nichtigkeit nicht jederzeit geltend gemacht werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist vielmehr erforderlich, den Beschlussmangel alsbald nach der notwendigen rechtlichen Prüfung zu rügen, z.B. gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden, da andernfalls die Verwirkung des Rechts eintritt2. Praktikabel und vertretbar ist der Vorschlag3, eine Rügefrist von einem Monat nach der nächsten Aufsichtsratssitzung zugrundezulegen, vor deren Ablauf die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses gemäß § 256 ZPO erhoben werden muss. Bei länger andauernder auf anderem Weg nicht zu überwindender rechtlicher Ungewissheit ist der Aufsichtsratsvorsitzende unter Umständen verpflichtet, das betreffende Aufsichtsratsmitglied zu einer Stellungnahme aufzufordern, um eine andernfalls bestehende Unklarheit zu beseitigen und um entscheiden zu können, ob die Gesellschaft gegebenenfalls ihrerseits Feststellungsklage zur Beendigung des Schwebezustandes erhebt4. 5. Klagen zur Durchsetzung der Rechte des Aufsichtsrates gegenüber einem anderen Organ a) Klagen des Aufsichtsratsmitglieds aus eigenem Recht Handelt der Vorstand nach Ansicht eines Aufsichtsratsmitglieds nicht rechts- und satzungsgemäß, so ist das Aufsichtsratsmitglied berechtigt, unter Umständen sogar verpflichtet, gemäß § 110 AktG auf eine Diskussion und Entscheidungsfindung des Aufsichtsrates hinzuwirken. Nach § 110 Abs. 2 AktG kann bereits ein einzelnes Mitglied des Aufsichtsrates zu einer Sitzung einberufen, sofern der Aufsichtsratsvorsitzende dem Einberufungsverlangen nicht nachkommt. Eine Klage des Aufsichtsratsmitglieds aus eigenem Recht gegen den Vorstand zur Durchsetzung eines bestimmten Verhaltens kommt jedoch nicht in Betracht. Das Aufsichtsratsmitglied ist nicht berechtigt, den im Aufsichtsrat bestehenden organinternen Mehrheits-Minderheitskonflikt nach außen zu tragen und zu einem Konflikt mit einem anderen Organ der Gesellschaft umzugestalten. Das Aufsichtsratsmitglied ist vielmehr auf die Rechte zur Herbeiführung einer organinternen Lösung des Konflikts beschränkt. Der Aufsichtsrat ist Träger des Überwachungsrechts nach § 111 Abs. 1 AktG und Inhaber eventueller daraus abzuleitender Ansprüche gegen den Vorstand. Das einzelne Aufsichtsratsmitglied kann diese Rechte nicht selbst wahrnehmen5. Diese Zuständigkeitsregelung gilt uneingeschränkt auch für Gesellschaften, deren Aufsichtsrat nach den Bestimmungen des MitbestG zu bilden ist6. 1 BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 347; BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92 – „Vereinigte Krankenversicherung“, BGHZ 124, 111, 115; Hüffer, § 108 AktG Rz. 19; Spindler in Spindler/Stilz, § 108 AktG Rz. 73. 2 Götz in FS Lüke, 1997, S. 167, 187; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 108 AktG Rz. 183; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 734; Spindler in Spindler/Stilz, § 108 AktG Rz. 78. 3 Hüffer, § 108 AktG Rz. 20; Kindl, AG 1993, 153, 161; vgl. auch Götz in FS Lüke, 1997, S. 167, 187; gegen starre Frist Spindler in Spindler/Stilz, § 108 AktG Rz. 77. 4 Vgl. BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92 – „Hamburg Mannheimer Versicherung“, BGHZ 122, 342, 352; Hoffmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 606. 5 BGH v. 28.11.1988 – II ZR/57/88 – „Opel“, BGHZ 106, 54, 63; OLG Celle v. 9.10.1989 – 9 U 186/89 – „Pelikan“, AG 1990, 264, 265; OLG Stuttgart v. 30.5.2007 – 20 U 14/06 – „Züblin/ Strabag“, AG 2007, 873, 875; Bork, ZGR 1989, 1, 35; Deckert, AG 1994, 457, 463; Kort, AG 1987, 193, 194. 6 BGH v. 28.11.1988 – II ZR/57/88 – „Opel“, BGHZ 106, 54, 65; Raiser, ZGR 1989, 44, 52.
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Aufsichtsrat
b) Klagen des Aufsichtsratsmitglieds anstelle des Aufsichtsrates 88
Die Frage der Zulässigkeit des aktienrechtlichen Organstreits, d.h., ob der Aufsichtsrat berechtigt ist, seine organschaftlichen Befugnisse im Wege der Klage gegen den Vorstand durchzusetzen, hat der BGH ausdrücklich offengelassen1. Der BGH hat gleichfalls nicht endgültig entschieden, ob einer in der Literatur vertretenen Auffassung2 zuzustimmen ist, dass die Kontrollrechte, die dem Aufsichtsrat als Kollegialorgan gegenüber dem Vorstand zustehen, auch durch das einzelne Aufsichtsratsmitglied oder eine Gruppe von Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber dem Vorstand im Wege der Klage aus abgeleitetem Recht (actio pro socio oder actio pro societate), d.h. im Wege der Prozessstandschaft geltend gemacht werden können. Allerdings hat der BGH den im Rahmen einer Entscheidung des Aufsichtsrates unterlegenen Aufsichtsratsmitgliedern zu Recht untersagt, den Konflikt zwischen Mehrheit und Minderheit im Aufsichtsrat über den Umweg einer gerichtlichen Inanspruchnahme des Vorstandes fortzusetzen3. Ob ein Klagerecht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds anstelle des Aufsichtsrates anzuerkennen ist, wenn der vorangegangene Aufsichtsratsbeschluss vor der Klageerhebung erfolgreich angegriffen worden ist, hat der BGH ausdrücklich offengelassen4.
§ 30 Verträge der AG mit Aufsichtsratsmitgliedern Rz. I. Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern gemäß § 114 AktG 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich von § 114 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tätigkeit außerhalb der organschaftlichen Aufgaben . . bb) Altverträge . . . . . . . . . . . . cc) Verträge mit dem Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Publizität . . . . . . . . . . . . . c) Betroffener Personenkreis . . . . . aa) Aufsichtsratsmitglieder . . . . bb) Konzernsachverhalte . . . . .
1 1 1 2 2 5 6 7 8 8 9
Rz. cc) Vertrag mit einer Beratungsgesellschaft . . . . . . . . . . . 10 2. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 3. Rechtsfolgen bei fehlender Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 a) Nichtigkeit des Vertrages . . . . . 15 b) Rückabwicklung durchgeführter Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . 16 II. Kreditverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern gemäß § 115 AktG . . . 19 1. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . 19 2. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3. Rechtsfolgen bei fehlender Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Schrifttum: Beater, Beratungsvergütungen für Aufsichtsratsmitglieder (§§ 113, 114 AktG), ZHR 157 (1993), 420; Boujong, Rechtliche Mindestanforderungen an eine ordnungsgemäße Vorstandskontrolle und -beratung, AG 1995, 203; Deckert, Organschaftliche und vertragliche 1 BGH v. 28.11.1988 – II ZR/57/88 – „Opel“, BGHZ 106, 54, 63; vgl. auch Mertens, ZHR 154 (1990), 24; Raiser, AG 1989, 185. 2 Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 333; Bork, ZGR 1989, 1, 39; Pflugradt, Leistungsklagen zur Erzwingung rechtmäßigen Vorstandsverhaltens, S. 126 ff.; Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 94 ff. 3 BGH v. 28.11.1988 – II ZR/57/88 – „Opel“, BGHZ 106, 54, 66; OLG Celle v. 9.10.1989 – 9 U 186/89 – „Pelikan“, AG 1990, 264, 265; vgl. auch Raiser, ZGR 1989, 44, 70. 4 BGH v. 28.11.1988 – II ZR 57/88 – „Opel“, BGHZ 106, 54, 67; vgl. Deckert, AG 1994, 457, 465; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 19.
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§ 30
Verträge der AG mit Aufsichtsratsmitgliedern
Beratungspflichten des Aufsichtsratsmitglieds, AG 1997, 109; Happ, Anwaltlicher Beratungsvertrag und Aufsichtsratsmandat, in FG Priester, 2007, S. 175; Hoffmann, Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern, in FS Havermann, 1995, S. 201; Hommelhoff, Die Autarkie des Aufsichtsrats, ZGR 1983, 551; Lutter, Beraterverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern in Gesellschaft und Konzern, in FS Westermann, 2008, S. 1171; Lutter/Drygala, Die besondere sachverständige Beratung des Aufsichtsrats durch seine Mitglieder, in FS Ulmer, 2003, S. 381; Lutter/Kremer, Die Beratung der Gesellschaft durch Aufsichtsratsmitglieder, ZGR 1992, 87; Mertens, Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern, in FS Steindorff, 1990, S. 173; Müller, Aufsichtsratsmandat und anwaltliche Tätigkeit, NZG 2002, 797; Oppenhoff, Zum Umkreis der von § 114 AktG Betroffenen, in FS Barz, 1974, S. 283; E. Vetter, Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern, AG 2006, 173; E. Vetter, Aufsichtsratsvergütung und Verträge mit Aufsichtsratsmitgliedern, ZIP 2008, 1.
I. Beratungsverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern gemäß § 114 AktG 1. Regelungsgegenstand a) Vorbemerkung Bestandteil der allgemeinen Überwachungspflicht des Aufsichtsrates gemäß § 111 Abs. 1 AktG ist neben der vergangenheitsbezogenen Kontrolle der Geschäftsführung des Vorstandes durch Prüfung abgeschlossener Vorgänge die zukunftsorientierte präventive Überwachung, die unter anderem durch Beratung des Vorstandes wahrgenommen wird. Diese Pflicht trifft den Aufsichtsrat als Kollegialorgan, wie auch indirekt seine Mitglieder, da jedes Aufsichtsratsmitglied zur Erfüllung dieser Aufgabe beizutragen hat1. Schließt die Gesellschaft mit einem Aufsichtsratsmitglied einen Dienst- oder Werkvertrag über eine Tätigkeit höherer Art ab, so ist § 114 AktG zu beachten, der für solche Verträge eine klare Abgrenzung zu den gesetzlichen organschaftlichen Amtspflichten eines Aufsichtsratsmitglieds verlangt. Darüber hinaus ist für den Vertragsabschluss hinsichtlich der vereinbarten Leistung und ihrer Vergütung zur Begegnung der abstrakten Gefahr einer Interessenkollision sowie im Interesse einer unabhängigen Überwachung durch den Aufsichtsrat und zur Vermeidung einer Umgehung der zwingenden Regelung des § 113 Abs. 1 AktG eine erhöhte Transparenz und die Beachtung eines besonderen Verfahrens erforderlich2.
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b) Anwendungsbereich von § 114 AktG aa) Tätigkeit außerhalb der organschaftlichen Aufgaben. § 114 AktG erfasst nur Dienstund Werkverträge, die eine Tätigkeit höherer Art im Sinne von § 667 BGB zum Gegenstand haben, die außerhalb der Tätigkeit des Aufsichtsrates liegt. Der Anwendungsbereich von § 114 AktG erschließt sich im Zusammenspiel mit der zwingenden Vorschrift des § 113 Abs. 1 AktG, die für die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder eine Regelung in der Satzung oder einen Beschluss der Hauptversammlung verlangt (vgl. dazu § 29 Rz. 32). Insbesondere soweit es um Beratungspflichten geht3, die den Aufsichtsrat kraft Gesetzes treffen und zu deren Erfüllung die Aufsichtsratsmitglieder auf 1 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89 – „Deutscher Herold“, BGHZ 114, 127, 134; Boujong, AG 1995, 203, 204; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 292; Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 91. 2 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89 – „Deutscher Herold“, BGHZ 114, 127, 129; BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 344; Deckert, AG 1997, 109, 114; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 35; Lutter/Drygala in FS Ulmer, 2003, S. 381, 382; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 114 AktG Rz. 2. 3 Gleiches gilt für die Vermittlung von Kontakten, z.B. zu einem Kandidaten für eine Vorstandsposition oder zu einem potentiellen Geschäftspartner.
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Grund ihrer Stellung als Organmitglied verpflichtet sind, bildet § 113 Abs. 1 AktG eine abschließende Regelung. Die Vergütung kann nicht durch Beratungs- oder Vermittlungsverträge oder durch ein verdecktes Sonderhonorars ergänzt werden1. Im Rahmen der organschaftlichen Beratungsaufgaben sind deshalb Beratungs- oder Vermittlungsverträge nicht zulässig und wegen Verstoßes gegen § 113 Abs. 1 AktG gemäß § 134 BGB nichtig2. 3
Außerhalb der Organpflichten ist ein Beratungsvertrag mit einem Aufsichtsratsmitglied zulässig. Die Abgrenzung einer zulässigen vertraglichen Beratung gemäß § 114 AktG gegenüber der organschaftlichen Beratungsaufgaben ist vornehmlich nach inhaltlichen Kriterien, d.h. an Hand des Beratungsgegenstandes vorzunehmen und nicht danach, ob der erforderliche persönliche zeitliche Einsatz über das normale Maß eines Aufsichtsratsmitglieds hinausgeht, da es auch einen den üblichen Rahmen übersteigenden Einsatz zu leisten hat, wenn dies die Verhältnisse der Gesellschaft erfordern3. Die Beurteilung und Beratung über Vorhaben des Unternehmens von grundsätzlicher Bedeutung nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG oder von wesentlichen Geschäftsvorfällen nach § 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG ist zu den organschaftlichen Aufgaben des Aufsichtsratsmitglieds zu zählen. Gleiches gilt für Vorgänge in verbundenen Unternehmen mit erheblichem Einfluss auf den Konzern (§ 90 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 AktG). Die Beurteilung oder Bearbeitung von Spezialfragen der Geschäftsführung, insbesondere sofern dafür Fach- oder Spezialkenntnisse erforderlich sind, sowie Arbeiten zur Vorbereitung oder Durchführung von Geschäftsführungsaufgaben des Tagesgeschäfts zählen nicht zu den organschaftlichen Beratungspflichten eines Aufsichtsratsmitglieds4. Dies betrifft typischerweise Spezialfragen der Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung, Rechtsberatung oder der Prozessführung5. Das Erfordernis oder der Einsatz von Spezialkenntnissen allein reicht allerdings nicht aus, die Zulässigkeit eines Beratungsvertrages nach § 114 AktG zu begründen. Denn Aufsichtsratsmitglieder sind verpflichtet, auch ihre über die Mindestqualifikation als Aufsichtsratsmitglied hinausgehenden individuellen Spezialkenntnisse im Rahmen ihrer Überwachungsaufgabe in die organschaftliche Beratung einzubringen, da ihre spezielle Qualifikation nicht selten der Grund für ihre Wahl in den Aufsichtsrat ist6. Dies gilt vor allem für den Aufsichtsratsvorsitzenden und die Mitglieder von Ausschüssen, denen weitergehende Überwachungs- und Beratungspflichten obliegen als dem einfachen Aufsichtsratsmitglied7. 1 BGH v. 3.7.2006 – II ZR 151/04 – „IFA“, BGHZ 168, 188, 197; BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89 – „Deutscher Herold“, BGHZ 114, 127, 129; BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 346; Hüffer, § 114 AktG Rz. 5; Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 92; Lutter/Drygala in FS Ulmer, 2003, S. 381, 382. 2 BGH v. 3.7.2006 – II ZR 151/04 – „IFA“, BGHZ 168, 188, 197; BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89 – „Deutscher Herold“, BGHZ 114, 127, 127; BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 340. 3 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89 – „Deutscher Herold“, BGHZ 114, 127, 131; KG v. 25.9.1995 – 2 U 6753/94, AG 1997, 42, 43; Beater, ZHR 157 (1993), 420, 422; Boujong, AG 1995, 203, 204; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 37; Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 181; a.A. Lehmann, DB 1966, 1757. 4 Deckert, AG 1997, 109, 112; Jaeger, ZIP 1994, 1759; Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 116; E. Vetter, ZIP 2008, 1, 7. 5 BGH v. 2.7.1998 – IX ZR 63/97, AG 1998, 583, 584; Krummel/Küttner, DB 1996, 193, 198; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 860. 6 Boujong, AG 1995, 203, 204; Deckert, AG 1997, 109, 112; Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 116; Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 181; Müller, NZG 2002, 797, 798. 7 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 114 Rz. 20; Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 179; Deckert, AG 1997, 109, 114; E. Vetter, AG 2006, 173, 176.
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Verträge der AG mit Aufsichtsratsmitgliedern
Der Beratungsvertrag muss konkrete Aussagen zum speziellen Beratungsgegenstand und dem dafür zu entrichtenden Entgelt enthalten und eindeutige Feststellungen zulassen, dass die vereinbarte Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds außerhalb seiner organschaftlichen Pflichten liegt1. Unklarheiten gehen zu Lasten des Aufsichtsratsmitglieds und führen im Zweifel zur Unwirksamkeit des Vertrages2.
4
bb) Altverträge. § 114 AktG gilt nicht nur für Beraterverträge, die ein Aufsichtsratsmitglied während seiner Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat abschließt, sondern auch für bei Amtsantritt bereits laufende Verträge, so genannte Altverträge3. In diesem Fall muss der bestehende Vertrag im Aufsichtsrat bei Amtsantritt offengelegt und die Zustimmung zu seiner Fortsetzung beantragt werden4. Soweit Gegenstand des Beratungsvertrages organschaftliche Aufgaben des Aufsichtsratsmitglieds sind, scheidet eine Genehmigungsfähigkeit nach § 114 Abs. 1 AktG aus. Der Vertrag ruht während der Amtszeit des Aufsichtsratsmitglieds und lebt erst nach dessen Ausscheiden aus dem Amt wieder auf5. Umfasst der Beratungsvertrag sowohl aufsichtsratsbezogene als auch aufsichtsratsfremde Aufgaben, die sachlich voneinander getrennt werden können, wird nicht der gesamte Vertrag von dem Verbot erfasst, sondern es ist § 139 BGB entsprechend anzuwenden, mit der Folge, dass für die aufsichtsratsfremde Beratungsaufgabe die Zustimmung des Aufsichtsrates nach § 114 Abs. 1 AktG herbeizuführen ist, während der übrige Vertragsteil bis zum Ende der Amtszeit des Aufsichtsratsmitglieds ruht6.
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cc) Verträge mit dem Aufsichtsrat. Erteilt der Aufsichtsrat einem seiner Mitglieder einen Auftrag, so ist zweifelhaft, inwieweit die §§ 113 Abs. 1 und 114 AktG zu beachten sind7. Eine unmittelbare Anwendung der Vorschriften scheidet aus. Auch der Schutzzweck der Sicherung einer unabhängigen Überwachung gegenüber dem Vorstand greift bei einer Auftragserteilung durch den Aufsichtsrat regelmäßig nicht ein. Der Aufsichtsrat kann Aufträge an ein einzelnes Mitglied nur im Rahmen seiner gesetzlichen Überwachungsaufgabe erteilen, die damit zwangsläufig zu den organschaftlichen Aufgaben zählt8. Erteilt der Aufsichtsrat einem seiner Mitglieder einen Sonderauftrag gemäß § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG, kommt nach herrschender Meinung eine separate Vergütung nicht in Betracht, da das Aufsichtsratsmitglied verpflichtet ist, die Aufgabe im Rahmen seiner organschaftlichen Pflichten zu erfüllen, auch wenn dies zu einer persönlichen
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1 BGH v. 3.7.2006 – II ZR 151/04 – „IFA“, BGHZ 168, 188, 197; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 114 AktG Rz. 52; E. Vetter, ZIP 2008, 1, 7; kritisch zur Präzisierung der Vergütung Happ in FS Priester, 2007, S. 175, 186. 2 BGH v. 2.4.2007 – II ZR 325/06, AG 2007, 484, 485; BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 345; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 860; Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 179; Jaeger, ZIP 1994, 1759, 1760; Deckert, WiB 1997, 561, 563; Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 86. 3 BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 346; BGH v. 2.7.1998 – IX ZR 63/97, AG 1998, 583, 584; Krummel/Küttner, DB 1996, 193, 196; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 861; Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 182. 4 BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 348; Hüffer, § 114 AktG Rz. 2; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 15 Rz. 96. 5 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89 – „Deutscher Herold“, BGHZ 114, 127, 134; BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 349; Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 121; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 861; Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 183. 6 Beater, ZHR 157 (1993), 420, 434; Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 96; Deckert, WiB 1997, 561, 564. 7 Vgl. dazu Lutter/Drygala in FS Ulmer, 2003, S. 381 ff.; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 866. 8 Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 184, 862; a.A. Lutter/Drygala in FS Ulmer, 2003, S. 381, 392.
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Aufsichtsrat
Zusatzbelastung führt1. Mit Blick auf das im Deutschen Corporate Governance Kodex (Ziff. 5.4.6) zum Ausdruck gebrachte Ziel einer angemessenen Aufsichtsratsvergütung sollte jedoch durch Hauptversammlungsbeschluss nach § 113 Abs. 1 Satz 2 AktG eine Sondervergütung für die Wahrnehmung einer Sonderaufgabe nach § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG zulässig sein2. Im Übrigen liegt die Zuständigkeit zum Vertragsabschluss mit dem Aufsichtsratsmitglied über Tätigkeiten höherer Art allein beim Vorstand; dem Aufsichtsrat fehlt insoweit die Vertretungsmacht. 7
dd) Publizität. Nach § 285 Nr. 9a und § 314 Nr. 6a HGB sind die im Geschäftsjahr den Aufsichtsratsmitgliedern insgesamt gewährten Bezüge im Anhang bzw. bei Mutterunternehmen auch im Konzernanhang anzugeben. Die Vergütung für besondere Leistungen eines Aufsichtsratsmitglieds auf Grund eines Vertrages nach § 114 AktG wird von der Publizitätspflicht nicht erfasst3. Nach Ziff. 5.4.6 Abs. 3 Satz 2 Deutscher Corporate Governance Kodex sollen die für persönlich erbrachte Leistungen, insbesondere für Beratungs- und Vermittlungsleistungen eines Aufsichtsratsmitglieds gezahlte Vergütung oder gewährte Vorteile im Corporate Govenrance Bericht individualisiert offengelegt werden. Über den Wortlaut hinaus sind auch die Leistungen an eine dem Aufsichtsratsmitglied zuzurechnende Gesellschaft anzugeben4. Die Empfehlung ist konzernweit zu verstehen, so dass die Vergütung eines Aufsichtsratsmitglieds aus sämtlichen Konzernunternehmen zu berücksichtigen ist. c) Betroffener Personenkreis
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aa) Aufsichtsratsmitglieder. § 114 AktG erfasst Verträge höherer Art zwischen der Gesellschaft und ihren amtierenden Aufsichtsratsmitgliedern. Die Vorschrift ist nach ihrem Wortlaut nicht unmittelbar auf Beratungs- oder Vermittlungsverträge der Gesellschaft mit einer einem Aufsichtsratsmitglied nahestehenden Person anwendbar. Auch Verträge mit Ersatzmitgliedern werden nicht erfasst5.
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bb) Konzernsachverhalte. Nicht plausibel zu erklären ist, dass der Wortlaut von § 114 AktG Beratungsverträgen im Zusammenhang mit Konzernsachverhalten nicht besonders Rechnung trägt, während § 115 Abs. 1 und Abs. 3 AktG (ähnlich § 89 Abs. 4 AktG) für Kredite an Aufsichtsratsmitglieder in solchen Konstellationen eine detaillierte Regelung enthalten (vgl. dazu unten Rz. 20). § 114 AktG lässt sich nicht im Wege der Analogie generell auf sämtliche Beratungs- und Vermittlungsverträge von Aufsichtsratsmitgliedern in Konzernfällen anwenden6. Es ist vielmehr zu differenzieren. Nach der im Wesentlichen vergleichbaren Interessenlage und dem Schutzzweck der Vorschrift muss § 114 AktG über den Gesetzeswortlaut hinaus z.B. auch für Beratungsverträge von Aufsichtsratsmitgliedern mit einem verbundenen Unternehmen gelten, sofern der Vertragsgegenstand Fragen der Überwachung der Gesellschaft betrifft, deren Auf1 Hüffer, § 111 AktG Rz. 12; Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 184; Berger, Die Kosten der Aufsichtsratstätigkeit in der AG, 1999, S. 105; Semler in FS Claussen, 1997, S. 381, 398; a.A. Lehmann, DB 1966, 1757, 1758; Lutter/Drygala in FS Ulmer, 2003, S. 381, 392. 2 Vgl. dazu auch den Fall OLG Stuttgart v. 9.4.1991 – 12 U 206/90, AG 1991, 404. 3 A/D/S, 6. Aufl. 1995, § 285 HGB Rz. 175; Spindler in Spindler/Stilz, § 114 AktG Rz. 27; E. Vetter, ZIP 2008, 1, 10. 4 E. Vetter, ZIP 2008, 1, 10. 5 OLG Hamburg v. 17.1.2007 – 11 U 48/06 – „Tecis“, ZIP 2007, 814, 818; E. Vetter, ZIP 2008, 1, 10. 6 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 29; Hüffer, § 114 AktG Rz. 2; Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 186; a.A. Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 104; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 872; Oppenhoff in FS Barz, 1974, S. 283, 289; Krummel/Küttner, DB 1996, 193, 195; Deckert, WiB 1997, 561, 565.
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Verträge der AG mit Aufsichtsratsmitgliedern
sichtsrat das Mitglied angehört, wie dies typischerweise bei abhängigen Gesellschaften der Fall ist, oder der Vertrag ebensogut (unmittelbar) mit dieser Gesellschaft hätte abgeschlossen werden können, so dass sich die Annahme einer Gesetzesumgehung aufdrängt1. cc) Vertrag mit einer Beratungsgesellschaft. Nach Sinn und Zweck der §§ 113, 114 AktG ist § 114 AktG auch dann anzuwenden, wenn der Beratungs- oder Vermittlungsvertrag nicht mit dem Aufsichtsratsmitglied persönlich abgeschlossenen wird, sondern mit einer Gesellschaft (z.B. Rechtsanwalts- oder Steuerberater-Sozietät, Marketingagentur), an der das Aufsichtsratsmitglied als Gesellschafter beteiligt ist. Auf die Rechtsform der Gesellschaft kommt es nicht an2. Es ist nicht erforderlich, dass das Aufsichtsratsmitglied selbst die Beratungsleistung für die Gesellschaft erbringt. Auch die Höhe der Beteiligung des Aufsichtsratsmitglieds an der Gesellschaft ist nach der jüngsten Rechtsprechung des BGH praktisch irrelevant. Insbesondere ist ein kontrollierender Einfluss des Aufsichtsratsmitglieds auf die Gesellschaft nicht erforderlich3. Der Vorstand hat wegen der abstrakten Gefahr der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Aufsichtsratskontrolle § 114 AktG zu beachten, wenn an eine Beratungsgesellschaft ein Auftrag erteilt werden soll, an der ein Mitglied des Aufsichtsrates beteiligt ist4.
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Angesichts des Schutzzwecks von § 114 AktG kommt es auf den finanziellen Vorteil an, der dem Aufsichtsratsmitglied mittelbar über seine Beteiligung zufließt. Entscheidend ist, wenn bei abstrakter Betrachtung angesichts der Höhe der Vergütung die „unabhängige Wahrnehmung der organschaftlichen Überwachungstätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds gefährdet“ erscheint5. Allenfalls ganz geringfügige Leistungen oder im Vergleich zur Aufsichtsratsvergütung vernachlässigenswerte Beträge sind unschädlich6.
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2. Verfahren Beim Abschluss eines Beratungsvertrages mit einem Aufsichtsratsmitglied vertritt der Vorstand die Gesellschaft7. Die Zustimmung des Aufsichtsrates zu dem Vertrag erfolgt durch Beschluss8 und kann sowohl vor Vertragsabschluss als Einwilligung wie auch nachträglich als Genehmigung erteilt werden, wobei die Entscheidung auch einem Aufsichtsratsausschuss (z.B. Personalausschuss oder Aufsichtsratspräsidium) übertragen werden kann9. 1 Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 29; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 114 AktG Rz. 8; Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 88; Deckert, WiB 1997, 561, 565; a.A. Schlaus, AG 1968, 376, 377; vgl. auch generell Lutter in FS Westermann, 2008, S. 1171, 1183. 2 BGH v. 2.4.2007 – II ZR 325/06, AG 2007, 484, 485; vgl. auch BGH v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60, 65. 3 BGH v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60, 63. 4 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 876; Oppenhoff in FS Barz, 1974, S. 283, 288; Deckert, WiB 1997, 561, 565; Müller, NZG 2002, 797, 798; Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 88; a.A. Brandner in FS Geiß, 2000, S. 231, 243; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 29; Wissmann/ Ost, BB 1998, 1957, 1960; vgl. auch BGH v. 22.2.2001 – IX ZR 357/99, BGHZ 147, 39, 42. 5 BGH v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60, 63; BGH v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, AG 2006, 484, 485; E. Vetter, AG 2006, 173, 177; E. Vetter, ZIP 2008, 1, 8; kritisch Happ in FS Priester, 2007, S. 175, 179. 6 BGH v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60, 63; kritisch Happ in FS Priester, 2007, S. 175, 180. 7 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 860; Deckert, WiB 1997, 561, 565. 8 OLG Köln v. 27.5.1994 – 19 U 289/93, AG 1995, 90, 92; Krummel/Küttner, DB 1996, 193, 199; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 114 AktG Rz. 12. 9 Hüffer, § 114 AktG Rz. 6; Krummel/Küttner, DB 1996, 193, 199; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 114 AktG Rz. 11.
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§ 30
Aufsichtsrat
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Sowohl der Vorstand als auch das Aufsichtsratsmitglied sind verpflichtet, die Zustimmung des Aufsichtsrates spätestens vor Vertragsdurchführung zu beantragen1. Versäumnisse in der Einholung der Zustimmung können Schadensersatzpflichten des Vorstandes (§ 93 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 7 AktG) wie auch des begünstigten Aufsichtsratsmitglieds (§§ 93 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 7, 116 AktG) auslösen2.
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Für die Zustimmung des Aufsichtsrates nach § 114 Abs. 1 AktG ist ein ausdrücklicher Beschluss erforderlich. Dem vertragsschließenden Aufsichtsratsmitglied steht bei der Beschlussfassung kein Stimmrecht zu3. Die bloße Kenntnisnahme des Beratungsvertrages durch den Aufsichtsrat reicht nicht aus4. Ein wirksamer Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrates erfordert nicht die Vorlage des Vertrages, setzt aber die Offenlegung des wesentlichen Inhalts des Beratungsvertrages voraus, um dem Aufsichtsrat eine verantwortliche Entscheidung zu ermöglichen5. Dazu gehören insbesondere die genaue Darstellung des außerhalb der organschaftlichen Aufgaben liegenden Tätigkeitsprogramms und die Angabe der Höhe der vorgesehenen Vergütung. Eine Bezugnahme auf eine gesetzliche Gebührenordnung oder allgemeine Tarife ist zulässig6. Lässt sich daraus das zu erwartende Honorar des Aufsichtsratsmitglieds im Voraus nicht ausreichend genau beurteilen, ist gegebenenfalls zusätzlich der zu erwartende Rahmen oder eine Vergütungsobergrenze anzugeben, so dass bei Erreichen oder voraussichtlichem Überschreiten dieser Grenze eine erneute Beschlussfassung des Aufsichtsrates erforderlich wird7. 3. Rechtsfolgen bei fehlender Zustimmung a) Nichtigkeit des Vertrages
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Solange der Aufsichtsrat zu einem nach § 114 Abs. 1 AktG genehmigungsfähigen Vertrag mit dem Aufsichtsratsmitglied die angestrebte Zustimmung nicht erteilt hat, ist dieser schwebend unwirksam8. Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, ist
1 Hüffer, § 114 AktG Rz. 6; Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 123; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 114 AktG Rz. 14. 2 Vgl. BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89 – „Deutscher Herold“, BGHZ 114, 127, 134; OLG Köln v. 27.5.1994 – 19 U 289/93, AG 1995, 90, 92; LG Köln v. 8.5.2002 – 91 O 204/00, AG 2003, 167, 168; Deckert, WiB 1997, 561, 567; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 114 AktG Rz. 76; E. Vetter, AG 2006, 173, 178. 3 BGH v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, AG 2007, 484, 485; Dreher, JZ 1990, 896, 897 Fn. 20; Hopt/ Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 114 AktG Rz. 47; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 114 AktG Rz. 12; Raiser, § 25 MitbestG Rz. 37; Spindler in Spindler/Stilz, § 114 AktG Rz. 20; E. Vetter, AG 2006, 173, 179; a.A. Behr, AG 1984, 281, 285; Marsch-Barner in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 12 Rz. 110; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, 1989, S. 334. 4 LG Stuttgart v. 27.5.1998 – 27 O 7/98, ZIP 1998, 1275, 1280; Wissmann/Ost, BB 1998, 1957, 1958. 5 BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 344; KG v. 25.9.1995 – 2 U 6753/94, AG 1997, 42, 43; OLG Köln v. 27.5.1994 – 19 U 289/93, AG 1995, 90, 91; LG Stuttgart v. 27.5.1998 – 27 O 7/98, ZIP 1998, 1275, 1278; Hoffmann-Becking in MünchHdb. AG, § 33 Rz. 30; Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 123; Deckert, WiB 1997, 561, 563. 6 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 862; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 114 AktG Rz. 12; Deckert, WiB 1997, 561, 566; vgl. auch LG Stuttgart v. 27.5.1998 – 27 O 7/98, ZIP 1998, 1275, 1278. 7 Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 90; E. Vetter, AG 2006, 173, 178. 8 Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 92; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 114 AktG Rz. 11.
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§ 30
Verträge der AG mit Aufsichtsratsmitgliedern
der bislang schwebend unwirksame Vertrag nichtig1. Gleiches gilt, falls der Vertrag dem Aufsichtsrat überhaupt nicht zur Genehmigung vorgelegt werden soll2. Ein bei Amtsantritt eines Aufsichtsratsmitglieds bereits bestehender nach § 114 Abs. 1 AktG genehmigungsfähiger Vertrag verliert, jedenfalls was die Vergütungspflicht anbetrifft, mit Verweigerung der Zustimmung des Aufsichtsrates seine Wirkung, solange das Aufsichtsratsmandat andauert3. Die Nichtigkeit kann auch nicht durch Billigung des Beratungsvertrages durch die Hauptversammlung vermieden werden4. b) Rückabwicklung durchgeführter Verträge Bei Fehlen der Zustimmung des Aufsichtsrates oder im Fall eines genehmigungsunfähigen Beratungsvertrages hat das Aufsichtsratsmitglied die erhaltene Vergütung nach § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG an die Gesellschaft zurückzugewähren. Es handelt sich dabei um einen von §§ 812 ff. BGB unabhängigen eigenständigen aktienrechtlichen Rückgewährsanspruch5, der auch die von der Gesellschaft mit der Vergütung gezahlten Kosten- und Auslagen sowie zur Verfügung gestellte Gegenstände erfasst6. Der Vorstand ist verpflichtet, den Anspruch im Namen der Gesellschaft geltend zu machen7.
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Ist der Vertrag nicht unmittelbar mit dem Aufsichtsratsmitglied persönlich abgeschlossen, sondern mit einer ihm zuzurechnenden Gesellschaft (z.B. Anwaltssozietät, Steuerberatungs-GmbH), so richtet sich der Rückzahlungsanspruch nach § 114 Abs. 2 Satz 1 AktG gegen diese Gesellschaft und das Aufsichtsratsmitglied als Gesamtschuldner8. Daneben besteht gemäß § 93 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 7 i.V.m. § 116 AktG ein Schadensersatzanspruch gegen das Aufsichtsratsmitglied persönlich9.
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Das Aufsichtsratsmitglied kann einen eventuell gegen die Gesellschaft bestehenden Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Rückgewähr der von ihm erbrachten Leistung nach § 114 Abs. 2 Satz 2 AktG nicht gegen den Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft aufrechnen. Ebenso wenig steht ihm wegen seines eventuellen Anspruchs gegen die Gesellschaft ein Zurückbehaltungsrecht zu10. Der Anspruch muss
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1 Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 122; Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 92; Deckert, WiB 1997, 561, 565. 2 BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 348; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 861; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 114 AktG Rz. 12. 3 BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 348; Lutter/Kremer, ZGR 1992, 87, 100; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 114 AktG Rz. 9; Potthoff/Trescher/Theisen, AR-Mitglied, Rz. 1879. 4 Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 112; Mertens in FS Steindorff, 1990, S. 173, 180; offengelassen von BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89 – „Deutscher Herold“, BGHZ 114, 127, 135; vgl. auch Müller, NZG 2002, 797, 802. 5 BGH v. 3.7.2006 – II ZR 151/04 – „IFA“, BGHZ 168, 188, 199; BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 350; Hüffer, § 114 AktG Rz. 7; Deckert, WiB 1997, 561, 566. 6 BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 350; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 114 AktG Rz. 13; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 114 AktG Rz. 34. 7 Hüffer, § 114 AktG Rz. 7; Deckert, WiB 1997, 561, 566; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 114 AktG Rz. 33; Lutter in FS Westermann, 2008, S. 1171, 1189. 8 BGH v. 3.7.2006 – II ZR 151/04 – „IFA“, BGHZ 168, 188, 195; BGH v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60, 67; Benecke, WM 2007, 717, 721; Bosse, NZG 2007, 172, 174; Spindler in Spindler/Stilz, § 114 AktG Rz. 23; E. Vetter, ZIP 2008, 1, 10. 9 BGH v. 26.9.1996 – III ZR 266/95, AG 1997, 45; KG v. 25.9.1995 – 2 U 6753/94, AG 1997, 42, 45; vgl. auch Deckert, WiB 1997, 561, 567. 10 BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 350; KG v. 25.9.1995 – 2 U 6753/94, AG 1997, 42, 45; LG Stuttgart v. 27.5.1998 – 27 O 7/98, ZIP 1998, 1275, 1282; Hoffmann/Kirchhoff, WPg 1991, 592, 598; Deckert, WiB 1997, 561, 566.
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Aufsichtsrat
deshalb von dem Aufsichtsratsmitglied gesondert geltend gemacht werden. In der Regel wird einem solchen Anspruch § 814 BGB entgegenstehen, da das Aufsichtsratsmitglied weiß, dass der Vertrag ohne die notwendige Zustimmung des Aufsichtsrates unwirksam ist1.
II. Kreditverträge mit Aufsichtsratsmitgliedern gemäß § 115 AktG 1. Regelungsgegenstand 19
Die Vorschrift des § 115 AktG will Missbräuchen entgegenwirken und verfolgt einen ähnlichen Zweck wie § 114 AktG. Sie muss aber auch im Zusammenhang mit § 89 AktG gesehen werden (vgl. dazu oben § 19 Rz. 65). Sie will verhindern, dass einzelne Aufsichtsratsmitglieder ihre Stellung dazu benutzen, sich von der Gesellschaft Kredite zu unangemessenen Bedingungen, in unangemessener Höhe oder ohne ausreichende Sicherheiten einräumen zu lassen2. Weitere Zielsetzung ist die Sicherung der Unabhängigkeit der Aufsichtsratskontrolle durch erhöhte Transparenz3.
20
§ 115 AktG versteht unter Kredit dasselbe wie § 89 AktG4. Die Regelung erfasst jede zeitliche Überlassung von Kapital und gilt damit nicht nur für Kredite im engeren Sinne, sondern auch für die Übernahme von Bürgschaften und Garantien für ein Aufsichtsratsmitglied oder die Gestellung von sonstigen Sicherheiten für Darlehen von dritter Seite (vgl. dazu oben § 19 Rz. 64). § 115 AktG liegt ein weiter Kreditbegriff zugrunde und erfasst generell Kredite an Aufsichtsratsmitglieder. Für die Anwendung von § 115 AktG ist unerheblich, ob die Laufzeit des Kredits über die Amtszeit des Aufsichtsratsmitglieds hinausgeht oder erst für einen Zeitraum nach dessen Ausscheiden aus dem Aufsichtsrat gewährt werden soll. Zustimmungsbedürftig sind nicht nur Kredite an Aufsichtsratsmitglieder persönlich, sondern auch Kredite an ihnen nahestehende Personen (§ 115 Abs. 1 Satz 2 AktG). Anders als § 114 AktG gilt § 115 AktG auch für Konzernkonstellationen, d.h., es werden ausdrücklich auch Kredite erfasst, die einem Aufsichtsratsmitglied von einem abhängigen Unternehmen gewährt werden (§ 115 Abs. 1 Satz 2 AktG).
21
Nach § 285 Nr. 9c und § 314 Nr. 6c HGB sind die im Geschäftsjahr den Aufsichtsratsmitgliedern insgesamt gewährten Kredite und für sie eingegangenen Haftungsverhältnisse im Anhang, bzw. bei Mutterunternehmen auch im Konzernanhang, anzugeben5. 2. Verfahren
22
Beim Abschluss des Kreditvertrages mit einem Aufsichtsratsmitglied vertritt der Vorstand die Gesellschaft6. Der Vertrag bedarf der Einwilligung des Aufsichtsrates, d.h. 1 Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 114 AktG Rz. 13; Semler in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 114 AktG Rz. 100; differenzierend Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 114 AktG Rz. 35. 2 Beater, ZHR 157 (1993), 420, 427; Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 99. 3 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 115 AktG Rz. 2; Spindler in Spindler/Stilz, § 115 AktG Rz. 7. 4 Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 115 AktG Rz. 7. 5 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 115 AktG Rz. 2; Spindler in Spindler/Stilz, § 115 AktG Rz. 16; a.A. Ellrott in BeckBilKomm., § 285 HGB Rz. 190 für Arbeitnehmervertreterdarlehen. 6 Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 115 AktG Rz. 28; Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 115 AktG Rz. 16.
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§ 30
Verträge der AG mit Aufsichtsratsmitgliedern
der vorherigen Zustimmung, die durch ausdrücklichen Beschluss erfolgen muss und an einen Ausschuss (Personalausschuss oder Aufsichtsratspräsidium) delegiert werden kann1. Die Zustimmung nach § 115 Abs. 1 AktG ergeht durch ausdrückliche Beschlussfassung des Aufsichtsrates, bei der das vertragsschließende Aufsichtsratsmitglied kein Stimmrecht hat2. Allgemeine Vorratsbeschlüsse sind unzulässig. Die Einwilligung des Aufsichtsrates kann nur für bestimmte Kredite oder Arten von Krediten und maximal 3 Monate im Voraus erteilt werden (§ 115 Abs. 1 Satz 3 AktG). Für die Entscheidung des Aufsichtsrates ist die Offenlegung der Kreditbedingungen einschließlich der Verzinsung und der Modalitäten der Rückzahlung erforderlich, da der Aufsichtsratsbeschluss hierzu eine Regelung enthalten muss (§ 115 Abs. 1 Satz 4 AktG). 3. Rechtsfolgen bei fehlender Zustimmung Wird ein Kredit trotz fehlender Zustimmung gewährt, ist er ungeachtet entgegenstehender Vereinbarungen sofort zurückzuzahlen, wenn der Aufsichtsrat nicht nachträglich seine Zustimmung erteilt (§ 115 Abs. 4 AktG). Für die Rückzahlung eines nicht genehmigten Kredites haften sowohl der Vorstand als auch das betreffende Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft nach §§ 93 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 8 und 116 AktG als Gesamtschuldner3.
1 Hüffer, § 115 AktG Rz. 2; Kropff in Semler/v. Schenck, ArbeitsHdb. AR, § 8 Rz. 105; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 115 AktG Rz. 5. 2 Dreher, JZ 1990, 896, 897 Fn. 20; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 115 AktG Rz. 5; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 905; a.A. Behr, AG 1984, 281, 285; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, 1989, S. 334. 3 Vgl. Habersack in MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 115 AktG Rz. 20.
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7. Kapitel Hauptversammlung § 31 Bedeutung und Zuständigkeit der Hauptversammlung Rz. 1
I. Bedeutung der Hauptversammlung 1. Organ der Aktionäre a) Information . . . . b) Kommunikation . c) Beschlussfassung d) Präsenz . . . . . . . e) Investor Relations
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1 2 4 6 7 9
2. Verhältnis zwischen Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 II. Zuständigkeit der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Gesetzliche Zuständigkeiten . . . . 14
Rz. a) Regelmäßig wiederkehrende Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gewinnverwendung . . . . . . bb) Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . cc) Wahl der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bestellung des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Strukturentscheidungen . . . . . . c) Sonstige Beschlüsse . . . . . . . . .
14 14 16 23 24 25 29
3. Zuständigkeit auf Grund Satzung . 30 4. Ungeschriebene Zuständigkeiten . a) Holzmüller-Fälle . . . . . . . . . b) Börseneinführung . . . . . . . . . c) Delisting . . . . . . . . . . . . . . .
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31 31 37 39
Schrifttum: Arnold, Mitwirkungsbefugnisse der Aktionäre nach Gelatine und Macrotron, ZIP 2005, 1573; Bungert, Festschreibung der ungeschriebenen „Holzmüller“-Hauptversammlungszuständigkeiten bei der Aktiengesellschaft, BB 2004, 1345; Engert, Hedgefonds als aktivistische Aktionäre, ZIP 2006, 2105; Groß, Die Zuständigkeit der Hauptversammlung bei Erwerb und Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen, AG 1994, 266; Groß, Vorbereitung und Durchführung von Hauptversammlungsbeschlüssen zu Erwerb und Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen, AG 1996, 111; Happ/Freitag, Die Mitternachtstund’ als Nichtigkeitsgrund, AG 1998, 493; Henze, Holzmüller vollendet das 21. Lebensjahr, in FS Ulmer, 2003, S. 211; Hoffmann-Becking, „Holzmüller“, „Gelatine“ und die These von der Mediatisierung der Aktionärsrechte, ZHR 172 (2008), 231; Hüffer, Zur Holzmüller-Problematik: Reduktion des Vorstandsermessens oder Grundlagenkompetenz der Hauptversammlung?, in FS Ulmer, 2003, S. 279; Liebscher, Ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten im Lichte von Holzmüller, Macrotron und Gelatine, ZGR 2005, 1; Lutter, Organzuständigkeiten im Konzern, in FS Stimpel, 1995, S. 825; Lutter, Gesellschaftsrecht und Kapitalmarkt, in FS Zöllner, Band I, 1998, S. 363; Lutter/Leinekugel, Kompetenzen von Hauptversammlung und Gesellschafterversammlung beim Verkauf von Unternehmensteilen, ZIP 1998, 225; Lutter/Leinekugel, Der Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung zu grundlegenden Strukturmaßnahmen – zulässige Kompetenzübertragung oder unzulässige Selbstentmachtung?, ZIP 1998, 805; MarschBarner, Zur „Holzmüller“-Doktrin nach „Gelatine“, in Grundmann/Schwintowski/Singer/ Weber (Hrsg.), Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, 2006, S. 105; Martens, Leitfaden für die Leitung der Hauptversammlung einer Hauptversammlung, 3. Aufl. 2003; Uwe H. Schneider/Anzinger, Institutionelle Stimmrechtsberatung und Stimmrechtsvertretung – „A quiet guru’s enormous clout“, NZG 2007, 88; Seiler/Singhof, Zu den Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der „Holzmüller“-Grundsätze, Der Konzern 2003, 313; Thaeter/Guski, Shareholder Activism: Gesellschaftsrechtliche Schranken aktiven Aktionärsverhaltens, AG 2007, 301; Wollburg/Gehling, Umgestaltung des Konzerns – Wer entscheidet über die Veräußerung von Beteiligungen in der Aktiengesellschaft?, in FS Lieberknecht, 1997, S. 133.
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§ 31
Hauptversammlung
I. Bedeutung der Hauptversammlung 1. Organ der Aktionäre 1
Die Hauptversammlung ist das Organ der Aktiengesellschaft, in dem die Aktionäre ihre wichtigsten Mitgliedschaftsrechte ausüben (§ 118 Abs. 1 AktG). Sie nehmen dort von den Vorlagen und Berichten der Verwaltung Kenntnis (vgl. z.B. § 176 Abs. 1 AktG zur Entgegennahme der Unterlagen zur Rechnungslegung). In der Aussprache darüber können sie von ihrem Rede- und Fragerecht Gebrauch machen (§ 131 AktG) und sich anschließend durch Ausübung ihres Stimmrechts selbst oder über einen Vertreter an der Willensbildung der Gesellschaft beteiligen (§§ 133 ff. AktG). Die Hauptversammlung dient damit zum einen der Unterrichtung der Aktionäre und ist zum andern das Organ, in dem die Aktionäre Angelegenheiten der Gesellschaft erörtern sowie über bestimmte wesentliche Gegenstände beschließen. a) Information
2
Was die Unterrichtung der Aktionäre angeht, so bietet die Hauptversammlung allerdings meist wenig Neuigkeiten. Alle wesentlichen Informationen sind in der Regel schon in den schriftlichen Unterlagen, insbesondere im Geschäftsbericht mit dem Jahresabschluss, dem Konzernabschluss und den zugehörigen Lageberichten, enthalten. Diese Unterlagen werden den Aktionären schon vor der Hauptversammlung bekannt gemacht (vgl. § 175 Abs. 2 AktG). Auch die Tagesordnung der Hauptversammlung mit den Beschlussvorschlägen und ergänzenden schriftlichen Vorab-Erläuterungen werden bereits mit der Einberufung der Hauptversammlung bekannt gemacht (vgl. § 124 AktG sowie z.B. den Vorstandsbericht nach § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG). Sollten während der Einladungsfrist neue kursrelevante Tatsachen eintreten, sind diese unverzüglich zu veröffentlichen (§ 15 WpHG). Die Hauptversammlung ist damit jedenfalls bei börsennotierten Gesellschaften nicht mehr der Ort, auf dem wichtige Entscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat bekanntgegeben werden.
3
Nur in der Hauptversammlung können die Aktionäre allerdings ihr Fragerecht ausüben (vgl. § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG). Mit dessen Hilfe können sie ergänzende Erläuterungen zur Rechnungslegung, zur Strategie der Gesellschaft sowie zu den unterbreiteten Beschlussvorschlägen erhalten. In der Hauptversammlung vor allem der Publikumsgesellschaften wird das Fragerecht vielfach allerdings aggressiv wahrgenommen, um tatsächliche oder vermeintliche Missstände aufzudecken oder die Verwaltung aus sonstigem Anlass unter Druck zu setzen. Berufsopponenten versuchen nicht selten, durch bewusst abseitige Fragen oder umfangreiche Fragenkataloge unvollständige oder fehlerhafte Auskünfte zu provozieren, um die Gesellschaft im Anschluss an die Hauptversammlung mit Anfechtungs- und Auskunftsklagen zu überziehen1. Die Hauptversammlung erfordert deshalb nicht nur eine sorgfältige Vorbereitung, sondern auch eine souveräne Versammlungsleitung2. b) Kommunikation
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Für die Kommunikation der Aktionäre mit der Verwaltung und untereinander bietet die Hauptversammlung nur begrenzten Raum. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Hauptversammlung in der Regel nur an einem Tag stattfindet und deshalb auch bei einer Publikumsgesellschaft nur verhältnismäßig wenige Aktionäre zu Wort kommen 1 Siehe dazu auch Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, A Rz. 22 ff. 2 Martens, Leitfaden, S. 11.
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können. Hinzukommt, dass viele Redner Eigeninteressen verfolgen und damit eine Aussprache, die dem Interesse aller Aktionäre dient, nur teilweise stattfindet. Nicht nur durch Berufsopponenten, sondern auch durch häufige Wortbeiträge zu Themen außerhalb der Tagesordnung, insbesondere allgemeinen wirtschaftspolitischen oder ideologischen Fragen wird die Hauptversammlung häufig in die Länge gezogen1. Hauptversammlungen mit über zehn Stunden Dauer sind keine Seltenheit2. Die durchschnittliche Dauer der Hauptversammlungen der DAX-Gesellschaften lag 2006 zwischen sechs und sieben Stunden3. Stehen keine schwerwiegenden Strukturmaßnahmen auf der Tagesordnung, sollte jedoch ein Zeitrahmen von vier bis sechs Stunden ausreichend sein. Der Gesetzgeber hat dies – in der Begründung zum UMAG – als Leitbild aufgegriffen, damit der Versammlungsleiter bei der Begrenzung der Redezeit der Aktionäre eine bessere Orientierung hat4. Was die Kommunikation der Aktionäre untereinander angeht, so dürfte ein Bedürfnis dafür vor allem im Vorfeld der Hauptversammlung bestehen. Der Gesetzgeber hat deshalb im Rahmen des UMAG ein Aktionärsforum im elektronischen Bundesanzeiger eingerichtet (§ 127a AktG)5. Dieses Forum soll die Kontaktaufnahme der Aktionäre untereinander erleichtern, damit sie den zur Ausübung bestimmter Minderheitsrechte erforderlichen Aktienbesitz gemeinsam leichter erreichen können6. Ob dafür der Bundesanzeiger benötigt wird, ist allerdings zweifelhaft7. Bislang ist das Forum kaum angenommen worden8.
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c) Beschlussfassung Im Unterschied zur Bedeutung der Hauptversammlung als Forum der Information und Kommunikation hat ihre Bedeutung als Beschlussorgan eher zugenommen. So ist die Zuständigkeit der Hauptversammlung durch zahlreiche Gesetzesänderungen stetig ausgeweitet worden. Während die Hauptversammlung früherer Jahre meist nicht mehr als die fünf regulären Tagesordnungspunkte umfasste (Vorlage des Geschäftsberichts, Gewinnverwendung, Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie Wahl des Abschlussprüfers), enthält die ordentliche Hauptversammlung inzwischen regelmäßig weitere Beschlussgegenstände, insbesondere zum Erwerb eigener Aktien sowie Ermächtigungen zur Kapitalerhöhung. Dabei sind manche Beschlussvorschläge wie etwa die Ermächtigungen zur Ausgabe von Options- oder Wandelschuldverschreibungen gemäß § 221 AktG so differenziert ausformuliert, dass sie von einem durchschnittlichen Kleinanleger kaum noch verstanden werden.
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d) Präsenz In den Jahren nach 1998 war festzustellen, dass die Teilnahme an der Hauptversammlung bezogen auf das Aktienkapital der Gesellschaft kontinuierlich zurückgeht. In1 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, A Rz. 16 ff. 2 Zu einer 18-stündigen Hauptversammlung siehe LG München I v. 12.7.2007 – 5 HK O 9543/07 – WM 2008, 78, 80 = AG 2008, 340. 3 Siehe die Übersicht auf der Internetseite der Sdk e.V. (www.sdk.org). 4 Vgl. Begründung zum RegE UMAG vom Januar 2004, S. 36; dem folgend die Anregung in Ziff. 2.2.4 DCGK. 5 Siehe dazu ergänzend die gemäß § 127a AktG erlassene Aktionärsforumsverordnung (AktFoV) v. 22.11.2005, BGBl. I 2005, 3193 und dazu Seibert, AG 2006, 16. 6 Vgl. Begr. zum RegE UMAG vom Januar 2004, S. 31. 7 Vgl. Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV zum UMAG vom April 2004, ZIP 2004, 1230, 1231. 8 Seibert, NZG 2007, 841, 842.
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zwischen steigen die Zahlen wieder. Lag die durchschnittliche HV-Präsenz bei den DAX-Gesellschaften 1998 bei 60,95 %, sank sie zunächst auf 45,87 % (2005), um später auf 56,42 % (2007) wieder anzusteigen1. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Der Wiederanstieg der Präsenzen wird z.T. auf das UMAG zurückgeführt, mit dem bei Inhaberaktien das Hinterlegungserfordernis als Teilnahmevoraussetzung abgeschafft und für die Anmeldung ein „record date“ eingeführt wurde2. Ein weiterer Grund dürfte darin liegen, dass sich die Gesellschaften verstärkt um Verwaltungsvollmachten bemühen. Für die institutionellen Anleger werden vermehrt auch professionelle Stimmrechtsberater tätig3. Um die Präsenzen nachhaltig zu erhöhen, werden verschiedene Vorschläge diskutiert. So wird in Anlehnung an die spanische Praxis die Einführung eines Präsenzbonus vorgeschlagen, mit dem die Teilnahme an der Hauptversammlung unabhängig von der Ausübung des Stimmrechts honoriert werden soll4. Problematisch ist dabei neben der steuerlichen Beurteilung die praktische Abwicklung, insbesondere auch geringfügiger Beträge. Ein anderer Vorschlag will das Depotstimmrecht der Kreditinstitute erleichtern, indem diese von der Unterbreitung eigener Vorschläge befreit und aufgrund genereller Weisung im Sinne der Verwaltung abstimmen können sollen5. Ob dies zu einer nennenswerten Steigerung der Präsenzen führen würde, ist zweifelhaft6. Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) setzt beim Vollmachtstimmrecht auf eine größere Auswahl unter den Abstimmungsvorschlägen und will zudem die elektronische Ausübung aller Aktionärsrechte ermöglichen7. 8
Institutionelle Anleger sind an der Aktie meist nur als Anlageobjekt und damit weniger an der Aussprache in der Hauptversammlung interessiert. Kapitalanlagegesellschaften mit Sitz im Inland sind allerdings verpflichtet, das Stimmrecht aus Aktien inländischer Gesellschaften selbst oder über einen Bevollmächtigten auszuüben (§ 32 Abs. 1 InvG). Für ausländische Fonds gilt dies nicht. Diese nehmen an den Hauptversammlungen deutscher Aktiengesellschaften deshalb meist nicht teil. Dabei mag neben Kostengesichtspunkten auch eine Rolle spielen, dass grundsätzlich wenig Neigung besteht, sich mit den Besonderheiten des deutschen Rechts zu befassen. Neuerdings gibt es allerdings Unternehmen wie z.B. International Shareholder Services (ISS), die institutionelle Anleger bei der Ausübung ihres Stimmrechts auch bei deutschen Unternehmen beraten. Der Einfluss solcher Stiummrechtsberater wächst8. Er hat in Einzelfällen dazu geführt, dass Vorschläge der Verwaltung in der Hauptversammlung nicht die erforderliche Mehrheit gefunden haben. Daneben sind bei mehreren börsennotierten Gesellschaften Hedge Fonds als aktive Aktionäre in Erscheinung getreten, um im Sinne einer an den eigenen Interessen orientierten Anlagestrategie Einfluss auf die Unternehmensführung zu nehmen9. Verglichen damit ist das 1 Vgl. Baums, ZHR 171 (2007) 599, 600 unter Bezugnahme auf die Statistiken von SdK und DSW. 2 Vgl. § 123 Abs. 2 und 3 AktG n.F. sowie dazu Seibert, NZG 2007, 841. 3 Dazu näher Uwe H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88 ff. 4 Dazu Noack, BB 42/2005 Die erste Seite; Klühs, ZIP 2006, 107; E. Vetter, AG 2006, 32; Dauner-Lieb, WM 2007, 9; Seibert in FS Westermann, 2008, S. 1505, 1513 ff. 5 Vgl. Positionspapier des Deutschen Sparkassen und Giroverbandes (DSGV) und weiterer Verbände vom 23.7.2007; befürwortend Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 15 f.; ablehnend Lenz, AG 2006, 572 und Baums, ZHR 171 (2007), 599, 604 ff.; kritisch auch Seibert in FS Westermann, 2008, S. 1505, 1511 ff. 6 Baums, ZHR 171 (2007), 599, 602; Seibert in FS Westermann, 2008, S. 1505, 1512 f. 7 Vgl. §§ 118, 134, 135 AktG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008. 8 Vgl. dazu näher Uwe H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88 ff. 9 Siehe dazu Engert, ZIP 2006, 2105 ff. und Thaeter/Guski, AG 2007, 301 ff.
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Interesse der Privatanleger an der Hauptversammlung gering. Ihr meist unbedeutender Einfluss schlägt sich in einer entsprechenden „rationalen Apathie“ nieder. Zwar hat der Streubesitz zugenommen, seitdem die Banken und Versicherungen – im Zuge der Auflösung der „Deutschland AG“ – ihre Industriebeteiligungen veräußert haben. Die Anzahl der Aktionäre, die an den Hauptversammlungen teilnehmen, ist dadurch vorübergehend gestiegen1. Die Präsenz, d.h. ihr Anteil am Kapital der Gesellschaft hat sich aber nicht entsprechend erhöht. Hinzu kommt, dass sich Privatanleger inzwischen weniger von ihren Depotbanken vertreten lassen. Diese wiederum haben sich teilweise von der Stimmrechtsvertretung zurückgezogen. e) Investor Relations Unabhängig von der rechtlichen Bedeutung der Hauptversammlung wird diese von der Verwaltung zum Anlass genommen, die Gesellschaft den Aktionären und der Öffentlichkeit, vertreten durch die Medien, näher zu bringen. So erhalten die Aktionäre auf der Hauptversammlung vielfach Gelegenheit, sich auch außerhalb der Aussprache z.B. durch Filme, Broschüren o. Ä. umfassend über die Tätigkeit der Gesellschaft zu informieren. Mitunter ist die Hauptversammlung auch der Ort, um im Foyer neue Produkte vorzustellen oder durch anschließende Werksbesichtigungen Eindrücke von den Produktionsstätten zu vermitteln. Die Hauptversammlung wird dadurch im weiteren Sinne auch zu einer Werbeveranstaltung für Anleger. Die Einzelheiten gehören zu den Aufgaben der Investor Relations-Abteilung. Deren Aufgabe ist auch, unabhängig von der Hauptversammlung mit den wichtigsten Investoren im Dialog zu bleiben.
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2. Verhältnis zwischen Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat Das Verhältnis zwischen der Hauptversammlung und den beiden anderen Organen der AG, dem Vorstand als dem Geschäftsführungsorgan (§ 76 AktG) und dem Aufsichtsrat als Überwachungsorgan (§ 111 AktG), ist dadurch gekennzeichnet, dass jedes Organ einen eigenen Zuständigkeitsbereich hat. Insbesondere dem Vorstand ist die Leitung der Gesellschaft als eigenverantwortliche Aufgabe zugewiesen (§ 76 Abs. 1 AktG). Die Hauptversammlung ist von dieser Funktion ausgeschlossen2. Die Hauptversammlung ist dementsprechend Vorstand und Aufsichtsrat nicht übergeordnet, sondern steht auf gleicher Stufe neben ihnen3. Die Hauptversammlung wählt zwar die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat, kann aber weder dem Aufsichtsrat noch den von diesem bestellten Vorstandsmitgliedern Weisungen erteilen. Sie hat in Fragen der Geschäftsführung auch kein Initiativrecht (vgl. §§ 111 Abs. 4 Satz 3, 119 Abs. 2 AktG). Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zur GmbH, bei der die Geschäftsführer den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterworfen sind (vgl. § 37 GmbHG).
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Vorstand und Aufsichtsrat sind allerdings gehalten, ihre Befugnisse nur im Rahmen der Vorgaben der Satzung auszuüben. Dies gilt insbesondere für den Unternehmensgegenstand, der den äußeren Rahmen für die Aktivitäten der Gesellschaft bildet (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG). Vorstand und Aufsichtsrat sind zudem verpflichtet, die Hauptversammlung organisatorisch vorzubereiten. Auf Verlangen der Hauptver-
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1 Vgl. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, A Rz. 13 ff. 2 Hüffer, § 76 AktG Rz. 2; Fleischer in Spindler/Stilz, § 76 AktG Rz. 7; vgl. auch Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 76 AktG Rz. 11. 3 Vgl. Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 119 AktG Rz. 1.
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sammlung – ein Fall, der hin und wieder vorkommt – hat der Vorstand auch Beschlussgegenstände, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, vorzubereiten (§ 83 Abs. 1 AktG). Soweit die Beschlüsse der Hauptversammlung noch der Ausführung, z.B. einer Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister, bedürfen, ist der Vorstand auch dazu verpflichtet (§ 83 Abs. 2 AktG). Im Übrigen unterliegen Vorstand und Aufsichtsrat insofern einer Kontrolle durch die Hauptversammlung, als diese über die Beschlussvorschläge der Verwaltung sowie alljährlich über die Entlastung beider Organe entscheidet (§ 120 AktG).
II. Zuständigkeit der Hauptversammlung 1. Überblick 12
Die wichtigste Funktion der Hauptversammlung besteht in der Beschlussfassung über die Gegenstände, die ihr von Gesetzes wegen zur Entscheidung zugewiesen sind. Diese Beschlussgegenstände sind vor allem in § 119 Abs. 1 AktG aufgeführt, wobei die näheren Einzelheiten z.T. an anderer Stelle geregelt sind. So ist die in § 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG aufgeführte Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder in § 101 AktG näher behandelt. Beschlusskompetenzen sind der Hauptversammlung auch außerhalb des AktG zugewiesen. So ist die Zuständigkeit für die Bestellung des Abschlussprüfers in § 318 Abs. 3 HGB geregelt. Die Zuständigkeit für Beschlüsse zu den verschiedenen Umwandlungsformen ergibt sich aus dem UmwG, dort vor allem aus den §§ 65, 125, 193. In all diesen Fällen ist die Zuständigkeit der Hauptversammlung zwingend. Eine Übertragung der Beschlussfassung auf Vorstand und/oder Aufsichtsrat ist nicht zulässig1.
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Die der Hauptversammlung gesetzlich zugewiesenen Entscheidungen lassen sich in regelmäßig wiederkehrende Beschlüsse, Strukturmaßnahmen und sonstige Beschlüsse einteilen2. Daneben gibt es einige wenige Beschlüsse, bei denen sich die Zuständigkeit nicht aus dem Gesetz, sondern aus der Satzung ergibt. Schließlich kann in einer Reihe von Fällen auch eine sog. ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung gegeben sein. 2. Gesetzliche Zuständigkeiten a) Regelmäßig wiederkehrende Beschlüsse
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aa) Gewinnverwendung. Zu den Beschlüssen, die regelmäßig auf der Tagesordnung der jährlichen Hauptversammlung stehen, gehört die Entscheidung über die Verwendung des Bilanzgewinns (§ 119 Abs. 1 Nr. 2 AktG). Die Beschlussfassung über die Gewinnverwendung gehört zu den Kernrechten der Aktionäre. Allerdings ist dieses Recht im Interesse der Kapitalerhaltung durch die Verpflichtung zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage (§ 150 AktG) sowie die Befugnis der Verwaltung zur Rücklagenbildung nicht unerheblich eingeschränkt. Wird der Jahresabschluss, wie dies bei der börsennotierten Aktiengesellschaft die Regel ist, von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt, so ist die Hauptversammlung an deren Vorentscheidungen gebunden (§ 174 Abs. 1 Satz 2 AktG). Im Rahmen dieser Feststellung können Vorstand und Aufsichtsrat einen Teil des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen einstellen. Das Gesetz begrenzt diesen Teil auf höchstens die Hälfte (§ 58 Abs. 2 Satz 1 AktG). Die Satzung kann jedoch davon abweichen und Vorstand und Aufsichtsrat zu einer höheren oder niedrigeren Einstellung 1 Hüffer, § 119 AktG Rz. 1; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 119 AktG Rz. 2. 2 Vgl. Hüffer, § 119 AktG Rz. 5 ff.
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ermächtigen (§ 58 Abs. 2 Satz 2 AktG). In der Praxis der börsennotierten AG wird dieser Spielraum meist nur im Sinne einer über die Hälfte des Jahresüberschusses hinausgehenden Ermächtigung genutzt1. Da die Hauptversammlung an den von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellten Jahresabschluss gebunden ist, kann sie nur über den festgestellten Bilanzgewinn entscheiden. Sie kann diesen ausschütten, auf neue Rechnung vortragen oder in die Gewinnrücklagen einstellen (§ 58 Abs. 3 AktG). Einen höheren Gewinn kann sie nicht ausschütten. Die Hauptversammlung kann auch nicht, wie vor allem von Umweltschützern immer wieder beantragt, über die Ausschüttung eines Teiles des Gewinns an bestimmte gemeinnützige Organisationen beschliessen. Eine solche Verwendung des Bilanzgewinns ist nur zulässig, wenn die Satzung eine entsprechende Ermächtigung enthält, die in aller Regel aber fehlt (§ 58 Abs. 3 Satz 2 AktG). Weitere Einzelheiten des Gewinnverwendungsbeschlusses sind in § 174 AktG geregelt.
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bb) Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. Nach §§ 119 Abs. 1 Nr. 3, 120 Abs. 1 Satz 1 AktG beschließt die Hauptversammlung alljährlich in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahrs über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. Inhaltlich bedeutet die Entlastung, dass das Handeln der Organmitglieder für die Vergangenheit, d.h. in der Regel für das letzte abgelaufene Geschäftsjahr, gebilligt wird2. Anders als das GmbH-Recht3 bedeutet dies keinen Verzicht auf eventuelle Ersatzansprüche (vgl. § 120 Abs. 2 Satz 2 AktG). Bei einem schwer wiegenden und eindeutigen Verstoß gegen Gesetz oder Satzung darf die Hauptversammlung allerdings keine Entlastung erteilen4.
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Nach herrschender, allerdings bestrittener Meinung enthält die Entlastung darüber hinaus auch eine Vertrauenskundgabe für die künftige Verwaltung5.
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Die Entlastung bezieht sich regelmäßig auf das gesamte Verhalten in der Entlastungsperiode. Die Hauptversammlung kann aber auch eine Teilentlastung in der Weise beschließen, dass von der Entlastung bestimmte Vorgänge ausgenommen werden und die Beschlussfassung insoweit z.B. vertagt wird. Dies gilt richtiger Ansicht auch dann, wenn dabei Vorgänge ausgeklammert werden, die zum Kern der Amtsführung gehören6. Das Gesetz zwingt nicht zu einem undifferenzierten Pauschalurteil. Die Hauptver-
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1 Vgl. § 26 des Satzungsmusters von Pühler in Happ, Aktienrecht, S. 21 und § 27 Abs. 5 des Satzungsmusters von Hölters in MünchVertragsHdb., S. 725. 2 BGH v. 15.12.1975 – II ZR 17/74, WM 1976, 204, 205; BGH v. 20.5.1985 – II ZR 165/84, BGHZ 94, 324, 326; Hüffer, § 120 AktG Rz. 2; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 120 AktG Rz. 25. 3 Siehe dazu BGH v. 20.5.1985 – II ZR 165/84, BGHZ 94, 324, 325 und BGH v. 21.4.1986 – II ZR 165/85, BGHZ 97, 382, 394; OLG Naumburg v. 15.9.1999 – 5 U 92/99, NZG 2000, 380, 382 f.; OLG Köln v. 13.7.2000 – 18 U 37/00, NZG 2000, 1135, 1136. 4 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, ZIP 2003, 387, 388; BGH v. 18.10.2004 – II ZR 250/02, ZIP 2004, 2428, 2429; Hüffer, § 120 AktG Rz. 12; Hoffmann in Spindler/Stilz, § 120 AktG Rz. 27; a.A. Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 120 AktG Rz. 76 und Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 120 AktG Rz. 31. 5 BGH v. 10.2.1977 – II ZR 79/75, WM 1977, 361 f.; BGH v. 20.5.1985 – II ZR 165/84, BGHZ 94, 324, 326; BGH v. 18.10.2004 – II ZR 250/02, ZIP 2004, 2428, 2429; Hüffer, § 120 AktG Rz. 2; Hoffmann in Spindler/Stilz, § 120 AktG Rz. 26; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 120 AktG Rz. 10; a.A. Buchner, GmbHR 1988, 9, 13; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 120 AktG Rz. 25. 6 Vgl. Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 120 AktG Rz. 87; Sethe, ZIP 1996, 1321, 1322 ff.; a.A. LG Düsseldorf v. 21.12.1994 – 41 O 155/94, AG 1995, 237, 238 und OLG Düsseldorf v. 22.2.1996 – 6 U 20/95 – „Mannesmann“, AG 1996, 273, 274 f. und diesen folgend Hüffer, § 120 AktG Rz. 12 sowie Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 120 AktG Rz. 38.
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sammlung ist vielmehr frei, einzelne sachlich und zeitlich abgegrenzte Sachverhalte von der Entlastung auszunehmen1. 19
Vorstand und Aufsichtsrat haben der Hauptversammlung einen Beschlussvorschlag zur Entlastung beider Organe zu unterbreiten (§ 124 Abs. 3 Satz 1 AktG). Soweit ein Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrats selbst Aktien hält, kann es mit diesen nicht an der Abstimmung teilnehmen (§ 136 Abs. 1 Satz 1 AktG). Dieses Stimmverbot gilt zunächst nur für die eigene Entlastung. Wird wie in der Regel über die Entlastung der Mitglieder von Vorstand bzw. Aufsichtsrat gemeinsam abgestimmt, so kann das Stimmrecht insgesamt nicht ausgeübt werden. Wird dagegen über die Entlastung der Organmitglieder einzeln abgestimmt, so kann grundsätzlich jedes Mitglied bei der Entlastung der „Kollegen“ seines Organs mitstimmen2. Das gesetzliche Stimmverbot gilt nur für die Abstimmung über die Entlastung selbst und nicht auch für vorgelagerte Verfahrensbeschlüsse, also z.B. nicht bei einer Abstimmung über die Frage, ob die Organmitglieder einzeln oder insgesamt entlastet werden sollen (vgl. § 120 Abs. 1 Satz 2 AktG)3.
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Wird die Entlastung nicht erteilt oder verweigert, so hat dies keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen. Das Amt des betroffenen Organmitglieds bleibt davon unberührt. Wird ein Vorstandsmitglied ausdrücklich nicht entlastet, so kann der Aufsichtsrat den Beschluss der Hauptversammlung zwar zum Anlass für eine Abberufung des Vorstandsmitgliedes nehmen. Dafür müssen aber die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 84 Abs. 3 AktG gegeben sein. Wird die Entlastung zu Unrecht oder ohne erkennbaren Grund verweigert, so ist das betroffene Vorstandsmitglied berechtigt, sein Amt aus wichtigem Grund nieder zu legen4. Die Verweigerung der Entlastung eines Vorstandes ist im Übrigen nicht gleichbedeutend mit einem Vertrauensentzug i. S. von § 84 Abs. 3 Satz 2 Alt. 3 AktG. Ein solcher liegt nur vor, wenn die Hauptversammlung einen solchen Entzug ausdrücklich beschließt5.
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Angesichts der begrenzten rechtlichen Bedeutung der Entlastung ist wiederholt ihre Abschaffung vorgeschlagen worden6. Dafür spricht, dass die Entlastung ihrer rechtlichen Bedeutungslosigkeit zum Trotz meist einen Schwerpunkt in der Diskussion der Hauptversammlung bildet. Eine Abschaffung dieses Tagesordnungspunktes würde deshalb zu einer deutlichen Straffung der Hauptversammlung beitragen. Andererseits hat die Aussprache über die Entlastung aber auch eine Ventilfunktion. Im Interesse der Gesellschaften dürfte es eher liegen, wenn sich eventueller Unmut der Aktionäre in der Diskussion und Abstimmung über die Entlastung niederschlägt und die Sachbeschlüsse davon unberührt bleiben.
1 Vgl. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, I Rz. 14; Hüffer, § 120 AktG Rz. 12; Sethe, ZIP 1996, 1321, 1322 ff; insoweit auch Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 120 AktG Rz. 38. 2 OLG München v. 17.3.1995 – 23 U 5930/94, AG 1995, 381, 382; Hüffer, § 136 AktG Rz. 20; Hoffmann in Spindler/Stilz, § 120 AktG Rz. 20; Semler in MünchHdb. AG, § 38 Rz. 31; a.A. Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 136 AktG Rz. 8. 3 OLG München v. 17.3.1995 – 23 U 5930/94, AG 1995, 381, 382; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, I Rz. 21; Hoffmann in Spindler/Stilz, § 120 AktG Rz. 20; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 120 AktG Rz. 8; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 120 AktG Rz. 23. 4 Hüffer, § 120 AktG Rz. 16; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 120 AktG Rz. 46; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, I Rz. 44; enger Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 120 AktG Rz. 44. 5 Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 120 AktG Rz. 45. 6 Vgl. z.B. Peltzer, JZ 1996, 842, 845 f.
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Ein anderer Vorschlag geht dahin, die Entlastung dadurch aufzuwerten, dass ihre Verweigerung zur Niederlegung des Amtes oder einem Ausschluss von hervorgehobenen Funktionen im Aufsichtsrat führen soll1. Diese Folge soll allerdings nicht in das Gesetz, sondern als Empfehlung in den Deutschen Corporate Governance Kodex aufgenommen werden. Vorbehalte gegen diesen Vorschlag bestehen vor allem deswegen, weil dadurch die rechtlichen Zusammenhänge, insbesondere die Verantwortung für eine Abberufung verwischt werden. Im Übrigen wird die Aussprache über die Entlastung häufig mehr emotional als sachlich geführt. Auch deshalb sollte eine Ablehnung der Entlastung nicht mit der pauschalen Empfehlung zur Mandatsniederlegung oder zu Beschränkungen in der Amtsausübung verknüpft werden.
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cc) Wahl der Aufsichtsratsmitglieder. Die Mitglieder des Aufsichtsrates werden von der Hauptversammlung gewählt, soweit sie nicht in den Aufsichtsrat entsandt oder von den Arbeitnehmern nach den mitbestimmungsrechtlichen Regelungen gewählt werden. Die Hauptversammlung beschließt auch über die Abberufung der von ihr gewählten Mitglieder (§ 103 Abs. 1 AktG) sowie über die Vergütung aller Aufsichtsratsmitglieder (§ 113 AktG). Zu den Einzelheiten siehe § 25 Rz. 19 ff. und § 29 Rz. 32 ff.
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dd) Bestellung des Abschlussprüfers. Die Bestellung des Abschlussprüfers für den Jahresabschluss und den Konzernabschluss obliegt in der Regel der Hauptversammlung (§ 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG i.V.m. § 318 Abs. 1 und 2 HGB). Nur bei Versicherungsunternehmen wird der Abschlussprüfer vom Aufsichtsrat bestimmt (§ 341k Abs. 2 HGB). Soweit die Hauptversammlung zuständig ist, hat der Aufsichtsrat den Wahlvorschlag zu unterbreiten (§ 124 Abs. 3 Satz 1 AktG). Dieser erteilt auch den Prüfungsauftrag (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG). Dabei soll er sich auf eine Empfehlung des Prüfungsausschusses stützen2. Zu den Einzelheiten siehe § 58 Rz. 41 ff. und Rz. 71 ff.
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b) Strukturentscheidungen Zu den Strukturentscheidungen gehören alle Maßnahmen, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen. Solche Entscheidungen fallen zwingend in die Zuständigkeit der Hauptversammlung. So können Satzungsänderungen nur von der Hauptversammlung beschlossen werden (§ 119 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 179 Abs. 1 Satz 1 AktG). Der Wortlaut der vorgeschlagenen Satzungsänderung ist dabei mit der Tagesordnung bekanntzumachen (§ 124 Abs. 2 Satz 2 AktG). Börsennotierte Gesellschaften haben beabsichtigte Satzungsänderungen der BaFin und den jeweiligen Börsenzulassungsstellen mitzuteilen (§ 30c WpHG). Von der Satzungsänderung ist die Fassungsänderung zu unterscheiden, die nicht den Inhalt der Satzung, sondern nur ihre sprachliche Form betrifft. Die Befugnis zu bloßen Fassungsänderungen kann die Hauptversammlung dem Aufsichtsrat übertragen (§ 179 Abs. 1 Satz 2 AktG). Dafür ist ein Beschluss der Hauptversammlung erforderlich, der mit drei Viertel Kapitalmehrheit gefasst werden kann3. In der Praxis wird der Aufsichtsrat in der Regel durch eine entsprechende Satzungsbestimmung generell zur Vornahme von Fassungsänderungen ermächtigt4.
1 So ein Vorschlag der DSW. 2 Vgl. § 124 Abs. 3 Satz 2 AktG i.d.F. des RegE des BilMoG v. 21.5.2008, BT-Drucks. 16/10067. 3 Hüffer, § 179 AktG Rz. 11; Holzborn in Spindler/Stilz, § 179 AktG Rz. 110; modifizierend bei Einzelfällen Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 179 AktG Rz. 23. 4 Vgl. Pühler in Happ, Aktienrecht, § 16 der Satzung gemäß Muster 1.01.
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Auch eine solche allgemeine Übertragung ist zulässig1. Der Fall einer Fassungsänderung liegt z.B. vor, wenn ein genehmigtes Kapital wegen Zeitablaufs unwirksam geworden ist (vgl. § 202 Abs. 2 Satz 1 AktG). Es kann dann aus der Satzung gestrichen werden. 26
Zu den Strukturbeschlüssen gehören auch alle Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und der Kapitalherabsetzung (§ 119 Abs. 1 Nr. 6 AktG). Dementsprechend beschließt die Hauptversammlung über eine ordentliche Kapitalerhöhung (§§ 182 ff. AktG), eine bedingte Kapitalerhöhung (§§ 192 ff. AktG), ein genehmigtes Kapital (§§ 202 ff. AktG) und eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (§§ 207 ff. AktG). Gleiches gilt für die ordentliche oder vereinfachte Kapitalherabsetzung (§§ 222 ff., 229 ff. AktG) sowie die Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien (§§ 237 ff. AktG). Der Beschlussfassung der Hauptversammlung vorbehalten ist auch die Ausgabe von Bezugsund Umtauschrechten in Aktien, wie sie mit der Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen verbunden ist (§ 221 AktG).
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Die Hauptversammlung ist ferner zuständig für die Auflösung der Gesellschaft (§ 119 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG). Weitere Zuständigkeiten in Strukturfragen, die in § 119 AktG nicht aufgeführt sind, sind z.B. die Zustimmung zu Unternehmensverträgen und deren Änderung (§§ 292 Abs. 1, 295 Abs. 1 AktG), zu einer Eingliederung (§§ 319 Abs. 1 und 2, 320 Abs. 1 AktG), zur Verschmelzung (§§ 65, 73 UmwG), zur Vermögensübertragung (§ 179a AktG, §§ 174 f. UmwG), zum Wechsel der Rechtsform (§§ 226 ff. UmwG) sowie zu einer Nachgründung (§ 52 Abs. 5 AktG). Erwähnt seien außerdem der Ausschluss von Minderheitsaktionären (§ 327a AktG) sowie der Fortsetzungsbeschluss im Falle der Auflösung (§ 274 AktG).
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Zu den Strukturbeschlüssen können auch die Beschlüsse der Hauptversammlung der Zielgesellschaft eines Übernahmeangebotes gerechnet werden, mit denen der Vorstand zu bestimmten Abwehrmaßnahmen ermächtigt wird (§§ 33 Abs. 2 und 33a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WpÜG). Gegenstand einer solchen Ermächtigung können alle Maßnahmen sein, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen. Die Hauptversammlung kann aber auch über Maßnahmen beschließen, die zur Kompetenz des Vorstands gehören2. c) Sonstige Beschlüsse
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Außer den regelmäßig wiederkehrenden und den Strukturbeschlüssen gibt es eine Reihe weiterer Zuständigkeiten der Hauptversammlung. Zu diesen inhaltlich sehr unterschiedlichen Beschlüssen gehört z.B. die Ermächtigung zum Erwerb, zur Veräußerung und zur Einziehung eigener Aktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 7 und 8 AktG), die Bestellung von Sonderprüfern (§ 119 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 142 AktG), der Vertrauensentzug gegenüber einem Vorstandsmitglied (§ 84 Abs. 3 Satz 2 AktG), die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 103 Abs. 1 AktG), die Festsetzung der Aufsichtsratsvergütung (§ 113 Abs. 1 AktG), die Feststellung des Jahresabschlusses (§§ 173 Abs. 1, 234 Abs. 2 AktG), die Entscheidung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats (§ 147 AktG)
1 Hüffer, § 179 AktG Rz. 11; Holzborn in Spindler/Stilz, § 179 AktG Rz. 110; Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 179 AktG Rz. 23; Semler in MünchHdb. AG, § 39 Rz. 57; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 108; a.A. Zöllner in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 148; Fritzsche, WM 1984, 1243, 1244. 2 Grunewald in Baums/Thoma, § 33 WpÜG Rz. 61.
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sowie die Zustimmung zur Übermittlung von Informationen an die Inhaber zugelassener Wertpapiere im Wege der Datenfernübertragung (§ 30b Abs. 3 Nr. 1 WpHG). 3. Zuständigkeit auf Grund Satzung Nach § 119 Abs. 1 AktG beschließt die Hauptversammlung auch in den von der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen. Für entsprechende Regelungen lässt das Aktiengesetz allerdings nur wenig Spielraum (vgl. § 23 Abs. 5 AktG). Zuständigkeiten der Hauptversammlung, die sich aus der Satzung ergeben, sind daher selten. Sieht die Satzung die Ausgabe vinkulierter Namensaktien vor, so kann sie z.B. bestimmen, dass die Zustimmung zur Übertragung von der Hauptversammlung erteilt wird (§ 68 Abs. 2 Satz 3 AktG). Durch die Satzung können auch Aktionärsausschüsse oder beratende Gremien wie z.B. ein Beirat gebildet werden, wobei der Hauptversammlung die Wahl und Abberufung der Mitglieder dieses Gremiums zugewiesen werden kann1. Da hierdurch die gesetzlichen Aufgaben der Organe nicht eingeschränkt werden dürfen, haben solche Gremien keine rechtliche Bedeutung2.
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4. Ungeschriebene Zuständigkeiten a) Holzmüller-Fälle Maßnahmen der Geschäftsführung erfordern nur in wenigen ausdrücklich geregelten Fällen eine Zustimmung der Hauptversammlung. Im Übrigen liegt es im Ermessen des Vorstands, ob er eine bestimmte Maßnahme der Hauptversammlung zur Zustimmung vorlegen will (§ 119 Abs. 2 AktG). Der BGH hat allerdings entschieden, dass in Fällen von besonderer Tragweite eine Vorlagepflicht bestehen kann. In dem „Holzmüller-Fall“ ging es um die Ausgliederung des Kernbereichs des Unternehmens, der rd. 80 % des Gesellschaftsvermögens darstellte, auf eine Tochtergesellschaft. Das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung wurde mit der allgemeinen Erwägung begründet, dass es grundlegende Entscheidungen gäbe, die so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren Eigentum eingreifen, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen könne, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung treffen3. Ergänzend hat der BGH festgestellt, dass auch spätere Kapitalmaßnahmen in der durch Ausgliederung entstandenen Tochtergesellschaft der Hauptversammlung der Muttergesellschaft zur Zustimmung vorzulegen sind. Das Gleiche gelte für den Abschluss von Unternehmensverträgen mit der Tochtergesellschaft, die Übertragung ihres Gesellschaftsvermögens4 und einen Auflösungsbeschluss. In allen diesen Fällen soll der Zustimmungsvorbehalt der Hauptversammlung der Obergesellschaft sicherstellen, dass die Mitgliedschaft der Aktionäre nicht durch Maßnahmen bei der Tochter verwässert wird5.
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Die Holzmüller-Entscheidung hat in Rechtsprechung und Literatur zu unterschiedlichen Auffassungen in der Frage geführt, welche sonstigen Maßnahmen der Hauptver-
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1 Hüffer, § 119 AktG Rz. 10; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 119 AktG Rz. 36; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 17; Hoffmann in Spindler/Stilz, § 119 AktG Rz. 46. 2 Vgl. Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 17; Hoffmann in Spindler/ Stilz, § 119 AktG Rz. 46. 3 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 – „Holzmüller“, BGHZ 83, 122, 131 = AG 1982, 158. 4 Zum Fall der Vermögensübertragung bei einer eingegliederten Tochtergesellschaft siehe LG Hannover v. 30.5.2000 – 26 O 79/98, DB 2000, 1607 = AG 2001, 150 und OLG Celle v. 7.3.2001 – 9 U 137/00, ZIP 2001, 613 ff. = AG 2001, 150. 5 Vgl. BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 140 ff. = AG 1982, 158.
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sammlung zur Zustimmung vorzulegen sind. So ist kontrovers diskutiert worden, ob neben Ausgliederungen und Umstrukturierungen auch der Erwerb oder die Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen oder sonstigen Vermögenswerten der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen1. Umstritten war auch, ab wann eine Strukturänderung als wesentlich anzusehen ist. Während die Bagatellgrenze im Schrifttum, soweit eine Zustimmungspflicht bejaht wurde, überwiegend bei 20–25 % des Aktivvermögens2 und nur vereinzelt bei höheren oder niedrigeren Werten angesetzt wurde3, orientierte sich die Rechtsprechung entweder an allgemeinen Überlegungen zu Wert und Bedeutung4 oder „sicherheitshalber“ an einer Untergrenze von 10 % der Aktiva oder des Grundkapitals5. Erst allmählich hat sich eine restriktivere Haltung durchgesetzt6. 33
In den beiden Gelatine-Entscheidungen7 hat der BGH im Wege der Rechtsfortbildung klargestellt, dass eine Zustimmung der Hauptversammlung zu Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen erforderlich ist. Über sie ist dann mit einer Drei-Viertel-Kapitalmehrheit zu beschließen. Dabei ging es um die Einbringung zweier Tochtergesellschaften in eine weitere Tochtergesellschaft mit der Folge, dass die beiden Töchter zu Enkelgesellschaften wurden sowie um die Einbringung einer KG-Beteiligung in eine Tochtergesellschaft. Der BGH hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass eine Zustimmung der Hauptversammlung erst dann einzuholen ist, wenn die Maßnahme an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, rührt und in ihren Auswirkungen einem Zustand nahekommt, der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann. Die Überschreitung von Schwellenwerten zwischen 10 % und 50 % genügt dafür nicht. Der Bereich, auf den sich die Maßnahme erstreckt, muss die Ausmaße der Ausgliederung im Holzmüller-Fall erreichen, d.h. mindestens 80 % des Vermögens der Gesellschaft betreffen8. Welche Kriterien dabei maßgebend sind, ist offen. Im Vordergrund dürfte der Anteil am Ertragswert und Umsatz stehen.
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Dieses Zustimmungserfordernis gilt jedenfalls für Mediatisierungsfälle wie Ausgliederungen außerhalb des UmwG und die Umstrukturierung einer Tochter- in eine En1 Vgl. Groß, AG 1994, 266 ff.; Wollburg/Gehling in FS Lieberknecht, 1997, S. 133 ff.; siehe auch die zusammenfassende Darstellung von Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vor § 311 AktG Rz. 37 ff. 2 Vgl. insbesondere Hirte, Bezugsrechtsausschluss und Konzernbildung, 1986, S. 180; Lutter in FS Stimpel, 1985, S. 825, 850; Wollburg/Gehling in FS Lieberknecht, 1997, S. 133, 159. 3 Vgl. einerseits Geßler in FS Stimpel, 1985, S. 771, 787 für 10 % und andererseits Reichert in Habersack/Koch/Winter, Die Spaltung im neuen Umwandlungsrecht und ihre Rechtsfolgen, 1999, S. 25, 44 f., 51 für 50 %. 4 Vgl. LG Köln v. 3.2.1992 – 91 O 203/91, AG 1992, 238, 239 f. und LG Stuttgart v. 8.11.1991 – 2 KfH O 135/91, AG 1992, 236, 237 f.; OLG München v. 10.11.1994 – 24 U 1036/93, AG 1995, 232, 233. 5 Vgl. OLG Köln v. 24.11.1992 – 22 U 72/92 – „Winterthur/Nordstern“, ZIP 1993, 110, 117 = AG 1993, 86 und LG Frankfurt v. 10.3.1993 – 3/14 O 25/92, AG 1993, 287, 288 f.; für eine Anknüpfung an 50 % bei Beteiligungsveräußerung LG Düsseldorf v. 13.2.1997 – 31 O 133/96, AG 1999, 94. 6 Vgl. LG Düsseldorf v. 13.2.1997 – 31 O 133/96 – „W. Rau Neusser Öl und Fett AG“, AG 1999, 94, 95 (über 50 %); zurückhaltend auch LG Heidelberg v. 1.12.1998 – O 95/98 KfH I – „MLP AG“, AG 1999, 135, 137; Hüffer in FS Ulmer, 2003, S. 279, 295 (über 75 %); Henze in FS Ulmer, 2003, S. 211 ff., 222 f. (über 50 %). 7 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 und v. 26.4.2004 – II ZR 154/02, ZIP 2004, 993 ff. und 1001 ff. = WM 2004, 1085 ff. und 1090 ff. = AG 2004, 384 ff. 8 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 und v. 26.4.2004 – II ZR 154/02, ZIP 2004, 993, 998 und 1001, 1006 = AG 2004, 384 ff. – „Gelatine“.
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kelgesellschaft, und zwar auch dann, wenn die Satzung eine sog. Konzernklausel enthält. Ob es auch für andere Geschäftsführungsmaßnahmen gilt, hat der BGH ausdrücklich offengelassen1. Der zugrundeliegende Gedanke, dass es um den Schutz der Aktionäre vor einer nachhaltigen Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung geht2, könnte dafür sprechen, auch sonstige Maßnahmen wie z.B. die Veräußerung oder den Erwerb von Beteiligungen vorsorglich einzubeziehen, sofern die erforderliche Relevanz gegeben ist3. Bei solchen Maßnahmen fehlt allerdings der Gesichtspunkt der Mediatisierung4. Der BGH hat deshalb eine ungeschriebene Zustimmungskompetenz bei der Veräußerung einer Beteiligung verneint5. Eine Zustimmung der Hauptversammlung kann dennoch erforderlich sein, wenn infolge einer Veräußerung der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand auf Dauer teilweise nicht mehr verwirklicht werden oder durch der Erwerb erweitert werden soll. Solchen Veränderungen ist durch eine entsprechende Satzungsänderung Rechnung zu tragen6. Die Zustimmung der Hauptversammlung kann sowohl ein unternehmerisches Konzept, wie z.B. die Umstrukturierung der Gesellschaft in eine Holding, als auch eine bestimmte Einzelmaßnahme, wie z.B. die Ausgliederung der größten Unternehmensbereichs, betreffen. Im ersten Fall handelt es sich um einen Ermächtigungsbeschluss, der in Analogie zu den §§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 202 Abs. 2, 221 Abs. 2 AktG die wesentlichen Eckpunkte des Konzepts umfassen muss7. Im zweiten Fall liegt ein Zustimmungsbeschluss vor. Dieser kann auch nachträglich gefasst werden.
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Der vom BGH statuierte Zustimmungsvorbehalt begründet nur eine interne Verpflichtung8. Er lässt die Vertretungsmacht des Vorstands nach außen unberührt (vgl. § 82 AktG). Wird der Vorlagepflicht nicht entsprochen, stellt dies allerdings eine Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) dar, die zu Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft führen kann9. Dabei kann sich der Vorstand, da es um eine Kompetenzverletzung geht, nicht wie bei sonstigem geschäftlichen
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1 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 154/02 und v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, WM 2004, 1085, 1087 f. und 1090, 1093 = AG 2004, 384 ff. 2 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 154/02, WM 2004, 1085, 1087. 3 So z.B. Hoffmann in Spindler/Stilz, § 119 AktG Rz. 30; siehe dazu auch Bungert, BB 2004, 1345, 1349 ff. 4 Arnold, ZIP 2005, 1573, 1576 f.; Krieger in MünchHdb. AG, § 69 Rz. 10; Marsch-Barner in Grundmann/Schwintowski/Singer/Weber (Hrsg.), Anleger- und Funktionsschutz durch Kapitalmarktrecht, 2006, S. 105, 113 f.; a.A. Liebscher, ZGR 2005, 1, 23 f. und Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 119 AktG Rz. 33 zum Beteiligungserwerb; kritisch zum Kriterium der Mediatisierung Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231 ff. 5 BGH v. 20.11.2006 – II ZR 226/05 – „Stuttgarter Hofbräu“, ZIP 2007, 24 = AG 2007, 203; dem folgend OLG Hamm v. 19.11.2007 – 8 U 216/07 – „Arcandor“, ZIP 2008, 832, 833 f. = AG 2008, 421 zur Veräußerung der Anteile an einer Enkelgesellschaft. 6 OLG Stuttgart v. 14.5.2003 – 20 U 31/02, AG 2003, 527, 532; LG Köln v. 23.11.2007 – 82 O 214/06, CCZ 2008, 113 m. Anm. Micker; Hüffer, § 179 AktG Rz. 9a; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 227; Reichert in Beck’sches Hdb. AG, § 5 Rz. 53; Wiedemann in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1995, § 179 AktG Rz. 60; Wiesner in MünchHdb. AG, § 9 Rz. 16; Wollburg/Gehling in FS Lieberknecht, 1997, S. 133, 138; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 119 AktG Rz. 39. 7 Zur Zulässigkeit einer solchen Ermächtigung Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 813 f.; Hüffer, § 124 AktG Rz. 11; Groß, AG 1996, 111, 115; Krieger in MünchHdb. AG, § 69 Rz. 12; Reger in Bürgers/Körber, § 119 AktG Rz. 26; LG Frankfurt v. 12.12.2000 – 3/5 O 149/99 – „AGIV“, AG 2001, 431, 434; abl. LG Stuttgart v. 8.11.1991 – 2 KfH O 135/91, ZIP 1992, 236, 237 f. = AG 1992, 236. 8 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 132 = AG 1982, 158; Henze in FS Ulmer, 2003, S. 211, 221; BGH v. 26.4.2004 – II ZR 154/02, WM 2004, 1085, 1087; Hoffmann in Spindler/Stilz, § 119 AktG Rz. 51. 9 Vgl. Seiler/Singhof, Der Konzern 2003, 313, 319 ff. m.w.N.
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Handeln auf sein weites unternehmerisches Ermessen berufen1. Ersatzansprüche der Gesellschaft können auch von einer Aktionärsminderheit geltend gemacht werden). Die Voraussetzungen dafür sind durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) erheblich erleichtert werden2. Die pflichtwidrige Unterlassung der Vorlage bedeutet zugleich eine Verletzung des Mitgliedschaftsrechts der Aktionäre. Diese können sich gegen einen solchen Eingriff mit einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage sowie ggf. einer einstweiligen Verfügung zur Wehr setzen3. Sie können u.U. auch erreichen, dass die Verwaltung zur Rückgängigmachung der Maßnahme verpflichtet wird4. Nach h.M. stehen den Aktionären dagegen grundsätzlich keine eigenen Schadensersatzansprüche zu. Insbesondere findet § 823 Abs. 1 BGB keine Anwendung, weil nicht das Mitgliedschaftsrecht als solches, sondern das dahinter stehende Vermögen des Aktionärs betroffen ist5. b) Börseneinführung 37
Die Börseneinführung einer AG erfordert nach teilweise vertretener Auffassung einen Beschluss der Hauptversammlung6. Ein solches im Gesetz nicht vorgesehenes Zustimmungserfordernis soll sich aus den mit der Börsennotierung ergebenden zusätzlichen Pflichten für die Gesellschaft und die Aktionäre ergeben. Außerdem wird die Unterwerfung unter das Sonderrecht der börsennotierten AG als eine dem Formwechsel vergleichbare Strukturentscheidung betrachtet7. Tatsächlich stellt sich die Börsenzulassung für die Aktionäre jedoch als Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation dar, weil dadurch die Veräußerbarkeit der Aktie erleichtert wird. Die mit der Börsenzulassung verbundenen Pflichten für die Aktionäre, insbesondere die Beachtung der Insiderbestimmungen (§ 12 WpHG) und der Mitteilungspflichten (§§ 21 ff. WpHG), können demgegenüber vernachlässigt werden. Sie stellen jedenfalls keinen schwerwiegenden Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre dar. Auch in Bezug auf das Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Aktionären ergeben sich aus einem Börsengang keine wesentlichen Veränderungen. Die Börsenzulassung kann deshalb einem Rechtsformwechsel nicht gleichgestellt werden8. Unabhängig da-
1 Goette in FS aus Anlass des fünfzigjährigen Bestehens von Bundesgerichtshof, Bundesanwaltschaft und Rechtsanwaltschaft beim Bundesgerichtshof, 2000, S. 123, 132 f. 2 Vgl. § 148 AktG i.d.F. des UMAG v. 22.9.2005 (BGBl. I 2005, 2802). 3 BGH v. 10.10.2005 – II ZR 90/03 – „Mangusta/Commerzbank II“, BGHZ 164, 249 = AG 2006, 38; LG Düsseldorf v. 14.12.1999 – 10 O 495/99 – „Mannesmann“, WM 2000, 528 = AG 2000, 233; LG Duisburg v. 27.6.2002 – 21 O 106/02 – „Babcock Borsig“, AG 2003, 390; Semler in MünchHdb. AG, § 34 Rz. 46 ff.; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 119 AktG Rz. 47; Seiler/Singhof, Der Konzern 2003, 313, 316 f.; Markwardt, WM 2004, 211 ff.; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, Vor § 311 AktG Rz. 49. 4 Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 98; Krieger in MünchHdb. AG, § 69 Rz. 15; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 119 AktG Rz. 47; BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 134 ff. = AG 1982, 158; BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 141 = AG 1997, 465; OLG Stuttgart v. 14.4.2003 – 20 U 31/03, NZG 2003, 778, 785. 5 LG Bonn v. 15.5.2001 – 11 O 181/00, AG 2001, 484, 485; Hopt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 93 AktG Rz. 473; Wiesner in MünchHdb. AG, § 26 Rz. 29; Seiler/Singhof, Der Konzern 2003, 313, 325 f.; a.A. Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 93 AktG Rz. 172; Habersack, DStR 1998, 533 ff. 6 Lutter in FS Zöllner, Bd. I, S. 363, 376 ff.; Lutter/Drygala in FS Raisch, 1995, S. 239, 240 ff.; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 806; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 466 f. 7 Lutter in FS Zöllner, Bd. I, S. 363, 378; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 119 AktG Rz. 30; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 119 AktG Rz. 37. 8 Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 80; Reichert in Beck’sches Hdb. AG, § 5 Rz. 56; Hopt in FS Drobnig, S. 525, 536.
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§ 32
Vorbereitung der Hauptversammlung
von ist die Hauptversammlung allerdings zu beteiligen, wenn für die Börsenzulassung z.B. neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung bereit gestellt werden. Erörtert wird daneben die Frage, inwieweit zum Börsengang einer Tochtergesellschaft die Zustimmung der Hauptversammlung der Muttergesellschaft erfordert. Da ein solcher Vorgang eine teilweise oder vollständige Veräußerung der Tochtergesellschaft darstellt, kann sich eine Zuständigkeit der Hauptversammlung aus den Grundsätzen der Holzmüller-Doktrin ergeben. Dazu müsste der Börsengang in seiner wirtschaftlichen Bedeutung zumindest die Ausmaße der Ausgliederung in dem Holzmüller-Fall erreichen1. Umstritten ist, ob die Aktionäre der Muttergesellschaft im Falle des Börsengangs einer Tochter ein Vorerwerbs- oder Bezugsrecht auf deren Aktien haben, siehe dazu oben § 8 Rz. 44 ff.
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c) Delisting Eine „ungeschriebene“ Zuständigkeit der Hauptversammlung wird angenommen, wenn der Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft deren Rückzug von der Börse (sog. Delisting) betreibt2. Beim echten Delisting geschieht dies durch eine Rücknahme der Börsenzulassung (vgl. dazu § 38 Abs. 4 BörsG). Beim unechten Delisting ergibt sich der Verlust der Börsenzulassung dagegen nur mittelbar aus einer Strukturmaßnahme wie z.B. einem Squeeze-out oder einer Verschmelzung auf eine nicht börsennotierte AG. In solchen Fällen ist die Mitwirkung der Hauptversammlung gesetzlich vorgesehen (vgl. §§ 320 Abs. 1, 327a AktG, §§ 13, 65, 193 UmwG). Eine gesellschaftsrechtliche Regelung fehlt nur beim direkten Rückzug von der Börse. Die Pflicht des Vorstands, auch dafür die Zustimmung die Hauptversammlung einzuholen, wird nicht aus § 119 Abs. 2 AktG, sondern aus dem verfassungsrechtlichen Gründen, nämlich dem Schutz des Aktieneigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) und der jederzeitigen Möglichkeit der Realisierung des Verkehrswertes der Aktie abgeleitet3 (siehe dazu näher unten § 62 Rz. 33).
§ 32 Vorbereitung der Hauptversammlung I. Organisatorische Vorbereitung . . . II. Einberufung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1 8
1. Einberufungsgründe . . . . . . . . . . 9 a) Gesetzliche Verpflichtung . . . . 9 b) Einberufung gemäß Satzung . . . 13
Rz. c) Freiwillige Einberufung . . . . . . 14 2. Berechtigung zur Einberufung . . a) Vorstand . . . . . . . . . . . . . . b) Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . c) Einberufung durch andere Personen . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einberufungsverlangen . . . . .
. . 16 . . 16 . . 17 . . 18 . . 20
1 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, ZIP 2004, 993, 998 = AG 2004, 384; vgl. aus der Literatur davor Fuchs, RWS-Forum Gesellschaftsrecht, 2001, S. 259, 271; Reichert in Beck’sches Hdb. AG, § 5 Rz. 55; Trapp/Schick, AG 2001, 381, 387 f. 2 OLG München v. 14.2.2001 – 7 U 6019/99, DB 2001, 747 = AG 2001, 364; LG München I v. 4.11.1999 – 5 HKO 10580/99, ZIP 1999, 2017; BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01 – „Macrotron“, ZIP 2003, 387 = AG 2003, 273; Hüffer, § 119 AktG Rz. 21 ff. und Hoffmann in Spindler/ Stilz, § 119 AktG Rz. 39 ff., jeweils m.w.N. 3 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, ZIP 2003, 387, 390 = AG 2003, 273 unter Hinweis auf BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94 – „Altana“, ZIP 1999, 1436, 1440 = AG 1999, 566.
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Hauptversammlung Rz. aa) Aktionärsverlangen nach § 122 Abs. 1 AktG . . . . . . . bb) Verlangen des Hauptaktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verlangen des Bieters . . . . . dd) Verlangen bei Konzernverschmelzung . . . . . . . . . . . ee) Verlangen zur Einberufung einer gesonderten Versammlung . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Einberufungsverlangen der BaFin . . . . . . . . . . . . . . .
3. Art und Weise der Einberufung . . . a) Einberufungsfrist . . . . . . . . . . b) Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . c) Berechtigungsnachweis . . . . . . d) Mindestangaben der Einberufung
20 28 29 30
Rz. 6. Beschlussgegenstände auf Verlangen von Aktionären . . . . . . . . . . . . . 58 7. Bekanntmachung der Einberufung nebst Tagesordnung . . . . . . . . . . 61 8. Mitteilungspflichten . . . . . . . . . . 63 9. Gegenanträge von Aktionären . . . 69 10. Wahlvorschläge von Aktionären . . 79
31 32 33 33 34 35 39
11. Berichtspflichten des Vorstands . . 80 a) Gesetzlich vorgeschriebene Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Berichtspflichten bei Geschäftsführungsmaßnahmen . . . . . . . . 84 12. Berichtspflichten des Aufsichtsrats
86
13. Bericht des Hauptaktionärs . . . . . 89
4. Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . . 47
14. Berichte Dritter . . . . . . . . . . . . . 90
5. Beschlussvorschläge der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
15. Hauptversammlung in Zusammenhang mit einem Übernahmeangebot 91
Schrifttum: Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001; Biehler, Multinationale Konzerne und die Abhaltung einer Hauptversammlung nach deutschem Recht im Ausland, NJW 2000, 1243; Butzke, Hinterlegung, Record Date und Einberufungsfrist, WM 2005, 1981; Ek, Einreichung von Gegenanträgen für die Hauptversammlung bei Außenstellen von Aktiengesellschaften, NZG 2002, 664; Gantenberg, Die Reform der Hauptversammlung durch den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegration und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), NZG 2005, 388; Gätsch/Mimberg, Der Legitimationsnachweis nach § 123 Abs. 3 AktG in der Fassung des UMAG bei börsennotierten Gesellschaften, AG 2005, 746; Groß, Vorbereitung und Durchführung von Hauptversammlungsbeschlüssen zu Erwerb und Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen, AG 1996, 111; Halberkamp/Gierke, Das Recht der Aktionäre auf Einberufung einer Hauptversammlung, NZG 2004, 494; Happ/Freitag, Die Mitternachtstund’ als Nichtigkeitsgrund, AG 1998, 493; Heidinger/Blath, Die Legitimation der Teilnahme an der Hauptversammlung nach Inkrafttreten des UMAG, DB 2006, 2275; Huber, Die „geplant beschlusslose“ Hauptversammlung, ZIP 1995, 1740; Kiefner/Zetzsche, Die Aktionärslegitimation durch Record Date Nachweis und die Übergangsvorschrift des § 16 EGAktG, ZIP 2006, 551; Lehmann, Die groben und feinen Maschen des § 126 AktG, in FS Quack, 1991, S. 287; Linnerz, Ort, Terminierung und Dauer einer Hauptversammlung, NZG 2006, 208; Lutter, Zur Vorbereitung und Durchführung von Grundlagenbeschlüssen in Aktiengesellschaften, in FS Fleck, 1988, S. 169; Lutter/Leinekugel, Der Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung zu grundlegenden Strukturmaßnahmen – zulässige Kompetenzübertragung oder unzulässige Selbstentmachtung, ZIP 1998, 805; Martens, Leitfaden für die Leitung der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, 3. Aufl. 2003; Mertens, Das Minderheitsrecht nach § 122 Abs. 2 AktG und seine Grenzen, AG 1997, 481; Mimberg, Die Frist zur Einberufung der Hauptversammlung nach dem UMAG, AG 2005, 716; Mutter, Auskunftsansprüche des Aktionärs in der HV, 2002; Mimberg, Schranken der Vorbereitung und Durchführung der HV im Internet – die Rechtslage nach dem Inkrafttreten von NaStraG, Formvorschriften-AnpassungsG und TransPuG, ZGR 2003, 21; Noack, Das neue Recht der Gegenanträge nach § 126 AktG, BB 2003, 1393; Sasse, § 126 AktG – Rechtsunsicherheiten bei der Behandlung von Gegenanträgen, NZG 2004, 153; J. Schmidt, § 123 Abs. 1 AktG idF des UMAG und §§ 61 Satz 1, 63 Abs. 1 UmwG – ein unbeabsichtigter Richtlinienverstoß, DB 2006, 375; Scholz, Unzulässigkeit der Beschlussfassung der Hauptversammlung gem. § 124 Abs. 4 AktG, AG 2008, 11; Seibert/Schütz, Der Referen-
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Vorbereitung der Hauptversammlung
tenentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts – UMAG, ZIP 2004, 252; Sieger/Gätsch, Sonnabende, Sonntage und Feiertage bei der Berechnung der Hinterlegungsfrist nach § 123 AktG, NZG 1999, 1041; Simon/Zetzsche, Aktionärslegitimation und Satzungsgestaltung – Überlegungen zu § 123 AktG i.d.F. des UMAG, NZG 2005, 369;Weißhaupt, Informationsmängel in der Hauptversammlung – die Neuregelungen durch das UMAG, ZIP 2005, 1766; Wilsing, Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und zur Modernisierung des Anfechtungsrechts, DB 2005, 35; Zetzsche, Die Aktionärslegitimation durch Berechtigungsnachweis – von der Verkörperungs- zur Registertheorie (1. Teil), Der Konzern 2007, 180.
I. Organisatorische Vorbereitung Die organisatorische Vorbereitung der Hauptversammlung beginnt in aller Regel lange bevor sie tatsächlich stattfindet. Vor allem Gesellschaften, die regelmäßig eine größere Zahl von Teilnehmern an der Hauptversammlung haben, müssen meist mehrere Jahre im voraus einen geeigneten Versammlungsraum reservieren und dabei auch den künftigen Zeitpunkt der Hauptversammlung festlegen1. Dabei müssen die Termine so bestimmt werden, dass die Unterlagen für die Rechnungslegung rechtzeitig vor Beginn der Einberufungsfrist zur Hauptversammlung verabschiedet und möglichst auch gedruckt sind, damit sie zur Einsichtnahme ausgelegt werden können (vgl. § 175 Abs. 2 AktG). Die Verpflichtung zur Auslegung entfällt, wenn die Dokumente über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich sind (§ 175 Abs. 2 Satz 4 AktG). Zu berücksichtigen ist ferner, dass zur Vorbereitung der Hauptversammlung unter Umständen noch weitere Unterlagen wie z.B. umfangreiche Vorstandsberichte erstellt werden müssen. Für diese ist vorerst weiter eine Auslegung erforderlich2. Erst im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie soll auch insoweit die Veröffentlichung auf der Internetseite ausreichen3. Auf jeden Fall muss die Hauptversammlung innerhalb der ersten acht Monate des laufenden Geschäftsjahres stattfinden (§ 175 Abs. 1 Satz 2 AktG).
1
Bei der Auswahl des Versammlungsortes, in dem die Hauptversammlung stattfinden soll, ist vor allem an die Verkehrsanbindung zu denken. Das Versammlungslokal sollte sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch mit dem Pkw gut erreichbar sein. Bei größeren Hauptversammlungen wird deshalb meist die Wahl auf die in den größeren Städten vorhandenen Messehallen und Kongresszentren fallen. Bei kleineren Hauptversammlungen können Veranstaltungsräume in einem Hotel oder auch bei der Gesellschaft selbst ausreichen.
2
Bei der Auswahl des konkreten Versammlungsraumes spielt die Zahl der zu erwartenden Teilnehmer eine wesentliche Rolle, wobei insoweit allerdings nur eine ungefähre Prognose möglich ist. Deshalb muss Vorsorge für eventuell erforderliche Zusatzräume getroffen werden, in welche zusätzliche Besucher umgeleitet werden können und in welche die Hauptversammlung zumindest übertragen wird. Im Hinblick auf hin und wieder vorkommende Bombendrohungen ist auch an ein Ausweichlokal zu denken.
3
1 Martens, Leitfaden, S. 3 f. 2 Vgl. aber LG Düsseldorf v. 9.11.2007 – 39 O 38/07, EWiR § 175 AktG 1/08 (Rottnauer), wonach auch für den Vorstandsbericht nach § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG Zugänglichkeit über die Internetseite ausreicht. 3 Vgl. §§ 186 Abs. 4 Satz 2, 293g Abs. 1, 319 Abs. 3 Satz 3, 327c Abs. 5, 327d Satz 1 AktG und §§ 62 Abs. 3 Satz 7, 63 Abs. 4, 64 Abs. 1 Satz 1, 230 Abs. 2 Satz 3, 232 Abs. 1, 239 Abs. 1 UmwG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008.
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Hauptversammlung
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Wichtig sind sodann die technischen Vorbereitungen, insbesondere die meist EDV-gestützte Organisation der Anmeldung zur Hauptversammlung, der Einlasskontrolle sowie die Erstellung des Teilnehmerverzeichnisses (§ 129 Abs. 1 Satz 2 AktG). Das Teilnehmerverzeichnis ist in der Hauptversammlung vor der ersten Abstimmung allen Teilnehmern zugänglich zu machen (§ 129 Abs. 4 Satz 1 AktG). Eine Auslegung in Papierform ist dafür nicht erforderlich; es genügt, wenn das Verzeichnis elektronisch geführt wird und über ein oder mehrere Bildschirmgeräte Einsicht genommen werden kann1. Der Versammlungsraum ist sodann mit ausreichend vielen Mikrofonen für den Leiter der Hauptversammlung, die Mitglieder des Vorstandes und die Aktionärssprecher sowie eventuell mit Monitoren für eine Audio- und Videoübertragung der Hauptversammlung in die Nebenräume auszustatten. Soll die Hauptversammlung, wie dies der Deutsche Corporate Governance Kodex anregt2, im Internet übertragen werden, ist auch dafür Vorsorge zu treffen. Vorzubereiten ist schließlich die Durchführung der Abstimmungen, die bei größeren Hauptversammlungen mit Hilfe von codierten Stimmabschnitten bzw. Stimmkarten oder per Televoting erfolgt. Schließlich ist an geeignete Räumlichkeiten für die Vertreter der Presse sowie nicht zuletzt an die Verpflegung der Hauptversammlungsteilnehmer zu denken.
5
Um die unterschiedlichen Vorbereitungsmaßnahmen zu planen und zu koordinieren, empfiehlt es sich rechtzeitig vor jeder Hauptversammlung einen Generalplan aufzustellen, in dem die erforderlichen Aktivitäten in der abzuarbeitenden Reihenfolge mit den dafür jeweils Verantwortlichen aufgelistet werden3. Bei dieser Planung ist auch daran zu denken, dass ein Notar mit der notariellen Beurkundung der Hauptversammlung beauftragt wird (vgl. § 130 AktG).
6
Für die Abwicklung der Hauptversammlung hat es sich als hilfreich erwiesen, für den Versammlungsleiter einen Leitfaden zu erstellen, in dem der Ablauf der Hauptversammlung von der Begrüßung der Erschienenen bis zur Schließung der Versammlung wörtlich vorgezeichnet ist. Dabei sollte vor allem die Leitung der Abstimmungen vorformuliert sein. Das gleiche gilt für etwaige sonstige Leitungsmaßnahmen wie die Anordnung einer allgemeinen Redezeitbegrenzung sowie die Reaktion des Versammlungsleiters auf Verfahrens- und Sachanträge von Aktionären. Für die Behandlung solcher Anträge werden meist gesonderte Anlagen zum allgemeinen Leitfaden erstellt. Zur Vorbereitung des notariellen Protokolls sollte der Leitfaden auch dem Notar zur Verfügung gestellt werden.
7
Bei der Vorbereitung der Hauptversammlung ist weiter daran zu denken, dass der Vorstand verpflichtet ist, in dem gesetzlichen Rahmen, wie er vor allem durch § 131 AktG abgesteckt ist, Fragen der Aktionäre zu beantworten. Zur Vorbereitung dieser Aufgabe kann es von Nutzen sein, Fragen, mit denen gerechnet werden muss und die sich nicht ohne weiteres beantwortet lassen, vorab zusammenzustellen und dazu schon im Vorfeld Antworten zu entwerfen. Außerdem sollte eine Gruppe von Mitarbeitern und erforderlichenfalls auch externen Beratern zusammengestellt werden, deren Aufgabe darin besteht, die in der Hauptversammlung tatsächlich gestellten Fragen zu erfassen und dazu, soweit erforderlich, Antwortvorschläge zu erarbeiten. Die Einrichtung eines solchen „back-office“ dient dazu, die in der Hauptversammlung gestellten Fragen möglichst zügig und inhaltlich zutreffend zu beantworten. Dies trägt der Pflicht des Vorstandes Rechnung, sich organisatorisch auch auf solche 1 Hüffer, § 129 AktG Rz. 13. 2 Vgl. Ziff. 2.3.4. 3 Vgl. die Checklisten bei Butzke in Obermüller/Werner/Winden, Anhang 1 Terminplan einer Hauptversammlung sowie bei Steiner, S. 212 ff. und Schaaf, S. 305 ff.
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Vorbereitung der Hauptversammlung
Fragen einzustellen, die nur mit Vorbereitung beantwortet werden können1. Unabhängig von der Frage, wie weit diese Pflicht reicht, ist eine sachkundige Unterstützung bei der Fragenbeantwortung auch deshalb anzuraten, weil die Verletzung des Auskunftsrechts der häufigste Grund ist, auf den Anfechtungsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse mit Erfolg gestützt werden. Außerdem kann eine unrichtige Auskunft dazu führen, dass gegen das betreffende Vorstandsmitglied ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen unrichtiger Darstellung im Sinne von § 400 AktG eingeleitet wird.
II. Einberufung der Hauptversammlung Die Hauptversammlung ist in den durch Gesetz oder Satzung bestimmten Fällen sowie dann einzuberufen, wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert (§ 121 Abs. 1 AktG).
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1. Einberufungsgründe a) Gesetzliche Verpflichtung Die Hauptversammlung ist vom Vorstand alljährlich unverzüglich nach Eingang des Berichts des Aufsichtsrats über die Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts und des Gewinnverwendungsvorschlags sowie bei Mutterunternehmen auch des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts einzuberufen (§ 175 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 171 AktG). Gegenstand dieser sog. ordentlichen Hauptversammlung ist die Entgegennahme der Unterlagen zur Rechnungslegung, die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns sowie, damit zusammenhängend (vgl. § 120 Abs. 3 AktG), die Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat. Gegenstand der ordentlichen Hauptversammlung ist in der Regel auch die Bestellung des Abschlussprüfers (§ 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG). Die Hauptversammlung kann auch über weitere Gegenstände beschließen.
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Eine außerordentliche Hauptversammlung kann notwendig werden, wenn aus aktuellem Anlass eine weitere Hauptversammlung für zusätzliche Beschlüsse erforderlich wird2. Gegenstand einer solchen Hauptversammlung, für die im Übrigen dieselben Regeln wie für die ordentliche Hauptversammlung gelten, können z.B. Beschlüsse über die Zustimmung zu einem Verschmelzungsvertrag (§ 65 UmwG) oder zum Abschluss eines Unternehmensvertrages (§ 293 AktG) sein.
10
Gesetzliche Gründe für die Einberufung einer Hauptversammlung sind z.B. die Notwendigkeit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 101 AktG), die Wahl des Abschlussprüfers (§ 318 Abs. 1 HGB), das Vorliegen eines Minderheitsverlangens zur Einberufung der Hauptversammlung (§ 122 Abs. 1 AktG, § 62 Abs. 2 UmwG) oder einer Sonderversammlung (§ 138 Satz 3 AktG) oder der Eintritt eines Verlustes in Höhe der Hälfte des Grundkapitals (§ 92 Abs. 1 AktG). Als weiterer, praktisch allerdings kaum vorkommender Grund ist die Einberufung einer weiteren Hauptversammlung durch diese selbst zu nennen (vgl. § 124 Abs. 4 Satz 2 AktG). Die der Aufsicht der
11
1 Hüffer, § 131 AktG Rz. 9; Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 252; Siems in Spindler/Stilz, § 131 AktG Rz. 71; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 131 AktG Rz. 54. 2 Vgl. zum Begriff der außerordentlichen Hauptversammlung Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 16 und Semler in MünchHdb. AG, § 34 Rz. 45 f.
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Hauptversammlung
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterliegenden Gesellschaften haben eine Hauptversammlung auch auf deren Verlangen einzuberufen1. 12
Eine Einberufung der Hauptversammlung ist von Gesetzes wegen im Übrigen immer dann geboten, wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert (§ 121 Abs. 1 AktG). Ein solcher Fall kann z.B. vorliegen, wenn dringend Kapitalmaßnahmen erforderlich sind2 oder ein untragbar gewordenes Aufsichtsratsmitglied abberufen werden soll3. Eine Einberufung der Hauptversammlung aus Gründen des Gesellschaftswohls kann auch dann geboten sein, wenn einzelne Aktionäre versuchen, auf die Geschäftsführung des Vorstands Einfluss zu nehmen oder die Unternehmensstrategie geändert werden soll4. b) Einberufung gemäß Satzung
13
Die Satzung kann eine Einberufung der Hauptversammlung nur innerhalb der engen Grenzen des § 23 Abs. 5 AktG vorsehen. Hauptfall ist die Zustimmung der Hauptversammlung zur Übertragung von vinkulierten Namensaktien (§ 68 Abs. 2 Satz 3 AktG). Möglich wäre auch, die Einberufung der Hauptversammlung für den Fall vorzuschreiben, dass die Gesellschaft Gegenstand eines Übernahmeangebots ist (vgl. § 16 Abs. 3 WpÜG). Dies dürfte insbesondere für den Fall eines feindlichen Angebots gelten, das der Vorstand mit Abwehrmaßnahmen bekämpfen will5. Darüber hinaus kann die Satzung z.B. vorsehen, dass die Hauptversammlung in den Fällen einer sog. ungeschriebenen Zuständigkeit einberufen wird. Eine solche Zuständigkeit besteht nach der neueren Rechtsprechung allerdings nur in engen Grenzen6. Eine Verpflichtung des Vorstandes, die Hauptversammlung in einer Angelegenheit einzuberufen, in der sie gar nicht zuständig ist, wäre unzulässig7. c) Freiwillige Einberufung
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Die Hauptversammlung kann jederzeit freiwillig einberufen werden, wenn dies aus der Sicht der Unternehmensleitung zweckmäßig erscheint. Nach § 119 Abs. 2 AktG kann der Vorstand die Hauptversammlung auch zur Entscheidung über Geschäftsführungsfragen einberufen. Dies kann etwa dann sinnvoll sein, wenn unsicher ist, ob die Hauptversammlung einer bestimmten Maßnahme nicht ohnehin nach den Holzmüller-Grundsätzen zustimmen muss. Eine Beschlussfassung der Hauptversammlung in Geschäftsführungsfragen kann zudem bewirken, dass die Haftung des Vorstandes im Zusammenhang mit der Durchführung der Maßnahme ausgeschlossen ist (§ 93 Abs. 4 Satz 1 AktG).
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Streitig ist, ob die Hauptversammlung auch lediglich zur Unterrichtung der Aktionäre einberufen kann. Nach verbreiteter Auffassung soll dies grundsätzlich unzulässig sein8. 1 2 3 4 5 6 7 8
§ 44 Abs. 5 Satz 1 KWG, § 83 Abs. 1 Nr. 5 VAG. Vgl. Steiner, § 1 Rz. 4; Reichert in Beck’sches Hdb. AG, § 5 Rz. 97. Semler in MünchHdb. AG, § 35 Rz. 3; Reichert in Beck’sches Hdb. AG, § 5 Rz. 97. Zöllner in KölnKomm. AktG, 1. Aufl. 1970, § 121 AktG Rz. 13; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 121 AktG Rz. 10. Vgl. Ziff. 3.7 Abs. 3 DCGK. Vgl. dazu BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, ZIP 2004, 993 ff. = AG 2004, 384 sowie § 31 Rz. 31 ff. Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 58; Semler in MünchHdb. AG, § 35 Rz. 2. Hüffer, § 111 AktG Rz. 14, § 119 AktG Rz. 4, § 121 AktG Rz. 4; Steiner, § 1 Rz. 7; Schaaf, Rz. 68; restriktiv auch Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 56 f.
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Vorbereitung der Hauptversammlung
Da der Vorstand das Recht hat, der Hauptversammlung Fragen der Geschäftsführung zur Entscheidung vorzulegen, ist er jedoch auch berechtigt, die Hauptversammlung nur zur Information und Erörterung von Geschäftsführungsfragen einzuberufen1. Angesichts der Kosten, die eine Hauptversammlung verursacht, wird dies aber nur in Fällen von besonderer Bedeutung gerechtfertigt sein. Um einen solchen Fall kann es sich handeln, wenn der Vorstand bei einem feindlichen Übernahmeangebot der Hauptversammlung seine ablehnende Stellungnahme (§ 27 WpÜG) und ggf. das geplante weitere Vorgehen erläutern will2. 2. Berechtigung zur Einberufung a) Vorstand Die Hauptversammlung wird in der Regel vom Vorstand einberufen. Dieser ist dafür als Organ zuständig. Er entscheidet deshalb durch Beschluss3, für den die einfache Mehrheit genügt (§ 121 Abs. 2 Satz 1 AktG). Besteht der Vorstand nicht aus der nach Gesetz (§ 76 Abs. 2 AktG) oder Satzung erforderlichen Anzahl, muss der Vorstand zur wirksamen Einberufung erst auf diese Zahl ergänzt werden4. Dies kann auch im Wege einer gerichtlichen Notbestellung erfolgen (§ 85 AktG). Da die Einberufung eine Organpflicht des Vorstandes darstellt, kann sie nicht an die Zustimmung des Aufsichtsrates gebunden werden5. Die Durchführung der Einberufung kann ohne weiteres einzelnen Vorstandsmitgliedern übertragen werden6.
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b) Aufsichtsrat Der Aufsichtsrat kann die Hauptversammlung einberufen, wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert (§ 111 Abs. 3 Satz 1 AktG). Zuständig ist dafür der Gesamtaufsichtsrat, der mit einfacher Mehrheit beschließt (§ 111 Abs. 3 Satz 2 AktG). Eine Delegation der Einberufung auf einen Ausschuss ist ausgeschlossen (§ 107 Abs. 3 Satz 2 AktG). Die Einberufung der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat ist selten. Sie ist z.B. denkbar, wenn der Aufsichtsrat die Abberufung eines Vorstandsmitglieds über einen Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung (§ 84 Abs. 3 Satz 2 AktG) betreiben oder die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen ein Vorstandsmitglied (§ 147 Abs. 1 Satz 1 AktG) erreichen will.
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c) Einberufung durch andere Personen Die Hauptversammlung kann in einigen Fällen auch durch andere Personen einberufen werden. Wird z.B. einem Aktionärsverlangen auf Einberufung gerichtlich stattgegeben, so kann das Gericht die betreffenden Aktionäre ermächtigen, die Hauptver1 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, Rz. 123; Mertens in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1996, § 111 AktG Rz. 51; Huber, ZIP 1995, 1740 ff.; Reichert in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 4 Rz. 17; Semler in MünchHdb. AG, § 35 Rz. 4; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 121 AktG Rz. 11. 2 Marsch-Barner in Zschocke/Schuster, Bad Homburger Handbuch zum Übernahmerecht, E 37; vgl. auch Ziff. 3.7 Abs. 3 DCGK. 3 Vgl. öOGH v. 19.12.2000 – 10 Ob 32/00d, AG 2002, 575 r. Sp. 4 LG Münster v. 3.12.1997 – 21 O 161/97, DB 1998, 665; OLG Dresden v. 31.8.1999 – 13 U 1215/99, ZIP 1999, 1632; LG Heilbronn v. 19.11.1999 – 3 KfH O 227/99, AG 2000, 373; BGH v. 23.6.1999 – II ZR 225/99, AG 2002, 241, 242, und BGH v. 12.11.2001 – II ZR 225/99 – „Sachsenmilch“, BGHZ 149, 158, 161; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 121 AktG Rz. 17. 5 Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 121 AktG Rz. 28. 6 Hüffer, § 121 AktG Rz. 6; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 121 AktG Rz. 25; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B Rz. 33.
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Hauptversammlung
sammlung selbst einzuberufen (§ 122 Abs. 3 Satz 1 AktG). Im Falle einer aufgelösten AG steht das Recht zur Einberufung dem Abwickler zu (§ 268 Abs. 3 AktG). Die Satzung kann sodann vorsehen, dass bestimmte Personen, z.B. Aktionäre, die Hauptversammlung einberufen können1. 19
Nach § 33b Abs. 2 Nr. 3 WpÜG, mit dem Art. 11 Abs. 4 der Übernahmerichtlinie2 umgesetzt wurde, entfalten in der ersten Hauptversammlung, die auf Verlangen eines Bieters, der über mindestens 75 % der Stimmrechte verfügt, einberufen worden ist, um die Satzung zu ändern oder über die Besetzung der Leitungsorgane zu entscheiden, Stimmbindungsverträge sowie Entsendungsrechte keine Wirkung und Mehrstimmrechte berechtigen nur zu einer Stimme. Diese Regelung begründet kein eigenes Einberufungsrecht des Bieters, sondern geht von dem allgemeinen Verfahren gemäß § 122 AktG aus3. Allerdings ist der Vorstand berechtigt, die Einberufungsfrist zu einer solchen Hauptversammlung abzukürzen (§ 33b Abs. 4 WpÜG). d) Einberufungsverlangen
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aa) Aktionärsverlangen nach § 122 Abs. 1 AktG. Aktionäre können die Einberufung der Hauptversammlung verlangen, wenn ihnen allein oder zusammen mit anderen Aktien im Umfang von mindestens 5 % des Grundkapitals gehören (§ 122 Abs. 1 Satz 1 AktG). Das Verlangen muss schriftlich an den Vorstand unter Angabe des Zwecks und der Gründe gerichtet werden. Als Zweck sind die Beschlussgegenstände anzugeben4. Zur Begründung ist darzulegen, warum die Hauptversammlung einberufen werden soll und weshalb dies zum jetzigen Zeitpunkt geschehen soll und nicht Zeit bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung hat5. Das Verlangen ist nur beachtlich, wenn es sich im Rahmen der Zuständigkeit der Hauptversammlung bewegt6. Es darf nicht gesetzoder satzungswidrig oder sonst wie missbräuchlich sein7. Die Satzung kann die Form für das Verlangen erleichtern und z.B. Fax oder E-Mail genügen lassen; sie kann das Quorum auch niedriger ansetzen (§ 122 Abs. 2 Satz 2 AktG). Bei börsennotierten Gesellschaften sind solche Erleichterungen aber selten.
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Für das gesetzliche Quorum kommt es auf das im Handelsregister eingetragene Grundkapital im Zeitpunkt des Verlangens an. Eigene Aktien der Gesellschaft werden davon nicht abgesetzt8. Der erforderliche Aktienbesitz ist durch Urkunden, Bankbescheinigung oder Eintragung im Aktienregister (§ 67 Abs. 2 AktG) nachzuweisen. Die Minderheit muss außerdem glaubhaft machen, dass sie seit mindestens drei Monaten Inhaber der Aktien ist (§ 122 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 142 Abs. 2 Satz 2 AktG). 1 Hüffer, § 121 AktG Rz. 8. 2 Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25/EG v. 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. EG Nr. L 142 v. 30.4.2004, S. 12. 3 Begr. RegE Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 16/1003, S. 21; Steinmeyer in Steinmeyer/Häger, § 33b WpÜG Rz. 16. 4 OLG Köln v. 15.6.1959 – 8 W 61/59, WM 1959, 1402, 1403 = AG 1960, 46; Hüffer, § 122 AktG Rz. 4. 5 Hüffer, § 122 AktG Rz. 4. 6 Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 122 AktG Rz. 25 ff. 7 Vgl. dazu Hüffer, § 122 AktG Rz. 6; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 122 AktG Rz. 18; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 122 AktG Rz. 17; Halberkamp/Gierke, NZG 2000, 494, 497 ff.; OLG Hamburg v. 6.11.2002 – 11 W 91/01, AG 2003, 643; KG v. 3.12.2002 – 1 W 363/02, AG 2003, 500 ff.; OLG Köln v. 15.6.1959 – 8 W 61/59, WM 1959, 1402, 1404 = AG 1960, 46; LG Frankfurt v. 10.12.2003 – 3-16 T 17/03, AG 2004, 218. 8 Hüffer, § 122 AktG Rz. 3; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 122 AktG Rz. 6; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 122 AktG Rz. 5; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 122 AktG Rz. 10.
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Vorbereitung der Hauptversammlung
Diese Frist bezieht sich nicht, wie bei § 147 AktG, auf den Tag der Hauptversammlung, sondern sinngemäß auf den Zeitpunkt, in dem das Verlangen gestellt wird1. Die Minderheit muss den erforderlichen Aktienbesitz bis zur Entscheidung des Vorstands2 über das Einberufungsverlangen bzw. im Falle des § 122 Abs. 3 AktG bis zur gerichtlichen Entscheidung3 halten. Dagegen ist nicht zu verlangen, dass das Quorum noch am Tage der Hauptversammlung bestehen muss4.
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Der Vorstand hat über das Einberufungsverlangen unverzüglich zu entscheiden, wofür im allgemeinen ein Zeitraum von zwei bis vier Wochen in Anspruch genommen werden kann5. Gibt der Vorstand dem Verlangen statt, hat er dies der Minderheit mitzuteilen und die Hauptversammlung unverzüglich einzuberufen. Dabei kann er weitere Punkte auf die Tagesordnung setzen. Zu den von der Minderheit verlangten Beschlussgegenständen müssen Vorstand und Aufsichtsrat keine eigenen Vorschläge unterbreiten; sie können dies aber tun6.
23
Lehnt der Vorstand die Einberufung ab, können die Aktionäre beim Amtsgericht am Sitz der Gesellschaft beantragen, selbst zur Einberufung der Hauptversammlung ermächtigt zu werden (§ 122 Abs. 3 AktG). Der Antrag muss von denselben Aktionären kommen, die das Verlangen gestellt haben. Scheiden einzelne Aktionäre aus, ist dies unschädlich, solange die verbleibenden Aktionäre noch das Quorum erreichen. Sinkt das Quorum unter die 5 % Grenze, muss allerdings zunächst ein neues Verlangen an den Vorstand gestellt werden. Dies gilt auch dann, wenn das Quorum durch andere Aktionäre wieder aufgefüllt wird7.
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Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zum Landgericht gegeben (§ 122 Abs. 3 Satz 4 AktG, § 22 FGG). Gegen dessen Entscheidung ist sofortige weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht eröffnet (§§ 27 ff. FGG). Das Quorum der antragstellenden Aktionäre muss dabei bis zum Ende der letzten Tatsachenentscheidung gegeben sein8. Ab 1.9.2009 gelten für das
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1 Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 122 AktG Rz. 8; Pluta in Heidel, § 122 AktG Rz. 13; Halberkamp/Gierke, NZG 2004, 494, 495; Willamowski in Spindler/Stilz, § 122 AktG Rz. 8; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 122 AktG Rz. 9; jetzt auch Hüffer, § 122 AktG Rz. 3a. 2 Reger in Bürgers/Körber, § 122 AktG Rz. 5; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 122 AktG Rz. 10; Halberkamp/Gierke, NZG 2004, 494, 495; a.A. Hüffer, § 122 AktG Rz. 3a; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 122 AktG Rz. 16; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B 105; Reichert/Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 4 Rz. 35: nur bis zur Antragstellung. 3 Hüffer, § 122 AktG Rz. 3a; Semler in MünchHdb. AG, § 35 Rz. 13; Halberkamp/Gierke, NZG 2004, 494, 495; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 122 AktG Rz. 10; vgl. auch LG Duisburg v. 21.8.2003 – 21 T 6/02, ZIP 2004, 76 = AG 2004, 159; OLG Düsseldorf v. 16.1.2004 – I-3 Wx 290/03, ZIP 2004, 313 = AG 2004, 211. 4 So Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 122 AktG Rz. 10; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 122 AktG Rz. 8; wohl auch Schaaf, Rz. 83 f. 5 Vgl. RGZ 92, 409, 410 und JW 1931, 2980, wonach eine Woche und vier Wochen noch akzeptiert wurden; zust. Hüffer, § 122 AktG Rz. 7; Reichert in Beck’sches Hdb. AG, § 5 Rz. 104; siehe auch BGH v. 28.1.1985 – II ZR 79/84, WM 1985, 567, 568 = AG 1985, 188, 189 (sieben Wochen zu lang); enger Mertens, AG 1997, 481, 486; Halberkamp/Gierke, ZIP 2004, 494, 499 und Reger in Bürgers/Körber, § 122 AktG Rz. 12, die nur einen Zeitraum von mehreren Tagen zugestehen wollen. 6 Vgl. dazu Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 124 AktG Rz. 70 und Hüffer, § 124 AktG Rz. 15; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B Rz. 110. 7 Hüffer, § 122 AktG Rz. 10; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 122 AktG Rz. 26; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 122 AktG Rz. 59; a.A. Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 122 AktG Rz. 41; Halberkamp/Gierke, NZG 2004, 494, 500. 8 OLG Düsseldorf v. 16.1.2004 – I-3 Wx 290/03, ZIP 2004, 313 = AG 2004, 211; zust. Anm.E. Vetter in EWiR § 122 AktG 1/04, 261.
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Verfahren die Vorschriften des FamFG über die Beschwerde (§§ 58 ff.) und die Rechtsbeschwerde (§§ 70 ff.). 26
Wird dem Antrag der Minderheit vom stattgegeben, hat diese die Einberufung der Hauptversammlung innerhalb eines angemessenen Zeitraums vorzunehmen. Dabei ist auf die gerichtliche Ermächtigung als Rechtsgrundlage hinzuweisen. Der Minderheit obliegen alle organisatorischen Vorbereitungen. Die Kosten der Durchführung der Hauptversammlung trägt dagegen die Gesellschaft (§ 122 Abs. 4 AktG).
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Zusammen mit der stattgebenden Entscheidung kann das Gericht den Vorsitzenden der Versammlung bestimmen (§ 122 Abs. 3 Satz 2 AktG)1. Eine solche Bestimmung wird das Gericht treffen, wenn die Besorgnis besteht, dass der nach der Satzung berufene Versammlungsleiter die Hauptversammlung nicht ordnungsgemäß durchführen wird. Der vom Gericht bestimmte Vorsitzende darf von der Hauptversammlung nicht abgewählt werden2.
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bb) Verlangen des Hauptaktionärs. Einen Sonderfall des Einberufungsverlangens regeln die §§ 327a ff. AktG. Danach kann ein Aktionär, dem 95 % des Grundkapitals der Gesellschaft gehören, die Einberufung der Hauptversammlung verlangen, damit diese die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre auf ihn beschließt (§ 327a Abs. 1 AktG, sog. Squeeze out). Im Unterschied zu § 122 Abs. 1 AktG kann ein solches Verlangen in jeder beliebigen Form, insbesondere auch mündlich gestellt werden3. In der Regel wird es aber zweckmäßig sein, das Verlangen schriftlich zu dokumentieren. Zu weiteren Einzelheiten dieser Art des Ausschlusses von Minderheitsaktionären siehe unten § 63 Rz. 14 ff.
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cc) Verlangen des Bieters. § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WpÜG enthält bestimmte Sonderregeln für die erste Hauptversammlung einer Zielgesellschaft, die auf Verlangen eines Bieters, der nach einem Übernahmeangebot über mindestens 75 % der Stimmrechte verfügt, einberufen wird. Die Einberufung dieser Hauptversammlung muss zum Zweck der Satzungsänderung oder der Neubesetzung der Leitungsorgane erfolgen. Es können aber auch weitere Beschlüsse vorgesehen werden. Für das Einberufungsverlangen gelten ergänzend die allgemeinen Vorschriften4. Ein dreimonatiger Aktienvorbesitz ist aber nicht erforderlich5. Der Vorstand der Zielgesellschaft hat dabei die Möglichkeit, die Einberufungsfrist auf bis zu zwei Wochen zu verkürzen (§§ 16 Abs. 4, 33b Abs. 4 WpÜG). Zu weiteren Einzelheiten siehe unten Rz. 91 ff.
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dd) Verlangen bei Konzernverschmelzung. Hält eine AG mindestens 90 % des Kapitals einer GmbH oder AG, so ist bei einer Verschmelzung der Tochtergesellschaft auf die Obergesellschaft bei dieser grundsätzlich kein Verschmelzungsbeschluss erforderlich (§ 62 Abs. 1 UmwG). Allerdings kann eine Aktionärsminderheit der Obergesellschaft von 5 % die Einberufung der Hauptversammlung verlangen, in der über die Zustimmung zu der Verschmelzung beschlossen wird (§ 62 Abs. 2 UmwG). Wird ein solches Verlangen gestellt, bedeutet dies, dass der Vorstand der Obergesellschaft nicht mehr al-
1 Eine isolierte Bestimmung des Vorsitzenden kann jedoch nicht verlangt werden, LG Marburg v. 18.5.2005 – 4 T 2/05, AG 2005, 742. 2 Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 122 AktG Rz. 61; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 122 AktG Rz. 11. 3 Hüffer, § 327a AktG Rz. 8; Grunewald in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 327a AktG Rz. 12. 4 Vgl. Begr. RegE zum Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 16/1003, S. 20. 5 Steinmeyer in Steinmeyer/Häger, § 33b WpÜG Rz. 16.
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Vorbereitung der Hauptversammlung
lein, sondern nur mit Zustimmung der Hauptversammlung den Verschmelzungsvertrag abschließen kann. Diese Regelung dient damit anders als § 122 Abs. 1 AktG der Kompetenzabgrenzung1. ee) Verlangen zur Einberufung einer gesonderten Versammlung. In einigen Fällen sieht das Gesetz Sonderbeschlüsse gewisser Aktionäre vor (§ 138 Satz 1 AktG). Solche Sonderbeschlüsse können neben einem Beschluss der Hauptversammlung2 oder als Zustimmung zu einer Maßnahme des Vorstands3 erforderlich sein. Die Aktionäre, die berechtigt sind, an der Abstimmung über einen solchen Sonderbeschluss teilzunehmen, können mit 10 % der zur Sonderabstimmung zugelassenen Aktien die Einberufung einer gesonderten Versammlung verlangen (§ 138 Satz 3 AktG). Daneben bleibt die auf das gesamte Grundkapital bezogene Minderheit nach § 122 Abs. 1 AktG berechtigt, die Einberufung der Hauptversammlung oder einer gesonderten Beschlussfassung im Rahmen der Hauptversammlung zu verlangen (§ 138 Satz 2 AktG)4.
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ff) Einberufungsverlangen der BaFin. Bei Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) neben anderen Aufsichtsmaßnahmen auch die Einberufung einer Hauptversammlung verlangen (§ 44 Abs. 5 Satz 1 KWG, § 83 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VAG).
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3. Art und Weise der Einberufung a) Einberufungsfrist Die Hauptversammlung ist gemäß § 123 Abs. 1 AktG mindestens dreißig Tage vor dem Tage der Versammlung einzuberufen5. Diese Frist ist gemäß § 123 Abs. 4 Halbs. 1 AktG rückwärts von der Hauptversammlung zu berechnen, wobei der Tag der Hauptversammlung nicht mitzuzählen ist6. Soll die Hauptversammlung am 20.7. stattfinden, muss die Einberufung spätestens am 19.6. erfolgen7. Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so tritt an die Stelle dieses Tages der zeitlich vorhergehende Werktag (§ 123 Abs. 4 Halbs. 2 AktG). Falls in der Satzung noch die frühere Monatsfrist steht, gilt diese nicht, soweit sie im Einzelfall kürzer als dreißig Tage ist8. Die gesetzliche Einberufungsfrist wird bei börsennotierten Gesellschaften regelmäßig durch zusätzliche Bestimmungen der Satzung über die Anmeldung zur Hauptversammlung verlängert (§ 123 Abs. 2 AktG).
1 Marsch-Barner in Kallmeyer, § 62 UmwG Rz. 13. 2 Vgl. die in §§ 141, 179 Abs. 3, 182 Abs. 2, 193 Abs. 1 Satz 3, 202 Abs. 2 Satz 4, 221 Abs. 1 Satz 4, 222 Abs. 2, 295 Abs. 2 AktG geregelten Fälle. 3 Vgl. die Regelungen in §§ 296 Abs. 2, 297 Abs. 2, 302 Abs. 3 Satz 3, 309 Abs. 3 Satz 1, 310 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG. 4 Hüffer, § 138 AktG Rz. 6; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 138 AktG Rz. 34. 5 Für die Auslegung gemäß §§ 61 Satz 1, 63 Abs. 2, 125 UmwG bei Verschmelzungen und Spaltungen ist wegen der vorrangigen europarechtlichen Bestimmungen weiter die vor der Änderung durch das UMAG geltende Monatsfrist zu beachten; Hüffer, § 123 AktG Rz. 2; J. Schmidt, DB 2006, 375 f.; Reger in Bürgers/Körber, § 123 AktG Rz. 3. 6 Hüffer, § 123 AktG Rz. 2; Willamowski in Spindler/Stilz, § 123 AktG Rz. 2; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 123 AktG Rz. 6. 7 Hüffer, § 123 AktG Rz. 14. 8 Reger in Bürgers/Körber, § 123 AktG Rz. 3; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 123 AktG Rz. 7; Mimberg, AG 2005, 716, 720 ff.
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Hauptversammlung
b) Anmeldung 34
Zur Vorbereitung der Hauptversammlung, insbesondere des Teilnehmerverzeichnisses, kann die Satzung vorsehen, dass sich die Teilnehmer vorher anmelden (§ 123 Abs. 2 Satz 1 AktG). Ein Anmeldeerfordernis kann sowohl bei Inhaberaktien als auch bei Namensaktien begründet werden1. Sieht die Satzung eine Anmeldung vor, ist für die Berechnung der Einberufungsfrist nicht der Tag der Hauptversammlung, sondern der letzte Tag der Anmeldefrist maßgebend. Die Einberufungsfrist verlängert sich mithin um die Anmeldefrist (§ 123 Abs. 2 Satz 2 AktG). Dabei ist vom Tag der Hauptversammlung zurückzurechnen, ohne diesen Tag mitzuzählen (§ 123 Abs. 4 AktG)2. Die Satzung kann die Anmeldefrist auf längstens sieben Tage festlegen. Eine Verkürzung der Frist ist zulässig, kann aber ebenfalls nur durch die Satzung erfolgen (§ 123 Abs. 2 Satz 3 AktG)3. Enthält die Satzung keine Frist, muss die Anmeldung am siebten Tag vor der Hauptversammlung erfolgt sein. Maßgebend ist der Zugang bei der Gesellschaft unter der in der Einladung angegebenen Adresse.4. Der Zugang bei einer Zweigniederlassung ist nicht ausreichend5. Zur Form der Anmeldung enthält das Gesetz keine Vorgaben. Die Satzung kann insoweit Näheres, z.B. Schriftform, bestimmen6. Ein Aktionär, der sich nicht ordnungsgemäß angemeldet hat, ist nicht teilnahmeberechtigt7. Die früher vorgesehene Möglichkeit, die Teilnahme an der Hauptversammlung bei Gesellschaften mit Inhaberaktien von einer Hinterlegung der Aktien abhängig zu machen, ist durch das UMAG gestrichen worden8. c) Berechtigungsnachweis
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Bei Namensaktien ergibt sich die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung ausschließlich aus dem Aktienregister (§ 67 Abs. 2 AktG). Die Satzung kann insoweit keine weiteren Erfordernisse aufstellen9. Zulässig ist allerdings eine satzungsmäßige Regelung, bis zu welchem Tage vor der Hauptversammlung Veränderungen im Aktienregister vollzogen werden. Der Zeitpunkt für einen solchen Umschreibungsstopp darf höchstens sieben Tage vor der Hauptversammlung liegen (§ 123 Abs. 3 Satz 3 AktG analog)10.
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Für Inhaberaktien kann die Satzung bestimmen, wie die Aktionäre ihre Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung oder zur Ausübung des Stimmrechts nachzuweisen haben (§ 123 Abs. 3 Satz 1 AktG). Bei nicht börsennotierten Gesellschaften kann z.B. festgelegt werden, dass die Aktien im Original vorzulegen sind oder der Aktienbesitz durch eine Bankbescheinigung nachzuweisen ist. Vorgesehen werden kann auch, dass die Aktien bis zum Ablauf der Hauptversammlung bei der Gesellschaft 1 Begr. RegE zum UMAG, BR-Drucks. 3/05, S. 24 f. 2 OLG Frankfurt v. 19.11.2008 – 5 U 86/06, AG 2008, 325. 3 OLG München v. 26.3.2008 – 7 U 4782/07, WM 2008, 10; LG München I v. 30.8.2007 – 5 HK O 2797/07, WM 2007, 2111. 4 Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 123 AktG Rz. 13. 5 Vgl. Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 126 AktG Rz. 18 zu den Gegenanträgen. 6 Reger in Bürgers/Körber, § 123 AktG Rz. 5; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 123 AktG Rz. 12. 7 Bärwaldt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 10 Rz. 33; Reger in Bürgers/Körber, § 123 AktG Rz. 5. 8 Vgl. § 123 Abs. 3 AktG a.F., geändert durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v. 22.9.2005, BGBl. I 2005, 2802; zu den Gründen siehe Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252, 254. 9 Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 123 AktG Rz. 16 f.; Reger in Bürgers/Körber, § 123 AktG Rz. 6; Butzke, WM 2005, 1981, 1982; Heidinger/Blath, DB 2006, 2275. 10 Hüffer, § 67 AktG Rz. 20; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 123 AktG Rz. 16.
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Vorbereitung der Hauptversammlung
oder einer Bank zu hinterlegen sind1. Die Teilnahme an der Hauptversammlung darf durch solche Anforderungen nur nicht unzumutbar erschwert werden. Bei einer Notierung im Freiverkehr bietet es sich an, eine an die Stichtagsregelung in § 123 Abs. 3 Satz 2 und 3 AktG angelehnte Regelung zu wählen2. Bei börsennotierten Gesellschaften besteht ebenfalls Satzungsfreiheit. Es genügt aber ein in Textform (§ 126b BGB) erstellter Nachweis des Aktienbesitzes durch das depotführende Institut (§ 123 Abs. 3 Satz 2 AktG). Dieser Nachweis hat sich auf den Beginn des 21. Tages vor der Versammlung (sog. Record Date) zu beziehen und muss der Gesellschaft spätestens am siebten Tage vor der Versammlung zugehen, sofern die Satzung keine kürzere Frist vorsieht. Neben dieser Bankbescheinigung kann auch eine andere Form der Legitimation vorgesehen werden3. Soweit die Satzung noch eine Hinterlegungsregelung nach altem Recht enthält, ist für den Zeitpunkt der Hinterlegung auf das neue Record Date abzustellen4. Für die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung kommt es darauf an, dass der Aktienbesitz zu Beginn5 des Stichtages bestanden hat. Der Stichtag ist auch dann maßgebend, wenn er auf einen Sonntag, Feiertag oder Sonnabend fällt; § 123 Abs. 4 AktG und § 193 BGB finden keine Anwendung6. Eine nach dem Stichtag, aber noch vor der Hauptversammlung erfolgende Veräußerung der Aktien ist unschädlich. Ein danach, aber vor der Hauptversammlung erfolgender Erwerb begründet keine Teilnahmeberechtigung7. Absprachen zwischen Veräußerer und Erwerber, z.B. über die Ausübung des Stimmrechts, sind aber möglich. Die Stichtagsregelung bezieht sich nur auf die versammlungsbezogenen Rechte. Für den Anspruch auf die Dividende bleibt es dagegen bei der Aktionärseigenschaft am Tag der Hauptversammlung 8.
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Aus dem Nachweis müssen sich alle für die Erstellung des Teilnehmerverzeichnisses erforderlichen Angaben ergeben, insbesondere, wie viele Aktien welcher Gattung der jeweiligen Gesellschaft der Depotinhaber am Record Date gehalten hat9. Die Satzung kann für diese Bescheinigung deutsch oder englisch vorschreiben; bei fehlender Vorgabe genügt jede lebende Sprache. Depotführende Institute können Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsunternehmen (§ 1 Abs. 1b KWG) einschließlich ausländischer Finanzinstitute sein10. Die Bescheinigung muss der Gesellschaft spätestens am 7. Tage vor der Hauptversammlung unter der in der Einladung angegebenen Adresse zugehen. Der Zugang bei einer anderen Adresse legitimiert nicht11. Die Gesellschaft ist berechtigt, die Richtigkeit des Nachweises zu überprüfen. Verpflichtet ist sie dazu allenfalls dann, wenn sich der Verdacht der Unrichtigkeit aufdrängt12.
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1 Dazu näher Simon/Zetzsche, NZG 2005, 369, 371 und Mimberg, AG 2005, 716, 723. 2 Hüffer, § 123 AktG Rz. 10. 3 Hüffer, § 123 AktG Rz. 11; Heidinger/Blath, DB 2006, 2275, 2276; a.A. Gantenberg, DB 2005, 207 f. 4 Vgl. § 16 Satz 2 EGAktG sowie OLG Stuttgart v. 12.10.2007 – 20 U 13/07, AG 2008, 299 f.; OLG München v. 17.1.2008 – 7 U 2358/07, NZG 2008, 236; Kiefner/Zetzsche, ZIP 2006, 551. 5 Siehe dazu Simon/Zetzsche, NZG 2005, 369, 372. 6 Reger in Bürgers/Körber, § 123 AktG Rz. 12; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 123 AktG Rz. 30; Zetzsche, Der Konzern 2007, 180, 185; jetzt auch Hüffer, § 123 AktG Rz. 12; ebenso Begr. RefE ARUG v. 6.5.2008, S. 42. 7 Hüffer, § 123 AktG Rz. 12; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 123 AktG Rz. 26. 8 Hüffer, § 123 AktG Rz. 12; Mutter, AG 2004, R 202, 204. 9 Vgl. Gätsch/Mimberg, AG 2006, 746, 748; Kiefner/Zetzsche, ZIP 2006, 551, 555; Zetzsche, Der Konzern 2007, 180, 184 f. 10 Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 13. 11 Reger in Bürgers/Körber, § 123 AktG Rz. 8; Simon/Zetzsche, NZG 2005, 369, 373. 12 Gätsch/Mimberg, AG 2006, 746, 748; Heidinger/Blath, DB 2006, 2275, 2277; vgl. auch Zetzsche, Der Konzern 2007, 180, 188 f. und Begr. RegE zum UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 13.
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Hauptversammlung
e) Mindestangaben der Einberufung 39
Die Einberufung der Hauptversammlung muss mindestens die Firma und den Sitz der Gesellschaft, Zeit und Ort der Hauptversammlung sowie die Bedingungen angeben, von denen die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts abhängen (§ 121 Abs. 3 Satz 2 AktG). Diese Vorgaben sind strikt zu erfüllen. Verstösse hiergegen führen grundsätzlich zur Nichtigkeit aller auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse (§ 241 Nr. 1 AktG)1. Zur Überprüfung der Einladungsberechtigung ist ferner anzugeben, wer die Einberufung vornimmt2.
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Die Zeit der Hauptversammlung ist mit Datum und Uhrzeit anzugeben. Mit Uhrzeit ist der Beginn der Hauptversammlung gemeint; eine Angabe zu ihrer voraussichtlichen Dauer ist nicht erforderlich3. Eine zeitliche Begrenzung ergibt sich letztlich daraus, dass die Beschlüsse der Hauptversammlung nach h.M. bis spätestens 24 Uhr des Versammlungstages gefasst sein müssen. Später gefasste Beschlüsse sind aus Gründen der Rechtssicherheit ausnahmslos und nicht lediglich nach Zumutbarkeitserwägungen nichtig4. Ist wegen Besonderheiten der Tagesordnung mit einer längeren Diskussion zu rechnen, kann die Hauptversammlung auch z.B. für mehrere Tage einberufen werden5. Eine rechtliche Verpflichtung dazu besteht aber auch bei einer umfangreichen Tagesordnung oder weitreichenden Beschlussfassungen nicht6.
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Als Versammlungstag kommt bei einer börsennotierten Gesellschaft mit umfangreichem Streubesitz nur ein Werktag einschließlich des Samstags in Betracht7. Im Übrigen sind Verkehrssitte und Zumutbarkeit maßgebend. Bei größeren Hauptversammlungen ist ein Beginn um 10 Uhr üblich8. Ein früherer Beginn, z.B. um 8 Uhr, dürfte nur bei einem kleineren Teilnehmerkreis zumutbar sein9. Bei einem späteren Beginn ist zu bedenken, dass die auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse anfechtbar
1 Zu Einzelfällen siehe OLG Frankfurt v. 19.2.1991 – 5 U 5/86, AG 1991, 208, 209; LG Essen v. 16.12.1994 – 47 O 238/94, AG 1995, 191 f.; OLG Düsseldorf v. 24.4.1997 – 6 U 20/96, ZIP 1997, 1153, 1159 f. zur Schreibweise der Firma; siehe dazu auch Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 121 AktG Rz. 38. 2 Allg. Meinung, vgl. Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 121 AktG Rz. 42; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 121 AktG Rz. 43. 3 Hüffer, § 121 AktG Rz. 10, 17; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 121 AktG Rz. 34; Happ/Freitag, AG 1998, 493, 495; OLG Koblenz v. 26.4.2001 – 6 U 746/95, ZIP 2001, 1093 und OLG Koblenz v. 23.11.2000 – 6 U 1434/95, ZIP 1095, 1096; LG Mainz v. 14.4.2005 – 12 HK O 82/04, NZG 2005, 819, 820 = AG 2005, 894. 4 Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 121 AktG Rz. 34; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, Vor § 118 AktG Rz. 131; LG Düsseldorf v. 16.5.2007 – 36 O 99/06, ZIP 2007, 1859, 1860; LG Mainz v. 14.4.2005 – 12 HK O 82/04, NZG 2005, 819, 820 = AG 2005, 894; für Zumutbarkeitsprüfung Hüffer, § 121 AktG Rz. 17; Happ/Freitag, AG 1998, 493, 495 f. und Martens, Leitfaden, S. 53; gegen Nichtigkeit OLG Koblenz v. 26.4.2001 – 6 U 746/95, ZIP 2001, 1093; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 57; Reger in Bürgers/Körber, § 121 AktG Rz. 28; Würthwein in Spindler/Stilz, § 241 AktG Rz. 136; Ziemons in K. Schmidt/ Lutter, § 121 AktG Rz. 33. 5 Hüffer, § 121 AktG Rz. 17; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B Rz. 71. 6 Linnerz, NZG 2006, 208, 210; Reichert in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 4 Rz. 105; a.A. Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 121 AktG Rz. 35 und LG Mainz v. 14.4.2005 – 12 HK O 82/04, NZG 2005, 819 = AG 2005, 894. 7 Vgl. zur GmbH LG Darmstadt v. 25.11.1980 – 15 O 446/80, BB 1981, 72 f.; a.A. Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 121 AktG Rz. 30, die für Publikumsgesellschaften auch den Samstag ausschließt. 8 Dafür generell LG Stuttgart v. 27.4.1994 – 7 KfH O 122/93, AG 1994, 425, 426. 9 Für einen Beginn um 8 Uhr als zeitlicher Untergrenze Hüffer, § 121 AktG Rz. 17 und Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 121 AktG Rz. 38.
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sein können, wenn die Aktionäre nicht genügend Rede- und Fragemöglichkeiten hatten. Die Hauptversammlung sollte deshalb spätestens um 16 Uhr beginnen1. Als Ort ist die Gemeinde anzugeben, in der die Hauptversammlung stattfindet. Dabei ist die Postanschrift des Versammlungslokals mitzuteilen2. Wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, kann die Hauptversammlung am Sitz der Gesellschaft oder, bei Zulassung der Aktien zum amtlichen Markt, am Sitz der Börse stattfinden (§ 121 Abs. 5 AktG). Die Satzung stellt häufig mehrere Orte zur Auswahl (z.B. jede deutsche Großstadt oder jeder deutsche Börsenplatz). Solche generalisierenden Bestimmungen sind zulässig; nicht zulässig ist jedoch eine Regelung, die Vorstand oder Aufsichtsrat das Recht einräumt, den Versammlungsort nach ihrem Ermessen zu bestimmen3.
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Nach neuerer Auffassung kann die Hauptversammlung auch an einen Versammlungsort im Ausland einberufen werden, wenn die Satzung dies vorsieht. Der Beurkundung der dabei gefassten Beschlüsse durch einen deutschen Notar (§ 130 Abs. 1 Satz 1 AktG) steht die Beurkundung durch einen deutschen Konsul gleich (§ 10 KonsularG). Unsicher ist allerdings, inwieweit eine Beurkundung durch andere dazu im Ausland berufene Personen der Beurkundung durch einen deutschen Notar gleichwertig ist4. Die Durchführung einer Hauptversammlung im Ausland ist daher mit erheblichen Rechtsrisiken behaftet.
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In der Einladung sind sodann die Bedingungen anzugeben, von denen die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts abhängen (§ 121 Abs. 3 Satz 2 AktG). Dazu gehört eine zutreffende und vollständige5 Darstellung der Anforderungen der Satzung an eine Anmeldung, die Person eines Bevollmächtigten sowie etwaiger Erleichterungen zur Vollmachtserteilung (§ 134 Abs. 3 Satz 2 AktG). Die gesetzlichen Regelungen über das Ruhen des Stimmrechts, z.B. wenn die Mitteilungspflichten gemäß §§ 21 ff. WpHG verletzt werden, brauchen nicht dargestellt zu werden6.
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Eine Änderung der Einberufung in einem wesentlichen Punkt stellt eine Rücknahme der Einberufung verbunden mit einer neuen Einberufung dar. Bis zur Eröffnung der Hauptversammlung kann die Einberufung noch von demjenigen zurückgenommen werden, der sie vorgenommen hat. Danach ist dazu nur noch die Hauptversammlung selbst befugt. Keine Änderung der Einberufung liegt allerdings vor, wenn lediglich der Beginn der Hauptversammlung um z.B. 30 Minuten verschoben oder innerhalb des bekanntgegebenen Ortes ein anderes Versammlungslokal gewählt wird7.
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Nach dem Gesetzentwurf zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie umfasst die Einberufung künftig auch die Tagesordnung. Bei börsennotierten Gesellschaften
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Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 121 AktG Rz. 35. Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 121 AktG Rz. 37. BGH v. 8.11.1993 – II ZR 26/93, NJW 1994, 320, 321 f. Verneinend z.B. OLG Hamburg v. 7.5.1993 – 2 Wx 55/91, ZIP 1993, 921, 922; bejahend z.B. Biehler, NJW 2000, 1243, 1245; zum Meinungsstand siehe Hüffer, § 121 AktG Rz. 16 m.w.N.; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 121 AktG Rz. 60; Reger in Bürgers/Körber, § 121 AktG Rz. 24; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 121 AktG Rz. 55; Butzke in Obermüller/ Werner/Winden, HV, B Rz. 14 f. und N Rz. 14; Linnerz, NZG 2006, 208, 209; Semler in MünchHdb. AG, § 35 Rz. 32 ff. und Reichert in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 4 Rz. 108 f. 5 So LG München I v. 8.4.1999 – 5 HK O 17311/98, ZIP 1999, 1213; a.A. OLG Frankfurt v. 19.2.1991 – 5 U 5/86, AG 1991, 208; OLG München v. 12.11.1999 – 23 U 3319/99, AG 2000, 134. 6 Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 121 AktG Rz. 57; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 121 AktG Rz. 40. 7 Hüffer, § 121 AktG Rz. 18; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 121 AktG Rz. 71.
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Hauptversammlung
muss die Einberufung zudem Angaben zum Nachweisstichtag nach § 123 Abs. 3 Satz 3 AktG, dem Verfahren der Stimmabgabe, den Aktionärsrechten in Bezug auf eine Ergänzung der Tagesordnung, die Einreichung von Gegenanträgen, das Auskunftsrecht in der Hauptversammlung sowie zur Gesamtzahl der Aktien und Stimmrechte im Zeitpunkt der Einberufung enthalten1. 4. Tagesordnung 47
Zusammen mit der Einberufung ist die Tagesordnung der Hauptversammlung bekanntzumachen (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AktG). Damit sind die Verhandlungs- und Beschlussgegenstände in der Reihenfolge ihrer vorgesehenen Behandlung gemeint. Die Gegenstände müssen nicht nur einzeln angegeben, sondern auch so konkret bezeichnet werden, dass die Aktionäre und ihre Vertreter ohne Rückfrage erkennen können, worum es inhaltlich geht2. Keiner Bekanntmachung bedürfen Gegenstände, die keine Beschlussfassung erfordern, sowie Anträge zu den Gegenständen der Tagesordnung (§ 124 Abs. 4 Satz 2 AktG). Die erste Alternative bezieht sich nur auf Gegenstände, deren Diskussion in der Versammlung gewünscht wird. Die Vorlage des Jahresabschlusses (§ 175 Abs. 1 AktG) oder die Anzeige eines Verlustes in Höhe der Hälfte des Grundkapitals (§ 92 Abs. 1 AktG) sind, auch wenn dazu keine Beschlüsse gefasst werden sollen, vorher bekannt zu machen. Auch mit der zweiten Alternative sind in erster Linie Anträge in der Hauptversammlung, z.B. Anträge zur Geschäftsordnung, gemeint. Über nicht ordnungsgemäß bekanntgemachte Gegenstände dürfen keine Beschlüsse gefasst werden (§ 124 Abs. 4 Satz 1 AktG). Dabei ist zwischen der Bekanntmachung der Tagesordnung und den dazu insbesondere von Vorstand und Aufsichtsrat unterbreiteten Vorschlägen (siehe dazu unter Rz. 55 ff.) zu unterscheiden. Unklarheit herrscht in der Frage, welcher Grad an Konkretisierung für die Punkte der Tagesordnung zu fordern ist.
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Bei den regulären Beschlussgegenständen Gewinnverwendung, Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und Wahl des Abschlussprüfers besteht Einigkeit, dass für die Bekanntmachung eine schlagwortartige Kennzeichnung ausreicht3. Das Gleiche gilt bei Wahlen zum Aufsichtsrat. Zur Klarstellung empfiehlt es sich hier, zwischen Neuwahl und Ergänzungswahlen zu unterscheiden4. Die Angaben nach §§ 124 Abs. 2 Satz 1 und 125 Abs. 1 Satz 3 AktG sind dagegen nicht Teil der Tagesordung, sondern lediglich ein Annex dazu5.
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Soll die Hauptversammlung über eine Satzungsänderung beschließen, so ist nach § 124 Abs. 2 Satz 2 Fall 1 AktG der Wortlaut der vorgeschlagenen Änderung bekanntzumachen. Dieser Text gehört richtiger Ansicht nach nicht zur Tagesordnung6, sondern dient nur der Präzisierung des Beschlussvorschlags. Für die Bekanntmachung der 1 Vgl. im Einzelnen §§ 121 Abs. 3, 4 und 4a, 124a AktG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008. 2 Vgl. OLG Stuttgart v. 23.1.1995 – 5 U 117/94, AG 1995, 283, 284; OLG Düsseldorf v. 24.4.1997 – 6 U 20/96, DB 1997, 1170, 1171; Hüffer, § 124 AktG Rz. 2; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 124 AktG Rz. 5; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 124 AktG Rz. 14. 3 Hüffer, § 124 AktG Rz. 3; Semler in MünchHdb. AG, § 35 Rz. 43; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B 77; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 124 AktG Rz. 6, 7 und 9. 4 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B Rz. 77. 5 Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 124 AktG Rz. 8. 6 So Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1974, § 124 AktG Rz. 34 und Werner in FS Fleck, S. 401, 407; a.A. Hüffer, § 124 AktG Rz. 9 und Scholz, AG 2008, 11, 14.
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Vorbereitung der Hauptversammlung
Tagesordnung genügt grundsätzlich die Ankündigung des Punktes „Satzungsänderung“1. Um den Eindruck zu vermeiden, damit stünde die gesamte Satzung zur Disposition, empfehlen sich eingrenzende Angaben wie z.B. „Satzungsänderungen zur Anpassung an das … Gesetz“2. Für die Zulässigkeit von Beschlussanträgen in der Versammlung kommt es nur auf diese Kurzbezeichnung und nicht auf die dazu im einzelnen unterbreiteten Vorschläge an3. Soll über Kapitalmaßnahmen beschlossen werden, ist mindestens die Art der Maßnahme, ihr Umfang sowie ein eventueller Bezugsrechtsausschluss (vgl. § 186 Abs. 4 Satz 1 AktG) bekanntzumachen. Der konkrete Beschlussvorschlag hat darüber hinaus die damit verbundene Satzungsänderung im Wortlaut sowie weitere Einzelheiten wie z.B. den Ausgabebetrag der jungen Aktien zu enthalten (vgl. § 186 Abs. 2 Satz 1 AktG).
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Verträge, die der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen, sind ihrem wesentlichen Inhalt nach bekanntzumachen (§ 124 Abs. Abs. 2 Satz 2 Fall 2 AktG). Dies betrifft vor allem Unternehmensverträge (§§ 293 Abs. 1 und 2, 295 Abs. 1 AktG) sowie Verschmelzungs-, Ausgliederungs- und Spaltungsverträge nach dem UmwG (vgl. §§ 13, 65, 125 UmwG). Erfasst sind auch Verträge zur Vermögensübertragung (§ 179a Abs. 1 AktG, §§ 174 ff. UmwG), Nachgründungsverträge (§ 52 Abs. 1 AktG) sowie der zustimmungsbedürftige Verzicht oder Vergleich auf bzw. über Ersatzansprüche (z.B. nach §§ 93 Abs. 4 Satz 3, 116 AktG).
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Die Verpflichtung zur Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts der Maßnahme gilt auch für Fragen der Geschäftsführung, die der Vorstand der Hauptversammlung freiwillig (§ 119 Abs. 2 AktG) oder nach den Grundsätzen der sog. Holzmüller-Doktrin4 unterbreitet. Handelt es sich dabei um eine bestimmte Einzelmaßnahme, sind deren wesentliche Merkmale entsprechend § 124 Abs. 2 Satz 2 AktG bekanntzugeben5. Entsprechendes gilt, wenn die Hauptversammlung nur über ein unternehmerisches Konzept beschließen soll. In einem solchen Fall sind die wesentlichen Eckpunkte des Konzepts bekanntzumachen6. Hält sich die Durchführung im Rahmen dieser Ermächtigung, brauchen die späteren Einzelmaßnahmen der Hauptversammlung nicht noch einmal vorgelegt zu werden7.
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Für den Umfang der Bekanntmachung ist zu berücksichtigen, dass Verträge ab Einberufung der Hauptversammlung zur Einsichtnahme auszulegen und auf Verlangen in Abschrift zu übersenden sind (vgl. §§ 293 f, 293g Abs. 1 und 2 AktG, § 63 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 UmwG). Es genügt deshalb, wenn die Bekanntmachung den Aktio-
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1 Eckardt in G/H/E/K, 1974, Vor §§ 118 ff. AktG Rz. 53; Steiner, § 1 Rz. 50. 2 Vgl. LG Mannheim v. 15.12.1966 – 9 O 20/66, AG 1967, 83; Werner in FS Fleck, 1988, S. 401, 404; näher zu den unterschiedlichen Auffassungen Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B Rz. 79 f. 3 OLG Celle v. 15.7.1992 – 9 U 65/91, AG 1993, 178, 179; Hüffer, § 124 AktG Rz. 9; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 124 AktG Rz. 29; Reger in Bürgers/Körber, § 124 AktG Rz. 12. 4 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80 – „Holzmüller“, BGHZ 83, 122 ff. = AG 1982, 158 sowie BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 und v. 26.4.2004 – II ZR 154/02 – „Gelatine“, WM 2004, 1085 ff., 1090 ff. = AG 2004, 384 ff.; näher dazu in § 31 Rz. 25 ff. 5 BGH v. 15.1.2001 – II ZR 124/99 – „Altana/Milupa“, BGHZ 146, 288 = AG 2001, 261; Hüffer, § 124 AktG Rz. 11; Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 4 Rz. 179. 6 Siehe dazu näher Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805 ff.; Reger in Bürgers/Körber, § 124 AktG Rz. 15; Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 4 Rz. 180; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 124 AktG Rz. 41; LG Frankfurt v. 12.12.2000 – 3/5 O 149/99, AG 2001, 431, 434. 7 Groß, AG 1996, 111, 115 f.; Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 4 Rz. 180.
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nären ermöglicht, ihre Rechte sinnvoll auszuüben1. Die Bekanntmachung des gesamten Vertragswerkes ist deshalb nicht geboten2. Da die Abgrenzung des wesentlichen Inhalts allerdings zweifelhaft sein kann, werden z.B. Verschmelzungsverträge meist vollständig bekanntgegeben. Für die Bekanntmachung soll künftig Zugänglichmachen über die Internetseite der Gesellschaft ausreichen3. 54
Wird die Tagesordnung insgesamt oder wird ein Beschlussgegenstand nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht, führt dies zur Anfechtbarkeit der trotzdem gefassten Beschlüsse (§ 243 Abs. 1 AktG). Anfechtungsberechtigt sind in einem solchen Falle auch die nicht erschienenen Aktionäre (§ 245 Nr. 2 AktG). 5. Beschlussvorschläge der Verwaltung
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Vorstand und Aufsichtsrat haben grundsätzlich zu jedem Beschlussgegenstand der Hauptversammlung einen Vorschlag zu unterbreiten (§ 124 Abs. 3 Satz 1 AktG). Für die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern und Prüfern kann nur der Aufsichtsrat einen Vorschlag machen. Unterbreitet der Vorstand fälschlich allein oder zusammen mit dem Aufsichtsrat einen Vorschlag zur Wahl eines Sonderprüfers (§ 142 Abs. 1 AktG) oder des Abschlussprüfers (§ 119 Abs. 1 Nr. 4 AktG), so ist der darauf hin gefasste Beschluss anfechtbar4. Vorstand und Aufsichtsrat brauchen ausnahmsweise dann keinen Vorschlag zu unterbreiten, wenn es sich um Beschlussgegenstände handelt, die auf Verlangen einer Aktionärsminderheit auf die Tagesordnung gesetzt worden sind (§§ 122, 124 Abs. 3 Satz 2 Fall 2 AktG). Auch in diesem Falle sind sie aber berechtigt, eigene Vorschläge machen5.
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Die Vorschläge von Vorstand und Aufsichtsrat sind in der Regel inhaltsgleich. Theoretisch können sie allerdings auch voneinander abweichen. Auch Alternativ- oder Eventualvorschläge sind zulässig, spielen praktisch aber keine Rolle6. Die Vorschläge der Verwaltung müssen so konkret gefasst sein, dass sie als Anträge zur Beschlussfassung dienen können (siehe dazu § 34 Rz. 86)7. Eine Pflicht zur Begründung der Verwaltungsvorschläge besteht nicht. Eine kurze Begründung kann sich u.U. jedoch zur besseren Verständlichkeit, z.B. einer vorgeschlagenen Satzungsänderung, empfehlen.
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Die Verwaltung ist an ihre mit der Tagesordnung unterbreiteten Vorschläge nicht gebunden. Sie kann deshalb in der Versammlung von der Stellung eines angekündigten Antrags absehen oder auch abweichende Anträge stellen, soweit diese von der Tagesordnung gedeckt sind. Zu einem solchen Vorgehen wird es in aller Regel nur kommen, wenn sich in der Zwischenzeit neue Erkenntnisse ergeben haben8.
1 OLG Stuttgart v. 17.12.1996 – 12 W 44/96, AG 1997, 138, 139; LG Köln v. 16.12.1998 – 91 O 81/98, AG 1999, 333 f.; Hüffer, § 124 AktG Rz. 10. 2 BGH v. 15.6.1992 – II ZR 18/91, NJW 1992, 2760; zu weitgehend LG Hanau v. 2.11.1995 – 5 O 149/95, AG 1996, 184, 185 (komplette Wiedergabe der Satzung bei Umwandlung einer GmbH). 3 Vgl. §§ 186 Abs. 4 Satz 2, 293g Abs. 1, 319 Abs. 3 Satz 3, 327c Abs. 5, 327d Satz 1 AktG und §§ 62 Abs. 3 Satz 7, 63 Abs. 4, 64 Abs. 1 Satz 1, 230 Abs. 2 Satz 3, 232 Abs. 1, 239 Abs. 1 UmwG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008. 4 OLG München v. 21.5.2003 – 7 U 5347/02, AG 2003, 645; BGH v. 25.11.2002 – II ZR 49/01, DB 2003, 383 = AG 2003, 319. 5 Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 124 AktG Rz. 70; Hüffer, § 124 AktG Rz. 15. 6 Hüffer, § 124 AktG Rz. 12; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 124 AktG Rz. 76 ff. 7 Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 124 AktG Rz. 26; Hüffer, § 124 AktG Rz. 12. 8 Vgl. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B Rz. 87; gegen eine Bindungswirkung auch Scholz, AG 2008, 11, 16.
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Vorbereitung der Hauptversammlung 6. Beschlussgegenstände auf Verlangen von Aktionären
Aktionäre, deren Anteile zusammen 5 % des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 500 000 Euro erreichen, können verlangen, dass bestimmte Gegenstände zur Beschlussfassung der Hauptversammlung bekannt gemacht werden (§ 122 Abs. 2 AktG). Ein solches Verlangen muss innerhalb von 10 Tagen nach der Einberufung der Hauptversammlung gestellt werden, wenn die Tagesordnung dieser Hauptversammlung ergänzt werden soll (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AktG). Die 10-Tage-Frist ist nur gewahrt, wenn das Ergänzungsverlangen noch innerhalb der Frist im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht werden kann. Dabei findet § 193 BGB keine Anwendung1. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass der Vorstand eine angemessene Frist (2 bis 3 Tage) zur Prüfung des Verlangens haben muss2.
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Wie das Verlangen zur Einberufung einer Hauptversammlung (siehe oben Rz. 20 ff.) ist auch das Verlangen zur Ergänzung der Tagesordnung an den Vorstand zu richten. Dabei sind der Zweck und die Gründe der Ergänzung mitzuteilen (§ 122 Abs. 1 Satz 1 AktG analog). Das Verlangen braucht nicht befolgt zu werden, wenn es auf eine unzulässige Beschlussfassung, insbesondere auf eine unzulässige Satzungsänderung gerichtet ist (§ 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG)3.
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Im Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) soll § 122 Abs. 2 AktG dahin geändert werden, dass die Minderheit verlangen kann, dass „Punkte auf die Tagesordnung“ gesetzt werden. Jedem neuen Tagesordnungspunkt soll entweder eine Begründung oder eine Beschlussvorlage beigefügt werden. Außerdem soll bestimmt werden, dass das Minderheitsverlangen der Gesellschaft spätestens am 21. Tage vor der Hauptversammlung zugehen muss. Dabei soll § 193 BGB sinngemäß gelten4. Das Ergänzungsverlangen soll spätestens am dritten Tage nach diesem Zeitpunkt bekannt gemacht werden5. Angesichts des Vorlaufs des elektronischen Bundesanzeigers bliebe dann kaum noch Zeit für eine Prüfung des Verlangens.
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7. Bekanntmachung der Einberufung nebst Tagesordnung Die Einberufung der Hauptversammlung ist – zusammen mit der Tagesordnung und den Beschlussvorschlägen (§ 124 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 AktG) – in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen (§ 121 Abs. 3 Satz 1 AktG). Dies bedeutet Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger (§ 25 Satz 1 AktG). Satzungsbestimmungen, die „den Bundesanzeiger“ als Bekanntmachungsorgan vorsehen, sind dahin auszulegen, dass damit der 2002 neu geschaffene elektronische Bundesanzeiger gemeint ist6. Sieht die Satzung weitere Gesellschaftsblätter vor, muss die Einberufung auch in diesen bekanntgemacht werden (§ 25 Satz 2 AktG). Börsenno1 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B Rz. 115; Mertens, AG 1997, 481, 486; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 121 AktG Rz. 10; a.A. Hüffer, § 124 AktG Rz. 7; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 124 AktG Rz. 20. 2 Mertens, AG 1997, 481, 486; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B Rz. 115. 3 Siehe dazu näher Mertens, AG 1997, 481, 487 ff.; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 124 AktG Rz. 51. 4 Vgl. § 122 Abs. 2 AktG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008. 5 Vgl. § 124 Abs. 1 AktG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008. 6 Hüffer, § 25 AktG Rz. 3; Lohse in Bürgers/Körber, § 25 AktG Rz. 2; Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 25 AktG Rz. 6; Ihrig/Wagner, BB 2002, 789, 792; Seibert, NZG 2002, 608, 609; Groß, DB 2003, 867, 868 f.; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 121 AktG Rz. 30; OLG Köln v. 6.10.2003 – 18 W 36/03, BB 2003, 2311; a.A. Mimberg, ZGR 2003, 21, 28.
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tierte Gesellschaften mit Deutschland als Herkunftsstaat1 haben die Einberufung zusammen mit der Tagesordnung auch nach dem einschlägigen Kapitalmarktrecht unverzüglich im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen (§ 30b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG). Dabei sind Angaben zur Gesamtzahl der Aktien und Stimmrechte im Zeitpunkt der Einberufung sowie zu den Rechten der Aktionäre bezüglich der Teilnahme an der Hauptversammlung zu machen. Bis Ende 2008 hat diese Veröffentlichung zusätzlich in einem Börsenpflichtblatt zu erfolgen (§ 46 Abs. 4 WpHG). Dafür genügt weiter eine Kurzfassung2. Der BaFin und den Börsenzulassungsstellen sind darüber hinaus auch beabsichtigte Satzungsänderungen mitzuteilen (§ 30c WpHG). Nach dem Deutschen Corporate Governance Kodex soll die Einberufung mit der Tagesordnung auch auf der Internetseite der Gesellschaft veröffentlicht werden3. 62
Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) sieht vor, dass die Einberufung nebst Tagesordnung und ergänzenden Angaben über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich zu machen ist4. Börsennotierte Gesellschaften, die nicht ausschließlich Namensaktien ausgegeben haben, sollen die Einberufung außerdem über entsprechende Medien in der gesamten Europäischen Union veröffentlichen5. 8. Mitteilungspflichten
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Der Vorstand hat innerhalb von zwölf Tagen nach der Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung im Bundesanzeiger den Kreditinstituten und Aktionärsvereinigungen, die in der letzten Hauptversammlung Stimmrechte für die Aktionäre ausgeübt oder die Mitteilung verlangt haben, die Einberufung der Hauptversammlung nebst Tagesordnung mitzuteilen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 AktG). Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Empfänger über die Hauptversammlung unterrichtet werden. Die Mitteilung ist auch den Aktionären zu übermitteln, die bei der Gesellschaft eine Aktie hinterlegt, die Mitteilung unmittelbar nach der Einberufung verlangt haben oder als Aktionär im Aktienregister der Gesellschaft eingetragen sind (§ 125 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 AktG). Die Eintragung im Aktienregister muss spätestens zwei Wochen vor der Hauptversammlung erfolgt sein. Bei späterer Eintragung besteht keine Mitteilungspflicht (sog. Versendungstopp). Darüber hinaus kann jedes Aufsichtsratsmitglied die Übersendung der gleichen Mitteilungen verlangen (§ 125 Abs. 2 AktG). Ergänzend sind die Unterlagen zur Einberufung bei der Gesellschaft zur Einsichtnahme auszulegen. Auf Verlangen ist jedem Aktionär eine Abschrift dieser Vorlagen zu erteilen (vgl. §§ 175 Abs. 2, 293 f., 319 Abs. 3, 320 Abs. 4, 327c Abs. 3, 337 Abs. 3 AktG, § 63 Abs. 1 und 3 UmwG). Für die in § 175 Abs. 2 AktG bezeichneten Unterlagen entfällt die Pflicht zur Auslegung und Abschrifterteilung, wenn die Dokumente für den jeweiligen Zeitraum über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich sind. Diese Erleichterung soll im Rahmen der Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie auf die übrigen Fälle ausgedehnt werden6. 1 2 3 4
Siehe dazu § 2 Abs. 6 WpHG. Reger in Bürgers/Körber, § 121 AktG Rz. 12 und § 124 AktG Rz. 7. Ziff. 2.3.1 Satz 3 DCGK. Vgl. § 124a AktG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008. 5 Vgl. § 121 Abs. 4a AktG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008. 6 Vgl. §§ 186 Abs. 4 Satz 2, 293f Abs. 3, 293g Abs. 1, 319 Abs. 3 Satz 3, 327c Abs. 5, 327d Satz 1 AktG und §§ 62 Abs. 3 Satz 7, 63 Abs. 4, 64 Abs. 1 Satz 1, 230 Abs. 2 Satz 3, 232 Abs. 1, 239 Abs. 1 UmwG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008.
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Vorbereitung der Hauptversammlung
Der Deutsche Corporate Governance Kodex erweitert diese Mitteilungspflicht insofern, als danach die Einberufung allen in- und ausländischen Finanzdienstleistern, Aktionären und Aktionärsvereinigungen mitgeteilt werden soll, die dies vor nicht länger als einem Jahr verlangt haben, und zwar auf Wunsch auch elektronisch1. Diese Empfehlung umfasst auch alle Einberufungsunterlagen.
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Der Vorstand hat in der Mitteilung darauf hinzuweisen, dass die Aktionäre ihr Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten, auch durch eine Aktionärsvereinigung, ausüben können (§ 125 Abs. 1 Satz 2 AktG). Die Aktionäre sollen auf diese Weise darüber unterrichtet werden, dass die Kreditinstitute kein Vertretungsmonopol haben2.
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Bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern hat der Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft der Mitteilung ergänzende Informationen über anderweitige Mandate der vorgeschlagenen Personen beizufügen (§ 125 Abs. 1 Satz 3 AktG). Die Hauptversammlung soll dadurch über etwaige personelle Verflechtungen und die zeitliche Belastung der Kandidaten unterrichtet werden3.
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Eine bestimmte Form ist für die gesetzlichen Mitteilungen nicht vorgeschrieben. Der Wortlaut erlaubt anstelle der schriftlichen auch eine elektronische Übermittlung4. Dazu müssten die Empfänger der Mitteilung allerdings der Gesellschaft ihre jeweiligen E-Mail Adressen zur Verfügung stellen. Dies ist bislang nur vereinzelt bei Gesellschaften mit Namensaktien zu beobachten. Zur Einhaltung der Zwölf-Tage-Frist genügt es, wenn die Absendung der Mitteilung innerhalb dieser Frist erfolgt5.
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Verstöße gegen die gesetzliche Mitteilungspflicht führen zur Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse (§ 243 Abs. 1 AktG). Ein Verstoß gegen die Angabepflicht gemäß § 125 Abs. 1 Satz 3 AktG bleibt dagegen nach dem Willen des Gesetzgebers sanktionslos6.
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9. Gegenanträge von Aktionären Die Aktionäre können der Gesellschaft zu den Vorschlägen von Vorstand und Aufsichtsrat Gegenanträge übermitteln. Solche Gegenanträge sind mit dem Namen des Aktionärs, der Begründung und einer etwaigen Stellungnahme der Verwaltung den Personen, denen die Mitteilungen der Gesellschaft zu übermitteln sind, zugänglich zu machen. Die Einzelheiten dazu ergeben sich aus § 125 Abs. 1 bis 3 AktG7. Voraussetzung ist, dass der Aktionär den Gegenantrag der Gesellschaft spätestens zwei Wochen vor der Hauptversammlung übersandt hat (§ 126 Abs. 1 AktG). Ein Gegenantrag in diesem Sinne liegt vor, wenn ein Aktionär zu einem angekündigten Beschlussgegenstand einen entgegengesetzten oder inhaltlich abweichenden Beschluss herbei-
1 Vgl. Ziff. 2.3.2 DCGK. 2 Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 17 f. 3 Mülbert/Bux, WM 2000, 1665, 1670 ff.; Schröer, ZIP 1999, 1163; Zimmer, NJW 1998, 3521, 3523; Marsch-Barner in FS Peltzer, 2001, S. 261, 263. 4 Hüffer, § 125 AktG Rz. 5. 5 Hüffer, § 125 AktG Rz. 5a; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 125 AktG Rz. 22; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 125 AktG Rz. 73. 6 Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 17; Hüffer, § 125 AktG Rz. 10; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 125 AktG Rz. 10. 7 Hüffer, § 126 AktG Rz. 6; für börsennotierte Gesellschaften soll mit dem Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) bestimmt werden, dass das Zugänglichmachen über die Internetseite der Gesellschaft zu erfolgen hat, vgl. § 126 Abs. 1 Satz 2 AktG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008.
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führen oder sich der Beschlussfassung einfach nur entgegenstellen will1. Dies setzt bestimmte Beschlussvorschläge der Verwaltung voraus. Vorsorgliche Gegenanträge vor Einberufung der Hauptversammlung müssen deshalb nicht veröffentlicht werden2. 70
Der Gegenantrag muss, wie sich aus § 126 Abs. 2 AktG ergibt, begründet werden. Zu einer Begründung gehören Ausführungen, die inhaltlich zwar nicht richtig sein, über blosse Pauschalbehauptungen aber hinausgehen müssen. Die Begründung muss dem Gegenantrag beigefügt sein, darf sich also nicht aus einem Verweis, z.B. auf die Homepage des Aktionärs, ergeben3.
71
Eine bestimmte Form wird für den Gegenantrag nicht verlangt. Dieser muss der Gesellschaft nur „übersandt“ werden, was sowohl schriftlich als auch z.B. per Fax geschehen kann4. Auch eine elektronische Übermittlung genügt, wenn die Gesellschaft eine bestimmte E-Mail-Adresse angegeben hat und deshalb mit einem solchen Zugang rechnen muss5. Der Gegenantrag ist an die in der Einberufung dafür angegebene Adresse zu richten (§ 126 Abs. 1 AktG). Dies kann neben einer Postanschrift auch eine Fax- oder E-Mail-Adresse sein. Bei fehlender Angabe kann der Gegenantrag auch z.B. an die auf der Internet-Seite der Gesellschaft angegebene Fax- oder E-MailAdresse übersandt werden6. Der Gegenantrag muss der Gesellschaft am Ort der Geschäftsleitung, in der Regel also der Hauptverwaltung, zugehen. Eine Zweigniederlassung oder sonstige Außenstelle ist im allgemeinen nicht zum Empfang von Gegenanträgen legitimiert; der Zugang ist deshalb erst dann erfolgt, wenn der Gegenantrag intern weitergeleitet worden ist. Vorsorglich sollte die Gesellschaft allerdings Vorkehrungen für eine unverzügliche Weiterleitung treffen7.
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Der Übersender eines Gegenantrags muss auf Verlangen seine Aktionärseigenschaft nachweisen. Dazu reicht bei Inhaberaktien die Vorlage einer Bankbescheinigung aus. Bei Namensaktien ergibt sich die Legitimation aus der Eintragung im Aktienregister (§ 67 Abs. 2 AktG).
73
Der Gegenantrag muss so rechtzeitig der Gesellschaft zugegangen sein, dass zwischen dem Tag des Zugangs und der Hauptversammlung mindestens zwei Wochen liegen (§ 126 Abs. 1 AktG). Ein Zugang bis 24 Uhr am letzten Tag dieser Frist ist ausrei-
1 Vgl. Hüffer, § 126 AktG Rz. 2; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, §§ 125–127 AktG Rz. 9; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B Rz. 152; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 126 AktG Rz. 9 und 12. 2 OLG Frankfurt v. 7.6.1974 – 14 U 111/74, WM 1975, 336, 337; Butzke in Obermüller/Werner/ Winden, HV, B Rz. 151; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 126 AktG Rz. 9; Reger in Bürgers/Körber, § 126 AktG Rz. 6. 3 Hüffer, § 126 AktG Rz. 3; Reger in Bürgers/Körber, § 126 AktG Rz. 11; Mutter, AG-Report 2003, R 372; Stehle, ZIP 2003, 980 ff. 4 Hüffer, § 126 AktG Rz. 4; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 126 AktG Rz. 17. 5 Vgl. Hüffer, § 126 AktG Rz. 4; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 126 AktG Rz. 17; Mimberg, ZGR 2003, 21, 33; Sasse, NZG 2004, 153, 155. 6 Hüffer, § 126 AktG Rz. 5; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 126 AktG Rz. 15; Mimberg, ZGR 2003, 21, 34; Noack, BB 2003, 1393, 1394; abl. Sasse, NZG 2004, 153, 154 f. 7 Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 126 AktG Rz. 33; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B Rz. 155; Ek, NZG 2002, 664, 666; Hüffer, § 126 AktG Rz. 5; Reger in Bürgers/Körber, § 126 AktG Rz. 13; Lehmann in FS Quack, 1991, S. 287, 292; Schlitt in Semler/ Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 4 Rz. 294.
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chend1. Fällt bei der Rückwärtsrechnung der Zwei-Wochen Frist vom Tag der Hauptversammlung (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB) der letzte Tag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, so muss der Gegenantrag am davor liegenden Werktag zugegangen sein (§ 193 BGB analog)2. Form- und fristgerecht eingereichte Gegenanträge und deren Begründung hat die Gesellschaft den in § 125 Abs. 1 bis 3 AktG genannten Berechtigten zugänglich zu machen. Dafür genügt die unverzügliche Veröffentlichung auf der Internetseite der Gesellschaft3. Will die Gesellschaft diesen Weg nicht gehen, hat das Zugänglichmachen über die Gesellschaftsblätter zu erfolgen4. Eine Auslegung zur Einsichtnahme bei der Gesellschaft ist in keinem Fall erforderlich5. Vielfach werden die Gegenanträge allerdings zumindest in der Hauptversammlung auch in gedruckter Form ausgelegt.
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Gegenanträge brauchen ausnahmsweise dann nicht zugänglich gemacht zu werden, wenn sie aus einem der in § 126 Abs. 2 Satz 1 AktG abschliessend6 aufgeführten Gründe unzulässig sind. Die einzelnen Tatbestände sprechen für sich. Von praktischer Bedeutung ist insbesondere die Nr. 2, wonach ein Gegenantrag nicht bekannt gemacht zu werden braucht, wenn er zu einem gesetzes- oder satzungswidrigen Beschluss führen würde. Darunter fallen insbesondere Anträge, die durch die Tagesordnung nicht gedeckt sind (§ 124 Abs. 4 Satz 2 AktG)7. Unzulässig ist z.B. auch der Antrag, den Bilanzgewinn ohne entsprechende Satzungsgrundlage bestimmten Zwecken zu widmen (§ 58 Abs. 4 AktG). Die Pflicht zum Zugänglichmachen entfällt auch dann, wenn die Begründung des Gegenantrags in wesentlichen Punkten offensichtlich falsche oder irreführende Angaben oder Beleidigungen enthält (§ 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AktG). Besteht Aufklärungsbedarf, so sind unrichtige Angaben nicht ohne weiteres offensichtlich falsch8. Auch sonst empfiehlt sich bei der Annahme dieses Tatbestandes eher Zurückhaltung, zumal die Gesellschaft die Möglichkeit hat, unrichtige Angaben in einer Stellungnahme richtigzustellen9.
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Die Gesellschaft braucht die Begründung eines Gegenantrags dann nicht zugänglich zu machen, wenn sie insgesamt mehr als 5 000 Zeichen beträgt (§ 126 Abs. 2 Satz 2 AktG). In diesem Fall entfällt nur die Pflicht zur Bekanntgabe der Begründung, nicht auch des Gegenantrags. Unter Zeichen sind mangels anderer Hinweise des Gesetz-
76
1 BGH v. 24.1.2000 – II ZR 268/98, NJW 2000, 1328; OLG Frankfurt v. 11.8.1998 – 5 U 80/97, AG 1999, 233 f.; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 126 AktG Rz. 32; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B Rz. 155; abl. LG Frankfurt v. 20.2.1997 – 3/05 O 126/96, EWiR 1997, 385; Hüffer, NZG 1998, 991 f. und Hüffer, § 126 AktG Rz. 5; Schlitt in Semler/ Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 4 Rz. 293; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 126 AktG Rz. 19. 2 Hüffer, § 126 AktG Rz. 5, § 123 AktG Rz. 3; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B Rz. 155; Reichert in Beck’sches Hdb. AG, § 5 Rz. 131; a.A. Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 126 AktG Rz. 19; Sasse, NZG 2004, 153, 156. 3 Begr. RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 20; Hüffer, § 126 AktG Rz. 6; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 126 AktG Rz. 21; Noack, BB 2003, 1393, 1395. 4 Mimberg, ZGR 2003, 21, 25 f.; Noack, BB 2003, 1393, 1394 f.; Hüffer, § 126 AktG Rz. 6. 5 Sasse, NZG 2004, 153, 157 m. N. 6 LG Frankfurt v. 20.1.1992 – 3/1 O 169/91, AG 1992, 235, 236. 7 Siehe dazu näher Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B 158; Lehmann in FS Quack, 1991, S. 287, 294 f.; Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 4 Rz. 297. 8 Siehe dazu LG Wuppertal v. 15.11.1966 – 11 O 93/66, AG 1967, 139; LG Stuttgart v. 27.1.1994 – 4 KfH O 166/93, AG 1994, 427 und OLG Stuttgart v. 1.12.1994 – 13 U 46/93, ZIP 1995, 378 f. 9 Vgl. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B Rz. 159 und Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 126 AktG Rz. 28.
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gebers Buchstaben, Satzzeichen usw. ohne Leerzeichen zu verstehen1. Wird die Zahl überschritten, kann der Vorstand die Begründung insgesamt weglassen. Zu einer Kürzung der Begründung auf die zulässige Länge ist er nicht verpflichtet. Er ist dazu allerdings berechtigt, sofern der Sinn der Begründung gewahrt wird2. 77
Stellen mehrere Aktionäre Gegenanträge zu demselben Beschlussgegenstand, können die Anträge und deren Begründungen zusammengefasst werden (§ 126 Abs. 3 AktG). Dabei kann der Vorstand Wiederholungen streichen. Der Umfang der Veröffentlichung ist in diesem Fall nicht begrenzt.
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Die Verwaltung kann die Gegenanträge mit einer eigener Stellungnahme bekanntmachen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 AktG). Das Gesetz enthält dazu keine Vorgaben und zwar weder zum Inhalt noch zum Umfang. Eine Stellungnahme kann sinnvoll sein, um etwaige unzutreffende Darstellungen zu korrigieren oder die Gegenanträge aus der Sicht der Verwaltung zu kommentieren. 10. Wahlvorschläge von Aktionären
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Die Vorschriften über die Gegenanträge gelten entsprechend für Vorschläge von Aktionären zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern oder von Abschlussprüfern (§ 127 Satz 1 AktG). Solche Gegenvorschläge müssen nicht begründet werden (§ 127 Satz 2 AktG). Über die allgemeinen Ausnahmen von der Veröffentlichungspflicht hinaus brauchen Gegenvorschläge von Aktionären auch dann nicht veröffentlicht zu werden, wenn der Vorschlag nicht Namen, ausgeübten Beruf und Wohnort der vorgeschlagenen Person enthält oder die erforderlichen Angaben zu Mitgliedschaften in anderen gesetzlich zu bildenden Aufsichtsräten fehlen (§ 127 Satz 3 i.V.m. §§ 124 Abs. 3 Satz 3, 125 Abs. 1 Satz 3 AktG). Die bloße Ablehnung eines Wahlvorschlags ist danach kein Gegenvorschlag; sie ist aber als Gegenantrag im Sinne von § 126 AktG zu behandeln3. Fehlen in dem Gegenvorschlag vorgeschriebene Angaben, ist der Vorstand nicht verpflichtet, den Aktionär auf den Mangel hinzuweisen und ihm Gelegenheit zur Ergänzung zu geben4. Für Gegenvorschläge zur Wahl von Sonderprüfern (§ 142 AktG) gilt § 127 AktG sinngemäß5. 11. Berichtspflichten des Vorstands a) Gesetzlich vorgeschriebene Berichte
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Zu bestimmten Tagesordnungspunkten hat der Vorstand der Hauptversammlung einen schriftlichen Bericht vorzulegen, der der Vorab-Unterrichtung der Aktionäre dient. Solche Berichte sind insbesondere in folgenden Fällen erforderlich:
1 Hüffer, § 126 AktG Rz. 9; Noack, NZG 2003, 241, 244; Pentz, ZIP 2003, 1925, 1927 f.; a.A. Mutter, ZIP 2002, 1759. 2 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B Rz. 163; Semler in MünchHdb. AG, § 35 Rz. 70; Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. AG, § 4 Rz. 305; Schaaf, Rz. 170; Henn, Rz. 838; a.A. Hüffer, § 126 AktG Rz. 9; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 126 AktG Rz. 34. 3 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B Rz. 165; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 127 AktG Rz. 4. 4 Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 4 Rz. 311; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, B Rz. 164; a.A. Steiner, § 2 Rz. 20. 5 Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 127 AktG Rz. 2; Butzke in Obermüller/Werner/ Winden, HV, B Rz. 166.
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Vorbereitung der Hauptversammlung
– Bericht über den Grund eines Bezugsrechtsausschlusses und den Ausgabebetrag bei Kapitalmaßnahmen (§§ 186 Abs. 4 Satz 2, 203 Abs. 1 und 2, 221 Abs. 4 Satz 2 AktG) – Bericht zum Erwerb und Veräußerung eigener Aktien in Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG) – Bericht über einen Unternehmensvertrag (§ 293a AktG) – Eingliederungsbericht (§§ 319 Abs. 3 Nr. 3, 320 Abs. 1 Satz 3 AktG) – Verschmelzungsbericht (§§ 8, 122e UmwG) – Bericht zu Spaltungsvorgängen (§ 127 UmwG) – Bericht zum Formwechsel (§ 192 UmwG) Die jeweiligen Berichte sind schriftlich zu erstellen. Dazu ist der Bericht von allen Vorstandsmitgliedern zu unterzeichnen (§ 126 BGB)1. Eine Unterzeichnung in vertretungsberechtigter Anzahl genügt nicht2. Der Bericht ist rechtzeitig zu erstellen, damit er bei der Gesellschaft ab Einberufung der Hauptversammlung und während dieser zur Einsichtnahme ausgelegt und den Aktionären auf Verlangen zugesandt werden kann (vgl. z.B. die Vorschriften zum Bericht über einen Unternehmensvertrag, § 293 f Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 AktG, oder zum Verschmelzungsbericht, § 63 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 3 UmwG).
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Der Bericht zu einem Bezugsrechtsausschluss (§ 186 Abs. 4 Satz 2 AktG) ist entsprechend § 124 Abs. 2 Satz 2 Fall 2 AktG in seinem wesentlichen Inhalt zusammen mit der Tagesordnung der Hauptversammlung bekanntzumachen3. Da unklar sein kann, was zum wesentlichen Inhalt gehört, wird der Bericht in der Praxis vielfach vorsorglich in vollem Umfang veröffentlicht. Nach z.T. vertretener Auffassung soll der Bericht entsprechend §§ 125, 128 AktG auch über die Kreditinstitute und die Aktionärsvereinigungen an die Aktionäre versandt werden4. Ist der Bericht in der Tagesordnung erhalten, erfolgt die Versendung mit dieser. Bei den anderen Berichten bestehen solche Bekanntmachungspflichten nicht. Auch diese Berichte werden nicht selten jedoch, insbesondere bei der Zustimmung zu Unternehmensverträgen, ganz oder ihrem wesentlichen Inhalt nach veröffentlicht. Wird der Bericht nicht oder nur teilweise mit der Tagesordung veröffentlicht, empfiehlt es sich, in der Einladung zur Hauptversammlung auf den bei der Gesellschaft zur Einsichtnahme ausliegenden vollständigen Bericht und die Möglichkeit seiner Anforderung hinzuweisen (vgl. z.B. § 63 Abs. 1 Nr. 4 UmwG). Der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt zudem die Offenlegung aller gesetzlich vorgeschriebenen Berichte auf der Internetseite der Gesell-
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1 Peifer in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 186 AktG Rz. 68; Servatius in Spindler/Stilz, § 186 AktG Rz. 27; Veil in K. Schmidt/Lutter, § 186 AktG Rz. 19; Happ in Happ, Aktienrecht, Muster 12.02 Rz. 7; Hüffer, § 186 AktG Rz. 23 i.V.m. § 293a AktG Rz. 10; Rebmann in Heidel, § 186 AktG Rz. 36. 2 So aber BGH v. 21.5.2007 – II ZR 266/04, NZG 2007, 714, 716 = AG 2007, 625 zum Verschmelzungsbericht. 3 OLG Celle v. 29.6.2001 – 9 U 89/01, AG 2002, 292; BGH v. 9.11.1992 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141, 155 f. = AG 1993, 134; Hüffer, § 186 AktG Rz. 23; Krieger in MünchHdb. AG, § 56 Rz. 81; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 57; Muster eines solchen Berichts bei Happ, Aktienrecht, 12.02. 4 Happ in Happ, Aktienrecht, Muster 12.02 Rz. 7; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 57; Quack, ZGR 1983, 257, 263; a.A. Hüffer, § 186 AktG Rz. 23; Martens, ZIP 1992, 1677, 1685.
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Hauptversammlung
schaft1. Nach dem Gesetzentwurf zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie soll dies künftig ausreichen2. 83
Bei der inhaltlichen Abfassung dieser Berichte ist besondere Sorgfalt anzuwenden. Die Berichte dienen der Unterrichtung der Aktionäre und sollen ihnen eine sachgemäße Ausübung des Stimmrechts ermöglichen. Die Berichte müssen deshalb inhaltlich zutreffend und vollständig sein. Ist dies auch nur teilweise nicht der Fall, besteht die Gefahr, dass die auf der Grundlage solcher Berichte gefassten Beschlüsse der Hauptversammlung anfechtbar sind. Eine Anfechtungsklage kann zwar nur eingeschränkt auf Informationspflichtverletzungen gestützt werden (§ 243 Abs. 4 AktG). Diese Einschränkungen gelten aber nur für Informationsmängel in der Hauptversammlung. Die davor zu erstellenden Berichte sind nicht privilegiert3. b) Berichtspflichten bei Geschäftsführungsmaßnahmen
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Über die gesetzlichen Vorschriften hinaus wird eine Berichtspflicht teilweise auch dann angenommen, wenn der Vorstand der Hauptversammlung einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen gemäß § 119 Abs. 2 AktG zur Zustimmung vorlegt4. Eine Analogie zu den gesetzlich geregelten Fällen ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn es sich um mit diesen vergleichbare Strukturmaßnahmen handelt5. Eine „ungeschriebene“ Berichtspflicht besteht deshalb erst dann, wenn die Geschäftsführungsmaßnahme so bedeutsam ist, dass sie der Hauptversammlung zur Zustimmung vorgelegt werden muss (sog. Holzmüller-Maßnahmen). Dies ist nach der Rechtsprechung des BGH nur bei Maßnahmen anzunehmen, die nahezu satzungsändernde Wirkung haben und damit die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, berühren. Dabei müssen mindestens 80 % des Gesellschaftsvermögens betroffen sein (siehe dazu näher oben § 31 Rz. 31 ff.)6.
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Die Zustimmung der Hauptversammlung kann ein unternehmerisches Konzept oder eine bestimmte Einzelmaßnahme betreffen. Im ersten Fall handelt es sich um einen Ermächtigungsbeschluss. Dieser muss bereits selbst die wesentlichen Eckpunkte des
1 Vgl. Ziff. 2.3.1 Satz 3 DCGK. 2 Vgl. §§ 186 Abs. 4 Satz 2, 293g Abs. 1, 319 Abs. 3 Satz 3, 327c Abs. 5, 327d Satz 1 AktG und §§ 62 Abs. 3 Satz 7, 63 Abs. 4, 64 Abs. 1 Satz 1, 230 Abs. 2 Satz 3, 232 Abs. 1, 239 Abs. 1 UmwG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008. 3 Hüffer, § 243 AktG Rz. 47c; Schwab in K. Schmidt/Lutter, § 243 AktG Rz. 33; Würthwein in Spindler/Stilz, § 243 AktG Rz. 241; Wilsing, DB 2005, 35, 36; Weißhaupt, ZIP 2005, 1766, 1773. 4 So OLG München v. 26.4.1996 – 23 U 4586/96, AG 1996, 327; OLG Frankfurt v. 23.3.1999 – 5 U 193/97 – „Altana“, ZIP 1999, 842, 845 = AG 1999, 378; LG München I v. 3.5.2001 – 5 HKO 23950/00, ZIP 2001, 1148, 1150. 5 Lutter in FS Fleck, 1988, S. 169, 170; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 814; Groß, AG 1996, 111, 116 f.; Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 5 Rz. 70; Weißhaupt, NZG 1999, 804, 807; Zimmermann/Pentz in FS Müller, 2001, S. 151, 170 f.; LG Karlsruhe v. 6.11.1997 – O 43/97 KfH I, NZG 1998, 393, 395 f. = AG 1998, 99, 101 f.; LG Frankfurt v. 12.12.2000 – 3/5 O 149/99, AG 2001, 431, 434; OLG Frankfurt v. 23.3.1999 – 5 U 193/97, AG 1999, 378, 379 f.; krit. Kort, ZIP 2002, 685, 686 f. und Tröger, ZIP 2001, 2029, 2034; abl. LG Hamburg v. 21.1.1997 – 402 O 122/96, AG 1997, 238; Hüffer, 119 AktG Rz. 19; Hüffer in FS Ulmer, 2003, S. 279, 300. 6 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02 und v. 26.4.2004 – II ZR 154/02 – „Gelatine“, ZIP 2004, 993, 998 und 1001, 1006 = AG 2004, 384 ff.
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Vorbereitung der Hauptversammlung
Konzepts enthalten1. Diese Punkte können in einem schriftlichen Bericht des Vorstands näher erläutert werden. Soll die Hauptversammlung einer einzelnen Maßnahme wie z.B. einer Veräußerung zustimmen, und sind dazu bereits Verpflichtungsverträge abgeschlossen, so ist die Hauptversammlung über diese zu unterrichten. Dafür ist der wesentliche Inhalt der Verträge gemäß § 124 Abs. 2 Satz 2 AktG bekanntzumachen. Außerdem müssen die Verträge vor und in der Hauptversammlung zur Einsichtnahme ausgelegt werden. Sind die Verträge in einer fremden Sprache abgefasst, muss neben dem Original eine deutsche Übersetzung vorgelegt werden2. Vor der Hauptversammlung ist den Aktionären außerdem auf Verlangen eine Abschrift zu übersenden3. Nach Ziff. 2.3.1 DCGK sollen solche Unterlagen auch auf der Internetseite der Gesellschaft zusammen mit der Tagesordnung der Hauptversammlung bekannt gemacht werden. 12. Berichtspflichten des Aufsichtsrats Der Aufsichtsrat ist der Hauptversammlung gegenüber nur in wenigen Fällen berichtspflichtig. Im Vordergrund steht dabei der Bericht über die Prüfung der Rechnungslegungsunterlagen, des Prüfungsberichts des Abschlussprüfers und der Geschäftsführung (§ 171 Abs. 2 AktG). Dieser Bericht hat bei börsennotierten Gesellschaften auch Angaben zu den Ausschüssen des Aufsichtsrates sowie den Sitzungen des Aufsichtsrates und seiner Ausschüsse zu enthalten (§ 171 Abs. 2 Satz 2 AktG). Nach dem Kodex soll in dem Bericht auch über aufgetretene Interessenkonflikte und deren Behandlung berichtet werden (Ziff. 5.5.2 DCGK). Der Vorsitzende des Aufsichtsrates soll den Bericht zu Beginn der Verhandlungen in der Hauptversammlung erläutern (§ 176 Abs. 1 Satz 2 AktG). Diese Erläuterung hat keine große praktische Bedeutung, nachdem die Berichte des Aufsichtsrates selbst zunehmend aussagekräftiger geworden sind.
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Unabhängig von diesem schriftlichen Bericht soll der Aufsichtsratsvorsitzende nach dem Kodex die Hauptversammlung über die Grundzüge des Vergütungssystems für den Vorstand und deren Veränderungen informieren (Ziff. 4.2.3 Abs. 6 DCGK). Dies kann mündlich geschehen. Mit dieser Unterrichtung soll die Hauptversammlung in die Überlegungen des Aufsichtsrates zu den Vorstandsbezügen einbezogen werden.
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Ein Bericht des Aufsichtsrates ist im Übrigen bei der Gründung der Gesellschaft (§§ 33 Abs. 1, 34 AktG) und im Falle einer Nachgründung (§ 52 Abs. 3 AktG) vorgeschrieben.
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13. Bericht des Hauptaktionärs Soll die Hauptversammlung über den Ausschluss von Minderheitsaktionären beschließen, so kann dies nur auf Verlangen des Hauptaktionärs geschehen (§ 327a Abs. 1 Satz1 AktG). Der Hauptaktionär hat der Hauptversammlung dann einen schriftlichen Bericht zu erstatten, in dem die Voraussetzungen für die Übertragung dargelegt und die Angemessenheit der Barabfindung erläutert und begründet werden
1 Vgl. Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 813 f.; LG Frankfurt v. 12.12.2000 – 3/5 O 149/99 – „AGIV“, AG 2001, 431, 434 und LG Frankfurt v. 14.12.2004 – 3/5 O 106/04 – „mgtechnologies“, abl. LG Stuttgart v. 8.11.1991 – 2 KfH O 135/91, AG 1992, 236. 2 LG München I v. 3.5.2001 – 5 HK O 23950/00, ZIP 2001, 1148, 1150; OLG Dresden v. 23.4.2003 – 18 U 1976/02, AG 2003, 433; Hüffer, § 119 AktG Rz. 19. 3 BGH v. 15.1.2001 – II ZR 124/99, ZIP 2001, 416, 417 f. = AG 2001, 261.
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Hauptversammlung
(§ 327c Abs. 2 Satz 1 AktG). Auch dieser Bericht ist zur Einsichtnahme auszulegen und auf Verlangen in Abschrift zu übersenden (§ 327c Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4 AktG). 14. Berichte Dritter 90
In einer Reihe von Fällen sind der Hauptversammlung Berichte dritter Personen vorzulegen. Dabei handelt es sich regelmäßig um Prüfungsberichte, die im Allgemeinen von einem Wirtschaftsprüfer erstellt werden. Solche Berichte sieht das Gesetz bei der Nachgründung (§ 52 Abs. 4 AktG), bei Kapitalerhöhungen gegen Sacheinlagen (§§ 183 Abs. 3, 194 Abs. 4, 205 Abs. 3 AktG), bei Unternehmensverträgen (§ 293e AktG), bei der Eingliederung (§ 320 Abs. 3 AktG) sowie bei Umwandlungen (§§ 9, 12, 125 UmwG) vor. Diese Berichte sind z.T. für das Registergericht, z.T. aber auch für die Aktionäre bestimmt. In dem zuletzt genanten Fall sind die Berichte vor und während der Hauptversammlung zur Einsichtnahme auszulegen sowie auf Verlangen in Abschrift zu übersenden (siehe z.B. § 293 f AktG). Nach dem Gesetzentwurf zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie soll es teilweise ausreichen, dass solche Berichte über die Internetseite der Gesellschaft zugänglich sind1. 15. Hauptversammlung in Zusammenhang mit einem Übernahmeangebot
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Ist die Gesellschaft Ziel eines öffentlichen Übernahmeangebotes, so kann die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung in Betracht kommen, um z.B. die Stellungnahme der Verwaltung gemäß § 27 WpÜG zu erörtern oder, was noch wichtiger sein dürfte, um konkrete Abwehrmaßnahmen zu beschließen. Da die Laufzeit des Angebots zwischen vier und zehn Wochen beträgt (§ 16 Abs. 1 WpÜG), ist die Durchführung einer Hauptversammlung während dieser Zeit angesichts der erforderlichen Vorbereitung und einer regulären Einberufungsfrist von rund fünf Wochen unter normalen Umständen kaum möglich. Der Gesetzgeber hat deshalb die Frist zur Einberufung einer solchen Hauptversammlung erheblich abgekürzt und zugleich die Laufzeit des Angebots auf zehn Wochen festgelegt (§ 16 Abs. 3 und 4 WpÜG). Im Einzelnen sieht das Gesetz eine Reihe von Erleichterungen vor, die bislang allerdings noch nicht praktisch erprobt worden sind.
92
Voraussetzung für die Sonderregelungen des § 16 Abs. 3 und 4 WpÜG ist, dass die Hauptversammlung nach der Veröffentlichung der Angebotsunterlage, also nicht schon nach Veröffentlichung der Angebotsabsicht (§ 10 WpÜG), einberufen wird. Die Einberufung muss sodann „im Zusammenhang“ mit dem Übernahmeangebot erfolgen. Dieser Zusammenhang besteht, wenn die Erörterung des Angebots oder Beschlüsse zu seiner Abwehr Gegenstand der Tagesordnung sind. Da es um eine Sonderregelung für den Fall eines Übernahmeangebotes geht, dürfen andere Beschlussgegenstände nicht auf der Tagesordnung stehen2.
93
Die Rechtsfolge besteht zunächst darin, dass die Einberufungsfrist für eine solche außerordentliche Hauptversammlung auf bis zu zwei Wochen verkürzt werden kann (§ 16 Abs. 4 Satz 1 AktG). Diese Erleichterung gilt auch dann, wenn die Satzung
1 Vgl. § 293g Abs. 1 AktG, §§ 63 Abs. 4, 64 Abs. 1 Satz 1 UmwG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008. 2 Oechsler in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 16 WpÜG Rz. 15; Thoma/Stöcker in Baums/Thoma, § 16 WpÜG Rz. 68, 73 f.; großzügiger Hasselbach in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 16 WpÜG Rz. 45 ff.
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§ 32
Vorbereitung der Hauptversammlung
der Gesellschaft entsprechend dem gesetzlichen Normalfall eine Einberufungsfrist von 30 Tagen vorsieht1. Bei der Wahl des Versammlungsortes ist die Gesellschaft frei; sie ist weder an die Vorgaben der Satzung noch des § 121 Abs. 5 AktG gebunden (§ 16 Abs. 4 Satz 2 WpÜG). Die Gesellschaft soll damit die erforderliche Flexibilität erhalten, um kurzfristig einen geeigneten Versammlungsraum zu finden. Bei der Bestimmung des Versammlungsortes muss die Gesellschaft allerdings, wie auch sonst, Rücksicht auf die Interessen der Aktionäre nehmen. Wird die Hauptversammlung ins Ausland einberufen, so muss dies für die Mehrheit der Aktionäre zumutbar sein2. Unabhängig davon sollte allerdings sichergestellt sein, dass eine wirksame Beurkundung der im Ausland gefassten Beschlüsse gewährleistet ist (siehe dazu oben Rz. 43).
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Wird die Monatsfrist des § 123 Abs. 1 AktG für die Einberufung der Hauptversammlung unterschritten, und sei es auch nur um einen Tag, so verkürzt sich die Anmeldefrist unabhängig von den Bestimmungen der jeweiligen Satzung auf vier Tage (§ 16 Abs. 4 Satz 3 AktG). Die Frist zur Versendung der Mitteilungen gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 AktG verkürzt sich ebenfalls auf vier Tage (§ 16 Abs. 4 Satz 3 WpÜG). Die Mitteilungen an die Aktionäre, ein Bericht des Vorstands über einen Bezugsrechtsausschluss bei einer Kapitalerhöhung (§ 186 Abs. 4 Satz 2 AktG) und fristgerecht eingereichte Gegenanträge brauchen den Aktionären nur zugänglich gemacht zu werden. Dafür genügt das Auslegen dieser Unterlagen zur Einsichtnahme bei der Gesellschaft sowie eine Veröffentlichung auf der Internetseite der Gesellschaft3. Für die Bekanntmachung im üblichen Sinne genügt ergänzend eine Kurzfassung, die nach der Gesetzesbegründung „sehr knapp gefasst sein (kann), wenn sie einen Hinweis auf die Fundstelle des Langtextes auf der Website enthält“ (§ 16 Abs. 4 Satz 5 WpÜG)4. Vorsorglich sollte aber der wesentliche Inhalt wiedergegeben werden5. Die Versendung der Mitteilungen und Gegenanträgen kann ganz unterbleiben, wenn zur Überzeugung des Vorstands mit Zustimmung des Aufsichtsrats der rechtzeitige Eingang bei den Aktionären nicht wahrscheinlich ist (§ 16 Abs. 4 Satz 6 WpÜG). Bei dieser Prognose kommt es darauf an, ob der fristgerechte Zugang bei einem nicht unerheblichen Teil der Aktionäre, d.h. in Anlehnung an § 122 AktG bei etwa 5 % des Grundkapitals, noch wahrscheinlich ist6.
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Die Abstimmungsvorschläge der Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen brauchen generell nicht versandt zu werden. Hier genügt es, dass diese Vorschläge bei Inhaberaktien – wie schon nach § 128 Abs. 2 Satz 2 AktG bei Namensaktien – auf der Internetseite des Kreditinstituts lediglich zugänglich gemacht werden. Eine Mitteilung ist nur dann erforderlich, wenn von den Vorschlägen der Verwaltung abgewichen werden soll (§ 16 Abs. 4 Satz 7 WpÜG). Ob die Kreditinstitute in einer „Abwehr-
96
1 Oechsler in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 16 WpÜG Rz. 22; Marsch-Barner in Zschocke/ Schuster, Bad Homburger Handbuch zum Übernahmerecht, E 54; Wackerbarth in MünchKomm. WpÜG, 2. Aufl. 2004, § 16 WpÜG Rz. 47; enger Geibel in Geibel/Süßmann, § 16 WpÜG Rz. 73 und Hasselbach in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 16 WpÜG Rz. 56. 2 So ausdrücklich Begr. RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 47; Thoma/Stöcker in Baums/Thoma, § 16 WpÜG Rz. 101; gegen die Zulässigkeit einer Hauptversammlung im Ausland Hasselbach in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 16 WpÜG Rz. 59. 3 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 47. 4 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 47; einschränkend Hasselbach in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 16 WpÜG Rz. 69 und Oechsler in Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 16 WpÜG Rz. 24. 5 Thoma/Stöcker in Baums/Thoma, § 16 WpÜG Rz. 109. 6 Hüffer, § 125 AktG Rz. 1a; Hasselbach in KölnKomm. WpÜG, 2003, § 16 WpÜG Rz. 73; Willamowski in Spindler/Stilz, § 125 AktG Rz. 7; a.A. Geibel in Geibel/Süßmann, § 16 WpÜG Rz. 99: 25 %.
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§ 33
Hauptversammlung
hauptversammlung“ überhaupt Stimmrechte ohne ausdrückliche Weisung ausüben wollen, bleibt abzuwarten. Im Rahmen der Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie ist vorgesehen, dass die Kreditinstitute eigene Abstimmungsvorschläge nur noch zugänglich zu machen brauchen. § 16 Abs. 4 Satz 7 WpÜG soll damit entfallen1.
§ 33 Ablauf der Hauptversammlung I. Teilnahmerecht . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1
1. Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
2. Aktionärsvertreter . . . . . . . . . . .
6
3. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 4. Sonstige Teilnehmer . . . . . . . . . . 14 5. Übertragung der Hauptversammlung in Ton und Bild . . . . . . . . . 18 II. Leitung der Hauptversammlung . . 20 1. Versammlungsleiter . . . . . . . . . . 20 a) Bestimmung durch Satzung oder Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 b) Abberufung durch die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . 23
Rz. 2. Befugnisse des Versammlungsleiters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umfassende eigene Rechte . . . . b) Sicherheitsfragen . . . . . . . . . . c) Abwicklung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24 24 25 27
III. Teilnehmerverzeichnis . . . . . . . . 30 1. Erstellung . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3. Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . 35 4. Rechtsfolgen bei Verstößen . . . . . 38 IV. Geschäftsordnung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Schrifttum: Bachmann, Die Geschäftsordnung der Hauptversammlung, AG 1999, 210; G. Bezzenberger, Die Geschäftsordnung der Hauptversammlung, ZGR 1998, 352; Butzke, Die Abwahl des Versammlungsleiters – ein neues Betätigungsfeld für „kritische“ Aktionäre, ZIP 2005, 1164; Dietrich, Voraussetzungen und Inhalte einer Geschäftsordnung der Hauptversammlung, NZG 1998, 921; v. Falkenhausen/Kocher, Abwahlanträge gegen satzungsmäßig bestimmte Hauptversammlungsleiter, BB 2005, 1068; Groß, Abwahl des durch die Satzung bestimmten Leiters der Hauptversammlung, in Liber Amicorum Happ, 2006, S. 31; Hennerkes/Kögel, Eine Geschäftsordnung für die Hauptversammlung, DB 1999, 81; Ihrig/Wagner, Die Reform geht weiter: Das Transparenz- und Publizitätsgesetz kommt, BB 2002, 789; Junge, Der Verkauf von Teilnahme- und Stimmrechten, in FS Röhricht, 2005, S. 277; Kuhnt, Geschäftsordnungsanträge und Geschäftsordnungsmaßnahmen bei Hauptversammlungen, in FS Lieberknecht, 1997, S. 1; Krieger, Abwahl des satzungsmäßigen Versammlungsleiters, AG 2006, 355; Marsch-Barner, Die Geschäftsordnung der Hauptversammlung, in Dörner/Menoldt/Pfitzer/Oser (Hrsg.), Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und der Prüfung, 2. Aufl. 2003, S. 555; Martens, Leitfaden für die Leitung der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, 3. Aufl. 2003; Messer, Der Vertreter des verhinderten Leiters der Hauptversammlung in der mitbestimmten AG, in FS Kellermann, 1991, S. 299; Muthers/Ulbricht, Internet und Aktiengesellschaft, WM 2005, 215; Noack, Online-Hauptversammlung, NZG 2001, 1057; Noack, Neuerungen im Recht der Hauptversammlung durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz und den Deutschen Corporate Governance Kodex, DB 2002, 620; Rose, Anträge auf Abwahl des durch die Satzung bestimmten Versammlungsleiters, NZG 20007, 241; Schaaf, Die Geschäftsordnung der AG-Hauptversammlung – eine praktische Notwendig1 Vgl. Art. 3 des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008.
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§ 33
Ablauf der Hauptversammlung
keit?, ZIP 1999, 1339; Seibert, Das „TransPuG“, NZG 2002, 608; Stützle/Walgenbach, Leitung der Hauptversammlung und Mitspracherecht der Aktionäre in Fragen der Versammlungsleitung, ZHR 155 (1991), 516; E. Vetter, Die Teilnahme ehemaliger Vorstandsmitglieder an der Hauptversammlung, AG 1991, 171; Wicke, Die Leitung der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft – Praxisrelevante Fragen und neuere Entwicklungen, NZG 2007, 771.
I. Teilnahmerecht 1. Aktionäre Jeder Aktionär hat, wie sich aus § 118 Abs. 1 AktG ergibt, ein Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung. Dieses Recht ist grundsätzlich unentziehbar. Inhaltlich umfasst es das Recht auf Anwesenheit und das Recht auf Mitberatung, d.h. das Recht, sich zu den Gegenständen der Tagesordnung zu äußern und Anträge zu stellen1. Das Stimmrecht steht als eigenes Recht neben dem Teilnahmerecht. Auch Aktionäre, die wegen eines Stimmverbots (§ 136 AktG) oder als Vorzugsaktionäre kein Stimmrecht haben (§ 139 AktG), sind zur Teilnahme an der Hauptversammlung berechtigt.
1
Das Teilnahmerecht steht jedem Aktionär unabhängig vom Umfang seiner Beteiligung an der Gesellschaft zu. Auch eine bloß vorübergehende Aktionärseigenschaft, z.B. auf Grund einer Aktienleihe, begründet das Teilnahmerecht2. Kein Teilnahmerecht vermitteln Aktien, deren Rechte ruhen, wie insbesondere eigene Aktien der Gesellschaft (§§ 71b, 71d Satz 4, 71e Abs. 1 Satz 1 AktG). Kein Teilnahmerecht gewähren auch solche Aktien, deren Inhaber gegen die Mitteilungspflichten nach §§ 21, 21a WpHG verstoßen haben (§ 28 Satz 1 WpHG). Inhaber von Zertifikaten wie z.B. American Depository Receipts (ADR) halten keine Aktien und haben schon deshalb kein Zutrittsrecht zur Hauptversammlung3. Auch Inhaber von Options- und Wandelschuldverschreibungen sind nicht teilnahmeberechtigt. Nur der nach dem Schuldverschreibungsgesetz bestellte Vertreter darf der Hauptversammlung „beiwohnen“ und sich an den Beratungen beteiligen4. Nach den Reformvorschlägen soll der gemeinsame Vertreter der Gläubiger dabei auch ein Rede- und Fragerecht haben5.
2
Bei einer Sonderversammlung sind nach überwiegender Auffassung nur die auf dieser Versammlung stimmberechtigten Aktionäre teilnahmeberechtigt. Die Aktionäre, um deren besondere Interessen es geht, sollen über ihre Angelegenheiten unbeeinflusst beraten und beschließen können (§ 138 Satz 2 AktG)6.
3
Das Teilnahmerecht kann durch die Satzung insofern beschränkt werden, als darin eine vorherige Anmeldung zur Hauptversammlung verlangt werden kann (vgl. § 123 Abs. 2 Satz 1 AktG). Darüber hinaus kann die Ausübung des Teilnahmerechts in der Hauptversammlung durch Ordnungsmaßnahmen des Versammlungsleiters wie
4
1 Hüffer, § 118 AktG Rz. 9; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 118 AktG Rz. 53. 2 Hüffer, § 118 AktG Rz. 15; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 11; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 118 AktG Rz. 59. 3 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 11; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 118 AktG Rz. 73; näher dazu Bungert/Paschos, DZWir 1995, 221 ff. 4 § 15 Abs. 1 SchuldverschreibungsG. 5 Vgl. § 7 Satz 2 des RefE eines Entwurfs zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Anleihen und zur Anpassung kapitalmarktrechtlicher Verjährungsvorschriften v. 9.5.2008. 6 Hüffer, § 118 AktG Rz. 4; G. Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 138 AktG Rz. 24; Semler in MünchHdb. AG, § 39 Rz. 53; Volhard in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 138 AktG Rz. 25; a.A. Steiner, § 17 Rz. 16.
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z.B. eine Redezeitbeschränkung oder einen Saalverweis eingeschränkt werden (siehe dazu § 34 Rz. 6 ff.). 5
Das Recht der Aktionäre, an der Hauptversammlung teilzunehmen und auf dieser das Rede-, Frage- und Antragsrecht auszuüben, wird im Deutschen Corporate Governance Kodex ausdrücklich erwähnt1. Ergänzend wird den Gesellschaften empfohlen, den Aktionären die persönliche Wahrnehmung ihrer Rechte zu erleichtern (Ziff. 2.3.3 Satz 1 DCGK). Auf bestimmte Maßnahmen bezieht sich diese Empfehlung nicht. Die Gesellschaft soll sich bei der Durchführung der Hauptversammlung generell aktionärsfreundlich verhalten2. Nach Art. 8 der Aktionärsrechterichtlinie3 soll den Gesellschaften gestattet werden, ihren Aktionären jede Form der Teilnahme an der Hauptversammlung auf elektronischem Wege anzubieten. Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) sieht eine entsprechende Satzungsermächtigung in § 118 Abs. 1 AktG n.F. vor4. 2. Aktionärsvertreter
6
Das Teilnahmerecht ist kein höchstpersönliches Recht; es kann daher auch durch einen Vertreter ausgeübt werden. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Vollmacht (§§ 164 ff. BGB). Erteilt der Aktionär Vollmacht zur Ausübung seines Stimmrechts (vgl. § 134 Abs. 3 AktG), kann der Bevollmächtigte damit auch das Rede-, Frage- und Antragsrecht wahrnehmen5. Anstelle der Erteilung einer Vollmacht kann der Aktionär einen Dritten auch ermächtigen, sein Teilnahmerecht im eigenen Namen auszuüben (so genannte. Legitimationszession, § 185 BGB)6.
7
Der Aktionär kann auch mehreren Personen – als Gesamt- oder Einzelvertretern – Vollmacht erteilen, sofern die Satzung dies nicht ausschließt. Zur Hauptversammlung braucht grundsätzlich aber nur ein Vertreter zugelassen zu werden, da sich das Teilnahmerecht auf die Person des Aktionärs und nicht auf den Aktienbesitz bezieht. Das Teilnahmerecht vervielfältigt sich deshalb nicht entsprechend der Anzahl der gehaltenen Aktien7. Nur ausnahmsweise, wenn eine sachgerechte Vertretung die Teilnahme mehrerer Personen (z.B. Rechtsberater und Wirtschaftsprüfer) erfordert, müssen mehrere Vertreter zugelassen werden. Unterhält ein Aktionär Depots bei verschiedenen Kreditinstitute, wird er sich faktisch allerdings leicht mehrere Eintrittskarten beschaffen können.
8
Minderjährige Aktionäre werden von ihren gesetzlichen Vertretern, in der Regel Vater und Mutter, vertreten (§ 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB). Stehen die Aktien wie bei der Er1 Vgl. Ziff. 2.2.3 DCGK. 2 Vgl. Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 314 f. 3 Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. EU Nr. L 184 v. 14.7.2007, S. 17. 4 Vgl. § 118 Abs. 1 Satz 2 und 3 AktG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008, siehe dazu näher Seibert, ZIP 2008, 906. 5 Hüffer, § 118 AktG Rz. 14; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 118 AktG Rz. 53; ebenso Art. 10 Abs. 1 Satz 2 der Aktionärsrechterichtlinie. 6 Hüffer, § 118 AktG Rz. 14; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 118 AktG Rz. 52. 7 Hüffer, § 134 AktG Rz. 27; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 15; Junge in FS Röhricht, 2005, S. 277, 282 ff.; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 118 AktG Rz. 65; a.A. Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 118 AktG Rz. 53 f.; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 118 AktG Rz. 27 und § 134 AktG Rz. 53; Willamowski in Spindler/Stilz, § 134 AktG Rz. 9.
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ben-, Güter- oder Bruchteilsgemeinschaft mehreren Berechtigten zu, so können die Rechte aus diesen nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausgeübt werden (§ 69 Abs. 1 AktG). Die Satzung kann die Möglichkeit der Vertretung nicht ausschließen. Sie kann sie aber im Rahmen zumutbarer Regelungen einschränken1.
9
Der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt den Gesellschaften ergänzend, dass sie die Aktionäre bei der Stimmrechtsvertretung unterstützen (Ziff. 2.3.3 Satz 2 DCGK). Bei der Umsetzung dieser Empfehlung ist den Gesellschaften ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt. Verbreitet sind vor allem Erleichterungen in der Satzung hinsichtlich der Bevollmächtigung (vgl. § 134 Abs. 3 Satz 2 AktG). Einzelne Gesellschaften haben auf ihrer Internetseite auch eine elektronische Verbindung (link) zu den bekannten Aktionärsvereinigungen und deren Stimmrechtsvorschlägen vorgesehen2. Im Rahmen der Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie sollen die Gesellschaften ihren Aktionären auch einen elektronischen Weg für die Übermittlung des Nachweises der Bevollmächtigung anbieten3. Darüber hinaus bieten viele Gesellschaften eigene Stimmrechtsvertreter an (siehe dazu § 34 Rz. 124 ff.).
10
3. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats „sollen“ an der Hauptversammlung teilnehmen (§ 118 Abs. 2 Satz 1 AktG). Sie sind damit zur Teilnahme nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Die Teilnahme des Vorstands ist schon deshalb notwendig, weil er den Aktionären auf Verlangen Auskunft zu erteilen und seine Vorlagen zu erläutern hat (§§ 131, 176 Abs. 1 Satz 2 AktG). Auch der Bericht des Aufsichtsrates ist in der Hauptversammlung zu erläutern, allerdings nur von seinem Vorsitzenden (§ 176 Abs. 1 Satz 2 AktG). Die Teilnahmepflicht trifft grundsätzlich nur die amtierenden und nicht auch ehemalige Organmitglieder4. Nur ausnahmsweise kann für diese eine nachwirkende Teilnahmepflicht bestehen, z.B. wenn sie zur Erteilung bestimmter Auskünfte benötigt werden5. Ein nachwirkendes Teilnahmerecht wird dagegen allgemein verneint6. Frühere Vorstandsmitglieder können aber als Gäste an der Hauptversammlung teilnehmen7.
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Die Teilnahmepflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats kann durch die Satzung gelockert werden (§ 118 Abs. 2 Satz 2 AktG). Die Satzung darf allerdings nur für bestimmte Fälle von der Teilnahmepflicht freistellen, so z.B., wenn das Aufsichtsratsmitglied auf Grund seines Wohnsitzes im Ausland erhebliche Reisen auf sich nehmen müsste8 oder an der Hauptversammlung nicht teilnehmen kann, weil es sich
12
1 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 20; Hüffer, § 134 AktG Rz. 25; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 118 AktG Rz. 66; a.A. OLG Stuttgart v. 28.5.1990 – 8 W 203/90, AG 1991, 69 f. 2 Vgl. Kremer in Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, Rz. 320. 3 Siehe § 134 Abs. 3 i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008. 4 Hüffer, § 118 AktG Rz. 10; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 118 AktG Rz. 41. 5 Vgl. Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 118 AktG Rz. 41; E. Vetter, AG 1991, 171, 172; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 118 AktG Rz. 36; abl. Hoffmann in Spindler/Stilz, § 118 AktG Rz. 23. 6 Hüffer, § 118 AktG Rz. 10; Henn, Aktienrecht, Rz. 807. 7 Hüffer, § 118 AktG Rz. 10; E. Vetter, AG 1991, 171, 172 ff. 8 Vgl. § 15 Abs. 1 der Satzung der Deutschen Telekom AG; ähnlich auch § 23 Abs. 1 der Satzung von Pühler in Happ, Aktienrecht, Muster 10.10.
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während dieser aus wichtigem Grund im Ausland aufhält1. Auch in solchen Fällen kann das Aufsichtsratsmitglied der Hauptversammlung nicht einfach fernbleiben. Vielmehr muss sichergestellt sein, dass es die Versammlung durch Bild- und Videoübertragung verfolgen kann und für diese umgekehrt in gleicher Weise präsent ist2. Angesichts dieser Einschränkungen hat die Lockerung der Präsenzpflicht wenig praktische Bedeutung. 13
Das Fernbleiben von der Hauptversammlung kann bei Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern unabhängig von etwaigen Satzungsregeln aus wichtigem Grund (z.B. eigene Krankheit oder Sterbefall in der Familie) entschuldigt sein. Im Übrigen stellt ein Verstoß gegen die Teilnahmepflicht eine Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht dar (§§ 93, 116 Satz 1 AktG). Diese kann als Rechtsfolge die Abberufung (§§ 84 Abs. 3 Satz 2, 103 AktG) oder Ersatzansprüche der Gesellschaft nach sich ziehen. 4. Sonstige Teilnehmer
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Eine Teilnahmepflicht des Abschlussprüfers besteht nur in dem Sonderfall, dass der Jahresabschluss von der Hauptversammlung festgestellt wird (§ 176 Abs. 2 Satz 1 AktG). In allen übrigen Fällen besteht nicht einmal ein Teilnahmerecht3, die Teilnahme des Abschlussprüfers oder eines Vertreters ist aber üblich und sinnvoll4. Sonderprüfer haben dagegen generell weder ein Recht noch eine Pflicht zur Teilnahme5. Notwendig für die Beurkundung der Beschlüsse der Hauptversammlung ist bei den börsennotierten Gesellschaften stets ein Notar (§ 130 Abs. 1 AktG), der in der Regel vom Vorstand bestellt wird. Dieser hat dementsprechend auch ein Teilnahmerecht. Zur Anwesenheit während der Hauptversammlung berechtigt sind weiter alle Hilfskräfte, die für den ordnungsgemäßen Ablauf der Hauptversammlung eingesetzt sind, unabhängig davon, ob es sich dabei um Mitarbeiter der Gesellschaft oder Externe handelt6.
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Aufgrund besonderer gesetzlicher Regelung sind Vertreter der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) berechtigt, an der Hauptversammlung von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen teilzunehmen (§ 44 Abs. 4 KWG, § 83 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VAG).
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Vertreter der Medien (Presse, Rundfunk und Fernsehen) haben keinen Anspruch auf Teilnahme an der Hauptversammlung. Vertretern der Presse wird jedoch gerade bei börsennotierten Gesellschaften regelmäßig Gelegenheit zur Teilnahme an der Hauptversammlung gegeben. Über die Zulassung von Pressevertretern entscheidet der Versammlungsleiter nach freiem Ermessen7. Soll die Presse ausgeschlossen werden,
1 Vgl. § 20 Abs. 3 der Satzung der SAP AG. 2 Vgl. Begr. RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 19; Seibert, NZG 2002, 608, 611; Hüffer, § 118 AktG Rz. 10a; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 118 AktG Rz. 39. 3 Hüffer, § 118 AktG Rz. 10; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 27; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 118 AktG Rz. 44; Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 5. 4 Hüffer, § 118 AktG Rz. 11. 5 Bärwaldt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 10 Rz. 55; G. Bezzenberger in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 145 AktG Rz. 45; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 145 AktG Rz. 34. 6 Vgl. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 30. 7 Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 118 AktG Rz. 75; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 118 AktG Rz. 89; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 34; Hoffmann in Spindler/Stilz, § 118 AktG Rz. 26; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 118 AktG Rz. 45.
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Ablauf der Hauptversammlung
sollte darüber angesichts der unklaren Rechtslage allerdings die Hauptversammlung beschließen1. Über die Zulassung von sonstigen Gästen entscheidet die Gesellschaft regelmäßig im Vorfeld der Hauptversammlung. Als Gäste werden vielfach frühere Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, Geschäftspartner und sonstige Interessierte wie z.B. Betriebsräte oder Schulklassen eingeladen. Sollen Gäste während der Versammlung wegen Störung ausgeschlossen werden, entscheidet darüber der Versammlungsleiter2.
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5. Übertragung der Hauptversammlung in Ton und Bild Die Satzung oder die Geschäftsordnung der Hauptversammlung können vorsehen, dass die Hauptversammlung in Ton und Bild übertragen wird (§ 118 Abs. 3 AktG). Die Übertragung kann z.B. im firmeneigenen Fernsehen oder im Internet erfolgen. Der Grad der Öffentlichkeit kann dabei frei bestimmt werden. Eine nur Aktionären zugängliche Übertragung ist ebenso zulässig wie eine unbeschränkte Übertragung3. Die Übertragung kann als Minus auch in einer bloßen Tonübertragung bestehen. Die Entscheidung über das Ob und Wie der Übertragung kann z.B. auf den Vorstand oder den Versammlungsleiter delegiert werden4. Wird die Hauptversammlung auf Grund entsprechender Satzungsermächtigung übertragen, können die Aktionäre der Verbreitung und Aufzeichnung ihrer Redebeiträge nicht widersprechen5.
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Die Übertragung erlaubt es zwar, die Hauptversammlung von außerhalb zu verfolgen. Eine Teilnahme an dieser auch von außerhalb, z.B. in Form von Redebeiträgen oder Stimmabgabe, wird auf diese Weise aber nicht ermöglicht. Die Aktionäre sind zur Ausübung ihrer Rechte nach wie vor darauf angewiesen, auf der Hauptversammlung persönlich anwesend oder über einen Bevollmächtigten vertreten zu sein. Eine reine Internet-Hauptversammlung kann bislang auch die Satzung nicht vorsehen6. Im Rahmen der Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie7 soll den Aktionären börsennotierter Gesellschaften allerdings eine online-Zuschaltung zur Hauptversammlung ermöglicht werden. Je nach Ausgestaltung in der Satzung soll der Aktionär seine Teilnahmerechte, insbesondere das Stimm- und Fragerecht, wie ein physisch anwesender Ak-
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1 Hüffer, § 118 AktG Rz. 16; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 119 AktG Rz. 77; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 34; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, § 118 AktG Rz. 75. 2 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 36. 3 Hüffer, § 118 AktG Rz. 17; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 118 AktG Rz. 95; Noack, DB 2002, 620, 623. 4 Für eine Delegation auf den Vorstand Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 118 AktG Rz. 96; für eine Delegation auf den Versammlungsleiter Martens, Leitfaden, S. 53 f., Mutter, AG-Report 2003, R 34 und Pühler in Happ, Aktienrecht, § 23 Abs. 2 der Satzung gemäß Muster 1.01. 5 Begr. RegE BT-Drucks. 14/8769, S. 19; LG Frankfurt/M. v. 7.1.2004 – 3–13 O 79/03, NJW-RR 2005, 837, 838 = AG 2005, 821; Hüffer, § 118 AktG Rz. 17; Ihrig/Wagner, BB 21002, 789, 795; Seibert, NZG 2002, 608, 611; Noack, DB 2002, 620, 623; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 118 AktG Rz. 46. 6 Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2002, 115, 117; Hüffer, § 118 AktG Rz. 12 und 17; Hoffmann in Spindler/Stilz, § 118 AktG Rz. 41; Muthers/Ulrich, WM 2005, 215, 216 f. 7 Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften vom 11.7.2007, ABl. EU L 184 v. 14.7.2007, S. 17.
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tionär ausüben können. Das Stimmrecht soll alternativ auch per Brief ausgeübt werden können1. Damit ist auch Textform gemeint2.
II. Leitung der Hauptversammlung 1. Versammlungsleiter a) Bestimmung durch Satzung oder Wahl 20
Das Gesetz trifft keine Bestimmung darüber, wer die Hauptversammlung leitet. In den Satzungen der Publikumsgesellschaften ist jedoch regelmäßig der Vorsitzende des Aufsichtsrats zum Leiter der Hauptversammlung bestimmt3. Dabei kann es sich auch um eine Person handeln, die der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Da Verhandlungssprache deutsch ist, müssen die Ausführungen des Versammlungsleiters allerdings simultan übersetzt werden4. Im Interesse einer professionellen Leitung ist ein deutschsprachiger Versammlungsleiter aber vorzuziehen.
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Ist der Vorsitzende des Aufsichtsrats verhindert, ist grundsätzlich sein interner Vertreter (§ 107 Abs. 1 Satz 3 AktG) zur Versammlungsleitung berufen. Bei Gesellschaften, die dem MitbestG unterliegen, wäre dies ein Vertreter der Arbeitnehmer (vgl. § 27 Abs. 2 Satz 2 MitbestG). Da die Leitung der Aktionärsversammlung durch einen Arbeitnehmervertreter nicht angebracht sein dürfte, sehen die Satzungen in aller Regel vor, dass die Versammlungsleitung im Verhinderungsfall einem anderen Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat zufällt. Wer dies ist, bestimmen je nach Regelung die Anteilseignervertreter untereinander oder der gesamte Aufsichtsrat. Die Bestimmung des ersatzweisen Versammlungsleiters kann auch einem Ausschuss zugewiesen werden5.
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Übernimmt kein anderer Anteilseignervertreter die Sitzungsleitung, ist meist eine Wahl des Versammlungsleiters durch die Hauptversammlung vorgesehen. Diese muss zu Beginn der Hauptversammlung durchgeführt werden. Dabei bestehen keine Bedenken, diese Wahl vom Vorsitzenden des Vorstands leiten zu lassen6. Von der früher üblichen Satzungsbestimmung, wonach die Wahl vom ältesten anwesenden Aktionär geleitet wird, ist bei einer Publikumsgesellschaft abzuraten. Zu beachten ist, dass vor einer solchen Wahl das Teilnehmerverzeichnis fertiggestellt und zugänglich gemacht sein muss (§ 129 Abs. 4 Satz 1 AktG). Liegt das Teilnehmerverzeichnis noch nicht vor, kann die dafür nötige Zeit eventuell mit dem Bericht des Vorstands überbrückt werden. Möglich ist auch, den Versammlungsleiter auf Grund einer provisorisch festgestellten Präsenz ohne Teilnehmerverzeichnis zu wählen. Diese Wahl
1 Vgl. § 118 AktG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008. 2 Seibert, ZIP 2008, 906, 908. 3 So auch § 20 Abs. 1 der Muster-Satzung bei Pühler in Happ, Aktienrecht, 1.01 und § 24 Abs. 1 der Muster-Satzung bei Hölters in MünchVertragsHdb., Bd. 1, V 38. 4 OLG Hamburg v. 12.1.2001 – 11 U 162/00, AG 2001, 359, 363; Hüffer, § 129 AktG Rz. 18; Martens, Leitfaden, S. 45; vgl. auch LG München I v. 29.3.2007 – 5 HK O 11176/06, AG 2007, 830, 831 zur Niederlegung des Amtes als Versammlungsleiter wegen unzureichender Deutschkenntnisse. 5 Messer in FS Kellermann, 1991, S. 299, 301 ff.; Martens, Leitfaden, S. 46. 6 Henn, Aktienrecht, Rz. 803; Martens, Leitfaden, S. 46; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 78; a.A. Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 129 AktG Rz. 30.
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müsste dann vorsorglich aber nach Vorliegen des Teilnehmerverzeichnisses bestätigt werden1. b) Abberufung durch die Hauptversammlung Der Versammlungsleiter kann von der Hauptversammlung grundsätzlich abberufen werden. Handelt es sich – wie in der Regel – um den Aufsichtsratsvorsitzenden als den durch die Satzung bestimmten Versammlungsleiter, so bedeutet eine Abberufung zugleich eine Abweichung von der Satzung. Ob dafür die Formerfordernisse einer Satzungsänderung eingehalten werden müssen oder die weniger strengen Regeln der Satzungsdurchbrechung2 gelten, ist umstritten3. Überwiegend wird die Auffassung vertreten, der Versammlungsleiter könne aus wichtigem Grund durch – einstimmigen4 oder mit einfacher5 oder Drei-Viertel-Mehrheit6 – zu fassenden Beschluss abberufen werden7. Angesichts dieser Mehrheitsmeinung erscheint es ratsam, einen Antrag auf Abberufung jedenfalls dann, wenn ein wichtiger Grund plausibel vorgetragen ist, zur Abstimmung zu stellen. Die Abstimmung sollte dabei unverzüglich nach der Antragstellung erfolgen, da eine erfolgreiche Abstimmung Einfluss auf die weitere Versammlungsleitung hat. Wird der Versammlungsleiter abgewählt, sollte er im Anschluss an die Verkündung des Abberufungsbeschlusses sein Amt als Versammlungsleiter zusätzlich niederlegen. Stellt sich später heraus, dass ein wichtiger Grund nicht vorgelegen hat, ist der Verhinderungsfall dann jedenfalls durch die Niederlegung eingetreten8. Ist ein Abwahlantrag zu Unrecht übergangen worden, sind alle nachfolgenden Beschlüsse der Hauptversammlung anfechtbar9.
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2. Befugnisse des Versammlungsleiters a) Umfassende eigene Rechte Die Rechte und Pflichten des Versammlungsleiters sind im Gesetz nicht näher festgelegt, sie ergeben sich aber aus seiner Aufgabe, die Hauptversammlung ordnungs1 Martens, Leitfaden, S. 46 f. 2 Vgl. zu den dabei geltenden Erleichterungen BGH v. 7.6.1993 – II ZR 81/92, BGHZ 123, 15, 19 (zur GmbH). 3 Vgl. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 14; Krieger, AG 2006, 355; Groß in Liber Amicorum Happ, 2006, S. 31, jeweils m.w.N. 4 Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 119 AktG Rz. 48. 5 Dafür z.B. Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 43; Steiner, § 6 Rz. 5; v. Falkenhausen/Kocher, BB 2005, 1068, 1069; Rose, NZG 2007, 241, 244. 6 Dafür z.B. Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 109; Wicke in Spindler/Stilz, Anh § 119 AktG Rz. 4. 7 Vgl. OLG Hamburg v. 12.1.2001 – 11 U 162/00, AG 2001, 359, 363; LG Köln v. 6.2.2005 – 82 O -150/04, AG 2005, 696, 701; LG Frankfurt/M. v. 11.1.2005 – 3–5 O 100/04, WM 2005, 2186, 2189 = AG 2005, 892; LG München I v. 16.8.2007 – 5 HK O 17682/06, EWiR § 243 AktG 1/08, 33 (Jungmann); Butzke, ZIP 2005, 1164, 1166; Wicke in Spindler/Stilz, Anh § 119 AktG Rz. 4; Fischer in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 11 Rz. 22 ff.; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 108 f.; Kuhnt in FS Lieberknecht, 1997, S. 45, 58 f.; Martens, Leitfaden, S. 47 f.; Schaaf, Rz. 414c; abl. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 14; Groß in Liber Amicorum Happ, 2006, S. 31, 36 ff.; Krieger, AG 2006, 355 ff.; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 124 AktG Rz. 56. 8 Rose, NZG 2007, 241, 245. 9 Wicke in Spindler/Stilz, Anh § 119 AktG Rz. 4; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 124 AktG Rz. 56; v. Falkenhausen/Kocher, BB 2005, 1068, 1070; Rose, NZG 2007, 241, 244; a.A. LG Frankfurt/M. v. 11.1.2005 – 3–5 O 100/04, WM 2005, 2186, 2188 = AG 2005, 892 und Fischer in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 11 Rz. 28, die Nichtigkeit annehmen.
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gemäß abzuwickeln. Zu diesem Zweck eröffnet er die Hauptversammlung, ruft die Gegenstände der Tagesordnung auf, erteilt und entzieht dazu das Wort, führt die Abstimmungen durch und schließt die Versammlung. Um diese Aufgabe zu erfüllen, hat der Versammlungsleiter alle Rechte, die er benötigt1. Dazu gehören auch die notwendigen Ordnungsbefugnisse wie das Recht, über den Zutritt zur Versammlung sowie den Ausschluss von Störern zu entscheiden2. Alle diese Befugnisse stehen dem Versammlungsleiter aus eigenem Recht zu. Sie sind nicht von der Hauptversammlung abgeleitet und können deshalb von dieser weder revidiert noch auf sie zurück verlagert werden3. b) Sicherheitsfragen 25
Um die Sicherheit der Hauptversammlungsteilnehmer zu gewährleisten, kann der Versammlungsleiter im Rahmen seiner Ordnungsbefugnisse im Eingangsbereich zur Hauptversammlung Sicherheitskontrollen wie auf den Flughäfen durchführen lassen, um mitgebrachte Waffen oder sonstige gefährliche Gegenständen festzustellen. Solche Kontrollen sind zulässig4. Körperliche oder sonstige Durchsuchungen, z.B. von mitgebrachten Taschen, werden z.T. allerdings als unzulässiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht gewertet. Eine Kontrolle mittels eines Durchleuchtungsgerätes ist dagegen nicht zu beanstanden5. Werden Kontrollen durchgeführt, sollten sie auf alle Teilnehmer gleichmäßig angewandt werden. Teilnehmer, die Waffen bei sich führen, können von der Versammlung ausgeschlossen werden.
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Wird der Zugang zur Hauptversammlung z.B. durch allgemeine Verkehrsstörungen oder gezielte Demonstrationen behindert, so fällt dies in den Zuständigkeitsbereich der Polizei6. Diese ist auch einzuschalten bei etwaigen Bombendrohungen oder sonstigen Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitskräften der Gesellschaft und der örtlichen Polizei sollte zu diesem Zweck rechtzeitig vor der Versammlung abgestimmt werden. c) Abwicklung der Hauptversammlung
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Der Versammlungsleiter hat darauf hinzuwirken, dass alle Punkte der Tagesordnung der Hauptversammlung in einem geordneten Verfahren sachlich und zügig erörtert, die gestellten Fragen hinreichend beantwortet und die vorgesehenen Beschlüsse ge1 BGH v. 11.11.1965 – II ZR 122/63, BGHZ 44, 245 ff. = AG 1966, 28 ff.; OLG Frankfurt/M. v. 8.2.2006 – 12 W 185/05, NJOZ 2006, 870, 878 = AG 2006, 249; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 129 AktG Rz. 82; Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 39; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 87; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 112; Hüffer, § 129 AktG Rz. 19; Wicke in Spindler/Stilz, Anh § 119 AktG Rz. 5; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 129 AktG Rz. 37. 2 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 30. 3 Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 529; Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 40; Schaaf, ZIP 1999, 1339, 1340; Wicke in Spindler/Stilz, Anh § 119 AktG Rz. 5; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 129 AktG Rz. 37; a.A. wohl Hüffer, § 129 AktG Rz. 19; für Delegation auf die Hauptversammlung auch Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 115. 4 AG München v. 14.12.1994 – 263 C 23327/94, AG 1995, 335; Butzke in Obermüller/Werner/ Winden, HV, D Rz. 22; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 123; Martens, Leitfaden, S. 43; einschränkend Jäger, WiB 1996, 457, 462: nur bei konkreter Gefährdung. 5 OLG Frankfurt/M. v. 16.2.2007 – 5 W 43/06, WM 2007, 1123 = AG 2007, 357; zust. Wicke, NZG 2007, 771, 772. 6 Martens, Leitfaden, S. 42 f.; Max, AG 1991, 77, 80 f.
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fasst werden. Dabei kann er, wenn dafür ein sachlicher Grund besteht, die Reihenfolge der angekündigten Tagesordnungspunkte ändern1. Sofern dies angeraten ist, kann er die Versammlung auch unterbrechen, z.B. um dem Vorstand Gelegenheit zu geben, zur Erteilung bestimmter Auskünfte weitere Informationen einzuholen2. Über die Absetzung einzelner Punkte von der Tagesordnung oder eine Vertagung der Hauptversammlung kann dagegen nur diese selbst beschließen3. Im Rahmen der Aussprache bestimmt der Versammlungsleiter insbesondere über den Aufruf der Redner und eventuelle Ordnungsmaßnahmen wie z.B. die Anordnung einer Rede- und Fragezeitbeschränkung oder einen Wortentzug (siehe dazu § 34 Rz. 6 ff.). Bei der Ausübung dieser Befugnisse hat der Versammlungsleiter stets darauf zu achten, dass die Aktionäre gleich behandelt werden4. Soweit Ordnungsmaßnahmen ergriffen werden, hat er den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren5.
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Nach förmlicher Schließung der Aussprache hat der Versammlungsleiter die Abstimmung über die gestellten Verfahrens- und Sachanträge zu leiten, das Ergebnis der Abstimmungen festzustellen und zu verkünden (siehe dazu § 34 Rz. 137 ff.). Nach Erledigung der Tagesordnung hat er die Hauptversammlung zu schließen.
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III. Teilnehmerverzeichnis 1. Erstellung Nach § 129 Abs. 1 Satz 2 AktG ist zu jeder Hauptversammlung ein Teilnehmerverzeichnis zu erstellen. Zur Erstellung verpflichtet ist die Gesellschaft und damit nach überwiegender Ansicht der Vorstand6. Während der Versammlung ist allerdings auch der Versammlungsleiter dafür verantwortlich ist, dass das Teilnehmerverzeichnis ordnungsgemäß geführt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Verzeichnis wie beim Subtraktionsverfahren den Abstimmungen zugrunde gelegt wird7. Den Notar trifft dabei zumindest eine Pflicht zur Plausibilitätsprüfung8.
1 LG Hamburg v. 8.6.1995 – 405 O 203/94, AG 1996, 233; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 29. 2 Siehe dazu Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 131 und Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 54 m.w.N. 3 Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 132; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 130; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 129 AktG Rz. 37. 4 BGH v. 11.11.1965 – II ZR 122/63, BGHZ 44, 245, 255 = AG 1966, 28, 30; LG München I v. 14.10.1999 – 5 HKO 8024/98, AG 2000, 139; LG Frankfurt/M. v. 22.2.1984 – 3/9 O 123/83, AG 1984, 192, 194; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 113 und Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 95, 141, jeweils m.w.N. 5 Hüffer, § 129 AktG Rz. 23; Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 41; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 113 und Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 95, 142, jeweils m.w.N. 6 Hüffer, § 129 AktG Rz. 5 f.; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 65; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 129 AktG Rz. 11; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 129 AktG Rz. 12; für eine Pflicht des Versammlungsleiters Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 129 AktG Rz. 16. 7 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 66; Reichert in Beck’sches Hdb. AG, § 5 Rz. 176; Wicke in Spindler/Stilz, § 129 AktG Rz. 21. 8 Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 129 AktG Rz. 17; Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 28; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 129 AktG Rz. 9; Wicke in Spindler/ Stilz, § 129 AktG Rz. 22.
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Das Teilnehmerverzeichnis wird in der Regel schon vor der Hauptversammlung auf Grund der eingegangenen Anmeldungen und Hinterlegungsbescheinigungen vorbereitet. Dieses Anmeldeverzeichnis wird dann am Tag der Hauptversammlung an Hand der tatsächlich erscheinenden Aktionäre und Aktionärsvertreter in das endgültige Teilnehmerverzeichnis überführt. Während dieses Prozesses kann die Hauptversammlung auch ohne Teilnehmerverzeichnis durchgeführt werden1. Das Teilnehmerverzeichnis muss spätestens allerdings vor der ersten Abstimmung fertiggestellt sein (vgl. § 129 Abs. 4 Satz 1 AktG). In der Regel liegt das Teilnehmerverzeichnis schon alsbald nach Beginn der Hauptversammlung vor. Es wird dann um alle Neuzugänge, Abgänge oder Wechsel in der Vertretung fortgeschrieben2. Eine besondere Frequenz ist für diese so genannten Nachtragsverzeichnisse nicht vorgeschrieben. Es genügt daher, wenn bis zur ersten Abstimmung nur ein Nachtragsverzeichnis erstellt ist3.
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Wird das Teilnehmerverzeichnis beim Subtraktionsverfahren den Abstimmungen als Zählbasis zu Grunde gelegt (so genannte Präsenzliste), muss es zum Zeitpunkt jeder einzelnen Abstimmung vollständig und richtig sein. Dies erfordert eine entsprechende fortlaufende Erfasssung aller Zu- und Abgänge während der Versammlung4. 2. Inhalt
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In das Teilnehmerverzeichnis sind die erschienenen oder vertretenen Aktionäre und ihre Vertreter mit Angabe ihres Namens und Wohnorts sowie bei Nennbetragsaktien des Betrags, bei Stückaktien der Zahl der von jedem vertretenen Aktien unter Angabe ihrer Gattung aufzunehmen (§ 129 Abs. 1 Satz 2 AktG)5. Um Verwechslungen vorzubeugen, werden in der Praxis regelmäßig auch die Vornamen mit aufgeführt. Die Anzahl der vertretenen Stimmen braucht nicht angegeben zu werden. Sie ergibt sich meist ohnehin aus den Nennbeträgen oder der Stückzahl der Aktien. Das Teilnehmerverzeichnis kann schriftlich, aber auch in Form einer elektronischen Datei geführt werden. Eine bestimmte Reihenfolge in der Erfassung der Teilnehmer ist nicht vorgeschrieben. Meist wird das Teilnehmerverzeichnis fortlaufend nach der Reihenfolge der Eintritts- oder Stimmkarten-Nummern erstellt. Es kann, wenn es elektronisch geführt wird, später auch in alphabetische Reihenfolge umsortiert werden.
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Die Aktien, die vom Aktionär selbst oder einem Dritten in offener Stellvertretung vertreten werden, werden in der Regel als Eigenbesitz gekennzeichnet. Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen können von der Möglichkeit der verdeckten Stellvertretung Gebrauch machen und sich im Teilnehmerverzeichnis ohne Offenlegung der vertretenen Aktionäre eintragen lassen (§ 129 Abs. 2 AktG). Die von ihnen auf diese Weise vertretenen Aktien werden als Vollmachtsbesitz aufgeführt. Personen, die das Stimmrecht für fremde Aktien kraft Ermächtigung im eigenen Namen ausüben (so genannte Legitimationsaktionäre) werden im Teilnehmerverzeichnis üblicherweise mit Fremdbesitz ausgewiesen6. 1 Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 129 AktG Rz. 13. 2 Hüffer, § 129 AktG Rz. 10; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 129 AktG Rz. 16; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 67; Wicke in Spindler/Stilz, § 129 AktG Rz. 20; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 129 AktG Rz. 16. 3 Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 129 AktG Rz. 19; Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 31; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 129 AktG Rz. 18. 4 Vgl. Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 129 AktG Rz. 20; Ziemons in K. Schmidt/ Lutter, § 129 AktG Rz. 16. 5 Vgl. das Muster 10.17 bei Zimmermann in Happ, Aktienrecht. 6 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 56; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 129 AktG Rz. 20.
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§ 33
Ablauf der Hauptversammlung 3. Offenlegung
Das Teilnehmerverzeichnis ist vor der ersten Abstimmung allen Teilnehmern zugänglich zu machen (§ 129 Abs. 4 Satz 1 AktG). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die erste Abstimmung einen Sach- oder Verfahrensantrag betrifft. Für die Zugänglichkeit genügt die Möglichkeit der Kenntnisnahme. Diese kann durch Auslegung schriftlicher Ausdrucke oder – bei EDV-geführten Listen – auch durch die Bereitstellung von mehreren funktionstüchtigen Bildschirmgeräten, erforderlichenfalls mit Bedienungspersonal, geschehen1. Der Zugang muss nicht zwingend im Versammlungsraum, aber innerhalb des Präsenzbereichs gewährleistet sein2.
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Zur Einsichtnahme berechtigt sind alle Personen mit eigenem oder fremden Teilnahmerecht. Pressevertreter und sonstige Gäste gehören dazu nicht3. Das Recht zur Einsichtnahme gewährt im Übrigen keinen Anspruch auf eine bestimmte Aufbereitung des Teilnehmerverzeichnisses (z.B. Auflistung aller Aktionäre mit einem bestimmten Aktienbesitz).
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Das Einsichtsrecht besteht nicht nur während der Hauptversammlung, sondern noch bis zu zwei Jahren nach dieser (§ 129 Abs. 4 Satz 2 AktG). Dementsprechend ist das Verzeichnis bei der Gesellschaft aufzubewahren. Dieses nachträgliche Einsichtsrecht ist auf die Aktionäre beschränkt. Dies dürften nicht nur die Personen sein, die im Zeitpunkt des Einsichtsverlangens Aktionäre sind, sondern auch solche Personen sein, die während der Einsichtsfrist Aktionäre waren4. Die Einsichtnahme kann während der üblichen Geschäftszeiten bei der Gesellschaft verlangt werden. Soweit ein berechtigtes Interesse besteht, kann auf Kosten des Aktionärs auch ein Ausdruck des Verzeichnisses verlangt werden5.
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4. Rechtsfolgen bei Verstößen Fehlt in der Hauptversammlung das Teilnehmerverzeichnis, ist es unrichtig oder unvollständig oder wird es nicht offengelegt, so ist dies grundsätzlich ein Anfechtungsgrund dar. Dies gilt allerdings nicht, wenn es sich um Fehler handelt, die von Aktionären oder Aktionärsvertretern verursacht worden sind6. Aktionäre und Aktionärsvertreter, die vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben für das Teilnehmerverzeichnis machen, handeln ordnungswidrig (§ 405 Abs. 2 AktG).
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IV. Geschäftsordnung der Hauptversammlung Nach § 129 Abs. 1 Satz 1 AktG kann sich die Hauptversammlung eine Geschäftsordnung mit Regeln für die Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung ge1 Hüffer, § 129 AktG Rz. 13; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 129 AktG Rz. 39; Wicke in Spindler/Stilz, § 129 AktG Rz. 32. 2 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 70; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 129 AktG Rz. 39; Hüffer, § 129 AktG Rz. 13. 3 Hüffer, § 129 AktG Rz. 13; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 129 AktG Rz. 35; Wicke in Spindler/Stilz, § 129 AktG Rz. 33; a.A. v. Falkenhausen, BB 1966, 340. 4 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 73; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 129 AktG Rz. 40; Noack, NZG 2001, 1057, 1063; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 129 AktG Rz. 24. 5 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 73; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 129 AktG Rz. 40. 6 Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 129 AktG Rz. 35; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1993, § 129 AktG Rz. 55; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, C Rz. 74.
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§ 33
Hauptversammlung
ben. In einer solchen Geschäftsordnung können, wie es in der Begründung1 zu dieser mit dem KonTraG2 eingefügten Bestimmung heißt, verschiedene im Gesetz offengelassene Fragen wie die Leitungs- und Ordnungsbefugnisse des Versammlungsleiters, des Anwesenheitsrechts Dritter, des Rede- und Fragerechts oder des Verfahrens der Stimmenauszählung geregelt werden. Die Hauptversammlung konnte auch früher schon Verfahrensfragen mittels Geschäftsordnung regeln. Ein Bedürfnis hat dafür aber offenbar nicht bestanden. 40
In der Praxis hat die Vorschrift bislang keine nennenswerte Resonanz gefunden3. Bestimmungen zur Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung (z.B. Hinterlegung und Anmeldung, Erteilung von Stimmrechtsvollmachten, Übertragung der Hauptversammlung im Internet, Abstimmungsverfahren) finden sich nach wie vor eher in der Satzung der Gesellschaft. Soweit die gesetzlichen Vorgaben beachtet werden, sind solche Satzungsbestimmungen zulässig (§ 23 Abs. 5 AktG). Manche Fragen wie die Einschränkung der Präsenzpflicht von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 118 Abs. 2 Satz 2 AktG), die Regelung der Teilnahmevoraussetzungen für die Aktionäre (§ 123 Abs. 2 AktG) oder die Erleichterung der Vollmachtserteilung (§ 134 Abs. 3 Satz 2 AktG) können zudem nur in der Satzung geregelt werden. Mit dem Erlass einer Geschäftsordnung wird der Spielraum, wie er für die Satzung besteht, nicht erweitert. Das Gesetz sieht bisweilen zwar vor, dass bestimmte Fragen statt in der Satzung wahlweise auch in der Geschäftsordnung geregelt werden können (vgl. § 118 Abs. 3 AktG). Dies eröffnet aber keine zusätzlichen Regelungsmöglichkeiten. Soweit die Satzung bereits Regelungen enthält, gehen diese vor. Die Geschäftsordnung ist insofern nachrangig4.
41
Entgegen dem Eindruck, den die Gesetzesbegründung erweckt, lassen sich die Befugnisse des Versammlungsleiters durch eine Geschäftsordnung nicht sinnvoll regeln. Dies gilt zunächst für alle Maßnahmen, für die der Versammlungsleiter aus eigenem Recht zuständig ist wie z.B. die Anordnung einer allgemeinen Redezeitbegrenzung. Die Geschäftsordnung könnte insoweit nur die bestehende Rechtslage beschreiben, diese aber nicht für den Versammlungsleiter verbindlich konkretisieren. Auch selbst solche Aufgaben, die der Versammlungsleiter auf die Hauptversammlung delegieren kann, können nicht in der Geschäftsordnung geregelt werden, da jede Regelung einen Eingriff in die Kompetenzen des Versammlungsleiters darstellen würde5.
42
Auch die Rechte der Aktionäre lassen sich in einer Geschäftsordnung allenfalls umschreiben, nicht aber inhaltlich verändern6. Eine Einschränkung des Rede- oder Frage-
1 Begr. RegE des KonTraG, ZIP 1997, 2059, 2064. 2 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27.4.1998, BGBl. I 1998, 786. 3 Vgl. z.B. die Geschäftsordnung der VBH Holding AG im BAnz. v. 9.6.1998 sowie die Vorschläge für eine Geschäftsordnung der Hauptversammlung bei Ludwig in Happ, Aktienrecht, Muster 10.16. und Schaaf, Anlage 26. 4 Hüffer, § 129 AktG Rz. 1b; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 129 AktG Rz. 5; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 181; Bachmann, AG 1999, 210, 211 f.; Hennerkes/Kögel, DB 1999, 81, 82. 5 Hüffer, § 129 AktG Rz. 1c; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 129 AktG Rz. 6; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 182; G. Bezzenberger, ZGR 1998, 352, 361; Dietrich, NZG 1998, 921, 923; Schaaf, ZIP 1999, 1339, 1340; a.A. Bachmann, AG 1999, 210, 211 f. 6 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 94; Hennerkes/Kögel, DB 1999, 81, 84; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 129 AktG Rz. 8; Marsch-Barner in Reform des Aktienrechts, S. 275, 281; Schaaf, ZIP 1999, 1339 ff.
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§ 34
Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung
rechts auf diesem Wege wäre ebenso unzulässig wie eine Erweiterung1. Denkbar wären allenfalls Verfahrensregeln, bei denen aber stets zu fragen wäre, ob sie nicht in die Rechte der Aktionäre oder des Versammlungsleiter eingreifen. Soweit sich die Geschäftsordnung auf die Wiedergabe allgemeiner Grundsätze beschränkt, würde diese Gefahr zwar nicht bestehen. Solche Texte sind aber entbehrlich. Im Übrigen bergen umfassende Darstellungen in einer Geschäftsordnung die Gefahr, dass die Durchführung der Hauptversammlung damit unnötig „verrechtlicht“ wird und dabei die für die Versammlungsleitung nötige Flexibilität verlorengeht. Falls gleichwohl eine Geschäftsordnung beschlossen wird, ist dafür zwingend eine Drei Viertel-Kapitalmehrheit erforderlich (§ 129 Abs. 1 Satz 1 AktG). Diese Mehrheit gilt auch für etwaige spätere Änderungen. Für die Regelung von Geschäftsordnungsfragen in der Satzung genügt dagegen im Rahmen der üblichen Herabsetzungsklausel (siehe dazu § 34 Rz. 150) die einfache Stimmen- und Kapitalmehrheit.
§ 34 Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung I. Rederecht . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1
1. Grundlagen des Rederechts . . . . .
1
2. Reihenfolge der Redner . . . . . . . .
3
3. Grenzen des Rederechts . . . . . . a) Allgemeine Redezeitbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Individuelle Redezeitbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wortentzug . . . . . . . . . . . . . d) Saalverweis . . . . . . . . . . . . .
.
6
.
7
. 15 . 18 . 19
4. Schließung der Rednerliste . . . . . . 22 5. Schluss der Debatte . . . . . . . . . . 24 II. Auskunftsrecht . . . . . . . . . . . . . 25 1. Kollektive Informationsrechte . . . 26 2. Individuelles Auskunftsrecht . . . . a) Beschränkung auf die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . b) Auskunftsberechtigter . . . . . . . c) Auskunftsverpflichteter . . . . . . d) Auskunftsverlangen . . . . . . . . e) Auskunftserteilung . . . . . . . . . f) Einzelne Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Angelegenheit der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erforderlichkeit der Auskunft . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. cc) Auskunft über verbundene Unternehmen . . . . . . . . . . g) Inhalt der Auskunft . . . . . . . . . h) Erweiterung des Auskunftsrechts i) Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . 3. Auskunftsverweigerung . . . . . . . a) Nachteilszufügung . . . . . . . . b) Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stille Reserven . . . . . . . . . . . d) Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . e) Strafbarkeit . . . . . . . . . . . . . f) Sonderregelung für Aktienbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Internetauskunft . . . . . . . . . . h) Aufnahme in die Niederschrift
. . . .
51 53 54 55 56 57 58 59
. 60 . 61 . 63 . 64 . 65
30
4. Auskunftserteilung außerhalb der Hauptversammlung . . . . . . . . 66
30 31 33 36 42
5. Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Auskunftspflicht . . . . . . . . . . 67
48 48 49
III. Antragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Anträge zum Verfahren . . . . . . . . a) Zuständigkeit für die Entscheidung von Verfahrensfragen . . . . b) Reihenfolge der Behandlung von Anträgen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einzelne Geschäftsordnungsanträge . . . . . . . . . . . . . . . . .
72 72 74 77
1 Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 162 zum Auskunftsrecht.
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Hauptversammlung Rz. aa) Abwahl und Neuwahl des Versammlungsleiters . . . . . bb) Erstellung eines Wortprotokolls . . . . . . . . . . . . . . cc) Einzelentlastung von Vorstand und/oder Aufsichtsrat . dd) Vertagung der Hauptversammlung oder einzelner Tagesordnungspunkte . . . . . ee) Absetzung einzelner Punkte von der Tagesordnung . . . .
77 78 79 83 85
Rz. a) Weitergabe der Mitteilungen der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . b) Unterbreitung eigener Abstimmungsvorschläge . . . . . . . . . . c) Dauervollmacht . . . . . . . . . . . d) Weisungsgebundenheit . . . . . .
114 116 120 121
8. Stimmrechtsvertreter für die Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Externe Stimmrechtsvertreter . . 124 b) Gesellschaftseigene Stimmrechtsvertreter . . . . . . . . . . . . 125 c) Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex . . 126
2. Sachanträge . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Vorschläge der Verwaltung . . . . 86 b) Änderungsanträge in der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . 87
V. Beschlüsse und Wahlen . . . . . . . . 127
3. Reihenfolge der Abstimmung . . . . 91
1. Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . 127
IV. Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Beginn und Umfang des Stimmrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3. Beschränkungen und Erweiterungen a) Höchststimmrecht . . . . . . . . . 96 b) Mehrstimmrechte . . . . . . . . . . 97 c) Stimmrechtslose Vorzugsaktien . 98 4. Stimmrechtsausschluss . . . . . . . . 99 a) §§ 136, 142 Abs. 1 Satz 2 AktG . 99 b) Eigene Aktien (§§ 71b, 71d AktG) 103 c) Unterbliebene Mitteilungen (§ 20 Abs. 7 AktG, §§ 21, 28 WpHG) . 104 d) Höchststimmrecht (§ 134 Abs. 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 e) Treuwidrige Stimmabgabe . . . . 107 5. Stimmbindungsverträge . . . . . . . 109 6. Ausübung des Stimmrechts durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Vertretung bei der Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Ermächtigung zur Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . 112 7. Vollmachtstimmrecht der Banken (§§ 128, 135 AktG) . . . . . . . . . . . 113
2. Zustandekommen von Beschlüssen der Hauptversammlung . . . . . . . . a) Beschlussfähigkeit . . . . . . . . . b) Beschlussantrag . . . . . . . . . . . c) Stimmabgabe . . . . . . . . . . . . .
131 131 132 134
3. Abstimmung . . . . . . . . . . . . . a) Form der Stimmabgabe . . . . . b) Ermittlung des Abstimmungsergebnisses . . . . . . . . . . . . . c) Konzentrative Abstimmung . . d) Einheitliche Beschlussfassung . e) Verkündung des Abstimmungsergebnisses . . . . . . . . . . . . .
. 137 . 137
4. Beschlussmehrheiten . . . . . a) Stimmenmehrheit . . . . . . b) Kapitalmehrheit . . . . . . . c) Regelungen in der Satzung
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. 140 . 144 . 146 . 147 148 148 149 150
5. Wirksamwerden von Hauptversammlungsbeschlüssen . . . . . . . . 151 6. Aufhebung von Hauptversammlungsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . 153 7. Sonderbeschlüsse . . . . . . . . . . . . 154 8. Satzungsänderungen . . . . . . . . . . 156 9. Wahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 10. Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . 162
Schrifttum: Bollweg, Die Wahl des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 1997; Diekmann/Leuering, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), NZG 2004, 249; Diekmann/ Merkner, Erhöhte Transparenzanforderungen im Aktien- und Kapitalmarktrecht – ein Überblick über den Regierungsentwurf zum Risikobegrenzungsgesetz, NZG 2007, 921; Geißler, Der aktienrechtliche Auskunftsanspruch im Grenzbereich des Missbrauchs, NZG 2001, 539; Götz, Die unbefugte Weitergabe von Insidertatsachen, DB 1995, 1949; Grobecker/Kuhlmann, Der Bestätigungsbeschluss nach § 244 AktG in der Praxis, NZG 2007, 1; Groß, Informations- und Auskunftsrecht des Aktionärs, AG 1997, 97; Grüner, Zeitliche Einschränkung
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Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung
des Rede- und Fragerechts auf Hauptversammlungen, NZG 2000, 770; Habersack, Unwirksamkeit „zustandsbegründender“ Durchbrechungen der GmbH-Satzung sowie darauf gerichteter schuldrechtlicher Nebenabreden, ZGR 1994, 354; Habersack, Aktienrecht und Internet, ZHR 165 (2001), 172; Happ/Freitag, Die Mitternachtsstund‘ als Nichtigkeitsgrund?, AG 1998, 493; Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins, Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz), NZG 2008, 60; Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechte-Richtlinie (ARUG), NZG 2008, 534; Hoffmann-Becking, Das erweiterte Auskunftsrecht des Aktionärs nach § 131 Abs. 4 AktG, in FS Rowedder, 1994, S. 155; Holzborn/Bunnemann, Änderungen im AktG durch den Regierungsentwurf für das UMAG, BKR 2005, 51; Huber, Die „geplant beschlusslose“ Hauptversammlung, ZIP 1995, 1740; Hüffer, Minderheitsbeteiligungen als Gegenstand aktienrechtlicher Auskunftsbegehren, ZIP 1996, 401; Joussen, Auskunftspflicht des Vorstands nach § 131 AktG und Insiderrecht, DB 1994, 2485; Kocher, Der Bestätigungsbeschluss nach § 244 AktG, NZG 2006, 1; Kubis, Die „formunwirksame“ schriftliche Auskunftserteilung nach § 131 AktG, in FS Lieberknecht, 1997, S. 172; Kuhnt, Geschäftsordnungsanträge und Geschäftsordnungsmaßnahmen bei Hauptversammlungen, in FS Lieberknecht, 1997, S. 45; Linnerz, Ort, Terminierung und Dauer einer Hauptversammlung, NZG 2006, 208; Marsch-Barner, Treuepflichten zwischen Aktionären und Verhaltenspflichten bei der Stimmrechtsbündelung, ZHR 157 (1993), 172; Marsch-Barner, Neuere Entwicklungen im Vollmachtstimmrecht der Banken, in FS Peltzer, 2001, S. 261; Martens, Die Leitungskompetenzen auf der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, WM 1981, 1010; Martens, Leitfaden für die Leitung der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, 3. Aufl. 2003; Martens, Die Reform der aktienrechtlichen Hauptversammlung, AG 2004, 238; Max, Die Leitung der Hauptversammlung, AG 1991, 85; Messer, Der Widerruf der Stimmabgabe, in FS Fleck, 1988, S. 221; Mertens, Das Minderheitsrecht nach § 122 Abs. 2 AktG und seine Grenzen, AG 1997, 481; Mutter, Auskunftsansprüche des Aktionärs in der HV, 2002; Mutter, Der Deutsche Governance Kodex als „Eingriffsgrundlage“ in das Rede- und Fragerecht des Aktionärs, AG-Report 2006, R 380; Noack, Stimmrechtsvertretung in der Hauptversammlung nach NaStraG, ZIP 2001, 57; Priester, Satzungsänderung und Satzungsdurchbrechung, ZHR 151 (1987), 40; Rollin, Einzelentlastungsbeschlüsse aufgrund Anordnung des Versammlungsleiters in der AG, NZG 2005, 804; v. Ruckteschell, Der Einzelantrag auf Einzelentlastung in der Hauptversammlung ohne Sonderstimmzettel, AG 2007, 736; Schaaf, Die Praxis der Hauptversammlung, 2. Aufl. 1999; Uwe H. Schneider, Geheime Abstimmung in der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, in FS Peltzer, 2001, S. 425; Uwe H. Schneider/Singhof, Die Weitergabe von Insidertatsachen in der konzernfreien Aktiengesellschaft, insbesondere im Rahmen der Hauptversammlung und an einzelne Aktionäre, in FS Kraft, 1998, S. 585; Scholz, Unzulässigkeit der Beschlussfassung der Hauptversammlung gem. § 124 Abs. 4 AktG, AG 2008, 11; Seibert, UMAG und Hauptversammlung – Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), WM 2005, 157; Seibert, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), ZIP 2008, 906; Joh. Semler, Einzelentlastung und Stimmverbot, in FS Zöllner, 1998, Bd. I, S. 553; Siepelt, Das Rederecht des Aktionärs und dessen Beschränkung, AG 1995, 254; Simon, Der „verschwundene“ Aktionär, AG 1996, 540; Spitze/Diekmann, Verbundene Unternehmen als Gegenstand des Interesses von Aktionären – Inhalt des Auskunftsanspruchs nach § 131 Abs. 1 S. 1 und 2 AktG, ZHR 158 (1994), 447; Spindler, Die Reform der Hauptversammlung und der Anfechtungsklage durch das UMAG, NZG 2005, 825; Stützle/Walgenbach, Leitung der Hauptversammlung und Mitspracherecht der Aktionäre in Fragen der Versammlungsleitung, ZHR 155 (1991), 516; Trescher, Auskunftspflicht des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung, BB 1990, 515; E. Vetter, Auskünfte des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung – Gedanken de lege ferenda, in FS Westermann, 2008, S. 1589; Weißhaupt, Modernisierung des Informationsmängelrechts in der Aktiengesellschaft nach dem UMAG-Regierungsentwurf, WM 2004, 705; Wellkamp, Aktionärsschutz, 1998; Wilsing, Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts, DB 2005, 35; Quack, Das Rederecht des Aktionärs in der Hauptversammlung – Eine Selbstverständlichkeit?, in FS Brandner, 1996, S. 113.
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Hauptversammlung
I. Rederecht 1. Grundlagen des Rederechts 1
Grundlage des Rederechts ist § 118 Abs. 1 AktG, wonach die Aktionäre ihre Mitverwaltungsrechte im Wesentlichen in der Hauptversammlung ausüben. Diese Rechte, insbesondere das Frage-, Antrags- und Stimmrecht setzen voraus, dass der Aktionär auch damit zusammenhängende Ausführungen machen darf. Diese müssen sich aber wie alle Mitverwaltungsrechte auf „Angelegenheiten der Gesellschaft“ beziehen (vgl. §§ 118 Abs. 1, 131 Abs. 1 Satz 2 AktG). Ein Rederecht besteht deshalb von vornherein nicht zu Angelegenheiten, die mit der Gesellschaft oder ihren Beziehungen zu verbundenen Unternehmen (vgl. § 131 Abs. 1 Satz 2 AktG) nichts zu tun haben, wie z.B. zu allgemein politischen Fragen. Bei solchen Ausführungen kann der Versammlungsleiter dem betreffenden Redner ohne weiteres ins Wort fallen und nur noch Ausführungen zu Angelegenheiten der Gesellschaft zulassen. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es nicht1.
2
Das Rederecht kann bislang nur persönlich in der Hauptversammlung ausgeübt werden. Nach dem geplanten Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie sollen die Gesellschaften in der Satzung jedoch vorsehen können, dass alle oder einzelne Teilnahmerechte auch von außerhalb der Hauptversammlung im Wege der elektronischen Kommunikation ausgeübt werden2. Die Bestimmung der Einzelheiten kann dem Vorstand überlassen werden. Wird von dieser Ermächtigung für das Rederecht Gebrauch gemacht, stellt sich zusätzlich zu den nachstehenden Überlegungen die Frage, wie ein elektronisches Rederecht in die Diskussion auf der Hauptversammlung integriert und, bei ausufernden Beiträgen, sinnvoll begrenzt werden kann. 2. Reihenfolge der Redner
3
Das Gesetz enthält keine Bestimmung darüber, in welcher Reihenfolge redewilligen Aktionären das Wort zu erteilen ist. Erfolgen die Wortmeldungen spontan, z.B. durch Handaufheben, so wird die Worterteilung in der Regel der Reihenfolge der Wortmeldungen entsprechen. Werden die Wortmeldungen schriftlich, z.B. über Wortmeldezettel, eingereicht, so stellt sich häufig die Frage, ob der Versammlungsleiter an die zeitliche Reihenfolge dieser Wortmeldungen gebunden ist. Diese Frage ist zu verneinen. Der Versammlungsleiter kann im Rahmen seiner Aufgabe, für eine sachgerechte Abwicklung der Hauptversammlung sorgen, von der Reihenfolge der Wortmeldungen abweichen, wenn er dies für sinnvoll erachtet3. Ein Gesichtspunkt kann dabei z.B. sein, dass die Sprecher von Aktionärsvereinigungen, die für eine Vielzahl von Aktionären sprechen, zuerst aufgerufen werden. In der Rednerliste vorgezogen werden können z.B. auch Aktionäre, die einen Gegenantrag gestellt haben und diesen begründen wollen. Leitlinie für die Festlegung der Reihenfolge der Redner muss stets sein, dass bei verhandlungsökonomischer Führung der Versammlung eine umfassende Sachdiskussion ermöglicht wird.
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Manche Satzungen4 sehen ausdrücklich vor, dass der Versammlungsleiter die Reihenfolge der Redner bestimmt. Rechtlich notwendig ist eine solche Regelung nicht; sie 1 Vgl. Quack in FS Brandner, 1996, S. 113, 117 f. 2 Vgl. § 118 Abs. 1 Satz 2 und 3 AktG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008. 3 Vgl. Barz in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1973, § 119 AktG Anm. 36; Hüffer, § 129 AktG Rz. 19; Martens, Leitfaden, S. 18, 49; Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 43; Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 527 f. 4 Vgl. z.B. § 19 Abs. 2 der Satzung der Deutschen Bank AG.
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Marsch-Barner
§ 34
Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung
kann bei Streitigkeiten mit Rednern, die auf ihrem zeitgemäßen Aufruf bestehen, allerdings hilfreich sein. Wortmeldungen zur Geschäftsordnung haben grundsätzlich keinen zeitlichen Vorrang1. Rechtlich relevant sind sie allenfalls dann, wenn Anträge gestellt werden, über die die Hauptversammlung zu entscheiden hat. Ob ein solcher Antrag gestellt werden soll, lässt sich der Wortmeldung jedoch meist nicht entnehmen. Häufig geht es nur um Kommentare oder Anregungen zur Versammlungsleitung. Solche Wortmeldungen müssen schon von ihrem Gegenstand her nicht vorgezogen werden.
5
3. Grenzen des Rederechts Da die Hauptversammlung in der Regel nur für einen Tag einberufen wird, muss sie an diesem Tag auch abgewickelt werden. Dies ist zwar nicht unumstritten; da jedoch das Risiko besteht, dass nach Mitternacht gefasste Beschlüsse anfechtbar oder nichtig sind (siehe dazu oben § 32 Rz. 40), ist für die Diskussion eine natürliche Grenze gesetzt2. Um noch rechtzeitig vor Mitternacht alle Abstimmungen durchführen zu können, muss die Aussprache je nach voraussichtlicher Dauer der Abstimmung bis spätestens 22.00 Uhr oder 22.30 Uhr beendet sein. In einer Hauptversammlung, die morgens um 10.00 Uhr begonnen hat, stehen danach für den Bericht der Verwaltung und die Aussprache rund 12 Stunden zur Verfügung. Ob eine so lange Hauptversammlung überhaupt noch zumutbar ist, erscheint durchaus fraglich3.
6
a) Allgemeine Redezeitbeschränkung Angesichts des zeitlich begrenzten Rahmens für die Durchführung der Hauptversammlung kann es bei einer Vielzahl von Wortmeldungen notwendig sein, die Redezeit für alle Aktionärssprecher zu begrenzen, wenn ohne diese Maßnahme zu befürchten ist, dass die für die Aussprache zur Verfügung stehende Zeit überschritten wird. Dies kann je nach Situation schon zu Beginn der Hauptversammlung oder erst in deren Verlauf geschehen. Für eine solche generelle Beschränkung der Redezeit ist nach h.M. allein der Versammlungsleiter zuständig4. Diese Zuständigkeit steht dem Versammlungsleiter aus eigenem Recht zu; er leitet sie nicht von der Hauptversammlung ab. Er kann sie deshalb auch nicht ganz oder teilweise auf die Hauptversammlung delegieren; diese kann ihm seine Zuständigkeit auch nicht entziehen5. 1 Vgl. Martens, Leitfaden, S. 51; Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 43; a.A. Kuhnt in FS Lieberknecht, 1997, S. 45, 51 f. 2 Vgl. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 57; Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 47; Fischer in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 11 Rz. 121; für Nichtigkeit Linnerz, NZG 2006, 208, 210 und Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 131; a.A. Happ/Freitag, AG 1998, 493. 3 Vgl. Max, AG 1991, 77, 90 und Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 47, die eine Schließung nach höchstens 10 Stunden für erforderlich halten; für 12 Stunden als Obergrenze Martens, WM 1981, 1010 Fn. 3 und Wicke in Spindler/Stilz, Anh. § 119 AktG Rz. 9. 4 Barz in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1973, § 119 AktG Anm. 33; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 119 AktG Rz. 84; Reger in Bürgers/Körber, § 129 AktG Rz. 45; Wicke in Spindler/Stilz, Anh. § 119 AktG Rz. 9; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 129 AktG Rz. 45; Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 48; Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 540; Schaaf, Rz. 550; Siepelt, AG 1995, 254, 258 f. m.w.N.; für Zuständigkeit der Hauptversammlung noch Eckardt in G/H/E/K, 1974, Vorb. § 118 AktG Rz. 46; vgl. auch BVerfG v. 20.9.1999 – 1 BvR 636/95, ZIP 1999, 1798, 1800 = AG 2000, 74. 5 Vgl. Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 520; BGH v. 11.11.1965 – II ZR 122/63, BGHZ 44, 245, 248 = AG 1966, 28.
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§ 34
Hauptversammlung
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Bei der Anordnung einer allgemeinen Redezeitbegrenzung hat sich der Versammlungsleiter von den Kriterien der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit leiten lassen1. Gibt es zu Beginn der Aussprache nur wenige Wortmeldungen, kommt eine Redezeitbegrenzung in aller Regel nicht in Betracht. Liegen schon zahlreiche Wortmeldungen vor, so ist der Versammlungsleiter zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Redezeit zu begrenzen. Soweit dies für den ordnungsgemäßen Ablauf der Versammlung ausreichend erscheint, kann er zunächst alle Redner um möglichst kurze Beiträge bitten. Ein anfänglicher Appell zur freiwilligen Einhaltung einer Redezeit von z.B. 15 oder 10 Minuten kann mit einem optischen Signal (Leuchte am Rednerpult) verbunden werden, um dem Redner anzuzeigen, wann die (unverbindliche) Zeitvorgabe überschritten ist2. Stellt sich heraus, dass eine solche Aufforderung nicht genügend beachtet wird, kann sodann eine förmliche Redezeitbegrenzung angeordnet werden. Ein vorangegangener Appell zur Selbstdisziplin ist dafür nicht Voraussetzung3.
9
Für den Umfang der Redezeitbeschränkung wird z.T. eine Mindest-Redezeit von zehn4 oder fünf5 Minuten angenommen. Eine absolute Untergrenze lässt sich insoweit jedoch nicht aufstellen. Es sind durchaus Situationen denkbar, die wegen der fortgeschrittenen Zeit und der Vielzahl der Wortmeldungen auch eine weitergehende Beschränkung rechtfertigen6.
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Die Redezeit kann u.U. auch im Verlauf der Aussprache weiter verkürzt werden mit der Folge, dass Redner, die später zu Wort kommen, eine kürzere Redezeit haben als diejenigen, die am Anfang aufgerufen wurden7. Eine solche sukzessive Redezeitbegrenzung ist zulässig; sie enthält insbesondere keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a AktG)8.
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Besteht eine allgemeine Redezeitbegrenzung, so gilt diese für jeden Redner einzeln. Eine „Übertragung“ der Redezeit eines Sprechers auf einen anderen ist nicht möglich. 1 Barz in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1973, § 119 AktG Anm. 29; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 119 AktG Rz. 91; Kuhnt in FS Lieberknecht, 1997, S. 45, 49; LG Frankfurt v. 22.2.1984 – 3/9 O 123/83, ZIP 1984, 321, 324 = AG 1984, 192; LG Stuttgart v. 27.4.1994 – 7 KfH O 122/93, AG 1994, 425, 426. 2 Vgl. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 60; Fischer in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 11 Rz. 124. 3 Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 153; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 153; a.A. LG Stuttgart v. 27.4.1994 – 7 KfH O 122/93, AG 1994, 425, 426. 4 So z.B. Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 48; Max, AG 1991, 77, 91; offener für Beiträge zur Geschäftsordnung Hüffer, § 129 AktG Rz. 20. 5 Dafür Fischer in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 11 Rz. 145. 6 Vgl. LG Stuttgart v. 27.4.1994 – 7 KfH O 122/93, AG 1994, 425 ff., wo es um eine Verkürzung der Redezeit von zunächst 15 Minuten auf später 10 und sodann 5 Minuten bzw. 3 Minuten für Redner, die bereits gesprochen hatten, ging; zustimmend Hüffer, § 129 AktG Rz. 20; Siepelt, AG 1995, 254, 257; vgl. auch Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 154; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 153 und Martens, Leitfaden, S. 61. 7 Vgl. LG Stuttgart v. 27.4.1994 – 7 KfH O 122/93, AG 1994, 425, 426; BVerfG v. 20.9.1999 – 1 BvR 636/95, ZIP 1999, 1798 = AG 2000, 74; dazu auch Max, AG 1991, 91; Martens, Leitfaden, S. 37; Steiner, § 10 Rz. 4. 8 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 60; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 153; Reichert in Beck’sches Hdb. AG, § 5 Rz. 196; Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 48; ebenso Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 153 und Hennerkes/Kögel, DB 1999, 81, 85, die aber für jede Verschärfung einen neuen Sachgrund fordern; LG Stuttgart v. 27.4.1994 – 7 KfH O 122/93, AG 1994, 425, 426; zu Unrecht zweifelnd OLG Stuttgart v. 15.2.1995 – 3 U 118/94, AG 1995, 234.
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§ 34
Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung
Ebenso wenig kann ein Redner, der für mehrere Aktionäre spricht, deswegen mehrere Redezeiten in Anspruch nehmen1. Eine Beschränkung der Redezeit führt nicht ohne weiteres auch zu einer Einschränkung des Fragerechts des Aktionärs. Die für die Stellung von Fragen verwendete Zeit darf deshalb grundsätzlich nicht auf die allgemeine Redezeit angerechnet werden2. Nach § 131 Abs. 2 Satz AktG kann die Satzung oder die Geschäftsordnung für die Hauptversammlung (§ 129 Abs. 1 Satz 1 AktG) den Versammlungsleiter aber ermächtigen, das Frage- und Rederecht des Aktionärs zeitlich angemessen zu beschränken. Auf Grund einer solchen Satzungsbestimmung kann der Versammlungsleiter einen einheitlichen zeitlichen Rahmen für die Redebeiträge der Aktionäre setzen, ohne zwischen Rede- und Fragerecht unterscheiden zu müssen3. Welche zeitliche Beschränkung angemessen ist, lässt das Gesetz zwar offen. Die Begründung verweist aber darauf, dass eine normale Hauptversammlung ohne Strukturmaßnahmen nicht länger als vier bis sechs Stunden dauern sollte4. Eine zeitliche Beschränkung, die sich in diesem Rahmen bewegt, ist daher rechtmäßig5. Die gesetzliche Ermächtigung eröffnet im Übrigen einen weiten Gestaltungsspielraum6. Möglich sind Bestimmungen, auf deren Grundlage der Versammlungsleiter angemessene Zeitgrenzen für das Fragerecht allein oder für Frage- und Rederecht zusammen für alle oder für einzelne Redner setzen kann. Solche Grenzen können schon zu Beginn der Hauptversammlung oder erst in deren Verlauf und dabei auch zu einzelnen Tagesordnungspunkten erlaubt werden. Wie eine solche Ermächtigung im Einzelfall umzusetzen ist, bleibt allerdings dem Versammlungsleiter vorbehalten. Die Satzung kann daher nicht schon selbst konkrete Zeitvorgaben festlegen7. Bei der Ausfüllung der Ermächtigung hat der Versammlungsleiter ein weites Ermessen8. Fehlt eine Ermächtigung nach § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG, so ist der Versammlungsleiter wie schon vor dem UMAG zu einer Beschränkung des Rederechts berechtigt. Dies gilt auch für Beschränkungen des Fragerechts, sofern diese zur ordnungsgemäßen Erledigung der Tagesordnung erforderlich sind9.
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Besteht eine allgemeine Rede- und/oder Fragezeitbeschränkung, ist sie unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung auch durchzusetzen. Sprecher, deren Sprechzeit abgelaufen ist, sind demgemäß aufzufordern, ihre Ausführungen zu beenden und
13
1 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 62; Grüner, NZG 2000, 770, 774; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 154; LG Stuttgart v. 27.4.1994 – 7 KfH O 122/93, WuB II A. § 119 AktG 1.95 Butzke = AG 1994, 425. 2 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 59; Hüffer, § 129 AktG Rz. 30; Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 48; Martens, WM 1981, 1010, 1019; Quack, AG 1985, 145, 148, 149; BGH v. 11.11.1965 – II ZR 122/63, BGHZ 44, 245, 252 = AG 1966, 28; OLG Stuttgart v. 15.2.1995 – 3 U 118/94, AG 1995, 234, 235; a.A. Mutter, Auskunftsansprüche des Aktionärs in der HV, S. 63. 3 Vgl. den Formulierungsvorschlag bei Weißhaupt, ZIP 2005, 1766, 1769 und Pühler in Happ, Aktienrecht, Muster 1.01 § 20 Abs. 3. 4 Begr. RegE UMAG, BR-Drucks. 3/05, S. 32; vgl. auch Ziff. 2.2.4 DCGK. 5 Hüffer, § 131 AktG Rz. 22a; Mutter, AG 2006, R 380 f.; vgl. auch Seibert, WM 2005, 157, 160 und Wilsing, DB 2005, 35, 49. 6 Vgl. LG Frankfurt v. 28.11.2006 – 3-5 O 93/06, NZG 2007, 155, 156 = AG 2007, 505. 7 OLG Frankfurt v. 12.2.2008 – 5 U 8/07, NZG 2008, 432; gegen Vorinstanz LG Frankfurt v. 28.11.2006 – 3-5 O 93/06, NZG 2007, 155 = AG 2007, 505. 8 Spindler, NZG 2005, 825, 826; Reger in Bürgers/Körber, § 131 AktG Rz. 18; LG Frankfurt v. 28.11.2006 – 3-5 O 93/06, NZG 2007, 155, 156 = AG 2007, 505; zu einer Differenzierung nach dem Stimmrecht Holzborn/Bunnemann, BKR 2005, 51, 54. 9 Hüffer, § 131 AktG Rz. 22b; Mutter, AG 2006, R 380; a.A. Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 131 AktG Rz. 57.
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§ 34
Hauptversammlung
ggf. das Rednerpult zu räumen. Im Weigerungsfalle können sie gewaltsam aus dem Saal entfernt werden1. 14
Sind alle Redner zu Wort gekommen und stellt sich dann heraus, dass noch Zeit für eine Fortsetzung der Diskussion besteht, so ist die Rede- und/oder Fragezeitbeschränkung für etwaige weitere Wortmeldungen wieder aufzuheben2. Auch die Entscheidung darüber liegt allein in der Verantwortung des Versammlungsleiters3.
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Von der allgemeinen Redezeitbeschränkung ist die Beschränkung der Rede- und/oder Fragezeit einzelner Sprecher zu unterscheiden. Auch zu solchen individuellen Ordnungsmaßnahmen ist der Versammlungsleiter berechtigt, und zwar unabhängig davon, ob eine allgemeine Beschränkung bereits angeordnet ist oder nicht. Die Beschränkung der Rede- und/oder Fragezeit eines oder mehrerer einzelner Redner muss allerdings sachlich erforderlich sein. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn ein Redner von seinem Rederecht in unsachlicher, ungehöriger oder ausufernder Weise, insbesondere durch ständige Wiederholungen Gebrauch macht und dadurch den ordnungsgemäßen Ablauf der Hauptversammlung stört4.
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Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit muss der betreffende Redner regelmäßig vorher abgemahnt werden. Erst wenn diese Abmahnung erfolglos geblieben ist, kann die weitere Redezeit des Sprechers eingeschränkt werden5. Die individuelle Redezeitbeschränkung muss außerdem auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aller Aktionäre gerechtfertigt sein6.
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Auch bei der individuellen Redezeitbegrenzung muss das Fragerecht des Aktionärs grundsätzlich gewahrt bleiben. Die Berufung auf das Auskunftsrecht darf aber nicht missbraucht werden, um die Redezeitbegrenzung zu unterlaufen. In solchen Fällen kann es zulässig sein, dem Aktionär das Wort zu entziehen und ihm das Wort auch nicht erneut zu erteilen, wenn er vorgeblich nur noch Fragen stellen will7.
b) Individuelle Redezeitbeschränkung
c) Wortentzug 18
Wird eine generell oder individuell begrenzte Rede- und/oder Fragezeit überschritten und auch eine daraufhin erfolgende Abmahnung missachtet, so ist der Versammlungsleiter berechtigt, dem betreffenden Redner das Wort zu entziehen. Diese Möglichkeit ist auch gegeben, um beleidigende, unsachliche oder an der Sache vorbeigehende Ausführungen sowie ständige Wiederholungen endgültig zu unterbinden8. 1 Vgl. LG Stuttgart v. 27.4.1994 – 7 KfH O 122/93, AG 1994, 425, 427; offengelassen von OLG Stuttgart v. 15.2.1995 – 3 U 118/94, AG 1995, 234, beide zum Fall Wenger/Daimler Benz sowie BVerfG v. 20.9.1999 – 1 BvR 636/95, AG 2000, 74 f. zu der erfolglosen Verfassungsbeschwerde. 2 Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 155. 3 Hüffer, § 129 AktG Rz. 21; a.A. Max, AG 1991, 77, 91. 4 Vgl. Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 158; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 119 AktG Rz. 85; Quack, AG 1985, 145, 147; Siepelt, AG 1995, 254, 258; BGH v. 11.11.1965 – II ZR 122/63, BGHZ 44, 245, 255 = AG 1966, 425; LG Frankfurt v. 22.2.1984 – 3/9 O 123/83, ZIP 1984, 321, 324 = AG 1984, 192. 5 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 65; Fischer in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 11 Rz. 133; Grüner, NZG 770, 774; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 159; Max, AG 1991, 77, 93; Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 51; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 129 AktG Rz. 50. 6 Vgl. dazu LG Frankfurt v. 22.2.1984 – 3/9 O 123/83, ZIP 1984, 321, 324 = AG 1984, 192. 7 Vgl. Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 542; Schaaf, Rz. 587. 8 Vgl. Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 119 AktG Rz. 86; Schaaf, Rz. 589; Siepelt, AG 1995, 254, 259.
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§ 34
Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung d) Saalverweis
Als letztes Mittel gegen Redner, die ihr Rederecht missbrauchen, steht dem Versammlungsleiter der Saalverweis zur Verfügung. Dieses Ordnungsmittel kommt wegen seiner einschneidenden Wirkung erst in Betracht, wenn andere Ordnungsmaßnahmen erfolglos waren und der Saalverweis als einziges Mittel erscheint, um die ordnungsgemäße Fortführung der Hauptversammlung zu gewährleisten. Dies ist bei bewussten Störaktionen wie Randalieren oder tätlichen Angriffen ohne weiteres zu bejahen1. Ein Saalverweis kann aber auch gegenüber einem Redner z.B. bei groben Beleidigungen gegenüber Mitgliedern der Verwaltung oder Mitaktionären gerechtfertigt sein. Er ist außerdem zulässig, um die Beachtung einer Redezeitbegrenzung durchzusetzen2.
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Ob und wann ein Saalverweis angeordnet und erforderlichenfalls mit Hilfe der Saalordner gewaltsam durchgesetzt wird, ist jeweils sorgfältig abzuwägen. Zwangsmaßnahmen gegen einzelne Redner führen nicht selten zu einer Solidarisierung der anderen Hauptversammlungsteilnehmer und erhöhen damit die Spannung. Neben den rechtlichen Voraussetzungen muss der Versammlungsleiter deshalb auch die psychologischen Auswirkungen einer solchen Maßnahme auf den weiteren Versammlungsablauf bedenken. Ein rechtswidriger Saalverweis ist zudem ein Anfechtungsgrund3.
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Es empfiehlt sich, einem aus dem Saal entfernten Aktionär Gelegenheit zu geben, die Versammlung in einem Nebenraum weiter über einen Monitor zu verfolgen und an den Abstimmungen teilzunehmen. Zu diesem Zweck ist entweder Gelegenheit zur Vollmachtserteilung4 zu geben oder – nach einer „Abkühlungszeit“ – der Zutritt zur Hauptversammlung wieder zu gestatten.
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4. Schließung der Rednerliste Zu den Befugnissen des Versammlungsleiters gehört auch, die Rednerliste zu schließen, d.h. keine weiteren Wortmeldungen mehr entgegenzunehmen. Die bereits abgegebenen Wortmeldungen werden dabei noch erledigt. Diese Maßnahme geht über die generelle Redezeitbegrenzung hinaus, da sie die Aussprache beendet. Sie ist deshalb nur zulässig, wenn anders die rechtzeitige Beendigung der Hauptversammlung nicht sichergestellt werden kann5. Eine Schließung der Rednerliste schon dann, wenn die Erörterung der Tagesordnung insgesamt oder in einzelnen ihrer Punkte argumentativ erschöpft ist, ist rechtlich problematisch6. Die Schließung der Rednerliste braucht nicht angekündigt zu werden7.
1 Vgl. zu einem Saalverweis nach Podiumsbeschimpfung OLG Bremen v. 18.1.2007 – 2 U 113/06, NZG 2007, 468. 2 Vgl. LG Stuttgart v. 27.4.1994 – 7 KfH O 122/93, AG 1994, 425, 427; OLG Stuttgart v. 15.2.1995 – 3 U 118/94, AG 1995, 234 ff.; BVerfG v. 20.9.1999 – 1 BvR 636/95, AG 2000, 74, 75. 3 LG Köln v. 6.7.2005 – 82 O 150/04, AG 2005, 696, 699 f. 4 Vgl. Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 165; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 129 AktG Rz. 50. 5 Vgl. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 63; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 156; Schaaf, Rz. 568 ff. 6 Für Zulässigkeit Martens, Leitfaden, S. 67; Max, AG 1991, 77, 92; a.A. Schaaf, Rz. 570 f. 7 Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 156; a.A. Butzke in Obermüller/ Werner/Winden, HV, D Rz. 63 und Ziemons in K. Schmidt/Lutter, § 129 AktG Rz. 47.
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§ 34 23
Hauptversammlung
Fehlt eine Ermächtigung nach § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG, so lässt die Schließung der Rednerliste das Fragerecht nach bisheriger Ansicht unberührt1. Die Stellung etwaiger Fragen darf danach grundsätzlich nicht abgeschnitten werden. Dies ist bei der Wahl des Zeitpunktes für die Schließung der Rednerliste zu beachten. Zu berücksichtigen sind dabei die voraussichtlichen Redezeiten der noch zugelassenen Redner und die Zeit, die für die Beantwortung etwaiger Fragen benötigt wird. Auch ohne Satzungsregelung gemäß § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG kann die Rednerliste aber geschlossen werden, wenn das Fragerecht missbraucht wird oder die Hauptversammlung sonst nicht rechtzeitig beendet werden kann2. 5. Schluss der Debatte
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Mit der Anordnung des Schlusses der Debatte wird die Aussprache beendet. Auch solche Aktionäre, die sich bereits zu Wort gemeldet haben, dürfen nicht mehr sprechen. Den Aktionären wird damit nicht nur ihr Rederecht, sondern auch ihr Fragerecht genommen3. Von dieser Befugnis darf der Versammlungsleiter nur Gebrauch machen, wenn für eine weitere Aussprache keine Zeit verbleibt4. Der subjektive Eindruck, dass „alles Wichtige“ bereits gesagt ist und neue Gesichtspunkte nicht zu erwarten sind, reicht nicht aus. Ist die Diskussion tatsächlich beendet und liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, so kann der Versammlungsleiter die Aussprache ohne weiteres schließen. Diese Feststellung hat dann nur deklaratorische Bedeutung5.
II. Auskunftsrecht 1. Kollektive Informationsrechte 25
Das Aktiengesetz regelt die Informationsrechte der Aktionäre in zweierlei Hinsicht, nämlich als Informationsrecht aller Aktionäre im Vorfeld der Hauptversammlung und als Informationsrecht derjenigen Aktionäre, die an der Hauptversammlung teilnehmen. Zu dem kollektiven Informationssystem gehören zunächst die Vorschriften über die Einberufung der Hauptversammlung unter Mitteilung der Tagesordnung und der Beschlussvorschläge (§§ 121 ff. AktG, siehe dazu § 32 Rz. 8 ff.). Für einzelne Tagesordnungspunkte sind der Hauptversammlung ergänzend Unterlagen vorzulegen, die entweder allgemein der Rechenschaftslegung oder der Vorbereitung auf bestimmte Beschlussfassungen dienen. Zur ersten Gruppe gehören insbesondere die Unterlagen zur Rechnungslegung, also der Jahres- und Konzernabschluss nebst Lageberichten sowie der Gewinnverwendungsvorschlag und der Bericht des Aufsichtsrates (§§ 175 Abs. 2, 176 Abs. 1 AktG). Diese Unterlagen werden der Hauptversammlung lediglich zur Kenntnisnahme vorgelegt; eine darauf bezogene Beschlussfassung findet – von der selten vorkommenden Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung abgesehen (§ 173 AktG) – in der Regel nicht statt. Zur zweiten Gruppe gehören
1 Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 541; Fischer in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 11 Rz. 150; Martens, Leitfaden, S. 66; Schaaf, Rz. 569. 2 LG München I v. 26.4.2007 – 5 HK O 12848/06, Der Konzern 2007, 448, 456. 3 LG München I v. 26.4.2007 – 5 HK O 12848/06, Der Konzern 2007, 448, 456; Martens, Leitfaden, S. 68; Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 541; Schaaf, Rz. 574; a.A. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 64 und Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 50. 4 Vgl. Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 157 sowie OLG Frankfurt v. 5.11.2007 – 5 W 22/07, ZIP 2008, 138, 144 = AG 2008, 167. 5 Vgl. Schaaf, Rz. 578.
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§ 34
Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung
die Vorstandsberichte (siehe dazu § 32 Rz. 80 ff.) zu einzelnen Beschlussvorschlägen sowie Verträge, denen die Hauptversammlung zustimmen soll (siehe § 32 Rz. 51). Die Vorlage dieser Unterlagen bedeutet, dass sie von der Einberufung der Hauptversammlung an und während dieser zur Einsichtnahme auszulegen sind; auf Verlangen ist jedem Aktionär eine kostenlose Abschrift zu erteilen (vgl. z.B. §§ 175 Abs. 2, 179a Abs. 2, 293 f. AktG, § 63 UmwG). Dies gilt trotz fehlender ausdrücklicher Vorschrift auch z.B. für den Vorstandsbericht nach § 186 Abs. 4 AktG1. Wer vor der Hauptversammlung Einsicht oder Abschrift begehrt, muss sich als Aktionär, z.B. durch Vorlage einer Bankbescheinigung, ausweisen2.
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Als Ort der Auslegung vor der Hauptversammlung nennt das Gesetz den „Geschäftsraum“ der Gesellschaft. Darunter wird der Ort verstanden, an dem sich die Hauptverwaltung befindet. Hat der Vorstand seine Geschäftsräume an einem anderen Ort, sollten die Unterlagen sicherheitshalber auch dort ausgelegt werden3. Die Auslegungspflicht soll künftig allerdings durch eine Bekanntmachung auf der Internetseite der Gesellschaft ersetzt werden4.
27
Bei der Auslegung während der Hauptversammlung sollte sichergestellt werden, dass die Unterlagen leicht zugänglich, etwa an einem Informationsstand, zur Verfügung stehen. Der Versammlungsleiter sollte darauf hinweisen, wo z.B. ein Vertrag eingesehen werden kann5. Das Recht der Aktionäre zur Einsichtnahme bezieht sich in der Regel auf den vollen Vertragswortlaut6 und, wenn der Originalvertrag z.B. in englisch abgefasst ist, auf eine deutsche Übersetzung7.
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Wird gegen die Vorlagepflicht verstoßen, so ist ein Hauptversammlungsbeschluss, der hierauf beruht, gemäß § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar. Nach der so genannten Relevanztheorie ist die Anfechtbarkeit bei solchen Verfahrensfehlern regelmäßig gegeben8.
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2. Individuelles Auskunftsrecht a) Beschränkung auf die Hauptversammlung Neben den kollektiven Informationsrechten sieht § 131 AktG ein individuelles Auskunftsrecht jedes einzelnen Aktionärs vor. Dieses Recht kann, anders als z.B. das Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters (§ 51a GmbHG) nicht jederzeit, sondern nur in der Hauptversammlung ausgeübt werden. Anfragen, die z.B. während des Geschäftsjahres an den Vorstand gerichtet werden, brauchen demgemäß nicht beantwor1 Hüffer, § 186 AktG Rz. 23; Lutter in KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1995, § 186 AktG Rz. 57; LG Heidelberg v. 16.3.1988 – O 6/88 KfH II, ZIP 1988, 1257, 1258. 2 Vgl. LG Hagen v. 8.12.1964 – 8 HO 132/64, AG 1965, 82; Hüffer, § 175 AktG Rz. 5 m.w.N. 3 Vgl. Hüffer, § 175 AktG Rz. 5. 4 Vgl. §§ 186 Abs. 4 Satz 2, 293g Abs. 1, 319 Abs. 3 Satz 3, 327c Abs. 5, 327d Satz 1 AktG und §§ 62 Abs. 3 Satz 7, 63 Abs. 4, 64 Abs. 1 Satz 1, 230 Abs. 2 Satz 3, 232 Abs. 1, 239 Abs. 1 UmwG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008. 5 Vgl. OLG Frankfurt v. 17.11.1992 – 5 U 285/86, BB 1992, 2458 f. = AG 1993, 185. 6 BGH v. 15.1.2001 – II ZR 124/99 – „Altana/Milupa“, ZIP 2001, 416, 418 = AG 2001, 261 in Analogie zu § 179a Abs. 2 AktG. 7 LG München I v. 3.5.2001 – 5 HKO 2390/00 – „Direkt Anlage Bank/Self Trade“, ZIP 2001, 1148, 1150; OLG Dresden v. 23.4.2003 – 18 U 1976/02 (Bewertungsgutachten); OLG Schleswig v. 8.12.2005 – 5 U 57/04, WM 2006, 231, 235 = AG 2006, 120; Hüffer, § 119 AktG Rz. 19; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 119 AktG Rz. 44. 8 Vgl. Hüffer, § 175 AktG Rz. 5 und § 243 AktG Rz. 18.
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tet zu werden. Allerdings ist es zulässig, auf solche außerhalb der Hauptversammlung gestellten Fragen einzugehen. In der nächsten Hauptversammlung kann dann aber jeder andere Aktionär dieselben Informationen verlangen (§ 131 Abs. 4 AktG, siehe dazu unten Rz. 66). b) Auskunftsberechtigter 31
Auskunftsberechtigt ist jeder Aktionär, unabhängig davon, ob er stimmberechtigt ist oder nicht und wie hoch seine Beteiligung ist. Zur Auskunft berechtigt ist auch jeder bevollmächtigte Aktionärsvertreter sowie der so genannte Legitimationsaktionär1. Kein Auskunftsrecht haben dagegen z.B. Gäste und Pressevertreter.
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Das individuelle Auskunftsrecht dient sowohl der Information des fragenden Aktionärs als auch der anderen an der Hauptversammlung teilnehmenden Aktionäre. Deshalb ist eine Auskunft grundsätzlich auch dann zu erteilen, wenn der Fragesteller die Antwort bereits kennt2. Andererseits brauchen die Fragen eines Aktionärs nicht mehr beantwortet zu werden, wenn dieser die Hauptversammlung vor der Beantwortung verlassen hat. In einem solchen vorzeitigen Verlassen liegt ein konkludenter Verzicht auf das Auskunftsrecht. Dies gilt allerdings nicht, wenn ein anderer Aktionär die Nichtbeantwortung rügt oder sich die Fragen des „verschwundenen“ Aktionärs zu eigen macht3. Dies muss sich auf konkrete Fragen beziehen; ein pauschales Sich-zu-eigen-Machen aller Redebeiträge genügt nicht4. c) Auskunftsverpflichteter
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Auskunftspflichtig ist die Gesellschaft; für diese wird, wie § 131 Abs. 1 AktG klarstellt, der Vorstand als Geschäftsführungsorgan tätig. Von anderen Personen kann demgemäß grundsätzlich keine Auskunft verlangt werden; dies gilt z.B. für den Abschlussprüfer (§ 176 Abs. 2 Satz 2 AktG), aber auch z.B. für einen Sonderprüfer, dessen Bericht der Hauptversammlung vorgelegt wird (vgl. § 145 Abs. 4 Satz 5 AktG).
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Für den Vorstand antwortet in der Regel entweder sein Vorsitzender oder das fachlich zuständige Vorstandsmitglied. Zulässig, wenn auch seltener ist, dass Mitarbeiter, die mit einer bestimmten Materie besonders vertraut sind, für den Vorstand als „Auskunftsgehilfen“ antworten. Eine solche Delegation der Fragenbeantwortung ist zulässig; rechtlich handelt es sich dabei um eine Auskunftserteilung durch den Vorstand5.
1 Vgl. LG Heilbronn v. 6.3.1967 – KfH AktE 1/67, AG 1967, 81 m. Anm. Henn. 2 Vgl. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, G Rz. 30; Nitschke/Bartsch, AG 1969, 95, 99; OLG Düsseldorf v. 22.7.1986 – 19 W 2/86, AG 1987, 22, 23; a.A. Vorinstanz LG Dortmund v. 25.10.1985 – 18 AktE 2/85, AG 1987, 21, 22. 3 Vgl. LG Mainz v. 13.7.1987 – 10 HO 141/86, AG 1988, 169; Butzke in Obermüller/Werner/ Winden, HV, G Rz. 30; Simon, AG 1996, 540; Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 12 Rz. 108; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 131 AktG Rz. 79; a.A. Semler in MünchHdb. AG, § 37 Rz. 25; einschränkend auch Kubis in FS Lieberknecht, 1997, S. 172, 183 und in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 32; a.A. de lege ferenda Siems in Spindler/Stilz, § 131 AktG Rz. 17 und E. Vetter in FS Westermann, 2008, S. 1589, 1600 ff. 4 LG Frankfurt v. 24.1.2005 – 3-5 O 61/03, NZG 2005, 937, 938 = AG 2005, 891; OLG Frankfurt v. 17.7.2007 – 5 U 229/05, ZIP 2007, 1463, 1465 = AG 2007, 672; Reger in Bürgers/Körber, § 131 AktG Rz. 6. 5 Vgl. OLG Düsseldorf v. 5.11.1987 – 19 W 6/87, AG 1988, 53; Groß, AG 1997, 97, 99; Hüffer, § 131 AktG Rz. 6; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 19.
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Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung
Nach h.M. ist der Aufsichtsrat und insbesondere dessen Vorsitzender nicht zur Auskunft verpflichtet1. Die Praxis verfährt insofern allerdings anders. So wird in der Hauptversammlung der Bericht des Aufsichtsrates von seinem Vorsitzenden nicht nur erläutert (§ 176 Abs. 1 Satz 2 AktG). Der Aufsichtsratsvorsitzende beantwortet in der Regel auch die dazu gestellten Fragen. Das Gleiche gilt bei allen Fragen im Zusammenhang mit der Entlastung des Aufsichtsrates sowie insbesondere auch bei Fragen zur Vorstandsvergütung, über die der Aufsichtsratsvorsitzende die Hauptversammlung nach dem Kodex unterrichten soll (Ziff. 4. 2. 3 Abs. 6 DCGK)2. Alle diese Auskünfte werden regelmäßig im Einvernehmen mit dem Vorstand erteilt. Mit der h.M. kann deshalb davon ausgegangen werden, dass sich der Vorstand diese Auskünfte konkludent zu eigen macht3.
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d) Auskunftsverlangen Voraussetzung des Anspruchs auf Auskunft ist ein entsprechendes Verlangen in der Hauptversammlung. Dieses muss in der Hauptversammlung mündlich gestellt werden4. Schriftlich eingereichte Fragen sind nur zulässig, wenn sie in der Versammlung zumindest kurz vorgetragen werden, da die erteilten Antworten den übrigen Aktionären sonst nicht verständlich wären5. Nach dem Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie ist vorgesehen, dass das Fragerecht bei entsprechender Satzungsermächtigung auch online ausgeübt werden kann6. Die Regelung der Einzelheiten kann dabei dem Vorstand überlassen werden. Fraglich ist, ob dazu auch ein Verfahren zur angemessenen Begrenzung des Fragerechts gehören kann7.
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Das Auskunftsverlangen muss in deutscher Sprache vorgebracht werden. Auskunftsverlangen in fremder Sprache sind nur zulässig, wenn sie zumindest ihrem wesentlichen Inhalt nach ins Deutsche übersetzt werden8.
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Das Auskunftsverlangen braucht nicht begründet zu werden. Allerdings kann vom Aktionär verlangt werden, dass er darlegt, warum die verlangte Auskunft zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist, wenn ein
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1 Hüffer, § 131 AktG Rz. 6; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 20; Schlitt in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 12 Rz. 96; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 131 AktG Rz. 12; BVerfG v. 20.9.1999 – 1 BvR 636/95, ZIP 1999, 1798, 1800 = AG 2000, 74. 2 Diese Erläuterung ergänzt die Darstellung im Lagebericht, vgl. §§ 289 Abs. 2 Nr. 5, 315 Abs. 2 Nr. 4 HGB. 3 Vgl. Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 91; Hüffer, § 131 AktG Rz. 6; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 20; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 131 AktG Rz. 12; a.A. Trescher, DB 1990, 515 f. 4 OLG Frankfurt v. 17.7.2007 – 5 U 229/05, WM 2007, 1704, 1707 = AG 2007, 672. 5 Vgl. Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 27; LG Köln v. 2.4.1990 – 91 O 132/89, AG 1991, 38; für uneingeschränkte Zulassung schriftlicher Fragen Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 98; Hüffer, § 131 AktG Rz. 8; Semler in MünchHdb. AG, § 37 Rz. 26. 6 Vgl. § 118 Abs. 1 Satz 2 und 3 AktG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008. 7 Zweifelnd die Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses zum ARUG, NZG 2008, 534, 536. 8 Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 25 und § 118 AktG Rz. 56; Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 99; a.A. (Verstehen durch Vorstand genügt) Heidel in Heidel, § 131 AktG Rz. 11; offener Siems in Spindler/Stilz, § 131 AktG Rz. 19 (pragmatisches Vorgehen) und Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 131 AktG Rz. 22 (Ermessen des Versammlungsleiters).
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Hauptversammlung
derartiger Grund nicht erkennbar ist1. Erforderlich ist auch, dass die Fragen einem bestimmten Tagesordnungspunkt zugeordnet werden, andernfalls liegt schon kein wirksames Auskunftsverlangen vor2. 39
Eine vorherige Ankündigung der beabsichtigten Fragen ist grundsätzlich nicht erforderlich. Bei komplizierten Fragen ist dies aber empfehlenswert und u.U. sogar notwendig, damit sich der Vorstand ausreichend vorbereiten kann3. Längere Fragenkataloge sollten deshalb der Gesellschaft ein oder zwei Tage vor der Hauptversammlung übermittelt werden4.
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Stellt der Aktionär lediglich pauschale Fragen, so braucht der Vorstand grundsätzlich ebenfalls nur pauschal zu antworten. Ist der Aktionär damit nicht zufrieden, muss er seinerseits nachfragen5. Einen Anspruch auf Zulassung unbegrenzter Nachfragen gibt es aber nicht6.
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Wird eine umfassende Frage gestellt, die nur teilweise beantwortet zu werden braucht, so ist streitig, ob der Vorstand die Auskunft insgesamt verweigern darf oder zur Teilauskunft verpflichtet ist. Zur Vermeidung von Anfechtungsrisiken sollte solche Fragen vorsorglich auf ihren zulässigen Gehalt reduziert und insoweit beantwortet werden7. e) Auskunftserteilung
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Die verlangte Auskunft ist grundsätzlich mündlich zu erteilen8. Die Antwort braucht dabei nicht unmittelbar im Anschluss an die Frage erteilt zu werden. Der Vorstand 1 Vgl. Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 100; Hüffer, § 131 AktG Rz. 8; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 28; Semler in MünchHdb. AG, § 37 Rz. 22; KG Berlin v. 24.8.1995 – 2 W 4557/94, AG 1996, 135; OLG Düsseldorf v. 17.7.1991 – 19 W 2/91, AG 1992, 34, 35; OLG Hamburg v. 12.12.1969 – 11 W 34/69, AG 1970, 50, 51. 2 BGH v. 15.6.1992 – II ZR 18/91, ZIP 1992, 1227, 1231 f.; OLG Frankfurt v. 17.7.2007 – 5 U 229/05, ZIP 2007, 1463, 1465 f. = AG 2007, 672; Hüffer, ZIP 1996, 401, 407; Reger in Bürgers/ Körber, § 131 AktG Rz. 11; Siems in Spindler/Stilz, § 131 AktG Rz. 28; a.A. BayObLG v. 21.3.2001 – 3 Z BR 318/00, DB 2001, 1138 = AG 2001, 424. 3 Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 97; Hüffer, § 131 AktG Rz. 8; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 29; OLG Frankfurt v. 1.7.1998 – 21 U 166/97, AG 1999, 231, 232; LG Essen v. 8.2.1999 – 44 O 249/98, AG 1999, 329, 332 f.; vgl. auch BGH v. 7.4.1960 – II ZR 143/58, BGHZ 32, 159, 165 f. = AG 1960, 196. 4 Vgl. BGH v. 7.4.1960 – II ZR 143/58, NJW 1960, 1150, 1152 = AG 1960, 196; KG v. 26.8.1993 – 2 W 6111/92, WM 1993, 1845, 1848 = AG 1994, 83 und KG v. 30.6.1994 – 2 W 4531 und 4642/93, WM 1994, 1479, 1485; allgemein zu längeren Fragenkatalogen auch Steiner, § 11 Rz. 49. 5 Vgl. Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 249; Hüffer, § 131 AktG Rz. 21; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 73; Semler in MünchHdb. AG, § 37 Rz. 26; LG Braunschweig v. 6.4.1990 – 22 O 97/89, AG 1991, 36, 37; BayObLG v. 22.12.1988 – BReg. 3 Z 157/88, WM 1989, 371, 375; LG Heidelberg v. 24.9.1997 – O 62/96 KfH II, ZIP 1997, 1787, 1791; OLG Stuttgart v. 11.8.2004 – 20 U 3/04, AG 2005, 94, 96. 6 OLG München v. 8.8.1997 – 23 U 1974/97, ZIP 1997, 1743, 1748 = AG 1997, 516. 7 Vgl. KG v. 24.8.1995 – 2 W 4557/94, WM 1995, 1920, 1927 und OLG Düsseldorf v. 5.11.1987 – 19 W 6/87, AG 1988, 53; abl. Groß, AG 1997, 97, 103. 8 Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 91; Hüffer, § 131 AktG Rz. 22; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 77; BGH v. 9.2.1987 – II ZR 119/86, BGHZ 101, 1, 15 = AG 1987, 344; BGH v. 5.4.1993 – II ZR 238/91, BGHZ 122, 211, 236 = AG 1993, 422; OLG Düsseldorf v. 17.7.1991 – 19 W 2/91, WM 1991, 2148; LG Heidelberg v. 7.8.1996 – II KfH O 4/96, AG 1996, 523, 524.
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Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung
kann z.B. mehrere Redner abwarten oder seine Antworten thematisch zusammenfassen. Eine Verpflichtung zu Nachweisen besteht nicht. Der Aktionär hat weder einen Anspruch auf schriftliche Auskunft noch auf Einsichtnahme in Unterlagen der Gesellschaft1. Nur bei Vorlage eines verkürzten Jahresabschlusses kann die Vorlage eines vollständigen Jahresabschlusses verlangt werden (§ 131 Abs. 1 Satz 3 AktG). Ausnahmsweise darf der Vorstand den fragenden Aktionär während der Hauptversammlung auf eine vorhandene Aufstellung von Zahlen und Daten verweisen, wenn dies eine schnellere und zuverlässigere Unterrichtung ermöglicht. Dabei muss sichergestellt sein, dass auch die übrigen Aktionäre diese Unterlagen einsehen können2.
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Der Aktionäre kann sich auch mit einer schriftlichen Beantwortung nach Beendigung der Hauptversammlung einverstanden erklären; er muss sich darauf aber nicht verweisen lassen3.
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Auch bei Fragen nach dem Inhalt von Verträgen oder Gutachten genügt grundsätzlich eine mündliche Auskunft. Eine Verlesung kann nur in Ausnahmefällen verlangt werden, wenn es auf die Kenntnis des genauen Wortlauts ankommt. Der Vorstand ist dann gut beraten, wenn er die betreffenden Textstellen wörtlich wiedergibt4. Die Verlesung eines vollständigen Vertragswerkes ist regelmäßig nicht erforderlich5. Eine Verlesung von Unterlagen, die zur Einsichtnahme ausliegen, kann auf keinen Fall verlangt werden6.
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Der Vorstand ist verpflichtet, sich auf die in der Hauptversammlung zu erwartenden Fragen angemessen vorzubereiten. Dazu kann es angebracht sein, Antworten für zu erwartende schwierige Fragen zu entwerfen, voraussichtlich benötigte Unterlagen mitzubringen7 sowie sachkundige Mitarbeiter zur Unterstützung bei der Fragenbeantwortung einzusetzen (siehe dazu § 32 Rz. 7). Soweit dem Vorstand die Beantwortung trotz angemessener Vorbereitung nicht möglich ist, wird er von seiner Auskunftspflicht frei (vgl. § 275 BGB).
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Der Vorstand oder der Versammlungsleiter sollte vor Beginn der Abstimmungen noch einmal ausdrücklich nachfragen, ob alle Fragen beantwortet worden sind. Meldet sich
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1 Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 93; Hüffer, § 131 AktG Rz. 22; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 77 f.; BGH v. 9.2.1987 – II ZR 119/86, BGHZ 101, 1, 15 = AG 1987, 344; BGH v. 5.4.1993 – II ZR 238/91, BGHZ 122, 211, 236 = AG 1993, 422. 2 Vgl. BGH v. 9.2.1987 – II ZR 119/86, BGHZ 101, 1, 16 = AG 1987, 344; OLG Düsseldorf v. 17.7.1991 – 19 W 2/91, WM 1991, 2148, 2152 = AG 1992, 34; Groß, AG 1997, 97, 104. 3 Vgl. dazu Kubis in FS Lieberknecht, 1997, S. 172, 187 und in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 81. 4 Vgl. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, G Rz. 34; Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 94; Steiner, § 11 Rz. 13; Rodewig in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 12 Rz. 104; BGH v. 30.3.1967 – II ZR 245/63, NJW 1967, 1462; Hans. OLG Hamburg v. 10.5.1968 – 11 U 66/67, AG 1968, 190; OLG Koblenz v. 13.10.1967 – 2 U 614/66, BB 1967, 1293; offener Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 77. 5 Vgl. Kubis in FS Lieberknecht, 1997, S. 172, 184 und in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 77; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, G Rz. 34. 6 OLG Düsseldorf v. 15.3.1999 – 17 W 18/99, WM 1999, 1671, 1675 = AG 1999, 418. 7 Vgl. BGH v. 7.4.1960 – II ZR 143/58, BGHZ 32, 159, 165 = AG 1960, 196; OLG Düsseldorf v. 17.7.1991 – 19 W 2/91, AG 1992, 34, 36.
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§ 34
Hauptversammlung
dann kein Aktionär, kann die Beantwortung später nicht mehr als unzureichend gerügt werden1. f) Einzelne Anspruchsvoraussetzungen 48
aa) Angelegenheit der Gesellschaft. Eine Auskunftsverpflichtung besteht nur in Bezug auf „Angelegenheiten der Gesellschaft“ (§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG). Damit ist alles erfasst, was sich auf die Gesellschaft und ihre Tätigkeit bezieht2. Ausgenommen sind fremde Angelegenheiten wie z.B. die persönlichen Angelegenheiten der Organmitglieder3.
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bb) Erforderlichkeit der Auskunft. Zur Auskunft verpflichtet ist der Vorstand nur, wenn die Auskunft „zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist“ (§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG). Ob eine Auskunft in diesem Sinne erforderlich ist, muss am Maßstab eines objektiv denkenden Aktionärs, der die Gesellschaftsverhältnisse nur aufgrund allgemein bekannter Tatsachen kennt, gemessen werden. Für ihn muss die begehrte Auskunft ein für seine Urteilsfindung wesentliches Element bilden4.
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Die Voraussetzung der Erforderlichkeit bezieht sich jeweils auf bestimmte Gegenstände der Tagesordnung. Der Aktionär muss deshalb angeben, auf welchen Tagesordnungspunkt sich seine Frage bezieht5. Dem wird meist in der Weise entsprochen, dass die Fragen vorsorglich „zu allen Tagesordnungspunkten“ gestellt werden. Tatsächlich sind bei den einzelnen Beschlussgegenständen unterschiedliche Maßstäbe anzulegen. So gilt vor allem bei Fragen zur Entlastung angesichts der Reichweite dieses Gegenstandes ein strenger Maßstab6. Nach dem BGH muss das Auskunftsbegehren auf Vorgänge „von einigem Gewicht“ gerichtet sein7. Zur Erforderlichkeit ist im Übrigen
1 Vgl. LG München I v. 29.11.2007 – 5 HK O 16391/07, ZIP 2008, 562; LG München I v. 13.4.2006 – 5 HK O 4326/05, AG 2007, 255, 257; LG Braunschweig v. 6.4.1990 – 22 O 97/89, BB 1991, 856, 858 = AG 1991, 36; LG Mainz v. 13.7.1987 – 10 HO 141/86, AG 1988, 169 ff. mit zust. Anm. Semler, EWiR § 131 AktG 1988.9; Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 395; Hüffer, § 131 AktG Rz. 35; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 71; Reger in Bürgers/Körber, § 131 AktG Rz. 6. 2 Vgl. Hüffer, § 131 AktG Rz. 11. 3 OLG Stuttgart v. 15.2.1995 – 3 U 118/94, AG 1995, 234, 235; vgl. auch BVerfG v. 20.9.1999 – 1 BvR 636/95, NJW 2000, 349, 351 = AG 2000, 74 zu den Interna des Aufsichtsrats; LG Frankfurt v. 24.1.2005 – 3-5 O 61/03, ZIP 2005, 1275, 1278 = AG 2005, 891 zur Strafanzeige gegen ein Organmitglied; zust. Reger in Bürgers/Körber, § 131 AktG Rz. 7. 4 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, G Rz. 44; Hüffer, § 131 AktG Rz. 12; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 39 f.; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 13 AktG Rz. 27; BayObLG v. 22.3.1999 – 3 Z BR 250/98, AG 1999, 320; OLG Düsseldorf v. 22.7.1986 – 19 W 2/86, AG 1987, 21, 23; KG v. 30.6.1994 – 2 W 4531 und 4642/93, AG 1994, 469; OLG Stuttgart v. 12.8.1998 – 20 U 111/97, ZIP 1998, 1482, 1491 = AG 1998, 529; OLG Braunschweig v. 29.7.1998 – 3 U 75/98, ZIP 1998, 1585, 1591 = AG 1999, 84; LG Frankfurt v. 16.9.1994 – 3/3 O 82/92, WM 1994, 1931, 1932. 5 Vgl. BGH v. 15.6.1992 – II ZR 18/91, BGHZ 119, 1, 13 = ZIP 1992, 1227 = AG 1992, 450; Hüffer, ZIP 1996, 401, 407; Reger in Bürgers/Körber, § 131 AktG Rz. 11. 6 Hüffer, § 131 AktG Rz. 12; Reger in Bürgers/Körber, § 131 AktG Rz.. 11; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 131 AktG Rz. 23 m f.; OLG Düsseldorf v. 22.7.1996 – 19 W 2/86, AG 1987, 21, 23 und v. 17.7.1991 – 19 W 2/91, DB 1991, 2532, 2533; LG Frankfurt v. 16.9.1998 – 3/3 0 82/92, WM 1994, 1931, 1932. 7 BGH v. 18.10.2004 – II ZR 250/02, ZIP 2004, 2428, 2429.
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Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung
eine Vielzahl unterschiedlicher Entscheidungen ergangen, die sich nur schwer systematisieren lassen1. cc) Auskunft über verbundene Unternehmen. Die Auskunftspflicht erstreckt sich auch auf die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu einem verbundenen Unternehmen (§ 131 Abs. 1 Satz 2 AktG). Dies bedeutet nur eine Klarstellung, weil solche Beziehungen stets auch eine Angelegenheit der Gesellschaft sind2. Welche Unternehmen verbunden sind, ergibt sich aus § 15 AktG. Darüber hinaus können auch Minderheitsbeteiligungen erfasst sein, wenn sie wegen ihrer Größe oder Eigenart von besonderer Bedeutung für die Gesellschaft sind3.
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Zu den rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zählen Einzelheiten einer Konzernverbindung4. Auch Angelegenheiten eines verbundenen Unternehmens können auskunftspflichtig sein, wenn sie wegen ihrer Bedeutung zu einer Angelegenheit der Gesellschaft werden5. Dies ist vor allem dann von Bedeutung, wenn die Gesellschaft als Holding fungiert.
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g) Inhalt der Auskunft Die Auskunft hat den „Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft“ zu entsprechen (§ 131 Abs. 2 AktG). Dies bedeutet im Wesentlichen, dass sie vollständig und sachlich richtig sein muss.
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h) Erweiterung des Auskunftsrechts Das Auskunftsrecht gemäß § 131 Abs. 1 AktG wird bei einer Reihe von besonderen Beschlussgegenständen auf Angelegenheiten außerhalb der Gesellschaft erweitert. Diese Erweiterung gilt bei Beschlüssen über Unternehmensverträge (§§ 293g Abs. 3, 295 Abs. 2 AktG), die Eingliederung (§§ 319 Abs. 3 Satz 4, 320 Abs. 4 Satz 3, 326 AktG), die Verschmelzung und Spaltung (§§ 64 Abs. 2, 73, 125 UmwG) sowie bei der Vorlage eines Konzernabschlusses (§ 131 Abs. 1 Satz 6 AktG).
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i) Rechtsmissbrauch Wie jedes Recht kann auch das Auskunftsrecht missbraucht werden. Dabei geht es vor allem um die Verfolgung eigensüchtiger Ziele sowie um eine formal übermäßige
1 Vgl. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, G Rz. 48 ff.; Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 133; Hüffer, § 131 AktG Rz. 17 ff.; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 36 ff.; Semler in MünchHdb. AG, § 37 Rz. 10 ff.; Reger in Bürgers/Körber, § 131 AktG Rz. 13 f.; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 131 AktG Rz. 40 ff. 2 Hüffer, § 131 AktG Rz. 13; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 62; Spitze/Diekmann, ZHR 158 (1994), 447, 449 f.; OLG Bremen v. 20.10.1980 – 2 W 35/80, AG 1981, 229; LG München I v. 10.12.1998 – 5 HKO 10806/97, AG 1999, 283, 284. 3 Vgl. Hüffer, § 131 AktG Rz. 14; Spitze/Diekmann, ZHR 158 (1994), 447, 452. 4 Vgl. z.B. OLG Karlsruhe v. 29.6.1989 – 11 W 57/89, AG 1990, 82 zur Zahlung einer Konzernumlage; a.A. OLG Frankfurt/M. v. 6.1.2003 – 20 W 449/93, ZIP 2003, 761 zum Abhängigkeitsbericht. 5 Vgl. OLG Düsseldorf v. 5.11.1987 – 19 W 6/87, AG 1988, 53, 54; LG Berlin v. 24.6.1993 – 93. O. 244/92, BB 1993, 1827, 1829; BayObLG v. 14.7.1999 – 3 Z BR 11/99, NJW-RR 1999, 1487 = AG 2000, 131; OLG Köln v. 27.9.2001 – 18 U 49/01, AG 2002, 89, 90 f.; BGH v. 11.11.2002 – II ZR 125/02, WM 2003, 345, 347.
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Rechtsausübung z.B. durch Vortragen langer Fragenkataloge1. Eine solche Ausübung des Auskunftsrechts kann gemäß § 242 BGB oder unter dem Gesichtspunkt der Treupflichtverletzung unzulässig sein2. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Fragende auch einer Aufforderung des Versammlungsleiters zur Reduzierung seiner Fragen nicht nachgekommen wäre3. 3. Auskunftsverweigerung 56
Auch wenn ein Auskunftsanspruch besteht, kann der Vorstand die Auskunft unter bestimmten Voraussetzungen verweigern. Das Gesetz zählt die möglichen Verweigerungsgründe in § 131 Abs. 3 AktG abschließend auf (vgl. Satz 2). Zur Auskunftsverweigerung ist ein Beschluss des Vorstandes erforderlich, der allerdings auch konkludent4 und auch schon vor der Hauptversammlung5 gefasst werden kann. a) Nachteilszufügung
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Die Auskunft darf verweigert werden, wenn sie geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen (§ 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG). Dieser Nachteil muss nicht objektiv feststehen; es genügt, dass ein vernünftiger Kaufmann mit ihm rechnet. Notwendig, aber auch ausreichend ist, wenn die Gesellschaft dazu plausible Gründe vorträgt6. Die Vor- und Nachteile für die Gesellschaft – nicht auch für den Aktionär – sind gegeneinander abzuwägen. Dabei kann die Aufdeckung von Pflichtverletzungen der Verwaltung (§§ 93, 116 AktG) ein dominierender Vorteil sein7. Ein Anwendungsfall der Nr. 1 kann z.B. vorliegen, wenn Auskunft über einen Kaufpreis verlangt wird, die Gesellschaft insoweit aber vertraglich zum Stillschweigen verpflichtet ist. Die vertragliche Verschwiegenheitspflicht ist allerdings nur ein Indiz für die Geheimhaltungsbedürftigkeit8. 1 Vgl. z.B. OLG Frankfurt v. 17.7.2007 – 5 U 229/05, ZIP 2007, 1463, 1466 = AG 2007, 672 (308 Einzelfragen); OLG Frankfurt v. 8.7.1993 – 14 U 259/83, AG 1984, 25 und OLG Karlsruhe v. 29.6.1989 – 11 W 57/89, AG 1990, 82 f. 2 Vgl. Hüffer, § 131 AktG Rz. 33 ff.; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 131 AktG Rz. 44; Groß, AG 1997, 97, 104; Geißler, NZG 2001, 539; Marsch-Barner, WM 1984, 41; BayObLG v. 8.5.1974 – 2 Z 73/73, NJW 1974, 2094; LG Heilbronn v. 6.3.1967 – KfH AktE 1/67, NJW 1967, 1715 = AG 1967, 81; restriktiver Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 124. 3 OLG Frankfurt v. 17.7.2007 – 5 U 229/05, ZIP 2007, 1463, 1466 = AG 2007, 672; s. dazu auch Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 131 AktG Rz. 33. 4 Vgl. BGH v. 9.2.1987 – II ZR 119/86, BGHZ 101, 1, 5 f. = AG 1987, 344; OLG Frankfurt v. 15.4.1986 – 3 U 191/84, AG 1996, 233; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, G Rz. 67; Hüffer, § 131 AktG Rz. 23; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 95. 5 Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 289; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 95; LG Essen v. 23.1.1962 – 16 HO 62/61, AG 1962, 126. 6 Vgl. Hüffer, § 131 AktG Rz. 25; OLG Düsseldorf v. 17.7.1991 – 19 W 2/91, WM 1991, 2148, 2152 = AG 1992, 34; a.A. (Beweislast beim Aktionär) LG Heilbronn v. 6.3.1967 – KfH AktE 1/67, NJW 1967, 1715 = AG 1967, 81; vgl. außerdem KG v. 30.6.1994 – 2 W 4531 und 4642/93, WM 1994, 1479 und LG Mainz v. 13.7.1987 – 10 HO 141/86, WM 1987, 1129. 7 Vgl. BGH v. 29.11.1982 – II ZR 88/81, NJW 1983, 878; LG Hannover Vorlagebeschl. v. 15.1.1991 – 26 AktE 5/90, AG 1991, 186. 8 Vgl. LG Frankfurt v. 24.1.2005 – 3-5 O 61/03, WM 2005, 2235, 2237 = AG 2005, 891 zum Bankgeheimnis; LG Berlin v. 17.1.1990 – 98 AktE 10/89, WM 1990, 978, 981 = AG 1991, 34; BayObLG v. 20.3.1996 – 3 Z BR 324/95, DB 1996, 1125 f., 1126; gegen die Anerkennung einer Vertraulichkeitsvereinbarung als Verweigerungsgrund LG Koblenz v. 17.5.2000 – 1 HO 156/99, AG 2001, 205 f.; Reger in Bürgers/Körber, § 131 AktG Rz. 20; Semler in MünchHdb. AG, § 37 Rz. 30; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 131 AktG Rz. 34; siehe dazu auch
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Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung b) Steuern
Der Vorstand darf nach § 131 Abs. 3 Nr. 2 AktG die Auskunft verweigern, soweit sie sich auf steuerliche Wertansätze oder die Höhe einzelner Steuern bezieht. Die ursprüngliche Gesetzesbegründung, wonach die Aktionäre vor dem Irrtum geschützt werden sollen, der steuerliche Gewinn sei betriebswirtschaftlich erzielt und möglicherweise ausschüttungsfähig, überzeugt heute nicht mehr1. Das Auskunftsverweigerungsrecht ist aber noch geltendes Recht. Demgemäß kann z.B. die Auskunft auf die Frage, inwieweit Rückstellungen steuerlich anerkannt sind, verweigert werden2. Nicht beantwortet werden muss auch die Frage nach der Tarifbelastung des Eigenkapitals3.
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c) Stille Reserven Der Vorstand darf nach § 131 Abs. 3 Nr. 3 AktG die Auskunft über den Unterschied zwischen dem Wert, zu dem Gegenstände in der Jahresbilanz angesetzt worden sind und einem höheren Wert dieser Gegenstände verweigern. Voraussetzung ist dabei, dass – wie im Regelfall – Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluss festgestellt haben (§ 172 AktG). Das Auskunftsverweigerungsrecht betrifft so genannte stille Reserven, die insbesondere aufgrund von bilanziellen Ansatz- und Bewertungswahlrechten entstehen können. Demgemäß braucht z.B. die Frage nach dem Verkehrswert oder Feuerversicherungswert des Grundbesitzes und/oder der Gebäude nicht beantwortet zu werden4. Ebenso kann die Antwort auf die Frage nach dem Substanzund Liquidationswert einer Beteiligung verweigert werden5. Die in diesem Zusammenhang geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere aus Art. 14 GG, sind unbegründet6.
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d) Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden Stellen Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluss fest (§ 172 AktG), können gemäß § 131 Abs. 3 Nr. 4 AktG Angaben über Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden verweigert werden, sofern die allgemeinen Angaben im Anhang (§ 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB) ausreichen, um die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft i. S. von § 264 Abs. 2 HGB darzustellen. Dieses Auskunftsverweigerungsrecht spielt praktisch keine große Rolle.
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Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 131 AktG Rz. 64; zur berechtigten Auskunftsverweigerung über geschäftliche Beziehungen OLG Frankfurt v. 17.7.2007 – 5 U 229/05, ZIP 2007, 1463, 1466 = AG 2007, 672. Vgl. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, G Rz. 70; Hüffer, § 131 AktG Rz. 28; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 131 AktG Rz. 37. Vgl. LG München I v. 10.3.1980 – 7 HKO 7427/79, AG 1981, 79, 80. Vgl. Hüffer, § 131 AktG Rz. 28; Kamprad, AG 1991, 396; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 106; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 131 AktG Rz. 68; a.A. Meilicke, BB 1991, 241 f. Vgl. LG Frankfurt v. 16.9.1994 – 3/3 0 83/92, WM 1994, 1929, 1930; KG v. 30.6.1994 – 2 W 4531 und 4642/93, WM 1994, 1479, 1487; LG Mannheim v. 21.12.1992 – 23 AktE 1/92, unveröff.; die gegen die zuletzt genannte Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen, vgl. BVerfG v. 8.9.1999 – 1 BvR 301/89, ZIP 1999, 1801 = AG 2000, 40; LG Berlin v. 6.3.2000 – 92 O 111/99, DB 2000, 1017 = AG 2000, 288; siehe dazu auch Mutter, Auskunftsansprüche des Aktionärs in der HV, S. 70 ff. Vgl. LG Hamburg v. 8.6.1995 – 405 O 203/94, WM 1996, 169, 171. Vgl. Hüffer, § 131 AktG Rz. 29; BVerfG v. 8.9.1999 – 1 BvR 301/89, ZIP 1999, 1801, 1802 f. = AG 2000, 40; Ebenroth/Koos, BB 1995, Beil. 8; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 131 AktG Rz. 69.
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e) Strafbarkeit 61
Dem Vorstand steht nach § 131 Abs. 3 Nr. 5 AktG ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn er sich durch die Erteilung der Auskunft strafbar machen würde. In Betracht kommen z.B. Auskünfte über geheimhaltungspflichtige Angaben wie etwa Staatsgeheimnisse (§§ 93 ff. StGB) oder personenbezogene Daten (§ 203 StGB).
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Uneinigkeit besteht bei der Frage, ob eine Auskunft verweigert werden kann, wenn damit eine Insiderinformation offenbart würde1. Insiderinformationen sind grundsätzlich unverzüglich zu veröffentlichen (§ 15 Abs. 1 WpHG). Dafür genügt die Bekanntgabe in der Hauptversammlung allerdings nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn diese im Internet übertragen wird2. Es empfiehlt sich deshalb, die Insiderinformation zunächst über den Weg der Ad hoc-Publizität zu veröffentlichen und sie – gleichzeitig oder danach – in der Hauptversammlung mitzuteilen3. Soll die Insiderinformation gemäß § 15 Abs. 3 WpHG erst später veröffentlicht werden, kann die Auskunft in der Hauptversammlung unter Umständen gemäß § 131 Abs. 3 Nr. 5 AktG verweigert werden4 (siehe dazu auch bereits oben § 13 Rz. 62). f) Sonderregelung für Aktienbanken
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Gemäß § 131 Abs. 3 Nr. 6 AktG darf der Vorstand eines Kreditinstituts oder Finanzdienstleisters i.S. der §§ 1, 2 KWG Angaben über Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sowie vorgenommene Verrechnungen verweigern, sofern derartige Angaben nach dem Rechnungslegungsrecht der Kreditinstitute nicht gemacht zu werden brauchen. Diese Regelung betrifft vor allem die Bildung stiller Reserven, insbesondere durch die so genannte Überkreuzverrechnung nach § 340f Abs. 3 HGB. g) Internetauskunft
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Nach § 131 Abs. 3 Nr. 7 AktG besteht ein Auskunftsverweigerungsrecht, soweit die Auskunft auf der Internetseite der Gesellschaft über mindestens sieben Tage vor Beginn und in der Hauptversammlung durchgängig zugänglich ist. Der Vorstand kann damit Antworten auf Standardfragen sowie Listen oder Statistiken vorab veröffentlichen und braucht in der Hauptversammlung dazu nur noch Ergänzungsfragen zu beantworten. Mit der Sieben-Tage-Frist sind Kalendertage gemeint, so dass § 123 Abs. 4 AktG keine Anwendung findet5. Ein Hinweis auf die vorab erteilten Auskünfte in der Einberufung oder Tagesordnung ist nicht erforderlich6. Die praktische Bedeutung der Regelung ist bislang gering, zumal die Aktionäre nicht verpflichtet sind, komplexe Fragen vor der Hauptversammlung einzureichen7. Im Übrigen können auch unabhän1 Vgl. zum § 15 WpHG a.F. Joussen, DB 1994, 2485, 2486 (Auskunftsverweigerungsrecht) und Benner-Heinacher, DB 1995, 765; Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, 1998, S. 585; Wellkamp, Aktionärsschutz, 1998, S. 85 ff.; Semler in MünchHdb. AG, § 37 Rz. 43 (Auskunftspflicht vorrangig). 2 Vgl. zum Veröffentlichungsverfahren § 15 Abs. 7 WpHG i.V.m. §§ 4, 5 WpAIV. 3 So bereits zum früheren Recht Götz, DB 1995, 1949; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, G Rz. 79; Franken/Heinsius in FS Budde, 1995, S. 213, 240; vgl. auch Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 117. 4 Assmann in Assmann/Uwe H. Schneider, § 14 WpHG Rz. 85 ff.; für eine Auskunftspflicht dagegen Siems in Spindler/Stilz, § 131 AktG Rz. 50 und Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 131 AktG Rz. 73. 5 A.A. Reger in Bürgers/Körber, § 131 AktG Rz. 26. 6 Begr. RegE BT-Drucks. 15/5092, S. 17 f. 7 Vgl. Siems in Spindler/Stilz, § 131 AktG Rz. 54.
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Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung
gig von dieser Regelung Unterlagen in der Hauptversammlung zur Einsichtnahme ausgelegt werden. Dies ist sogar noch während der Hauptversammlung möglich (siehe oben Rz. 43). h) Aufnahme in die Niederschrift Nach § 131 Abs. 5 AktG kann der Aktionär, dem eine Auskunft verweigert worden ist, verlangen, dass seine Fragen und der Auskunftsverweigerungsgrund in die notarielle Niederschrift aufgenommen werden (vgl. dazu näher unten § 35 Rz. 10). Diese Regelung dient ausschließlich Beweiszwecken1. Gibt der Vorstand keine Gründe zu Protokoll, können solche Gründe noch im Prozess vorgetragen werden. Nennt der Vorstand die Gründe, so mag dies dem Aktionär die Prüfung der Rechtslage erleichtern. Zu bedenken ist jedoch, dass sich das Gericht im Falle eines Auskunftsverfahrens dann unter Umständen auf die Nachprüfung dieser Gründe beschränkt2.
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4. Auskunftserteilung außerhalb der Hauptversammlung Erteilt der Vorstand einem Aktionär außerhalb der Hauptversammlung eine Auskunft, so kann jeder andere Aktionär in der Hauptversammlung dieselbe Auskunft verlangen (§ 131 Abs. 4 AktG). Diesem Verlangen ist nachzukommen, auch wenn die Auskunft zur Beurteilung eines Punktes der Tagesordnung nicht erforderlich ist. Der Vorstand kann sich auch nicht auf die Auskunftsverweigerungsgründe nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 AktG berufen. Damit soll die Gleichbehandlung aller Aktionäre sichergestellt werden.
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Die Erweiterung des Auskunftsrechts setzt voraus, dass dem Aktionär die Auskunft auf Grund seiner Aktionärseigenschaft gegeben wurde3. Dies ist nicht der Fall, wenn z.B. dem Großaktionär im Rahmen eines Vertragskonzerns Auskünfte erteilt werden. Solche Auskünfte beruhen auf der Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens. Das gleiche gilt für Auskünfte im Rahmen eines faktischen Konzernverhältnisses4, nicht dagegen bei Auskünften gegenüber einem sonstigen Großaktionär. Keinen Zusammenhang mit der Aktionärseigenschaft haben im Allgemeinen Auskünfte an den Vertreter eines Aktionärs im Aufsichtsrat oder an eine Bank, selbst wenn diese an der Gesellschaft beteiligt ist5.
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Die erweiterte Auskunftspflicht besteht nur, wenn ein anderer Aktionär dieselbe Auskunft verlangt. Für dieses Verlangen genügt nicht die Ausforschungsfrage, ob
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1 LG Frankfurt v. 24.1.2005 – 3-5 O 61/03, ZIP 2005, 1275, 1276 = AG 2005, 891; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 131 AktG Rz. 96; Krieger in FS Priester, 2007, S. 387, 401 f. 2 So LG München I v. 16.4.1996 – 7 HKO 8835/85, AG 1987, 185, 186; vgl. dazu Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 377, § 132 AktG Rz. 40. 3 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, G Rz. 86 f.; Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 342; Hüffer, § 131 AktG Rz. 37. 4 Vgl. LG Düsseldorf v. 25.3.1992 – 34 AktE 6/91, AG 1992, 461; LG München I v. 4.9.1997 – 5 HKO 14614/96, AG 1999, 138; OLG Frankfurt v. 6.1.2003 – 20 W 449/93, ZIP 2003, 761, 763 = AG 2003, 335; Habersack/Verse, AG 2000, 300, 305 ff.; zum Meinungsstand LG München I v. 22.3.2007 – 5 HK O 19919/06, Der Konzern 2007, 365, 367; vgl. auch Menke, NZG 2004, 697 zu Informationen an einen Aktionärspool. 5 Vgl. Hüffer, § 131 AktG Rz. 37; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 131 f.
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Hauptversammlung
und ggf. welche Auskünfte außerhalb der Hauptversammlung erteilt worden sind. Erforderlich ist vielmehr ein hinreichend konkretes Auskunftsverlangen1. 5. Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Auskunftspflicht 69
Beantwortet der Vorstand in der Hauptversammlung die gestellten Fragen nicht, nicht vollständig oder unrichtig, so kann der Aktionär, dem die verlangte Auskunft nicht ordnungsgemäß gegeben wurde, sowie jeder sonstige Aktionär, der Widerspruch zu Protokoll erklärt hat, das so genannte Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132 AktG betreiben. Der Aktionär, dem die Auskunft nicht ordnungsgemäß erteilt wurde, kann außerdem den Beschluss, auf den sich seine Frage bezog, gemäß § 243 Abs. 1 AktG anfechten (siehe dazu näher unten § 37 Rz. 52). Für den Formwechsel hat der BGH dies insofern eingeschränkt, als eine die Verletzung von Informations-, Auskunfts- oder Berichtspflichten im Zusammenhang mit der nach § 207 UmwG anzubietenden Barabfindung nur im Spruchverfahren gemäß §§ 305 ff. UmwG gerügt werden kann2. Diese Rechtsprechung ist mit § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG durch das UMAG auf alle Bewertungsrügen ausgedehnt werden.
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Entsteht der Gesellschaft aus einer unberechtigten Auskunftsverweigerung ein Schaden, so ist dafür außerdem der Vorstand ersatzpflichtig (§ 93 AktG). Auch dem Fragesteller selbst können Schadensersatzansprüche zustehen (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG)3. Schäden aus einer falschen Anlageentscheidung aufgrund unrichtiger oder zu Unrecht verweigerter Auskunft sind aber nicht erfasst, da der Aktionär beim Auskunftsrecht nur in seiner mitgliedschaftlichen Stellung geschützt wird4.
III. Antragsrecht 71
Das in § 118 Abs. 1 AktG verankerte Teilnahmerecht eines jeden Aktionärs umfasst auch das Recht auf Antragstellung. Dabei können schon vor der Hauptversammlung Gegenanträge angekündigt werden, die gemäß §§ 125 ff. AktG zugänglich zu machen sind. In der Hauptversammlung selbst können sowohl die angekündigten als auch nicht angekündigte Anträge gestellt werden. Bislang können solche Anträge nur persönlich in der Hauptversammlung gestellt werden. Nach dem Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie soll jedoch in der Satzung vorgesehen werden können, dass wie sonstige Teilnahmerechte auch Anträge von außerhalb der Hauptversamm-
1 Vgl. Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 360 ff.; Hüffer, § 131 AktG Rz. 41; Hoffmann-Becking in FS Rowedder, S. 155, 160; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 136; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 131 AktG Rz. 74; OLG Dresden v. 1.12.1998 – 7 W 426/98, AG 1999, 274; Siems in Spindler/Stilz, § 131 AktG Rz. 80; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 131 AktG Rz. 92; a.A. Burgard, Die Offenlegung von Beteiligungen, Abhängigkeits- und Konzernlagen bei der Aktiengesellschaft, 1990, S. 87. 2 BGH v. 18.12.2000 – II ZR 1/99 – „MEZ“, ZIP 2001, 199 = AG 2001, 301 und BGH v. 29.1.2001 – II ZR 368/98 – „Aqua Butzke“, ZIP 2001, 412 = AG 2001, 263. 3 Vgl. Decher in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 131 AktG Rz. 407; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 152; Semler in MünchHdb. AG, § 37 Rz. 65; abl. Hüffer, § 131 AktG Rz. 44. 4 Vgl. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, G 100; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 131 AktG Rz. 99; a.A. Semler in MünchHdb. AG, § 37 Rz. 63; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 152.
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Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung
lung im Wege der elektronischen Kommunikation gestellt werden können1. Falls von einer solchen Ermächtigung Gebrauch gemacht wird, stellt sich die Frage, wie derartige Anträge in die Diskussion auf der Hauptversammlung integriert werden können. Unabhängig von dieser mehr technischen Frage ist inhaltlich zwischen Anträgen zum Verfahren und Sachanträgen zu unterscheiden. 1. Anträge zum Verfahren a) Zuständigkeit für die Entscheidung von Verfahrensfragen Anträge zum Verfahren in der Hauptversammlung braucht der Versammlungsleiter nur zu beachten, wenn die verlangte Maßnahme in die Entscheidungsbefugnis der Hauptversammlung fällt. Anträge zu Maßnahmen, über die der Versammlungsleiter selbst befinden kann, können und dürfen nicht zur Abstimmung gestellt werden. In die alleinige Kompetenz des Versammlungsleiters fallen alle Maßnahmen, die notwendig sind, um die Tagesordnung der Hauptversammlung sachgerecht abzuwickeln. Hierher gehören z.B. die Festlegung der Reihenfolge der Redner, die Bestimmung von Diskussionsblöcken, eine Begrenzung der Redezeit und die Verhängung von Ordnungsmaßnahmen (siehe oben Rz. 3 ff.).
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Was die Reihenfolge der Punkte der Tagesordnung betrifft, so darf der Versammlungsleiter diese ändern, sofern dafür ein sachlicher Grund vorliegt2. Die Hauptversammlung kann eine solche Entscheidung des Versammlungsleiters weder aufheben noch ändern3. Die praktische Bedeutung dieser teilweise anders beurteilten Frage ist allerdings gering. In vielen Satzungen ist zudem ausdrücklich klargestellt, dass der Versammlungsleiter die Reihenfolge der Gegenstände der Tagesordnung bestimmt.
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b) Reihenfolge der Behandlung von Anträgen Der Versammlungsleiter ist grundsätzlich befugt, über die Reihenfolge der Behandlung von Anträgen nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden4. Er hat dabei die Grundsätze der Verfahrensökonomie und der Gleichbehandlung der Aktionäre zu beachten5. Nur in § 137 AktG legt das Gesetz die Reihenfolge der Abstimmung fest. Danach ist unter bestimmten Voraussetzungen über den Vorschlag einer Aktionärsminderheit zur Wahl in den Aufsichtsrat vor dem Vorschlag des Aufsichtsrates abzustimmen.
1 Vgl. § 118 Abs. 1 Satz 2 und 3 AktG i.d.F. des RefE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 6.5.2008. 2 Vgl. Hüffer, § 129 AktG Rz. 19; Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 128; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 29; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 119 AktG Rz. 54; Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 43. 3 Vgl. Kubis in MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 119 AktG Rz. 128; Kuhnt in FS Lieberknecht, S. 45, 55; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 108; Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 529; a.A. Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D 29 Fn. 47; Martens, Leitfaden, S. 77; Semler in MünchHdb. AG, § 36 Rz. 43; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 119 AktG Rz. 34; KG v. 12.3.1957 – 2 U 2347/56, NJW 1957, 1680, 1681 zur Genossenschaft. 4 Martens, Leitfaden, S. 79; Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2000, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 119; Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 531; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 119 AktG Rz. 58; LG Hamburg v. 11.1.1968 – 28 O 211/67, DB 1968, 302. 5 Martens, Leitfaden, S. 79.
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Über Verfahrensanträge ist generell vor dem entsprechenden Sachantrag abzustimmen, da sich der Verfahrensantrag erledigt, wenn bereits in der Sache entschieden ist1. Dieser Grundsatz hat allerdings nur in den Fällen Bedeutung, in denen nicht der Versammlungsleiter, sondern die Hauptversammlung über die Verfahrensfrage zu entscheiden hat wie z.B. im Falle eines Antrags auf Vertagung der Entlastung des Vorstandes2.
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Liegen mehrere Verfahrens- oder Sachanträge vor (z.B. Vertagung der Entlastung einzelner oder aller Vorstandsmitglieder oder unterschiedliche Anträge zur Gewinnverwendung) so wird z.T. empfohlen, über den weitergehenden Antrag zuerst abzustimmen3. Was der weitergehende Antrag ist, lässt sich insbesondere bei Alternativanträgen häufig aber nicht genau feststellen. Pragmatischer und auch verfahrensökonomisch vorzugswürdig ist, bei Anträgen, die sich wechselseitig ausschließen, zuerst den Antrag zur Abstimmung zu stellen, der wahrscheinlich die erforderliche Mehrheit findet4. Ist dieser Antrag angenommen, sind alle anderen Anträge erledigt5. Werden Gegenanträge gestellt, so ist es danach in der Regel sachdienlich, wenn zuerst über den Vorschlag der Verwaltung abgestimmt wird6. c) Einzelne Geschäftsordnungsanträge
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aa) Abwahl und Neuwahl des Versammlungsleiters. In letzter Zeit wird immer wieder beantragt, den Versammlungsleiter abzuwählen und dafür eine andere Person als Leiter der Hauptversammlung zu wählen. Ein solcher Antrag ist zulässig, wenn die Satzung vorsieht, dass die Hauptversammlung den Versammlungsleiter wählt. In der Regel bestimmt die Satzung allerdings den Aufsichtsratsvorsitzenden zum Versammlungsleiter. Über die Zulässigkeit eines Antrags auf Abwahl und Neuwahl des Versammlungsleiters bestehen in einem solchen Fall erhebliche Meinungsverschiedenheiten (siehe dazu § 33 Rz. 23). Unklar ist insbesondere, ob dafür die formellen Erfordernisse einer Satzungsänderung erfüllt sein müssen. Voraussetzung ist nach überwiegender Ansicht zumindest das Vorliegen eines wichtigen Grundes, der plausibel vorgetragen sein muss (siehe dazu im Übrigen § 33 Rz. 23)7.
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bb) Erstellung eines Wortprotokolls. Bisweilen wird der Antrag gestellt, die Versammlungsleitung möge dafür Sorge tragen, dass ein Wortprotokoll erstellt wird. Ein solcher Antrag braucht nicht zur Abstimmung gestellt zu werden. Die Entscheidung darüber, ob ein Wortprotokoll der Hauptversammlung erstellt wird oder nicht, obliegt allein dem Versammlungsleiter. Er ist dazu nicht verpflichtet (siehe dazu auch § 35 Rz. 17).
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cc) Einzelentlastung von Vorstand und/oder Aufsichtsrat. Wie sich aus § 120 Abs. 1 Satz 1 AktG ergibt, ist der gesetzliche Regelfall und auch das übliche Verfahren die Entlastung jeweils aller Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates. Diese Gesamtentlastung erfolgt in zwei getrennten Beschlussfassungen. Nach § 120 Abs. 1 Satz 2 1 Hüffer, § 129 AktG Rz. 19; Martens, WM 1991, 1010, 1015; Max, AG 1991, 77, 85; Semler in MünchHdb. AG, § 39 Rz. 10; Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 119 AktG Rz. 58. 2 Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 532; Martens, Leitfaden, S. 79 f. 3 Vgl. z.B. Semler in MünchHdb. AG, § 39 Rz. 10. 4 Semler in MünchHdb. AG, § 39 Rz. 10; Fischer in Semler/Volhard, ArbeitsHdb. HV, § 11 Rz. 211; LG Hamburg v. 8.6.1995 – 405 O 203/94, AG 1996, 233. 5 Vgl. Zöllner in KölnKomm. AktG, 1973, § 119 AktG Rz. 58; Stützle/Walgenbach, ZHR 155 (1991), 516, 532. 6 Butzke in Obermüller/Werner/Winden, HV, D Rz. 45. 7 Martens, Leitfaden, S. 47 f.; OLG Hamburg v. 12.1.2001 – 11 U 162/00, AG 2001, 359, 363; nach Ansicht des LG Frankfurt a.M. v. 11.1.2005 – 3-5 O 100/04, AG 2005, 892, muss ein Abberufungsantrag grundsätzlich zur Abstimmung gestellt werden.
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§ 34
Rechte des Aktionärs in der Hauptversammlung
AktG ist ausnahmsweise über die Entlastung einzelner Mitglieder des Vorstandes und/ oder Aufsichtsrates gesondert abzustimmen, wenn die Hauptversammlung dies beschließt oder eine Minderheit es verlangt, deren Anteile zusammen 10 % des Grundkapitals oder den Nennbetrag von 1 Mio. Euro erreichen. Wird ein Minderheitsverlangen gestellt, so ist es Sache der Antragsteller nachzuweisen, dass sie das gesetzliche Quorum erreichen. Ist dies zweifelhaft, muss der Versammlungsleiter insoweit keine Hilfestellung leisten. Es genügt, wenn er z.B. anordnet, dass sich alle Aktionäre, die das Minderheitsverlangen unterstützen wollen, beim Notar oder am Wortmeldetisch melden1. Während dieses Vorgangs kann die Hauptversammlung fortgesetzt werden. Für den Ablauf der Hauptversammlung kann es allerdings zweckmäßig sein, nicht erst kurz vor Beginn der Abstimmung, sondern schon früher zu klären, ob das Quorum erreicht ist oder nicht.
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Soll die Hauptversammlung über die Einzelentlastung beschließen, so handelt es sich um einen Antrag, den jeder Aktionär stellen kann2. Zur Annahme des Antrags ist einfache Stimmenmehrheit ausreichend (vgl. § 133 Abs. 1 AktG). Stellt sich bei der Abstimmung heraus, dass Aktionäre in einer Anzahl, die das gesetzliche Quorum für ein Minderheitsverlangen erreichen, für die Einzelentlastung gestimmt haben, so ist dieses Abstimmungsergebnis nicht als konkludentes Minderheitsverlangen für Einzelentlastung zu werten3. Dazu ist vielmehr ein ausdrückliches Verlangen erforderlich. Dies folgt aus § 130 Abs