Handbuch Bankenaufsichtsrecht [2 ed.] 9783814590318, 3814590317


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German Pages XXVI, 1189 [1216] Year 2020

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Handbuch Bankenaufsichtsrecht [2 ed.]
 9783814590318, 3814590317

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Binder/Glos/Riepe (Hrsg.) Handbuch Bankenaufsichtsrecht

Handbuch Bankenaufsichtsrecht

2., neu bearbeitete Auflage

herausgegeben von Professor Dr. Jens-Hinrich Binder, LL.M. (London) Rechtsanwalt Dr. Alexander Glos Professor Dr. Jan Riepe

bearbeitet von Dr. Dorothee Amann, RAin Dr. Denise Bauer-Weiler, Dr. Frank Beekmann, RA Dr. Markus Benzing, LL.M. (Nottingham, Trent University), RA Dr. Marc Benzler, RA Dr. Jan Biermann, LL.M. (Cambridge), Prof. Dr. Jens-Hinrich Binder, LL.M. (London), RA Dr. Patrick Cichy, MBA (Wales), RA StB Dr. Sascha Engelbach, Prof. Dr. Philipp Gann, RA Falko Glasow, RA Dr. Alexander Glos, Dr. André Hater, RAin Dr. Janina Heinz, Dr. Peter Henseler, Prof. Dr. Jan-Philipp Hoffmann, Adrian Kämmler, Dr. Andreas Keese, Dr. Anne Kleppe, RA Dr. Kai Krieger, Dipl.-Kffr. Maike Kronbichler, RA Dr. Klaus Lackhoff, LL.M. (Iowa), Steffen Laufenberg, RA Dr. Nicholas Lütgerath, RA Dr. Heinrich Nemeczek, LL.M. (Harvard), Prof. Dr. Werner Neus, Dr. Elma Sefer Periškiü, RA Sebastian Pitz, Dr. Inka Puppe, Prof. Dr. Jan Riepe, RA Andreas Steck, RA Jan Struckmann, RA Dr. Thomas Voland, LL.M. (Nottingham), RA Dr. Benedikt Wolfers, M.A.

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG ˜ Köln

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2020 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Das vorliegende Werk ist in all seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der Übersetzung, des Vortrags, der Reproduktion, der Vervielfältigung auf fotomechanischem oder anderen Wegen und der Speicherung in elektronischen Medien. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: CPI books GmbH, Leck

Vorwort der Herausgeber zur 2. Auflage Auch zwei Jahre nach dem Erscheinen der ersten Auflage des vorliegenden Handbuchs ist das Recht der Bankenaufsicht hoch dynamischen Veränderungen unterworfen. Die mit dem Bankenpaket 2019 verabschiedeten Anpassungen und Ergänzungen sowohl des materiellen Aufsichtsrechts als auch des Rechtsrahmens für die Abwicklung systemrelevanter Banken befinden sich inzwischen im Implementierungsstadium. Schon sie rechtfertigen die vorliegende Neuauflage, nachdem die Erstauflage überaus freundlich aufgenommen wurde. Unverändert gilt: Die Aufarbeitung dieser Entwicklungen und deren praktische Umsetzung stellen die Aufsichts- und Beratungspraxis ebenso wie die Wissenschaft vor erhebliche Herausforderungen; der Beratungsbedarf ist groß und wächst weiterhin. Wie die erste Auflage des Handbuchs bemüht sich auch der vorliegende Band darum, die Materie, soweit geboten, interdisziplinär aufzubereiten und damit Praxis und Wissenschaft einen umfassenden Zugriff auf die für die Auslegung und Handhabung des Aufsichtsrechts relevanten Fragestellungen zu ermöglichen. Auch die 2. Auflage des Handbuchs ist in puncto Aktualität notgedrungen von Kompromissen geprägt. In jüngster Zeit sind in Reaktion auf die Corona-Krise (nicht nur) innerhalb der Bankenunion grundlegende Erleichterungen im materiellen Aufsichtsrecht vorgenommen wurden, um das Bankenwesen vor den unmittelbaren Ertragsausfällen zu schützen und die Folgen der Krise für die Kreditvergabe abzumildern. ) Diese Entwicklungen trafen zeitlich mit der Fertigstellung des Manuskripts zur vorliegenden 2. Auflage zusammen. Vor die Wahl zwischen dem raschen Erscheinen und der Berücksichtigung dieser Entwicklungen im Text gestellt, haben sich Herausgeber und Verlag für ersteres entschieden – auch mit Blick auf die voraussichtlich lediglich temporäre Natur der Veränderungen. Auch weiterhin wird indessen eine regelmäßige Auflagenfolge angestrebt, um das Handbuch möglichst aktuell zu halten. Der Dank der Herausgeber gilt zunächst dem engagierten Autorenteam für die zuverlässige und gründliche Aktualisierung der bereits vorhandenen Beiträge bzw. – den neu hinzugekommenen Autorinnen und Autoren – für fundierte neue Kapitel. Wiederum danken wir überdies dem RWS-Verlag und hier insbesondere Frau Iris Theves-Telyakar für das äußerst gewissenhafte Lektorat sowie dem Verlagsleiter, Herrn Markus Sauerwald, für die stetige Unterstützung des Buchprojekts. Zu danken ist außerdem den Mitarbeitern am Tübinger Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, insbesondere Frau Ingrid Hoch sowie Herrn cand. iur. Johannes Koch, die mit umsichtiger editorischer Betreuung der Manuskripte Wertvolles zum Gesamtwerk beigetragen haben. Anregungen und Verbesserungsvorschläge – idealerweise per E-Mail (lehrstuhl.binder@ jura.uni-tuebingen.de) – sind auch künftig gerne willkommen. Tübingen und Frankfurt am Main, im Mai 2020

Jens-Hinrich Binder Alexander Glos Jan Riepe

___________

)

S. im Überblick https://www.bankingsupervision.europa.eu/home/search/coronavirus/html/index.en.html; https://ec.europa.eu/finance/docs/law/200428-banking-package-communication_en.pdf; https://eba. europa.eu/eba-provides-clarity-banks-consumers-application-prudential-framework-light-covid-19measures.

V

Inhaltsübersicht Seite Vorwort der Herausgeber zur 2. Auflage ............................................................................. V Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................ IX Autorenverzeichnis ............................................................................................................ XV Literaturverzeichnis .......................................................................................................... XIX Teil I Einführung §1

Bankenaufsichtsrecht als Mehrebenensystem (Binder) ............................................. 3 Teil II Materielles Aufsichtsrecht und Verfahren

§2

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden (Glos/Benzing) ........................................................................................................... 23

§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren (Binder) ..................................................................................................................... 115

§4

Beteiligungskontrolle (Steck) .................................................................................. 173

§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen (Nemeczek/Pitz) ........... 209

§6

Regulierung der Finanzverfassung: Ökonomische Grundlagen (Neus/Riepe) .... 275

§7

Eigenmittelregulierung (Riepe/Engelbach/Kämmler/Kleppe/Henseler/ Hoffmann/Keese/Beekmann/Puppe/Hater/Kronbichler/Amann/Gann) .............. 303

§8

Verschuldungsquote (Periškiü) ............................................................................... 437

§9

Liquiditätsvorschriften (Laufenberg) ...................................................................... 455

§ 10 Großkredite (Lackhoff/Heinz) ................................................................................ 503 § 11 Organisatorische Anforderungen (Benzler/Krieger) ............................................. 547 § 12 Vergütung (Glasow) ................................................................................................ 655 § 13 Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen (Glos) ........................ 733

VII

Inhaltsübersicht Teil III Bankenrestrukturierung und Bankenabwicklung § 14 Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden (Benzing) ................................................................................................................... 781 § 15 Sanierungs- und Abwicklungsplanung (Cichy) ...................................................... 817 § 16 Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen (Bauer-Weiler/Struckmann) .......... 863 § 17 Insolvenzbewältigung bei nicht systemrelevanten Banken (Binder) .................... 917 § 18 Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Banken (Binder) .............................. 945 § 19 Einlagensicherung (Biermann/Lütgerath) ............................................................ 1003 § 20 Trennbankenregelung (Glasow) ............................................................................ 1031 § 21 Die Bankenabgabe im Rahmen des Single Resolution Mechanism (Wolfers/Voland) ................................................................................................... 1067 Teil IV Spezialthemen § 22 Die Regulierung notleidender Kredite (Glos/Nemeczek) .................................... 1093 Stichwortverzeichnis ......................................................................................................... 1157

VIII

Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort der Herausgeber zur 2. Auflage ............................................................................. V Inhaltsübersicht .................................................................................................................. VII Autorenverzeichnis ............................................................................................................ XV Literaturverzeichnis .......................................................................................................... XIX Teil I Einführung §1

Bankenaufsichtsrecht als Mehrebenensystem........................................................... 3

I.

Überblick und Einordnung .......................................................................................... 6

II.

Internationale Standardsetzung ................................................................................... 8

III.

Europäische Regelsetzung und deutsches Recht ...................................................... 10

IV.

Rechtsquellen im nationalen Recht ........................................................................... 20 Teil II Materielles Aufsichtsrecht und Verfahren

§2

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden ............ 23

I.

Einleitung .................................................................................................................... 32

II.

Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism ................................... 36

III.

Institutionelle Bestimmungen für die EZB im SSM ................................................. 71

IV.

Anwendbares Recht .................................................................................................... 82

V.

Handlungsformen im SSM ......................................................................................... 92

VI.

Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen der Bankenaufsicht im SSM ...................... 100

§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren ........ 115

I.

Grundlagen ............................................................................................................... 119

II.

Erlaubnispflicht ........................................................................................................ 122

III.

Erlaubnis, Anspruch auf Erlaubniserteilung, Versagungsgründe .......................... 154

IV.

Erlaubnisverfahren .................................................................................................... 159

V.

Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Passporting ............................ 161

VI.

Konsequenzen der fehlenden Erlaubnis .................................................................. 170

§4

Beteiligungskontrolle ............................................................................................. 173

I.

Übersicht über die Beteiligungskontrolle auf nationaler Ebene ............................ 175

II.

Das Inhaberkontrollverfahren im Einzelnen .......................................................... 177

III.

Beteiligungskontrolle i. R. der Einlagensicherung .................................................. 201 IX

Inhaltsverzeichnis IV.

Rechtsschutz ............................................................................................................. 204

§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen ..................................... 209

I.

Die Anwendung von Regelungen auf konsolidierter Basis .................................... 213

II.

Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung ....................................... 215

III.

Konsolidierungskreis und Art der Konsolidierung ................................................ 242

IV.

Konsolidierungstechnik ............................................................................................ 256

V.

Erwägungen zur Strukturierung von Bankengruppen ............................................ 259

VI.

Konsolidierende Aufsichtsbehörde ......................................................................... 271

§6

Regulierung der Finanzverfassung: Ökonomische Grundlagen ....................... 275

I.

Zum Bedarf an Regulierung der Finanzverfassung ................................................. 278

II.

Ziele der Regulierung ................................................................................................ 282

III.

Eigenkapitalnormen .................................................................................................. 285

IV.

Eigenkapital zwischen regulatorischen Anforderung und Rechnungslegungsstandards .................................................................................... 292

V.

Zusammenfassende Betrachtung ............................................................................. 302

§7

Eigenmittelregulierung .......................................................................................... 303

I.

Überblick und allgemeine Grundlagen .................................................................... 309

II.

Bestandteile und Mindesthöhen .............................................................................. 314

III.

Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken .......................................................... 326

IV.

Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko ...................................................... 353

V.

Eigenmittelanforderungen für Veränderungen im Risikoprofil von Gegenparteien .................................................................................................... 385

VI.

Eigenmittelanforderungen für operationelle Risiken ............................................. 392

VII. MREL und TLAC ..................................................................................................... 408 VIII. ECB Guide to ICAAP – Mindestanforderungen an die internen Prozesse zur Beurteilung der Kapitaladäquanz ....................................................................... 413 §8

Verschuldungsquote ................................................................................................ 437

I.

Überblick ................................................................................................................... 438

II.

Rechtlicher Rahmen ................................................................................................. 439

III.

Berechnung der Verschuldungsquote ...................................................................... 440

IV.

Meldepflicht .............................................................................................................. 450

V.

Offenlegungspflicht .................................................................................................. 451

VI.

Ausblick ..................................................................................................................... 452

§9

Liquiditätsvorschriften ........................................................................................... 455

I.

Überblick ................................................................................................................... 457

X

Inhaltsverzeichnis II.

Liquidity Coverage Ratio – LCR ............................................................................. 464

III.

Net Stable Funding Ratio – NSFR .......................................................................... 480

IV.

Additional Monitoring Metrics ............................................................................... 494

V.

Meldepflichten .......................................................................................................... 494

VI.

Offenlegung .............................................................................................................. 495

VII. Liquiditätsverordnung (LiqV) ................................................................................. 496 VIII. Liquiditätsrisikomanagement ................................................................................... 499 IX.

Zusammenfassung .................................................................................................... 502

§ 10 Großkredite ............................................................................................................. 503 I.

Einleitung .................................................................................................................. 506

II.

Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen ............. 513

III.

Die Anwendung der Großkreditregelungen im Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) .......................... 543

§ 11 Organisatorische Anforderungen ......................................................................... 547 I.

Überblick .................................................................................................................. 556

II.

Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation ............................................................... 560

III.

Organe und Organmitglieder .................................................................................. 616

IV.

Auslagerung .............................................................................................................. 634

V.

Prüfung, Überwachung, Eingriffe und Sanktionen ................................................ 649

VI.

Ausblick .................................................................................................................... 653

§ 12 Vergütung ................................................................................................................ 655 I.

Überblick .................................................................................................................. 661

II.

Institutsvergütungsverordnung ............................................................................... 675

III.

Bewertung und Ausblick .......................................................................................... 729

§ 13 Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen ................................ 733 I.

Überblick .................................................................................................................. 737

II.

Laufende Aufsicht und Meldepflichten ................................................................... 737

III.

Aufsichtlicher Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP) ........................... 753

IV.

Eingriffsinstrumente und Sanktionen ..................................................................... 767 Teil III Bankenrestrukturierung und Bankenabwicklung

§ 14 Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden ...... 781 I.

Einführung ................................................................................................................ 785

II.

Der institutionelle Aufbau des SRM ....................................................................... 787

XI

Inhaltsverzeichnis III.

Zuständigkeitsverteilung und Verfahren im SRM .................................................. 795

IV.

Rechtsschutz im SRM .............................................................................................. 809

§ 15 Sanierungs- und Abwicklungsplanung ................................................................. 817 I.

Überblick ................................................................................................................... 821

II.

Sanierungsplanung .................................................................................................... 823

III.

Abwicklungsplanung ................................................................................................ 847

§ 16 Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen ....................................................... 863 I.

Überblick ................................................................................................................... 867

II.

Maßnahmen der EZB nach Art. 16 Abs. 2 SSM-VO .............................................. 873

III.

Der Sonderbeauftragte nach § 45c KWG ................................................................ 876

IV.

Maßnahmen bei Gefahr nach § 46 KWG ................................................................ 890

V.

Maßnahmen nach den §§ 36 ff. SAG ....................................................................... 897

§ 17 Insolvenzbewältigung bei nicht systemrelevanten Banken ................................ 917 I.

Überblick und Einordnung ...................................................................................... 919

II.

Das aufsichtsrechtliche Moratorium und flankierende Maßnahmen gegen Inhaber und Geschäftsleiter .......................................................................... 923

III.

Eröffnung des Insolvenzverfahrens ......................................................................... 938

IV.

Fälle mit Auslandsberührung ................................................................................... 941

§ 18 Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Banken .......................................... 945 I.

Überblick und Einordnung ...................................................................................... 950

II.

Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente ............................................................................................................... 956

III.

Sonderprobleme bei grenzüberschreitenden Gruppen ........................................... 997

§ 19 Einlagensicherung ................................................................................................. 1003 I.

Einleitung ................................................................................................................ 1005

II.

Europäischer Hintergrund und Rahmen ............................................................... 1006

III.

Geltende gesetzliche Einlagensicherung in Deutschland ..................................... 1010

IV.

Ausgestaltung der Einlagensicherungssysteme in Deutschland .......................... 1019

§ 20 Trennbankenregelung ........................................................................................... 1031 I.

Überblick ................................................................................................................. 1034

II.

Die deutsche Trennbankenregelung ...................................................................... 1040

III.

Bewertung und Ausblick ........................................................................................ 1066

§ 21 Die Bankenabgabe im Rahmen des Single Resolution Mechanism ................ 1067 I. XII

Hintergrund ............................................................................................................ 1069

Inhaltsverzeichnis II.

Einordnung des Single Resolution Fund (SRF) ................................................... 1070

III.

Finanzausstattung des SRF .................................................................................... 1076

IV.

Verfahren der Beitragszahlung .............................................................................. 1084

V.

Auszahlungen aus dem SRF ................................................................................... 1088

VI.

Änderungen der SRM-VO ..................................................................................... 1088

VII. Rechtsschutz ........................................................................................................... 1089 Teil IV Spezialthemen § 22 Die Regulierung notleidender Kredite ............................................................... 1093 I.

Einleitung ................................................................................................................ 1097

II.

Begriffsmerkmale .................................................................................................... 1100

III.

Mindestdeckungsanforderungen (Prudential Backstop) ..................................... 1117

IV.

Aufsichtliche Erwartungen an die Risikovorsorge – Ergänzung zum EZB-Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten ......................................... 1125

V.

NPE-Strategie und NPE-Governance ................................................................... 1129

VI.

Weitere regulatorische Konsequenzen der Einstufung einer Risikoposition als NPE .......................................................................................... 1135

VII. Regulierung von Kreditdienstleistern und Kreditkäufern .................................... 1141 VIII. Schluss ..................................................................................................................... 1156 Stichwortverzeichnis ........................................................................................................ 1157

XIII

Autorenverzeichnis Dr. Dorothee Amann Ernst & Young GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Stuttgart

§7

Rechtsanwältin Dr. Denise Bauer-Weiler Head Regulatory & Governance, UBS Europe SE, Frankfurt am Main

§ 16

Dr. Frank Beekmann BaFin, Bonn

§7

Rechtsanwalt Dr. Markus Benzing, LL.M. (Nottingham, Trent University) Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Frankfurt am Main

§ 2, § 14

Rechtsanwalt Dr. Marc Benzler Clifford Chance Deutschland LLP, Frankfurt am Main

§ 11

Rechtsanwalt Dr. Jan Biermann, LL.M. (Cambridge) Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Hamburg

§ 19

Professor Dr. Jens-Hinrich Binder, LL.M. (London) Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Eberhard-Karls-Universität Tübingen

§ 1, § 3, § 17, § 18

Rechtsanwalt Dr. Patrick Cichy, MBA (Wales) Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Hamburg/Frankfurt am Main

§ 15

Rechtsanwalt, Steuerberater Dr. Sascha Engelbach Leiter Recht, Investitionsbank Schleswig-Holstein, Kiel

§7

Professor Dr. Philipp Gann Fakultät für Betriebswirtschaft, Schwerpunkt Risk and Treasury Management, Hochschule für angewandte Wissenschaften München

§7

Rechtsanwalt Falko Glasow Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Frankfurt am Main

§ 12, § 20

Rechtsanwalt Dr. Alexander Glos Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Frankfurt am Main

§ 2, § 13, § 22

Dr. André Hater Manager zeb, Münster

§7

Rechtsanwältin Dr. Janina Heinz Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Frankfurt am Main

§ 10

XV

Autorenverzeichnis Dr. Peter Henseler d-fine GmbH, Frankfurt am Main

§7

Professor Dr. Jan-Philipp Hoffmann Fachbereich Mathematik und Naturwissenschaften, Hochschule Darmstadt

§7

Adrian Kämmler d-fine GmbH, Frankfurt am Main

§7

Dr. Andreas Keese d-fine GmbH, Frankfurt am Main

§7

Dr. Anne Kleppe d-fine GmbH, Frankfurt am Main

§7

Rechtsanwalt Dr. Kai Krieger Clifford Chance Deutschland LLP, Frankfurt am Main

§ 11

Dipl.-Kffr. Maike Kronbichler Manager zeb (bis 8/2019), Frankfurt am Main/Berlin

§7

Rechtsanwalt Dr. Klaus Lackhoff, LL.M. (Iowa) Frankfurt am Main

§ 10

Steffen Laufenberg Ernst&Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Stuttgart

§9

Rechtsanwalt Dr. Nicholas Lütgerath Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Hamburg

§ 19

Rechtsanwalt Dr. Heinrich Nemeczek, LL.M. (Harvard) Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Frankfurt am Main

§ 5, § 22

Professor Dr. Werner Neus Abt. Bankwirtschaft, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Eberhard-Karls-Universität Tübingen

§6

Dr. Elma Sefer Periškiü Ernst & Young GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Stuttgart

§8

Rechtsanwalt Sebastian Pitz White & Case, Frankfurt am Main

§5

Dr. Inka Puppe BaFin, Bonn

XVI

§7

Autorenverzeichnis Juniorprofessor Dr. oec. publ. Jan Riepe Abt. Bankwirtschaft, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Eberhard-Karls-Universität Tübingen

§ 6, § 7

Rechtsanwalt Andreas Steck Linklaters LLP, Frankfurt am Main

§4

Rechtsanwalt Jan Struckmann Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Frankfurt am Main

§ 16

Rechtsanwalt Dr. Thomas Voland, LL.M. (Nottingham) Clifford Chance Deutschland LLP, Düsseldorf

§ 21

Rechtsanwalt Dr. Benedikt Wolfers, M.A. Posser Spieth Wolfers & Partners, Berlin

§ 21

XVII

Allgemeines Literaturverzeichnis Admati/DeMarzo/Hellwig/Pfleiderer, Fallacies, irrelevant facts, and myths in the discussion of capital regulation: why bank equity is not socially expensive, Discussion Paper 2013/23, Preprints of the Max Planck Institute (MPI) for Research on Collective Goods Almhofer, Die Haftung der Europäischen Zentralbank für rechtswidrige Bankenaufsicht, 2018 Asser, Legal Aspects of Regulatory Treatment of Banks in Distress, 2001 Assies/Beule/Heise/Strube, Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., 2019 (zit.: Bearbeiter in: Assies/Beule/Heise/Strube, Hdb. FA Bank- und KapitalmarktR) Assmann/Wallach/Zetzsche, Kapitalanlagegesetzbuch, 2019 Auerbach, Banken- und Wertpapieraufsicht, 2015 Avgouleas, Governance of Global Financial Markets, 2012 Bassani, The Legal Framework Applicable to the Single Supervisory Mechanism, 2019 Bähr, Handbuch des Versicherungsaufsichtsrechts, 4. Aufl., 2011 (zit.: Bearbeiter in: Bähr, VAG-Hdb.) Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, 2016 (zit.: Bearbeiter in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor) Baumbach/Hopt, HGB, Kommentar, 39. Aufl., 2020 Bartetzky, Praxis der Gesamtbanksteuerung, 2012 (zit.: Bearbeiter in: Bartetzky, Praxis der Gesamtbanksteuerung) Beck/Samm/Kokemoor, KWG mit CRR, 211. EL 12/2019 Becker/Christ/Denter, CRR-Handbuch zur Solvabilität, 3. Aufl., 2014 Becker/Gruber/Heuter, Handbuch MaRisk, 3. Aufl., 2018 (zit.: Bearbeiter in: Becker/Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk) Becker/Schulte-Mattler, Finanzkrise 2.0 und Risikomanagement von Banken, 2012 beck-online.Großkommentar zum Zivilrecht, Kommentierung zum BGB, hrsg. v. Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Stand: 11/2019 (zit.: Bearbeiter in: BeckOGK-BGB) Beck’scher Bilanz-Kommentar, hrsg. v. Grottel/Schmidt/Schubert/Störk, 12. Aufl., 2020 (zit.: Bearbeiter in: BeckBilKomm) Beck'sches M&A-Handbuch, hrsg. v. Meyer-Sparenberg/Jäckle, 2017 (zit.: Bearbeiter in: BeckHdb. M&A) Beck’scher Online-Kommentar VAG, hrsg. v. Gebert/Erdmann/Schradin, 7. Ed. Stand: 12/2019 (zit.: Bearbeiter in: BeckOK-VAG) Berger/Molyneux/Wilson, The Oxford Handbook of Banking, 2. Aufl., 2017 Bergmann, Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, 2010 Bieg, Bankbilanzen und Bankenaufsicht, 1983 Bieg/Waschbusch, Bankbilanzierung nach HGB und IFRS, 3. Aufl., 2017

XIX

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XX

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XXIV

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XXVI

Teil I Einführung

§1 Bankenaufsichtsrecht als Mehrebenensystem – Internationale, europäische und nationale Regelsetzung und Rechtsquellen –

Binder

Übersicht I. II. 1. 2. III. 1. 2.

Überblick und Einordnung ....................... 1 Internationale Standardsetzung................ 5 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht ......... 5 Financial Stability Board.............................. 7 Europäische Regelsetzung und deutsches Recht........................................... 9 Europäisierung des materiellen Aufsichtsrechts............................................. 9 System der europäischen Rechtsquellen...... 10 a) Einschlägige Rechtsquellen im Sekundärrecht...................................... 10 b) Konkretisierung im LamfalussyVerfahren ............................................. 11

aa) Grundlagen und Rahmenrechtsakte................................................ 11 bb) Delegierte Rechtsakte, Technische Regulierungsstandards ................. 15 cc) Durchführungsrechtsakte, Technische Durchführungsstandards....................................... 17 dd) Leitlinien und Empfehlungen der EBA und des ESRB................ 19 3. Rechtsanwendung und Rechtsetzung durch die EZB im SSM............................... 20 4. Harmonisierungsgrad ................................ 22 IV. Rechtsquellen im nationalen Recht ....... 25

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Binder

3

§1

Bankenaufsichtsrecht als Mehrebenensystem

Rahmenbedingungen einer neuen Ordnung, 2012, S. 131; Theissen, EU Banking Supervision, 2013; Tröger, Allheilmittel oder quacksalberische Bankenregulierung?, ZBB 2013, 373; Veil, Aufsichtskonvergenz durch „Questions and Answers“ der ESMA, ZBB 2018, 151; Veil, § 1 Grundlagen der Kapitalmarktgesetzgebung in Europa, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, S. 1; Veil, § 5 Rechtsquellen und Auslegung, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, S. 59; Veil, Europäische Kapitalmarktunion – Verordnungsgesetzgebung, Instrumente der europäischen Marktaufsicht und die Idee eines „Single Rulebook“, ZGR 2014, 544; Veil, Zeitenwende in der Kapitalmarktgesetzgebung – Europäisierung von Recht und Aufsicht, in: Festschrift für Peter Hommelhoff, 2012, S. 1263; Walla, § 4 Rechtssetzungsverfahren und Regulierungsstrategien, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, S. 37; Wymeersch, The Single Supervisory Mechanism or „SSM“, Part One of the Banking Union, 2014, ecgi Law Working Paper no. 240/2414; Wymeersch, Das neue europäische Finanzmarktregulierungs- und Aufsichtssystem, ZGR 2011, 443. Verlautbarungen des Financial Stability Board/Financial Stability Forum (FSB/FSF): FSB, 2019 List of Global Systemically Important Banks (G-SIBs), v. 11/2019, https://www.fsb.org/wp-content/ uploads/P221119-1.pdf; FSB, Understanding the Key Attributes, v. 8/2016, www.fsb.org/what-wedo/policy-development/effective-resolution-regimes-and-policies/understanding-the-key-attributes/; FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 15.10.2014, www.financialstabilityboard.org/wp-content/uploads/r_141015.pdf; FSB, Guidance on Supervisory Interaction with Financial Institutions on Risk Culture: A Framework for Assessing Risk Culture, v. 4/2014, www.fsb.org/2014/04/140407/; FSB, Principles for an Effective Risk Appetite Framework, v. 11/2013, www.fsb.org/2013/11/r_131118/; FSB, Progress and Next Steps Towards Ending „TooBig-To-Fail“, v. 9/2013, www.fsb.org/2013/09/r_130902/; FSB, Policy Measures to Address Systemically Important Institutions, v. 11/2011, www.fsb.org/2011/11/r_111104bb/; FSB, Reducing the Moral Hazard Posed by Systemically Important Institutions, v. 11/2010, www.fsb.org/2010/11/ r_101111a/; FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 10/2011, www.financialstabilityboard.org/publications/r_111104cc.pdf; FSB, Implementation Standards for the FSB – Principles for Sound Compensation Practices, v. 9/2009, www.fsb.org/2009/09/ principles-for-sound-compensation-practices-implementation-standards/; FSF, Principles for Sound Compensation Practices, v. 4/2009, http://www.fsb.org/2009/04/principles-for-sound-compensationpractices-2/; (Abrufdatum jew. 5.5.2020). Verlautbarungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht/Basel Committee on Banking Supervision (BCBS): BCBS, Guidelines for identifying and dealing with weak banks, v. 16.7.2015, http://www.bis.org/bcbs/publ/d330.pdf; BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, www.bis.org/bcbs/publ/d328.pdf; BCBS, Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht, v. 9/2012, www.bis.org/publ/bcbs230_de.pdf; BCBS u. a., Principles for the supervision of financial conglomerates, v. 24.9.2012, www.bis.org/publ/joint29.pdf; BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, (rev.) v. 6/2011, www.bis.org/ publ/bcbs189_de.pdf; BCBS, Core Principles for Effective Deposit Insurance Systems, v. 18.6.2009, www.bis.org/publ/bcbs156.pdf; BCBS, Basel III: Internationale Rahmenvereinbarung über Messung, Standards und Überwachung in Bezug auf das Liquiditätsrisiko, v. 12/2010, www.bis.org/publ/ bcbs188_de.pdf; BCBS, Methodik der Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht, v. 10/2006, www.bis.org/publ/bcbs130ger.pdf; BCBS, Principles for Enhancing Corporate Governance in Banks, v. 4.10.2006, www.bis.org/publ/bcbs176.pdf; BCBS, Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht, v. 10/2006, www.bis.org/publ/bcbs129ger.pdf; BCBS, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen – Überarbeitete Rahmenvereinbarung, konsolidierte Fassung v. 6/2006, www.bis.org/publ/bcbs128ger.pdf; BCBS, Verbesserung der Unternehmensführung in Banken, v. 2/2006, www.bis.org/publ/bcbs122de.pdf; BCBS, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen – Überarbeitete Rahmenvereinbarung, v. 6/2004, www.bis.org/publ/bcbs107ger.pdf; BCBS, Aufsichtsempfehlungen für die Behandlung schwacher Banken, v. 3/2002, www.bis.org/publ/bcbs88ger.pdf; BCBS, Methodik der Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht, v. 10/1999, www.bis.org/publ/bcbs61de.pdf; BCBS, Verbesserung der Unternehmensführung in Banken, v. 9/1999, https://www.bis.org/publ/bcbs56de.pdf; BCBS u. a., Supervision of Financial Conglomerates, v. 2/1999, www.bis.org/publ/bcbs47.pdf; BCBS, Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht, v. 9/1997, www.bis.org/publ/bcbs30ade.pdf; BCBS, The Supervision of Cross-border Banking, v. 10/1996, www.bis.org/publ/bcbs27.pdf; BCBS u. a., Aufsicht über Finanzkonglomerate, v. 7/1995, www.bis.org/publ/bcbs20de.pdf; BCBS, Zwangsliquidation einer multinationalen Bank, v. 12/1992, www.bis.org/publ/bcbs10cde.pdf; BCBS, Minimum standards for the supervision of international banking groups and their cross-border establishments, v. 7/1992, www.bis.org/ publ/bcbsc314.pdf; BCBS, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen v. 7/1988, www.bis.org/publ/bcbs04ade.pdf; BCBS, Principles for the supervision of banks’ foreign establishments (Concordat), v. 5/1983, www.bis.org/publ/bcbsc312.pdf; BCBS, Report to the Governors on the supervision of banks‘ foreign establishments, v. 9/1975, www.bis.org/ publ/bcbs00a.pdf; (Abrufdatum jew. 5.5.2020).

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Bankenaufsichtsrecht als Mehrebenensystem

§1

Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rechtsrahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über Einlagensicherungssysteme – Einlagensicherungsrichtlinie (ESRL), ABl. (EU) L 173/149 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013; EP/Rat, Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung), ABl. (EU) L 177/1 v. 1.7.2006; EP/Rat, Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung), ABl. (EU) L 177/201 v. 30.6.2006; EP/Rat, Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.3.2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. (EG) L 126/1 v. 26.5.2000; EP/Rat, Richtlinie 89/647/EWG des Rates v. 18.12.1989 über einen Solvabilitätskoeffizienten für Kreditinstitute – Solvabilitätsrichtlinie, ABl. (EG) L 386/14 v. 30.12.1989; EP/Rat, Zweite Richtlinie 89/646/EWG des Rates v. 15.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG – Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie, ABl. (EG) L 386/1 v. 30.12.1989; Rat, Richtlinie 89/299/EWG des Rates v. 17.4.1989 über die Eigenmittel von Kreditinstituten – Eigenmittelrichtlinie, ABl. (EG) L 124/16 v. 5.5.1989; EP/Rat, Richtlinie 83/350/EWG des Rates v. 13.6.1983 über die Beaufsichtigung der Kreditinstitute auf konsolidierter Basis, ABl. (EG) L 193/18 v. 18.7.1983; EP/Rat, Erste Richtlinie 77/780/EWG des Rates v. 12.12.1977 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute – Erste Bankrechtskoordinierungsrichtlinie, ABl. (EG) L 322/30 v. 17.12.1977. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 1022/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.10.2013 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) hinsichtlich der Übertragung besonderer Aufgaben auf die Europäische Zentralbank gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013, ABl. (EU) L 287/5 v. 29.10.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 575/ 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.2.2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ABl. (EU) L 55/13 v. 28.2.2011; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 zur Errichtung

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§1

Bankenaufsichtsrecht als Mehrebenensystem

einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010. Rechtsakte der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Beschluss der Kommission v. 5.11.2003 zur Einsetzung des Ausschusses der europäischen Bankaufsichtsbehörden, 2004/5/EG, ABl. (EG) L 3/28 v. 7.1.2004. Verlautbarungen der European Banking Authority (EBA): EBA, Interactive Single Rule Book, https://www.eba.europa.eu/regulation-and-policy/single-rulebook/interactive-single-rulebook (Abrufdatum: 5.5.2020). Verlautbarungen und Verordnungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ECB): EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, konsolidierte Fassung, v. 11/2016, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ond_guide_ consolidated.de.pdf (Abrufdatum: 5.5.2020); EZB, Verordnung (EU) Nr. 2016/445 der Europäischen Zentralbank v. 14.3.2016 über die Nutzung der im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräume (EZB/2016/4), ABl. (EU) L 78/60 v. 24.3.2016.

I.

Überblick und Einordnung

1 Das Bankenaufsichtsrecht, der Gegenstand des vorliegenden Handbuchs, ist heute sowohl in institutioneller als auch in materieller Hinsicht geprägt durch ein komplexes Zusammenspiel von unionsrechtlichen Vorgaben, die ihrerseits internationale Standards umsetzen und teilweise weiterentwickeln, sowie nationaler Umsetzungsgesetzgebung und autonomer Rechtsetzung. Europäisierung und Internationalisierung zunächst des materiellen Aufsichtsrechts und – zumal in jüngerer Zeit – auch der Aufsichtsinfrastruktur und damit deren Einbettung in ein Mehrebenensystem der maßgeblichen Rechtsquellen1) sind Charakteristika des Rechtsgebiets, die in vielfältiger Hinsicht in praktische Umsetzungsprobleme umschlagen. Die Europäisierung des Bankaufsichtsrechts (siehe dazu Rz. 9 ff.) hat dabei – insbesondere im Hinblick auf die Harmonisierung der materiellrechtlichen Anforderungen an die Gründung und den laufenden Geschäftsbetrieb der Institute – seit jeher auf Grundsätze und Regelungsmuster aufgesetzt, die zuvor auf der Ebene der internationalen Standardsetzung (siehe Rz. 5 ff.) entwickelt worden waren. Europäisierung und Internationalisierung des Bankaufsichtsrechts sind damit von vornherein als wechselbezügliche Phänomene aufzufassen und können nur unter Berücksichtigung der institutionellen und inhaltlichen Zusammenhänge verstanden werden.2) Die Rechtsquellen des nationalen Rechts (siehe Rz. 25) setzen heute über weite Strecken die damit skizzierten Vorgaben um, gehen teilweise aber auch darüber hinaus. Mit alledem steht das Bankenaufsichtsrecht im Einklang mit den übrigen Gebieten der Finanzmarktregulierung, die ebenfalls stark von europäischer Rechtsharmonisierung geprägt sind.3) Doch reicht das Ausmaß an Rechtsintegration im hier untersuchten Zusammenhang schon mit Blick auf die Zentralisierung von Aufsichtsfunktionen in der Bankenunion weiter als in den übrigen Teilsektoren. 2 Aus diesem Ausgangsbefund ergeben sich auch Konsequenzen für die Rechtsquellenlehre des Aufsichtsrechts. Je stärker das autonome Recht zurückgedrängt und nationale Spielräume für die Ausgestaltung der Aufsichtsinfrastruktur sowie die Kompetenzen der Aufsichtsbehörden durch Einbettung in supranationale Regelsetzungs- und europäische Aufsichtsstrukturen eingeschränkt wurden (und werden), desto stärker weicht der Rechtsstoff zwangsläufig – ungeachtet aller Adaptionsprozesse bei der Umsetzung europäischer ___________ 1) 2) 3)

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Treffend z. B. Röhl in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 18 Rz. 100, 107. Instruktiv dazu nach wie vor der – i. E. allerdings veraltete – Überblick bei Theissen, EU Banking Supervision, S. 73 ff. Vgl. etwa den Gesamtüberblick bei Jung/Bischof, Europäisches Finanzmarktrecht, passim.

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I. Überblick und Einordnung

Richtlinien und der systematischen Verzahnung mit dem nationalen Recht – schon in formaler Hinsicht von vorhandenen Regulierungsstilen ab. Insoweit gilt für das Recht der Bankenaufsicht nichts anderes als bspw. für das funktional verwandte Kapitalmarktrecht.4) Nicht anders als der Restbestand autonomen Kapitalmarktrechts, ist das europäisch überformte, vielfach schon aufgrund geringer Umsetzungsspielräume mehr oder weniger eng am Wortlaut der jeweiligen sekundärrechtlichen Vorgaben orientierte nationale Bankaufsichtsrecht schon in formaler Hinsicht durch komplexe Tatbestände, eine zugleich technische und konkretisierungsbedürftige Sprache und teilweise durch suboptimale Systematik gekennzeichnet, auch wenn der deutsche Gesetzgeber sich durchweg erkennbar um die Aufrechterhaltung der systematischen Struktur des Kreditwesengesetzes in seiner 1961 geschaffenen Form bemüht hat. Zu den formalen Besonderheiten gehört heute – wiederum wie im Kapitalmarktrecht – zudem, dass das geltende Recht nicht allein aus nationalen Rechtsquellen, insbesondere KWG und Rechtsverordnungen, abgeleitet werden kann, sondern sich aus einer komplexen Gemengelage aus nationalem (Umsetzungs-)Recht, unmittelbar geltendem Sekundärrecht und Rechtsakten auf Level 2 und 3 der Europäischen Finanzmarktrechtsetzung ergibt (siehe Rz. 11 ff.). Unvermeidlich gehen diese Entwicklungen auch im Bankaufsichtsrecht mit einem Bedeutungsverlust der tradierten Auslegungsmethoden und insoweit beachtlichen Erkenntnisquellen einher: Kommentar- und auch Handbuchliteratur verlieren ebenso sehr an Wirkmacht wie die Aufbereitung von Einzelfragen durch Fachaufsätze in der nationalen Literatur.5) Mit der Europäisierung und Internationalisierung der Rechtsquellen korrespondieren 3 auch inhaltliche Abweichungen insofern, als die Regelungsmaterie gerade nicht mehr materiell (mehr oder weniger) passgenau auf die empirisch beobachtbaren Marktstrukturen und damit einhergehende Regelungsprobleme des nationalen Kreditwesens zugeschnitten ist. Sie reflektiert vielmehr jeweils einen auf europäischer und/oder ggf. internationaler Ebene erzielten Konsens im Hinblick auf Regelungsbedarf und problemadäquate Lösungen, dessen Umsetzung im nationalen Recht mit Blick auf nationale Charakteristika per se zu Friktionen führen kann. Exemplarisch belegen dies etwa die Schwierigkeiten, die bei der Anpassung aufsichtsrechtlicher Organisationsanforderungen an die im deutschen Kreditwesen vorfindlichen Organisationsmodelle – etwa bei Aktiengesellschaften mit dualistischer und damit vom auch für die Bankenregulierung dominierenden Paradigma der monistischen Unternehmensverfassung abweichender Struktur6) – zu beobachten sind. Die mit alledem verbundene Rechtsunsicherheit verschärft sich in der praktischen Um- 4 setzung insofern, als die für die tradierten nationalen Aufsichtsstrukturen durchaus charakteristische Offenheit für persönliche Kontakte zwischen Aufsichtsbehörden und der Kreditwirtschaft sowie ihren Beratern für die neuen Aufsichtsstrukturen zumal in der Europäischen Bankenunion nur mehr beschränkt festzustellen ist.7) Die Zahl streitiger Auseinandersetzungen zwischen Aufsicht und Kreditwirtschaft war in der durch autonomes Recht und autonome Durchsetzungsmechanismen geprägten Vergangenheit eher überschaubar und beschränkte sich vielfach auf extrem gelagerte Sachverhalte. Demgegenüber muss sich erst noch erweisen, ob die Europäisierung auch der Aufsichtsinfrastruktur die Marktteilnehmer zu einem verstärkt konfrontativen Umgang mit der aufsichtsseitigen Auslegungspraxis veranlassen wird. Dieser wäre allerdings Voraussetzung für den Aufwuchs einer eigenständigen europäischen Kasuistik, welche die Rechtsunsicherheit redu___________ 4) 5) 6) 7)

Vgl. allgemein etwa Veil in: FS Hommelhoff, S. 1263 ff. Zur Parallelproblematik im Kapitalmarktrecht Veil in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, § 5 Rz. 31 ff.; Veil in: FS Hommelhoff, S. 1263, 1268. Vgl. dazu stellvertretend Mülbert/Wilhelm in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, Rz. 6.40 ff. Dazu Binder, EBOR 2017, 401, 402.

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Bankenaufsichtsrecht als Mehrebenensystem

zieren und zu einem wirklich integrierten Verständnis des harmonisierten Rechtsstoffs in den Mitgliedstaaten beitragen könnte. Bislang ist dies nicht abzusehen und angesichts der geringen Entscheidungsfrequenz auch eher unwahrscheinlich. Eine Lösung für die praktischen Umsetzungsprobleme, die mit dem Mehrebenensystem mit dominierendem Einfluss der internationalen Standard- und der europäischen Rechtsetzung und immer engeren Gestaltungsspielräumen für nationale Regelsetzung und Regeldurchsetzung verbunden sind, ist damit letztlich noch nicht gefunden. II.

Internationale Standardsetzung

1.

Basler Ausschuss für Bankenaufsicht

5 Auf der Ebene der internationalen Standardsetzung gehen wesentliche Impulse nach wie vor zunächst vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision, BCBS) aus, der 1975 – in Reaktion u. a. auf die Herstatt-Insolvenz 1974 – von Vertretern aus Bankaufsichtsbehörden und Zentralbanken der großen Industrienationen gegründet und bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel angesiedelt wurde.8) Der Ausschuss umfasst heute Vertreter von 45 Institutionen – darunter die Europäische Zentralbank (EZB) – und aus 28 Nationen. Die vom Basler Ausschuss (Basel Committee on Banking Supervision – BCBS) veröffentlichten Standards sind völkerrechtlich nicht verbindlich und gelten als „soft law“,9) haben aber gleichwohl international umfassende Beachtung gefunden und sind in zahlreichen Rechtsordnungen unmittelbar oder – insbesondere in der EU bzw. zuvor der EG – mittelbar im nationalen Recht rezipiert worden.10) 6 Die Ergebnisse der Arbeit des BCBS11) werden im vorliegenden Handbuch im jeweiligen Sachzusammenhang dargestellt und sind daher hier nur in Grundzügen zu skizzieren. Prägend für die europäische Rechtsentwicklung war bereits das erstmals 1975 veröffentlichte sog. Basler Konkordat,12) mit dem zentrale Grundsätze über die Zuweisung von Zuständigkeiten und die grenzüberschreitende Kooperation nationaler Aufsichtsbehörden bei international tätigen Banken vereinbart wurden. Sie haben auch die in Europa etablierten Regelungen für die Zusammenarbeit von Behörden des Herkunfts- und der Aufnahmemitgliedstaaten beeinflusst. Eine zentrale Rolle hat der Basler Ausschuss sodann bekanntlich für die internationale Konvergenz der Eigenmittelregulierung gespielt, die erstmals mit dem Basler Akkord von 1988 (Basel I),13) sodann mit dem überarbeiteten Akkord von 2004 (Basel II)14) und schließlich mit dem in Reaktion auf die globale Fi___________ 8) Vgl. dazu und zum Folgenden etwa van Aaken in: Möllers/Voßkuhle/Walter, Internationales Verwaltungsrecht, S. 219, 227 ff.; Gortsos, Fundamentals, S. 238 ff.; Lastra, International Financial and Monetary Law, Rz. 14.24 ff.; Theissen, EU Banking Supervision, S. 87 ff.; Walker, International Banking Regulation, S. 35 ff.; monographisch Goodhart, The Basel Committee, passim. 9) Z. B. Ohler in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, § 32 Rz. 3; allgemein zum Begriff des „soft law“ auf dem Gebiet der internationalen Finanzmarktregulierung Avgouleas, Governance of Global Financial Markets, S. 213 ff. 10) Vgl. dazu auch Giovanoli in: Giovanoli/Devos, International Monetary and Financial Law, Rz. 1.57; Walker, International Banking Regulation, S. 70. 11) Sämtliche Publikationen des Ausschusses sind abrufbar unter www.bis.org/bcbs/publications.htm? m=%7C14%7C566 (Abrufdatum: 5.5.2020); guter Überblick bei Gortsos, Fundamentals, S. 238 ff. 12) BCBS, Report to the Governors on the supervision of banks‘ foreign establishments, v. 9/1975; abgelöst durch BCBS, Principles for the supervision of banks’ foreign establishments (Concordat), v. 5/1983; s. nachfolgend auch BCBS, Minimum standards for the supervision of international banking groups and their cross-border establishments, v. 7/1992, sowie BCBS, The Supervision of Crossborder Banking, v. 10/1996. 13) BCBS, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen, v. 7/1988. 14) BCBS, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen – Überarbeitete Rahmenvereinbarung v. 6/2004. Eine konsolidierte Fassung v. 6/2006 mit wesentlichen Folgeänderungen findet sich unter www.bis.org/publ/bcbs128ger.pdf (Abrufdatum: 5.5.2020).

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II. Internationale Standardsetzung

nanzkrise neu gefassten Akkord von 2010 (Basel III)15) vorangetrieben wurde. Seit der Neufassung der Eigenmittelgrundsätze durch Basel II ist der ursprünglich strikt auf die Eigenmittelregulierung beschränkte Fokus dabei auch auf das Organisationsrecht der Kreditinstitute erweitert worden.16) Von großer Bedeutung für die Konvergenz der internationalen Aufsichtspraxis, aber auch für die Herausbildung einheitlicher Standards für die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die interne Corporate Governance der Kreditinstitute waren die erstmals 1997 veröffentlichten Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht (Core Principles),17) die um eine „Methodik“ und damit um einen Leitfaden für die Umsetzung in der Aufsichtspraxis ergänzt wurden.18) Die Corporate Governance von Kreditinstituten ist auch Gegenstand einer Reihe weiterer Standards des Ausschusses.19) Zusätzliche Arbeitsgebiete betreffen die Beaufsichtigung von Finanzkonglomeraten,20) Grundsatzfragen der Gestaltung von Einlagensicherungssystemen21) sowie Vorarbeiten zur Entwicklung eines Abwicklungsregimes für Kreditinstitute.22) 2.

Financial Stability Board

Das Financial Stability Board (FSB) ist auf Initiative der G20-Staaten 2009 als Nachfolge- 7 organisation für das 1999 lediglich auf informeller Basis errichtete Financial Stability Forum gegründet und ebenfalls bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel angesiedelt worden. Es hat die Aufgabe, die Tätigkeit nationaler Aufsichtsbehörden und internationaler Standardsetzer zu koordinieren und selbst durch internationale Standards Reformen auf dem Gebiet der Finanzmarktregulierung voranzutreiben und zugleich – insbesondere i. R. sog. Peer Reviews – deren Umsetzung zu überwachen (vgl. Artt. 1 und 2 des FSB-Mandats). Nachdem es unmittelbar in die einschlägigen Aktivitäten der G20-Staaten eingebunden ist, haben die Arbeiten des FSB in kurzer Zeit eine erhebliche faktische Prägekraft entfaltet, obwohl auch den von ihm veröffentlichten Standards keine (völker-)rechtliche Bindungswirkung zukommt.23) Auch sie sind daher für die Auslegung und praktische Handhabung der von ihnen beeinflussten Rechtsgrundlagen auf europäischer und nationaler Ebene zu beachten. Seine eigenen und die von anderen Standardsetzern, insbe___________ 15) Zunächst BCBS, Basel III: Internationale Rahmenvereinbarung über Messung, Standards und Überwachung in Bezug auf das Liquiditätsrisiko, v. 12/2010; sodann BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, v. 6/2011; zu weiteren Einzelaspekten des neuen Regelwerks www.bis.org/bcbs/basel3/compilation.htm (Abrufdatum: 5.5.2020). 16) Dazu stellvertretend Binder, ZGR 2015, 667, 682 f. m. w. N. 17) BCBS, Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht, v. 9/1997, abgelöst durch Fassungen v. 10/2006 sowie v. 9/2012; s. zur damit verknüpften Stärkung der organisationsrechtlichen Anforderungen an Kreditinstitute nochmals Binder, ZGR 2015, 667, 682 f. m. w. N. 18) BCBS, Methodik der Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht, v. 10/1999, abgelöst durch Fassungen v. 10/2006. 19) Insb. BCBS, Verbesserung der Unternehmensführung in Banken, v. 9/1999; abgelöst durch Fassung v. 2/2006, sodann BCBS, Principles for Enhancing Corporate Governance in Banks, v. 4.10.2006; BCBS, Guidelines, Corporate Governance Principles for Banks, v. 8.7.2015. 20) S. insb. BCBS u. a., Aufsicht über Finanzkonglomerate, v. 7/1995; BCBS u. a., Supervision of Financial Conglomerates, v. 2/1999; abgelöst durch Neufassung BCBS u. a, Principles for the supervision of financial conglomerates, v. 24.9.2012. 21) S. insb. BCBS, Core Principles for Effective Deposit Insurance Systems, v. 18.6.2009. 22) S. insb. BCBS, Zwangsliquidation einer multinationalen Bank, v. 12/1992, sowie BCBS, Aufsichtsempfehlungen für die Behandlung schwacher Banken, v. 3/2002; abgelöst durch BCBS, Guidelines for identifying and dealing with weak banks, v. 16.7.2015. 23) S. dazu und zum Folgenden stellvertretend Giovanoli in: Giovanoli/Devos, International Monetary and Financial Law, Rz. 1.34 ff.; Gortsos, Fundamentals, S. 143 ff.; Theissen, EU Banking Supervision, S. 93 ff.; Lastra, International Financial and Monetary Law, Rz. 14.32 ff.; Thiele, Finanzaufsicht, S. 541 ff.; ferner Avgouleas, Governance of Global Financial Markets, S. 206 ff.; Buckley/Arner, From Crisis to Crisis, S. 149 ff.

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§1

Bankenaufsichtsrecht als Mehrebenensystem

sondere dem BCBS, veröffentlichten Arbeiten führt es in einem „Compendium of Standards“ zusammen, das auf den Internetseiten des FSB veröffentlicht und regelmäßig aktualisiert wird.24) 8 Im Hinblick auf den Aufgabenkreis liegen Überschneidungen mit Mandat und Tätigkeit des BCBS auf der Hand, wobei der Aufgabenkreis des FSB von vornherein nicht auf das Kreditwesen beschränkt, sondern allgemein auf Fragen der Finanzmarktregulierung bezogen ist. Wichtige Arbeiten, soweit im hiesigen Zusammenhang von Bedeutung, betreffen zunächst besondere regulatorische Vorkehrungen zur Eindämmung der mit „global systemrelevanten Finanzinstituten“ (global systemically important financial institutions – G-SIFIs) verbundenen Risiken25) und Kriterien für die Ermittlung der globalen Systemrelevanz, auf deren Basis eine jährlich aktualisierte Liste von Instituten vorgelegt wird.26) Weitere Arbeitsschwerpunkte betreffen die Entwicklung regulatorischer Anforderungen an die Ausgestaltung von Vergütungssystemen in Finanzinstituten,27) Einzelaspekte der effektiven Risikoüberwachung in Instituten28) sowie Vorarbeiten für ein international anerkanntes Abwicklungsregime für systemrelevante Institute.29) III.

Europäische Regelsetzung und deutsches Recht

1.

Europäisierung des materiellen Aufsichtsrechts

9 Materielles Aufsichtsrecht ist in Deutschland seit 1984 kein rein autonomes Recht mehr, sondern schrittweise durch europäische Rechtsetzung überformt und geprägt worden. Die dafür zentralen Entwicklungsstufen sind nachfolgend kurz zu skizzieren; schon dieser Überblick, der sich auf Grundzüge der Rechtsentwicklung beschränkt,30) zeigt, dass die Europäisierung inzwischen alle wesentlichen Regelungsgegenstände erreicht hat. Mit der 3. KWG-Novelle von 198431) wurden Vorgaben der Ersten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie von 1977,32) v. a. aber der EG-Konsolidierungsrichtlinie33) im Kreditwesengesetz von 1961 umgesetzt.34) Seither ist das KWG als die im Ausgangspunkt nach wie vor zentrale Rechtsgrundlage (siehe noch Rz. 25) immer wieder in Umsetzung gemeinschafts___________ 24) Dazu Lastra, International Financial and Monetary Law, Rz. 14.37 ff. 25) S. insb. FSB, Reducing the Moral Hazard Posed by Systemically Important Institutions, v. 11/2010; FSB, Policy Measures to Address Systemically Important Institutions, v. 11/2011; FSB, Progress and Next Steps Towards Ending „Too-Big-To-Fail“, v. 9/2013. 26) S. zuletzt FSB, 2019 List of Global Systemically Important Banks (G-SIBs), v. 11/2019. 27) S. insb. FSF, Principles for Sound Compensation Practices, v. 4/2009; FSB, Implementation Standards for the FSB – Principles for Sound Compensation Practices, v. 9/2009. 28) S. insb. FSB, Principles for an Effective Risk Appetite Framework, v. 11/2013; FSB, Guidance on Supervisory Interaction with Financial Institutions on Risk Culture: A Framework for Assessing Risk Culture, v. 4/2014. 29) FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, 2011, aktualisierte Version v. 15.10.2014 unter Einbeziehung der Insolvenzbewältigung bei Nichtbanken-Finanzintermediären; daneben FSB, Understanding the Key Attributes, v. 8/2016. 30) Für einen umfassenden Überblick etwa Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, KWG/CRR-VO, Einf. KWG Rz. 25 ff. 31) Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen – KredWGÄndG 3, v. 20.12.1984, BGBl. I 1984, 1693. 32) Erste Richtlinie 77/780/EWG des Rates v. 12.12.1977 – Erste Bankrechtskoordinierungsrichtlinie, ABl. (EG) L 322/30 v. 17.12.1977. 33) Richtlinie 83/350/EWG des Rates v. 13.6.1983, ABl. (EG) L 193/18 v. 18.7.1983. 34) Zu Einzelheiten näher Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, KWG/CRR-VO, Einf. KWG Rz. 25 ff.; Hirte/Heinrich, ZBB 2001, 388, 390; Hirte/Heinrich in: Derleder/Knops/Bamberger, Hdb. dt. und europ. BankR, § 73 Rz. 13 ff.

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III. Europäische Regelsetzung und deutsches Recht

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rechtlicher und dann unionsrechtlicher Vorgaben geändert worden.35) Die genuin dem autonomen Recht zuzurechnenden Materien sind dabei immer stärker zurückgedrängt worden. Die erste Welle der gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung des materiellen Aufsichtsrechts hatte sich noch auf zentrale Aspekte der Zulassungsanforderungen beschränkt, darunter insbesondere das Erfordernis eines Mindestkapitals als Voraussetzung für die erstmalige Erteilung der Zulassung als Kreditinstitut. Im seinerzeit vorfindlichen autonomen deutschen Recht verursachte dies nur ausgesprochen geringfügigen Anpassungsbedarf, weil die bis dahin geltende Rechtslage den wesentlichen Vorgaben der Ersten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie bereits weitgehend entsprach.36) Mit der Umsetzung des Richtlinienpakets um die Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie von 198937) durch die 4. KWG-Novelle von 199238) folgten sodann die umfassende Neugestaltung der Eigenmittelausstattung und die Einführung der Rechtsgrundlagen für die grenzüberschreitende Anerkennung der im Herkunftsland erteilten Zulassung innerhalb der EWG/ des EWR (Europäischer Pass). Schon mit der Zweiten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie ist die Harmonisierung darüber hinaus auch auf die innere Organisation der Kreditinstitute ausgedehnt worden.39) Im Zusammenhang mit der 2006 vollzogenen Reform des europäischen Rechtsrahmens unter Umsetzung des neuen Basler Eigenmittelübereinkommens (Basel II)40) wurden sodann nicht nur die aufsichtlichen Eingriffskompetenzen grundlegend überarbeitet,41) sondern neben den Eigenmittelanforderungen insbesondere auch die Anforderungen an die innere Organisation der Institute (einschließlich der Regulierung der Vergütungsstrukturen für Geschäftsleiter und verantwortliche Positionen) erheblich ausgebaut.42) Die 2014 in Reaktion auf die globale Finanzkrise vollzogene nochmalige Reform des sekundärrechtlichen Rechtsrahmens schließlich hat das harmonisierte Bankaufsichtsrecht – wiederum auch in Rezeption auf die zwischenzeitlich neugefassten Basler Eigenmittelstandards (Basel III) – in eine Verordnung und eine Richtlinie (Capital Requirements Regulation – CRR bzw. Capital Requirements Directive IV –

___________ 35) Vgl. im Überblick nochmals stellvertretend Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, KWG/CRR-VO, Einf. KWG Rz. 25 ff.; Hirte/Heinrich in: Derleder/Knops/Bamberger, Hdb. dt. und europ. BankR, § 73 Rz. 13 ff.; mit Einordnung in den Gesamtzusammenhang der Finanzmarktregulierung auch Jung/ Bischof, Europäisches Finanzmarktrecht, Rz. 2 ff. 36) Zu den hier nicht weiter zu verfolgenden Einzelheiten insoweit Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, KWG/CRR-VO, Einf. KWG Rz. 25. 37) Zweite Richtlinie 89/646/EWG des Rates v. 15.12.1989 – Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie, ABl. (EG) L 386/1 v. 30.12.1989; Richtlinie 89/299/EWG des Rates v. 17.4.1989 – Eigenmittelrichtlinie, ABl. (EG) L 124/16 v. 5.5.1989; Richtlinie 89/647/EWG des Rates v. 18.12.1989 – Solvabilitätsrichtlinie, ABl. (EG) L 386/14 v. 30.12.1989; dazu insgesamt etwa Hirte/Heinrich, ZBB 2001, 388, 392 f.; Hirte/Heinrich in: Derleder/Knops/Bamberger, Hdb. dt. und europ. BankR, § 73 Rz. 22 ff. Die genannten Rechtsakte sind 2000 konsolidiert worden in der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.3.2000, ABl. (EG) L 126/1 v. 26.5.2000. 38) Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen und anderer Vorschriften über Kreditinstitute, v. 21.12.1992, BGBl. I 1992, 2211. 39) Vgl. Art. 13 Abs. 2 Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie: „ordnungsgemäße Verwaltung und Buchhaltung sowie […] angemessene interne Kontrollverfahren“ als Mindestvoraussetzungen für die Zulassung; s. dazu Binder, ZGR 2015, 667, 680 f. 40) Vgl. Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2006, ABl. (EU) L 177/1 v. 1.7.2006, sowie Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2006, ABl. (EU) L 177/201 v. 30.6.2006; im deutschen Recht umgesetzt durch Gesetz zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie, v. 17.11.2006, BGBl. I 2006, 2606. 41) Dazu Binder, WM 2006, 2114 ff. 42) Dazu stellvertretend Binder, WM 2006, 2114, 2119 f.; Binder, ZGR 2015, 667, 682 ff.

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Bankenaufsichtsrecht als Mehrebenensystem

CRD IV) aufgeteilt.43) Der Kreis der sekundärrechtlich erfassten Regelungsgegenstände wurde dabei nochmals erweitert, insbesondere um zuvor allein in einzelnen nationalen Aufsichtsrechten etablierte Liquiditätsanforderungen. 2.

System der europäischen Rechtsquellen

a)

Einschlägige Rechtsquellen im Sekundärrecht

10 Die für das Bankaufsichtsrecht bedeutsamen Rechtsquellen des EU-Rechts ergeben sich zunächst aus den jeweils aktuellen Rechtsakten des Sekundärrechts – im geltenden Recht insbesondere die 2014 eingeführte Eigenmittelverordnung CRR sowie die neue Aufsichts- bzw. Eigenmittelrichtlinie CRD IV (zu beiden siehe soeben Rz. 9), darüber hinaus die Bankenabwicklungsrichtlinie von 201444) sowie die reformierte Einlagensicherungsrichtlinie (ESRL).45) Die für die genannten Rechtsakte maßgeblichen Ermächtigungsgrundlagen im europäischen Primärrecht sind heute Art. 53 Abs. 1 AEUV (Kompetenz zum Erlass von Richtlinien „für die Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten“: CRD IV, ESRL) sowie Art. 114 AEUV (Rechtsangleichung im Binnenmarkt: CRR, Bank Resolution and Recovery Directive – BRRD46)).47) Mit dem sog. Bankenpaket 2019, einem Bündel von Änderungsrechtsakten, sind die genannten Rechtsakte insbesondere zur Einführung neuer Vorgaben an die Eigenmittelausstattung (siehe i. E. § 7 [Riepe/u. a.]) sowie zur Verbesserung der Abwicklungsfähigkeit (siehe § 18 Rz. 100 [Binder]) teilweise erheblich modifiziert worden.48) Auch diese Änderungen werden im vorliegenden Handbuch im jeweiligen Sachzusammenhang behandelt. b)

Konkretisierung im Lamfalussy-Verfahren

aa)

Grundlagen und Rahmenrechtsakte

11 Der unionsrechtliche Rechtsrahmen für das Bankaufsichtsrecht erschöpft sich nicht in den soeben aufgeführten Sekundärrechtsakten. Auch die Unionsrechtsetzung auf dem Gebiet der Bankenregulierung ist vielmehr – wie die Finanzmarktregulierung allgemein – bereits seit 2003 von einem vierstufigen Rechtssetzungsverfahren, dem sog. LamfalussyVerfahren, geprägt.49) Das Verfahren geht zurück auf Vorschläge einer Expertengruppe ___________ 43) Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013, sowie Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013. 44) Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014, ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014. 45) Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 – Einlagensicherungsrichtlinie (ESRL), ABl. (EU) L 173/149 v. 12.6.2014. 46) Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014. 47) Dazu und zur Einordnung Binder, ZEuP 2017, 569, 580 f.; eingehende Diskussion der primärrechtlichen Rechtsgrundlagen für das Bankaufsichtsrecht bei Theissen, EU Banking Supervision, S. 98 ff., zum Rechtsetzungsverfahren ebd., S. 1183 ff., insb. S. 1187 ff. 48) S. Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019; Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019. 49) Das Verfahren beschränkte sich zunächst auf die Kapitalmarktrechtsetzung; zur Ausdehnung auch auf die Bankenregulierung s. Beschluss der Kommission v. 5.11.2003, ABl. (EG) L 3/28 v. 7.1.2004.

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III. Europäische Regelsetzung und deutsches Recht

§1

unter dem Vorsitz von Alexandre Baron de Lamfalussy. Durch den Vertrag von Lissabon50) und die Reform der Europäischen Finanzaufsicht in Reaktion auf die Erfahrungen aus der globalen Finanzkrise51) ist es nicht unwesentlich verändert worden52) (und daher in der geltenden Fassung auch als Lamfalussy II-Verfahren bekannt). Es dient der Flexibilisierung, Beschleunigung und Effektuierung der unionsrechtlichen Reaktionen auf sich dynamisch wandelnde Marktverhältnisse. Das Sekundärrecht konzentriert sich dabei – auf der ersten Stufe (Level 1) des Rechtset- 12 zungsprozesses – auf den Erlass sog. Rahmenrechtsakte, die vom Europäischen Parlament und dem Rat im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden, in dem die Initiative bei der Kommission liegt (Artt. 53 Abs. 1 und 114 AEUV i. V. m. Artt. 289 Abs. 1, 294 AEUV). Die oben (siehe Rz. 10) aufgeführten Rechtsgrundlagen sind Rahmenrechtsakte in diesem Sinne. Während nach den Vorschlägen des Lamfalussy-Berichts die Funktion der Rahmenrechtsakte auf die Festlegung allgemeiner Grundprinzipien beschränkt sein sollte,53) gehen (auch) die für das Bankaufsichtsrecht maßgeblichen Rahmenrechtsakte bekanntlich deutlich darüber hinaus und legen nicht nur rechtspolitische Grundentscheidungen, sondern auch zahlreiche technische Einzelheiten in großer Detailliertheit selbst fest. Auf der zweiten Stufe (Level 2) werden die Rahmenrechtsakte um sog. Delegierte Rechts- 13 akte und Durchführungsrechtsakte ergänzt und entsprechend den in den Rahmenrechtsakten festgelegten Zielvorgaben konkretisiert. Auf der dritten Stufe (Level 3) treten Empfehlungen und Leitlinien der Europäischen Bankaufsichtsbehörde (EBA) hinzu; auf der letzten Stufe (Level 4) überprüft und evaluiert die EBA gemeinsam mit der Kommission die Um- und Durchsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben in den Mitgliedstaaten. Das Oberziel dieser Regulierung ist die Entwicklung eines unionsweit konsistenten und konsistent durchgesetzten, effektiven Regulierungsrahmens für die Errichtung, den Betrieb und die Abwicklung von Kreditinstituten (das Single Rulebook), der sich aus der Summe der einschlägigen Rechtsakte auf Level 1, Level 2 und Level 3 zusammensetzt.54) ___________ 50) Zu den Auswirkungen auf die Struktur der Unionsrechtsakte und das Rechtsetzungsverfahren stellvertretend Grabitz/Hilf/Nettesheim-Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 290 AEUV Rz. 11 ff.; Calliess/ Ruffert-Ruffert, EUV/AEUV, Art. 290 AEUV Rz. 1 m. w. N. 51) Vgl. zu den wesentlichen Impulsen The High Level Group on Financial Supervision in the EU, chaired by Jacques de Larosière, Report, v. 25.2.2009, https://ec.europa.eu/info/files/report-high-level-groupfinancial-supervision-eu-chaired-jacques-de-larosiere_en (Abrufdatum: 5.5.2020); zur Umsetzung etwa Ruppel, Finanzdienstleistungsaufsicht, S. 50 ff.; Theissen, EU Banking Supervision, S. 1200 f.; Lehmann/ Manger-Nestler, ZBB 2011, 2, 4 f.; Siekmann in: Kadelbach, Nach der Finanzkrise, S. 131, 137 ff. 52) Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der Europäischen Wertpapiermärkte, v. 15.2.2001, https://www.caplaw.eu/file_download.php?l=de§=ov&mod=Kapitalmarktrecht& type=grundlagen&q=lamfalussy_verfahren&c=4&d=2001_02_15_schlussbericht_lamfalussy.pdf (Abrufdatum: 5.5.2020), S. 26 ff. Zum Verfahren – für das Kapitalmarktrecht, aber verallgemeinerungsfähig – etwa Klöhn, in: Langenbucher, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, § 6 Rz. 19 ff.; Veil in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, § 1 Rz. 16 ff.; Walla in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, § 4 Rz. 3 ff.; Lehmann/Manger-Nestler, ZBB 2011, 2, 10 ff.; Schmolke, NZG 2005, 912 ff.; speziell für das Bankaufsichtsrecht Theissen, EU Banking Supervision, S. 1197 ff.; s. auch Kohtamäki, Reform der Bankenaufsicht, S. 173 ff.; Ruppel, Finanzdienstleistungsaufsicht, S. 50 ff. 53) Vgl. nochmals Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der Europäischen Wertpapiermärkte, v. 15.2.2001, https://www.caplaw.eu/file_download.php?l=de§=ov&mod=Kapitalmarktrecht&type=grundlagen&q=lamfalussy_verfahren&c=4&d=2001_02_15_schlussbericht_lamfalussy.pdf (Abrufdatum: 5.5.2020), S. 26: „[…] politische Grundentscheidungen, die sich in allgemeinen, aber hinreichend präzisen Grundvorschriften konkretisieren“. 54) Zum Konzept des Single Rulebook allgemein Lutter/Bayer/Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 301; Lehmann/Manger-Nestler, ZBB 2011, 2, 10; Baur/Boegl, BKR 2011, 177, 182; Wymeersch, ZGR 2011, 443, 458 ff.; vgl. auch Moloney, International and Comparative Law Quarterly 62 (2013), 955 ff.; Veil, ZGR 2014, 544, 601 ff., sowie – speziell für das Bankaufsichtsrecht und zur Bedeutung für die Bankenunion – Kohtamäki, Reform der Bankenaufsicht, S. 177 f.; Grundmann, ZHR 179 (2015), 563, 575 f.; Gurlit, EuZW Beilage 1/2014, S. 14, 16; eingehende krit. Bestandsaufnahme der bisherigen Entwicklungsschritte bei Babis, European Business Law Review (2015), 779 ff.

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§1

Bankenaufsichtsrecht als Mehrebenensystem

Der EBA kommt insoweit – nicht anders als den übrigen Europäischen Finanzaufsichtsbehörden – schon deshalb eine zentrale Rolle zu, weil sie insbesondere durch die Einbindung in den Erlass konkretisierender Technischer Regulierungsstandards (siehe Rz. 15) und Technischer Durchführungsstandards (siehe dazu Rz. 17) deren Inhalt maßgeblich prägt. Sie ist überdies auch insofern treibende Kraft bei der Entwicklung des Single Rulebook, als sie den Gesamtbestand an bindenden Vorschriften und unverbindlichen Leitlinien und Empfehlungen in übersichtlicher Form systematisch aufbereitet und den Zugriff darauf durch Querverweise erleichtert.55) Im Zusammenhang mit der Errichtung des Single Supervisory Mechanism (SSM)56) ist ihr ergänzend dazu die Aufgabe zugewiesen worden, ein begleitendes Einheitliches Aufsichtshandbuch zu erarbeiten,57) das „bewährte Verfahren in Bezug auf Aufsichtsmethoden und -prozesse aufführt und […] auf dem neuesten Stand“ hält.58) 14 Die damit umrissene Einteilung der maßgeblichen Rechtsquellen auf Level 2 des Lamfalussy-Verfahrens steigert nicht nur die Komplexität des Systems insgesamt, sondern führt auch zu erheblichen Abgrenzungsproblemen hinsichtlich der Anwendungsbereiche der jeweiligen Rechtsgrundlagen, die aufgrund der unterschiedlichen prozeduralen und inhaltlichen Vorgaben (siehe i. E. Rz. 15 ff.) potentiell Rückwirkungen auf die Rechtmäßigkeit einzelner Rechtsakte haben könnten. Relevant ist dies zunächst für die Unterscheidung zwischen politischen und technischen Regelungsinhalten, von denen erstere, soweit „wesentlich“, in Rahmenrechtsakten zu treffen sind, die wiederum, soweit „nicht wesentlich“, in Delegierten Rechtsakten ergänzt und geändert werden dürfen. Ebenso ist fraglich, wo die Grenze zwischen Regulierungsstandards und Durchführungsstandards verläuft. Die damit angesprochenen Probleme bestehen sektorübergreifend in der europäischen Finanzmarktregulierung insgesamt, für die entsprechende Rechtsgrundlagen gelten; auf sie kann hier nur hingewiesen werden.59) bb)

Delegierte Rechtsakte, Technische Regulierungsstandards

15 Delegierte Rechtsakte – im hiesigen Zusammenhang in der Form der Verordnung erlassen – werden nach Art. 290 Abs. 1 Unterabs. 1 AEUV als „Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsrechtsakts“ erlassen. Es handelt sich mithin um originär legislative Befugnisse,60) die lediglich im Hinblick auf den „nicht wesentlichen“ Charakter der Bestimmungen nicht das für Rahmenrechtsakte vorgesehene ordentliche Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Doch ist die Delegation von vornherein nur innerhalb festgelegter Schranken zulässig und an die Kontrolle durch das Europäische Parlament und den Rat geknüpft. Bereits im jeweiligen Rahmenrechtsakt selbst sind nach Art. 290 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 „Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befugnisübertragung“ festzulegen. Parlament und Rat haben überdies nach Art. 290 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a AEUV die Möglichkeit, die Delegation jederzeit zu widerrufen. Zudem treten Delegierte Rechtsakte nach Art. 290 Abs. 2 Unterabs. 2 lit. b AEUV nur in ___________ 55) S. dazu das „Interactive Single Rule Book“, das die Rahmenrechtsakte mit den korrespondierenden Level-2und Level-3-Instrumenten (sowie mit „Questions & Answers“ zu einzelnen Sachfragen) verbindet. 56) Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013. 57) Art. 8 Abs. 1 lit. a (aa) sowie Art. 29 Abs. 2 SSM-VO i. d. F. der Verordnung (EU) Nr. 1022/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22.10.2013, ABl. (EU) L 287/5 v. 29.10.2013. 58) Dazu Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 877. 59) S. dazu im hiesigen Zusammenhang näher z. B. Theissen, EU Banking Supervision, S. 1207 ff.; Lehmann/ Manger-Nestler, ZBB 2011, 2, 11, jeweils m. w. N. 60) Zutr. Walla in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, § 4 Rz. 15.

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III. Europäische Regelsetzung und deutsches Recht

§1

Kraft, wenn das Europäische Parlament oder der Rat innerhalb einer im jeweiligen Rahmenrechtsakt festzulegenden Frist keine Einwände erheben. Befugnisse zum Erlass Delegierter Rechtsakte in diesem Sinne werden der Kommission insbesondere in Art. 145 CRD IV, in den Artt. 456, 460, 462 CRR sowie in mehreren Einzelbestimmungen der Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD)61) und der ESRL62) zugewiesen. Ebenfalls im Verfahren nach Art. 290 AEUV werden Technische Regulierungsstandards 16 erlassen, die durch die EBA nach Maßgabe des Art. 10 EBA-VO63) vorbereitet werden, „um eine kohärente Harmonisierung“ in den betreffenden Gebieten zu gewährleisten (Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 EBA-VO). Technische Regulierungsstandards in diesem Sinne unterscheiden sich von dem soeben dargestellten Normalfall der nach Art. 290 AEUV zu erlassenden Delegierten Rechtsakte zunächst durch enger gezogene Schranken für den Inhalt; sie sind nach Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 2 EBA-VO „technischer Art und beinhalten keine strategischen oder politischen Entscheidungen, und ihr Inhalt wird durch die Gesetzgebungsakte, auf denen sie beruhen, begrenzt“. Unterschiedlich ausgestaltet ist auch die Rolle der Kommission. Während diese für den Inhalt der Delegierten Rechtsakte allein verantwortlich ist, ist die EBA nach Maßgabe des Art. 10 EBA-VO sowie der darauf verweisenden Einzelbestimmungen in den jeweiligen Rahmenrechtsakten die eigentliche „Urheberin“64) der Technischen Regulierungsstandards. Die Kommission kann nur unter den in Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 5–7 EBA-VO geregelten, restriktiven65) Voraussetzungen von den Entwürfen abweichen, wenn dies „aus Gründen des Unionsinteresses erforderlich ist“ (vgl. Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 5 EBA-VO); vor einer Ablehnung ist erneut die EBA zu befassen. Auch hier gelten die Kontrollrechte und die Widerrufsbefugnisse des Europäischen Parlaments und des Rates nach Art. 290 Abs. 2 AEUV (siehe soeben Rz. 15), was sich daraus erklärt, dass es auch hier um Befugnisse von legislativer Qualität geht.66) Der Erlass Technischer Regulierungsstandards ist – überwiegend als zwingende Vorgabe, teils aber auch in das Ermessen der EBA gestellt und teilweise ergänzt durch konkrete Vorgaben zum Verfahren und zur Beteiligung weiterer Akteure – in einer Vielzahl von Rahmenrechtsakten vorgesehen; mit dem Bankenpaket 2019 sind diese Ermächtigungen – vor allem für die technischen Vorgaben zur Eigenmittelregulierung in der

___________ 61) S. i. E. Artt. 2 Abs. 2, 44 Abs. 11, 76 Abs. 4, 103 Abs. 7 und 8, 104 Abs. 4 i. V. m. Art. 115 BRRD. 62) S. Art. 6 Abs. 7 i. V. m. Art. 18 RL 2014/49/EU. 63) Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010. Zur Einbindung der EBA in den Legislativprozess näher Kohtamäki, Reform der Bankenaufsicht, S. 177 ff.; Theissen, EU Banking Supervision, S. 1207 ff.; für die Parallelproblematik auf dem Gebiet der Kapitalmarktregulierung, aber angesichts der entsprechenden Rechtslage übertragbar Klöhn in Langenbucher, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, § 6 Rz. 22; Walla in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, § 4 Rz. 13; allgemein Baur/Boegl, BKR 2011, 177, 181 f.; Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 871 ff.; Lehmann/Manger-Nestler, ZBB 2011, 2, 10 ff. 64) Treffend Walla in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, § 4 Rz. 13. 65) S. dazu auch ErwG 23 EBA-VO: „[Die EBA-Entwürfe] sollten nur in äußerst begrenzten Fällen und unter außergewöhnlichen Umständen geändert werden dürfen, da die Behörde der Akteur ist, der sich im engen Kontakt mit den Finanzmärkten befindet und deren tägliches Funktionieren am besten kennt. Entwürfe technischer Regulierungsstandards müssten in Fällen geändert werden, in denen sie nicht mit dem Unionsrecht vereinbar wären, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würden oder grundlegenden Prinzipien des Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen zuwiderlaufen würden, so wie sie im Besitzstand der Union für Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen verankert sind. Die Kommission sollte den Inhalt der von der Behörde ausgearbeiteten Entwürfe technischer Regulierungsstandards nicht ändern, ohne sich vorher mit der Behörde abgestimmt zu haben.“ 66) Lehmann/Manger-Nestler, ZBB 2011, 2, 11.

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Bankenaufsichtsrecht als Mehrebenensystem

CRR – erheblich ausgeweitet worden.67) Technische Regulierungsstandards haben damit eine kaum zu unterschätzende Bedeutung für die Harmonisierung des materiellen Aufsichtsrechts, tragen aber unverkennbar auch maßgeblich zur Komplexität des geltenden Rechts und den damit verbundenen Umsetzungsproblemen für die aufsichtsunterworfenen Institute bei. cc)

Durchführungsrechtsakte, Technische Durchführungsstandards

17 Die Vorgaben für den Inhalt und das Zustandekommen sog. Durchführungsrechtsakte (Verordnungen, ggf. auch Beschlüsse der Kommission) ergeben sich aus Art. 291 Abs. 2 und 3 AEUV. Durchführungsrechtsakte kommen ebenfalls auf Level 2 des LamfalussyVerfahrens zum Einsatz, dienen aber im Unterschied zu Delegierten Rechtsakten und Technischen Regulierungsstandards lediglich dem Vollzug der sekundärrechtlichen Vorgaben, indem sie „einheitliche Bedingungen für die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte“ festlegen (vgl. Art. 291 Abs. 2 Halbs. 1 AEUV). Die Bedeutung originär durch die Kommission entwickelter und erlassener Durchführungsrechtsakte ist im hier untersuchten Zusammenhang vergleichsweise gering.68) 18 Ebenfalls auf der Grundlage des Art. 291 Abs. 2 AEUV können sog. Technische Durchführungsstandards erlassen werden. Diese werden ebenso wie Technische Regulierungsstandards durch die EBA entwickelt und unterliegen ebenfalls einer eingeschränkten inhaltlichen Überprüfung durch die Kommission. Die oben (siehe Rz. 15) für Technische Regulierungsstandards dargestellten Vorgaben gelten nach Art. 15 EBA-VO im Wesentlichen entsprechend auch für Technische Durchführungsstandards. Der Unterschied zwischen beiden ist inhaltlicher Art: Technische Durchführungsstandards sind zwar ebenso wie Technische Regulierungsstandards „technischer Natur und beinhalten keine strategischen oder politischen Entscheidungen“; sie dienen jedoch dazu, die „Bedingungen für die Anwendung“ der Rahmenrechtsakte festzulegen (Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 1 EBA-VO) und mithin nicht der „Ergänzung“ oder „Änderung“ derselben.69) Im Unterschied zum Erlass von Delegierten Rechtsakten oder Technischen Regulierungsstandards nach Art. 290 AEUV (ggf. i. V. m. Art. 10 EBA-VO) sieht hier das Primärrecht außerdem keine spe___________ 67) S. in der CRD IV Artt. 8 Abs. 2, 35 Abs. 5, 36 Abs. 5, 39 Abs. 4, 50 Abs. 6, 51 Abs. 4, 77 Abs. 4, 78 Abs. 7, 94 Abs. 2, 116 Abs. 4, 120 Abs. 4, 131 Abs. 18, 140 Abs. 7 i. V. m. Art. 149. In der CRR: Artt. 4 Abs. 4, 18 Abs. 7 und 9, 26 Abs. 4, 27 Abs. 3, 28 Abs. 5, 29 Abs. 6, 32 Abs. 2, 33 Abs. 4, 36 Abs. 2 bis 4, 41 Abs. 2, 49 Abs. 6 (in Kooperation mit den übrigen Europäischen Finanzaufsichtsbehörden), 52 Abs. 2, 72b Abs. 7, 73 Abs. 7, 76 Abs. 4, 78 Abs. 5, 78a Abs. 3, 79 Abs. 2, 83 Abs. 2, 84 Abs. 4, 97 Abs. 4 (in Abstimmung mit ESMA), 105 Abs. 14, 111 Abs. 4, 124 Abs. 4, 132a, 143 Abs. 5, 144 Abs. 2, 148 Abs. 6, 150 Abs. 3, 152 Abs. 5, 153 Abs. 9, 164 Abs. 6 und 8, 173 Abs. 3, 178 Abs. 6, 180 Abs. 3, 181 Abs. 3, 182 Abs. 4, 183 Abs. 6, 194 Abs. 10, 221 Abs. 9, 248 Abs. 1 Unterabs. 2, 255 Abs. 9, 277 Abs. 5, 279a, 304 Abs. 5, 312 Abs. 4, 314 Abs. 5, 316 Abs. 3, 325 Abs. 9, 325u Abs. 5, 325w Abs. 8, 325ap Abs. 2 und 3, 325az Abs. 8 und 9, 325bd Abs. 7, 325be Abs. 3, 325bf Abs. 9, 325bg Abs. 4, 325bk Abs. 3, 325bp Abs. 12, 329 Abs. 3, 341 Abs. 3, 352 Abs. 6, 358 Abs. 4, 363 Abs. 4, 382 Abs. 5, 383 Abs. 7, 390 Abs. 8 und 9, 394 Abs. 4, 410 Abs. 2, 419 Abs. 5, 422 Abs. 10, 423 Abs. 3, 425 Abs. 6, 440 Abs. 2, 443 i. V. m. Art. 463. In der BRRD: Artt. 4 Abs. 6, 5 Abs. 10, 6 Abs. 8, 10 Abs. 9, 12 Abs. 6, 15 Abs. 4, 23 Abs. 2, 27 Abs. 5, 36 Abs. 14 und 15, 45c Abs. 4, 45f Abs. 6, 49 Abs. 5, 52 Abs. 12 und 14, 55 Abs. 3 und 8, 71 Abs. 8, 71a Abs. 5, 74 Abs. 4, 82 Abs. 3, 88 Abs. 7; s. zum Verfahren auch Art. 127 (Einrichtung eines EBAAbwicklungsausschusses). 68) Vgl. für die CRD IV lediglich Art. 146; i. R. der CRR wird der Kommission mehrfach die Befugnis zum Erlass von Durchsetzungsrechtsakten in der Form des Beschlusses zu Einzelfragen zugewiesen, vgl. Artt. 107 Abs. 4, 114 Abs. 7 Unterabs. 2, 115 Abs. 4 Unterabs. 2, 116 Abs. 5 Unterabs. 2, 132 Abs. 3 Unterabs. 2, 142 Abs. 2 und darüber hinaus Artt. 391 Unterabs. 2, 395 Abs. 8, 497 Abs. 3. 69) S. näher Klöhn in: Langenbucher, Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, § 6 Rz. 22; Theissen, EU Banking Supervision, S. 1207 ff.; vgl. nochmals auch Kohtamäki, Reform der Bankenaufsicht, S. 173 ff. Krit. Analyse aus europarechtlicher Perspektive bei Bergold/Wendt, EuR 2019, 86 ff.

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ziellen Widerrufs- und Kontrollrechte zugunsten des Europäischen Parlaments und des Rates vor. Die – eingeschränkten – Kontrollmöglichkeiten beruhen vielmehr auf der aufgrund des Art. 291 Abs. 3 AEUV erlassenen sog. Komitologieverordnung.70) Im Unterschied zu originär durch die Kommission erlassenen Durchführungsrechtsakten (siehe Rz. 17) spielen Technische Durchführungsstandards eine wichtige Rolle für die Absicherung einer konsistenten Durchsetzung der sekundärrechtlichen Vorgaben.71) dd)

Leitlinien und Empfehlungen der EBA und des ESRB

Die auf der dritten Stufe (Level 3) des Lamfalussy-Verfahrens veröffentlichten Leitlinien 19 und Empfehlungen der EBA sind als nicht verbindliche Rechtsakte i. S. des Art. 288 Abs. 5 AEUV einzustufen. Sie sollen einen „Beitrag zur Festlegung qualitativ hochwertiger gemeinsamer Regulierungs- und Aufsichtsstandards und -praktiken“ leisten (vgl. Art. 8 Abs. 1 lit. a EBA-VO) und „kohärente, effiziente und wirksame Aufsichtspraktiken […] schaffen und eine gemeinsame, einheitliche und kohärente Anwendung des Unionsrechts“ sicherstellen (Art. 16 Abs. 1 EBA-VO).72) Das Verfahren ist in Art. 16 EBA-VO geregelt, der insbesondere eine Anhörung interessierter Kreise vorsieht (Art. 16 Abs. 2 EBA-VO). Die praktische Bedeutung wird erheblich durch den Umstand erhöht, dass die Entscheidung über Befolgung oder Nichtbefolgung zwar den nationalen Behörden überlassen bleibt, diese sich aber dazu und zu den Gründen i. S. eines Comply-or-ExplainMechanismus zu äußern haben (Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 1 und 2 EBA-VO).73) Die EBA hat die Nichtbefolgung bekannt zu machen und kann auch die Gründe dafür veröffentlichen (Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 3 EBA-VO). Der Erlass von Leitlinien und Empfehlungen ist zwar auch ohne konkrete Ermächtigung in den Rahmenrechtsakten möglich. Dennoch enthalten diese eine Reihe von Ermächtigungsnormen,74) die ihnen eine wichtige Rolle bei der Konkretisierung des materiellen Aufsichtsrechts und der aufsichtlichen Verfahren zuweisen. Ihre faktische Bindungswirkung ist ungeachtet der fehlenden rechtlichen Bindung sehr hoch.75) Im Ausgangspunkt gilt Entsprechendes für Leitlinien des Europäi___________ 70) Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.2.2011, ABl. (EU) L 55/13 v. 28.2.2011; s. dazu stellvertretend etwa Calliess/Ruffert-Ruffert, EUV/AEUV, Art. 291 AEUV Rz. 17 ff. 71) S. zu einzelnen Befugnissen in der CRD IV Artt. 8 Abs. 3, 22 Abs. 9, 35 Abs. 6, 36 Abs. 6, 39 Abs. 5, 50 Abs. 7, 51 Abs. 5, 78 Abs. 8, 113 Abs. 5, 116 Abs. 5, 143 Abs. 3; in der CRR Artt. 20 Abs. 8, 99 Abs. 5 und 6, 101 Abs. 4, 136 Abs. 1 und 3 (in Kooperation mit den übrigen Finanzaufsichtsbehörden), 197 Abs. 8 (ESMA), 270a Abs. 2, 270e, 318 Abs. 3, 344 Abs. 1, 354 Abs. 3, 415 Abs. 3 und 3a, 416 Abs. 5, 419 Abs. 4, 426, 430 Abs. 2 und 7, 430b Abs. 6, 434, 437 Abs. 2, 441 Abs. 2, 451 Abs. 2, 492 Abs. 5; in der BRRD Artt. 4 Abs. 11, 11 Abs. 3, 26 Abs. 3, 45i Abs. 5 und 6, 45j Abs. 2, 55 Abs. 8. 72) Dazu und zum Folgenden eingehend Kohtamäki, Reform der Bankenaufsicht, S. 182 f.; Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 875 ff.; Lehmann/Manger-Nestler, ZBB 2011, 2, 12 ff. 73) Vgl. dazu auch Veil in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, § 5 Rz. 38. 74) Für Leitlinien s. in der CRD IV Artt. 74 Abs. 3, 75 Abs. 2 und 3, 78 Abs. 6, 91 Abs. 12, 94 Abs. 1 lit. g (ii) Spiegelstrich 5 und (iii) Unterabs. 2, 100 Abs. 2, 101 Abs. 5 Unterabs. 2, 103 Abs. 2, 107 Abs. 3, 121 Abs. 4 (in Kooperation mit den übrigen Finanzaufsichtsbehörden), 131 Abs. 3 Unterabs. 2; in der CRR Artt. 89 Abs. 4, 128 Abs. 3 Unterabs. 2, 150 Abs. 4, 178 Abs. 7, 250 Abs. 4, 254 Abs. 4, 255 Abs. 8, 257 Abs. 4, 292 Abs. 10, 325b Abs. 3, 327 Abs. 2, 337 Abs. 2 Unterabs. 3, 340 Abs. 3 Unterabs. 2, 366 Abs. 2, 372, 377 Abs. 5, 395 Abs. 2, 396 Abs. 2, 403 Abs. 4, 421 Abs. 3, 432 Abs. 1 Unterabs. 3 und Abs. 2 Unterabs. 4, 433 Unterabs. 4, 443, 473 Abs. 10; in der BRRD Artt. 4 Abs. 5, 5 Abs. 7, 9 Abs. 2, 17 Abs. 8, 23 Abs. 3, 27 Abs. 4, 32 Abs. 4 Unterabs. 4 und Abs. 6, 39 Abs. 4, 42 Abs. 14, 47 Abs. 6, 48 Abs. 6, 50 Abs. 4, 52 Abs. 13, 65 Abs. 5, 84 Abs. 7; in der Einlagensicherungsrichtlinie (ESRL) Artt. 10 Abs. 3 Unterabs. 2, 13 Abs. 3. Für Empfehlungen in der CRD IV Artt. 78 Abs. 6, 86 Abs. 3 Unterabs. 5; in der BRRD Art. 102 Abs. 4. 75) Ausdrücklich – und krit. – Berger, WM 2016, 2325, 2330 („oftmals rechtssatzgleiche Wirkung“); s. a. Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 876.

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Bankenaufsichtsrecht als Mehrebenensystem

schen Systemrisikoausschusses (ESRB), die auf Art. 16 der ESRB-VO76) beruhen, allerdings in den Rahmenrechtsakten nur vereinzelt in Bezug genommen werden.77) Nicht eigens geregelt, aber für die Praxis außerordentlich aufschlussreich und mit erheblicher faktischer Wirkung verbunden sind die (auch) von der EBA zu einzelnen Fragestellungen veröffentlichten „Questions and Answers“, die über das Interactive Single Rulebook zugänglich gemacht werden und die Aufsichtspraxis widerspiegeln.78) 3.

Rechtsanwendung und Rechtsetzung durch die EZB im SSM

20 Innerhalb des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) wendet die EZB nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 SSM-VO79) sowohl das „einschlägige Unionsrecht“ als auch „die nationalen Rechtsvorschriften“ an, wenn diese die einschlägigen Richtlinien des Unionsrechts umsetzen.80) Auch die Aufsichtstätigkeit der EZB fügt sich somit im Hinblick auf die Rechtsanwendung grundsätzlich in das Mehrebenensystem aus international beeinflussten unionsrechtlichen Vorgaben und nationalem Umsetzungsrecht ein. Insbesondere ist die EZB in diesem Zusammenhang auch an die nach Artt. 290 und 291 erlassenen Rechtsakte auf Level 2 des Lamfalussy-Verfahrens gebunden (vgl. Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 1 und 2 SSM-VO). Ebenfalls „unterliegt“ die EZB nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 2 SSM-VO dem Art. 16 EBA-VO sowie „den Bestimmungen [der EBA-VO] zum von der EBA im Einklang mit jener Verordnung ausgearbeiteten europäischen Aufsichtshandbuch“, das damit grundsätzlich auch für die Bankenaufsicht innerhalb des SSM gilt.81) Eines der Kernziele der Bankenunion, innerhalb der Währungsunion für eine einheitliche und effektive Umsetzung des materiellen Aufsichtsrechts zu sorgen, wird damit besonders deutlich.82) Dessen ungeachtet und auch unabhängig von den originären Rechtsetzungskompetenzen der EZB nach der SSM-VO (siehe sogleich Rz. 21) ist allerdings kaum zu verkennen, dass die Zentralbank in ihrer Eigenschaft als wichtigste Aufsichtsbehörde innerhalb der EU das Potential hat, i. R. der Auslegung und Anwendung des harmonisierten Bankenaufsichtsrechts dessen weitere Entwicklung maßgeblich zu beeinflussen.83) 21 Besonderheiten ergeben sich indessen aus dem Umstand, dass der EZB im Unionsrecht auch selbst Rechtsetzungskompetenzen zugewiesen sind.84) Im Europäischen Primär___________ 76) Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010. 77) Zu konkreten Ermächtigungsgrundlagen für Empfehlungen in der CRD IV Artt. 135 Abs. 1, 138 Abs. 1 und Abs. 3 Unterabs. 3. 78) Dazu und zur – im Hinblick auf die schwache Basis im Sekundärrecht problematischen – Bewertung (für die ESMA, aber vielfach verallgemeinerungsfähig) Veil, ZBB 2018, 151 ff. 79) Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013, ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013. 80) Näher z. B. Berger, WM 2016, 2325, 2329. 81) Dazu Berger, WM 2016, 2325, 2329; Gurlit, EuZW Beilage 1/2014, S. 14, 16 ff.; Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 877 f.; allgemein zur Beziehung EBA/EZB Ferran/Babis, JCLS 13 (2013), 255, 276 ff.; Ferrarini/Recine in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, Kap. 5; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 97 ff.; Tröger, ZBB 2013, 373, 388 ff.; Wymeersch, The Single Supervisory Mechanism or „SSM“, Rz. 86 ff.; zu möglichen Konflikten auch Ruthig, ZHR 178 (2014), 443, 469. 82) Vgl. ErwG 12 SSM-VO; zur Komplementarität von harmonisiertem Aufsichtsrecht und Durchsetzung innerhalb des SSM auch ErwG 11 und 32 SSM-VO. 83) Dazu besonders Tröger, ZBB 2013, 373, 389 ff.; vgl. nochmals auch Ferran/Babis, JCLS 13 (2013), 255, 276 ff.; Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 878 („nicht auszuschließen, dass sich die EZB als konkurrierender Standardsetzer betätigt“); weiterführend Ferrarini/Recine in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, Rz. 5.80 ff.; Brescia Morra, From the Single Supervisory Mechanism to the Banking Union, passim. 84) S. zu den auf der Grundlage der nachfolgend genannten Ermächtigungsgrundlagen bislang erlassenen Rechtsakten https://www.bankingsupervision.europa.eu/legalframework/ecblegal/framework/html/ index.en.html (Abrufdatum: 5.5.2020).

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III. Europäische Regelsetzung und deutsches Recht

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recht, das insoweit durch die SSM-VO konkretisiert wird, ergeben sich die einschlägigen Rechtsgrundlagen aus Artt. 127 Abs. 6, 132 AEUV. Nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 1 SSM-VO nimmt die EZB zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben Leitlinien und Empfehlungen an und fasst Beschlüsse; nach Satz 3 derselben Vorschrift kann sie zudem „Verordnungen erlassen, allerdings nur soweit dies für die Gestaltung oder Festlegung der Modalitäten zur Wahrnehmung der ihr durch die vorliegende Verordnung übertragenen Aufgaben erforderlich ist.“ Die Befugnis zum Erlass verbindlicher Rechtsnormen ist damit auf „die organisatorischen und operativen Modalitäten der Aufgabenwahrnehmung beschränkt“,85) während die Möglichkeiten der EZB, durch Leitlinien und Empfehlungen Aufsichtsrecht zu prägen, weiter reichen und damit auch Konfliktpotential mit der Standardsetzung durch die EBA bergen.86) 4.

Harmonisierungsgrad

Das oben dargestellte System der Rechtsgrundlagen ist unmittelbar verknüpft mit der Frage 22 des Harmonisierungsgrads im Unions-Bankenaufsichtsrecht. Das materielle Aufsichtsrecht ist auch im geltenden Rechtsrahmen aus CRD IV und CRR nach wie vor im Grundsatz teilweise als Mindestharmonisierung, teilweise aber auch als Vollharmonisierung konzipiert.87) Insbesondere die Konkretisierung der Rahmenrechtsakte durch Level 2- und Level 3-Instrumente im Lamfalussy-Verfahren (siehe Rz. 11 ff.) sorgt indessen gerade bei den Regelungsschwerpunkten (siehe Rz. 9) dafür, dass die den Mitgliedstaaten verbleibenden Umsetzungsspielräume verschwindend gering sind. Für die Bankenabwicklungsrichtlinie (Bank Resolution and Recovery Directive – BRRD) gilt im Kern Entsprechendes; sie ist zwar ausdrücklich als Instrument zur Mindestharmonisierung konzipiert,88) doch erreichen auch hier der Detailgrad der Richtlinienbestimmungen selbst und die weitere Konkretisierung auf Level 2 und Level 3 ein Ausmaß, das die Umsetzungsspielräume auf ein Minimum reduziert und vielfach kaum Alternativen zur 1:1-Übernahme der Richtlinienvorgaben lässt. Für das materielle Aufsichtsrecht ist der Geltungsanspruch der unionsrechtlichen Vorga- 23 ben allerdings zunächst insoweit eingeschränkt, als die einschlägigen Vorgaben auf Kreditinstitute (und diesen gleich gestellte Unternehmen) beschränkt sind. Damit ist es den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei gestellt, durch die Erstreckung der Erlaubnispflichten auf unionsrechtlich nicht erfasste Geschäftsaktivitäten die materiellen Anforderungen an die Gründung und den Betrieb von Kreditinstituten auch auf Unternehmen zu erweitern, die nicht dem Grundtypus des klassischen Bankgeschäfts entsprechen (insofern Mindestharmonisierung, siehe dazu auch § 3 Rz. 6 ff. [Binder]). Im Rahmen des Abwicklungsregimes ergeben sich Restriktionen daraus, dass die Anwendung des durch die BRRD bzw. die SRM-VO vorgegebenen Abwicklungsinstrumentariums auf Institute beschränkt ist, deren Ausfall systemische Ansteckungsgefahren birgt (siehe dazu § 18 Rz. 2, 36 ff. [Binder]). Eine erhebliche Zurücknahme des Geltungsanspruchs ergibt sich unabhängig davon für 24 das materielle Aufsichtsrecht insbesondere durch eine Vielzahl von „Optionen“ und „Er___________ 85) Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 877. 86) Vgl. nochmals Ferran/Babis, JCLS 13 (2013), 255, 277 f.; Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 877 f.; Ruthig, ZHR 178 (2014), 443, 469; Tröger, ZBB 2013, 373, 389 ff. 87) Dazu bereits Theissen, EU Banking Supervision, S. 114 f. Anschaulich zur Grundtendenz ErwG 9 CRR: „Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Notwendigkeit gleicher Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Union ist ein einheitliches Regelwerk für alle Marktteilnehmer ein zentrales Element für das Funktionieren des Binnenmarktes. Zur Vermeidung von Marktstörungen und Aufsichtsarbitrage sollten aufsichtliche Mindestvorschriften größtmögliche Harmonisierung gewährleisten.“ (Hervorhebung durch d. Verf.). 88) ErwG 10 BRRD.

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Bankenaufsichtsrecht als Mehrebenensystem

messensspielräumen“, die teilweise zugunsten der jeweiligen Mitgliedstaaten, teilweise zugunsten der nationalen Aufsichtsbehörden eingeräumt werden und die Anpassung sowohl des materiellen Rechts als auch der Aufsichtspraktiken an die Besonderheiten nationaler Märkte ermöglichen und erleichtern sollen.89) Im Rahmen des SSM ist die EZB an diejenigen Gestaltungen gebunden, welche die teilnehmenden Mitgliedstaaten in Ausübung der Wahlrechte im jeweiligen nationalen Umsetzungsrecht getroffen haben (Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 SSM-VO). Im Hinblick auf die den Aufsichtsbehörden eröffneten Wahlrechte hat die EZB ihre Position zwischenzeitlich durch eine Verordnung90) sowie einen ergänzenden Leitfaden91) festgelegt. IV.

Rechtsquellen im nationalen Recht

25 Wesentliche Rechtsquelle des Bankaufsichtsrechts ist nach wie vor das 1961 erlassene – wie ausgeführt, zwischenzeitlich durch Unionsrecht in weiten Teilen überformte – KWG, das seinerzeit die seit dem Zweiten Weltkrieg zersplitterte, in bedeutenden Teilen noch auf der Gesetzgebung von 1934 beruhende Rechtslage abgelöst hatte.92) Auch für das nationale Recht erschöpft sich der Regelungsbestand indessen keineswegs in dem damit gesetzten Rahmen, sondern ergibt sich erst im Verbund mit einer Reihe von Rechtsverordnungen, die den gesetzlichen Rahmen teilweise autonom, teilweise zur Abstimmung mit den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts weiter konkretisieren.93) Die damit angesprochenen Rechtsgrundlagen sind hier nicht i. E. darzustellen; auf sie wird im vorliegenden Handbuch im jeweiligen Sachzusammenhang eingegangen. In den einschlägigen Rechtsgrundlagen wird dabei regelmäßig das BMF nach Anhörung der Deutschen Bundesbank ermächtigt.94) In den meisten Fällen kann die Verordnungsermächtigung durch Rechtsverordnung auf die BaFin – regelmäßig im Einvernehmen bzw. im Benehmen mit der Bundesbank bzw. mit der Abwicklungsbehörde – übertragen werden;95) hiervon ist umfassend Gebrauch gemacht worden.96) ___________ 89) Dazu z. B. Theissen, EU Banking Supervision, S. 117 ff. 90) Verordnung (EU) Nr. 2016/445 der Europäischen Zentralbank v. 14.3.2016 (EZB/2016/4), ABl. (EU) L 78/60 v. 24.3.2016. 91) Zur geltenden Fassung EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, konsolidierte Fassung, v. 11/2016; s. zur Problematik stellvertretend Lehmann, EBI Working Paper 2017 no. 3, S. 8 ff. 92) Zum Hintergrund des Gesetzes von 1961 monographisch Ritter v. Georg, Entstehung des Kreditwesengesetzes 1961; zur Rechtsentwicklung allgemein im Überblick auch Binder, Bankeninsolvenzen, S. 52 ff., 74 ff.; Ohler in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, § 32 Rz. 1 ff. 93) Dazu und zum Folgenden näher Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 868 ff. 94) Vgl. im KWG insb. §§ 1 Abs. 3 Satz 2, 10 Abs. 1 Satz 1, 10a Abs. 7 Satz 1, 11 Abs. 1 Satz 2, 13 Abs. 1 Satz 2, 13c Abs. 1 Satz 2, 18a Abs. 11 Satz 1, 22 Satz 1, 22d Abs. 1 Satz 2, 24 Abs. 4 Satz 1, 24a Abs. 5 Satz 1, 24b Abs. 4, 24c Abs. 7 Satz 1, 25 Abs. 3 Satz 1, 25a Abs. 4 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1, 25b Abs. 5 Satz 1, 25f Abs. 4 Satz 1, 29 Abs. 4 Satz 1, 31 Abs. 1, 32 Abs. 5 Satz 2, 46g Abs. 8 Satz 1, 53c, 53j Abs. 3 Satz 1; im SAG §§ 21a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, 30 Abs. 2 Satz 1, 36 Abs. 4 Satz 1, 41 Abs. 4 Satz 1, 42 Abs. 4 Satz 1, 45 Abs. 2 Satz 1, 59 Abs. 10 Satz 1, 63 Abs. 3 Satz 1, 76 Satz 1, 98 Abs. 3 Satz 1, 126 Abs. 5 Satz 1, 132 Abs. 2 Satz 1. 95) Vgl. im KWG §§ 10 Abs. 1 Satz 2, 10a Abs. 7 Satz 2, 11 Abs. 1 Satz 4, 13 Abs. 1 Satz 2, 13c Abs. 1 Satz 3, 18a Abs. 11 Satz 2, 22 Satz 2, 22d Abs. 1 Satz 3, 24 Abs. 4 Satz 2, 24c Abs. 7 Satz 2, 25 Abs. 3 Satz 3, 25a Abs. 6 Satz 4, 25b Abs. 5 Satz 2, 25f Abs. 4 Satz 2, 29 Abs. 4 Satz 3, 31 Abs. 3 Satz 2, 46g Abs. 8 Satz 2, 53j Abs. 3 Satz 2; im SAG §§ 21a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2, 30 Abs. 2 Satz 2, 36 Abs. 4 Satz 2, 41 Abs. 4 Satz 2, 42 Abs. 4 Satz 2, 45 Abs. 2 Satz 1, 59 Abs. 10 Satz 2, 63 Abs. 3 Satz 2, 76 Satz 2, 98 Abs. 3 Satz 2, 125 Abs. 5 Satz 2, 132 Abs. 2 Satz 2. 96) Dazu Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, v. 13.12.2002, BGBl. I 2003, 3, zuletzt geändert durch Art. 21 Zweites Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte – Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz (2. FiMaNoG), v. 23.6.2017, BGBl. I 2017, 1693.

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Binder

Teil II Materielles Aufsichtsrecht und Verfahren

§2 Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

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Übersicht I. 1. 2.

Einleitung .................................................... 1 Historischer Überblick................................ 1 Wahl der EZB als Aufsichtsbehörde und Rechtsgrundlage.................................... 7 II. Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism ........................... 10 1. Grundlagen ................................................. 10 2. Persönliche, sachliche und räumliche Begrenzung der Zuständigkeiten im SSM ............................................................. 12 a) Persönliche Zuständigkeit .................. 12 b) Sachliche Zuständigkeit ...................... 16 c) Räumliche Zuständigkeit .................... 19 3. Direkte Aufsicht der EZB über bedeutende Institute .................................. 22 a) Grundlagen .......................................... 22 b) Abgrenzung der bedeutenden von den weniger bedeutenden Instituten ............................................. 26 c) Befugnisse der EZB i. R. der direkten Aufsicht ......................................... 35 aa) Befugnisse der EZB gegenüber bedeutenden Instituten................ 36 (1) Aufsichtsbefugnisse nach Art. 16 SSM-VO .......................... 38 (2) Untersuchungsbefugnisse nach Artt. 10 bis 13 SSM-VO .............. 40 (3) Zulassung und Erwerb bedeutender Beteiligungen (Artt. 14 und 15 SSM-VO) ......... 51 (4) Befugnisse zuständiger und benannter Behörden nach Unionsrecht.................................. 52 (5) Verwaltungssanktionen ............... 63 bb) Befugnisse der EZB gegenüber NCAs............................................ 76 cc) Befugnisse der EZB gegenüber sonstigen juristischen und natürlichen Personen ................... 80 4. Beaufsichtigung weniger bedeutender Institute durch die NCAs unter der Systemaufsicht der EZB (sog. indirekte Aufsicht)..................................................... 84 a) Grundlagen .......................................... 84 b) Zuständigkeiten und Befugnisse der EZB i. R. der „indirekten Aufsicht“.............................................. 89 aa) Einleitung ..................................... 89

bb) Befugnisse der EZB gegenüber den NCAs..................................... 95 cc) Befugnisse der EZB gegenüber weniger bedeutenden Instituten .................................... 103 dd) Befugnisse der EZB gegenüber sonstigen juristischen und natürlichen Personen ................. 107 c) Pflichten der NCAs i. R. der indirekten Aufsicht ........................... 108 aa) Ex-ante-Anzeigen zu wesentlichen Aufsichtsverfahren und Aufsichtsbeschlussentwürfen.... 110 bb) Regelmäßige Berichterstattung ex post......................................... 115 cc) Ad-hoc-Anzeigen bei Verschlechterung der Finanzlage eines weniger bedeutenden Instituts und bei möglichem Antrag auf öffentliche finanzielle Unterstützung............................ 116 dd) Anzeigen im Zusammenhang mit Statusfragen ......................... 117 ee) Anzeigen bei Verhängung von Verwaltungsgeldbußen .............. 118 ff) Pflicht zur Koordinierung ......... 119 5. Gemeinsame Verfahren ........................... 121 a) Zulassung als Kreditinstitut und Entzug der Zulassung ....................... 122 b) Erwerb qualifizierter Beteiligungen...................................................... 127 6. Makroprudenzielle Aufsicht.................... 129 III. Institutionelle Bestimmungen für die EZB im SSM................................ 132 1. Grundlagen ............................................... 132 2. Aufsichtsgremium, zugeordnete Generaldirektionen und gemeinsame Aufsichtsteams (JSTs) ............................. 136 a) Aufsichtsgremium............................. 137 aa) Zusammensetzung, Aufgaben und Verfahren ............................ 137 bb) Verfahren der impliziten Zustimmung ............................... 141 cc) Delegation von Entscheidungsbefugnissen ................................. 146 b) Generaldirektionen im Bereich der Aufsicht....................................... 147

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§2

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

c) Gemeinsame Aufsichtsteams (JSTs)................................................. 152 d) Sekretariat.......................................... 156 3. EZB-Rat.................................................... 158 4. Direktorium ............................................. 161 5. Administrativer Überprüfungsausschuss (ABoR) ......................................... 163 6. Schlichtungsstelle..................................... 167 7. Nationale zuständige Behörden (NCAs) .................................................... 169 IV. Anwendbares Recht................................ 171 1. Grundlagen............................................... 171 a) Primärrecht........................................ 173 b) Sekundär- und Tertiärrecht .............. 174 c) Nationales Recht............................... 179 d) Soft law .............................................. 185 2. Insbesondere: Verfahrensrecht ............... 186 a) Einleitung .......................................... 186 b) Einzelne Verfahrensgrundsätze und -rechte ........................................ 189 aa) Tatsachenermittlung, -feststellung und -bewertung .... 189 bb) Rechtliches Gehör ..................... 191 cc) Akteneinsicht ............................. 196 dd) Anwaltliche Vertretung ............. 199 ee) Begründungspflicht ................... 200 ff) Sprache........................................ 204 gg) Nebenbestimmungen ................ 205 hh) Widerruf und Rücknahme von Beschlüssen ......................... 208

V. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. VI. 1. 2.

3.

Handlungsformen im SSM.................... 209 Beschlüsse................................................. 211 Empfehlungen .......................................... 216 Leitlinien................................................... 217 Verordnungen .......................................... 220 Weisungen ................................................ 227 Verwaltungsvertrag .................................. 228 Sonstige Instrumente............................... 229 Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen der Bankenaufsicht im SSM .................. 233 Grundlagen............................................... 233 Rechtsschutz vor dem administrativen Überprüfungsausschuss (ABoR) ............ 240 a) Zulässigkeit des Antrags................... 241 b) Keine aufschiebende Wirkung des Antrags........................................ 244 c) Begründetheit des Antrags ............... 246 d) Verfahren........................................... 249 e) Bisherige Praxis des ABoR ............... 256 Rechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof .............................................. 258 a) Nichtigkeitsklage .............................. 263 aa) Klagegegenstand ........................ 264 bb) Parteifähigkeit, Klagebefugnis und Rechtsschutzinteresse ........ 267 cc) Klagefrist .................................... 270 dd) Prüfungsumfang, Urteil und Urteilswirkungen ....................... 271 b) Untätigkeitsklage.............................. 274 c) Eilrechtsschutz.................................. 277

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

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§2

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

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(EU) L 150/253 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/ 2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013; Rat, Erste Richtlinie 77/780/EWG des Rates v. 12.12.1977 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. (EG) L 322/30 v. 17.12.1977; Rat, Richtlinie 73/183/EWG des Rates v. 28.6.1973 zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für selbständige Tätigkeiten der Kreditinstitute und anderer finanzieller Einrichtungen, ABl. (EG) L 194/1 v. 16.7.1973. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/2175 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 18.12.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), der Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 über Märkte für Finanzinstrumente, der Verordnung (EU) 2016/1011 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und der Verordnung (EU) 2015/847 über die Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers, ABl. (EU) L 334/1 v. 27.12.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010, (EU) Nr. 575/2013, (EU) Nr. 600/2014 und (EU) Nr. 806/2014 – Investment Firms Regulation (IFR), ABl. L 314/1 v. 5.12.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.10.2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG – DSGVO, ABl. (EU) L 295/39 v. 21.11.2018; Rat, Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments

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und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.3.2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, ABl. (EU) L 86/1 v. 24.3.2012; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. (EU) L 331/84 v. 15.12.2010; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010; Rat, Verordnung (EG) Nr. 2532/98 des Rates v. 23.11.1998 über das Recht der Europäischen Zentralbank, Sanktionen zu verhängen – SanktionsVO, ABl. (EG) L 318/4 v. 27.11.1998. Verlautbarungen des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP, Stellungnahme des Juristischen Dienstes zum Addendum zum Leitfaden der EZB für Banken zu notleidenden Krediten, v. 9.11.2017 (SJ-0693/17); EP, Entschließung zur Bankenunion, v. 15.2.2017 (P8_TA-PROV(2017)0041); Rat, Vermerk z. Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, v. 14.12.2012 (Dok. 17812/12), https://register.consilium.europa.eu/doc/srv?l=DE&f=ST%2017812%202012%20 INIT; Rat, Gutachten des Juristischen Dienstes, v. 9.10.2012 (Dok. 14752/12 limite), http:// data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-14752-2012-INIT/de/pdf; Rat, Gipfelerklärung der Mitglieder des Euro-Währungsgebiets, v. 29.6.2012 (SN 2999/12), https://www.bundesregierung.de/ ContentArchiv/DE/Archiv17/_Anlagen/2012/06/2012-06-29-eu-gipfelerklaerung-deutsch.pdf?__blob= publicationFile&v=2; Rat, Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates v. 3.6.1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine, ABl. (EU) L 124/1 v. 8.6.1971; (Abrufdatum jew. 8.5.2020). Verlautbarungen des Europäischen Rates (Europ. Rat): Europ. Rat, Beitrag des Juristischen Dienstes, Ergänzung zum EZB-Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten: Aufsichtlicher Risikovorsorge-Backstop für notleidende Risikopositionen – Allgemeine Überlegungen zu den Befugnissen der EZB, v. 23.11.2017 (Dok. 14837/17 limite), http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST14837-2017-INIT/en/pdf; Europ. Rat, Schlussfolgerungen der Tagung v. 13./14.12.2012, v. 14.12.2012 (EUCO 205/12), http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/de/ec/134375.pdf; Europ. Rat, Schlussfolgerungen Tagung v. 28./29.6.2012, v. 20.7.2012 (EUCO 76/2/12), https:// www.cr-online.de/20120720_Rat.pdf; Europ. Rat, Bericht des Präsidenten Herman Van Rompuy, Auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion, v. 26.6.2012 (EUCO 120/12), http:// www.consilium.europa.eu/media/21554/131294.pdf; Europ. Rat, Remarks by President Herman Van Rompuy following the informal dinner of the members of the European Council, v. 24.5.2012 (EUCO 93/12), http://consilium.europa.eu/media/26385; (Abrufdatum jew. 8.5.2020). Verlautbarungen der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Bericht an das Europäische Parlament und den Rat über den einheitlichen Aufsichtsmechanismus gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013, v. 11.10.2017, COM(2017) 591 final, http://eur-lex.europa.eu/legal-content/ DE/TXT/?qid=1511453207185&uri=CELEX:52017DC0591; Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1511453314043&uri=CELEX:52017SC0336; Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), der Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), der Verordnung (EU) Nr. 345/2013 über Europäische Risikokapitalfonds, der Verordnung (EU) Nr. 346/2013 über Europäische Fonds für soziales Unternehmertum, der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 über Märkte für Finanzinstrumente, der Verordnung (EU) 2015/760 über europäische langfristige Investmentfonds, der Verordnung (EU) 2016/1011 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und der Verordnung (EU) 2017/1129 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist, v. 20.9.2017, COM/2017/536 final, http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2017/DE/ COM-2017-536-F1-DE-MAIN-PART-1.PDF; Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, v. 12.9.2012, COM(2012) 511 final, https://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/ pdf/com_2012_511_de_acte_f.pdf; Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen

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Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) hinsichtlich ihrer Wechselwirkungen mit der Verordnung (EU) Nr. …/… des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, v. 12.9.2012, COM(2012) 512 final, http://dipbt.bundestag.de/dip21/brd/2012/0547-12.pdf; Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat – Fahrplan für eine Bankenunion, v. 12.9.2012, COM(2012) 510 final, http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2012/DE/1-2012-510-DEF1-1.Pdf; Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament den Europäischen Rat, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts-undSozialausschuss, die Europäische Investitionsbank und den Ausschuss der Regionen – Maßnahmen für Stabilität, Wachstum und Beschäftigung, v. 30.5.2012, COM(2012) 299 final, https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2012/DE/ 1-2012-299-DE-F1-1.Pdf (Abrufdatum jew. 8.5.2020). Verlautbarungen des Europäischen Rechnungshofes (EuRH): EuRH, Sonderbericht Nr. 29/2016: Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus – Guter Auftakt, doch bedarf es weiterer Verbesserungen, v. 18.11.2016, http://www.eca.europa.eu/de/Pages/DocItem.aspx?did=39744 (Abrufdatum: 8.5.2020). Verlautbarungen der European Banking Authority (EBA): EBA, Report on the Convergence of Supervisory Practices, v. 14.7.2016 (EBA/Op/2016/11), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/ files/documents/10180/2551996/fea4fd8c-f25c-42c6-bd11-261607c11f24/Report%20on%20Convergence%20of%20Supervisory%20Practices.pdf?retry=1 (Abrufdatum: 8.5.2020). Empfehlungen und Stellungnahmen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ ECB): ECB, List of supervised entities (as of 1.5.2020), v. 8.6.2020, https://www.bankingsupervision. europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.listofsupervisedentities202006.en.pdf?7493ef61d3c7dd3e97fc52b2e6f66b7b; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2019, v. 5/2020, https://www.ecb.europa.eu/pub/annual/ html/ar2019~c199d3633e.de.html; EZB, SSM-LSI-SREP-Methodik, Ausgabe 2020, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.srep_methodology_booklet_lsi_2020.de.pdf; EZB, EZB beurteilt lettische AS PNB Banka als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend, Pressemitteilung v. 15.8.2019, https://www.bundesbank.de/resource/blob/803850/b856430f 837874a25271c2de1705dfef/ mL/2019-08-15-pnb-banka-download.pdf; EZB, EZB übernimmt direkteAufsicht über AS PNB Banka in Lettland, Pressemitteilung v. 11.3.2019, https://www.bundesbank.de/resource/blob/781560/ b3ed6476e8127c97fe21454201d22180/mL/2019-03-11-pnb-banka-download.pdf; EZB, Leitfaden zur Beurteilung von Zulassungsanträgen – Zulassungsanträge im Allgemeinen, v. 1/2019, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.201901_guide_assessment_credit_inst_licensing_appl.de.pdf; EZB, SSM-LSI-SREP-Methodik, Ausgabe 2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/ pdf/ssm.srep_methodology_booklet_lsi_2020.de.pdf?eb5bd834eff4d97e8 be0063ff2c8a15e; EZB, EZB wird im kommenden Jahr 119 Banken direkt beaufsichtigen, Pressemitteilung v. 14.12.2018, https://www.bundesbank.de/resource/blob/770462/370679344ccb898ba4e66fea5f 400fce/mL/2018-1214-bankenaufsicht-download.pdf; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 11/2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.icaap_guide_201811.de.pdf; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Liquiditätsausstattung (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP), v. 11/2018, https:// www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.ilaap_guide_201811.de.pdf; ECB, Supervisory expectations on booking models, v. 8/2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/banking/ relocating/shared/pdf/ssm.supervisoryexpectationsbookingmodels_201808.en.pdf; EZB, Schreiben v. 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Zwischen den Stühlen? Kleine und mittelgroße Banken und europäische Aufsicht, v. 22.2.2016, https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/speeches/date/2016/html/se160222.de.html; EZB, Aufsichtliche Erwartungen an ICAAP und ILAAP sowie harmonisierte Erhebung von ICAAP- und ILAAP-Informationen, v. 8.1.2016, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ 160108letter_nouy.de.pdf; EZB, Empfehlung zur Politik bezüglich der Dividendenausschüttung, v. 17.12.2015 (EZB/2015/49), ABl. (EU) C 438/1 v. 30.12.2015; ECB, The principle of proportionality: application in the Single Supervisory Mechanism, v. 2.10.2015, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ ecb/pub/pdf/151002letter_giegold_2.en.pdf; EZB, Stellungnahme zur Bankenabwicklung, v. 2.9.2015 (CON/2015/31), http://jobs.zentral-bank.eu/ecb/legal/pdf/de_con_2015_31_f_sign.pdf; EZB, Empfehlung zur Politik bezüglich der Dividendenausschüttung, v. 28.1.2015 (EZB/2015/2), ABl. (EU) C 51/1 v. 13.2.2015; ECB, Feedback Statement, Responses to the public consultation on a draft Regulation of the European Central Bank establishing the framework for cooperation within the Single Supervisory Mechanism between the European Central Bank and national competent authorities and with national designated authorities (SSM Framework Regulation), v. 4/2014, https://www.bankingsupervision.europa.eu/legalframework/publiccons/pdf/framework/draft-ssmframework-regulation-feedback.en.pdf?eb65f0d24e4409c182252701fa73792d; EZB, Stellungnahme zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank und zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) (CON/2012/96), v. 27.11.2012, ABl. (EU) C 30/6, 10 v. 1.2.2013; (Abrufdatum jew. 8.5.2020). Beschlüsse und Verordnungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ECB): EZB, Beschluss (EU) 2019/137 v. 9.8.2019 zur Änderung des Beschlusses EZB/2014/16 zur Einrichtung eines administrativen Überprüfungsausschusses und zur Festlegung der Vorschriften für seine Arbeitsweise (EZB/2019/27), ABl. (EU) L 224/9 v. 28.8.2019; EZB, Beschluss (EU) 2019/1377 v. 31.7.2019 zur Ernennung der Leiter von Arbeitseinheiten für den Erlass von delegierten Beschlüssen über die Nutzung des Europäischen Passes, den Erwerb qualifizierter Beteiligungen und den Entzug von Zulassungen von Kreditinstituten (EZB/2019/26), ABl. (EU) L 224/6 v. 28.8.2019; EZB, Beschluss (EU) 2019/1376 v. 23.7.2019 zur Übertragung der Befugnis zum Erlass von Beschlüssen zur Nutzung des Europäischen Passes, zum Erwerb qualifizierter Beteiligungen und zum Entzug von Zulassungen von Kreditinstituten (EZB/2019/23), ABl. (EU) L 224/1 v. 28.8.2019; EZB, Beschluss (EU) 2019/323 v. 12.2.2019 zur Ernennung der Leiter von Arbeitseinheiten für den Erlass von den im Rahmen nationaler Aufsichtsbefugnisse ergehenden delegierten Beschlüssen (EZB/2019/5), ABl. (EU) L 55/16 v. 25.2.2019; EZB, Beschluss (EU) 2019/322 v. 31.1.2019 zur Übertragung der Befugnis zum Erlass von den im Rahmen nationaler Aufsichtsbefugnisse ergehenden Beschlüssen (EZB/2019/4), ABl. (EU) L 55/7 v. 25.2.2019; EZB, Beschluss (EU) 2019/547 der Europäischen Zentralbank v. 27.3.2018 zur Ernennung von Leitern von Arbeitseinheiten für den Erlass von delegierten Eigenmittelbeschlüssen (EZB/2018/11), ABl. (EU) L 90/110 v. 6.4.2018; EZB, Beschluss (EU) 2018/546 v. 15.3.2018 zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Eigenmittelbeschlüssen (EZB/2018/10), ABl. (EU) L 90/105 v. 6.4.2018; EZB, Beschluss (EU) 2017/937 v. 23.5.2017 zur Ernennung von Leitern von Arbeitseinheiten für den Erlass von delegierten Beschlüssen über die Bedeutung der beaufsichtigten Unternehmen (EZB/2017/17), ABl. (EU) L 141/28 v. 1.6.2017; EZB, Beschluss (EU) 2017/936 v. 23.5.2017 zur Ernennung von Leitern von Arbeitseinheiten für den Erlass von delegierten Beschlüssen über die Eignungsprüfung (EZB/2016/16), ABl. (EU) L 141/26 v. 1.6.2017; EZB, Beschluss (EU) 2017/935 v. 16.11.2016 zur Übertragung der Befugnis zum Erlass von Beschlüssen über die Eignungsprüfung und zur Prüfung der Eignungsanforderungen (EZB/ 2016/42), ABl. (EU) L 141/21 v. 1.6.2017; EZB, Beschluss (EU) 2017/934 v. 16.11.2016 über die Übertragung von Beschlüssen über die Bedeutung der beaufsichtigten Unternehmen (EZB/2016/ 41), ABl. (EU) L 141/18 v. 1.6.2017; EZB, Beschluss (EU) 2017/933 v. 16.11.2016 über einen allgemeinen Rahmen für die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen in Bezug auf Rechtsinstrumente im Zusammenhang mit Aufsichtsaufgaben (EZB/2016/40) – Delegationsrahmenbeschluss, ABl. (EU) L 141/14 v. 1.6.2017; EZB, Verordnung (EU) 2016/445 der Europäischen Zentralbank v. 14.3.2016 über die Nutzung der im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräume (EZB/2016/ 4), ABl. (EU) L 78/60 v. 24.3.2016; EZB, Stellungnahme zur Rolle des Vertreters der Finanzaufsichtsbehörde im Aufsichtsgremium der EZB und zu Aufsichtsgebühren, v. 7.9.2016 (CON/2016/ 43), https://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/pdf/en_con_2016_43_f_sign.pdf; EZB, Verhaltenskodex für die Mitglieder des Aufsichtsgremiums (2015/C 93/02), v. 12.11.2014, ABl. (EU) C 93/2 v. 20.3.2015; EZB, Verordnung (EU) Nr. 1163/2014 der Europäischen Zentralbank v. 22.10.2014 über Aufsichtsgebühren (EZB/2014/41), ABl. (EU) L 311/23 v. 31.10.2014; EZB, Beschluss 2014/723/ EU v. 17.9.2014 über die Umsetzung der Trennung zwischen der geldpolitischen Funktion und der Aufsichtsfunktion (EZB/2014/39), ABl. (EU) L 300/57 v. 18.10.2014; EZB, Beschluss v. 2.7.2014 über die Lieferung der aufsichtlichen Daten an die Europäische Zentralbank, die von den beaufsichtigen Unternehmen gemäß der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 der Kommission den nationalen zuständigen Behörden gemeldet werden (EZB/2014/29), ABl. L (EU) 214/34 v. 19.7.2014;

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§2

EZB, Verfahrensordnung des Aufsichtsgremiums – EZBAufsicht-VerfO, ABl. (EU) L 182/56 v. 21.6.2014; EZB, Verordnung (EU) Nr. 673/2014 der Europäischen Zentralbank v. 2.6.2014 über die Einrichtung einer Schlichtungsstelle und zur Festlegung ihrer Geschäftsordnung (EZB/2014/26), ABl. (EU) L 179/72 v. 19.6.2014; EZB, Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank v. 16.4.2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus – SSM-Rahmenverordnung (SSM-RahmenVO) (EZB/2014/17), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014; EZB, Beschluss v. 14.4.2014 zur Einrichtung eines administrativen Überprüfungsausschusses und zur Festlegung der Vorschriften für seine Arbeitsweise (EZB/2014/16), ABl. (EU) L 175/47 v. 14.6.2014; EZB, Beschluss v. 19.2.2004 zur Verabschiedung der Geschäftsordnung (EZB/2004/2), zuletzt geändert durch Beschluss (EU) 2016/1717 v. 21.9.2016 (EZB/2016/27), Konsolidierte Fassung, ABl. (EU) L 258/17 v. 24.9.2016; EZB, Beschluss v. 31.1.2014 über die enge Zusammenarbeit mit den nationalen zuständigen Behörden teilnehmender Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist (EZB/2014/5), ABl. (EU) L 198/7 v. 5.7.2014; EZB, Verordnung (EG) Nr. 2157/1999 v. 23.9.1999 der Europäischen Zentralbank über das Recht der EZB, Sanktionen zu verhängen (EZB/1999/4) ABl. (EG) L 264/21 v. 12.10.1999; (Abrufdatum jew. 8.5.2020). Leitlinien und weitere Verlautbarungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ECB): ECB, FAQ concerning Croatia’s request to establish close cooperation with the ECB, v. 7.8.2019, https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/pr/date/2019/html/ssm.pr190807_annex~1dd851a696.en.html; EZB, Stellungnahme zum Erlass nationaler Rechtsvorschriften zur Entwicklung einer engen Zusammenarbeit zwischen der EZB und der Hrvatska narodna banka, v. 8.7.2019 (CON/2019/25), https://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/pdf/en_con_2019_25_f_sign.pdf; EZB, Stellungnahme zur Teilnahme am Einheitlichen Abwicklungsmechanismus, v. 17.4.2019 (CON/2019/16), https://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/pdf/en_con_2019_16_signed.pdf; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, v. 3/2019, https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/publications/ annual-report/html/ssm.ar2018~927cb99de4.de.html#toc1; ECB, FAQ concerning Bulgaria’s request to establish close cooperation with the ECB, 2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/pr/date/2018/html/ssm.pr181112_FAQ.en.pdf; EZB, Stellungnahme zum Erlass nationaler Rechtsvorschriften zur Entwicklung einer engen Zusammenarbeit zwischen der EZB und der Ȼɴɥɝɚɪɫɤɚ ɧɚɪɨɞɧɚ ɛɚɧɤɚ (Bulgarische Nationalbank), v. 9.11.2018 (CON/2018/49), https:// www.ecb.europa.eu/ecb/legal/pdf/en_con_2018_49_f_sign_.pdf; EZB, Leitfadenfür Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ ssm.osi_guide201809.de.pdf; EZB, SSM-Aufsichtshandbuch – Europäische Bankenaufsicht: Funktionsweise des SSM und aufsichtlicher Ansatz, v. 3/2018; https://www.bankingsupervision.europa.eu/ ecb/pub/pdf/ssm.supervisorymanual201803.de.pdf; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, v. 3/2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/publications/annual-report/pdf/ ssm.ar2017.de.pdf; EZB, Ergänzung zum Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten: aufsichtliche Erwartungen an die Risikovorsorge für notleidende Risikopositionen, v. 3/2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.npl_addendum_201803.de.pdf; EZB, Stellungnahme zu Änderungen des Unionsrahmens für Eigenmittelanforderungen von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, v. 8.11.2017 (CON/2017/46), https://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/pdf/celex_52017ab0046_de_txt.pdf; ECB, LSI Supervision within the SSM, v. 11/2017, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/ pub/pdf/ssm.reportlsisupervision2017.en.pdf; EZB, Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten, v. 3/2017, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/guidance_on_npl.de.pdf; EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 5/2017, Stand: 5/2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.fap_guide_201705_ rev_201805.de.pdf; EZB, Leitlinie (EU) 2017/697 v. 4.4.2017 über die Nutzung der im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessenspielräume durch die nationalen zuständigen Behörden bei weniger bedeutenden Instituten (EZB/2017/9), ABl. (EU) L 101/156 v. 13.4.2017; ECB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, Schreiben v. 31.3.2017, https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/letterstobanks/shared/pdf/ 2017/Letter_to_SI_Entry_point_information_letter.pdf?cb0801df81ba2db9d450ce4fb53065c8; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2016, v. 3/2017, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ ecb/pub/pdf/ssmar2016.de.pdf; ECB, Governing Council statement on Macroprudential Policies, v. 15.12.2016, http://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2016/html/pr161215_1.en.html; EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, v. 11/2016 (Konsolidierte Fassung), https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ond_guide_consolidated.de.pdf; EZB, Leitlinie (EU) 2016/1994 v. 4.11.2016 zum Ansatz bei der Anerkennung institutsbezogener Sicherungssysteme für Aufsichtszwecke durch die nationalen zuständigen Behörden gemäß der CRR (EZB/2016/38), ABl. (EU) L 306/37 v. 15.11.2016; EZB, Leitlinie (EU) 2016/1993 v. 4.11.2016 über die Festlegung von Grundsätzen für die Koordination der Bewertung gemäß der CRR und die Überwachung institutsbezogener Sicherungssysteme für bedeutende und weniger bedeutende Institute (EZB/2016/37), ABl. (EU) L 306/32 v. 15.11.2016; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2015, v. 3/2016, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssmar2015.de.pdf; EZB, Leitlinie

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§2

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

(EU) 2016/256 v. 5.2.2016 über die Erweiterung einheitlicher Regeln und Mindestanforderungen zum Schutz der Vertraulichkeit statistischer Daten, die von derEZB mit Unterstützung der nationalen Zentralbanken erhoben werden, auf die nationalen zuständigen Behörden der teilnehmenden Mitgliedstaaten und auf die Europäische Zentralbank in ihrer Aufsichtsfunktion (EZB/2016/1), ABl. (EU) L 47/16 v. 24.2.2016; EZB, Leitlinie (EU) 2015/856 v. 12.3.2015 über die Festlegung von Grundsätzen eines Ethik-Rahmens für den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) (EZB/2015/12), ABl. (EU) L 135/29 v. 2.6.2015; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2014, v. 3/2015, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssmar2014.de.pdf; EZB, Leitfaden zur Bankenaufsicht, v. 9/2014, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/ pdf/ssmguidebankingsupervision201409de.pdf; EZB, Monatsbericht 11/1999, S. 61, https://www.bundesbank.de/resource/blob/689490/0c0e0d8239820a3c342538d66dc4a4ac/mL/1999-11-ezb-mb-textdata.pdf; (Abrufdatum jew. 8.5.2020). Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): BaFin, Fachgremium MaRisk: Protokoll der Sitzung v. 5.11.2018, v. 17.4.2019, Stand: 25.4.2019, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Protokoll/dl_protokoll_FG_MaRisk_181105.html; BaFin, Richtlinie zur Durchführung und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute durch die Deutsche Bundesbank – Aufsichtsrichtlinie, v. 21.5.2013, Stand: 19.12.2016, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Richtlinie/rl_130521_a ufsichtsrichtlinie.html;jsessionid=411020E0C8A063C938BA58197FBB18AF.1_cid381?nn=7845970; (Abrufdatum jew. 8.5.2020). Verlautbarungen der Deutschen Bundesbank (Bundesbank): Bundesbank, Monatsbericht 6/2019, https://www.bundesbank.de/resource/blob/798776/8789adc6b1a2f87c56698fa40c3b698b/mL/ 2019-06-monatsbericht-data.pdf; Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, https://www.bundesbank.de/ resource/blob/693380/3150a02b7406ffb331930ac800cc1a02/mL/2016-01-aufsicht-data.pdf; Bundesbank, Monatsbericht 10/2014, https://www.bundesbank.de/resource/blob/597808/15e120cedf937e0cb6f5 ada4d9827f24/mL/2014-10-bankenunion-data.pdf; Bundesbank, Monatsbericht 7/2013, https:// www.bundesbank.de/resource/blob/693196/119d2c36e754396952c8da2126bda165/mL/2013-07bankenunion-data.pdf; Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2012, https://www.bundesbank.de/resource/ blob/663288/2006d4ff013fbb548395c3995d 55660b/mL/2012-finanzstabilitaetsbericht-data.pdf; (Abrufdatum jew. 8.5.2020). Weitere Verlautbarungen: FCMC, ECB will take over direct supervision of AS PNB Banka in Latvia, PM v. 11.3.2019, https://www.fktk.lv/en/news/press-releases/ecb-will-take-over-direct-supervisionof-as-pnb-banka-in-latvia/; Hochrangige Expertengruppe für Finanzaufsicht in der EU, Bericht v. 25.2.2009, Nr. 171 und 183, https://www.esrb.europa.eu/shared/pdf/de_larosiere_report_de.pdf?27ac25e3e0132be567ddc3fa2590d579; (Abrufdatum jew. 8.5.2020).

I. 1.

Einleitung Historischer Überblick

1 Die europäische Regulierung der Tätigkeit von Kreditinstituten beschränkte sich seit ihren Anfängen mit Erlass der ersten Bankenkoordinierungsrichtlinie1) zunächst im Wesentlichen auf das materielle Recht (siehe dazu § 1 Rz. 9 [Binder]).2) Institutionelle und Vollzugsregelungen, d. h. Vorschriften zum institutionellen und verfahrensrechtlichen Rahmen zur Durchsetzung des materiellen Bankaufsichtsrechts, spielten – dem Vorrang des mitgliedstaatlichen Vollzugs des Europarechts (Art. 291 AEUV) und damit verbunden dem Ausnahmecharakter des direkten Vollzugs durch Gemeinschafts- bzw. Unionsbehörden3) sowie dem Grundsatz der Verwaltungs- und Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Europarechts4) folgend – zunächst allenfalls eine flankierende ___________ 1)

2) 3) 4)

32

Erste Richtlinie 77/780/EWG des Rates v. 12.12.1977, ABl. (EG) L 322/30 v. 17.12.1977. Die sog. Niederlassungsrichtlinie (Richtlinie 73/183/EWG des Rates v. 28.6.1973, ABl. (EG) L 194/1 v. 16.7.1973) gewann keine praktische Bedeutung, vgl. Hirte/Heinrich in: Derleder/Knops/Bamberger, Hdb. dt. und europ. BankR, 2. Aufl., 2009, § 73 Rz. 13. Zum historischen Überblick vgl. Schulze/Zuleeg/Kadelbach-Bischof/Jung, Hdb. Europarecht, § 20 Rz. 2 ff.; Kolassa in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 135 Rz. 16 ff. sowie Hirte/ Heinrich in: Derleder/Knops/Bamberger, Hdb. dt. und europ. BankR, 2. Aufl., 2009, § 73 Rz. 13 ff. Dazu z. B. v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 316; Terhechte-Augsberg, Verwaltungsrecht der EU, § 6 Rz. 31 und BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 243, NJW 2019, 3204. Hierzu v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Terhechte, Europäisches Unionsrecht, Art. 197 AEUV Rz. 5 und Frenz, DVBl 2016, 1485, 1488.

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§2

I. Einleitung

Rolle.5) Dabei ging es zunächst nur um die Koordinierung der Verwaltungstätigkeit der Mitgliedstaaten und ihrer Behörden (z. B. durch Anerkennungsregelungen (sog. Passporting) und die Bildung von Aufsichtskollegien). Mit der Einführung des Europäischen Systems der Finanzaufsicht (European System of 2 Financial Supervision – ESFS) im Jahr 2011 änderte sich dieser Ansatz zunächst nicht grundsätzlich. Die Tätigkeit der als Teil des ESFS neu etablierten Europäischen Bankaufsichtsbehörde (European Banking Authority – EBA)6) (ebenso wie die ihrer Schwesterbehörden in der Wertpapier- und Versicherungsaufsicht, der Europäischen Wertpapierund Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA) und der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (European Insurance and Occupational Pensions Authority – EIOPA) sowie des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (European Systemic Risk Board – ESRB) beschränkte und beschränkt sich im Wesentlichen auf die verbesserte Koordination der Verwaltungstätigkeit nationaler Aufsichtsbehörden.7) Unmittelbare Eingriffsbefugnisse der EBA finden sich nur im Einzelfall und stehen unter strengen materiellen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen.8) Zentrale Vollzugskompetenzen von Einrichtungen der EU fanden sich daher bis zum November 2014 im Bereich der Finanzmarktregulierung nur in Ausnahmefällen. Rufe nach einer Zentralisierung des Vollzugs des Bankaufsichtsrechts auf europäischer 3 Ebene wurden indes bereits im Zusammenhang mit dem Erlass der ersten Bankenkoordinierungsrichtlinie laut.9) Überlegungen zur Ausstattung der EZB mit einer zumindest koordinierenden Rolle in der Bankenaufsicht wurden bereits im Zusammenhang mit der Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion angestellt.10) Das Europäische Parlament nahm die Forderungen nach einer europäischen Einrichtung für die Beaufsichtigung von Kreditinstituten mit den Entschließungen vom 13.4.200011) und vom 21.11.200212) auf (vgl. ErwG 8 SSM-VO). Zum Durchbruch verhalfen der Idee einer zentralisierten europäischen Bankenaufsicht 4 jedoch erst die Entwicklungen, die sich mit dem Begriff der „europäischen Staatsschuldenkrise“13) zusammenfassen lassen. Diese entwickelte sich aus der Bankenkrise von 2008, legte „den engen Risikoverbund zwischen Banken und deren Heimatstaat, der die Probleme in beide Richtungen verstärken kann“14) offen und führte zu einer grundlegenden Neuausrichtung der europäischen Aufsichtsarchitektur. Diese gründete auf der Einsicht, dass eine reine Koordination der Aufsichtsbehörden insbesondere in einem gemeinsamen ___________ 5) Vgl. auch den Befund in ErwG 5 der SSM-VO sowie Ruthig, ZHR 178 (2014), 443, 447. 6) Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 – EBAVO Nr. 1093/2010, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010. 7) Vgl. nur Staub-Grundmann, HGB, Bd. 10/1, 1. Teil Rz. 34 und 70; Pascher in: Korte/Ludwigs/Thiele/ Wedemeyer, Energiewende und Finanzkrise, S. 111. 8) Art. 8 Abs. 2 lit. f i. V. m. Art. 17 Abs. 6, Artt. 18 Abs. 4 und 19 Abs. 4 der EBA-VO Nr. 1093/2010 sowie Art. 9 Abs. 5 der EBA-VO Nr. 1093/2010 i. V. m. mit spezialgesetzlichen Eingriffsbefugnissen. 9) Vgl. etwa Troberg, Europäische Aufsicht über das Kreditwesen, S. 44 („Schaffung eines europäischen Aufsichtsamtes“). 10) Hierzu: Smits in: ECB, Legal Aspects of the European System of Central Banks, 2005, S. 199, 200 f. 11) Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Mitteilung der Kommission Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan (v. 11.5.1999, KOM(1999) 232 – C5-0114/1999 – 1999/2117(COS)), ABl. (EG) C 40/453, 457 Rz. 26 v. 7.2.2001. 12) Entschließung des Europäischen Parlaments zu den aufsichtsrechtlichen Vorschriften in der Europäischen Union (2002/2061(INI)), ABl. (EG) C 25 E/394, 400 Rz. 47 – 51 v. 29.1.2004. 13) Dazu etwa: Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2012, S. 18; Bundesbank, Monatsbericht 7/2013, S. 16. 14) Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2012, S. 7, 11, sowie ErwG 6 der SSM-VO.

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§2

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

Währungsraum den Anforderungen an eine effektive Aufsicht über Kreditinstitute nicht genüge.15) 5 Nachdem die Mitglieder des Europäischen Rats am 23.5.2012 eine stärker integrierte europäische Bankenaufsicht erstmals thematisiert hatten,16) teilte die Kommission bereits am 30.5.2012 mit, dass Schritte in Richtung einer Bankenunion mit einer Gesamtfinanzaufsicht und einem einheitlichen System zur Sicherung von Bankeinlagen unternommen werden sollten.17) Kurz darauf stellte der sog. Van Rompuy-Bericht v. 26.6.2012 strukturelle Defizite des institutionellen Rahmens für die Stabilität des Finanzsystems fest und schlug zur Behebung einen integrierten Finanzrahmen vor. Dieser sollte sich auf ein einheitliches Regelwerk (Single Rulebook) stützen und aus zwei zentralen Elementen bestehen: einer einheitlichen europäischen Bankenaufsicht und einem gemeinsamen Rahmen für die Einlagensicherung und die Restrukturierung von Banken.18) In ihrer Gipfelerklärung v. 29.6.2012 stellten die Staats- und Regierungschefs der Eurozone einen Kommissionsvorschlag für einen „einheitlichen Aufsichtsmechanismus“ auf der Grundlage des Art. 127 Abs. 6 AEUV in Aussicht.19) Damit war politisch entschieden, die EZB zur zentralen Bankenaufsichtsbehörde zu bestimmen. Eine Zentralisierung der Aufsicht bei der EZB war politische Voraussetzung für die Möglichkeit einer direkten Bankenkapitalisierung durch den ESM.20) 6 Der Kommissionvorschlag zur SSM-VO (Single Supervisory Mechanism) wurde nicht einmal drei Monate später am 12.9.2012 veröffentlicht,21) nebst einer Mitteilung zum „Fahrplan für eine Bankenunion“22) und eines Vorschlags zur Änderung der EBA-VO 1093/2010.23) Die politische Einigung im Rat (ECOFIN) zum Text der SSM-VO erfolgte am 12./13.12.2012.24) Nach der informellen Einigung mit dem Europäischen Parlament im März 2013, dem Abschluss der innerstaatlichen Verfahren in den Mitgliedstaaten25) sowie

___________ 15) ErwG 5 der SSM-VO. 16) Europ. Rat, Remarks by President Herman Van Rompuy following the informal dinner of the members of the European Council, v. 24.5.2012 (EUCO 93/12). 17) Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament den Europäischen Rat, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts-undSozialausschuss, die Europäische Investitionsbank und den Ausschuss der Regionen – Maßnahmen für Stabilität, Wachstum und Beschäftigung, v. 30.5.2012, COM(2012) 299 final, S. 6. 18) Europ. Rat, Van Rompuy-Bericht, v. 26.6.2012 (EUCO 120/12), S. 4. 19) Rat, Gipfelerklärung der Mitglieder des Euro-Währungsgebiets, v. 29.6.2012 (SN 2999/12), S. 1. 20) Vgl. dazu auch Europ. Rat, Schlussfolgerungen Tagung v. 28./29.6.2012, v. 20.7.2012 (EUCO 76/2/12), Nr. 4, und Pascher in: Korte/Ludwigs/Thiele/Wedemeyer, Energiewende und Finanzkrise, S. 111, 113. Zur Vorgeschichte vgl. de Gregorio Merino in: Bándi/Darák/Halustyik/Láncos, European Banking Union, Bd. 1, S. 151, 153 ff. 21) Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Rates, v. 12.9.2012, COM(2012) 511 final. 22) Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat – Fahrplan für eine Bankenunion, v. 12.9.2012, COM(2012) 510 final. 23) Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) hinsichtlich ihrer Wechselwirkungen mit der Verordnung (EU) Nr. …/… des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, v. 12.9.2012, COM(2012) 512 final. 24) Rat, Vermerk z. Vorschlag für eine Verordnung des Rates, v. 14.12.2012 (Dok. 17812/12), und Europ. Rat, Schlussfolgerungen der Tagung v. 13./14.12.2012, v. 14.12.2012 (EUCO 205/12), sowie RegE Gesetz zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, BT-Drucks. 17/ 13470, S. 1. 25) Hierzu: Nielsen, EBLR 2015, 805, 812.

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I. Einleitung

der Zustimmung des Europäischen Parlaments am 12.9.2013 nahm der Rat die SSM-VO26) am 15.10.2013 an. Die EZB nahm ihre Aufgaben gemäß Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 1 SSM-VO am 4.11.2014 auf. 2.

Wahl der EZB als Aufsichtsbehörde und Rechtsgrundlage

Art. 1 Abs. 1 SSM-VO überträgt der EZB besondere Aufgaben im Zusammenhang mit 7 der Aufsicht über Kreditinstitute, welche insbesondere in Artt. 4 und 6 SSM-VO näher konkretisiert werden. Diese Formulierung orientiert sich eng am Text der Rechtsgrundlage, auf die die SSM-VO gestützt ist: Art. 127 Abs. 6 AEUV. Danach kann der Rat der EZB einstimmig durch Verordnungen gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute mit Ausnahme von Versicherungsunternehmen übertragen. Das Vorhaben, die EZB zur zentralen Institution der europäischen Bankenaufsicht zu 8 machen, war keineswegs unumstritten. So lehnte etwa die sog. de Larosière-Gruppe die Übertragung von Aufgaben zur mikroprudenziellen Aufsicht über einzelne Kreditinstitute auf die EZB noch im Jahr 2009 nicht zuletzt wegen der Besorgnis um die Unabhängigkeit der EZB, aber auch mit Blick auf eine befürchtete Fragmentierung der Aufsicht (aufgrund der nach Art. 127 Abs. 6 AEUV zwingenden Ausnahme des Versicherungssektors) entschieden ab.27) Dass sich der europäische Gesetzgeber gleichwohl für die EZB entschieden hat, dürfte insbesondere auf rechtliche Zwänge verbunden mit erheblichem Zeitdruck zurückzuführen sein.28) Die Gründung einer Agentur gemäß Art. 114 AEUV – auf dessen Grundlage die europäischen Aufsichtsbehörden EBA, ESMA und EIOPA errichtet wurden – hätte die Übertragung von Entscheidungskompetenzen angesichts der sog. Meroni-Doktrin wohl nicht erlaubt.29) Zudem stellt Art. 127 Abs. 6 AEUV die speziellere Vorschrift dar.30) Auch Art. 352 AEUV setzt voraus, dass die Verträge eine entsprechende Kompetenz nicht vorsehen, was aber angesichts Art. 127 Abs. 6 AEUV nicht der Fall ist.31) Entsprechend wäre nur eine Vertragsänderung in Betracht gekommen, die schon aus Zeitgründen nicht praktikabel war. Die Frage, ob Art. 127 Abs. 6 AEUV die SSM-VO in ihrer endgültigen Ausgestaltung 9 trägt, ist insbesondere im deutschen Schrifttum kontrovers diskutiert worden.32) Im Ergebnis dürfte die SSM-VO mit Art. 127 Abs. 6 AEUV vereinbar sein, da der EZB unter Berücksichtigung insbesondere der Zuständigkeitsverteilung zwischen der EZB und den nationalen zuständigen Behörden bzw. National Competent Authorities (NCAs) – siehe dazu Rz. 84 ff. – nur „besondere Aufgaben“ – d. h. in der Auslegung des BVerfG: konkrete ___________ 26) Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013. 27) Hochrangige Expertengruppe für Finanzaufsicht in der EU, Bericht v. 25.2.2009, Nr. 171 und 183. 28) Vgl. auch de Gregorio Merino in: Bándi/Darák/Halustyik/Láncos, European Banking Union, Bd. 1, S. 151, 168 ff. 29) Zur Meroni-Doktrin vgl. nur Hofmann/Rowe/Türk, Administrative Law and Policy of the European Union, S. 241 ff.; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 74 und Chiti/Recine, EPL 24 (2018), 101, 107. 30) Kämmerer, NVwZ 2013, 830, 835. 31) Vgl. Wolfers/Voland, CMLR 2014, 1463, 1486; Wolfers/Voland, GWR 2014, 177, 180; Thiele, GewArch 2015, 111, 115. 32) Dies befürwortend z. B.: Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 14; Ruthig, ZHR 178 (2014), 443, 453; v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Selmayr, Europäisches Unionsrecht, Art. 127 AEUV Rz. 54 f. Skeptisch hingegen: Herdegen, WM 2012, 1889, 1891 f.; Kämmerer, NVwZ 2013, 830, 834; Waldhoff/Dieterich, EWS 2013, 72, 74 f.; Sacarcelik, BKR 2013, 353, 356; Lehmann/Manger-Nestler, ZBB 2014, 2, 6 f.; Weismann, ÖBA 2014, 265, 270 f.; Partsch, Droit bancaire et financier européen, Bd. 1, Rz. 891 ff.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

und umgrenzte Aufgaben33) – übertragen werden und den NCAs und damit den Mitgliedstaaten hinreichende – in der Diktion des BVerfG: ein gewichtiger Teil der34) – Aufgaben und Befugnisse verbleiben. Gleichwohl sind die Beschränkungen der Übertragungsnorm bei der (primärrechtskonformen) Auslegung der SSM-VO zu berücksichtigen und sprechen gegen eine extensive Auslegung der der EZB übertragenen Zuständigkeiten.35) II.

Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism

1.

Grundlagen

10 Der Single Supervisory Mechanism (SSM) besteht aus der EZB und den NCAs (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 SSM-VO). Dem SSM selbst kommt keine Rechtspersönlichkeit zu.36) Vielmehr soll der Begriff eine griffige Bezeichnung für den von der SSM-VO errichteten Verwaltungsverbund37) bieten. Entsprechend definiert Art. 2 Abs. 9 SSM-VO den SSM als „das Finanzaufsichtssystem, das sich aus der EZB und den [NCAs] teilnehmender Mitgliedstaaten entsprechend der Beschreibung in [Art. 6 SSM-VO] zusammensetzt“. ErwG 87 SSM-VO spricht – in der Sache gleichbedeutend – vom SSM als „Rahmen für die Ausübung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Beaufsichtigung von Kreditinstituten“. 11 Da der SSM mangels Rechtspersönlichkeit kein Träger mittelbarer Unionsverwaltung ist und dem SSM als solchem daher weder Aufgaben noch Befugnisse übertragen werden konnten, wird die Zuständigkeitsverteilung zwischen der unionalen und der mitgliedstaatlichen Ebene im SSM, d. h. die Zuordnung der Kompetenzen zur EZB38) und den NCAs, von der SSM-VO i. R. des Primärrechts gestaltet. Dieses Primärrecht ordnet der EZB keine direkten Vollzugskompetenzen im Bereich der Bankenaufsicht zu.39) Indes erlaubt Art. 127 Abs. 6 AEUV es dem Rat, der EZB (nicht dem SSM) „besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitute mit Ausnahme von Versicherungsunternehmen“ und damit Vollzugskompetenzen im Bereich des Bankaufsichtsrechts zu übertragen,40) die diese gemäß Art. 25.2 ESZB/EZBSatzung wahrnehmen darf. Im Einklang mit dem – auch für die Allokation der Verwaltungskompetenzen im Mehrebenensystem der EU Geltung beanspruchenden41) – Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EUV) gilt daher, dass Zuständigkeiten zur Anwendung und Durchsetzung des Aufsichtsrechts, die der

___________ 33) So jetzt auch BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 158 ff., NJW 2019, 3204. 34) BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 171, NJW 2019, 3204. 35) So auch: D’Ambrosio, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 78, S. 71, sowie Athanassiou, JIBLR 2015, 382, 388, wonach Zweifelsfälle zugunsten der Zuständigkeit der NCA entschieden werden sollten. 36) Vgl. Neumann, EuZW-Beilage 2014, S. 9, 10; Brescia Morra, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 81, S. 109, 128; Chiti/Recine, EPL 24 (2018), 101, 103. 37) Hierzu Hilbert, Die Verwaltung 2017, 189, 191. 38) Die EZB ist Organ der EU (Art. 13 Abs. 2 Satz 1 EUV) und besitzt gemäß Art. 282 Abs. 3 Satz 1 AEUV Rechtspersönlichkeit, dies auch in jedem Mitgliedstaat (Art. 9.1 ESZB/EZB-Satzung). 39) Art. 127 Abs. 5 AEUV nimmt zum einen auf das ESZB (Europäisches System der Zentralbanken) als Ganzes Bezug und betrifft zum anderen keine Vollzugs-, sondern lediglich die Aufgabe zur Unterstützung der (nationalen) Aufsicht über Kreditinstitute, vgl. v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Selmayr, Europäisches Unionsrecht, Art. 127 AEUV Rz. 41 f.; Hahn/Häde, Währungsrecht, § 17 Rz. 97. 40) Der direkte Vollzug des Unionsrecht kommt nur in Betracht, wenn das Primärrecht dies unmittelbar vorsieht oder eine Ermächtigung zur sekundärrechtlichen Übertragung von Vollzugskompetenzen enthält, vgl. Terhechte-Augsberg, Verwaltungsrecht der EU, § 6 Rz. 31. 41) Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR I, § 5 Rz. 20.

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II. Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism

§2

EZB nicht übertragen wurden, bei den Mitgliedstaaten und ihren Behörden verbleiben (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 EUV und Art. 1 Abs. 5 SSM-VO).42) 2.

Persönliche, sachliche und räumliche Begrenzung der Zuständigkeiten im SSM

a)

Persönliche Zuständigkeit

Die Zuständigkeit der EZB sowie die Einbindung der NCAs in den SSM erstreckt sich in 12 persönlicher Hinsicht allein auf die Beaufsichtigung von Kreditinstituten i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR43), d. h. von CRR-Kreditinstituten i. S. des § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG. Hierzu werden ab Geltungsbeginn der Wertpapierfirmenverordnung (Investment Firms Regulation – IFR)44) am 26.6.2021 aufgrund der Anpassung der Definition des Kreditinstituts in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR auch bislang als Wertpapierfirmen geltende Institute zählen, soweit sie den Eigenhandel und das Emissionsgeschäft betreiben und ihre Geschäftstätigkeit bestimmte Schwellenwerte überschreitet (sog. „Klasse 1-Wertpapierfirmen“).45) Andere Unternehmen des Finanzdienstleistungssektors wie Versicherungsunternehmen, 13 zentrale Gegenparteien (vgl. Art. 1 Abs. 2 Satz 4 SSM-VO und Art. 2 Nr. 20 Unterabs. 2 SSM-RahmenVO46)), Wertpapierfirmen (mit Ausnahme der „Klasse 1-Wertpapierfirmen“) und Kreditinstitute nach nationalem Recht verbleiben von vorneherein unter nationaler Aufsicht (vgl. ErwG 28 SSM-VO) und sind nicht in den SSM einbezogen, auch wenn nach Art. 127 Abs. 6 AEUV eine Übertragung der Aufsicht über „sonstige Finanzinstitute“ (mit Ausnahme von Versicherungsunternehmen) möglich gewesen wäre.47) Gleiches gilt für Zweigstellen von Drittstaateninstituten (ErwG 28 SSM-VO).48) Im Rahmen der Diskussion zur CRR II49) und CRD V50) hatte die EZB wiederholt darauf hingewiesen, dass sie eine Ausweitung ihrer Zuständigkeit auch auf Zweigstellen von Drittstaateninstituten für erforderlich hält.51) Anders als im Hinblick auf die „Klasse 1-Wertpapierfirmen“ hat sich die EZB in dieser Hinsicht jedoch nicht durchgesetzt. Ausgeschlossen von der EZB-Aufsicht sind auch die in Art. 2 Abs. 5 CRD genannten Institutionen (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 SSM-VO). ___________ 42) Hierzu gehören insb. (aber nicht nur, vgl. Neumann, EuZW-Beilage 2014, S. 9, 12 sowie Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 26 m. Fn. 75) die in ErwG 28 Satz 2 der SSM-VO genannten Zuständigkeiten, dessen Aufzählung nicht abschließend ist. 43) Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013. 44) Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 – Investment Firms Regulation (IFR), ABl. L 314/1 v. 5.12.2019. 45) Vgl. hierzu Bundesbank, Monatsbericht 6/2019, S. 41, und Gurlit, WM 2020, 57, 60. 46) Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank v. 16.4.2014 – SSM-Rahmenverordnung (SSM-RahmenVO) (EZB/2014/17), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014. 47) Vgl. Schuster, EuZW-Beilage 2014, S. 3, 4. 48) Lackhoff/Grünewald, GesKR 2015, 190, 201. 49) Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. 50) Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019. 51) Vgl. nur EZB, Rede v. Sabine Lautenschläger, The European banking sector – growing together and growing apart, v. 2.3.2017, und EZB, Rede v. Danièle Nouy, Regulation and supervision in Europe – can many cooks make a good broth?, v. 15.5.2017, sowie Kommission, Bericht an das Europäische Parlament und den Rat über den einheitlichen Aufsichtsmechanismus gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013, v. 11.10.2017, COM(2017) 591 final, S. 9, und EZB, Stellungnahme zu Änderungen des Unionsrahmens für Eigenmittelanforderungen von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, v. 8.11.2017 (CON/2017/46), Rz. 1.6.

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§2

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

14 Neben der Einzelaufsicht wird der EZB auch die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis einschließlich der Aufsicht über Finanzholdinggesellschaften und gemischte Finanzholdinggesellschaften übertragen (vgl. ErwG 26 und Art. 4 Abs. 1 lit. g SSM-VO; zur konsolidierten Aufsicht siehe auch § 5 [Nemeczek/Pitz]). Die Ausübung der Aufsicht auf konsolidierter Basis führt indes nicht dazu, dass die EZB für die Einzelbeaufsichtigung von Wertpapierfirmen (mit Ausnahme von „Klasse 1-Wertpapierfirmen“) oder von Kreditinstituten nach nationalem Recht in einer bedeutenden Gruppe zuständig wäre.52) Schließlich beaufsichtigt die EZB bedeutende Zweigniederlassungen von in einem nicht teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassenen Kreditinstituten als zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats (Art. 4 Abs. 2 SSM-VO und Art. 14 SSM-RahmenVO). 15 Innerhalb der so definierten, dem SSM unterfallenden Gruppe von Unternehmen – in Art. 2 Nr. 20 Unterabs. 1 SSM-RahmenVO ist zusammenfassend von „beaufsichtigten Unternehmen“ die Rede – differenziert die SSM-VO zwischen bedeutenden und weniger bedeutenden Banken und grenzt so die Zuständigkeiten von EZB und NCAs innerhalb des SSM ab (siehe dazu Rz. 22 ff.). b)

Sachliche Zuständigkeit

16 Auch sachlich ist die Zuständigkeit der EZB und die Einbindung der NCAs in den SSM begrenzt: Sie besteht im Bereich der mikroprudenziellen Aufsicht nur in dem von der in Art. 4 SSM-VO enthaltenen abschließenden53) Aufgabenaufzählung festgelegten Umfang, der freilich das gesamte Spektrum des europäischen materiellen (mikro)prudenziellen Aufsichtsrechts, insbesondere die Regeln der Capital Requirements Regulation (CRR)54) und der Capital Requirements Directive (CRD)55), und der Bank Recovery and Resolution Directive (BBRD)56) zum frühzeitigen Eingreifen abdeckt.57) In nicht von der SSMVO erfassten Aufsichtsbereichen bleiben die NCA daher ausschließlich zuständig.58) 17 Auch CRR-Kreditinstitute werden somit allein von den NCAs beaufsichtigt, soweit Themen wie Zahlungsdienstleistungen, Wertpapierdienstleistungen, Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsprävention, Verbraucherschutz, kapitalmarktrechtliche Transparenzpflichten oder die Verhinderung von Marktmissbrauch betroffen sind (vgl. auch

___________ 52) Vgl. Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 598. 53) Schuster, EuZW-Beilage 2014, S. 3, 6; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion (2015), § 5 Rz. 124; de Gregorio Merino in: Bándi/Darák/Halustyik/Láncos, European Banking Union, Bd. 1, S. 151, 177. S. aber die Diskussion zur Reichweite der der EZB übertragenen Aufgaben in Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 131 ff., und die Ausführungen zur sog. „NationalPowers“-Debatte in Rz. 59 ff. 54) Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. 55) Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019. 56) Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019. 57) Vgl. Bundesbank, Monatsbericht 7/2013, S. 18. 58) BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 180, NJW 2019, 3204.

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II. Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism

§2

ErwG 28 SSM-VO).59) Insofern sind die NCAs auch nicht in den SSM eingebunden, so dass die EZB weder unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung der wirksamen und einheitlichen Funktionsweise des SSM, Art. 6 Abs. 1 Satz 2 SSM-VO (siehe dazu Rz. 89) noch mit den Mitteln der sog. „indirekten Aufsicht“ (siehe dazu Rz. 89 ff.) Einfluss ausüben kann.60) Einzig die Zusammenarbeit mit den für die Märkte für Finanzinstrumente zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden auf Grundlage von gesondert zu schließenden Vereinbarungen (Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 SSM-VO) und mit den Abwicklungsbehörden (Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 SSM-VO), die sich indes gerade nicht in den Formen des SSM bewegt, kann daher dazu beitragen, dass mögliche Friktionen61) verhindert oder abgemildert werden.62) Im Bereich der makroprudenziellen Aufsicht bleibt es im Grundsatz bei der Zuständig- 18 keit der NCAs. Die EZB ist aber auch hier sachlich insoweit zuständig, als sie strengere Anforderungen festlegen kann (Art. 5 Abs. 2 SSM-VO). Insofern handelt es sich um grundsätzlich parallele Zuständigkeiten.63) c)

Räumliche Zuständigkeit

Räumlich ist die EZB allein für Kreditinstitute in teilnehmenden Mitgliedstaaten, d. h. 19 zunächst des Eurogebiets zuständig. Außerhalb dieser Mitgliedstaaten hat die EZB grundsätzlich keine Zuständigkeiten. Ausgeschlossen von der EZB-Aufsicht sind insbesondere Kreditinstitute aus Drittstaaten, die in der Union eine Zweigstelle errichten oder im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs tätig werden (vgl. ErwG 28 SSM-VO).64) Hinsichtlich der Zweigniederlassungen bedeutender Kreditinstitute aus teilnehmenden 20 Mitgliedstaaten in nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten übernimmt die EZB die Rolle der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats (Art. 4 Abs. 1 lit. b SSM-VO und Art. 17 Abs. 1 SSM-RahmenVO), in umgekehrter Richtung die der zuständigen Behörde des Aufnahmemitgliedstaats, soweit es sich um eine bedeutende Zweigniederlassung handelt (Art. 4 Abs. 2 SSM-VO und Art. 14 SSM-RahmenVO). Die SSM-VO ermöglicht es jedoch auch Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro 21 ist, dem SSM beizutreten und damit „teilnehmende Mitgliedstaaten“ zu werden (vgl. die Definition in Art. 2 Nr. 1 SSM-VO). Voraussetzung hierfür ist gemäß Art. 7 Abs. 1 SSMVO das Eingehen einer „engen Zusammenarbeit“. Hierzu muss der betreffende Mitgliedstaat zunächst ein Ersuchen an die übrigen Mitgliedstaaten, die Kommission und die EZB richten (Art. 7 Abs. 2 lit. a SSM-VO).65) Im Ersuchen muss er sich einerseits verpflichten sicherzustellen, dass seine NCA allen Leitlinien und Aufforderungen der EZB ___________ 59) Soweit sich Missstände in diesen Bereichen indes auf die Sicherheit und Solidität der Kreditinstitute oder die Finanzstabilität auswirken, wird eine Zuständigkeit der EZB z. T. befürwortet (zum Verbraucherschutz etwa Staub-Grundmann, HGB, Bd. 10/1, 1. Teil Rz. 56). Zur Schwierigkeit der Abgrenzung s. Wymeersch, National Bank of Belgium, Working Paper no. 255, S. 13. 60) Schuster, EuZW-Beilage 2014, S. 3, 7. 61) Hierzu etwa: Schuster, EuZW-Beilage 2014, S. 3, 7; Neumann, EuZW-Beilage 2014, S. 9, 12. 62) Die Zusammenarbeitspflicht zwischen EZB und NCA nach Art. 6 Abs. 2 SSM-VO besteht hingegen – wie die Überschrift des Art. 6 SSM-VO deutlich macht – nur innerhalb des SSM. 63) Teixeira, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 75, S. 73, 85; Schuster, EuZW-Beilage 2014, S. 3, 7 f. Ausf.: Gurlit, WM 2015, 1217 und WM 2015, 1257. 64) Vgl. auch Lackhoff, JIBLR 2013, 454, 456. Zu den Bestrebungen der EZB, dies zu ändern, s. o. Rz. 13. 65) Einzelheiten des Verfahrens sind geregelt in EZB, Beschluss v. 31.1.2014 über die enge Zusammenarbeit mit den nationalen zuständigen Behörden teilnehmender Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist (EZB/2014/5), ABl. (EU) L 198/7 v. 5.7.2014. Vgl. auch EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.4.2.

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§2

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

nachkommen wird und andererseits zusagen, alle Informationen zu den in seinem Staatsgebiet niedergelassenen Kreditinstituten vorzulegen, die die EZB für eine umfassende Bewertung dieser Institute anfordert (Art. 7 Abs. 2 lit. b SSM-VO). Schließlich muss der Mitgliedstaat durch innerstaatliche Gesetzgebung sicherstellen, dass seine NCA verpflichtet ist, sämtliche Maßnahmen in Bezug auf Kreditinstitute zu ergreifen, zu denen die EZB die NCA gemäß Art. 7 Abs. 4 SSM-VO auffordert. Die EZB stellt das Zustandekommen einer „engen Zusammenarbeit“ in einem Beschluss fest. Bislang ist kein Staat eine enge Zusammenarbeit eingegangen. Allerdings haben im Juli 2018 Bulgarien66) und im Mai 2019 Kroatien67) die EZB um die Eingehung einer engen Zusammenarbeit ersucht.68) 3.

Direkte Aufsicht der EZB über bedeutende Institute

a)

Grundlagen

22 Gemäß Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 SSM-VO werden der EZB durch die SSM-VO besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute übertragen, ohne dass diese i. E. aufgezählt werden. Diese Funktion übernimmt der mit „Der EZB übertragene Aufgaben“ überschriebene Art. 4 SSM-VO in seinem Absatz 1 in Gestalt einer (abschließenden) Aufzählung (zu Art. 5 SSM-VO siehe unten Rz. 129 ff.). Die dort genannten Aufgaben und Zuständigkeiten69) der EZB sind ausschließlicher Natur, allerdings nur „[i]m Rahmen des Artikels 6“ SSM-VO. 23 Nach Art. 6 Abs. 4 SSM-VO, der wiederum auf Art. 4 SSM-VO Bezug nimmt, wird die Zuständigkeit der EZB zur Erledigung der ihr übertragenen Aufgaben eingeschränkt, nämlich soweit der unmittelbare Vollzug des Aufsichtsrechts in Bezug auf sog. „weniger bedeutende Institute“ betroffen ist. Unmittelbare Vollzugszuständigkeit mit Hinblick auf die in Art. 4 Abs. 1 SSM-VO genannten Aufgaben kommt der EZB daher grundsätzlich nur hinsichtlich „bedeutender Institute“ zu (vgl. auch Art. 89 SSM-RahmenVO).70) Ausgenommen von dieser Zuständigkeitsbeschränkung sind die Aufgaben gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. a und lit. c SSM-VO, also die Zulassung von Kreditinstituten und der Entzug der Zulassung sowie die Inhaberkontrollverfahren (sog. „gemeinsame Verfahren“, vgl. die Überschrift des Teils V der SSM-RahmenVO; siehe hierzu noch Rz. 121 ff.). Hier ist die EZB auch unmittelbar für weniger bedeutende Institute zuständig. In diesem Umfang wird die Bankenaufsicht über die Institute der teilnehmenden Mitgliedstaaten bei der EZB zentralisiert.71) ___________ 66) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 65. Vgl. auch EZB, Stellungnahme zum Erlass nationaler Rechtsvorschriften zur Entwicklung einer engen Zusammenarbeit zwischen der EZB und der Ȼɴɥɝɚɪɫɤɚ ɧɚɪɨɞɧɚ ɛɚɧɤɚ (Bulgarische Nationalbank), v. 9.11.2018 (CON/2018/49); EZB, Stellungnahme zur Teilnahme am Einheitlichen Abwicklungsmechanismus, v. 17.4.2019 (CON/2019/16), sowie ECB, FAQ concerning Bulgaria’s request to establish close cooperation with the ECB, 2018. Im Jahr 2017 ging hingegen kein formelles Ersuchen ein (EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 65). 67) Vgl. EZB, Stellungnahme zum Erlass nationaler Rechtsvorschriften zur Entwicklung einer engen Zusammenarbeit zwischen der EZB und der Hrvatska narodna banka, v. 8.7.2019 (CON/2019/25) sowie ECB, FAQ concerning Croatia’s request to establish close cooperation with the ECB, v. 7.8.2019. 68) Auch Dänemark und Schweden erwägen offenbar einen Beitritt zur Bankenunion, vgl. SRB, Work Programme 2019, S. 9. 69) Die Zuständigkeit oder Kompetenz weist die Erledigung einer Aufgabe einem bestimmten Verwaltungsträger zu (vgl. Jestaedt in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR I, § 14 Rz. 42, und Wolff/Bachof/Stober/Kluth-Kluth, Verwaltungsrecht II, § 83 Rz. 5). 70) Bei teilnehmenden Mitgliedstaaten in enger Zusammenarbeit hat die EZB weder hinsichtlich bedeutender Institute noch weniger bedeutender Institute unmittelbare Handlungsbefugnisse (vgl. Art. 107 Abs. 2 SSM-RahmenVO). Sie ist stattdessen stets auf das Institut der Weisung gegenüber den NCA verwiesen (Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 4 SSM-VO sowie Art. 107 Abs. 3 SSM-RahmenVO). 71) Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 1.

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II. Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism

§2

Diese grundsätzliche Beschränkung der direkten Zuständigkeit der EZB auf bedeutende 24 Institute weicht vom Kommissionsvorschlag für die SSM-VO ab.72) Dieser hatte noch vorgesehen, der EZB direkte Vollzugskompetenzen in Bezug auf alle in den teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Banken zu übertragen (Art. 4 des Entwurfs), dies allerdings zeitlich derart gestaffelt, dass die EZB ab dem 1.7.2013 ihre Aufgaben in Bezug auf die „bedeutendsten europaweit systemrelevanten Kreditinstitute“ wahrnehmen sollte und erst zum 1.1.2014 für die übrigen Institute.73) Entsprechend der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 und 4 EUV),74) die auch für die Begründung von europäischen Verwaltungs- oder Vollzugskompetenzen gelten,75) einigte sich der Rat i. R. des Gesetzgebungsverfahrens auf ein im europäischen Recht einzigartiges differenziertes System geteilter Zuständigkeiten.76) Diese Differenzierung stellt insbesondere sicher, dass die Begrenzungen der Rechtsgrundlage des Art. 127 Abs. 6 AEUV, wonach der EZB lediglich „besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute“ übertragen werden können, eingehalten werden.77) Die EZB übt die Aufsicht über das Gesamtsystem des SSM aus, für dessen wirksame 25 und einheitliche Funktionsweise sie verantwortlich ist (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 SSM-VO). Das von Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 4 SSM-VO konstituierte und von Art. 6 Abs. 1 SSM-VO überwölbte Zuständigkeitssystem führt somit zu einer „bankaufsichtlichen Gesamtverantwortung“ der EZB für alle Banken im SSM.78) Es wäre aber zumindest ungenau, von einer umfassenden Vollzugszuständigkeit der EZB für alle Banken im SSM zu sprechen. Vielmehr überträgt die SSM-VO die laufende Bankenaufsicht im in Art. 4 SSM-VO genannten Umfang der EZB nur für die bedeutenden Institute, belässt sie i. Ü. aber bei den Mitgliedstaaten (den NCAs) und beschränkt die Rolle der EZB bei weniger bedeutenden Instituten auf die einer Systemaufsicht und einer Aufsicht über die NCAs (siehe dazu noch Rz. 89 ff.). Die SSM-VO sieht demnach eine „Zweiteilung der Bankenaufsicht“ vor.79) Zu Recht spricht daher ErwG 14 der SRM-VO davon, dass Banken in ___________ 72) Zu möglichen Optionen bei der Kompetenzverteilung innerhalb des SSM vgl. Herdegen, WM 2012, 1889, 1890. 73) Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Rates, v. 12.9.2012, COM(2012) 511 final, S. 8 und Art. 27. Dazu Witte, EuR 2017, 648, 652. 74) Zu den Grundsätzen der Subsidiarität und (kompetenzbezogenen) Verhältnismäßigkeit als maßgebliche Determinanten für die Zuständigkeitsverteilung im SSM vgl. BMF, Sondertreffen von Eurogruppe und ECOFIN im Dezember 2012, http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/ Themen/Europa/ECOFIN_und_Eurogruppe/2012-12-14-ecofin-nachbericht.html (Abrufdatum: 8.5.2020); Neumann, EuZW-Beilage 2014, S. 9, 11; Stangl in: Braumüller/Ennöckl/Gruber/Raschauer, Europäisches Finanzmarktrecht vor neuen Herausforderungen, S. 2, 11 (m. Fn. 39); König, BaFin Journal 5/2014, S. 18, 21; Lutz, ZVglRWiss 2014, 496, 502; Ceyssens, NJW 2013, 3704, 3706; Auerbach, Bankenund Wertpapieraufsicht, Rz. 959; EZB, Rede v. Sabine Lautenschläger, Zwischen den Stühlen? Kleine und mittelgroße Banken und europäische Aufsicht, v. 22.2.2016, beim Bankenabend der Bundesbank der Hauptverwaltung in Baden-Württemberg. Zum kompetenzbezogenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim-Bast, EUV/AEUV, Art. 5 EUV Rz. 67 f., und Trstenjak/Beysen, EuR 2012, 265. 75) Sydow in: Hatje/Müller-Graff, EnzEuR, Bd. 1, § 12 Rz. 38. 76) Vgl. Schuster, EuZW-Beilage 2014, S. 3, 6. 77) Hierzu Calliess, DÖV 2013, 785, 794; D’Ambrosio, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 78, S. 71 mit Fn. 205 (der in der Verteilung der Zuständigkeiten nach der SSM-VO die äußerste Grenze des nach Art. 127 Abs. 6 AEUV Zulässigen erreicht sieht). Ähnlich Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 22 (SSM-VO bewegt sich „am äußersten Rand“ des Art. 127 Abs. 6 AEUV), v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Selmayr, Europäisches Unionsrecht, Art. 127 AEUV Rz. 55; v. d. Groeben/ Schwarze/Hatje-Wojcik, Europäisches Unionsrecht, Art. 63 AEUV Rz. 96; Calliess/Ruffert-Häde, EUV/AEUV, Art. 127 AEUV, Rz. 56: Umfang der Zuständigkeiten der EZB erscheint zumindest „grenzwertig“. 78) Staub-Grundmann, HGB, Bd. 10/1, 1. Teil Rz. 30. 79) BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 172, NJW 2019, 3204.

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§2

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

den teilnehmenden Mitgliedstaaten „entweder zentral von der EZB oder durch die zuständigen nationalen Behörden i. R. [des SSM] beaufsichtigt werden“. Bei dem Verwaltungsverbund des SSM handelt es sich somit um einen Verbund mit abgestufter Verdichtung. b)

Abgrenzung der bedeutenden von den weniger bedeutenden Instituten

26 Die praktisch sehr bedeutsame Abgrenzung der bedeutenden von den weniger bedeutenden Kreditinstituten (sowie [gemischten] Finanzholdinggesellschaften und Zweigstellen von in nicht teilnehmenden Mitgliedstaten niedergelassenen Kreditinstituten) vollzieht sich nach der – alles andere als transparenten und leicht handhabbaren – Vorschrift des Art. 6 Abs. 4 SSM-VO und den Artt. 39 bis 72 SSM-RahmenVO. 27 Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 SSM-VO stellt in seinem einleitenden Satz zunächst fest, dass die EZB in Bezug auf weniger bedeutende Institute die Zuständigkeiten des Art. 6 Abs. 5 SSM-VO hat und die NCAs die Zuständigkeiten gemäß Art. 6 Abs. 6 SSM-VO haben (siehe dazu noch Rz. 84 ff.). Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 SSM-VO bestimmt sodann einer negativen Regelungstechnik folgend, wann Institute nicht als weniger bedeutend gelten, um sodann in den Unterabsätzen 3 bis 5 weitere Kriterien für die Abgrenzung zwischen bedeutenden und weniger bedeutenden Instituten aufzustellen. 28 Die Regelung ist derart misslungen,80) dass eine systematische Darstellung auf die konkretisierenden Regeln der SSM-RahmenVO abstellen muss. Gemäß Art. 39 Abs. 3 SSMRahmenVO kann ein beaufsichtigtes Unternehmen auf der Grundlage von fünf Kriterien von der EZB als bedeutend eingestuft werden: x

Größenkriterium: Der Gesamtwert der Aktiva übersteigt 30 Mrd. € (vgl. Art. 39 Abs. 3 lit. a und Artt. 50 bis 55 SSM-RahmenVO, die Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 (i) SSM-VO konkretisieren).

x

Kriterium der wirtschaftlichen Relevanz: Das Verhältnis der gesamten Aktiva zum BIP des teilnehmenden Mitgliedstaats übersteigt 20 % und der Gesamtwert der Aktiva liegt nicht unter 5 Mrd. €. Zudem kann die EZB (ggf. nach Anzeige durch eine NCA) die Relevanz des Instituts für die Wirtschaft der Union oder eines teilnehmenden Mitgliedstaats aufgrund einer Einzelfallprüfung nach den in Art. 56 Abs. 1 SSMRahmenVO genannten Kriterien feststellen (vgl. Art. 39 Abs. 3 lit. b und Artt. 56 bis 58 SSM-RahmenVO, die Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 Nr. ii und Nr. iii SSM-VO konkretisieren).

x

Kriterium der grenzüberschreitenden Tätigkeit: Das Mutterunternehmen (vgl. Art. 2 Nr. 14 SSM-RahmenVO) der beaufsichtigten Gruppe hat in mehr als einem anderen teilnehmenden Mitgliedstaat Tochterunternehmen, die selbst Kreditinstitute sind, der Anteil der grenzüberschreitenden Aktiva (oder Passiva) an ihren gesamten Aktiva (oder Passiva) übersteigt 20 % und der Gesamtwert der Aktiva liegt nicht unter 5 Mrd. € (Art. 39 Abs. 3 lit. c und Artt. 59 und 60 SSM-RahmenVO, die Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 3 SSM-VO konkretisieren).

x

Kriterium der direkten öffentlichen finanziellen Unterstützung: Das Institut hat eine direkte öffentliche finanzielle Unterstützung durch die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) oder den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) beantragt oder erhalten (Art. 39 Abs. 3 lit. d und Artt. 61 bis 64 SSM-RahmenVO, die Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 4 SSM-VO konkretisieren).

___________ 80) Vgl. auch Zagouras in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 124b Rz. 31: „mitunter etwas kryptisch formuliert“; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 14: „kaum verständlich“; BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 192, NJW 2019, 3204: „legislatorische Schwächen“.

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II. Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism x

§2

Das Institut gehört zu den drei bedeutendsten Kreditinstituten im teilnehmenden Mitgliedstaat (Art. 39 Abs. 3 lit. e und Artt. 65 f. SSM-RahmenVO, die Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 5 SSM-VO konkretisieren).

Die Kriterien sind alternativer Natur, d. h. zur Einstufung als bedeutendes Institut ge- 29 nügt die Erfüllung eines der vorgenannten Kriterien.81) Sie entsprechen im Wesentlichen denjenigen, die in anderem Zusammenhang für die Abgrenzung zwischen systemrelevanten und nicht systemrelevanten Instituten gelten.82) Im Falle von Gruppen sind die Kriterien auf der obersten (aufsichtsrechtlichen) Konso- 30 lidierungsebene innerhalb der teilnehmenden Mitgliedstaaten zu prüfen (Art. 40 Abs. 1 SSM-RahmenVO und ErwG 38 SSM-VO); erfüllt die Gruppe auf dieser obersten Konsolidierungsebene das Größenkriterium, das Kriterium der wirtschaftlichen Relevanz oder das Kriterium der grenzüberschreitenden Tätigkeit, so gilt jedes einzelne gruppenangehörige beaufsichtigte Unternehmen (vgl. die Definition in Art. 2 Nr. 20 SSM-RahmenVO) als bedeutend (Art. 40 Abs. 2 lit. a SSM-RahmenVO), dies unabhängig davon, ob es selbst die genannten Kriterien erfüllt. Für die beiden weiteren Kriterien (Kriterium der direkten öffentlichen finanziellen Unterstützung, Zugehörigkeit zur Gruppe der drei bedeutendensten Kreditinstitute im teilnehmenden Mitgliedstaat) gilt dasselbe, wenn ein gruppenangehöriges Unternehmen das betreffende Kriterium erfüllt (Art. 40 Abs. 2 lit. b und lit. c SSM-RahmenVO). Darüber hinaus kann die EZB ein nach den oben genannten Kriterien als weniger bedeu- 31 tend geltendes Institut unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 5 lit. b SSM-VO i. V. m. Art. 39 Abs. 5 und Artt. 67 bis 69 SSM-RahmenVO jederzeit direkt beaufsichtigen, wenn dies für die Sicherstellung der kohärenten Anwendung hoher Aufsichtsstandards erforderlich ist. Das weniger bedeutende Institut wird dann für die Zwecke des SSM als bedeutend eingestuft (Art. 39 Abs. 5 Satz 2 SSM-RahmenVO), bleibt aber in der Sache ein weniger bedeutendes Institut. Dieses als „ultima ratio“83) der Mittel der indirekten Aufsicht bezeichnete sog. „Selbsteintrittsrecht“ der EZB (siehe dazu noch Rz. 100 f.) kann indes nicht im Einzelfall (d. h. für eine Einzelfallentscheidung gegenüber einem weniger bedeutenden Institut) genutzt werden,84) sondern erfordert die vollständige Übernahme aller Aufsichtsbefugnisse des Art. 4 SSM-VO durch Beschluss der EZB (vgl. auch Art. 39 Abs. 5 Satz 1 SSM-RahmenVO).85) Umgekehrt muss die EZB ein nach allgemeinen Kriterien als bedeutend geltendes Unter- 32 nehmen als weniger bedeutend einstufen, wenn besondere Umstände i. S. des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 und 5 SSM-VO i. V. m. Art. 70 SSM-RahmenVO vorliegen.86) Dies soll nach der Rechtsprechung der europäischen Gerichte (nur) dann der Fall sein, wenn „eine direkte Beaufsichtigung durch die NCA besser geeignet ist, die Ziele und Grundsätze der Grundverordnung (d. h. der SSM-VO) und insbesondere das Erfordernis der Si-

___________ 81) Bundesbank, Monatsbericht 7/2013, S. 19; Bundesbank, Monatsbericht 10/2014, S. 48. 82) Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 20. 83) Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 57; BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 193, NJW 2019, 3204. 84) Anders unter Subsidiaritätsgesichtspunkten: Kämmerer, WM 2016, 1, 3. 85) So auch: Tröger, ZBB 2013, 373, 382 mit Fn. 84 sowie Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 25 mit Fn. 72. 86) Vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 176, NJW 2019, 3204.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

cherstellung der kohärenten Anwendung hoher Aufsichtsstandards zu erreichen“.87) Im Wortlaut des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 und 5 SSM-VO und des – von der EZB selbst erlassenen – Art. 70 SSM-RahmenVO, der einen unbestimmten Rechtsbegriff mit einem weiteren, ebenso unbestimmten zu konkretisieren sucht,88) kommt dieser Maßstab nicht zum Ausdruck. Zu Recht wird auch bezweifelt, ob die tatsächlichen Voraussetzungen dieses Maßstabs von einem betroffenen Institut je nachgewiesen werden können, da NCAs in keinem ersichtlichen Fall besser als die EZB zur (von Art. 70 SSM-RahmenVO besonders betonten) Sicherstellung der kohärenten Anwendung hoher Aufsichtsstandards in der Eurozone insgesamt geeignet sein dürften.89) Verbunden mit der – von der Kommission monierten90) – Intransparenz der EZB-Praxis bei Rückstufungen aufgrund „besonderer Umstände“ sowie dem im selben Kontext betonten weitreichenden Ermessen der EZB beim sog. „Selbsteintritt“ dürfte die Rechtsprechung der europäischen Gerichte im Ergebnis zu einem richterlicher Nachprüfung im Wesentlichen entzogenen Raum völliger Entscheidungsfreiheit der EZB über Zuständigkeitsfragen im SSM führen. 33 Der Status als bedeutendes Unternehmen wird ebenso wie sein Verlust durch konstitutiven,91) an das Unternehmen gerichteten und begründeten Beschluss der EZB festgestellt (Art. 39 Abs. 1 und 2 SSM-RahmenVO). Das Unternehmen sowie die betreffende NCA sind zuvor anzuhören (Art. 44 Abs. 4 und 5 SSM-VO). In einem zweiten Beschluss, der mit dem Einstufungsbeschluss verbunden werden kann, ist der Tag des Beginns der direkten Beaufsichtigung durch die EZB festzulegen (Art. 45 Abs. 1 SSM-RahmenVO). Dasselbe gilt für den umgekehrten Fall der Beendigung der direkten EZB-Aufsicht (Art. 46 Abs. 1 SSM-RVO). 34 Für weniger bedeutende Unternehmen gilt die gemäß Art. 49 Abs. 2 SSM-RahmenVO von der EZB zu veröffentlichende Liste als Bekanntgabe ihrer Einstufung als weniger bedeutend (Art. 44 Abs. 3 SSM-RahmenVO).92) Die EZB und die NCAs überprüfen den Status der beaufsichtigten Unternehmen mindestens im Jahresrhythmus (Art. 43 Abs. 1 und 2 SSM-RahmenVO).93) Bei einem Statuswechsel arbeiten die EZB und die betreffende NCA zur Sicherstellung eines reibungslosen Übergangs der Aufsichtsbefugnisse zusammen (Art. 43 Abs. 6 SSM-RahmenVO).

___________ 87) Vgl. hierzu EuG, Urt. v. 15.5.2017 – Rs. T-122/15 (Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB), ECLI:EU:T:2017:337 = EuZW 2017, 461; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 667 f. Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 28, stellt dahingegen darauf ab, dass spezifische tatsächliche Umstände zur Stützung der Enscheidung über die Rückstufung vorliegen und die Ziele der SSM-VO „nicht betroffen“ sind. 88) Vgl. dazu Kämmerer, ZBB 2017, 317, 320; Tröger/Tönningsen, ZBB 2020, 77, 80. 89) Ipsen/Röh, WM 2017, 2228, 2231 („theoretischer Fall ohne praktische Relevanz“); Berger, WuB 2018, 60, 64 (Urteilsanm.). 90) Kommission, Bericht an das Europäische Parlament und den Rat über den einheitlichen Aufsichtsmechanismus gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013, v. 11.10.2017, COM(2017) 591 final, S. 10. 91) Ruthig, ZHR 178 (2014), 443, 476; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 150; Hilbert, Die Verwaltung 2017, 189, 194. 92) Hilbert, Die Verwaltung 2017, 189, 194. 93) Unternehmen, die aufgrund des Größenkriteriums, des Kriteriums der wirtschaftlichen Relevanz oder des Kriteriums der grenzüberschreitenden Tätigkeit als bedeutend eingestuft wurden, verlieren diesen Status erst, wenn keines dieser Kriterien in drei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren erfüllt war (Art. 47 Abs. 1 SSM-RahmenVO). Hierdurch wird ein ständiger Wechsel der Zuständigkeit bei Wertschwankungen um die relevanten Schwellen verhindert.

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II. Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism c)

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Befugnisse der EZB i. R. der direkten Aufsicht

Die SSM-VO trennt klar zwischen Aufgaben (Tasks) und Befugnissen (Powers) der EZB. 35 Auch der SSM-VO liegt daher die dem deutschen öffentlichen Recht bekannte Trennung von Aufgaben, Zuständigkeiten (Competences – verstanden als Zuweisung der Erledigung oder Wahrnehmung einer Aufgabe an einen Verwaltungsträger) und Befugnissen ebenso zugrunde wie das grundsätzliche Verbot des Schlusses von der Aufgabe auf die (Eingriffs-)Befugnis im grundrechtsrelevanten Bereich.94) aa)

Befugnisse der EZB gegenüber bedeutenden Instituten

In Bezug auf bedeutende Institute ist die EZB für die Wahrnehmung der in Art. 4 Abs. 1 36 SSM-VO abschließend aufgezählten Aufgaben ausschließlich zuständig. Zu diesem Zweck (und damit ausschließlich für bedeutende Institute)95) erklärt sie Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 SSM-VO zur zuständigen Behörde i. S. des Unionsrechts. Ist das Mutterunternehmen (Art. 2 Nr. 14 SSM-RahmenVO) einer bedeutenden beaufsichtigten Gruppe ein Mutterinstitut in einem teilnehmenden Mitgliedstaat oder ein in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassenes EU-Mutterinstitut i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 29 CRR, ist die EZB konsolidierende Aufsichtsbehörde (Art. 8 SSM-RahmenVO) und leitet das gemäß Art. 116 CRD zu bildende Aufsichtskolleg (Art. 9 Abs. 1 SSM-RahmenVO).96) Die SSM-VO stattet die EZB selbst mit Befugnissen aus, worauf Art. 9 Abs. 1 Unte- 37 rabs. 2 Satz 1 SSM-VO klarstellend verweist. Hierzu zählen insbesondere die in Artt. 10 bis 13 SSM-VO genannten Untersuchungsbefugnisse (siehe dazu Rz. 40 ff.), die Befugnis zur Erteilung und zum Entzug der Zulassung (Art. 14 SSM-VO), die Befugnis zur Prüfung und ggf. Untersagung des Erwerbs bedeutender Beteiligungen (Art. 15 SSMVO),97) die besonderen Aufsichtsbefugnisse des Art. 16 SSM-VO (siehe dazu Rz. 38 ff.) sowie gemäß Art. 18 SSM-VO die Befugnis zur Verhängung von Verwaltungssanktionen (vgl. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 3 SSM-VO) (siehe dazu Rz. 63 ff.). Darüber hinaus hat die EZB gemäß Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 SSM-VO „sämtliche Befugnisse […], die zuständige und benannte Behörden nach dem einschlägigen Unionsrecht haben, sofern [die SSM-VO] nichts anderes vorsieht“ (siehe dazu Rz. 52 ff.). (1)

Aufsichtsbefugnisse nach Art. 16 SSM-VO

Die in Art. 16 Abs. 2 SSM-VO niedergelegten Befugnisse sind wörtlich dem Katalog des 38 Art. 104 Abs. 1 CRD entnommen98) und stellen der EZB gegenüber bedeutenden Insti___________ 94) Vgl. Witte in: ESCB Legal Conference 2016, S. 247, 248; Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil A Kap. II Rz. 16; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 158. Wohl auch: Berger, WM 2016, 2361. 95) Obschon Art. 9 seinem Wortlaut nach nicht zwischen bedeutenden und weniger bedeutenden Instituten differenziert, ergibt sich diese Beschränkung aus Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 4 SSM-VO, vgl. Bundesbank, Monatsbericht 7/2013, S. 20; Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 23 (in Bezug auf die Befugnisse nach Art. 16 SSM-VO); Witte in: ESCB Legal Conference 2016, S. 247, 249 mit Fn. 8; Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD (2017) 336 final, S. 35 mit Fn. 108. Vgl. hierzu auch ErwG 3 VO (EU) 2016/445; EZB, Beschluss (EU) 2017/934 v. 16.11.2016 über die Übertragung von Beschlüssen über die Bedeutung der beaufsichtigten Unternehmen (EZB/2016/41), ABl. (EU) L 141/18 v. 1.6.2017, ErwG 6 und EZB, Beschluss (EU) 2017/935 v. 16.11.2016 zur Übertragung der Befugnis zum Erlass von Beschlüssen über die Eignungsprüfung und zur Prüfung der Eignungsanforderungen (EZB/2016/42), ABl. (EU) L 141/21 v. 1.6.2017, ErwG 1. 96) Vgl. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 72; EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.4.3. 97) Die Befugnisse nach Artt. 14 und 15 SSM-VO folgen einem eigenen Verfahren mit enger Verzahnung beider Ebenen (sog. „gemeinsame Verfahren“), s. dazu unten Rz. 121 ff. 98) Die durch die CRD V erfolgten Änderungen des Art. 104 CRD a. F. sind in der SSM-VO allerdings noch nicht reflektiert.

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§2

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

tuten diejenigen Mittel zur Verfügung, mit denen nach der CRD die NCAs durch den nationalen Gesetzgeber mindestens ausgestattet werden müssen. Art. 16 Abs. 2 lit. m SSM-VO fügt der Aufzählung des Art. 104 CRD noch die ausdrückliche Befugnis der EZB zur Abberufung von Mitgliedern der Leitungsorgane von Kreditinstituten hinzu. 39 Art. 16 Abs. 1 SSM-VO stellt in seinen lit. a und b in Anlehnung an Art. 102 Abs. 1 CRD sicher, dass die EZB ihre Befugnisse frühzeitig ausüben kann, um eine Rechtsverletzung durch ein Kreditinstitut abzustellen oder eine drohende Rechtsverletzung zu verhindern. Art. 16 Abs. 1 lit. c SSM-VO ermöglicht es der EZB, i. R. einer aufsichtlichen Überprüfung (Art. 4 Abs. 1 lit. f SSM-VO) festgestellte Mängel der zur Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften geschaffenen Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen der Kreditinstitute, ihrer Eigenmittelausstattung und ihrer Liquidität in Bezug auf ein solides Risikomanagement und eine solide Risikoabdeckung zu adressieren (vgl. Art. 97 Abs. 3 CRD). (2)

Untersuchungsbefugnisse nach Artt. 10 bis 13 SSM-VO

40 Nach Artt. 10 bis 12 SSM-VO hat die EZB umfangreiche Untersuchungsbefugnisse in Bezug auf bedeutende wie auch weniger bedeutende Institute. Diese umfassen Informationsersuchen (Art. 10 SSM-VO), allgemeine Untersuchungen (Art. 11 SSM-VO) und Vor-Ort-Prüfungen (Art. 12 SSM-VO). Details zur Zusammenarbeit zwischen der EZB und den NCAs i. R. der Ausübung der Befugnisse nach Artt. 10 bis 13 SSM-VO regeln die Artt. 139 bis 146 SSM-RahmenVO. 41 Art. 10 SSM-VO („Informationsersuchen“), dessen Absatz 1 dem Art. 65 Abs. 3 lit. a CRD entspricht, erfasst sog. „Ad-hoc-Informationsersuchen“ (Art. 139 SSM-RahmenVO) und „regelmäßige Informationsersuchen“ (Art. 141 SSM-RahmenVO), d. h. „in regelmäßigen Abständen und in festgelegten Formaten zu Aufsichts- und entsprechenden Statistikzwecken“ benötigte Informationen. Adressaten dieser Informationsersuchen können sein Kreditinstitute, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Holdinggesellschaften sowie Auslagerungsunternehmen. Zudem kann die EZB Informationsersuchen an Personen richten, die zu beaufsichtigten Unternehmen „gehören“. Hierzu zählen nach Auffassung der EZB nicht nur bei den genannten Unternehmen beschäftigte natürliche Personen, sondern auch deren Tochterunternehmen.99) Die Vorschrift lässt sowohl informelle – und damit rechtlich nicht bindende – Auskunftsersuchen als auch verbindliche Auskunftsbeschlüsse zu.100) Ergeht ein bindender Auskunftsbeschluss, sind die Adressaten zur Auskunft verpflichtet und können sich nicht auf Geheimhaltungsvorschriften berufen (Art. 10 Abs. 2 SSM-VO). 42 „Allgemeine Untersuchungen“ i. S. des Art. 11 SSM-VO (vgl. Art. 65 Abs. 3 lit. b CRD) unterscheiden sich von den Informationsersuchen i. S. des Art. 10 SSM-VO zum einen im Hinblick auf die Art der Informationserhebung (Vorlage von Unterlagen, Prüfung von Büchern und Aufzeichnungen, Einholung von schriftlichen oder mündlichen Erklärungen), zum anderen darin, dass sie stets einen Beschluss der EZB voraussetzen, der eine Duldungspflicht der Betroffenen nach sich zieht (Art. 11 Abs. 2 SSM-VO; Art. 142 SSM-RahmenVO). Darüber hinaus kann die EZB gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 2 lit. d SSM-VO über den Personenkreis des Art. 10 Abs. 1 SSM-VO hinaus auch sonstige Personen befragen, soweit diese zustimmen. Zur Erteilung der Zustimmung besteht naturgemäß keine Verpflichtung.101) 43 Schließlich kann die EZB gemäß Artt. 12 und 13 SSM-VO „Vor-Ort-Prüfungen“ (Onsite Inspections – OSI) in den Geschäftsräumen von juristischen Personen i. S. des Art. 10 ___________ 99) Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 759; Zagouras, JIBLR 2018, 437, 440. 100) Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 221; Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 22. 101) Zagouras, JIBLR 2018, 437, 442.

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II. Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism

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Abs. 1 SSM-VO und sonstigen in die konsolidierte Aufsicht der EZB (Art. 4 Abs. 1 lit. g SSM-VO) einbezogenen Unternehmen vornehmen und sich in diesem Rahmen aller Befugnisse des Art. 11 Abs. 1 SSM-VO bedienen (Art. 12 Abs. 1 und 2 SSM-VO).102) Handelt es sich dabei um in Drittstaaten anssässige Unternehmen (z. B. IT-Auslagerungsunternehmen), bedarf es der Zustimmung der zuständigen Behörden nach den Bestimmungen der einschlägigen Kooperationsvereinbarungen oder -abkommen.103) Dem Schutz der Vertraulichkeit der Rechtsberatung (Anwaltsgeheimnis) unterliegende Dokumente sind vom Zugriff der EZB auch i. R. einer Vor-Ort-Prüfung geschützt (vgl. ErwG 48 SSMVO);104) zudem verbietet sich eine Vor-Ort-Untersuchung bei Rechtsberatern des Instituts etwa auf der Grundlage des Art. 10 Abs. 1 lit. f SSM-VO.105) Voraussetzung für die Durchführung einer Vor-Ort-Prüfung ist stets ein Beschluss der EZB, 44 der Gegenstand und Zweck der Prüfung festlegt (Art. 12 Abs. 3 SSM-VO; Art. 143 Abs. 2 SSM-RahmenVO) und der dem Institut (oder seinem Mutterunternehmen) in der Regel einige Wochen, spätestens jedoch fünf Arbeitstage vor dem geplanten Beginn der Prüfung durch ein Schreiben der EZB bekanntgeben wird (Art. 145 Abs. 1 SSM-RahmenVO).106) Ausnahmen hiervon sind möglich, wenn die ordnungsgemäße Durchführung und die Effizienz der Prüfung dies erfordern (Art. 154 Abs. 2 SSM-RahmenVO). Soweit nach nationalem Recht eine gerichtliche Genehmigung für das Betreten der Geschäftsräume erforderlich ist, hat die EZB diese einzuholen (Art. 13 Abs. 1 SSM-VO). Die jährliche Planung von Vor-Ort-Prüfungen wird durch eine zentrale Abteilung der 45 GD MS IV (Directorate General Micro-Prudential Supervision IV/Generaldirektion mikroprudenzielle Aufsicht IV), nämlich die Abteilung Vor-Ort-Prüfungen (Centralised OnSite Inspections – COI, siehe dazu noch Rz. 148), koordiniert und i. Ü. vom zuständigen JST (Joint Supervisory Team/gemeinsames Aufsichtsteam) i. R. der Aufsichtsplanung in Zusammenarbeit mit der Abteilung Aufsichtsplanung (Planning and Coordination of SEP – PCS) der GD MS IV festgelegt.107) Darüber hinaus werden Vor-Ort-Prüfungen auch anlassbezogen durchgeführt, d. h. aufgrund von Ereignissen oder Zwischenfällen, die sofortiger aufsichtlicher Untersuchung bedürften.108) Vor-Ort-Prüfungen werden durch sog. „Vor-Ort-Prüfungsteams“ durchgeführt, für deren 46 Einrichtung und Zusammensetzung die EZB zuständig ist (Art. 144 Abs. 1 SSM-VO).109) Sie bestehen aus Mitarbeitern der Abteilung „Vor-Ort-Prüfungen“ der GD MS IV und der ___________ 102) Zu Reichweite und Grenzen der EZB-Befugnisse i. R. von Vor-Ort-Untersuchungen vgl. Zagouras, JIBLR 2018, 437, 441 f. 103) EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, Nr. 1.7; Zagouras, JIBLR 2018, 437, 440. 104) Vgl. hierzu allg. Windthorst/Bussian, WM 2015, 2265, sowie Zagouras, JIBLR 2018, 437, 442. 105) Zagouras, JIBLR 2018, 437, 440. 106) Vgl. auch EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, Nr. 1.1.2 und 2.2.1. 107) EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, Nr. 1.2; EZB, Leitfaden zur Bankenaufsicht, v. 9/2014, Rz. 70 f.; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 776 ff.; Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 32. 108) EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, Nr. 1.2. 109) Für das Jahr 2015 wurden von den JSTs insgesamt 576 Vor-Ort-Prüfungen beantragt, wovon 250 von der EZB genehmigt wurden (EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2015, S. 42; EuRH, Sonderbericht Nr. 29/2016, v. 18.11.2016, Rz. 160). Im Jahr 2016 genehmigte die EZB 185 Vor-Ort-Prüfungen (EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2016, S. 20). In den Jahren 2017 und 2018 sank die Zahl jeweils auf 156 (EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 33; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 33), im Jahr 2019 auf 151 (EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2019, S. 43).

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

NCAs; darüber hinaus ist auch eine Einbeziehung von externen Personen, etwa von Wirtschaftsprüfern oder Rechtsanwälten möglich.110) Die weit überwiegende Anzahl der Prüfer, aber auch der Prüfungsleiter, stellen die NCAs.111) Das Prüfungsteam handelt unabhängig vom für das untersuchte Institute zuständigen JST, arbeitet aber mit diesem zusammen.112) 47 Die EZB benennt aus den EZB- und NCA-Mitgliedern des Vor-Ort-Prüfungsteams durch Ernennungsschreiben einen Prüfungsleiter (Head of Mission – HoM) (Art. 144 Abs. 2 SSM-RahmenVO), der das Prüfungsteam leitet und dem die Organisation der einzelnen Prüfschritte obliegt;113) die übrigen Team-Mitglieder handeln entsprechend seinen Weisungen (Art. 146 Abs. 1 SSM-RahmenVO). Gemeinsam mit dem JST-Koordinator erstellt der Prüfungsleiter zunächst ein Prüfungsmemorandum (Inspection Memo), in dem Grundlagen, Gegenstand und Ziele der Prüfung festgelegt werden.114) Sodann teilt der Prüfungsleiter dem Institut die Namen der an der Prüfung teilnehmenden Teammitglieder mit und übermittelt ein erstes Auskunftsersuchen zu den für die Prüfung erforderlichen Informationen. Mit dem Auskunftsersuchen werden zudem organisatorische Anforderungen für die Durchführung der Prüfung (z. B. Bereitstellung von Räumlichkeiten vor Ort, Zugang zu IT- und Kommunikationseinrichtungen für das Prüfungsteam) übermittelt.115) 48 Die Vor-Ort-Prüfung wird sodann offiziell durch ein sog. „Kick-off-Meeting“ eingeleitet, in dem der Prüfungsleiter Ziele, Gegenstand und Ablauf der Prüfung erläutert und Rückfragen des Instituts beantwortet.116) Sodann beginnt das Prüfungsteam mit der eigentlichen Prüfung, d. h. der Durchführung von Befragungen sowie der Überprüfung der Verfahren, Berichte und sonstigen Akten des Instituts.117) Üblicherweise hält das Prüfungsteam während der Prüfungsphase mehrere „Statusbesprechungen“ mit dem Institut ab, in denen vorläufige Prüfungsergebnisse erörtert werden. 49 Nach Abschluss der Prüfungshandlungen vor Ort erstellt das Prüfungsteam den Entwurf eines Prüfungsberichts, der aus dem zusammengefassten Prüfungsergebnis, einer tabellarischen Aufstellung der Feststellungen und einem Hauptteil besteht. Die Feststellungen werden nach ihren Auswirkungen auf das Institut den Kategorien „geringe Auswirkungen“ (F1 – „low impact“), „mittlere Auswirkungen“ (F2 – „moderate impact“), „starke Auswirkungen“ (F3 – „high impact“) und „sehr starke Auswirkungen“ (F4 – „very high impact“) zugeordnet.118) Nach einer „Konsistenzprüfung“ durch Mitarbeiter von DG MS IV und ___________ 110) EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, Nr. 1.1.6; Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 23; EZB, Leitfaden zur Bankenaufsicht, v. 9/2014, Rz. 74; EuRH, Sonderbericht Nr. 29/2016, v. 18.11.2016, Rz. 156. 111) Zur Kritik an dieser Praxis vgl. EuRH, Sonderbericht Nr. 29/2016, v. 18.11.2016, Rz. 155 und Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 25. 112) EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, Nr. 1.4. Vgl. auch Zagouras, JIBLR 2018, 437, 439. 113) EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, Nr. 1.5 und 2.2.1 („Benachrichtigung über den Beginn einer Prüfung“). 114) EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, Nr. 2.2.1 („Prüfungsmemorandum“). 115) EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, Nr. 2.2.1 („Erstes Auskunftsersuchen“). 116) EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, Nr. 2.2.2 („Kickoff-Meeting“). 117) EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, Nr. 2.2.2 („Durchführung des Arbeitsprogramms“). 118) EuRH, Sonderbericht Nr. 29/2016, v. 18.11.2016, Rz. 178.

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II. Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism

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der zuständigen NCA erhält das Institut den Berichtsentwurf zusammen mit einem standardisierten Feedback-Formular zur Kommentierung innerhalb von zwei Wochen.119) Der Prüfungsleiter beraumt sodann ein sog. „Exit Meeting“ (Sitzung zur Sachverhaltsaufklärung) ein, in dem der Prüfungsleiter die Prüfungsergebnisse präsentiert und der Berichtsentwurf mit dem Institut besprochen wird. Im Anschluss an das Exit Meeting finalisiert der Prüfungsleiter den Bericht unter Berück- 50 sichtigung der Stellungnahme des Instituts; dabei repliziert der Prüfungsleiter auf die Anmerkungen des Instituts im Feedback-Formular, das sodann der Endfassung des Berichts beigefügt wird, die dem Institut übersandt wird. Auf der Basis des Berichts erarbeitet die EZB den Entwurf eines (rechtlich nicht verbindlichen) Schreibens, das aufsichtliche Erwartungen und Empfehlungen enthält; der Entwurf wird dem Institut sodann vom JST-Koordinator zugeleitet und i. R. einer Abschlussbesprechung (Closing Meeting) mit dem Institut besprochen.120) Im Anschluss an die Abschlussbesprechung erhält das Institut die Endfassung des Schreibens. Sollte sich aus dem Bericht indes die Notwendigkeit zum Erlass verbindlicher Anordnungen erheben, bereitet das zuständige JST statt eines Schreibens einen Aufsichtsbeschluss vor, dessen Erlass dem Verfahren der impliziten Zustimmung unter Einbindung des Aufsichtsgremiums folgt und zu dem dem Institut rechtliches Gehör gewährt wird. In diesem Fall wird in der Regel keine Abschlussbesprechung anberaumt.121) Nach Erlass des Beschlusses wird das Institut aufgefordert, einen Maßnahmeplan zur geplanten Umsetzung des Beschlusses einzureichen.122) (3)

Zulassung und Erwerb bedeutender Beteiligungen (Artt. 14 und 15 SSM-VO)

Bei der Wahrnehmung der Kompetenzen gemäß Artt. 14 und 15 SSM-VO sind die Tätig- 51 keiten der EZB und der NCA in besonderer Weise verwoben. Obgleich es sich um ausschließliche Kompetenzen der EZB in Bezug auf bedeutende wie weniger bedeutende Institute handelt (vgl. Art. 6 Abs. 4 und 6 SSM-VO), erschöpft sich die Rolle der NCA in beiden Fällen nicht lediglich auf die Unterstützung der EZB, sondern die NCAs haben eigene, von der SSM-VO determinierte Zuständigkeiten i. R. eines gestuften Verfahrens. Diese Besonderheiten berücksichtigend konkretisiert die SSM-RahmenVO diese Verfahren unter der Überschrift „Gemeinsame Verfahren“ (Common Procedures, Artt. 73 bis 88 SSM-RahmenVO, siehe dazu noch Rz. 121 ff.). (4)

Befugnisse zuständiger und benannter Behörden nach Unionsrecht

Weitere Befugnisse der EZB werden nicht in der SSM-VO selbst geregelt und konkretisiert, 52 sondern lediglich mittels Verweisung übertragen. Dies führt zu erheblichen Unschärfen und Abgrenzungsproblemen und ist der Rechtssicherheit abträglich. Gemäß Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 SSM-VO ist die EZB die zuständige oder benannte Be- 53 hörde für bedeutende Institute. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 SSM-VO überträgt ihr folglich „sämtliche Befugnisse […], die zuständige und benannte Behörden nach dem einschlägigen Unionsrecht haben, sofern [die SSM-VO] nichts anderes vorsieht“. Die ___________ 119) EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, Nr. 2.2.3 und Nr. 3.3.1 („Möglichkeit der Kommentierung von Fakten und Feststellungen“). 120) EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, Nr. 2.3.1.Vgl. hierzu: EuRH, Sonderbericht Nr. 29/2016, v. 18.11.2016, Rz. 152 und Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 794. 121) EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, Nr. 3.3.1 („Recht auf Mitteilung der Prüfungsergebnisse“). 122) EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, Nr. 2.3.2.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

Vorschrift erläutert weder, was unter dem „einschlägigen Unionsrecht“ zu verstehen ist, noch, an welchen Stellen die SSM-VO „anderes vorsieht“. Das einschlägige Unionsrecht soll als dynamischer Verweis verstanden werden.123) 54 Unzweifelhaft hat die EZB hiernach i. R. ihrer Aufgaben und Zuständigkeiten diejenigen Befugnisse, die NCAs nach (unmittelbar anwendbaren) Verordnungen wie etwa der CRR,124) aber auch delegierten und Durchführungsverordnungen gemäß Artt. 290 f. AEUV zugesprochen werden (vgl. auch Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 1 SSM-VO). In den entsprechenden Vorschriften müssen die Worte „zuständige Behörde“ gedanklich durch „EZB“ ersetzt werden.125) 55 Fraglich ist aber, ob auch in Richtlinien (z. B. der CRD oder der BRRD) genannte Befugnisse der Aufsichtsbehörden – soweit sie nicht wie die in Art. 104 Abs. 1 CRD aufgezählten in Art. 16 SSM-VO übernommen wurden (siehe Rz. 38) – erfasst sein sollen, die nationalen Umsetzungsvorschriften also als „einschlägiges Unionsrecht“ i. S. des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 SSM-VO anzusehen sind. In der Zusammenschau mit Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 SSM-VO ist dies zu bejahen. Daher kann sich die EZB auf nationale Ermächtigungsgrundlagen stützen, die konkrete europäische Richtlinienvorgaben zu Befugnisnormen der Aufsichtsbehörden umsetzen.126) 56 Hierzu dürfte indes die Generalklausel des Art. 64 Abs. 1 CRD nicht zählen, wonach die Mitgliedstaaten die „zuständigen Behörden […] mit allen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Aufsichtsbefugnissen auszustatten [haben], die ihnen ein Eingreifen in die Tätigkeit von Instituten, Finanzholdinggesellschaften und gemischten Finanzholdinggesellschaften ermöglichen“, da eine rechtssichere Feststellung, welche nationalen Ermächtigungsgrundlagen in Umsetzung des Art. 64 Abs. 1 CRD erlassen wurden, kaum möglich sein wird.127) Gleichzeitig führte eine derart extensive Interpretation des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 SSM-VO dazu, dass der EZB letztlich sämtliche nationalen Eingriffsermächtigungen zur Verfügung stünden, so dass für eine Weisung der EZB an die NCA gemäß Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 3 SSM-VO und Art. 22 SSM-RahmenVO (siehe dazu Rz. 76 ff.) kein Anwendungsbereich bliebe.128) Diese Auslegung mag daher zwar einer möglichst umfassenden Rechtsdurchsetzung unmittelbar durch die EZB dienlich sein, entspricht aber ersichtlich nicht dem Willen des europäischen Gesetzgebers. 57 Ob darüber hinaus auch unabhängig vom Bestehen nationaler Umsetzungsvorschriften die Richtlinienbestimmung selbst als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommt, dürfte ___________ 123) Anders: D’Ambrosio, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 78, S. 95. 124) Zu denken ist etwa an die Befugnis, Institute von der Pflicht zur Einhaltung bestimmter Anforderungen auf Einzelbasis freizustellen (Art. 7 CRR, sog. „Waiver“) oder Institute zu verpflichten, die Bewertung von Vermögensgegenständen und außerbilanziellen Posten sowie die Ermittlung der Eigenmittel nach IFRS vorzunehmen (Art. 24 Abs. 2 CRR). 125) Witte in: ESCB Legal Conference 2016, S. 247, 249. 126) So z. B. Berger, WM 2016, 2361, 2362; Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 21 mit Fn. 59. Ebenso wohl auch Witte in: ESCB Legal Conference 2016, S. 247, 251. 127) Zweifel daher zu Recht bei Witte in: ESCB Legal Conference 2016, S. 247, 254. Vgl. aber auch Arranz in: ESCB Legal Conference 2016, S. 260, 264, wonach die Kommission der EZB auf Grundlage des Art. 64 CRD letztlich alle Befugnisse der NCA nach nationalem Recht zuspricht, solange diese die Durchsetzung der CRD/CRR gegenüber Kreditinstituten zulassen. Ebenso: Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 27 mit Fn. 77 (“It therefore results from Article 9 of the SSMR and Article 64 of the CRD that the ECB should not only have the powers explicitly listed in the CRD and the CRR, but also all supervisory powers to intervene in the activity of credit institutions that were given to national authorities for performing their broad supervisory function under the CRD and the CRR.”). 128) Zu Recht krit. daher Gurlit, WM 2016, 2053, 2056.

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II. Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism

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bereits angesichts der vom EuGH aufgestellten Grundsätze zur unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien zweifelhaft sein.129) Hat es ein Mitgliedstaat versäumt, die entsprechende Richtlinienbestimmung (rechtzeitig oder richtig) umzusetzen, kann die EZB daher nicht auf die Vorschrift der Richtlinie selbst zurückgreifen. Überlegungen, dass der EZB das Versäumnis des Mitgliedstaats nicht entgegengehalten werden dürfe, greifen zu kurz.130) Die Rechtsprechung des EuGH zum Verbot der unmittelbaren Anwendung von Richtlinien zulasten des Einzelnen stellt zu Recht den Individualschutz in den Vordergrund. Für den Einzelnen macht es indes keinen Unterschied, ob eine mitgliedstaatliche Behörde oder die EZB eine nicht umgesetzte Richtlinie zu seinen Lasten anwenden will. Zwar mag man argumentieren können, dass diese Beschränkungen im Verhältnis der EZB gegenüber den NCAs nicht gelten;131) allerdings kann eine NCA eine entsprechende Anweisung der EZB nicht gegenüber einem Institut dergestalt umsetzen, dass sie statt auf Grundlage der nicht umgesetzten Richtlinienvorschrift in Ausführung der Weisung gegenüber dem Institut handelt. Dies würde im Ergebnis die Rechtsprechung des EuGH zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien umgehen und den hiermit bezweckten Individualschutz außer Kraft setzen. In diesen Fällen bleibt daher nur ein Vertragsverletzungsverfahren, um den Mitgliedstaat zur Umsetzung anzuhalten. Nationale Ermächtigungsgrundlagen, welche nicht durch europäische Richtlinienvorga- 58 ben gefordert sind, stellen autonomes Recht dar und sind von der EZB nicht gemäß Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 SSM-VO anzuwenden. Hier bleibt der EZB nur die Möglichkeit, die NCA unter den Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 3 SSM-VO durch Weisung zum Handeln aufzufordern (siehe dazu Rz. 76 ff.).132) Während die EZB die Frage, ob eine nationale Befugnisnorm in Umsetzung einer Richt- 59 linienvorgabe erlassen wurde und daher von der EZB gemäß Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 SSMVO i. V. m. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 SSM-VO angewendet werden kann, zunächst im Einzelfall entschied,133) hat sie im Jahr 2016 in Zusammenarbeit mit der Kommission unter dem Arbeitstitel „National Powers“134) eine Methodik zur Abgrenzung von Richtlinienumsetzungsrecht zu autonomem nationalem Recht i. R. des Art. 4 Abs. 3 SSM-VO entwickelt.135) Danach kann die EZB nationale aufsichtsrechtliche Befugnisnormen nicht nur anwenden, wenn es sich hierbei um Richtlinienumsetzungsrecht handelt, sondern stets auch dann, wenn diese Normen zwar keine ausdrückliche Stütze im Unionsrecht haben, sie aber in den Bereich der der EZB gemäß Art. 4 SSM-VO übertragenen mikroprudenziellen Aufgaben fallen und eine im Unionsrecht vorgesehene Aufsichtsfunktion stärken bzw. unterstützen (Underpin), d. h. mit ihr im Zusammenhang stehen.136) Die EZB ist daher nach ihrer Verwaltungspraxis auch insoweit für die Ausübung der nach den mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften begründeten Aufsichtsbefugnisse – unter den Bedingungen und innerhalb der im nationalen Recht festgelegten Grenzen – die gemäß Art. 9 Abs. 1 Unter-

___________ 129) 130) 131) 132) 133) 134) 135) 136)

Witte in: ESCB Legal Conference 2016, S. 247, 249 f. Vgl. auch Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 21 mit Fn. 59. So aber offenbar: Arranz in: ESCB Legal Conference 2016, S. 260, 262. Kornezov in: ESCB Legal Conference 2016, S. 270, 272 ff. Ebenso: D’Ambrosio, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 78, S. 95; Lackhoff/Grünewald, GesKR 2015, 190, 200. Vgl. hierzu auch EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2015, S. 59. EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2015, S. 77. Vgl. hierzu allgemein Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 95 ff. Witte in: ESCB Legal Conference 2016, S. 247, 257; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2016, S. 57. Vgl. EZB, Beschluss (EU) 2019/322 v. 31.1.2019 zur Übertragung der Befugnis zum Erlass von den im Rahmen nationaler Aufsichtsbefugnisse ergehenden Beschlüssen (EZB/2019/4), ABl. (EU) L 55/7 v. 25.2.2019, ErwG 3.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

abs. 2 SSM-VO zuständige Behörde.137) Ob eine nationale Befugnisnorm eine im Unionsrecht vorgesehene Aufsichtsfunktion „stärkt“ bzw. „unterstützt“, soll insbesondere nach ihrer „Art“, ihrem „Zweck“ und ihrem „Wesen“ („characteristics, purpose and nature“) und der entsprechenden unionsrechtlichen Aufsichtsfunktion beurteilt werden.138) 60 Von den Befugnissen der EZB aufgrund nationaler Vorschriften ausdrücklich umfasst sind die folgenden Entscheidungen in Bezug auf bedeutende Institute:139) x

Entscheidungen über den Erwerb oder die Veräußerung von Beteiligungen;

x

Entscheidungen über Verschmelzungen und Spaltungen;140)

x

Entscheidungen über den Erwerb oder die Veräußerung von Vermögenswerten oder Verbindlichkeiten;

x

Entscheidungen über Satzungsänderungen;141)

x

Entscheidungen über die Bestellung von Inhabern von Schlüsselfunktionen;

x

Entscheidungen über die Bestellung externer Rechnungsprüfer (vgl. § 28 KWG);

x

Entscheidungen über den Betrieb bestimmter Bankgeschäfte i. R. der Erlaubniserteilung, vgl. § 32 KWG (dazu noch unten Rz. 122 ff.);

x

Genehmigung von strategischen Entscheidungen;

x

Entscheidungen über Tätigkeiten in Drittländern oder -gebieten;

x

Entscheidungen über Auslagerungen (vgl. § 25b KWG);

x

Aufsichtsbefugnisse gegenüber den Anteilseignern von Instituten (vgl. § 2c Abs. 2 KWG);

x

Entscheidungen im Zusammenhang mit der Einhaltung von Nebenbestimmungen der Zulassung;

x

Entscheidungen über die Gewährung von Krediten an nahestehende Parteien (vgl. § 15 KWG).

61 Infolgedessen haben die von der EZB direkt beaufsichtigten Institute ihre Anfragen, Anträge oder Meldungen gemäß dem nationalen Recht direkt an die EZB zu übermitteln.142) 62 Dogmatisch begründet wird diese Ansicht wohl im Wesentlichen damit, dass eine Vorschrift nationalen Rechts bereits dann eine Richtlinie umsetzt, wenn sie das von der Richtlinienvorschrift vorgegebene und „zu erreichende Ziel“ i. S. des Art. 288 Abs. 3 AEUV ___________ 137) ECB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, Schreiben v. 31.3.2017, S. 2. 138) Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/ 2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 27 mit Fn. 78. Darüber hinaus soll bei der Prüfung beachtet werden, dass die der EZB übertragenen Aufgaben „ihrer Art nach weitreichend“ sind und wesentliche, in der CRR, der CRD und der BRRD verankerte Aufsichtsaspekte betreffen. 139) EZB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, Schreiben v. 31.3.2017, S. 1, sowie Anhang 1 und Anhang 2, Datenblatt I – VIII. Die in diesem EZB-Schreiben genannten nationalen Aufsichtsbefugnisse werden durch EZB, Beschluss (EU) 2019/322 v. 31.1.2019 zur Übertragung der Befugnis zum Erlass von den im Rahmen nationaler Aufsichtsbefugnisse ergehenden Beschlüssen (EZB/2019/4), ABl. (EU) L 55/7 v. 25.2.2019, Art. 3 Abs. 1, teilweise erweitert. Diese Erweiterungen sind in der Aufzählung berücksichtigt. 140) Die EZB nennt hier § 24 Abs. 2 KWG, der aber lediglich eine Anzeigepflicht, keinen Genehmigungsvorbehalt statuiert. Dazu Gurlit, WM 2020, 57, 65. 141) Die EZB nennt hier § 24 Abs. 1 Nr. 3, 5, 7, 8 KWG (auch hier handelt es nur um Anzeigepflichten). 142) ECB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, Schreiben v. 31.3.2017, Anhang 1.

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II. Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism

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fördert und nicht allein vom nationalen Gesetzgeber autonom gesetzte Ziele verfolgt.143) Im Ergebnis dürfte diese Methodik dazu führen, dass insbesondere nationale Vorschriften, die in überschießender Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden („gold-plating“), dem von der EZB anzuwendenden Recht zugeschlagen werden. Auch weitere, lediglich im Zusammenhang mit europäischem Richtlinienrecht stehende nationale Ermächtigungsnormen, die die der EZB übertragenen Aufgaben lediglich „betreffen“, können über die Methodik in den Kompetenzbereich der EZB einbezogen werden.144) Eine solche Interpretation entspräche durchaus dem Bedürfnis nach einer möglichst umfassenden und effizienten Bewältigung der der EZB übertragenen Aufgaben, nicht aber den Prinzipien der begrenzten Einzelermächtigung und der Rechtssicherheit. Noch weiter geht die Auffassung, wonach der EZB jedenfalls in Bezug auf bedeutende Institute jegliche prudenzielle Befugnis des nationalen Rechts der EZB zustehen soll, soweit dies nicht (wie in Bezug auf Zahlungsdienste) ausdrücklich von der SSM-VO ausgeschlossen ist.145) Begründet wird diese Lesart teleologisch mit der Vermeidung von gespaltenen Zuständigkeiten und dem (angeblichen) Willen des europäischen Gesetzgebers, die prudenzielle Aufsicht über bedeutende Institute möglichst umfassend bei der EZB zu zentralisieren.146) Dies würde eine Aufspaltung der Zuständigkeit im Bereich der prudenziellen Aufsicht zwar am wirksamsten vermeiden, aber die kompetenzbegrenzende Funktion der Artt. 4 und 9 SSM-VO vollständig negieren und gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und die aus der Rechtsgrundlage des Art. 127 Abs. 6 AEUV folgenden Beschränkungen verstoßen.147) (5)

Verwaltungssanktionen

Die Regelung der Zuständigkeit zur Verhängung von Verwaltungssanktionen und des hier- 63 bei anzuwendenden Verfahrens ist unnötig komplex.148) Die Sanktionstätigkeit der EZB richtet sich nach Art. 18 SSM-VO, den konkretisierenden Regelungen der Artt. 120 bis 137 SSM-RahmenVO und schließlich der Ratsverordnung (EG) Nr. 2532/98 (SanktionsVO).149) Das jeweils anwendbare Rechtsregime ist dabei im Einzelfall nach mehreren Faktoren zu 64 bestimmen, zuvörderst sachlich danach, ob es sich um Verwaltungssanktionen wegen Verstoßes x

gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht,

x

gegen Verordnungen und Beschlüsse der EZB oder

x gegen nationales (Umsetzungs-)Recht handelt; ___________ Witte in: ESCB Legal Conference 2016, S. 247, 257. Witte in: ESCB Legal Conference 2016, 247, 256. Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 105 und 141 ff. Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 141 und 144. Mit dem Vorschlag, bisher ausschließlich auf nationaler Ebene bestehende Befugnisse im EU-Recht, insb. in der CRD, zu verankern (vgl. EZB, Stellungnahme zu Änderungen des Unionsrahmens für Eigenmittelanforderungen von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, v. 8.11.2017 (CON/2017/46), Rz. 1.12.2), ist die EZB im Wesentlichen nicht durchgedrungen. Nach dem Vorschlag der EZB hätten insbesondere folgende Befugnisse europaweit harmonisert werden sollen: „Erwerbe in Drittländern, Verschmelzungen, die Übertragung von Vermögenswerten und andere strategische Entscheidungen sowie die Änderung von Satzungen und Gesellschaftsverträgen von Kreditinstituten in Bezug auf die Ausübung von Stimmrechten, die Bereitstellung von Krediten an verbundene Parteien, die Auslagerung von Aktivitäten durch Kreditinstitute, Aufsichtsbefugnisse in Bezug auf externe Prüfer und weitere Befugnisse in Verbindung mit der Zulassung von Kreditinstituten.“ 147) So auch Gurlit, WM 2020, 57, 65. 148) Zum Folgenden auch Zagouras, WM 2017, 558 und Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 896 ff. 149) Die Verordnung (EG) Nr. 2157/1999 der Europäischen Zentralbank v. 23.9.1999, ABl. (EG) L 264/21 v. 12.10.1999, gilt hingegen gemäß ihrem Art. 1a nicht für Verwaltungssanktionen, die die EZB bei der Ausübung ihrer Aufsichtssanktionen verhängen kann.

143) 144) 145) 146)

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

in persönlicher Hinsicht danach, ob Verwaltungssanktionen x

gegen juristische oder

x

natürliche Personen verhängt werden sollen

und schließlich im Hinblick auf die generelle Zuständigkeitsverteilung im SSM danach, ob die juristische Person x

ein bedeutendes oder

x

ein weniger bedeutendes Unternehmen ist.150)

65 Erschwert wird die Systematisierung v. a. durch die verwirrende Begriffsvielfalt in den genannten Rechtsvorschriften. Als Oberbegriff definieren die Überschriften des Art. 18 SSM-VO und des Art. 120 SSM-RahmenVO „Verwaltungssanktionen“ (Administrative Penalties). Diese spalten sich auf in die gemäß Art. 18 Abs. 1 SSM-VO zu verhängenden „Verwaltungsgeldbußen“ (Administrative Pecuniary Penalties) sowie die nach Art. 18 Abs. 7 SSM-VO i. V. m. der SanktionsVO151) möglichen „Sanktionen“ (Sanctions). Letztere wiederum unterteilen sich gemäß Art. 1 Abs. 7 SanktionsVO in „Geldbußen“152) (Fines) (Art. 1 Abs. 5 SanktionsVO) und „in regelmäßigen Abständen zu zahlende Strafgelder“153) (Periodic Penality Payments) (Art. 1 Abs. 6 SanktionsVO). 66 Verschärft werden diese begrifflichen Schwierigkeiten durch den Umstand, dass die EZB i. R. der Verhängung von Verwaltungssanktionen nach dem jeweiligen Zweck derselben zwischen Durchsetzung (Enforcement) und Sanktionen (Sanctions) unterscheidet (vgl. auch die so benannte Abteilung innerhalb des Sekretariats (siehe Rz. 157). Nicht nur findet sich diese Unterscheidung in den genannten Rechtsquellen nicht; vielmehr liegt sie quer zum Begriffsverständnis der Rechtsgrundlagen. So steht der Begriff des „enforcement“ streng genommen für die Vollstreckung von Verwaltungssanktionen (vgl. Art. 131 SSM-RahmenVO – der zu allem Überfluss in der deutschen Fassung nicht mit „Vollstreckung“, sondern „Durchsetzung“ überschrieben ist – und Art. 4c Abs. 4 SanktionsVO). Der Begriff der Sanktion (Sanction) entstammt – wie oben erläutert – dem Art. 18 Abs. 7 SSM-VO und dem Art. 1 Abs. 7 SanktionsVO und suggeriert, dass hiermit nur die nach diesen Vorschriften zu verhängenden Geldbußen und Strafgelder gemeint sind. 67 Beides trifft indes nicht zu. Unter „Durchsetzung“ (Enforcement) im Gegensatz zur „Sanktion“ versteht die EZB nicht etwa die Vollstreckung von Verwaltungssanktionen, sondern die Verwaltungsvollstreckung, d. h. die Durchsetzung von Verpflichtungen durch die EZB bei fehlender Umsetzung dieser Pflichten durch ein Institut;154) im Vordergrund steht dabei die Beugefunktion. Diesem Zweck entsprechend kommt hierfür im Wesentlichen die Verhängung von in regelmäßigen Abständen zu zahlenden Strafgeldern i. S. des Art. 1 Abs. 6 SanktionsVO in Betracht (vgl. Art. 129 Abs. 1 SSM-RahmenVO), die funktional dem deutschen Zwangsgeld (vgl. § 11 Abs. 1 VwVG) entsprechen.155) So ___________ 150) Vgl. die Übersicht in ECB, Feedback Statement (SSM Framework Regulation), v. 4/2014, Rz. 31. 151) Verordnung (EG) Nr. 2532/98 des Rates v. 23.11.1998 – SanktionsVO, ABl. (EG) L 318/4 v. 27.11.1998. 152) In Art. 1 Abs. 5 SanktionsVO definiert als „ein Geldbetrag, den ein Unternehmen als Sanktion zu zahlen hat“. 153) In Art. 1 Abs. 6 Satz 1 SanktionsVO definiert als „Geldbeträge, die ein Unternehmen im Fall einer fortlaufenden Übertretung entweder als Bestrafung zu zahlen hat, oder die die Absicht verfolgen, die betroffenen Personen zur Einhaltung von aufsichtsrechtlichen Verordnungen und Beschlüssen der EZB zu zwingen.“ 154) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 4.10.2.; Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 45. 155) Zu weiteren Mitteln der Verwaltungsvollstreckung nach nationalem Recht (z. B. Unterlassungsverfügungen) vgl. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 4.10.2.

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definiert Art. 1 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 SanktionsVO Strafgelder als „Geldbeträge, die die Absicht verfolgen, die betroffenen Personen zur Einhaltung von aufsichtsrechtlichen Verordnungen und Beschlüssen der EZB zu zwingen“. „Sanktionen“ in diesem Begriffsverständnis betreffen hingegen die Ahndung vergangenen 68 Fehlverhaltens und haben mithin repressiven Charakter;156) sie sind damit den Geldbußen des deutschen Rechts (vgl. § 1 Abs. 1 OWiG) vergleichbar. Entsprechend umfassen sie nach dem EZB-Verständnis die als „Sanktion“ (Art. 1 Abs. 7 SanktionsVO) geltenden Strafgelder i. S. des Art. 1 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 SanktionsVO („Geldbeträge, die ein Unternehmen im Fall einer fortlaufenden Übertretung […] als Bestrafung zu zahlen hat“), die Geldbußen i. S. des Art. 1 Abs. 5 SanktionsVO und die von der Definition der „Sanktion“ nicht erfassten Verwaltungsgeldbußen i. S. des Art. 18 Abs. 1 SSM-VO. Bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstößen bedeutender157) Institute gegen unmittelbar 69 anwendbares Unionsrecht (z. B. eine Vorschrift der CRR) kann die EZB, soweit den zuständigen Behörden nach dem Unionsrecht die Befugnis zur Verhängung von Verwaltungssanktionen zusteht (vgl. Art. 67 CRD), Verwaltungsgeldbußen (Administrative Pecuniary Penalties) bis zur zweifachen Höhe der aufgrund des Verstoßes erzielten Gewinne oder vermiedenen Verluste, von bis zu 10 % des jährlichen Gesamtumsatzes im vorausgegangenen Geschäftsjahr oder andere nach Unionsrecht vorgesehene Geldbußen (Pecuniary Penalties) verhängen (Art. 18 Abs. 1 SSM-VO).158) Legt man die Unterscheidung der EZB zwischen Durchsetzung (Enforcement) und Sanktion (Sanction) zugrunde, betrifft Art. 18 Abs. 1 SSM-VO somit allein die Sanktion für vergangenes Fehlverhalten. Das Verfahrensrecht richtet sich nach Art. 18 Abs. 1 bis 4 und 6 SSM-VO sowie – trotz des Verweises in Art. 18 Abs. 4 SSM-VO auf die Verfahrensvorschriften der SanktionsVO – ausschließlich nach der SSM-RahmenVO (vgl. Art. 121 Abs. 1 SSM-RahmenVO) und dort nach den Artt. 123 bis 128 SSM-RahmenVO. Für diese Zwecke hat die EZB innerhalb der Abteilung Durchsetzung und Sanktionen eine unabhängige Untersuchungsstelle (Independent Investigating Unit – IU) eingerichtet (Art. 123 SSM-RahmenVO), die aus von der EZB benannten Untersuchungsbeauftragten (Investigating Officers) besteht und eine Trennung zwischen dem mit der laufenden Aufsicht und der Ahndung von Verstößen betrauten Personal sicherstellen soll.159) Entsprechend sind die Untersuchungsbeauftragten unabhängig vom Aufsichtsgremium und vom EZB-Rat (Art. 123 Abs. 3 SSMRahmenVO). Die Verhängung von Sanktionen (Sanctions, vgl. Art. 18 Abs. 7 und Art. 1 Abs. 7 Sank- 70 tionsVO) aufgrund von Verstößen bedeutender Institute gegen Verordnungen oder Beschlüsse der EZB (Art. 18 Abs. 7 SSM-VO) richtet sich nach der SanktionsVO (vgl. Art. 1a Abs. 1 und 2 SanktionsVO,160) deren Vorschriften durch die SSM-RahmenVO ergänzt werden (Art. 121 Abs. 2 SSM-RahmenVO), d. h. Artt. 123 bis 128 SSM-RahmenVO für Geldbußen (Fines) und Art. 129 SSM-RahmenVO für Strafgelder (Periodic Penality Payments). Die EZB kann Geldbußen bis zum Zweifachen des aufgrund der Übertretung erzielten Gewinns oder verhinderten Verlusts oder 10 % des jährlichen Gesamtumsatzes ___________ 156) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 4.10.3. 157) Vgl. Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 25; Lackhoff, JIBLR 2014, 498, 510; Gortsos, The Single Supervisory Mechanism, S. 228; Lackhoff/Grünewald, GesKR 2015, 190, 201; Zagouras, WM 2017, 558, 563. A. A. Allegrezza/Voordeckers, eucrim 2015, 151, 156. 158) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 4.10.3. 159) Zum Hintergrund vgl. Zagouras, WM 2017, 558, 560 f.; zum Verfahren EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 4.10.3. 160) Die SanktionsVO gilt aufgrund der Beschränkung ihres Anwendungsbereichs nicht für Verstöße gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht.

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verhängen (Art. 4a Abs. 1 lit. a SanktionsVO). Bei Strafgeldern beträgt die Obergrenze 5 % des durchschnittlichen Tagesumsatzes pro Tag der Übertretung (Art. 4a Abs. 1 lit. b SanktionsVO). Verfahren nach Art. 18 Abs. 7 SSM-VO können somit – die Differenzierung der EZB zugrunde legend – sowohl der Durchsetzung (Enforcement) als auch der Sanktion (Sanction) dienen und sich gegen bedeutende wie weniger bedeutende Institute richten (Art. 122 SSM-RahmenVO). Für Verfahren, die auf die Verhängung von Geldbußen abzielen, ist wiederum die EZB-interne unabhängige Untersuchungsstelle zuständig (Art. 121 Abs. 2 i. V. m. Art. 123 SSM-RahmenVO). 71 Verstößt ein bedeutendes161) Institut gegen nationales Richtlinienumsetzungsrecht (z. B. eine die CRD umsetzende Vorschrift), bleibt der EZB nur, von den NCAs per Weisung die Einleitung eines Verfahrens zu verlangen (Art. 18 Abs. 5 Unterabs. 1 SSM-VO und Art. 134 Abs. 1 Satz 2 lit. b SSM-RahmenVO).162) Gleiches gilt, wenn andere Sanktionen als Geldbußen im Falle des Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht oder Geldbußen oder andere Sanktionen nach autonomem nationalen Recht verhängt werden sollen (Art. 134 Abs. 1 Satz 2 lit. a und lit. c SSM-RahmenVO). Weiteren Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens hat die EZB nicht. Indes ist die NCA gehindert, in Bezug auf bedeutende Institute von sich aus tätig zu werden, soweit die der EZB übertragenen Aufgaben betroffen sind; i. Ü. kann die NCA auch selbständig tätig werden (Art. 134 Abs. 1 Unterabs. 2 SSM-RahmenVO). 72 Jede von der EZB verhängte Verwaltungssanktion wird auf der Webseite der EZB unter Angabe von Art und Wesen des Verstoßes und Nennung des beaufsichtigten Unternehmens veröffentlicht: die Verwaltungsgeldbußen gemäß Art. 18 Abs. 1 SSM-VO nach Art. 18 Abs. 6 SSM-VO, die Geldbußen und Strafgelder gemäß Art. 1 Abs. 7 SanktionsVO nach Art. 1a Abs. 3 SanktionsVO, jeweils i. V. m. Art. 132 SSM-RahmenVO. Dies gilt ungeachtet dessen, ob gegen den Beschluss Rechtsmittel eingelegt wurden; die EZB hat indes Angaben zum Stand und Ergebnis einer beim Gerichtshof anhängigen „Beschwerde“ zu veröffentlichen (Art. 132 Abs. 2 SSM-VO). Eine anonymisierte Veröffentlichung kommt in Betracht, wenn die Veröffentlichung die Stabilität der Finanzmärkte oder laufende strafrechtliche Ermittlungen gefährden oder dem betroffenen Unternehmen einen unverhältnismäßigen Schaden zufügen würde. Ist diese Besorgnis nur vorübergehender Natur, kann die Veröffentlichung aufgeschoben werden. 73 Verwaltungssanktionen der EZB sind gemäß Art. 299 AEUV gemäß den Vorschriften des Zivilprozessrechts des betreffenden Mitgliedstaats vollstreckbar. Art. 131 SSM-RahmenVO und Art. 4c Abs. 4 und 5 SanktionsVO enthalten Verjährungsregelungen, die einer Vollstreckung entgegengehalten werden können. 74 Bei weniger bedeutenden Instituten sind die NCAs für die Sanktionierung zuständig (siehe dazu unten Rz. 118), soweit es sich nicht um Verstöße gegen Verordnungen oder Beschlüsse der EZB handelt, die auch diesen Instituten Verpflichtungen gegenüber der EZB auferlegen: Hier kann die EZB direkt einschreiten (Art. 122 lit. b SSM-RahmenVO).163) Die NCAs haben der EZB über verhängte Verwaltungsgeldbußen zu berichten (Art. 135 SSM-RahmenVO).

___________ 161) Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 25; Lackhoff/Grünewald, GesKR 2015, 190, 201; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 931. 162) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 4.10.3. 163) Krit.: Lackhoff, JIBLR 2014, 498, 510 und Lackhoff/Grünewald, GesKR 2015, 190, 201, die im Falle von Verstößen gegen Verordnungen der EZB durch weniger bedeutende Institute für eine Zuständigkeit der NCA plädieren.

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II. Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism

§2

Gegenüber natürlichen Personen und anderen juristischen Personen als Kreditinstituten 75 und (gemischten) Finanzholdinggesellschaften hat die EZB nach der SSM-VO keinerlei unmittelbare Sanktionsbefugnisse (vgl. ErwG 53 SSM-VO).164) Sie kann indes von den NCAs die Einleitung von Verfahren verlangen, soweit es sich um Mitglieder eines Leitungsorgans eines bedeutenden Unternehmens handelt, die nach nationalem Recht für einen Verstoß verantwortlich sind (Art. 18 Abs. 5 SSM-VO und Art. 134 SSM-RahmenVO). bb)

Befugnisse der EZB gegenüber NCAs

Führt die EZB die direkte Aufsicht, haben die NCAs sie gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 SSM- 76 VO bei der Vorbereitung und Durchführung sämtlicher EZB-Rechtsakte einschließlich bei Überprüfungstätigkeiten zu unterstützen (vgl. auch ErwG 37 Satz 3 SSM-VO).165) Gemäß Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 3 SSM-VO und Art. 22 SSM-RahmenVO kann die EZB die NCAs im Einzelfall durch Anweisung auffordern, von ihren Befugnissen gegenüber bedeutenden Instituten Gebrauch zu machen, soweit der EZB durch die SSM-VO zwar die Aufsichtsaufgabe, nicht aber die entsprechende Befugnis zur Wahrnehmung dieser Aufgabe gegenüber Instituten übertragen worden ist. Hierbei handelt es sich um Einzelweisungen, die von den NCAs gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 2 SSM-VO und Art. 90 Abs. 2 SSM-RahmenVO zu befolgen sind.166) Weisungen kommen in Betracht, soweit die EZB im Einzelfall eine Befugnis gemäß den in 77 Rz. 36 ff. erläuterten Maßstäben mangels Übertragung nicht selbst ausüben kann, d. h. wenn weder die SSM-VO selbst noch eine sonstige Verordnung oder richtlinienumsetzendes nationales Recht eine von der EZB nutzbare Ermächtigungsgrundlage bietet, das autonome (und daher nicht von der EZB gemäß Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 SSM-VO anzuwendende) nationale Recht indes eine entsprechende Befugnis der NCA vorsieht (vgl. ErwG 35 SSMVO: „Befugnisse […], die bisher durch Unionsrecht nicht gefordert waren“).167) Voraussetzung für die Ausübung des Weisungsrechts ist stets, dass die angewiesene 78 Handlung der NCA in den Aufgabenbereich der EZB gemäß Art. 4 Abs. 1 SSM-VO fällt und zudem für die Wahrnehmung dieser Aufgaben erforderlich ist. Im Zweifelsfall muss eine Weisung unterbleiben, da Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 3 SSM-VO angesichts der Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung, der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit eng auszulegen ist.168) Beispiele Beispiel für eine Konstellation, in der eine Weisung nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 3 SSM-VO in Betracht kommt, ist die Befugnis der BaFin gemäß § 10 Abs. 4 KWG, das Vorhalten zusätzlicher Eigenmittel für einen begrenzten Zeitraum zu fordern, um etwa einer drohenden Störung der Funktionsfähigkeit des Finanzmarkts entgegenzuwirken.169) ___________ 164) Bundesbank, Monatsbericht 10/2014, S. 58; Lackhoff, JIBLR 2014, 498, 510; Lackhoff/Grünewald, GesKR 2015, 190, 201. Dabei ist zu beachten, dass der Wortlaut des Art. 1 Nr. 3 SanktionsVO offen für eine andere Lesart ist, wonach auch natürliche Personen und andere juristische Personen als Kreditinstitute und (gemischte) Finanzholdinggesellschaften Adressaten von Sanktionen der EZB sein können. 165) Dazu auch: Brescia Morra in: Viro/Inravallo, Evolutions in the Law of International Organizations, S. 224, 237. 166) Vgl. Bundesbank, Monatsbericht 7/2013, S. 22. Bis zum November 2015 hatte die EZB insgesamt 13 Einzelweisungen gegenüber den NCA in Bezug auf bedeutende Institute erlassen (EuRH, Sonderbericht Nr. 29/2016, v. 18.11.2016, Rz. 36). 167) Schuster, EuZW-Beilage 2014, S. 3, 9; Witte in: ESCB Legal Conference 2016, S. 247, 251. 168) So im Ergebnis auch: Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil A Kap. II Rz. 33. 169) Vgl. hierzu Begr. RegE BRRD-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/2575, S. 195.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

Ein weiteres Beispiel aus der Praxis ist die Weisung der EZB gegenüber der lettischen Financial and Capital Markets Commission (FCMC) zur Verhängung eines Moratoriums über die ABLV Bank im Februar 2018.170) 79 Da die NCAs, auch soweit sie i. R. der direkten Beaufsichtigung von bedeutenden Instituten durch die EZB und auf ihre Weisung tätig werden, im eigenen Namen handeln (insbesondere also nicht als Mandatar der EZB oder als „entliehenes“ Organ im Namen der EZB, siehe dazu noch Rz. 86) bleiben Handlungen der NCA auf Weisung solche der NCA und beurteilen sich nach nationalem Recht.171) cc)

Befugnisse der EZB gegenüber sonstigen juristischen und natürlichen Personen

80 In begrenztem Maße gewährt die SSM-VO der EZB auch Befugnisse zum direkten Handeln gegenüber natürlichen Personen und nicht von ihr beaufsichtigten juristischen Personen (d. h. juristischen Personen, die nicht Kreditinstitute oder (gemischte) Finanzholdinggesellschaften sind). 81 Hierzu zählt zunächst die Befugnis, von natürlichen Personen, die zu in den teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstituten, (gemischten) Finanzholdinggesellschaften und gemischten Holdinggesellschaften (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 CRR) „gehören“, jederzeit die für die Wahrnehmung der Aufsichtsaufgaben erforderlichen Informationen zu verlangen (Art. 10 Abs. 1 lit. e SSM-VO). Dies schließt die Vorlage von Unterlagen, die Abgabe schriftlicher oder mündlicher Erklärungen und Befragungen mit ein (Art. 11 Abs. 1 SSM-VO). Dieselbe Kompetenz hat die EZB gegenüber in den teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen gemischten Holdinggesellschaften (Art. 10 Abs. 1 lit. d SSM-VO) und Dritten, auf die Kreditinstitute, (gemischte) Finanzholdinggesellschaften und gemischte Holdinggesellschaften Funktionen oder Tätigkeiten ausgelagert haben (Art. 10 Abs. 1 lit. e SSM-VO). Diese müssen nicht notwendig in den teilnehmenden Mitgliedstaaten ansässig sein.172) Vor-Ort-Prüfungen kann die EZB bei den vorgenannten juristischen Personen sowie bei sonstigen Unternehmen vornehmen, die gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. g SSM-VO in die Beaufsichtigung der EZB auf konsolidierter Basis einbezogen sind (Art. 12 Abs. 1 SSM-VO). 82 Auch i. R. des Inhaberkontrollverfahrens (Art. 15 SSM-VO) erlässt die EZB Beschlüsse gegenüber Erwerbern, bei denen es sich um (nicht beaufsichtigte) juristische und natürliche Personen handeln kann und die wiederum nicht notwendig in teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassen sein müssen. 83 Schließlich kann die EZB Mitglieder des Leitungsorgans von Kreditinstituten abberufen (Art. 16 Abs. 2 lit. m SSM-VO). Unmittelbare Sanktionsbefugnisse gegenüber natürlichen Personen hat die EZB indes nicht; vielmehr kann sie hier von den NCAs lediglich die Einleitung eines Sanktionsverfahrens verlangen (Art. 18 Abs. 5 SSM-VO, siehe dazu oben Rz. 75). 4.

Beaufsichtigung weniger bedeutender Institute durch die NCAs unter der Systemaufsicht der EZB (sog. indirekte Aufsicht)

a)

Grundlagen

84 Nach der differenzierten Zuständigkeitsverteilung im SSM bleiben die NCAs für die direkte Beaufsichtigung weniger bedeutender Institute zuständig.173) Dies ergibt sich aus ___________ 170) 171) 172) 173)

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Vgl. EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 44. Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 22. Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 22. EZB, Leitfaden zur Bankenaufsicht, v. 9/2014, Rz. 10.

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II. Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism

§2

Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 6 SSM-VO, wonach die NCAs (unbeschadet der Zuständigkeiten der EZB gemäß Art. 6 Abs. 5 SSM-VO) in Bezug auf weniger bedeutende Institute (Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 SSM-VO) die in Art. 4 Abs. 1 lit. b, d bis g und lit. i SSM-VO genannten Aufgaben wahrnehmen und für die Annahme von Aufsichtsbeschlüssen zuständig sind. Diese Einschränkung der ausschließlichen Zuständigkeit der EZB und damit die Zweiteilung der Bankenaufsicht174) lässt sich einerseits aus dem Subsidiaritäts- und (kompetenzbezogenen) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, andererseits aus den Beschränkungen des Art. 127 Abs. 6 AEUV ableiten, wonach nicht alle, sondern nur „besondere Aufgaben“ auf die EZB übertragen werden können (siehe dazu Rz. 24 f.). Entsprechend beaufsichtigt die BaFin die deutschen weniger bedeutenden Institute wei- 85 terhin unmittelbar. Die Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank (Bundesbank) richtet sich nach § 7 KWG, wonach die Bundesbank die Aufgaben der laufenden Überwachung (insbesondere die Sachverhaltsaufklärung, die Auswertung der eingehenden und zu erhebenden Informationen, die darauf aufbauende Bewertung aktueller und potentieller Risiken sowie die Bewertung von Prüfungsfeststellungen) wahrnimmt (siehe hierzu § 13 Rz. 51 ff. [Glos]). In allen Fällen obliegt indes der BaFin die abschließende Beurteilungs- und Entscheidungsbefugnis bei allen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen und Auslegungsfragen.175) Nach richtiger Auffassung handelt es sich bei den Zuständigkeiten der NCAs zur Beauf- 86 sichtigung weniger bedeutender Institute i. R. des SSM um originäre mitgliedstaatliche Zuständigkeiten,176) die der EZB mit der SSM-VO gerade nicht übertragen wurden (Art. 1 Abs. 5 SSM-VO),177) sondern – wie etwa ErwG 15 und 28 SSM-VO deutlich machen – bei den NCAs verblieben sind. Die SSM-VO begründet keine Zuständigkeiten der NCAs, sondern setzt sie voraus und beschränkt sie (im von Artt. 4 und 6 SSM-VO determinierten Umfang) durch Übertragung auf die EZB.178) Entsprechend handelt es sich bei den Zuständigkeiten der NCAs zur Beaufsichtigung weniger bedeutender Institute nicht um eine gleichzeitig mit der Übertragung von Kompetenzen auf die EZB angeordnete „Rückdelegation“ von der EZB auf die nationale Ebene.179) Dies folgt schon daraus, dass Art. 127 Abs. 6 AEUV zwar eine Übertragung von (besonderen) Aufgaben auf die EZB zulässt, ___________ 174) BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 172, NJW 2019, 3204. 175) BaFin, Aufsichtsrichtlinie, v. 21.5.2013, Stand: 19.12.2016, Nr. 2.2.2 Abs. 2. 176) Vgl. Schuster, EuZW-Beilage 2014, S. 3, 7: „original competence“; Neumann, EuZW-Beilage 2014, S. 9, 13: „in their own competence“; Varentsov in: Wagner/u. a., Pfadabhängigkeit hoheitlicher Ordnungsmodelle, S. 239, 243: „Vollzug als eigene Aufgabe“; Varentsov, DÖV 2017, 53, 55; Almhofer, Die Haftung der Europäischen Zentralbank für rechtswidrige Bankenaufsicht, S. 156 ff.; Gören, Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus bei der Europäischen Zentralbank (Single Supervisory Mechanism), S. 149. Jetzt auch: BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 183 – 187 und 191, NJW 2019, 3204. 177) So neben den in der vorstehenden Fn. 176 genannten Autoren auch: Lehmann/Manger-Nestler, ZBB 2014, 2, 13; Staub-Grundmann, HGB, Bd. 10/1, 1. Teil Rz. 49; v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Schulte, Europäisches Unionsrecht, Art. 132 AEUV Rz. 83; Lo Schiavo, MJ 2014, 110, 126 f.; Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 19; Almhofer, ZÖR 2016, 59, 73. Implizit auch Sacarcelik, BKR 2013, 353, 354; Wolfers/ Voland, CMRL 2014, 1463, 1470; Gortsos, EBOLR 2015, 401, 417; Athanassiou, JIBLR 2015, 382, 384 und 388; Colaert, CMLR 2015, 1579, 1590; v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Selmayr, Europäisches Unionsrecht, Art. 127 AEUV Rz. 55; Kaufhold, Die Verwaltung 2016, 339, 342 mit Fn. 13; Varentsov, DÖV 2017, 53, 55 sowie Teixeira, EBOR 2017, 535, 551. 178) So jetzt auch: BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 191, NJW 2019, 3204. 179) So aber: Verhelst, Assessing the Single Supervisory Mechanism: Passing the Point of No Return for Europe’s Banking Union, Egmont Paper Nr. 58, S. 16; Witte, MJ 2014, 89; Lamandini in: ECB Legal Conference 2015, S. 121, 126; Lamandini/Ramos Muñoz/Solana Álvarez, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 79, S. 34, 74; Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil A Kap. II Rz. 21 und 51. Ähnlich wohl: Riso/Zagouras in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 106, 111 f., und Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 30, 34, 61 und 153.

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nicht aber (auch nicht im Wege der „(Rück-)Delegation“180)) eine Übertragung der Zuständigkeit auf nationale Behörden (oder gar die Begründung derselben).181) Ebenso wenig erlaubt Art. 127 Abs. 6 AEUV die Anordnung einer Organleihe182) der NCAs von den Mitgliedstaaten an die EZB oder eine Mandatierung der NCA (also eine Betrauung der NCA mit der Wahrnehmung einer der EZB zustehenden Kompetenz im Auftrag und Namen der EZB)183), die Rückführung der Aufgaben der NCA auf reine Hilfstätigkeiten oder gar ihre „Abschaffung“.184) Entsprechend führen die NCAs die Aufsicht über weniger bedeutende Institute weder „für Rechnung und im Namen der EZB“185) noch „für Rechnung der EZB im eigenen Namen“186) aus; sie handeln vielmehr im eigenen Namen und in eigener (originärer) mitgliedstaatlicher Zuständigkeit.187) 87 Das EuG und – ihm folgend – der EuGH haben jedoch entschieden, dass die in Art. 4 SSM-VO genannten Aufgaben der EZB in Bezug auf alle Kreditinstitute in teilnehmenden Mitgliedstaaten zur ausschließlichen Wahrnehmung übertragen wurden. Art. 6 SSMVO hat danach „nur den Zweck […], zu gestatten, dass die nationalen Behörden im Rahmen des SSM unter Aufsicht der EZB diese [der EZB ausschließlich übertragene] Zuständigkeit bei den weniger bedeutenden Unternehmen hinsichtlich der in Art. 4 Abs. 1 lit. b und d bis i der [SSM-VO] genannten Aufgaben ausüben“. Die NCA handeln daher nach Auffassung des EuG „für den SSM i. R. der dezentralisierten Umsetzung einer ausschließlichen Zuständigkeit der Union und nicht in Ausübung einer innerstaatlichen

___________ 180) Im deutschen Recht bedeutet Delegation die Übertragung der Zuständigkeit vom an sich zuständigen Rechtsträger (Delegant) auf einen anderen Rechtsträger (Delegatar) zur Ausübung im eigenen Namen (des Delegatars), vgl. Wolff/Bachof/Stober/Kluth-Kluth, Verwaltungsrecht II, § 83 Rz. 67; Jestaedt in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR I, § 14 Rz. 48, und Stelkens/Bonk/Sachs-Schmitz, VwVfG, § 4 Rz. 41. 181) Vgl. Teixeira, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 75, S. 73, 84; Teixeira in: Fossum/Menéndez, The European Union in Crises or the European Union as Crises?, S. 527, 559 f.: „Since Art. 127.6 TFEU cannot confer supervisory competences upon national authorities, the SSM Regulation carves out from the exclusive competences of the ECB a list of tasks regarding the day-to-day supervision of less significant banks. These tasks are not transferred to the ECB but remain with the national supervisors.“ Ebenso: Teixeira, EBOR 2017, 535, 550 und Almhofer, ZÖR 2016, 59, 73 f. Daher verletzt eine Einführung paralleler Zuständigkeiten von EZB und NCA (verstanden als eine Belassung von Zuständigkeiten bei den NCA verbunden mit einer teilweisen Übertragung von Zuständigkeiten an die EZB) Art. 127 Abs. 6 AEUV selbstverständlich nicht (so aber wohl: Pizzolla, ELR 2018, 3, 17, die an anderer Stelle (S. 20) davon ausgeht, bereits Art. 127 Abs. 6 AEUV habe die Aufsichtszuständigkeiten bei der EZB konzentriert, was mit dem Charakter der Norm als Ermächtigungsgrundlage zur Kompetenzübertragung durch Sekundärrechtsakt offensichtlich unvereinbar ist). 182) Im deutschen Recht kennzeichnet die Organleihe, dass das vom ausleihenden Verwaltungsträger „verliehene“ Organ nicht nur funktionell, sondern auch organisatorisch dem entleihenden Verwaltungsträger zugerechnet wird, vgl. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 21 Rz. 54, und Stelkens/Bonk/SachsSchmitz, VwVfG, § 4 Rz. 39. 183) Das Mandat ist nach deutschem Recht die außenwirksame Übertragung der Zuständigkeit vom eigentlich zuständigen Rechtsträger (Mandant) auf einen anderen Rechtsträger (Mandatar) zur Ausübung im fremden Namen (des Mandanten), vgl. Wolff/Bachof/Stober/Kluth-Kluth, Verwaltungsrecht II, § 83 Rz. 75; Jestaedt in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR I, § 14 Rz. 48, und Stelkens/Bonk/Sachs-Schmitz, VwVfG, § 4 Rz. 40. 184) Thiele, GewArch 2015, 111, 116; Kämmerer, ZBB 2017, 317, 321. Umgekehrt wird die EZB selbstverständlich auch nicht an die Mitgliedstaaten „entliehen“, vgl. Kaufhold, Die Verwaltung 2016, 339, 365 mit Fn. 135 und Kämmerer, WM 2016, 1, 3. 185) So wohl Wymeersch, National Bank of Belgium, Working Paper no. 255, S. 14. 186) So Ruthig, ZHR 178 (2014), 443, 474. 187) Vgl. etwa: Almhofer, ZÖR 2016, 59, 75, und Varentsov, DÖV 2017, 53, 55.

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Zuständigkeit“.188) Im Ergebnis besteht daher nach Auffassung der europäischen Gerichte und der EZB189) im Bereich der in Art. 4 SSM-VO genannten Aufgaben keine originäre, sondern stets, d. h. auch in Bezug auf weniger bedeutende Institute, nur eine abgeleitete Zuständigkeit der NCA.190) Die Vereinbarkeit dieser Auslegung mit der primärrechtlichen Grundlage des Art. 127 Abs. 6 AEUV, die weder das Urteil des EuG noch das des EuGH erwähnen und die somit auch eine primärrechtskonforme Auslegung der SSM-VO und der SSM-RahmenVO vermissen lassen, ist ebenso zweifelhaft wie die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Gesetzgebungshistorie der SSM-VO (dazu oben Rz. 24). Wer mit dem BVerfG der Auffassung ist, diese Auslegung der SSM-VO sei „methodisch nicht mehr nachvollziehbar“ bzw. „nicht vertretbar“,191) und hierin eine „offensichtliche und strukturell bedeutsame Überschreitung des Integrationsprogramms“ sieht,192) muss zwangsläufig zu einer Kompetenzüberschreitung des europäischen Gesetzgebers oder der europäischen Gerichte und damit zu einem ausbrechenden (ultra vires) EU-Rechtsakt kommen. Diesen Schluss hat das BVerfG indes – auf der Grundlage seiner Argumentation und der unzweideutigen Aussagen der europäischen Gerichte wenig nachvollziehbar193) – nicht gezogen. Es legt die Urteile vielmehr im Lichte dessen aus, was aus Sicht des BVerfG zur Stützung der Entscheidung des EuG und des EuGH jeweils ausgereicht hätte, und versucht gleichzeitig, ihre – offenkundig viel weitergehenden – Schlussfolgerungen angesichts der Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts zu beschneiden.194) Bei genauerer Betrachtung der Kompetenzen der EZB in Bezug auf weniger bedeutende 88 Institute (siehe dazu unten Rz. 103 ff.) entpuppt sich die allgemein als „indirekte EZBAufsicht über weniger bedeutende Kreditinstitute“ bezeichnete Tätigkeit der EZB in der Sache im Wesentlichen als Überwachung (Oversight)195) der Aufsichtstätigkeit der NCA,196) d. h. die EZB wird vornehmlich als Aufsichtsbehörde der NCAs tätig (Supervisor of Su___________ 188) EuG, Urt. v. 15.5.2017 – Rs. T-122/15 (Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB), Rz. 63 und 72, ECLI:EU:T:2017:337 = EuZW 2017, 461. Dazu Tröger, EuZW 2017, 472 (Urteilsanm.); Witte, EuR 2017, 648, 652 f.; Hanten/Bracht, ZBB/JBB 2017, 236, 240 f.; Ipsen/Röh, WM 2017, 2228; Roth, Die indirekte Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank, S. 68 ff. Der EuGH hat diese Ansicht uneingeschränkt bestätigt, vgl. EuGH, Urt. v. 8.5.2019 – Rs. C-450/17 P (Landeskreditbank BadenWürttemberg/EZB), Rz. 49, ECLI:EU:C:2019:372. Dazu Tröger/Tönningsen, ZBB 2020, 77. 189) Vgl. nur Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 104: “[…] case of assistance provided by [the NCAs] to the ECB rather than an exercise of an inherently national competence.” 190) Kämmerer, ZBB 2017, 317, 320. 191) BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 188, 194, NJW 2019, 3204. 192) BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 194, NJW 2019, 3204. 193) Vgl. dazu: Wittkowski, Hohe Schule der Sophistik, Börsen-Zeitung v. 31.7.2019, S. 1; Smits in: ECB Legal Conference 2019, S. 350, 379; Gentzsch/Brade, EuR 2019, 602, 618 f.; Gurlit, WM 2020, 57, 58; Ludwigs/Pascher/Sikora, EWS 2020, 85, 87 f. Zutreffend deutlich auch Tröger/Tönningsen, ZBB 2020, 77, 85. 194) BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 195, NJW 2019, 3204. 195) Die SSM-VO nutzt den Begriff Überwachung (Oversight) in Abgrenzung zu Aufsicht (Supervision) selbst in Art. 6 Abs. 5 lit. c SSM-VO (vgl. Zagouras in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHdb., § 124b Rz. 41 mit Fn. 3, EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 39 und EZB, SSMAufsichtshandbuch, Nr. 1.2.3). Überwachung betrifft sowohl die Überwachung des Gesamtsystems des SSM gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 2 SSM-VO als auch die Überwachung der Aufsichtstätigkeit der NCA hinsichtlich weniger bedeutender Institute. 196) Vgl. auch BaFin, Aufsichtsrichtlinie, v. 21.5.2013, Stand: 19.12.2016, Nr. 2.2.1: „Die EZB nimmt eine Aufsichtsfunktion über die nationalen Aufsichtsbehörden des SSM zum Zweck der Sicherstellung einer harmonisierten und qualitativ hochwertigen Aufsicht über weniger bedeutende Institute wahr“ und EZB, Leitfaden zur Bankenaufsicht, v. 9/2014, Rz. 10: „Die NCAs sind weiterhin für die direkte Beaufsichtigung weniger bedeutender Institute (etwa 3.500 Unternehmen) unter der Überwachung der EZB zuständig.“

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

pervisors).197) Die Übertragung entsprechender Aufsichtsaufgaben und -befugnisse gegenüber NCAs auf die EZB dürfte – soweit sie sich allein auf die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und sonstigen Finanzinstituten durch die NCAs erstreckt – von der Rechtsgrundlage des Art. 127 Abs. 6 AEUV gedeckt sein, beschränkt sich die Vorschrift doch nicht auf die Ermöglichung der Übertragung der unmittelbaren Aufsicht über Kreditinstitute auf die EZB, sondern erfasst auch die Übertragung von „Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute“ auf die EZB. b)

Zuständigkeiten und Befugnisse der EZB i. R. der „indirekten Aufsicht“

aa)

Einleitung

89 Im Rahmen der sog. „indirekten Aufsicht“ hat die EZB lediglich beschränkte Zuständigkeiten und Befugnisse, die in Art. 6 Abs. 5 SSM-VO niedergelegt sind und es ihr erlauben, ihrer Verantwortlichkeit für das wirksame und einheitliche Funktionieren des SSM (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 SSM-VO) auch in Bezug auf weniger bedeutende Institute nachzukommen. 90 Primäres Mittel der indirekten Aufsicht ist der Erlass von Verordnungen, Leitlinien und allgemeinen Weisungen gegenüber den NCAs zur Sicherstellung der Kohärenz der Aufsichtsergebnisse im SSM (Art. 6 Abs. 5 lit. a SSM-VO, siehe dazu Rz. 95 ff.).198) 91 Zudem sind die NCAs verpflichtet, der EZB nach ihren Vorgaben umfangreiche Informationen zur Beaufsichtigung weniger bedeutender Institute zur Verfügung zu stellen und in der laufenden Aufsicht Stellungnahmen der EZB zu berücksichtigen199) (Art. 6 Abs. 5 lit. c und Abs. 7 lit. c SSM-VO, siehe dazu Rz. 108 ff.). Die EZB kann darüber hinaus jederzeit weitere Informationen von den NCAs anfordern (Art. 6 Abs. 5 lit. e SSM-VO). 92 Gegenüber weniger bedeutenden Instituten selbst sind die unmittelbaren Befugnisse der EZB auf die Wahrnehmung der Untersuchungsbefugnisse der Artt. 10 bis 13 SSM-VO begrenzt (Art. 6 Abs. 5 lit. d SSM-VO, siehe dazu Rz. 103 ff.). 93 Schließlich kann die EZB im Ausnahmefall im Wege des sog. „Selbsteintritts“ die Aufsicht über ein nach den Kriterien des Art. 6 Abs. 4 SSM-VO weniger bedeutendes Institut selbst übernehmen, wenn dies für die Sicherstellung der kohärenten Anwendung hoher Aufsichtsstandards erforderlich ist (Art. 6 Abs. 5 lit. b SSM-VO, siehe dazu Rz. 100 ff.). 94 Hiervon unberührt bleiben die ausschließlichen Zuständigkeiten der EZB zur Erteilung und dem Entzug der Erlaubnis sowie zur Inhaberkontrolle, die jeweils nicht an den Status des Instituts als bedeutend oder weniger bedeutend anknüpfen (siehe oben Rz. 51 und unten Rz. 121 ff.). bb)

Befugnisse der EZB gegenüber den NCAs

95 Die Befugnisse der EZB gegenüber den NCAs i. R. der indirekten Aufsicht ermöglichen der EZB eine weitreichende Steuerung und Überwachung der von den NCAs über weniger bedeutende Institute ausgeübten Aufsicht auf allgemeiner Ebene, jedoch nicht im Einzelfall.200) Dies dient der Sicherstellung der wirksamen und einheitlichen Funktionsweise des SSM (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 SSM-VO) insgesamt, d. h. der gleichmäßigen und ___________ 197) Schuster, EuZW-Beilage 2014, S. 3, 6; Lackhoff, JIBLR 2014, 13 (m. Fn. 1); Berger, WM 2016, 2325, 2362; Tröger, ZBB 2013, 373, 381. 198) Zu den in der SSM-VO nicht angelegten gemeinsamen Aufsichtsstandards (Joint Supervisory Standards – JSS) und gemeinsamen Aufsichtsmethoden (Common Methodologies) s. noch unter Rz. 120. 199) Eine Bindung an die Stellungnahmen der EZB besteht indes nicht, vgl. Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 59. 200) BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 179, NJW 2019, 3204.

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kohärenten Anwendung des materiellen Aufsichtsrechts sowohl für bedeutende als auch weniger bedeutende Institute (vgl. ErwG 87 und Art. 6 Abs. 5 lit. a Unterabs. 2 SSMVO). Die der EZB hierzu zur Verfügung stehenden regulären formellen und bindenden Steuerungsinstrumente sind die Verordnung, die Leitlinie und die allgemeine Weisung (Art. 6 Abs. 5 lit. a Unterabs. 1 SSM-VO). Darüber hinaus kann die EZB auch nicht verbindliche Empfehlungen gegenüber den NCAs aussprechen.201) Allgemeine Weisungen (siehe auch Rz. 227) können sich insbesondere auf die Ausübung 96 der nationalen Pendants der in Art. 16 Abs. 2 SSM-VO genannten besonderen Aufsichtsbefugnisse in Bezug auf Gruppen oder Arten von Kreditinstituten (etwa Genossenschaftsbanken) beziehen, um die Kohärenz der Aufsichtsergebnisse innerhalb des SSM sicherzustellen (Art. 6 Abs. 5 lit. a Unterabs. 2 SSM-VO).202) Kennzeichen allgemeiner Weisungen ist, dass sie keine Einzelfallregelung darstellen, sondern in genereller Weise eine unbestimmte Zahl von weniger bedeutenden Kreditinstituten betreffen.203) Denkbar sind z. B. Vorgaben zu Aufsichtsschwerpunkten und zu Grundsätzen zur Bewertung bestimmter Sachverhalte.204) Eine Befugnis zur Einzelweisung gegenüber den NCAs in Bezug auf weniger bedeutende 97 Institute besteht hingegen nicht; diese steht der EZB nur i. R. der direkten Aufsicht über bedeutende Institute zur Verfügung.205) Insbesondere folgt diese weder aus Art. 6 Abs. 3 Satz 2 SSM-VO noch aus Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 3 SSM-VO (siehe dazu Rz. 76). Folgerichtig beschränkt auch Art. 90 Abs. 2 SSM-RahmenVO die Pflicht der NCAs zur Befolgung von Einzelweisungen auf bedeutende Institute. Schließlich kann die EZB auch Empfehlungen aussprechen,206) die einerseits unmittelbar 98 an bedeutende Institute gerichtet sind und sich i. Ü. an die NCAs mit dem Auftrag wenden, die Empfehlung in angemessener Weise auf die weniger bedeutenden Unternehmen und Gruppen anzuwenden (siehe dazu Rz. 216).207) Die EZB kann von den NCAs zudem im Einzelfall oder auf kontinuierlicher Basis (dazu 99 auch Artt. 99 f. SSM-RahmenVO, siehe unten Rz. 115) Informationen über die Ausübung der Aufsicht über weniger bedeutende Institute anfordern (Art. 6 Abs. 5 lit. e SSM-VO). ___________ 201) Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 14 mit Fn. 9. Vgl. z. B. EZB, Empfehlung v. 4.4.2017 zu einheitlichen Kriterien für die Nutzung einiger im Unionsrecht eröffneter Optionen und Ermessenspielräume durch die nationalen zuständigen Behörden bei weniger bedeutenden Instituten (EZB/ 2017/10), ABl. (EU) C 120/2 v. 13.4.2017. 202) Bis zum November 2015 hatte die EZB nur eine allgemeine Weisung erlassen, vgl. EuRH, Sonderbericht Nr. 29/2016, v. 18.11.2016, Rz. 36 mit Tabelle 2. 203) Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 455. 204) Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 56. 205) Bundesbank, Monatsbericht 7/2013, S. 20; Bundesbank, Monatsbericht 10/2014, S. 52; Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 56; Lackhoff, JIBLR 2014, 498, 508; Almhofer, ZÖR 2016, 59, 84; RegE Gesetz zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, BT-Drucks. 17/13470, S. 4; EuG, Urt. v. 15.5.2017 – Rs. T-122/15 (Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB), Rz. 61, ECLI:EU:T:2017:337 = EuZW 2017, 461; Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 104. Vgl. auch Art. 107 Abs. 3 SSMRahmenVO, wonach die EZB gemäß Art. 6 SSM-VO einer NCA in enger Zusammenarbeit in Bezug auf bedeutende Unternehmen und Gruppen „Anweisungen“ und in Bezug auf weniger bedeutende Unternehmen und Gruppen „nur allgemeine Anweisungen“ erteilen kann. A. A.: Berger, WM 2015, 501, 502, und Berger, WM 2016, 2325, 2326. 206) Vgl. Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 56. 207) Vgl. z. B. EZB, Empfehlung v. 28.1.2015 zur Politik bezüglich der Dividendenausschüttung (EZB/ 2015/2), ABl. (EU) C 51/1 v. 13.2.2015, Abschn. II. Abs. 2; EZB, Empfehlung v. 17.12.2015 zur Politik bezüglich der Dividendenausschüttung (EZB/2015/49), ABl. (EU) C 438/1 v. 30.12.2015, Abschn. III., sowie EZB, Empfehlung v. 13.12.2016 zur Dividenden-Ausschüttungspolitik, ABl. (EU) C 481/1 v. 23.12.2016, Abschn. III. Die BaFin hat die Empfehlung v. 28.1.2015 an die von ihr beaufsichtigten weniger bedeutenden Institute weitergeleitet (vgl. Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 57).

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

100 Als ultima ratio208) kann die EZB gemäß Art. 6 Abs. 5 SSM-VO auf der Grundlage eines an das betreffende Institut gerichteten Beschlusses (vgl. Art. 69 Abs. 3 i. V. m. Art. 44 Abs. 2 SSM-RahmenVO) sämtliche Befugnisse in Bezug auf ein weniger bedeutendes Institut unmittelbar selbst ausüben (sog. „Selbsteintrittsrecht“), wenn dies für die Sicherstellung der kohärenten Anwendung hoher Aufsichtsstandards erforderlich ist (siehe dazu bereits Rz. 31 und 93). Mit dem Beschluss zieht – in der Terminologie des deutschen Verwaltungsrechts gesprochen – die EZB nicht nur die Sachzuständigkeit der NCA (i. S. der Determination der inhaltlichen Entscheidung), sondern auch die Wahrnehmungszuständigkeit (d. h. die Zuständigkeit zur Wahrnehmung der Aufgabe im Außenverhältnis) an sich.209) Diese gilt jedoch nicht nur für den Einzelfall (wie im Fall des Selbsteintritts einer Aufsichtsbehörde im deutschen Recht üblich)210), sondern dauerhaft und vollumfänglich (vgl. Rz. 31), so dass eine umfassende Zuständigkeitsverlagerung von der mitgliedstaatlichen auf die unionale Ebene für die Geltungsdauer des Beschlusses eintritt. Da die NCAs in Bezug auf weniger bedeutende Institute originäre mitgliedstaatliche Kompetenzen ausüben (siehe Rz. 86), handelt es sich dabei nicht um eine bloße Beendigung der Delegation an die NCAs,211) sondern um eine konstitutive Begründung der Zuständigkeit der EZB durch EZB-Beschluss. Während die Zuständigkeit der NCA über weniger bedeutende Institute einen wesentlichen Eckpunkt des Verhandlungsergebnisses zur SSM-VO darstellte, hat das EuG und ihm folgend der EuGH der EZB letztlich freie Hand zur Korrektur dieses politischen Verhandlungsergebnisses gegeben. So bezeichnet das EuG das Selbsteintrittsrecht als „Vorrecht“ der EZB, bei dessen Wahrnehmung die EZB ein „weites Ermessen“ habe.212) Ob es sich hierbei daher auch in Zukunft um „außergewöhnliche Maßnahmen“ handelt, die eine „absolut untergeordnete Rolle“ spielen werden,213) darf bezweifelt werden. 101 Das Verfahren zur Ausübung des sog. Selbsteintrittsrechts durch die EZB beginnt üblicherweise mit der Anforderung eines Berichts der NCA zur Aufsichtsbilanz und zum Risikoprofil des weniger bedeutenden Instituts (Art. 69 Abs. 1 SSM-RahmenVO). Auf dessen Grundlage prüft die EZB, ob die direkte Beaufsichtigung des Instituts zur Sicherstellung der kohärenten Anwendung hoher Aufsichtsstandards erforderlich, d. h. insbesondere angesichts der Ziele der SSM-VO verhältnismäßig214) ist. Hierbei berücksichtigt sie u. a., ob das betreffende Institut die Bedeutsamkeitskriterien nur knapp verfehlt und insbesondere, ob ein regulärer Beschluss zur Einstufung als bedeutendes Institut in naher Zukunft bevorsteht,215) die Verflechtung des Instituts mit anderen Kreditinstituten, Verstöße der NCAs gegen Weisungen der EZB oder gegen Rechtsakte gemäß Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 SSM-VO sowie die Beantragung oder den Erhalt einer indirekten öffentlichen Unterstützung durch die EFSF oder den ESM (Art. 67 Abs. 2 SSM-RahmenVO). ___________ 208) Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5 Rz. 21 und 159; Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 57; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 669. S. a. ECB, Letter of Danièle Nouy to Nuno Melo, v. 2.5.2016 (QZ042), und EZB, Schreiben v. Danièle Nouy an Sven Giegold, v. 23.4.2018 (QZ034) („measure of last resort“, „exceptional nature“). Für ein im Wesentlichen unbeschränktes Ermessen der EZB aber wohl: Zagouras in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 124b Rz. 40. 209) Zum deutschen Recht: Jestaedt in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR I, § 14 Rz. 45. 210) Zum Selbsteintrittsrecht der EBA, das ebenfalls nur im Einzelfall besteht, vgl. Art. 17 Abs. 6 VO des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010. 211) So aber: Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil A Kap. II Rz. 74. 212) EuG, Urt. v. 15.5.2017 – Rs. T-122/15 (Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB), Rz. 61, ECLI:EU:T:2017:337 = EuZW 2017, 461. 213) Vgl. zur bisherigen Handhabung: BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 178, 196, NJW 2019, 3204. 214) Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 671. 215) EZB, Schreiben v. Danièle Nouy an Sven Giegold, v. 23.4.2018 (QZ034).

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II. Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism

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Vor Beschlussfassung hat sich die EZB mit der NCA abzustimmen (Art. 6 Abs. 5 lit. b SSM-VO und Art. 69 Abs. 2 SSM-RahmenVO). Selbsteintrittsbeschlüsse können aber auch von der NCA selbst angeregt werden.216) In 102 der Praxis scheinen alle bisherigen Beschlüsse auf Ersuchen der NCA gefasst worden zu sein. So betraf der erste (und transitorische) Fall der Aktivierung des Selbsteintritts im Jahr 2018 die lettische Luminor Bank AS. Die zuständige NCA hatte die Hochstufung der Bank zu einem bedeutenden Institut beantragt, um die kohärente Beaufsichtigung einer Gruppe von drei demselben Eigentümer gehördenden Instituten mit identischem Aufsichtsrat sicherzustellen.217) Ende 2018 wurden die Barclays Bank Ireland plc und ein irisches Tochterinstitut der Bank of America Merrill Lynch auf Antrag der irischen NCA gemäß Art. 6 Abs. 5 lit. b SSM-VO als bedeutende Institute eingestuft, dies in Erwartung der Überschreitung einer Bilanzsumme von 30 Mrd. € nach dem Brexit.218) Ein weiterer Fall einer Hochstufung betraf wiederum ein lettisches Institut (AS PNB Banka) und ging auf die Initiative der lettischen NCA zurück.219) Auch die Institute Goldman Sachs Bank Europe SE, J.P. Morgan AG, AXA Bank Belgium SA, AXA Bank Belgium NV, Banca Sarige S.p.A. und Sberbank Europe AG sowie die Finanzholding-Gesellschaft Morgan Stanley Europe Holding SE wurden gemäß Art. 6 Abs. 5 lit. b SSM-VO als bedeutende Institute eingestuft.220) cc)

Befugnisse der EZB gegenüber weniger bedeutenden Instituten

Dem Wesen der indirekten Aufsicht entsprechend sind die direkten Befugnisse der EZB 103 gegenüber weniger bedeutenden Instituten stark begrenzt. Kraft ausdrücklicher Verweisung in Art. 6 Abs. 5 lit. d SSM-VO kann sie lediglich die 104 Untersuchungsbefugnisse der Artt. 10 bis 13 SSM-VO unmittelbar gegenüber weniger bedeutenden Instituten ausüben, dies unbeschadet der Zuständigkeit der NCAs für die direkte Beaufsichtigung dieser Institute (vgl. Art. 138 SSM-RahmenVO). Zudem ist die EZB ausweislich des 6 Abs. 4 Satz 1 SSM-VO zuständige Behörde für die 105 Erteilung und den Entzug der Zulassung auch bei weniger bedeutenden Instituten (Art. 4 Abs. 1 lit. a und Art. 14 SSM-VO). Darüber hinaus kann die EZB auch Verwaltungssanktionen wegen Verstößen eines weniger bedeutenden Instituts gegen Verordnungen und Beschlüsse der EZB verhängen, soweit diese ausnahmsweise auch auf weniger bedeutende Institute Anwendung finden (Art. 122 lit. b SSM-RahmenVO). Da die EZB i. Ü. zur unmittelbaren Beaufsichtigung weniger bedeutender Institute keine 106 Zuständigkeiten hat (siehe oben Rz. 84 ff.), Befugnisse die Zuständigkeit indes zwingend voraussetzen, kann die EZB die übrigen in Artt. 9 ff. genannten Befugnisse (insbesondere die des Art. 16 SSM-VO) nicht unmittelbar gegenüber weniger bedeutenden Instituten einsetzen.221) Sie ist vielmehr gemäß Art. 6 Abs. 5 lit. a Unterabs. 2 SSM-VO auf die In___________ 216) 217) 218) 219)

Vgl. Art. 6 Abs. 5 lit. b SSM-VO und Art. 68 SSM-RahmenVO. EZB, Schreiben v. Danièle Nouy an Sven Giegold, v. 23.4.2018 (QZ034). EZB, EZB wird im kommenden Jahr 119 Banken direkt beaufsichtigen, PM v. 14.12.2018. EZB, EZB übernimmt direkte Aufsicht über AS PNB Banka in Lettland, PM v. 11.3.2019, und FCMC, ECB will take over direct supervision of AS PNB Banka in Latvia, PM v. 11.3.2019. Die EZB hat am 15.8.2019 den (wahrscheinlichen) Ausfall der AS PNB Banka festgestellt (EZB, EZB beurteilt lettische AS PNB Banka als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend, Pressemitteilung v. 15.8.2019). 220) Vgl. EZB, List of supervised entities (as of 1.5.2020), v. 8.6.2020. 221) Vgl. zu Art. 16 SSM-VO: Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 23. Andernfalls wären auch die Verweise in Art. 6 Abs. 5 lit. d SSM-VO auf Artt. 10 bis 13 SSM-VO und die Möglichkeit, allgemeine Weisungen bezüglich der besonderen Befugnisse des Art. 16 Abs. 2 SSM-VO an die NCA zu richten, überflüssig.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

strumente der indirekten Aufsicht (Verordnungen, Leitlinien und allgemeine Weisungen) gegenüber den NCAs beschränkt (siehe dazu Rz. 95 ff.). dd)

Befugnisse der EZB gegenüber sonstigen juristischen und natürlichen Personen

107 Wie in Bezug auf bedeutende Institute ist die EZB für Inhaberkontrollverfahren auch bei weniger bedeutenden Instituten zuständig (siehe Rz. 51 und 121 ff.). Sie hat zudem Informationsrechte gegenüber juristischen und natürlichen Personen (Art. 6 Abs. 5 lit. d SSMVO). Sanktionen kann die EZB gegen natürliche oder andere juristische Personen als Kreditinstitute und (gemischte) Finanzholdinggesellschaften indes nicht verhängen (siehe Rz. 75). c)

Pflichten der NCAs i. R. der indirekten Aufsicht

108 Um der EZB die Aufsicht über das Funktionieren des Systems i. S. des Art. 6 Abs. 5 lit. c SSM-VO zu ermöglichen, hat die SSM-RahmenVO gemäß Art. 6 Abs. 7 lit. c Satz 1 Verfahren für das Verhältnis zwischen der EZB und den NCAs in Bezug auf die Beaufsichtigung von weniger bedeutenden Instituten vorzusehen. Satz 2 zählt in nicht abschließender Form („insbesondere“) spezifische, in der SSM-RahmenVO zu regelnde Pflichten der NCAs auf. Zudem verpflichtet Art. 6 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 SSM-VO (vgl. Art. 99 Abs. 1 SSM-RahmenVO) die NCAs, die EZB im Einklang mit der SSMRahmenVO über die i. R. der direkten Aufsicht der NCAs über weniger bedeutende Institute ergriffenen Maßnahmen zu unterrichten und diese in enger Zusammenarbeit mit der EZB zu koordinieren. 109 Ihrem Regelungsauftrag ist die EZB insbesondere in Teil VII (Artt. 96 bis 100) SSMRahmenVO nachgekommen. Die Pflichten der NCAs richten sich dabei dem Verhältnismäßigkeitsprinzip folgend im Einzelfall nach der Einstufung der weniger bedeutenden Institute in drei Kategorien der hohen, mittleren und niedrigeren Priorität, die jährlich von der EZB in Zusammenarbeit mit den NCAs überprüft wird.222) Auf diese Einordnung nehmen die Artt. 97 Abs. 1, 98 Abs. 1 und Art. 99 Abs. 1 SSM-RahmenVO Bezug, wenn sie der EZB auftragen, allgemeine Kriterien festzulegen, um zu bestimmen, welche Informationen für welches weniger bedeutende Unternehmen anzuzeigen sind, und sie bei dieser Festlegung anhalten, insbesondere die Risikolage und die möglichen Auswirkungen auf das nationale Finanzsystem zu berücksichtigen. aa)

Ex-ante-Anzeigen zu wesentlichen Aufsichtsverfahren und Aufsichtsbeschlussentwürfen

110 Gemäß Art. 97 Abs. 1 SSM-RahmenVO, der Art. 6 Abs. 7 lit. c (i) SSM-VO ausfüllt, übermitteln die NCAs der EZB in Bezug auf weniger bedeutende Institute mit hoher Priorität223) Informationen über wesentliche NCA-Aufsichtsverfahren im Regelfall im Voraus oder in dringlichen Fällen auch (erst) mit der Eröffnung des Verfahrens. Hierzu zählen gemäß Art. 97 Abs. 2 SSM-RahmenVO solche Verfahren, die die Abberufung von Geschäftsleitern und die Bestellung eines Sonderverwalters betreffen (lit. a) bzw. die sonst einen bedeutenden Einfluss auf das weniger bedeutende Unternehmen haben (lit. b). Gelangt die NCA zu der Einschätzung, dass ein Aufsichtsverfahren ihrer Auffassung nach ___________ 222) Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 57; ECB, The principle of proportionality: application in the Single Supervisory Mechanism, v. 2.10.2015, S. 5; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2016, S. 31 f.; vgl. auch EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.2.3 und Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 29. 223) Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 58; ECB, The principle of proportionality: application in the Single Supervisory Mechanism, v. 2.10.2015, S. 5.

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II. Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism

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wesentlich ist oder die Reputation des SSM beeinträchtigen könnte, so zeigt sie auch dies der EZB unabhängig von der Prioritätseinstufung des Instituts an (Art. 97 Abs. 4 SSMRahmenVO). Die EZB kann die NCA ersuchen, bestimmte Aspekte eines wesentlichen Aufsichtsver- 111 fahrens weiter zu bewerten (Art. 6 Abs. 7 lit. c (ii) SSM-VO und Art. 97 Abs. 5 SSMRahmenVO). Für Anzeigen von Entwürfen wesentlicher Aufsichtsbeschlüsse in Bezug auf weniger 112 bedeutende Institute mit hoher Priorität224) gilt im Grundsatz dasselbe (Art. 98 Abs. 1 SSM-RahmenVO, der Art. 6 Abs. 7 lit. c (iii) SSM-VO konkretisiert, sowie Art. 98 Abs. 2 SSM-RahmenVO). Die Entwürfe sind mindestens zehn Tage vor Erlass zu übermitteln; die EZB hat inner- 113 halb einer angemessenen Frist Stellung zu nehmen, wobei die NCA in dringenden Fällen eine konkrete Frist festlegen kann (Art. 98 Abs. 4 SSM-RahmenVO). Im Jahr 2015 erhielt die EZB insgesamt 54, im Jahr 2016 79 und im Jahr 2017 67 Vor- 114 abanzeigen von NCAs zu wesentlichen Aufsichtsverfahren und zu Beschlussentwürfen der NCAs in Bezug auf weniger bedeutende Institute mit hoher Prioritätseinstufung.225) bb)

Regelmäßige Berichterstattung ex post

Gemäß Art. 99 Abs. 1 SSM-RahmenVO kann die EZB eine regelmäßige Berichterstat- 115 tung über gegenüber weniger bedeutenden Unternehmen ergriffene Maßnahmen und allgemein die Wahrnehmung der Aufgaben der NCAs anfordern (vgl. auch Art. 6 Abs. 6 Unterabs. 3 SSM-VO). Die Häufigkeit der Berichterstattungspflicht richtet sich nach der Prioritätseinstufung.226) Zudem sind jährliche Berichte zu erstatten, in denen quantitative und qualitative Angaben zum nationalen Bankensektor, zum Aufsichtsprozess und zu organisatorischen Aspekten zu machen sind.227) cc)

Ad-hoc-Anzeigen bei Verschlechterung der Finanzlage eines weniger bedeutenden Instituts und bei möglichem Antrag auf öffentliche finanzielle Unterstützung

Verschlechtert sich die Situation eines weniger bedeutenden Unternehmens rasch und er- 116 heblich, sind die NCAs zur Unterrichtung der EZB gemäß Art. 96 SSM-RahmenVO verpflichtet. Gleiches gilt, wenn die NCA davon Kenntnis erhält, dass ein weniger bedeutendes Institut indirekte oder direkte Unterstützung des ESM benötigen könnte (Art. 62 SSM-RahmenVO). dd)

Anzeigen im Zusammenhang mit Statusfragen

Sofern eine NCA zu der Einschätzung gelangt, dass ein weniger bedeutendes Unterneh- 117 men oder eine solche Gruppe eines der in Art. 6 Abs. 4 SSM-VO genannten Kriterien erfüllt, aufgrund dessen es als bedeutend einzustufen wäre, informiert die NCA unverzüglich die EZB (Art. 43 Abs. 4 SSM-RahmenVO). Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich aufgrund der in Art. 52 Abs. 1 Unterabs. 3 SSM-RahmenVO genannten, außergewöhnli___________ 224) Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 58; ECB, The principle of proportionality: application in the Single Supervisory Mechanism, v. 2.10.2015, S. 5. 225) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2015, S. 49; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2016, S. 32; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 44. 226) Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 59; ECB, The principle of proportionality: application in the Single Supervisory Mechanism, v. 2.10.2015, S. 5. 227) Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 59.

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chen Umstände (z. B. eines Zusammenschlusses von Kreditinstituten) eine Überschreitung des Größenkriteriums ergibt. ee)

Anzeigen bei Verhängung von Verwaltungsgeldbußen

118 NCAs unterrichten die EZB regelmäßig über gegen weniger bedeutende Institute verhängte Verwaltungsgeldbußen (Art. 135 SSM-RahmenVO). ff)

Pflicht zur Koordinierung

119 Gemäß Art. 6 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 SSM-VO sind die NCAs verpflichtet, die gegenüber weniger bedeutenden Instituten ergriffenen Maßnahmen in enger Zusammenarbeit mit der EZB zu koordinieren. Dies konkretisiert die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit (Art. 6 Abs. 2 SSM-VO), die auch für die EZB gilt. 120 Entsprechend legen die EZB und die NCAs jährlich Aufsichtsschwerpunkte (Supervisory Priorities) fest und entwickeln schrittweise gemeinsame Aufsichtsstandards (Joint Supervisory Standards – JSS) und gemeinsame (Aufsichts-)methoden (Common Methodologies), die die EZB als wichtige Mittel der sog. „indirekten Aufsicht“ betrachtet.228) So wurden im Jahr 2015 gemeinsame Aufsichtsstandards zur Aufsichtsplanung, zur Sanierungsplanung und für die aufsichtliche Bewertung institutsbezogener Sicherungssysteme entwickelt.229) Im Jahr 2016 folgten JSS für die Durchführung von Vor-Ort-Prüfungen bei weniger bedeutenden Instituten und für die Aufsicht über Autobanken (Car Financing Institutions – CFI).230) 2017 folgte der JSS zum gemeinsamen Kooperationsrahmen für das Krisenmanagement in Bezug auf weniger bedeutende Institute.231) Im Jahr 2018 finalisierte die EZB drei weitere JSS zu den Aufsichtspraktiken von NCAs für das Krisenmanagement in Bezug auf weniger bedeutende Institute sowie die Zusammenarbeit mit Abwicklungsbehörden, zu den Aufsichtsverfahren der NCAs für weniger bedeutende Institute, die gegen die Mindesteigenkapitalanforderungen verstoßen und zur Feststellung des (wahrscheinlichen) Ausfalls („failing or likely to fail“) bei weniger bedeutenden Instituten.232) Zudem entwickeln die EZB und die NCAs seit 2016 eine gemeinsame SREP-Methodik für weniger bedeutende Institute, die seit dem Jahr 2018 für weniger bedeutende Institute mit hoher Priorität und ab dem Jahr 2020 für alle weniger bedeutenden Institute angewandt wird (zum SREP siehe auch § 13 Rz. 71 ff. [Glos]).233) 5.

Gemeinsame Verfahren

121 Bei den sog. „gemeinsamen Verfahren“ ist die EZB für alle Institute ungeachtet ihrer Einstufung als bedeutend oder weniger bedeutend ausschließlich zuständig. Die Tätigkeiten der EZB und der NCAs sind aber besonders verschränkt.234) „Gemeinsam“ sind die Verfahren also in zweierlei Hinsicht. ___________ 228) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2015, S. 48; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 41; Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 56, 63, und EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.2.3. und Nr. 5.2. 229) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2015, S. 50. 230) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2016, S. 30. 231) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 53. 232) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 53. 233) Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 60; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2016, S. 30; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 43; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 40; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2019, S. 48. Zu alledem vgl. auch EZB, LSI Supervision within the SSM, v. 11/2017, S. 15 und EZB, SSM-LSI-SREP-Methodik, Ausgabe 2020. 234) Nach Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 25, rechtfertigt sich die besondere Rolle der NCAs in den gemeinsamen Verfahren durch die im Wesentlichen nationalen Rechtsgrundlagen.

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II. Zuständigkeitsverteilung im Single Supervisory Mechanism a)

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Zulassung als Kreditinstitut und Entzug der Zulassung

Anträge auf Zulassung als Kreditinstitut sind bei der NCA des Sitzstaats einzureichen (sie- 122 he zum Zulassungsverfahren ausführlich auch § 3 [Binder]).235) Die NCA prüft sodann die Voraussetzungen des nationalen Rechts und informiert die EZB über den Eingang des Antrags innerhalb von 15 Arbeitstagen (Art. 73 Abs. 1 SSM-RahmenVO). Sind diese nicht erfüllt, lehnt sie selbst den Antrag ab, andernfalls unterbreitet sie der EZB einen auch dem Antragsteller mitzuteilenden Beschlussentwurf (Art. 14 Abs. 2 SSM-VO und Artt. 75, 76 SSMRahmenVO), die diesem innerhalb einer Frist von zehn Arbeitstagen nach Anhörung des Antragstellers (Art. 77 Abs. 1 Satz 2 SSM-RahmenVO) widersprechen kann, wenn die „Voraussetzungen des einschlägigen Unionsrechts für die Zulassung“ nicht erfüllt sind. In jedem Fall wird der EZB-Beschluss dem Antragsteller von der zuständigen NCA zuge- 123 stellt (Art. 14 Abs. 4 SSM-VO). Der Wortlaut des Art. 14 SSM-VO und des Art. 78 Abs. 5 SSM-RahmenVO legt nahe, dass 124 die von der EZB erteilte Zulassung ausschließlich das Einlagen- und Kreditgeschäft betrifft und es einer separaten Genehmigung der NCA nach nationalem Recht bedarf, wenn das Institut weitere genehmigungspflichtige Tätigkeiten ausüben möchte.236) Im Einklang mit der „National-Powers“-Doktrin (dazu Rz. 59 ff.) soll die EZB aber auch für die Erteilung der Erlaubnis für weitere erlaubnispflichtige Geschäfte zuständige Behörde sein, soweit diese Tätigkeiten mit der in Art. 4 Abs. 1 lit. a und Art. 14 SSM-VO normierten ausschließlichen Zuständigkeit der EZB zur Erlaubniserteilung „in Verbindung stehen“ bzw. wenn eine Zulassungspflicht eine Aufsichtsfunktion nach EU-Recht „unterstützt“ („underpin“), d. h. jedenfalls auch prudenzielle und nicht ausschließlich andere, z. B. produktbezogene Ziele verfolgt.237) Dies ist nach Ansicht der EZB bei den im Anhang I der CRD genannten, vom sog. europäischen Pass umfassten Tätigkeiten der Fall.238) Darunter fallen auch Wertpapierdienstleistungen wie etwa die Finanzportfolioverwaltung, bezüglich derer eine Erlaubnispflicht nach der MiFID besteht. Darüber hinaus soll die EZB auch für nur aufgrund (autonomen) nationalen Rechts bestehende Erlaubnistatbestände zuständig sein.239) Eine solche Ausdeh___________ 235) Vgl. dazu auch EZB, Leitfaden zur Beurteilung von Zulassungsanträgen – Zulassungsanträge im Allgemeinen, v. 1/2019, und EZB, Leitfaden zur Beurteilung von Anträgen auf Zulassung als FinTechKreditinstitut v. 3/2018. 236) Diesem Verständnis scheint auch der deutsche Gesetzgeber zu folgen, vgl. Begr. RegE BRRDUmsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/2575, S. 196: „Die Zuständigkeit der EZB beschränkt sich auf die Zulassung zum Betreiben des Einlagen- und Kreditgeschäfts (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 KWG). Für alle anderen Institute und alle sonstigen Erlaubnistatbestände in § 1 Abs. 1 und Abs. 1a KWG oder in Spezialgesetzen verbleibt diese Zuständigkeit bei der Bundesanstalt.“ Ebenso Schwennicke/AuerbachSchwennicke, KWG, § 32 Rz. 23; Berger, WM 2015, 501, 504. 237) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 3.1.1; EZB, Leitfaden zur Beurteilung von Zulassungsanträgen – Zulassungsanträge im Allgemeinen, v. 1/2019, S. 15; ECB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, Schreiben v. 31.3.2017, Anhang VII. Ebenso Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5 Rz. 210; Raschauer, Finanzmarktaufsichtsrecht, S. 158; Breitenlechner/Radosavljevic, ZFR 2016, 170, 175. 238) EZB, Leitfaden zur Beurteilung von Zulassungsanträgen – Zulassungsanträge im Allgemeinen, v. 1/2019, S. 13 ff. Vgl. auch Breitenlechner/Radosavljevic, ZFR 2016, 170, 175. 239) EZB, Leitfaden zur Beurteilung von Zulassungsanträgen – Zulassungsanträge im Allgemeinen, v. 1/2019, S. 15. Vgl. auch EZB, Beschluss (EU) 2019/322 v. 31.1.2019 zur Übertragung der Befugnis zum Erlass von den im Rahmen nationaler Aufsichtsbefugnisse ergehenden Beschlüssen (EZB/2019/4), ABl. (EU) L 55/7 v. 25.2.2019, ErwG 3, und Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 701 ff. Die EZB nimmt vorerst lediglich die Genehmigung für die Emission gedeckter Schuldverschreibungen aus und weist darauf hin, dass die Zuständigkeitsabgrenzung insoweit weiter geprüft wird (vgl. ECB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, Schreiben v. 31.3.2017, S. 1 m. Fn. 1 und EZB, Leitfaden zur Beurteilung von Zulassungsanträgen – Zulassungsanträge im Allgemeinen, v. 1/2019, S. 15 m. Fn. 13). Für die Erteilung der Genehmigung zum Betreiben des Pfandbriefgeschäfts (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a KWG) ist daher bis auf Weiteres die BaFin zuständig.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

nung der Zuständigkeit der EZB widerspricht indes dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. 125 Den Entzug der Zulassung kann die EZB sowohl auf eigene Initiative sowie auf Vorschlag der zuständigen NCA vornehmen (Art. 14 Abs. 5 SSM-VO). In jedem Fall hat die EZB rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 81 Abs. 2 und Art. 82 Abs. 3 Satz 2 SSMRahmenVO). Darüber hinaus kann ein Entzug der Zulassung auch vom Institut selbst beantragt werden.240) Schließlich anerkennt die EZB Fälle, in denen nach nationalem Recht die Zulassung ohne Entscheidung der Aufsichtsbehörden erlischt, etwa bei Nichtgebrauch der Zulassung binnen zwölf Monaten nach Erteilung oder bei ausdrücklichem Verzicht des Instituts.241) 126 Ob die EZB auch für die Erteilung der ab dem 29.12.2020 (vgl. Art. 2 Abs. 1 CRD V) gemäß Art. 21a CRD erforderliche Zulassung für Finanzholdinggesellschaften und gemischte Finanzholdinggesellschaften zuständig sein wird, ist indes unklar. In der SSM-VO findet sich eine solche Zuständigkeit nicht, weshalb es nahe liegt, eine Zuständigkeit der NCA anzunehmen.242) Andererseits geht ErwG 6 Satz 3 CRD V davon aus, dass die EZB auch hierfür zuständig ist, dies ohne Differenzierung nach der Bedeutung der von der Finanzholdinggesellschaft geleiteten Gruppe. Eine Klärung kann nur (und sollte) durch Anpassung der SSM-VO erreicht werden. b)

Erwerb qualifizierter Beteiligungen

127 Bei der Beurteilung des Erwerbs qualifizierter Beteiligungen an CRR-Kreditinstituten gemäß Art. 15 SSM-VO (siehe dazu ausführlich § 4 [Steck]) besteht – im Gegensatz zum Zulassungsverfahren gemäß Art. 14 SSM-VO – keine eigenständige Entscheidungsbefugnis der NCA; vielmehr ist nur die EZB zuständig (vgl. Art. 4 Abs. 1 lit c SSM-VO und Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 6 SSM-VO).243) Dies gilt auch für die Beurteilung von i. R. des Inhaberkontrollverfahrens zu berücksichtigender Kriterien, bezüglich derer die EZB nicht für die laufende Aufsicht zuständig ist (etwa Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, vgl. Art. 23 Abs. 1 lit. e CRD).244) 128 Die Erwerbsanzeige ist an die NCA des Sitzstaats zu richten (Art. 15 Abs. 1 SSM-VO), die den geplanten Erwerb gemäß dem einschlägigen Unions- und nationalen Recht prüft (Art. 86 Abs. 1 SSM-RahmenVO) und der EZB einen (nicht bindenden) Beschlussvorschlag unterbreitet (Art. 15 Abs. 2 SSM-VO). Sodann entscheidet die EZB über die Ablehnung oder die Freigabe245) des Erwerbs (Art. 15 Abs. 3 SSM-VO), ggf. nach Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 87 Satz 2 SSM-RahmenVO). Die Kompetenz der EZB erstreckt sich auch auf die laufende Beaufsichtigung der Inhaber bedeutender Beteiligungen.246)

___________ 240) Vgl. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 3.1.1; EZB, Leitfaden zur Beurteilung von Zulassungsanträgen – Zulassungsanträge im Allgemeinen, v. 1/2019, S. 38. 241) EZB, Leitfaden zur Beurteilung von Zulassungsanträgen – Zulassungsanträge im Allgemeinen, v. 1/2019, S. 38. 242) Gurlit, WM 2020, 57, 60. 243) EuGH, Urt. v. 19.12.2018 – Rs. C-219/17 (Berlusconi und Fininvest), Rz. 54, ECLI:EU:C:2018:1023. 244) Anders offenbar: BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 181, NJW 2019, 3204. 245) Obgleich eine Freigabe des Erwerbs in Art. 15 Abs. 3 SSM-VO nicht vorgesehen ist, erlässt die EZB regelmäßig einen Nichtablehnungsbeschluss. 246) Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 38.

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III. Institutionelle Bestimmungen für die EZB im SSM 6.

§2

Makroprudenzielle Aufsicht

Art. 5 Abs. 1 SSM-VO belässt Entscheidungen über Maßnahmen der makropruden- 129 ziellen Aufsicht, insbesondere die Anordnung von Kapitalpuffern, bei den NCAs, die der EZB ihre Absicht vorab mitzuteilen haben. Die für die mikroprudenzielle Aufsicht geltende Zuständigkeitsverteilung anhand der Bedeutung des Instituts findet keine Anwendung.247) Die EZB kann Einwände erheben, die sie schriftlich begründen muss. Die NCA hat diese Einwände zu berücksichtigen, gebunden wird sie indes nicht (Art. 5 Abs. 1 SSM-VO und Art. 104 SSM-RahmenVO). Die EZB kann aber anstelle der NCA strengere Anforderungen festsetzen (Art. 5 Abs. 2 130 SSM-VO). In diesem Fall teilt sie ihre Absicht der NCA mit und berücksichtigt deren Einwände, an die sie nicht gebunden ist (Art. 5 Abs. 4 SSM-VO und Art. 105 SSMRahmenVO). Im Dezember 2016 teilte die EZB mit, dass sie es bislang nicht für notwendig gehalten hat, solche strengeren Anforderungen festzusetzen.248) Die EZB hat ein sog. „Makroprudenzielles Forum“ ins Leben gerufen, dessen Ziel die 131 Gewährleistung einer wirksamen Verzahnung der mikro- und makroprudenziellen Instrumente sein soll.249) Das Forum setzt sich aus den Mitgliedern des EZB-Rats und des Aufsichtsgremiums zusammen. III.

Institutionelle Bestimmungen für die EZB im SSM

1.

Grundlagen

Der institutionelle Rahmen, innerhalb dessen die dem SSM zugeordneten Aufsichtsauf- 132 gaben wahrgenommen werden, ist komplex. Dies gilt bereits für die Aufgabenteilung zwischen der EZB und den NCAs, die die Zuständigkeit verschiedener Akteure je nach Adressat und Rechtsgebiet nach sich zieht. Die Betrachtung der institutionellen Regelungen der SSM-VO für die EZB als Hauptakteur im SSM verstärkt diese Komplexität noch. Der Rat als Gesetzgeber fand die EZB als bereits bestehendes und allein mit geldpolitischen Aufgaben betrautes Organ der EU vor, dessen Beschlussorgane primärrechtlich determinierte Aufgaben und Kompetenzen haben. Diese galt es den Bedürfnissen der Ausübung von Aufsichtsaufgaben anzupassen. Weil hierfür eine Änderung des Primärrechts ausschied, musste sich der Rat mit Hilfskonstruktionen begnügen, die Entscheidungsprozesse potenziell schwerfällig machen und bei der effizienten Ausübung der Aufsicht hinderlich sein können.250) Grundsatz des SSM ist die Trennung der aufsichtlichen und der geldpolitischen Auf- 133 gaben der EZB (vgl. ErwG 65 SSM-VO). Diesem Prinzip widmet die SSM-VO einen eigenen Artikel (Art. 25 SSM-VO), der die wesentlichen Rahmenbedingungen festlegt, der EZB die weitere Konkretisierung aufgibt251) und die Einhaltung des Grundsatzes zudem organisatorisch durch die Einrichtung einer Schlichtungsstelle (siehe dazu Rz. 167 f.) sowie prozedural durch eine gesonderte Berichtspflicht an das Europäische Parlament (Art. 25 Abs. 2 Satz 4 SSM-VO) untermauert. ___________ Vgl. Lackhoff, JIBLR 2014, 1, 19; Gurlit, WM 2015, 1217, 1221. ECB, Governing Council statement on Macroprudential Policies, v. 15.12.2016. EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2016, S. 34. Vgl. hierzu auch Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 17. 251) Vgl. hierzu EBA, Beschluss 2014/723/EU v. 17.9.2014 über die Umsetzung der Trennung zwischen der geldpolitischen Funktion und der Aufsichtsfunktion (EZB/2014/39), ABl. (EU) L 300/57 v. 18.10.2014, und Artt. 13k und 13l EZB-GO. 247) 248) 249) 250)

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§2

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

134 Gemäß Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 SSM-VO nimmt die EZB die ihr durch die SSMVO übertragenen Aufgaben zur Vermeidung von Interessenkonflikten (vgl. ErwG 65 SSMVO) unbeschadet und getrennt von ihren Aufgaben im Bereich der Geldpolitik und von sonstigen Aufgaben wahr. Die mit der Durchführung der SSM-VO betrauten Mitarbeiter der EZB sind organisatorisch von dem mit anderen Aufgaben befassten Personal zu separieren und müssen einer getrennten Berichterstattung („reporting lines“) unterliegen (Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 2 SSM-VO), nämlich zum Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums (ErwG 66 SSM-VO).252) Materiell folgt aus dem Trennungsgrundsatz, dass die EZB i. R. ihrer Aufsichtstätigkeit keine spezifisch währungspolitischen Ziele verfolgen darf (vgl. Art. 25 Abs. 1 SSM-VO).253) 135 Diese organisatorische Trennung wird angesichts (vermeintlicher) primärrechtlicher Beschränkungen254) in der SSM-VO und der Praxis indes nicht konsequent durchgehalten: Entscheidungen mit Außenwirkung trifft auch für die Aufsichtsaufgaben der EZB der EZBRat, auch wenn die SSM-VO fordert, dass er seine geldpolitischen und aufsichtlichen Funktionen „in vollkommen getrennter Weise“ wahrnimmt (Art. 25 Abs. 4 SSM-VO). 2.

Aufsichtsgremium, zugeordnete Generaldirektionen und gemeinsame Aufsichtsteams (JSTs)

136 Bei der Wahrnehmung von Aufsichtsaufgaben durch die EZB im SSM stehen das Aufsichtsgremium und der EZB-Rat an der „Spitze“ des Entscheidungsprozesses.255) Das Aufsichtsgremium wird dabei von einem spezialisierten Unterbau von fünf Generaldirektionen unterstützt. a)

Aufsichtsgremium

aa)

Zusammensetzung, Aufgaben und Verfahren

137 Die SSM-VO errichtet das Aufsichtsgremium (Supervisory Board) als „internes Organ“ (Internal Body) der EZB, welchem die Planung und Ausführung der der EZB übertragenen Aufgaben im Bereich der Bankenaufsicht „uneingeschränkt“ obliegt (Art. 26 Abs. 1 Satz 1 SSM-VO). Hierdurch sollen mögliche Interessenkonflikte aufgrund der verschiedenen Aufgaben der EZB institutionell weitestgehend abgefedert werden.256) Gleichzeitig erlaubt diese Konstruktion aber auch die Einbindung von Repräsentanten aus teilnehmenden Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist.257) Geht ein solcher EUMitgliedstaat eine enge Zusammenarbeit mit der EZB gemäß Art. 7 SSM-VO ein (dazu Rz. 21), so gehört dem Aufsichtsgremium auch ein Vetreter der entsprechenden NCA an (Art. 26 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. 2 Nr. 1 SSM-VO). 138 Das Aufsichtsgremium setzt sich aus derzeit 25 stimmberechtigen Mitgliedern zusammen (neben dem gemäß Art. 26 Abs. 3 Unterabs. 1 SSM-VO jeweils vom Rat (der EU) ernannten Vorsitzenden und dem stellvertretenden Vorsitzenden vier EZB-Vertreter und jeweils ein Vertreter der derzeit 19 NCAs).258) Die Vertretung der NCAs im Aufsichts___________ 252) Tatsächlich berichten die Mitarbeiter (auch) an den stellvertretenden Vorsitzenden, der gleichzeitig Mitglied des EZB-Rats und des Direktoriums ist, vgl. EuRH, Sonderbericht Nr. 29/2016, v. 18.11.2016, Rz. 52. 253) Zagouras in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 124b Rz. 16. 254) Dazu Lackhoff in: Liber Amicorum Ehlers, S. 177, 182 f.; Bundesbank, Monatsbericht 7/2013, S. 25. 255) Lackhoff in: Liber Amicorum Ehlers, S. 177, 184. 256) Vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 201, NJW 2019, 3204 257) Vgl. Teixeira, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 75, S. 73, 81. 258) Ist die NCA nicht gleichzeitig die Zentralbank, kann neben der NCA ein Vertreter der Zentralbank teilnehmen. Beide gelten als ein einziges Mitglied, haben also nur eine Stimme (Art. 26 Abs. 1 Unterabs. 2 SSM-VO; Art. 13b.2. EZB-GO).

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III. Institutionelle Bestimmungen für die EZB im SSM

§2

gremium als zentralem Organ des SSM dient auch der Nutzbarmachung der spezifischen Kenntnisse der NCA (vgl. ErwG 67 SSM-VO) und verdeutlicht in besonderem Maße den Charakter des SSM als Verwaltungsverbund; NCAs werden somit auch im Bereich der Aufsicht über bedeutende Institute nicht lediglich unterstützend (vgl. Art. 6 Abs. 3 SSMVO), sondern über ihre Vertretung im Aufsichtsgremium auch (mit-)entscheidend tätig. Ein Vertreter der Kommission kann nach Einladung als Beobachter an den Sitzungen teilnehmen (Art. 26 Abs. 11 SSM-VO). Gleiches gilt für Vertreter der EBA und des SRB (ErwG 70 SSM-VO).259) Das Aufsichtsgremium wird von einem aus Mitgliedern des Aufsichtsgremiums bestehenden Lenkungsausschuss unterstützt, der insbesondere die Sitzungen vorbereitet, aber keine Entscheidungsbefugnisse hat (Art. 26 Abs. 10 SSM-VO).260) Er wird durch Art. 9 der auf Grundlage des Art. 26 Abs. 12 Satz 2 SSM-VO und Art. 13d EZB-GO261) erlassenen Verfahrensordnung des Aufsichtsgremiums (EZBAufsichtVerfO)262) eingerichtet, die auch weitere Bestimmungen zum Auftrag des Lenkungsausschusses, seiner Zusammensetzung und zu seinen Sitzungen enthält. Alle Mitglieder des Aufsichtsgremiums und des Lenkungsausschusses handeln unabhän- 139 gig und im Interesse der Union als Ganzes und sind weisungsunabhängig (Art. 26 Abs. 1 Satz 2 SSM-VO und Art. 19 Abs. 1 Satz 2 SSM-VO). Insbesondere sind daher die von den NCA ernannten Vertreter von Weisungen aus eben diesen NCAs und den relevanten Mitgliedstaaten unabhängig; das folgt daraus, dass das Aufsichtsgremium keine zwischenstaatliche Einrichtung, sondern ein „internes Organ“ der EZB ist.263) Das Aufsichtsgremium beschließt mit einfacher Mehrheit (Art. 26 Abs. 6 SSM-VO), bei Verordnungen mit der qualifizierten (doppelten) Mehrheit des Art. 16 Abs. 4 EUV (Art. 26 Abs. 7 SSMVO). Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag (Art. 6.6 Satz 3 EZBAufsicht-VerfO). Die interne Arbeitsweise des Aufsichtsgremiums regeln Art. 13c EZB-GO und die EZB- 140 Aufsicht-VerfO. Das Aufsichtsgremium hat sich zudem gemäß Art. 13e.1 EZB-GO einen Verhaltenskodex gegeben.264) bb)

Verfahren der impliziten Zustimmung

Eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen durch den EZB-Rat auf das Auf- 141 sichtsgremium, wie sie noch in Art. 19 Abs. 3 des Kommissionsvorschlags für die SSMVO vorgesehen war, erachtete der Juristische Dienst des Rats als nicht mit Art. 127 Abs. 6 AEUV vereinbar. Zwar könne der EZB-Rat Modalitäten für die Ausführung der Aufsichtsaufgaben festlegen, indes „können diese Modalitäten nicht so weit reichen, dass die in den Verträgen festgelegten Beschlussorgane und Verfahren geändert werden, da nichts im Wortlaut von Artikel 127 Absatz 6 AEUV den Rat dazu befugt, bei der Über___________ 259) Art. 3.5 EZBAufsicht-VerfO. Zum SRB vgl. § 5.1 Memorandum of Understanding between SRB and ECB in respect of cooperation and information exchange, v. 22.12.2015, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/ files/mou_with_the_single_resolution_board_on_cooperation_and_information_exchange_2018_.pdf (Abrufdatum: 8.5.2020), und EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 45, 50. 260) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.1. 261) EZB, Beschluss v. 19.2.2004 zur Verabschiedung der Geschäftsordnung (EZB/2004/2), zuletzt geändert durch Beschluss (EU) 2016/1717 v. 21.9.2016 (EZB/2016/27), Konsolidierte Fassung, ABl. (EU) L 258/17 v. 24.9.2016. 262) Verfahrensordnung des Aufsichtsgremiums der Europäischen Zentralbank – EZBAufsicht-VerfO, ABl. (EU) L 182/56 v. 21.6.2014. 263) S. hierzu z. B. EZB, Stellungnahme zur Rolle des Vertreters der Finanzaufsichtsbehörde im Aufsichtsgremium der EZB und zu Aufsichtsgebühren, v. 7.9.2016 (CON/2016/43), Nr. 2.2.1 ff., insb. Nr. 2.2.5. 264) EZB, Verhaltenskodex für die Mitglieder des Aufsichtsgremiums (2015/C 93/02), v. 12.11.2014, ABl. (EU) C 93/2 v. 20.3.2015.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

tragung von besonderen Aufsichtsaufgaben auf die EZB von irgendeiner dieser Bestimmungen des Primärrechts abzuweichen“.265) 142 Dies berücksichtigend normiert Art. 26 Abs. 8 SSM-VO ein komplexes und umständliches Verfahren der „impliziten Zustimmung“ (besser bekannt als sog. „non-objection procedure“), das dem EZB-Rat die Letztentscheidung in Aufsichtsangelegenheiten vorbehält. Danach übernimmt das Aufsichtsgremium (lediglich) Vorbereitungstätigkeiten für die der EZB übertragenen Aufsichtsaufgaben und schlägt dem EZB-Rat vollständige Beschlussentwürfe zur Annahme vor (Art. 26 Abs. 8 Satz 1 SSM-VO). Die Einzelheiten des Verfahrens regelt die EZB-GO in Art. 13g. bis Art. 13i.266) Gemäß Art. 13g.1. Satz 1 EZB-GO unterbreitet das Aufsichtsgremium dem EZB-Rat mit dem Beschlussentwurf Erläuterungen, in denen die Grundlagen und die wesentlichen Gründe für den Beschlussentwurf dargestellt sind. Allein die Beschlussentwürfe, nicht aber die Erläuterungen werden den betroffenen NCAs übermittelt (Art. 26 Abs. 8 Satz 2 SSM-VO, Art. 13g.1. Satz 2 EZB-GO). 143 Der Beschluss gilt als angenommen, wenn der EZB-Rat nicht innerhalb einer Frist von zehn Arbeitstagen widerspricht (Art. 13g.2. Satz 1 EZB-GO),267) wobei der EZB-Rat üblicherweise vor Ablauf der Frist sein Einverständnis signalisiert.268) In Ausnahmesituationen legt das Aufsichtsgremium eine Frist von höchstens 48 Stunden fest (Art. 26 Abs. 8 Satz 5 SSM-VO; Art. 13.g.2. Satz 2 EZB-GO). Ein Widerspruch des EZB-Rats ist schriftlich zu begründen und dem Aufsichtsgremium sowie den betroffenen NCAs zu übermitteln. Anschließend befasst sich die gemäß Art. 25 Abs. 5 SSM-VO durch EZB-Verordnung (EU) Nr. 673/2014 errichtete Schlichtungsstelle auf Antrag einer NCA mit den Einwänden (siehe dazu unten Rz. 167 f.). 144 Obgleich hiermit dem EZB-Rat formal die Letztentscheidung überlassen wird, ist seine gestalterische Freiheit in Aufsichtsangelegenheiten tatsächlich stark begrenzt, da er einerseits nicht über ein Initiativrecht verfügt und andererseits Beschlussentwürfe des Aufsichtsgremiums nur vollständig annehmen oder ablehnen, selbst aber nicht modifizieren kann.269) Dies hindert das Aufsichtsgremium selbstverständlich nicht daran, dem EZB-Rat nach dessen Widerspruch einen neuen Beschlussentwurf zu unterbreiten, in dem es den ___________ 265) Rat, Gutachten des Juristischen Dienstes, v. 9.10.2012 (Dok. 14752/12 limite), Nr. 9. Krit. dazu Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 26; Lackhoff/Grünewald, GesKR 2015, 190, 204. Vgl. auch Schimansky/Bunte/ Lwowski-Zagouras, Bankrechts-Hdb., § 124b Rz. 12; Gren, ECB Legal Working Paper Series, no. 17, v. 7/2018, S. 23; Gurlit, WM 2020, 57, 58 f. 266) Art. 13g EZB-GO betrifft das Verfahren zur Annahme von Beschlüssen zur Wahrnehmung der in Art. 4 SSM-VO genannten Aufgaben, während Art. 13h das Verfahren in Bezug auf Art. 5 SSM-VO (makroprudenzielle Aufgaben und Instrumente) und Art. 13i die Annahme von Beschlüssen gemäß Art. 14 Abs. 2 bis 4 SSM-VO (Zulassung) regelt. Im Folgenden wird nur das Verfahren nach Art. 13g EZB-VO dargestellt. 267) Art. 26 Abs. 8 Satz 3 SSM-VO lässt eine kürze Entscheidungsfrist zu. Für Beschlüsse zur Zulassung eines Kreditinstituts gilt gemäß Art. 14 Abs. 2 bis 4 SSM-VO und Art. 13i EZB-GO ein modifiziertes Verfahren, wonach der EZB-Rat die Entscheidungsfrist von 10 Arbeitstagen in begründeten Fällen einmal um weitere zehn Arbeitstage verlängern kann. 268) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.3. 269) Vgl. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.1. Dies gilt auch i. R. der engen Zusammenarbeit in den Fällen des Art. 7 Abs. 8 SSM-VO. Danach kann ein teilnehmender Mitgliedstaat, dessen Währung nicht der Euro ist, dem EZB-Rat seine Ablehnung des Beschlussentwurfs mit einer begründeten Stellungnahme mitteilen. Der EZB-Rat (nicht, wie in der deutschen Sprachfassung fälschlicherweise angeführt, das Aufsichtsgremium) beschließt sodann innerhalb von fünf Arbeitstagen unter umfassender Berücksichtigung der Stellungnahme und erläutert dem betreffenden Mitgliedstaat seinen Beschluss schriftlich. Anders liegt die Sache indes bei Beschlüssen zu makroprudenziellen Themen gemäß Art. 5 SSM-VO. Hier hat der Rat ein eigenes Initiativrecht und kann Beschlussvorschläge des Aufsichtsgremiums ändern (Art. 13h.3. EZB-GO).

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III. Institutionelle Bestimmungen für die EZB im SSM

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Gründen für den Widerspruch des EZB-Rats Rechnung trägt.270) Aus welchen Gründen der EZB-Rat einem Beschlussentwurf widersprechen kann, regelt die SSM-VO nur rudimentär. Art. 26 Abs. 8 Satz 6 SSM-VO erwähnt lediglich, dass der EZB-Rat den Widerspruch „insbesondere durch Verweis auf geldpolitische Erwägungen“ begründen kann. Wie sich dies mit der strikten Trennung der geldpolitischen von der Aufsichtsfunktion verträgt (siehe Rz. 133 ff.), ist unklar. Zudem dürfte ein Beschluss, auf dessen Erlass ein Anspruch des Instituts besteht (z. B. die Zulassung) kaum unter Verweis auf geldpolitische Erwägungen abgelehnt werden dürfen. Im Übrigen wird man dem EZB-Rat zubilligen müssen, eine eigene Prüfung der (formellen und materiellen) Rechtmäßigkeit des Beschlusses vorzunehmen und ihn unter Verweis auf entsprechende Mängel abzulehnen. Aufgrund der hohen Anzahl an Beschlüssen dürfte die Kapazität des EZB-Rats, solche Bewertungen tatsächlich vorzunehmen, indes stark beschränkt sein, so dass der EZB-Rat sich auf die Vorarbeit des Aufsichtsgremiums weitgehend verlassen muss.271) Insgesamt kommt dem Aufsichtsgremium im Entscheidungsprozess in Aufsichtssachen daher die zentrale Rolle zu.272) Die Vorbereitungsaufgaben des Aufsichtsgremiums beschränken sich nicht auf Beschlüs- 145 se der EZB, sondern erstrecken sich auf alle der EZB übertragenen Aufsichtsaufgaben und insbesondere weitere Rechtsinstrumente, die die EZB in Ausübung dieser Aufgaben erlassen kann (siehe dazu Rz. 209 f.). Entsprechend bereitet das Aufsichtsgremium etwa auch aufsichtsrechtliche Verordnungen gemäß Art. 4 Abs. 3 SSM-VO vor (vgl. Art. 26 Abs. 7 SSM-VO). Daher sind auch Beschlüsse i. S. des Art. 26 Abs. 8 SSM-VO nicht gleichzusetzen mit Beschlüssen i. S. des Art. 288 Abs. 4 AEUV (siehe dazu noch Rz. 211). Vielmehr bezeichnet der Begriff in diesem Zusammenhang alle Instrumente, die – vorbehaltlich einer Delegation (dazu sogleich) – vom EZB-Rat im Verfahren der impliziten Zustimmung anzunehmen sind. Dem Verfahren der impliziten Zustimmung unterliegen nicht nur Aufsichtsbeschlüsse, sondern auch sonstige Rechtsakte der EZB im Bereich der Bankenaufsicht (einschließlich EZB-Verordnungen) sowie Grundsatzdokumente und externe Kommunikation, welche die EZB in ihrer Verwaltungstätigkeit binden könnte.273) Der Erlass von Verordnungen zur Einrichtung des allgemeinen Rahmenwerks zur Gestaltung der praktischen Modalitäten für die Durchführung von Art. 6 SSM-VO folgt jedoch nicht dem Verfahren der impliziten Zustimmung; hier bedarf es eines ausdrücklichen Beschlusses des EZB-Rats auf der Grundlage eines Vorschlags des Aufsichtsgremiums (Art. 13j EZB-GO).274) cc)

Delegation von Entscheidungsbefugnissen

Auch wenn das Verfahren der „impliziten Zustimmung“ einer als rechtlich problematisch 146 identifizierten Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf das Aufsichtsgremium vorbeugen sollte, erließ die EZB mit dem Beschluss (EU) 2017/933 einen „allgemeinen Rahmen für die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen im Zusammenhang mit ___________ 270) Gemäß Art. 26 Abs. 8 Satz 7 SSM-VO kann ein teilnehmender Mitgliedstaat, dessen Währung nicht der Euro ist, dem Widerspruch des EZB-Rats seinerseits mit einer begründeten Stellungnahme widersprechen. Dies setzt das Verfahren des Art. 7 Abs. 7 SSM-VO in Gang. 271) EuRH, Sonderbericht Nr. 29/2016, v. 18.11.2016, Rz. 36. 272) Zagouras in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 124b Rz. 12. 273) Vgl. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3; Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 100. 274) Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 19. Vgl. auch Siekmann-Ohler/Schmidt-Wenzel, EWU, Art. 132 AEUV Rz. 75.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

Aufsichtsaufgaben“,275) um den EZB-Rat von Routineentscheidungen zu entlasten.276) Nach dem – im Verfahren der impliziten Zustimmung angenommenen – Delegationsrahmenbeschluss kann der EZB-Rat klar umrissene Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf aufsichtliche Rechtsinstrumente durch „Ermächtigungsbeschluss“ auf Leiter von Arbeitseinheiten der EZB übertragen; wirksam wird die Übertragung indes erst durch einen weiteren „Ernennungsbeschluss“ des Direktoriums, mit dem ein oder mehrere Leiter von Arbeitseinheiten (vgl. Art. 10.1 EZB-GO) dazu bestimmt werden, auf der Grundlage des Ermächtigungsbeschlusses Entscheidungen zu treffen.277) Ermächtigungs- und Ernennungsbeschlüsse hat die EZB bislang in den Bereichen der Einstufung von Unternehmen als bedeutend, der Eignungsprüfung von Geschäftsleitern (sog. „Fit-and-Proper-Entscheidungen“), der Eigenmittel, der Ausübung nationaler Aufsichtsbefugnisse (National Powers) sowie der Entscheidungen über den europäischen Pass, über den Erwerb qualifizierter Beteiligungen und über den Entzug von Zulassungen von Kreditinstituten erlassen.278) Im Rahmen der delegierten Aufgaben ist eine Einbindung des Aufsichtsgremiums und des EZB-Rats grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Insbesondere durch die fehlende Einbeziehung des Aufsichtsgremiums werden die (im Aufsichtsgremium vertretenen) NCA in den von der Delegation erfassten Themenbereichen von der Entscheidung ausgeschlossen, was die von der SSM-VO vorgesehene Einbindung der NCAs in den Entscheidungsprozess (siehe dazu Rz. 138) deutlich schwächt.279) b)

Generaldirektionen im Bereich der Aufsicht

147 Gemäß Art. 28 SSM-VO ist die EZB dafür verantwortlich, die für die Wahrnehmung der ihr durch die SSM-VO übertragenen Aufgaben erforderlichen finanziellen Mittel sowie das dafür erforderliche Personal vorzuhalten und einzusetzen. Dem Aufsichtsgremium ___________ 275) EZB, Delegationsrahmenbeschluss (EU) 2017/933 v. 16.11.2016, ABl. (EU) L 141/14 v. 1.6.2017. Dazu EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2016, S. 61; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 87; Europäisches Parlament, Entschließung zur Bankenunion, v. 15.2.2017 (P8_TA-PROV(2017)0041), Nr. 19 und Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 20 f. 276) Hierzu ausführlich: Bovenschen in: ESCB Legal Conference 2018, S. 77. 277) Zum Verfahren vgl. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.3. 278) EZB, Beschluss (EU) 2017/934 v. 16.11.2016 über die Übertragung von Beschlüssen über die Bedeutung der beaufsichtigten Unternehmen (EZB/2016/41), ABl. (EU) L 141/18 v. 1.6.2017; EZB, Beschluss (EU) 2017/937 v. 23.5.2017 zur Ernennung von Leitern von Arbeitseinheiten für den Erlass von delegierten Beschlüssen über die Bedeutung der beaufsichtigten Unternehmen (EZB/2017/17), ABl. (EU) L 141/28 v. 1.6.2017; EZB, Beschluss (EU) 2017/935 v. 16.11.2016 zur Übertragung der Befugnis zum Erlass von Beschlüssen über die Eignungsprüfung und zur Prüfung der Eignungsanforderungen (EZB/2016/42), ABl. (EU) L 141/21 v. 1.6.2017; EZB, Beschluss (EU) 2017/936 v. 23.5.2017 zur Ernennung von Leitern von Arbeitseinheiten für den Erlass von delegierten Beschlüssen über die Eignungsprüfung (EZB/2016/16), ABl. (EU) L 141/26 v. 1.6.2017; EZB, Beschluss (EU) 2018/546 v. 15.3.2018 zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Eigenmittelbeschlüssen (EZB/2018/10), ABl. (EU) L 90/105 v. 6.4.2018; EZB, Beschluss (EU) 2019/547 v. 27.3.2018 zur Ernennung von Leitern von Arbeitseinheiten für den Erlass von delegierten Eigenmittelbeschlüssen (EZB/2018/11), ABl. (EU) L 90/110 v. 6.4.2018; EZB, Beschluss (EU) 2019/322 v. 31.1.2019 zur Übertragung der Befugnis zum Erlass von den im Rahmen nationaler Aufsichtsbefugnisse ergehenden Beschlüssen (EZB/2019/4), ABl. (EU) L 55/7 v. 25.2.2019; EZB, Beschluss (EU) 2019/323 v. 12.2.2019 zur Ernennung der Leiter von Arbeitseinheiten für den Erlass von den im Rahmen nationaler Aufsichtsbefugnisse ergehenden delegierten Beschlüssen (EZB/2019/5), ABl. (EU) L 55/16 v. 25.2.2019; EZB, Beschluss (EU) 2019/1376 v. 23.7.2019 zur Übertragung der Befugnis zum Erlass von Beschlüssen zur Nutzung des Europäischen Passes, zum Erwerb qualifizierter Beteiligungen und zum Entzug von Zulassungen von Kreditinstituten (EZB/2019/23), ABl. (EU) L 224/1 v. 28.8.2019; EZB, Beschluss (EU) 2019/1377 v. 31.7.2019 zur Ernennung der Leiter von Arbeitseinheiten für den Erlass von delegierten Beschlüssen über die Nutzung des Europäischen Passes, den Erwerb qualifizierter Beteiligungen und den Entzug von Zulassungen von Kreditinstituten (EZB/2019/26), ABl. (EU) L 224/6 v. 28.8.2019. 279) Dazu Bovenschen in: ESCB Legal Conference 2018, S. 77, 82.

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III. Institutionelle Bestimmungen für die EZB im SSM

§2

sind daher insgesamt fünf Generaldirektionen funktionell zugeordnet (zum Sekretariat als nunmehr fünfter Generaldirektion siehe unter Rz. 157).280) Die GDs Mikroprudenzielle Aufsicht I und II (GD MS I und II) befassen sich mit der laufenden Aufsicht über bedeutende Institute.281) Dabei ist die GD MS I für die Aufsicht über die rund 30 Bankengruppen mit der größten Systemrelevanz zuständig und in neun Abteilungen untergliedert. Die GD MS II zeichnet für die Aufsicht über rund 90 Bankengruppen verantwortlich und setzt sich aus acht Abteilungen zusammen. In der GD MS III sind die Überwachungstätigkeiten der EZB über die NCAs i. R. der 148 sog. „indirekten Aufsicht“ über weniger bedeutende Institute (einschließlich der sich auf weniger bedeutende Institute beziehenden gemeinsamen Verfahren) gebündelt.282) Sie untergliedert sich in drei Abteilungen. Die GD MS IV schließlich fasst Querschnittsund Expertenaufgaben zusammen. Sie unterstützt die JSTs (Joint Supervisory Team – JST = gemeinsames Aufsichtsteam) und die NCAs bei der Aufsicht über bedeutende und weniger bedeutende Kreditinstitute und trägt insbesondere zur Einheitlichkeit der Rechtsanwendung und Beaufsichtigung bei.283) GD MS IV umfasst nach einer internen Reorganisation im Jahr 2018 (siehe dazu Rz. 157) nunmehr sieben (ehemals zehn) Abteilungen, nämlich die Abteilungen Aufsichtsplanung (Planning and Coordination of SEP – PCS), aufsichtliche Grundsatzfragen (Supervisory Policies – SPO), Methodik und Entwicklung von Standards (Methodology and Standards Development – MSD), Krisenmanagement (Crisis Management – CRM), Vor-Ort-Prüfungen (Centralised On-Site Inspections – COI, siehe dazu bereits oben Rz. 45), SSM-Risikoanalyse (SSM Risk Analysis – RIA) und interne Modelle (Internal Models – INM). Die beschriebene Zuordnung der GD MS I bis IV zum Aufsichtsgremium besteht nur 149 im funktionalen bzw. fachlichen, nicht aber im dienstrechtlichen Sinne.284) Gemäß Art. 13m.1. Satz 1 EZB-GO erstreckt sich die allgemeine Zuständigkeit des Direktoriums (siehe dazu noch Rz. 161 f.) für die interne Organisationsstruktur (Art. 10 EZB-GO) und die Mitarbeiter der EZB (Art. 11 EZB-GO) auch auf die Aufsichtsaufgaben.285) Sowohl die Einrichtung der GD MS I bis IV selbst als auch die dienstrechtliche Verantwortung für die Mitarbeiter dieser GDs liegt daher beim Direktorium (vgl. Artt. 10.1. und 10.2. EZBGO sowie Art. 3 Abs. 2 des Beschlusses 2014/723/EU286)). Hinsichtlich der internen Organisationsstruktur sind der Vorsitzende des Aufsichtsgremiums und der stellvertretende Vorsitzende lediglich zu konsultieren (Art. 13m.1. Satz 2 EZB-GO). Eigene Organisationskompetenzen kommen dem Aufsichtsgremium lediglich für die Einrichtung von vorläufigen nachgeordneten Strukturen wie Arbeitsgruppen oder Taskforces zu,287) dies aber auch nur im Einvernehmen mit dem Direktorium (Art. 13m.2. EZB-GO). ___________ 280) 281) 282) 283)

284) 285)

286) 287)

EZB, Leitfaden zur Bankenaufsicht, v. 9/2014, Rz. 16. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.2.1. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.2.1. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.2.4.; Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 31. Vgl. auch EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.2.1. Vgl. Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 22. EZB, Beschluss 2014/723/EU v. 17.9.2014 über die Umsetzung der Trennung zwischen der geldpolitischen Funktion und der Aufsichtsfunktion (EZB/2014/39), ABl. (EU) L 300/57 v. 18.10.2014. Zu Aufgaben dieser vorläufigen Strukturen vgl. z. B. EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 84; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 74; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2019, S. 86, und EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.2.5.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

150 Dienstrechtlich berichten die Mitarbeiter der EZB in den GD MS I bis IV somit an das Direktorium und nur in funktioneller Hinsicht an den Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums (vgl. Art. 3 Abs. 3 des Beschlusses 2014/723/EU). Ob dies dem Erfordernis getrennter Berichtslinien gemäß Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 2 SSM-VO genügt, ist zweifelhaft.288) 151 Von der Trennung zwischen der geldpolitischen Funktion und der Aufsichtsfunktion ausgenommen sind sog. „gemeinsame Dienste“ (Art. 3 Abs. 4 des Beschlusses 2014/723/EU). Die gemeinsamen Dienste unterstützen beide Funktionen; Beschränkungen hinsichtlich des Austauschs vertraulicher Informationen zwischen den verschiedenen Funktionsbereichen gelten für sie nicht. Zu den gemeinsamen Diensten gehört insbesondere die Rechtsabteilung, daneben auch die Bereiche Verwaltung, Personal, IT-Systeme, Kommunikation und Übersetzung, Budget und Controlling, Rechnungswesen, Räumlichkeiten, interne Revision und Statistik.289) Auf mögliche Interessenkonflikte insbesondere bei der Rechtsabteilung hat der Europäische Rechnungshof hingewiesen;290) ähnlich äußerte sich die Kommission im SSMBericht 2017.291) Eine Bewertung durch die EZB selbst im Jahr 2017 ergab jedoch, dass „die ergriffenen Maßnahmen die festgestellten Risiken zufriedenstellend minimieren“.292) c)

Gemeinsame Aufsichtsteams (JSTs)

152 Für die Beaufsichtigung bedeutender Gruppen oder Institute richtet die EZB jeweils gemeinsame Aufsichtsteams (Joint Supervisory Team – JST) ein, die sich aus Mitarbeitern der EZB (GD MS I und II) und der NCAs zusammensetzen (Art. 3 Abs. 1 SSM-RahmenVO) und für einen engen und ständigen Kontakt mit der Gruppe bzw. dem Institut i. R. der laufenden Beaufsichtigung verantwortlich zeichnen.293) Zu den wesentlichen Aufgaben der JSTs gehören die Durchführung des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (Supervisory Review and Evaluation Process – SREP) sowie die Erarbeitung und die Umsetzung des aufsichtlichen Prüfungsprogramms (Supervisory Examination Programme – SEP) für das Institut (Art. 3 Abs. 2 SSM-RahmenVO).294) Zudem wird die Mehrzahl der Beschlussentwürfe für bedeutende Institute von den JSTs verfasst.295) 153 Die JSTs werden von einem JST-Koordinator geleitet, der Mitarbeiter der EZB (GD MS I oder II) ist und die Abstimmung der Arbeiten innerhalb des JST verantwortet (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 SSM-RahmenVO). JST-Koordinatoren sind weisungsbefugt gegenüber allen Mitgliedern des JST (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 SSM-RahmenVO). ___________ 288) Vgl. auch EuRH, Sonderbericht Nr. 29/2016, v. 18.11.2016, insb. Rz. 46; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 43. 289) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.2.1; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2015, S. 78; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 97; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2019, S. 98. Vgl. auch Zagouras in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 124b Rz. 18. 290) EuRH, Sonderbericht Nr. 29/2016, v. 18.11.2016, insb. Rz. 44 und Tabelle 3; vgl. auch Kommission, Bericht an das Europäische Parlament und den Rat über den einheitlichen Aufsichtsmechanismus gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013, v. 11.10.2017, COM(2017) 591 final, S. 7. 291) Kommission, Bericht an das Europäische Parlament und den Rat über den einheitlichen Aufsichtsmechanismus gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013, v. 11.10.2017, COM(2017) 591 final, S. 7; Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 23. 292) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 111. 293) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2014, S. 5; Lackhoff, JIBLR 2014, 498, 501. 294) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.2.2. 295) EZB, SSM-Aufsichtshandbucht, Nr. 1.3.1.; Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 18.

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III. Institutionelle Bestimmungen für die EZB im SSM

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Den 14 komplexesten Bankengruppen im SSM war im Jahr 2014 jeweils ein einzelner JSTKoordinator zugeordnet. Im Übrigen ist ein JST-Koordinator in der Regel für zwei oder drei Gruppen bzw. Institute zuständig.296) JST-Koordinatoren werden in der Regel für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahre bestellt und sollen ebenso wie die übrigen JSTMitglieder regelmäßig wechseln.297) JST-Koordinatoren werden bei der Organisation und Abstimmung der JST-Aufgaben von 154 einem oder mehreren von den NCAs benannten Unterkoordinatoren unterstützt (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 und Art. 6 Abs. 2 SSM-RahmenVO).298) In JSTs von Banken, die in mehr als einem teilnehmenden Mitgliedstaat vertreten sind, bilden die Sub-Koordinatoren gemeinsam mit dem JST-Koordinator das „JST-Kernteam“ (Core JST), in dem alle wichtigen aufsichtlichen Handlungen diskutiert, die Aufgabenverteilung unter den JST-Mitgliedern verteilt und aufsichtliche Entscheidungen (insbesondere das aufsichtliche Prüfprogramm SEP) gemeinsam vorbereitet werden.299) Weitere Mitarbeiter der EZB (GD MS I und II) und der NCAs (sowie ggf. der nationalen Zentralbanken, vgl. Art. 5 SSM-RahmenVO) vervollständigen das JST. Innerhalb der JSTs bestehen zudem nach Aufsichtsthemen organisierte sog. „Sub-Teams“, 155 die das ihnen zugeordnete Subrisiko (z. B. Liquiditätsrisiken) fortlaufend beobachten, bewerten und ggf. notwendige aufsichtliche Reaktionen erarbeiten.300) Die Leitung dieser Sub-Teams obliegt entweder Mitarbeitern der EZB oder der NCAs. Sie berichten an ein Mitglied des JST-Kernteams. d)

Sekretariat

Gemäß Art. 26 Abs. 9 SSM-VO wird das Aufsichtsgremium bei seiner Tätigkeit durch ein 156 Sekretariat unterstützt. Das Sekretariat wird von einem vom EZB-Präsidenten ernannten Sekretär geleitet. Der Sekretär und das Sekretariat unterstützen den Vorsitzenden des Aufsichtsgremiums insbesondere bei der Vorbereitung der Sitzungen des Aufsichtsgremiums und sind für die Erstellung der Protokolle verantwortlich (Art. 13m.3. EZB-GO). Das Sekretariat des Aufsichtsgremiums fungiert zugleich als Sekretariat des administrativen Überprüfungsausschusses (Administrative Board of Review – ABoR, siehe dazu Rz. 163 ff.), vgl. Art. 6 Abs. 1 ABoR-Beschluss.301) Hatte das Sekretariat zunächst im Wesentlichen administrative Aufgaben, wurden im Zu- 157 ge einer internen Reorganisation des Aufsichtsbereichs im Februar 2018 die Abteilungen Zulassungsverfahren (Authorisation – AUT), Durchsetzung und Sanktionen (Enforcement and Sanctions Division – ESA) sowie Aufsichtliche Qualitätssicherung (Supervisory Quality Assurance – SQA) dem Zuständigkeitsbereich der GD MS IV entzogen und dem Sekretariat zugeordnet. Das Sekretariat wurde im Zuge dessen von einer Direktion zu einer Generaldirektion (DGSSB) aufgewertet. Die bisherigen Gruppen (Sections) des Sekretariats wurden in der Abteilung SSM-Beschlussfassung (Decision Making) zusam___________ 296) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2014, S. 24. 297) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.2.2. 298) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.2.2. In Deutschland stellen BaFin und Bundesbank je einen Unterkoordinator, vgl. BaFin, Aufsichtsrichtlinie, v. 21.5.2013, Stand: 19.12.2016, Nr. 1.1. 299) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.2.2; Antwort der BReg auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, BT-Drucks. 18/10846, S. 5; Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 30. 300) Antwort der BReg auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, BT-Drucks. 18/10846, S. 5. 301) EZB, Beschluss v. 14.4.2014 zur Einrichtung eines administrativen Überprüfungsausschusses und zur Festlegung der Vorschriften für seine Arbeitsweise (EZB/2014/16), ABl. (EU) L 175/47 v. 14.6.2014.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

mengefasst. Die Abteilung unterstützt das Aufsichtsgremiums insbesondere bei der Vorund Nachbereitung von Sitzungen, der Erstellung von Beschlussentwürfen und damit verbundenen Rechtsfragen.302) 3.

EZB-Rat

158 Der EZB-Rat ist oberstes Beschlussorgan der EZB (Art. 129 Abs. 1 AEUV).303) Gemäß Art. 12.1 Satz 1 ESZB/EZB-Satzung erlässt er die zur Erfüllung der dem ESZB (Europäisches System der Zentralbanken) übertragenen geldpolitischen Aufgaben erforderlichen Leitlinien und Beschlüsse. Ebenso legt er die Geldpolitik der Union fest (Art. 12.1 Satz 2 ESZB/EZB-Satzung). 159 Im SSM hat der EZB-Rat aufgrund des Gebots der Trennung der geldpolitischen von der Aufsichtsfunktion eine im Wesentlichen formale Rolle. Zwar ist der Erlass von aufsichtlichen Rechtsakten allein ihm vorbehalten, weswegen ihn der EuGH als „einziges Beschlussorgan der EZB im Rahmen des SSM“ bezeichnet304) (siehe aber zur Delegation oben Rz. 146). Allerdings bereitet das Aufsichtsgremium die aufsichtsrechtliche Tätigkeit umfassend vor. Zudem ist die eigene Gestaltungsmacht des EZB-Rats durch das Verfahren der impliziten Zustimmung stark beschränkt (siehe oben Rz. 142 ff.).305) 160 Die Beschlussfassung des Rats zu Aufsichtsaufgaben und die Befassung mit geldpolitischen Themen findet im Einklang mit dem Trennungsgebot in getrennten Sitzungen statt (Art. 25 Abs. 4 SSM-VO und Art. 13l.1. EZB-GO), die separaten Tagesordnungen folgen.306) 4.

Direktorium

161 Das Direktorium führt als Exekutivorgan der EZB307) gemäß Art. 11.6 ESZB/EZBSatzung die laufenden Geschäfte der EZB. Der Begriff ist weit zu verstehen und umfasst neben der Geschäftsführung im eigentlichen Sinne einschließlich der Vornahme von Rechtsgeschäften mit Dritten die Festlegung der internen Organisationsstruktur und die Führung und Leitung sämtlicher Arbeitseinheiten der EZB (Artt. 10.1. und 10.2. EZBGO), den Erlass von Organisationsvorschriften für Mitarbeiter der EZB (Art. 11.2. EZBGO) sowie von Dienstvorschriften (Art. 21.3. EZB-GO). Das Direktorium führt zudem die Geldpolitik gemäß den Leitlinien und Beschlüssen des EZB-Rats aus (Art. 12.1 Satz 3 ESZB/EZB-Satzung) und bereitet die Sitzungen des EZB-Rats vor (Art. 12.2 ESZB/EZBSatzung).308) Es ist schließlich für die Erstellung des Vorschlags für den Haushalt der EZB verantwortlich (Art. 15.1. EZB-GO). 162 Die SSM-VO ordnet dem Direktorium keinerlei Aufgaben i. R. der Aufsichtstätigkeit zu309) und versucht stattdessen, das Aufsichtsgremium als „Direktorium für den Aufsichtsbereich“ zu etablieren. Gleichwohl umfasst die Zuständigkeit des Direktoriums für ___________ 302) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 80 und SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.2.1 und Nr. 1.3.1. 303) Hahn/Häde, Währungsrecht, § 16 Rz. 65, und Siekmann-Becker, EWU, Art. 282 AEUV Rz. 54. 304) EuGH, Urt. v. 26.2.2019 – Rs. C-202/18 (RimšƝviþs/Lettland), Rz. 50, ECLI:EU:C:2019:139. 305) Vgl. dazu z. B. Almhofer, Die Haftung der Europäischen Zentralbank für rechtswidrige Bankenaufsicht, S. 81. 306) EuRH, Sonderbericht Nr. 29/2016, v. 18.11.2016, Rz. 41. 307) Vgl. Hahn/Häde, Währungsrecht, § 16 Rz. 27, und Siekmann-Becker, EWU, Art. 282 AEUV Rz. 54; v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Zilioli/Gruber, Europäisches Unionsrecht, Art. 11 ESZB/EZB-Satzung Rz. 15. 308) Zagouras in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 124b Rz. 11. 309) Lackhoff in: Liber Amicorum Ehlers, S. 177, 183 f. Vgl. auch Ohler, Die Verwaltung 2016, 309, 332: „SSM-VO blendet […] das Direktorium nahezu vollständig aus“.

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III. Institutionelle Bestimmungen für die EZB im SSM

§2

die „interne Organisationsstruktur und die Mitarbeiter der EZB“ auch die Aufsichtsaufgaben der EZB (siehe oben Rz. 149 ff.). Gleiches gilt hinsichtlich des Haushaltsvorschlags für die Ausgaben i. R. der Aufsichtsaufgaben (Art. 15.1. EZB-GO). 5.

Administrativer Überprüfungsausschuss (ABoR)

Art. 24 SSM-VO trägt der EZB auf, durch Beschluss (Art. 24 Abs. 10 SSM-VO) einen 163 administrativen Überprüfungsausschuss (Administrative Board of Review – ABoR) einzurichten. Diesem Auftrag ist die EZB mit Beschluss vom 14.4.2014 (ABoR-Beschluss) nachgekommen.310) Aufgabe des ABoR ist es, auf Antrag einer natürlichen oder juristischen Person Auf- 164 sichtsbeschlüsse der EZB einer internen administrativen Überprüfung zu unterziehen (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 SSM-VO, siehe zum Verfahren Rz. 240 ff.). Der ABoR besteht aus fünf von der EZB zu benennenden Mitgliedern sowie zwei stellvertretenden Mitgliedern, die unabhängig und nicht den Weisungen der EZB oder der NCAs unterworfen sind311) und ausschließlich im öffentlichen Interesse handeln (Art. 24 Abs. 2 Satz 4 SSM-VO und Art. 24 Abs. 4 Satz 1 SSM-VO sowie Art. 4 Abs. 4 ABoR-Beschluss). Obgleich der ABoR gemäß Art. 24 Abs. 2 Satz 2 SSM-VO über ausreichend Ressourcen 165 zur Beurteilung der Ausübung der Befugnisse durch die EZB verfügen muss, wird er vom Sekretariat des Aufsichtsgremiums unterstützt, das insofern als Sekretariat des ABoR handelt (Art. 6 Abs. 1 und 2 ABoR-Beschluss). Zudem sieht Art. 6 Abs. 3 ABoR-Beschluss vor, dass die EZB-Rechtsabteilung den ABoR „mit juristischem Fachwissen bei der Beurteilung der Ausübung der der EZB nach Maßgabe der [SSM-VO] zustehenden Befugnisse“ unterstützt. Da man angesichts der Unabhängigkeit des ABoRs von der EZB davon ausgehen muss, dass der europäische Gesetzgeber eigene Ressourcen des ABoR vor Augen hatte, ist diese Nutzung gemeinsamer Ressourcen nicht unproblematisch.312) Dies gilt insbesondere für die Unterstützung durch die Rechtsabteilung der EZB, da sie bereits die Aufsichtsfunktion der EZB bei der Erarbeitung von Beschlüssen unterstützt (siehe Rz. 151), die gerade Gegenstand der administrativen Überprüfung sind. In jedem Fall bedarf es angesichts dieser Verwebungen besonderer Vorkehrungen, um eine 166 tatsächlich unabhängige Überprüfung der Handlungen der EZB durch den ABoR effektiv sicherzustellen (zum SRB-Beschwerdeausschuss vgl. § 14 Rz. 104 ff. [Benzing]). Positiv zu vermerken ist, dass der ABoR jedenfalls während der Beratungsphase und der Abfassung der verfahrensabschließenden Stellungnahme (siehe Rz. 251) nicht von den EZBDiensten unterstützt wird, sondern seine Entscheidung insoweit unbeeinflusst trifft.313) Gleichwohl ist zu überdenken, ob eine noch weiterreichende Sicherstellung der Unabhängigkeit des ABoR durch eine vollständige Abtrennung von einer Unterstützung durch EZB-Dienste und den Aufbau eigener Ressourcen dem Auftrag des ABoR, eine unabhängige Überprüfung der EZB-Beschlüsse vorzunehmen, nicht besser gerecht würde.

___________ 310) EZB, Beschluss v. 14.4.2014 zur Einrichtung eines administrativen Überprüfungsausschusses und zur Festlegung der Vorschriften für seine Arbeitsweise, (EZB) 2014/16, ABl. (EU) L 175/47 v. 14.6.2014, geändert durch EZB, Beschluss (EU) 2019/1378 v. 9.8.2019, zur Änderung des Beschlusses EZB/2014/16 zur Einrichtung eines administrativen Überprüfungsausschusses und zur Festlegung der Vorschriften für seine Arbeitsweise (EZB/2019/27), ABl. (EU) L 224/9 v. 28.8.2019. 311) Vgl. auch Brescia Morra, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 81, S. 109, 115. 312) Skeptisch auch: Lackhoff/Meissner, JIBLR 2015, 285, 289. 313) Brescia Morra, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 81, S. 109, 119.

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§2 6.

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden Schlichtungsstelle

167 Die Schlichtungsstelle hat die Aufgabe, „Meinungsverschiedenheiten“ der NCAs zu einem Widerspruch des EZB-Rats gegen Beschlussentwürfe des Aufsichtsgremiums „auf ausgewogene Weise und im Interesse der Union als Ganzes“ (ErwG 74 SSM-VO) beizulegen (Art. 25 Abs. 5 Satz 2 SSM-VO). Sie wurde von der EZB durch die Schlichtungs-VO314) eingerichtet (vgl. Art. 25 Abs. 5 Satz 3 SSM-VO) und soll die Trennung zwischen der geldpolitischen und der Aufsichtsfunktion weiter institutionell und prozedural absichern. In den Jahren 2014 bis 2019 wurde die Schlichtungsstelle indes nicht angerufen.315) 168 Das Schlichtungsverfahren wird durch schriftlich begründeten Schlichtungsantrag einer von einem Widerspruch des EZB-Rats betroffenen NCA beim Aufsichtsgremium eingeleitet (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Schlichtungs-VO). Weitere NCA können sodann einen eigenen Antrag stellen oder dem ursprünglichen Antrag beitreten. Das Aufsichtsgremium stellt anschließend einen Schlichtungsantrag beim EZB-Rat (Art. 8 Abs. 5 SchlichtungsVO). Die Schlichtungsstelle setzt einen Sachausschuss ein (Art. 9 Abs. 2 SchlichtungsVO), der den Entwurf einer Stellungnahme erarbeitet und dem Vorsitzenden übermittelt (Art. 9 Abs. 4 Schlichtungs-VO). Die Schlichtungsstelle berät über den Entwurf und legt dem Aufsichtsgremium und dem EZB-Rat eine schriftliche begründete Stellungnahme vor. Das Aufsichtsgremium kann sodann einen neuen Beschlussentwurf erarbeiten und dem EZB-Rat vorlegen (Art. 11 Abs. 1 Schlichtungs-VO). An die Stellungnahme der Schlichtungsstelle ist es dabei nicht gebunden (Art. 10 Abs. 3 Schlichtungs-VO). 7.

Nationale zuständige Behörden (NCAs)

169 Die SSM-VO setzt das Bestehen der NCAs voraus, überlässt aber den Mitgliedstaaten die Einrichtung und rechtliche Ausgestaltung der NCAs.316) Gemäß Art. 2 Nr. 2 SSM-VO ist die NCA eine vom teilnehmenden Mitgliedstaat gemäß Art. 4 Abs. 1 CRD benannte Behörde. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KWG ist die BaFin die zuständige Behörde nach Art. 4 Abs. 1 CRD; sie ist damit auch die deutsche NCA (vgl. auch Präambel der Aufsichtsrichtlinie317)). 170 Handeln die NCAs i. R. des SSM, so sind sie unabhängig (Art. 19 Abs. 1 SSM-VO), agieren aber gleichwohl als nationale Behörden, nicht als an die EZB „entliehene“ Organe (siehe oben Rz. 79 und 86). Soweit einzelne Vertreter der NCAs indes als Mitglieder des Aufsichtsgremiums tätig werden (Art. 26 Abs. 1 SSM-VO), handeln sie in der Eigenschaft als Mitglieder einer Unionsstelle, nicht als Vertreter der Mitgliedstaaten. IV.

Anwendbares Recht

1.

Grundlagen

171 Zentrale Vorschrift für das von der EZB i. R. des SSM anzuwendende Recht ist Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 SSM-VO. Danach wendet die EZB das „einschlägige Unionsrecht“ an, ohne dass dieses i. E. erläutert wird. 172 Art. 4 Abs. 3 SSM-VO richtet sich allein an die EZB, nicht aber an die NCAs. Gleichwohl haben die NCAs i. R. der indirekten Aufsicht selbstverständlich wie bisher auch Unions___________ 314) Verordnung (EU) Nr. 673/2014 der Europäischen Zentralbank v. 2.6.2014, ABl. (EU) L 179/72 v. 19.6.2014. 315) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2014, S. 22 f.; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2015, S. 22; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2016, S. 69; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 110; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 85; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2019, S. 95. 316) Vgl. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.2.3. 317) BaFin, Aufsichtsrichtlinie, v. 21.5.2013, Stand: 19.12.2016.

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IV. Anwendbares Recht

recht (etwa die CRR) anzuwenden. Darüber hinaus enthalten die SSM-VO und die SSMRahmenVO zahlreiche für die Beaufsichtigung weniger bedeutender Unternehmen durch die NCAs relevante und unmittelbar anwendbare Bestimmungen. Daneben sind von den NCAs die von der EZB erlassenen Verordnungen (Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 3 SSMVO) sowie die i. R. der direkten Aufsicht ergangenen Anweisungen (Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 3 Satz 1 SSM-VO, Art. 7 Abs. 1 und 4 SSM-VO und Art. 18 Abs. 5 Unterabs. 1 SSMVO) und die i. R. der indirekten Aufsicht erlassenen Verordnungen, Leitlinien und allgemeinen Weisungen (Art. 6 Abs. 5 lit. a SSM-VO) zu beachten. a)

Primärrecht

Zum von der EZB zu beachtenden Unionsrecht gehört zunächst das auf sie anwendbare 173 Primärrecht,318) d. h. insbesondere die Bestimmungen des EUV und des AEUV, die ESZB/EZB-Satzung und die EU-Grundrechtecharta. Zu den primärrechtlichen Bindungen gehören insbesondere die Grundfreiheiten.319) Die EZB ist aber auch an die – als Primärrecht geltenden – allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts gebunden, insbesondere an den grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.320) b)

Sekundär- und Tertiärrecht

Beim relevanten Sekundär- und Tertiärrecht unterscheidet die SSM-VO zwischen „Rechts- 174 akten mit und ohne Gesetzgebungscharakter“ (vgl. Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 1 SSMVO). Zu ersteren zählen gemäß Art. 289 Abs. 3 AEUV alle Rechtsakte, die in einem Gesetzgebungsverfahren angenommen wurden. Letztere sind alle Rechtsakte (Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse), die nicht in einem solchen Verfahren verabschiedet wurden, insbesondere die delegierten und Durchführungsrechtsakte gemäß Art. 290 und Art. 291 AEUV. Danach ist i. R. des SSM offensichtlich zunächst die SSM-VO selbst von der EZB anzu- 175 wenden. Im Übrigen ist an sonstige vom europäischen Gesetzgeber erlassene Verordnungen als unmittelbar anwendbares Unionsrecht zu denken, die materielle Standards für die der EZB übertragenen Aufgaben und Befugnisse aufstellen. Dazu zählt zuvörderst die CRR, aber auch diese ausführende delegierte Verordnungen der Kommission. Aufgrund der sachlich beschränkten Zuständigkeit der EZB (siehe dazu Rz. 17) fallen hierunter indes nicht für die Tätigkeit von Banken wesentliche Verordnungswerke wie die MiFIR, die MAR, aber auch die EMIR. Soweit das Verordnungsrecht den Mitgliedstaaten „Wahlrechte“ einräumt, wendet die 176 EZB auch die nationalen Rechtsvorschriften an, mit denen diese Wahlrechte ausgeübt werden (Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 SSM-VO und ErwG 34 SSM-VO). Optionen und Ermessensspielräume (Options and Discretions), die nach dem Unionsrecht von der zuständigen Aufsichtsbehörde anzuwenden sind, hat die EZB für bedeutende Institute hingegen teils durch eine Verordnung321) unmittelbar und allgemein ausgeübt und i. Ü. einen Leitfaden veröffentlicht, nach dem die EZB die Optionen und Ermessenspielräume

___________ 318) Siekmann-Becker, EWU, Art. 282 AEUV Rz. 92. 319) Siekmann-Becker, EWU, Art. 282 AEUV Rz. 96. 320) Vgl. EuGH, Urt. v. 16.6.2015 – Rs. C-62/14 (Gauweiler), Rz. 66, ECLI:EU:C:2015:400 = NJW 2015, 2013. 321) Verordnung (EU) 2016/445 der Europäischen Zentralbank v. 14.3.2016, ABl. (EU) L 78/60 v. 24.3.2016.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

institutsspezifisch ausüben wird.322) In Bezug auf weniger bedeutende Institute hat sie eine Leitlinie323) und eine Empfehlung324) erlassen. 177 In der Rechtsanwendung durch die EZB und die NCAs sind auch i. Ü. die von der EZB selbst i. R. des SSM gesetzten Rechtsnormen von allgemeiner Geltung325) zu beachten (siehe dazu noch Rz. 209 ff.), d. h. Verordnungen, Leitlinien und Empfehlungen. Hierzu zählt insbesondere die SSM-RahmenVO. Schließlich sind Organisationsnormen der EZB wie z. B. die EZB-GO und die EZBAufsicht-VerfO relevant. 178 Die EZB hat zudem neben den aufsichtsspezifischen Rechtsnormen auch jegliches andere unionale Sekundärrecht zu beachten, soweit es (auch) an die Organe der EU gerichtet ist.326) Zu den nicht aufsichtsspezifischen Sekundärrechtsakten, die gleichwohl auch im Bereich der Aufsicht besonders relevant sind, gehört z. B. die EU-Organ-DatenschutzVO (vgl. auch Art. 16 Abs. 2 AEUV).327) c)

Nationales Recht

179 Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 SSM-VO verpflichtet die EZB auch, richtlinienumsetzendes nationales Recht anzuwenden;328) gleiches gilt gemäß Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 SSMVO für nationales Recht, mit dem unter Verordnungen eingeräumte Wahlrechte ausgeübt werden.329) Das nationale Recht verändert seinen Charakter als solches durch Art. 4 Abs. 3 SSM-VO nicht, es wird insbesondere nicht zum Unionsrecht.330) Hinsichtlich der Art des nationalen Rechts ist die Vorschrift offen. Es kommt daher jede verbindliche Rechtsnorm (insbesondere Parlamentsgesetze und Rechtsverordnungen) in Betracht.331) Nicht erfasst sind indes nicht außenrechtsverbindliche Verwaltungsvorschriften wie etwa die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) der BaFin oder sonstige Verlautbarungen der Verwaltungspraxis nationaler Behörden. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass die EZB gehindert wäre, diese bei der Auslegung und Anwendung nationalen Rechts zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund fordert die EZB i. R der Beaufsichtigung deutscher Institute von der BaFin Stellungnahmen zur deutschen Verwaltungspraxis und bilden die MaRisk für diese Stellungnahmen eine wichtige Grundlage.332) ___________ 322) EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, konsolidierte Fassung v. 11/2016. 323) EZB, Leitlinie (EU) 2017/697 v. 4.4.2017 über die Nutzung der im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessenspielräume durch die nationalen zuständigen Behörden bei weniger bedeutenden Instituten (EZB/2017/9), ABl. (EU) L 101/156 v. 13.4.2017. 324) EZB, Empfehlung v. 4.4.2017 zu einheitlichen Kriterien für die Nutzung einiger im Unionsrecht eröffneter Optionen und Ermessenspielräume durch die nationalen zuständigen Behörden bei weniger bedeutenden Instituten (EZB/2017/10), ABl. (EU) C 120/2 v. 13.4.2017. 325) Art. 2 Abs. 26 SSM-RahmenVO spricht von „allgemeingültigem Rechtsakt“. 326) Siekmann-Becker, EWU, Art. 282 AEUV Rz. 104. 327) Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.10.2018 – DSGVO, ABl. (EU) L 295/39 v. 21.11.2018. 328) Dies gilt für die der EZB gemäß Artt. 4 und 5 SSM-VO übertragenen Aufgaben. Zu den makroprudenziellen Aufgaben vgl. Gurlit, WM 2015, 1217, 1222, und WM 2015, 1225. Zum Hintergrund der Vorschrift de Gregorio Merino in: Bándi/Darák/Halustyik/Láncos, European Banking Union, Bd. 1, S. 151, 178 f. 329) Soweit Wahlrechte von den zuständigen Behörden ausgeübt werden, kann die EZB diese selbst ausüben (vgl. ErwG 34 Satz 5 SSM-VO), s. dazu oben Rz. 166. 330) Vgl. Witte, MJ 2014, 89, 107 f.; Lamandini in: ECB Legal Conference 2015, S. 121, 130; Kämmerer, WM 2016, 1, 3; Berger, WM 2016, 2325, 2332; Martini/Weinzierl, NVwZ 2017, 177, 180. A. A.: Varentsov, DÖV 2017, 53, 55. 331) Berger, WM 2016, 2325, 2331. 332) BaFin, FG MaRisk: Protokoll der Sitzung v. 5.11.2018, v. 17.4.2019, Stand: 25.4.2019, S. 2.

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IV. Anwendbares Recht

Der neue und bis vor kurzem333) singuläre Charakter der Ermächtigung eines Unionsorgans 180 zur Anwendung nationalen Rechts und die hiermit verbundenen dogmatischen Probleme sind vielfach betont334) und kritisiert335) worden. Neben rechtlichen Fragestellungen birgt die Anwendung nationalen Rechts durch die EZB auch ganz praktische Herausforderungen, wird von der EZB doch die Kenntnis des nationalen Rechts aller teilnehmenden Mitgliedstaaten gefordert und können im Falle grenzüberschreitend tätiger Gruppen verschiedene nationale Rechtsordnungen für die Durchführung der Aufsicht relevant sein.336) Zudem dürfte es im Einzelfall schwierig sein, die Abgrenzung zwischen richtlinienumsetzendem und autonomem mitgliedstaatlichem Recht trennscharf vorzunehmen.337) Obgleich der Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 SSM-VO der EZB ausschließlich die Anwendung 181 des nationalen Richtlinienumsetzungsrechts überträgt,338) besteht eine nicht zu verkennende – und angesichts der genannten praktischen Herausforderungen zumindest nachvollziehbare – Tendenz der EZB, die maßgeblichen Richtlinien so anzuwenden, als handele es sich in der Sache um unmittelbar anwendbare Verordnungen. Entsprechend zitiert die EZB nationales Umsetzungsrecht in Beschlüssen teilweise lediglich ergänzend. Es versteht sich von selbst, dass die EZB (rechtmäßiges) Richtlinienumsetzungsrecht 182 anzuwenden hat, nicht etwa nur anwenden kann. Es ist daher rechtsstaatlich bedenklich zu suggerieren, die EZB sei nicht an Vorgaben des mitgliedstaatlichen Umsetzungsrechts in Form von Rechtsverordnungen oder ähnlichen rechtsverbindlichen Instrumenten gebunden, wenn diese „ihre Unabhängigkeit oder das reibungslose Funktionieren des SSM beeinträchtigen, für welches die EZB die Verantwortung trägt“.339) Soweit der Mitgliedstaat seinem aus der Richtlinie folgenden Umsetzungsauftrag ordnungsgemäß nachkommt, hat er Wahlfreiheit bezüglich der Form und der Mittel (Art. 288 Abs. 3 AEUV). Mit dem Hinweis auf die – sicherlich reale340) – Gefahr einer Fragmentierung des von der EZB anzuwendenden Rechts lässt sich diese Freiheit nicht auf der Ebene der Rechtsanwendung aushebeln. Gefordert ist vielmehr der europäische Gesetzgeber: In Betracht kommt allein eine Regelung durch Verordnung oder eine stärkere Determination des mitgliedstaatlichen Gesetzgebungsprogramms in der Richtlinie. Soweit Richtlinien nicht (rechtzeitig) umgesetzt wurden, die Umsetzungsfrist aber ab- 183 gelaufen ist und Richtlinienbestimmungen hinreichend bestimmt sind, aber auch in Fällen fehlerhafter Umsetzung von Richtlinien, stellt sich die Frage, ob die EZB diese unmittelbar anwenden kann.341) Sie dürfte anhand der Grundsätze zur unmittelbaren Anwendbarkeit bzw. Wirkung von Richtlinien zu beantworten sein (siehe bereits Rz. 57); danach ___________ 333) Vgl. nunmehr die neuen Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 und Art. 19 Abs. 4 Unterabs. 2 EBA-VO Nr. 1093/ 2010, die mit Art. 1 VO (EU) 2019/2175 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 18.12.2019, ABl. (EU) L 334/1 v. 27.12.2019, eingeführt wurden. 334) Bundesbank, Monatsbericht 7/2013, S. 21 („europarechtlich sehr ungewöhnlich“); Kämmerer, WM 2016, 1, 3 („höchst exotisch“); Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 26 („unprecedented situation”). 335) Vgl. insb. Peuker, JZ 2014, 764, und Martini/Weinzierl, NVwZ 2017, 177. 336) Hierzu Berger, WM 2016, 2325, 2327. 337) Vgl. nur Berger, WM 2016, 2325, 2334. 338) Lefterov, ECB Legal Working Paper Series, no. 15, S. 36. 339) So aber: EZB, Stellungnahme v. 2.9.2015 zur Bankenabwicklung (CON/2015/31), Nr. 3.1.8., in Bezug auf die Einführung des § 25a Abs. 4 KWG und die mögliche Überführung der MaRisk in eine Rechtsverordnung. Vgl. auch EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2015, S. 77. Dazu Gurlit, WM 2016, 2053, 2055. 340) Vgl. EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2015, S. 14. 341) So: Schuster, EuZW-Beilage 2014, S. 3, 8.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

dürfte eine solche Anwendung im Regelfall nicht möglich sein, soweit sie zulasten des betroffenen Instituts oder der betroffenen natürlichen Person wirkt.342) 184 Da Art. 4 Abs. 3 SSM-VO nationales Recht nur als Richtlinienumsetzungsrecht anspricht, ist autonomes mitgliedstaatliches Recht (so z. B. das Pfandbriefgesetz, die trennbankenrechtlichen Regelungen des § 3 Abs. 2 bis 4 KWG, siehe dazu § 20 [Glasow], und die Vorschriften über Organkredite) nicht von der EZB anzuwenden.343) Insbesondere kann sie nach der eindeutigen Systematik des Art. 9 Abs. 1 SSM-VO nationale Befugnisnormen, die nicht auf Richtlinien zurückgehen, nicht in Anspruch nehmen, sondern muss sich stattdessen einer Weisung an die NCA gemäß Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 3 SSM-VO bedienen, soweit dessen Anforderungen erfüllt sind (dazu – und zur sog. „National-Powers“Diskussion – siehe bereits Rz. 58 ff.). Nichts anderes gilt für Vorschriften, die im Wege des sog. „Goldplating“ anlässlich der Richtlinienumsetzung überschießend erlassen wurden.344) Allenfalls dann, wenn es sich um die Anforderungen der Richtlinie bzw. dadurch dem nationalen Gesetzgeber überlassene Spielräume konkretisierendes nationales Recht handelt, kommt eine Anwendung durch die EZB in Betracht.345) d)

Soft law

185 Im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit hat die EZB – wie ErwG 32 SSM-VO klarstellt – zudem Leitlinien und Empfehlungen der EBA gemäß Art. 16 EBA-VO Nr. 1093/2010 (soweit sie eine Einhaltung nicht gemäß Art. 16 Abs. 3 EBA-VO Nr. 1093/2010 ablehnt,346) und das von der EBA gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. a, aa und Art. 29 Abs. 2 Unterabs. 2 EBA-VO Nr. 1093/2010 ausgearbeitete europäische Aufsichtshandbuch347) zu beachten (Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 2 SSM-VO).348) ___________ 342) Witte in: ESCB Legal Conference 2016, S. 247, 249 f.; Kornezov in: ESCB Legal Conference 2016, S. 270, 274; Amtenbrink in: ECB Legal Conference 2019, S. 136, 139 ff. A. A.: Banks, ECB Legal Conference 2019, S. 121, 123 f. 343) Vgl. Bundesbank, Monatsbericht 7/2013, S. 18; Gurlit, WM 2016, 2053, 2056; Berger, WM 2016, 2325, 2334; Lehmann, EBI Working Paper Series 2017, no. 3, S. 15. 344) Kämmerer, WM 2016, 1, 3 f. Anders wohl: Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 15 f.; Lehmann, EBI Working Paper Series 2017, no. 3, S. 12 ff. 345) Schuster, EuZW-Beilage 2014, S. 3, 8; Varentsov, DÖV 2017, 53, 55. 346) Bislang hat die EZB stets mitgeteilt, dass sie Leitlinien und Empfehlungen der EBA einhalten wird, EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 70; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 69; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2019, S. 79 f. 347) Das europäische Aufsichtshandbuch (European Supervisory Handbook) ist nicht zu verwechseln mit dem sog. einheitlichen Regelwerk (Single Rulebook). Bei dem Aufsichtshandbuch handelt es sich um ein unverbindliches Handbuch, in dem „best practices“ zu einzelnen Themen zusammengefasst werden. Bislang existieren zwei Kapitel des Handbuchs, nämlich zur aufsichtlichen Prüfung der Geschäftsmodelle der Banken und zur Prüfung von Sanierungsplänen (vgl. EBA, Report on the Convergence of Supervisory Practices, v. 14.7.2016 (EBA/Op/2016/11), Nr. 227 f.). Das einheitliche Regelwerk versteht sich als Oberbegriff für verschiedene verbindliche Rechtsakte, insb. die CRR, CRD und die BRRD. Die EBA koordiniert einen Q&A-Prozess zum einheitlichen Regelwerk. Zu unterscheiden ist das europäische Aufsichtshandbuch zudem vom sog. SSM-Aufsichtshandbuch (Supervisory Manual), bei dem es sich um ein rechtlich unverbindliches und sich dynamisch entwickelndes Instrument zur Anleitung der Mitarbeiter der EZB und der NCAs im SSM handelt (vgl. Bundesbank, Monatsbericht 10/2014, S. 54). Neben grundlegenden Prinzipien des SSM behandelt es die Zusammenarbeit im SSM, die Entscheidungsfindung, die bei Vor-Ort-Prüfungen zu befolgende Methodik, Risikobewertungen und den SREP (vgl. Bundesbank, Monatsbericht 10/2014, S. 54; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2014, S. 37 sowie Lutz, ZVglRWiss 2014, 496, 505). Nachdem das SSM-Aufsichtshandbuch zunächst nicht veröffentlicht wurde (vgl. die Kritik des EuRH, Sonderbericht Nr. 29/2016, v. 18.11.2016, Rz. 94, und bei Bierman/Doets, Tijdschrift voor Financieel Recht 2016, 225, 230), hat die EZB das SSM-Aufsichtshandbuch im März 2018 veröffentlicht. 348) Vgl. auch EZB, Leitfaden zur Bankenaufsicht, v. 9/2014, Rz. 4.

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IV. Anwendbares Recht 2.

Insbesondere: Verfahrensrecht

a)

Einleitung

Das Verfahrensrecht im SSM speist sich ebenso wie das materielle Recht aus verschiede- 186 nen Rechtsquellen.349) Im Zentrum steht die SSM-RahmenVO, die das anwendbare Verfahrensrecht jedenfalls teilweise kodifiziert und dabei auch allgemeine verfahrensrechtliche Vorgaben des Primärrechts konkretisiert.350) Das von der EZB anzuwendende Verfahrensrecht ist Eigenverwaltungsrecht und damit 187 grundsätzlich europarechtlicher Natur.351) Die Kompetenz und Pflicht der EZB zur Anwendung nationalen Richtlinienumsetzungsrechts gemäß Art. 4 Abs. 3 SSM-VO erstreckt sich nicht auf das Verfahrensrecht.352) Im Einzelfall muss indes durch Auslegung ermittelt werden, ob eine Vorschrift dem materiellen oder dem Verfahrensrecht zuzuordnen ist. So gehören z. B. Fristen für behördliche Entscheidungen (wie z. B. Art. 22 Abs. 6 CRD und § 2c Abs. 1b KWG) zum materiellen Recht und sind daher auch von der EZB zu beachten.353) Das von der EZB i. R. ihrer Aufsichtstätigkeit zu beachtende Verfahrensrecht ist maßgeb- 188 lich in Art. 22 SSM-VO und den Artt. 25 bis 35 der SSM-RahmenVO geregelt. Darüber hinaus unterliegt die EZB auch im Verfahrensrecht primärrechtlichen Bindungen und hat sonstiges verfahrensrechtliches Sekundärrecht zu beachten, auch wenn es nicht spezifisch die Bankenaufsicht betrifft, die EZB aber gleichwohl bindet. b)

Einzelne Verfahrensgrundsätze und -rechte

aa)

Tatsachenermittlung, -feststellung und -bewertung

Gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 SSM-RahmenVO ist die EZB grundsätzlich verpflichtet, 189 die Tatsachen zu ermitteln und festzustellen, die für den Erlass eines Beschlusses in einem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren relevant sind. Insbesondere bei Ermessenentscheidungen obliegt es der EZB, alle relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls sorgfältig und unparteiisch zu untersuchen und zu berücksichtigen.354) Die Partei hat eine Mitwirkungspflicht bei der Tatsachenaufklärung (Art. 28 Abs. 3 Satz 1 SSM-RahmenVO). Weniger strenge Anforderungen gelten im Falle eines auf Antrag eines Instituts einge- 190 leiteten Verfahrens. Hier kann sich die EZB nach den Vorgaben der SSM-RahmenVO zunächst darauf beschränken, vom Antragsteller die Beibringung der relevanten Tatsa___________ 349) Vgl. hierzu insb. die Beiträge im Kapitel “Unified administrative law at the European level” in: ESCB Legal Conference 2016, S. 197 ff. 350) Lackhoff in: ESCB Legal Conference 2016, S. 202, 205. 351) Koupepidou in: ESCB Legal Conference 2016, S. 198; Herdegen, WM 2012, 1889, 1896. 352) Vgl. ErwG 34 Satz 3 SSM-VO: „Liegen die materiellen Vorschriften für die Beaufsichtigung von Kreditinstituten in Form von Richtlinien vor, so sollte die EZB die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der betreffenden Richtlinien anwenden.“ So auch: Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 16; Berger, WM 2016, 2361, 2332. 353) So im Ergebnis auch Arranz in: ESCB Legal Conference 2016, S. 260, 263, sowie ECB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, Schreiben v. 31.3.2017, S. 3. 354) Vgl. EuGH, Urt. v. 21.11.1991 – Rs. C-269/90 (Technische Universität München), Rz. 14, ECLI:EU:C:1991:438 = Slg. 1991, I-5469, und EuGH, Urt. v. 22.11.2007 – C-525/04 P (Spanien/ Kommission), Rz. 58, ECLI:EU:C:2007:698 = Slg. 2007, I-9947; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-733/16 (Banque Postale/EZB), Rz. 70, ECLI:EU:T:2018:477; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-745/16 (BPCE/ EZB), Rz. 67, ECLI:EU:T:2018:476; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-751/16 (Confédération nationale du Crédit mutuel/EZB), Rz. 72, ECLI:EU:T:2018:475; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-757/16 (Société générale/EZB), Rz. 67, ECLI:EU:T:2018:473; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-758/16 (Crédit Agricole/EZB), Rz. 31, ECLI:EU:T:2018:472; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-768/16 (BNP Paribas/EZB), Rz. 31, ECLI:EU:T:2018:471.

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§2

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

chen zu verlangen (Art. 28 Abs. 3 Satz 2 SSM-RahmenVO). Gleichwohl obliegt der EZB auch hier grundsätzlich die Ermittlung und sorgfältige Prüfung aller relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls.355) bb)

Rechtliches Gehör

191 Vor Erlass eines belastenden Beschlusses hat die EZB die Partei, an die der Beschluss gerichtet ist, anzuhören (Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 SSM-VO, Art. 31 Abs. 1 Satz 1 SSM-RahmenVO). Gleiches folgt aus Art. 41 Abs. 2 lit. a EuGRCh und aus allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts.356) 192 Gegenstand der Anhörung sind die für den Beschluss erheblichen Tatsachen, Beschwerdepunkte und Rechtsgründe. Der Begriff der „Beschwerdepunkte“ (engl.: objections) bezieht sich auf aus Sicht der EZB vorliegende Rechtsverletzungen, die zur Grundlage einer Aufsichtsmaßnahme gemacht werden, oder tatsächliche oder rechtliche Hindernisse, die einem Antrag entgegenstehen.357) 193 Üblicherweise wird rechtliches Gehör im schriftlichen Verfahren gewährt.358) Die Stellungnahme ist innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Anhörungsschreibens abzugeben (Art. 31 Abs. 3 SSM-RahmenVO), in gemeinsamen Verfahren innerhalb von drei Arbeitstagen. Die Frist kann verlängert, unter besonderen Umständen aber auch auf bis auf drei Arbeitstage verkürzt werden. 194 Außer in auf den Erlass von Sanktionen gerichteten Verfahren (Art. 31 Abs. 6 SSMRahmenVO) kann die EZB ausnahmsweise auf eine vorherige Anhörung verzichten, wenn es sich um dringende Maßnahmen handelt, die zur Abwendung eines ernsthaften Schadens vom Finanzsystem notwendig sind (Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 SSM-VO; Art. 31 Abs. 4 SSM-RahmenVO). Die Anhörung ist dann nach Erlass des Beschlusses unverzüglich nachzuholen. Dagegen besteht keine Generalklausel, nach der die EZB von einer Anhörung absehen könnte, wenn sie nach den sonstigen Umständen des Einzelfalls nicht geboten erscheint (vgl. § 28 Abs. 2 VwVfG). 195 Institute und andere Personen, die nicht Partei des Aufsichtsverfahrens sind, die Handlungen der EZB aber anderweitig (unmittelbar und individuell) betreffen, haben nach den Regelungen der SSM-RahmenVO kein Anhörungsrecht. Ein solches kann sich gleichwohl aus dem Primärrecht (insbesondere Art. 41 Abs. 2 lit. a EuGRCh) ergeben, dem eine solche Beschränkung fremd ist.359) cc)

Akteneinsicht

196 Das Recht auf Akteneinsicht folgt aus Art. 41 Abs. 2 EuGRCh, Art. 22 Abs. 2 Satz 2 und 3 SSM-VO und Art. 32 SSM-RahmenVO. Im administrativen Überprüfungsverfahren besteht eine Sonderregelung (vgl. Art. 20 ABoR-Beschluss). 197 Gemäß Art. 32 Abs. 2 SSM-RahmenVO besteht die Akte aus sämtlichen Dokumenten, die von der EZB während des EZB-Aufsichtsverfahrens erlangt, erstellt oder zusammengestellt wurden. Auf das Speichermedium kommt es dabei nicht an. ___________ 355) Vgl. nur v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 417 f.; Hofmann/Rowe/Türk, Administrative Law and Policy of the European Union, S. 195; Terhechte-Fehling, Verwaltungsrecht der EU, § 12 Rz. 27; Jarass, GrCh, Art. 41 Rz. 30; Schammo, ELR (2017), 3, 20 f. 356) Vgl. allgemein zum rechtlichen Gehör Hofmann/Rowe/Türk, Administrative Law and Policy of the European Union S. 206 ff. 357) Lackhoff, JIBLR 2014, 498, 504. 358) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.3. 359) Lackhoff in: ESCB Legal Conference 2016, S. 202, 205; Wojcik in: ESCB Legal Conference 2016, S. 211, 215.

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IV. Anwendbares Recht

Einschränkungen des Einsichtsrechts können sich aufgrund des Schutzes von Geschäfts- 198 geheimnissen anderer juristischer und natürlicher Personen sowie des Schutzes personenbezogener Daten ergeben. Zudem nimmt die SSM-RahmenVO „vertrauliche Informationen“ vom Anspruch aus. Hierunter versteht Art. 32 Abs. 5 SSM-RahmenVO interne Dokumente der EZB oder NCAs sowie Korrespondenz zwischen der EZB und einer NCA oder zwischen den NCAs. dd)

Anwaltliche Vertretung

Parteien können sich im Verfahren vor der EZB anwaltlich vertreten lassen (Art. 27 Abs. 1 199 SSM-RahmenVO). Die Bevollmächtigung hat grundsätzlich schriftlich zu erfolgen. Bestellt eine Partei einen Vertreter, ist die Kommunikation durch die EZB grundsätzlich mit diesem zu führen (Art. 27 Abs. 3 SSM-VO). Dies gilt solange, bis der EZB der Widerruf der Vollmacht schriftlich zur Kenntnis gebracht wurde (Art. 27 Abs. 2 SSM-RahmenVO). ee)

Begründungspflicht

Gemäß Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 SSM-VO und Art. 33 Abs. 1 SSM-RahmenVO sind 200 Beschlüsse der EZB zu begründen. Dies wiederholt die bereits primärrechtlich gemäß Art. 296 Abs. 2 AEUV und Art. 41 Abs. 2 EuGRCh bestehende Pflicht, die zu Recht als zentrale rechtsstaatliche Garantie und wesentliche Voraussetzung der Legitimität europäischer Rechtssetzung und Verwaltung bezeichnet wird.360) Art. 33 Abs. 2 SSMRahmenVO präzisiert, dass sich die Begründung auf die wesentlichen Tatsachen und die Rechtsgründe zu erstrecken hat, auf welche der Beschluss gestützt ist.361) Dies dürfen nur solche Tatsachen und Beschwerdepunkte sein, zu denen sich eine Partei zuvor äußern konnte, es sei denn, eine vorherige Anhörung war im Ausnahmefall entbehrlich (Art. 33 Abs. 3 SSM-RahmenVO sowie Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 SSM-RahmenVO). Entsprechend hat die EZB in der Begründung die Rechtsgrundlage für den Beschluss zu nennen, die maßgeblichen Tatsachen zu bennenen und die rechtlichen und aufsichtlichen Erwägungen zu erläutern, die so klar und vollständig sein müssen, dass sie das Verständnis des Beschlusses ohne die Hinzuziehung weiterer Unterlagen ermöglichen.362) Umfang und Detailgrad der Begründung richten sich nach den Umständen des Einzel- 201 falls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können.363) Sie muss „der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann“.364) Die Begründung muss zudem folge-

___________ 360) Grabitz/Hilf/Nettesheim-Krajewski/Rösslein, EUV/AEUV, Art. 296 AEUV Rz. 9 ff. m. w. N. 361) Vgl. auch EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.3. 362) Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 14 (m. Fn. 35). 363) EuGH, Urt. v. 29.9.2011 – Rs. C-521/09 P (Elf Acquitaine/Kommission), Rz. 150, ECLI:EU:C:2011:620; EuGH, Urt. v. 15.11.2012 – Rs. C-417/11 P (Rat/Bamba), Rz. 53, ECLI:EU:C:2012:718. 364) EuGH, Urt. v. 29.9.2011 – Rs. C-521/09 P (Elf Acquitaine/Kommission), Rz. 147, ECLI:EU:C:2011:620.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

richtig sein und darf keine inneren Widersprüche aufweisen, die das Verständnis der Gründe erschweren.365) 202 Gerade Einzelfallentscheidungen sind besonders sorgfältig zu begründen, da dies dem Betroffenen eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung (und damit auch der Erfolgsaussichten einer Anfechtung) ermöglichen soll.366) Dies gilt insbesondere für belastende Beschlüsse.367) Entsprechend ist die Begründung dem Betroffenen grundsätzlich gleichzeitig mit der Entscheidung mitzuteilen; ihr Fehlen kann nicht dadurch geheilt werden, dass der Betroffene die Gründe für die Entscheidung während des gerichtlichen Verfahrens vor den Unionsinstanzen erfährt.368) Die Verletzung der Begründungspflicht führt daher grundsätzlich zur Aufhebung des Beschlusses in einem gerichtlichen Verfahren.369) 203 Indes hat das EuG und – ihm folgend – der EuGH diesen Grundsatz insofern erheblich eingeschränkt, als Ausführungen in einer ABoR-Stellungnahme gemäß Art. 24 Abs. 7 Satz 1 SSM-VO, die gemäß Art. 24 Abs. 9 SSM-VO und Art. 18 ABoR-Beschluss dem Antragsteller nach Durchführung des ABoR-Verfahrens bekanntgegeben wird (vgl. dazu noch Rz. 253) jedenfalls dann zum Kontext der Begründung des EZB-Aufsichtsbeschlusses zählen, wenn im Beschluss „[…] im Einklang mit dem in der Stellungnahme des [ABoR] enthaltenen Vorschlag entschieden wurde“ und dieser daher „an diese Stellungnahme anknüpft“. Die in der Stellungnahme enthaltenen weitergehenden Erläuterungen des ABoR sind daher für die Beurteilung, ob der angefochtene Beschluss ausreichend begründet ist, zu berücksichtigen.370) Dies entlastet die EZB ganz erheblich von den Begründungsanforderungen des Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 SSM-VO und Art. 33 Abs. 1 SSM-RahmenVO und beeinträchtigt letztlich die Effektivität des ABoR-Verfahrens, da Antragsteller durch Inanspruchnahme administrativen Rechtsschutzes einer möglichen Verfahrensrüge im gerichtlichen Verfahren verlustig gehen und hiervon schon deshalb Abstand nehmen könnten (siehe noch Rz. 257). ff)

Sprache

204 Die EZB und die NCAs kommunizieren im Wesentlichen auf Englisch, der Arbeitssprache des SSM (vgl. Art. 23 SSM-RahmenVO).371) Institute und sonstige Betroffene hinge___________ 365) EuGH, Urt. v. 29.9.2011 – Rs. C-521/09 P (Elf Acquitaine/Kommission), Rz. 151, ECLI:EU:C:2011:620; EuG, Urt. v. 14.3.2013 – Rs. T-587/08 (Fresh Del Monte Produce/Kommission), Rz. 279, ECLI:EU:T:2013:129; EuG, Urt. v. 15.5.2017 – Rs. T-122/15 (Landeskreditbank Baden-Württemberg/ EZB), Rz. 131, ECLI:EU:T:2017:337 = EuZW 2017, 461. 366) EuGH, Urt. v. 29.9.2011 – Rs. C-521/09 P (Elf Aquitaine/Kommission), Rz. 148, ECLI:EU:C:2011:620; EuGH, Urt. v. 15.11.2012 – Rs. C-417/11 P (Rat/Bamba), Rz. 49, ECLI:EU:C:2012:718; EuGH, Urt. 8.5.2013 – Rs. C-508/11 P (Eni/Kommission), Rz. 71, ECLI:EU:C:2013:289; EuGH, Urt. 11.7.2013 – Rs. C-439/11 P (Ziegler/Kommission), Rz. 115, ECLI:EU:C:2013:513; EuG, Urt. v. 15.5.2017 – Rs. T-122/15 (Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB), Rz. 123, ECLI:EU:T:2017:337 = EuZW 2017, 461. 367) Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 14 (Fn. 35). 368) EuGH, Urt. v. 29.9.2011 – Rs. C-521/09 P (Elf Aquitaine/Kommission), Rz. 148, ECLI:EU:C:2011:620; EuGH, Urt. v. 13.6.2013 – Rs. C-511/11 (Versalis/Kommission), Rz. 141, ECLI:EU:C:2013:386. 369) Wojcik in: ESCB Legal Conference 2016, S. 211, 218. 370) EuG, Urt. v. 15.5.2017 – Rs. T-122/15 (Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB), Rz. 27; ECLI:EU:T:2017:337 = EuZW 2017, 461; EuGH, Urt. v. 8.5.2019 – Rs. C-450/17 P (Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB), Rz. 93, ECLI:EU:C:2019:372. Ebenso: EuG, Urt. v. 13.12.2017 – Rs. T-712/15 (Crédit Mutuel Arkéa/EZB), Rz. 51, ECLI:EU:T:2017:900; EuG, Urt. v. 13.12.2017 – Rs. T-52/16 (Crédit Mutuel Arkéa/EZB), Rz. 49, ECLI:EU:T:2017:902. 371) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2014, S. 80; EuRH, Sonderbericht Nr. 29/2016, v. 18.11.2016, Rz. 106; EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.3.

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IV. Anwendbares Recht

gen haben gemäß Art. 3 der Verordnung 1/1958 (Sprachen-VO), die – wie ErwG 62 SSMVO klarstellt – gemäß Art. 342 AEUV auch für die EZB gilt, das Recht, Dokumente der EZB einschließlich Aufsichtsbeschlüsse in der Sprache ihres Mitgliedstaats zu erhalten (vgl. auch Art. 41 Abs. 4 EuGRCh). Zwar können Institute und EZB die Wahl einer anderen Sprache vereinbaren (Art. 24 Abs. 2 SSM-RahmenVO), doch bestanden im Jahr 2016 insgesamt 38 Banken, im Jahr 2017 33 Banken, im Jahr 2018 35 Banken und im Jahr 2019 34 Banken auf die Abfassung von Beschlüssen in der Sprache ihres Mitgliedstaats.372) gg)

Nebenbestimmungen

Die SSM-VO und weitestgehend auch die SSM-RahmenVO schweigen zur Frage, ob und 205 unter welchen Voraussetzungen Beschlüsse der EZB mit Nebenbestimmungen versehen werden können. Allein im Zusammenhang mit der Erlaubniserteilung spricht Art. 76 Abs. 3 SSM-RahmenVO von der Möglichkeit der NCAs, den Entwurf eines Zulassungsbeschlusses mit Empfehlungen (Recommendations) zu versehen oder an Bedingungen (Conditions) und Beschränkungen (Restrictions) zu knüpfen. Nicht erwähnt werden hingegen Auflagen (Requirements373) oder Obligations). Gleichwohl ist davon auszugehen, dass Nebenbestimmungen nicht nur dann, wenn sie im von der EZB anzuwendenden nationalen Recht vorgesehen sind, sondern auch i. Ü. erlassen werden können.374) Dies folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der die EZB dazu verpflichtet, statt der vollständigen Ablehnung eines Antrags als milderes Mittel eine mit Nebenbestimmungen versehene Genehmigung auszusprechen, jedenfalls soweit z. B. (erst) eine Auflage die Rechtmäßigkeit der Entscheidung sicherstellt.375) Zwischenzeitlich hat sich die Nutzung von Nebenbestimmungen („ancillary provisions“) 206 durch die EZB etabliert. In ihrer Verwaltungspraxis unterscheidet die EZB zwischen folgenden Arten von Nebenbestimmungen:376) x

Unter einer Bedingung (Condition) versteht die EZB eine dem beaufsichtigten Unternehmen anstelle eines ablehnenden Beschlusses erteilte Vorgabe. Die EZB verfügt eine solche Bedingung nur, soweit sie zur Sicherstellung einer rechtskonformen Entscheidung notwendig ist. Je nach Art der Bedingung entfaltet der EZB-Beschluss entweder bis zu ihrer Erfüllung keine Wirkung (aufschiebende Bedingung) oder verliert nach deren Eintritt seine Gültigkeit (auflösende Bedingung).

x

Auflagen (Obligations) sind zusätzliche Anforderungen, die ein Adressat (oft innerhalb einer Frist) erfüllen muss. Ihre Nicht- oder verspätete Erfüllung wirkt sich daher nicht automatisch auf die Wirksamkeit des EZB-Beschlusses aus. Allerdings kann ein

___________ 372) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2016, S. 60; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 83; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 73; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2019, S. 86. 373) Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 25.6.2015 – Rs. C-18/14 (CO Sociedad de Gestion y Participación), Rz. 25 – 34, ECLI:EU:C:2015:419 = EuZW 2015, 645. 374) Vgl. Lackhoff in: ESCB Legal Conference 2016, S. 202, 207 ff. und Hofmann/Rowe/Türk, Administrative Law and Policy of the European Union, S. 639 f. 375) Eingehend: Lo Schiavo, ECFR 2017, 94, 111 ff. 376) Vgl. insb. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.2 sowie EZB, Beschluss (EU) 2019/322 v. 31.1.2019 zur Übertragung der Befugnis zum Erlass von den im Rahmen nationaler Aufsichtsbefugnisse ergehenden Beschlüssen (EZB/2019/4), ABl. (EU) L 55/7 v. 25.2.2019, Art. 1 Nr. 13. Daneben auch: EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 5/2017, Stand: 5/2018, Nr. 2.1 und 7.2; EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, Nr. 2.3.1 (dort auch zu sog. Einschränkungen („limitations“)) und EZB, Leitfaden zur Beurteilung von Zulassungsanträgen – Zulassungsanträge im Allgemeinen, v. 1/2019, Nr. 6.2 (dort auch zu sog. Vorabzusagen („ex ante commitments“) des Antragstellers, die insb. bei Zulassungsverfahren als vereinbarte Bedingungen oder Auflagen in den Beschluss aufgenommen werden können).

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§2

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden Verstoß Maßnahmen zur Durchsetzung (Enforcement), Sanktionen (Sanctions) oder einen Widerruf des Beschlusses nach sich ziehen.377)

x

Empfehlungen oder aufsichtliche Erwartungen sind nicht verbindliche Vorschläge der EZB.378)

207 Nebenbestimmungen können etwa einem Beschluss zur Erteilung einer Erlaubnis oder zur Freigabe einer bedeutenden Beteiligung ergehen. Adressaten der Nebenbestimmungen können nach Aufsicht der EZB nicht nur die bedeutend Beteiligten, sondern auch Institute und NCAs sein.379) Die EZB setzt Bedingungen, Auflagen und Empfehlungen zudem im Bereich der Eignungs- und Zuverlässigkeitsprüfungen von Geschäftsleitern ein.380) So hat sie Zustimmungsbeschlüsse z. B. von zusätzlichen Fortbildungsmaßnahmen oder von dem Verzicht auf eine Funktion außerhalb der Bank abhängig gemacht, soweit diese Funktion Interessenkonflikte zur Folge gehabt oder nicht genügend Zeit für die Tätigkeit als Geschäftsleiter gelassen hätte. hh) Widerruf und Rücknahme von Beschlüssen 208 Weder die SSM-VO noch die SSM-RahmenVO regeln Widerruf und Rücknahme von Beschlüssen. Gleichwohl ist unbestritten, dass die Aufhebung von Maßnahmen des Eigenverwaltungsrechts unter Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes grundsätzlich möglich ist.381) Wie im deutschen Recht unterscheidet auch das europäische Verwaltungsrecht hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Aufhebung zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Beschlüssen und differenziert weiter danach, ob der Beschluss den Adressaten begünstigt oder belastet. Da die Voraussetzungen i. E. allerdings bislang in der Rechtsprechung der europäischen Gerichte nicht abschließend geklärt sind, wäre eine ausdrückliche Klarstellung in der SSM-RahmenVO geboten gewesen. V.

Handlungsformen im SSM

209 Die EZB ist nach der SSM-VO zuvörderst Aufsichtsbehörde, die i. R. ihrer Zuständigkeit das einschlägige Unionsrecht sowie nationales Richtlinienumsetzungsrecht anwendet (Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 SSM-VO). Sie hat weder einen Auftrag noch eine Zuständigkeit zur Harmonisierung des materiellen Aufsichtsrechts. Hierfür ist weiterhin – neben dem europäischen Gesetzgeber – die EBA zuständig, deren Aufgaben die EZB nicht usurpieren darf (ErwG 32 SSM-VO),382) auch wenn dies in der Praxis nicht immer durchgehalten wird.383) Vielmehr hat die EZB i. R. ihrer Aufsichtstätigkeit Leitlinien und Empfehlungen der EBA gemäß Art. 16 EBA-VO Nr. 1093/2010 (soweit sie eine Einhaltung nicht gemäß Art. 16 Abs. 3 EBA-VO Nr. 1093/2010 ablehnt) und das von der EBA ___________ 377) Hierzu Lo Schiavo, ECFR 2017, 94, 113; Lackhoff in: ESCB Legal Conference 2016, S. 202, 209. 378) Vgl. z. B. EZB, Leitfaden zur Beurteilung von Zulassungsanträgen – Zulassungsanträge im Allgemeinen, v. 1/2019, Nr. 6.2. 379) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 41 (m. Fn. 26). 380) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2016, S. 41; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 58. 381) Lübbig, EuZW 2003, 233; Hofmann/Rowe/Türk, Administrative Law and Policy of the European Union, S. 632 ff., und v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 396 ff. Zur Thematik der Aufhebung von Aufsichtsmaßnahmen durch die nach Zuständigkeitswechsel im SSM zuständige Behörde vgl. Hilbert, Die Verwaltung 2017, 189. 382) Vgl. auch Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil A Kap. II Rz. 45; v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Schulte, Europäisches Unionsrecht, Art. 132 AEUV Rz. 85. 383) Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 50 f.

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§2

V. Handlungsformen im SSM

ausgearbeitete europäische Aufsichtshandbuch zu beachten (Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 2 SSM-VO, vgl. bereits Rz. 185). An diesen Grundsätzen richten sich die Handlungsformen der EZB im SSM aus. Primärrechtlich stehen der EZB zur Erfüllung der dem ESZB übertragenen Aufgaben 210 die Instrumente der Verordnung, des Beschlusses, der Empfehlung und der Stellungnahme384) zur Verfügung (Art. 132 AEUV und Art. 34.1 ESZB/EZB-Satzung). Darüber hinaus kann sie zur Regelung interner Angelegenheiten des ESZB Leitlinien und Weisungen erlassen (vgl. Art. 12.1. ESZB/EZB-Satzung).385) Entsprechend regelt die SSM-VO die in Betracht kommenden Handlungsformen der EZB i. R. des SSM gesondert in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 SSM-VO und für den Bereich der indirekten Aufsicht in Art. 6 Abs. 5 lit. a SSM-VO. Diese Instrumente orientieren sich eng an den der EZB zur Durchführung ihrer Zentralbankaufgaben zur Verfügung stehenden Handlungsformen. Spezifische Vorgaben für Handlungsformen der NCAs im SSM enthält die SSM-VO hingegen nicht. 1.

Beschlüsse

Die EZB kann sich zunächst des Instruments des Beschlusses bedienen. Wichtigste Un- 211 tergruppe ist die der adressatenbezogenen Beschlüsse i. R. der laufenden Aufsicht über bedeutende Institute und – in untergeordnetem Maße – auch gegenüber weniger bedeutenden Instituten, soweit die EZB hier direkte Vollzugszuständigkeiten hat (z. B. nach den Artt. 10 bis 13 sowie Art. 14 SSM-VO). Entsprechend definiert Art. 2 Nr. 26 SSMRahmenVO den „EZB-Aufsichtsbeschluss“ ohne Differenzierung zwischen bedeutenden und weniger bedeutenden Instituten als Rechtsakt, x

der von der EZB i. R. der Erfüllung ihrer Aufgaben und Ausübung ihrer Befugnisse, die ihr durch die SSM-VO übertragen wurden, erlassen wurde,

x

der die Form eines Beschlusses der EZB annimmt, der sich an ein oder mehrere beaufsichtigte Unternehmen (Art. 2 Nr. 20 SSM-RahmenVO) oder beaufsichtigte Gruppe (Art. 2 Nr. 21 SSM-RahmenVO) oder an eine oder mehrere Personen richtet

x

und kein allgemeingültiger Rechtsakt ist.

Die SSM-RahmenVO knüpft an diese Definition weitere Rechtsfolgen, maßgeblich die 212 Geltung verfahrensrechtlicher Bestimmungen i. R. des sog. „EZB-Aufsichtsverfahrens“ (Art. 2 Nr. 24 SSM-RahmenVO).386) Zudem können Beschlüsse der EZB auch gegenüber NCAs erlassen werden; hierbei handelt 213 es sich aber nicht um EZB-Aufsichtsbeschlüsse i. S. der genannten Definition. Beispiel hierfür ist der Beschluss der EZB über die Lieferung der aufsichtlichen Daten an die EZB.387)

___________ 384) Hierzu zählen insb. Stellungnahmen gemäß Art. 25.1 ESZB/EZB-Satzung zur Aufsicht über Kreditinstitute. Stellungnahmen der EZB spielen indes im Wesentlichen im Zusammenhang mit dem Anhörungsrecht gemäß Art. 127 Abs. 4 AEUV zu Unions- und nationalen Gesetzgebungsvorhaben eine Rolle und sind kein spezifisches Mittel der Bankenaufischt (vgl. etwa Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 97 (m. Fn. 3). Allgemein zu Stellungnahmen vgl. v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Schulte, Europäisches Unionsrecht, Art. 132 AEUV Rz. 20 ff. 385) Zu den Rechtsinstrumenten der EZB i. R. des ESZB vgl. auch EZB, Die Rechtsinstrumente der EZB, in: Monatsbericht 11/1999, S. 61. 386) Zum Verfahren s. o. unter Rz. 186 ff. 387) EZB, Beschluss v. 2.7.2014 über die Lieferung der aufsichtlichen Daten an die Europäische Zentralbank, die von den beaufsichtigen Unternehmen gemäß der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 der Kommission den nationalen zuständigen Behörden gemeldet werden (EZB/2014/29), ABl. L (EU) 214/34 v. 19.7.2014.

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§2

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

214 Auch wenn die Begriffsbestimmung der Ausichtsbeschlüsse adressatenlose Beschlüsse der EZB gerade nicht erfasst, sind solche ebenso möglich.388) Beispiele sind der Delegationsrahmenbeschluss und die unter ihm ergangenen Ermächtigungs- und Ernennungsbeschlüsse (siehe dazu Rz. 146) sowie der ABoR-Beschluss (vgl. Rz. 163).389) Da es sich hierbei um einen allgemeingültigen Rechtsakt handelt, stellt ein adressatenloser Beschluss keinen „EZB-Aufsichtsbeschluss“ dar. Von den Aufsichtsbeschlüssen unterscheidet die EZB sog. einfaches Verwaltungshandeln (Operational Acts), zu dem sie aufsichtliche Erwartungen, Äußerungen und sonstige Maßnahmen zählt, die allesamt nicht verbindlich sind (dazu noch Rz. 229).390) 215 Das Verfahren zum Erlass von Beschlüssen richtet sich nach Art. 26 der SSM-VO und der EZB-GO, insbesondere Art. 13g (dazu Rz. 142 ff.). 2.

Empfehlungen

216 Empfehlungen legen den Adressaten ein bestimmtes Verhalten nahe und drücken damit aufsichtliche Erwartungen aus,391) sind aber nicht verbindlich (Art. 288 Abs. 5 AEUV). Sie können gegenüber NCAs,392) Instituten oder sonstigen Dritten zum Einsatz kommen.393) Bisweilen richtet die EZB in demselben Instrument Empfehlungen unmittelbar an bedeutende Institute und die NCAs in Bezug auf weniger bedeutende Institute.394) Soweit sich die Empfehlungen an NCAs richten, handelt es sich um eine Alternative zu den verbindlichen Leitlinien, die zum Einsatz kommt, um den NCAs mehr Spielraum zu geben.395) 3.

Leitlinien

217 Das Instrument der (rechtsverbindlichen)396) Leitlinie ist – ebenso wie i. R. des ESZB gemäß Art. 12.1 ESZB/EZB-Satzung397) – auf die Regelung interner Angelegenheiten des SSM beschränkt.398) Entsprechend richten sich die von der EZB erlassenen Leitlinien auch

___________ 388) 389) 390) 391) 392)

393) 394)

395) 396)

397)

398)

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Vgl. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.2; Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 101. Weitere Beispiele bei Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 101 f. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.2. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.2. Etwa die EZB, Empfehlung v. 4.4.2017 zu einheitlichen Kriterien für die Nutzung einiger im Unionsrecht eröffneter Optionen und Ermessenspielräume durch die nationalen zuständigen Behörden bei weniger bedeutenden Instituten (EZB/2017/10), ABl. (EU) C 120/2 v. 13.4.2017. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.2. Anders wohl Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil A Kap. II Rz. 47. Vgl. EZB, Empfehlung v. 28.1.2015 zur Politik bezüglich der Dividendenausschüttung (EZB/2015/2), ABl. (EU) C 51/1 v. 13.2.2015; EZB, Empfehlung v. 17.12.2015 zur Politik bezüglich der Dividendenausschüttung (EZB/2015/49), ABl. (EU) C 438/1 v. 30.12.2015; EZB, Empfehlung v. 13.12.2016 zur Dividenden-Ausschüttungspolitik (EZB/2016/44), ABl. (EU) C 481/1 v. 23.12.2016. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.2. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.2; Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 17 mit Fn. 26; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 190; Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 104. A. A.: Schuster, EuZW-Beilage 2014, S. 3, 6. Offen: Kämmerer, WM 2016, 1, 6. Zur Rechtverbindlichkeit der Leitlinien i. R. des ESZB vgl. Smits, The European Central Bank, S. 104. EZB, Die Rechtsinstrumente der EZB, in: Monatsbericht 11/1999, S. 61, 65 sowie Hahn/Häde, Währungsrecht, § 18 Rz. 18; v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Schulte, Europäisches Unionsrecht, Art. 132 AEUV Rz. 28 ff. und Siekmann-Ohler/Schmidt-Wenzel, EWU, Art. 132 AEUV Rz. 61. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 184 und 190.

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§2

V. Handlungsformen im SSM

ausschließlich an die EZB bzw. die NCAs,399) nicht aber an Institute und sind für diese auch nicht verbindlich.400) Die Leitlinie der EZB unterscheidet sich daher einerseits von der Leitlinie der EBA, die 218 sich nicht nur an die nationalen Aufsichtsbehörden, sondern gerade auch an die Institute richtet und zwar nicht verbindlich ist, Institute indes dazu verpflichtet, „alle erforderlichen Anstrengungen“ zur Befolgung zu unternehmen (vgl. Art. 16 Abs. 1 und 3 EBA-VO Nr. 1093/2010),401) andererseits von den von der Kommission etwa im Bereich des Beihilfenrechts erlassenen Leitlinien, bei denen es sich um organinterne Regelungen handelt, die das der Kommission eingeräumte Ermessen bei der Anwendung des Unionsrechts leiten und denen allenfalls begrenzte (Außen-)Rechtswirkung i. R. der Grundsätze der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes zukommt.402) Leitlinien sind nicht zwingend zu veröffentlichen, sondern müssen den NCAs in elektro- 219 nischer Form, per Telefax oder in Papierform bekannt gegeben werden (Art. 17a.2 EZBGO). Die EZB hat aber aus Transparenzgründen diejenigen Leitlinien veröffentlicht, an deren Kenntnis ein öffentliches Interesse besteht.403) 4.

Verordnungen

Wie Art. 4 Abs. 3 SSM-VO klarstellt, kann die EZB i. R. des SSM auch Verordnungen 220 (i. S. des Art. 288 AEUV) erlassen, die – wie auch die Verordnungen des Parlaments und des Rats – allgemeine Geltung haben und in den Mitgliedstaaten des Euroraums unmittelbar verbindlich sind.404) Vor Erlass einer Verordnung hat die EZB grundsätzlich eine öffentliche Anhörung (Konsultation) durchzuführen (Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 3 SSM-VO). EZB-Verordnungen sind im Amtsblatt zu veröffentlichten (Art. 297 Abs. 2 AEUV). Die EZB bedarf jeweils besonderer Ermächtigungsgrundlagen in der SSM-VO zum Erlass 221 von Verordnungen, hat also keine allgemeine Kompetenz zum Erlass von Verordnungen.405) Spezifische Verordnungsermächtigungen enthalten Art. 25 Abs. 5 Satz 4 SSMVO (Einrichtung der Schlichtungsstelle) und Art. 33 Abs. 2 Unterabs. 2 SSM-VO (Erlass ___________ 399) Vgl. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.2; EZB, Leitlinie (EU) 2015/856 v. 12.3.2015 über die Festlegung von Grundsätzen eines Ethik-Rahmens für den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) (EZB/2015/12), ABl. (EU) L 135/29 v. 2.6.2015; EZB, Leitlinie (EU) 2016/256 v. 5.2.2016 über die Erweiterung einheitlicher Regeln und Mindestanforderungen zum Schutz der Vertraulichkeit statistischer Daten, die von der Europäischen Zentralbank mit Unterstützung der nationalen Zentralbanken erhoben werden, auf die nationalen zuständigen Behörden der teilnehmenden Mitgliedstaaten und auf die Europäischen Zentralbank in ihrer Aufsichtsfunktion (EZB/2016/1), ABl. (EU) L 47/16 v. 24.2.2016; EZB, Leitlinie (EU) 2016/1993 v. 4.11.2016 über die Festlegung von Grundsätzen für die Koordination der Bewertung gemäß der CRR und die Überwachung institutsbezogener Sicherungssysteme für bedeutende und weniger bedeutende Institute (EZB/2016/37), ABl. (EU) L 306/32 v. 15.11.2016; EZB, Leitlinie (EU) 2016/1994 v. 4.11.2016 zum Ansatz bei der Anerkennung institutsbezogener Sicherungssysteme für Aufsichtszwecke durch die nationalen zuständigen Behörden gemäß der CRR (EZB/2016/38), ABl. (EU) L 306/37 v. 15.11.2016; EZB, Leitlinie (EU) 2017/697 v. 4.4.2017 über die Nutzung der im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessenspielräume durch die nationalen zuständigen Behörden bei weniger bedeutenden Instituten (EZB/2017/9), ABl. (EU) L 101/156 v. 13.4.2017. Vgl. hierzu auch v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Schulte, Europäisches Unionsrecht, Art. 132 AEUV Rz. 84. 400) Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 106. 401) Dazu auch Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 106. 402) Vgl. EuGH, Urt. v. 19.7.2016 – Rs. C-526/14 (Kotnik), Rz. 39, ECLI:EU:C:2016:570 = NJW 2016, 3774, sowie v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 246 ff. Zur Unterscheidung der Leitlinien von den allgemeinen Weisungen der EZB vgl. Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 105. 403) Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 106. 404) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.2: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Schulte, Europäisches Unionsrecht, Art. 132 AEUV Rz. 7; Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 98. 405) Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 98.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

der SSM-RahmenVO). Nicht ausdrücklich, aber in der Zusammenschau mit Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 3 SSM-VO ermächtigt Art. 30 Abs. 2 SSM-VO die EZB zudem zum Erlass einer Gebührenverordnung.406) 222 Im Übrigen kann die EZB i. R. des SSM Verordnungen nur erlassen, soweit dies für die Gestaltung oder Festlegung der Modalitäten zur Wahrnehmung der ihr durch die SSM-VO übertragenen Aufgaben erforderlich ist (Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 3 SSM-VO).407) Aus dem Wortlaut („allerdings nur soweit“) wird deutlich, dass Funktion des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 3 SSM-VO nicht etwa ist, Verordnungen als Handlungsinstrument der EZB im SSM allgemein zuzulassen.408) Vielmehr begrenzt die Vorschrift die Nutzung des Instruments – vorbehaltlich spezifischer Ermächtigungsgrundlagen in anderen Vorschriften der SSM-VO – eben auf die Regelung der „Modalitäten“, wie sie zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Unter den Begriff der „Modalitäten“ (Arrangements) fallen allein organisatorische und verfahrensrechtliche Vorschriften.409) Materielles Aufsichtsrecht im Verordnungswege (oder über Leitlinien und Empfehlungen)410) erst zu schaffen, ist der EZB daher verwehrt.411) Dies dürfte auch für bloße Konkretisierungen oder „Ausdifferenzierungen“ von Vorgaben der CRR und der CRD gelten.412) Es bleibt daher bei der Rolle der EBA als einzige europäische Regulierungsbehörde im Bereich der Bankenaufsicht.413) 223 Aufgrund des Verweises des Art. 132 Abs. 1 Spiegelstrich 1 AEUV und des Art. 34.1 ESZB/ EZB-Satzung auf Art. 25.2 ESZB/EZB-Satzung nimmt die EZB indes für sich in Anspruch, auch über „regulatorische Befugnisse“ zu verfügen, soweit diese zur Umsetzung der besonderen Aufgaben im Hinblick auf Maßnahmen betreffend die Beaufsichtigung von Kreditinstituten erforderlich sind.414) Ob sich die EZB daher als Aufsichtsbehörde mit einer „passiven Rolle“ im Rechtsetzungsprozess versteht,415) darf bezweifelt werden. ___________ 406) Verordnung (EU) Nr. 1163/2014 der Europäischen Zentralbank v. 22.10.2014, ABl. (EU) L 311/23 v. 31.10.2014. Die Verordnungsermächtigung ergibt sich aus dem Begriff „Modalitäten“, der in Art. 30 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 3 SSM-VO verwendet wird, sowie aus dem Erfordernis der Durchführung einer öffentlichen Anhörung vor Erlass. 407) Der englische Text der SSM-VO spricht von „organise“ und „specify“, was mit „Gestaltung“ und „Festlegung“ nur unzureichend übersetzt sein dürfte. 408) So aber: Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 98. 409) Rat, Beitrag des Juristischen Dienstes, Ergänzung zum EZB-Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten: Aufsichtlicher Risikovorsorge-Backstop für notleidende Risikopositionen – Allgemeine Überlegungen zu den Befugnissen der EZB, v. 23.11.2017 (Dok. 14837/17 limite), Nr. 23. Vgl. auch Parlament, Stellungnahme des Juristischen Dienstes zum Addendum zum Leitfaden der EZB für Banken zu notleidenden Krediten, v. 9.11.2017 (SJ-0693/17), Nr. 56 und Gurlit, EuZW-Beilage 2014, S. 14, 17. 410) Rat, Beitrag des Juristischen Dienstes, Ergänzung zum EZB-Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten: Aufsichtlicher Risikovorsorge-Backstop für notleidende Risikopositionen – Allgemeine Überlegungen zu den Befugnissen der EZB, v. 23.11.2017 (Dok. 14837/17 limite), Nr. 24. 411) Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 877; Gurlit, WM 2016, 2053, 2055; Gurlit, EuZW-Beilage 2014, S. 14, 17; Gurlit, WM 2020, 57, 64; Lefterov, ECB Legal Working Series Paper no. 15, S. 31 f., D’Ambrosio, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 78, S. 101; Brescia Morra in: Viro/Inravallo, Evolutions in the Law of International Organizations, S. 224, 236; Partsch, Droit bancaire et financier européen, Bd. 1, Rz. 936; Lehmann, EBI Working Paper Series 2017, no. 3, S. 16; Almhofer, Die Haftung der Europäischen Zentralbank für rechtswidrige Bankenaufsicht, S. 174. 412) Anders: v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Schulte, Europäisches Unionsrecht, Art. 132 AEUV Rz. 87. 413) Lutz, ZVglRWiss 2014, 496, 502. 414) ErwG. 1 VO (EU) 2016/445 und ECB, Feedback statement, Responses to the public consultation on a draft Regulation and draft Guide of the European Central Bank on the exercise of options and discretions available in Union law, v. 3/2016, Rz. 17 – 24. Vgl. auch Nr. 3 der EZB-Stellungnahme zum Entwurf der SSM-VO (EZB, Stellungnahme v. 27.11.2012 zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank und zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) (CON/2012/96), ABl. (EU) C 30/6, 10 v. 1.2.2013). 415) So Wymeersch, National Bank of Belgium, Working Paper no. 255, S. 13.

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V. Handlungsformen im SSM

Diese die Einschränkungen des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 3 SSM-VO missachtende 224 Auffassung könnte mit einem Verweis auf den Vorrang des Primärrechts (das eine entsprechende Restriktion jedenfalls nicht ausdrücklich kennt)416) begründet werden.417) Indes besteht die Verordnungsermächtigung nach dem Wortlaut des Art. 132 AEUV und des Art. 34 ESZB/EZB-Satzung nur insoweit, wie dies für die Erfüllung der in Art. 25.2. ESZB/EZB-Satzung festgelegten Aufgaben erforderlich ist. Art. 25.2. selbst legt aber keine Aufgaben fest, sondern ermöglicht eine Übertragung von Aufgaben durch Verordnung des Rats. Weiter als dieser Übertragungsrechtsakt (die SSM-VO) kann die Rechtssetzungsbefugnis gemäß Art. 132 AEUV und Art. 34 ESZB/EZB-Satzung somit nicht gehen.418) Die Beschränkung des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 3 SSM-VO auf die Gestaltung oder Festlegung der Modalitäten zur Wahrnehmung der der EZB durch die SSM-VO übertragenen Aufgaben ist daher von der EZB zu beachten.419) Problematisch ist die extensive Praxis der EZB auch deshalb, weil die Geltung von gemäß 225 Art. 132 AEUV und Art. 34.1 ESZB/EZB-Satzung erlassenen Verordnungen gemäß Art. 139 Abs. 2 lit. e AEUV und Art. 42.1 ESZB/EZB-Satzung auf Mitgliedstaaten beschränkt ist, deren Währung der Euro ist (vgl. auch ErwG 50 SSM-VO). Wird die EZB daher im Bereich des materiellen Aufsichtsrechts rechtssetzend tätig, führt dies zu unterschiedlichen materiellen aufsichtsrechtlichen Standards in der EU.420) Im Rahmen der sog. indirekten Aufsicht erlassene Verordnungen (Art. 6 Abs. 5 lit. a 226 SSM-VO) unterliegen jedenfalls nicht ausdrücklich den Beschränkungen des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 3 SSM-VO. Da es sich hierbei um Steuerungsmittel der EZB gegenüber den NCAs handelt, stellt sich hier die Frage, ob der EZB „regulatorische Befugnisse“ mit Außenwirkung gegenüber Instituten zustehen, nicht mit gleicher Brisanz wie im Bereich der direkten Aufsicht. Allerdings darf die EZB selbstverständlich auch im Bereich der indirekten Aufsicht nicht über die Steuerung der NCAs im Ergebnis materielles Recht setzen.421) 5.

Weisungen

Schließlich erlaubt es die SSM-VO der EZB i. R. der direkten Aufsicht gegenüber den 227 NCAs mittels Anweisungen im Einzelfall (vgl. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 3 Satz 1 SSM-VO, Art. 7 Abs. 1 und 4 SSM-VO und Art. 18 Abs. 5 Unterabs. 1 SSM-VO, siehe Rz. 76 ff.) bzw. im Bereich der indirekten Aufsicht mittels allgemeiner Weisungen (vgl. Art. 6 Abs. 5 lit. a SSM-VO) zu handeln (siehe Rz. 96).422) Hierbei handelt es sich jeweils um rechts___________ 416) Vgl. aber Siekmann-Langer, EWU, Art. 25 ESZB/EZB-Satzung Rz. 58: primärrechtliche Beschränkung auf „technische Ausführungsbestimmungen“. 417) So ist wohl ECB, Feedback statement, Responses to the public consultation on a draft Regulation and draft Guide of the European Central Bank on the exercise of options and discretions available in Union law, v. 3/2016, Rz. 23 zu verstehen. Zustimmend: Lamandini in: ECB Legal Conference 2015, S. 121, 123 ff. 418) Dies sieht auch Lamandini in: ECB Legal Conference 2015, S. 121, 124. 419) Entsprechend folgert D’Ambrosio, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 78, S. 106, dass der EZB keine Kompetenz zum Erlass von Verordnungen zur Ausübung von Optionen zusteht. Kritik auch vom Europäischen Parlament, Entschließung zur Bankenunion, v. 15.2.2017 (P8_TA-PROV(2017)0041), Nr. 11. Vgl. aber Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 185: „verleiht der EZB ein quasigesetzgeberisches Ermessen“. 420) Vgl. hierzu Siekmann-Langer, EWU, Art. 25 ESZB/EZB-Satzung Rz. 59; Chiti/Recine, EPL 24 (2018), 101, 118. 421) Vgl. D’Ambrosio, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 78, S. 104, wonach Verordnungen gemäß Art. 6 Abs. 5 lit. a SSM-VO lediglich Modalitäten regeln können, nach denen NCAs ihre Befugnisse wahrnehmen. 422) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.2.

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§2

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

verbindliche Instrumente,423) die die NCAs gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 2 SSM-VO zu befolgen haben. Bereits nach seinem Wortlaut („folgen den Anweisungen der EZB“) ist Art. 6 Abs. 3 Satz 2 SSM-VO selbst nicht Grundlage der Weisungsbefugnis der EZB – diese folgt allein aus anderen Vorschriften wie z. B. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 3 Satz 1 SSMVO bzw. Art. 6 Abs. 5 lit. a SSM-VO –, sondern betrifft ausschließlich die Bindungswirkung von Weisungen.424) Sie sind zu begründen und den NCAs elektronisch, per Telefax oder in Papierform bekannt zu geben (Art. 17a.3 EZB-GO). 6.

Verwaltungsvertrag

228 Obschon nicht ausdrücklich in der SSM-VO oder der SSM-RahmenVO angesprochen, kann statt des Erlasses eines Beschlusses auch ein Verwaltungsvertrag zwischen der EZB und beaufsichtigten Instituten abgeschlossen werden.425) Ein Beispiel für einen Verwaltungsvertrag zwischen der EZB und den beaufsichtigten Instituten ist die in Art. 24 Abs. 2 SSM-RahmenVO angesprochene Vereinbarung über die Nutzung einer Amtssprache in der schriftlichen Kommunikation.426) 7.

Sonstige Instrumente

229 In der Praxis beschränkt sich die EZB nicht auf den Katalog der in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 SSM-VO und Art. 6 Abs. 5 lit. a SSM-VO genannten Instrumente, sondern sucht Verhalten auch mittels unverbindlicher, aber nicht minder bedeutender „Soft-LawInstrumente“ zu steuern. Hierzu zählen insbesondere „aufsichtliche Erwartungen“ (Supervisory Expectations), „Grundsatzstrategien“ (Policy Stances), „gemeinsame Aufsichtsstandards“ (Joint Supervisory Standards – JSS) und „gemeinsame Aufsichtsmethoden“ (Common Methodologies) (siehe zu den beiden letztgenannten Instrumenten bereits oben Rz. 120).427) Daneben veröffentlicht die EZB aufsichtliche Äußerungen, Erklärungen oder Berichte, wie etwa den Bericht des SSM zu Governance und Risikobereitschaft vom Juni 2016. Soweit die EZB diese unverbindlichen Instrumente mit der erkennbaren Absicht veröffentlicht, sie von nun an auf die erfassten Fälle anzuwenden, beschränkt sie die Ausübung ihres Ermessens für die Zukunft und darf davon nicht ohne Grund abweichen, ohne gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes zu verstoßen.428)

___________ 423) Vgl. nur Kämmerer, WM 2016, 1, 6; Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 103. A. A. König, BaFin Journal 5/2014, S. 18, 20, nach der allgemeine Weisungen nicht bindend sind. Gurlit ordnet die EZB-Weisungen im SSM als Beschlüsse i. S. des Art. 288 Abs. 4 AEUV ein (vgl. Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 883); ebenso Witte, JFR 2015, 226, 258. 424) Entsprechend folgt aus Art. 6 Abs. 3 Satz 2 SSM-VO auch nicht ein unmittelbares Weisungsrecht im Einzelfall gegenüber NCAs in Bezug auf weniger bedeutende Institute (vgl. v. d. Groeben/Schwarze/ Hatje-Selmayr, Europäisches Unionsrecht, Art. 127 AEUV Rz. 60 mit Fn. 138; D’Ambrosio, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 78, S. 101). Zu Weisungen im ESZB als eigenes Rechtsinstrument zur Durchführung der Geldpolitik vgl. EZB, Die Rechtsinstrumente der EZB, in: Monatsbericht 11/1999, S. 61, 66, und v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Zilioli/Gruber, Europäisches Unionsrecht, Art. 12 ESZB/EZB-Satzung Rz. 16. 425) Vgl. zur Zulässigkeit des Verwaltungsvertrags als Handlungsinstrument im direkten Vollzug: v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 253 ff. und 375 f.; Hofmann/Rowe/Türk, Administrative Law and Policy of the European Union, S. 651 ff.; Stelkens/Bonk/Sachs-Stelkens, VwVfG, EuR Rz. 175 und § 54 Rz. 173 ff.; Ehlers/Pünder-Ehlers, AllgVerwR, § 5 Rz. 26 ff. 426) Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 460 f. 427) Arranz in: ESCB Legal Conference 2016, S. 260, 266 f.; Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 109, auch zu Berichten und „Schreiben an Geschäftsleiter“ („letters to CEOs“). 428) Dazu nur Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 106 f.

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V. Handlungsformen im SSM

Aufsichtliche Erwartungen sind zwischenzeitlich als aufsichtliches Instrument der EZB 230 etabliert und werden, soweit sie alle bedeutenden Institute betreffen, auf der EZB-Homepage veröffentlicht.429) Sie werden bisweilen in Leitfäden (Guidances oder Guides) wie z. B. dem Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit,430) dem Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten (NPL)431) oder den ICAAP- und ILAAP-Leitfäden432) zusammengefasst.433) Daneben spielen zunehmend auch institutsspezifische aufsichtliche Erwartungen eine Rolle, etwa i. R. des SREP. So teilt die EZB den Instituten gemeinsam mit der Bekanntgabe der (verbindlichen) Säule 2Anforderungen im SREP-Beschluss auch Säule 2-Empfehlungen mit. Bei diesen nunmehr auch in Art. 104b CRD geregelten Empfehlungen handelt es sich um institutsspezifische aufsichtliche Erwartungen hinsichtlich des Kapitals, das die Banken über die verbindlichen (Mindest- und Zusatz-)Anforderungen und die kombinierte Kapitalpufferanforderung hinaus vorhalten sollten (siehe dazu § 13 Rz. 103 ff. [Glos]). Die Verletzung der Säule 2Empfehlungen führt nicht ohne weiteres zu Beschränkungen, sondern zieht Korrekturmaßnahmen seitens der EZB nach sich.434) Insbesondere wird eine wiederholte Enttäuschung der aufsichtlichen Erwartung regelmäßig in einer Erhöhung der verbindlichen Säule 2-Anforderungen gemäß Art. 104a Abs. 1 lit. e CRD resultieren. Grundsatzstrategien (Policy Stances) betreffen allein das Verhältnis der EZB zu den NCAs 231 und werden (jedenfalls zunächst) nicht veröffentlicht. Hierzu gehört z. B. die beim Erwerb durch „spezielle Käufer“ zu beachtende Methodik im Inhaberkontrollverfahren.435) Unter „speziellen Käufern“ versteht die EZB Erwerber, die sich durch komplexe Unternehmensstrukturen, intransparente Corporate Governance, kurzfristige Anlagestrategien oder den Einsatz umfangreicher Fremdfinanzierungen oder Quasi-Fremdfinanzierungen auszeichnen. Hierzu gehören nach Ansicht der EZB z. B. Private-Equity-Fonds, Hedgefonds und Staatsfonds. Zudem bestehen Grundsatzstrategien zur Vorbereitung auf den „Brexit“.436) Da diese Grundsatzstrategien die Verwaltungspraxis im SSM maßgeblich determinieren, von der EZB wie den NCAs letztlich als verbindlich angesehen werden und die Verhaltenspflichten der Rechtsunterworfenen konkretisieren, ist die mangelnde Transparenz unter Rechtsstaatsgesichtspunkten äußerst bedenklich.437) Gleiches gilt für andere Instrumente (z. B. JSS, siehe dazu Rz. 120), die die EZB nicht veröffentlicht. ___________ 429) Vgl. z. B. EZB, Aufsichtliche Erwartungen an ICAAP und ILAAP sowie harmonisierte Erhebung von ICAAP- und ILAAP-Informationen, v. 8.1.2016; EZB, Aufsichtliche Erwartungen hinsichtlich der Funktionsweise und der Effektivität des Aufsichtsorgans und des Rahmens für die Risikobereitschaft (ECB, SSM supervisory statement on governance and risk appetite, v. 6/2016); ECB, Supervisory expectations on booking models, v. 8/2018. 430) EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 5/2017, Stand: 5/2018. 431) EZB, Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten, v. 3/2017. Zur fehlenden Verbindlichkeit und möglichen Folgen der Nichtbeachtung vgl. S. 6. S. a. EZB, Ergänzung zum Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten: aufsichtliche Erwartungen an die Risikovorsorge für notleidende Risikopositionen, v. 3/2018. 432) EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 11/2018, und EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Liquiditätsausstattung (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP), v. 11/2018. 433) Vgl. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.2.; Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 109. 434) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2016, S. 16. 435) Vgl. EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2015, S. 59; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2016, S. 41 mit Fn. 26 und S. 42; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 57; Arranz in: ESCB Legal Conference 2016, S. 260, 265. 436) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 67. 437) Vgl. auch die Kritik in EuRH, Sonderbericht Nr. 29/2016, v. 18.11.2016, Rz. 94.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

232 In Bezug auf alle genannten Instrumente stellt sich auch die Frage der Kompetenz der EZB. Selbst wenn man für den Erlass nicht rechtsverbindlicher Instrumente keine spezifische Rechtsgrundlage fordert, darf die EZB auch hier den Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben selbstverständlich nicht verlassen und muss die Zuständigkeit anderer Akteure (insbesondere der EBA) beachten. VI.

Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen der Bankenaufsicht im SSM

1.

Grundlagen

233 Die Gewährung effektiven Rechtsschutzes gegen Handlungen der EZB und der NCAs im SSM ist nicht nur ein Gebot des Primärrechts (vgl. nur Art. 47 Abs. 1 und 2 EuGRCh), sondern auch ein entscheidender Faktor für die Legitimität und Akzeptanz der bislang umfangreichsten Übertragung laufender Verwaltungsvollzugskompetenzen auf eine europäische Institution und mithin für den Erfolg oder Misserfolg des SSM. 234 Die Bedeutung des effektiven Rechtsschutzes ist umso größer, da die EZB – ebenso wie die NCA – im SSM unabhängig handelt (vgl. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 SSM-VO und ErwG 75 SSM-VO), dies sowohl im Bereich der direkten wie der mittelbaren Aufsicht.438) Die übrigen sog. „Rechenschaftsmechanismen“ (Accountability Mechanisms) der EZB sind im SSM zwar zahlreich, aber schwach ausgestaltet.439) Sie umfassen Regeln zur Transparenz und zur politischen und administrativen Rechenschaftspflicht der EZB (vgl. ErwG 55 SSM-VO). Zu den politischen Mechanismen gehören neben den Berichtspflichten an das Europäische Parlament, den Rat, die Kommission und die Euro-Gruppe (Art. 20 Abs. 2 SSMVO) insbesondere das Fragerecht des Europäischen Parlaments (Art. 20 Abs. 6 SSM-VO) und der nationalen Parlamente (Art. 21 Abs. 2 SSM-VO). In administrativer Hinsicht ist die EZB Gegenstand von Prüfungen durch den EuRH (vgl. Art. 20 Abs. 7 SSM-VO) sowie durch die EBA (i. R. ihrer Aufgaben gemäß Artt. 8 Abs. 1, 17 und 20a EBA-VO), die Kommmission (z. B. i. R. der regelmäßigen Überprüfungen gemäß Art. 32 SSM-VO) und den Europäischen Ombudsmann. Indes erlauben diese Mechanismen keine direkte Steuerung und ermöglichen damit auch nicht ohne weiteres die demokratische Rückbindung des Verwaltungshandelns der EZB. Vielmehr versetzen sie die genannten Stellen lediglich in die Lage, das Handeln der EZB im SSM „auf seine Rechtmäßigkeit [gerichtlich] überprüfen zu lassen (Art. 263 Abs. 2 AEUV) und [so] ihre sachlich-inhaltliche Bindung an das Unionsrecht durchzusetzen“.440) Die übrigen Rechenschaftsmechanismen rekurrieren somit in letzer Konsequenz wiederum auf den gerichtlichen Rechtsschutz, da ein für die EZB verbindliches Eingreifen sonst nur über die Änderung oder gar Aufhebung der SSMVO möglich wäre.441) 235 Die komplexe Zuständigkeitsverteilung zwischen EZB und NCAs sowie die vielfach ineinandergreifenden Beiträge beider Ebenen zur Vorbereitung und Durchführung von Entscheidungen führen indes auch beim Rechtsschutz zu Herausforderungen.442) Allgemein lässt sich jedoch festhalten, dass der Rechtschutz im SSM wie auch i. Ü. europäischen

___________ 438) BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 208, NJW 2019, 3204. 439) Zu diesen Mechanismen vgl. z. B. Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 7 ff. 440) BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 217, NJW 2019, 3204. 441) BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 217, NJW 2019, 3204. 442) Zu den sich im Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Erteilung und dem Entzug der Bankerlaubnis stellenden Problemen vgl. nur Müller/Fischer/Müller, WM 2015, 1505, und Kämmerer, WM 2016, 1, 5 f.

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Verwaltungsrecht dem sog. Trennungsprinzip folgt.443) Danach ist im Verwaltungsverbund Rechtsschutz gegen die Handlungen der verschiedenen Ebenen des Verbunds vor den Gerichten desjenigen Hoheitsträgers zu suchen, dessen Behörde den Akt erlassen oder unterlassen hat.444) Handelt somit die EZB, haben ausschließlich die europäischen Gerichte Rechtsschutz zu gewähren, denen die ausschließliche Zuständigkeit zur Überprüfung von Handlungen der EZB auf ihre Rechtmäßigkeit hin übertragen ist.445) Handelt hingegen eine NCA, ist Rechtsschutz vor den nationalen Gerichten zu suchen. Eine Klage gegen „den SSM“ ist bereits mangels Rechtspersönlichkeit des Mechanismus ausgeschlossen (siehe Rz. 10). Diese aus Gründen der Rechtssicherheit gebotene klare Zuständigkeitsverteilung wird 236 nicht dadurch in Frage gestellt, dass die NCAs die EZB i. R. des SSM vielfach sowohl vorbereitend als auch durchführend unterstützen. Handlungen der NCA gegenüber Instituten (siehe Rz. 79 und 86) i. R. der Unterstützung der EZB bei der Aufsicht über bedeutende Institute (z. B. solche auf Anweisung der EZB gemäß Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 3 SSM-VO) bleiben stets solche der NCA und sind vor den nationalen Gerichten zu verhandeln. Dies gilt auch dann, wenn eine Einzelweisung der EZB der NCA keinerlei Ermessensspielraum belässt.446) Ist das Institut von der Weisung der EZB an die NCA unmittelbar und individuell betroffen (Art. 263 Abs. 4 AEUV, siehe dazu Rz. 267 f.), so muss diese ggf. gesondert und zusätzlich zur Umsetzungsmaßnahme der NCA beklagt werden, um jeweils die Bestandskraft der Rechtsakte zu verhindern.447) Kommt eine Klage gegen die Weisung der EZB mangels unmittelbarer und individueller Betroffenheit nicht in Betracht, wird das nationale Gericht die Frage der Rechtmäßigkeit der Weisung regelmäßig dem EuGH gemäß Art. 267 AEUV vorlegen müssen. Sind die NCA hingegen nur vorbereitend in ein EZB-Verfahren eingebunden und entscheidet die EZB gegenüber den Instituten unmittelbar, bleibt es beim Vorgehen allein gegen die EZB.448) Auch i. R. der direkten Aufsicht über weniger bedeutende Institute handeln die NCAs in 237 eigener Zuständigkeit und nicht etwa als von den Mitgliedstaaten „verliehene“ Organe der EU oder als Mandatare der EZB (siehe oben Rz. 86),449) so dass für Handlungen der NCAs auch und gerade im Bereich der indirekten Aufsicht die mitgliedstaatlichen Gerichte zuständig bleiben.450)

___________ 443) Berger, WM 2015, 501, 504; allgemein: Dörr/Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rz. 102. Skeptisch: Kämmerer, WM 2016, 1, 2. 444) Ehlers/Schoch-Ehlers, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, § 6 Rz. 9; Terhechte-v. Arnauld, Verwaltungsrecht der EU, § 2 Rz. 30; Grabitz/Hilf/Nettesheim-Dörr, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 37; Schoch in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR III, § 50 Rz. 368. 445) EuGH, Urt. v. 19.12.2018 – Rs. C-219/17 (Berlusconi und Fininvest), Rz. 42, ECLI:EU:C:2018:1023. 446) So auch: Brescia Morra, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 81, S. 109, 129, und Kämmerer, WM 2016, 1, 5. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Grabitz/Hilf/Nettesheim-Dörr, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV, Rz. 37; Schoch/Schneider/Bier-Schmidt-Aßmann/Schenk, VwGO, Einleitung Rz. 116; Ehlers/Schoch-Ehlers, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, § 8 Rz. 12, und Thiele in: Hatje/MüllerGraff, EnzEuR, Bd. 3, § 9 Rz. 32. A. A.: Sacarcelik, BKR 2013, 353, 359; ihm wohl folgend: Lehmann/ Manger-Nestler, ZBB 2014, 2, 19. 447) Vgl. Weiß, Die Verwaltung 2005, 517, 541; de Gregorio Merino in: Bándi/Darák/Halustyik/Láncos, European Banking Union, Bd. 1, S. 151, 196. 448) EuGH, Urt. v. 19.12.2018 – Rs. C-219/17 (Berlusconi und Fininvest), Rz. 43, 56, ECLI:EU:C:2018:1023. 449) Andernfalls würde das Handeln der NCA der EZB zugerechnet, so dass Rechtsschutz vor den europäischen Gerichten zu suchen wäre (vgl. nur Ehlers/Schoch-Ehlers, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, § 6 Rz. 10). 450) So auch Brescia Morra, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 81, S. 109, 128.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

238 Die SSM-VO und der AEUV stellen den von Maßnahmen der EZB betroffenen Instituten und sonstigen Personen451) zwei Rechtsbehelfe zur Verfügung: x

einerseits die Überprüfung vor dem Administrativen Überprüfungsausschuss – ABoR (siehe Rz. 240 ff.) und

x

andererseits Rechtsschutz vor dem EuGH (siehe Rz. 237 ff.).

239 Der Rechtsschutz gegen Handlungen der NCAs im SSM folgt im Wesentlichen dem jeweiligen nationalen Recht und wird im Folgenden nicht weiter thematisiert. 2.

Rechtsschutz vor dem administrativen Überprüfungsausschuss (ABoR)

240 Aus Gründen der Stärkung des Rechtsschutzes und der Verfahrensökonomie (ErwG 64 SSM-VO), d. h. der Entlastung der europäischen Gerichte,452) sieht die SSM-VO ein Verfahren für die interne Überprüfung der Beschlüsse der EZB vor dem ABoR (siehe dazu bereits Rz. 163 ff.) vor. Um ein den §§ 68 ff. VwGO vergleichbares verpflichtendes Vorverfahren handelt es sich indes nicht. Nach Art. 24 Abs. 11 SSM-VO bleibt nämlich das Recht des Betroffenen unberührt, gemäß den Verträgen ein Verfahren vor dem EUGH453) anzustrengen. Die Durchführung des administrativen Überprüfungsverfahrens ist daher keine Zulässigkeitsvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren (vgl. auch ErwG 4 ABoRBeschluss: „fakultative Überprüfung“),454) dies auch nicht unter dem Aspekt des Rechtsschutzinteresses.455) a)

Zulässigkeit des Antrags

241 Ein Antrag auf administrative Überprüfung vor dem ABoR ist allein gegen Beschlüsse der EZB möglich.456) Rechtsakte der EZB, die nicht Beschlüsse sind (z. B. Verordnungen, Leitlinien und Empfehlungen), scheiden somit von vorneherein als Gegenstand eines Antrags aus. Bei dem Überprüfungsverfahren handelt es sich daher – insofern dem deutschen Widerspruchsverfahren vergleichbar – um einen rechtsformgebundenen Rechtsbehelf. Zudem müssen die Beschlüsse „nach der SSM-VO“ erlassen worden sein (vgl. Art. 24

___________ 451) Nicht näher beleuchtet werden im Folgenden Rechtsschutzmöglichkeiten der NCA bzw. der Mitgliedstaaten gegen Handlungen (insb. Anweisungen) der EZB. Dazu vgl. Kämmerer, WM 2016, 1, 6 f. 452) Lackhoff/Meissner, JIBLR 2015, 285, 286. 453) Die Abkürzung „EUGH“ ist im Deutschen nicht gebräuchlich, wird indes in ErwG 48 SSM-VO als „Gerichtshof der Europäischen Union“ entschlüsselt. Dieser umfasst gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EUV den Gerichtshof, das Gericht und die Fachgerichte. „EUGH“ ist demnach der Oberbegriff für alle europäischen Spruchkörper und ist nicht mit dem „EuGH“, d. h. dem Gerichtshof zu verwechseln. Die instanzielle Zuständigkeit des Gerichts (vgl. Art. 256 AEUV) berührt die SSM-VO daher nicht (s. dazu Rz. 261). 454) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.4. So auch: Witte, JFR 2015, 226, 258, und Berger, WM 2015, 501, 505; Lehmann/Manger-Nestler, ZBB 2014, 2, 19, und Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 14 und Fn. 38. Anders Ruthig, ZHR 178 (2014), 443, 470 f. Die Einrichtung eines zwingenden Vorverfahrens wäre nur mittels Änderung des Primärrechts möglich gewesen. Sekundärrechtsakte wie die SSMVO können nur im Falle von Klagen gegen „Einrichtungen und sonstige Stellen der Union“ besondere Bedingungen und Einzelheiten für die Erhebung von Klagen vorsehen (Art. 263 Abs. 5 AEUV). Die EZB ist indes Organ der Union. 455) So ist aber wohl v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Selmayr, Europäisches Unionsrecht, Art. 127 AEUV Rz. 60 zu verstehen. Offen: Kämmerer, WM 2016, 1, 8. 456) Das gilt ausdrücklich auch für Beschlüsse, die nach dem „Rahmen für die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen“ von Leitern von Arbeitseinheiten gefasst werden, vgl. Art. 8 Delegationsrahmenbeschluss.

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Abs. 5 SSM-VO). Beschlüsse der EZB im Zusammenhang mit währungspolitischen Aufgaben können nicht Gegenstand der Überprüfung durch den ABoR sein.457) Antragsbefugt sind natürliche oder juristische Personen (Art. 24 Abs. 5 Satz 1 SSM-VO). 242 Ob hierzu auch die NCAs gehören, stellen die SSM-VO und der ABoR-Beschluss im Gegensatz zu Art. 85 Abs. 3 SRM-VO nicht klar. Wie bei der Nichtigkeitsklage ist weitere Voraussetzung, dass die Person antragsbefugt ist. Das ist der Fall, wenn der Beschluss der EZB an die Person gerichtet ist (der Antragsteller also Adressat des Beschlusses ist) oder sie unmittelbar und individuell betrifft (Art. 24 Abs. 5 Satz 1 SSM-VO). Zur Auslegung kann auf die i. R. des Art. 263 Abs. 4 AEUV ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden (siehe unten Rz. 268).458) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe oder Kenntnisnahme schrift- 243 lich bei der EZB zu stellen und zu begründen (Art. 24 Abs. 6 SSM-VO).459) Weitere formale Anforderungen ergeben sich aus Art. 7 Abs. 4 und 5 ABoR-Beschluss. Hervorzuheben ist hierbei insbesondere die Antragsbegründung, da sich der ABoR bei seiner Prüfung auf die hierin vorgetragenen Tatsachen und Rechtsgründe beschränkt (vgl. Art. 10 Abs. 2 ABoR-Beschluss). Weitere Gründe sollen im weiteren Verfahren nicht vorgetragen werden können.460) Der Antrag kann jederzeit zurückgenommen werden.461) b)

Keine aufschiebende Wirkung des Antrags

Der Antrag hat keine aufschiebende Wirkung, jedoch kann der EZB-Rat auf Vorschlag 244 des administrativen Überprüfungsausschusses den Vollzug aussetzen (Art. 24 Abs. 8 SSM-VO). Dem Aufsichtsgremium ist nach Art. 9 Abs. 2 Satz 2 ABoR-Beschluss grundsätzlich zuvor die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Nach Art. 9 Abs. 2 Satz 1 ABoR-Beschluss kann der EZB-Rat den Vollzug der EZB-Entscheidung aussetzen, wenn der Antrag zulässig und nicht offensichtlich unbegründet ist und der sofortige Vollzug zu einem nicht wieder gutzumachenden Schaden des Antragstellers führen würde. Diese Anforderungen entsprechen im Wesentlichen den im gerichtlichen vorläufigen Rechtsschutz gemäß Artt. 278 und 279 AEUV geltenden,462) weswegen zur Auslegung auf die Rechtsprechung der europäischen Gerichte zurückgegriffen werden kann. Ein Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung des EZB-Rats zur aufschiebenden 245 Wirkung besteht nicht.463) Stattdessen kann das betroffene Institut Eilrechtsschutz gemäß Artt. 278 und 279 AEUV vor dem Gericht beantragen. Voraussetzung hierfür ist jedoch nach gegenwärtiger Rechtslage stets eine Klageerhebung.464) Droht durch den Vollzug des Beschlusses ein irreparabler Schaden, dürfte es sich daher regelmäßig empfehlen, parallel zum Aussetzungsantrag vor dem ABoR eine Klage und einen gerichtlichen Eilantrag vorzubereiten oder sogleich Klage zu erheben und einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu stellen. ___________ 457) Zagouras in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 124b Rz. 23. 458) Vgl. Witte, JFR 2015, 226, 259 f. 459) Die Fristberechnung richtet sich nach der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates v. 3.6.1971, ABl. (EU) L 124/1 v. 8.6.1971, vgl. Lackhoff/Meissner, JIBLR 2015, 285, 290. Eine Klarstellung im ABoR-Beschluss wäre wünschenswert. Zu den Einzelheiten der Fristberechnung nach der Fristen-VO vgl. Staudinger-Repgen, BGB, 2014, § 186 Rz. 19, § 188, Rz. 11, 16, 26, 28 und § 193 Rz. 6. 460) EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.4. 461) Vgl. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.4. 462) Dazu etwa Jaeger, Eilverfahren vor dem Gericht der Europäischen Union, EuR 2013, 3. 463) Vgl. Sacarcelik, BKR 2013, 353, 359. 464) Art. 156 Abs. 1 EuG-VerfO.

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§2 c)

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden Begründetheit des Antrags

246 Nach Art. 24 Abs. 1 Satz 2 SSM-VO ist Maßstab der Überprüfung des EZB-Beschlusses durch den ABoR das gesamte Verfahrens- und materielle Recht der SSM-VO.465) Hiermit wird – im Unterschied zum deutschen Widerspruchsverfahren (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO) – eine Überprüfung der Zweckmäßigkeit des Beschlusses i. S. der Auswahl der bestmöglichen unter mehreren rechtmäßigen Entscheidungen ausgeschlossen. 247 Obgleich der Wortlaut des Art. 24 Abs. 1 Satz 2 SSM-VO eine Beschränkung des Maßstabs auf die Regelungen der SSM-VO als solcher suggerieren mag, ergibt sich aus Art. 4 Abs. 3 SSM-VO, dass der ABoR den Beschluss tatsächlich anhand des gesamten von der EZB anzuwendenden Rechts überprüft;466) hierzu gehören neben der SSM-VO und der SSM-RahmenVO auch die auf die EZB anzuwendenden Regeln des Primärrechts einschließlich der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts sowie die materiellen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen des unmittelbar anwendbaren Sekundärrechts (insbesondere der CRR) sowie des nationalen Richtlinienumsetzungsrechts. Der ABoR-Beschluss schränkt jedoch den Prüfungsumfang auf die vom Antragsteller ausdrücklich bezeichneten Gründe ein (Art. 10 Abs. 2 ABoR-Beschluss). Da eine solche Beschränkung in der SSM-VO nicht enthalten ist, ist die Rechtmäßigkeit dieser Vorschrift zweifelhaft. Sie begegnet auch vor dem Hintergrund Bedenken, dass das Aufsichtsgremium, das auf Grundlage der Stellungnahme des ABoR einen neuen Beschlussentwurf zu erarbeiten hat, ausdrücklich keinen solchen Beschränkungen unterliegt (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 ABoR-Beschluss). 248 Gemäß ErwG 64 SSM-VO ist der der EZB überlassene Ermessensspielraum, über die Zweckmäßigkeit der Beschlüsse zu entscheiden, vom ABoR zu achten. Der ABoR interpretiert dies dahingehend, dass seine Prüfung bei Ermessensentscheidungen auf offenkundige Fehler, das Vorliegen eines Amtsmissbrauchs und die eindeutige Überschreitung der Ermessensgrenzen beschränkt sind.467) d)

Verfahren

249 Das sich an die Einreichung des Antrags anschließende Verfahren ist im Wesentlichen im ABoR-Beschluss geregelt. Danach bestimmt der ABoR-Vorsitzende zunächst einen Berichterstatter (Art. 8 ABoR-Beschluss). Eine schriftliche Erwiderung der EZB auf den Antrag ist im ABoR-Beschluss nicht vorgesehen, was verdeutlicht, dass die EZB das ABoR-Verfahren nicht als ein kontradiktorisches versteht. Allerdings kann der ABoR-Vorsitzende von der EZB, vom Antragsteller und ggf. auch von Dritten (wie z. B. NCAs)468) jederzeit die Vorlage von Unterlagen oder Auskünften verlangen (Art. 12 ABoR-Beschluss). Zudem kann der Antragsteller die Zulassung von schriftlichen Beweismitteln (schriftliche Erklärungen, schriftliche Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten) beantragen (Art. 15 Abs. 1 ABoR-Beschluss). 250 Der ABoR entscheidet grundsätzlich im schriftlichen Verfahren, kann jedoch eine nicht-öffentliche mündliche Anhörung am Sitz der EZB in Frankfurt am Main anberaumen (Art. 14 ABoR-Beschluss). Im Rahmen der mündlichen Anhörung haben sowohl der Antragsteller als auch die EZB mündliche Ausführungen zu machen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 ABoR-Beschluss). Zudem können auf Antrag des Antragstellers oder der EZB ___________ 465) Vgl. Brescia Morra, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 81, S. 109, 121. 466) Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 249; Brescia Morra, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 81, S. 109, 122. 467) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2015, S. 17; Brescia Morra, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 81, S. 109, 121. 468) Brescia Morra, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 81, S. 109, 116.

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VI. Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen der Bankenaufsicht im SSM

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Zeugen und Sachverständige gehört werden (Art. 15 Abs. 2 ABoR-Beschluss). In der Praxis des ABoR hat sich die Durchführung einer mündlichen Anhörung als „wesentliches Element des Überprüfungsprozesses erwiesen“,469) auch wenn solche Anhörungen nicht in allen Fällen durchgeführt wurden.470) Der ABoR sieht seine Funktion dabei über die SSMVO hinausgehend471) auch in einer Vermittlung zwischen den Parteien.472) Die mündliche Anhörung kann in der Sprache der Überprüfung (mit von der EZB gestellten Simultanübersetzern) oder auf Englisch durchgeführt werden.473) Das Verfahren vor dem ABoR selbst wird nicht durch einen Beschluss, sondern durch ei- 251 ne begründete schriftliche Stellungnahme des Ausschusses beendet; diese ist in angemessener Frist, jedoch spätestens zwei Monate nach Eingang des vollständigen Antrags abzugeben (Art. 24 Abs. 7 Satz 1 SSM-VO und Art. 16 Abs. 1 ABoR-Beschluss). Anders als Art. 24 Abs. 9 SSM-VO vermuten lassen würde, erhält der Antragsteller aber hiervon zunächst keine Kenntnis. Vielmehr wird sie allein dem Aufsichtsgremium übermittelt (Art. 16 Abs. 4 ABoR-Beschluss) und auch i. Ü. nicht veröffentlicht (Art. 22 Abs. 3 ABoR-Beschluss). In der Stellungnahme schlägt der ABoR dem Aufsichtsgremium vor, den ursprünglichen Beschluss aufzuheben oder ihn durch einen identischen oder geänderten Beschluss zu ersetzen (Art. 16 Abs. 2 ABoR-Beschluss). Dem Aufsichtsgremium ist sodann aufgetragen, dem EZB-Rat „unverzüglich“474) einen 252 neuen Beschlussentwurf zu unterbreiten, der entweder die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses oder seine Ersetzung durch einen inhaltsgleichen oder geänderten Beschluss vorsieht (Art. 24 Abs. 7 Satz 3 SSM-VO). Dabei hat es die ABoR-Stellungnahme zu prüfen und zu berücksichtigen (die deutsche Fassung des Art. 24 Abs. 7 Satz 2 SSM-VO spricht – zu stark – von „Rechnung tragen“; vgl. auch Art. 17 Abs. 1 Satz 1 ABoR-Beschluss). Das Aufsichtsgremium kann indes auch andere Aspekte berücksichtigen, ist also weder an die ABoR-Stellungnahme gebunden (Art. 16 Abs. 5 ABoR-Beschluss) noch in seiner Prüfung auf die vom Antragsteller vorgetragenen Gründe beschränkt (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 ABoR-Beschluss). Unklar ist, ob das Aufsichtsgremium auf dieser Grundlage den angegriffenen Beschluss auch zulasten des Antragstellers abändern kann. Jedenfalls muss in diesem Fall vor Erlass des Beschlusses eine erneute Anhörung durchgeführt werden. Das weitere Verfahren folgt dem der impliziten Zustimmung (siehe oben Rz. 142 f.), 253 d. h. der EZB-Rat kann innerhalb von zehn Arbeitstagen Einwände gegen den Beschlussentwurf erheben, andernfalls er als angenommen gilt (Art. 24 Abs. 7 Satz 4 SSM-VO). Es endet mit der Bekanntgabe des neuen Beschlusses, des Beschlussentwurfs des Aufsichtsgremiums und der ABoR-Stellungnahme an den Antragsteller (Art. 24 Abs. 9 SSM-VO und Art. 18 ABoR-Beschluss). Gegen den neuen Beschluss des EZB-Rats ist ein erneuter Antrag auf Überprüfung vor dem ABoR nicht zulässig (Art. 7 Abs. 5 Satz 2 SSM-VO). Ob das ABoR-Verfahren tatsächlich in jedem Fall zu einem neuen Beschluss führt475) und 254 der Antragsteller daher nicht zu besorgen braucht, dass die Rechtmittelfrist für die – parallel grundsätzlich zulässige – Nichtigkeitsklage daher nicht während des ABoR-Verfahrens verstreicht und der angegriffene Rechtsakt nicht bestandskräftig wird,476) ist ins___________ 469) 470) 471) 472) 473) 474)

EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2015, S. 17. So im Jahr 2016 nur in zwei von acht Fällen: EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2016, S. 63. Vgl. Bierman/Doets, Tijdschrift voor Financieel Recht 2016, 225, 234. EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2015, S. 17; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 90. EZB, SSM-Aufsichtshandbuch, Nr. 1.3.4. Gemäß Art. 17 Abs. 2 ABoR-Beschluss ist dem EZB-Rat der neue Beschlussentwurf innerhalb von 30 Arbeitstagen nach Eingang der ABoR-Stellungnahme vorzulegen. 475) So: EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2014, S. 20. 476) Vgl. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 250, und Lackhoff, JIBLR 2014, 13, 28.

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Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

besondere in Konstellationen fraglich, in denen der ABoR den Antrag bereits für unzulässig hält. Vorstellbar ist etwa, dass es sich nicht um einen Beschluss der EZB (vgl. Art. 24 Abs. 5 SSM-VO) und damit nicht um einen tauglichen Antragsgegenstand handelt (siehe Rz. 241),477) dass der Antragsteller, der nicht Adressat des Beschlusses ist, nach Auffassung des ABoR nicht unmittelbar und individuell betroffen und daher nicht antragsbefugt ist,478) oder dass der Antragsteller die Monatsfrist des Art. 24 Abs. 6 SSM-VO nicht eingehalten hat.479) Eine Klarstellung durch die EZB wäre wünschenswert. Im Einzelfall wird jedenfalls sorgfältig zu prüfen sein, ob eine Gefahr der Verfristung der Nichtigkeitsklage besteht. Im Zweifel muss noch während des ABoR-Verfahrens Klage erhoben werden.480) 255 Das administrative Überprüfungsverfahren ist – anders als das Verfahren vor den europäischen Gerichten – nicht grundsätzlich kostenfrei. Gemäß Art. 21 Abs. 1 ABoR-Beschluss umfassen die Kosten der Überprüfung die bei der Überprüfung entstandenen angemessenen Kosten. Einzelheiten zur Regelung der Kostenerstattung finden sich im Anhang zum ABoR-Beschluss (vgl. auch Art. 21 Abs. 5 ABoR-Beschluss).481) Unterliegt der Antragsteller (d. h. ersetzt der EZB-Rat den ursprünglichen Beschluss durch einen Beschluss desselben Inhalts oder wird lediglich die Begründung, nicht aber der Tenor des Beschlusses geändert), so hat der Antragsteller seine Kosten zu tragen und der EZB einen Pauschalbetrag zu erstatten, der im Fall von natürlichen Personen 500 € und bei juristischen Personen 5.000 € beträgt. Darüber hinaus können dem Antragsteller die aufgrund einer Verzögerung entstandenen Kosten des Verfahrens auferlegt werden, soweit er eine Anweisung des ABoR oder eine Vorschrift des ABoR-Beschlusses nicht befolgt hat und die Verzögerung hierauf zurückzuführen ist (Art. 13 Abs. 1 ABoR-Beschluss). Keine Kosten trägt der Antragsteller hingegen, wenn der angegriffene Beschluss nach Durchführung des ABoRVerfahrens aufgehoben oder der Tenor geändert wird.482) Zudem kann der Antragsteller in diesem Fall Erstattung seiner eigenen Kosten wie z. B. Rechtsanwaltskosten oder Kosten für die Beibringung von Beweismitteln verlangen. Eigene Kosten werden indes nicht erstattet, soweit sie unverhältnismäßig sind. Zudem ist der Kostenerstattungsanspruch der Höhe nach auf 50.000 € beschränkt. e)

Bisherige Praxis des ABoR

256 Bislang hat das administrative Überprüfungsverfahren und damit der ABoR nur sehr eingeschränkte Wirkung entfaltet. Dies ist insbesondere auf eine eher zögerliche Nutzung durch die Betroffenen zurückzuführen, deren Gründe wiederum einer empirischen Erfor___________ 477) So verhielt es sich in zwei Fällen, in denen der ABoR die Beschwerde für unzulässig hielt: Der eine betraf einen Brief des Aufsichtsgremiums, der andere ein Schreiben der oberen Führungsebene der Bankenaufsicht der EZB, vgl. Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 15. Die Nichtigkeitsklage ist hingegen gerade nicht rechtsformgebunden (s. Rz. 264). Es scheint schwer vorstellbar, dass die EZB nach Abschluss des ABoR-Verfahrens einen förmlichen Beschluss erlassen würde, obgleich die angegriffene Handlung gerade keinen solchen darstellte und der Antrag daher unzulässig war. 478) Ob die EZB in diesen Fällen einen neuen Beschluss an den am Verfahren unbeteiligten Adressaten erlassen würde, ist zweifelhaft. Obgleich das Erfordernis der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit Voraussetzung für das ABoR-Verfahren wie die Nichtigkeitsklage ist, ist nicht ausgeschlossen, dass der ABoR und die europäischen Gerichte dieses im Einzelfall unterschiedlich auslegen. 479) Hier wäre, soweit es sich beim Antragsteller um den Adressaten handelt, der Erlass eines identischen Beschlusses zumindest vorstellbar. 480) Ähnlich: Berger, WM 2015, 501, 505. 481) „Methodik für die Verteilung der Kosten der Überprüfung, die den Antragstellern und der Europäischen Zentralbank im Rahmen der Überprüfung von Beschlüssen der EZB durch den administrativen Ausschuss entstehen.“ 482) Vgl. auch Lackhoff/Meissner, JIBLR 2015, 285, 295.

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schung harren. So hat der ABoR im Jahr 2014 lediglich vier, in den Jahren 2015 und 2016 jeweils acht (bei insg. ca. 1.500 bzw. 1.835 Aufsichtsbeschlüssen der EZB), im Jahr 2017 vier (bei insg. 2.308 Aufsichtsbeschlüssen), im Jahr 2018 fünf (bei insg. 1.924 Aufsichtsbeschlüssen) und im Jahr 2019 vier (bei insg. 2.356 Aufsichtsbeschlüssen) Anträge auf interne administrative Überprüfung von EZB-Beschlüssen bearbeitet. Ob der ABoR angesichts dieser geringen absoluten Zahlen und einer Anrufungsquote von deutlich unter 196 daher tatsächlich „von Betroffenen rege in Anspruch genommen“ wird, wie die Kommission im SSM-Bericht von 2017 resümiert,483) darf daher bezweifelt werden. Erst in zwei Fällen im Jahr 2019 kam es zu einer Empfehlung der (teilweisen) Aufhe- 257 bung eines EZB-Beschlusses, der sodann durch einen neuen Beschluss ersetzt wurde. In insgesamt acht Fällen wurde der jeweilige Beschluss nach Abschluss des ABoRVerfahrens abgeändert. In insgesamt neun Fällen wurde der Beschluss bestätigt.484) In den zwischen 2014 und 2016 entschiedenen sieben Fällen, die zu einer Änderung des ursprünglichen Beschlusses führten, wurde in einem Fall ein Teil der Begründung gelöscht, in einem Fall eine Frist verlängert und in den übrigen Fällen die Begründung erweitert.485) Im Lichte der Rechtsprechung des EuG und des EuGH, wonach die ABoR-Stellungnahme als Kontext des neuen EZB-Beschlusses als Teil der Begründung zu berücksichtigen ist (dazu bereits Rz. 203), zeigt diese Praxis, dass die Anrufung des ABoR in vielen Fällen die Chancen auf eine gerichtliche Aufhebung des Beschlusses wegen eines Begründungsmangels merklich reduzieren, wenn nicht gänzlich zunichte machen wird.486) Dies dürfte die Akzeptanz des Gremiums nicht weiter erhöhen. Für eine Inanspruchnahme des ABoRVerfahrens sprechen indes weiterhin die rasche Prüfung, die Vertraulichkeit des Verfahrens und die Möglichkeit, mit der EZB auch nach Abschluss des Verfahrens in einen moderierten Sachdialog einzutreten. 3.

Rechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof

Die Handlungen der EZB unterliegen der Prüfung durch den Gerichtshof nach Maßgabe 258 der im AEUV vorgesehenen Rechtsmittel (vgl. klarstellend Art. 35 ESZB/EZB-Satzung). Die SSM-VO betont dies in ErwG 60 und Art. 24 Abs. 11, wonach dem Europäischen Gerichtshof unbeschadet der Möglichkeit, ein administratives Überprüfungsverfahren vor dem ABoR anzustrengen, gemäß Art. 263 AEUV die Überwachung der Rechtmäßigkeit von auf Herbeiführung von Rechtswirkungen gegenüber Dritten gerichteten Maßnahmen der EZB obliegt. Während das administrative Überprüfungsverfahren vor dem ABoR nur gegen einen EZB- 259 Beschluss zulässig ist, reichen die Rechtsschutzmöglichkeiten vor dem Gerichtshof weiter. Wichtigstes Instrument ist indes auch hier die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV, deren Ziel die Nichtigerklärung einer rechtsverbindlichen Handlung der EZB ist (Art. 264 AEUV). Daneben besteht für Institute und andere Betroffene die Möglichkeit, bei Untätigkeit der EZB Klage nach Art. 265 AEUV zu erheben. Daneben gewähren

___________ 483) Kommission, Bericht an das Europäische Parlament und den Rat über den einheitlichen Aufsichtsmechanismus gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013, v. 11.10.2017, COM(2017) 591 final, S. 6. 484) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2019, S. 89. 485) Kommission, Commission Staff Working Document, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No 1024/2013, v. 11.10.2017, SWD(2017) 336 final, S. 15. 486) Vgl. Ipsen/Röh, WM 2017, 2228, 2234; Gurlit, WM 2020, 57, 67: „Reparaturbetrieb für unzureichende Begründungen der EZB.“

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auch die europäischen Gerichte Eilrechtsschutz (Artt. 278 und 279 AEUV). Schließlich besteht die Möglichkeit, Schadensersatzklage zu erheben (Artt. 268 und 340 AEUV).487) 260 Eine Verpflichtungs- oder allgemeine Leistungsklage kennt das – einem numerus clausus der Klagearten folgende – europäische Rechtsschutzsystem hingegen ebenso wenig wie eine (allgemeine) Feststellungsklage.488) Es besteht daher nicht die Möglichkeit, die EZB mittels der Anrufung der europäischen Gerichte auf ein zukünftiges rechtsförmiges Handeln oder (abgesehen von der Zahlung von Schadensersatz) eine Leistung zu verpflichten; ebenso wenig kann das Bestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtlich festgestellt werden. Indes kann in Verpflichtungssituationen (begrenzter) Rechtsschutz durch Erhebung der Nichtigkeitsklage gegen den ablehnenden Beschluss der EZB erlangt werden.489) Obsiegt der Kläger, hat die EZB gemäß Art. 266 AEUV die sich aus dem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere den Antrag unter Berücksichtigung der Urteilsbegründung erneut zu bescheiden. Wenn die EZB die nach der Urteilsbegründung erforderlichen Maßnahmen nicht veranlasst, muss indes ein zweites Mal (Nichtigkeits-)Klage erhoben werden.490) 261 In allen Fällen ist für Klagen natürlicher und juristischer Personen gegen Maßnahmen der EZB erstinstanzlich das Gericht (EuG), nicht der Gerichtshof (EuGH) zuständig (Art. 256 Abs. 1 Satz 1 AEUV i. V. m. Art. 51 EuGH-Satzung). Gegen Endurteile des Gerichts ist ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel zum EuGH zulässig (Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV i. V. m. Artt. 56 ff. EuGH-Satzung). 262 Klagen gegen die EZB in ihrer Rolle als Aufsichtsbehörde sind vor dem EuG zahlreich erhoben worden.491) Erste Urteile des EuG und des EuGH lassen indes eine eher zurückhaltende Tendenz der europäischen Gerichte bei der Überprüfung der Handlungen der EZB im SSM erkennen.492) ___________ 487) Die Schadensersatzklage wird im Folgenden nicht berücksichtigt. Hierzu vgl. etwa v. d. Groeben/ Schwarze/Hatje-Augsberg, Europäisches Unionsrecht, Art. 340 AEUV. Zur Haftung der EZB im SSM vgl. D’Ambrosio, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 78; Athanassiou, JIBLR 2015, 382; Almhofer, ZÖR 2016, 59, und Varentsov, DÖV 2017, 53. 488) Vgl. dazu Terhechte-Nowak, Verwaltungsrecht der EU, § 13 Rz. 26; Dörr/Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rz. 54 und (krit.) Wegener, EuGRZ 2008, 354; Ehlers/Schoch-Ehlers, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, § 6 Rz. 26, sowie Grabitz/Hilf/Nettesheim-Dörr, EUV/AEUV, Art. 265 AEUV, Rz. 2. 489) Vgl. Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 13 Rz. 41 und 53, und Kämmerer, WM 2016, 1, 6. 490) Hierzu etwa: Calliess/Ruffert-Wegener, EUV/AEUV, Art. 15 AEUV Rz. 47. 491) Vgl. neben den in der nachfolgenden Fußnote genannten etwa: EuG – Rs. T-913/16 (Fininvest and Berlusconi/EZB); EuG – Rs. T-321/17 (Niemelä u. a./EZB); EuG – Rs. T-143/18 (Société générale/ EZB); EuG – Rs. T-144/18 (Crédit agricole u. a./EZB); EuG – Rs. T-145/18 Confédération nationale du Crédit mutuel u. a./EZB); EuG – T-146/18 (BPCE u. a./EZB); EuG – T-149/18 (Arkéa Direct Bank u. a./EZB); EuG – Rs. T-150/18 (BNP Paribas/EZB); EuG – Rs. T-345/18 (BNP Paribas/EZB); EuG – Rs. T-351/18 (Ukrselhosprom PCF und Versobank/EZB); EuG – Rs. T-576/18 (Crédit agricole/ EZB); EuG – Rs. T-577/18 (Crédit agricole Corporate and Investment Bank/EZB); EuG – Rs. T-578/18 (CA Consumer Finance/EZB); EuG – Rs. T-584/18 (Ukrselhosprom PCF und Versobank/EZB); EuG – Rs. T-741/18 (ZZ/EZB); EuG – Rs. T-27/19 (Pilatus Bank und Pilatus Holding/EZB); EuG – Rs. T-139/19 (Pilatus Bank/EZB); EuG – Rs. T-275/19 (PNB Banka u. a./EZB); EuG – Rs. T-301/19 (PNB Banka u. a./EZB); EuG – Rs. T-330/19 (PNB Banka u. a./EZB). 492) EuG, Urt. v. 15.5.2017 – Rs. T-122/15 (Landeskreditbank Baden-Württemberg/EZB), ECLI:EU:T:2017:337 = EuZW 2017, 461; EuGH, Urt. v. 8.5.2019 – Rs. C-450/17 P (Landeskreditbank Baden-Württemberg/ EZB), ECLI:EU:C:2019:372; EuG, Urt. v. 13.12.2017 – Rs. T-712/15 (Crédit Mutuel Arkéa/EZB), ECLI:EU:T:2017:900; EuG, Urt. v. 13.12.2017 – Rs. T-52/16 (Crédit Mutuel Arkéa/EZB), ECLI:EU:T:2017:902; EuGH, Urt. v. 2.10.2019 – Rs. C-152/18 P und C-153/18 P (Crédit Mutuel Arkéa/EZB), ECLI:EU:C:2019:810; EuG, Urt. v. 24.4.2018 – Rs. T-133/16 bis T-136/16 (Caisse régionale de crédit agricole mutuel Alpes Provence u. a./EZB), ECLI:EU:T:2018:219. Vgl. aber auch die Urteile des EuG v. 13.7.218: EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-733/16 (Banque Postale/EZB), ECLI:EU:T:2018:477; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-745/16 (BPCE/EZB), ECLI:EU:T:2018:476; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-751/16 (Confédération nationale du Crédit mutuel/EZB), ECLI:EU:T:2018:475; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-757/16 (Société générale/EZB), ECLI:EU:T:2018:473; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-758/16 (Crédit Agricole/EZB), ECLI:EU:T:2018:472; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-768/16 (BNP Paribas/EZB), ECLI:EU:T:2018:471.

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Nichtigkeitsklage

Die auch im Text der SSM-VO mehrfach hervorgehobene Nichtigkeitsklage dürfte das 263 wichtigste gerichtliche Rechtsschutzinstrument für Institute und sonstige von Handlungen der EZB im SSM Betroffene darstellen. aa)

Klagegegenstand

Gemäß Art. 263 Abs. 1 AEUV sind Gegenstand der Nichtigkeitsklage „Handlungen“ 264 der EZB mit Rechtswirkung gegenüber Dritten. Der Rechtsschutzsuchende ist demnach – anders als im administrativen Überprüfungsverfahren – nicht auf ein Vorgehen gegen formelle EZB-Beschlüsse beschränkt. Auch jedes andere Handeln der EZB kann, soweit es nur (Außen-)Rechtswirkung entfalten soll, mit der Nichtigkeitsklage angegriffen werden. Auf eine spezifische Form oder Bezeichnung der Handlung kommt es dabei nicht an.493) Ob eine Handlung geeignet ist, Rechtswirkungen zu erzeugen, ist nach der Rechtsprechung der europäischen Gerichte nicht nach ihrer Form oder Bezeichnung, sondern durch Auslegung anhand ihres Wortlauts, ihres Gegenstands, ihres Kontextes, ihres Inhalts und „Wesens“ sowie unter Berücksichtigung des von der EZB verfolgten Zwecks zu ermitteln.494) Eine Handlung der EZB ist auch dann tauglicher Klagegegenstand, wenn sie sich gemäß Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 SSM-VO auf nationales Umsetzungsrecht stützt (siehe auch Rz. 273).495) Eine reine Unterlassung (wie die Nichtbescheidung eines Antrags) ist hingegen keine mit 265 der Nichtigkeitsklage angreifbare „Handlung“; gegen sie muss mit der Unterlassungsklage vorgegangen werden.496) Anderes gilt, wenn die EZB einen Antrag ausdrücklich ablehnt („negative Regelung“ i. S. einer „klaren und endgültigen Stellungnahme zum Antrag“),497) soweit die beantragte Maßnahme selbst Rechtswirkungen erzeugt hätte und der Antragsteller die Handlung (so sie erlassen würde) mit der Nichtigkeitsklage anfechten könnte (hierfür insbesondere klagebefugt wäre).498) Nach gegenwärtigem Stand der Rechtsprechung ebenso wenig in Betracht kommt die 266 Nichtigkeitsklage mangels Rechtsbindungswirkung für Realakte.499) Hierzu gehören schlichtes Verwaltungshandeln wie z. B. die Übermittlung von Informationen,500) bloße Mitteilungen501) und nicht rechtsverbindliche Ankündigungen, aber auch vorbereitende Maßnahmen in einem mehrphasigen Verfahren, soweit sie nicht über einen Teil abschlie___________ 493) Vgl. nur EuGH, Urt. v. 31.3.1971 – Rs. 22/70 (Kommission/Rat), Rz. 38, 42, ECLI:EU:C:1971:32, und EuGH, Urt. v. 17.7.2008 – Rs. C-521/06 P (Athinaïki Techniki/Kommission), Rz. 43 – 45, ECLI:EU:C:2008:422. 494) Vgl. hierzu insb. EuG, Urt. v. 4.3.2015 – Rs. T-496/11 (Vereinigtes Königreich/EZB), Rz. 31, ECLI:EU:T:2015:133; EuG, Beschl. v. 10.9.2019 – Rs. T-687/18 (Pilatus Bank/EZB), Rz. 16, ECLI:EU:T:2019:542. Vgl. dazu auch Bax/Witte, EZB-Wirtschaftsbericht 6/2019, S. 96, 112. 495) S. z. B. Arons in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, Rz. 13.20, und Kämmerer, WM 2016, 1, 4. 496) Schoch/Schneider/Bier-Schmidt-Aßmann/Schenk, VwGO, Einleitung Rz. 116. 497) EuG, Urt. v. 8.6.2000 – Rs. T-79/96 (Camar und Tico/Kommission und Rat), Rz. 91 und 94, ECLI:EU:T:2000:147. 498) EuG, Beschl. v. 5.9.2012 – Rs. T-564/11 (Farage/Parlament und Buzek), Rz. 27, ECLI:EU:T:2012:403; Ehlers/Schoch-Ehlers, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, § 6 Rz. 9; Grabitz/Hilf/Nettesheim-Dörr, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 42. 499) Vgl. hierzu krit. Schoch in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR III, § 50 Rz. 23. Spezifisch zur Veröffentlichung von Sanktionsentscheidungen der EZB („naming and shaming“) vgl. Irmscher, EWS 2016, 318. 500) EuG, Urt. v. 4.10.2006 – Rs. T-193/04 (Tillack/Kommission), Rz. 66 – 82, ECLI:EU:T:2006:292, und EuGH, Urt. v. 19.4.2005 – Rs. C-521/04 P (R) (Tillack/Kommission), Rz. 24 – 34, ECLI:EU:C:2005:240. 501) Zum Rechtsschutz gegen Veröffentlichungen von EZB-Sanktionsentscheidungen vgl. Irmscher, EWS 2016, 318.

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ßend entscheiden und Rechtsschutz im Zusammenhang mit der verfahrensabschließenden Entscheidung nicht ausreichend wäre.502) An der Außenrechtswirkung fehlt es zudem bei rein verwaltungsinternen Maßnahmen. Empfehlungen oder Stellungnahmen sind als nicht rechtsverbindliche Handlungsformen bereits durch den Wortlaut des Art. 263 Abs. 1 AEUV von der Nichtigkeitsklage ausgeschlossen. bb)

Parteifähigkeit, Klagebefugnis und Rechtsschutzinteresse

267 Die EZB ist stets passiv parteifähig, kann also Beklagte sein. Aktiv parteifähig ist u. a. jede natürliche und juristische Person. Für die Klagebefugnis dieser sog. „nicht-privilegierten“ Kläger ist entscheidend, ob die Handlung an sie gerichtet ist oder sie unmittelbar und individuell betrifft (Art. 263 Abs. 4 AEUV). Zunächst bedarf es daher in allen Fällen einer Betroffenheit bzw. einer materiellen Beschwer des Klägers. Im Übrigen genügt die Adressatenstellung für die Klagebefugnis.503) Nichtadressaten müssen hingegen unmittelbar und individuell betroffen sein. 268 Unmittelbar betroffen ist eine Person, wenn die Handlung sich auf ihre Rechtsstellung unmittelbar auswirkt; nicht ausreichend ist, dass eine Beeinträchtigung rein wirtschaftlicher Natur ist504) oder eine rechtliche Beeinträchtigung erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände möglich erscheint.505) Bedarf es daher bei einer Handlung der EZB eines weiteren Umsetzungsakts durch den Adressaten (z. B. die NCAs), ist der Kläger grundsätzlich lediglich mittelbar betroffen. Anderes gilt dann, wenn die Handlung der EZB der NCA keinen Ermessensspielraum lässt, sondern die Durchführung so programmiert, so dass diese gleichsam „automatisch“ erfolgt.506) Eine individuelle Betroffenheit liegt schließlich vor, wenn die Handlung die Person aufgrund bestimmter persönlicher Eigenschaften oder anderer Umstände berührt, die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisierten wie einen Adressaten (sog. „Plaumann-Formel“).507) Eine mögliche Verletzung subjektiver Rechte des Klägers ist indes nicht erforderlich.508) 269 Das Rechtsschutzinteresse erfordert, dass die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts dem Kläger im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann.509) Der vorherigen Durchführung des administrativen Überprüfungsverfahrens vor dem ABoR) bedarf es nicht (siehe Rz. 240). cc)

Klagefrist

270 Die Klage ist innerhalb von zwei Monaten ab Bekanntgabe der Handlung zu erheben (Art. 263 Abs. 6 AEUV). Hinzu kommt eine pauschale Entfernungsfrist von 10 Tagen (Art. 45 Abs. 1 EuGH-Satzung i. V. m. Art. 60 EuG-VerfO). Hierbei handelt es sich um ___________ 502) v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Gaitanides, Europäisches Unionsrecht, Art. 340 AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 25. 503) Vgl. Ehlers/Schoch-Ehlers, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht, § 6 Rz. 9; Schoch/Schneider/BierSchmidt-Aßmann/Schenk, VwGO, Einleitung Rz. 118. 504) EuGH, Urt. v. 5.11.2019 – Rs. C-663/17 P, Rs. C-665/17 P und Rs. C-669/17 P (EZB/Trasta Komercbanka), Rz. 109 – 111, ECLI:EU:C:2019:923. 505) Calliess/Ruffert-Cremer, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 36. 506) Siekmann-Ohler/Schmidt-Wenzel, EWU, Art. 132 AEUV Rz. 100. Vgl. auch Hahn/Häde, ZHR 165 (2001), 30, 44. EuGH, Urt. v. 5.11.2019 – Rs. C-663/17 P, Rs. C-665/17 P und Rs. C-669/17 P (EZB/ Trasta Komercbanka), Rz. 103, ECLI:EU:C:2019:923. 507) Hierzu vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim-Dörr, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 68 ff. 508) v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Gaitanides, Europäisches Unionsrecht, Art. 263 AEUV Rz. 47. 509) Grabitz/Hilf/Nettesheim-Dörr, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 105, sowie EuG, Urt. v. 19.6.2009 – Rs. T-269/03 (Socratec/Kommission), Rz. 36, ECLI:EU:T:2009:211; EuGH, Urt. v. 19.10.1995 – Rs. C-19/93 P (Rendo/Kommission), Rz. 13, ECLI:EU:C:1995:339.

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eine Ausschlussfrist, die nicht verlängert werden kann und von Amts wegen geprüft wird.510) Zudem ist zu beachten, dass innerhalb der Klagefrist die vollständige Klage mit Begründung und allen Beweismitteln eingegangen sein muss.511) Eine Klageerhebung innerhalb der Frist mit einer nachgereichten Begründung ist daher anders als im deutschen Verwaltungsprozess nicht möglich. dd)

Prüfungsumfang, Urteil und Urteilswirkungen

Die Nichtigkeitsklage ist begründet, wenn die angefochtene Handlung an einem der in 271 Art. 263 Abs. 2 AEUV abschließend genannten Mängel leidet. Die Klage kann daher nur auf die Unzuständigkeit der EZB, die Verletzung wesentlicher Formvorschriften, die Verletzung der Verträge oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder auf Ermessensmissbrauch gestützt werden. Die genannten Nichtigkeitsgründe ermöglichen trotz ihrer scheinbaren Begrenzungswir- 272 kung im Grundsatz eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung der Handlung der EZB.512) Eine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte wie bei geldpolitischen Entscheidungen ist bei der aufsichtlichen Tätigkeit der EZB nicht angezeigt.513) So fallen Verfahrensmängel (z. B. eine mangelhafte Begründung und die Verweigerung rechtlichen Gehörs, siehe dazu Rz. 200 ff. und 191 ff.) unter die Rubrik der „Verletzung wesentlicher Formvorschriften“. Bei dem Nichtigkeitsgrund der Vertragsverletzung kann der materielle Verstoß eines EZB-Rechtsakts gegen sämtliches höherrangige Recht gerügt werden, d. h. neben dem Primärrecht auch gegen die SSM-VO und die SSM-RahmenVO sowie alle sonstigen Sekundär- und Tertiärrechtsakte, die die EZB bei Erlass des Beschlusses zu berücksichtigen hatte. Ein Ermessensmissbrauch liegt zunächst vor, wenn der angefochtene Rechtsakt zumindest vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder zur Umgehung eines im Vertrag oder der SSM-VO vorgesehenen Verfahrens erlassen wurde.514) Darüber hinaus ist aber auch der Fall erfasst, dass ein Organ das ihm eingeräumte Ermessen fehlerhaft nicht, nicht in vollem Umfang oder nicht unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren und Umstände ausgeübt hat.515) Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Falle eines Ermessens das Gericht seine Beurteilung nicht an die Stelle der Beurteilung der EZB setzen darf. Vielmehr ist zu überprüfen, dass der Beschluss nicht auf unzutreffenden Tatsachen beruht und ob er nicht mit einem Rechsfehler, einem offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist. Die Ausübung des Ermessens steht unter dem Vorbehalt, dass die Ziele des Ermessens nicht miss-

___________ 510) Grabitz/Hilf/Nettesheim-Dörr, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 116. 511) Art. 21 EuGH-Satzung; Art. 76 EuG-VerfO. Vgl. auch die Präklusionsvorschrift des Art. 84 EuG-VerfO. Dazu: Wägenbaur, EuGH VerfO, Art. 84 EuG-VerfO Rz. 1, und Grabitz/Hilf/Nettesheim-Dörr, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 149. 512) Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim-Dörr, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 160. 513) Lehmann in: ECB Legal Conference 2017, S. 112, 119 ff.; Gurlit, WM 2020, 57, 67; Brescia Morra in: ECB Legal Conference 2019, S. 335, 345 f. 514) Calliess/Ruffert-Cremer, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 94. 515) EuG, Urt. v. 14.7.2011 – Rs. T-357/02 RENV (Freistaat Sachsen/Kommission), Rz. 44 f., ECLI:EU:T:2011:376; EuGH, Urt. v. 7.9.2006 – Rs. C-310/04 (Spanien/Rat), Rz. 122 und 133, ECLI:EU:C:2006:521; EuG, Urt. v. 10.7.2012 – Rs. T-304/08 (Smurfit Kappa Group/Kommission), Rz. 90, ECLI:EU:T:2012:351; EuG, Urt. v. 15.5.2017 – Rs. T-122/15 (Landeskreditbank BadenWürttemberg/EZB), Rz. 139, ECLI:EU:T:2017:337 = EuZW 2017, 461.

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§2

Institutioneller Rahmen: SSM, EZB und nationale Aufsichtsbehörden

achtet werden und die ermessenseinräumende Regelung nicht ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt wird.516) 273 Soweit die EZB in ihrer angegriffenen Handlung gemäß Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 SSM-VO nationales Umsetzungsrecht anwendet, müssen die europäischen Gerichte die Handlung der EZB auch anhand dieses nationalen Rechts prüfen.517) Der Wortlaut des Art. 263 Abs. 2 AEUV („Verletzung der Verträge oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm“) ist insoweit offen.518) Bei einer solchen Prüfung ist die Auslegung der Vorschrift durch nationale Gerichte zu berücksichtigen; mangelt es an Entscheidungen nationaler Gerichte, sind die europäischen Gerichte aufgefordert, die Normen auszulegen.519) Noch ungelöst ist indes die Frage, wie die europäischen Gerichte mit der Auslegung autonomen nationalen Rechts umzugehen haben, das anzuwenden die EZB im Einklang mit den Maßgaben der „National-Powers“-Doktrin (dazu oben Rz. 59 ff.) befugt zu sein meint.520) b)

Untätigkeitsklage

274 Unterlässt es die EZB trotz einer Pflicht zum Tätigwerden, eine rechtsverbindliche Handlung521) (insbesondere einen Beschluss) an eine natürliche oder juristische Person zu richten, kann diese Person gemäß Art. 265 AEUV Untätigkeitsklage erheben. Zulässigkeitsvoraussetzung ist insbesondere die Durchführung eines Vorverfahrens, d. h. die EZB muss zuvor aufgefordert worden sein, tätig zu werden (z. B. durch einen Antrag). Nimmt sie bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Aufforderung hierzu nicht Stellung, ist die Klage innerhalb einer Klagefrist von zwei Monaten (zuzüglich der pauschalen Entfernungsfrist von zehn Tagen) zulässig. 275 Von einer fehlenden „Stellungnahme“ ist dabei insbesondere auszugehen, wenn die EZB jegliche Reaktion auf den Antrag vermissen lässt. Die Klage ist indes auch dann noch zulässig, wenn die EZB innerhalb der Frist nicht eindeutig und endgültig Stellung bezogen hat.522) Hingegen liegt eine Stellungnahme vor und ist eine Untätigkeitsklage daher unzulässig, wenn die EZB den Antrag ablehnt oder einen anderen als den vom Kläger begehrten Rechtsakt erlässt. In beiden Fällen ist gegen den Rechtsakt mit der Nichtigkeitsklage vorzugehen. 276 Begründet ist die Untätigkeitsklage, wenn die EZB verpflichtet ist, den beantragen Rechtsakt zu erlassen. Eine solche Pflicht kann sich aus dem gesamten Unionsrecht ergeben.523) ___________ 516) EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-733/16 (Banque Postale/EZB), Rz. 77, ECLI:EU:T:2018:477; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-745/16 (BPCE/EZB), Rz. 74, ECLI:EU:T:2018:476; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-751/16 (Confédération nationale du Crédit mutuel/EZB), Rz. 79, ECLI:EU:T:2018:475; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-757/16 (Société générale/EZB), Rz. 74, ECLI:EU:T:2018:473; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-758/16 (Crédit Agricole/EZB), Rz. 39, ECLI:EU:T:2018:472; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-768/16 (BNP Paribas/EZB), Rz. 39, ECLI:EU:T:2018:471. 517) Lamandini in: ECB Legal Conference 2015, S. 121, 130; Wymeersch, National Bank of Belgium, Working Paper no. 255, S. 14; de Gregorio Merino in: Bándi/Darák/Halustyik/Láncos, European Banking Union, Bd. 1, S. 151, 195; Kaufhold, Die Verwaltung 2016, 339, 365 ff.; Brescia Morra, Banca d’Italia, Quaderni di Ricerca Giuridica no. 81, S. 109, 131; Berger, WM 2016, 2325, 2332. 518) So auch Kämmerer, WM 2016, 1, 4, und Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 180. 519) EuG, Urt. v. 13.12.2017 – Rs. T-712/15 (Crédit Mutuel Arkéa/EZB), Rz. 132, ECLI:EU:T:2017:900; EuG, Urt. v. 13.12.2017 – Rs. T-52/16 (Crédit Mutuel Arkéa/EZB), Rz. 131, ECLI:EU:T:2017:902; EuGH, Urt. v. 2.10.2019 – Rs. C-152/18 P und C-153/18 P, Rz. 99, ECLI:EU:C:2019:810; EuG, Urt. v. 24.4.2018 – Rs. T-133/16 bis T-136/16 (Caisse régionale de crédit agricole mutuel Alpes Provence u. a./EZB), Rz. 84, ECLI:EU:T:2018:219. 520) Gurlit, WM 2020, 57, 67. 521) Dazu v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Gaitanides, Europäisches Unionsrecht, Art. 265 AEUV Rz. 12. 522) v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Gaitanides, Europäisches Unionsrecht, Art. 265 AEUV Rz. 21. 523) Grabitz/Hilf/Nettesheim-Dörr, EUV/AEUV, Art. 265 AEUV, Rz. 37.

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VI. Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen der Bankenaufsicht im SSM

§2

Besondere Anforderungen an die Begründung der Klage werden sich stellen, wenn der EZB nach der maßgeblichen Rechtsgrundlage ein Ermessen zusteht.524) c)

Eilrechtsschutz

Klagen gegen die EZB haben – ebenso wie ein Antrag vor dem ABoR (Art. 24 Abs. 8 SSM- 277 VO) – gemäß Art. 278 Satz 1 AEUV keine aufschiebende Wirkung. Will der Betroffene daher Vollstreckungsmaßnahmen – d. h. Verwaltungssanktionen (siehe dazu Rz. 70) – hinsichtlich belastender aufsichtsrechtlicher Maßnahmen verhindern, muss er im Wege des Eilrechtsschutzes eine Aussetzung der Durchführung der Handlung vor dem EuG beantragen (Art. 278 Satz 1 AEUV). Daneben ist Eilrechtsschutz in Form der einstweiligen Anordnung gemäß Art. 279 AEUV möglich. Beide Formen des vorläufigen Rechtsschutzes unterliegen im Wesentlichen gleichen Vor- 278 aussetzungen. Zunächst muss in beiden Fällen das Verfahren in der Hauptsache anhängig sein (Art. 156 Abs. 1 und 2 EuG-VerfO). Die Antragsbefugnis richtet sich nach der Klagebefugnis in der Hauptsache (im Falle des Art. 278 AEUV im hier relevanten Zusammenhang stets die Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV).525) Eine gesonderte Frist existiert für Eilrechtsschutzanträge nicht. Begründet ist der Antrag, wenn die Aussetzung der Vollziehung oder der Erlass einer 279 einstweiligen Anordnung zum einen dringend und zum anderen notwendig ist (Art. 156 Abs. 4 EuG-VerfO). Dringlichkeit liegt vor, wenn die Aussetzung oder die Anordnung zur Abwehr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens des Antragsstellers erforderlich ist.526) Dabei gilt es, die Interessen des Antragstellers mit den widerstreitenden Belangen der Unionsrechtsordnung und Dritter abzuwägen. Die Notwendigkeit erfordert die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Sie besteht grundsätzlich bereits, wenn die Klage in der Hauptsache nicht ohne Grundlage erscheint bzw. wenn das Vorbringen des Klägers nicht ohne eingehende Prüfung, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten ist, zurückgewiesen werden kann.527)

___________ 524) Calliess/Ruffert-Cremer, EUV/AEUV, Art. 265 AEUV Rz. 15. 525) Grabitz/Hilf/Nettesheim-Stoll/Rigod, EUV/AEUV, Art. 279 AEUV Rz. 8. 526) EuG, Beschl. v. 3.5.2018 – Rs. T-203/18 R (VQ/EZB), Rz. 13, ECLI:EU:T:2018:261; EuG, Beschl. v. 21.1.2019 – Rs. T-687/18 R (Pilatus Bank/EZB), Rz. 15, ECLI:EU:T:2019:28. 527) Jaeger, EuR 2013, 3, 11.

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§3 Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

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Übersicht I. II. 1. 2.

Grundlagen.................................................. 1 Erlaubnispflicht........................................... 7 Problemübersicht und Grundlagen............. 7 Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen ......................................................... 12 a) Bankgeschäfte (§ 1 Abs. 1 KWG) ...... 12 aa) System und unionsrechtliche Vorgaben ...................................... 12 bb) Einlagengeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG) ...................... 21 (1) Bedeutung..................................... 21 (2) Gegenstand des Einlagengeschäfts ....................................... 22 (3) „Annahme“ bzw. „Entgegennahme“ .......................................... 25 (4) Ausnahmetatbestände.................. 27 (5) Einzelheiten.................................. 30 cc) Kreditgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG) und verwandte Tatbestände ..................... 33 (1) Bedeutung..................................... 33 (2) „Kreditgeschäft“ nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG ........................ 35 (3) Dem Kreditgeschäft verwandte Tatbestände .................................. 40 dd) Sonstige Bankgeschäfte................ 41 b) Finanzdienstleistungen (§ 1 Abs. 1a KWG)..................................... 48 aa) Bedeutung und Verhältnis zum Tatbestand des Bankgeschäfts..... 48 bb) Die einzelnen Tatbestände im Überblick...................................... 50 3. Beschränkung auf Inlandsaktivitäten ........ 56 4. Erforderlicher Umfang der Geschäfte ...... 58 a) Grundlagen .......................................... 58 b) „Unternehmen“ (§ 1 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 1a Satz 1 KWG) ................. 60 c) „Gewerbsmäßig“ ................................. 61 d) Erforderlichkeit eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs ........... 63 III. Erlaubnis, Anspruch auf Erlaubniserteilung, Versagungsgründe .................. 65 1. Erlaubniserteilung: Rechtsnatur und Zuständigkeit.............................................. 65 2. Anspruch auf Erlaubniserteilung .............. 66

3.

Versagungsgründe...................................... 67 a) Überblick............................................. 67 b) Zwingende Versagungsgründe (§ 33 Abs. 1 KWG) ............................. 68 aa) Betriebsbezogene Anforderungen ........................................... 68 bb) Vorgaben für Antragsteller, Inhaber und Geschäftsleiter ........ 71 c) In das Ermessen der Aufsicht gestellte Versagungsgründe ................ 74 aa) Überblick...................................... 74 bb) Beeinträchtigung einer wirksamen Aufsicht (§ 33 Abs. 2 Satz 1 und 2 KWG)...................... 76 IV. Erlaubnisverfahren ................................... 78 1. Überblick.................................................... 78 2. Einzelheiten................................................ 79 a) Antrag .................................................. 79 b) Aufsichtliche Prüfung und Entscheidungsvorbereitung ...................... 81 c) Entscheidung über den Antrag .......... 82 d) Verfahren nach der Entscheidung...... 83 V. Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Passporting......................... 84 1. Grundlagen ................................................. 84 2. Inlandszuständigkeit bei Erbringung aufsichtspflichtiger Tätigkeiten im EU/EWR-Ausland und Zweigniederlassungen von Instituten aus EU/EWR-Staaten....................................... 90 a) Überblick............................................. 90 b) Errichtung von Zweigstellen durch im Inland zugelassener Unternehmen im EU/EWR-Ausland .......... 92 c) Marktzutritt durch Zweigstellen EU/EWR-ausländischer Unternehmen im Inland ............................... 96 3. Grenzüberschreitende Tätigkeiten ohne physische Präsenz ........................... 102 4. Institute aus Drittstaaten......................... 105 VI. Konsequenzen der fehlenden Erlaubnis .................................................. 108 1. Sanktionen ................................................ 108 2. Zivilrechtliche Folgen .............................. 109

Literatur: Bauer/Glos, Die zweite Zahlungsdiensterichtlinie – Regulatorische Antwort auf Innovation im Zahlungsverkehrsmarkt, DB 2016, 456; Behrens/Bauerfeind, Die neue Regulierung von Wert-

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§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

papierfirmen – Investment Firm Directive/Regulation, GWR 2019, 99; Binder, Vom offenen zum regulierten Markt: Finanzintermediation, EU-Wirtschaftsverfassung und der Individualschutz der Kapitalanbieter, ZEuP 2017, 569; Binder, Organisationspflichten und das FinanzdienstleistungsUnternehmensrecht: Bestandsaufnahme, Probleme, Konsequenzen, ZGR 2015, 667; Binder/Piekenbrock, AGB-rechtliche Unwirksamkeit einer formularmäßigen Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung ohne vertraglichen Abtretungsausschluss?, WM 2008, 1816; Bomhard/Kessler/Dettmeier, Wirtschafts- und steuerrechtliche Gestaltungsfragen bei der Ausplatzierung notleidender Immobilienkredite, BB 2004, 2085; Bornemann, Stille Publikumsgesellschaften im Spannungsfeld von Gesellschafts- und Bankaufsichtsrecht, ZHR 166 (2002), 211; du Buisson, Die Reichweite der Erlaubnistatbestände Emissionsgeschäft und Eigenhandel für andere in § 1 Kreditwesengesetz (KWG), WM 2003, 1401; Canaris, Die Ausgabe von Namensgewinnschuldverschreibungen an Arbeitnehmer in bankaufsichtsrechtlicher Sicht, BB 1978, 227; Demgensky/Erm, Der Begriff der Einlagen nach der 6. KWGNovelle, WM 2001, 1445; Dreher, Das Finanzkommissionsgeschäft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG, ZIP 2004, 2161; Dürselen, Kredite im Rahmen der Großkreditvorschriften des KWG, ZBB 1997, 24; v. Falkenhausen, Die Führung von Gesellschafterkonten – Ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft?, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (VGR), Gesellschaftsrecht in der Diskussion, 2013, S. 105; Fock, Kollektive Vermögensverwaltung zwischen Investmentrecht und Kreditwesengesetz, ZBB 2004, 365; Galla/Müller, Bankerlaubnispflicht für Gesellschafterkonten in Familiengesellschaften?, ZIP 2015, 1862; Görner/Dreher, Die Kapitalanlage in Finanzinstrumente durch Kommanditgesellschaften, ZIP 2005, 2139; Götze, Grenzen der Konzernfinanzierung nach dem Kreditwesengesetz, WM 2005, 727; Gstädtner/Elicker, Zur Erlaubnispflicht für kollektive Anlagemodelle nach § 32 KWG, BKR 2006, 437; Hammen, KWG-rechtliche und EG-rechtliche Aspekte des Kreditgeschäfts in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG, WM 1998, 741; Hanten, Aufsichtsrechtliche Erlaubnispflicht bei grenzüberschreitenden Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen, WM 2003, 1412; Henke, Zum einlagenlosen Einlagengeschäft im Kreditwesengesetz, WM 2010, 2157; Hingst/Lösing, Die geplante Fortentwicklung des europäischen Zahlungsdiensteaufsichtsrechts durch die Zweite Zahlungsdienste-Richtlinie, BKR 2014, 315; Hirte/Heinrich, Bankrechtskoordinierung und -integration, in: Derleder/Knops/Bamberger, Hdb. dt. und europ. BankR, 2. 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Rechtliche Rahmenbedingungen des Peer-to-Peer Lending, ZBB 2014, 261; Rögner, Zur „Auslegung“ des Inlandsbegriffs des § 32 KWG durch die Verwaltungspraxis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, WM 2006, 745; Schäfer, F., Der Begriff des Emissionsgeschäfts im KWG, WM 2002, 361; Schäfer, F./Lang, Die aufsichtsrechtliche Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie und die Einführung des Zahlungsinstituts, BKR 2009, 11; Schmalenbach/ Sester, Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Eintragung in das neu geschaffene Refinanzierungsregister, WM 2005, 2025; Schneider, S. H., Nichtanwendbarkeit des KWG bzw. WpHG trotz Erbringung regulierter Tätigkeiten, WM 2008, 285; Schüppen, Das Unterhalten von Gesellschafterdarlehenskonten in der Personengesellschaft – ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft?, WPg 2014, 281; SchulteMattler/Manns, CRD-IV-Regulierungspaket zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des Bankensektors, WM 2011, 2069; Schuster/Binder, Die Sitzverlegung von Finanzdienstleistern innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, WM 2004, 1665; Schwennicke, Vergabe privater Darlehen und Erlaubnispflicht nach dem KWG, WM 2010, 542; Seebach, Die Reichweite des Marktortprinzips im Inlandsmerkmal des § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG, WM 2010, 733; Teichmann, Die Fortführung von Bankkrediten durch Nichtbanken – ein Bankgeschäft?, BKR 2011, 324; Tettinger, Die fehlerhafte stille Gesellschaft – Zivilrechtlicher Anlegerschutz durch bankrechtliche Erlaubnisvorbehalte? (Teil I), DStR 2006, 849; (Teil II), DStR 2006, 903; Theewen, Problemkredite und die „Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute“ – Workout, Outsourcing oder Bad Bank?, WM 2004, 105; Voge, Zur Erlaubnispflicht grenzüberschreitend betriebener Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäfte,

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Binder

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

§3

WM 2007, 381; Wagner, Freie Niederlassung und freier Dienstleistungsverkehr, in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, 2016, S. 265; Wenzel, Bankerlaubnispflicht und Haftung der Geschäftsführer bei Stehenlassen von „Winzergeldern“, NZG 2013, 814; Wenzel, Bankgeschäftsrisiken bei Gesellschaften der Realwirtschaft, NZG 2013, 161; Werner, Das Gesellschafterdarlehenskonto als erlaubnispflichtiges Einlagegeschäft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG, StBW 2014, 804; Wieland, Unternehmen der „Realwirtschaft” als Adressaten des Bank- und Finanzaufsichtsrechts (Teil 1), BB 2012, 917; Wiesner, Privat- und Darlehenskonten bei Personenhandelsgesellschaften und Bankaufsichtsrecht, in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 1397; Wojcik, Bericht aus Brüssel: Übersicht über den Verfahrens- und Sachstand der in der vergangenen Legislaturperiode gemachten Gesetzgebungsvorschläge im Bankrecht/Kapitalmarktrecht auf EU-Ebene, ZBB 2019, 272; Wolf, Bankaufsichtsrechtliche Erlaubnis für geschlossene und offene Fonds?, DB 2005, 1723; Zerwas/Hanten, Abgrenzungsprobleme und Ausnahmen bei Handelsaktivitäten nach der Sechsten KWG-Novelle, ZBB 2000, 44; Zerwas/Hanten, Zulassung zum Geschäftsbetrieb für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, BB 1998, 2481. Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/ 2034 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 2002/87/EG, 2009/65/EG, 2011/61/EU, 2013/36/EU, 2014/59/EU und 2014/65/EU – Investment Firm Directive (IFD), ABl. (EU) L 314/64 v. 5.12.2019; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, ABl. (EU) L 337/35 v. 23.12.2015; EP/Rat, Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID II), ABl. (EU) L 173/349 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013; EP/Rat, Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 8.6.2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds – AIFM-RL, ABl. (EU) L 174/1 v. 1.7.2011; EP/Rat, Richtlinie 2009/138/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit – Solvabilität II, ABl. (EU) L 335/1 v. 17.12.2009; EP/Rat, Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.7.2009 zur Koordinierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren – OGAW, Neufassung, ABl. (EU) L 302/22 v. 17.11.2009; EP/Rat, Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, ABl. (EU) L 319/1 v. 5.12.2007; EP/Rat, Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/ EWG des Rates – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID I), ABl. (EU) L 145/1 v. 30.4.2004; EP/Rat, Richtlinie 95/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.6.1995 zur Änderung diverser Richtlinien, ABl. (EG) L 168/7 v. 18.7.1995; Rat, Richtlinie 93/22/EWG des Rates v. 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. (EG) L 141/27 v. 11.6.1993; Rat, Richtlinie 93/6/EWG des Rates v. 15.3.1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, ABl. (EG) L 141/1 v. 11.6.1993; Rat, Erste Richtlinie 77/780/EWG des Rates v. 12.12.1977 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. (EG) L 322/30 v. 17.12.1977. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1093/ 2010, (EU) Nr. 575/2013, (EU) Nr. 600/2014 und (EU) Nr. 806/2014 – Investment Firm Regulation (IFR), ABl. (EU) L 314/1 v. 5.12.2019; Rat, Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.7.2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, ABl. (EU) L 201/1 v. 27.7.2012. Rechtsakte und Verlautbarungen der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 926/2014 der Kommission v. 27.8.2014 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards in Bezug auf Standardformulare, -meldebögen und -verfahren für Notifizierungen im Zusammenhang mit der Ausübung des Niederlassungsrechts und des freien Dienstleistungsverkehrs gemäß der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. (EU) L 254/2 v. 28.8.2014; Kommission, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 620/2014 der Kommission v. 4.6.2014 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards in Bezug auf den Informati-

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117

§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

onsaustausch zwischen den zuständigen Behörden von Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. (EU) L 172/1 v. 12.6.2014; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1151/2014 der Kommission v. 4.6.2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards, in denen festgelegt wird, welche Angaben bei Ausübung des Niederlassungsrechts und des freien Dienstleistungsverkehrs zu übermitteln sind, ABl. (EU) L 309/1 v. 30.10.2014; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) Nr. 524/2014 der Kommission v. 12.3.2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards, in denen festgelegt wird, welche Informationen die zuständigen Behörden von Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaaten einander zur Verfügung stellen müssen, ABl. (EU) L 148/6 v. 20.5.2014; Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen über den freien Dienstleistungsverkehr und das Allgemeininteresse in der Zweiten Bankenrichtlinie, ABl. (EG) C 209/6 v. 10.7.1997. Verordnungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ECB): EZB, Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank v. 16.4.2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus – SSM-Rahmenverordnung (SSM-RahmenVO), (EZB/2014/17), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014. Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): BaFin, Merkblatt, Checkliste – Zulassung als Kreditinstitut, v. 16.11.2017, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/ DE/Merkblatt/BA/dl_170720_checklist_erlaubnisverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=1; BaFin, Vermögensanlagen: Ausnahme von Erlaubnispflicht für Vermittler künftig nur noch bei erstmaligem öffentlichem Angebot, v. 5.9.2016, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/ Meldung/2016/meldung_160905_merkblatt_vermoegensanlagen.html, BaFin, Merkblatt zur Bereichsausnahme für die Vermittlung von Investmentvermögen und Vermögensanlagen, v. 16.4.2015, Stand: 2.11.2017, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_150416_ausnahme_investmentfondsvermittlung.html; BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, https:// www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_140311_tatbestand_einlagenges chaeft.html; BaFin, Merkblatt zur Freistellung nach § 2 Abs. 4 KWG für im Inland ansässige Unternehmen, v. 26.2.2014, Stand: 26.11.2015, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/ DE/Merkblatt/mb_140226_freistellung_2kwg.html; BaFin, Merkblatt zentrale Gegenpartei, v. 12.8.2013, Stand: 19.9.2013, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/ mb_130812_tatbestand_zentrale_gegenpartei.html; BaFin, Merkblatt Ausnahme für Kapitalverwaltungsgesellschaften, 23.7.2013, Stand: 25.4.2016, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_130723_ausnahme_kapitalverwaltungsgesellschaften.html; BaFin, Merkblatt Verwahrgeschäft, v. 17.7.2013, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/ Merkblatt/mb_130717_tatbestand_verwahrgeschaeft.html; BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, v. 13.10.2011, Stand: 26.7.2013, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_140226_tatbestand_anlageverwaltung.html; BaFin, Hinweise zur Bereichsausnahme des so genannten Konzernprivilegs nach KWG, v. 16.8.2011, Stand: 4.7.2018, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_110816_ausnahme_konzernprivileg.html; BaFin, Merkblatt Anlagevermittlung, v. 17.5.2011, Stand: 13.7.2017, https://www.bafin.de/SharedDocs/ Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_091204_tatbestand_anlagevermittlung.html; BaFin, Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung, v. 13.5.2011, Stand: 18.2.2019, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_110513_anlageberatung_neu.html; BaFin, Merkblatt, Hinweise zu den Tatbeständen des Eigenhandels und des Eigengeschäfts, v. 22.3.2011, Stand: 15.5.2019, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_110322_eigenhandel_ei gengeschaeft_neu.html; BaFin, Merkblatt Finanzportfolioverwaltung, v. 3.1.2011, Stand: 25.7.2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_091208_tatbestand_fina nzportfolioverwaltung.html; BaFin, Merkblatt Ausnahme für Pfandleihgewerbe, v. 9.12.2010, https:// www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_101209_ausnahme_pfandleihge werbe.html; BaFin, Merkblatt Ausnahme für Unternehmensbeteiligungsgesellschaften, v. 26.11.2010, Stand: 21.7.2014, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_101126_ ausnahme_unternehmensbeteiligungsgesellschaften.html; BaFin, Merkblatt Ausnahme für Sozialversicherungsträger und Bundesagentur für Arbeit, v. 26.11.2010, https://www.bafin.de/SharedDocs/ Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_101126_ausnahme_sozialversicherung.html; BaFin, Merkblatt Ausnahme für Verwaltung Arbeitnehmerbeteiligungen, v. 26.11.2010, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_101126_ausnahme_verwaltung_arbeitnehmerbeteiligungen.html; BaFin, Merkblatt Ausnahme für Versicherungsunternehmen, v. 15.11.2010, Stand: 25.1.2016, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_101112_ ausnahme_versicherungsunternehmen.html; BaFin, Merkblatt Ausnahme für öffentliche Schuldenverwaltung, v. 12.11.2010, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/ mb_101112_ausnahme_oeff_schuldenverwaltung.html; BaFin, Merkblatt Ausnahme Anlageberatung

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§3

I. Grundlagen

im Rahmen anderer beruflicher Tätigkeit, v. 9.11.2010, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_101109_ausnahme_anlageberatung.html; BaFin, Merkblatt Ausnahme für Betreiber organisierter Märkte, v. 9.11.2010, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_101109_ausnahme_betreiber_organisierter_maerkte.html; BaFin, Merkblatt Ausnahme für Angehöriger freier Berufe, v. 28.10.2010, Stand: 5.9.2014, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_101028_ausnahme_freiberufler.html; BaFin, Merkblatt Finanzkommissionsgeschäft, v. 18.3.2010, Stand: 4.5.2017, https://www.bafin.de/SharedDocs/ Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_100318_tatbestand_finanzkommgeschaeft.html; BaFin, Merkblatt Scheck- und Wechseleinzugsgeschäft, Reisescheckgeschäft, v. 6.1.2010, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_100106_scheck_wechselgeschaeft.html; BaFin, Merkblatt Platzierungsgeschäft, v. 10.12.2009, Stand: 25.7.2013, https://www.bafin.de/SharedDocs/ Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_091211_tatbestand_platzierungsgeschaeft.html; BaFin, Merkblatt Drittstaateneinlagenvermittlung, v. 8.12.2009, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_091204_tatbestand_drittstaateneinlagenvermittlung.html; BaFin, Merkblatt Abschlussvermittlung, v. 7.12.2009, Stand: 11.9.2014, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_091207_tatbestand_abschlussvermittlung.html; BaFin, Merkblatt multilaterales Handelssystem, v. 7.12.2009, Stand: 25.7.2013, https://www.bafin.de/SharedDocs/ Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_091208_tatbestand_multilaterales_handelssystem.html; BaFin, Merkblatt Finanzierungsleasing, v. 19.1.2009, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_090119_tatbestand_finanzierungsleasing.html; BaFin, Merkblatt Garantiegeschäft, v. 8.1.2009, Stand: 3.4.2020, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/ DE/Merkblatt/mb_090108_tatbestand_garantiegeschaeft.html; BaFin, Merkblatt Kreditgeschäft, v. 8.1.2009, Stand: 2.5.2016, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/ mb_090108_tatbestand_kreditgeschaeft.html; BaFin, Merkblatt Darlehenrückkaufgeschäft, v. 7.1.2009, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_090107_tatbestand_darl ehenrueckkaufgeschaeft.html; BaFin, Merkblatt Emissionsgeschäft, v. 7.1.2009, Stand: 24.7.2013, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_090107_tatbestand_emissionsgeschaeft.html; BaFin, Merkblatt Pfandbriefgeschäft, v. 6.1.2009, Stand: 14.9.2015, https:// www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_090106_tatbestand_pfandbriefg eschaeft.html; BaFin, Merkblatt Depotgeschäft, v. 6.1.2009, Stand: 17.2.2014, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_090106_tatbestand_depotgeschaeft.html; BaFin, Merkblatt Diskontgeschäft, v. 6.1.2009, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/ DE/Merkblatt/mb_090106_tatbestand_diskontgeschaeft.html; BaFin, Merkblatt Factoring, v. 5.1.2009, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_090105_tatbestand_fact oring.html; BaFin, Merkblatt, Hinweise zum Angebot von Banknoten und Münzen im Internet, v. 24.7.2007, Stand: 7.2.2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/ mb_070724_banknoten.html; BaFin, Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften, v. 1.4.2005, Stand: 11.3.2019, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_050401_grenzueberschreitend.html; (Abrufdatum jew. 5.5.2020). Verlautbarungen der Deutschen Bundesbank (Bundesbank): Bundesbank, Merkblatt über die Erteilung einer Erlaubnis zum Erbringen von Finanzdienstleistungen gemäß § 32 Abs. 1 KWG, v. 6.7.2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/WA/dl_fidierlaubnis_buba.pdf?__blo b=publicationFile&v=4; Bundesbank, Merkblatt über die Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften gemäß § 32 Abs. 1 KWG, v. 9.6.2008, Stand: 3.9.2012, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/BA/dl_080609_bankerlaubnis_ba.html; (Abrufdatum jew. 5.5.2020).

I.

Grundlagen

Die Erlaubnispflicht für die Erbringung banktypischer Dienstleistungen ist in zweifacher 1 Hinsicht ein Kernstück des materiellen Aufsichtsrechts. Der Kreis der erlaubnispflichtigen Geschäfte definiert einerseits den Anwendungsbereich der qualitativen und quantitativen aufsichtsrechtlichen Anforderungen an den Geschäftsbetrieb und damit zugleich den Adressatenkreis der Überwachung durch die institutionelle Bankenaufsicht auf nationaler (Bundesanstalt für Bankenaufsicht – BaFin) und europäischer Ebene (Europäische Zentralbank – EZB, ggf. European Banking Authority – EBA). Andererseits enthalten die im Zusammenhang mit der Erlaubnispflicht – in Gestalt von Versagungsgründen – vorgeschriebenen Mindestanforderungen für die Zulassung bereits wichtige Grundbestandteile der allgemeinen Anforderungen an Banken im laufenden Geschäft. Die Erlaubnispflicht lässt sich im System des geltenden Aufsichtsrechts damit als eine Art Eingangsbestimmung für das materielle Aufsichtsrecht qualifizieren. Sie unterwirft Bankgeschäfte

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119

§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

und Finanzdienstleistungen einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, das die hoheitliche Kontrolle über das Kreditwesen absichern soll.1) Daneben treten die – hier nicht näher darzustellenden – besonderen Verbotstatbestände des § 3 KWG. Die damit festgelegte Ausnahme vom Grundsatz der Gewerbefreiheit (§ 1 Abs. 1 GewO) sowie der Berufswahlfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) erschien dem historischen Gesetzgeber sowohl auf nationaler Ebene als auch im Europäischen Aufsichtsrecht mit Blick auf die Bedeutung der Regulierungsziele gerechtfertigt.2) 2 Der Regelungszweck besteht im Kern darin zu verhindern, dass ungeeignete Personen oder unzulänglich ausgestattete Unternehmen Bankgeschäfte betreiben bzw. Finanzdienstleistungen erbringen. Die tatbestandlich erfassten Geschäftsaktivitäten sollen auf Unternehmen konzentriert werden, die besonderen qualitativen Anforderungen und einer staatlichen Überwachung unterliegen. Die Erlaubnispflicht schützt damit sowohl die Funktionsfähigkeit und Integrität des Kredit- und Finanzmarkts als auch die Stabilität des Finanzsystems. Damit dient sie zugleich dem Ein- und Anlegerschutz3) und ordnet sich damit in den das gesamte Finanzmarktrecht prägenden Dualismus von Einleger- bzw. Anleger- und Systemschutz ein.4) Ob und ggf. inwieweit der so begründete Individualschutz lediglich reflexartiger Natur oder zu auch zivilrechtlich durchsetzbaren subjektiven Rechten verfestigt ist, ist mit dieser Einordnung allerdings noch nicht geklärt und differenzierend zu beantworten (siehe unten Rz. 109). 3 Zentrale Rechtsgrundlage für die Erlaubnispflicht und das Erlaubnisverfahren ist im deutschen Recht § 32 KWG, der in § 33 KWG um einen Katalog zwingender (Abs. 1, siehe dazu Rz. 68 ff.) und im Ermessen der BaFin stehender Versagungsgründe (Abs. 2, siehe dazu Rz. 74 ff.) sowie um weitere Verfahrensregeln (Abs. 4) erweitert wird. Ergänzend hinzu treten im nationalen Recht § 33a KWG, der Sonderregeln für Erlaubnisanträge von Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern vorsieht, § 33b KWG für Erlaubnisverfahren bei Konzernunternehmen von in anderen EWR-Staaten zugelassenen Unternehmen, sodann die Regelungen zur Geschäftsfortführung im Falle des Todes des Erlaubnisinhabers in § 34 KWG sowie schließlich die Rechtsgrundlagen für das Erlöschen und die Aufhebung der Erlaubnis in § 35 KWG. Die letztgenannte Vorschrift leitet bereits über zu den aufsichtsrechtlichen Eingriffsbefugnissen der §§ 36 ff. KWG, die bei Verstößen gegen auf___________ 1) 2) 3)

4)

120

Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 14. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, KWG/CRR-VO, Einf. KWG Rz. 166; Schwennicke/AuerbachSchwennicke, KWG, § 32 Rz. 2. BVerwG, Urt. v. 15.12.2010 – 8 C 37/09, BKR 2011, 208, 210; BVerwG, Urt. v. 27.3.1984 – 1 C 125/80, BVerwGE 69, 120, 125; BVerwG, Urt. v. 22.9.2004 – 6 C 29/03, Rz. 37 und 40, BVerwGE 122, 29 = ZIP 2005, 385, 387, 389; BVerwG, Urt. v. 27.2.2008 – 6 C 11/07, Rz. 44, ZIP 2008, 911, 916 = BVerwGE 130, 262, dazu EWiR 2008, 445 (v. Livonius/Bernau); BVerwG, Urt. v. 22.4.2009 – 8 C 2/09, Rz. 26, BVerwGE 133, 358 = ZIP 2009, 1759 (LS), dazu EWiR 2009, 553 (Elixmann); BVerwG, Urt. v. 24.2.2010 – 8 C 10/09, Rz. 25, ZIP 2010, 1170, 1172, dazu EWiR 2010, 501 (Voß); BGH, Urt. v. 7.7.2015 – VI ZR 372/14, ZIP 2015, 1772, 1775, dazu EWiR 2015, 561 (Wösthoff); BGH, Urt. v. 9.3.1995 – III ZR 55/94, BGHZ 129, 90, 96 = ZIP 1995, 635; s. a. bereits Begr. RegE KWG 1961, BTDrucks. III/1114, S. 26, sowie den Bericht des BT-Wirtschaftsausschusses z. RegE, BT-Drucks. III/ 2563, S. 2; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 32 KWG Rz. 4; Beck/Samm/ Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 1; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 32 Rz. 2; Horn, ZGR 1976, 435, 441; monographisch eingehend Thiele, Finanzaufsicht, S. 64 ff. Grundlegend hierzu Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 51 f., 334 ff. und passim; s. a. Binder, ZEuP 2017, 569, 586 ff.; speziell zum daraus resultierenden Zielprogramm des Bankaufsichtsrechts eingehend Bieg, Bankbilanzen und Bankenaufsicht, S. 34 ff.; Niethammer, Ziele der Bankenaufsicht, passim; Boos/ Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, KWG/CRR-VO, Einf. KWG Rz. 166 ff.; Beck/Samm/KokemoorKokemoor, KWG, § 6 Rz. 15 ff. (zum früheren Rechtszustand vor Umsetzung der geltenden unionsrechtlichen Vorgaben, aber auch für das Unionsrecht verallgemeinerungsfähig); für das europäische Aufsichtsrecht Theissen, EU Banking Supervision, S. 146 ff. S. aus betriebswirtschaftlicher Perspektive auch Luz/Neus/Schaber/u. a.-Neus, KWG und CRR, Einf. Rz. 35 ff.

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§3

I. Grundlagen

sichtsrechtliche Pflichten als milderes Mittel im Vergleich zur Aufhebung der Erlaubnis vorrangig heranzuziehen sind. Das System von Erlaubnispflicht (§ 32 KWG) und Versagungsgründen (§ 33 KWG) geht bereits auf §§ 3 und 4 KWG 19345) zurück und ist seit der ursprünglichen Fassung des KWG 1961 mehrfach ergänzt und erweitert worden.6) Einer eigenständigen Aufsichtspflicht und eigenständigen materiellen Anforderungen unterliegen die Anbieter von Zahlungsdienstleistungen (vgl. insbesondere §§ 8 Abs. 1, 8a Abs. 1 ZAG)7). Die genannten Rechtsvorschriften setzen teilweise unionsrechtliche Vorgaben um. Die 4 im Europäischen Aufsichtsrecht vorgegebenen Erlaubnispflichten sind jedoch mit den im autonomen Recht geregelten nicht deckungsgleich. Der mit der „Erlaubnis“ korrespondierende Rechtsbegriff im Unions-Aufsichtsrecht ist die „Zulassung“.8) In systematischer Hinsicht ist – unabhängig von der Ebene der jeweiligen Rechtsquelle – zu beachten, dass es für die materiell-rechtliche Qualifikation als Kreditinstitut nicht auf das Vorliegen einer aufsichtsrechtlichen Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb ankommt (sog. materieller Institutsbegriff); Entsprechendes gilt für die Einstufung als „Finanzdienstleistungsinstitut“ nach § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG.9) Sowohl im deutschen Recht (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 einerseits und Abs. 1a Satz 1 KWG andererseits) als auch im Europäischen Verordnungsrecht (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 CRR10): „Kreditinstitut“ und „Wertpapierfirma“) wird für die damit angesprochenen Grundbegriffe des Aufsichtsrechts vielmehr an bestimmte Geschäftstätigkeiten angeknüpft. Die Tatbestandsvoraussetzungen hierfür sind deckungsgleich mit denjenigen, welche die Erlaubnis- bzw. Zulassungspflicht auslösen. Die Zuständigkeit für die Erteilung der Erlaubnis ist heute geteilt. Die EZB ist nach Er- 5 richtung des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus zuständig für die Erteilung der Erlaubnis zum Betreiben des Einlagen- und Kreditgeschäfts (Art. 4 Abs. 1 lit. a i. V. m. Art. 14 SSM-VO11)). Für alle anderen Erlaubnistatbestände bleibt die Zuständigkeit auf nationaler Ebene bei der BaFin. Dies führt naturgemäß zur Aufspaltung der jeweiligen Erlaubniserteilungsverfahren, in deren Rahmen BaFin und EZB nach Maßgabe von Art. 14 SSM-VO i. V. m. Artt. 73 bis 78 SSM-RahmenVO12) zusammenwirken (Einzelheiten siehe § 2 Rz. 51, 121 ff. [Glos/Benzing]). Das Spektrum der nach europäischem Sekundärrecht zulassungspflichtigen Tätigkeiten ist 6 deutlich enger gefasst als die nach § 32 KWG erlaubnispflichtigen Geschäfte. Unionsrechtlich vorgeschrieben ist eine Zulassungspflicht im geltenden Recht zunächst für Kreditinstitute (Art. 8 Abs. 1 CRD IV13)) und damit für das Einlagen- und Kreditgeschäft

___________ 5) Reichsgesetz über das Kreditwesen v. 5.12.1934, RGBl. I S. 1203. 6) Näher Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 2 ff. 7) Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten – Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG), v. 25.6.2009, BGBl. I 2009, 1506 (aufgeh. durch Art. 15 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes v. 17.7.2017 m. W. v. 13.1.2018). 8) Vgl. die Legaldefinition in Art. 4 Abs. 1 Nr. 42 CRR: „Hoheitsakt gleich welcher Form, mit dem die Behörden das Recht zur Ausübung der Geschäftstätigkeit erteilen“; für die CRD IV darauf verweisend Art. 3 Abs. 1 Nr. 38 der Richtlinie. 9) Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 32. 10) Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013. 11) Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013. 12) Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank v. 16.4.2014 – SSM-Rahmenverordnung (SSM-RahmenVO) (EZB/2014/17), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014. 13) Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013.

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§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

und sodann für Wertpapierfirmen (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 MiFID I und II14)) und damit für die Erbringung von „Wertpapierdienstleistungen“ bzw. die Ausübung von Anlagetätigkeiten (siehe Rz. 12 ff.).15) Das deutsche Aufsichtsrecht knüpft das Erfordernis einer Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb dagegen an den Betrieb von Bankgeschäften (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG) bzw. an die Erbringung von Finanzdienstleistungen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG), wobei bereits die Absicht der Erbringung als solche die Erlaubnispflicht auslöst (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 KWG). Beide Kategorien führen Einzelaspekte der unionsrechtlichen Tatbestandskategorien zusammen, gehen aber über die im Unionsrecht erfassten Tatbestände hinaus. Im Unterschied zu den unionsrechtlichen Vorgaben differenziert das deutsche Recht im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen tradiertem Bankgeschäft einerseits und Wertpapierdienstleistungsgeschäft andererseits konzeptionell stärker nach unternehmensbezogenem Aufsichtsrecht, das zusammen mit der Erlaubnispflicht im KWG umgesetzt wird, und geschäfts- und transaktionsbezogenen Anforderungen, die in den §§ 31 ff. WpHG umgesetzt werden. II.

Erlaubnispflicht

1.

Problemübersicht und Grundlagen

7 Nach der zentralen Rechtsgrundlage im deutschen Aufsichtsrecht bedarf der schriftlichen16) Erlaubnis der Aufsichtsbehörde, wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 KWG). Dies entspricht den Tatbestandsvoraussetzungen für die Erfassung als Kreditinstitut bzw. Finanzdienstleistungsinstitut nach § 1 Abs. 1 bzw. Abs. 1a KWG. Im deutschen Recht werden die erfassten Geschäftsaktivitäten unter den Begriffen Bankgeschäfte (siehe Rz. 12 ff.) und Finanzdienstleistungen (siehe Rz. 48 ff.) zusammengefasst. Adressat der Erlaubnispflicht ist jeder, der die erfassten Aktivitäten betreibt oder betreiben will. Erfasst von der Erlaubnispflicht im deutschen Aufsichtsrecht sind lediglich Aktivitäten im Inland (siehe Rz. 56 f.), die einen bestimmten Umfang (siehe Rz. 58 ff.) erreichen. 8 Auch wenn die Einzeltatbestände erlaubnispflichtiger Aktivitäten gerade im deutschen Aufsichtsrecht vergleichsweise detailliert definiert werden, sind Qualifikations- und Abgrenzungsprobleme zahlreich, die sich in einer überaus komplexen, im Folgenden nur in wesentlichen Grundzügen nachzuzeichnenden Kasuistik niederschlagen. Für die aufsichtsrechtliche Praxis bieten insoweit Auslegungsmerkblätter der BaFin wichtige Handreichungen (siehe noch Rz. 17 ff.). Doch kann die Vorfestlegung der Aufsichtsbehörde auf eine bestimmte Normauslegung schon mit Blick auf ihren unverbindlichen Charakter allenfalls eine Orientierungshilfe sein, die gerade in atypisch gelagerten Sachverhalten kaum weiterhelfen wird. Davon abgesehen, sind die einzelnen Verbotstatbestände wiederholt Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung von Sachverhalten geworden, die gelegentlich auch zur Korrektur aufsichtsrechtlicher Auslegungsentscheidungen geführt hat.17) Verlässliche Aussagen über die Reichweite der Erlaubnispflicht v. a. für das weite ___________ 14) Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID I), ABl. (EU) L 145/1 v. 30.4.2004; Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID II), ABl. (EU) L 173/349 v. 12.6.2014. 15) Vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 CRR (in Bezug genommen in Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 CRD IV) unter Verweis auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID I; ausgenommen sind hiernach Kreditinstitute (lit. a), sog. lokale Firmen (lit. b) sowie Firmen, die ausschließlich einen näher definierten Kreis an Dienstleistungen erbringen (lit. c). 16) Beachte § 32 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 i. V. m. §§ 3a Abs. 2, 37 Abs. 4 VwVfG. 17) Grundlegend BVerwG, Urt. v. 27.3.1984 – 1 C 125/80, BVerwGE 69, 120, 125 f. (unternehmensinterne Maßnahmen zur Vermögensbildung von Arbeitnehmern).

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II. Erlaubnispflicht

Spektrum der erlaubnispflichtigen Aktivitäten im autonomen deutschen Aufsichtsrecht können nur im Wege einer teleologischen Auslegung unter Berücksichtigung der Schutzzwecke des Aufsichtsrechts allgemein und des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt im Besonderen gewonnen werden. Dies gilt schon im Interesse der Rechtssicherheit angesichts der erheblichen Konsequenzen einer Einbeziehung von Sachverhalten in den Anwendungsbereich aufsichtsrechtlicher Pflichten, aber auch angesichts der drohenden Sanktionen bei Verstößen gegen die Erlaubnispflicht (siehe dazu Rz. 108 f.). Bestehen Zweifel, ob ein Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, ist daher die jeweils erwogene 9 Auslegung an den Schutzzielen des Einleger- und Systemschutzes in der eingangs (siehe Rz. 1 f.) skizzierten Ausprägung zu messen. Sachverhalte, die objektiv keine Relevanz für zumindest einen der beiden Zielkomplexe zu entfalten geeignet sind, sind entweder im Wege einer engen Wortlautauslegung oder ggf. im Wege einer teleologischen Reduktion aus dem Anwendungsbereich auszuschließen.18) Die praktische Relevanz der Abgrenzung anhand dieser Kriterien zeigt sich besonders deutlich in Fallkonstellationen, in denen Einleger nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 32 KWG Schadensersatz wegen Verstoßes gegen die Erlaubnispflicht fordern, nachdem eine Rückzahlung der anvertrauten Gelder ausgeblieben ist (siehe noch Rz. 109). Hier prüft die Rechtsprechung regelmäßig, ob es im Falle der Einholung einer Erlaubnis, bei Erfüllung der damit verbundenen qualitativen Anforderungen und Unterstellung unter die Kontrolle der Aufsichtsbehörden ebenfalls zu den Verlusten gekommen wäre,19) und misst damit dem Schutzziel des Ein- bzw. Anlegerschutzes zentrale Bedeutung bei. Die praktische Handhabung der Definitionen erlaubnispflichtiger Geschäfte im deutschen 10 Recht wird durch den Umstand erschwert, dass die Tatbestandskategorien des deutschen Aufsichtsrechts zwar terminologisch teilweise mit jenen der bislang geltenden unionsrechtlichen Rechtsquellen deckungsgleich, materiell aber deutlich anders zugeschnitten sind. Dies ist besonders problematisch innerhalb der Europäischen Bankenunion, wo sich der Zuschnitt des Mandats der EZB als Aufsichtsbehörde nach Maßgabe der SSM-VO, wie bereits angesprochen, an den unionsrechtlichen Vorgaben für Kreditinstitute i. S. der CRD IV und CRR orientiert (vgl. Art. 4 SSM-VO). Sowohl das deutsche als auch das Unionsrecht verwenden den Begriff des Kreditinstituts (§ 1 Abs. 1 Satz 1 KWG bzw. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR). Materiell-rechtlich bestehen jedoch deutliche Unterschiede im Hinblick auf die jeweils erfassten Geschäftstypen; der Kreditinstitutsbegriff des deutschen Rechts, der auf die Erbringung von „Bankgeschäften“ abstellt, geht erheblich weiter als der des Unionsrechts (Einzelheiten siehe Rz. 12 ff.). Schon terminologisch ohne unmittelbare Entsprechung im Unionsrecht ist demgegenüber der Begriff des Finanzdienstleistungsinstituts (§ 1 Abs. 1a KWG). Die unionsrechtliche Kategorie der „Wertpapierfirma“ (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 CRR) ist anders – weiter – zugeschnitten und wird teilweise auch durch solche Geschäftsaktivitäten eröffnet, die im deutschen Recht als „Bankgeschäft“ Kreditinstituten nach hiesigem Verständnis vorbehalten sind (Einzelheiten siehe Rz. 12 ff.). Ungeachtet des konzeptionellen Unterschieds verwenden sowohl das deutsche als auch ___________ 18) Vgl. VG Frankfurt, Beschl. v. 26.8.2015 – 7 L 2174/15.F, juris, Rz. 54; mit ähnlichem Ansatz auch Henke, WM 2010, 2157, 2161; vgl. – mit deutlicher Kritik an der Aufsichtspraxis – auch Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 32 KWG Rz. 9, 16 f. 19) So etwa BGH, Urt. v. 19.3.2013 – VI ZR 56/12 (Winzergelder), Rz. 31, BGHZ 197, 1, 14 = ZIP 2013, 966, 970 = NZG 2013, 814, m. Anm. Wenzel, dazu EWiR 2013, 461 (v. Livonius); BGH, Urt. v. 23.11.2010 – VI ZR 244/09, ZIP 2011, 115, 117, dazu EWiR 2011, 129 (v. Livonius); BGH, Urt. v. 11.7.2006 – VI ZR 339/04, Rz. 27, ZIP 2006, 1761, 1764, dazu EWiR 2007, 23 (Drescher); BGH, Urt. v. 11.7.2006 – VI ZR 340/04, Rz. 25, ZIP 2006, 1764, 1767, dazu EWiR 2006, 729 (Bruns); BGH, Urt. v. 21.4.2005 – III ZR 238/03, Rz. 24, ZIP 2005, 1223, 1225, dazu EWiR 2005, 611 (Bruns); vgl. auch BGH, Urt. v. 7.7.2015 – VI ZR 372/14, Rz. 32, ZIP 2015, 1772, 1774.

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Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

das Unionsrecht den Begriff des Instituts als Oberbegriff für die beiden genannten Kategorien.20) 11 Zusammenfassend ergibt dies folgendes Bild: Die unionsrechtlich erfassten und den beiden Kategorien des „Kreditinstituts“ sowie der „Wertpapierfirma“ zugeordneten Typen von Geschäftsaktivitäten schlagen sich zwar auch in der deutschen Umsetzungsgesetzgebung nieder, sind hier aber anders zugeordnet. Der Hintergrund dafür liegt in der auf die Kapitaladäquanzrichtlinie21) (als Vorläuferin des CRD IV-Pakets) sowie die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie22) von 1993 (als Vorläuferin der MiFID II) zurückgehenden unionsrechtlichen Erfassung von „Wertpapierfirmen“ als den Kreditinstituten gleichgestellter Unternehmenstyp, die das derzeit noch geltende europäische Aufsichtsrecht prägt. Während die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie erstmals Zulassungsanforderungen und Zulassungsverfahren vereinheitlichte und damit zugleich die mit der Kapitaladäquanzrichtlinie vorbereitete gemeinschaftsweite Marktöffnung auf der Grundlage von „Europäischem Pass“ und Herkunftslandkontrolle vollendete,23) unterwarf die Kapitaladäquanzrichtlinie das Wertpapierdienstleistungsgeschäft Eigenmittelanforderungen, die auf die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen mit dem regulierten Kredit- und Einlagengeschäft abzielten und damit im Ergebnis Marktteilnehmer aus Universalbankensystemen mit solchen aus Trennbankensystemen gleichstellen sollten.24) Für Mitgliedstaaten mit Trennbankensystemen und die dort ansässigen Intermediäre bedeutete die Erstreckung des materiellen Bankenaufsichtsrechts auf Wertpapierdienstleistungen damit eine erhebliche Erweiterung seines Anwendungsbereichs. Für Mitgliedstaaten mit Universalbankensystemen war die Einbeziehung der Wertpapierdienstleistungen in den Anwendungsbereich als solche dagegen nur natürlich. Für sie war eher die systematische Aufteilung auf zwei voneinander getrennte, wenn auch systematisch aufeinander abgestimmte Regelungsregimes ein Bruch mit vorfindlichen Regelungsansätzen. Die tatbestandlich weiter gefasste, u. a. auch Wertpapierdienstleistungen einbeziehende Definition des „Kreditinstituts“ im deutschen Recht hat ihren Ursprung in dieser Vorgeschichte; sie sollte terminologisch und systematisch die Eigenheiten des für den deutschen Markt prägenden25) Universalbankensystems so weit wie möglich berücksichtigen.26) Dem entspricht im bislang geltenden Recht die nach wie vor verbreitete Begriffskategorie der „Einlagenkreditinstitute“ als Kreditinstitute i. S. des § 1 Abs. 1 KWG, die jedenfalls das Einlagen- und das Kreditgeschäft betreiben und der „Wertpapierhandelsbanken“ als Kreditinstitute, die neben dem Finanzkommissions- und üblicherweise auch dem Emissionsgeschäft Finanzdienstleistungen nach § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG erbringen. Reine Finanzdienstleistungsinstitute i. S. des § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG sind solche, die ausschließlich Finanzdienstleistungen erbringen.27) Der für das europäische Recht bislang prägende Ansatz der regulatorischen Gleichbehandlung von Kreditin___________ 20) Vgl. einerseits § 1 Abs. 1b KWG („Institut“ als Oberbegriff für „Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute“), andererseits Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR („Institut“ als Oberbegriff für „Kreditinstitute und Wertpapierfirmen“). 21) Richtlinie 93/6/EWG des Rates v. 15.3.1993, ABl. (EG) L 141/1 v. 11.6.1993. 22) Richtlinie 93/22/EWG des Rates v. 10.5.1993, ABl. (EG) L 141/27 v. 11.6.1993, insb. Art. 10 (Organisationsgrundsätze) und Art. 11 (Wohlverhaltensregeln). 23) Richtlinie 93/22/EWG des Rates v. 10.5.1993, ABl. (EG) L 141/27 v. 11.6.1993, insb. Titel II („Bedingungen für den Zugang zur Tätigkeit“), Titel IV („Bedingungen für die Ausübung“) sowie Titel V („Freie Niederlassung und freier Dienstleistungsverkehr“). 24) Zu diesem Zusammenhang stellvertretend Binder, ZEuP 2017, 569, 590. 25) Vgl. zum Hintergrund stellvertretend Staub-Grundmann, HGB, Bd. 10: Bankvertragsrecht (Teil 1), Rz. 17 ff. 26) Vgl. Begr. RegE 6. KWG-Novelle, BT-Drucks. 13/7142, S. 55 f. 27) Vgl. im Überblick etwa Luz/Neus/Schaber/u. a.-Weber/Seifert, KWG und CRR, § 1 KWG Rz. 17.

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II. Erlaubnispflicht

stituten i. e. S. und Wertpapierfirmen wird künftig aufgebrochen werden. Mit der 2019 in Kraft getretenen Kombination aus einer neuen Verordnung über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen (Investment Firm Regulation – IFR)28) und einer neuen Richtlinie über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen (Investment Firm Directive – IFD)29) wird zukünftig zwischen systemischen Wertpapierunternehmen, die nach wie vor den Anforderungen aus der CRD IV sowie der CRR unterworfen bleiben, und sonstigen Anbietern von Wertpapierdienstleistungen unterschieden, für die ein eigenständiges Regime mit prudenziellen Anforderungen geschaffen wird. Die damit verbundenen Änderungen, die nachfolgend nicht i. E. dargestellt werden, werden überwiegend ab 26.6.2021 und damit nach dem Zeitraum für die nationale Umsetzung der Richtlinie wirksam.30) 2.

Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen

a)

Bankgeschäfte (§ 1 Abs. 1 KWG)

aa)

System und unionsrechtliche Vorgaben

Mit der Anknüpfung an den Rechtsbegriff des „Bankgeschäfts“ verweist § 32 Abs. 1 Satz 1 12 Halbs. 1 Alt. 1 KWG für die Erlaubnispflicht auf den in der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG geregelten, abschließenden31) Katalog von Geschäftsaktivitäten. Die Regelung ist tatbestandlich nur teilweise deckungsgleich mit der unionsrechtlichen Zulassungspflicht nach Art. 8 Abs. 1 CRD IV für Kreditinstitute i. S. des Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 CRD IV. Die letztgenannte Vorschrift verweist ihrerseits auf die Legaldefinition des Begriffs des Kreditinstituts in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR, die ohne inhaltliche Änderung bereits seit der Ersten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie von 1977 einen der Grundtatbestände des Europäischen Bankaufsichtsrechts bildet.32) Hiernach sind Kreditinstitute Unternehmen, deren „Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren“. In der Terminologie des KWG entsprach dieser Kerntypus aufsichtsunterworfener Unternehmen seit der 4. KWGNovelle33) bis zum Inkrafttreten des CRD IV-Umsetzungsgesetzes34) dem – durch die 6. KWG-Novelle 199735) erheblich geänderten – Rechtsbegriff des „Einlagenkreditinstituts“ als Unterkategorie des Kreditinstituts-Begriffs, die nunmehr durch den des „CRRKreditinstituts“ (§ 1 Abs. 3d KWG n. F. unter Verweis auf die Legaldefinition des Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR) ersetzt worden ist. In systematischer Hinsicht lassen sich die beiden Kategorien des Einlagengeschäfts und des Kreditgeschäfts (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 KWG) von den übrigen in § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG aufgeführten Tatbeständen insofern abschichten, als mit dem Einlagen- und Kreditgeschäft die das tradierte Geschäftsmodell ___________ 28) Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 – Investment Firm Regulation (IFR), ABl. (EU) L 314/1 v. 5.12.2019. 29) Richtlinie (EU) 2019/2034 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 – Investment Firm Directive (IFD), ABl. (EU) L 314/64 v. 5.12.2019. 30) Dazu einführend z. B. Behrens/Bauerfeind, GWR 2019, 99 ff.; Wojcik, ZBB 2019, 272, 277 f. 31) Vgl. bereits Begr. RegE KWG 1961, BT-Drucks. III/1114, S. 27; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 9. 32) Vgl. Art. 1 Spiegelstrich 1 Erste Richtlinie 77/780/EWG des Rates v. 12.12.1977, ABl. (EG) L 322/30 v. 17.12.1977. 33) Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen und zur Änderung anderer Vorschriften über Kreditinstitute, v. 21.12.1992, BGBl. I 1992, 2211. 34) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen – CRD IV-Umsetzungsgesetz, v. 28.8.2013, BGBl. I 2013, 3395. 35) Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, v. 22.10.1997, BGBl. I 1997, 2518.

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Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

von Kreditinstituten – Universal- und Spezialbanken – prägenden Geschäftsaktivitäten erfasst werden.36) 13 Die übrigen Fälle von Bankgeschäften beziehen sich demgegenüber auf Geschäfte, die entweder typischerweise i. V. m. dem klassischen „Kern“ von Einlagen- und Kreditgeschäft stehen, was insbesondere für die in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 – 9 KWG geregelten Tatbestände gilt (siehe dazu noch Rz. 41 ff.), oder die typischerweise von spezialisierten Unternehmen getätigt werden, welche mit Blick auf die besondere wirtschaftliche Bedeutung der erfassten Tätigkeiten in den Anwendungsbereich der Bankenaufsicht einbezogen werden sollen (insbesondere § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a, 10 und 12 KWG). Ein weiterer Unterschied liegt in der Bestimmtheit der gesetzlichen Tatbestände; diese fällt tendenziell in den Alternativen des Einlagen- und des Kreditgeschäfts schwächer aus als bei den übrigen Tatbeständen, so dass die Reichweite des materiellen Aufsichtsrechts und die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde(n) hier gerade auch von Auslegungsentscheidungen in dieser Hinsicht abhängen. Die damit umrissene, zentrale Bedeutung des Einlagen- und des Kreditgeschäfts lässt die beiden Tatbestände auch in der nachfolgenden Darstellung in den Vordergrund treten. 14 Um das systematische Verhältnis der unionsrechtlichen Vorgaben zum nationalen Recht im Hinblick auf den Anwendungsbereich des Bankenaufsichtsrechts vollständig auszuloten, reicht ein Blick auf das unionsrechtliche Begriffsverständnis des „Kreditinstituts“ nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR indessen nicht aus. Vielmehr müssen auch die Anforderungen an Wertpapierfirmen i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 CRR einbezogen werden, die an die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen anknüpfen. Insoweit verweist Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 CRR auf die Begriffsdefinition in der MiFID (II), sieht allerdings einige Ausnahmen vor. Ausgangspunkt ist demnach die Definition der „Wertpapierfirma“ als „jede juristische Person, die i. R. ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmäßig eine oder mehrere Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringt und/oder eine oder mehrere Anlagetätigkeiten ausübt“ (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II), wobei in Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 MiFID II hinsichtlich der Begriffe „Wertpapierdienstleistungen“ und „Anlagetätigkeiten“ auf die enumerativen Kataloge in Anhang I Abschn. A zu dem Rechtsakt verwiesen wird. Der systematische Zusammenhang zwischen der damit definierten Kategorie der „Wertpapierfirma“ und jener des „Kreditinstituts“ im unionsrechtlichen Sinne wird besonders deutlich im Wortlaut der Legaldefinition der „Wertpapierfirma“ in Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 CRR, wo „Kreditinstitute“ ausdrücklich aus dem Kreis der als „Wertpapierfirmen“ erfassten „Personen“ ausgenommen werden (Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 lit. a CRR). 15 Für die – hier allein interessierende – unionsrechtliche Definition des Anwendungsbereichs der bankenaufsichtsrechtlichen Anforderungen ergibt sich damit, zusammengefasst, folgendes Bild: Zwar unterfallen an sich auch „Kreditinstitute“, soweit sie Wertpapierdienstleistungen und/oder Anlagetätigkeiten erbringen, dem auf „Wertpapierfirmen“ zugeschnittenen Anwendungsbereich der MiFID II (vgl. Art. 1 Abs. 4 MiFID II). Für die Zwecke des Anwendungsbereichs des materiellen Bankenaufsichtsrechts, wie er insoweit durch Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 CRR definiert wird, sind sie dann allerdings im Unterschied zur Rechtslage nach der MiFID II ausschließlich als Kreditinstitut zu qualifizieren. Auch dies geht darauf zurück, dass die gemeinschafts- und heute unionsrechtlich harmonisierten Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen den Zweck verfolgen, einheitliche Anforde___________ 36) Vgl. auch Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 64 ff. sowie Rz. 194 (Kreditgeschäft als „das zentrale Aktivgeschäft der Banken“); ähnlich Luz/Neus/Schaber/u. a.-Weber/Seifert, KWG und CRR, § 1 KWG Rz. 18 („Einlagengeschäft“ und „Kreditgeschäft“ als „[u]nter dem Blickwinkel der aufsichtsrechtlichen Ziele […] bedeutendste […] Bankgeschäfte“).

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II. Erlaubnispflicht

rungen für Intermediäre in Universal- und Trennbankensystemen einzuführen und durchzusetzen (siehe schon Rz. 10 f.). Die Einbeziehung weiterer, nicht durch das Unionsrecht vorgegebener Tatbestände in 16 den Kreis der „Bankgeschäfte“ nach deutschem Recht beruht auf der Wertung, dass die erfassten Aktivitäten ebenso wie das Einlagen- und das Kreditgeschäft Relevanz für die Schutzzwecke des Aufsichtsrechts entfalten können.37) Unionsrechtlich ist dies zulässig, weil die unionsweit harmonisierten Tatbestände nicht i. S. einer Maximalharmonisierung des Anwendungsbereichs zu verstehen sind.38) Probleme bereiten die unterschiedlichen Ansätze allerdings schon deshalb, weil der Kreis der von § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG erfassten Aktivitäten über die Tatbestandsmerkmale des Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR hinausgeht und diese zudem lediglich alternativ, nicht aber – im Unterschied zu den von Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR erfassten Fällen des Einlagen- und Kreditgeschäfts – kumulativ vorliegen müssen.39) Ob tatsächlich jedes in Deutschland mit einer Volllizenz zugelassene Kreditinstitut zwingend zugleich als CRR-Institut i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG zu qualifizieren ist,40) ist daher nicht zweifelsfrei,41) mit Blick auf die in § 1a KWG geregelte weitgehende Gleichstellung von CRR-Kreditinstituten mit Kreditinstituten i. S. des § 1 Abs. 1 KWG im Ergebnis aber unschädlich. Die Divergenzen führen jedoch zu Abgrenzungsproblemen, die durch eine bessere Abstimmung der Definitionen im autonomen Recht mit den unionsrechtlichen Vorgaben hätten vermieden werden können. Für die praktische Handhabung der Einzeltatbestände des § 1 Abs. 1 KWG insbesondere 17 in Zweifelsfällen von großer Bedeutung sind die von der BaFin veröffentlichten Merkblätter, welche die Auslegung der einzelnen Tatbestände für die Aufsichtspraxis konkretisieren. Es handelt sich um norminterpretierende Verlautbarungen ohne rechtliche Bindungswirkung, die allerdings in der Praxis mit erheblicher faktischer Wirkungskraft verbunden sind und deren Beachtung sich schon formal zur Verfahrensbeschleunigung empfehlen wird.42) Im Einzelnen sind folgende Merkblätter zu den Tatbeständen des § 1 Abs. 1 KWG veröffentlicht und auf der Internetpräsenz der BaFin zugänglich gemacht worden: Übersicht 1: BaFin-Merkblätter zu § 1 Abs. 1 KWG – Bankgeschäfte Tatbestand

Merkblatt-Bezeichnung

§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG Merkblatt Einlagengeschäft Hinweise zum Tatbestand des Einlagengeschäfts

18 Datum 11.3.2014

6.1.2009 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a KWG Merkblatt Pfandbriefgeschäft Hinweise zum Tatbestand des Pfandbriefgeschäfts Stand: 14.9.2015 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG

Merkblatt Kreditgeschäft Hinweise zum Tatbestand des Kreditgeschäfts

8.1.2009 Stand: 2.5.2016

§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KWG

Merkblatt Diskontgeschäft Hinweise zum Tatbestand des Diskontgeschäfts

6.1.2009

___________ 37) 38) 39) 40)

Vgl. etwa Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 KWG Rz. 61, 77 f. Deutlich ErwG 14 CRD IV. Vgl. Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, Anh. zu § 1 (Art. 4 CRR) Rz. 6. So Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 245; Schwennicke/AuerbachSchwennicke, KWG, § 1 Rz. 195; vgl. auch schon etwa Dürselen, ZBB 1997, 24, 29 f. 41) Vgl. Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 1 Rz. 367. 42) Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 6 Rz. 30; Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 33 f.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 6 KWG Rz. 22; vgl. auch Schwennicke/ Auerbach-Habetha/Schwennicke, KWG, § 6 Rz. 9 ff.

Binder

127

§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG

Merkblatt Finanzkommissionsgeschäft Hinweise zum Tatbestand des Finanzkommissionsgeschäfts

18.3.2010 Stand: 4.5.2017

§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG

Merkblatt Depotgeschäft Hinweise zum Tatbestand des Depotgeschäfts

6.1.2009 Stand: 17.2.2014

§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 KWG

Merkblatt Darlehenrückkaufgeschäft Hinweise zum Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 KWG („Darlehenrückkaufgeschäft“)

7.1.2009

§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 KWG

Merkblatt Garantiegeschäft Hinweise zum Tatbestand des Garantiegeschäfts

8.1.2009

§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 KWG

Merkblatt Scheck- und Wechseleinzugsgeschäft, Reisescheckgeschäft Hinweise zum Tatbestand des Scheck- und Wechseleinzugsgeschäfts und des Reisescheckgeschäfts

6.1.2010

§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 KWG

Merkblatt Emissionsgeschäft Hinweise zum Tatbestand des Emissionsgeschäfts

7.1.2009 Stand: 24.7.2013

§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 KWG

12.8.2013 Merkblatt zentrale Gegenpartei Hinweise zum Tatbestand der Tätigkeit als zentra- Stand: 19.9.2013 le Gegenpartei

19 Ebenfalls von Bedeutung sind die zur Konkretisierung der gesetzlichen Bereichsausnahmen nach § 2 Abs. 1, 4 und 6 KWG veröffentlichten Merkblätter: 20 Übersicht 2: BaFin-Merkblätter zu den gesetzlichen Bereichsausnahmen nach § 2 Abs. 1, 4 und 6 KWG Tatbestand

Merkblatt-Bezeichnung

§ 2 Abs. 1 Nr. 3 KWG

Merkblatt Ausnahme für Sozialversicherungsträger 26.11.2010 und Bundesagentur für Arbeit Hinweise zur Bereichsausnahme für Sozialversicherungsträger und die Bundesagentur für Arbeit

§ 2 Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 6 Merkblatt Ausnahme für öffentliche SchuldenSatz 1 Nr. 3 KWG verwaltung Hinweise zur Bereichsausnahme für die öffentliche Schuldenverwaltung

Datum

12.11.2010

§ 2 Abs. 1 Nr. 3b, c, d, Abs. 6 Satz 1 Nr. 5a, b KWG

Merkblatt Ausnahme für Kapitalverwaltungsgesellschaften Hinweise zur Bereichsausnahme für Kapitalverwaltungsgesellschaften

23.7.2013 Stand: 25.4.2016

§ 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 KWG

Merkblatt Ausnahme für Versicherungsunternehmen Hinweise zur Bereichsausnahme für Versicherungsunternehmen

15.11.2010 Stand: 25.1.2016

§ 2 Abs. 1 Nr. 5 KWG

Merkblatt Ausnahme für Pfandleihgewerbe Hinweise zur Bereichsausnahme für Unternehmen des Pfandleihgewerbes

9.12.2010

§ 2 Abs. 1 Nr. 6 KWG

Merkblatt Ausnahme für Unternehmensbeteiligungsgesellschaften Hinweise zur Bereichsausnahme für Unternehmensbeteiligungsgesellschaften

26.11.2010 Stand: 21.7.2014

128

Binder

§3

II. Erlaubnispflicht § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 6 Satz 1 Nr. 5 KWG

Hinweise zur Bereichsausnahme des so genannten Konzernprivilegs nach KWG Hinweise zur Bereichsausnahme des so genannten Konzernprivilegs

16.8.2011 Stand: 4.7.2018

§ 2 Abs. 4 KWG

Merkblatt zur Freistellung nach § 2 Abs. 4 KWG für im Inland ansässige Unternehmen Merkblatt zum Verfahren der Freistellung nach § 2 Abs. 4 KWG für im Inland ansässige Unternehmen

26.2.2014 Stand: 26.11.2015

§ 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 6, 7 KWG

Merkblatt Ausnahme für Verwaltung Arbeitnehmerbeteiligungen Hinweise zur Bereichsausnahme für die Verwaltung eines Systems von Arbeitnehmerbeteiligungen

26.11.2010

§ 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 8 KWG

Merkblatt zur Bereichsausnahme für die Vermittlung von Investmentvermögen und Vermögensanlagen Hinweise zur Bereichsausnahme für die Vermittlung von Investmentvermögen und Vermögensanlagen (§ 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 8 KWG)

16.4.2015 Stand: 2.11.2017

§ 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 8 lit. e KWG

Vermögensanlagen: Ausnahme von Erlaubnispflicht für Vermittler künftig nur noch bei erstmaligem öffentlichem Angebot

5.9.2016

§ 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 10 KWG

Merkblatt Ausnahme für Angehöriger freier Berufe Hinweise zur Bereichsausnahme für Angehörige freier Berufe

28.10.2010 Stand: 5.9.2014

§ 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 15 KWG

Merkblatt Ausnahme Anlageberatung im Rahmen anderer beruflicher Tätigkeit Hinweise zur Bereichsausnahme für die Anlageberatung i. R. einer anderen beruflichen Tätigkeit

9.11.2010

§ 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 16 KWG

Merkblatt Ausnahme für Betreiber organisierter Märkte Hinweise zur Bereichsausnahme für Betreiber organisierter Märkte

9.11.2010

bb)

Einlagengeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG)

(1)

Bedeutung

Das Einlagengeschäft steht unter den die Erlaubnispflicht auslösenden Tatbeständen zu 21 Recht an erster Stelle. Die aufsichtsrechtlichen Regulierungsziele des Einleger- und Systemschutzes (siehe Rz. 1 f.) sind hier gleichermaßen berührt.43) Neben dem Schutz der Einleger gehört das Risiko, dass es aufgrund des Verlustes von Einlegervertrauen in die Stabilität der Bank und damit die Sicherheit der Einlagen zu einem massenhaften Abzug der typischerweise kurzfristig fälligen Einlagen und deshalb zur Illiquidität einer Bank kommt, die dann ihrerseits Ansteckungsrisiken für andere Marktteilnehmer auslöst, zu den historisch ältesten Motiven für die Bankenaufsicht zum Schutz der Finanzmarktstabilität insgesamt.44)

___________ 43) Vgl. auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 35. 44) Eingehend dazu etwa Bieg, Bankbilanzen und Bankenaufsicht, S. 8 ff.; Binder, Bankeninsolvenzen, S. 104 ff.; Niethammer, Ziele der Bankenaufsicht, S. 97 ff., jeweils m. w. N.

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129

§3 (2)

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren Gegenstand des Einlagengeschäfts

22 Der Gegenstand des Einlagengeschäfts wird im heutigen Gesetzeswortlaut alternativ definiert: „fremde Gelder als Einlage“ (siehe Rz. 23) oder „andere unbedingt rückzahlbare Gelder des Publikums“ (siehe Rz. 24). Von dieser Legaldefinition, deren zweiter Teil an die unionsrechtliche Legaldefinition in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 CRR angelehnt ist, hängt die Bestimmung des Anwendungsbereichs der aufsichtsrechtlichen Erfassung von Bankgeschäften entscheidend ab. Nach einem ursprünglich weiter gefassten, später engeren Begriffsverständnis45) wird heute schon nach der Definition des gesetzlichen Tatbestands grundsätzlich ein weites Spektrum von Geschäften abgedeckt, das allerdings mit Blick auf die Schutzzwecke einer zurückhaltenden Handhabung bedarf (siehe schon Rz. 8 f.). Mit den unionsrechtlichen Vorgaben ist dies kompatibel. Zwar legen sich die Erwägungsgründe der CRD IV – wie schon zum früheren Recht46) – auf ein weites Verständnis des Anwendungsbereichs für das harmonisierte materielle Aufsichtsrecht fest.47) Dies hat auch der EuGH bestätigt und klargestellt, dass es um die möglichst erschöpfende Erfassung des „gesamten Kreditsektors“ geht.48) Damit kommt es in der Tat nicht auf das Vorliegen bestimmter für das klassische Bankgeschäft charakteristischer Rechtsverhältnisse an. Wohl aber muss der Anwendungsbereich auf Geschäftsaktivitäten beschränkt bleiben, in denen die Interessenlage den tradierten Formen des Bankgeschäfts vergleichbar ist.49) Aus dem unionsrechtlichen Hintergrund lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten.50) Eine genaue Überprüfung des Anwendungsbereichs ist damit insbesondere bei der Hereinnahme von Darlehen im privaten Rahmen sowie bei Finanzierungsmaßnahmen im Konzern geboten (siehe unten Rz. 31 f.). 23 Die historisch ältere Definition in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 KWG verlangt, dass „fremde Gelder als Einlage“ angenommen werden müssen. Das Merkmal der Fremdheit sollte dabei nach verbreiteter Ansicht klarstellen, dass es sich um rückzahlbare Gelder (inländische oder ausländische gesetzliche Zahlungsmittel)51) handeln muss;52) nach anderer Auffassung soll das Kriterium lediglich zur Abgrenzung gegenüber Formen der Eigenkapitalbeteiligung dienen.53) Der praktische Unterschied zwischen beiden Ansichten fällt allerdings ___________ 45) Vgl. zur Entwicklung des Einlagenbegriffs im deutschen Recht etwa Ruhl, Einlagengeschäft, S. 89 ff., 138 ff.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 15 ff.; Demgensky/Erm, WM 2001, 1445, 1450 f.; Loritz, ZIP 2001, 309, 310 ff. 46) Vgl. Theissen, EU Banking Supervision, S. 178. 47) Vgl. ErwG 14 CRD IV: „Der Anwendungsbereich der Maßnahmen sollte […] möglichst weit gefasst werden und alle Institute erfassen, die rückzahlbare Publikumsgelder in Form von Einlagen oder in anderen Formen, zum Beispiel der laufenden Ausgabe von Schuldverschreibungen und ähnlichen Wertpapieren, entgegennehmen und Kredite für eigene Rechnung gewähren.“ 48) EuGH, Urt. v. 11.2.1999 – Rs. C-366/97 (Romanelli), Rz. 13 – 15, Slg. 1999 I, 855. 49) Ähnlich Henke, WM 2010, 2157, 2161; vgl. auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/ CRR-VO, § 32 KWG Rz. 17. 50) Unscharf daher Bornemann, ZHR 166 (2002), 211, 225, wonach das Unionsrecht „zu einer weiten Auslegung des Kreises der […] erfassten Einlagengeschäfte einlädt“. 51) Dazu Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 93; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 12; BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub I. 1. 52) So BVerwG, Urt. v. 27.3.1984 – 1 C 125/80, BVerwGE 69, 120, 123 f.; OVG Berlin, Beschl. v. 23.11.1983 – 1 S 14.83, WM 1984, 865, 867; VG Berlin, Urt. v. 4.7.1985 – 14 A 268.84, WM 1986, 879, 881; Barleon in: Assies/Beule/Heise/Strube, Hdb. FA Bank- und KapitalmarktR, Kap. 6 Rz. 7; Beck/ Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 97; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 13; Bornemann, ZHR 166 (2002), 210, 223; Demgensky/Erm, WM 2001, 1445, 1448; BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub I. 53) Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 1 Rz. 48; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR, § 1 KWG Rz. 38; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Serafin/Weber, KWG und CRR, § 1 KWG Rz. 10.

130

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§3

II. Erlaubnispflicht

nicht ins Gewicht.54) Entscheidend kam es für die Verwirklichung dieser Tatbestandsalternative vielmehr auf die Annahme „als Einlage“ an, womit der Tatbestand an der bankwirtschaftlichen Verkehrsauffassung orientiert werden sollte.55) Die ursprünglich sehr weite Auslegungspraxis durch das BAKred ist von der Rechtsprechung korrigiert worden, die insbesondere dem Zweck der Finanzierung eines banktypischen Aktivgeschäfts eine Bedeutung für die Abgrenzung zugemessen hat. „Als Einlage“ angenommen sind danach nur solche Gelder, die für eigene Zwecke, insbesondere zur Refinanzierung eines bankmäßigen Aktivgeschäfts genutzt werden sollen und mit denen unter Ausnutzung der Zinsspanne gewinnbringend gearbeitet werden soll56) (sog. funktionaler Einlagenbegriff).57) Dies ist in einer umfangreichen Kasuistik aufbereitet worden, die nicht selten den Blick auf die Grundlagen verstellt hat.58) Die praktische Bedeutung der ersten Tatbestandsalternative ist allerdings seit der Einbe- 24 ziehung der heute praktisch dominierenden59) Alternative „anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums“ mit der 6. KWG-Novelle 1997 (siehe Rz. 12)60) so gut wie entfallen.61) Der zentrale Unterschied zur historisch älteren Variante liegt darin, dass es hiernach nicht auf subjektive Tatbestandsmerkmale ankommt. Dies entspricht dem gesetzgeberischen Ziel, die mit der restriktiven Auslegung der ersten Alternative verbundenen Einschränkungen aufzuheben und die tatbestandlichen Voraussetzungen der Erlaubnispflicht auf die Annahme von Geldern des Publikums mit unbedingtem Rückzahlungsversprechen zu reduzieren,62) was den Begriff der Einlage klar vom gesellschaftsrechtlichen Einlagebegriff unterscheidbar machen soll.63) Der Begriff des „Publikums“ wird im Gesetz selbst nicht näher definiert. Er soll im Interesse eines effektiven Ein- bzw. Anlegerschutzes weit zu verstehen sein und grundsätzlich jede natürliche oder juristische Person umfassen, die mit dem Annehmenden nicht in einer Sonderbeziehung steht, welche aufgrund der speziell gelagerten Interessenlage die Schutzbedürftigkeit entfallen lässt.64) ___________ 54) Vgl. auch (offenlassend) BGH, Urt. v. 19.3.2013 – VI ZR 56/12 (Winzergelder), Rz. 18, BGHZ 197, 1, 6 = ZIP 2013, 966, 967 = NZG 2013, 814, m. Anm. Wenzel. 55) Vgl. BVerwG, Urt. v. 27.3.1984 – 1 C 125/80, BVerwGE 69, 120, 126; BGH, Urt. v. 9.3.1995 – III ZR 55/94, BGHZ 129, 90, 92 f. = ZIP 1995, 635, 636; s. a. schon Canaris, BB 1978, 227, 228; Horn, ZGR 1976, 435, 440. 56) BVerwG, Urt. v. 27.3.1984 – 1 C 125/80, BVerwGE 69, 120, 126; entspr. BGH, Urt. v. 9.3.1995 – III ZR 55/94, BGHZ 129, 90, 92 f. = ZIP 1995, 635, 637; näher Ruhl, Einlagengeschäft, S. 143 m. w. N.; vgl. nunmehr auch BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub I. 6. 57) Mielk, WM 1997, 2200, 2202; vgl. auch Bornemann, ZHR 166 (2002), 211, 222. 58) Krit. Demgensky/Erm, WM 2001, 1445, 1446, 1448 mit Fn. 46; im Anschluss daran auch Bornemann, ZHR 166 (2002), 211, 222; eingehende Darstellung z. B. bei Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 87 ff.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 41 ff.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 15 ff. 59) BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub I. 60) Das – lediglich klarstellende (vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 21.12.2011 – 9 U 57/11, ZIP 12, 1066, 1067, dazu EWiR 2012, 253 (Voß)) – Unbedingtheitserfordernis wurde eingefügt durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.12.2002 – Finanzmarktkonglomeraterichtlinie-Umsetzungsgesetz, v. 21.12.2004, BGBl. I 2004, 3610. 61) Vgl. etwa Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 105; Bornemann, ZHR 166 (2002), 211, 223 f.; Wiesner in: FS Hoffmann-Becking, S. 1397, 1403; entspr. auch BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub I. 62) Vgl. Begr. RegE 6. KWG-Novelle, BT-Drucks. 13/7142, S. 62 f.; s. a. BGH, Urt. v. 10.2.2015 – VI ZR 569/13, ZIP 2015, 736, 737 = WuB 2015, 319, m. Anm. Hanten/Bubel = BB 2015, 1236, m. Anm. Voß; BGH, Urt. v. 23.11.2010 – VI ZR 244/09, ZIP 2011, 215, 116; eingehend Beck/Samm/KokemoorReschke, KWG, § 1 Rz. 106 ff.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 45 ff.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 23 ff. 63) Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 114; BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub I. 4. 64) Deutlich in diese Richtung BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub I. 3.

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131

§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

Nicht dem Publikum in diesem Sinne zugerechnet werden insbesondere verbundene Unternehmen, persönlich haftende, in die Führung des Unternehmens des Annehmenden einbezogene Gesellschafter, der Staat, zugelassene Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen sowie Unternehmensbeteiligungsgesellschaften.65) Um Gelder des „Publikums“ soll es dagegen auch bei der Aufnahme von Darlehen von einer Vielzahl von Privatpersonen in größerem Umfang66) gehen. Auch Mitglieder des Freundes- und Bekanntenkreises, von denen Gelder eingeworben werden, sollen als „Publikum“ i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG zu qualifizieren sein.67) Das geht in dieser Allgemeinheit zu weit und kann nur dann gelten, wenn die Einwerbung systematisch erfolgt und der Einwerbende den Betreffenden im Wesentlichen nicht anders gegenübertritt als gegenüber sonstigen Einbzw. Anlegern.68) Die reine Darlehensaufnahme im Freundes- oder Familienkreis kann als solche auch bei größeren Volumina dagegen mit Blick auf die Schutzzwecke der Erlaubnispflicht (siehe Rz. 8 f.) nicht als Fall des Einlagengeschäfts qualifiziert werden. Entsprechendes gilt, wenn ein Arbeitgeber Darlehen bei seinen Arbeitnehmern aufnimmt.69) (3)

„Annahme“ bzw. „Entgegennahme“

25 Der Begriff der „Annahme“ von Geldern ist im deutschen Verständnis ein Oberbegriff für den physischen Übergang von Bargeld vom Einleger in die Verfügungsbefugnis des Annehmenden, der nicht lediglich Bote für einen Dritten ist, bzw. bei Buchgeld die Erteilung einer Kontogutschrift, die dies dokumentiert.70) Auf die zivilrechtliche Einordnung soll es dabei ebenso wenig ankommen wie auf den wirtschaftlichen Hintergrund, so dass auch die Umwandlung einer Geldforderung aus einem Handelsgeschäft in ein Darlehen71) oder der Übergang von Geldern, ohne dass der Annehmende selbst Schuldner eines Rückzahlungsanspruchs werden soll,72) als „Annahme“ zu qualifizieren ist. Wird das Geld allerdings lediglich durch einen Boten zur unverzüglichen73) Weiterleitung entgegengenommen, fehlt es an der „Annahme“ und kommt von vornherein lediglich die Einstufung als erlaubnisfreier Fall der Einlagenvermittlung in Betracht, sofern nicht ein Fall des Finanztransfergeschäfts i. S. des § 1 Abs. 2 Nr. 6 ZAG oder der nach § 1 Abs. 1a Satz 2 ___________ 65) Vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.2010 – 8 C 37/09, BKR 2011, 208, 210; (teilweise enger) BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub I. 3; Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 130 ff.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 47: Schwennicke/AuerbachSchwennicke, KWG, § 1 Rz. 28, jeweils m. w. N. 66) Vgl. BGH, Urt. v. 11.7.2016 – VI ZR 339/04, ZIP 2006, 1761, 1763; Schwennicke/AuerbachSchwennicke, KWG, § 1 Rz. 28. 67) So etwa Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 46; Schwennicke/ Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 28, jeweils unter Hinweis auf OLG Celle, Urt. v. 15.8.2002 – 11 U 291/01, NJOZ 2003, 532, dazu EWiR 2003, 11 (Lang). 68) Auf derartige Konstellationen bezieht sich auch die Entscheidung OLG Celle, Urt. v. 15.8.2002 – 11 U 291/01, NJOZ 2003, 532, 535 (Vermittlung von Anlagemöglichkeiten an Mitglieder des Freundesund Familienkreises i. R. eines Strukturvertriebs). 69) Zu weit BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub I. 3; in der Tendenz ähnlich, wenn auch stärker differenzierend auch Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 170g; zum Sonderfall der Arbeitszeitkonten Demgensky/Erm, WM 2001, 1445, 1453. 70) BGH, Urt. v. 19.3.2013 – VI ZR 56/12 (Winzergelder), Rz. 18, BGHZ 197, 1, 6 = ZIP 2013, 966, 967 = NZG 2013, 814, m. Anm. Wenzel; Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 1 Rz. 47; Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 39; Schürmann/Langner in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 69 Rz. 6a; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 14; BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub I. 2. 71) So etwa BGH, Urt. v. 19.3.2013 – VI ZR 56/12 (Winzergelder), BGHZ 197, 1 = ZIP 2013, 966, 968 = NZG 2013, 814, m. Anm. Wenzel; vgl. auch BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub I. 2. 72) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 35. 73) Vgl. Demgensky/Erm, WM 2001, 1445, 1448 mit Fn. 43, unter Hinweis auf die ständige Verwaltungspraxis: Weiterleitung binnen 24 Stunden.

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§3

II. Erlaubnispflicht

Nr. 5 KWG i. V. m. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG aufsichtspflichtigen Vermittlung von Einlagengeschäften an Unternehmen mit Sitz außerhalb des EWR (sog. Drittstaateneinlagenvermittlung) vorliegt.74) Unionsrechtlich ist der Begriff der „Entgegennahme“ (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR) nicht 26 näher definiert; Rechtsprechung insoweit liegt nicht vor. Nachdem das Unions-Aufsichtsrecht grundsätzlich von einem weiten Verständnis des Anwendungsbereichs ausgeht (siehe Rz. 17), liegt nahe, dass auch insoweit keine strengen Anforderungen an den konkreten Vorgang des Übergangs in die Verfügungsbefugnis gesetzt werden sollten. Im Ergebnis wird man daher hinsichtlich des Begriffs der „Entgegennahme“ i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR ebenso wie im deutschen Recht lediglich darauf abzustellen haben, ob die betreffenden Gelder in die Verfügungsbefugnis des Annehmenden übergegangen sind. (4)

Ausnahmetatbestände

Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG handelt es sich bei der Annahme fremder Gelder nicht 27 um einen Fall des Einlagengeschäfts, wenn der Rückzahlungsanspruch in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird. Die Einschränkung soll sicherstellen, dass die Aufnahme von Fremdkapital am Kapitalmarkt nicht dazu führt, dass die Emittentin als Kreditinstitut zu qualifizieren ist.75) Sie gilt für beide Alternativen des Einlagengeschäfts. Anstelle des Einlegerschutzes durch bankaufsichtliche Überwachung sind die Investoren in diesen Fällen durch kapitalmarktrechtliche Schutzinstrumente, insbesondere das Prospektrecht, geschützt.76) Nicht erfasst von der Ausnahmeregelung sind Namensschuldverschreibungen.77) Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Ausstellung von Namensschuldverschreibungen im tradierten Bankgeschäft nicht selten vorkommt.78) § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG soll nach Auffassung der BaFin teleologisch zu reduzieren sein, wenn die Schuldverschreibung nicht standardisiert, sondern in individualisierter Form emittiert wird.79) Sinnvollerweise ist eine derartige Reduktion des Anwendungsbereichs anzunehmen, soweit es sich um nicht kapitalmarktfähige Wertpapiere handelt und die Papiere nicht in den Anwendungsbereich der kapitalmarktrechtlichen Schutzinstrumente (insbesondere WpPG, WpHG) fallen.80) Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings auch, dass kapitalmarktfähige Namenspapiere der Bereichsausnahme für Inhaber- und Orderschuldverschreibungen gleichgestellt werden können.81) Unionsrechtlich ist die gesetzliche Ausnahme nicht zweifelsfrei, weil eine korrespondie- 28 rende Regelung im CRD IV-Paket nicht vorgesehen ist.82) Werden unbedingt rückzahlbare Gelder des Publikums gegen Emission von Inhaber- und Orderschuldverschreibungen eingeworben, fällt dies ggf. unter die Begriffsdefinition des Kreditinstituts nach Art. 4 ___________ 74) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 39. 75) Vgl. Begr. RegE 6. KWG-Novelle, BT-Drucks. 13/7142, S. 63; vgl. auch BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub II. 76) Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 137; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/ CRR-VO, § 1 KWG Rz. 47; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, Rz. 29; vgl. auch schon Begr. RegE 6. KWG-Novelle, BT-Drucks. 13/7142, S. 63. 77) Vgl. BGH, Urt. v. 29.3.2001 – IX ZR 445/98, ZIP 2001, 1503, 1504; Boos/Fischer/Schulte-MattlerSchäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 47; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, Rz. 29; vgl. auch BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub II.; krit. Canaris, BB 1978, 227, 229 f. 78) Vgl. nochmals BGH, Urt. v. 29.3.2001 – IX ZR 445/98, ZIP 2001, 1503, 1504; s. a. Beck/Samm/ Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 144. 79) BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub II. 80) So auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 47. 81) So auch Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 29. 82) Vgl. näher Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 142a – 142c.

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133

§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 CRR, ohne dass „Einlagengeschäft“ i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG betrieben wird.83) Problematisch wird dies mit Blick auf die Begriffsdefinition des Kreditinstituts in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR (nur) dann, wenn die in concreto betriebenen Aktivitäten an sich sowohl den Tatbestand des Einlagengeschäfts als auch den des Kreditgeschäfts erfüllen und damit unter die kumulativen Tatbestandsmerkmale der genannten Bestimmung fallen. Die Annahme, der Unionsgesetzgeber habe mit der regulatorischen Erfassung des Einlagengeschäfts die Fremdkapitalaufnahme am Kapitalmarkt beschränken wollen,84) liegt bei alledem von vornherein fern. Da nach deutschem Recht das gewerbsmäßige Betreiben des Kreditgeschäfts nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG ausreicht, um die Qualifikation als Kreditinstitut nach § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG und damit die Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG auszulösen, dürfte die Abweichung von den unionsrechtlichen Vorgaben aber jedenfalls praktisch bedeutungslos sein.85) 29 Als ungeschriebene Ausnahme anerkannt sind für beide Tatbestandsalternativen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG weiterhin Fälle, in denen der Rückzahlungsanspruch banküblich besichert ist.86) Dies ist bereits seit langem in der Rechtsprechung87) und zwischenzeitlich auch vom Gesetzgeber88) anerkannt, aber bislang nicht ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen worden. In methodischer Hinsicht handelt es sich um eine teleologische Reduktion des Tatbestands in Fällen, in denen der gesetzliche Schutzzweck infolge der Besicherung vollständig erreicht wird, was hohe Liquidität und Qualität der Sicherheit voraussetzt.89) (5)

Einzelheiten

30 Zu den tatbestandlich erfassten Rechtsbeziehungen zählen in zivilrechtlicher Hinsicht nicht nur Darlehen oder die unregelmäßige Verwahrung und damit die Standardfälle von Sicht- und Termineinlagen im Bankgeschäft.90) Ein Einlagengeschäft liegt vielmehr bspw. auch bei Einlagen eines stillen Gesellschafters vor, wenn die Verlustteilnahme nach § 231 Abs. 2 HGB vertraglich ausgeschlossen wird und der stille Gesellschafter auch noch in der Insolvenznähe Zahlungen des Unternehmens beanspruchen kann, an dem er sich ___________ 83) 84) 85) 86) 87) 88) 89) 90)

134

Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 245. So aber wohl Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 142b. So auch Begr. RegE 6. KWG-Novelle, BT-Drucks. 13/7142, S. 63. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 47; Schwennicke/AuerbachSchwennicke, KWG, § 1 Rz. 19; eingehend Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 148 ff. Vgl. BGH, Urt. v. 15.2.1979 – III ZR 108/76, BGHZ 74, 144, 146; OLG Stuttgart, Urt. v. 1.4.1980 – 6 U 184/79, NJW 1980, 1798, 1799. So Begr. RegE zur Neufassung des Tatbestands des Einlagengeschäfts durch das Finanzkonglomeraterichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/3641, S. 36. Zu Einzelheiten Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 150 ff.; vgl. auch BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub III. Für die Qualifikation von Sichteinlagen als unregelmäßige Verwahrung (§ 700 BGB) BGH, Urt. v. 7.5.1996 – XI ZR 217/95, BGHZ 133, 10 = ZIP 1996, 1079; BGH, Urt. v. 10.10.1995 – XI ZR 263/94, BGHZ 131, 60, 63 f. = ZIP 1995, 1886, 1887; BGH, Urt. v. 30.11.1993 – XI ZR 80/93, BGHZ 124, 254, 257 f. = ZIP 1994, 21, 22; BGH, Urt. v. 15.6.1993 – XI ZR 133/92, ZIP 1993, 1230, 1231 f.; BGH, Urt. v. 8.7.1982 – I ZR 148/80, BGHZ 84, 371, 373 = ZIP 1982, 932, 933; BGH, Urt. v. 30.6.1982 – VIII ZR 129/81, BGHZ 84, 325, 328 = ZIP 1982, 935, 936; OLG Naumburg, Urt. v. 3.8.1995 – 4 U 34/95, WM 1995, 1578, 1579; OLG Schleswig, Urt. v. 21.12.1995 – 5 U 69/93, NJWRR 1996, 687; ebenso etwa Berger in: MünchKomm-BGB, Vor § 488 Rz. 67; Fischer/Klanten-Fischer, BankR, Rz. 12.5; Peterek in: Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.22 f.; zur Einordnung von Termineinlagen als Darlehen Berger in: MünchKomm-BGB, Vor § 488 Rz. 66; Fischer/ Klanten-Fischer, BankR, Rz. 12.6 f.; Peterek in: Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 9.37; grundsätzlich krit. insoweit Staudinger-Freitag, BGB, § 488 Rz. 51; differenzierend zum Ganzen Binder in: BeckOGK-BGB, § 488 Rz. 24.

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§3

II. Erlaubnispflicht

beteiligt hat,91) ebenso bei der Annahme von Treuhandgeldern zum Zweck der Verwaltung der Gelder92) oder bei der gewerbsmäßigen Einwerbung von Rechten und Ansprüchen aus Kapitallebensversicherungen.93) Damit verwandt ist das die Verbuchung (das „Stehenlassen“) von an Winzer zu zahlende Kaufpreise für Trauben gegen Verzinsung auf von der Weinkellerei geführten Konten, das nach dem „Winzergelder“-Urteil des BGH ebenfalls als Einlagengeschäft zu qualifizieren ist.94) Ein Einlagengeschäft kann auch beim sog. echten Peer-to-Peer-Lending gegeben sein.95) Kein Einlagengeschäft sind dagegen die Hereinnahme von Genussrechtskapital,96) die 31 Annahme partiarischer Darlehen oder Nachrangdarlehen, bei denen die Rückzahlung vom Unternehmenserfolg abhängig sein soll,97) oder die Annahme von Darlehen mit qualifizierter, d. h. eine Durchsetzungssperre in der Insolvenz einschließender Rangrücktrittsklausel.98) Ebenfalls nicht als Einlagengeschäft zu qualifizieren ist die Annahme von Gesellschafterdarlehen, wenn und soweit es sich nicht um Gelder des „Publikums“ handelt; ob allein der gesetzlich angeordnete Nachrang in der Insolvenz (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) dazu führt, dass die Gelder nicht als „unbedingt rückzahlbar“ zu qualifizieren sind, ist allerdings umstritten.99) Damit ist – entgegen einer früheren, strengeren Aufsichtspraxis – heute insbesondere geklärt, dass Finanzierungsarrangements im Konzern, z. B. ein konzernweites Cash Pooling, kein Einlagengeschäft darstellen, ohne dass es auf den Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 7 KWG (sog. Konzernprivileg) ankäme, der mit Rücksicht auf die besondere Interessenlage Bankgeschäfte zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften aus dem Anwendungsbereich der Erlaubnispflicht ausnimmt.100) ___________ 91) VG Berlin, Urt. v. 22.2.1999 – 25 A 276.95, NJW-RR 2000, 642, 644 ff.; BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub I. 5. a) cc); Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 127 ff.; Schwennicke/ Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 21; Bornemann, ZHR 166 (2002), 211, 225 ff.; Tettinger, DStR 2006, 849, 850 ff. 92) Vgl. BGH, Urt. v. 10.2.2015 – VI ZR 569/13, ZIP 2015, 6 = WuB 2015, 319, m. Anm. Hanten/Bubel = BB 2015, 1236, m. Anm. Voß; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 43; anders noch (zu § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 KWG) OVG Berlin, Urt. v. 23.11.1983 – 1 S 14.83, WM 1984, 865, 866 f.; VG Berlin, Urt. v. 4.7.1985 – 14 A 268.84, BB 1986, 963, 966 f.; ebenso auch Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 1 Rz. 56. 93) Dazu stellvertretend BGH, Urt. v. 10.7.2018 – VI ZR 263/17, ZIP 2018, 1678; BGH, Urt. v. 16.10.2018 – VI ZR 459/17, ZIP 2018, 2470 ff.; VGH Kassel, Beschl. v. 19.9.2017 – 6 A 510/16, GewArch 2018, 40 ff.; Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 170e ff., jeweils m. w. N. 94) Im Ergebnis überzeugend, aber mit angreifbarer Begr. BGH, Urt. v. 19.3.2013 – VI ZR 56/12 (Winzergelder), Rz. 13 ff., BGHZ 197, 1, 4 ff. = ZIP 2013, 966, 967 ff. = NZG 2013, 814, m. Anm. Wenzel; eingehend zum Hintergrund Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 176 ff. 95) Vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 43 und 139; Renner, ZBB 2014, 261, 264 f. 96) Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 129 ff.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/ CRR-VO, § 1 KWG Rz. 46; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 26. 97) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 46; Schwennicke/AuerbachSchwennicke, KWG, § 1 Rz. 26; vgl. zu Nachrangdarlehen eingehend auch Poelzig, WM 2014, 917, 919 f. 98) Näher Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 125 ff.; grundsätzlich krit. zur Einschränkung Henke, WM 2010, 2157, 2159 ff.; vgl. auch BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub I. 5; s. a. BGH, Urt. v. 1.10.2019 – VI ZR 156/18, ZIP 2019, 2345 ff. 99) Vgl. in diesem Sinne Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 28; strenger dagegen BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub I. 5. b) (gesetzlicher Nachrang in der Insolvenz nicht ausreichend, aber vielfach fehlende „Rückzahlbarkeit“ mit Blick auf die aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht resultierende Rückforderungssperre). 100) Richtig Wieland, BB 2012, 917, 920; vgl. heute auch BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub I. 3; zur früheren Rechtslage noch Götze, WM 2005, 727 ff. Zu Einzelheiten insoweit s. Beck/ Samm/Kokemoor-Samm, KWG, § 2 Rz. 185 ff.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRRVO, § 2 KWG Rz. 29 ff.; vgl. dazu – mit guten Gründen rechtspolitisch krit. – auch Zerwas/Hanten, ZBB 2000, 44, 50 f.

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135

§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

32 Nach wie vor kontrovers beurteilt wird dagegen die Behandlung von Gesellschafterkonten in Personenhandelsgesellschaften, auf denen Ansprüche der Gesellschafter bzw. Ansprüche der Gesellschaft und insbesondere stehen gelassene Gewinne gebucht werden (sog. Darlehens-, Privat- oder Verrechnungskonten).101) In Reaktion auf das „Winzergelder“Urteil des BGH (siehe Rz. 30)102) sowie auf eine frühere Fassung des BaFin-Merkblatts zum Einlagengeschäft103) ist die Qualifikation als erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft (erneut)104) intensiv diskutiert worden. Handelt es sich bei den Anspruchsinhabern nicht um persönlich haftende, in die Führung des Unternehmens einbezogene oder nicht um Gesellschafter, deren Auszahlungsansprüche aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht einer Rückzahlungssperre im Insolvenzfall unterliegt, ordnet die BaFin Guthaben auf Gesellschafterkonten nach wie vor als Einlagen ein.105) In der Literatur ist dies überwiegend auf Ablehnung gestoßen.106) Geht man vom Schutzzweck der Erlaubnispflicht aus (siehe Rz. 1 f., 8 f.), kann die Einbeziehung dieser Fälle in den Anwendungsbereich des Aufsichtsrechts nicht überzeugen. Jedenfalls wenn es sich nicht um Publikumsgesellschaften handelt, bei denen ggf. die Einlageleistung als „Annahme von Geldern des Publikums“ zu qualifizieren ist (siehe auch Rz. 24), ist schon mehr als zweifelhaft, ob sich der Gesellschafterkreis sachgerecht als „Publikum“ i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG qualifizieren lässt.107) Erst recht ist das „Stehenlassen“ von Auszahlungsansprüchen unter Verbuchung auf einem Gesellschafterkonto weder mit Blick auf die zugrunde liegende Motivation der Parteien noch im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit der Gesellschafter dem klassischen Fall des Einlagengeschäfts vergleichbar, der sich durch das Anvertrauen von Geld zu Verwahrungs- und Verwaltungszwecken im weitesten Sinn auszeichnet, so dass man die Verbuchung auf Gesellschafterkonten kaum unter den Begriff der „Annahme“ von Geldern subsumieren kann.108) Die Einbeziehung derartiger Fälle in den Anwendungsbereich der Erlaubnispflicht zeigt damit letztlich deutlich die Gefahren, die mit einer nicht hinreichend am Schutzzweck orientierten Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Einlagengeschäfts verbunden sind.109)

___________ 101) Zur Gestaltungspraxis im hiesigen Zusammenhang etwa Kaetzler/Schücking, NJW 2014, 1265, 1266 f.; Werner, StBW 2014, 804; Wiesner in: FS Hoffmann-Becking, S. 1397, 1398 ff. 102) BGH, Urt. v. 19.3.2013 – VI ZR 56/12 (Winzergelder), Rz. 13 ff., BGHZ 197, 1 = ZIP 2013, 966 = NZG 2013, 814, m. Anm. Wenzel. 103) BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 4.8.2011. 104) Zur älteren Diskussion Werner, StBW 2014, 804, 805; Wiesner in: FS Hoffmann-Becking, S. 1397, 1401 ff. 105) BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub I. 4. und I. 5. b); dazu eingehend insb. Werner, StBW 2014, 804 f. 106) Vgl. Galla/Müller, ZIP 2015, 1862 ff., insb. 1867 ff.; Kaetzler/Schücking, NJW 2014, 1265, 1267 ff.; Meilicke/Schödel, DB 2014, 285 ff.; Schüppen/Stürner, Wpg 2014, 281 ff.; Wenzel, NZG 2013, 161, 166; Werner, StBW 2014, 804, 805 ff.; a. A. aber Wiesner in: FS Hoffmann-Becking, S. 1397, 1400 ff.; de lege lata auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 44. 107) Ebenso Demgensky/Erm, WM 2001, 1445, 1453; Galla/Müller, ZIP 2015, 1862, 1867 f.; Kaetzler/ Schücking, NJW 2014, 1265, 1267 f.; Meilicke/Schödel, DB 2014, 285, 287 ff.; Schüppen/Stürner, Wpg 2014, 281, 284; Werner, StBW 2014, 804, 806; a. A. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRRVO, § 1 KWG Rz. 44; Wiesner in: FS Hoffmann-Becking, S. 1397, 1407. 108) Ebenso Kaetzler/Schücking, NJW 2014, 1265, 1267; Wenzel, NZG 2013, 161, 166; Schüppen/Stürner, Wpg 2014, 281, 284 f.; enger Wiesner in: FS Hoffmann-Becking, S. 1397, 1404 (keine „Annahme“ nur bei Verbuchung auf Kapitalkonto). 109) Überzeugend für eine Klarstellung de lege ferenda v. Falkenhausen in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion, S. 105, 117 ff.; insoweit übereinstimmend auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 44, der allerdings zu Unrecht bestreitet, dass sich sachgerechte Lösungen schon de lege lata im Wege einer restriktiven Auslegung oder ggf. i. R. einer teleologischen Reduktion des Tatbestands erreichen lassen.

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§3

II. Erlaubnispflicht cc)

Kreditgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG) und verwandte Tatbestände

(1)

Bedeutung

Das „Kreditgeschäft“, in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG definiert als „die Gewährung von 33 Gelddarlehen und Akzeptkrediten“, ist im geltenden deutschen Recht als Tatbestandsalternative aufgeführt, deren Erfüllung schon für sich genommen ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft darstellt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i. V. m. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG). Auf das Betreiben des Einlagengeschäfts in Verbindung damit oder überhaupt auf die Herkunft der ausgereichten Gelder kommt es – heute unbestritten – nicht an.110) Wie beim Einlagengeschäft handelt es sich um ein für das tradierte Bankgeschäft schlechthin konstitutives Merkmal; die Vergabe von Krediten ist im klassischen Geschäftsmodell der Banken das wichtigste Aktivgeschäft.111) Dies macht die Grundentscheidung des Unions-Aufsichtsrechts nachvollziehbar, die Gewährung von „Krediten für eigene Rechnung“ im Unterschied zum deutschen Recht als Tatbestandsmerkmal zu definieren, das kumulativ neben dem Einlagengeschäft vorliegen muss, um den Betreiber als Kreditinstitut zu qualifizieren (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR). Wie das Einlagengeschäft ist das Kreditgeschäft zugleich von besonderer Relevanz für die mit dem Aufsichtsrecht insgesamt verfolgten Schutzzwecke. Ausfälle im Aktivgeschäft zählen seit jeher zu den wichtigsten Ursachen für Insolvenzen im Kreditwesen;112) die Begründung der aufsichtsrechtlichen Eigenmittelvorgaben hat sich zunächst ganz auf die Absicherung gegen Ausfälle in diesem Bereich konzentriert. Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Systemstabilität ist das Kreditgeschäft damit ebenso bedeutsam wie das Einlagengeschäft.113) Mit Blick auf die Bedeutung der Kreditversorgung insbesondere der Realwirtschaft werden zugleich allgemeine gesamtwirtschaftliche Schutzinteressen berücksichtigt.114) Nach deutschem Verständnis dient die regulatorische Erfassung des Kreditgeschäfts zugleich insofern dem Individualschutz, als die Erlaubnispflicht den Einzelnen vor unseriösen und kriminellen Kreditangeboten schützen soll;115) darin liegt erkennbar zu einem erheblichen Teil die Rechtfertigung für die separate, vom Vorliegen des Einlagengeschäfts unabhängig eingreifende Erlaubnispflicht.116) Der dem Tatbestand des Kreditgeschäfts nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG zugrunde lie- 34 gende Kreditbegriff geht deutlich weniger weit als der volkswirtschaftliche Kreditbegriff, der jede Form zeitlich begrenzter Überlassung von Kaufkraft erfasst.117) Einzelne Kreditgeschäfte i. w. S. sind anderen Tatbestandsmerkmalen zugeordnet: dem Diskontgeschäft (Nr. 3), dem Revolvinggeschäft (Nr. 7), dem Garantiegeschäft (Nr. 8), dem Factoring (Abs. 1a Satz 2 Nr. 9) sowie dem Finanzierungsleasing (Abs. 1a Satz 2 Nr. 10, siehe zum Ganzen noch Rz. 40). Die Gestaltung der Tatbestände weicht zugleich deutlich von dem in den §§ 13 ff., 19 ff. KWG zugrunde gelegten Kreditbegriff ab, der einen anderen Zweck verfolgt, nämlich auf die effektive Erfassung von Ausfallrisiken bei großen Engagements ___________ 110) Vgl. BVerwG, Urt. v. 25.6.1980 – I C 13.74, GewArch 1981, 70; VG Berlin, Urt. v. 19.8.1996 – 25 A 41.94, NJW-RR 1997, 808 f.; VG Frankfurt/a. M., Urt. v. 11.10.2004 – 9 E 993/04 (V), WM 2005, 503, 506 f.; Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 1 Rz. 33 und 61; Beck/Samm/Kokemoor- Reschke, KWG, § 1 Rz. 198; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 35; eingehend Hammen, WM 1998, 741 ff. 111) Zutr. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 194. 112) Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 196; auch bereits Binder, Bankeninsolvenzen, S. 53 f. 113) Wiederum zutr. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 194a. 114) Vgl. schon Begr. RegE 1961, BT-Drucks. III/1114, S. 19. 115) Vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2013 – VI ZR 56/12 (Winzergelder), Rz. 28, BGHZ 197, 1, 12 = ZIP 2013, 966, 969 = NZG 2013, 814, m. Anm. Wenzel; Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 197. 116) Vgl. zur Ratio auch Hammen, WM 1998, 741, 743. 117) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 57; Überblick über die unterschiedlichen Begriffsverständnisse des Aufsichtsrechts bei Meincke/Hingst, WM 2011, 633 ff.; vgl. aus zivilrechtlicher Perspektive stellvertretend Binder in: BeckOGK-BGB, 2017, § 488 Rz. 4.

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§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

bzw. Engagements gegenüber nahestehenden Unternehmen abzielt (Einzelheiten siehe § 10 Rz. 15 ff. [Lackhoff/Heinz]). (2)

„Kreditgeschäft“ nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG

35 In § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG ausdrücklich erfasst ist zunächst die Gewährung von Gelddarlehen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 KWG). Dabei wird an den zivilrechtlichen Darlehensbegriff angeknüpft. Erfasst sind mithin der Abschluss von Verträgen i. S. des § 488 BGB sowie funktional entsprechende Verträge nach ausländischem Recht, die auf die zeitweise Überlassung von Geld gerichtet sind.118) Auf eine Verzinsung soll es dabei nicht ankommen, weshalb auch die gemeinnützige Vergabe von Krediten ohne Gewinnerzielungsabsicht als Fall des Kreditgeschäfts qualifiziert worden ist.119) Von vornherein aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen ist die Kreditierung zur Absatzfinanzierung, z. B. durch Stundung von Kaufpreisforderungen.120) Neben dem Gelddarlehen ausdrücklich erfasst ist sodann die Gewährung von Akzeptkrediten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 KWG), in deren Rahmen das Institut einen Wechsel akzeptiert und sich damit zur Einlösung am Fälligkeitstag verpflichtet.121) 36 Ein Bankgeschäft liegt nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG dann vor, wenn die erfassten Kredite „gewährt“ werden. Inwieweit dem Merkmal „Gewährung“ eine Abgrenzungsfunktion zuzuschreiben ist, ist seit langem umstritten. Die Kontroverse hat sich an der Frage entzündet, ob die Abtretung oder anderweitige Übertragung von Bankdarlehen auf dritte Erwerber auf zivilrechtliche Hindernisse stößt. Überwiegend wird angenommen, erfasst sei nur die erstmalige Begründung des Vertragsverhältnisses, nicht dagegen die Übernahme oder Abwicklung bereits bestehender Kreditbeziehungen.122) Nach a. A. soll der Begriff dagegen weiter zu verstehen und sollen insbesondere auch Fälle erfasst sein, in denen bereits bestehende Kreditverhältnisse von Dritten übernommen, weitergeführt bzw. abgewickelt werden.123) 37 Richtigerweise muss es mit Blick auf den Schutzzweck der aufsichtsrechtlichen Erlaubnispflicht (siehe Rz. 1 f., 8 f.) darauf ankommen, ob die Übertragung eines durch ein zugelassenes Kreditinstitut gewährten Kredites für den jeweiligen Kreditnehmer grundsätzlich nachteilige vertragsrechtliche Konsequenzen auslöst. Dies ist nicht der Fall, wenn die ___________ 118) Zu Einzelheiten Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 55; Schwennicke/ Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 34 f.; Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 198, 200 ff.; vgl. auch BaFin, Merkblatt Kreditgeschäft, v. 8.1.2009, Stand: 2.5.2016, sub 1. a). 119) Vgl. VG Berlin, Urt. v. 19.8.1996 – 25 A 41.94, NJW-RR 1997, 808 f. (Kreditvergabe an Studierende durch Studentenwerk); Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 58; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 34. 120) Vgl. BGH, Urt. v. 23.2.2006 – I ZR 245/02, NJW 2006, 1739, 1740 = ZIP 2006, 804 (Ls.); Boos/ Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 57; eingehend dazu und zu weiteren Differenzierungen Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 275 ff., 306, 308. 121) Vgl. nur Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 64; eingehend Reischauer/ Kleinhans-Brogl, KWG, § 1 Rz. 67 ff.; Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 216 ff.; Boos/ Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 216 ff.; BaFin, Merkblatt Kreditgeschäft, v. 8.1.2009, Stand: 2.5.2016, sub 1. b). 122) OLG Frankfurt, Urt. v. 16.12.2010 – 3 U 11/10, BKR 2011, 330, 331; Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 1 Rz. 64; Szagunn/Haug/Ergenzinger, KWG, § 1 Rz. 31; BaFin, Merkblatt Kreditgeschäft, v. 8.1.2009, Stand: 2.5.2016, sub 1 a) aa); wohl auch Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 34 m. Rz. 36; Bomhard/Kessler/Dettmeier, BB 2004, 2085, 2087; ähnlich, aber ungenau („erstmalige Hingabe von Geld“ entscheidend) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 57. 123) Z. B. Hofmann/Walter, WM 2004, 1566, 1569; Nobbe, ZIP 2008, 97, 99; Nobbe, WM 2005, 1537, 1548; Teichmann, BKR 2011, 324, 326; Theewen, WM 2004, 105, 112; offengelassen in BGH, Urt. v. 19.4.2011 – XI ZR 256/10, ZIP 2011, 1195, 1196, dazu EWiR 2011, 521 (Schulz).

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II. Erlaubnispflicht

Übertragung als solche – wie regelmäßig – die ursprünglich vereinbarten Vertragskonditionen unangetastet lässt. Allein der Umstand, dass ein Dritter, dem die Forderungen aus einem bestehenden Kreditverhältnis übertragen werden, eine geringere Bereitschaft zum Entgegenkommen etwa bei Zahlungsschwierigkeiten des Kreditnehmers zeigt, kann hierfür nicht ausreichen;124) für eine Ausdehnung des Schutzzwecks der Erlaubnispflichten auch auf die subjektiven Erwartungen des Kreditnehmers an künftige wirtschaftliche Entscheidungen der Gegenseite gibt es keinen Anlass. Insbesondere lassen sich aus dem Schutzzweck der Erlaubnispflicht keine Einschränkungen für Maßnahmen der Banken herleiten, notleidende, also nicht mehr vertragsgemäß bediente Darlehen auf dritte Erwerber, die nicht selbst zugelassene Kreditinstitute sind, zu übertragen und damit wirtschaftlich zu verwerten.125) Ein Gewähren von Krediten i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG liegt damit nach richtiger Ansicht im Ergebnis nur vor, wenn (neue) Vereinbarungen über die Gestaltung der Vertragskonditionen getroffen werden. Dies ist sowohl beim erstmaligen Vertragsabschluss der Fall als auch bei der nachträglichen Änderung zuvor vereinbarter Vertragsbedingungen, etwa durch Prolongation, jedoch nicht, wenn sich Änderungen allein aufgrund eines vertraglichen Verlängerungsrechts oder durch eine in den ursprünglichen Vertragsbedingungen zugelassene Anpassung des Zinssatzes an veränderte Markt- und/oder Risikobedingungen ergeben.126) Abgrenzungsprobleme ergeben sich auch bei Zugrundelegung des zivilrechtlichen Dar- 38 lehensbegriffs.127) Sie sind jeweils unter funktionalen Gesichtspunkten zu bewältigen, was teilweise eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs erfordert. Soweit Bankeinlagen zivilrechtlich als Darlehen zu qualifizieren sind (siehe schon Rz. 23 f.), begründet deren Gewährung als solche auch bei entsprechenden Volumina kein Kreditgeschäft i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG, weil zwar der Einleger mit Blick auf die aufsichtsrechtlichen Schutzziele durch den Tatbestand des Einlagengeschäfts geschützt, nicht aber er selbst im Interesse der Gegenpartei (der Bank) der Aufsicht unterworfen werden muss.128) In der Unternehmensfinanzierung finden sich verschiedentlich ebenfalls Gestaltungsformen, die nicht bereits deshalb aus dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG herausfielen, weil sie nicht als Darlehen im zivilrechtlichen Sinne zu qualifizieren wären. Dennoch sind auch hier mit Blick auf die Schutzzwecke des Aufsichtsrechts Ausnahmen 39 geboten.129) Für innerhalb von Gruppen gewährte Darlehen ist ggf. das Konzernprivileg nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 KWG zu beachten.130) Aus systematischen Gründen nicht erfasst ist auch die Kreditvergabe durch Fonds, die der aufsichtsrechtlichen Überwachung nach dem KAGB unterliegen, i. R. von Private-Equity- bzw. Buy-Out-Transaktionen.131) Auch bei ___________ 124) Vgl. auch bereits Binder/Piekenbrock, WM 2008, 1816, 1822. 125) Binder/Piekenbrock, WM 2008, 1816, 1822. 126) Gleichsinnig insoweit Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 1 Rz. 64; Boos/Fischer/Schulte-MattlerSchäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 57; eingehend und differenzierend Beck/Samm/KokemoorReschke, KWG, § 1 Rz. 218 ff. 127) Umfassender Überblick bei Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 62; vgl. auch Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 36. 128) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 62; vgl. auch – bezogen auf Fälle der unregelmäßigen Verwahrung i. S. des § 700 BGB, aber verallgemeinerungsfähig – Beck/Samm/ Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 201; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 201. 129) Vgl. zu hybriden Finanzierungsinstrumenten näher Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/ CRR-VO, § 1 KWG Rz. 210 ff. 130) S. a. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 198. 131) Vgl. näher Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 62 unter Hinweis auf die Auslegungspraxis der BaFin.

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Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

einer Reihe weiterer Geschäfte, die sich eigentlich unproblematisch unter den Darlehensbegriff subsumieren lassen, aber als gewohnheitsrechtlich anerkannte Ausnahmen nicht der Erlaubnispflicht und der aufsichtlichen Überwachung unterworfen werden, ist dies mit Blick auf die besondere Interessenlage gerechtfertigt. Beispiele sind Arbeitgeberdarlehen an Arbeitnehmer zur Finanzierung des Erwerbs von Wohneigentum oder längerfristig angelegte Brauereidarlehen an Gastwirte, sofern sie eine ungefähr laufzeitkongruente Einheit mit Bierlieferungsverträgen bilden und die Tilgung im Zusammenhang mit der Abnahme von Bier vorzunehmen ist.132) (3)

Dem Kreditgeschäft verwandte Tatbestände

40 Als Kreditgeschäft i. w. S. gesondert erfasst ist zunächst das Diskontgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KWG), mithin der Ankauf von Forderungen aus Wechseln und Schecks unter Abzug eines Diskonts.133) Hinzu kommt das Revolvinggeschäft (§ 1 Abs. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 KWG), d. h. die Veräußerung langfristiger, noch nicht fälliger Darlehensforderungen an Dritte mit der Verpflichtung, diese kurzfristig zurück zu erwerben, die mit Blick auf die dabei eingegangenen Liquiditäts- und Zinsänderungsrisiken aufsichtsrechtlich erfasst wird.134) Ebenfalls Kreditgeschäft i. w. S. ist das Garantiegeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 KWG), das neben dem Avalkreditgeschäft insbesondere auch das Akkreditivgeschäft umfasst.135) Während diese Geschäftstypen ihrerseits als Bankgeschäfte i. S. des § 1 Abs. 1 KWG erfasst werden, begründen das Factoring (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG)136) sowie das Finanzierungsleasing137) (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 10 KWG) lediglich „Finanzdienstleistungen“ (siehe dazu noch Rz. 48 ff.). dd)

Sonstige Bankgeschäfte

41 Die Einbeziehung weiterer Geschäftsaktivitäten in den Kreis der nach deutschem Recht erfassten aufsichtspflichtigen Bankgeschäfte i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG geht, wie ausgeführt, über den Anwendungsbereich des unionsweit harmonisierten Bankaufsichtsrechts hinaus. Nur teilweise, nämlich bei Scheck- und Wechselgeschäften (Nr. 9, siehe dazu Rz. 45), handelt es sich um typische Ausprägungen des tradierten Bankgeschäfts. In den meisten Fällen werden Geschäfte erfasst, deren Zugehörigkeit zum Bankgeschäft auf Spezifika des deutschen Bankenmarktes beruht. Hier trägt die Qualifizierung als Bankgeschäft teilweise besonderen Regelungszwecken Rechnung, die außerhalb der für das Bankaufsichtsrecht zentralen Schutzziele des System- und Individualschutzes angesiedelt sind. 42 Dies wird bereits beim ersten Sondertatbestand deutlich, dem Pfandbriefgeschäft, das seit 2005138) in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a KWG unter Verweis auf die Bereichsdefinition in ___________ 132) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 63, dort auch zu weiteren Beispielen; eingehend Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 284 (Arbeitgeberdarlehen), Rz. 250 ff. (Brauereidarlehen). 133) Einzelheiten: Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 66; Beck/Samm/ Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 311 ff.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 41. 134) Einzelheiten: Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 89 ff.; Beck/Samm/ Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 395 ff.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 53 ff. 135) Einzelheiten: Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 93 ff.; Beck/Samm/ Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 413 ff.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 61 ff. 136) Einzelheiten: Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 181 ff.; Beck/Samm/ Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 670 ff.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 145 ff. 137) Einzelheiten: Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 186 ff.; Beck/Samm/ Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 700 ff.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 145 ff. 138) Aufgrund des Gesetzes zur Neuordnung des Pfandbriefrechts, v. 22.5.2005, BGBl. I 2005, 1373.

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II. Erlaubnispflicht

§ 1 Abs. 1 Satz 2 PfandBG139) als erlaubnispflichtiges Bankgeschäft erfasst wird, um nach Aufgabe des Spezialbankenprinzips grundsätzlich allen zugelassenen Kreditinstituten unter bestimmten Voraussetzungen140) die Refinanzierung durch Pfandbriefe zu ermöglichen.141) Der Tatbestand des Finanzkommissionsgeschäfts (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG) hat seit 43 der 6. KWG-Novelle 1997 (siehe Rz. 12 f.)142) die frühere Kategorie des „Effektengeschäfts“ abgelöst, mit der seit dem KWG 1961 „die Anschaffung und Veräußerung von Wertpapieren für andere“ als Kernbestandteil der auf Kapitalmarktpapiere bezogenen Intermediationsfunktion von Universalbanken erfasst worden war. In Umsetzung der (ersten) EGWertpapierdienstleistungsrichtlinie von 1993, die erstmals harmonisierte Zulassungsanforderungen für Wertpapierdienstleister einführte,143) wurden der ursprüngliche Tatbestand unter Ausgliederung der Fälle offener Stellvertretung (nunmehr: „Abschlussvermittlung“ als „Finanzdienstleistung“ nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 KWG) allgemein auf Finanzinstrumente erweitert und weitere Formen des Handels in Finanzinstrumenten als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistungen aufgenommen (siehe noch Rz. 48 ff.). Ein „Finanzkommissionsgeschäft“ liegt nach inzwischen nicht mehr bestrittener Ansicht (nur) dann vor, wenn das Geschäft als Kommission i. S. des § 383 HGB zu qualifizieren ist.144) In der Konsequenz bedeutet dies eine – unionsrechtlich so nicht veranlasste – Segregation des tradierten Effektengeschäfts in das „Finanzkommissionsgeschäft“, das entsprechend dem Leitbild der Universalbank nach deutschem Aufsichtsrecht Kreditinstituten vorbehalten bleibt, einerseits und sonstige Bestandteile andererseits, die außer von Kreditinstituten auch von bloßen Finanzdienstleistungsinstituten i. S. des § 1 Abs. 1a KWG betrieben werden können. Das Depotgeschäft erfasst nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG die Verwahrung und Ver- 44 waltung von Wertpapieren für andere. Die Einbeziehung in den Kreis der erlaubnispflichtigen Bankgeschäfte tritt neben den im Depotgesetz geregelten Rechtsrahmen für die zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien des Depotgeschäfts; das Aufsichtsrecht ist komplementär hierzu und knüpft zugleich begrifflich an die zivilrechtlichen Grundlagen an.145) Mit dem Begriff der Verwahrung werden insbesondere die depotrechtlichen Hauptfälle der Sonder- oder Streifbandverwahrung (§ 2 DepotG) sowie die heute domi___________ 139) I. E. die Emission von Hypothekenpfandbriefen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 PfandBG), öffentlichen Pfandbriefen (Nr. 2), Schiffspfandbriefen (Nr. 3) sowie Flugzeugpfandbriefen (Nr. 4). 140) Vgl. insb. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 PfandBG: Kernkapital i. H. von mindestens 25 Mio. €; besondere Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 Satz 1 PfandBG. 141) Näher dazu Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 1 Rz. 58 ff.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 51; eingehend Beck/Samm/Kokemoor-Demmelmair, KWG, § 1 Rz. 177 ff. 142) Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, v. 22.10.1997, BGBl. I 1997, 2518. 143) Vgl. Art. 1 Nr. 1 i. V. m. Anhang Abschn. A Nr. 1 lit. b Richtlinie 93/22/EWG („Ausführung“ von auf Wertpapiere und andere Finanzinstrumente bezogenen „Aufträge[n] für fremde Rechnung“); näher zum Hintergrund Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 329; vgl. auch Reischauer/KleinhansBrogl, KWG, § 1 Rz. 86 ff.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 69 f. 144) Vgl. dazu und zur Rechtsentwicklung BVerwG, Urt. v. 27.2.2008 – 6 C 11.07 (6 C 12.07), ZIP 2008, 911, 913 ff., m. Anm. Unzicker, dazu EWiR 2008, 445 (v. Livonius/Bernau); aus der Judikatur nachfolgend auch BVerwG, Urt. v. 8.7.2009 – 8 C 4.09, ZIP 2009, 1899, 1900, dazu EWiR 2009, 785 (Just/ Voß); BGH, Urt. v. 7.12.2009 – II ZR 15/08, ZIP 2010, 176, 177, dazu EWiR 2010, 113 (Corzelius); BGH, Urt. v. 9.11.2010 – VI ZR 303/09, NJW-RR 2011, 350 f. = ZIP 2010, 2491; VGH Hessen, Urt. v. 28.8.2013 – 6 A 704/12, BKR 2014, 16, 19 f., dazu EWiR 2014, 135 (v. Livonius); BaFin, Merkblatt Finanzkommissionsgeschäft, v. 18.3.2010, Stand: 4.5.2017, sub 1 lit. d; ebenso Boos/Fischer/SchulteMattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 69; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 44; Dreher, ZIP 2004, 2161, 2162; Fock, ZBB 2004, 365, 368; Görner/Dreher, ZIP 2005, 2139; Gstädtner/Elicker, BKR 2006, 437, 440 f.; Hammen, WM 2005, 813, 814; Oelkers, WM 2001, 340, 344 ff.; Schmalenbach/Sester, WM 2005, 2025, 2030; Wolf, DB 2005, 1723, 1724; Zerwas/Hanten, ZBB 2000, 44, 47; krit. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 347. 145) Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 353.

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Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

nierende Sammelverwahrung (§ 5 DepotG) als erlaubnispflichtiges Bankgeschäft qualifiziert;146) nicht einbezogen ist dagegen die geschlossene (auch: „verschlossene“) Verwahrung, d. h. die Annahme von Verwahrstücken in dem Verwahrer nicht zugänglichen geschlossenen Depots;147) Entsprechendes gilt für die bloße Schließfachmiete.148) Gleichrangig erfasst ist die „Verwaltung von Wertpapieren“, womit die i. R. der depotgeschäftlichen Verwaltung erbrachten Dienstleistungen (insbesondere die laufende Wahrnehmung der Rechte aus Wertpapieren, Benachrichtigungs-, Prüfungs- und Überwachungspflichten im Hinblick auf Emittentenmitteilungen, die Ausübung von Stimmrechten sowie die Einziehung von Zahlungen aus den verbrieften Rechten)149) abgedeckt werden.150) Dass beide Tatbestände parallel und wirtschaftlich auf der Basis einheitlicher Depotverträge verknüpft erfüllt werden, entspricht zwar dem tradierten Profil des Depotgeschäfts, ist aber nicht zwingend; ausreichend für die Qualifikation als aufsichtspflichtiges Bankgeschäft ist vielmehr die Erfüllung lediglich einer der beiden Alternativen.151) 45 Das Scheck- und das Wechseleinzugsgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 Alt. 1 und 2 KWG) werden als Restbestandteile des mit dem sog. Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz 2009152) aufgehobenen früheren Tatbestands des Zahlungs- und Abrechnungsverkehrs als erlaubnispflichtiges Bankgeschäft qualifiziert. Mit dem darin enthaltenen Girogeschäft war ein neben dem Einlagen- und Kreditgeschäft besonders charakteristischer und typusprägender Geschäftstyp der Universalbank, nämlich der Kern der Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, aufsichtsrechtlich erfasst worden. Erstmals in Umsetzung der Vorgaben der EG-Zahlungsdiensterichtlinie von 2007153) und sodann mit der Novelle des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes von 2017154) ist dieser Geschäftstyp zusammen mit anderen Erscheinungsformen des unbaren Zahlungsverkehrs als „Zahlungsdienste“ (heute i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 ZAG) einer eigenständigen Aufsichtspflicht unterworfen worden (§ 10 ZAG = § 8 ZAG a. F.),155) die komplementär zu den zivilrechtlichen Bestimmungen über Zahlungsdienstleistungen (§§ 675c ff. BGB) eingreift. Die damit einhergehenden spezialgesetzlichen materiellen Anforderungen (§§ 14 ff. ZAG) lehnen sich strukturell an das ___________ 146) Vgl. Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 1 Rz. 98 ff.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/ CRR-VO, § 1 KWG Rz. 79; Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 365 ff.; Schwennicke/ Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 50. 147) Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 364; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/ CRR-VO, § 1 KWG Rz. 82; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 50; a. A. insoweit noch Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 2083; Szagunn/Haug/Ergenzinger, KWG, § 1 Rz. 51. 148) Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 388; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRRVO, § 1 KWG Rz. 82. 149) Dazu i. E. z. B. Binder in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 38 Rz. 72 ff.; Hellner/Steuer-Decker, BuB, Bd. IV Rz. 8/145 ff.; Einsele in: MünchKomm-HGB, Bankvertragsrecht, Rz. 162 ff.; s. a. BaFin, Merkblatt Depotgeschäft, v. 6.1.2009, Stand: 17.2.2014, sub 1 b) bb). 150) Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 373; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRRVO, § 1 KWG Rz. 82; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 51. 151) Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 351; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRRVO, § 1 KWG Rz. 77; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 48. 152) Gesetz zur Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften der Zahlungsdiensterichtlinie – Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz, v. 25.6.2009, BGBl. I 2009, 1506. 153) Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.11.2007, ABl. (EU) L 319/1 v. 5.12.2007; zwischenzeitlich abgelöst durch die Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2015, ABl. (EU) L 337/35 v. 23.12.2015. 154) Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten – Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG), v. 17.7.2017, BGBl. I 2017, 2446. 155) Zur Entwicklung im hiesigen Zusammenhang ausführlich Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 468 ff. Zu Einzelfragen im Zusammenhang mit der Einführung des ZAG F. Schäfer/Lang, BKR 2009, 11 ff.; zur Neufassung der Richtlinie und zu den Konsequenzen für das deutsche Recht Bauer/ Glos, DB 2016, 456 ff., und bereits Hingst/Lösing, BKR 2014, 315 ff.

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§3

II. Erlaubnispflicht

Bankaufsichtsrecht an, sind aber nicht Gegenstand des vorliegenden Handbuchs. Zusammen mit der Erfassung des Scheck- und Wechseleinzugsgeschäfts sowie des Reisescheckgeschäfts, das vor der Neufassung des Zahlungsdiensterechts lediglich als Finanzdienstleistung qualifiziert war (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 8 KWG a. F.), führt das neue Recht ungeachtet der Parallelen im Hinblick auf materiell-rechtliche Anforderungen und aufsichtsrechtliche Handlungsmöglichkeiten zu einer Zersplitterung der Regelungsmaterien, die unter systematischen Gesichtspunkten nicht befriedigt.156) Das Emissionsgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 KWG) ist erst mit der 6. KWG-Novelle 46 1997 (siehe Rz. 12 f.)157) als Bankgeschäft qualifiziert worden.158) Der Begriff wird legaldefiniert als „die Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien“. Diese Tätigkeiten stellen zugleich – mit einer mit § 1 Abs. 1 Nr. 10 KWG wortlautidentischen Definition (§ 2 Abs. 3 Nr. 5 WpHG) – Wertpapierdienstleistungen dar. Ihre Qualifikation als Bankgeschäft beruhte auf der Einordnung des Emissionsgeschäfts – mit weiterem, auch das bloße Halten von Finanzinstrumenten im Eigenbestand abdeckendem Begriffsverständnis159) – als Wertpapierdienstleistung nach Art. 1 Nr. 1 i. V. m. Abschn. A Nr. 4 des Anhangs zur Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 1993.160) Die Einbeziehung in den Anwendungsbereich des Bankenaufsichtsrechts, anstatt sie als Finanzdienstleistungen nach § 1 Abs. 1a KWG zu qualifizieren, beruhte auf dem Umstand, dass das Emissionsgeschäft in Deutschland traditionell von Universalbanken erbracht wurde.161) Entscheidend für die Abgrenzung gegenüber nicht aufsichtspflichtigen Formen der Emissionsbegleitung ist die Übernahme des Absatz- und des Abwicklungsrisikos (z. B. durch die feste Übernahme der zu emittierenden Finanzinstrumente) im Hinblick auf die jeweilige Emission, die das betreffende Institut Verlustrisiken aussetzt.162) Die Erfassung der „Tätigkeit als zentrale Gegenpartei“ als Bankgeschäft durch § 1 Abs. 1 47 Satz 2 Nr. 12 i. V. m. § 1 Abs. 31 KWG geht im Kern zurück auf die Einbeziehung der Tätigkeit zentraler Kontrahenten durch die 7. KWG-Novelle 2006, mit der das CRD IPaket in Deutschland umgesetzt wurde.163) Die geltende Fassung der Vorschrift beruht auf der Umsetzung der EMIR164) mit Gesetz vom 13.2.2013,165) aufgrund derer der Rechts___________ 156) Vgl. auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 110. 157) Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, v. 22.10.1997, BGBl. I 1997, 2518. 158) Zuvor lediglich Geschäft von Finanzinstituten (§ 1 Abs. 3 Nr. 8 KWG a. F.). 159) Zum Unterschied du Buisson, WM 2003, 1401 ff.; F. Schäfer, WM 2002, 361, 362; zusammenfassend Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 475 f. 160) Richtlinie 93/22/EWG des Rates v. 10.5.1993, ABl. (EG) L 141/27 v. 11.6.1993; nachfolgend entsprechend Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID I), ABl. (EU) L 145/1 v. 30.4.2004, Anhang I Abschn. A Nr. 6 i. V. m. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1; heute Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID II), ABl. (EU) L 173/349 v. 12.6.2014, Anhang I Abschn. A Nr. 6: „Übernahme der Emission von Finanzinstrumenten und/oder Platzierung von Finanzinstrumenten mit fester Übernahmeverpflichtung“. 161) Vgl. Begr. RegE 6. KWG-Novelle, BT-Drucks. 13/7142, S. 56, 63; insoweit unscharf Beck/Samm/ Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 475. 162) Eingehend Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 506 ff.; s. a. Boos/Fischer/Schulte-MattlerSchäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 115 ff. 163) Gesetz zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie, v. 17.11.2006, BGBl. I 2006, 2606. 164) Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.7.2012, ABl. (EU) L 201/1 v. 27.7.2012. 165) Ausführungsgesetz zur Verordnung (EU) Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister – EMIR-Ausführungsgesetz, v. 13.2.2013, BGBl. I 2013, 174.

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143

§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

begriff der zentralen Gegenpartei den Begriff des zentralen Kontrahenten abgelöst hat (vgl. Art. 2 Nr. 1 EMIR). Die Einbeziehung der Betreiber zentraler Clearingdienste in den Anwendungsbereich des Bankenaufsichtsrechts soll mit Rücksicht auf die systemische Bedeutung derartiger Dienste, die mit der zentralen Clearingpflicht nach EMIR noch verschärft wurde, eine effektive Überwachung der Ausfall- und Liquiditätsrisikoposition der betreffenden Unternehmen ermöglichen, auch wenn banktypische Geschäfte in deren Geschäftsaktivitäten vielfach nur die Bedeutung von Nebentätigkeiten haben.166) Bislang einziger Anwendungsfall in Deutschland ist die Eurex Clearing AG, die als Zentrale Gegenpartei für an der Frankfurter Wertpapierbörse und an der Eurex abgeschlossene Geschäfte auftritt.167) b)

Finanzdienstleistungen (§ 1 Abs. 1a KWG)

aa)

Bedeutung und Verhältnis zum Tatbestand des Bankgeschäfts

48 Der Begriff des Finanzdienstleistungsinstituts nach § 1 Abs. 1a KWG geht zurück auf die 6. KWG-Novelle 1997 (siehe Rz. 12 f.).168) Er stellt – mit anderem Zuschnitt als die unionsrechtliche Tatbestandskategorie der „Wertpapierfirma“ – im Unterschied zu den in § 1 Abs. 1 KWG erfassten Fällen auf den Betrieb von Geschäften ab, die dem Investmentbanking zuzurechnen sind. Überwiegend, aber nicht ausschließlich handelt es sich um Geschäfte, die unionsrechtlich als „Wertpapierdienstleistungen“ bzw. „Anlagetätigkeiten“ zu qualifizieren sind; soweit dies der Fall ist, setzen die einzelnen Tatbestände von „Finanzdienstleistungen“ unionsrechtliche Vorgaben um. Im Übrigen ist die Regelung strukturell dem Absatz 1 nachempfunden. Auch insoweit gilt, dass die betreffenden Geschäfte nur dann erfasst sind, wenn sie gewerbsmäßig oder in einem Umfang betrieben werden, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 1 Abs. 1 Satz 1 sowie Abs. 1a Satz 1 KWG, siehe Rz. 58 ff.). Ist ein Unternehmen als Kreditinstitut i. S. des Absatzes 1 einzustufen, scheidet schon nach dem ausdrücklichen Wortlaut die Einstufung (zugleich) als Finanzdienstleistungsinstitut aus; der Tatbestand ist damit von vornherein als subsidiär konzipiert.169) Die materiellen Anforderungen des KWG sind grundsätzlich auf „Institute“ und damit sowohl auf Kredit- als auch auf Finanzdienstleistungsinstitute (vgl. § 1 Abs. 1b KWG, siehe oben Rz. 7) anwendbar; wo dies nicht der Fall ist, erfolgt die Differenzierung im jeweiligen Tatbestand. Exemplarisch zeigen dies im geltenden Recht die Zulassungsvoraussetzungen, die für die einzelnen Alternativen unterschiedlich hohe Anfangskapitalvoraussetzungen vorsehen (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 KWG, siehe Rz. 68 ff.). Auf die hier nicht i. E. darzustellende künftige Differenzierung der regulatorischen Anforderungen für systemische und sonstige Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist an anderer Stelle hingewiesen worden (Rz. 11). 49 Soweit ein Unternehmen als Kreditinstitut zugelassen ist, deckt die Zulassung allerdings auch die Erbringung von Finanzdienstleistungen ab.170) Dies ist so nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber aus dem systematischen Zusammenhang zwischen beiden Tatbeständen sowie aus der Zusammenschau der Regelungen in § 2 KWG, welche die Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 und 1a KWG um Ausnahmetatbestände hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Aufsichtspflicht insgesamt bzw. hin___________ 166) Näher Beck/Samm/Kokemoor-Demmelmair, KWG, § 1 Rz. 506 ff.; vgl. auch Boos/Fischer/SchulteMattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 126; Schulte-Mattler/Manns, WM 2011, 2069, 2074 f. 167) S. a. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 128. 168) Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, v. 22.10.1997, BGBl. I 1997, 2518. 169) Vgl. Begr. RegE 6. KWG-Novelle, BT-Drucks. 13/7142, S. 65. 170) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 129.

144

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§3

II. Erlaubnispflicht

sichtlich einzelner materieller Anforderungen ergänzt. Für die Darstellung der bankenaufsichtlichen Erlaubnispflicht, auf die sich der vorliegende Abschnitt konzentriert, ist der Kreis der in § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG erfassten einzelnen Arten von Finanzdienstleistungen vor diesem Hintergrund nicht primär i. S. isoliert relevanter Aufgreiftatbestände für die Erlaubnispflicht, sondern vielmehr im Hinblick auf die Frage von Bedeutung, welche Arten von Geschäften auf der Grundlage einer bestehenden Aufsicht im Inland zulässigerweise erbracht werden dürfen. bb)

Die einzelnen Tatbestände im Überblick

Mit Blick auf die eingeschränkte Bedeutung der Tatbestandsgruppe der „Finanzdienstleis- 50 tungen“ im hiesigen Zusammenhang (siehe soeben Rz. 48 f.) ist auf Einzelaspekte der in § 1 Abs. 1a KWG erfassten Geschäftstypen hier nicht näher einzugehen und kann insoweit auf die einschlägige Kommentarliteratur verwiesen werden.171) In systematischer, teleologischer und historischer Hinsicht handelt es sich stärker noch als bei den in § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG erfassten Bankgeschäften um ein heterogenes Spektrum unterschiedlicher Aktivitäten, die aus unterschiedlichen Gründen aufsichtsrechtlich erfasst werden:172) Die im Kern bereits mit der 6. KWG-Novelle (siehe Rz. 12 f.)173) vollzogene Aufnahme der Finanzdienstleistungen nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 bis 4 KWG (Anlagevermittlung, Anlageberatung, Betrieb eines multilateralen Handelssystems, Platzierungsgeschäfte, Abschlussvermittlung, Finanzportfolioverwaltung sowie der Eigenhandel) in das Gesetz, die vorbehaltlich des Eingreifens von Ausnahmetatbeständen nach § 2 Abs. 6 – 12 KWG aufsichtsrechtlich im Wesentlichen der Erbringung von Bankgeschäften durch Kreditinstitute gleichgestellt sind, geht auf unionsrechtliche Vorgaben der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie bzw. der sie ablösenden Rechtsakte (MiFID I, II) zurück. Sie entsprechen den Wertpapierdienstleistungen i. S. des § 2 Abs. 3 WpHG und werden im Interesse der allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Schutzziele des Anleger- und Funktionsschutzes erfasst.174) Demgegenüber gehen die ebenfalls seit der 6. KWG-Novelle in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5 51 und 7 KWG erfassten Fälle (Drittstaateneinlagenvermittlung und Sortengeschäft) mit dem Ziel der Stärkung des Finanzplatzes Deutschland, des Anlegerschutzes bzw. der Geldwäschebekämpfung175) über den Anwendungsbereich der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie bzw. der MiFID hinaus. Die seit dem Jahressteuergesetz 2009 in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 und 10 KWG erfassten Fälle des Factoring sowie des Finanzierungsleasing werden zum Schutz der Kunden und der Gesamtwirtschaft vor unsoliden Geschäftspraktiken einbezogen.176) Die Aufnahme des Tatbestands der Anlageverwaltung in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG mit dem PfandBFG schließlich dient wiederum dem Anlegerschutz sowie der Stärkung des Finanzplatzes.177) ___________ 171) S. Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 1 Rz. 190 ff.; Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 Rz. 519 ff.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 129 ff., insb. Rz. 134 ff.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 78 ff. 172) Gute Überblicke bei Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 131 ff.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 81. 173) Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, v. 22.10.1997, BGBl. I 1997, 2518. 174) Vgl. allgemein zu den kapitalmarktrechtlichen Regelungszielen stellvertretend Staub-Grundmann, Investment Banking, 6. Teil Rz. 346 m. w. N. 175) Vgl. Begr. RegE 6. KWG-Novelle, BT-Drucks. 13/7142, S. 66 f. 176) Vgl. dazu den Bericht d. FA z. RegE JStG 2009, BT-Drucks. 16/11108, S. 54 f. 177) Vgl. Begr. RegE Gesetz zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts, BT-Drucks. 16/11130, S. 43.

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145

§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

52 Genese und systematischer Zusammenhang der einzelnen Tatbestände des § 1 Abs. 1a Satz 2 – 4 KWG ergeben sich aus der nachfolgenden tabellarischen Übersicht. 53 Übersicht 3: National- und unionsrechtliche Grundlagen der Tatbestände in § 1 Abs. 1a KWG Tatbestand

Eingeführt durch

Gemeinschafts- bzw. unionsrechtlicher Hintergrund

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG

6. KWG- Novelle 1997 (Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften v. 22.10.1997, BGBl. I 1997, 2518)

Anhang Abschn. A Nr. 1 lit. a der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (RL 93/22/EWG des Rates v. 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. (EG) L 141/27)

Geändert durch: FRUG 2007 (Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz v. 16.7.2007, BGBl. I 2007, 1330)

Ersetzt durch: Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Anhang I Abschn. A Nr. 1 MiFiD I

FRUG 2007 (s. o.)

Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. Anhang I Abschn. A Nr. 5 MiFiD I (s. o.) Zum 3.1.2018 ersetzt durch: Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. Anhang I Abschn. A Nr. 5 MiFiD II (s. o.)

FRUG 2007 (s. o.)

Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 i. V. m. Anhang I Abschn. A Nr. 8 MiFiD I (s. o.) Zum 3.1.2018 ersetzt durch:

Anlagevermittlung

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1a KWG Anlageberatung

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1b KWG Betrieb eines multilateralen Handelssystems

Zum 3.1.2018 ersetzt durch: Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Anhang I Abschn. A Nr. 1 MiFiD II

Art. 4 Abs. 1 Nr. 19 i. V. m. Anhang I Abschn. A Nr. 8 MiFiD II (s. o.) § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1c KWG

FRUG 2007 (s. o.)

Platzierungsgeschäft

Anhang I Abschn. A Nr. 7 MiFiD I (s. o.) Zum 3.1.2018 ersetzt durch: Anhang I Abschn. A Nr. 7 MiFiD II (s. o.)

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 KWG

6. KWG- Novelle 1997 (s. o.)

Abschlussvermittlung

Anhang Abschn. A Nr. 1 lit. b der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (RL 93/22/EWG, s. o.) Ersetzt durch: Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Anhang I Abschn. A Nr. 2 MiFiD I (s. o.) Zum 3.1.2018 ersetzt durch: Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Anhang I Abschn. A Nr. 2 MiFiD II (s. o.)

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG

6. KWG- Novelle 1997 (s. o.)

Finanzportfolioverwaltung

Anhang Abschn. A Nr. 3 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (RL 93/22/EWG, s. o.) Ersetzt durch: Art. 4 Abs. 1 Nr. 9 i. V. m. Anhang I Abschn. A Nr. 4 MiFiD I (s. o.) Zum 3.1.2018 ersetzt durch: Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Anhang I Abschn. A Nr. 1 MiFiD II (s. o.)

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG

6. KWG- Novelle 1997 (s. o.)

Eigenhandel

Geändert durch: FRUG 2007 (s. o.)

146

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Anhang Abschn. A Nr. 2 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (RL 93/22/EWG, s. o.)

§3

II. Erlaubnispflicht Geändert durch:

Ersetzt durch:

Gesetz zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie (v. 19.11.2010, BGBl. I 2010, 1592) Geändert durch:

Art. 4 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. Anhang I Abschn. A Nr. 3 MiFiD I (s. o.) Zum 3.1.2018 ersetzt durch: Art. 4 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. Anhang I Abschn. A Nr. 3 MiFiD II (s. o.)

Hochfrequenzhandelsgesetz 2013 (v. 7.4.2013, BGBl. I 2013, 1162) 6. KWG- Novelle 1997 (s. o.)

Kein unionsrechtlicher Hintergrund

6. KWG- Novelle 1997 (s. o.)

Kein unionsrechtlicher Hintergrund

Jahressteuergesetz 2009 (v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794)

Kein unionsrechtlicher Hintergrund

Factoring § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 10 KWG Finanzierungsleasing

Jahressteuergesetz 2009 (s. o.) Geändert durch:

Kein unionsrechtlicher Hintergrund

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5 KWG Drittstaateneinlagenvermittlung § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 7 KWG Sortengeschäft § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG

AIFM-Umsetzungsgesetz (v. 4.7.2013, BGBl. I 2013, 1981) Gesetz zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts (v. 20.3.2009, BGBl. I 2009, 607) Geändert durch: AIFM-Umsetzungsgesetz (v. 4.7.2013, BGBl. I 2013, 1981)

Kein unionsrechtlicher Hintergrund

AIFM-Umsetzungsgesetz (v. 4.7.2013, BGBl. I 2013, 1981)

Kein unionsrechtlicher Hintergrund

§ 1 Abs. 1a Satz 3 und 4 KWG

FRUG 2007 (s. o.)

Eigengeschäft

Geändert durch: Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen (v. 7.8.2013, BGBl. I 2013, 3090

Art. 4 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. Anhang I Abschn. A Nr. 3 MiFiD I (s. o.) Zum 3.1.2018 ersetzt durch:

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG Anlageverwaltung

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 12 KWG Eingeschränktes Verwahrgeschäft

Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Anhang I Abschn. A Nr. 3 MiFiD II (s. o.)

Die für die Praxis relevanten Informationen zur Erlaubnispflicht und zum Erlaubnisver- 54 fahren sind auch hier in Merkblättern der BaFin zusammengestellt, die nachfolgend tabellarisch aufgezählt sind: Übersicht 4: BaFin-Merkblätter zu § 1 Abs. 1 KWG – Finanzdienstleistungen

55

Tatbestand

BaFin-Merkblatt-Bezeichnung

Datum

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG

Merkblatt Anlagevermittlung Hinweise zum Tatbestand der Anlagevermittlung

17.5.2011 Stand: 13.7.2017

13.5.2011 § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1a Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt KWG für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Stand: 18.2.2019 Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1b KWG

Merkblatt multilaterales Handelssystem Tatbestand des Betriebs eines multilateralen Handelssystems

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1c Merkblatt Platzierungsgeschäft KWG Hinweise zum Tatbestand des Platzierungsgeschäfts

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7.12.2009 Stand: 25.7.2013 10.12.2009 Stand: 25.7.2013

147

§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 KWG

Merkblatt Abschlussvermittlung Hinweise zum Tatbestand der Abschlussvermittlung

7.12.2009 Stand: 11.9.2014

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG

Merkblatt Finanzportfolioverwaltung Hinweise zum Tatbestand der Finanzportfolioverwaltung

3.1.2011 Stand: 25.7.2018

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG

Merkblatt, Hinweise zu den Tatbeständen des Eigenhandels und des Eigengeschäfts

22.3.2011 Stand: 15.5.2019

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5 KWG

Merkblatt Drittstaateneinlagenvermittlung Hinweise zum Tatbestand der Drittstaateneinlagenvermittlung

8.12.2009

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 7 KWG

Merkblatt, Hinweise zum Angebot von Banknoten und Münzen im Internet

24.7.2007 Stand: 7.2.2018

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 9 KWG

Merkblatt Factoring Hinweise zum Tatbestand des Factoring

5.1.2009

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 10 KWG

Merkblatt Finanzierungsleasing Hinweise zum Tatbestand des Finanzierungsleasings

19.1.2009

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG

Merkblatt Anlageverwaltung Hinweise zum Tatbestand der Anlageverwaltung

13.10.2011 Stand: 26.7.2013

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 12 KWG

Merkblatt Verwahrgeschäft Hinweise zum Tatbestand des eingeschränkten Verwahrgeschäfts

17.7.2013

3.

Beschränkung auf Inlandsaktivitäten

56 Der Anwendungsbereich der Erlaubnispflicht ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG auf im Inland betriebene Aktivitäten beschränkt. Dies ergibt sich bereits aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (Territorialitätsprinzip).178) Unproblematisch erfüllt ist das Merkmal, wenn die betreffenden Geschäfte von einem Sitz, von einer Zweigniederlassung, einem Betriebsteil oder i. R. einer sonstigen physischen Präsenz im Inland ausgeübt werden.179) Umstritten ist dagegen die Einordnung von Fällen der grenzüberschreitenden Tätigkeit ohne physische Präsenz im Inland. Teilweise wird die Einbeziehung dieser Fälle in den Anwendungsbereich unter Hinweis auf den Wortlaut, den Zusammenhang mit den – als Ausnahmetatbestände verstandenen – Regelungen zu ausländischen Gesellschaften in §§ 53 ff. KWG sowie auf die Regelungsgeschichte abgelehnt.180) Überwiegend vertreten und auch der Aufsichtspraxis der BaFin zugrunde gelegt wird demgegenüber heute ein vertriebsbezogener Ansatz (auch „Marktortprinzip“). Danach soll es für das Eingreifen der Erlaubnispflicht darauf ankommen, ob im Inland jedenfalls zurechenbare Teilakte einer zielgerichtet auf den deutschen Markt abzielenden

___________ 178) Dazu statt vieler stellvertretend Wolff/Bachof/Stober/Kluth-Stober, Verwaltungsrecht I, § 21 Rz. 11; vgl. im hiesigen Zusammenhang näher auch Rögner, WM 2006, 745, 748. 179) Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 32 Rz. 6; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/ CRR-VO, § 32 KWG Rz. 18; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 32 Rz. 7; vgl. auch Beck/ Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 46. 180) Z. B. Hanten, WM 2003, 1412, 1414; Rögner, WM 2006, 745, 747 ff.; so auch noch VGH Hessen, Beschl. v. 21.1.2005 – 6 TG 1568/04, ZIP 2005, 610, 611 ff.

148

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§3

II. Erlaubnispflicht

Geschäftstätigkeit vorgenommen werden, was bei der Geschäftsanbahnung über elektronische Medien großzügig interpretiert wird.181) Für eine von der physischen Präsenz abgelöste, marktbezogene Perspektive streiten dabei 57 in der Tat teleologische Gesichtspunkte: Wenn lediglich virtuell in den Inlandsmarkt hineinwirkende Geschäftsaktivitäten betrieben werden, die unter dem Gesichtspunkt der Schutzziele des Aufsichtsrechts (siehe Rz. 1 f., 8 f.) mit Blick auf die jeweiligen wirtschaftlichen Auswirkungen Schutzbedarf für inländische Kunden, andere Finanzintermediäre, die Finanzmarktinfrastruktur und damit die Stabilität des inländischen Finanzsystems allgemein begründen, rechtfertigt dies in gleicher Weise ein Kontrollbedürfnis und damit die Unterstellung unter die inländische Aufsichtstätigkeit wie bei solchen Aktivitäten, die i. R. einer physischen Inlandspräsenz entfaltet werden.182) Die Erstreckung des Anwendungsbereichs auf solche Aktivitäten, die von einem EU/EWR-Staat aus betrieben werden, steht dabei keineswegs im Widerspruch zu den Grundfreiheiten. Sie fügt sich im Übrigen auch in die europäische Zuständigkeitsverteilung nach dem Herkunftslandprinzip ein, da die aufsichtsrechtliche Erlaubnispflicht mit Blick auf die Wirkungserstreckung zugunsten EU/EWR-ausländischer Lizenzen (Europäischer Pass, siehe Rz. 84 ff.) nur für solche Anbieter besteht, die nicht in ihrem jeweiligen EU/EWR-Herkunftsland eine unionsweit geltende Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb erlangt haben.183) Richtig ist allerdings, dass die damit skizzierten Grundsätze zur Bestimmung der Reichweite des deutschen Aufsichtsrechts im Interesse der Rechtssicherheit der weiteren Konkretisierung bedürfen.184) Eine „zielgerichtete Tätigkeit“, die auf den deutschen Markt orientiert ist und deshalb der Überwachung durch die deutsche Bankenaufsicht unterworfen werden sollte, muss deshalb einen spezifischen Bezug zum deutschen Markt, z. B. durch gezielte Ansprache deutscher Kunden, die Berücksichtigung der in Deutschland geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen oder die Einbindung inländischer Kreditinstitute bei der Geschäftsabwicklung, aufweisen.185) Sind diese Kriterien nicht erfüllt, ist eine im Ausland entfaltete Geschäftsaktivität nicht allein deshalb deutschem Aufsichtsrecht unterworfen, weil sie von Kunden im Inland aus – innerhalb der EU bzw. des EWR als Fall der „passiven Dienstleistungsfreiheit“ – auf deren eigene Initiative hin in Anspruch genommen werden kann.186) Die Ergebnisse sind allerdings jeweils am Maßstab der einschlägigen unionsrechtlichen Grundsätze über die Kompetenzzuweisung für die Bankenaufsicht zu überprüfen; in Zweifelsfällen kann allein der EuGH eine abschließende Klärung herbeiführen.

___________ 181) So BVerwG, Urt. v. 22.4.2009 – 8 C 2/09, BVerwGE 133, 358, 366 = ZIP 2009, 1759 (Ls.); entspr. Beck/ Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 46 f.; Ohler, WM 2002, 162, 168; zur Position der BaFin und zur Entwicklung der „Teilaktstheorie“ näher Voge, WM 2007, 381 ff.; BaFin, Merkblatt Einlagengeschäft, v. 11.3.2014, sub V. Teilweise krit. und differenzierend demgegenüber Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 19 ff.; zurückhaltend auch Schwennicke/ Auerbach-Schwennicke, KWG, § 32 Rz. 7 ff. 182) Richtig Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 46. 183) Wiederum zutr. Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 47. 184) Vgl. dazu bereits Seebach, WM 2010, 733, 737 ff. 185) Überzeugend Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 32 KWG Rz. 23; vgl. auch – in der Tendenz etwas weitergehend – Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 47; eingehend m. w. N. zur Verwaltungspraxis der BaFin Voge, WM 2007, 381, 382 ff. 186) Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 32 Rz. 12; S. H. Schneider, WM 2008, 285, 290; vgl. auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 32 KWG Rz. 22.

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149

§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

4.

Erforderlicher Umfang der Geschäfte

a)

Grundlagen

58 Der Betrieb von Bankgeschäften bzw. die Erbringung von Finanzdienstleistungen führt nur dann zur Einstufung als Kredit- bzw. als Finanzdienstleistungsinstitut, wenn die betreffenden Geschäfte in einem bestimmten Umfang betrieben werden. Das deutsche Aufsichtsrecht grenzt dies durch drei Elemente ein: Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute können nur „Unternehmen“ sein, welche die betreffenden Aktivitäten „gewerbsmäßig“ oder in einem „Umfang“ betreiben, der einen „in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb“ erfordert. Der Unternehmensbegriff wird dabei nicht in § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG und mithin nicht i. R. der Erlaubnispflicht selbst verwendet, wohl aber in der Definition des Kredit- bzw. des Finanzdienstleistungsinstituts (§ 1 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 1a Satz 1 KWG). Die alternativen Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit bzw. des einen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordernden Umfangs finden sich dagegen sowohl in den in diesen Normen formulierten Definitionen des Kredit- bzw. des Finanzdienstleistungsinstituts als auch in § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG. Der systematische Zusammenhang zwischen dem Unternehmensbegriff einerseits und den quantitativen Anforderungen andererseits erschließt sich dabei nur in einer Zusammenschau der §§ 1 und 32 KWG. Adressat der Erlaubnispflicht ist nach § 32 Abs. 1 Satz KWG grundsätzlich jeder, der im Inland im erforderlichen Umfang Bankgeschäfte (i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG) betreiben oder Finanzdienstleistungen (i. S. des § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG) erbringen will. Auf die Unternehmenseigenschaft (siehe dazu Rz. 60), die eine Grundvoraussetzung für das Vorliegen der materiellen Institutseigenschaft darstellt, kommt es insoweit nicht an.187) Praktisch bedeutsam ist dies insbesondere für die Erlaubniserteilung an Personengesellschaften, die mangels voller Rechtsfähigkeit nicht selbst als Träger einer Erlaubnis in Betracht kommen und bei denen die persönlich haftenden Gesellschafter Erlaubnisträger sind.188) Im Zusammenhang mit der Erlaubnispflicht ist die Unternehmenseigenschaft allerdings insofern von Bedeutung, als nur bei deren Vorliegen das Erfordernis der Vorlage eines Geschäftsplans nach § 32 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG (siehe Rz. 69) erfüllbar ist.189) 59 Unabhängig von diesem systematischen Zusammenhang sind auch und gerade diese Tatbestandsmerkmale ebenso wie die Definitionen der erlaubnispflichtigen Geschäfte als Filter zu verstehen, die den Anwendungsbereich der materiell-rechtlichen Anforderungen des Aufsichtsrechts und der aufsichtlichen Überwachung auf Fälle konzentrieren sollen, in denen die aufsichtsrechtlichen Schutzziele (siehe oben Rz. 1 f., 8 f.) tatsächlich berührt sind. Vor diesem Hintergrund sollten die Kriterien zur Abgrenzung gegenüber Bagatellfällen ebenso genutzt werden wie zum Ausschluss solcher Geschäfte aus dem Anwendungsbereich, die zwar formal Bankgeschäfte begründen, aber, etwa im Fall von Nebentätigkeiten von Unternehmen mit klar anders gelagertem Geschäftsprofil, keine Schutzzweckrelevanz aufweisen.190) b)

„Unternehmen“ (§ 1 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 1a Satz 1 KWG)

60 Der in § 1 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 1a Satz 1 KWG zugrunde gelegte Unternehmensbegriff ist nach h. A. grundsätzlich weit zu verstehen, setzt allerdings nach richtiger, am Schutz___________ 187) BVerwG, Urt. v. 22.9.2004 – 6 C 29/03, BVerwGE 122, 29, 48 = ZIP 2005, 385 (insoweit nicht abgedruckt); Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 32 Rz. 4; VGH Hessen, Beschl. v. 12.12.2007 – 6 TG 1743/07, NJW 2008, 1011, 1012; vgl. auch Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 42. 188) Näher dazu Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 41 f. 189) Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 32 Rz. 4. 190) Richtig Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 32 KWG Rz. 17.

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§3

II. Erlaubnispflicht

zweck des Aufsichtsrechts orientierter funktionaler Auslegung voraus, dass die betriebenen Aktivitäten jedenfalls von unternehmerischer Qualität und auf eine gewisse Dauer angelegt sein müssen. Dies ist bei lediglich vereinzelt betriebenen Geschäften nicht der Fall.191) Unerheblich ist dagegen die Rechtsform, in der das Geschäft betrieben wird, sodass grundsätzlich natürliche Personen, juristische Personen des Privat- und solche des öffentlichen Rechts sowie teilrechtsfähige Personenvereinigungen gleichermaßen erfasst sind,192) bei denen allerdings nur die persönlich haftenden Gesellschafter Erlaubnisträger sein können (siehe Rz. 58). c)

„Gewerbsmäßig“

Bereits das „gewerbsmäßige“ Betreiben von Bankgeschäften bzw. die „gewerbsmäßige“ 61 Erbringung von Finanzdienstleistungen reichen für die materielle Qualifikation als Kredit- bzw. Finanzdienstleistungsinstitut nach § 1 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 1a Satz 1 KWG und für das Eingreifen der Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG aus, ohne dass es auf die Komplexität der Geschäfte, ihren objektiven Umfang und die Folgen für die Geschäftsorganisation ankäme. Die Einfügung dieses Tatbestandsmerkmals geht zurück auf die 6. KWG-Novelle 1997 (siehe Rz. 12 f.) und lehnt sich an die Begriffsdefinition der „Wertpapierfirma“ in Art. 1 Nr. 2 der (ersten) EG-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie von 1993 an.193) Nach der Gesetzesbegründung kommt es damit allein darauf an, dass der jeweilige Betrieb auf eine gewisse Dauer angelegt ist und der Betreiber ihn mit der Absicht der Gewinnerzielung verfolgt; damit sollten ausdrücklich auch solche Aktivitäten erfasst werden, deren Umfang unterhalb der quantitativen und qualitativen Schwelle des Erfordernisses eines kaufmännischen Gewerbebetriebs bleibt.194) Die erhebliche195) Erweiterung um diese Tatbestandsalternative verfolgte insbesondere das Ziel, Geschäftsaktivitäten im Bereich des Grauen Kapitalmarkts in die aufsichtliche Überwachung einzubeziehen.196) Legt man diese Maßstäbe zugrunde, ist die Gewerbsmäßigkeit lediglich in Fällen verein- 62 zelter an sich tatbestandsmäßiger Geschäfte und mit Gewinnabsicht betriebener Geschäfte zu verneinen, die ohne Wiederholungsabsicht getätigt werden.197) Damit werden explizit oder implizit die tradierten Kategorien für die Bestimmung der Kaufmannseigenschaft

___________ 191) Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 KWG Rz. 38 f.; vgl. auch Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 1 Rz. 9; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 18; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 4. 192) Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 KWG Rz. 38. 193) Vgl. Begr. RegE zu § 1 KWG-E, BT-Drucks. 13/7142, S. 62 unter Hinweis auf Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 93/22/EWG („jede juristische Person, die im Rahmen ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmäßig Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringt“). 194) Begr. RegE 6. KWG-Novelle, BT-Drucks. 13/7142, S. 62; ebenso ausdrücklich auch VGH Hessen, Beschl. v. 12.12.2007 – 6 TG 1743/07, NJW-RR 2008, 1011, 1014; OLG Celle, Urt. v. 14.10.2004 – 4 U 114/04, BeckRS 2004, 10369. 195) Zutr. schon Demgensky/Erm, WM 2001, 1445, 1447. 196) Mielk, WM 1997, 2200, 2202; vgl. auch bereits Begr. RegE 6. KWG-Novelle, BT-Drucks. 13/7142, S. 62 (Einwerben von Kundengeldern mit dem Ziel der Anlage bei anderen Kapitalnehmern im Namen des Einlegers). 197) So in der Tat VGH Hessen, Beschl. v. 12.12.2007 – 6 TG 1743/07, NJW-RR 2008, 1011, 1014; OLG Celle, Urt. v. 14.10.2004 – 4 U 114/04, BeckRS 2004, 10369; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 21 unter Hinweis auf Begr. RegE 6. KWG-Novelle, BT-Drucks. 13/7142, S. 62; vgl. – differenzierend – auch Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 1 Rz. 22; Beck/Samm/ Kokemoor-Reschke, KWG, § 1 KWG Rz. 47 f.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, WG, § 1 Rz. 6; vgl. auch Wieland, BB 2012, 917, 919 f.

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151

§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

nach § 1 HGB herangezogen.198) Letztlich führt dies – im Ausgangspunkt nicht anders als im Handelsrecht199) – mit Blick auf die deckungsgleichen Kriterien zur Verschleifung mit dem Unternehmensbegriff. Zugleich droht eine tatbestandlich kaum mehr beschränkbare Erstreckung des Anwendungsbereichs sowohl des materiellen Aufsichtsrechts als auch der aufsichtlichen Überwachung auf Fallkonstellationen, die dies weder unter dem Gesichtspunkt des Individualschutzes noch – erst recht – unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Systemstabilität rechtfertigen. Dies gilt zumal dann, wenn man mit einer im Vordringen begriffenen Ansicht zur Auslegung des Gewerbebegriffs im Handelsrecht200) mit Rücksicht auf Abgrenzungsprobleme insbesondere bei öffentlichen Unternehmen auf das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht vollständig verzichten und stattdessen nur mehr auf die Entgeltlichkeit abstellen will, die typischerweise als solche auch bei Geschäftsaktivitäten zu bejahen sein wird, die sich tatbestandlich unter einen der in § 1 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 1a Satz 2 KWG definierten Fälle subsumieren lassen, aber lediglich vereinzelt betrieben werden und keinerlei Schutzzweckrelevanz entfalten. Dies ist gerade bei der Einordnung von Geschäftsaktivitäten problematisch, die von Unternehmen der Realwirtschaft und damit außerhalb des Spektrums klassischer Intermediär-KundenBeziehungen betrieben werden.201) Gerade auch unter dem Gesichtspunkt der mit der 6. KWG-Novelle verfolgten Ziele – Orientierung am Wortlaut der unionsrechtlichen Tatbestandskategorien und Erstreckung des Anwendungsbereichs auf schutzzweckrelevante Aktivitäten, die mit der überkommenen Tatbestandsalternative des Erfordernisses eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs nicht erfassbar waren – sprechen gute Gründe für eine aufsichtsrechtsautonome Auslegung des Gewerbsmäßigkeitskriteriums. Zusammen mit dem Merkmal des „Unternehmens“ sollten danach nur solche Fälle erfasst und in den Anwendungsbereich einbezogen werden, die im o. g. Sinne bei objektiver Betrachtung „unternehmerische Qualität“ aufweisen, erkennbar auf eine dauerhafte Gewinnerzielung angelegt sind und unter Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls Schutzzweckrelevanz entfalten können.202)

___________ 198) Besonders deutlich insoweit wiederum Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 22 unter Bezugnahme auf die Leitentscheidung RG, Urt. v. 23.4.1907 – VII 261/01, RGZ 66, 48, 51 f. Zum handelsrechtlichen Gewerbebegriff i. Ü. stellvertretend BGH, Urt. v. 7.7.1960 – VIII ZR 215/59, BGHZ 33, 321, 324 f.; BGH, Urt. v. 22.1.1976 – VII ZR 280/75, BGHZ 66, 48, 49; zum allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Verständnis BGH, Urt. v. 12.2.1970 – VII ZR 168/67, BGHZ 53, 222, 223; BGH, Urt. v. 28.10.1971 – VII ZR 15/70, BGHZ 57, 191, 199 f.; BGH, Urt. v. 10.6.1974 – VII ZR 44/73, BGHZ 63, 32, 33; BGH, Urt. v. 10.5.1979 – VII ZR 97/78, BGHZ 74, 273, 277; BGH, Urt. v. 22.4.1982 – VII ZR 191/81, BGHZ 83, 382, 386; BGH, Urt. v. 2.7.1985 – X ZR 77/84, BGHZ 95, 155, 157; Baumbach/Hopt-Hopt, HGB, § 1 Rz. 12 ff.; Staub-Oetker, HGB, § 1 Rz. 14 ff.; K. Schmidt in: MünchKomm-HGB, § 1 Rz. 26. 199) Zur Abgrenzung zwischen den Kategorien Unternehmen und Gewerbe im Handelsrecht stellvertretend K. Schmidt in: MünchKomm-HGB, § 1 Rz. 20. 200) Vgl. etwa K. Schmidt, Handelsrecht, § 9 II 2. d), S. 359 ff.; K. Schmidt in: MünchKomm-HGB, § 1 Rz. 31; ebenso Baumbach/Hopt-Hopt, HGB, § 1 Rz. 15; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Kindler, HGB, § 1 Rz. 27; Oetker-Koerber, HGB, § 1 Rz. 28 ff.; Staub-Oetker, HGB, § 1 Rz. 37 ff.; ausdrücklich offenlassend gegenüber der früheren st. Rspr. BGH, Urt. v. 24.6.2003 – XI ZR 100/02, BGHZ 155, 240, 246 = ZIP 2003, 1494, 1496, dazu EWiR 2004, 93 (Drescher); BGH, Urt. v. 29.3.2006 – VIII ZR 173/05, BGHZ 167, 40, 45 f. = ZIP 2006, 1307 (Ls.), dazu EWiR 2006, 453 (Lorenz), jeweils zum Verbrauchsgüterkaufrecht. 201) Richtig Wieland, BB 2012, 917, 919; vgl. auch Schwennicke, WM 2010, 542, 547 (Abgrenzungsprobleme bei verzinslichen Darlehen); speziell zu Cash-Pools Götze, WM 2005, 727, 729. 202) Gleichsinnig Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 32 KWG Rz. 9 (Beschränkung auf Geschäfte mit „bankmäßige[m] Charakter“, ggf. teleologische Reduktion notwendig).

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§3

II. Erlaubnispflicht d)

Erforderlichkeit eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs

Aus den obigen Ausführungen zur Ausweitung des Anwendungsbereichs mit der Einfüh- 63 rung der Tatbestandsalternative des „gewerblichen“ Betreibens von Bankgeschäften bzw. der „gewerblichen“ Erbringung von Finanzdienstleistungen in § 1 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 1a Satz 1 KWG sowie in § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG ergibt sich bereits, dass die tradierte Alternative der Anknüpfung an einen Geschäftsumfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, in der Praxis nur mehr von begrenzter Bedeutung ist.203) Inhaltlich wird damit im Kern auf den in § 1 Abs. 2 HGB zur Bestimmung der Kaufmannseigenschaft („Ist-Kaufmann“) formulierten Standard abgestellt, wobei der Wortlaut der aufsichtsrechtlichen Regelung – auf den ersten Blick: im Unterschied zur handelsrechtlichen – nur den Umfang der betreffenden Geschäfte als Maßstab betont, nicht dagegen auch die Art.204) Inhaltlich ergibt sich allerdings kein Unterschied zur handelsrechtlichen Rechtslage, weil sich die Anknüpfung an nur bestimmte Arten von Geschäften im aufsichtsrechtlichen Kontext bereits daraus ergibt, dass von vornherein nur die in § 1 Abs. 1 Satz 2 bzw. Abs. 1a Satz 2 KWG näher erfassten „Bankgeschäfte“ (siehe Rz. 12 ff.) und „Finanzdienstleistungen“ (siehe Rz. 48 ff.) überhaupt in den Anwendungsbereich des Aufsichtsrechts fallen. Es ist daher ohne weiteres gerechtfertigt, zur weiteren Konkretisierung der Tatbestandsalternative auf die zu § 1 Abs. 2 HGB entwickelten quantitativen Kriterien abzustellen, wie dies im Ausgangspunkt durchaus der herrschenden Kommentarliteratur entspricht.205) Danach kommt es hier wie dort insbesondere darauf an, ob eine geordnete Abwicklung der getätigten Geschäfte nach Art, Zahl und Umfang auf eine nach kaufmännischen Grundsätzen eingerichtete Buch- und Kassenführung, eine geordnete Schriftgutverwaltung, die regelmäßige Erstellung von Bilanzen etc. sowie die Beschäftigung qualifizierten Personals angewiesen ist.206) Auch im Aufsichtsrecht können insoweit – im Kern nicht anders als zum handelsrechtlichen Regelungsvorbild207) – anerkannte und (teilweise) durch die Rechtsprechung gebilligte quantitative Kriterien eine gewisse Orientierung bieten, auch wenn die jeweiligen Größenordnungen zwischenzeitlich sehr veraltet sind und letztlich willkürlich auf einzelne konkret entschiedene Sachverhaltskonstellationen abstellen. Beispiele: Im Einlagengeschäft Einlagenbestand von 12.500 €, der sich aus mehr als fünf einzelnen Einlagen zusammensetzt; im Kreditgeschäft gleichzeitige Bearbeitung von mehr als einhundert ratenweise zu tilgenden Gelddarlehen bzw. mehr als 20 Einzeldarlehen mit einem Gesamtkreditvolumen von 500.000 €.208)

Im Einzelfall muss es auch hier letztlich darauf ankommen, ob die betreffenden Geschäfte 64 in einer schutzzweckrelevanten Weise getätigt werden.209)

___________ 203) Ebenso Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 32 KWG Rz. 8. 204) Vgl. zu den Anforderungen nach § 1 Abs. 2 HGB nur den eindeutigen Wortlaut der Bestimmung und stellvertretend Baumbach/Hopt-Hopt, HGB, § 1 Rz. 23. 205) Vgl. z. B. BVerwG, Urt. v. 25.6.1980 – I C 13.74, GewArch 1980, 70 f.; BGH, Urt. v. 11.7.2006 – VI ZR 340/04, ZIP 2006, 1764, 1766; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 23; wohl auch Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 7. 206) Stellvertretend für das Aufsichtsrecht Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 7; vgl. für die im Handelsrecht anerkannten Kriterien nochmals Baumbach/Hopt-Hopt, HGB, § 1 Rz. 20, jeweils m. w. N. 207) Vgl. zur Auslegungspraxis zu § 1 Abs. 2 HGB demgegenüber stellvertretend Baumbach/Hopt-Hopt, HGB, § 1 Rz. 8. 208) Dazu jeweils Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 8 m. w. N. 209) Wiederum gleichsinnig Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 32 KWG Rz. 9 (ggf. teleologische Reduktion notwendig).

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153

§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

III.

Erlaubnis, Anspruch auf Erlaubniserteilung, Versagungsgründe

1.

Erlaubniserteilung: Rechtsnatur und Zuständigkeit

65 Die Erlaubnis nach § 32 KWG ist, soweit sie von der BaFin zu erteilen ist, ein begünstigender Verwaltungsakt, für den die allgemeinen Regeln gelten.210) Unmittelbar aus § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG folgt, dass die Erlaubnis schriftlich zu erteilen ist; nach §§ 37 Abs. 4, 3a Abs. 2 VwVfG kann die Schriftform auch durch die elektronische Form ersetzt werden. Dies betrifft allerdings, was auch der Wortlaut des § 32 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 KWG klarstellt, nicht die Erteilung der Erlaubnis für das Einlagen- und Kreditgeschäft, die innerhalb des Single Supervisory Mechanism (SSM) bei der EZB liegt (§ 1 Abs. 5 Nr. 1 KWG i. V. m. Art. 4 Abs. 1 lit. a SSM-VO; siehe dazu unten Rz. 78 ff. sowie § 2 Rz. 51, 121 ff. [Glos/Benzing]). Soweit danach die EZB als Aufsichtsbehörde zuständig ist, wird die Erlaubnis in einem Beschluss erteilt, der nach Art. 14 Abs. 4 SSM-VO von der BaFin als nationaler Behörde mitzuteilen ist. 2.

Anspruch auf Erlaubniserteilung

66 Aus § 33 Abs. 3 KWG ergibt sich, dass der Antragsteller einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Erteilung der Erlaubnis hat, soweit keine Versagungsgründe vorliegen.211) Die Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung – und damit die im Interesse des Gemeinwohls gesetzten Schranken für die Ausübung der durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG abgesicherten Gewerbefreiheit212) – sind damit nicht positiv formuliert. Zu unterscheiden ist zwischen zwingenden Versagungsgründen (§ 33 Abs. 1 Satz 1 KWG, siehe Rz. 68 ff.) und in das Ermessen der Aufsichtsbehörde gestellten Versagungsgründen (§ 33 Abs. 2 KWG, siehe Rz. 74 ff.). Die Versagungsgründe sind nicht nur im Erlaubniserteilungsverfahren von Bedeutung, sondern zugleich – als Anknüpfungspunkte für eine mögliche Aufhebung der Erlaubnis – auch i. R. der aufsichtsrechtlichen Eingriffsbefugnisse (siehe dazu § 13 Rz. 140 ff. [Glos]). 3.

Versagungsgründe

a)

Überblick

67 Die in § 33 Abs. 1 und 2 KWG geregelten Versagungsgründe sind ein Kernstück des aufsichtsrechtlichen Erlaubnisverfahrens,213) auf das sich ihre Bedeutung aber nicht beschränkt. Zu unterscheiden sind die in § 33 Abs. 1 KWG niedergelegten zwingenden Versagungsgründe, bei deren Vorliegen die Erlaubnis nicht erteilt werden darf, von den in Absatz 2 der Bestimmung formulierten nicht zwingenden Versagungsgründen, die in das Ermessen der Aufsichtsbehörde gestellt sind. Die in Absatz 1 formulierten, zwingenden quantitativen und qualitativen Anforderungen, die auf gemeinschafts- bzw. heute unionsrechtliche Vorgaben zurückgehen, sind nicht nur als Voraussetzung für die Erlaubniserteilung, sondern auch im laufenden Geschäftsbetrieb stets einzuhalten. Werden sie verfehlt, drohen aufsichtsrechtliche Sanktionen nach §§ 45 ff. KWG und kann als ultima ratio die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb nach § 35 Abs. 2 KWG entzogen werden (vgl. insbesondere § 32 Abs. 2 Nr. 3 KWG). ___________ 210) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 32 KWG Rz. 35; Beck/Samm/KokemoorMüller-Grune, KWG, § 32 Rz. 58, 58a; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 32 Rz. 73. 211) Zu diesem Zusammenhang richtig Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 32 Rz. 2; Beck/Samm/ Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 33 Rz. 6; vgl. auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 32 KWG Rz. 35. 212) Dazu bspw. Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 33 Rz. 2 ff. 213) Treffend Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 33 KWG Rz. 2.

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III. Erlaubnis, Anspruch auf Erlaubniserteilung, Versagungsgründe b)

Zwingende Versagungsgründe (§ 33 Abs. 1 KWG)

aa)

Betriebsbezogene Anforderungen

§3

Eine erste, quantitative Gruppe der in § 33 Abs. 1 KWG geregelten Versagungsgründe be- 68 trifft die Nichteinhaltung der Mindestanforderungen an die Anfangskapitalisierung der Institute. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG verweist insoweit auf die unionsrechtlichen Vorgaben nach Art. 26 Abs. 1 lit. a bis e CRR; in Satz 2 und 3 werden – hier nicht näher interessierende – Vorgaben für Anlageberater und Anlagevermittler geregelt. Die Regelungen zum Anfangskapital sind Bestandteil der allgemeinen aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Eigenmittelausstattung der Institute (siehe § 7 [Riepe/u. a.]). Ebenfalls betriebsbezogen ist das in § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KWG enthaltene qualitative 69 Erfordernis, die Bereitschaft und Fähigkeit zur Schaffung der „erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen zum ordnungsmäßigen Betrieb der Geschäfte“ nachzuweisen. Die Vorschrift konkretisiert nicht selbst organisatorische Anforderungen an den Geschäftsbetrieb, sondern setzt diese voraus; sie steht damit in engem sachlichen Zusammenhang zu den organisationsbezogenen Vorgaben nach § 25a KWG und nach der gemäß § 25a Abs. 4 KWG zu erlassenden Rechtsverordnung. Auch diese Vorgaben sind Gegenstand eines eigenen Abschnitts des vorliegenden Handbuchs und werden dort im Zusammenhang dargestellt (siehe § 11 [Benzler/Krieger]). Auch das Erfordernis einer Hauptverwaltung im Inland (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 KWG) 70 ist den betriebsbezogenen Anforderungen zuzurechnen. Die Vorschrift geht auf unionsrechtliche Anforderungen zurück (vgl. heute Art. 13 Abs. 2 lit. a CRD IV). Sie soll im Zusammenwirken mit anderen Bestimmungen eine effektive Aufsicht über grenzüberschreitend aktive Institute sicherstellen, indem die Gründung von Niederlassungen verhindert wird, die lediglich aus Gründen der Umgehung restriktiverer gesetzlicher Bestimmungen an einem anderen als dem Ort des Schwerpunkts der Tätigkeit angesiedelt werden.214) Für Tochterunternehmen ausländischer Kreditinstitute, die im Inland einen Erlaubnisantrag stellen, ist darüber hinaus nachzuweisen, dass die für die ausländische Mutter zuständige Aufsichtsbehörde keine Einwände gegen die Gründung erhoben hat (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 KWG).215) Auch diese Regelung hat ihren Hintergrund in internationalen Vorgaben und soll die Effektivität der Aufsicht in grenzüberschreitenden Sachverhalten sicherstellen.216) bb)

Vorgaben für Antragsteller, Inhaber und Geschäftsleiter

Personenbezogene Vorgaben für die Träger der Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb und die 71 Inhaber von Leitungs- und Aufsichtsfunktionen in den Instituten gehören zu den ältesten Bestandteilen des materiellen Aufsichtsrechts, sind aber in jüngerer Zeit v. a. in Reaktion auf die globale Finanzkrise und die in diesem Zusammenhang beobachteten (tatsächlichen oder nur vermeintlichen) Defizite in der internen Corporate Governance der Banken217) erheblich ausgeweitet worden. Bereits i. R. der Versagungsgründe des § 33 Abs. 1 KWG ___________ 214) Dazu und zum Hintergrund Schuster/Binder, WM 2004, 1665, 1667 f.; s. eingehend auch Beck/Samm/ Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 33 Rz. 79 ff. 215) Zu dieser Auslegung Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 33 KWG Rz. 24; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 33 Rz. 62. 216) Vgl. Begr. RegE zum 4. Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 126 unter Hinweis auf Grundsatz 3 der damaligen Fassung der Basler Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht. 217) Dazu stellvertretend m. w. N. Hopt in: Wymeersch/Hopt/Ferrarini, Financial Regulation and Supervision, S. 337; Hopt, JCLS 13 (2013), 219, 237 ff.; Mülbert, EBOR 10 (2009), 411, 433 f.; Mülbert/Citlau in: Birkmose/Neville/Sørensen, The European Financial Market in Transition, S. 275 ff.; zusammenfassend Binder, ZGR 2015, 667, 670, 697 f. mit Fn. 154.

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Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

werden insoweit zentrale Anforderungen vorgeprägt, die sicherstellen sollen, dass die geschäftsführenden Gesellschafter („Inhaber“),218) Geschäftsleiter i. S. des § 1 Abs. 2 KWG219) und Mitglieder von Aufsichtsorganen die erforderliche fachliche Qualifikation aufweisen und sie ebenso wie Inhaber bedeutender Beteiligungen „zuverlässig“ sind. Das Erfordernis einer hinreichenden fachlichen Eignung und Zuverlässigkeit der Inhaber und Geschäftsleiter geht im Kern zurück auf die Vorschrift des § 4 Abs. 1 lit. a KWG 1934.220) Es nimmt allgemeine gewerberechtliche Grundsätze auf (vgl. insbesondere § 35 GewO: Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit), konkretisiert diese bereichsspezifisch und bezieht sie in den Kreis der von der Finanzdienstleistungsaufsicht zu überwachenden materiellen Anforderungen ein.221) Die Inhaberkontrolle dagegen hat ihren Ursprung in der 4. KWG-Novelle von 1992 (siehe Rz. 12 f.) und soll verhindern, dass Gesellschafter ihren erheblichen Einfluss auf die Geschäftsleiter zu Einwirkungen nutzen könnten, die die finanzielle Stabilität und Funktionsfähigkeit des Instituts beeinträchtigen könnten.222) Regelungstechnisch sind beide Aspekte heute in recht komplexer Weise umgesetzt. Wie bei den betriebsbezogenen Anforderungen an die Eigenmittelausstattung (siehe Rz. 68) und die Organisation der Institute (siehe Rz. 69) handelt es sich bei den insoweit einschlägigen Versagungsgründen systematisch nur mehr um Bestimmungen, die ausdrücklich oder implizit auf andernorts geregelte materielle Vorgaben verweisen. Ergänzend hinzu tritt das sog. Vier-Augen-Prinzip (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KWG), wonach Kreditinstitute (und unter bestimmten, hier nicht weiter zu verfolgenden Voraussetzungen auch Finanzdienstleistungsinstitute) mindestens zwei – voll verantwortliche, tatsächlich Einfluss ausübende223) – Geschäftsleiter haben müssen, das in Reaktion auf den Herstatt-Zusammenbruch mit der 2. KWG-Novelle von 1976224) noch vor der nachfolgenden gemeinschaftsrechtlichen Regelung in das Gesetz aufgenommen wurde.225) 72 Die Anforderungen an die Zuverlässigkeit und fachliche Eignung der Inhaber oder Geschäftsleiter werden i. R. der Versagungsgründe in § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Nr. 4 KWG angesprochen. Detailliertere Anforderungen zur fachlichen Eignung formuliert heute § 25c KWG im Sachzusammenhang mit den aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Organisation der Kreditinstitute, die im vorliegenden Handbuch Gegenstand eines eige___________ 218) Zum Begriff stellvertretend Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 33 KWG Rz. 23. 219) Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KWG sind „Geschäftsleiter“ im aufsichtsrechtlichen Sinn grundsätzlich „diejenigen Personen, die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Führung der Geschäfte und zur Vertretung eines Instituts in der Rechtsform einer juristischen Person oder einer Personenhandelsgesellschaft berufen sind“ (sog. „geborene Geschäftsleiter“). Daneben oder anstelle der damit akzessorisch zu den jeweiligen gesellschaftsrechtlich bzw. anderweit organisationsrechtlich zu ermittelnden Geschäftsleiter kann die Aufsichtsbehörde nach § 1 Abs. 2 Satz 2 KWG in Ausnahmefällen, insb. bei vorübergehendem Fehlen hinreichend qualifizierter, geeigneter „geborener Geschäftsleiter“, selbst geeignete Personen zu Geschäftsleitern bestellen (sog. „gekorene Geschäftsleiter“). Vgl. zum Ganzen Reischauer/KleinhansBrogl, KWG, § 1 Rz. 275 ff. („geborene Geschäftsleiter“) bzw. Rz. 289 ff. („gekorene Geschäftsleiter“); Beck/Samm/Kokemoor-Demmelmair, KWG, § 1 Rz. 780 ff. bzw. Rz. 789 ff.; Boos/Fischer/Schulte-MattlerSchäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 209 ff. bzw. Rz. 215 ff.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 163 f. bzw. Rz. 165 f. 220) Im Wortlaut: „Die Erlaubnis darf nur versagt werden, […] wenn die Geschäftsleiter des Kreditinstituts oder die Leiter von Zweigstellen nicht ehrbar oder fachlich nicht genügend vorgebildet sind oder die für den Betrieb der Unternehmung oder des Betriebsteils, den sie zu leiten haben, sonst noch erforderlichen Eigenschaften und Erfahrungen nicht besitzen“. 221) Vgl. auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 33 KWG Rz. 25, 37. 222) Dazu und zur Regelungsgeschichte Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 33 KWG Rz. 63. 223) Dazu BVerwG, Urt. v. 1.12.1987 – 1 C 8/87, BVerwGE 78, 297, 300 = ZIP 1988, 493, 495. 224) Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen, v. 24.3.1976, BGBl. I 1976, 725. 225) Dazu stellvertretend Binder, ZGR 2015, 667, 677 m. w. N.

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III. Erlaubnis, Anspruch auf Erlaubniserteilung, Versagungsgründe

§3

nen Abschnitts sind, auf den hier verwiesen werden kann (siehe § 11 [Benzler/Krieger]). Entsprechendes gilt für die weiteren Anforderungen an Geschäftsleiter, die in § 25c Abs. 1 Satz 1 KWG formuliert werden, insbesondere das Erfordernis, dass die Geschäftsleiter über die „zur Wahrnehmung [ihrer] Aufgaben ausreichende Zeit“ verfügen und diese auch aufwenden müssen“, sowie die Höchstgrenzen für Leitungs- und Aufsichtsmandate nach § 25c Abs. 2 KWG, die i. R. der Versagungsgründe in § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4a bzw. 4b KWG in Bezug genommen werden. Das Zuverlässigkeitserfordernis für Inhaber wesentlicher Beteiligungen ist demgegen- 73 über systematisch verzahnt mit den (wiederum komplexen) Bestimmungen über die präventive Inhaberkontrolle bei bereits bestehenden Instituten nach §§ 2c sowie 44b KWG. Die damit angesprochenen materiellen Anforderungen, Aufsichtskompetenzen und Verfahrensregelungen sind Gegenstand eines eigenen Abschnitts des vorliegenden Handbuchs, auf das verwiesen wird (siehe § 4 [Steck]). c)

In das Ermessen der Aufsicht gestellte Versagungsgründe

aa)

Überblick

Die Versagungsgründe nach § 33 Abs. 2 KWG legen die Rechtsfolge der Versagung der 74 Aufsicht nicht zwingend fest, sondern stellen sie in das Ermessen der Aufsichtsbehörde. Die Handhabung im praktischen Einzelfall muss sich dabei, soweit deutsches Verwaltungsrecht anwendbar ist, nach allgemeinen Regeln (§ 40 VwVfG) am Zweck der Vorschrift orientieren und die allgemeinen Ermessensgrenzen beachten.226) Insbesondere für den in § 33 Abs. 2 Satz 1 KWG geregelten und in Satz 2 der Bestimmung konkretisierten Fall einer Gefahr der Beeinträchtigung der wirksamen Aufsicht (siehe sogleich Rz. 76 f.) wird dabei mit Blick auf den Schutzzweck der Absicherung einer effektiven Aufsicht regelmäßig anzunehmen sein, dass das Entschließungsermessen als solches auf Null reduziert ist, und wird es nur mehr darauf ankommen, ob die Gefahr im Wege der Erteilung der Erlaubnis unter Nebenbestimmungen (vgl. § 36 Abs. 2 VwVfG) abgewendet werden kann.227) Etwas anders gelagert ist die in § 33 Abs. 2 Satz 3 KWG geregelte Möglichkeit der Ableh- 75 nung des Erlaubnisantrags bei unvollständigen Angaben oder Unterlagen. Sie entspricht an sich der allgemeinen verwaltungsrechtlichen Beibringungsobliegenheit, wonach der Antragsteller die für die Durchführung des Verwaltungsverfahrens erforderlichen Angaben und Unterlagen ungeachtet des allgemeinen Untersuchungsgrundsatzes (§ 24 Abs. 1 VwVfG) beizubringen hat (vgl. § 26 Abs. 2 VwVfG).228) Schon zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes muss allerdings vor der Versagung der beantragten Erlaubnis dem Antragsteller regelmäßig Gelegenheit gegeben werden, den Antrag binnen einer angemessenen Frist zu vervollständigen,229) so dass die praktische Bedeutung des Versagungsgrundes beschränkt bleibt. bb)

Beeinträchtigung einer wirksamen Aufsicht (§ 33 Abs. 2 Satz 1 und 2 KWG)

Der Versagungsgrund der Gefahr einer Beeinträchtigung für eine wirksame Aufsicht, der 76 in § 33 Abs. 2 Satz 1 KWG zunächst abstrakt formuliert und dann in Satz 2 durch Regelbeispiele („insbesondere“) konkretisiert wird, wurzelt systematisch in der Inhaberkon___________ 226) Vgl. im hiesigen Zusammenhang näher Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 33 Rz. 93. 227) Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 33 Rz. 94; ebenso Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/ Müller, KWG/CRR-VO, § 33 KWG Rz. 71. 228) Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 33 Rz. 103. 229) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 33 KWG Rz. 77; Beck/Samm/ Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 33 Rz. 103; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 33 Rz. 77.

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Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

trolle und ist mit der 6. KWG-Novelle 1997 (siehe Rz. 12 f.) zu einem eigenständigen Tatbestand entwickelt worden.230) Die Regelungen sollen verhindern, dass Institute infolge von Vorgängen, die sich der Überwachung durch die Aufsichtsbehörde entziehen, in eine Schieflage geraten. Als nicht abschließende Regelbeispiele führt § 33 Abs. 2 Satz 2 KWG zunächst unübersichtliche Konzernstrukturen (Nr. 1) auf. Beeinträchtigungen für die Wirksamkeit der Aufsicht im Inland können sich hier etwa daraus ergeben, dass die (vielfach ausländischem Recht unterliegenden) Beteiligungs- und Einflussverhältnisse für die Inlandsaufsicht nicht hinreichend aufgeklärt werden können und deshalb u. U. bestandsgefährdende Risiken für das der Inlandsaufsicht unterliegende Institut nicht hinreichend erkannt zu werden drohen. Die bisherige Literatur fokussiert insoweit stark auf Gefährdungen231) infolge rechtlich zu missbilligender Einflussnahme. Dies entspricht durchaus dem historischen Hintergrund der Regelungen,232) ist aber im Wortlaut so nicht angelegt, weshalb sich entsprechende Gefährdungen richtigerweise auch schon dann bejahen lassen, wenn geschäftliche Verbindungen eines im Inland beaufsichtigten Instituts mit Konzernunternehmen im Ausland und die daraus resultierenden geschäftlichen Risiken nicht mit hinreichender Sicherheit aufgeklärt und nachvollzogen werden können. Beeinträchtigungen durch Aufsichtsvorschriften eines Drittstaates (Nr. 2) sowie die unzureichende Aufsicht über das in einem Drittstaat ansässige Mutterunternehmen durch die Behörden des Drittstaates bzw. unzureichende Kooperationsbereitschaft der zuständigen Behörden dieses Drittstaates (Nr. 3) sind weitere Regelbeispiele. 77 Von einer Beeinträchtigung der wirksamen Aufsicht wird man in einer Zusammenschau der Einzelbeispiele stets auszugehen haben, wenn der Zugang der inländischen Aufsichtsbehörde zu den für die Beurteilung der Geschäftsrisiken erforderlichen Informationen nicht oder nicht vollständig möglich oder durchsetzbar ist und die daraus resultierenden Schwierigkeiten nicht als unwesentlich zu vernachlässigen sind;233) nicht erforderlich ist eine konkrete Behinderung.234) Im Rahmen des Erlaubniserteilungsverfahrens kann auch hier Nebenbestimmungen, z. B. einem Widerrufsvorbehalt (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG), einer Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, vgl. auch § 32 Abs. 2 KWG) oder einer Bedingung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG), eine wichtige Rolle als verhältnismäßiger, vorrangig vor

___________ 230) Im Kern ist der Versagungsgrund aus der früheren Fassung des § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG als Unterfall der Inhaberkontrolle weiterentwickelt worden, vgl. dazu Begr. RegE 6. KWG-Novelle, BT-Drucks. 13/ 7142, S. 90, und zur ursprünglichen Fassung Begr. RegE 4. KWG-Novelle, BT-Drucks. 12/3377, S. 15. Die heutige Fassung entspricht im Wesentlichen der Neufassung durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz 2002 (Gesetz zur weiteren Förderung des Finanzplatzes Deutschland – Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, v. 21.6.2002, BGBl. I 2002, 2010); vgl. dazu die Begr. des RegE zum 4. Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/8017, S. 126, und zur nationalen Rechtsentwicklung im Überblick Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 33 Rz. 64. Die Regelungen gehen sachlich zurück auf die sog. BCCI-Folgerichtlinie (Richtlinie 95/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.6.1995, ABl. (EG) L 168/7 v. 18.7.1995), mit welcher das Gemeinschaftsrecht auf die Schwächen des bisherigen Rechtsrahmens reagiert hatte, die die Insolvenz der Bank of Credit and Commerce International zuvor hatte deutlich werden lassen (dazu Binder, Bankeninsolvenzen, S. 69, 84). 231) Vgl. dazu Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 33 KWG Rz. 73; Beck/ Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 33 Rz. 95; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 33 Rz. 72. 232) Zusammenbruch der Bank of Credit and Commerce International, die auch infolge der Verwicklung in Geldwäsche und weitere kriminelle Aktivitäten in die Krise geraten war; vgl. nochmals Binder, Bankeninsolvenzen, S. 69, 84 m. w. N. 233) Vgl. Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 33 Rz. 69; s. a. VG Berlin, Urt. v. 31.8.1998 – 25 A 87.94, juris (Einschränkung auf Fälle von „einigem Gewicht“ als Konsequenz des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes). 234) Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 33 Rz. 95.

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§3

IV. Erlaubnisverfahren

der Ablehnung des Erlaubnisantrags in Betracht zu ziehender aufsichtsbehördlicher Reaktion zukommen.235) IV.

Erlaubnisverfahren

1.

Überblick

Das Erlaubnisverfahren ist im Kreditwesengesetz selbst nur rudimentär geregelt; die ein- 78 schlägigen Bestimmungen beschränken sich auf Einzelaspekte des Verfahrens, das sich im Übrigen nach allgemeinen Regeln, traditionell also nach VwVfG und VwGO, richtet.236) Für CRR-Kreditinstitute i. S. des § 1 Abs. 3d KWG, also diejenigen Institute, die das Einlagen- und das Kreditgeschäft betreiben wollen (siehe Rz. 12 f.), ist diese Kombination aus allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht inzwischen insofern aufgebrochen worden, als die Kompetenz zur Erteilung der Erlaubnis für sie nunmehr bei der EZB als Aufsichtsbehörde im SSM liegt (Artt. 4 Abs. 1 lit. a und 14 SSM-VO i. V. m. Artt. 73 ff. SSM-RahmenVO). An die Stelle des früheren einstufigen Verfahrens mit der BaFin als zur Prüfung und Entscheidung berufener Behörde tritt nunmehr ein zweistufiges Verfahren, in dessen Rahmen die BaFin den Erlaubnisantrag prüft, aber nur im Ablehnungsfall selbst entscheidet und ansonsten der EZB einen Beschlussentwurf für die Erteilung der Erlaubnis zuleitet. Entsprechend dem Grundsatz der Anwendung nationalen Aufsichtsrechts durch die EZB im Erlaubniserteilungsverfahren (vgl. Art. 14 Abs. 1 und 2 SSMVO) stellt § 32 Abs. 7 KWG insoweit klar, dass die den Erlaubnisantrag betreffenden Regelungen in § 32 Abs. 1, 2 Satz 1 und 3 KWG in diesen Fällen entsprechende Anwendung finden. Nur für Institute, die nicht das Einlagen- oder das Kreditgeschäft betreiben wollen, (und mithin außerhalb des inhaltlichen Schwerpunkts des vorliegenden Handbuchs) bleibt es bei der umfassenden originären, allein durch § 32 KWG und das deutsche allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht geregelten Entscheidungsbefugnis der BaFin. Die zweistufige Verfahrensgestaltung im Übrigen führt auch zu Konsequenzen beim Rechtsschutz gegen Aufsichtsentscheidungen (siehe dazu § 2 Rz. 233 ff. [Glos/Benzing]). 2.

Einzelheiten

a)

Antrag

Das Verfahren beginnt mit dem Antrag, dessen Inhalt in § 32 Abs. 1 Satz 2 KWG im Ein- 79 zelnen vorgegeben wird. Der Antrag selbst ist schriftlich, aber im Übrigen formlos zu stellen;237) sein Inhalt – die erforderlichen Angaben und Unterlagen – wird über den Wortlaut des § 32 Abs. 1 Satz 2 KWG hinaus durch § 14 AnzV weiter konkretisiert.238) Technische Regulierungsstandards sowie Technische Durchführungsstandards zum Antragsinhalt und zur formalen Ausgestaltung der Antragsunterlagen, die nach Art. 8 Abs. 2 i. V. m. Art. 10 bzw. nach Art. 8 Abs. 3, 4 CRD IV von der EBA ausgearbeitet werden sollen, liegen bislang noch nicht vor. Eine praktische Handreichung bieten bislang die von der Deutschen Bundesbank (Bundesbank) herausgegebenen Merkblätter zum Erlaubnisverfahren für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, die allerdings nach Inkrafttreten

___________ 235) Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 33 Rz. 97; s. a. Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 32 Rz. 76 ff. 236) Vgl. zur Verfahrensgestaltung nach früherem Recht näher Zerwas/Hanten, BB 1998, 2481 ff. 237) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 32 KWG Rz. 42; Beck/Samm/ Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 64. 238) S. dazu und zum Folgenden auch BaFin, Merkblatt, Checkliste – Zulassung als Kreditinstitut v. 11/2017.

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§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

des SSM für das zweistufige Erlaubniserteilungsverfahren für CRR-Kreditinstitute nicht neu gefasst worden sind.239) 80 Die erforderlichen Angaben dienen dazu, die Einhaltung der materiellen Anforderungen an die Erlaubniserteilung nachzuweisen und mithin das Vorliegen von Versagungsgründen (siehe dazu Rz. 67 ff.) auszuschließen. Von besonders großer Bedeutung ist insoweit der von § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG geforderte Geschäftsplan, aus dem sich gemäß § 14 Abs. 7 AnzV die Art der geplanten Geschäfte, der Organisationsaufbau und das interne Kontrollverfahren des Instituts mit Detailprojektionen für die künftige Geschäftsorganisation und Geschäftsentwicklung ergeben müssen.240) Die Unterlagen sind in dreifacher Ausfertigung einzureichen (§ 14 Abs. 1 AnZV241)). b)

Aufsichtliche Prüfung und Entscheidungsvorbereitung

81 Das Erlaubniserteilungsverfahren richtet sich einerseits nach § 32 KWG i. V. m. den Regeln des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts, andererseits nach Art. 14 Abs. 1 SSMVO i. V. m. Artt. 73 ff. SSM-RahmenVO. Auch für CRR-Kreditinstitute ist dabei der Antrag nicht gegenüber der EZB, sondern gegenüber der BaFin zu stellen (Art. 14 Abs. 1 SSM-VO). Gemäß Art. 73 Abs. 1 SSM-RahmenVO hat die BaFin die Antragstellung innerhalb von 15 Arbeitstagen an die EZB zu melden und sodann den eingereichten Antrag nach Art. 74 SSM-RahmenVO (i. V. m. der klarstellenden Regelung des § 32 Abs. 7 KWG) am Maßstab des nationalen Rechts zu prüfen. Nach § 32 Abs. 5 KWG steht dafür eine Frist von fünf Monaten ab Antragstellung und Einreichung der vollständigen Antragsunterlagen zur Verfügung. Im Rahmen des Erlaubnisverfahrens ist nach § 32 Abs. 3 KWG die für das jeweilige Institut nach §§ 22, 24 EinSiG242) bzw. § 43 EinSiG in Betracht kommende Sicherungseinrichtung zu hören, damit in den Entscheidungsprozess auch Erkenntnisse aus der Überprüfung durch diese (vgl. §§ 35, 36 Abs. 3 EinSiG) einfließen können.243) Schon im Erlaubniserteilungsverfahren besteht ein Prüfungsrecht der BaFin, die dazu auch Dritte beauftragen kann, nach Maßgabe des § 44 Abs. 1 Satz 2 KWG. c)

Entscheidung über den Antrag

82 Liegen Versagungsgründe vor, denen nicht durch Nebenbestimmungen abgeholfen werden kann (siehe oben Rz. 76 f.), lehnt die BaFin selbst (nicht die EZB, die nach Art. 75 SSM-RahmenVO lediglich zu unterrichten ist) den Antrag ab (Art. 74 Abs. 2 Satz 2 SSMRahmenVO). Ist dies nicht der Fall, erstellt sie einen Beschlussentwurf, mit dem der EZB die Erlaubniserteilung vorgeschlagen wird (Art. 74 Abs. 2 Satz 1 SSM-RahmenVO), dessen Inhalt sich gemäß § 32 Abs. 7 KWG an den Vorgaben aus Abs. 1 Satz 2 der Bestimmung zu orientieren hat. Nach dessen Eingang hat die EZB den Beschlussvorschlag innerhalb einer Regelfrist von zehn Arbeitstagen (einmalig verlängerbar um maximal wei___________ 239) Bundesbank, Merkblatt über die Erteilung einer Erlaubnis zum Erbringen von Finanzdienstleistungen gemäß § 32 Abs. 1 KWG, v. 6.7.2018; vgl. noch Bundesbank, Merkblatt über die Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften gemäß § 32 Abs. 1 KWG, v. 9.6.2008, Stand: 3.9.2012, abgedr. in Consbruch/Fischer, KWG, B. 64.26. 240) Zu Einzelheiten insoweit vgl. den Wortlaut von § 14 AnzV und ergänzend Boos/Fischer/SchulteMattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 32 KWG Rz. 48; Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 64 ff.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 32 Rz. 37 ff. 241) Verordnung über die Anzeigen und die Vorlage von Unterlagen nach dem Kreditwesengesetz – Anzeigenverordnung (AnzV), v. 19.12.2006, BGBl. I 2006, 3245. 242) Einlagensicherungsgesetz v. 28.5.2015, BGBl. I 2015, 786. 243) Vgl. Begr. RegE zu § 9 Abs. 1 Satz 2 EAEG a. F., BT-Drucks. 13/10188, S. 26; s. dazu auch Schwennicke/ Auerbach-Schwennicke, KWG, § 32 Rz. 71; ferner Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 96.

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V. Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Passporting

§3

tere zehn Tage) am Maßstab des einschlägigen Unionsrechts zu prüfen (Art. 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 SSM-VO); widerspricht die EZB dem Beschlussvorschlag innerhalb dieser Frist nicht, gilt er nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 SSM-VO als angenommen. Die Erlaubnis für Institute, die nicht CRR-Institute sind,244) kann nach § 32 Abs. 2 Satz 2 KWG gegenständlich beschränkt auf einzelne Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen erteilt werden, was in der Regel darauf zurückzuführen sein wird, dass nur eine eingeschränkte Erlaubnis beantragt wurde.245) d)

Verfahren nach der Entscheidung

Die Erlaubniserteilung wird dem Antragsteller durch die BaFin bekannt gegeben (Art. 14 83 Abs. 4 SSM-VO), dem außerdem die Sicherungseinrichtung mitzuteilen ist, der das Institut zugeordnet wird (§ 32 Abs. 3a KWG; siehe dazu näher § 19 Rz. 22 ff. [Biermann/ Lütgerath]). Die Erteilung ist zudem von der BaFin im Bundesanzeiger bekannt zu machen (§ 32 Abs. 4 KWG) und in dem nach § 32 Abs. 5 KWG im Internet zu führenden Institutsregister zu veröffentlichen.246) V.

Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Passporting

1.

Grundlagen

Die Erlaubniserteilung ist systematisch eingebettet in das unionsrechtlich harmonisierte 84 Regime zur Festlegung der internationalen Zuständigkeit der Herkunftslandbehörden (Herkunftslandkontrolle) und der grenzüberschreitenden Anerkennung der im Herkunftsland eines Instituts erteilten Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb als „Europäischer Pass“. Innerhalb dieses Systems können in einem EU- bzw. EWR-Mitgliedstaat zugelassene Institute die von der Erlaubnis gedeckten Geschäftstätigkeiten durch Zweigniederlassungen oder im Wege einer grenzüberschreitenden Bank-Kunden-Beziehung ohne physische Niederlassung im Zielland ohne weitere Zulassungspflichten in allen EU- und EWR-Mitgliedstaaten erbringen. Beide Elemente sind seit dem Richtlinienpaket um die 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie zentrale Grundprinzipien des Europäischen Bankund Finanzdienstleistungsaufsichtsrechts und dienen der Umsetzung der Niederlassungsund der Dienstleistungsfreiheit für Kreditinstitute.247) Die Ausübung der Niederlassungsbzw. Dienstleistungsfreiheit (Artt. 49 ff. AEUV bzw. Artt. 56 ff. AEUV) in Ausnutzung der damit geschaffenen Möglichkeiten (Passporting) unterliegt sowohl im Hinblick auf die Rechtsposition der Institute als auch im Hinblick auf die Kooperation der Aufsichtsbehörden detaillierten Vorgaben des europäischen Sekundärrechts. Die einschlägigen Bestimmungen des Unions-Bankaufsichtsrechts sind Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes; strukturell entsprechende Regelungen finden sich insbesondere für Versicherungsun___________ 244) Die Unanwendbarkeit dieser Regelung auf CRR-Institute ergibt sich aus der fehlenden Inbezugnahme in § 32 Abs. 7 Satz 1 KWG; s. Beck/Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 94a. 245) Näher dazu Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 32 KWG Rz. 80 f.; Beck/ Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 64 ff.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 32 Rz. 82. 246) Näher dazu Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 32 KWG Rz. 88; Beck/ Samm/Kokemoor-Müller-Grune, KWG, § 32 Rz. 99 ff.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 32 Rz. 87. 247) Näher dazu z. B. Blömer, Grenzüberschreitende Sachverhalte, S. 38 ff.; Hirte/Heinrich in: Derleder/ Knops/Bamberger, Hdb. dt. und europ. BankR, § 73 Rz. 13 ff.; Kolassa in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 135 Rz. 11 ff.; eingehend Binder, ZEuP 2017, 569, 576 ff.; vgl. dazu und zum Folgenden auch Theissen, EU Banking Supervision, S. 197 ff., sowie den Überblick über die Rechtsgrundlagen bei Wagner in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 265 ff.

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§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

ternehmen,248) Wertpapierfirmen,249) Investmentunternehmen250) und Zahlungsdienstleister.251) 85 In terminologischer Hinsicht ist zu beachten, dass die Vorgaben des europäischen Unionsrechts im KWG insoweit abweichend umgesetzt worden sind, als das deutsche Recht in den maßgeblichen Bestimmungen zur Abgrenzung gegenüber sonstigen Zweigstellen252) durchweg den – nicht selbständig legaldefinierten – Begriff der „Zweigniederlassung“ verwendet, während der deutschsprachige Wortlaut des Unions-Bankenaufsichtsrecht stattdessen auf die Kategorie der „Zweigstelle“ abstellt (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 17 CRR: „Betriebsstelle, die einen rechtlich unselbständigen Teil eines Instituts bildet und sämtliche Geschäfte oder einen Teil der Geschäfte, die mit der Tätigkeit eines Instituts verbunden sind, unmittelbar betreibt“).253) Für den Begriff der „Zweigniederlassung“ im deutschen Recht wird vielfach eine Auslegung in Anlehnung an den Begriff der Zweigniederlassung nach § 13 HGB bzw. an den Begriff der „Betriebsstätte“ in § 12 AO vertreten. Danach erfordert das Vorliegen einer Zweigniederlassung x

die Zusammenfassung von räumlichen und personellen Mitteln in einer ortsfesten Einrichtung von einer gewissen Dauer,

x

die räumliche Trennung von der Hauptniederlassung und

x

die rechtliche Unselbständigkeit vom Hauptunternehmen.254)

86 Sachlich geht es stets um das Gleiche; schon mit Blick auf den unionsrechtlichen Hintergrund ist jedenfalls keine von den sekundärrechtlichen Vorgaben abweichende Auslegung vertretbar. 87 Für Besonderheiten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten innerhalb der EU und des EWR im bankaufsichtsrechtlichen Erlaubnisverfahren finden sich wesentliche Vorgaben zunächst in den Artt. 8 ff. CRD IV (allgemeine Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren), insbesondere Art. 16 CRD IV (Konsultation von Behörden in anderen Mitgliedstaaten), wo die grenzüberschreitende Abstimmung im Erlaubnisverfahren über die Erstzulassung eines Kreditinstituts geregelt ist. Das Passporting richtet sich nach den Bestimmungen in Titel V der CRD IV. Dieser gliedert sich nach einem allgemeinen Teil (Kap. 1 Artt. 33 und 34 CRD IV) in Einzelkapitel zur Ausübung der Niederlassungsfreiheit (Kap. 2 Artt. 35 – 38 CRD IV; siehe zur Umsetzung in Deutschland unten ___________ 248) Vgl. Richtlinie 2009/138/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2009 – Solvabilität II, ABl. (EU) L 335/1 v. 17.12.2009, Kap. VIII. 249) Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID II), ABl. (EU) L 173/349 v. 12.6.2014, Art. 35. 250) S. einerseits Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.7.2009 – OGAW, ABl. (EU) L 302/22 v. 17.11.2009, Kap. III, Abschn. 4, andererseits (für den grenzüberschreitenden Vertrieb von Fondsanteilen) Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 8.6.2011 – AIFM-RL, ABl. (EU) L 174/1 v. 1.7.2011, Kap. VI. 251) Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.11.2007, ABl. (EU) L 319/1 v. 5.12.2007, Art. 10 Abs. 9. 252) Vgl. Begr. RegE 6. KWG-Novelle, BT-Drucks. 13/7142, S. 87. 253) S. dagegen aber Art. 4 Abs. 1 Nr. 30 MiFID II – Definition des für die MiFID II verwendeten Begriffs der „Zweigniederlassung“ als „eine Betriebsstelle, die nicht die Hauptverwaltung ist, die einen rechtlich unselbstständigen Teil einer Wertpapierfirma bildet und Wertpapierdienstleistungen, gegebenenfalls auch Nebendienstleistungen, erbringt und/oder Anlagetätigkeiten ausübt, für die der Wertpapierfirma eine Zulassung erteilt wurde; alle Geschäftsstellen einer Wertpapierfirma mit Hauptverwaltung in einem anderen Mitgliedstaat, die sich in ein und demselben Mitgliedstaat befinden, gelten als eine einzige Zweigniederlassung“. 254) Z. B. Schwennicke/Auerbach-Brocker, KWG, § 53b Rz. 14, 18 ff.; zum Ganzen eingehend auch Blömer, Grenzüberschreitende Sachverhalte, S. 97 ff.

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V. Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Passporting

§3

Rz. 90 ff.) sowie zur Ausübung der Dienstleistungsfreiheit (Kap. 3 Artt. 39 – 46 CRD IV; zur Umsetzung in Deutschland unten Rz. 102 ff.). Finanzintermediäre aus (Nicht-EU/EWR-)Drittstaaten benötigen für die Aufnahme und 88 Ausübung einer regulierten Tätigkeit im Inland dagegen grundsätzlich eine Erlaubnis. Deren Voraussetzungen richten sich für Deutschland nach den allgemeinen Regeln, die allerdings im Interesse der Absicherung der Eigenständigkeit der jeweiligen Zweigniederlassung und der effektiven Aufsicht durch die Inlandsbehörden einigen Sonderregeln unterworfen werden (§ 53 KWG, siehe dazu unten Rz. 105 ff.). Für im Inland zugelassene Tochtergesellschaften einer ausländischen Mutter ist die Gruppenzugehörigkeit dabei i. R. der allgemeinen Inhaberkontrolle von Bedeutung (siehe oben Rz. 73 sowie § 4 Rz. 108 [Steck]); überdies gelten in derartigen Fällen Besonderheiten bei der Festlegung des Konsolidierungskreises (siehe § 5 Rz. 95 ff., 108 f. [Nemeczek/Pitz]).255) Ausnahmsweise können Zweigniederlassungen von Instituten mit Sitz in Drittstaaten 89 Zweigniederlassungen von EU/EWR-Instituten gleichgestellt werden und damit im Inland allein auf der Basis der im jeweiligen Herkunftsland erteilten Erlaubnis die dort zugelassenen Geschäftstätigkeiten erbringen. Unionsrechtlich ist dies nur rudimentär, nämlich in Gestalt eines Verbots geregelt, die betreffenden Zweigniederlassungen günstiger zu stellen als die Zweigniederlassungen von EU/EWR-Mitgliedstaaten, die den Europäischen Pass nutzen (Art. 47 Abs. 1 CRD IV); hinzu kommen Meldepflichten gegenüber der EBA (Art. 47 Abs. 2 CRD IV). Im deutschen Recht ist diese Möglichkeit in § 53c KWG eröffnet worden, der letztlich auf dem internationalen Reziprozitätsprinzip beruht und dann genutzt wird, wenn in dem jeweiligen Drittland ein Marktzutritt für inländische Finanzintermediäre unter vergleichbaren Bedingungen ermöglicht wird.256) Nicht zum Betrieb von Bankgeschäften bzw. zur Erbringung von Finanzdienstleistungen i. S. des § 1 Abs. 1 bzw. Abs. 1a KWG berechtigt demgegenüber die Eröffnung einer bloßen Repräsentanz im Inland (vgl. § 53a KWG, siehe Rz. 107). 2.

Inlandszuständigkeit bei Erbringung aufsichtspflichtiger Tätigkeiten im EU/ EWR-Ausland und Zweigniederlassungen von Instituten aus EU/EWR-Staaten

a)

Überblick

Zweigniederlassungen von CRR-Instituten und Wertpapierunternehmen (zur Begrifflich- 90 keit siehe Rz. 3 ff.) aus EU/EWR-Mitgliedstaaten, die auf der Grundlage der im jeweiligen Herkunftsland erteilten Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb auch im Inland die von der Erlaubnis erfassten Geschäfte erbringen und damit die Niederlassungsfreiheit ausüben wollen, unterliegen insoweit besonderen Anforderungen, deren Einhaltung auch in Deutschland als Aufnahmemitgliedstaat in begrenztem Umfang durch die Aufsicht überwacht wird. Die einschlägigen Rechtsgrundlagen finden sich in § 24a KWG und § 53b KWG, welche die insoweit relevanten Vorgaben aus Artt. 33 ff. CRD IV (und Artt. 34 f. MiFID II) umsetzen.257) Die Regelungen gehen im Kern zurück auf die 4. KWG-Novelle von 1992, die die seinerzeit geltenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben umgesetzt hatte.258) Die Voraussetzungen für den Marktzutritt durch Zweigniederlassungen EU/EWR-ausländischer Institute sind allerdings nachfolgend durch Ausweitung der Kompetenzen der zuständi___________ 255) Dazu und zum Folgenden mit Vergleich zu den Rahmenbedingungen für den inländischen Marktzutritt von Finanzintermediären in anderen Teilsektoren auch Loff/Lembke, RdF 2016, 101 ff., insb. 106. 256) Vgl. dazu auch Blömer, Grenzüberschreitende Sachverhalte, S. 44, 189 f. 257) Zur systematischen Einbettung etwa Schwennicke/Auerbach-Brocker, KWG, § 53b Rz. 6 f.; Boos/ Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53b KWG Rz. 2 ff. 258) Vgl. dazu i. E. Begr. RegE 4. KWG-Novelle, BT-Drucks. 12/3377, S. 23 f. (allgemeiner Teil), S. 38 (zu § 24a KWG-E) sowie S. 42 ff. (zu § 53b ff. KWG-E).

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Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

gen Behörden des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaats erheblich verschärft worden.259) Für Fälle, bei denen das Herkunftsland der Währungsunion und damit dem Einheitlichen Abwicklungsmechanismus angehört, werden die genannten Bestimmungen des deutschen Umsetzungsrechts durch Art. 4 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 SSM-VO i. V. m. Artt. 11 – 16 SSM-RahmenVO überlagert, welche das bei der Errichtung von Zweigniederlassungen innerhalb der Bankenunion zu beachtende Verfahren und die Kompetenzen von EZB und nationalen Aufsichtsbehörden insoweit regeln. Im Übrigen bleibt es allerdings bei der Anwendbarkeit des nationalen Umsetzungsrechts, das insbesondere regelt, welche materiellen Anforderungen die jeweilige Zweigniederlassung zu erfüllen hat und welche Kompetenzen insoweit den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats zustehen. 91 Ein Herzstück des unionsrechtlichen Rahmens für die Ausübung der Niederlassungsfreiheit ist das Notifikationsverfahren, das die Information der Behörden sowohl des jeweiligen Herkunfts- als auch des Aufnahmemitgliedstaats und damit die Kooperation derselben bei der Überwachung der Geschäftstätigkeit sicherstellen soll. Dabei ist hinsichtlich der Rechtsgrundlagen zwischen der Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch inländische Unternehmen im EU/EWR-Ausland einerseits (siehe Rz. 92 ff.) und durch EU/EWRausländische Unternehmen andererseits (siehe Rz. 96) zu unterscheiden. b)

Errichtung von Zweigstellen durch im Inland zugelassener Unternehmen im EU/EWR-Ausland

92 Handelt es sich um ein im Inland zugelassenes Unternehmen, das im EU/EWR-Ausland eine Zweigniederlassung betreiben möchte, muss es dies gegenüber der BaFin und der Bundesbank anzeigen (§ 24a Abs. 1 Satz 1 KWG). Für den Inhalt der Notifizierung ist unionsrechtlich ein verpflichtend zu nutzendes Formular vorgesehen (Art. 4 i. V. m. Annex I der einschlägigen DVO (EU) Nr. 926/2014 zur CRD IV).260) Bei „bedeutenden“ Instituten, die der direkten Aufsicht durch die EZB unterliegen (vgl. Art. 6 Abs. 3 SSMVO), besteht die Anzeigepflicht an sich unmittelbar gegenüber der EZB als insoweit zuständiger Behörde (vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. b SSM-VO). Doch Art. 11 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Satz 3 SSM-RahmenVO legt fest, dass auch insoweit die zuständige nationale Behörde als Adressatin fungiert, dann aber die Anzeige an die EZB weiterzuleiten hat. § 24a Abs. 4a Satz 1 KWG stellt klar, dass auch in diesen Fällen stets (auch) gegenüber der BaFin anzuzeigen ist. Die zuständige (Inlands-)Behörde hat sonach aufgrund der nach § 24a Abs. 1 Satz 2 KWG vorzulegenden Unterlagen,261) insbesondere aufgrund des Organisationsplans (§ 24a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG), sowie auf der Grundlage der nach § 26 KWG einzureichenden testierten Jahresabschlüsse262) zu prüfen, ob „Zweifel“ an der Angemessenheit der geplanten Organisationsstruktur und der „Finanzlage“ bestehen. Dies entspricht den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 35 Abs. 3 Unterabs. 1 CRD IV sowie in Artt. 5 ff. DVO (EU) Nr. 926/2014; eine weitere Konkretisierung ergibt sich aus den in der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1151/2014 niedergelegten Technischen Regulierungsstan-

___________ 259) Im Überblick Schwennicke/Auerbach-Brocker, KWG, § 53b Rz. 2; s. a. Boos/Fischer/Schulte-MattlerVahldiek, KWG/CRR-VO, § 53b KWG Rz. 4 und 7. 260) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 926/2014 der Kommission v. 27.8.2014, ABl. (EU) L 254/2 v. 28.8.2014; s. dazu eingehend Schwennicke/Auerbach-Brocker, KWG, § 53b Rz. 27 ff.; Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53b KWG Rz. 77. 261) Zu Umfang und Einzelheiten der vorzulegenden Unterlagen näher Boos/Fischer/Schulte-MattlerBraun, KWG/CRR-VO, § 24a KWG Rz. 22 ff.; Schwennicke/Auerbach-Brocker, KWG, § 53b Rz. 12. 262) Dazu Schwennicke/Auerbach-Brocker, KWG, § 53b Rz. 15.

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V. Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Passporting

§3

dards für die bei der Ausübung der Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit zu übermittelnden Angaben.263) Welche Gesichtspunkte derartige „Zweifel“ begründen können, wird im deutschen Um- 93 setzungsrecht ebenso wenig geklärt wie im einschlägigen Sekundärrecht. Aus Sinn und Zweck der Regelungen, auch bei grenzüberschreitender Tätigkeit des betreffenden Unternehmens die Einhaltung der Anforderungen des materiellen Aufsichtsrechts an dessen Betrieb insgesamt sicherzustellen, ergibt sich jedoch zwingend, dass insoweit die allgemeinen Anforderungen an die Organisation der Institute sowie an die Eigenmittel- und Liquiditätsausstattung heranzuziehen sind. Rechtsfolge des Bestehens von „Zweifeln“ im vorbezeichneten Sinne ist, dass die zustän- 94 dige Inlandsbehörde die Übermittlung der vorzulegenden Unterlagen an die Behörden des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaats ablehnen können (vgl. § 24a Abs. 2 Satz 3 KWG), ohne deren Befassung die Zweigniederlassung nicht ihre geplante Tätigkeit aufnehmen darf.264) Im jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat greift dann das unionsrechtlich weiter vorgesehene Prüfungsprogramm ein, das nachfolgend (siehe Rz. 96) für das deutsche Recht im Zusammenhang mit dem Marktzutritt von Zweigniederlassungen EU/EWR-ausländischer Unternehmen dargestellt wird. Änderungen der nach § 24 Abs. 1 Satz 2 KWG anzuzeigenden Informationen sind den 95 zuständigen Inlandsbehörden in gleicher Weise anzuzeigen und sodann den zuständigen Behörden des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaats weiterzuleiten (Einzelheiten: § 24a Abs. 4 KWG, Art. 11 Abs. 5 SSM-RahmenVO, Artt. 8 ff. DVO (EU) Nr. 926/2014).265) Die Anzeigepflichten nach § 24a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz KWG sind ordnungswidrigkeitsrechtlich sanktioniert (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 lit. k KWG). c)

Marktzutritt durch Zweigstellen EU/EWR-ausländischer Unternehmen im Inland

Für den Marktzutritt in Gestalt von Zweigniederlassungen EU/EWR-ausländischer Un- 96 ternehmen im Inland gilt das soeben skizzierte Verfahren spiegelbildlich. Hier sind die sekundärrechtlich vorgesehenen Anzeigepflichten gegenüber den Behörden zunächst im jeweiligen EU/EWR-Herkunftsland zu erfüllen. Diese trifft sodann die Pflicht, die im Inland zuständigen Behörden – BaFin bzw. EZB – zu benachrichtigen und die erforderlichen Informationen an sie weiterzuleiten. Die BaFin bzw. (für Zweigniederlassungen bedeutender Institute aus Mitgliedstaaten der Bankenunion) die EZB prüfen die Unterlagen und haben das betreffende Institut innerhalb einer Frist von zwei Monaten auf die für die Zweigniederlassung geltenden Anzeigepflichten sowie die aus Gründen des Allgemeininteresses für die Tätigkeit zu beachtenden Bedingungen hinzuweisen (§ 53b Abs. 2 Satz 1 KWG, ggf. i. V. m. Art. 11 Abs. 1 SSM-RahmenVO; vgl. auch Art. 7 Abs. 1 DVO (EU) Nr. 926/2014).266) Mit dem Notifikationsprozess verbunden ist die Vorbereitung der Inlandsbehörden auf 97 die Übernahme der Aufsicht über die zu errichtende Zweigstelle in dem durch das Unionsrecht gesetzten Umfang. Bei Zweigstellen von CRR-Kreditinstituten mit Sitz inner___________ 263) Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1151/2014 der Kommission v. 4.6.2014, ABl. (EU) L 309/1 v. 30.10.2014. 264) Dazu Schwennicke/Auerbach-Brocker, KWG, § 53b Rz. 18. 265) S. dazu näher Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 24a KWG Rz. 61 ff.; Schwennicke/ Auerbach-Brocker, KWG, § 53b Rz. 30. 266) Dazu näher Schwennicke/Auerbach-Brocker, KWG, § 53b Rz. 27 ff.; Boos/Fischer/Schulte-MattlerVahldiek, KWG/CRR-VO, § 53b KWG Rz. 74 ff.

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Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

halb der Bankenunion gilt insoweit eine Frist von jeweils zwei Monaten, innerhalb derer eine Äußerung sowohl der BaFin als auch der EZB abgewartet werden muss (Art. 11 Abs. 3 und 4 SSM-RahmenVO). Bei Zweigstellen von CRR-Kreditinstituten mit Sitz in einem nicht am SSM teilnehmenden Mitgliedstaat teilt die BaFin der EZB die für die Tätigkeit im Interesse des Allgemeinwohls geltenden Bedingungen mit. Bei bedeutenden Zweigniederlassungen bereitet sich sodann die EZB selbst auf die Überwachung vor; bei nicht bedeutenden Zweigniederlassungen bleibt es bei der Zuständigkeit der BaFin (vgl. Art. 13 Abs. 2 und 3 SSM-RahmenVO).267) 98 Werden die damit umrissenen Einzelheiten des Notifikationsverfahrens nicht beachtet, besteht die Rechtsfolge nicht darin, dass der dennoch aufgenommene Betrieb der Zweigstelle im Inland als rechtswidrig und verboten zu qualifizieren wäre. Damit greifen auch die sonstigen Rechtsfolgen der unerlaubten Erbringung von Bankgeschäften (siehe dazu Rz. 108 f.) nicht ein. Vielmehr deckt die im jeweiligen Herkunftsland erteilte Erlaubnis die Geschäftstätigkeit im Inland auch in diesen Fällen (arg. § 53b Abs. 1 Satz 1 und 2 KWG). Innerhalb des SSM kann die EZB ggf. Sanktionen gegen die jeweiligen nationalen Behörden verhängen;268) im Übrigen ist die Durchsetzung Sache der jeweiligen Herkunftslandbehörden. 99 In materiell-rechtlicher Hinsicht unterliegen zulässigerweise errichtete und betriebene Zweigniederlassungen von Instituten in beschränktem Umfang den Anforderungen des im Inland geltenden materiellen Bankaufsichtsrechts und insofern der Aufsicht durch die Inlandsbehörden. Ein Katalog der anwendbaren Vorschriften ist in § 53b Abs. 3 Satz 1 und 3 KWG geregelt; die dort erfassten Vorschriften sind nach dem Wortlaut der Vorschrift auf die jeweilige Zweigniederlassung mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass diese als ein Kreditinstitut269) gelten. Dabei handelt es sich – entgegen dem insoweit ungenauen Gesetzeswortlaut (vgl. insbesondere § 53b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2a KWG) – nicht durchweg um solche Bestimmungen, die aus Gründen des Allgemeininteresses bei der Ausübung der Niederlassungsfreiheit im jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat zur Geltung gebracht werden dürfen. Erfasst sind vielmehr auch solche Vorgaben, die bereits unmittelbar aufgrund unionsrechtlicher Regelung auch auf Zweigniederlassungen EU/EWRausländischer Institute anzuwenden sind.270) Dies hat v. a. insoweit Auswirkungen, als an die Anwendung nationaler Vorschriften des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaats zum Schutz des Allgemeininteresses sub specie der Niederlassungsfreiheit strenge Maßstäbe zu setzen sind, die in der Rechtsprechung des EuGH i. S. einer umfassenden Verhältnismäßigkeitsprüfung konkretisiert worden sind.271) Handelt es sich dagegen um Vorschriften, die bereits kraft ausdrücklicher Anordnung im Sekundärrecht Geltung beanspruchen, sind diese Schranken nicht anwendbar.

___________ 267) Eingehend zu den Einzelheiten Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53b KWG Rz. 86 ff. 268) Dazu und zu möglichen Sanktionen der EZB gegenüber den zuständigen nationalen Behörden näher Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53b KWG Rz. 107 ff. 269) Der zusätzliche Verweis auf „Finanzdienstleistungsunternehmen“ bezieht sich, was im hiesigen Zusammenhang nicht von Belang und nicht weiterzuverfolgen ist, tatsächlich auf Wertpapierhandelsunternehmen; vgl. Schwennicke/Auerbach-Brocker, KWG, § 53b Rz. 34; Beck/Samm/Kokemoor-Hanten, KWG, § 53b Rz. 65. 270) Zur Abgrenzung Schwennicke/Auerbach-Brocker, KWG, § 53b Rz. 40 ff.; eingehende Analyse der Einzelbestimmungen nach § 53b Abs. 3 Satz 1 KWG bei Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRRVO, § 53b KWG Rz. 131 ff. 271) Näher dazu Schwennicke/Auerbach-Brocker, KWG, § 53b Rz. 42; Boos/Fischer/Schulte-MattlerVahldiek, KWG/CRR-VO, § 53b KWG Rz. 118 ff.

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V. Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Passporting

§3

Die Kompetenzen der Aufsichtsbehörden im Inland (BaFin, EZB, vgl. Art. 14 SSM- 100 RahmenVO) ergeben sich, soweit es um die Einhaltung der im Allgemeininteresse geltenden Bestimmungen des Inlandsrechts geht, zunächst unmittelbar aus den allgemeinen Kompetenzgrundlagen für die Überwachung des Geschäftsbetriebs. Insoweit haben die inländischen Behörden die Alleinzuständigkeit nicht nur für die Überwachung, sondern auch für ein etwa erforderliches aufsichtliches Einschreiten gegen Pflichtverstöße.272) Geht es dagegen um Verstöße gegen Vorschriften, in denen den Behörden des Aufnahmemitgliedstaats die Zuständigkeit im einschlägigen Unionsrecht, insbesondere den Artt. 40 ff. und 151 ff. CRD IV, ausdrücklich zugewiesen wurde, stehen Inlands- und Herkunftslandbehörden in einem Kooperationsverhältnis, nach dem die Inlandsbehörden grundsätzlich vorrangig darauf verwiesen sind, die jeweils zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats zum Einschreiten zu veranlassen (§ 53b Abs. 4 Satz 1 KWG, vgl. Artt. 40 ff., 151 ff. CRD IV). Erst wenn diese nicht handeln, können die Inlandsbehörden selbst tätig werden (§ 53b Abs. 4 Satz 2 KWG); nur in Fällen besonderer Eilbedürftigkeit kann die Inlandsbehörde die erforderlichen Maßnahmen sofort selbst anordnen (Einzelheiten: § 53b Abs. 5 KWG). Die informationelle Kooperation zwischen Inlands- und Herkunftslandbehörden in diesen Fällen richtet sich nach der aufgrund des Art. 50 Abs. 6 CRD IV erlassenen Delegierten Verordnung (EU) Nr. 524/2014273) sowie der Durchführungsverordnung Nr. 620/2014.274) Besonderheiten ergeben sich bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Hin- 101 blick auf sog. bedeutende Zweigniederlassungen. Die insoweit einschlägigen Vorschriften des § 53b Abs. 8 und 9 KWG stehen im Zusammenhang mit den institutionellen Vorgaben für die grenzüberschreitende Aufsichtskooperation. 3.

Grenzüberschreitende Tätigkeiten ohne physische Präsenz

Die grenzüberschreitende Ausübung von Tätigkeiten durch im EU/EWR-Ausland zuge- 102 lassene und überwachte Institute im Inland ist als Ausübung der primärrechtlichen (aktiven)275) Dienstleistungsfreiheit (Artt. 56 ff. AEUV, siehe schon oben Rz. 84 ff.) auf der Grundlage der im Herkunftsland erteilten Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb zulässig (§ 53b Abs. 1 Satz 1 KWG). Auch insoweit gilt eine Notifizierungspflicht, die sich strukturell und inhaltlich an den Vorgaben für die Errichtung von Zweigniederlassungen orientiert. Das Notifikationsverfahren ist im deutschen Recht in § 24a Abs. 3 KWG für die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit durch inländische Institute im EU/EWR-Ausland sowie in § 53b Abs. 2a KWG für die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit durch EU/EWRausländische Institute im Inland geregelt; für beide Konstellationen werden die genannten Bestimmungen teilweise durch Artt. 12, 13, 15 und 16 SSM-RahmenVO überlagert. Inhaltlich gelten die oben für die grenzüberschreitende Ausübung der Niederlassungsfreiheit skizzierten Verfahrensgrundsätze im Wesentlichen entsprechend; wesentliche Unter-

___________ 272) Vgl. Art. 44 CRD IV und dazu Schwennicke/Auerbach-Brocker, KWG, § 53b Rz. 47; Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53b KWG Rz. 122 f. 273) Delegierte Verordnung (EU) Nr. 524/2014 der Kommission v. 12.3.2014, ABl. (EU) L 148/6 v. 20.5.2014. S. zum Ganzen Blömer, Grenzüberschreitende Sachverhalte, S. 130 ff.; Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53b KWG Rz. 122 ff., insb. Rz. 129 sowie Rz. 169 ff. 274) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 620/2014 der Kommission v. 4.6.2014, ABl. (EU) L 172/1 v. 12.6.2014. 275) Aufsichtsrechtlich erfasst ist lediglich die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit durch aktives physisches Tätigwerden, nicht dagegen die passive Dienstleistungsfreiheit durch Inanspruchnahme von Dienstleistungen, vgl. Schwennicke/Auerbach-Brocker, KWG, § 53b Rz. 16.

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§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

schiede ergeben sich insbesondere im Hinblick auf die Adressaten der vorgeschriebenen Anzeigen und die jeweiligen Fristen.276) 103 Der Anwendungsbereich der Anzeigepflicht ist dabei nur insoweit bestimmt, als die unionsrechtlichen Vorgaben auf die Ausübung von Tätigkeiten „im Hoheitsgebiet“ des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaates abstellen (vgl. Art. 39 Abs. 1 CRD IV, Art. 34 Abs. 2 MiFID II und Art. 12 Abs. 1 SSM-RahmenVO). Dies führt zu Abgrenzungsproblemen insbesondere in Fällen, in denen sich die Kontaktaufnahme mit den Kunden auf die elektronische Kommunikation beschränkt, aber auch im Falle gelegentlicher Geschäftsbesuche bei im Ausland ansässigen Kunden oder bei der Einschaltung von Vermittlern. Die Praxis zieht insoweit nach wie vor eine 1997 veröffentlichte Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen277) heran. Diese bezieht sich auf das seinerzeit geltende Recht und trifft schon deshalb keine Aussagen zum geltenden Rechtsrahmen, doch sind die einschlägigen Bestimmungen im Kern unverändert geblieben.278) 104 Legt man die darin formulierten Kriterien zugrunde, kommt es maßgeblich darauf an, an welchem Ort die für die jeweilige Geschäftstätigkeit charakteristischen Leistungen erbracht werden.279) Geschäftsbesuche sollen danach keine Anzeigepflicht auslösen, wenn sie der charakteristischen Leistung lediglich vor- oder nachgeordnet sind; bei der Einschaltung von Vermittlern gilt Entsprechendes.280) Ebenso wenig anzeigepflichtig sind danach regelmäßig der Betrieb von Bankautomaten281) sowie die Bereitstellung von Möglichkeiten zum elektronischen Geschäftsverkehr.282) Der Anwendungsbereich ist damit an sich sehr restriktiv festgelegt.283) Sieht man den Zweck des Notifikationsverfahrens auch und gerade darin, den zuständigen Behörden des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaats die effektive Überwachung von Inlandsaktivitäten und die Durchsetzung der dort im Allgemeininteresse angeordneten besonderen Vorschriften zu ermöglichen, wird man die Reichweite der Anzeigepflicht offener definieren und darauf abstellen müssen, ob und inwieweit die jeweiligen Inlandsaktivitäten ihrer Natur nach im Einzelfall geeignet sind, den genannten Bestimmungen zu unterfallen. Dass die Anzeigepflicht dann jeweils einzelfallabhängig für die konkret beabsichtigten Geschäftstätigkeiten zu beurteilen ist, führt sicherlich zu Umsetzungsproblemen und Rechtsunsicherheit,284) doch wird man dies letzt___________ 276) S. zu Einzelheiten insoweit für die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen durch inländische Institute im EU/EWR-Ausland Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 24a KWG Rz. 45 ff.; für die Erbringung von Dienstleistungen durch EU/EWR-ausländische Institute im Inland Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53b KWG Rz. 101 ff. 277) Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen über den freien Dienstleistungsverkehr und das Allgemeininteresse in der Zweiten Bankenrichtlinie, ABl. (EG) C 209/6 v. 10.7.1997. 278) Vgl. dazu Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53b KWG Rz. 46; entsprechend für nach wie vor anzunehmende Relevanz der Mitteilung auch Schwennicke/Auerbach-Brocker, KWG, § 53b Rz. 17. Eingehend zu den Abgrenzungskriterien Blömer, Grenzüberschreitende Sachverhalte, S. 130 ff. 279) Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen über den freien Dienstleistungsverkehr und das Allgemeininteresse in der Zweiten Bankenrichtlinie, ABl. (EG) C 209/6 v. 10.7.1997, sub 2. a) und b). 280) Zu Einzelheiten Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen über den freien Dienstleistungsverkehr und das Allgemeininteresse in der Zweiten Bankenrichtlinie, ABl. (EG) C 209/6 v. 10.7.1997, sub 2. b) und 3. a); näher Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53b KWG Rz. 52 ff. 281) Zu Einzelheiten Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen über den freien Dienstleistungsverkehr und das Allgemeininteresse in der Zweiten Bankenrichtlinie, ABl. (EG) C 209/6 v. 10.7.1997, sub 3. b); näher Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53b KWG Rz. 56. 282) Zu Einzelheiten Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen über den freien Dienstleistungsverkehr und das Allgemeininteresse in der Zweiten Bankenrichtlinie, ABl. (EG) C 209/6 v. 10.7.1997, sub 3. a); näher Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53b KWG Rz. 57. 283) Vgl. nochmals auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53b KWG Rz. 50. 284) In diese Richtung Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53b KWG Rz. 50.

168

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V. Grenzüberschreitende Sachverhalte, insbesondere Passporting

§3

lich als Preis für den Marktzutritt hinzunehmen haben. Dieser Ansatz entspricht im Wesentlichen der veröffentlichten deutschen Auslegungspraxis der BaFin, die zwar auf die Mitteilung der Kommission Bezug nimmt,285) aber stärker darauf abstellt, ob sich das jeweilige ausländische Unternehmen „zielgerichtet an den Markt zu wenden“ beabsichtigt.286) 4.

Institute aus Drittstaaten

Institute aus Drittstaaten (die weder EU- noch EWR-Mitglieder sind) können sich weder 105 auf die Niederlassungs- noch auf die Dienstleistungsfreiheit berufen, wenn diese nicht nach Maßgabe des § 53c KWG ausnahmsweise auf sie erstreckt worden sind (siehe schon Rz. 88 f.).287) Ohne eine derartige Ausnahmeregelung steht Drittstaatenunternehmen zunächst die Möglichkeit offen, im Inland Tochterunternehmen zu gründen, die als selbstständige Rechtsträger in vollem Umfang der Erlaubnispflicht und Überwachung nach Maßgabe der in diesem Handbuch dargestellten Bestimmungen des KWG und der SSMVO und zudem der konsolidierten Aufsicht durch die jeweiligen Herkunftslandbehörden unterliegen.288) Aber auch soweit Drittstaaten-Institute im Inland durch Zweigniederlassungen tätig werden, werden diese ungeachtet ihrer fehlenden rechtlichen Eigenständigkeit selbst als Kreditinstitute im Rechtssinn der Erlaubnispflicht behandelt (§ 53 Abs. 1 KWG, sog. Institutsfiktion)289). Damit sind die betreffenden Zweigniederlassungen schon aufgrund der Einstufung als Kreditinstitut sämtlichen dafür geltenden gesetzlichen Anforderungen unterworfen. Durch die in § 53 Abs. 2 KWG niedergelegten qualifizierten Anforderungen soll sichergestellt werden, dass die Zweigstellen sowohl in organisatorischer als auch in finanzieller Hinsicht verselbständigt geführt werden, so dass eine effektive Aufsicht im Inland möglich ist.290) In terminologischer Hinsicht ist zu beachten, dass § 53 KWG insoweit – im Unterschied 106 zu §§ 24a, 53b KWG – nicht den Begriff der „Zweigniederlassung“ verwendet, sondern stattdessen von „Zweigstellen“ spricht. Inhaltlich sind beide Begriffe im Wesentlichen deckungsgleich (siehe auch Rz. 85).291) Die damit angeordnete Fiktion der Kreditinstitutseigenschaft ist, diesem Zweck entsprechend, in ihren Rechtswirkungen beschränkt. Sie führt insbesondere nicht dazu, dass sich die betreffende Zweigniederlassung nunmehr als CRR-Kreditinstitut i. S. des § 1 Abs. 3d Satz 3 KWG ihrerseits auf die Niederlassungsoder Dienstleistungsfreiheit berufen und am EU/EWR-weiten Passporting teilnehmen könnte.292) Zuständige Aufsichtsbehörde ist deshalb allein die BaFin, nicht die EZB.293) ___________ 285) Vgl. BaFin, Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften, v. 1.4.2005, Stand: 11.3.2019, Einf. 286) BaFin, Merkblatt zur Erlaubnispflicht von grenzüberschreitend betriebenen Geschäften, v. 1.4.2005, Stand: 11.3.2019, sub 1. (mit konkretisierenden Beispielen). 287) Die Vorschrift ermächtigt das BMF zu derartigen Regelungen (durch Rechtsverordnung) einerseits aufgrund entsprechender Abkommen der EU mit dem jeweiligen Drittstaat (Nr. 1 – bislang ohne praktische Relevanz) und andererseits aufgrund bilateraler Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem jeweiligen Drittstaat (Nr. 2); s. dazu und zu den praktischen Anwendungsfällen (US-amerikanische, japanische und kanadische Zweigstellen) stellvertretend Boos/Fischer/SchulteMattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53c KWG Rz. 3 f. bzw. 5 ff. 288) Vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53 KWG Rz. 4. 289) Zum Begriff z. B. Schwennicke/Auerbach-Auerbach, KWG, § 53 Rz. 18. 290) Vgl. auch Begr. RegE zu § 58 KWG-E (heute entspr. § 53 KWG), BT-Drucks. III/1114, S. 45. Zu Einzelheiten insoweit näher Schwennicke/Auerbach-Auerbach, KWG, § 53 Rz. 21 ff.; Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53 KWG Rz. 45 ff. 291) Zu Einzelheiten Schwennicke/Auerbach-Auerbach, KWG, § 53 Rz. 2 ff.; Boos/Fischer/Schulte-MattlerVahldiek, KWG/CRR-VO, § 53 KWG Rz. 11 ff. 292) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53 KWG Rz. 38. 293) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53 KWG Rz. 39, 42.

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§3

Erlaubnispflicht, Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsverfahren

Betreibt das ausländische Institut im Inland mehrere Zweigniederlassungen, gelten diese nach § 53 Abs. 1 Satz 2 KWG aufsichtsrechtlich als ein Institut, wobei aus verwaltungstechnischen Gründen dann regelmäßig eine „Kopfstelle“ benannt wird, die das Institut im Rechtsverkehr mit der Aufsicht vertritt.294) 107 Vom Betrieb von Bankgeschäften bzw. der Erbringung von Finanzdienstleistungen durch Zweigstellen im Inland zu unterscheiden ist die hier nicht näher darzustellende Errichtung von Repräsentanzen, die zum Zweck der Werbung und Kontaktpflege auftreten oder sonst rein repräsentative Funktionen haben, aber nach den oben dargestellten Kriterien nicht selbst erlaubnispflichtige Aktivitäten entfalten.295) Die (unionsrechtlich nicht erfasste) Errichtung und Schließung von Repräsentanzen werden in § 53a Satz 2 – 5 KWG eigenständigen Anzeigepflichten unterworfen. VI.

Konsequenzen der fehlenden Erlaubnis

1.

Sanktionen

108 Der Betrieb von Bankgeschäften (oder Finanzdienstleistungen) ohne erforderliche Erlaubnis ist strafbar und wird bei Vorsatz mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, bei fahrlässiger Begehung bis zu drei Jahren geahndet (§ 54 Abs. 1 Nr. 2, ggf. i. V. m. Abs. 2 KWG). Ordnungswidrigkeitenrechtlich kann das betreffende Unternehmen selbst nach § 30 OWiG i. V. m. § 59 KWG mit einer Geldbuße bis zu 10 Mio. € (bei fahrlässiger Begehung bis 5 Mio. €) belegt werden. Gemäß § 37 KWG kann die BaFin einen Abwickler für die unerlaubt betriebenen Geschäfte bestellen; zudem stehen ihr nach § 17 FinDAG die im Verwaltungsvollstreckungsgesetz vorgesehenen Zwangsmittel zur Durchsetzung ihrer Anordnungen zur Verfügung. 2.

Zivilrechtliche Folgen

109 Werden Bankgeschäfte (oder Finanzdienstleistungen) ohne die nach § 32 KWG erforderliche Erlaubnis betrieben, ist hinsichtlich der zivilrechtlichen Konsequenzen zu differenzieren. Heute im Regelfall nahezu einhellig abgelehnt wird eine Unwirksamkeit der zugrunde liegenden Rechtsgeschäfte nach § 134 BGB, weil sich das jedenfalls aufgrund der strafrechtlichen Sanktion (siehe Rz. 108) eindeutig zu bejahende gesetzliche Verbot in der Regel nicht gegen den Inhalt der unter Verstoß gegen die Erlaubnispflicht abgeschlossenen Geschäfte als solche, sondern gegen das jeweilige Unternehmen richtet.296) Etwas anderes soll nur gelten, wenn infolge der Wirksamkeit des Vertrags der Empfänger der jeweils vertragscharakteristischen Leistung gerade an denjenigen Rechtsfolgen festgehalten wird, vor denen ihn an sich die gesetzliche Erlaubnispflicht schützen sollte. Folgerichtig wird teilweise – überzeugend – Gesamtnichtigkeit verbotswidrig betriebener Einlagengeschäfte gemäß § 134 BGB bejaht,297) während überwiegend lediglich Teilnichtigkeit ___________ 294) Schwennicke/Auerbach-Auerbach, KWG, § 53 Rz. 20; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/ CRR-VO, § 53 KWG Rz. 44. 295) Zur Abgrenzung z. B. Schwennicke/Auerbach-Auerbach, KWG, § 53 Rz. 5 f.; eingehend Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53a KWG Rz. 14 ff. 296) BGH, Urt. v. 14.7.1966 – III ZR 240/64, WM 1966, 1101, 1102; BGH, Urt. v. 21.4.1972 – V ZR 52/70, DB 1972, 1477 = BGHZ 59, 1 (hier insoweit nicht abgedruckt); BGH, Urt. v. 13.7.1978 – III ZR 178/76, WM 1978, 1268, 1269; BGH, Urt. v. 23.1.1980 – VIII ZR 91/79, BGHZ 76, 119, 126 f. = ZIP 1980, 179, 182; BGH, Urt. v. 23.1.1997 – IX ZR 197/95, ZIP 1997, 582, 583; BGH, Urt. v. 19.4.2011 – XI ZR 256/10, ZIP 2011, 1195, 1196 f., dazu EWiR 2011, 521 (Schulz); OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.9.2006 – 1 U 34/06, WM 2007, 350, 352 f.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 32 Rz. 91; aus zivilrechtlicher Sicht etwa Armbrüster in: MünchKomm-BGB, § 134 Rz. 69; Vossler in: BeckOGK-BGB, 2016, § 134 Rz. 148 – 148.3, jeweils m. w. N. 297) So z. B. Tettinger, DStR 2006, 903 f.

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VI. Konsequenzen der fehlenden Erlaubnis

§3

der jeweiligen Fälligkeitsabrede angenommen wird.298) Weitgehend unstreitig ist inzwischen, dass Verstöße gegen die Erlaubnispflicht als Fall des § 823 Abs. 2 BGB zu qualifizieren sind mit der Folge, dass die betroffenen Gegenparteien ggf. Rückabwicklung im Wege des Schadensersatzes verlangen können.299)

___________ 298) Z. B. Staudinger-Sack/Seibl, BGB, Neubearb. 2011, § 134 Rz. 258; Erman-Palm, BGB, 12. Aufl. 2008, § 134 Rz. 74; Mai, ZBB 2010, 222, 224 ff.; wohl auch Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 32 Rz. 92; offenlassend BVerwG, Urt. v. 15.12.2010 – 8 C 37.09, BKR 2011, 208, 211. 299) Vgl. z. B. BGH, Urt. v. 21.4.2005 – III ZR 238/03, ZIP 2005, 1223 ff.; BGH, Urt. v. 19.1.2006 – III ZR 105/05, BGHZ 166, 29, 37 = ZIP 2006, 382, 385, dazu EWiR 2006, 639 (v. Buttlar); BGH, Urt. v. 11.7.2006 – VI ZR 339/04, ZIP 2006, 1761 ff.; BGH, Urt. v. 11.7.2006 – VI ZR 340/04, ZIP 2006, 1764 ff.; BGH, Urt. v. 23.3.2010 – VI ZR 57/09, ZIP 2010, 1122, 1123, dazu EWiR 2010, 515 (Bernau); BGH, Urt. v. 15.5.2012 – VI ZR 166/11, ZIP 2012, 2255, 2256 f., dazu EWiR 2012, 723 (Wigand); BGH, Urt. v. 19.3.2013 – VI ZR 56/12 (Winzergelder), BGHZ 197, 1, 4 = ZIP 2013, 966, 967 = NZG 2013, 814, m. Anm. Wenzel; vgl. zur Reichweite des dadurch vermittelten Schutzes auch BGH, Urt. v. 7.7.2015 – VI ZR 372/14, ZIP 2015, 1772, 1775 f., jeweils m. w. N.

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§4 Beteiligungskontrolle

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Übersicht I.

Übersicht über die Beteiligungskontrolle auf nationaler Ebene.................. 1 II. Das Inhaberkontrollverfahren im Einzelnen ................................................... 11 1. Allgemeines ................................................ 11 2. Verfahren unter Einbeziehung der EZB ............................................................. 15 3. Anzeigepflichtiger und der Begriff der bedeutenden Beteiligung ..................... 22 a) Bedeutende Beteiligung (§ 1 Abs. 9 KWG) ............................... 33 b) Direkte bzw. unmittelbare bedeutende Beteiligung i. S. des § 2c KWG ............................................ 37 c) Indirekte bzw. mittelbare bedeutende Beteiligung........................... 39 aa) Kontrollkriterium ........................ 46 bb) Multiplikationskriterium ............. 48 d) Maßgeblicher Einfluss auf die Geschäftsführung................................ 54 e) Praktische Durchführung .................. 57 4. Weitere Anzeigetatbestände...................... 61 a) Beteiligungserhöhung ......................... 62 b) Beteiligungsaufgabe............................. 63 c) Wechsel der satzungsmäßigen Vertreter .............................................. 64 5. Anzeigepflicht und einzureichende Unterlagen .................................................. 65 a) Zeitpunkt der Anzeigepflicht............. 65 b) Vollständigkeit der einzureichenden Dokumente................................... 73 c) Formerfordernisse der Unterlagen ..................................................... 79

6.

Bestätigung der Vollständigkeit und Beurteilungszeitraum ................................. 83 7. Vollzugsverbot während des Beurteilungszeitraums ....................................... 88 8. Untersagungsgründe.................................. 94 a) Unzuverlässigkeit (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 KWG) ............................. 95 b) Behinderung der Aufsicht (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 KWG) .... 105 c) Tochterunternehmen (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 KWG).............. 108 d) Unzuverlässigkeit der Geschäftsleiter (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 4 KWG) ................................................ 109 e) Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 5 KWG) ...................................... 111 f) Fehlende finanzielle Solidität (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 6 KWG) .... 114 g) Unvollständige oder unrichtige Angaben (§ 2c Abs. 1b Satz 2 KWG)...... 119 III. Beteiligungskontrolle i. R. der Einlagensicherung ........................................ 120 1. Gesetzliche Einlagensicherung................ 121 2. Freiwillige Einlagensicherung.................. 122 a) Beteiligungserwerb und Beteiligungserhöhung.................................. 124 b) Mehrheitserwerb ............................... 128 IV. Rechtsschutz............................................ 132 1. Rechtsschutz gegen Bescheide der BaFin......................................................... 132 2. Rechtsschutz gegen Bescheide der EZB ........................................................... 137

Literatur: Berger, Rechtsanwendung durch die EZB im Single Supervisory Mechanism (SSM) – Teil 1, WM 2016, 2325; Böhm, Außenwirtschaftsrechtliche Investitionsprüfung – Anwendung der Erwerberkontrolle zum Schutz Kritischer Infrastrukturen im Finanzsektor, ZBB 2019, 115; Gundel, Bank- und Kapitalmarktrecht: Befugnisse der EZB bei qualifizierten Beteiligungen, Anm. zu EuGH, Urt. v. 19.12.2018, Rs. C-219/17, EuZW 2019, 130; Heemann, Erwerb und Veräußerung einer qualifizierten Beteiligung an einem Kreditinstitut, in: Grieser/Heemann, Europäisches Bankaufsichtsrecht, 2016, S. 223; Hirschmann, Anteilseignerkontrolle im Versicherungs- und Kreditwirtschaftsrecht; Kämmerer, Rechtsschutz in der Bankenunion (SSM, SRM), WM 2016, 1; Manger-Nestler, Rechtsschutz in der Europäischen Bankenaufsicht, in: Grieser/Heemann, Europäisches Bankaufsichtsrecht, 2016, S. 171 ff.; Martini/Weinzerl, Nationales Verfassungsrecht als Prüfungsmaßstab des EuGH?, NVwZ 2017, 177; Kaufhold, Instrumente und gerichtliche Kontrolle der Finanzaufsicht, Die Verwaltung 49 (2016), 339; Kittner, Das Erfordernis der Einreichung vollständiger Unterlagen gem. § 2c KWG – Vorschläge für ein effektives Inhaberkontrollverfahren, BKR 2012, 499; Mönning, Die aufsichtsbehördliche Überwachung der Inhaber bedeutender Beteiligungen an Versicherungsunternehmen, 2001; Müller/Fischer/Müller, Rechtsschutz bei der Erteilung und Entziehung von Erlaubnissen für Kreditinstitute, WM 2015, 1505; Müller-Graff, Rechtsschutz von Kreditinstituten in der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank, EuZW 2018, 101; Müller-Graff, Die Bankenaufsicht der EZB vor Gericht, ZHR 2018, 239; Peuker, Die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften durch Unions-

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§4

Beteiligungskontrolle

organe – ein Konstruktionsfehler der europäischen Bankenaufsicht, JZ 2014, 764; Ruthig, Die EZB in der europäischen Bankenunion, ZHR 178 (2014), 443; Thiele, Krise der Europäischen Integration? Die Bankenunion als Beleg für die Handlungsfähigkeit der EU, GewArch 2015, 157; Tusch, Die ausdrückliche „Nichtuntersagung“ durch die BaFin im Inhaberkontrollverfahren nach § 2c KWG und § 104 VAG, WM 2013, 633; Tusch/Herz, Die Entwicklung des europäischen Bankaufsichtsrechts in den Jahren 2014/2015, EuZW 2015, 814; Varentsov, Staatshaftungsrechtliche Grundlagenprobleme bei der Durchführung von nationalen Vorschriften im Rahmen der Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank, DÖV 2017, 53; Wieland, Inhaberkontrollverfahren, 2013; Witte, The Application of National Banking Supervision Law by the ECB: Three Parallel Modes of Executing EU Law?, MJ 2014, 89. Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013; EP/Rat, Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates – Bilanzrichtlinie, ABl. (EU) L 182/19 v. 29.6.2013; EP/Rat, Richtlinie 2007/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 5.9.2007 zur Änderung der Richtlinie 92/49/EWG des Rates sowie der Richtlinien 2002/83/EG, 2004/39/EG, 2005/68/EG und 2006/48/EG in Bezug auf Verfahrensregeln und Bewertungskriterien für die aufsichtsrechtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im Finanzsektor, ABl. (EU) L 247/1 v. 21.9.2007. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; Rat, Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. (EU) L 331/84 v. 15.12.2010; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010. Rechtsakte der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2017/1946 der Kommission v. 11.7.2017 zur Ergänzung der Richtlinien 2004/39/EG und 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für eine erschöpfende Liste der Informationen, die interessierte Erwerber in die Anzeige des beabsichtigten Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung an einer Wertpapierfirma aufnehmen müssen, ABl. (EU) L 276/32 v. 26.10.2017. Verlautbarungen der European Banking Authority (EBA): EBA, Final Report, Joint ESMA and EBA Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU, v. 26.9.2017 (EBA/ GL/2017/12/ESMA71-99-598), https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma71-99598_joint_esma_and_eba_guidelines_eba-gl-2017-12_0.pdf; EBA, Leitlinien zur Beurteilung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und von Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 22.11.2012 (EBA/GL/2012/06), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/106695/ 52dfcf51-42ae-4bdc-8253-4f19705554d0/EBA_2012_00220000_DE_COR.pdf; (Abrufdatum jew. 18.2.2020).

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I. Übersicht über die Beteiligungskontrolle auf nationaler Ebene

§4

Verordnungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ECB): EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 14.5.2017 (aktualisiert 5/2018 im Einklang mit den gemeinsamen Leitlinien der ESMA und der EBA zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen) https:// www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.fap_guide_201705_rev_201805.de.pdf; EZB, Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank v. 16.4.2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus – SSM-Rahmenverordnung (SSM-RahmenVO), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014; EZB, Beschluss der Europäischen Zentralbank v. 14.4.2014 zur Einrichtung eines administrativen Überprüfungsausschusses und zur Festlegung der Vorschriften für seine Arbeitsweise – Überprüfungsausschuss-Beschluss, ABl. (EU) L 175/47 v. 14.6.2014; (Abrufdatum jew. 18.2.2020). Verlautbarungen der European Supervisory Authorities (ESAs): ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), https://esas-joint-committee.europa.eu/Publications/ Guidelines/JC_QH_GLs_DE.pdf (Abrufdatum: 18.2.2020). Verlautbarungen und Verordnungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): BaFin, Leitlinien und Q&As der Europäischen Aufsichtsbehörden, https://www.bafin.de/DE/ RechtRegelungen/Leitlinien_und_Q_and_A_der_ESAs/Leitlinien_und_Q_and_A_der_ESAs_node.html; BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 6.3.2019, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_geschaeftsleiter_KWG_ZAG_KAGB.html; BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle, v. 27.11.2015, https:// www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_151123_inhaberkontrolle.html; BaFin, FAQ zu den Transparenzpflichten des WpHG in den Abschnitten 6 (§§ 33 ff.) und 7 (§§ 48 ff.), v. 28.10.2015, Stand: 12.9.2019, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/FAQ/ dl_faq_transparenzpflichten_WpHG_Abschnitte_6_7.html?nn=11477946; (Abrufdatum jew. 18.2.2020). Weitere Verlautbarungen: Einlagensicherungsfonds (ESF), Statut des Einlagensicherungsfonds, v. 1.12.2018, https://bankenverband.de/media/publikationen/190507_BDB_Statut_web_Einzelseiten_ X2XGneH.pdf; Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH (EdB), Prüfungsrichtlinien gemäß § 36 Abs. 2 des Einlagensicherungsgesetzes, v. 4/2016, https://www.edb-banken.de/media/file/ PruefRL_EdB_gueltig_April_2016.pdf; Prüfungsverband deutscher Banken e. V., Satzung, v. 18.10.2018, https://www.pruefungsverband-banken.de/de/infobereich/downloads/Documents/PV_Satzung.pdf; (Abrufdatum jew. 18.2.2020).

I.

Übersicht über die Beteiligungskontrolle auf nationaler Ebene

Der Erwerber einer bedeutenden Beteiligung an einem regulierten Unternehmen des Fi- 1 nanzsektors hat seine Absicht hierzu den zuständigen Aufsichtsbehörden, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Deutschen Bundesbank (Bundesbank) anzuzeigen.1) Im Rahmen eines präventiv ausgestalteten, formellen Verwaltungsverfahrens (Inhaberkontrollverfahren) muss der interessierte Erwerber umfangreiche Informationen – etwa zu seiner Identität, seiner Erfahrung, seinen Plänen und der Herkunft der für den Erwerb benötigten finanziellen Mittel – offenlegen, die von den Aufsichtsbehörden detailliert überprüft werden. Die Aufsichtsbehörden können den geplanten Erwerb untersagen, wenn sie nach Abschluss ihrer Überprüfung zu dem Ergebnis kommen, dass erhebliche – im Gesetz abschließend genannte – Gründe hiergegen sprechen. Seit dem Inkrafttreten der SSM-VO2) und der dazugehörigen SSM-RahmenVO3) am 2 4.11.2014 werden Inhaberkontrollverfahren mit Bezug zu sog. CRR-Kreditinstituten, also Unternehmen, die gleichzeitig das Einlangen- und das Kreditgeschäft i. S. des Unions___________ 1)

2) 3)

Neben dem Erwerb einer bedeutenden Beteiligung ist auch die Erhöhung einer bereits bestehenden Beteiligung über die Schwellenwerte von 20 %, 30 % und 50 % sowie die Aufgabe einer bedeutenden Beteiligung anzuzeigen. Sofern nicht ausdrücklich dargestellt, wird das Inhaberkontrollverfahren im Folgenden am Beispiel des Erwerbs einer bedeutenden Beteiligung erläutert. Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013. Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank v. 16.4.2014 – SSM-Rahmenverordnung (SSM-RahmenVO) (EZB/2014/17), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014.

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§4

Beteiligungskontrolle

rechts betreiben,4) von der Europäischen Zentralbank (EZB) gemeinsam mit den nationalen Aufsichtsbehörden durchgeführt.5) Inhaberkontrollverfahren mit Bezug zu sonstigen Kreditinstituten, sowie Inhaberkontrollverfahren nach dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG)6), dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) verbleiben indes weiterhin im alleinigen Kompetenzbereich der BaFin. Wie hiernach ausgeführt, sind jedoch auch bei SSM-Instituten die BaFin und die Bundesbank maßgeblich in das Inhaberkontrollverfahren eingebunden. 3 Das Inhaberkontrollverfahren i. S. des § 2c KWG soll insbesondere das sensible Bankensystem vor der Einspeisung inkriminierter Gelder bewahren und die Solvenz der beaufsichtigten Institute sicherstellen, indem (potenziell) unzuverlässige Anteilseigner präventiv überprüft und an einem Beteiligungserwerb gehindert werden können.7) Es dient damit auch dazu, eine Umgehung der Gründungsvoraussetzungen zu vermeiden.8) 4 Ein weiterer zentraler Aspekt des Inhaberkontrollverfahrens ist die Information der Aufsichtsbehörden über die Anteilsinhaber der von ihnen beaufsichtigten Unternehmen. Möglichen Gefahren, die von den Inhabern der Beteiligungen ausgehen können, sollen so aufgedeckt und eine effektive Beaufsichtigung des Instituts gewährleistet werden. Der hierfür erforderliche Informationsfluss wird durch eine doppelte Meldeverpflichtung sichergestellt: Zum einen sind interessierte Erwerber einer bedeutenden Beteiligung durch das Inhaberkontrollverfahren verpflichtet, die Bankenaufsicht von einer möglichen Änderung der Zusammensetzung der Inhaberschaft eines Instituts zu informieren, zum anderen sind die Institute selbst durch eine sog. passivische Beteiligungsanzeige verpflichtet,9) derartige Veränderungen bei Kenntniserlangung zu melden.10) Die passivische Beteiligungsanzeige dient dabei auch der Überprüfung, ob der Anzeigepflichtige seiner Verpflichtung, ein Inhaberkontrollverfahren durchzuführen, nachgekommen ist.11) Als Informationsquelle für die Aufsichtsbehörden dient in diesem Zusammenhang schließlich auch der bisherige Inhaber einer bedeutenden Beteiligung, der die Absicht zur Aufgabe oder zur Verringerung der Beteiligung ebenfalls unverzüglich anzuzeigen hat.12) 5 Des Weiteren ergeben sich aus der Stellung als Inhaber einer bedeutenden Beteiligung fortlaufende Meldepflichten gegenüber der Bankenaufsicht, die über das initiale Inhaberkontrollverfahren hinaus ein gewisses Maß an Information gewährleisten. Konkret ist der Inhaber einer bedeutenden Beteiligung nämlich verpflichtet, die Bestellung neuer Geschäftsführer unter Vorlage der für die Beurteilung deren Zuverlässigkeit erforderlichen Unterlagen gegenüber der Aufsicht anzuzeigen.13) 6 Mit § 2c KWG vergleichbare Regelungen existieren für Versicherungsunternehmen (§§ 16, 17 VAG), Zahlungs- und E-Geld-Institute (§ 14 ZAG), externe OGAW-Kapitalver___________ 4) Vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR. 5) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 2c KWG Rz. 29; Ruthig, ZHR 178 (2014), 443, 473 f.; Kämmerer, WM 2016, 1, 2 f. 6) Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten – Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG), v. 25.6.2009, BGBl. I 2009, 1506, aufgehoben durch Art. 15 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes v. 17.7.2017 m. W. v. 13.1.2018. 7) Beschlussempfehlung und Bericht d. FA z.3. FMFG u. a., BT-Drucks. 13/9874, S. 138 f. 8) Heemann in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 225. 9) § 24 Abs. 1 Nr. 10 KWG. 10) Begr. RegE z. Gesetz zur Änderung des KWG und anderer Vorschriften über Kreditinstitute, BTDrucks. 12/3377, S. 27. 11) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 24 KWG Rz. 134. 12) § 2c Abs. 3 Satz 1 KWG i. V. m. § 17 AnzV. Eine Verringerungsanzeige muss jedoch nur dann abgegeben, wenn durch die Veräußerung die Schwellen von 50 %, 30 % oder 20 % unterschritten werden. 13) § 2c Abs. 1 Satz 5 KWG.

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II. Das Inhaberkontrollverfahren im Einzelnen

§4

waltungsgesellschaften (§ 19 KAGB) und Börsenträger (§ 6 BörsG). Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich jedoch auf den Erwerb von Beteiligungen an Kreditinstituten. Auch die abweichenden Anforderungen an die Erwerber bedeutender Beteiligungen an Finanzdienstleistungsinstituten, deren Anzeigepflicht sich inzwischen inhaltlich nach der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2017/194614) richtet, bleiben daher außer Betracht. Die sehr allgemein gehaltenen Anforderungen des § 2c KWG an eine Erwerbsabsichtsan- 7 zeige werden auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 24 Abs. 4 KWG durch die Inhaberkontrollverordnung (InhKontrollV)15) konkretisiert. Praktische Hinweise für das Verfahren bietet das von der BaFin veröffentlichte Merkblatt zum Inhaberkontrollverfahren16), in dem sie ihre Verwaltungspraxis darstellt. Zusätzlich haben die drei europäischen Aufsichtsbehörden (European Supervisory 8 Authorities – ESAs), bestehend aus der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority – EBA), der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA) und der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge (European Insurance and Occupational Pensions Authority – EIOPA) am 20.12.2016 gemeinsame Leitlinien für die aufsichtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von bedeutenden Beteiligungen im Finanzsektor17) veröffentlicht (Gemeinsame Leitlinien). Ausdrückliches Ziel der Gemeinsamen Leitlinien ist es, ein gemeinsames, klareres Ver- 9 ständnis zu einigen der zentralen Aspekte der Beteiligungskontrolle zu schaffen. Aufgegriffen werden neben der Frage, wann die „Absicht“ eines Erwerbs anzunehmen ist oder unter welchen Voraussetzungen die Aufsicht eine Vollständigkeitserklärung gegenüber dem Anzeigepflichtigen abzugeben hat, u. a. auch verschiedene Themen mit geldwäscherechtlichem Bezug. Im Falle einer indirekten Beteiligung sehen die Gemeinsamen Leitlinien zudem ein zweistufiges Verfahren vor, das im Ergebnis zu einer Ausweitung der Anzeigepflichtigen führt. Die BaFin hat die gemeinsamen Leitlinien mangels gegenteiliger Verlautbarung in ihre 10 Verwaltungspraxis übernommen. Anders als es Art. 16 Abs. 3 der ESA-Verordnungen18) nahelegt, wendet die BaFin prinzipiell alle Leitlinien und Q&As der Europäischen Aufsichtsbehörden an. Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, veröffentlicht sie eine entsprechende Mitteilung.19) II.

Das Inhaberkontrollverfahren im Einzelnen

1.

Allgemeines

Ist der Erwerb einer bedeutenden Beteiligung an einem regulierten Unternehmen des Fi- 11 nanzsektors beabsichtigt, ist zunächst festzulegen, wer von den interessierten Erwerbern ___________ 14) Delegierte Verordnung (EU) 2017/1946 der Kommission v. 11.7.2017, ABl. (EU) L 276/32 v. 26.10.2017. 15) Verordnung über die Anzeigen nach § 2c des Kreditwesengesetzes und § 104 des Versicherungsaufsichtsgesetzes – Inhaberkontrollverordnung (InhKontrollV) v. 20.3.2009, BGBl. I 2009, 562, 688. 16) BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle, v. 27.11.2015. 17) ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01). 18) Für die EBA: Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010; für die ESMA: Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010, ABl. (EU) L 331/84 v. 15.12.2010. 19) Die nicht übernommenen Leitlinien und Q&As sind abrufbar unter https://www.bafin.de/DE/ RechtRegelungen/Leitlinien_und_Q_and_A_der_ESAs/Leitlinien_und_Q_and_A_der_ESAs_node.html (Abrufdatum: 18.2.2020).

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Beteiligungskontrolle

ein Inhaberkontrollverfahren durchlaufen muss und Anzeigepflichtiger ist. Insbesondere bei komplexen Erwerbsstrukturen wird die Frage, wer Anzeigepflichtiger ist, im Prozess regelmäßig mit der BaFin abgestimmt. Unter dem Begriff des Erwerbs wird jeder derivative oder originäre Vorgang verstanden, der bei seinem Abschluss eine Beteiligung des Erwerbers an einem Institut zur Folge hat, so dass nicht nur ein Anteilskauf, sondern bspw. auch die Teilnahme an einer Kapitalerhöhung als Erwerb i. S. des § 2c Abs. 1 Satz 1 KWG zu qualifizieren ist. Welche Unterlagen im Zuge des Verfahrens einzureichen sind, ergibt sich insbesondere aus der Inhaberkontrollverordnung. Umfang und Detailgrad werden indes auch hier häufig vor der Einreichung mit der BaFin abgestimmt. Auf die Einreichung von Originalunterlagen kann gegenüber der Bundesbank regelmäßig verzichtet werden, so dass diese lediglich Kopien der Unterlagen erhält. 12 Nach Eingang der vollständigen Dokumente soll die BaFin gemäß § 2c Abs. 1 Satz 7 KWG die Anzeigepflichtigen „umgehend, spätestens jedoch innerhalb von zwei Arbeitstagen nach deren Zugang schriftlich“ informieren. Bestätigt die BaFin die Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen, beginnt der grundsätzlich 60 Arbeitstage umfassende Beurteilungszeitraum, innerhalb dessen der beabsichtigte Erwerb geprüft wird (ausführlich zur Vollständigkeit der Unterlagen siehe unten Rz. 83 ff. 13 Die ausdrückliche Freigabe zum Vollzug sieht das Gesetz nicht vor, es handelt sich bei der Inhaberkontrolle also nicht um ein formelles Genehmigungsverfahren.20) Vielmehr wählt das KWG hier einen anderen Regelungsansatz und räumt der BaFin innerhalb des Beurteilungszeitraums die Befugnis ein, den Erwerb oder die Erhöhung der Beteiligung schriftlich zu untersagt hat. Teilweise äußert sich die BaFin auch bereits vor Ablauf des Beurteilungszeitraums in der Gestalt, dass nach der ihr gegenwärtig bekannten Aktenlage keine Einwendungen gegen den Erwerb bestehen. Eine solche Freigabeerklärung kann eine Transaktion um einige Wochen beschleunigen und die Problematik eines möglichen Vollzugsverbots während des Beurteilungszeitraums entschärfen.21) 14 Während die Befugnis der BaFin zur Untersagung eines beabsichtigten Erwerbs einer bedeutenden Beteiligung in § 2c Abs. 1b KWG gesetzlich normiert ist, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für eine Nichtuntersagung bzw. Freigabe. Allerdings fordert die der deutschen Norm zugrunde liegende Beteiligungsrichtlinie22) die zuständige Behörde in Abwägungsgrund Nr. 5 sogar explizit zur Mitteilung über eine positive Beurteilung auf. Die verwaltungsrechtliche Zulässigkeit einer solchen Erklärung ist dementsprechend auch in der Literatur anerkannt, sie wird als feststellender Verwaltungsakt eingeordnet.23) 2.

Verfahren unter Einbeziehung der EZB

15 Soll die Beteiligung an einem CRR-Kreditinstitut24) erworben werden, richten sich Zuständigkeitsverteilung und Verfahrensrecht zunächst nach der SSM-VO25) und der dazu___________ 20) Tusch, WM 2013, 633, 636 f.; Kittner, BKR 2012, 499, 500. 21) So auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 2c KWG Rz. 26: „Erfolgt keine schriftliche Untersagung innerhalb des Beurteilungsspielraumes oder gibt die BaFin bereits während der Beurteilungsfrist eine ausdrückliche ‚Nichtuntersagung‘ ab, so kann der Erwerb nach Absatz 1b Satz 6 vollzogen werden.“ 22) Richtlinie 2007/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 5.9.2007, ABl. (EU) L 247/1 v. 21.9.2007. 23) Ausf. dazu Tusch, WM 2013, 633, 635 ff.; s. a. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 2c KWG Rz. 26; Schwennicke/Auerbach-Süßmann, KWG, § 2c Rz 40; Beck/Samm/Kokemoor-von den Steinen, KWG mit CRR, § 2c KWG Rz. 117. 24) S. die Definition des CRR-Kreditinstituts in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der CRR. 25) Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013.

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II. Das Inhaberkontrollverfahren im Einzelnen

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gehörigen SSM-RahmenVO.26) Gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. c der SSM-VO ist die EZB anstelle der nationalen Aufsichtsbehörden für die abschließende Entscheidung in Inhaberkontrollverfahren anlässlich des Erwerbs bedeutender Beteiligungen an CRR-Kreditinstituten zuständig.27) Als CRR-Kreditinstitute gelten nur solche Unternehmen, die sowohl das Einlagen- als 16 auch das Kreditgeschäft kumulativ betreiben.28) Kreditinstitut nach § 1 Abs. 1 KWG ist ein Unternehmen hingegen schon beim Betrieb eines der in § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG abschließend aufgezählten Bankgeschäfte.29) Direkter Ansprechpartner des Anzeigepflichtigen i. R. dieser Inhaberkontrollverfahren 17 bleiben jedoch weiterhin die nationalen Aufsichtsbehörden (National Competent Authorities – NCAs), in Deutschland also BaFin und Bundesbank.30) Inhaberkontrollverfahren mit Bezug zu sonstigen Kreditinstituten sowie Inhaberkontrollverfahren nach dem ZAG, dem VAG sowie dem KAGB führt die BaFin weiterhin selbstständig durch. Ein Inhaberkontrollverfahren der EZB wird demzufolge – wie die Inhaberkontrollverfah- 18 ren auf nationaler Ebene – durch einen Antrag bei der BaFin eingeleitet. Nach Bestätigung des Eingangs einer Absichtsanzeige nach § 2c KWG hat die BaFin gemäß Art. 85 SSM-RahmenVO innerhalb von fünf Arbeitstagen die EZB über den Eingang der vollständigen Anzeige sowie den Beurteilungszeitraum für eine Entscheidung zu informieren.31) Die BaFin prüft sodann gemäß Art. 86 Abs. 1 SSM-RahmenVO den Antrag auf Konfor- 19 mität mit dem einschlägigen Unions- und nationalen Recht, wobei insbesondere das Vorliegen der Untersagungsgründe des § 2c Abs. 1b KWG berücksichtigt wird.32) Innerhalb von in der Regel 50 Arbeitstagen erarbeitet die BaFin einen Beschlussentwurf zur Vorlage bei der EZB mit der Empfehlung, dem Erwerb einer qualifizierten Beteiligung zuzustimmen oder diesen zu versagen.33) Denn nach Art. 15 Abs. 2 SSM-VO ist der Beschlussentwurf spätestens zehn Tage vor 20 Ablauf der Frist von der BaFin an die EZB zu übersenden34) und der Beurteilungszeitraum beträgt üblicherweise 60 Arbeitstage, vgl. § 2c Abs. 1a Satz 1 KWG. In der Praxis koordinieren EZB und BaFin jedoch regelmäßig von Beginn an ihre Aktivitäten, so dass die EZB behördenintern regelmäßig deutlich früher beteiligt wird. Nur diese vorzeitige Koordination dürfte es der EZB in der Praxis ermöglichen, eine fundierte eigene Entscheidung zu treffen, da die vom Verordnungsgeber eingeräumte Frist von zehn Tagen für eine eigenständige Komplettüberprüfung, insbesondere bei komplexen Transaktionen, deutlich zu kurz sein dürfte. Die Befugnis zur endgültigen Entscheidung über die Ge-

___________ 26) Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank vom 16.4.2014 – SSM-Rahmenverordnung (SSM-RahmenVO), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014. 27) Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, 1.4.2.1, S. 19; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 740. 28) Art. 4 Abs. 1 CRR; Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, 1.4.2.2, S. 21. 29) Vgl. zum unterschiedlichen Anwendungsbereich auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Dürselen, KWG/ CRR-VO, Art. 4 CRR Rz. 3 ff. 30) Vgl. Art. 15 Abs. 1 SSM-VO, Art. 85 SSM-RahmenVO. 31) Die Notwendigkeit der Vollständigkeit ergibt sich aus dem Verweis in Art. 85 Abs. 1 SSM-RahmenVO auf Art. 22 Abs. 2 CRD IV, der eine vollständige Anzeige voraussetzt; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 749 f. 32) Vgl. § 2c Abs. 1a Satz 11 KWG. 33) Vgl. § 2c Abs. 1a Satz 10 KWG, Art. 15 Abs. 2 SSM-VO; Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, 1.4.2.6, S. 31; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 740, 751. 34) Der Beschlussentwurf enthält gemäß Art. 86 Abs. 2 SSM-RahmenVO entweder die Ablehnung oder die Nichtablehnung des Erwerbs durch die nationale Aufsichtsbehörde.

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Beteiligungskontrolle

nehmigung oder Ablehnung des Erwerbs einer bedeutenden Beteiligung folgt für die EZB aus Art. 15 Abs. 3 SSM-VO.35) 21 Die EZB beschließt gemäß Art. 15 Abs. 3 SSM-VO auf der Grundlage der Beurteilungskriterien des Unionsrechts und damit – in Bezug auf Inhaberkontrollverfahren – auf Grundlage der CRD IV36) und deren Umsetzung in nationales Recht.37) Insofern unterscheiden sich die relevanten Prüfungsparameter in Inhaberkontrollverfahren innerhalb des SSM nicht von rein durch die BaFin durchgeführten Verfahren. In beiden Fällen bilden § 2c KWG und die Inhaberkontrollverordnung den relevanten Prüfungsmaßstab. 3.

Anzeigepflichtiger und der Begriff der bedeutenden Beteiligung

22 § 2c Abs. 1 und Abs. 3 KWG regeln, wann ein interessierter Erwerber oder Inhaber von bedeutenden Beteiligungen einer Anzeigepflicht gegenüber der Aufsicht unterliegt. 23 Anzeigepflichtig sind aufgrund der offenen gesetzlichen Formulierung sowohl natürliche Personen als auch Unternehmen. Da der Unternehmensbegriff nicht nur juristische Personen, sondern auch Personenhandelsgesellschaften und BGB-Gesellschaften erfasst, sind Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform grundsätzlich anzeigepflichtig.38) 24 Zentrales Tatbestandsmerkmal einer Anzeigepflicht gegenüber der BaFin nach § 2c Abs. 1 und Abs. 3 KWG ist das Vorliegen einer bedeutenden Beteiligung. Der Begriff der bedeutenden Beteiligung wird in Absatz 9 der Begriffsbestimmungen des § 1 KWG definiert, der wiederum auf die Definition der qualifizierten Beteiligung in Art. 4 Abs. 1 Nr. 36 CRR39) verweist. Eine bedeutende Beteiligung liegt hiernach vor, wenn x

mindestens 10 % der Kapital- oder Stimmrechtsanteile direkt bzw. unmittelbar gehalten werden,

x

mindestens 10 % der Kapital- oder Stimmrechtsanteile indirekt bzw. mittelbar gehalten werden oder

x

auf die Geschäftsführung des Zielunternehmens maßgeblicher Einfluss ausgeübt werden kann.40)

25 Mithin werden zur gesetzlichen Definition einer bedeutenden Beteiligung gleichermaßen Stimmrechte und Kapitalanteile herangezogen. Auswirkungen kann dieses Nebeneinander der Tatbestandsalternativen dann haben, wenn eine Inkongruenz zwischen Stimmrechts- und Kapitalbeteiligung vorliegt. Dies ist bspw. bei der Emission von stimmrechtslosen Vorzugsaktien der Fall.41) Die alternative Einbeziehung der Kapitalanteile wird damit begründet, dass auch Inhaber großer Kapitalanteile oft faktisch in der Lage sind, auf die Entscheidungsprozesse der Beteiligungsgesellschaft einzuwirken.42) Zudem trägt dies ___________ 35) Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 750. 36) Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019. 37) Vgl. auch Art. 4 Abs. 3 SSM-VO. 38) Begr. RegE z. Gesetz zur Umsetzung der Beteiligungsrichtlinie, BT-Drucks. 16/10536, S. 17. 39) Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. 40) Art. 4 Abs. 1 Nr. 36 CRR; BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle, v. 27.11.2015, IV. 41) Wieland, Inhaberkontrollverfahren, S. 123; Heemann in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 225. 42) Wieland, Inhaberkontrollverfahren, S. 123 m. w. N.

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II. Das Inhaberkontrollverfahren im Einzelnen

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einem der Schutzzwecke der Inhaberkontrolle, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern, Rechnung. Die Anzeigepflicht vor dem Erwerb einer bedeutenden Beteiligung besteht nach § 2c 26 KWG sowohl für allein handelnde Erwerber als auch für solche, die dies „im Zusammenwirken mit anderen Personen oder Unternehmen“ planen. In der zweiten Alternative trifft damit jeden potenziellen Erwerber einer bedeutenden Beteiligung eine (eigene) Anzeigepflicht.43) In praktischer Hinsicht regt die BaFin an, in derartigen Konstellationen die Anzeige „als Paket“ einzureichen, da die Beurteilung innerhalb der formal rechtlich getrennten Inhaberkontrollverfahren tatsächlich durchaus Auswirkungen auf die Verfahren der anderen Anzeigepflichtigen haben können.44) Unabhängig von der Durchführung dieser faktisch zusammenhängenden Inhaberkon- 27 trollverfahren stellt sich jedoch die Frage, wann von einem solchen „Zusammenwirken mit anderen Personen oder Unternehmen“ (Acting in Concert) auszugehen ist.45) Nach den Gemeinsamen Leitlinien sprechen für ein solches Zusammenwirken x

Shareholder- und Corporate-Governance-Agreements,46)

x

die Verwendung gleicher Finanzierungsquellen,

x

die Mitgliedschaft eines Erwerbers im Vorstand oder Aufsichtsrat des Zielunternehmens,

x

die Zugehörigkeit der Erwerber zur gleichen Unternehmensgruppe bzw. bei natürlichen Personen familiäre Beziehungen und

x

gleichmäßige Muster bei der Stimmabgabe.

Bei der Beurteilung dieser Anhaltspunkte im Einzelfall verbleibt der BaFin indes ein 28 großzügiger Bewertungsspielraum. Denn weder sind die genannten Faktoren abschließend, noch sind sie jeweils ein zwingender Indikator für ein Zusammenwirken der Erwerber. Zu beachten ist allerdings, dass nach Rz. 4.7 der Gemeinsamen Leitlinien eine Zusammenarbeit mit dem Ziel einer guten Corporate Governance des Zielunternehmens weiterhin möglich bleiben muss. Die Gemeinsamen Leitlinien enthalten daher gleichzeitig einen Katalog mit Möglichkeiten der Zusammenarbeit, von denen nicht per se auf ein Acting in Concert geschlossen werden kann.47) Hierzu zählen etwa Diskussionen und Handlungsvorschläge, die an die Unternehmensleitung herangetragen werden sollen, die Ausübung gesetzlicher Rechte im Zusammenhang mit und Absprachen zu Beschlüssen auf der Hauptversammlung, solange diese nicht die Bestellung der Mitglieder des Leitungsorgans betreffen. Allein der Umstand, dass eine Zusammenarbeit nicht unter den Katalog fällt, kann wiederum nicht als Indiz für ein Zusammenwirken i. S. des § 2c KWG gewertet werden. Schließlich äußern sich die Leitlinien auch zu der im Hinblick auf die Frage des Acting in 29 Concert kritischen Zusammenarbeit bei der Bestellung des Leitungsorgans. Hier ist neben der Beziehung zwischen vorgeschlagenem Mitglied und Anteilsinhabern zu berück___________ 43) So auch ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 4.4. 44) BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle, v. 27.11.2015, II. 1. 45) Bei der Berechnung einer sog. bedeutenden Beteiligung (s. hierzu Rz. 33 ff.) werden gemäß § 1 Abs. 9 KWG i. V. m. § 34 Abs. 2 WpHG die Kapital- bzw. Stimmanteile mehrerer interessierter Erwerber zusammengerechnet, wenn diese ein „abgestimmtes Verhalten“ zeigen. 46) Nicht gemeint sind dagegen Tag-Along- oder Drag-Along-Agreements sowie rein gesetzliche Bezugsrechte, vgl. ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 4.6. 47) S. ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 4.9.

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§4

Beteiligungskontrolle

sichtigen, ob die Inhaber bereits bei vorherigen Bestellungen zusammengearbeitet haben, ob und wie viele gemeinsame Vorschläge eingebracht wurden, in welcher Beziehung die vorgeschlagenen Mitglieder zu den Anteilsinhabern stehen und schließlich, ob die Bestellung der vorgeschlagenen Mitglieder zu einer Verschiebung des Kräfteverhältnisses im Leitungsorgan führen würde. 30 Beachtenswert erscheint an dieser Stelle zudem eine Änderung in der Verwaltungspraxis der BaFin zu § 34 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 WpHG. Nach diesem liegt in Bezug auf die Meldepflichten des WpHG ein Acting in Concert nicht vor, wenn es sich lediglich um eine koordinierte Stimmrechtsausübung im Einzelfall handelt. Im Anschluss an ein Urteil des BGH48) will die BaFin den Begriff des Einzelfalls rein formal anhand der Häufigkeit einer solchen Koordination bestimmen.49) 31 Ob dies auch für die Zwecke der Inhaberkontrolle gelten soll, erscheint jedoch zweifelhaft. Denn mit den Gemeinsamen Leitlinien finden sich gerade Vorgaben, die zu einer europaweiten Harmonisierung der Zurechnungsregeln beitragen sollen – und die eindeutig auf materielle Kriterien abstellen. Darüber hinaus erscheint eine Anzeigepflicht nur für den Fall einer auf Dauer angelegten Kooperation von Sinn und Zweck des § 2c KWG gedeckt, also dann, wenn tatsächlich mit einer Einflussnahme auf die Geschäftsführung des Instituts gerechnet werden kann. Anderenfalls wäre schon bei einem sporadischen mehrfachen Zusammenwirken von Stimmrechtsinhabern bei für sich betrachtet unbedeutenden Entscheidungen nicht nur an eine Stimmrechtsmeldung nach § 33 WpHG, sondern auch an eine Absichtsanzeige nach § 2c KWG zu denken. 32 Zur Berücksichtigung dieser Erwägungen bei der Auslegung des § 2c Abs. 1 Satz 1 KWG ist zweierlei zu beachten: Zum einen enthält dieser eine eigenständige Grundlage für die Annahme eines Zusammenwirkens mit anderen. Zu dieser Grundlage hat sich die BaFin mit ihrer Änderung der Verwaltungspraxis aber nicht geäußert. Zum anderen verweist § 1 Abs. 9 KWG zur Bestimmung einer bedeutenden Beteiligung auf § 34 Abs. 2 WpHG, der ebenfalls eine Möglichkeit zur Berücksichtigung eines Zusammenwirkens enthält. Die Zurechnungsgründe in § 34 WpHG sollen für die Bestimmung einer bedeutenden Beteiligung jedoch lediglich „entsprechend“ Anwendung finden. Dies lässt nach hier vertretener Ansicht jedoch ausreichend Spielraum, um den abweichenden Zweck des § 2c KWG zu berücksichtigen. a)

Bedeutende Beteiligung (§ 1 Abs. 9 KWG)

33 Eine bedeutende Beteiligung kann nach der Definition in § 1 Abs. 9 KWG i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 36 CRR zunächst dadurch entstehen, dass Kapital- oder Stimmrechtsanteile, die entweder direkt bzw. unmittelbar oder indirekt bzw. mittelbar gehalten werden, eine Schwelle von 10 % überschreiten. Im Falle mehrerer interessierter Erwerber werden die Kapital- bzw. Stimmrechtsanteile dieser interessierten Erwerber zusammengerechnet und eine bedeutende Beteiligung angenommen, wenn sie ein „abgestimmtes Verhalten“ i. S. des § 1 Abs. 9 KWG i. V. m. § 34 Abs. 2 WpHG zeigen und dadurch „zusammenwirken“ i. S. des § 2c Abs. 1 KWG (sog. Acting in Concert, siehe auch Rz. 27).50)

___________ 48) BGH, Urt. v. 25.9.2018 – II ZR 190/17, ZIP 2018, 2214 = BKR 2019, 46. 49) BaFin, FAQ zu den Transparenzpflichten des WpHG in den Abschnitten 6 (§§ 33 ff.) und 7 (§§ 48 ff.), v. 28.10.2015, Stand: 12.9.2019, Frage 8a. 50) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 2c KWG Rz. 7; vgl. zu den Aussagen in den Gemeinsamen Leitlinien auch Rz. 30.

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II. Das Inhaberkontrollverfahren im Einzelnen

§4

Bei der Bestimmung einer bedeutenden Beteiligung findet eine mehrfache Anrechnung 34 statt. Demnach können die Kapital- oder Stimmrechtsanteile am Zielunternehmen neben dem unmittelbar Beteiligten auch mehreren mittelbar Beteiligten zugerechnet werden. Im Ergebnis hält jeder Beteiligte eine bedeutende Beteiligung, wenn er unter Hinzurechnung seiner mittelbaren Beteiligungen kumulativ über mindestens 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte am Zielunternehmen verfügt. Die Anrechnung von Stimmrechts- und Kapitalanteilen ermöglicht die Einbeziehung mit- 35 telbarer Beteiligter in die Anzeigepflicht, da auch mittelbar Beteiligte die Möglichkeiten besitzen, durch den Einfluss auf das direkt beteiligte Unternehmen auch auf das Zielunternehmen einzuwirken.51) Die Anzeigepflicht besteht daher auch für zwischengeschaltete (Holding-)Gesellschaften. Aus Sicht der Aufsichtspraxis zeigt sich die hohe Relevanz einer mehrfachen Anrechnung 36 besonders bei komplexen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsstrukturen. In solchen Strukturen kann eine Vielzahl von Unternehmen anzeigepflichtig werden, obwohl die Unternehmen nicht in einer direkten Beziehung zu dem Zielunternehmen selbst stehen. Die Anzeigepflicht besteht selbst dann, wenn eine Einflussnahme tatsächlich nicht beabsichtigt ist.52) b)

Direkte bzw. unmittelbare bedeutende Beteiligung i. S. des § 2c KWG

Eine direkte bzw. unmittelbare bedeutende Beteiligung i. S. des § 2c KWG liegt grund- 37 sätzlich vor, wenn mindestens 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte des Zielunternehmens erworben werden. Nach § 1 Abs. 9 Satz 3 KWG sind davon allerdings solche Anteile ausgenommen, die von 38 Wertpapierfirmen bzw. Kreditinstituten i. R. des Emissionsgeschäfts nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 KWG gehalten werden, wenn die mit den Anteilen verbundenen Rechte nicht ausgeübt oder anderweitig genutzt werden, als in die Geschäftsführung des Zielunternehmens einzugreifen und die Anteile innerhalb eines Jahres nach dem Erwerb wieder veräußert werden.53) c)

Indirekte bzw. mittelbare bedeutende Beteiligung

Bei der Bestimmung einer indirekten bzw. mittelbaren bedeutenden Beteiligung wird 39 nach § 1 Abs. 9 KWG i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 36 CRR zunächst zwischen einer bedeutenden Beteiligung aufgrund der Kapitalanteile und einer bedeutenden Beteiligung aufgrund der Stimmrechtsanteile am Zielunternehmen unterschieden. Eine mittelbare bedeutende Beteiligung am Kapital des Zielunternehmens wird anhand 40 einer rein quotalen Betrachtung der Beteiligungsverhältnisse bestimmt.54) Dem mittelbar beteiligten Unternehmen werden die Anteile jedes Unternehmens, an dem das mittelbar beteiligte Unternehmen Anteile hält, quotal zugerechnet. Eine mittelbare bedeutende Beteiligung an den Stimmrechten des Zielunternehmens 41 bestimmt sich gemäß § 1 Abs. 9 Satz 2 KWG wiederum danach, ob im Verhältnis zwischen dem übergeordneten Unternehmen und dem am Zielunternehmen beteiligten Unternehmen einer der Zurechnungsgründe des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 WpHG Anwendung ___________ 51) 52) 53) 54)

BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle, v. 27.11.2015, IV. 1. BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle, v. 27.11.2015, IV. 1. Vgl. auch BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle, v. 27.11.2015, IV. 2. BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle, v. 27.11.2015, IV. 3. a. (1).

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§4

Beteiligungskontrolle

findet.55) Liegen Zurechnungsgründe vor, werden die Stimmrechte des unmittelbar beteiligten Unternehmens dem mittelbar beteiligten Unternehmen vollständig zugerechnet. 42 Der weitreichende Anwendungsbereich des § 2c KWG auch auf Unternehmen, die nicht direkt beteiligt werden, führt regelmäßig dann zu Anwendungsfragen, wenn sich Finanzinvestoren an der Zielgesellschaft beteiligen wollen. Beispielsweise in Konstellationen, bei denen über ein oder mehrere Fondsvehikel erworben werden soll, werden die Investmententscheidungen der Fondsvehikel regelmäßig in eigens für das Investment-Management geschaffenen Einheiten oder in rechtsträgerübergreifenden „Boards“ getroffen. Die Frage der Einflussnahme und damit der Zurechnung von Stimmrechten muss insofern detailliert überprüft werden. 43 Die Gemeinsamen Leitlinien sehen indes einen hiervon abweichenden zweistufigen Test zur Bestimmung mittelbarer bedeutender Beteiligungen vor. Vorrangig soll danach das Kriterium der Kontrolle über einen Inhaber bzw. Erwerber einer bedeutenden Beteiligung betrachtet werden, während sich die Frage nach dem erworbenen Stimmrechts- oder Kapitalanteil erst auf zweiter Stufe stellt und Gegenstand des Multiplikationskriteriums ist.56) 44 Will man den Inhalt der Leitlinien entsprechend den Kompetenzen der ESAs aus Art. 16 Abs. 1 der jeweiligen ESA-Verordnung als Konkretisierung (und nicht als Änderung) unionsrechtlicher Vorgaben verstehen, muss das eingeführte Kontrollkriterium der Frage nach einer anderen Möglichkeit zur Ausübung „maßgeblichen Einflusses“ i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 36 CRR zugeordnet werden. Im Ergebnis kehren die Gemeinsamen Leitlinien damit aber das dort angelegte Spezialitätsverhältnis von Stimmrechts- bzw. Kapitalanteilen und sonstiger Möglichkeit zur Wahrnehmung maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung um: Während die CRR den Stimmrechts- bzw. Kapitalanteil als sicheren Indikator für die Wahrnehmung eines maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung und damit als spezielleren Anhaltspunkt versteht, steht nach dem zweistufigen Test der Gemeinsamen Leitlinien vorrangig das Kriterium der „Kontrolle“ als größtmögliche Ausprägung des allgemeinen Merkmals „Möglichkeit der Wahrnehmung eines maßgeblichen Einflusses“ im Mittelpunkt. 45 Daneben bleibt die in Art. 4 Abs. 1 Nr. 36 CRR vorgesehene „andere Möglichkeit der Wahrnehmung eines maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung dieses Unternehmens“ unabhängig von dem Kriterium der Kontrolle weiterhin tauglicher Anknüpfungspunkt für die Begründung einer bedeutenden Beteiligung. aa)

Kontrollkriterium

46 Das Merkmal der Kontrolle soll nach Rz. 3.1 der Leitlinien i. S. des Art. 22 Bilanz-Richtlinie57) verstanden werden. Die Kontrolle über ein Unternehmen besteht danach u. a. dann, wenn die Mehrheit der Stimmrechte gehalten werden, wenn das Recht besteht, als Aktionär die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen bzw. abzuberufen oder dann, wenn ein Beherrschungsvertrag existiert. Nach Rz. 6.3 der Gemeinsamen Leitlinien sind bei Anwendung des Kontrollkriteriums neben den ultimativen Mutterunternehmen auch die natürlichen Personen am Ende der unternehmerischen Kontrollkette als Inhaber einer bedeutenden Beteiligung anzusehen. ___________ 55) BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle, v. 27.11.2015, IV. 3. b. 56) ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 6.2. 57) Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Bilanz-Richtlinie, ABl. (EU) L 182/19 v. 29.6.2013.

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II. Das Inhaberkontrollverfahren im Einzelnen

§4

Kontrolliert ein Dritter den unmittelbaren Erwerber einer bedeutenden Beteiligung oder 47 erwirbt er die Kontrolle über einen bestehenden Inhaber einer bedeutenden Beteiligung, ist nach Rz. 6.4 und 6.5 der Gemeinsamen Leitlinien davon auszugehen, dass die Höhe der Beteiligung des indirekten Erwerbers der des kontrollierten direkten oder indirekten Erwerbers entspricht („Durchrechnung“). bb)

Multiplikationskriterium

Das auf zweiter Stufe anzuwendende sog. „Multiplikationskriterium“ stellt nun auf den 48 bekannten Indikator der gehaltenen Anteile an Stimmrechten oder Kapital des Zielunternehmens ab. Vorgesehen ist eine Multiplikation der gehaltenen Anteile in Prozent entlang der Unternehmenskette, wobei mit dem unmittelbaren Inhaber der bedeutenden Beteiligung am Zielunternehmen zu beginnen ist.58) Die Größe der indirekten bedeutenden Beteiligung stellt sich damit als das Produkt des unmittelbar am Zielunternehmen gehaltenen Anteils und den Anteilen an den jeweils zwischengeschalteten Unternehmen dar. Um eine bedeutende Beteiligung handelt es sich dabei erst dann nicht mehr, wenn dieses Produkt unter den Grenzwert von 10 % fällt und der jeweilige Inhaber auch keine (indirekte) Kontrolle über das Zielunternehmen ausübt. Eine mittelbare bedeutende Beteiligung am Kapital des Zielunternehmens wird dabei 49 (wie bisher)59) anhand einer rein quotalen Betrachtung der Beteiligungsverhältnisse, also durch bloße Multiplikation der Anteile in Prozent bestimmt. Eine mittelbare bedeutende Beteiligung an den Stimmrechten des Zielunternehmens 50 bestimmt sich dagegen danach, ob im Verhältnis zwischen dem übergeordneten Unternehmen und dem am Zielunternehmen beteiligten Unternehmen einer der Zurechnungsgründe des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 WpHG Anwendung findet.60) Liegen Zurechnungsgründe vor,61) werden die Stimmrechte des unmittelbar beteiligten Unternehmens dem mittelbar beteiligten Unternehmen vollständig zugerechnet. Sollte es einmal an solchen Zurechnungsgründen fehlen, wird in der Verwaltungspraxis 51 der BaFin teilweise auf das Multiplikationskriterium zurückgefallen und die Stimmrechtsanteile werden entlang der Unternehmenskette multipliziert.62) Da die Gemeinsamen Leitlinien nicht zwischen Stimmrechts- und Kapitalanteilen differenzieren, tritt das Multiplikationskriterium für die Berechnung mittelbar gehaltener Stimmrechte insoweit neben die Vorgaben des deutschen WpHG und erweitert die Möglichkeit einer durch Stimmrechtsanteile vermittelten bedeutenden Beteiligung.

___________ 58) ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 6.3. 59) BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle, v. 27.11.2015, IV. 3. a. (1). 60) BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle, v. 27.11.2015, IV. 3. b. 61) Einen Überblick zu den Zurechnungsgründen bietet Anhang III des Merkblatts zur Inhaberkontrolle. 62) S. a. Böhm, ZBB 2019, 115, 117.

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§4

Beteiligungskontrolle

52 Abb. 1: Beispiele 1 – 3 Beispiel 1

Beispiel 2

Beispiel 3 D 20 %

51 % B

49 % B

10 % T

C

C

C

51 % B

100 % T

100 % T

Quelle: EASs, Gemeinsame Leitlinien, Anhang II.

T = Zielunternehmen; es wird davon ausgegangen, dass erst ab einer Beteiligung von 50 % die Kontrolle über das Zielunternehmen erlangt und zuvor auch sonst kein maßgeblicher Einfluss ausgeübt wird. In Beispiel 1 erlangt C mit 51 % der Anteile die Kontrolle über B, das seinerseits eine bedeutende Beteiligung i. H. von 10 % an T hält. C hält demnach eine mittelbare bedeutende Beteiligung, die sich aus der Anwendung des Kontrollkriteriums ergibt. Da die Anteile in gleicher Höhe auch C zugeschrieben werden („Durchrechnung“), hält C in Beispiel 1 eine mittelbare bedeutende Beteiligung i. H. von 10 % an T. In Beispiel 2 erlangt C keine Kontrolle über B, sodass das Multiplikationskriterium Anwendung findet. Der von C an B gehaltene Anteil ist folglich mit dem von B an T gehaltenen Anteil zu multiplizieren. Im Ergebnis hält C demnach ebenfalls einen Anteil von 49 % an T und somit eine indirekte bedeutende Beteiligung. In Beispiel 3 hält B eine direkte bedeutende Beteiligung an T, die auch i. H. von 100 % für C angerechnet wird („Durchrechnung“), da C mit 51 % der Anteile die Kontrolle über B ausübt. D übt mit einem Anteil von 20 % keine Kontrolle über C aus, sodass sich eine mittelbare bedeutende Beteiligung nur durch die Anwendung des Multiplikationskriteriums ergeben kann. Multipliziert man daher die jeweiligen Anteile entlang der Unternehmenskette (1,00 x 0,51 x 0,2) ergibt sich für D ein Anteil von 10,2 % an T. Auch D hält daher eine mittelbare bedeutende Beteiligung.

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§4

II. Das Inhaberkontrollverfahren im Einzelnen Abb. 2: Beispiel 4

53 (19,6 %)

(9.604 %)

40 %

51 % (19,6 %)

(15.3 %)

(49 %)

40 %

60 %

(100 %)

30 %

70 % (100 %)

(49 %)

49 %

51 % (100 %) 100 %

T Legende

49 %

(100 %)

Größe der Beteiligung an dem unmittelbar unter dem Anteilsinhaber stehenden Unternehmen Indirekte Beteiligung durch (durchgehende) Anwendung des Kontrollkriteriums

(49 %)

Indirekte bedeutende Beteiligung durch Anwendung des Multiplikationskriteriums

(49 %)

Indirekte bedeutende Beteiligung durch Anwendung des Kontrollkriteriums, wobei die Höhe mangels durchgehender Kontrollkette nach dem Multiplikationskriterium bestimmt werden musste

Quelle: ESAs, Gemeinsame Leitlinien, Anhang II.

d)

Maßgeblicher Einfluss auf die Geschäftsführung

Unabhängig von der Frage, ob der Anzeigepflichtige das Zielunternehmen kontrolliert 54 oder einen direkten oder indirekten Anteil von mindestens 10 % der Stimmrechte oder des Kapitals hält, liegt eine bedeutende Beteiligung auch dann vor, wenn der Anzeigepflichtige auf die Geschäftsführung einen maßgeblichen Einfluss ausüben kann, § 1 Abs. 9 KWG i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 36 CRR. Das Kriterium des maßgeblichen Einflusses ist

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§4

Beteiligungskontrolle

dabei zwar an keiner Stelle gesetzlich definiert, wird nun aber durch die Gemeinsamen Leitlinien näher ausgestaltet.63) 55 Ob ein solcher Einfluss besteht, war nach dem BaFin-Merkblatt zur Inhaberkontrolle schon bisher anhand einer normativen Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls zu bestimmen.64) Hieran ändern zunächst auch die Gemeinsamen Leitlinien nichts. Die NCA soll zur Beurteilung des maßgeblichen Einflusses „alle relevanten Fakten und Umstände berücksichtigen.“65) 56 Auch über die Modalitäten der konkreten Wertungsentscheidung hinaus sind die Vorgaben der Gemeinsamen Leitlinien jedenfalls zum Teil aus der Verwaltungspraxis der BaFin bekannt. Sah diese bislang insbesondere eine personelle Verflechtung in den Leitungsgremien der Gesellschaften, sonstige Möglichkeiten zur Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse66) und die Bereitstellung bedeutender technischer Informationen als Anhaltspunkte für einen maßgeblichen Einfluss an, gewinnen nun formelle Aspekte, wie die Anteilseignerstruktur des Zielunternehmens (Aktien in Streubesitz; ggf. Anteil an Vorzugsaktien), dessen Beziehungen zu den sonstigen Anteilseignern und eine etwaige Zugehörigkeit des Erwerbers zur Gruppe des Zielunternehmens an Bedeutung.67) Eine tatsächliche Einflussnahme auf das Zielunternehmen ist dabei nach den Gemeinsamen Leitlinien, wie auch nach dem bisherigen Verständnis der BaFin nicht erforderlich, vielmehr reicht bereits die bloße Möglichkeit der Einflussnahme zur Annahme eines maßgeblichen Einflusses aus.68) e)

Praktische Durchführung

57 Das ultimative Mutterunternehmen kann nach Rz. 6.4 der Gemeinsamen Leitlinien die Anzeige auch im Auftrag aller zwischengeschalteten Inhaber einer bedeutenden Beteiligung vornehmen, wenn die NCA dies gestattet. Die unmittelbar erwerbende Gesellschaft bleibt jedoch selbst anzeigepflichtig.69) 58 Nach § 16 Abs. 3 InhKontrollV besteht zudem die Möglichkeit, bei konzernangehörigen Unternehmen auf die Inhaberkontrolle (nicht aber auf die Anzeige) zu verzichten. Die Entscheidung steht im Ermessen der BaFin und muss dem Anzeigepflichtigen nach § 16 Abs. 3 Satz 1 InhKontrollV schriftlich mitgeteilt werden. Allerdings sehen die Gemeinsamen Leitlinien einen Verzicht auf eine Überprüfung nur für beaufsichtigte mittelbare Erwerber vor, über die bereits aktuelle Informationen verfügbar sind.70) Die EZB scheint im Vergleich mit der BaFin von den fakultativen Befreiungen des § 16 Abs. 3 InhKontrollV deutlich restriktiver Gebrauch zu machen und sich eher an den Gemeinsamen Leitlinien ___________ 63) S. ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 5.1. 64) BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle, v. 27.11.2015, IV. 4. 65) ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 5.3. 66) Etwa durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag i. S. des § 291 Abs. 1 AktG oder die Möglichkeit zum Austausch von Führungspersonal. 67) S. ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 5.2. 68) BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle, v. 27.11.2015, IV. 4; zum Vergleich ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 5.3. 69) ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 6.5. 70) ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 6.7.

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II. Das Inhaberkontrollverfahren im Einzelnen

§4

zu orientieren. Sollte die BaFin oder die EZB jedoch von dieser Befreiungsmöglichkeit Gebrauch machen, so findet ein Kontrollverfahren nur im Hinblick auf den unmittelbaren Erwerber und das ultimative Mutterunternehmen statt. Für beaufsichtigte Unternehmen sowie für Konzernunternehmen kann zusätzlich nach 59 § 16 Abs. 2 InhKontrollV auf die Einreichung gewisser Unterlagen verzichtet werden. Dies sind bei im Inland zugelassenen Kreditinstituten insbesondere gesellschaftsrechtliche Dokumente, Unterlagen zur Zuverlässigkeit, Lebensläufe, Angaben zu Beteiligungsverhältnissen und Konzernzugehörigkeit, eine Beschreibung der finanziellen und sonstigen Interessen an der Beteiligung sowie Angaben zur Finanzlage des Erwerbers und zur Finanzierung des Erwerbs. Konzernunternehmen können dagegen auf die Einreichung von Unterlagen zur Zuverlässigkeit und Lebensläufe verzichten, soweit diese von einem anderen konzernangehörigen Anzeigepflichtigen einzureichen waren. Gleiches gilt für Angaben zum Konzern und zur Finanzlage des Konzerns. Das deutsche Recht wählt hier einen geringfügig strengeren Ansatz als die gemeinsamen 60 Leitlinien und verzichtet bei beaufsichtigten, konzernangehörigen Erwerbern nicht vollständig auf eine Überprüfung, sondern nur auf die Einreichung von Unterlagen. Soll auch auf die Überprüfung verzichtet werden, bedarf dies einer ausdrücklichen Erklärung nach § 16 Abs. 3 InhKontrollV. Andererseits kann nach § 16 Abs. 2 InhKontrollV auch für den unmittelbar Anzeigepflichtigen auf eine Einreichung gewisser Unterlagen verzichtet werden. 4.

Weitere Anzeigetatbestände

Neben dem oben erwähnten Regelfall der Anzeigepflicht nach § 2c Abs. 1 Satz 1 KWG 61 bei Ersterwerb bestehen weitere Anzeigetatbestände in folgenden Fällen: a)

Beteiligungserhöhung

Eine Anzeigepflicht besteht nach § 2c Abs. 1 Satz 6 KWG auch dann, wenn beabsichtigt 62 wird, den Anteil der gehaltenen bedeutenden Beteiligung in einem Umfang zu erhöhen, dass die relevanten Schwellen von 20 %, 30 % oder 50 % der Stimmrechts- oder Kapitalanteile erreicht bzw. überschritten werden oder die Kontrolle über das Zielunternehmen zu übernehmen. b)

Beteiligungsaufgabe

Ebenfalls anzeigepflichtig ist nach § 2c Abs. 3 KWG schließlich derjenige, der beabsich- 63 tigt, eine bedeutende Beteiligung aufzugeben bzw. die genannten Schwellen zu unterschreiten oder die Kontrolle über das Zielunternehmen aufzugeben. c)

Wechsel der satzungsmäßigen Vertreter

Nach § 2c Abs. 1 Satz 5 KWG besteht zudem eine (erneute) Anzeigepflicht des Inhabers 64 einer bedeutenden Beteiligung, wenn ein gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vertreter des Anzeigepflichtigen neu bestellt oder ein neuer persönlich haftender Gesellschafter in den Gesellschafterkreis aufgenommen wird. 5.

Anzeigepflicht und einzureichende Unterlagen

a)

Zeitpunkt der Anzeigepflicht

Vor dem Hintergrund des erheblichen Aufwands, den die Durchführung eines Inhaber- 65 kontrollverfahrens für den Antragsteller regelmäßig mit sich bringt, ist die Frage, wann die Anzeige spätestens einzureichen ist, von zentraler Bedeutung. Der Wortlaut des § 2c Abs. 1 Satz 1 KWG leistet mit der Forderung, dass die Anzeige unverzüglich (und damit Steck

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§4

Beteiligungskontrolle

nach Maßgabe von § 121 Abs. 1 BGB ohne schuldhaftes Zögern) einzureichen sei, nur wenig praktische Hilfestellung. Das Merkblatt zur Inhaberkontrolle gestaltet sich diesbezüglich etwas konkreter und stellt klar, dass die Anzeigepflicht bereits mit der Absicht des Erwerbs (bzw. der Veränderung einer bestehenden oder der Aufgabe) einer bedeutenden Beteiligung besteht.71) Diese Absicht sei spätestens mit der Aufnahme konkreter Vertragsverhandlungen zum Erwerb der Beteiligung anzunehmen, wobei sie im Einzelfall auch schon vorher anzunehmen sein könne.72) Einer zeitlichen Vorverlagerung seien allerdings insoweit faktische Grenzen gesetzt, als die finanzielle Solidität des interessierten Erwerbers erst dann überprüft werden könne, wenn zumindest die Eckdaten der Transaktion sowie belastbare Prognosen und Kennzahlen feststünden.73) Regelungstechnisch kann bei der Frage nach einer Anzeigepflicht gemäß § 2c KWG zwischen den Merkmalen des Erwerbs und der hierauf bezogenen Absicht unterschieden werden. 66 Als Erwerb in diesem Sinne muss dabei jeder Vorgang verstanden werden, der dem Betroffenen Zugriff auf die Stimmrechte des beaufsichtigten Unternehmens verschafft bzw. zu einer entsprechenden Zurechnung der Stimmrechte führt.74) Auf die Art und Weise des Erwerbs (rechtsgeschäftlich oder gesetzlich) oder auf eine Mitwirkung des Erwerbers kann es vor dem Hintergrund des umfassenden Prüfungsregimes, das der Gesetzgeber der BaFin für die Inhaber einer bedeutenden Beteiligung zur Verfügung gestellt hat, nicht ankommen.75) 67 In der Praxis problematisch ist jedoch häufig die Bestimmung des genauen Zeitpunkts der Erwerbsabsicht.76) Beispielsweise ist es fraglich, ob die Durchführung einer Due Diligence als Anknüpfungspunkt bereits genügt und somit gleichfalls vorsorglich mit der zeitund kostenintensiven Vorbereitung einer Erwerbsabsichtsanzeige zu beginnen ist. Einen zumindest indirekten Anhaltspunkt hierzu enthalten nun die Gemeinsamen Leitlinien, indem sie Kriterien zur (nachträglichen) Beantwortung der Frage zur Verfügung stellen, ob ein Beschluss zum Erwerb der Beteiligung getroffen wurde (Decision to Acquire). Diesem aus Art. 22 Abs. 1 CRD IV stammenden Kriterium lässt sich jedenfalls entnehmen, dass eine die Erwerbsabsicht manifestierende Willensbildung auf Seiten des Erwerbers bereits abschließend vollzogen sein muss. Dies dürfte zumindest dann gegeben sein, wenn alle notwendigen internen Beschlüsse zur Durchführung der Transaktion eingeholt wurden. 68 Eine besondere Schwierigkeit kann sich in denjenigen Situationen ergeben, in denen zwar eine grundsätzliche Absicht zum Erwerb gegeben ist, die konkrete Transaktionsstruktur, aber noch nicht klar ist, also insbesondere, ob die Beteiligung direkt oder indirekt gehalten wird und wenn Letzteres der Fall ist, wie die Beteiligungsstruktur i. E. ausgestaltet wird. 69 Hier dürfte ein Anzeigetatbestand aufgrund der vorhandenen Absicht bereits gegeben sein. Dieser erstreckt sich nicht notwendigerweise auf eventuell zwischengeschaltete Gesellschaften, die insofern erst zu einem späteren Zeitpunkt anzeigepflichtig werden können. Bei der zum Zwecke des Erwerbs eigens errichteten Zwischengesellschaft liegt dies auf der Hand, da sie vor ihrem Entstehen noch keine Absicht entfalten kann. Es betrifft aber ebenso existierende Rechtsträger, die erst im Nachhinein in die Transaktionsstruktur mit einbe___________ 71) 72) 73) 74) 75) 76)

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BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle, v. 27.11.2015, II. 2. BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle, v. 27.11.2015, II. 2. BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle, v. 27.11.2015, II. 2. Vgl. auch Wieland, Inhaberkontrollverfahren, S. 193. I. E. ebenso Wieland, Inhaberkontrollverfahren, S. 194. Typische Problemfälle sind bei Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 2c KWG Rz. 10, dargestellt.

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II. Das Inhaberkontrollverfahren im Einzelnen

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zogen werden. Bei unklarer Transaktionsstruktur aber bestehender Absicht ist in jedem Fall mit den Aufsichtsbehörden im Einzelfall abzustimmen, welche Unterlagen zu diesem Zeitpunkt einzureichen sind. In Abstimmung mit der Aufsicht kann eine erste Absichtsbekundung ggf. durch die Einreichung des Formblatts „Erwerb/Erhöhung“ erfolgen. Im Nachgang können sodann die gesetzlich erforderlichen Unterlagen eingereicht werden. Da das Kriterium des endgültigen Erwerbsbeschlusses (und damit der Auslöser für die 70 Anzeigepflicht) jedenfalls dann leerläuft, wenn der Erwerber die relevanten Schwellen unbewusst überschreitet oder dies zumindest behauptet, äußern sich die Gemeinsamen Leitlinien auch dazu, wann von einem solchen Beschluss ausgegangen werden kann.77) Zu berücksichtigen ist danach, ob der Erwerber von der maßgeblichen Transaktion wusste oder von ihr hätte wissen müssen und ob er die Erhöhung der Beteiligung beeinflussen oder gar hätte verhindern können. An Letzterem fehlt es insbesondere bei einem Anteilsrückkauf durch das (Ziel-)Unternehmen, durch das der prozentuale Anteil des Anzeigepflichtigen steigt.78) Abgesehen hiervon soll eine unbewusste Überschreitung jedoch nur in Ausnahmefällen angenommen werden. Eine Sonderkonstellation bildet schließlich auch der Erwerb von Optionen und (Pflicht-) 71 Wandelanleihen, da ein künftiger Beteiligungserwerb zwar absehbar aber eben nicht sicher ist. Eine Erwerbsabsicht könnte hier mit dem Umstand begründet werden, dass ein Erwerb solcher Instrumente in der Höhe einer bedeutenden Beteiligung kaum glaubhaft mit bloßen Anlagezwecken begründet werden kann.79) Auch wenn ein solcher Schluss zunächst plausibel erscheint, berücksichtigt er dennoch 72 nicht die erhebliche Unsicherheit, mit der ein zukünftiger Beteiligungserwerb in diesem Fall belastet ist. Da die jeweiligen Instrumente frei handelbar sind, steht ein Erwerb des Betroffenen i. S. des § 2c KWG mit der bloßen Berechtigung an dem Instrument noch keineswegs fest, diese können vielmehr jederzeit weiterveräußert werden.80) Die Literatur geht daher ganz überwiegend davon aus, dass sich aus dem bloßen Halten eines solchen Instruments keine entsprechende Absicht des Inhabers ableiten lässt.81) Dieses Ergebnis trifft auch aus teleologischen Erwägungen zu. Die Anzeigepflicht soll die Aufsichtsbehörden über die Steuerungsmöglichkeiten der Eigentümer informieren, sie knüpft also an die tatsächliche Fähigkeit zur Einflussnahme an82) – die Einbeziehung von Kapitalanteilen zeigt dies ganz deutlich. Gerade bei einer bloßen Erwerbsmöglichkeit durch Optionen oder (Pflicht-)Wandelanleihen besteht ein solcher Einfluss aber (noch) nicht. Vielmehr kann, im Fall von Optionen, der bisherige Inhaber die Stimmrechte auch gänzlich entgegen den ___________ 77) Die Frage, ob ein solcher Beschluss tatsächlich gefasst wurde, wird sich typischerweise nicht beim Ersterwerb einer bedeutenden Beteiligung, sondern bei einem (sukzessiven) Anwachsen der Stimmrechts- oder Kapitalanteile stellen, durch das eine relevante Meldeschwelle überschritten wird. 78) So auch ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 7.3. 79) Hierbei soll es sich nach Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 2c KWG Rz. 6 um die Auffassung der BaFin handeln. 80) Mönning, Die aufsichtsbehördliche Überwachung der Inhaber bedeutender Beteiligungen an Versicherungsunternehmen, S. 70; Beck/Samm/Kokemoor-von den Steinen, KWG mit CRR, § 2c KWG Rz. 83a; Schwennicke/Auerbach-Süßmann, KWG, § 2c Rz 9. 81) Wieland, Inhaberkontrollverfahren, S. 147 ff., 205f.; Beck/Samm/Kokemoor-von den Steinen, KWG mit CRR, § 2c KWG Rz. 83; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 2c KWG Rz. 10; wohl auch auf eine fehlende Absicht abstellend Schwennicke/Auerbach-Süßmann, KWG, § 2c Rz 9; Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/Weber, KWG und CRR, § 2c KWG Rz. 34. 82) Vgl. Hirschmann, Anteilseignerkontrolle im Versicherungs- und Kreditwirtschaftsrecht, S. 60 f.; Mönning, Die aufsichtsbehördliche Überwachung der Inhaber bedeutender Beteiligungen an Versicherungsunternehmen, S. 68 f.

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Beteiligungskontrolle

Vorstellungen seiner Gegenpartei ausüben.83) Gleichzeitig besteht durch die Meldepflicht aus § 33 Abs. 1 i. V. m. § 34 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 38 WpHG auch eine hinreichende Markttransparenz. Einer zusätzlichen Anzeige nach § 2c KWG bedarf es daher nicht.84) Auch im Falle von Optionen und Wandelanleihen entsteht eine Anzeigepflicht daher erst mit dem Beschluss, die Beteiligung tatsächlich zu erwerben85) oder, falls der Erwerb nicht von dem Willen des Inhabers des Instruments abhängt, in dem Zeitpunkt, in dem dieser tatsächlich eintritt.86) b)

Vollständigkeit der einzureichenden Dokumente

73 Zu der Frage, wann die Anzeige vollständig ist, enthält § 6 Abs. 2 InhKontrollV lediglich die Information, dass das in der InhKontrollV enthaltene Formular „Erwerb-Erhöhung“ vollständig ausgefüllt und diesem „alle erforderlichen Anlagen“ beigefügt sein müssen. Die Antwort auf die Frage, welchen Detailgrad die einzelnen Anlagen (bspw. der Geschäftsplan) im konkreten Fall aufweisen müssen, lässt die InhKontrollV jedoch offen. Dies ist auch nicht immer von vornherein absehbar. 74 Entscheidend für die Beurteilung, wann eine Anzeige vollständig vorliegt und somit der Fristlauf in Gang gesetzt wird, ist nach § 6 Abs. 3 InhKontrollV der vollständige Eingang bei der BaFin, nicht bei der Bundesbank. 75 Zu den einzureichenden Anlagen gehören insbesondere x

Beglaubigte Kopie der Gründungsdokumente, des aktuellen Gesellschaftsvertrags sowie des aktuellen Handelsregisterauszugs;

x

Unterlagen zur Zuverlässigkeit; bei natürlichen Personen beinhalten diese neben dem Formular der BaFin noch ein Führungszeugnis zur Vorlage bei Behörden – Belegart „O“ sowie einen Auszug aus dem Gewerbezentralregister.

x

Natürliche Personen müssen außerdem einen Lebenslauf einreichen.

x

Darstellung der Erwerbsinteressen;

x

Geschäftsplan bzw. Darstellung strategischer Ziele und Pläne;

x

Liste der beaufsichtigten, von dem Anzeigepflichtigen kontrollierten Unternehmen;

x

Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse;

x

Darstellung der für den Erwerb erforderlichen Eigen- und Fremdmittel;

x

Darstellung der Konzernstruktur;

x

Übersicht sämtlicher im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Erwerb getroffener Vereinbarungen und Verträge.

76 Eine ausführliche Liste mit einzureichenden Informationen, die aber weitgehend den von der BaFin verlangten Angaben entsprechen, findet sich nun auch in Anhang I der Gemeinsamen Leitlinien. Neuerungen ergeben sich hierbei u. a. in folgenden Bereichen: ___________ 83) Wieland, Inhaberkontrollverfahren, S. 145. 84) Vgl. Mönning, Die aufsichtsbehördliche Überwachung der Inhaber bedeutender Beteiligungen an Versicherungsunternehmen, S. 69; Hirschmann, Anteilseignerkontrolle im Versicherungs- und Kreditwirtschaftsrecht, S. 61. 85) Dieser Erwerb kann z. B. im Falle von european oder bermudan options auch noch weit in der Zukunft liegen, dies ist aber unschädlich, solange der (dann ohne weiteres durchführbare) Erwerbsbeschluss bereits gefallen ist. 86) Vgl. auch Wieland, Inhaberkontrollverfahren, S. 205f.; Beck/Samm/Kokemoor-von den Steinen, KWG mit CRR, § 2c KWG Rz. 83a; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 2c KWG Rz. 10; Schwennicke/Auerbach-Süßmann, KWG, § 2c Rz 9.

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II. Das Inhaberkontrollverfahren im Einzelnen

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x

Für Treuhandgesellschaften ist die Identität aller Treuhänder und Treugeber offenzulegen und deren jeweiliger Anteil an der Einkommensverteilung anzugeben;

x

ist der Erwerber ein Staats-, Private-Equity- oder ein Hedgefonds, sind u. a. Angaben zur Anlagepolitik und der für die Anlageentscheidung verantwortlichen Person zu machen;

x

zu dem beruflichen Werdegang der zukünftigen Geschäftsleiter des Zielunternehmens sind Referenzpersonen und Empfehlungsschreiben einzureichen;

x

für gruppenangehörige Erwerber soll der NCA eine Analyse des Umfangs der möglichen konsolidierten Beaufsichtigung des Zielunternehmens und der Gruppe, zu der es nach dem Erwerb gehören würde, vorgelegt werden.

Der Anwendungsbereich dieser Informationsliste bestimmt sich nach Rz. 9.5 der Ge- 77 meinsamen Leitlinien. Danach ist die vollständige Liste zurzeit nur für bedeutende Beteiligungen an Wertpapierfirmen anzuwenden, für Beteiligungen an Kreditinstituten sollen bis zum Inkrafttreten technischer Regulierungsstandards der EBA nur die in den Abschnitten 7–12 des Anhangs genannten Informationen eingeholt werden. In einem gesonderten Abschnitt zur Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes 78 betonen die Gemeinsamen Leitlinien dessen Bedeutung für den Umfang der zu erhebenden Informationen. Insbesondere soll der Aufwand bei gruppeninternen Transaktionen gesenkt werden: Eine vollständige Kontrolle soll hier nur noch für neue Gruppenunternehmen und eine ggf. neue Gruppenstruktur erfolgen, die Meldung soll dabei allein von dem unmittelbaren Erwerber ausgehen. Daneben soll bei der Umstrukturierung von indirekten zu direkten bedeutenden Beteiligungen eine aufsichtsrechtliche Überprüfung des Inhabers nur hinsichtlich der Änderungen seit der letzten Überprüfung stattfinden. Diesen Vorgaben kann in der Praxis durch eine Anwendung der Ausnahme und Befreiungsvorschriften nach § 16 InhKontrollV genüge getan werden. c)

Formerfordernisse der Unterlagen

Grundsätzlich sind alle Unterlagen gemäß § 2c KWG in schriftlicher Form einzureichen. 79 Darüberhinausgehende Anforderungen ergeben sich aber teilweise aus der InhKontrollV. Im Hinblick auf die Formerfordernisse der InhKontrollV und dem damit mitunter verbundenen Aufwand hat es sich in der Praxis etabliert, die im konkreten Fall gewünschte Form vorab mit der BaFin abzusprechen. Je nach Inanspruchnahme möglicher Erleichterungen durch die BaFin können die Vorlaufzeiten für die Einreichung dadurch zum Teil deutlich verkürzt und dem Anzeigepflichtigen erhebliche Ausgaben erspart werden. Für einige wenige, in der Regel aber für das Inhaberkontrollverfahren zentrale Dokumen- 80 te, fordert die InhKontrollV die Einreichung amtlich beglaubigter Kopien,87) ohne hier ein Ermessen für die BaFin vorzusehen – so etwa für die Gründungsdokumente und Existenznachweise des Anzeigepflichtigen. Unterlagen und Erklärungen, die nicht auf Deutsch verfasst sind, sind grundsätzlich gemäß 81 § 2 Abs. 3 Satz 1 InhKontrollV als beglaubigte Übersetzungen einzureichen. Vor dem Hintergrund des immensen Dokumentenumfangs, den ein durchschnittliches Inhaberkontrollverfahren verursacht, ist die Übersetzung aller Dokumente gerade bei ausländischen Anzeigepflichtigen ein erheblicher Zeit- und Kostenfaktor. Der BaFin wird in Satz 2 das Ermessen ___________ 87) (i) Empfangsbevollmächtigung (§ 3 Satz 2 InhKontrollV), (ii) Personalausweis (§ 8 Nr. 1 lit. a InhKontrollV), (iii) Gründungsdokumente (§ 8 Nr. 1 lit. b Halbs. 1 InhKontrollV), (iv) Auszug aus dem HR-Register etc. (§ 8 Nr. 1 lit. b Halbs. 2 InhKontrollV), (v) aktuelle Satzung, aktueller Gesellschaftsvertrag oder gleichwertige Vereinbarung (§ 8 Nr. 2 InhKontrollV), (vi) Urteile, Beschlüsse und andere Sanktionen (§ 9 Abs. 1 Satz 5 InhKontrollV).

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eingeräumt, auf amtlich beglaubigte Übersetzungen im Einzelfall zu verzichten. Um von dieser Möglichkeit im Interesse des Anzeigepflichtigen möglichst umfangreich Gebrauch machen zu können, empfiehlt es sich, auch diesen Aspekt im Vorfeld der Transaktion mit der Aufsicht zu besprechen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die BaFin häufig auf die beglaubigte Übersetzung von kurzen englischsprachigen Dokumenten wie etwa von Lebensläufen, Führungszeugnissen und Handelsregisterauszügen verzichtet und bei längeren Dokumenten eine auszugsweise beglaubigte Übersetzung genügen lässt, so dass sich hier erheblich Zeit und Kosten sparen lassen. Sind die genannten Dokumente jedoch in einer anderen Sprache als Englisch verfasst oder handelt es sich um zentrale Dokumente für das Verfahren, ist eine beglaubigte Übersetzung in den meisten Fällen erforderlich. 82 Um den Dokumentationsaufwand im Interesse des Anzeigepflichtigen möglichst gering zu halten, kann vor der Einreichung in Gesprächen mit der BaFin auch über die Notwendigkeit von Legalisationen bzw. Apostillen gesprochen werden. Sind Länder involviert, bei denen der Echtheitsnachweis nicht aufgrund bilateraler oder multilateraler Abkommen entbehrlich ist, kann etwa die Möglichkeit diskutiert werden, dass ein Unterzeichner seine erforderliche Unterschrift durch einen deutschen Konsularbeamten im Ausland beglaubigen lässt.88) 6.

Bestätigung der Vollständigkeit und Beurteilungszeitraum

83 Liegt der BaFin die Absichtsanzeige vollständig vor, hat sie deren Vollständigkeit gemäß § 2c Abs. 1 Satz 7 KWG gegenüber dem Anzeigepflichtigen bzw. dessen Vertreter umgehend, spätestens jedoch innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Zugang, schriftlich zu bestätigen. Die Vielzahl an einzureichenden Unterlagen und die im Einzelfall geforderte Detailtiefe hinsichtlich mancher Dokumente (insbesondere Geschäftsplan/Business Plan), führt jedoch häufig dazu, dass in der Praxis Ersteinreichungen von der BaFin als noch nicht vollständig angesehen werden. Im Gegenteil lässt sich von kaum einem Verfahren berichten, in dem die BaFin (ungeachtet der Frage, ob sie die Vollständigkeitsvoraussetzungen für gegeben hält) innerhalb von zwei Tagen eine entsprechende Bestätigung erteilt hat. Teilweise ist jedoch auch zu beobachten, dass die BaFin eine Erklärung über die Vollständigkeit der Unterlagen nachträglich abgibt und dann mitteilt, dass der Beurteilungszeitraum mit dem Datum der Einreichung begonnen hat. Auch in Fällen, in denen eine Vollständigkeit von Seiten der BaFin als nicht gegeben angesehen wird, versendete diese nach Ablauf der Zwei-Tage-Frist (anders als es der Wortlaut vermuten lässt) bisher jedoch keine Mitteilung, dass und aus welchen Gründen die Vollständigkeit nicht gegeben ist. Auch die Abstimmung mit der EZB zur Frage der Vollständigkeit scheint hier einen nicht unbeachtlichen Zeitaufwand zu verursachen. 84 Nach Rz. 9.2 der Gemeinsamen Leitlinien sollen die NCAs den Eingang der Unterlagen jedoch auch dann bestätigen, wenn diese noch unvollständig sind. Welche Informationen noch zu ergänzen sind, kann jedoch einem weiteren Schreiben vorbehalten bleiben. 85 Die bisherige Handhabung führt zwischen den Beteiligten regelmäßig zu einer bestimmten Rechtsunsicherheit und konterkariert zu einem gewissen Teil den sehr schematischen Ansatz einer auf einen Prüfungszeitraum beschränkten Beurteilungsfrist, der eigentlich dem schnellen Gewinn von Rechtssicherheit dienen sollte. Die Gemeinsamen Leitlinien sehen daher ausdrücklich vor, dass die Bestätigung nur die formelle Vollständigkeit der Anzeige betreffen soll, eine materielle Überprüfung der eingereichten Angaben wird ausdrücklich ausgeschlossen. Ob die BaFin ihre Verwaltungspraxis dementsprechend anpassen wird, bleibt abzuwarten. ___________ 88) Vgl. hierzu das Gesetz über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse – Konsulargesetz (KonsG), v. 11.9.1974, BGBl. I 1974, 2317, insb. die §§ 2 und 10.

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II. Das Inhaberkontrollverfahren im Einzelnen

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Mit der Bestätigung der Vollständigkeit beginnt ein grundsätzlich 60-tägiger (Arbeitstage) 86 Beurteilungszeitraum der BaFin. Als Arbeitstage i. R. des § 2c KWG gelten die Tage Montag bis Freitag ohne die gesetzlichen Feiertage.89) Aufgrund des Doppelsitzes der BaFin in Bonn und Frankfurt a. M. zählen zu Letzteren auch die gesetzlichen Feiertage in Hessen und Nordrhein-Westfalen.90) Trotz der Vollständigkeitsbestätigung kann die BaFin bis zum 50. Arbeitstag des Beurtei- 87 lungszeitraums schriftlich weitere Informationen anfordern, die sie für die Beurteilung des Verfahrens für erforderlich hält. Der Eingang der weiteren, angeforderten Informationen ist dem Anzeigensteller gegenüber, ebenso wie der Eingang der ursprünglichen Anzeige, innerhalb von maximal zwei Tagen schriftlich anzuzeigen. Bis zum Eingang der weiteren Informationen bei der BaFin ist der Fristablauf des Beurteilungszeitraums gemäß § 2c Abs. 1a Satz 6 KWG gehemmt. Im Falle der Anforderung weiterer Informationen verlängert sich der Beurteilungszeitraum jedoch gemäß § 2c Abs. 1a Satz 7 KWG maximal auf 80 Arbeitstage.91) 7.

Vollzugsverbot während des Beurteilungszeitraums

Von großer praktischer Bedeutung i. R. einer Transaktion ist die Frage, ob ein beabsich- 88 tigter Erwerb bereits vor Ablauf des Beurteilungszeitraums der BaFin durchgeführt werden kann oder ob der Ablauf des mindestens 60-tägigen Beurteilungszeitraums abzuwarten ist. Diese Frage ist gleichermaßen für den Erwerber wie auch für den Verkäufer einer bedeutenden Beteiligung relevant. Der Erwerber hat regelmäßig ein Interesse an einem raschen Vollzug, um Unsicherheiten im Zielunternehmen zu vermeiden und zeitnah Synergieeffekte zu erzielen. Auch besteht bei einem faktischen Vollzugsverbot bis zum Ablauf des Beurteilungszeitraums ggf. die Gefahr, dass zwischen Signing und Closing für den Kauf benötigte Zusagen auslaufen oder ein vertraglich vereinbarter Rücktrittsgrund eintritt. Der Verkäufer hat ein hohes Interesse an einer zeitnahen Durchführung des Verkaufs, um über den Verkaufspreis verfügen zu können. Weiterhin drohen dem Verkäufer Haftungsrisiken aus Freistellungen, Garantien oder Gewährleistungen, die er ggf. gegenüber dem Käufer für den Zeitpunkt des Vollzugs abgegeben hat.92) Ein Vollzugsverbot ist im Gesetz nicht explizit angelegt und wird in der Literatur kontro- 89 vers diskutiert.93) Gegen die Annahme eines Vollzugsverbots spricht insbesondere die Systematik, nach der 90 es sich bei dem Erwerb einer bedeutenden Beteiligung um eine Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt handelt, wie sich aus den Untersagungsgründen des § 2c Abs. 1b KWG ergibt. Auch der Vergleich mit dem Kartellrecht, das bei einem entsprechenden Verfahren ein explizites Vollzugsverbot vorsieht, spricht gegen ein Vollzugsverbot nach § 2c KWG. So heißt es in § 41 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB): „Die Unternehmen dürfen einen Zusammenschluss, der vom Bundeskartellamt nicht freigegeben ist, nicht vor Ablauf der Fristen nach […] vollziehen oder am Vollzug dieses Zusammenschlusses mitwirken […]“.

___________ 89) Begr. RegE z. Gesetz zur Umsetzung der Beteiligungsrichtlinie, BT-Drucks. 16/10536, S. 17. 90) BaFin, Merkblatt zur Inhaberkontrolle v. 27.11.2015, V. 1. c. 91) Eine Ausdehnung auf maximal 90 Arbeitstage im Falle einer Hemmung erfolgt ausnahmsweise gemäß § 2c Abs. 1a Satz 9 KWG nur dann, wenn der Anzeigepflichtige (i) außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums ansässig oder beaufsichtigt wird oder (ii) nicht eine nach der OGAW, der MiFID (bzw. MiFID II), oder einer sonstigen im Gesetzestext genannten Richtlinien beaufsichtigte natürliche Person oder Unternehmen ist. 92) Vgl. zu den möglichen Interessen auch Wieland, Inhaberkontrollverfahren, S. 256 f. 93) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 2c KWG Rz. 26 m. w. N.

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91 Diese explizite Formulierung wurde nachträglich in das GWB aufgenommen. Der Umstand, dass eine vergleichbare Regelung keinen Eingang in das KWG gefunden hat, spricht gegen die Annahme eines Vollzugsverbots. Zum Teil wird indes ein Vollzugsverbot aus einem Umkehrschluss zu § 2c Abs. 1b Satz 6 KWG hergeleitet, der den Vollzug gestattet, wenn der Erwerb nicht innerhalb des Beurteilungszeitraums schriftlich untersagt wird. Im Umkehrschluss soll dieser Satz so zu lesen sein, dass vor Fristablauf nicht vollzogen werden darf.94) 92 Gegen diese Argumentation spricht, dass die BaFin Maßnahmen nach § 2c Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 KWG nur dann anordnen kann, wenn eine Beteiligung entgegen einer (ausdrücklichen) vollziehbaren Untersagung erworben bzw. erhöht worden ist. Eine derartige Regelung würde indes ins Leere laufen, wenn ein Vollzug vor Fristablauf grundsätzlich gesetzlich verboten wäre. 93 Unabhängig von der Frage, ob § 2c KWG ein Vollzugsverbot bis zum Ablauf des Beurteilungszeitraums zu entnehmen ist, ist der Vollzug jedenfalls zivilrechtlich wirksam, weil § 2c KWG kein Verbotsgesetz i. S. des § 134 BGB darstellt.95) 8.

Untersagungsgründe

94 Die Gründe, aus denen die BaFin den beabsichtigten Erwerb einer bedeutenden Beteiligung innerhalb des Beurteilungszeitraums untersagen kann, sind in § 2c Abs. 1b KWG abschließend aufgeführt. Insgesamt hat der Gesetzgeber sieben Untersagungsgründe vorgesehen, die im Folgenden kurz dargestellt werden. a)

Unzuverlässigkeit (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 KWG)

95 Nach § 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 KWG kann der Erwerb einer bedeutenden Beteiligung untersagt werden, wenn der Erwerber unzuverlässig ist oder aus anderen Gründen nicht den im Interesse einer soliden und umsichtigen Führung des Instituts zu stellenden Ansprüchen genügt. 96 Das Beurteilungskriterium der Zuverlässigkeit bezieht sich sowohl auf natürliche als auch auf juristische Personen. Bei juristischen Personen ist grundsätzlich auf die Zuverlässigkeit der gesetzlichen oder satzungsmäßigen Vertreter und bei Personengesellschaften auf die Zuverlässigkeit der Gesellschafter abzustellen.96) Nach dem Wortlaut der Norm kann sich die Unzuverlässigkeit jedoch auch auf die juristischen Personen oder Personenhandelsgesellschaft selbst beziehen, wobei der Anknüpfungspunkt hierbei bspw. das Kriterium der ordnungsgemäßen Organisation eines im Finanzsektor tätigen Unternehmens oder die solide Finanzierung sein kann.97) 97 Der Begriff der Zuverlässigkeit ist im KWG weder definiert noch beinhaltet Nr. 1 einen abschließenden gesetzlichen Katalog an Regelbeispielen, anhand derer auf eine Unzuverlässigkeit des Erwerbsinteressenten geschlossen werden könnte.98) Eine gesetzliche Vermutung für die Unzuverlässigkeit des interessierten Erwerbers besteht jedoch regelmäßig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die von ihm aufgebrachten Mittel für den Erwerb der bedeutenden Beteiligung aus einer Tat herrühren, die objektiv einen Straftatbestand erfüllen, vgl. § 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 KWG. ___________ 94) 95) 96) 97) 98)

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Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 2c KWG Rz. 26. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 2c KWG Rz. 26. Wieland, Inhaberkontrollverfahren, S. 265. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 2c KWG Rz. 15. Wieland, Inhaberkontrollverfahren, S. 267.

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II. Das Inhaberkontrollverfahren im Einzelnen

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Nach der Gesetzesbegründung soll zudem eine Unzuverlässigkeit i. S. des § 2c Abs. 1b 98 Satz 1 Nr. 1 KWG zumindest bei einschlägigen Vorstrafen des künftigen Inhabers, der gesetzlichen Vertreter oder Gesellschafter sowie bei der nicht nachvollziehbaren Beschaffung von Geldern und der mangelnden wirtschaftlichen Plausibilität der Investitionen anzunehmen sein.99) Grundsätzlich muss die Beurteilung der Zuverlässigkeit mit Hilfe eines Rückgriffs auf 99 den Zweck der Vorschrift erfolgen. Der Zweck des § 2c KWG besteht darin, der BaFin die Möglichkeit zu geben, der Übernahme von bedeutenden Beteiligungen durch kriminelle Personen entgegenzuwirken sowie die Funktionsfähigkeit der Institute sicherzustellen.100) Droht die Übernahme einer bedeutenden Beteiligung aufgrund von Eigenschaften, die in der Person des Erwerbers oder der den Erwerber vertretenden Person liegen und die Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser Person aufkommen lassen, z. B. weil sie die Funktionsfähigkeit eines Instituts beeinträchtigen könnte, kann die BaFin diese Übernahme basierend auf einer mangelnden Zuverlässigkeit des Anzeigepflichtigen ablehnen. Nach den Gemeinsamen Leitlinien ist die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Erwerbers 100 von zwei Elementen abhängig. Der Erwerber muss zum einen integer sein und zum anderen über die fachliche Kompetenz verfügen, die seiner Möglichkeit zur Einflussnahme auf das Institut angemessen ist.101) Die Integrität des Erwerbers bemisst sich u. a. an dem Nichtvorhandensein „negativer 101 Bewertungen“. Als solche gelten z. B. Straf- und Verwaltungsregistereinträge, wobei Verstöße gegen Gesetze des Banken-, Finanzwesens-, Wertpapier- und Versicherungsrechts sowie Vermögensstraftaten besonders relevant sind. Auch laufende Verfahren in Bezug auf die oben genannten Umstände sind erfasst. Überdies ist der Erwerber auf seine Korrektheit in früheren Geschäften zu überprüfen. Dabei spielen v. a. Faktoren, wie ein kooperativer und transparenter Umgang mit den zuständigen Behörden, mögliche abgelehnte Anträge z. B. zur Erlaubnis eines Geschäfts, Ausschlüsse aus Berufsgremien oder -verbänden, die Gründe für den Verlust von Arbeitsplätzen oder Vertrauensstellungen oder der Ausschluss von der Geschäftsführung durch die zuständige Behörde eine Rolle. Im Zuge der Integritätsprüfung kann auch jede mit dem Erwerber familiär oder geschäftlich verbundene Person berücksichtigt werden.102) Die fachliche Kompetenz, die von den Gemeinsamen Richtlinien als zusätzliches Kriteri- 102 um für die Zuverlässigkeit aufgestellt wird, verlangt zweierlei. Der Erwerber muss einerseits über die Fähigkeit zur Unternehmensführung verfügen und andererseits die nötige technische Kompetenz in Bezug auf die vom Zielinstitut betriebenen Finanzgeschäften aufweisen.103) Die Unternehmungsführungskompetenz kann sich aus Vorerfahrungen des Erwerbers im 103 Erwerb und der Verwaltung von Unternehmensbeteiligungen und den damit einhergehenden Aufgaben ergeben. Der technische Sachverstand kann auf der Tätigkeit als Geschäftsführer eines Finanzunternehmens beruhen. In beiden Fällen muss der Erwerber die gebotene Sachkenntnis, Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit und Einhaltung der relevanten Normen nachweisen. Gründe die gegen eine fachliche Eignung des Erwerbers sprechen ___________ 99) Beschlussempfehlung und Bericht d. FA z.3. FMFG u. a., BT-Drucks. 13/9874, S. 139. 100) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 2c KWG Rz. 2, 3. 101) ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 10.1 ff. 102) ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 10.9 ff. 103) ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 10.23 ff.

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können sich z. B. aus der Aufnahme in eine Liste unzuverlässiger Schuldner, der Erklärung der Privatinsolvenz oder großen Investitionen bzw. der Aufnahmen von Großkrediten, sofern diese die finanzielle Solidität des Erwerbers beinträchtigen könnten, ergeben. 104 Ist der Erwerber eine juristische Person, so ist bei der Beurteilung der fachlichen Kompetenz auf die natürliche Person abzustellen, welche die Geschäfte des Erwerbers tatsächlich führt. Der Beurteilungsmaßstab bemisst sich dabei am Zweck der Beteiligung. Besteht dieser vornehmlich in der Portfoliodiversifizierung bzw. dem Erhalt von Dividenden oder Kapitalerträgen, anstatt der Beteiligung an der Unternehmensführung, so können die Anforderungen an die Fachkompetenz proportional angepasst werden.104) Der Beurteilungsmaßstab für die Integritätsprüfung bleibt hingegen, unabhängig vom Zweck und dem Umfang der Beteiligung, für jeden Erwerber gleich.105) b)

Behinderung der Aufsicht (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 KWG)

105 Gemäß § 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 KWG kann der Beteiligungserwerb untersagt werden, wenn das Institut nach Einschätzung der BaFin nach dem Erwerb nicht in der Lage sein wird, den Aufsichtsanforderungen, insbesondere den Vorschriften der fünf aufgeführten Richtlinien und der CRR, zu genügen (Alt. 1), oder wenn die Sorge besteht, dass das Institut durch die Beteiligung in eine Konzernstruktur einbezogen wird, die eine wirksame Aufsicht behindert (Alt. 2).106) 106 Für die Ermittlung, ob der Beteiligungserwerb durch die Einbeziehung des Zielunternehmens zu einer Gruppenstruktur führt, die eine wirksame Aufsicht i. S. der zweiten Alternative behindert, muss sowohl die rechtliche als auch die tatsächliche Einordnung des Unternehmens in die Gruppenstruktur betrachtet werden. Problematisch sind insbesondere komplizierte Schachtelstrukturen, die eine Zuordnung der aufsichtsrechtlichen Verantwortlichkeiten erheblich erschweren und damit die Beaufsichtigung des Zielunternehmens beeinträchtigen.107) Eine solche Beeinträchtigung ist dabei nicht erst dann anzunehmen, wenn die Beaufsichtigung durch die geschaffene Beteiligungsstruktur oder mangelhafte Transparenz unmöglich wird, es genügt vielmehr bereits die Möglichkeit einer weniger effektiven Institutsaufsicht.108) 107 Eine Beeinträchtigung der Aufsicht aufgrund eines intransparenten Beteiligungsgeflechts kann insbesondere bei ständiger Neustrukturierung der Beteiligung im laufenden Prüfungsverfahren angenommen werden,109) wobei diesem Merkmal wohl nur indizielle Wirkung zukommen dürfte und weitere Punkte hinzukommen müssen, die am Ende für ein intransparentes Beteiligungsgeflecht sprechen. c)

Tochterunternehmen (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 KWG)

108 Ein weiterer Untersagungsgrund liegt nach § 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 KWG vor, wenn das Institut durch den Erwerb oder die Erhöhung einer bedeutenden Beteiligung zum Tochterunternehmen eines anderen Instituts mit Sitz im Ausland würde, welches im Staat sei___________ 104) ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 10.27 ff. 105) ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 10.2. 106) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 2c KWG Rz. 17. 107) Wieland, Inhaberkontrollverfahren, S. 298. 108) Beschlussempfehlung und Bericht d. FA z.3. FMFG u. a., BT-Drucks. 13/9874, S. 139; Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 2c KWG Rz. 17. 109) Beschlussempfehlung und Bericht d. FA z.3. FMFG u. a., BT-Drucks. 13/9874, S. 139.

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II. Das Inhaberkontrollverfahren im Einzelnen

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nes Sitzes oder seiner Hauptverwaltung nicht wirksam beaufsichtigt wird oder dessen zuständige Aufsichtsstelle zu einer effektiven Zusammenarbeit mit der BaFin nicht bereit ist. Mit dieser Möglichkeit zur Untersagung soll die konsolidierte Aufsicht im Hinblick auf das Zielunternehmen gewährleistet werden.110) d)

Unzuverlässigkeit der Geschäftsleiter (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 4 KWG)

Eine Untersagung des Erwerbs oder der Erhöhung einer bedeutenden Beteiligung ist nach 109 § 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 4 KWG auch in den Fällen möglich, in denen der künftige Geschäftsleiter nicht zuverlässig oder fachlich ungeeignet ist. Dieser Untersagungsgrund entspricht dem Erlaubnisversagungsgrund des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KWG. Siehe hierzu § 3 Rz. 72 [Binder] sowie § 11 Rz. 161 [Benzler/Krieger]. Die Gemeinsamen Leitlinien konkretisieren die Kriterien für die Beurteilung der Geeig- 110 netheit der Geschäftsleiter durch einen Verweis auf die Leitlinien der EBA zur Beurteilung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und von Inhabern von Schlüsselpositionen (EBA/GL/2012/06)111), die in der jeweils gültigen Fassung anzuwenden sind.112) Die BaFin wendet die aktuelle Fassung dieser Leitlinien (EBA/GL/2017/12)113) zwar nur teilweise an. Sie nimmt allerdings nur die Abschnitte zu unabhängigen Aufsichtsratsmitgliedern und Inhabern von Schlüsselpositionen (Key Function Holders) aus ihrer Verwaltungspraxis aus.114) Für die Überprüfung der zukünftigen Geschäftsleiter i. R. der Inhaberkontrolle ergeben sich daher allein aus der Teilanwendung keine Abweichungen zwischen EZB-geführten und BaFin-geführten Verfahren. Allerdings hat die EZB die Leitlinien ihrerseits in den „Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit“115) eingearbeitet, der insofern bei EZB-geführten Verfahren vorrangig als Orientierung genutzt werden kann. Vergleichbar mit den Merkblättern der BaFin116) konkretisiert auch der Leitfaden die Verwaltungspraxis der EZB im Hinblick auf die Überprüfung von Mitgliedern der Leitungs- oder Aufsichtsorgane des Instituts. e)

Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 5 KWG)

Ein weiterer Untersagungsgrund ist nach § 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 5 KWG gegeben, wenn 111 im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Erwerb oder der Erhöhung der Beteiligung Straftatbestände der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung verwirklicht oder versucht werden. Schon die Erhöhung des Risikos der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung reicht aus, um das Vorhaben zu untersagen. Um der BaFin eine entsprechende Überprüfung zu ermöglichen, muss der Anzeigepflichtige i. R. der Anzeige gemäß § 14 ___________ 110) Wieland, Inhaberkontrollverfahren, S. 300. 111) EBA, Leitlinien zur Beurteilung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und von Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 22.11.2012 (EBA/GL/2012/06). 112) ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 11.4. 113) EBA, Final Report, Joint ESMA and EBA Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/ EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/12/ESMA71-99-598). 114) S. EBA, Final Report, Joint ESMA and EBA Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/ EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/12/ESMA71-99-598). 115) EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 14.5.2017, Stand: 5/2018, S. 3. 116) Für die Zuverlässigkeit der Geschäftsleiter s. BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 6.3.2019.

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§4

Beteiligungskontrolle

InhKontrollV die wirtschaftliche Herkunft der Eigen- und Fremdmittel für das Vorhaben lückenlos nachweisen. 112 Nach den Gemeinsamen Leitlinien ist schon ein hinreichend begründeter Verdacht, dass der Erwerb zu einer Erhöhung des Risikos der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung führen wird, ausreichend, um den Erwerb zu untersagen. Verdachtsmomente können sich aus unterschiedlichen Faktoren ergeben. So soll die Aufsichtsbehörde feststellen, ob der Erwerber in einem Land oder Gebiet ansässig ist oder dorthin maßgebliche persönliche oder geschäftliche Verbindungen hat, welches von der „Financial Action Task Force“ (FATF) oder anderen internationalen Organisationen wie Transparency International, der OECD oder der Weltbank als risikobehaftet in Bezug auf Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungsaktivitäten beurteilt wird. 113 Ebenso ist bei der Untersuchung der Herkunft der zum Erwerb verwendeten Finanzmittel darauf zu achten, ob diese Mittel über eine Kette von Finanzinstituten abgewickelt wurde, die entweder der Aufsicht und den Regularien des EWR zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung unterliegen oder, im Fall von Drittlandinstituten, vergleichbare Bekämpfungsmechanismen existieren und diese auch tatsächlich angewendet werden. Bei der Plausibilitätsprüfung der Angaben des Erwerbers zur Mittelherkunft ist das Ergebnis der Integritätsprüfung zu berücksichtigen.117) f)

Fehlende finanzielle Solidität (§ 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 6 KWG)

114 Nach § 2c Abs. 1b Satz 1 Nr. 6 KWG kann eine Untersagung erfolgen, wenn der interessierte Erwerber nicht über die notwendige finanzielle Solidität verfügt. An der finanziellen Solidität des Erwerbsinteressenten fehlt es insbesondere dann, wenn der Anzeigepflichtige aufgrund seiner eigenen Kapitalausstattung oder Vermögenssituation den besonderen gesetzlichen Anforderungen an die Eigenmittel und Liquidität, die an ein Institut gestellt werden, nicht gerecht werden kann. 115 Grundsätzlich ist nur das Zielinstitut und nicht dessen Gesellschafter Adressat der Eigenmittelvorschriften.118) Durch die Anforderungen an die finanzielle Solidität des Erwerbers soll aber vermieden werden, dass das Zielinstitut durch eine ungenügende Vermögenssituation des Erwerbers in finanzielle Bedrängnis gerät.119) Dies ist u. a. vorstellbar, wenn der Erwerber in den aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis des Zielinstituts fällt und das Zielinstitut in der Folge aufgrund der unzureichenden Kapitalausstattung des Erwerbers die Anforderungen an Eigenmittel und Liquidität auf Gruppenebene nicht mehr erfüllen kann.120) Vor diesem Hintergrund wird die BaFin inzidenter die Frage des Konsolidierungskreises nach Erwerb überprüfen und die Auswirkung auf die prognostizierten Kapitalquoten berücksichtigen. Insbesondere Fremdfinanzierungen des Erwerbers können hier erhebliche negative Effekte hervorrufen, weshalb diese bei Bankentransaktionen selten vorzufinden sind. 116 Aber auch andere Gründe, z. B. der Wegfall erleichterter Refinanzierungsmöglichkeiten als Teil einer anerkannten Institutsgruppe nach Verkauf, kann die Aufsichtsbehörden dazu bewegen, die finanzielle Solidität in der Zielstruktur gesondert zu überprüfen und ggf. sichernde Maßnahmen zu verlangen. ___________ 117) ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 14.4 ff. 118) Schwennicke/Auerbach-Süßmann, KWG, § 2c Rz. 33; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRRVO, § 2c KWG Rz. 23. 119) Wieland, Inhaberkontrollverfahren, S. 305. 120) Wieland, Inhaberkontrollverfahren, S. 307.

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III. Beteiligungskontrolle i. R. der Einlagensicherung

§4

Eine Untersagung kommt auch in Betracht, wenn der Erwerber während des Erwerbspro- 117 zesses in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten droht.121) Ebenso verstehen die Gemeinsamen Leitlinien unter finanzieller Solidität die Fähigkeit, 118 den beabsichtigten Erwerb zu finanzieren und auf absehbare Zeit (normalerweise drei Jahre) eine solide und umsichtige Führung des Zielunternehmens zu gewährleisten. Hierbei ist, zusätzlich zu den Kriterien nach § 2 Abs. 1b Satz 1 Nr. 6 KWG, zu analysieren, ob sich aus der Art der Erwerbsfinanzierung oder vorherigen finanziellen Beziehungen zwischen dem Erwerber und dem Zielinstitut Interessenkonflikte zulasten des Zielinstituts ergeben. Der Beurteilungsmaßstab orientiert sich dabei an dem wahrscheinlichen Einfluss des Erwerbers auf das Zielunternehmen, der Art des Erwerbers (strategischer Investor oder Private-Equity-/Hedgefonds) und der Komplexität der Transaktion. Handelt es sich bei dem Erwerber um ein beaufsichtigtes Institut aus einem anderen Staat des EWR, soll die Beurteilung in hohem Maße auf der durch die Heimatbehörde durchgeführten Beurteilung beruhen.122) g)

Unvollständige oder unrichtige Angaben (§ 2c Abs. 1b Satz 2 KWG)

Schließlich kann die BaFin nach § 2c Abs. 1b Satz 2 KWG den Erwerb oder die Erhöhung 119 der Beteiligung untersagen, wenn der Anzeigepflichtige Angaben über den beabsichtigten Erwerb nach Absatz 1 Satz 2 bzw. Satz 6 unvollständig oder unrichtig gemacht hat oder weitere von der BaFin nach Absatz 1a Satz 3 zur Beurteilung der Erwerbsabsicht angeforderte Unterlagen unvollständig oder unrichtig sind oder nicht den Anforderungen der InhKontrollV entsprechen. III.

Beteiligungskontrolle i. R. der Einlagensicherung

Eine weitere Form der Beteiligungskontrolle, die jedoch von der Überprüfung durch Ba- 120 Fin und EZB zu unterscheiden ist, findet sich für die privaten Banken zudem in den Prüfungsrichtlinien der Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH (EdB) – gesetzliche Entschädigungseinrichtung – sowie im Statut des Einlagensicherungsfonds (ESF) – freiwillige Einlagensicherung. Letzterer ist als unselbstständiges Sondervermögen des Bundesverbandes deutscher Banken e. V. (BdB) errichtet. 1.

Gesetzliche Einlagensicherung

Den gesetzlichen Entschädigungseinrichtungen stehen nach § 35 Abs. 1 und 2 Einla- 121 gensicherungsgesetz (EinSiG)123) Prüfungsrechte hinsichtlich der ihnen zugeordneten Unternehmen zu. Die Prüfungen können während des Erlaubnisverfahrens (Abs. 2) sowie bei gegebenem Anlass (Abs. 1) erfolgen und betreffen die Gefahr des Eintritts eines Entschädigungsfalls. Vorgenommen werden die Prüfungen durch den Prüfungsverband deutscher Banken e. V. (Prüfungsverband), wobei sich die inhaltlichen Vorgaben aus den Prüfungsrichtlinien der Entschädigungseinrichtung ergeben.124) Diese Prüfungsrichtlinien verstehen im Falle privater Banken unter der genannten „Gefahr“ alle Gesichtspunkte, die für eine Erlaubniserteilung bzw. -versagung Bedeutung erlangen.125) Dies umfasst auch die inhaberbezogenen Versagungsgründe in § 33 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 1 und 2 ___________ 121) Wieland, Inhaberkontrollverfahren, S. 308. 122) ESAs, Gemeinsame Leitlinien zur aufsichtsrechtlichen Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von qualifizierten Beteiligungen im Finanzsektor, v. 20.12.2016 (JC/GL/2016/01), Rz. 12.1 ff. 123) Einlagensicherungsgesetz – EinSiG, v. 28.5.2015, BGBl. I 2015, 786. 124) S. hierzu EdB, Prüfungsrichtlinien gemäß § 36 Abs. 2 des Einlagensicherungsgesetzes, v. 4/2016. 125) Ziff. 1.3 EdB-Prüfungsrichtlinien.

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§4

Beteiligungskontrolle

KWG.126) Im Verfahren zur Erlaubniserteilung werden der Entschädigungseinrichtung hierzu die Antragsunterlagen übermittelt.127) 2.

Freiwillige Einlagensicherung

122 In der Praxis hat die Beteiligungskontrolle bzgl. der Mitwirkung des Zielinstituts an der freiwilligen Einlagensicherung eine besondere Bedeutung. Durch die Mitgliedschaft im Einlagensicherungsfonds des BdB wird den Einlegern des Zielinstituts ein höherer Schutzumfang geboten. Eine Teilnahme an der freiwilligen Einlagensicherung wird häufig von den Beteiligten als erforderlich angesehen, um die Marktfähigkeit des Instituts im Wettbewerb sicherzustellen. Die Prüfung i. R. der freiwilligen Einlagensicherung erfolgt vor dem Hintergrund, dass als Voraussetzung für die Mitwirkung am Einlagensicherungsfonds keine Tatsachen vorliegen dürfen, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Inhaber einer bedeutenden Beteiligung oder sein gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vertreter oder persönlich haftender Gesellschafter nicht zuverlässig ist oder aus anderen Gründen nicht den im Interesse einer soliden und umsichtigen Führung der Bank zu stellenden Ansprüchen genügt.128) 123 Auch im Falle der freiwilligen Einlagensicherung wird diese Prüfung durch den Prüfungsverband vorgenommen.129) Hierzu können sowohl die (zukünftigen) Inhaber einer bedeutenden Beteiligung i. S. des § 1 Abs. 9 KWG als auch mit diesen verbundene Unternehmen (§ 15 AktG bzw. § 271 Abs. 2 HGB) einer Prüfung unterzogen werden.130) a)

Beteiligungserwerb und Beteiligungserhöhung

124 Eine Überprüfung der Inhaber einer bedeutenden Beteiligung (und ggf. der mit ihnen verbundenen Unternehmen) erfolgt daher erstmalig bevor das Institut in den Prüfungsverband aufgenommen und zur Mitwirkung am Einlagensicherungsfonds zugelassen wird.131) Dabei werden auch solche Personen oder Unternehmen geprüft, die eine bedeutende Beteiligung erst während der Verfahren zur Aufnahme in den Prüfungsverband und zur Teilnahme am Einlagensicherungsfonds erwerben.132) Auch in diesem Fall kann die Prüfung auf verbundene Unternehmen erstreckt werden.133) 125 Eine Prüfung durch den Prüfungsverband ist ebenfalls für den Fall vorgesehen, dass eine bedeutende Beteiligung an einem Institut erworben wird, das bereits am Einlagensicherungsfonds und am Prüfungsverband teilnimmt.134) Der Beteiligungserwerb ist in diesem Fall sowohl dem BdB als auch dem Prüfungsverband unverzüglich anzuzeigen.135) Die Anzeigepflicht trifft jedoch anders als nach § 2c KWG nicht den Erwerber der bedeutenden Beteiligung, sondern das betroffene Institut. 126 Mit der Anzeige sind alle Informationen zu übermitteln, die für eine Überprüfung der Zuverlässigkeit der betroffenen Gesellschafter erforderlich sind und anhand derer sonstige Zweifel an der soliden und umsichtigen Führung des Instituts ausgeräumt werden ___________ 126) 127) 128) 129) 130) 131) 132) 133) 134) 135)

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Vgl. Wieland, Inhaberkontrollverfahren, S. 93 f. Vgl. Ziff. 7.11 EdB-Prüfungsrichtlinien. § 3 Abs. 1 lit. c ESF-Statut. § 8 Abs. 1 Satz 1 ESF-Statut. § 8 Abs. 1 ESF-Statut. S. § 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 Satzung des Prüfungsverbands und § 3 Abs. 1 lit. c i. V. m. § 8 Abs. 1 ESF-Statut. § 8 Abs. 1 Satz 3 Satzung des Prüfungsverbands. § 8 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Satzung des Prüfungsverbands. § 8 Abs. 1 Satz 2 lit. a ESF-Statut; § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 Satzung des Prüfungsverbands. § 5 Abs. 3 ESF-Statut; § 10 Abs. 1 Nr. 6 Satzung des Prüfungsverbands; s. a. Adolff/Paul in: BeckHdb. M&A, § 66 Rz. 67.

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III. Beteiligungskontrolle i. R. der Einlagensicherung

§4

können.136) Darüber hinaus soll das betroffene Institut dem Prüfungsverband auch VorOrt-Prüfungen bei dem Inhaber bzw. Erwerber der bedeutenden Beteiligung und den mit diesem verbundenen Unternehmen ermöglichen.137) Hierzu zählen auch die Bereitstellung von Unterlagen, die Erteilung von Auskünften und die Erbringung erforderlicher Nachweise. Ausgeschlossen soll diese Verpflichtung nur sein, wenn der Mitwirkung zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen. Hierzu zählen etwa besondere Geheimhaltungspflichten. Parallel zu § 2c Abs. 1 Satz 6 KWG entsteht auch dann eine Anzeigepflicht, wenn eine be- 127 stehende Beteiligung über die Schwellen von 20 %, 30 % und 50 % des Kapitals oder der Stimmrechte hinaus erhöht wird. Die Anzeige muss in diesem Fall jedoch nur an den Prüfungsverband erfolgen.138) Auch hier trifft die Anzeigepflicht ausschließlich das Institut. b)

Mehrheitserwerb

Eine besondere Gestaltung enthält das Statut des Einlagensicherungsfonds für den Fall 128 des Mehrheitserwerbs. Werden die Mehrheit der Stimmrechte oder des Kapitals erworben oder ein sonstiger beherrschender Einfluss auf das Institut – maßgeblich sind die entsprechend heranzuziehenden §§ 16 ff. AktG139) – so endet die Mitwirkung am Einlagensicherungsfonds nach Ablauf von neun Monaten automatisch. Fristauslösend ist der Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs. Eine zwischenzeitliche Weiterveräußerung ist unbeachtlich.140) Eine Beendigung dieser Mitwirkung kann nur dadurch vermieden werden, dass dem BdB Gelegenheit gegeben wird, festzustellen, dass x

der Inhaber einer bedeutenden Beteiligung oder sein gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vertreter oder persönlich haftender Gesellschafter zuverlässig ist und auch sonst den im Interesse einer soliden und umsichtigen Führung eines Instituts zu stellenden Ansprüchen genügen und

x

innerhalb der neun Monate alle Tatsachen offengelegt werden, die den Schluss auf die Zuverlässigkeit und Eignung erlauben und etwaige Zweifel an ihr ausräumen und zudem alle erforderlichen Prüfungsfeststellungen ermöglicht wurden.141)

Erfolgt ein solcher Mehrheitserwerb durch ein Institut, das seinerseits am Einlagensiche- 129 rungsfonds mitwirkt, ist dieser Umstand dem BdB sowohl durch das erwerbende Institut als auch durch das Zielinstitut unverzüglich anzuzeigen.142) Jeder Erwerber einer Mehrheitsbeteiligung muss zugunsten des BdB zudem eine Freistellungserklärung abgeben. Diese betrifft Verluste des BdB durch Hilfeleistungen zugunsten des Tochterinstituts.143) Entsprechendes gilt für Personen, die gemeinsam unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss auf das Zielinstitut ausüben können.144) Neben der bloßen Abgabe der Erklärung muss der Erwerber zudem darlegen, dass entsprechende Mittel zur „Mithaftung“ auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Zur Beurteilung der Werthaltigkeit der Freistellungserklärung unterzieht der Prüfungsverband die wirtschaftlichen Verhältnisse ___________ 136) 137) 138) 139) 140) 141) 142) 143) 144)

§ 5 Abs. 3 ESF-Statut. § 6 Abs. 2 Satzung des Prüfungsverbands. Vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 6 Satzung des Prüfungsverbands. § 4 Abs. 7 Satz 1 i. V. m. § 5 Abs. 10 Satz 4 ESF-Statut. § 4 Abs. 7 Satz 1 ESF-Statut. § 4 Abs. 7 Satz 2 ESF-Statut. § 5 Abs. 10 Satz 5 ESF-Statut. § 5 Abs. 10 Satz 2 und 3 ESF-Statut. § 5 Abs. 10 Satz 3 ESF-Statut.

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§4

Beteiligungskontrolle

des Erklärenden einer intensiven Prüfung.145) Zur Freistellung siehe auch § 19 Rz. 71 ff. [Biermann/Lütgerath]. 130 Da es im Falle eines Mehrheitserwerbs üblicherweise zu einem (mittelbaren) Erwerb durch mehrere Unternehmen (und ggf. Personen) kommt, kann sich zudem die Frage stellen, welche Unternehmen oder Personen eine entsprechende Erklärung abgeben müssen. Hier kommen verschiedene Ausgestaltungen in Betracht. Anstelle einer natürlichen Person am Ende der unternehmerischen Kontrollkette kann u. a. auch eine juristische Person oder Personengesellschaft, der die Mehrheit der Anteile gehört oder die unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf das Institut ausüben kann ein Freistellungserklärung abgeben. 131 Auch nachdem die Mitwirkung eines Instituts am Einlagensicherungsfonds beendet wurde, kann es zu einer begrenzten Nachhaftung des Erklärenden kommen.146) Die Freistellungserklärung bleibt bis zu ihrem Widerruf wirksam. Sie ist unwiderruflich, solange dem Erklärenden die Mehrheit der Anteile gehört oder ein beherrschender Einfluss vorliegt. Wird die Freistellungserklärung in einem Zeitpunkt widerrufen, in dem bereits Tatsachen vorliegen, die später zu sichernden Maßnahmen des Einlagensicherungsfonds führen, so gilt ebenfalls eine begrenzte Nachhaftung hinsichtlich dieser Maßnahmen.147) IV.

Rechtsschutz

1.

Rechtsschutz gegen Bescheide der BaFin

132 Versagt die BaFin innerhalb des Beurteilungszeitraums den Erwerb oder macht sie im Nachgang Gebrauch von den ihr in § 2c Abs. 2 KWG eingeräumten Befugnissen, ist dem Anzeigepflichtigen der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Den erforderlichen Widerspruch (§ 68 VwGO) bescheidet die BaFin nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO selbst. Trotz ihres Doppelsitzes ist nach § 1 Abs. 3 FinDAG allein das VG Frankfurt a. M. örtlich für die BaFin zuständig. 133 Die Anfechtungsklage gegen einen negativen Bescheid der BaFin hat nach § 49 KWG keine aufschiebende Wirkung. Im einstweiligen Rechtsschutz ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO der statthafte Rechtsbehelf. 134 Gegen eine ausbleibende Vollständigkeitsbestätigung der BaFin, einen Verwaltungsakt i. S. des § 35 VwVfG, kann der Anzeigepflichtige Verpflichtungsklage vor dem zuständigen VG Frankfurt a. M. erheben. Der vorläufige Rechtsschutz richtet sich nach § 123 VwGO. 135 Handelt es sich bei dem betroffenen Unternehmen jedoch um ein CRR-Kreditinstitut, ergeht die abschließende Entscheidung nach Art. 15 Abs. 3 SSM-VO durch die EZB (dazu sogleich). Zwar wirkt die BaFin auch in diesem Fall an dem Verfahren mit, ihre Mitwirkungsakte sind jedoch schon mangels Bekanntgabe nicht als Verwaltungsakte zu qualifizieren. Eine isolierte Anfechtung scheidet daher aus. Denkbar wäre bei einer fortbestehenden Erwerbsabsicht lediglich ein Vorgehen i. R. einer Feststellungs- oder vorbeugenden Unterlassungsklage. 136 Damit es hier nicht zu sich widersprechenden Entscheidungen nationaler Gerichte und des Gerichts der Europäischen Union (EuG) (i. R. einer Nichtigkeitsklage gegen den EZB-Beschluss) kommt, nimmt der Europäische Gerichtshof (EuGH) an, dass solche Mitwirkungshandlungen „nicht von den Gerichten der Mitgliedstaaten überprüft werden ___________ 145) Vgl. auch § 5a Abs. 5 Satz 2 ESF-Statut. 146) S. § 4 Abs. 8 Satz 3 ESF-Statut. 147) S. den Wortlaut der Mustererklärung in der Anlage zu § 5 Abs. 10 ESF-Statut.

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§4

IV. Rechtsschutz

können.“148) Gestützt wird dieses letztlich unumgängliche Ergebnis auf Art. 263 AEUV (gemeint ist wohl die ausschließliche Zuständigkeit des EuGH für Klagen gegen Unionsorgane) und den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit aus Art. 4 Abs. 3 EUV.149) Eine Umsetzung im deutschen Recht lässt sich durch die Anwendung des § 44a VwGO auch auf den Mitwirkungsakt der BaFin an einem unionsrechtlichen Verwaltungsverfahren erreichen.150) Nimmt man an, dass § 44a VwGO nur auf Verfahrenshandlungen in einem nationalen Verwaltungsverfahren ausgelegt ist, muss insofern eine unionsrechtskonforme Auslegung vorgenommen werden. 2.

Rechtsschutz gegen Bescheide der EZB

Ebenso wie bei Inhaberkontrollverfahren, die bei der BaFin geführt werden, stellt sich die 137 Frage, wie der Anzeigepflichtige Rechtschutz gegen Akte der EZB erlangen kann (hierzu auch ausführlich § 2 Rz. 233 ff. [Glos/Benzing]. Die Frage ist deshalb von Relevanz, weil die BaFin bei Inhaberkontrollen innerhalb des SSM gemäß Art. 86 SSM-RahmenVO auf die Ausarbeitung eines Beschlussentwurfs beschränkt ist, sodass die Erwerber bedeutender Beteiligungen an CRR-Kreditinstituten generell mit Beschlüssen der EZB konfrontiert sein werden.151) Gleichzeitig enthalten weder die SSM-VO152) noch die SSMRahmenVO Regelungen zu gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten – ein Zustand, der in der Literatur bereits wiederholt kritisiert wurde.153) Zur Gewährleistung des in Art. 47 Unterabs. 1 der EU-GrCh normierten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf ist daher, zumindest bis zur Normierung detaillierter Regelungen in der SSM- oder ihrer Rahmen-VO, auf die allgemeinen Rechtsschutzmöglichkeiten zurückzugreifen. Da die EZB in Bezug auf den betreffenden Erwerb einer bedeutenden Beteiligung jedoch auch nationale Rechtsnormen (z. B. KWG und InhKontrollV) anwendet, stellt sich (nur)154) in diesen Fällen die Frage nach der gerichtlichen Zuständigkeit. Denkbar wäre hier grundsätzlich eine Zuständigkeit nationaler Verwaltungsgerichte, wie auch die des EuGH. Die Antwort auf die Zuständigkeitsfrage hängt dabei unmittelbar mit der institutionellen 138 Zuordnung des Aufsichtshandelns der EZB bei Anwendung nationaler Rechtsnormen zusammen: Versteht man das Tätigwerden als eine Art Organleihe, bei der die EZB das nationale Recht für den jeweiligen Mitgliedstaat anwendet, lässt sich ihr Handeln dem nationalen Rechtsraum und damit der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte zuordnen.155) Geht man dagegen davon aus, dass die EZB allein Hoheitsrechte der Union wahrnimmt,156) müssen ihre Beschlüsse mit der Nichtigkeitsklage nach Art. 267 AEUV angegriffen werden. Nur das letztere Verständnis deckt sich auch mit Art. 35 Abs. 1 der Satzung des ESZB und der EZB, nach der die Handlungen und Unterlassungen der EZB der Überprüfung ___________ 148) EuGH, Urt. v. 19.12.2018 – Rs. C-219/17 (Berlusconi u. Fininvest/Banca d’Italia), Rz. 47, ECLI:EU:C:2018:1023 = EuZW 2019, 128. 149) EuGH, Urt. v. 19.12.2018 – Rs. C-219/17 (Berlusconi u. Fininvest/Banca d’Italia), Rz. 47, ECLI:EU:C:2018:1023 = EuZW 2019, 128. 150) So für den Beschlussentwurf im Erlaubnisverfahren auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 33 KWG Rz. 102.; Müller/Fischer/Müller, WM 2015, 1505, 1508. 151) Vgl. Art. 87 SSM-RahmenVO. 152) Art. 24 Abs. 11 SSM-VO stellt lediglich fest, dass Verfahren vor dem EuGH unbeschadet der Vorschrift des Art. 11 SSM-VO angestrengt werden können. 153) Kämmerer, WM 2016, 1, 11; Ruthig, ZHR 178 (2014), 443, 477. 154) Wendet die EZB ausschließlich Unionsrecht an, ist ohne Weiteres die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV statthaft. 155) Kämmerer, WM 2016, 1, 4. 156) So auch Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 180.

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Beteiligungskontrolle

durch den EuGH unterliegen.157) Folgerichtig haben die Unionsgerichte auch bereits über mehrere Klagen gegen die EZB entschieden.158) 139 Versagt die EZB den Erwerb einer bedeutenden Beteiligung in Form eines Beschlusses, ist die statthafte Klageart demnach unabhängig davon, ob der Kläger die Verletzung nationalen Rechts oder Unionsrechts rügt, die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV.159) Die Klagebefugnis für Adressaten des Beschlusses oder sonst unmittelbar und individuell Betroffener ergibt sich ebenfalls aus Art. 263 Unterabs. 4 AEUV. 140 Nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Berlusconi u. Fininvest/Banca d’Italia sind i. R. dieser Nichtigkeitsklage inzident auch die Mitwirkungshandlungen der nationalen Aufsichtsbehörden zu überprüfen.160) Eine eigenständige Überprüfung durch nationale Gerichte scheidet dagegen aus (siehe dazu schon oben Rz. 136. Relevant wird dies vor allem dann, wenn der Betroffene bereits die Rechtswidrigkeit der Mitwirkungshandlung, z. B. wegen eines Verfahrensfehlers rügt, die EZB den Vorschlag der nationalen Behörde jedoch unverändert übernommen hat (so auch im Fall Berlusconi u. Fininvest/ Banca d’Italia). Die genannte Zuständigkeitsverteilung vermeidet dann zwar eine gleichzeitige Befassung europäischer und nationaler Gerichte mit demselben Verfahrensgegenstand, sie wirft jedoch auch dogmatische Ungereimtheiten auf:161) Im Ergebnis entscheiden nun nämlich die Unionsgerichte über die Vereinbarkeit der Verfahrenshandlung einer nationalen Behörde mit dem nationalen (Verfahrens-)Recht. Diese Konstellation ist insofern bedenklich, als die Unionsgerichtsbarkeit hier entgegen Art. 263 AEUV nicht nur die Handlung eines Unionsorgans, sondern (inzident) auch die einer nationalen Behörde überprüft. Um den Betroffenen in einem solchen Fall nicht rechtsschutzlos zu stellen, wird man diesen Widerspruch jedoch hinnehmen müssen. 141 Abgesehen von dieser Sonderkonstellation, die sich durch die fehlende Wahrnehmungskompetenz der nationalen Behörden im Inhaberkontrollverfahren aber auch beim Erlaubnisentzug ergibt, stellt sich auch allgemein die Frage, auf welcher Grundlage die Unionsgerichte einen Rechtsakt am Maßstab des nationalen Rechts überprüfen. Soweit ersichtlich, werden hierzu zwei Ansätze vertreten, die sich auf ein unterschiedliches Verständnis von Art. 4 Abs. 3 SSM-VO zurückführen lassen (siehe zu diesem § 2 Rz. 179 ff. [Glos/Benzing]). 142 Teilweise wird als Rechtsfolge des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 SSM-VO eine Inkorporation des nationalen Umsetzungsrechts in die Unionsrechtsordnung vertreten.162) Folgt man dem, lässt sich weiter argumentieren, dass die Unionsgerichte nur über die Vorschrift als

___________ 157) Müller-Graff, EuZW 2018, 101, 105. 158) EuG, Urt. v. 16.5.2017 – Rs. T-122/15 (L-Bank/EZB), ECLI:EU:T:2017:337 = EuZW 2017, 461; EuG, Urt. v. 13.12.2017 – Rs. T-712/15 (Crédit mutuel Arkéa/EZB), ECLI:EU:T:2017:900; EuG, Urt. v. 24.4.2018 – Rs. T-133/16 bis T-136/16 (Caisse régionale de crédit agricole mutuel Alpes Provence u. a./EZB), ECLI:EU:T:2018:219; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-751/16 (Confédération nationale du Crédit mutuel/EZB), ECLI:EU:T:2018:475; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-757/16 (Société générale/EZB), ECLI:EU:T:2018:473; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-758/16 (Crédit agricole/EZB), ECLI:EU:T:2018:472; EuG, Urt. v. 13.7.2018 – Rs. T-768/16 (BNP Paribas/EZB), ECLI:EU:T:2018:471. 159) Nach Art. 263 Unterabs. 4 AEUV kann „Jede natürliche oder juristische Person [kann] unter den Bedingungen nach den Absätzen 1 und 2 gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben.“ 160) EuGH, Urt. v. 19.12.2018 – Rs. C-219/17 (Berlusconi u. Fininvest/Banca d’Italia), Rz. 57, ECLI:EU:C:2018:1023 = EuZW 2019, 128. 161) Vgl. auch Gundel, EuZW 2019, 130, 131. 162) Tusch/Herz, EuZW 2015, 814, 816; Varentsov, DÖV 2017, 53, 55.

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§4

IV. Rechtsschutz

Bestandteil der Unionsrechtsordnung entscheiden, nicht aber nationales Recht anwenden. Der Prüfungsmaßstab wäre dann formal doch wieder das Unionsrecht.163) Andererseits wird in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 SSM-VO wohl überwiegend eine bloße 143 Sachnormverweisung gesehen, durch den das nationale Umsetzungsrecht auch für die EZB anwendbar gemacht wird, seinen Charakter als mitgliedstaatliches Recht aber nicht verliert (siehe ebenso auch § 2 Rz. 179 [Glos/Benzing]).164) Hieraus wird sodann gefolgert, dass das für die EZB anwendbare Umsetzungsrecht auch tauglicher Prüfungsmaßstab der Nichtigkeitsklage sein kann. Begründet wird dies entweder damit, dass es sich hierbei zwar nicht um formales, doch aber um „funktionales“ Unionsrechts handeln soll;165) oder aber damit, dass es sich auch bei dem nationalen Recht um bei der Durchführung der Verträge anzuwendenden Rechtsnormen i. S. des Art. 263 Abs. 2 AEUV handelt.166) Beide Argumentationslinien müssen jedoch spätestens dort scheitern, wo die Mitwir- 144 kungshandlung der nationalen Behörde nicht gegen Umsetzungsrecht, sondern gegen sonstiges nationales Recht, etwa auch Verwaltungsverfahrensrecht, verstößt. Dieses wird von dem Verweis in Art. 4 Abs. 3 SSM-VO nämlich schon nach dessen Wortlaut nicht erfasst und kann daher weder transformiertes oder „funktionales“ noch bei der Durchführung der Verträge anzuwendendes Recht sein. Endgültig lösen lässt sich das angesprochene Problem daher wohl erst durch ein „umge- 145 kehrtes Vorabentscheidungsverfahren“, mit dem die Unionsgerichte die Mitwirkungshandlung nationaler Behörden durch die Gerichte der Mitgliedstaaten überprüfen lassen können.167) Nach Art. 24 SSM-VO kann vor der Durchführung eines solchen gerichtlichen Verfah- 146 rens zunächst ein administratives Überprüfungsverfahren durchgeführt werden.168) Hierbei handelt es sich um ein vorgeschaltetes, dem deutschen Widerspruchsverfahren ähnliches Verfahren, welches zur Überprüfung der Verfahrensmäßigkeit sowie der materiellen Übereinstimmung des EZB-Beschlusses mit der SSM-VO dient.169) Antragsbefugt sind für das Überprüfungsverfahren nach Art. 24 Abs. 5 SSM-VO wie bei 147 der Nichtigkeitsklage die Adressaten des EZB-Beschlusses und sonst unmittelbar und individuell Betroffene. In formeller Hinsicht ist der Antrag innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe schriftlich und mit Begründung bei der EZB einzureichen.170) Alle Unterlagen, auf die sich der Antragsteller berufen will, sind dem Antrag als Kopie beizufügen.171) Die Entscheidung über den Antrag trifft der für diese Zwecke von der EZB eingerichtete 148 sog. Administrative Überprüfungsausschuss (Administrative Board of Review – ABoR). ___________ 163) Zum Unionsrecht als notwendigem Prüfungsmaßstab Thiele, GewArch 2015, 157, 159; Peuker, JZ 2014, 764, 768. 164) Witte, MJ 2014, 89, 107 f.; Berger, WM 2016, 2325, 2332; Kämmerer, WM 2016, 1, 3; Martini/Weinzerl, NVwZ 2017, 177, 180. 165) Müller-Graff, EuZW 2018, 101, 107 Müller-Graff, ZHR 2018, 239, 250; ähnlich schon Berger, WM 2016, 2325, 2332. 166) Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 180; Kämmerer, WM 2016, 1, 4; s. hierzu auch MüllerGraff, ZHR 2018, 239, 250. 167) Für ein solches auch Kaufhold, Die Verwaltung 49 (2016), 339, 366; Müller-Graff, EuZW 2018, 101, 107; Müller-Graff, ZHR 2018, 239, 250. 168) v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Selmayr, Europäisches Unionsrecht, Art. 127 AEUV Rz. 60; Kämmerer, WM 2016, 1, 8; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 1009. 169) EZB, Beschluss v. 14.4.2014, ABl. (EU) L 175/47 v. 14.6.2014; Ruthig, ZHR 178 (2014), 443, 471 und 481 m. w. N. in Fn. 146. 170) Art. 24 Abs. 6 SSM-VO; Erfolgt keine Bekanntgabe beginnt die Frist mit Kenntniserlangung des Antragstellers, Art. 24 Abs. 6 Alt. 2 SSM-VO; vgl. Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 1034 f. 171) Art. 7 Abs. 4 Überprüfungsausschuss-Beschluss.

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§4

Beteiligungskontrolle

Der Ausschuss setzt sich aus fünf fachlich geeigneten Mitgliedern zusammen, die weder in der EZB noch einer anderen am SSM beteiligten Behörde Aufgaben der Finanzaufsicht wahrnehmen.172) Die Mitglieder werden im Anschluss an eine öffentliche Aufforderung zur Interessenbekundung vom Direktorium der EZB nominiert und (ggf. nach einer Auswahl zwischen den Bewerbern) vom EZB-Rat für eine Amtszeit von fünf Jahren ernannt.173) 149 Hält der Ausschuss den Antrag für zulässig, gibt er innerhalb von zwei Monaten eine unverbindliche174) Stellungnahme zu der Überprüfung einschließlich eines Handlungsvorschlags (Aufhebung, Aufrechterhaltung oder Änderung) ab.175) Auf dieser Grundlage bereitet das Aufsichtsgremium, eine interne Organisationseinheit zu der sowohl Vertreter der EZB als auch Vertreter aller NCAs gehören, einen Beschlussentwurf für den EZB-Rat vor. Dieser entscheidet abschließend über die Sache, kann den Beschlussentwurf jedoch nicht abändern.176) Widerspricht der EZB-Rat nicht innerhalb von zehn Arbeitstagen, gilt der Entwurf als beschlossen, Art. 24 Abs. 7 SSM-VO. 150 Während des Verfahrens kommt dem Antrag grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung zu, der EZB-Rat kann den Vollzug des Beschlusses jedoch auf Vorschlag des Überprüfungsausschusses aussetzen.177) 151 Das administrative Überprüfungsverfahren berührt gemäß Art. 24 Abs. 11 SSM-VO schließlich „nicht das Recht, gemäß den Verträgen ein Verfahren vor dem EuGH anzustrengen“. Das Verfahren nach Art. 24 SSM-VO ist insofern auch nicht notwendige Voraussetzung für die Durchführung eines Verfahrens vor dem EuGH, sondern stellt ein zusätzliches Rechtsmittel dar.178)

___________ 172) Manger-Nestler in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 179; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 1015 ff. 173) Art. 24 Abs. 2 SSM-VO i. V. m. Art. 4 Abs. 1 Überprüfungsausschuss-Beschluss. 174) Art. 16 Abs. 5 Überprüfungsausschuss-Beschluss. 175) Art. 16 Überprüfungsausschuss-Beschluss; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 1065. 176) Manger-Nestler in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 180. 177) Art. 9 Überprüfungsausschuss-Beschluss; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 1066; MangerNestler in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 180. 178) So auch Manger-Nestler in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 180.

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§5 Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

Nemeczek/Pitz

Übersicht I.

Die Anwendung von Regelungen auf konsolidierter Basis .................................... 1 II. Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung..................................... 6 1. Konsolidierungsebenen................................ 6 2. Mutterinstitute in einem Mitgliedstaat..... 13 a) Konsolidierungspflicht ...................... 13 b) Begriffsmerkmale ................................ 15 c) Ausweitung auf Nicht-CRRInstitute nach § 10a KWG .................. 21 d) Abweichende Bestimmung des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens..................................... 24 3. EU-Mutterinstitut ..................................... 25 a) Konsolidierungspflicht ....................... 25 b) Begriffsmerkmale ................................ 27 c) Ergänzende Vorgaben des KWG ....... 30 aa) Liquidität ...................................... 30 bb) Offenlegung ................................. 34 4. Wechselseitige Beteiligungen bei CRR-Instituten .......................................... 35 5. Horizontale Unternehmensgruppe........... 40 6. (Gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaft in einem Mitgliedstaat ............... 43 a) Begriffsmerkmale ................................ 43 b) Konsolidierungspflicht ....................... 54 aa) Konsolidierungssubstitution ....... 54 bb) Kontrolle mehrerer Institute....... 59 cc) Keine Ausweitung auf NichtCRR-Institute nach § 1a KWG... 63 c) Abweichende Bestimmung des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens..................................... 67 aa) Zulässigkeit der abweichenden Bestimmung.................................. 67 bb) Antrag des übergeordneten Unternehmens (§ 10a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2, 3 und Satz 7 KWG)...... 69 cc) Bestimmung der (gemischten) Finanzholding-Gesellschaft als konsolidierungsverpflichtetes Unternehmen ............................... 72 d) Konsolidierungspflicht zugelassener (gemischter) Mutterfinanzholdinggesellschaften ab dem 28.12.2020 ............................................ 77 7. (Gemischte) EUMutterfinanzholdinggesellschaften........... 80 a) Begriffsmerkmale ................................ 80 b) Konsolidierungspflicht ....................... 81

8. 9. 10. 11. III. 1.

2.

IV. 1.

2. V. 1.

c) Konsolidierungspflicht zugelassener (gemischter) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaften ab dem 28.12.2020.................................... 84 Wechselseitige Beteiligungen in (gemischten) Finanzholding-Gruppen .......... 85 Strukturell getrennte CRR-Institute ........ 88 Große Tochterunternehmen ..................... 92 Teilkonsolidierung von Unternehmen in Drittstaaten ............................................ 96 Konsolidierungskreis und Art der Konsolidierung........................................ 102 Pflichtweise zu konsolidierende Unternehmenstypen...................................... 103 a) Überblick........................................... 103 b) Institute und Finanzinstitute ........... 104 c) Anbieter von Nebendienstleistungen (AvN) .............................. 105 d) Drittstaatenunternehmen ................. 108 Konsolidierungsverfahren ....................... 110 a) Vollkonsolidierung von Tochterunternehmen ..................................... 111 b) Konsolidierung in horizontalen Unternehmensgruppen..................... 120 c) Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture).................................. 123 d) Beteiligungen und sonstige Kapitalbeziehungen........................... 129 e) Signifikanter Einfluss ohne Beteiligung oder tatsächliche einheitliche Leitung........................... 131 f) Finanzbranchenfremde Unternehmen .............................................. 134 g) Freiwillig konsolidierte Unternehmen .............................................. 136 Konsolidierungstechnik......................... 140 Konzernabschlussmethode...................... 141 a) Maßgeblichkeit des Konzernabschlusses............................................. 141 b) Überleitung in die aufsichtsrechtliche Konsolidierung ......................... 143 Aggregationsmethode.............................. 145 Erwägungen zur Strukturierung von Bankengruppen .............................. 147 Erweiterung der Pflichten der Gruppenunternehmen ............................. 148 a) Konsolidierungsrelevante Pflichten............................................. 148 b) Infektion nicht regulierter Tochterunternehmen ........................ 150

Nemeczek/Pitz

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§5

2.

3.

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen c) Gesellschaftsrechtliche Schranken... 151 d) Untersagung der Unternehmensbeziehung .......................................... 154 Vorteile der Konsolidierung ................... 155 a) Kein Abzug von Beteiligungen ........ 155 b) Anwendung gesetzlicher Erleichterungen............................................. 156 c) Ausnahmen nach Art. 7 und Art. 8 CRR ........................................ 157 d) Berücksichtigung von Minderheitenanteilen ......................................... 163 e) Erleichterungen bei Intragruppentransaktionen und Mehrfachmandaten ........................................... 165 f) Anwendung des Europäischen Passes für Finanzinstitute ................ 166 Vermeidung der Konsolidierung............. 167 a) Ausnahmsweise keine Konsolidierungspflicht ....................................... 168

b) Ausnahmen aus dem Konsolidierungskreis .......................................... 173 c) Erleichterungen auf konsolidierter Basis ................................................... 182 aa) Keine Konsolidierung bei Freistellung sämtlicher gruppenangehöriger Institute auf Einzelbasis............................ 182 bb) Erleichterungen für Wertpapierfirmen ............................... 185 d) Prüfung der einzelnen Normen auf ihre gruppenweite Anwendbarkeit................................................ 189 VI. Konsolidierende Aufsichtsbehörde ...... 194 1. Bestimmung der konsolidierenden Aufsichtsbehörde..................................... 194 2. Aufgaben der konsolidierenden Aufsichtsbehörde ........................................... 198

Literatur: Amman/Brixner/Schaber, Konsolidierungskreis und -methoden bei Instituts- und Finanzholding-Gruppen nach der CRR und dem CRD IV-Umsetzungsgesetz, WPg 2015, 778; Binder, Vorstandshandeln zwischen öffentlichem und Verbandsinteresse, ZGR 2013, 760; Binder, Interne Corporate Governance im Bankkonzern, in: Hopt/Wohlmannstetter, Handbuch Corporate Governance von Banken, 4. Teil, 2011; Dreher, Ausstrahlungen des Aufsichtsrechts auf das Aktienrecht, ZGR 2010, 496; Geier, Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus, in: Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, Teil A, 2016, S. 28; Glawischnig-Quinke, Besondere Organisationspflichten von Instituten nach § 25a Abs. l KWG, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, 2. Aufl., 2018, 13. Kap.; Gutmann/Neisen, Eigenmittel, in: Becker/Christ/Denter, CRR-Handbuch zur Solvabilität, 3. Aufl. 2014, S. 17; Kuks/Manns/Savova/Schmid, Ermittlung der Risikodeckungsmasse auf Grundlage des IFRS-Konzernabschlusses, in: Becker/Schulte-Mattler, Finanzkrise 2.0 und Risikomanagement von Banken, 2012, S. 259; Lackhoff/Baldus, Das Großkreditregime der CRR und die Änderungsvorschläge des Baseler Ausschusses, ZBB 2015, 245; Langenbucher, Bausteine eines Bankgesellschaftsrechts, ZHR 176 (2012), 652; Manns/Webers, Konsolidierung im neuen Europäischen Aufsichtsregime, in: Gendrisch/Gruber/Hahn, Handbuch Solvabilität, 2. Aufl., 2014, S. 23; Mülbert/ Wilhelm, Risikomanagement und Compliance im Finanzmarktrecht – Entwicklung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen, ZHR 178 (2014), 502; Nemeczek/Pitz, Der Begriff der Finanzholdinggesellschaft im Rahmen der konsolidierten Aufsicht von Finanzholdinggruppen, BKR 2016, 495; Schneider, Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen und bankenaufsichtsrechtlichen Anforderungen an Risikomanagement auf Gruppenebene, 2009; Sopp, Fremdanteile in mehrstufigen Konzernen: Aufsichtsrechtliche Behandlung nach CRR und Implikationen für die Konsolidierungstechnik, ZBB 2013, 274; Sopp/Sopp, Besonderheiten der aufsichtsrechtlichen Konsolidierung nach CRD IV und Verhältnis zur Konzernrechnungslegung, in: Paetzmann/Schöning, Corporate Governance von Kreditinstituten, 2014, S. 195; Thelen-Pischke, § 6 Bankenaufsichtsrecht, in: Zerey, Zweckgesellschaften, 2012, S. 104; Weber-Rey, Ausstrahlungen des Aufsichtsrechts (insbesondere für Banken und Versicherungen) auf das Aktienrecht – oder die Infiltration von Regelungssätzen?, ZGR 2010, 543; Weber-Rey/Gissing, Gruppen-Governance – das Gruppeninteresse als Teil des internen Governance-Systems im Finanzsektor, AG 2014, 884. Verlautbarungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht/Basel Committee on Banking Supervision (BCBS): BCBS, Core Principles for Effective Banking Supervision, v. 9/2012, http:// www.bis.org/publ/bcbs230.pdf; BCBS, Guidelines on identification and management of step-in risk, v. 10/2017, https://www.bis.org/bcbs/publ/d423.pdf; BCBS, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen, Überarbeitete Rahmenvereinbarung, v. 6/2006, https://www.bis.org/publ/bcbs128ger.pdf; (Abrufdatum jew. 9.6.2020). Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdingge-

210

Nemeczek/Pitz

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

§5

sellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; Verordnung (EU) 2017/ 2402 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2017 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für Verbriefungen und zur Schaffung eines spezifischen Rahmens für einfache, transparente und standardisierte Verbriefung und zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG, 2009/138/EG, 2011/61/EU und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 648/2012, ABl. (EU) L 347/35 v. 28.12.2017; EP/Rat, Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EG – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID II), ABl. (EU) L 173/349 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates – Bilanzrichtlinie, ABl. (EU) L 182/19 v. 29.6.2013; EP/Rat, Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013; EP/Rat, Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungsund der Rückversicherungstätigkeit – Solvabilität II, Neufassung, ABl. (EU) L 335/1 v. 17.12.2009; EP/Rat, Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID I), ABl. (EU) L 145/1 v. 30.4.2004; EP/Rat, Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.12.2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 79/267/EWG, 92/49/EWG, 92/96/EWG, 93/6/EWG und 93/22/EWG des Rates und der Richtlinien 98/78/EG und 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. (EU) L 35/1 v. 11.2.2003. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1093/ 2010, (EU) Nr. 575/2013, (EU) Nr. 600/2014 und (EU) Nr. 806/2014 – Investment Firms Regulation (IFR), ABl. L 314/1 v. 5.12.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; Rat, Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013; EP/Rat, Verordnung (EG) Nr. 1606/ 2002 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards – IAS-Verordnung, ABl. (EG) L 243/1 v. 11.9.2002. Verlautbarungen und Verordnungen der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Call for advice to the EBA for the purposes of the report on the prudential requirements applicable to investment firms, v. 13.6.2016 (Ares(2016)2740315), https://www.eba.europa.eu/documents/ 10180/1513482/CfA+Investment+firms.pdf; Kommission, Bericht an das Europäische Parlament und den Rat über die Vorschriften zur Regelung der Anwendungsebenen der Bankenaufsicht, v. 5.8.2015, COM (2015) 388, https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2015/DE/1-2015-388-DE-F1-1.PDF; Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über strukturelle Maßnahmen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Kreditinstituten in der Union, v. 29.1.2014, COM(2014) 43 final, http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2014:0043: FIN:DE:PDF; Kommission, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 710/2014 der Kommission v. 23.6.2014 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards im Hinblick auf das Vorgehen bei der

Nemeczek/Pitz

211

§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

Beschlussfassung in Bezug auf gemeinsame Entscheidungen über institutsspezifische Aufsichtsanforderungen gemäß der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. (EU) L 188/19 v. 27.6.2014; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) Nr. 241/2014 der Kommission v. 7.1.2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Eigenmittelanforderungen an Institute, ABl. (EU) L 74/8 v. 14.3.2014; Kommission, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1423/2013 der Kommission v. 20.12.2013 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die Offenlegungspflichten der Institute in Bezug auf Eigenmittel gemäß der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. (EU) L 355/60 v. 31.12.2013; (Abrufdatum jew. 9.6.2020). Verlautbarungen der European Banking Authority (EBA): EBA, Single Rulebook Q&A, http:// www.eba.europa.eu/single-rule-book-qa; EBA, Consultation Paper, Draft Regulatory Technical Standards on the methods of prudential consolidation under Art. 18 of Regulation (EU) No 575/2013 – Capital Requirements Regulation (CRR) – Draft RTS, v. 9.11.2017 (EBA/CP/2017/20), https:// www.eba.europa.eu/documents/10180/2019694/Consultation+Paper+on+RTS+on+methods+ of+prudential+consolidation+%28EBA-CP-2017-20%29; EBA, Opinion on matters relating to other financial intermediaries and regulatory perimeter issues, v. 9.11.2017 (EBA/OP/2017/13), https:// www.eba.europa.eu/documents/10180/2019769/Opinion+on+OFIs+%28EBA-Op-2017-13%29.pdf; EBA, Report on other financial intermediaries and regulatory perimeter issues, v. 8.11.2017, https:// eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/1720738/dd684aa4-e2fb-4856-8f3f34293a8b5591/Report%20on%20OFIs.pdf; EBA, Supervisory disclosure, Annex 1: Rules and Guidance – Part 5, http://www.eba.europa.eu/documents/10180/923594/Supervisory+disclosure+-+Annex+1+-+Rules+and+Guidance+-+Part+5.xlsx/e399461e-891a-4fcc-a0ce-ca567a99a8f1; EBA, Discussion Paper, Designing a new prudential regime for investment firms, 4.11.2016 (EBA/DP/2016/02), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/1647446/cf75b87e-2db3-47a3b1f3-8a30fa6962da/Discussion%20Paper%20on%20a%20new%20prudential%20regime%20for%20 Investment%20Firms%20%28EBA-DP-2016-02%29.pdf?retry=1; EBA, Guidelines specifying the conditions for group financial support under Art. 23 of Directive 2014/59/EU, v. 9.7.2015 (EBA/GL/2015/17), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/1137032/EBA-GL-2015-17+Guidelines+on+group+financial+support.pdf; EBA, Opinion on a structural measure notified by the French Republic pursuant to Art. 395(6) of Regulation (EU) No 575/2013, v. 17.7.2014 (EBA/Op/ 2014/09), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/657547/EBA-Op-2014-09+Opinion+on+ a+structural+measure+notified+by+the+French+Republic.pdf; EBA, Opinion on the macroprudential rules in CRR/CRD – EBA response to the European Commission on Art. 513 CRR call for advice, v. 30.6.2014 (EBA/Op/2014/06), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/657547/ EBA-Op-2014-06+-+EBA+opinion+on+macroprudential+rules+in+CRR-CRD.pdf; (Abrufdatum jew. 9.6.2020). Verlautbarungen und Verordnungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ECB): ECB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, v. 31.3.2017 (SSM/2017/0140), https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/letterstobanks/shared/pdf/2017/Letter_to_SI_Entry_point_information_letter.pdf?cb08 01df81ba2db9d450ce4fb53065c8; EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, Konsolidierte Fassung, v. 11/2016, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ ecb/pub/pdf/ond_guide_consolidated.de.pdf; EZB, Stellungnahme zu der Trennung und Regulierung von Banktätigkeiten, v. 19.9.2014 (CON/2014/70), https://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/pdf/ fr_con_2014_70_f_sign.pdf; EZB, Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank v. 16.4.2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus – SSM-Rahmenverordnung (SSM-RahmenVO) (EZB/2014/17), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014; (Abrufdatum jew. 9.6.2020). Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)/Deutsche Bundesbank (Bundesbank): BaFin, Rundschreiben 9/2017 (BA), Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002), https://www.bafin.de/SharedDocs/ Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/2017/rs_1709_marisk_ba.html; BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 24.7.2019, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_geschaeftsleiter_KWG_ZAG_KAGB.html; BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 24.7.2019, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/ Merkblatt/mb_verwaltungs-aufsichtsorgane_KWG_KAGB.html; BaFin/Bundesbank, Fachgremium Offenlegung, Empfehlungen – Auslegungsfragen zur Offenlegung nach Teil 8 der CRR, v. 30.1.2015, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Protokoll/dl_protokoll_150115_fg_offenlegung _auslegungsfragen_ba.pdf; BaFin/Bundesbank, Fachgremium Eigenmittel, Ergebnisprotokoll der 20. ordentlichen Sitzung am 8.5.2018, https://www.bundesbank.de/resource/blob/769326/b96752a32b 57421077de72b71535bace/mL/2018-05-08-eigenmittel-data.pdf; BaFin/Bundesbank, Fachgremium

212

Nemeczek/Pitz

I. Die Anwendung von Regelungen auf konsolidierter Basis

§5

Eigenmittel, Ergebnisprotokoll der 19. Sitzung am 11.11.2016, v. 16.8.2017, https://www.bundesbank.de/ resource/blob/598044/7af83ac98e22996bf64e638763fd57ea/mL/2016-11-11-eigenmittel-data.pdf; BaFin/ Bundesbank, Fachgremium Eigenmittel, Ergebnisprotokoll der 18. Sitzung am 13.11.2015 sowie der Besprechung zwischen der Aufsicht und der DK 8.4.2016, https://www.bundesbank.de/resource/ blob/598060/9c57b0cb123912c821bdc3dc4cc6b54a/mL/2015-11-13-eigenmittel-data.pdf; BaFin/ Bundesbank, Fachgremium Eigenmittel, Ergebnisprotokoll der 17. ordentlichen Sitzung am 23.6.2015, https://www.bundesbank.de/resource/blob/598064/eb0bbdff8d6806aa792212e4a500bd61/mL/201506-23-eigenmittel-data.pdf; BaFin/Bundesbank, Ergebnisprotokoll der außerordentlichen Sitzung v. 28.4.2014, Besprechung mit der DK zu Eigenmittelthemen, https://www.bundesbank.de/resource/ blob/598086/0aed9b45b2d7a2c61cf67df27b087fca/mL/2014-04-28-eigenmittel-data.pdf; Bundesbank, Monatsbericht 9/2010, S. 49 https://www.bundesbank.de/resource/blob/692898/09dcc18dd7c5fb 3ec9dcd836c15c9932/mL/2010-09-monatsbericht-data.pdf; BaFin, Entwurf, Merkblatt zu § 2a KWG über Ausnahmen für gruppenangehörige Institute (Waiver-Regelung), v. 8/2007 (BA 37-FR 21312007/0001); BaFin, Abstimmung Sprachregelung zum aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis nach dem BilMoG, v. 17.12.2009 (BA 53-FR-2166-2009/0001); (Abrufdatum jew. 9.6.2020).

I.

Die Anwendung von Regelungen auf konsolidierter Basis

Institute werden im Grundsatz als individuelle Rechtsträger beaufsichtigt und sind daher 1 dazu verpflichtet, bankaufsichtsrechtliche Anforderungen auf Einzelbasis zu erfüllen (Art. 6 CRR)1). Die bloße Anknüpfung der Aufsichtsanforderungen an einzelne Institute würde allerdings sowohl die kumulierten Risiken und Risikokonzentrationen in der Gruppe insgesamt als auch die wirtschaftlichen Zusammenhänge zwischen den Einzelunternehmen innerhalb der Gruppe unberücksichtigt lassen.2) Hinzu kommt, dass eine auf Einzelbasis orientierte Aufsicht eher die Möglichkeit von Umgehungstatbeständen eröffnen würde, z. B. durch Bündelung von Finanzbeteiligungen in einer übergeordneten (unregulierten) Holdinggesellschaft oder durch den Aufbau von Kreditpyramiden.3) Um die aufsichtsrechtlich relevanten Risiken angemessen ausweisen und begrenzen zu können, erfolgt die Beaufsichtigung von Gruppen daher – zusätzlich zur Einzelaufsicht – auf konsolidierter Basis (Dual-Level Supervision).4) Das vorliegende Kapitel dient der Darstellung dieser zweiten Anwendungsebene. Der 2 Schwerpunkt dieses Beitrages liegt dabei auf der konsolidierten Beaufsichtigung von Instituts- und (gemischten) Finanzholdinggruppen nach Artt. 11 – 24 CRR, die mitunter durch die Konsolidierungsbestimmungen des KWG, vor allem durch § 10a KWG, ergänzt

___________ 1)

2)

3)

4)

Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. S. hierzu instruktiv Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, Artt. 11 ff. CRR Rz. 8 ff. und Brixner/ Schaber, Bankenaufsicht, S. 87, die zutreffend darauf hinweisen, dass Gläubiger gruppenangehöriger Institute dem sog. Zwischengewinnrisiken ausgesetzt sind und bei Forderungen gegenüber der Obergesellschaft Kapitalstrukturrisiken hinzukommen. Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, Artt. 11 ff. CRR Rz. 9 ff.; Sopp/Sopp in: Paetzmann/ Schöning, Corporate Governance von Kreditinstituten, S. 197; Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 87 f.; Manns/Webers in: Gendrisch/Gruber/Hahn, Hdb. Solvabilität, S. 23, 25; Nemeczek/Pitz, BKR 2016, 495, 496. Bis zum Inkrafttreten der 5. KWG-Novelle v. 28.9.1994 (BGBl. I 1994, 2735) konnte etwa die bankaufsichtliche Konsolidierung dadurch vermieden werden, dass anstelle eines Instituts ein unreguliertes Unternehmen als Holdinggesellschaft an die Spitze der Gruppe von Kreditinstituten gestellt wurde, ohne dass Risikokonzentrationen bei den regulierten Tochtergesellschaften angemessen erfasst werden konnten (vgl. Begr. RegE KWGÄndG, BT-Drucks. 12/6957, S. 26). Kommission, Bericht an das Europäische Parlament und den Rat über die Vorschriften zur Regelung der Anwendungsebenen der Bankenaufsicht, v. 5.8.2015, COM (2015) 388, S. 4 f.; s. a. ErwG 37 CRR. Aufgrund ihrer für die effektive Bankenaufsicht wesentlichen Bedeutung wird die konsolidierte Aufsicht auch in den Basler „Core Principles for Effective Banking Supervision“ als Grundsatz 12 aufgeführt, BCBS, Core Principles for Effective Banking Supervision, v. 9/2012, S. 35 ff.

Nemeczek/Pitz

213

§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

und erweitert werden.5) Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen der CRR werden dabei so auf die Gruppe der zu konsolidierenden Unternehmen angewendet, als handele es sich dabei um ein einziges Institut (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 47 CRR).6) Durch die Aufsicht auf konsolidierter Basis wird die Gruppe rechtlich verselbstständigter, jedoch wirtschaftlich verbundener Rechtsträger als ein Einheitsunternehmen fingiert.7) 3 Die aufsichtsrechtliche Konsolidierung nach der Capital Requirements Regulation (CRR) erstreckt sich auf die Vorgaben zu x

den Eigenmittelbestandteilen (Teil 2 CRR),

x

den Eigenmittelanforderungen (Teil 3 CRR),

x

den Großkrediten (Teil 4 CRR),

x

den Verbriefungsanforderungen (Art. 5 Verordnung (EU) 2017/2402)8),

x

der Liquidität (Teil 6 CRR),

x

den Verschuldungsanforderungen (Leverage Ratio) (Teil 7 CRR),

x

den Meldepflichten (Teil 7A CRR) und

x

den Offenlegungspflichten (Teil 8 CRR).

4 Die Anwendung von Normen auf konsolidierter oder gruppenweiter Basis ist allerdings nicht auf die CRR beschränkt, sondern findet sich ebenso in einigen anderen Teilen des Aufsichtsrechts. Dies gilt z. B. für die gruppenweite Anwendung organisatorischer Pflichten (§ 25a Abs. 3 KWG, AT 4.5 MaRisk 20179), die gruppenweite Anwendung der Vergütungsvorschriften (§ 27 InstitutsVergV)10) sowie die gruppenweite Anwendung bestimmter Geldwäscheorganisationsvorschriften nach § 9 GwG. Auch die Sanierungsund Abwicklungsplanung ist grundsätzlich auf Ebene des übergeordneten EU-Mutterunternehmens durchzuführen.11) 5 Bei der Anwendung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen auf konsolidierter Basis sind zwei grundlegende Fragestellungen zu differenzieren: Erstens, ob eine aufsichtsrechtlich relevante Gruppe existiert (siehe dazu Rz. 6 ff.). Dabei ist zu analysieren, welches Unternehmen die Pflicht zur Konsolidierung trifft und auf welcher Ebene die Konsolidierung vorzunehmen ist. Während bei Institutsgruppen stets auf Ebene des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens konsolidiert wird, wird bei Finanzholdinggruppen auf Ebene der Finanzholdinggesellschaft konsolidiert, wobei die Konsolidierungsverantwortung dabei bis zum Inkrafttreten ___________

x

5) Zur historischen Entwicklung des § 10a KWG s. Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, § 10a Rz. 2 ff. 6) Diese sog. Einheitstheorie entstammt dem Bilanzrecht (s. dazu Winkeljohann/Rimmelspacher in: BeckBilKomm, § 297 HGB Rz. 190 ff.; Busse von Colbe in: MünchKomm-HGB, § 297 Rz. 52 ff.). 7) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 11 CRR Rz. 8. 8) Verordnung (EU) 2017/2402 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2017, ABl. (EU) L 347/35 v. 28.12.2017. 9) BaFin, Rundschreiben 9/2017 (BA), MaRisk, v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002). 10) Institutsvergütungsverordnung – InstitutsVergV, v. 16.12.2013, BGBl. I 2013, 4270, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung v. 15.4.2019, BGBl. I 2019, 486. 11) Soweit ein Sanierungs- oder Abwicklungsplan für die EU-Gruppe erstellt wird, entfällt grundsätzlich das Erfordernis, entsprechende Pläne auf Einzelebene bei den Tochterunternehmen aufzustellen (vgl. Art. 7 Abs. 2 lit. a SRM-VO, §§ 12 Abs. 2, 40 Abs. 1 Satz 1 SAG). Nach Maßgabe von §§ 17 Abs. 2 – 4, 18 SAG kann die Aufsichtsbehörde auch die Erstellung eines Einzelsanierungsplans in Bezug auf ein gruppenangehöriges Institut verlangen (§ 14 Abs. 3 Satz 1 SAG). Innerhalb des SSM wird das Prinzip der Sanierungsplanung ausschließlich auf Gruppenebene ohne Einschränkung durchgesetzt. So hat etwa die HVB als Teil der UniCredit S.p.A. seit 2015 keinen HVB Group-Sanierungsplan mehr erstellt (s. Geschäftsbericht der UniCredit Bank AG 2016, S. 33).

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Nemeczek/Pitz

II. Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung

§5

der Zulassungspflicht für Finanzholdinggesellschaften regelmäßig ein von der Finanzholdinggesellschaft kontrolliertes CRR-Institut trifft. Die Ebene der Konsolidierung ist auch in Abhängigkeit der betreffenden aufsichtlichen Anforderungen zu bestimmen. So findet die Konsolidierung für Eigenmittelanforderungen typischerweise auf oberster nationaler Ebene statt, während konsolidierte Liquiditätsanforderungen auf oberster europäischer Ebene anzuwenden sind. x

Zweitens ist zu bestimmen, welche Unternehmen in den aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis fallen (siehe dazu Rz. 103 ff.). Es werden dabei nicht alle, sondern nur Unternehmen, deren Tätigkeit in Verbindung mit der Finanzindustrie stehen, konsolidiert.

x

Die Konsolidierung kann dabei abhängig von der Beziehung zu den in den Konsolidierungskreis fallenden Unternehmen vollständig, anteilsmäßig oder nach der Äquivalenzmethode vorgenommen werden (siehe dazu Rz. 103 ff.). Technisch orientiert sich die aufsichtsrechtliche Konsolidierung dabei am Konzernabschluss, oder – sofern es an diesem fehlt oder dieser nicht verwendbar ist – an der aufsichtsrechtlichen Aggregationsmethode.

x

Die Konsolidierung bringt einige Vor- und Nachteile mit sich, die im Einzelfall einer sorgfältigen Analyse bedürfen. Derartige Strukturierungserwägungen werden in Teil V (siehe Rz. 147 ff.) besprochen, der mit einigen Ausführungen zur Bestimmung der zuständigen konsolidierenden Aufsichtsbehörde (siehe dazu Rz. 194 ff.) abschließt.

II.

Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung

1.

Konsolidierungsebenen

Welches Unternehmen die Konsolidierung vorzunehmen hat, unterscheidet sich sowohl 6 nach dem Unternehmenstyp als auch nach der Art der zu erfüllenden Aufsichtsanforderungen, die jeweils in den Teilen 2 bis 8 CRR geregelt sind. Für die Grundfälle der Konsolidierungspflicht muss vielmehr zusätzlich danach differenziert werden, ob die oberste Konsolidierungsebene EWR-weit oder nur bezogen auf den individuellen EWR-Mitgliedstaat bestimmt wird. Die Konsolidierungspflicht für die Erfüllung der x

Eigenmittelanforderungen (Teil 2 und 3 CRR),

x

Großkreditbestimmungen (Teil 4 CRR),

x

Verbriefungsanforderungen (Art. 5 Verordnung (EU) 2017/2402),

x

Verschuldungsanforderungen (Leverage Ratio) (Teil 7 CRR) und

x

Meldepflichten (Teil 7A CRR) (ab dem 28.6.2021)

7

besteht für Mutterinstitute in einem Mitgliedstaat (Art. 4 Abs. 1 Nr. 28 CRR; siehe Rz. 13) sowie für CRR-Institute, die von einer Mutterfinanzholdinggesellschaft in einem Mitgliedstaat (Art. 4 Abs. 1 Nr. 30 und 32 CRR; siehe Rz. 13 ff.) kontrolliert werden, wobei ab dem 28.12.2020 anstelle der CRR-Institute nunmehr nach Maßgabe des Art. 21a Abs. 1 CRD12) zugelassene Mutterfinanzholdinggesellschaften in einem Mitgliedstaat konsolidierungsverpflichtet sein werden. ___________ 12) Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019.

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215

§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

8 Für die Erfüllung der Liquiditätsanforderungen (Teil 6 CRR) sowie der Offenlegungspflichten (Teil 8 CRR) sind demgegenüber x

EU-Mutterinstitute (Art. 4 Abs. 1 Nr. 29 CRR; siehe Rz. 25 ff.) sowie

x

CRR-Institute, die von einer (gemischten) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft (Art. 4 Abs. 1 Nr. 31 und 33 CRR; siehe Rz. 80 ff.) kontrolliert werden,

konsolidierungsverpflichtet. 9 Neben diesen Fällen vertikaler Gruppen bestehen Konsolidierungspflichten auch für horizontale Gruppen (siehe Rz. 40 ff.). 10 Besonderheiten gelten darüber hinaus u. a. für strukturell getrennte CRR-Institute (siehe Rz. 88 ff.), große Tochterunternehmen (siehe Rz. 92 ff.) sowie für CRR-Institute mit Tochterunternehmen und Beteiligungen in Drittstaaten (siehe Rz. 96 ff.). 11 Zusätzlich zur CRR enthält auch das KWG Bestimmungen zur Konsolidierung. Ausgangspunkt ist die entsprechende Anwendung der CRR nach § 1a KWG auf diejenigen KWG-Institute i. S. des § 1 Abs. 1b KWG,13) die nicht in den Anwendungsbereich des Art. 1 CRR fallen.14) Der deutsche Gesetzgeber macht dadurch von der in ErwG 24 CRR eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, gleichwertige Anforderungen an Unternehmen zu stellen, die nicht in den Anwendungsbereich der CRR fallen. Da die CRR nur für CRRInstitute (Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR) gilt, wäre ein gewisser Teil der KWG-Institute nicht erfasst. Nach § 1a Abs. 1 und Abs. 1a KWG gelten die Vorgaben „in bewährter deutscher Umsetzungstradition“15) daher auch für diejenigen KWG-Institute, die keine CRRInstitute sind. KWG-Kreditinstitute (§ 1 Abs. 1 KWG) und KWG-Finanzdienstleistungsinstitute (§ 1 Abs. 1a KWG), die keine CRR-Institute sind, werden danach so behandelt, als seien sie CRR-Kreditinstitute (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR) bzw. CRR-Wertpapierfirmen (Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 CRR). 12 Ergänzend eröffnet § 10a Abs. 1 und Abs. 2 KWG die Möglichkeit, abweichend von der sonst gesetzlich vorgesehenen Konsolidierungspflicht ein anderes Unternehmen als konsolidierungsverpflichtetes Unternehmen zu bestimmen (siehe dazu Rz. 24 und Rz. 67 ff.). Dadurch können nicht nur Nicht-CRR-Institute, sondern auch (gemischte) Finanzholdinggesellschaften zum konsolidierungsverpflichteten Unternehmen bestimmt werden. § 10a Abs. 1 und 2 KWG überlässt die Entscheidung über die abweichende Bestimmung des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens ausdrücklich nur der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und nicht der Aufsichtsbehörde i. S. des § 1 Abs. 5 KWG, wodurch i. R. des Single Supervisory Mechanism (SSM)16) die Europäische Zentralbank (EZB) von der Entscheidung ausgeschlossen sein könnte. Die Möglichkeit der abweichenden Bestimmung ist zwar weder in der CRR noch in der Capital Requirements Directive (CRD IV)17) als relevantes Unionsrecht i. S. des Art. 4 Abs. 3 SSM-VO ausdrücklich vorgesehen. Jedoch steht die Entscheidung in einem sachlichen Zusammenhang zur Aufsichtszuständigkeit aus Artt. 4 Abs. 1 lit. g, 6 Abs. 4 SSM-VO i. V. m. Art. 8 Abs. 1 ___________ 13) Zur besseren Abgrenzung gegenüber den von der CRR erfassten Instituten werden Institute nach § 1 Abs. 1b KWG vorliegend als „KWG-Institute“ bezeichnet, während Institute i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR als „CRR-Institute“ bezeichnet werden. 14) Vgl. ErwG 24 CRR: „Diese Verordnung steht dem nicht entgegen, dass Mitgliedstaaten an Unternehmen, die nicht unter den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, gegebenenfalls gleichwertige Anforderungen stellen.“ 15) Begr. RegE CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/10974, S. 72 li. Sp. 16) Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013. 17) Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013.

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II. Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung

§5

SSM-RahmenVO18), weshalb die EZB daher auch hinsichtlich der abweichenden Bestimmung des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens i. R. des SSM zuständig ist.19) 2.

Mutterinstitute in einem Mitgliedstaat

a)

Konsolidierungspflicht

Art. 11 Abs. 1 Satz 1 CRR verpflichtet Mutterinstitute in einem Mitgliedstaat i. S. des 13 Art. 4 Abs. 1 Nr. 28 CRR, die Eigenmittelanforderungen (Teil 2 und 3 CRR), die Großkreditbestimmungen (Teil 4 CRR) und die Verschuldungsanforderungen (Leverage Ratio) (Teil 7 CRR) auf konsolidierter Basis zu erfüllen. In diesem Zusammenhang steht zudem die in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 CRR adressierte Erfüllung der Verbriefungsanforderungen nach Art. 5 Verordnung (EU) 2017/2402, die u. a. durch Mutterunternehmen20) auf konsolidierter Basis zu erfolgen hat. Ab dem 28.12.2020 werden Mutterinstitute in einem Mitgliedstaat zudem dazu verpflichtet sein, die Meldepflicht für Marktrisiken nach Art. 430b CRR auf konsolidierter Lage zu erfüllen. Die Konsolidierungspflicht für die Meldung immobilienmarktspezifischer Daten nach Art. 430a CRR besteht demgegenüber ab dem 28.6.2021. Nicht umfasst von der Konsolidierungspflicht des Mutterinstituts in einem Mitgliedstaat 14 sind hingegen die Vorgaben zur Liquidität (Teil 6 CRR) sowie die Offenlegungspflichten (Teil 8 CRR). Eine entsprechende Konsolidierungspflicht besteht nur für EU-Mutterinstitute und CRR-Institute, die von einer (gemischten) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft kontrolliert werden. Allerdings können Mutterinstitute in einem Mitgliedstaat zur Teilkonsolidierung bestimmter Offenlegungsvorschriften verpflichtet sein, wenn sie als große Tochterunternehmen einzuordnen sind (siehe dazu Rz. 92 ff.). b)

Begriffsmerkmale

Ein Mutterinstitut in einem Mitgliedstaat wird in Art. 4 Abs. 1 Nr. 28 CRR definiert als 15 CRR-Institut in einem Mitgliedstaat, das ein CRR-Institut oder Finanzinstitut als Tochter hat oder eine Beteiligung an einem solchen CRR-Institut oder Finanzinstitut hält und nicht selbst Tochterunternehmen eines anderen, in demselben Mitgliedstaat zugelassenen CRR-Instituts oder einer in demselben Mitgliedstaat errichteten (gemischten) Finanzholdinggesellschaft ist. Mutterinstitute in einem Mitgliedstaat können nach Inkrafttreten der Investment Firms Regulation (IFR)21) ab dem 26.6.2021 gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR nur nach Art. 8 CRD IV zugelassene CRR-Kreditinstitute oder gemäß Art. 8a Abs. 3 CRD hierzu benannte Unternehmen mit Sitz in einem EWR-Mitgliedstaat22) sein. Nicht mehr erfasst werden hingegen CRR-Wertpapierfirmen nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 16 CRR in der bis zum Inkrafttreten der IFR geltenden Fassung. Wertpapierfirmen i. S. des ___________ 18) Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank v. 16.4.2014 – SSM-Rahmenverordnung (SSM-RahmenVO) (EZB/2014/17), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014. 19) ECB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, v. 31.3.2017 (SSM/2017/0140), S. 2. 20) Es werden nur Mutterunternehmen mit Institutseigenschaft (Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR) erfasst. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 CRR setzt zwar nicht voraus, dass das Mutterunternehmen ein CRR-Institut ist. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 CRR müssen allerdings die Mutterunternehmen und ihre Tochterunternehmen „unter diese Verordnung fallen“, womit Bezug genommen wird auf den Anwendungsbereich nach Art. 1 CRR. Dieser erfasst nur die i. R. der CRD beaufsichtigten CRR-Institute. 21) Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 – Investment Firms Regulation (IFR), ABl. L 314/1 v. 5.12.2019. 22) Nach Auffassung der EBA beinhaltet der Begriff der Mitgliedstaaten nicht nur die EU-Mitgliedstaaten, sondern den gesamten EWR, d. h. daneben auch die drei EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen (EBA, Single Rulebook Q&A, Art. 4 Abs. 1 Nr. 28 CRR, Question ID 2013_233).

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§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 CRR, die nunmehr sämtliche Unternehmen i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II23) erfasst,24) gelten dann für die Zwecke der aufsichtlichen Konsolidierung gemäß Art. 10a CRR nunmehr als Mutterfinanzholdinggesellschaften oder als UnionsMutterfinanzholdinggesellschaften, wenn sie Mutterunternehmen eines CRR-Instituts (Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR), einer Klasse 1b-Wertpapierfirma (Art. 1 Abs. 2 IFR) oder einer Klasse 1c-Wertpapierfirma (Art. 1 Abs. 5 IFR) sind. 17 Zur Einordnung eines CRR-Instituts (Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR) oder eines Finanzinstituts (Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR) als Tochter verweist Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 CRR zum einen auf die Definition des Art. 22 Richtlinie 2013/34/EU (Bilanzrichtlinie)25) und bezieht zum anderen jedes Unternehmen ein, auf das ein Mutterunternehmen tatsächlich einen beherrschenden Einfluss ausübt. Daneben genügt auch das Halten einer Beteiligung i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 35 CRR (siehe Rz. 124). 18 Für die Einordnung des CRR-Instituts als Mutterinstitut in einem Mitgliedstaat kommt es nur darauf an, ob dieses in dem Mitgliedstaat, in dem es zugelassen ist, Tochterunternehmen (Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 CRR) eines in demselben Mitgliedstaat zugelassenen Instituts oder einer in demselben Mitgliedstaat errichteten (gemischten) Finanzholdinggesellschaft26) ist. Unerheblich ist es daher, wenn das Mutterinstitut Tochterunternehmen eines in einem anderen EWR-Mitgliedstaat zugelassenen CRR-Instituts oder einer in einem anderen EWR-Mitgliedstaat errichteten (gemischten) Finanzholdinggesellschaft ist.27) Für CRR-Institute ist dabei v. a. von Bedeutung, ob diese in demselben Mitgliedstaat über eine Zulassung i. S. der Art. 8 CRD oder Art. 5 MiFID I28) verfügen. Nicht als in demselben Mitgliedstaat zugelassen gilt ein CRR-Institut hingegen, wenn es dort nur aufgrund des Europäischen Passes (Artt. 33 ff. CRD; Artt. 31 f. MiFID I)29) tätig ist, da der Zulassungsakt (Art. 4 Abs. 1 Nr. 42 CRR) in diesem Fall nicht im Aufnahmemitgliedstaat, sondern im Herkunftsmitgliedstaat erteilt wurde. ___________ 23) Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID II), ABl. (EU) L 173/349 v. 12.6.2014. 24) Nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 lit. c CRR in der bis zum Inkrafttreten der IFR geltenden Fassung waren Unternehmen, denen nicht erlaubt war, das Depotgeschäft als Nebendienstleistung (Anhang I Abschn. B Nr. 1 MiFID II) zu betreiben, die lediglich dazu berechtigt waren, eine oder mehrere der in Anhang I Abschn. A Nr. 1, 2, 4 und 5 MiFID II genannten Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten zu erbringen, und die weder Geld noch Wertpapiere ihrer Kunden halten durften, und deshalb zu keinem Zeitpunkt Schuldner dieser Kunden sein durften, nicht als CRR-Wertpapierfirmen eingeordnet worden. 25) Die Richtlinie 83/349/EWG wurde aufgehoben und durch die Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Bilanzrichtlinie, ABl. (EU) L 182/19 v. 29.6.2013 ersetzt. Es bleibt unklar, warum der Verordnungsgeber in Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 lit. b CRR nochmals auf Tochterunternehmen i. S. des Art. 22 Abs. 1 und Abs. 2 Bilanzrichtlinie verweist, obwohl diese bereits von der Formulierung in Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 lit. a CRR erfasst werden. Hierbei handelt es sich nach hier vertretener Ansicht um einen redaktionellen Fehler (vgl. auch Amman/Brixner/Schaber, WPg 2015, 778, 782). 26) Für die Zwecke des Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 CRR kommt es nicht darauf an, ob die Finanzholdinggesellschaft nach Maßgabe des Art. 21a Abs. 1 CRD zulassungspflichtig ist oder nach Art. 21a Abs. 4 CRD freigestellt ist. 27) Gleiches gilt erst recht, wenn das Mutterinstitut Tochterunternehmen eines in einem Drittstaat zugelassenen Instituts oder einer in einem Drittstaat errichteten (gemischten) Finanzholdinggesellschaft ist. 28) Umgesetzt in § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG, der allerdings auch erlaubnispflichtige Bankgeschäfte (§ 1 Abs. 1 KWG) und Finanzdienstleistungen (§ 1 Abs. 1a KWG) erfasst, die im Anwendungsbereich der CRD und MiFID I keine Zulassungspflicht begründen. 28) Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID I), ABl. (EU) L 145/1 v. 30.4.2004. 29) Umgesetzt in §§ 24a, 53b KWG.

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II. Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung

§5

Der Einordnung als Mutterinstitut in einem Mitgliedstaat steht zudem nicht entgegen, 19 wenn es Tochterunternehmen einer im selben Mitgliedstaat errichteten gemischten Holdinggesellschaft (Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 CRR) ist. In jedem EWR-Mitgliedstaat besteht die Konsolidierungspflicht maximal nur für ein Mutter- 20 institut in einem Mitgliedstaat, da dieses begriffsnotwendig in demjenigen Mitgliedstaat, in dem es zugelassen ist, das ranghöchste CRR-Institut der Gruppe ist.30) Anders ist dies hingegen für die Konsolidierungspflicht in Bezug auf die Erfüllung der Verbriefungsanforderungen (Teil der 5 CRR), denen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 CRR alle Mutterunternehmen unterliegen. Nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 CRR sind dies Mutterunternehmen i. S. des Art. 22 Abs. 1 Bilanzrichtlinie sowie Unternehmen, die tatsächlich einen beherrschenden Einfluss auf andere Unternehmen ausüben, während es auf eine einheitliche Leitung des Mutterunternehmens nach Art. 22 Abs. 2 Bilanzrichtlinie nicht ankommt.31) Ein wesentlicher Unterschied zum Mutterinstitut in einem Mitgliedstaat besteht darin, dass das Mutterunternehmen in dem Mitgliedstaat, in dem es zugelassen ist, Tochterunternehmen eines in demselben Mitgliedstaat zugelassenen CRR-Instituts oder einer in demselben Mitgliedstaat errichteten (gemischten) Finanzholdinggesellschaft sein kann. Innerhalb eines Mitgliedstaats können daher mehrere Mutterunternehmen einer Gruppe existieren, hingegen nur ein Mutterinstitut in einem Mitgliedstaat. Mutterunternehmen, die nicht das ranghöchste CRR-Institut der Gruppe sind, müssen die Pflichten auf teilkonsolidierter Basis i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 49 CRR) erfüllen, indem sie die ihr nachgeordneten Institute und Finanzinstitute in den Unterkonsolidierungskreis einbeziehen.32) c)

Ausweitung auf Nicht-CRR-Institute nach § 10a KWG

Außerhalb des Anwendungsbereichs der CRR sind die Konsolidierungsbestimmungen 21 des KWG insbesondere für Nicht-CRR-Institute relevant. § 10a KWG beinhaltet die zentralen Vorgaben zur Konsolidierung bei der Erfüllung der Eigenmittelanforderungen sowie der Großkreditbestimmungen. § 10a Abs. 8 Satz 1 KWG knüpft die Konsolidierungspflicht dabei an die Einordnung eines Instituts als übergeordnetes Unternehmen innerhalb einer Gruppe an. Diese Pflicht trifft unmittelbar jedoch nur Nicht-CRR-Institute. Für CRR-Institute folgt die Konsolidierungspflicht bereits unmittelbar aus den Artt. 11 ff. CRR, so dass § 10a KWG insoweit deklaratorisch ist.33) Übergeordnete Unternehmen einer Institutsgruppe können gemäß § 10a Abs. 1 Satz 2 22 KWG neben CRR-Instituten insbesondere auch Nicht-CRR-Institute sein.34) Dabei muss es sich gemäß § 1a KWG i. V. m. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 CRR um ein in Deutschland zugelassenes KWG-Mutterinstitut handeln, das zumindest ein CRR/KWG-Institut oder Finanzinstitut35) als Tochter hat oder eine Beteiligung daran hält und selbst nicht Tochterunternehmen eines anderen ebenfalls in Deutschland zugelassenen CRR/KWG-Instituts oder einer in Deutschland errichteten (gemischten) Finanzholdinggesellschaft ist. Der Einordnung als KWG-Mutterinstitut nach § 1a KWG i. V. m. Art. 11 Abs. 1 CRR steht ___________ 30) Sopp/Sopp in: Paetzmann/Schöning, Corporate Governance von Kreditinstituten, S. 195, 198. 31) Dies folgt aus einem Umkehrschluss zu Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 lit. a CRR, da lit. b für die Zwecke des Teils 5 CRR ausdrücklich nur auf Art. 22 Abs. 1 Bilanzrichtlinie (früher: Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 83/349/EWG) verweist. 32) Da nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 49 CRR auf die konsolidierte Lage dieses Mutterunternehmens abzustellen ist, finden die Art. 18 ff. CRR auch hierfür Anwendung (s. dazu Rz. 103 ff.). 33) Nemeczek/Pitz, BKR 2016, 495, 497; Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, § 10a Rz. 1. 34) Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, § 10a Rz. 24. 35) § 10a Abs. 1 Satz 3 KWG erfasst nur Institute (§ 1 Abs. 1b KWG), die nach § 1a KWG i. V. m. Art. 18 CRR in die Konsolidierung einzubeziehen sind, während Finanzunternehmen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KWG) nicht einbezogen werden.

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§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

nicht entgegen, wenn dieses Tochterunternehmen eines in einem anderen EWR-Mitgliedstaat zugelassenen Instituts ist, selbst wenn dieses in Deutschland aufgrund des Europäischen Passes grenzüberschreitend tätig ist. Eine Einschränkung besteht hingegen für Institutsgruppen, deren übergeordnetes Unternehmen ein Factoring- oder Leasinginstitut ist. Eine Konsolidierung wäre in diesem Fall nach § 10a Abs. 1 Satz 8 KWG nur dann durch das übergeordnete Unternehmen vorzunehmen, wenn diesem mindestens ein CRR-Institut mit Sitz im Inland als Tochterunternehmen nachgeordnet ist.36) 23 Allerdings kann es bei KWG-Instituten, die mindestens ein inländisches37) CRR-Institut kontrollieren, zu Überschneidungen mit der CRR kommen. Im Anwendungsbereich der CRR erfolgt die Konsolidierung bei Finanzholdinggesellschaften i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 30 CRR nicht durch diese, sondern durch ein Tochterinstitut (siehe dazu Rz. 54). Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 i. V. m. Nr. 26 CRR setzt nicht zwingend voraus, dass die Haupttätigkeit der Finanzholdinggesellschaft im Erwerb und Halten von Beteiligungen besteht (siehe dazu Rz. 44). Vielmehr kann von einer Finanzholdinggesellschaft auch dann ausgegangen werden, wenn die Haupttätigkeit darin besteht, die in Anhang I Nr. 2 – 12 und 15 CRD genannten Geschäfte zu betreiben. Mit Ausnahme der Geschäfte nach Nr. 9 und 1038) handelt es sich dabei um erlaubnispflichtige KWG-Bankgeschäfte, KWG-Finanzdienstleistungen und ZAG-Zahlungsdienste, die im Anwendungsbereich der CRR und der CRD keine Zulassungspflicht der Finanzholdinggesellschaft begründen. KWG-Institute, die die in Anhang I Nr. 2–12 und 15 CRD erbringen, wären daher im Anwendungsbereich des KWG als übergeordnete Unternehmen nach § 10a Abs. 8 Satz 1 KWG konsolidierungsverpflichtet, während im Anwendungsbereich der CRR stattdessen ein von ihr kontrolliertes CRR-Institut die Konsolidierung vorzunehmen hat. In einem solchen Fall haben die Bestimmungen der CRR Vorrang gegenüber dem KWG. d)

Abweichende Bestimmung des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens

24 Sowohl für CRR-Institute als auch Nicht-CRR-Institute kann die EZB (siehe dazu Rz. 12) bzw. die BaFin auf Antrag des übergeordneten Unternehmens ein anderes gruppenangehöriges Institut als übergeordnetes Unternehmen bestimmen, wobei dieses vorab anzuhören ist (§ 10a Abs. 1 Satz 5 KWG).39) Eine entsprechende Regelung findet sich auch für (gemischte) Finanzholding-Gruppen in § 10a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KWG (siehe dazu Rz. 67 ff.).40) Die Bestimmung gewährleistet die Berücksichtigung individueller Gestaltungen von Gruppen.41) Dies kann bspw. bei Institutsgruppen relevant werden, bei denen ___________ 36) Nicht ausreichend ist es somit, wenn dem Finanzdienstleistungsinstitut lediglich ein CRR-Institut mit Sitz im EWR-Ausland nachgeordnet ist, auch wenn dieses im Inland aufgrund des Europäischen Passes tätig ist. 37) Kontrolliert das KWG-Institut lediglich in anderen EWR-Mitgliedstaaten zugelassene CRR-Institute, bleibt dieses als übergeordnetes Unternehmen der Institutsgruppe konsolidierungsverpflichtet. 38) Unternehmen, die im Bereich der Unternehmensberatung (Anhang I Nr. 9 CRD) tätig sind oder Geldmaklergeschäfte (Anhang I Nr. 10 CRD) betreiben, werden nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 und 8 KWG als Finanzunternehmen qualifiziert. 39) Der Gesetzgeber sieht in der Abweichungsmöglichkeit eine „notwendige Ergänzung“ zu den Vorgaben des Art. 11 CRR i. V. m. Art. 111 CRD (Begr. RegE CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/ 10974, S. 78; krit. jedoch Beck/Samm/Kokemoor-Bornemann, KWG, Einf. CRR Rz. 109 Fn. 6; vgl. auch Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, § 10a Rz. 28, wonach sich die Möglichkeit der abweichenden Bestimmung nicht auf Unionsrecht stützt). 40) Krit. zur fehlenden Anordnungskompetenz i. R. des § 10a Abs. 1 Satz 5 KWG Beck/Samm/KokemoorLendermann, KWG, § 10a Rz. 28. 41) Begr. RegE Gesetz zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie, BT-Drucks. 17/1720, S. 39; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Schaber/Amann, KWG und CRR, § 10a KWG Rz. 19.

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II. Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung

§5

das übergeordnete Unternehmen ein Institut wäre, das auf Einzelbasis von der Erfüllung der Eigenmittelanforderungen befreit ist, dem aber inländische Institute nachgeordnet sind, für die eine entsprechende Befreiung nicht gilt.42) In diesem Fall kann es zweckmäßig sein, die Konsolidierungspflicht auf eines der nachgeordneten Institute zu übertragen.43) Zudem kann sich eine abweichende Beurteilung auch aus der relativen Bedeutung der von den gruppenangehörigen Instituten getätigten Geschäfte ergeben (vgl. Art. 111 Abs. 6 Satz 1 CRD), wenn etwa die Geschäftstätigkeit der Gruppe schwerpunktmäßig bei einem Tochterinstitut konzentriert ist. 3.

EU-Mutterinstitut

a)

Konsolidierungspflicht

Die Konsolidierungspflicht der EU-Mutterinstitute wird ausdrücklich nur im Zusam- 25 menhang mit der Erfüllung der Liquiditätsanforderungen (Teil 6 CRR) nach Art. 11 Abs. 3 Satz 1 CRR44), der Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (MREL) für Nicht-EU-GSRI nach Art. 92b CRR der Offenlegungspflichten (Teil 8 CRR) nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 CRR adressiert. Da EUMutterinstitute stets auch die Merkmale eines Mutterinstituts in einem Mitgliedstaat erfüllen, müssen sie die Konsolidierung auch für die Teile 2 bis 5 und 7 CRR vornehmen (siehe dazu oben Rz. 13 ff.). Für die Konsolidierung der Liquiditätsanforderungen ist nach Art. 11 Abs. 3 Satz 1 CRR 26 einschränkend erforderlich, dass die Gruppe zumindest ein CRR-Kreditinstitut (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR) oder zumindest eine Wertpapierfirma (Art. 4 Abs. 1 CRR), das den Eigenhandel/Eigengeschäft (Anhang I Abschn. A Nr. 3 MiFID I)45) und das Emissionsgeschäft (Anhang I Abschn. A Nr. 6 MiFID I) betreibt, umfasst.46) Diese Eigenschaft kann u. a. durch das EU-Mutterinstitut selbst oder wegen Art. 23 CRR auch durch ein in einem Drittstaat, d. h. außerhalb des EWR,47) ansässigen Unternehmen erfüllt werden (zu möglichen Ausnahmen von der Konsolidierungspflicht siehe Rz. 168). Ist das EU-Mutterinstitut Tochterunternehmen einer Nicht-EU-G-SRI, d. h. eines in einem Drittstaat ansässigen global systemrelevanten Instituts, und wurde nicht als Abwicklungseinheit nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 131 CRR i. V. m. Art. 2 Abs. 1 Nr. 83a BRRD48) bestimmt, muss es die gemäß Art. 92b CRR festgelegten Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (MREL) zu 90 % auf konsolidierter Basis erfüllen, wenn es die Anforderungen eines bedeutendes Tochterunternehmens gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 135 CRR erfüllt.

___________ 42) Begr. RegE Gesetz zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie, BT-Drucks. 17/1720, S. 39. 43) Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, § 10a Rz. 28. 44) Ab dem 28.12.2020 wird die Konsolidierungspflicht infolge des Inkrafttretens der CRR II in Art. 11 Abs. 4 CRR geregelt sein. 45) Dabei ist allerdings die Ausnahme des Art. 2 Abs. 1 lit. d MiFID I zu beachten. 46) Die praktische Bedeutung dieses einschränkenden Merkmals ist freilich gering (zutreffend Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 11 CRR Rz. 20). 47) Vgl. EBA, Single Rulebook Q&A, Art. 4 Abs. 1 Nr. 28 CRR, Question ID 2013_233. 48) Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019.

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§5 b)

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen Begriffsmerkmale

27 EU-Mutterinstitut ist gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 29 CRR ein Mutterinstitut in einem Mitgliedstaat, das nicht Tochterunternehmen eines anderen, in einem Mitgliedstaat zugelassenen Instituts oder einer in einem Mitgliedstaat errichteten (gemischten) Finanzholdinggesellschaft ist. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift handelt es sich bei EUMutterinstituten stets zugleich um Mutterinstitute in einem Mitgliedstaat (Art. 4 Abs. 1 Nr. 28 CRR). Der Unterschied besteht allerdings darin, dass das EU-Mutterinstitut im gesamten EWR und nicht nur in dem Mitgliedstaat, in dem es zugelassen ist, weder Tochterunternehmen eines in einem EWR-Mitgliedstaat zugelassenen Instituts noch einer in einem EWR-Mitgliedstaat errichteten (gemischten) Finanzholdinggesellschaft ist. Für das Mutterinstitut in einem Mitgliedstaat kommt es demgegenüber nur darauf an, ob es innerhalb desjenigen EWR-Mitgliedstaates, in dem es zugelassen ist, weder Tochterunternehmen eines dort zugelassenen Instituts oder einer dort errichteten (gemischten) Finanzholdinggesellschaft ist. EWR-weit können deshalb innerhalb einer Gruppe mehrere Mutterinstitute in einem Mitgliedstaat, jedoch nur ein EU-Mutterinstitut existieren. 28 Abb. 1: Überblick EU-Mutterinstitut Sitz: Deutschland Konsolidierungspflicht nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Art. 13 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 CRR

Mutterinstitut in einem MS

Mutterinstitut in einem MS

Mutterinstitut in einem MS

Sitz: Frankreich Konsolidierungspflicht nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 CRR

Sitz: Italien Konsolidierungspflicht nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 CRR

Sitz: Italien Konsolidierungspflicht nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 CRR

CRR-Institut Sitz: Deutschland

CRR-Institut Sitz: Italien

CRR-Institut Sitz: Deutschland

Quelle: Eigene Darstellung.

29 Der Einordnung als EU-Mutterinstitut steht nicht entgegen, wenn das CRR-Institut Tochterunternehmen einer gemischten Holdinggesellschaft oder eines in einem Drittstaat zugelassenen Instituts ist. Zu Finanzinstituten und gemischten Holdinggesellschaften siehe bereits unter Rz. 19. c)

Ergänzende Vorgaben des KWG

aa)

Liquidität

30 Hat das EU-Mutterinstitut seinen Sitz in Deutschland, werden die Liquiditätsanforderungen nach Teil 6 CRR durch § 11 Abs. 3 KWG ergänzt. Nach § 11 Abs. 3 Satz 4 KWG

222

Nemeczek/Pitz

II. Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung

§5

findet § 10a Abs. 1 bis 3 KWG entsprechend Anwendung.49) Dies hat insbesondere zur Folge, dass der Konsolidierungskreis i. R. der Erfüllung der Liquiditätsanforderungen um KWG-Institute ergänzt wird, die weder die Merkmale eines CRR-Instituts (Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR) noch eines Finanzinstituts (Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR) erfüllen. Daneben besteht die Möglichkeit, das konsolidierungsverpflichtete CRR-Institut nach Maßgabe des § 10a Abs. 1 bis 3 KWG abweichend zu bestimmen. In Umsetzung des Art. 105 CRD kann die EZB bzw. die BaFin nach § 11 Abs. 3 Satz 1 31 KWG zudem spezifische über die Anforderungen der Artt. 411 bis 428 CRR hinausgehende Liquiditätsanforderungen anordnen, um spezifische Risiken abzudecken. Die Anordnung kann auch auf konsolidierter Basis erfolgen. Ein inländisches Nicht-CRR-Institut kann hingegen nur dann gemäß § 1a Abs. 1 bzw. 2 32 KWG i. V. m. Art. 11 Abs. 3 CRR konsolidierungsverpflichtet sein, wenn diesem EWRweit kein CRR-Institut nachgeordnet ist. Kontrolliert das inländische Nicht-CRRInstitut ein im EWR zugelassenes CRR-Institut, wäre dieses nach Art. 11 Abs. 3 Satz 1 CRR unmittelbar konsolidierungsverpflichtet, da das KWG-Institut regelmäßig als eine (gemischte) Finanzholdinggesellschaft qualifiziert werden kann.50) Im Anwendungsbereich der deutschen Liquiditätsvorschriften sehen § 11 Abs. 1 KWG 33 und die Liquiditätsverordnung (LiqV)51) generell keine Pflicht zur Konsolidierung vor. Für die Erfüllung der Liquiditätsanforderungen nach § 11 Abs. 1 KWG i. V. m. LiqV besteht demgegenüber generell keine Konsolidierungspflicht. Verwendet hingegen die Institutsgruppe oder die Finanzholding-Gruppe ein eigenes Liquiditätsrisikomess- und -steuerungsverfahren, kann die Pflicht zur Erfüllung der §§ 2 bis 8 LiqV auf Einzelbasis gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 LiqV i. V. m. § 2a Abs. 5 KWG entfallen. bb)

Offenlegung

Die Offenlegungspflichten nach Teil 8 CRR werden durch § 26a KWG ergänzt.52) Das 34 konsolidierungsverpflichtete CRR-Institut muss etwa nach § 26a Abs. 1 Satz 1 KWG zusätzlich die rechtliche und die organisatorische Struktur sowie die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung der Gruppe darstellen. Zudem verpflichtet § 26a Abs. 1 Satz 2 KWG das CRR-Institut auf konsolidierter Basis zur länderbezogenen Berichterstattung. Diese Pflicht trifft zwar grundsätzlich jedes CRR-Institut, doch entfällt diese gemäß § 26a Abs. 1 Satz 3 KWG, wenn das CRR-Institut in den Konzernabschluss eines anderen Mutterunternehmens im EWR einbezogen ist. Die Ausnahme des § 26a Abs. 1 Satz 3 KWG bezieht sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut allerdings nur auf die Offenlegungspflicht des § 26a Abs. 1 Satz 2 KWG, während es nicht auf § 26a Abs. 1 Satz 1 KWG verweist. Die Offenlegungspflicht des § 26a Abs. 1 Satz 1 KWG ist allerdings dahingehend auszulegen, dass die zusätzlichen Angaben zur rechtlichen und organisatorischen Struktur sowie zu den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung der Gruppe nur dann erforderlich sind, wenn das betreffende Institut nach Artt. 435 – 455 CRR offenlegungspflichtig ist. Sofern ein Institut unter den Voraussetzungen des Art. 6 ___________ 49) Die Vorschrift ist systematisch als ein eigener Absatz zu verstehen, da sonst angenommen werden könnte, dass § 10a Abs. 1 bis 3 KWG lediglich für die Zwecke des § 11 Abs. 3 Satz 1 KWG entsprechende Anwendung findet (vgl. dazu Begr. RegE CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/10974, S. 81). 50) Erforderlich wäre hierzu zusätzlich, dass die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft die Voraussetzungen einer (gemischten) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft erfüllt. 51) Liquiditätsverordnung – LiqV, v. 14.12.2006, BGBl. I 2006, 3117. 52) Kaum praktische Bedeutung hat die Konsolidierungspflicht eines Nicht-CRR-Instituts aufgrund der entsprechenden Geltung des Art. 13 CRR gemäß § 1a Abs. 1 bzw. 2 KWG, da dies voraussetzen würde, dass dem Nicht-CRR-Institut EWR-weit kein CRR-Institut nachgeordnet ist.

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§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

Abs. 3 CRR von der Erfüllung der Offenlegungspflichten befreit ist und daneben nicht als großes Tochterunternehmen zur Erfüllung der Offenlegungspflichten gemäß Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 CRR verpflichtet ist, muss es dementsprechend auch nicht die zusätzlichen Angaben nach § 26a Abs. 1 Satz 1 KWG offenlegen. 4.

Wechselseitige Beteiligungen bei CRR-Instituten

35 Für wechselseitige Beteiligungen sieht § 10a Abs. 1 Satz 6 KWG vor, dass die EZB53) bzw. die BaFin das konsolidierungsverpflichtete Unternehmen bestimmt. In diesem Fall ist nicht automatisch das CRR-Institut mit der höchsten Bilanzsumme konsolidierungsverpflichtet,54) auch wenn es regelmäßig naheliegt, dieses als übergeordnetes Unternehmen zu bestimmen. Die CRR definiert nicht ausdrücklich das Merkmal der wechselseitigen Beteiligung. Von einer solchen Situation ist jedoch dann auszugehen, wenn das konsolidierungsverpflichtete Unternehmen nicht bestimmt werden kann, weil z. B. das eine CRR-Institut auf das andere beherrschenden Einfluss ausüben kann und beide Institute daher per definitionem als Tochterunternehmen i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 CRR qualifiziert werden können. 36 Das danach bestimmte übergeordnete Unternehmen wird dadurch als ein Mutterinstitut in einem Mitgliedstaat (Art. 4 Abs. 1 Nr. 28 CRR) behandelt. Es hat dementsprechend die Konsolidierung für die Erfüllung x

der Eigenmittelanforderungen (Teil 2 und 3 CRR),

x

der Großkreditbestimmungen (Teil 4 CRR),

x

der Verbriefungsanforderungen (Art. 5 Verordnung (EU) 2017/2402) und

x

der Verschuldungsanforderungen (Leverage Ratio) (Teil 7 CRR) vorzunehmen (siehe oben Rz. 13).

37 Zusätzlich besteht die Konsolidierungspflicht im Hinblick auf die Erfüllung der Liquiditätsanforderungen (Teil 6 CRR) sowie der Offenlegungspflichten (Teil 8 CRR), wenn das übergeordnete Unternehmen EWR-weit nicht Tochterunternehmen eines anderen CRR-Instituts oder einer (gemischten) Finanzholdinggesellschaft ist und deshalb als ein EU-Mutterinstitut (Art. 4 Abs. 1 Nr. 29 CRR) behandelt wird. 38 Eine Anhörungspflicht ist – anders als nach § 10a Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 KWG – zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, folgt jedoch aus § 28 Abs. 1 VwVfG bzw. Art. 41 Abs. 2 lit. a GRCh.55) Die EZB bzw. BaFin kann nur eines der wechselseitig beteiligten Unternehmen als übergeordnetes Unternehmen bestimmen.56) 39 Nicht anwendbar ist § 10a Abs. 1 Satz 6 KWG hingegen, wenn zwar beide CRR-Institute Beteiligungen am jeweils anderen CRR-Institut halten, jedoch nur das eine CRR-Institut einen beherrschenden Einfluss ausüben kann, da in diesem Fall nur ein CRR-Institut als Tochterunternehmen qualifiziert werden kann.

___________ 53) § 10a Abs. 1 Satz 6 KWG adressiert ausdrücklich nur die BaFin (und nicht allgemein die Aufsichtsbehörde nach § 1 Abs. 5 KWG). Aufgrund der Zuständigkeit der EZB zur konsolidierten Aufsicht über bedeutende CRR-Kreditinstitute oder (gemischte) Finanzholdinggesellschaften nach Artt. 4 Abs. 1 lit. g, 6 Abs. 4 SSM-VO i. V. m. Art. 8 Abs. 1 SSM-RahmenVO wird die Zuständigkeit der BaFin jedoch insoweit verdrängt. 54) Umkehrschluss zu § 10a Abs. 1 Satz 7 und Abs. 2 Satz 7 KWG. 55) A. A. Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Kempers/Klotzbach, KWG, § 10a Rz. 47. 56) Vgl. Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Kempers/Klotzbach, KWG, § 10a Rz. 47.

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II. Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung 5.

§5

Horizontale Unternehmensgruppe

Eine aufsichtsrechtlich relevante Gruppe kann auch zwischen Unternehmen bestehen, die 40 lediglich horizontal verbunden sind, ohne dass sie in einem vertikalen Mutter-TochterVerhältnis zueinanderstehen.57) Der Begriff der horizontalen Unternehmensgruppe richtet sich nach Art. 22 Abs. 7 Bi- 41 lanzrichtlinie.58) Eine horizontale Unternehmensgruppe liegt danach vor, wenn x

ein Unternehmen sowie ein oder mehrere andere Unternehmen,59) die untereinander nicht in einer Mutter-Tochter-Beziehung stehen, aufgrund eines mit diesem Unternehmen geschlossenen Vertrages oder einer Satzungsbestimmung dieser Unternehmen einer einheitlichen Leitung unterstehen (einheitliche Leitung kraft Vertrags oder Satzung)60) oder

x

das Verwaltungs-, Leitungs-, oder Aufsichtsorgan dieses Unternehmens sowie dasjenige eines oder mehrerer Unternehmen, die nicht in einer Mutter-Tochter-Beziehung stehen, sich mehrheitlich aus denselben Personen zusammensetzen, die während des Geschäftsjahres und bis zur Aufstellung des konsolidierten Abschlusses im Amt sind (einheitliche Leitung aufgrund personeller Verflechtungen).

Bei horizontalen Unternehmensgruppen hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Art. 18 42 Abs. 3 CRR zu bestimmen, in welcher Form die Konsolidierung erfolgt (siehe dazu Rz. 120 ff.). Nach § 10a Abs. 1 Satz 7 KWG gilt innerhalb einer horizontalen Unternehmensgruppe das inländische Institut mit der höchsten Bilanzsumme als übergeordnetes Institut. 6.

(Gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaft in einem Mitgliedstaat

a)

Begriffsmerkmale

(Gemischte) Finanzholdinggesellschaften zeichnen sich dadurch aus, dass an ihrer Spitze 43 kein reguliertes61) CRR-Institut steht und daher keiner Zulassung i. S. des Art. 8 CRD oder Art. 5 MiFID I bedürfen. Im Anwendungsbereich der CRR und der CRD wird die Finanzholdinggesellschaft auch dann nicht als beaufsichtigtes Unternehmen behandelt, wenn sie zumindest nach nationalem Recht beaufsichtigt werden62) oder die von Finanz___________ 57) Vgl. Begr. RegE Finanzkonglomeraterichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 15/3641, S. 38. 58) Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 83/349/EWG wurde aufgehoben und durch Art. 22 Abs. 7 Bilanzrichtlinie ersetzt. Von der einheitlichen Leitung i. S. des Art. 22 Abs. 7 Bilanzrichtlinie zu unterscheiden ist die einheitliche Leitung nach Art. 22 Abs. 2 lit. b Bilanzrichtlinie, die gerade zu einem vertikalen MutterTochter-Verhältnis führt. Art. 18 Abs. 3 CRR räumt den zuständigen Aufsichtsbehörden ausdrücklich nur hinsichtlich der Form einen Ermessensspielraum ein, doch deckt dies implizit auch die Bestimmung des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens mit ab. Durch § 10a Abs. 1 Satz 7 KWG hat allerdings der Gesetzgeber das zur Bestimmung des konsolidierungspflichtigen Unternehmens eingeräumte Ermessen bereits verbindlich vorgegeben. 59) Die Bildung einer horizontalen Unternehmensgruppe kommt auch mit einem in einem Drittstaat ansässigen Unternehmen in Betracht, da Art. 22 Abs. 7 lit. a Bilanzrichtlinie nicht verlangt, dass das betreffende andere Unternehmen im EWR ansässig sein muss. 60) Nach EBA, Consultation Paper, Draft RTS, v. 9.11.2017 (EBA/CP/2017/20), S. 23, liegt eine einheitliche Leitung u. a. dann nahe, wenn zwei Unternehmen wie eine Einheit geleitet werden und/oder dieselbe natürliche Person zwei Unternehmen kontrolliert. 61) Der Umstand, dass die Mutterfinanzholdinggesellschaft nicht in den Anwendungsbereich der CRR und CRD fällt, schließt nicht aus, dass sie nach Maßgabe des nationalen Aufsichtsrechts beaufsichtigt werden kann. Ein Unternehmen, das ausschließlich Kreditgeschäfte betreibt, wäre im Anwendungsbereich der CRR gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR i. V. m. Anhang I Nr. 2 CRD als Finanzinstitut einzuordnen. Im Anwendungsbereich des KWG würde das Unternehmen gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG erlaubnispflichtige Bankgeschäfte betreiben und bedürfte daher einer Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG. 62) EBA, Single Rulebook Q&A, Artt. 11, 18, 81 and 82 CRR, Art. 111 CRD, Question ID 2013_521.

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§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

instituten betriebenen Geschäfte nach nationalem Recht erlaubnispflichtig sind (siehe oben Rz. 23). 44 Finanzholdinggesellschaften stellen nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 CRR Finanzinstitute dar, die keine gemischten Finanzholdinggesellschaften sind und deren Tochterunternehmen ausschließlich oder hauptsächlich CRR-Institute oder Finanzinstitute sind, wobei mindestens eines dieser Tochterunternehmen ein CRR-Institut ist. Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 Halbs. 1 CRR definiert „Finanzinstitut“ als Unternehmen, das kein CRR-Institut ist und keine reine Industrieholdinggesellschaft ist und dessen Haupttätigkeit darin besteht, Beteiligungen zu erwerben oder eines oder mehrere der in Anhang I Nr. 2 bis 12 und 15 CRD genannten Geschäfte zu betreiben. Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR setzt damit nicht zwingend voraus, dass die Haupttätigkeit der Finanzholdinggesellschaft im Erwerb und im Halten von Beteiligungen besteht. Finanzinstitute sind zwar Unternehmen der Finanzbranche (Art. 4 Abs. 1 Nr. 27 lit. b CRR), doch erfüllen sie nicht die Voraussetzungen eines beaufsichtigten CRRInstituts (Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR). Trotz des missverständlichen Wortlauts in Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR genügt bereits der Erwerb oder das Halten von nur einer einzigen Beteiligung.63) Durch die CRR II wurde die frühere Auffassung der European Banking Authority (EBA)64) in den Wortlaut der Legaldefinition des Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR übernommen, indem klargestellt wird, dass reine Industrieholdinggesellschaften keine Finanzinstitute sind. Dadurch soll insbesondere verhindert werden, dass Mutterholdinggesellschaften in Industriekonzernen, deren Haupttätigkeit im Halten von Beteiligungen an den ihr nachgeordneten Tochterunternehmen der Realwirtschaft besteht und die den gesamten Geschäftsbetrieb des Konzerns etwa aus haftungs- oder steuerrechtlichen Gründen nicht beim Mutterunternehmen konzentrieren, als Finanzinstitut eingeordnet werden. Um keine Industrieholdinggesellschaft handelt es sich dementsprechend dann, wenn das Finanzinstitut zumindest eine Beteiligung an einem Finanzinstitut oder CRR-Institut hält. Nach Auffassung der EBA können Holdinggesellschaften auch dann Finanzinstitute sein, wenn keines ihrer Beteiligungen die Merkmale eines Finanzinstituts erfüllt.65) 45 Von zentraler Bedeutung für die Qualifikation als Finanzinstitut ist die Bestimmung der Haupttätigkeit des betreffenden Unternehmens, was in der Praxis jedoch mangels gesetzlich geregelter Kriterien häufig zu Abgrenzungsschwierigkeiten führt. Maßgeblich für die Bestimmung der Haupttätigkeit sind eine materielle Betrachtung der unternehmerischen Aktivitäten und die Bestimmung des tatsächlichen Schwerpunkts des Unternehmens.66) Relevante Gesichtspunkte sind dabei der Anteil der betreffenden Tätigkeit am Gesamtgeschäftsvolumen des Unternehmens aufgrund des Umfangs der Einnahme oder Bruttoerträge sowie der Umfang der Aufwendungen für das Personal.67) Die Festlegung des Unternehmensgegenstands in der Satzung des Unternehmens hat allenfalls Indizwirkung für die Bestimmung der Haupttätigkeit68) und befreit nicht davon, die tatsächlich getätigten Aktivitäten des Unternehmens materiell zu bewerten. Unerheblich ist hingegen, welchen Anteil die Tätigkeiten der Tochterunternehmen am Eigenkapital oder die konsolidierte Bilanzsumme des betreffenden Mutterunternehmens haben69), da es sich dabei um Faktoren handelt, die vielmehr für die ___________ Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 92; Beck/Samm/Kokemoor-Demmelmair, KWG, § 1 Rz. 812. EBA, Single Rulebook Q&A, Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR, Question ID Q&A 2014_857. Vgl. EBA, Single Rulebook Q&A, Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR, Question ID 2013_310. Zutr. Beck/Samm/Kokemoor-Demmelmair, KWG, § 1 Rz. 808a; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 172; s. a. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 229. 67) Beck/Samm/Kokemoor-Demmelmair, KWG, § 1 Rz. 808a. 68) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 229; Schwennicke/AuerbachSchwennicke, KWG, § 1 Rz. 172. 69) So aber Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 228.

63) 64) 65) 66)

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II. Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung

§5

nachgelagerte Qualifikation eines Finanzinstituts als Finanzholdinggesellschaft gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 CRR ankommt. Nach dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR, der lediglich eine Haupttätigkeit adressiert („dessen Haupttätigkeit“), kommt es nur auf die primär zentrale Tätigkeit des Unternehmens an, wohingegen es grundsätzlich nicht möglich ist, dass das Unternehmen über zwei Haupttätigkeiten verfügt. Anders ist die Situation in Österreich für die – für geldwäscherechtliche Zwecke relevante – Einordnung eines Unternehmens als Finanzinstitut nach § 1 Abs. 2 Bankwesengesetz (BWG), wonach es darauf ankommt, ob das Unternehmen eine oder mehrere der enumerativ aufgeführten Tätigkeiten gewerbsmäßig als Haupttätigkeit betreibt. Im Unterschied zu Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR ist es insoweit möglich, dass ein Finanzinstitut i. S. des § 1 Abs. 2 BWG über mehrere Haupttätigkeiten verfügt.70) Gerade bei Fintechs sind in der Praxis nicht selten Gruppenkonstellationen anzutreffen, 46 in denen die Muttergesellschaft selbst lediglich Beteiligungen an den ihr nachgeordneten Finanzinstituten oder CRR-Instituten hält und daneben technische Lösungen entwickelt, die von ihren Tochterunternehmen i. R. einer Auslagerung eingesetzt werden. Ob solche Muttergesellschaften als Finanzinstitute i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR zu qualifizieren sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Häufig sind solche Muttergesellschaften in der Praxis gerade deshalb nicht als Finanzinstitute einzuordnen, weil der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in der Entwicklung technischer Lösungen besteht und auch der Großteil des Personals des Mutterunternehmens für diesen Tätigkeitsbereich angestellt ist, während das Halten von Beteiligungen an nachgeordneten Finanzinstituten und CRR-Instituten von untergeordneter Bedeutung ist. Neben Finanzholdinggesellschaften schließt die Legaldefinition zu Finanzinstituten ge- 47 mäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 Halbs. 2 CRR auch gemischte Finanzholdinggesellschaften (Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 CRR), Zahlungsinstitute (Art. 4 Nr. 4 Richtlinie 2007/64/EG) und Vermögensverwaltungsgesellschaften (Art. 4 Abs. 1 Nr. 19 CRR)71) ein. Ausdrücklich ausgenommen sind hingegen Verssicherungsholdinggesellschaften und gemischte Versicherungsholdinggesellschaften i. S. des Art. 212 Abs. 1 lit. f und g Solvabilität II-Richtlinie72). Selbiges gilt schon per definitionem für Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen i. S. des Art. 13 Nr. 1 und 4 Solvabilität II-Richtlinie.73) Tochterunternehmen der Finanzholdinggesellschaft müssen gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 48 Halbs. 1 CRR ausschließlich oder hauptsächlich74) CRR-Institute oder Finanzinstitute sein, wobei mindestens eines dieser Tochterunternehmen ein CRR-Institut sein muss.75) ___________ 70) Österreichischer Verwaltungsgerichtshof, Entsch. v. 24.10.2018 – Ro 2017/02/0025, ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017020025.J00, Rz. 20. 71) In Deutschland fallen darunter alle Arten von Kapitalverwaltungsgesellschaften i. S. des § 17 KAGB. 72) Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2009 – Solvabilität II, ABl. (EU) L 335/1 v. 17.12.2009. 73) Vgl. auch EBA, Single Rulebook Q&A, Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR, Question ID 2013_383. 74) Mindestens 50 % des Eigenkapitals, des konsolidierten Vermögens, der Umsätze, des Personals oder eines anderen Indikators muss in Verbindung zu den Tochterunternehmen stehen, die die Merkmale eines CRRInstituts oder Finanzinstituts erfüllen (EBA, Single Rulebook Q&A, Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 CRR, Question ID 2014_796). Dies soll durch Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 Halbs. 2 CRR entsprechend klargestellt werden. 75) Der neue Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 Halbs. 2 CRR ist insoweit missverständlich, als er impliziert, dass der Finanzholdinggesellschaft nur dann ein CRR-Institut nachgeordnet sein muss, wenn es „hauptsächlich“ CRR-Institute oder Finanzinstitute als Tochterunternehmen hat, da ein solches Kriterium in Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 Halbs. 1 CRR nicht genannt wird. Aus diesem Grund wäre nach dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 Halbs. 1 CRR eine Finanzholdinggesellschaft auch dann gegeben, wenn es ausschließlich Finanzinstitute als Tochterunternehmen hat. Mit der Änderung des Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 CRR war jedoch offensichtlich ausschließlich die Konkretisierung des Merkmals „hauptsächlich“ bezweckt, wohingegen der Gesetzgeber nicht bewusst auf das Erfordernis zumindest eines nachgeordneten CRRInstituts verzichtet hat. Keine Finanzholdinggesellschaft liegt dementsprechend auch weiterhin vor, wenn das betreffende Unternehmen ausschließlich Finanzinstitute als Tochterunternehmen hat.

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§5

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50

51

52

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

Durch die CRR II wurden die von der EBA76) aufgestellten Kriterien zur Bestimmung des Merkmals „hauptsächlich“ nunmehr in Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 Halbs. 2 CRR gesetzlich verankert. Danach sind die Tochterunternehmen eines Finanzinstituts dann hauptsächlich CRR-Institute oder Finanzinstitute, wenn mindestens eines dieser Tochterunternehmen ein CRR-Institut ist und wenn über 50 % des Eigenkapitals, der konsolidierten Bilanzsumme, der Einkünfte, des Personals des Finanzinstituts oder eines anderen von der zuständigen Behörde als relevant erachteten Indikators Tochterunternehmen zuzuordnen sind, bei denen es sich um CRR-Institute oder Finanzinstitute handelt. Bei den relevanten Faktoren ist in einem ersten Schritt der jeweils relevante Wert des Mutterfinanzinstituts auf konsolidierter Basis und in einem zweiten Schritt der Anteil, der den nachgeordneten CRR-Instituten und Finanzinstituten an jenen Werten zuzuordnen ist, zu bestimmen. Deshalb muss bei der Bestimmung des Anteils der betreffenden Tochterunternehmen am Eigenkapital des Mutterfinanzinstituts die Höhe des Eigenkapitals der Tochterunternehmen auf Einzelbasis unberücksichtigt bleiben, da hierdurch etwa die Ausgestaltung gruppeninterner Finanzierungen nicht angemessen reflektiert würde. Ebenso muss bei der Bewertung des „Hauptsächlichkeitskriteriums“ aufgrund der konsolidierten Bilanzsumme die Höhe der Bilanzsumme des betreffenden Tochterunternehmens auf Einzelbasis unberücksichtigt bleiben, da der Wert i. R. der bilanziellen Konsolidierung ggf. zu korrigieren ist. Maßgeblich ist vielmehr der Anteil, der dem Tochterunternehmen letztlich an der konsolidierten Bilanzsumme zuzuordnen ist. Wird Personal des Mutterfinanzinstituts aufgrund einer Arbeitnehmerüberlassung (Secondment) beim Tochterunternehmen eingesetzt, ist es grundsätzlich dennoch als Personal des Mutterfinanzinstituts zuzuordnen. Im Einzelfall können allerdings Korrekturen erforderlich werden, um bspw. regulatorische Arbitrage zu vermeiden. Bei der Anwendung weiterer, ungeschriebener Indikatoren wird die Aufsichtsbehörde insbesondere zu beurteilen haben, inwieweit sie notwendig sind, um Umstände zu adressieren, die von den ausdrücklich genannten Indikatoren nicht angemessen berücksichtigt werden. Die Legaldefinition zu gemischten Finanzholdinggesellschaften verweist in Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 CRR auf Art. 2 Nr. 15 Richtlinie 2002/87/EG77). Tochterunternehmen einer gemischten Finanzholdinggesellschaft muss mindestens ein beaufsichtigtes Unternehmen i. S. des Art. 2 Nr. 4 Richtlinie 2002/87/EG (Kreditinstitut, Versicherungsunternehmen, Rückversicherungsunternehmen, Wertpapierfirma, Vermögensverwaltungsgesellschaft oder Verwalter alternativer Investmentfonds) sein, wobei nicht erforderlich, dass es sich – anders als bei Finanzholdinggesellschaften – dabei notwendigerweise um CRR-Institute oder Finanzinstitute handelt. Zusammen mit ihren Tochterunternehmen und anderen Unternehmen bildet die gemischte Finanzholdinggesellschaft zudem ein Finanzkonglomerat i. S. des Art. 2 Nr. 14 Richtlinie 2002/87/EG78). Von (gemischten) Finanzholdinggesellschaften sind gemischte Holdinggesellschaften i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 CRR zu unterscheiden.79) Eine gemischte Holdinggesellschaft ___________ 76) EBA, Single Rulebook Q&A, Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 CRR, Question ID 2014_796. 77) Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.12.2002, ABl. (EU) L 35/1 v. 11.2.2003. 78) Die Bestimmungen der Richtlinie 2002/87/EG wurden im Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.12.2002 – FinanzkonglomeraterichtlinieUmsetzungsgesetz (FKAG), v. 21.12.2004, BGBl. I, 2004, 3610, umgesetzt, das zusätzliche regulatorische Anforderungen an beaufsichtigte Unternehmen eines Finanzkonglomerats festlegt. 79) Die Bedeutung der gemischten Holdinggesellschaften bezieht sich vor allem auf die Qualifizierung von Kapitalinstrumenten als CET1, AT1 und T2. Erforderlich ist dazu u. a., dass die Instrumente nicht durch eine gemischte Holdinggesellschaft besichert oder Gegenstand einer von ihr gestellten Garantie sind, die den Ansprüchen einen höheren Rang verleiht (Artt. 28 Abs. 1 lit. l (iv), 52 Abs. 1 lit. e (iv), 63 lit. e (iv) CRR).

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II. Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung

§5

darf weder (gemischte) Finanzholdinggesellschaft noch CRR-Institut sein und zu ihren Tochterunternehmen muss zumindest ein CRR-Institut gehören. Anders als gemischte Finanzholdinggesellschaften sind gemischte Holdinggesellschaften nicht Teil eines Finanzkonglomerats. Parallel zu Mutterinstituten in einem Mitgliedstaat sind (gemischte) Mutterfinanzhol- 53 dinggesellschaften in einem Mitgliedstaat nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 30 und 32 CRR selbst nicht Tochterunternehmen eines im selben Mitgliedstaat zugelassenen Instituts oder einer im selben Mitgliedstaat errichteten (gemischten) Finanzholdinggesellschaft (siehe dazu i. Ü. Rz. 18). b)

Konsolidierungspflicht

aa)

Konsolidierungssubstitution

Anders als im Falle von Mutterinstituten trifft eine (gemischte) Mutterfinanzholdingge- 54 sellschaft – bis zum 28.12.2020 – nicht selbst die Konsolidierungspflicht, sondern gemäß Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 1 CRR das CRR-Institut, das von der (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaft kontrolliert wird. Der Grund für diese Verlagerung besteht darin, dass es sich bei (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaft um keine beaufsichtigten Institute handelt (Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR).80) Um zu vermeiden, dass die aufsichtliche Konsolidierung durch den Aufbau einer Holdingstruktur umgangen wird, sieht die CRR eine Konsolidierungssubstitution vor, die dementsprechend das nachgeordnete CRR-Institut zur Konsolidierung verpflichtet, auch wenn dieses von einer Mutterfinanzholdinggesellschaft kontrolliert wird. Der Kontrollbegriff ist in Art. 4 Abs. 1 Nr. 37 CRR legaldefiniert und erfasst neben dem 55 Mutter-Tochterverhältnis i. S. des Art. 22 Bilanzrichtlinie81) auch die Rechnungslegungsstandards, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1606/200282) (IAS-Verordnung) für CRRInstitute gelten. Das Halten einer Beteiligung (Art. 4 Abs. 1 Nr. 35 CRR) genügt hingegen nicht. Die Konsolidierungspflicht nach Art. 11 Abs. 2 CRR bezieht sich sachlich auf die Erfüllung x

der Eigenmittelanforderungen (Teil 2 und 3 CRR),

x

der Großkreditbestimmungen (Teil 4 CRR) und

x

der Verschuldungsanforderungen (Leverage Ratio) (Teil 7 CRR).

56

Hinsichtlich der Erfüllung der Verbriefungsanforderungen nach Art. 5 Verordnung 57 (EU) 2017/2402 sind Mutterunternehmen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 CRR unabhängig davon, ob sie von einer (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaft kontrolliert werden, konsolidierungsverpflichtet. Insofern kommt es lediglich darauf an, ob sie die Merkmale des Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 CRR erfüllen (siehe dazu Rz. 20). Für die Erfüllung der Liquiditätsanforderungen (Teil 6 CRR) und der Offenlegungspflich- 58 ten (Teil 8 CRR) bezieht sich die Konsolidierungspflicht hingegen auf ein von einer (gemischten) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft kontrolliertes Institut (siehe dazu Rz. 81 ff.).

___________ 80) Sopp/Sopp in: Paetzmann/Schöning, Corporate Governance von Kreditinstituten, S. 195, 203; Boos/ Fischer/Schulte-Mattler-Stawitzke, KWG/CRR-VO, § 10a KWG Rz. 31. 81) Die in Art. 4 Abs. 1 Nr. 37 CRR genannte Richtlinie 83/349/EWG wurde aufgehoben und durch die Bilanzrichtlinie ersetzt. 82) Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.7.2002 – IASVerordnung, ABl. (EG) L 243/1 v. 11.9.2002.

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§5 bb)

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen Kontrolle mehrerer Institute

59 Kontrolliert die (gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaft in einem Mitgliedstaat i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 30 bzw. Nr. 32 CRR mehr als ein CRR-Institut, bestimmt sich das konsolidierungsverpflichtete CRR-Institut nach Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 2 CRR sowie nach Art. 12 CRR. Hat die (gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaft EWR-weit83) zumindest ein CRR-Kreditinstitut und eine CRR-Wertpapierfirma als Tochterunternehmen, muss zunächst die Vorschrift des Art. 12 CRR beachtet werden, der zufolge die Konsolidierungspflicht nur das CRR-Kreditinstitut trifft. Art. 12 CRR ist im Verhältnis zu Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 2 CRR die speziellere Regelung,84) da sie die besondere Situation des Zusammentreffens sowohl von CRR-Kreditinstituten und CRR-Wertpapierfirmen adressiert, während Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 2 CRR allgemeiner auf CRR-Institute abstellt.85) Damit wäre das CRR-Kreditinstitut selbst dann konsolidierungsverpflichtet, wenn es Tochterunternehmen einer CRR-Wertpapierfirma wäre. Der Vorrang von CRRKreditinstituten hat insbesondere auch für die Bestimmung der konsolidierenden Aufsichtsbehörde Bedeutung, da i. R. des SSM dies die EZB für die konsolidierte Aufsicht von bedeutenden CRR-Kreditinstituten und (gemischten) Finanzholdinggruppen ist (siehe dazu Rz. 195 ff.). 60 Für den Fall, dass eine in Deutschland ansässige (gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaft sowohl CRR-Kreditinstitute als auch CRR-Wertpapierfirmen kontrolliert, ist die Konsolidierung daher gemäß Art. 12 CRR i. V. m. § 10a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 KWG vom deutschen CRR-Kreditinstitut mit der höchsten Bilanzsumme86) vorzunehmen, selbst wenn eine deutsche CRR-Wertpapierfirma oder ein in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenes CRR-Kreditinstitut eine höhere Bilanzsumme aufweist. Bis zum Inkrafttreten der CRD V ergibt sich bisher aus Art. 111 Abs. 3 Unterabs. 1 CRD a. F., der in § 10a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KWG umgesetzt wurde, dass die im Sitzland der (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaft ansässigen und zugelassenen CRR-Kreditinstitute für die Konsolidierungssubstitution primär verantwortlich sind, während es insoweit nicht auf die Höhe der Bilanzsumme ankommt.87) Erst wenn die von (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaft kontrollierten CRR-Kreditinstitute ausschließlich außerhalb ihres ___________ 83) Ob die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft die Anforderungen einer (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaft in einem Mitgliedstaat erfüllt, hängt davon ab, ob diese in ihrem Sitzland an der Spitze der Gruppe steht. Für die Frage der Konsolidierungssubstitution ist hingegen das konsolidierungsverpflichtete CRR-Institut EWR-weit zu identifizieren. 84) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 12 CRR Rz. 3; unklar Boos/Fischer/SchulteMattler-Stawitzke, KWG/CRR-VO, Art. 17 CRR Rz. 22, demzufolge Art. 12 CRR lediglich „klarstellender Natur“ sei. 85) Die allgemeinere Regelung des Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 2 CRR erfasst daher auch solche Mutterfinanzholdinggesellschaften, die nur CRR-Kreditinstitute oder nur CRR-Wertpapierfirmen kontrolliert. 86) Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 2 CRR verweist auf Art. 111 CRD, der in § 10a Abs. 3 KWG umgesetzt wurde (Begr. RegE CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/10974, S. 78). Art. 111 CRD ist allerdings lückenhaft ausgestaltet (Beck/Samm/Kokemoor-Bornemann, KWG, Einf. CRR Rz. 109). Die Vorschrift regelt insb. nicht den Fall, in dem eine (gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaft mehrere Institute kontrolliert, die jedoch nur in einem Mitgliedstaat zugelassen sind. Hinzu kommt, dass selbst in den ausdrücklich in Art. 111 CRD geregelten Fällen nicht immer eindeutig ist, welches CRRInstitut konsolidierungsverpflichtet ist. So bestimmt Art. 111 Abs. 3 Unterabs. 1 CRD etwa, dass sich die konsolidierende Aufsichtsbehörde nach dem Sitzland der Mutterfinanzholdinggesellschaft richtet. Nicht geregelt wird jedoch, welches Institut konsolidierungsverpflichtet ist, wenn sich in dem Sitzland mehrere von der Mutterfinanzholdinggesellschaft kontrollierte Institute befinden. Zur Bestimmung der Konsolidierungspflicht erscheint es daher sachgerecht, auf das in Art. 111 Abs. 3 Unterabs. 3 und Abs. 4 CRD genannte Kriterium der höchsten Bilanzsumme abzustellen, das folgerichtig auch in § 10a Abs. 2 Satz 1 KWG aufgegriffen wird (Beck/Samm/Kokemoor-Bornemann, KWG, Einf. CRR Rz. 109; s. a. Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 12 CRR Fn. 1). 87) S. a. Sopp/Sopp in: Paetzmann/Schöning, Corporate Governance von Kreditinstituten, S. 195, 205.

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§5

II. Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung

Sitzlandes zugelassen sind, ist das CRR-Kreditinstitut mit der EWR-weit höchsten Bilanzsumme konsolidierungsverpflichtet.88) Zur Änderung des Art. 111 Abs. 3 CRD aufgrund der CRD V siehe Rz. 77. Ist die (gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaft in einem anderen EWR-Mitglied- 61 staat ansässig und kontrolliert sie dort mindestens ein CRR-Kreditinstitut, entfällt für in Deutschland ansässige CRR-Institute die Konsolidierungspflicht gemäß § 10a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KWG i. V. m. Art. 12 CRR, auch wenn diese ggf. eine höhere Bilanzsumme aufweisen als die im Sitzland ansässigen CRR-Institute.89) Kontrolliert die (gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaft in ihrem Sitzland kein CRR-Institut, ist ein in Deutschland ansässiges CRR-Institut dann konsolidierungsverpflichtet, wenn es EWR-weit die höchste Bilanzsumme unter den von der (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaft kontrollierten CRR-Instituten aufweist.90) Abb. 2: Überblick

62 (gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaft Sitz: Deutschland

CRRWertpapierfirma

CRRWertpapierfirma

CRRKreditinstitut

Bilanzsumme: 50 Mrd. EUR Sitz: Deutschland

Bilanzsumme: 60 Mrd. EUR Sitz: Italien

Bilanzsumme: 70 Mrd. EUR Sitz: Frankreich

CRRKreditinstitut

CRRKreditinstitut

Bilanzsumme: 35 Mrd. EUR Sitz: Deutschland (konsolidierungsverpflichtet)

Bilanzsumme: 40 Mrd. EUR Sitz: Italien

Quelle: Eigene Darstellung.

cc)

Keine Ausweitung auf Nicht-CRR-Institute nach § 1a KWG

Insbesondere bei Finanzholding-Gruppen führt die entsprechende Geltung der CRR für 63 Nicht-CRR-Institute nach § 1a KWG tatsächlich zunächst zu keiner Erweiterung der Konsolidierungspflicht nach § 10a KWG. Zum einen ergibt sich aus § 10a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 und Abs. 3 KWG, dass auch im Anwendungsbereich des § 10a KWG an der Spitze einer Finanzholding-Gruppe eine Finanzholdinggesellschaft i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 30 oder 31 CRR stehen muss. ___________

x

88) Für deutsche CRR-Institute folgt dies aus Art. 12 CRR i. V. m. § 10a Abs. 2 Satz 1 KWG sowie im Umkehrschluss zu § 10a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KWG. 89) Die Konsolidierungspflicht für das in einem anderen EWR-Mitgliedstaat ansässigen CRR-Institut wird nicht durch § 10a Abs. 2 und 3 KWG begründet, der ausdrücklich nur inländische CRR-Institute adressiert, sondern nach dem Aufsichtsrecht des Sitzlandes des CRR-Instituts. 90) Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 2 CRR i. V. m. § 10a Abs. 2 Satz 1 KWG sowie Umkehrschluss aus § 10a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG.

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Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen Zum anderen ist – trotz Aufhebung des § 10a Abs. 3 Satz 1 und Abs. 3a Satz 1 KWG in der bis zum Inkrafttreten des CRD IV-Umsetzungsgesetzes91) geltenden Fassung – weiterhin erforderlich, dass der Finanzholding-Gruppe mindestens ein CRR-Institut nachgeordnet ist.92)

x

64 Liegen diese beiden Voraussetzungen vor, ergibt sich die Konsolidierungspflicht für CRR-Institute, die von einer Finanzholdinggesellschaft kontrolliert werden, unmittelbar aus Art. 11 Abs. 2 CRR, der gegenüber der Konsolidierungspflicht aus § 10a KWG vorrangig anzuwenden ist. Für Finanzholding-Gruppen hat dies zur Folge, dass ausschließlich CRR-Institute konsolidierungsverpflichtet sein können. Ein Nicht-CRR-Institut kann daher lediglich aufgrund der Abweichungsbefugnis der EZB bzw. BaFin als konsolidierungsverpflichtetes Unternehmen bestimmt werden (siehe dazu nachfolgend Rz. 67 ff.). 65 § 1a KWG bewirkt jedoch eine Ausweitung des Konsolidierungskreises, indem auch Nicht-CRR-Institute einbezogen werden, die nicht die Voraussetzungen eines Finanzinstituts (Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR) erfüllen (siehe dazu Rz. 104). 66 Abb. 3: Überblick Kriterien und Reihenfolge zur Bestimmung des konsolidierungsverpflicheteten Unternehmens in (gemischten) Finanzholding-Gruppen 1. Vorrang von CRR-Kreditinstituten (gegenüber CRR-Wertpapierfirmen)

2. CRR-(Kredit-)Institute im Sitzland der (gemischten) Finanzholdinggesellschaft

Kein CRR-(Kredit-)Institut im Sitzland: 3. CRR-Institut mit der EWRweit höchsten Bilanzsumme

Mehrere CRR-(Kredit-)Institut im Sitzland: 3. CRR-Institut mit der höchsten Bilanzsumme im Sitzland

4. Ggf. abweichende Bestimmung des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens

4. Ggf. abweichende Bestimmung des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens

Quelle: Eigene Darstellung.

c)

Abweichende Bestimmung des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens

aa)

Zulässigkeit der abweichenden Bestimmung

67 Abweichend von Art. 11 Abs. 2 CRR i. V. m. § 10a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 KWG kann die EZB93) bzw. die BaFin ein anderes gruppenangehöriges inländisches Institut (§ 10a Abs. 2 ___________ 91) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen – CRD IV-Umsetzungsgesetz, v. 28.8.2013, BGBl. I 2013, 3395. 92) Nemeczek/Pitz, BKR 2016, 495 ff.; ebenso Luz/Neus/Schaber/u. a.-Weber/Seifer, KWG und CRR, Art. 4 CRR Rz. 17; a. A. Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, § 10a Rz. 26; Beck/Samm/ Kokemoor-Bornemann, KWG, Einf. CRR Rz. 110 Fn. 2. 93) S. ECB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, v. 31.3.2017 (SSM/2017/0140), S. 2.

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II. Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung

§5

Satz 2 Halbs. 2 und Satz 7 KWG) oder die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft selbst (§ 10a Abs. 2 Satz 2 KWG) zum übergeordneten Unternehmen bestimmen. Die Abweichungsmöglichkeit wird vom Gesetzgeber als eine „notwendige Ergänzung“ zu den Vorgaben des Art. 11 CRR i. V. m. Art. 111 CRD angesehen94) und trägt den besonderen Gegebenheiten der (gemischten) Finanzholding-Gruppe Rechnung.95) In der Literatur wird diskutiert, ob das Unionsrecht und das Ziel eines einheitlichen Re- 68 gelwerks (Single Rulebook) dieser Regelung entgegenstünde, da sie in der CRR nicht vorgesehen sei.96) Für die Unionsrechtskonformität spricht jedoch insbesondere die Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 CRR. Danach können Töchter von Finanzholdinggesellschaften einen Tochter-Waiver erhalten, wenn die Finanzholdinggesellschaften im Hinblick auf die die in Art. 11 Abs. 1 CRR festgelegten Standards der gleichen Aufsicht unterliegen wie Institute (siehe dazu unten Rz. 157 ff.). Dies ist dann der Fall, wenn die Finanzholdinggesellschaft zum übergeordneten und damit konsolidierungsverpflichteten Unternehmen bestimmt wird. Zudem folgt auch aus Art. 111 Abs. 6 CRD, dass sich die abweichende Bestimmung des konsolidierungsverpflichteten Instituts aus der relativen Bedeutung der von diesem getätigten Geschäfte ergeben kann. Die Vorschrift bezieht sich zwar unmittelbar auf die Bestimmung der konsolidierenden Aufsichtsbehörde, lässt sich jedoch mittelbar auch auf die Bestimmung des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens übertragen (siehe dazu Rz. 60 und 77 ff.). bb)

Antrag des übergeordneten Unternehmens (§ 10a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2, 3 und Satz 7 KWG)

Das sonst konsolidierungsverpflichtete Unternehmen kann gemäß § 10a Abs. 2 Satz 1 69 Halbs. 2 KWG beantragen, dass ein anderes gruppenangehöriges inländisches Institut als übergeordnetes Unternehmen bestimmt wird, wobei dieses vorab anzuhören ist (§ 10a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 3 KWG). Die abweichende Bestimmung nach § 10a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KWG kann bspw. dann zweckmäßig erscheinen, wenn die Geschäftstätigkeit der Gruppe schwerpunktmäßig bei einem anderen gruppenangehörigen CRR-Institut konzentriert ist. Ohne Antrag des sonst konsolidierungsverpflichteten Unternehmens darf die EZB bzw. 70 die BaFin nicht von Amts wegen ein anderes gruppenangehöriges Institut als übergeordnetes Unternehmen bestimmen.97) Die abweichende Bestimmung des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens kann auch 71 bei wechselseitigen Beteiligungen gemäß § 10a Abs. 2 Satz 7 KWG beantragt werden. Durch die Abweichung nach § 10a Abs. 2 Satz 1 und 7 KWG können neben CRR-Instituten insbesondere auch Nicht-CRR-Institute zur Konsolidierung verpflichtet werden, die – wegen des Vorrangs des Art. 11 Abs. 2 CRR, der nur CRR-Institute adressiert, – von der Konsolidierungspflicht zunächst ausgeschlossen wären. cc)

Bestimmung der (gemischten) Finanzholding-Gesellschaft als konsolidierungsverpflichtetes Unternehmen

Daneben kann nach § 10a Abs. 2 Satz 2 KWG auch die inländische (gemischte) Finanz- 72 holdinggesellschaft selbst auf ihren Antrag hin als konsolidierungsverpflichtetes Unter___________ 94) Begr. RegE CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/10974, S. 78; krit. Beck/Samm/KokemoorBornemann, KWG, Einf. CRR Rz. 109 Fn. 6. 95) Begr. RegE Gesetz zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts, BT-Drucks. 16/11130, S. 27 und 45. 96) Beck/Samm/Kokemoor-Bornemann, KWG, Einf. CRR Rz. 109. 97) Umkehrschluss zu § 10a Abs. 2 Satz 3 KWG.

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§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

nehmen bestimmt werden. Hierdurch wird die Berücksichtigung individueller Gestaltungen von Gruppen gewährleistet. Die abweichende Bestimmung kommt dann in Betracht, wenn es aus bankaufsichtlichen Gründen zweckmäßig erscheint, dass die Konsolidierung von der (gemischten) Finanzholdinggesellschaft vorgenommen wird. Schwierigkeiten könnten etwa daraus resultieren, wenn ein nachgeordnetes CRR-Institut (gesellschaftsrechtlich) nicht in der Lage ist, die für die Konsolidierung relevanten Daten bei Schwestergesellschaften einzuholen, weil es diesen keine Weisungen erteilen kann (siehe dazu auch Rz. 151 ff.). Zudem kann die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft eher in der Lage sein, die mitunter äußerst komplexe Gruppenstruktur zu überblicken. Die Bestimmung der (gemischten) Finanzholdinggesellschaft kann ebenso zweckmäßig sein, um organisatorische Verdopplungen zu vermeiden. Da die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft bereits zur Erfüllung bilanzrechtlicher Pflichten konzernweite Steuerungssysteme errichten könnte, kann es diese auch zur Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Konsolidierung einsetzen und einen Gleichlauf der Systeme herbeiführen.98) 73 Da sie grundsätzlich nicht der Institutsaufsicht durch die EZB bzw. BaFin unterliegt, muss die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft nach § 10a Abs. 2 Satz 2 KWG in ihrem Antrag darlegen, dass sie die zur Einhaltung der gruppenbezogenen Pflichten erforderliche Struktur und Organisation verfügt. Die gruppenbezogenen Pflichten erfassen die Vorgaben, die das konsolidierungsverpflichtete Unternehmen i. R. der Konsolidierung zu erfüllen hat, und beziehen sich nicht auf die organisatorischen Vorkehrungen zum ordnungsmäßigen Betreiben der Geschäfte (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KWG). Gruppenbezogene Pflichten sind dementsprechend insbesondere die Organisationspflichten des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 und 3 CRR sowie des Art. 14 Abs. 1 CRR (siehe unten Rz. 148 ff.). Das KWG legt keine formalen Anforderungen an den nach § 10a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KWG zu stellenden Antrag fest. Der Antrag ist insoweit vielmehr formfrei einzureichen. Die betreffende (gemischte) Finanzholdinggesellschaft muss in ihrem Antrag (konkret) darlegen, weshalb es über die zur Einhaltung der gruppenbezogenen Pflichten erforderliche Struktur und Organisation verfügt. Allerdings verlangt § 10a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KWG nicht die Darlegung, dass die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft gegenüber einem nachgeordneten Institut tatsächlich besser dazu imstande ist, die Aufsichtsanforderungen auf konsolidierter Basis zu erfüllen. Vor der Entscheidung über die Einordnung der (gemischten) Finanzholdinggesellschaft als übergeordnetes Unternehmen muss das sonst konsolidierungsverpflichtete Unternehmen vorab angehört werden. 74 Auch ohne Antrag kann die EZB bzw. die BaFin gemäß § 10a Abs. 2 Satz 3 KWG eine inländische (gemischte) Finanzholdinggesellschaft als übergeordnetes Unternehmen bestimmen, sofern dies aus bankaufsichtlichen Gründen, insbesondere solchen, die sich aus der Organisation und Struktur der (gemischten) Finanzholdinggesellschaft ergeben, erforderlich ist. Anders als bei der antragsweisen Bestimmung nach § 10a Abs. 2 Satz 2 KWG genügt die Zweckmäßigkeit allein insoweit nicht. Um die Wahlfreiheit der (gemischten) Finanzholdinggesellschaft, die ihr infolge der Antragsmöglichkeit zur Bestimmung als übergeordnetes Unternehmen eingeräumt wird, nicht zu unterlaufen, ist die Erforderlichkeit nach § 10a Abs. 2 Satz 3 KWG grundsätzlich eng auszulegen. Sowohl das sonst konsolidierungsverpflichtete Unternehmen als auch die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft sind vorab anzuhören.99) Die Beurteilung der bankaufsichtlichen Gründe unterliegt keinem Beurteilungsspielraum und ist daher uneingeschränkt justiziabel. ___________ 98) Begr. RegE Gesetz zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts, BT-Drucks. 16/11130, S. 45. 99) Für das sonst konsolidierungsverpflichtete Unternehmen ist dies in § 10a Abs. 2 Satz 3 KWG ausdrücklich vorgeschrieben; für die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft folgt die Anhörungspflicht aus § 28 Abs. 1 VwVfG bzw. Art. 41 Abs. 2 lit. a GRCh.

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II. Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung

§5

Mit der Bestimmung der (gemischten) Finanzholdinggesellschaft als übergeordnetes Un- 75 ternehmen nach § 10a Abs. 2 Satz 2 oder 3 KWG wird diese wie ein konsolidierungsverpflichtetes reguliertes Institut behandelt. Einerseits wird sie dazu verpflichtet, die gruppenbezogenen Pflichten eines übergeordneten Unternehmens zu erfüllen (§ 10a Abs. 2 Satz 4 KWG). Andererseits hat die BaFin hierzu alle Befugnisse, die ihr gegenüber einem konsolidierungsverpflichteten Institut und dessen Organen zustünden (§ 10a Abs. 2 Satz 6 KWG). Diese Befugnisse beziehen sich nur auf solche Pflichten, die das konsolidierungsverpflichtete Institut in seiner Funktion als übergeordnetes Unternehmen adressieren, und dienen insoweit der Durchsetzung der gruppenbezogenen Pflichten nach § 10a Abs. 2 Satz 4 KWG. Ergänzt werden diese Pflichten und Befugnisse daneben auch durch die Vorschriften der §§ 2d Abs. 2, 25h Abs. 1, 25l, 26 Abs. 3, Satz 2, 45c Abs. 8, 46b Abs. 1 KWG, die daran anknüpfen, dass die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft als übergeordnetes Unternehmen bestimmt wird.100) Liegen die Voraussetzungen zur Bestimmung der (gemischten) Finanzholdinggesellschaft 76 nicht mehr vor, hebt die EZB bzw. die BaFin diese gemäß § 10a Abs. 2 Satz 5 KWG auf. Die Entscheidung ist nicht in das Ermessen der EZB bzw. der BaFin gestellt. Zu den Aufhebungsgründen zählen nach dem Wortlaut der Vorschrift die Verlagerung des Sitzes der (gemischten) Finanzholdinggesellschaft in einen anderen Staat oder das Unvermögen zur Einhaltung der gruppenbezogenen Pflichten. Hat die EZB bzw. die BaFin einem Antrag nach § 10a Abs. 2 Satz 2 KWG stattgegeben, kann sie die Bestimmung nicht allein deshalb aufheben, weil sie ihr Ermessen anders auszuüben beabsichtigt, da sie mit Bescheidung des Antrags an das einmal ausgeübte pflichtgemäße Ermessen grundsätzlich gebunden ist.101) d)

Konsolidierungspflicht zugelassener (gemischter) Mutterfinanzholdinggesellschaften ab dem 28.12.2020

Durch die CRR II wurde die bisher geltende Konsolidierungssubstitution dahingehend 77 aufgehoben, dass ab dem 28.12.2020 nunmehr zugelassene (gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaften in einem Mitgliedstaat konsolidierungsverpflichtet sein werden. Damit korrespondiert die durch die CRD V mit Art. 21a Abs. 1 CRD eingeführte Zulassungspflicht für Finanzholdinggesellschaften. Der Grund für die Zulassungspflicht besteht ausweislich des ErwG 3 CRD V darin, dass die von einer Finanzholdinggesellschaft kontrollierten CRR-Institute nicht immer gewährleisten können, dass die Anforderungen auf konsolidierter Basis innerhalb der gesamten Gruppe eingehalten werden. Es ist deshalb notwendig, bestimmte Finanzholdinggesellschaften in den direkten Anwendungsbereich der CRD V und der CRR II zu überführen, um die Einhaltung der Aufsichtsanforderungen auf konsolidierter Basis sicherzustellen. Diese Notwendigkeit besteht vor allem dann, wenn ein nachgeordnetes CRR-Institut und seine (gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaft ihren Sitz in zwei unterschiedlichen Mitgliedstaaten haben und die Aufsichtsbehörde keinen direkten Zugriff auf die Mutterfinanzholdinggesellschaft hat, um ggf. die Erfüllung der Aufsichtsanforderungen auf konsolidierter Basis zu gewährleisten. Eine Ausnahme von der Zulassungspflicht besteht gemäß Art. 21a Abs. 4 CRD hingegen für nicht___________ 100) Daneben gelten weiterhin die Bestimmungen, die sich unabhängig von ihrer Einordnung als übergeordnetes Unternehmen allgemein an (gemischte) Finanzholdinggesellschaften richten, wie z. B. §§ 2d Abs. 1, 2e, 3 Abs. 2 – 4, 6 Abs. 3 Satz 2, 12a, 24 Abs. 3a, 25a Abs. 3, 25c Abs. 4b, 25d, 25f, 44, 44a sowie insb. § 45a KWG. 101) Die Aufhebung der Bestimmung wäre dann nur unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 VwVfG zulässig; zum europäischen Eigenverwaltungsrecht s. v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 402.

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§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

operative Finanzholdinggesellschaften, deren Haupttätigkeit im Erwerb und Halten von Beteiligungen an Tochterunternehmen bestehen muss. 78 Zusätzlich zur Konsolidierungspflicht zugelassener (gemischter) Mutterfinanzholdinggesellschaften wurde durch die CRD V auch Art. 111 Abs. 3 CRD hinsichtlich der Bestimmung der konsolidierenden Aufsichtsbehörde geändert. Für die Zulassung und Aufsicht der (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaft ist nicht die Aufsichtsbehörde desjenigen Staates zuständig, in der die (gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaft ansässig ist, sondern nach Art. 21a Abs. 2 CRD vielmehr die konsolidierende Aufsichtsbehörde, die sich nach Maßgabe des Art. 111 Abs. 3 CRD bestimmt. Bei einer Finanzholdinggruppe wird die konsolidierte Aufsicht nach Art. 111 Abs. 3 CRD von derjenigen Aufsichtsbehörde ausgeübt, die für die Aufsicht über das CRR-Kreditinstitut mit der höchsten Bilanzsumme oder – wenn die Gruppe kein CRR-Kreditinstitut umfasst – die CRR-Wertpapierfirma mit der höchsten Bilanzsumme zuständig ist. Da es im Unterschied zu Art. 111 Abs. 4 CRD a. F. zur Bestimmung der konsolidierenden Aufsichtsbehörde nicht mehr auf den Sitzstaat der (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaft ankommt, ist es möglich, dass für die Zulassung und Aufsicht der (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaft nunmehr eine ausländische Aufsichtsbehörde zuständig ist. Dies ist z. B. der Fall, wenn die (gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaft in ihren Sitz in Deutschland hat, jedoch das CRR-Kreditinstitut mit der höchsten Bilanzsumme in Rumänien ansässig ist. In diesem Fall wäre die rumänische National Bank of Romania für die konsolidierte Aufsicht und damit für die Zulassung und Aufsicht der deutschen (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaft zuständig. Allerdings wäre sie nach Art. 21a Abs. 5 Satz 3 CRD V dazu verpflichtet, die für die fortlaufende Aufsicht erforderlichen Angaben an die Aufsichtsbehörde des Sitzstaates der (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaft zu übermitteln (im konkreten Beispiel folglich an die BaFin). Im Rahmen des Single Supervisory Mechanism (SSM) ist die EZB für die Zulassung der (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaft dann zuständig, wenn sie gemäß Artt. 4 Abs. 1 lit. g, 6 Abs. 4 SSM-VO i. V. m. Art. 8 Abs. 1 SSM-RahmenVO die konsolidierte Aufsicht über die betreffende (gemischte) Finanzholdinggruppe ausübt (vgl. ErwG 6 CRD V). 79 Die Konsolidierungspflicht besteht nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 11 Abs. 2 lit. a CRR nur für zugelassene (gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaften in einem Mitgliedstaat. Bei einer nicht zulassungspflichtigen Mutterfinanzholdinggesellschaften, die die Voraussetzungen des Art. 21a Abs. 4 CRD erfüllt, bleibt die aktuell geltende Konsolidierungssubstitution gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 11 Abs. 2 lit. b CRR fortbestehen, weshalb in diesem Fall ein nachgeordnetes CRR-Institut zur Erfüllung der Aufsichtsanforderungen auf konsolidierter Basis verpflichtet ist. 7.

(Gemischte) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaften

a)

Begriffsmerkmale

80 Wie EU-Mutterinstitute sind (gemischte) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaften gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 29 bzw. 33 CRR selbst nicht Tochterunternehmen eines in einem EWRMitgliedstaat zugelassenen CRR-Instituts oder einer anderen, in einem Mitgliedstaat errichteten (gemischten) Finanzholdinggesellschaft. (Gemischte) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaften sind stets zugleich (gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaften in einem Mitgliedstaat i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 30 oder 32 CRR (siehe i. Ü. Rz. 43 ff.). b)

Konsolidierungspflicht

81 Für die Liquiditätsanforderungen (Teil 6 CRR) und Offenlegungspflichten (Teil 8 CRR) verpflichten Art. 11 Abs. 3 Satz 1 CRR und Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 CRR all236

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II. Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung

§5

gemein CRR-Institute, die von einer (gemischten) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft kontrolliert werden, zur Konsolidierung. Trotz des missverständlichen Wortlauts erfasst die Konsolidierungspflicht nicht sämtliche gruppenangehörigen CRR-Institute, sondern nach Art. 12 CRR i. V. m. Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 2 CRR analog derzeit primär das im Sitzland der (gemischten) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft ansässige CRR-Kreditinstitut mit der höchsten Bilanzsumme; die obigen Ausführungen unter Rz. 59 f. gelten hier entsprechend. Für die Konsolidierung der Liquiditätsanforderungen ist nach Art. 11 Abs. 3 Satz 1 CRR 82 zudem einschränkend erforderlich, dass die Gruppe zumindest ein CRR-Kreditinstitut (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR) oder zumindest eine Wertpapierfirma (Art. 4 Abs. 1 CRR), die Eigenhandel/Eigengeschäft (Anhang I Abschn. A Nr. 3 MiFID I)102) und Emissionsgeschäft (Anhang I Abschn. A Nr. 6 MiFID I) betreibt, umfasst (siehe oben Rz. 26). Aufgrund des Verweises in § 11 Abs. 3 Satz 4 KWG gelten insbesondere die Möglichkeiten 83 zur abweichenden Bestimmung des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens nach § 10a Abs. 2 KWG auch i. R. der Erfüllung der Liquiditätsanforderungen. Zur ergänzenden Bedeutung des KWG siehe die Ausführungen zu EU-Mutterinstituten unter Rz. 30 ff. c)

Konsolidierungspflicht zugelassener (gemischter) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaften ab dem 28.12.2020

Ab dem 28.12.2020 werden zugelassene (gemischte) EU-Mutterfinanzholdinggesell- 84 schaften gemäß Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1103) und Art. 13 Abs. 1 i. V. m. Art. 11 Abs. 2 lit. a CRR nunmehr unmittelbar zur Konsolidierung verpflichtet sein. Ist die (gemischte) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft nach Maßgabe des Art. 21a Abs. 4 CRD nicht zulassungspflichtig, besteht die Konsolidierungssubstitution für ein nachgeordnetes CRR-Institut gemäß Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 11 Abs. 2 lit. b CRR fort. 8.

Wechselseitige Beteiligungen in (gemischten) Finanzholding-Gruppen

Parallel zu § 10a Abs. 1 Satz 6 KWG (siehe oben Rz. 35 ff.) enthält § 10a Abs. 2 Satz 7 85 KWG auch bei (gemischten) Finanzholding-Gruppen Vorgaben zur Behandlung wechselseitiger Beteiligungen. Kann in diesem Fall das konsolidierungsverpflichtete CRRInstitut im Inland deshalb nicht bestimmt werden, weil keines der gruppenangehörigen inländischen CRR-Institute nicht zugleich einem anderen gruppenangehörigen CRRInstitut nachgeordnet ist, trifft – anders als nach § 10a Abs. 1 Satz 6 KWG – in diesem Fall das CRR-Institut mit der höchsten Bilanzsumme die Konsolidierungspflicht (§ 10a Abs. 2 Satz 7 Halbs. 1 KWG). Der Unterschied zu § 10a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 KWG besteht darin, dass in diesem Fall mehrere CRR-Institute keinem anderen inländischen gruppenangehörigen CRR-Institut nachgeordnet sind.104) Die wechselseitige Beziehung besteht nicht zur (gemischten) Finanzholdinggesellschaft, 86 sondern nur zwischen den konsolidierungsrelevanten CRR-Instituten. Für die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft bleibt erforderlich, dass diese die CRR-Institute kontrolliert. Um den besonderen Gegebenheiten der (gemischten) Finanzholdinggruppe Rechnung zu 87 tragen, kann die (gemischte) Finanzholdinggruppe auch bei wechselseitigen Beteiligungen ___________ 102) Dabei ist allerdings die Ausnahme des Art. 2 Abs. 1 lit. d MiFID I zu beachten. 103) Die aktuell geltende Konsolidierungspflicht nach Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 CRR wird ab dem 28.12.2020 in Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 4 Satz 1 CRR geregelt sein. 104) Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Kempers/Klotzbach, KWG, § 10a Rz. 51.

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Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

nach § 10a Abs. 2 Satz 7 KWG beantragen, als übergeordnetes Unternehmen bestimmt zu werden.105) 9.

Strukturell getrennte CRR-Institute

88 Für strukturell getrennte CRR-Institute kann die zuständige Aufsichtsbehörde die Teilkonsolidierung der Teile 2 bis 4 und 6 bis 8 und des Titels VII der CRD verlangen. Die CRR enthält keine ausdrückliche Definition des strukturell getrennten CRR-Instituts.106) Deshalb liegt es grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Aufsichtsbehörden, zu beurteilen, ob ein strukturell getrenntes CRR-Institut vorliegt.107) Die zuständige Aufsichtsbehörde muss sich insoweit allerdings daran orientieren, ob es aufgrund der Besonderheiten des Risikos oder Kapitalstruktur des CRR-Instituts erforderlich erscheint, die Risiken eigenständig auszuweisen und begrenzen zu können. 89 Als Kriterien kommen neben rechtlichen auch wirtschaftliche und operationelle Gesichtspunkte in Betracht.108) Probleme kann insbesondere die Annahme der rechtlichen Trennung bereiten, da die rechtliche Selbständigkeit des CRR-Instituts für sich nicht genügt. Hinzukommen muss z. B. der Umstand, dass gegenüber dem strukturell getrennten CRR-Institut keine Weisungsrechte bestehen.109) Für die wirtschaftliche Trennung kommt es etwa darauf an, ob sich das CRR-Institut eigenständig und ohne Garantien des übergeordneten Unternehmens refinanziert (stand-alone).110) Unschädlich ist es demgegenüber, wenn das CRR-Institut Dienstleistungen der ihm nachgeordneten Unternehmen in Anspruch nimmt. Hinsichtlich der operationellen Trennung ist vor allem die organisatorische Eigenständigkeit entscheidend. Sie kann nicht angenommen werden bei personellen Verflechtungen der Geschäftsleiter oder im Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan. Ebenso kann ein zentralisiertes Risikomanagement oder die Zusammenlegung der Rechtsabteilungen ein gewichtiges Indiz dafür sein, dass keine strukturelle Trennung vorliegt.111) 90 Als strukturell getrennte CRR-Institute können, abhängig von den weiteren Einzelfallumständen, etwa Finanzhandelsinstitute (§ 25f KWG)112) sowie CRR-Institute, die infolge einer anderen Trennbankenregulierung, wie z. B. in Frankreich113) oder im Verei___________ 105) Gegen eine solche Beurteilung ließe sich zwar die systematische Stellung des § 10a Abs. 2 Satz 7 KWG anführen. Der Wortlaut lässt jedoch einen Antrag der (gemischten) Finanzholdinggesellschaft ausdrücklich auch für den Fall zu, dass das übergeordnete Unternehmen durch die BaFin bestimmt wurde. 106) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 11 CRR Rz. 35. Nach Beck/Samm/KokemoorLendermann, KWG, Artt. 11 ff. CRR Rz. 97, bezeichne die strukturelle Trennung nur den Regelungsbereich der Normen, sei aber keine Tatbestandsvoraussetzung. 107) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 11 CRR Rz. 36. 108) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 11 CRR Rz. 36; vgl. Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über strukturelle Maßnahmen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Kreditinstituten in der Union, v. 29.1.2014, COM(2014) 43 final, Art. 13 Abs. 1. 109) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 11 CRR Rz. 36. 110) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 11 CRR Rz. 36. 111) S. a. Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 11 CRR Rz. 36. 112) Vgl. auch ErwG 122 CRR: Trennung von Privatkunden- und Anlagegeschäft. Relevant wird dabei die Frage, ob das Finanzhandelsinstitut die Anforderungen einer CRR-Wertpapierfirma erfüllt (vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 42, wonach es sich dabei um ein Finanzdienstleistungsinstitut handelt). S. a Manns/Webers in: Gendrisch/Gruber/Hahn, Hdb. Solvabilität, S. 23, 30. 113) In Frankreich erfolgte die Einführung eines Trennbankensystems durch das „LOI n° 2013-672 du 26 juillet 2013 de séparation et de régulation des activités bancaires“; s. hierzu auch EZB, Stellungnahme zu der Trennung und Regulierung von Banktätigkeiten, v. 19.9.2014 (CON/2014/70), sowie EBA, Opinion on a structural measure notified by the French Republic pursuant to Art. 395(6) of Regulation (EU) No 575/2013, v. 17.7.2014 (EBA/Op/2014/09).

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II. Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung

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nigten Königreich (Ringfencing)114), innerhalb der Gruppe getrennt werden, in Betracht kommen.115) Der Unterkonsolidierungskreis ist nach Artt. 18 ff. CRR auf Ebene des strukturell ge- 91 trennten Instituts zu bestimmen (siehe zum Konsolidierungskreis Rz. 102 ff.). Insoweit können insbesondere kleine Unternehmen aus dem Konsolidierungskreis nach Art. 19 CRR ausgenommen werden (siehe Rz. 173 ff.). Inhalt und Umfang der Teilkonsolidierung können von der zuständigen Aufsichtsbehörde näher bestimmt werden, die insoweit Ermessen hat. Hierzu kann sie etwa verlangen, dass die in Art. 11 Abs. 5 CRR genannten aufsichtsrechtlichen Vorschriften nur teilweise zu konsolidieren sind. Ebenso kann sie anordnen, dass innerhalb des Unterkonsolidierungskreises eine zusätzliche Teilkonsolidierung (unter Ausschluss bestimmter Unternehmen einschließlich des strukturell getrennten CRR-Instituts) vorgenommen werden muss.116) 10.

Große Tochterunternehmen

Neben EU-Mutterinstituten und Instituten, die von einer (gemischten) EU-Mutterfinanz- 92 holdinggesellschaft kontrolliert werden, sind nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 2 Unterabs. 2 CRR große Tochterunternehmen zur Offenlegung der Informationen nach Artt. 437, 438, 440, 442, 450, 451, 451a und 453 CRR auf Einzelbasis oder auf teilkonsolidierter Basis verpflichtet. Die Einordnung als Tochterunternehmen richtet sich nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 CRR. Daneben muss es sich hierbei um CRR-Institute (Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR) handeln.117) die zudem die Anforderungen eines großen Tochterunternehmens nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 147 i. V. m. Nr. 146 CRR erfüllen. Die Teiloffenlegungspflicht ist insoweit relevant, als solche Tochterunternehmen sonst nach Art. 6 Abs. 3 CRR von der Erfüllung der Offenlegungspflichten des Teils 8 der CRR auf Einzelbasis befreit wären. Bis zum Inkrafttreten der CRR II waren noch bedeutende Tochterunternehmen und 93 Tochterunternehmen, die für ihren lokalen Markt von wesentlicher Bedeutung sind, zur Teiloffenlegung verpflichtet. Die Bestimmung der Teiloffenlegungspflicht bewirkte insoweit gewisse praktische Schwierigkeiten, als die CRR keine entsprechende Legaldefinition enthielt. Diese praktischen Probleme wurden dadurch beseitig, dass Art. 4 Abs. 1 Nr. 147 i. V. m. Nr. 146 CRR eine recht klare Legaldefinition für große Tochterunternehmen regelt. Die Offenlegung erfolgt durch das Tochterunternehmen auf Einzelbasis oder, wenn die- 94 sem CRR-Institute oder Finanzinstitute nachgeordnet sind, auf teilkonsolidierter Basis. Zur Bestimmung des Unterkonsolidierungskreises gelten die Vorgaben der Artt. 18 ff. CRR (siehe dazu Rz. 102 ff.). Das EU-Mutterinstitut oder das von einer (gemischten) EU-Mutterfinanzholdingge- 95 sellschaft kontrollierte CRR-Institut, das die Konsolidierung nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 bzw. Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 2 CRR vorzunehmen hat, kann allerdings die Of___________ 114) S. dazu die von der Bank of England herausgegebenen Materialien, http://www.bankofengland.co.uk/ pra/Pages/supervision/structuralreform/suppmaterials.aspx (Abrufdatum: 9.6.2020); krit. zum Ringfencing jedoch EBA, Opinion on the macroprudential rules in CRR/CRD – EBA response to the European Commission on Art. 513 CRR call for advice, v. 30.6.2014 (EBA/Op/2014/06), S. 7, 15, 26, 30, 32, 38, sowie EBA, Guidelines specifying the conditions for group financial support under Art. 23 of Directive 2014/59/EU, v. 9.7.2015 (EBA/GL/2015/17), S. 21. 115) Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, Artt. 11 ff. CRR Rz. 99. 116) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 11 CRR Rz. 45. 117) Dies ergibt sich daraus, dass sich die in Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 2 Unterabs. 2 CRR genannten Offenlegungspflichten an CRR-Institute richten (zutr. BaFin/Bundesbank, Fachgremium Offenlegung, Empfehlungen – Auslegungsfragen zur Offenlegung nach Teil 8 CRR, v. 30.1.2015, Nr. 1).

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Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

fenlegung für das große Tochterunternehmen übernehmen.118) Hierzu muss jedoch in der Offenlegung des EU-Mutterinstituts bzw. des CRR-Instituts das miterfasste Tochterunternehmen klar bezeichnet werden. 11.

Teilkonsolidierung von Unternehmen in Drittstaaten

96 Art. 22 CRR betrifft einen spezifischen Sonderfall der Konsolidierungspflicht über die Artt. 11 ff. CRR hinaus.119) Er verpflichtet Tochterinstitute, d. h. entweder CRR-Kreditinstitute oder CRR-Wertpapierfirmen,120) zur Teilkonsolidierung der Artt. 89 – 91 CRR sowie des Teils 3 und Teils 4 der CRR, wenn diese oder die ihr übergeordneten (gemischten) Finanzholdinggesellschaften ein in einem Drittstaat, d. h. außerhalb des EWR,121) ansässiges CRR-Institut oder Finanzinstitut als Tochterunternehmen haben oder eine Beteiligung an einem solchen Unternehmen halten.122) Im Rahmen der regulären Konsolidierungspflicht sind Mutterinstitute bzw. die von (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaften kontrollierten CRR-Institute bereits wegen Art. 23 CRR dazu verpflichtet, Drittstaatenunternehmen in den Konsolidierungskreis einzubeziehen. 97 Im Falle der (gemischten) Finanzholdinggesellschaft als Mutterunternehmen schließt es Art. 22 CRR nicht aus, dass es sich bei den von Art. 22 CRR erfassten Drittstaatenunternehmen um Schwesterunternehmen des teilkonsolidierungsverpflichteten Tochterinstituts handelt. Keine Pflicht nach Art. 22 CRR besteht hingegen für EU-Mutterinstitute, die nicht ihrerseits Tochterunternehmen eines im EWR ansässigen CRR-Instituts oder einer im EWR ansässigen (gemischten) Finanzholdinggesellschaft sind.123) 98 Art. 22 CRR verlangt die Teilkonsolidierung i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 49 CRR sowohl der Drittstaatentochterunternehmen als auch der Tochterunternehmen und Beteiligungen innerhalb des EWR.124) Während die deutsche Sprachfassung125) insoweit missverständlich ist, stellen insbesondere etwa die englische126) oder französische Sprachfassung127) ausdrücklich auf den gesamten Unterkonsolidierungskreis auf Ebene des Tochterinstituts ab, ohne diesen auf Drittstaatenunternehmen zu beschränken. Hierfür spricht zusätzlich auch der Zweck des Art. 22 CRR, der – anknüpfend an die Vorgaben von Basel II128) – darauf abzielt, international tätige Untergruppen innerhalb der Hauptgruppe gesondert

___________ 118) Vgl. EBA, Single Rulebook Q&A, Art. 13 CRR, Question ID 2014_759 – zu Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 CRR a. F. 119) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Stern, BWG, Art. 22 CRR Rz. 1. 120) Es muss sich um ein Tochterunternehmen i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 CRR mit Institutseigenschaft (Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR) handeln. 121) Vgl. EBA, Single Rulebook Q&A, Art. 4 Abs. 1 Nr. 28 CRR, Question ID 2013_233. 122) Dabei kommt es nur darauf an, ob die im Drittstaat ansässigen Unternehmen zumindest dann CRRInstitute oder Finanzinstitute wären, wenn sie in der Union niedergelassen wären (vgl. Art. 23 CRR). 123) Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, Artt. 11 ff. CRR Rz. 129. EU-Mutterinstitute sind jedoch wegen Art. 23 CRR dazu verpflichtet, Drittstaatenunternehmen in den Konsolidierungskreis einzubeziehen. 124) So auch Dutch National Bank, CRD IV scope of consolidation, http://www.toezicht.dnb.nl/ en/binaries/51-229897.pdf (Abrufdatum: 9.6.2020); a. A.: Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Stern, BWG, Art. 22 CRR Rz. 5; Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 101 (Schaubild); Luz/Neus/Schaber/u. a.Schaber/Amann, KWG und CRR, § 10a KWG Rz. 104. 125) „Teilkonsolidierung von Unternehmen in Drittländern“. 126) „Sub-consolidation in cases of entities in third countries“. 127) „Sous-consolidation dans le cas d’entités établies dans des pays tiers“. 128) BCBS, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen, Überarbeitete Rahmenvereinbarung, v. 6/2006, Rz. 22.

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II. Konsolidierungspflicht und Ebenen der Konsolidierung

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einer Teilkonsolidierung zu unterziehen.129) Insoweit beschränkt sich Art. 22 CRR daher nicht darauf, lediglich die im Drittstaat entstehenden Risiken auf Ebene des Tochterunternehmens eigenständig auszuweisen.130) Strukturell beinhaltet Art. 22 CRR somit eine Mischvorschrift sowohl zur Konsolidierungspflicht als auch zum Konsolidierungskreis. Selbst wenn man der Auffassung ist, dass der Unterkonsolidierungskreis nach Art. 22 CRR nur die in Drittstaaten ansässigen Tochterunternehmen erfasst, besteht dennoch die Möglichkeit die Tochterunternehmen und Beteiligungen innerhalb des EWR zumindest freiwillig in die Teilkonsolidierung einzubeziehen (siehe zur freiwilligen Konsolidierung Rz. 136 ff.). Zur Bestimmung des Unterkonsolidierungskreises gelten i. Ü. auch für Art. 22 CRR 99 grundsätzlich die Vorschriften der Artt. 18 ff. CRR.131) Insbesondere können kleine CRR-Institute oder Finanzinstitute nach Maßgabe des Art. 19 CRR aus dem Teilkonsolidierungskreis ausgenommen werden.132) Die CRR II führt allerdings mit Art. 22 Abs. 2 CRR eine eigene De-Minimis-Ausnahme ein, die ab dem 28.6.2021 anzuwenden ist. Art. 19 CRR wird in diesem Fall von dem spezielleren Art. 22 Abs. 2 CRR verdrängt werden. Nach § 10a Abs. 10 KWG finden zudem § 10a Abs. 4 – 9 KWG entsprechend Anwendung.133) Abb. 4: Überblick

100 EU-Mutterinstitut Sitz: Deutschland

CRR-Kreditinstitut Sitz: Deutschland (teilkonsolidierungsverpflichtet)

CRR-Wertpapierfirma Sitz: Frankreich (in den Unterkonsolidierungskreis einbezogen)

Finanzinstitut Sitz: Drittstaat (in den Unterkonsolidierungskreis einbezogen)

Quelle: Eigene Darstellung.

___________ 129) S. zur Vorgängervorschrift des Art. 73 Abs. 2 Richtlinie 2006/48/EG: Kommission/CEBS, Capital Requirements Directive Transposition Group (CRDTG), Q&A 2006/48/EC, Art. 73(2), Question ID 324. 130) A. A.: Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Stern, BWG, Art. 22 CRR Rz. 5; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Schaber/ Amann, KWG und CRR, § 10a KWG Rz. 103; Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 101. 131) Art. 18 CRR findet nach seinem Wortlaut nur für die CRR-Institute, die den in Abschn. 1 genannten Anforderungen unterliegen, Anwendung, doch findet die Vorschrift zumindest partiell auch i. R. des Art. 22 CRR analoge Anwendung. 132) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Stern, BWG, Art. 22 CRR Rz. 5, der allerdings für eine äußerst restriktive Handhabung plädiert. Gegen eine solche spricht jedoch, dass die von Art. 22 CRR adressierten Tochterunternehmen dadurch schlechter gestellt würden als Mutterinstitute, die wegen Art. 23 CRR ebenfalls Drittstaatenunternehmen in die Konsolidierung einbeziehen müssten. 133) Das übergeordnete Unternehmen muss jedoch entsprechend § 10a Abs. 1 bis 3 KWG bestimmt werden. Es ist kein Grund ersichtlich, diese Vorschriften i. R. der Unterkonsolidierung nicht ebenfalls heranzuziehen.

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§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

101 Ab dem 28.6.2021 erfasst die nach Art. 22 Abs. 1 CRR erforderliche Teilkonsolidierung zusätzlich die Verschuldungsanforderungen (Leverage Ratio) des Teils 7 CRR. Allerdings besteht nach Art. 22 Abs. 2 CRR zusätzlich die Möglichkeit, von der insgesamt erforderlichen Teilkonsolidierung abzusehen, wenn die Summe der Aktiva und außerbilanziellen Posten der Tochterunternehmen und Beteiligungen in Drittländern weniger als 10 % der Summe der Aktiva und außerbilanziellen Posten des Tochterinstituts ausmacht. Durch die Ausnahme wird klargestellt, dass eine De-Minimis-Ausnahme auch im Falle einer Teilkonsolidierung von Unternehmen in Drittländern gilt, weshalb es insoweit keines Rückgriffs auf Art. 19 Abs. 1 CRR bedarf. Aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung ist es allerdings nicht gemäß Art. 19 Abs. 1 lit. a CRR möglich, solche Drittstaatenunternehmen aus dem Unterkonsolidierungskreis auszunehmen, deren Vermögenswerte und außerbilanziellen Posten unter 10 Mio. € betragen. Angesichts der verhältnismäßig hohen Schwelle in Art. 22 Abs. 1 CRR von 10 % ist ein solcher Rückgriff auf Art. 19 Abs. 1 lit. a CRR von praktisch untergeordneter Bedeutung. III.

Konsolidierungskreis und Art der Konsolidierung

102 Während sich der vorhergehende Abschnitt mit der Bestimmung des konsolidierenden Unternehmens befasst, betrifft der nachfolgende Teil nunmehr die Konsolidierung im engeren Sinne. Das zur Konsolidierung verpflichtete Institut muss den Kreis der zu konsolidierenden Unternehmen nach Maßgabe der Artt. 18 ff. CRR bestimmen.134) Dabei kommt es x

zum einen darauf an, welche Unternehmenstypen generell in den Konsolidierungskreis einzubeziehen sind, und

x

zum anderen auf die dabei anzuwendenden Konsolidierungsverfahren.

1.

Pflichtweise zu konsolidierende Unternehmenstypen

a)

Überblick

103 Grundsätzlich werden nur ausgewählte gruppenangehörige Unternehmen in den aufsichtlichen Konsolidierungskreis einbezogen. Nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 CRR betrifft dies zunächst CRR-Institute (Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR) und Finanzinstitute (Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR). Zusätzlich sind nach Art. 18 Abs. 2 CRR Anbieter von Nebendienstleistungen sowie nach Art. 23 CRR Unternehmen in Drittstaaten zu konsolidieren. Die Konsolidierung konzentriert sich damit primär auf Unternehmen, die mit der Finanzbranche i. w. S. zumindest in Verbindung stehen. Zu konsolidieren sind dabei auch solche Unternehmen, die über branchenfremde Unternehmen, die nicht in den Konsolidierungskreis einzubeziehen sind, gehalten werden.135) Auch nach der CRR II sind finanzbranchenfremde Unternehmen (d. h. Unternehmen die weder Institute, Finanzinstitute noch Anbieter von Nebendienstleistungen sind) in der Regel nach der Äquivalenzmethode zu bilanzieren, wenn sich nicht ausnahmsweise aufgrund qualifizierter Step-in-Risiken und innerhalb enger Grenzen die regulatorische Konsolidierung gebietet.136) ___________ 134) Für die Zwecke der Eigenmittelkonsolidierung handelt es sich in der Terminologie des KWG bei den zu konsolidierenden Unternehmen um nachgeordnete Unternehmen i. S. des § 10a Abs. 1 Satz 3 KWG. 135) Als branchenfremde Unternehmen kommen allerdings nur operative Unternehmen in Betracht, die nicht als Holdinggesellschaften und damit als Finanzinstitute einzuordnen sind, da reine Holdinggesellschaften regelmäßig in den Konsolidierungskreis fallen (s. dazu im Detail auch zur Ausnahme für reine Industrieholdings Rz. 44, 172). Die Konsolidierung erfolgt in dieser Konstellation quotal nach § 10a Abs. 4 Satz 2 KWG (analog) (s. a. Sopp/Sopp in: Paetzmann/Schöning, Corporate Governance von Kreditinstituten, S. 195, 210; a. A. Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Kempers/Klotzbach, KWG, § 10a Rz. 68). 136) Vgl. Art. 18 Abs. 7 und 8 CRR.

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III. Konsolidierungskreis und Art der Konsolidierung b)

§5

Institute und Finanzinstitute

Art. 18 Abs. 1 Satz 1 CRR erfasst zunächst CRR-Institute i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 104 CRR. Nach § 10a Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 i. V. m. § 1a Abs. 1 und 2 KWG sind außerdem nachgeordnete KWG-Institute (§ 1 Abs. 1b KWG) in die Konsolidierung einzubeziehen, die nicht die Voraussetzungen eines CRR-Instituts erfüllen.137) Die praktische Bedeutung dieser nationalen Erweiterung ist jedoch gering, da KWG-Institute typischerweise jedenfalls die Begriffsmerkmale eines Finanzinstituts i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR erfüllen (siehe dazu auch Rz. 44).138) Diese werden ebenso wie CRR-Institute in den Konsolidierungskreis einbezogen. c)

Anbieter von Nebendienstleistungen (AvN)

Nach Art. 18 Abs. 2 CRR sind weiterhin Anbieter von Nebendienstleistungen zu konso- 105 lidieren.139) Dabei handelt es sich nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 CRR um Unternehmen, deren Haupttätigkeit im Besitz oder in der Verwaltung von Immobilien, der Verwaltung von Datenverarbeitungsdiensten oder einer ähnlichen Tätigkeit besteht, die im Verhältnis zur Haupttätigkeit eines oder mehrerer CRR-Institute den Charakter einer Nebentätigkeit hat. Unterstützt eine Hilfstätigkeit nicht die Haupttätigkeit, besteht kein Interesse an der Erfassung des Nebendienstleisters, wie z. B. bei Gebäudereinigern oder Sicherheitsdiensten.140) Eine Grundstücksgesellschaft übt z. B. eine Hilfstätigkeit aus, wenn sie Immobilien verwaltet, die dem Institutsbetrieb dienen.141) Ein Indiz für das Vorliegen eines einzubeziehenden Anbieters einer Nebendienstleistung ist darin zu sehen, dass eine bisher intern erbrachte Tätigkeit auf dieses Unternehmen übertragen wurde und zu diesem Unternehmen eine Auslagerungsbeziehung nach § 25b KWG und AT 9 MaRisk 2017 besteht.142) Auch CRR-Institute, die ausschließlich AvN als Tochterunternehmen halten, werden 106 nach der CRR II von der Konsolidierungspflicht erfasst. Bei der Bildung der (Teil-)Konsolidierungskreise für die Anforderungen zur Liquidität 107 (Artt. 411 ff. CRR und der entsprechenden Offenlegung nach Art. 430 Abs. 1 lit. d CRR) ___________ 137) Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, § 10a Rz. 25. Durch Einfügung des § 10a Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 KWG infolge des Gesetzes zur Anpassung von Gesetzen auf dem Gebiet des Finanzmarktes, v. 15.7.2014, BGBl. I 2014, 934) hat die Vorschrift des § 10a Abs. 1 Satz 4 KWG, wonach nachgeordnete Unternehmen auch Unternehmen sein können, die ausschließlich das Einlagengeschäft betreiben, keine Bedeutung mehr (so zutr. Luz/Neus/Schaber/u. a.-Schaber/Amann, KWG und CRR, § 10a KWG Rz. 18). 138) Beck/Samm/Kokemoor-Bornemann, KWG, Einf. CRR Rz. 115. 139) Zur Vorgängerregelung des Art. 18 Abs. 8 CRR vgl. EBA, Single Rulebook Q&A, Artt. 18 und 19 CRR, Question ID 2013_382. 140) Luz/Neus/Schaber/u. a.-Schaber/Amann, KWG und CRR, Artt. 11 – 24 CRR Rz. 53; Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 92. 141) Protokoll zur Besprechung von Eigenmittelthemen zwischen der Deutschen Kreditwirtschaft, BaFin und Bundesbank, am 28.4.2014. Ob sich auch die Verwaltung von Immobilien i. R. der Problemkreditbearbeitung als Nebentätigkeit darstellen kann, ist entgegen der Äußerung der Deutschen Kreditwirtschaft in diesem Protokoll jeweils im Einzelfall zu beurteilen. Der Vorschlag der Aufsicht die Abgrenzung anhand der Art der Nutzung (Eigen- vs. Fremdnutzung) vorzunehmen, bedarf ggf. einer Korrektur im Einzelfall, vgl. Protokoll zur Besprechung von Eigenmittelthemen zwischen der Deutschen Kreditwirtschaft, BaFin und Bundesbank am 11.11.2016. 142) Luz/Neus/Schaber/u. a.-Weber/Seifer, KWG und CRR, Art. 4 CRR Rz. 15; Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 92. Die Praxis tut sich mit der Definition der Anbieter von Nebendienstleistungen sowie mit der möglichen Abzugspflicht nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 27 lit. c CRR weiterhin schwer (vgl. Protokolle zur Besprechung von Eigenmittelthemen zwischen der Deutschen Kreditwirtschaft, BaFin und Bundesbank am 28.4.2014, 23.6.2015, 13.11.2015/8.4.2016, 11.11.2016und 8.5.2018).

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§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

sind die Absätze 3 bis 6 und 9 des Art. 18 CRR gemäß Art. 18 Abs. 1 Satz 2 CRR nicht anzuwenden. d)

Drittstaatenunternehmen

108 Nach Art. 23 CRR sind auch in Drittländern143) niedergelassene Unternehmen, die, wenn sie in der Union niedergelassen wären, als CRR-Institute (Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR) oder Finanzinstitute (Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR) einzuordnen wären, in den Konsolidierungskreis einzubeziehen. Keine Anwendung findet die Vorschrift hingegen auf Nicht-CRRInstitute i. S. des § 1a Abs. 1 und 2 KWG, soweit diese nicht die Anforderungen eines Finanzinstituts (Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR) erfüllen. § 1a Abs. 1 und 2 KWG erstreckt den persönlichen Anwendungsbereich nur auf solche Unternehmen, die – unabhängig der CRR – bereits als KWG-Institute i. S. des § 1 Abs. 1b KWG einzuordnen sind.144) 109 Eine Sonderkonstellation bildet die nach Art. 22 CRR erforderliche Teilkonsolidierung für Drittstaatentochterunternehmen und -beteiligungen, die von gruppenangehörigen Tochterinstituten vorzunehmen ist (siehe dazu Rz. 96 ff.). 2.

Konsolidierungsverfahren

110 Abhängig von der Beziehung zwischen dem konsolidierungsverpflichteten und den zu konsolidierenden Unternehmen und auch von der Art des Unternehmens (Unternehmen die Institute, Finanzinstitute oder Anbieter von Nebendienstleistungen sind und finanzbranchenfremden Unternehmen) werden in Art. 18 CRR unterschiedliche Konsolidierungsverfahren vorgeschrieben. Entscheidendes Kriterium für die Bestimmung der Konsolidierungsart ist dabei regelmäßig der „Grad der Verbundenheit“ zwischen dem konsolidierungsverpflichteten und den zu konsolidierenden Unternehmen.145) Art. 18 CRR differenziert insoweit tatbestandlich zwischen Instituten, Finanzinstituten und Anbietern von Nebendienstleistungen als x

Tochterunternehmen,

x

horizontale Unternehmensgruppen,

x

Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventures),

x

Beteiligungen an assoziierten Unternehmen,

x

sonstige Unternehmen und

x

finanzbranchenfremde Unternehmen, die Tochterunternehmen sind oder an denen Beteiligungen gehalten werden und für die ggf. Step-in-Risiken bestehen.

a)

Vollkonsolidierung von Tochterunternehmen

111 Tochterunternehmen und – soweit für konsolidierungsverpflichtete Institute in (gemischten) Finanzholding-Gruppen relevant – Tochterunternehmen derselben (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaft sind nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 CRR voll zu konsolidieren. Dies gilt auch für die Erfüllung der TLAC-(Total Loss Absorbing Capacity)Anforderungen auf konsolidierter Basis gemäß Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 CRR. Die Konsolidierung ist dabei regelmäßig nach der Konzernabschlussmethode vorzunehmen (zu dieser Konsolidierungstechnik siehe Rz. 141 ff.). ___________ 143) Vgl. EBA, Single Rulebook Q&A, Art. 4 Abs. 1 Nr. 28 CRR, Question ID 2013_233. 144) Vgl. Begr. RegE CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/10974, S. 72. 145) Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 93.

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III. Konsolidierungskreis und Art der Konsolidierung

§5

Die Legaldefinition für Tochterunternehmen in Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 CRR146) verweist 112 zum einen auf die Definition des Art. 22 Bilanzrichtlinie und bezieht zum anderen jedes Unternehmen ein, auf das ein Mutterunternehmen tatsächlich einen beherrschenden Einfluss ausübt. Tochterunternehmen von Tochterunternehmen (sog. Enkelunternehmen) gelten nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 Unterabs. 2 CRR ebenfalls als Tochterunternehmen des ursprünglichen Mutterunternehmens, wobei es für die aufsichtsrechtliche Konsolidierung des Enkelunternehmens nicht darauf ankommt, dass das Tochterunternehmen zu den zu konsolidierenden Unternehmensarten gehört.147) Um eine einheitliche Auslegung des Mutter-Tochter-Verhältnisses zu erreichen, ließe 113 sich erwägen, den Verweis in Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 CRR auf die Bilanzrichtlinie stets als exklusiven Verweis auf die Richtlinie und nicht als Verweis auf (potentiell abweichende) nationale Umsetzungsgesetze zu verstehen.148) Dafür spricht das Ziel eines einheitlichen Regelwerks (Single Rulebook). Definitionen anderer rechnungslegungsbezogener Begrifflichkeiten149) verweisen demgegenüber auf den „jeweils geltenden Rechnungslegungsrahmen“, d. h. für deutsche Unternehmen auf das HGB oder die IFRS. Im Umkehrschluss zu den Verweisen auf den „geltenden Rechnungslegungsrahmen“ ist bei Verweisen auf die Bilanzrichtlinie daher grundsätzlich anzunehmen, dass direkt auf die Richtlinie und nicht auf die nationale Umsetzung zu achten ist.150) Dies lässt sich für die Tatbestände des Art. 22 Abs. 1 Bilanzrichtlinie vertreten, weil insoweit keine Umsetzungsspielräume zugunsten der Mitgliedstaaten vorgesehen sind. Nach Art. 22 Abs. 1 Bilanzrichtlinie ist ein Mutter-Tochter-Verhältnis gegeben bei x

dem Halten einer Stimmrechtsmehrheit,

x

dem Recht der Bestellung und Abberufung der Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungsoder Leitungsorgans oder

x

einem beherrschenden Einfluss aufgrund von Vertrag oder Satzungsbestimmung.151)

Soweit allerdings Art. 22 Abs. 2 Bilanzrichtlinie den nationalen Gesetzgebern Optionen 114 eröffnet, entweder die Konsolidierung anzuordnen oder darauf zu verzichten, kann Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 CRR – trotz aller Bestrebungen zur Harmonisierung aufsichtsrechtlicher Regelungen – nur als Verweis auf die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers hinsichtlich dieser Option verstanden werden. Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 CRR enthält keine Aussage dahingehend, dass die Optionen in Art. 22 Abs. 2 Bilanzrichtlinie für die Zwecke der CRR grundsätzlich als ausgeübt zu betrachten sind. Mit § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB hat der deutsche Gesetzgeber die Option des Art. 22 Abs. 2 lit. a Bilanzrichtlinie im Hinblick auf

___________ 146) Es bleibt unklar, warum der Verordnungsgeber in Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 lit. b CRR nochmals auf Tochterunternehmen i. S. des Art. 22 Abs. 1 und Abs. 2 Bilanzrichtlinie verweist, obwohl diese bereits von der Formulierung in Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 lit. a CRR erfasst werden. Hierbei handelt es sich nach hier vertretener Ansicht um einen redaktionellen Fehler (vgl. auch Amman/Brixner/Schaber, WPg 2015, 778, 782). Dieser wurde i. R. der CRR II leider nicht korrigiert. 147) So auch Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 97. Ohnehin dürfte es sich in solchen Fällen bei der Tochtergesellschaft um eine zu konsolidierende Holdinggesellschaft handeln. 148) Luz/Neus/Schaber/u. a.-Schaber/Amann, KWG und CRR, § 10a KWG Rz. 23. 149) Vgl. latente Steueransprüche (Art. 4 Abs. 1 Nr. 106 CRR), Geschäfts- oder Firmenwert (Art. 4 Abs. 1 Nr. 113 CRR), immaterielle Vermögenswerte (Art. 4 Abs. 1 Nr. 115 CRR), sonstige Rücklagen (Art. 4 Abs. 1 Nr. 117 CRR) oder Gewinn (Art. 4 Abs. 1 Nr. 121 CRR). 150) A. A. Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Kempers/Klotzbach, KWG, § 10a Rz. 60, die darin – vor dem Hintergrund der fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien (vgl. Art. 288 Abs. 3 AEUV) vertretbar – ausschließlich einen Verweis auf die nationale Umsetzung sehen. 151) Diese Tatbestände entsprechen im Wesentlichen § 290 Abs. 2 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 HGB.

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§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

die mögliche Ausübung des beherrschen Einflusses umgesetzt.152) Tochterunternehmen ist nach § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB jedes Unternehmen, auf das das Mutterunternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Mit dem durch das BilMoG153) neugefassten § 290 HGB erfolgte der Übergang von den bisherigen Konsolidierungskonzepten „einheitliche Leitung“ und „tatsächliche Kontrolle“ zum international üblichen Konsolidierungskonzept der „möglichen Beherrschung“.154) Danach ist eine Beteiligung keine zwingende Voraussetzung für die Konsolidierung.155) Zudem ist nicht erforderlich, dass der beherrschende Einfluss tatsächlich ausgeübt wird.156) Ein beherrschender Einfluss ist anzunehmen, wenn ein Unternehmen die Möglichkeit hat, die Finanz- und Geschäftspolitik eines anderen Unternehmens dauerhaft zu bestimmen, um aus dessen Tätigkeit Nutzen zu ziehen.157) 115 Die Option aus Art. 22 Abs. 2 lit. a Bilanzrichtlinie hat der deutsche Gesetzgeber zudem durch § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB für die dort definierten Zweckgesellschaften ausgeübt.158) Unter diesen Begriff fallen Unternehmen, an denen das Mutterunternehmen bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Risiken und Chancen trägt und das zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels (des Mutterunternehmens) dient.159) Neben Unternehmen können Zweckgesellschaften auch sonstige juristische Personen des Privatrechts oder unselbständige Sondervermögen des Privatrechts sein,160) soweit sie nicht in § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB ausgenommen sind. 116 Ob Zweckgesellschaften, die zu den zu konsolidieren Unternehmenstypen (Institut, Finanzinstitut, Anbieter von Nebendienstleistungen)161) zählen, aufgrund ihrer Beziehung zum konsolidierungsverpflichteten Unternehmen zu konsolidieren sind, wird in Praxis und Literatur seit geraumer Zeit diskutiert.162) Nach Einführung des § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB infolge des BilMoG und der damit einhergehenden mittelbaren Erweiterung der

___________ 152) Daher hat Art. 18 Abs. 6 lit. a CRR, der die Entscheidung in das Ermessen der zuständigen Aufsichtsbehörde stellt, für deutsche konsolidierungsverpflichtete Unternehmen keine Bedeutung (s. unten Rz. 132). 153) Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts – Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. 154) RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/12407, S. 89. 155) RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/12407, S. 89. 156) RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/12407, S. 89. 157) RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/12407, S. 89; zu weiteren Details s. DRS 19 (Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e. V., Pflicht zur Konzernrechnungslegung und Abgrenzung des Konsolidierungskreises) Rz. 11 ff.; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Schaber/Amann, KWG und CRR, § 10a KWG Rz. 27, möchten zumindest ergänzend auf die zu § 17 Abs. 1 AktG entwickelten Grundsätze abstellen. 158) Vgl. RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/12407, S. 89; Lackhoff/Baldus, ZBB 2015, 245, 253. 159) Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass ein Mutterunternehmen nur bereit sein wird, die Mehrheit der Chancen und Risiken eines anderen Unternehmens zu tragen, wenn sie einen beherrschen Einfluss auf diese haben (Grottel/Kreher in: BeckBilKomm, § 290 HGB Rz. 66). 160) Dies können auch einzelne Zellen oder Silos einer nach ausländischem Gesellschaftsrecht gegründeten „Protected Cell Company“ oder auch Zebragesellschaft sein (DRS 19.44; Grottel/Kreher in: BeckBilKomm, § 290 HGB Rz. 68. 161) Zur Frage, inwieweit (Verbriefungs-)Zweckgesellschaften als Finanzinstitute oder Nebendienstleister eingeordnet werden s. EBA, Opinion on matters relating to other financial intermediaries and regulatory perimeter issues, v. 9.11.2017 (EBA/OP/2017/13), S. 4 ff.; EBA, Consultation Paper, Draft RTS, v. 9.11.2017 (EBA/CP/2017/20), S. 16; EBA, Report on other financial intermediaries and regulatory perimeter issues, v. 8.11.2017, S. 54 ff. 162) Dazu u. a. Manns/Webers in: Gendrisch/Gruber/Hahn, Hdb. Solvabilität, S. 23, 43 f.; Amann/Brixner/ Schaber, WPg 2015, 778, 783; Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 96.

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III. Konsolidierungskreis und Art der Konsolidierung

§5

aufsichtsrechtlichen Definition des Tochterunternehmens163) einigte sich die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) mit der BaFin auf die Sprachregelung vom 17.12.2009, wonach von der BaFin beaufsichtigte Institute zunächst – bis zu einer entgegengesetzten Positionierung der Aufsicht – von der Anwendung des § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB absehen durften.164) Eine Publikation der Deutschen Bundesbank (Bundesbank) aus dem Jahre 2010 nimmt 117 hingegen grundsätzlich eine Pflicht zur Konsolidierung von Zweckgesellschaften an.165) Die aufsichtsrechtliche Konsolidierung dürfe lediglich dann ausnahmsweise unterbleiben, wenn die in der Zweckgesellschaft entstehenden Risiken bereits anderweitig aufsichtsrechtlich berücksichtigt würden.166) Den Äußerungen der BaFin zum aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis in der Auslegungshilfe zum Trennbankengesetz kann entnommen werden, dass sie mittlerweile grundsätzlich eine Pflicht zur Konsolidierung von Zweckgesellschaften annimmt.167) Erfasst werden z. B. Verbriefungszweckgesellschaften, Leasingobjektgesellschaften, sog. Structured Investment Vehicles (SIV) und Conduits.168) Aus der Ausnahme für bestimmte Typen von Sondervermögen in § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB lässt sich im Umkehrschluss schließen, dass alle nicht ausgenommenen Arten von Sondervermögen grundsätzlich unter die Definition fallen können. Allerdings erscheint es auch weiterhin vertretbar, ausnahmsweise und, soweit die Risiken der Zweckgesellschaft anderweitig aufsichtsrechtlich berücksichtigt werden, von der Konsolidierung einzelner Zweckgesellschaften abzusehen.169) Darüber hinaus kann das konsolidierungsverpflichtete Unternehmen einzelne Zweckgesellschaften auch nach Art. 19 Abs. 1 CRR aus dem Konsolidierungskreis ausschließen (siehe dazu näher Rz. 179). Nicht ausgeübt hat der deutsche Gesetzgeber die in Art. 22 Abs. 2 lit. b Bilanzrichtlinie 118 vorgesehene Option im Hinblick auf die einheitliche Leitung.170) Die einheitliche Leitung ist für die Zwecke der Definition des Tochterunternehmens in Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 CRR deshalb nicht zu berücksichtigen.171) Die zweite Alternative des Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 lit. b CRR bezieht sich auf Unternehmen, 119 auf die ein Mutterunternehmen tatsächlich beherrschenden Einfluss ausübt, und ver___________ 163) Vor Anwendung der CRR fand sich die Definition des Tochterunternehmens in § 1 Abs. 7 Satz 1 KWG a. F. wieder. Nach dieser Regelung wurden Tochterunternehmen i. S. des § 290 HGB sowie Unternehmen erfasst, auf die ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann, ohne dass es auf deren Rechtsform oder Sitz ankommt. 164) BaFin, Abstimmung Sprachregelung zum aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis nach dem BilMoG, v. 17.12.2009 (BA 53-FR-2166-2009/0001). 165) Bundesbank, Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzaus Sicht der Bankenaufsicht, in: Monatsbericht 9/2010, S. 49, 64. 166) Bundesbank, Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzaus Sicht der Bankenaufsicht, in: Monatsbericht 9/2010, S. 49, 64. Nach Ansicht von Amman/Brixner/Schaber, WPg 2015, 778, 783, kann diese Voraussetzung erfüllt sein, wenn die Risiken aus der Zweckgesellschaft bereits ohne Konsolidierung in der Bilanz des prinzipiell konsolidierungsverpflichteten Instituts erfasst werden. 167) Vgl. Auslegungshilfe zum Art. 2 des Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen, v. 7.8.2013, BGBl. I 2013, 3090 (Abschirmungsgesetz), Stand: 14.12.2016, S. 3. Die von der Bundesbank vorgeschlagene Ausnahme (Bundesbank, Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzaus Sicht der Bankenaufsicht, in: Monatsbericht 9/2010, S. 49, 64) hinsichtlich Zweckgesellschaften, deren Risiken bereits anderweitig aufsichtsrechtlich berücksichtigt werden, ist gleichwohl weiterhin als anwendbar zu betrachten. Sie wurde bisher nicht explizit aufgehoben. 168) Thelen-Pischke in: Zerey, Zweckgesellschaften, S. 104 ff. 169) So auch Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Kempers/Klotzbach, KWG, § 10a Rz. 65. 170) Daher könnte Art. 18 Abs. 6 lit. b CRR, in dem der Verordnungsgeber der CRR die Ausübung dieser Option den zuständigen Aufsichtsbehörden überlässt, für deutsche konsolidierungsverpflichtete Unternehmen zumindest in der Theorie Bedeutung erlangen, s. unter Rz. 133. 171) A. A. Luz/Neus/Schaber/u. a.-Schaber/Amann, KWG und CRR, § 10a KWG Rz. 23.

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§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

wendet mit dem Begriff des beherrschenden Einflusses einen Rechtsbegriff, der weder in der CRR noch in der Bilanzrichtlinie definiert wird. Es ist vertretbar zu argumentieren, dass dieser Tatbestand neben der Tochterunternehmensdefinition aus § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB, die ebenfalls den potentiellen tatsächlichen beherrschenden Einfluss genügen lässt, keine praktische Bedeutung hat. Vorzugswürdig erscheint allerdings, diesen Tatbestand als alternativen Verweis auf das Control-Konzept nach IFRS zu interpretieren.172) Danach können nach IRFS bilanzierende Institute für Zwecke des Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 CRR alternativ auf den Tochterunternehmensbegriff nach IFRS 10 abstellen.173) Gegen diese Auslegung spricht zwar der Umkehrschluss zur Definition der Kontrolle in Art. 4 Abs. 1 Nr. 37 CRR, der ausdrücklich auch auf die Rechnungslegungsstandards verweist, die gemäß der IAS-Verordnung gelten. Für den alternativen Verweis auf den Tochterbegriff nach IFRS spricht allerdings die damit einhergehende Vereinfachung i. R. des Konzernabschlussverfahrens bei nach IFRS bilanzierenden Instituten,174) bei denen insoweit die Anpassung des Konsolidierungskreises nach der Beziehung zwischen Mutter- und Tochterunternehmen – abgesehen von abweichenden Ausnahmeregelungen175) – überflüssig wird.176) Weiterhin resultiert dieses Verständnis des Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 lit. b CRR in einer unionsweit einheitlichen Definition des Mutterunternehmens für nach IFRS bilanzierende europäische Großbanken. Dadurch werden das einheitliche Regelwerk im Bereich der Bankenregulierung und gleiche Wettbewerbsverhältnisse (Level Playing-Field) gefördert. b)

Konsolidierung in horizontalen Unternehmensgruppen

120 Liegt eine horizontale Unternehmensgruppe vor, bestimmt nach Art. 18 Abs. 3 CRR die zuständige Aufsichtsbehörde die Form der Konsolidierung. Das wirft die Frage auf, ob der deutsche Gesetzgeber diesen Ermessensspielraum durch § 10a Abs. 4 Satz 6 KWG anstelle der zuständigen Aufsichtsbehörde verbindlich ausgeübt hat.177) Gemäß § 10a Abs. 4 Satz 6 KWG hat das konsolidierende Unternehmen bei zu konsolidierenden Unternehmen, die keine Tochterunternehmen sind, seine Eigenmittel und Risikopositionen mit den Eigenmitteln und den Risikopositionen der zu konsolidierenden Unternehmen jeweils quotal in Höhe desjenigen Anteils zusammenzufassen, der seiner Kapitalbeteiligung an dem zu konsolidierenden Unternehmen entspricht. Allerdings existiert gerade in der Konstellation einer horizontalen Unternehmensgruppe typischerweise keine Kapitalbetei___________ 172) So auch Thelen-Pischke, Fragen der aufsichtsrechtlichen und handelsrechtlichen Konsolidierung von Kreditfonds, TSI Fachtagung, am 12.2.2014, https://www.true-sale-international.de/fileadmin/ tsi_downloads/Veranstaltungen/Konferenzen/Fachtagung_2014_02_12/Praesentationen/4.3_ThelenPischke_PwC.pdf (Abrufdatum: 9.6.2020). 173) A. A. vgl. Luz/Neus/Schaber/u. a.-Schaber/Amann, KWG und CRR, § 10a KWG Rz. 32; a. A. beschränkt auf Institutsgruppen Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 94. Bei der Anwendung der seit 2014 geltenden IFRS 10 sind dabei z. B. nicht zwangsläufig alle Zweckgesellschaften i. S. des § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB zu konsolidieren. § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB beruht auf den Vorgängerregelungen IAS 27 und SIC-12 (RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/12407, S. 89). 174) Ggf. ließe sich zusätzlich argumentieren, dass der Verweis auf nationale Rechnungslegungsstandards auch als Verweis auf nationale Regelungen und damit auf das Wahlrecht in § 315a HGB und mittelbar auf IFRS 10 zu verstehen sei. 175) Die Ausnahmen nach Art. 19 CRR i. V. m. § 31 Abs. 3 KWG (s. a. Rz. 173 ff.) divergieren von den Ausnahmen nach § 296 HGB. 176) Historisch ließ sich für die hier vertretene Ansicht auch noch anführen, dass bezüglich (gemischter) Finanzholdinggruppen i. R. der alten Fassung des Art. 11 Abs. 2 CRR auf den Kontrollbegriff nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 37 CRR referenziert wurde, für den auch auf IFRS 10 zurückgegriffen werden kann (so anscheinend auch Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 94). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Art. 11 Abs. 2 CRR i. R. der CRR II überarbeitet wurde. 177) Dies ist z. B. bei § 2 Abs. 9d KWG der Fall, durch den die in Art. 6 Abs. 4 Satz 2 CRR eröffnete Option verbindlich ausgeübt wird.

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III. Konsolidierungskreis und Art der Konsolidierung

§5

ligung an den zu konsolidierenden Unternehmen, anhand derer sich die Konsolidierungsquote bestimmen ließe. Daher kann § 10a Abs. 4 Satz 6 KWG nicht auf die horizontale Unternehmensgruppe angewandt werden.178) In diesem Fall ist vielmehr die Vollkonsolidierung vorzunehmen.179) Bei horizontalen Unternehmensgruppen stellt sich die Frage, welche Konsolidierungs- 121 technik (Konzernabschluss- oder Aggregationsmethode) anwendbar ist. Der deutsche Gesetzgeber hat die in Art. 22 Abs. 7 Bilanzrichtlinie enthaltene Option hinsichtlich der gemeinsamen bilanziellen Erfassung horizontaler Unternehmensgruppen nicht ausgeübt.180) Mangels eines Beherrschungsverhältnisses kommt bei horizontalen Unternehmensgruppen auch IFRS 10 nicht zur Anwendung.181) Die Konsolidierung kann daher nach § 10a Abs. 4 KWG und in Anlehnung an Art. 22 Abs. 9 lit. b Bilanzrichtlinie nach der Aggregationsmethode vorgenommen werden.182) In den Anwendungsbereich des Art. 18 Abs. 3 CRR fallen z. B. dezentral organisierte 122 Gruppen und Verbünde i. S. des Art. 10 CRR, die regelmäßig genossenschaftliche oder umgekehrte pyramidale Strukturen aufweisen.183) c)

Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture)

Nach Art. 18 Abs. 4 CRR verlangt die konsolidierende Aufsichtsbehörde eine anteilmä- 123 ßige (quotale) Konsolidierung entsprechend dem Kapitalanteil von Beteiligungen an Instituten und Finanzinstituten, die von einem in die Konsolidierung einbezogenen Unternehmen gemeinsam mit einem oder mehreren nicht in die Konsolidierung einbezogenen Unternehmen geleitet werden, wenn die Haftung der betreffenden Unternehmen auf ihren Kapitalanteil beschränkt ist. Die Bezugnahme auf die konsolidierende Aufsichtsbehörde indiziert, dass gemeinsam geleitete Institute, Finanzinstitute und Anbieter von Nebendienstleistungen nur dann quotal zu konsolidieren sind, wenn bereits eine Institutsgruppe oder Finanzholdinggruppe vorliegt, die auf konsolidierter Basis beaufsichtigt wird.184) Für den Begriff der Beteiligung verweist Art. 4 Abs. 1 Nr. 35 CRR zum einen auf den 124 Beteiligungsbegriff des Art. 2 Abs. 2 Bilanzrichtlinie185) und stellt zum anderen auf das direkte oder indirekte Halten von mindestens 20 % der Stimmrechte oder des Kapitals am Institut oder Finanzinstitut ab. Nur im Falle des Unterschreitens der 20 %-Grenze kommt es auf Art. 2 Abs. 2 Bilanzrichtlinie, der in § 271 Abs. 1 HGB umgesetzt wurde, ___________ 178) So auch Luz/Neus/Schaber/u. a.-Schaber/Amann, KWG und CRR, Artt. 11 – 24 CRR Rz. 49; Amann/ Brixner/Schaber, WPg 2015, 778, 784. 179) Luz/Neus/Schaber/u. a.-Schaber/Amann, KWG und CRR, Artt. 11 – 24 Rz. 49; Amann/Brixner/ Schaber, WPg 2015, 778, 784. 180) Zu Art. 22 Abs. 2 lit. b Bilanzrichtlinie s. bereits oben Rz. 118; s. a. Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, Artt. 11 ff. CRR Rz. 106. 181) Statt eines konsolidierten Abschlusses ist ggf. ein zusammenfassender Abschluss (combined statement) zu erstellen, Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 18 CRR Rz. 58 und Fn. 104. 182) In Bezug auf Art. 22 Abs. 9 Bilanzrichtlinie so auch Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 18 Rz. 70; s. a. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Stawitzke, KWG/CRR-VO, § 10a KWG Rz. 23 und Art. 9 Draft RTS v. 9.11.2017. 183) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 18 CRR Rz. 58, die den Verbund der österreichischen Volksbanken, die BPCE-Gruppe, die Credit Agricole Gruppe oder die finnische OP-Pohjola Gruppe als Beispiele aus der Praxis aufführen. 184) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 18 CRR Rz. 76. 185) Art. 17 Satz 1 Richtlinie 78/660/EWG wurde aufgehoben und durch Art. 2 Abs. 2 Bilanzrichtlinie ersetzt.

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Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

und damit auf die Beteiligungsabsicht an.186) Erfasst werden dabei gemäß § 271 Abs. 1 Satz 1 HGB Anteile an anderen Unternehmen, die dazu bestimmt sind, dem eigenen Geschäftsbetrieb durch Herstellung einer dauernden Verbindung zu jenen Unternehmen zu dienen.187) Die Frage, ob eine Beteiligung aufgrund der Überschreitung der 20 %-Grenze vorliegt, ist durch eine Zusammenrechnung von ggf. durch Beteiligungsmittler gehaltenen Anteilen anhand der bilanziellen Vorgaben zu ermitteln, z. B. für deutsche konsolidierungsverpflichtete Unternehmen, die ihren Konzernabschluss nach HGB aufstellen, über § 271 Abs. 1 Satz 4 HGB, § 16 Abs. 3 und 4 AktG.188) 125 Weder die CRR noch die CRD enthalten eine Definition der gemeinsamen Leitung i. S. des Art. 18 Abs. 4 CRR. Bis sich eine abweichende Praxis entwickelt, kann daher auf die Grundsätze zu § 10a Abs. 4 KWG a. F. und zu den bilanziellen Parallelnormen in § 310 HGB und IFRS 11.7 („gemeinsame Führung“) abgestellt werden. Dabei wird angenommen, dass die gemeinsame Leitung voraussetzt, dass wesentliche unternehmerische Führungsaufgaben in einem geordneten planmäßigen Zusammenwirken mit nicht gruppenangehörigen Unternehmen wahrgenommen werden.189) Entscheidend dabei ist, dass keiner der Gesellschafter alleine eine gegenüber dem Gemeinschaftsunternehmen dominierende Stellung einnimmt.190) Als Indizien sind Einstimmigkeitserfordernisse im Gesellschaftsvertrag oder in Gesellschaftervereinbarungen mit satzungsüberlagernder Wirkung anzusehen. Rein schuldrechtliche Vereinbarungen der gemeinschaftlichen Führungen genügen hingegen nicht.191) 126 Bei der Beteiligung an Kapitalgesellschaften sollte die Haftung gesellschaftsrechtlich regelmäßig auf den Kapitalanteil beschränkt sein, so dass sich aus diesem Kriterium keine wesentlichen zusätzlichen Anforderungen ergeben.192) Sollte ausnahmsweise keine Haftungsbeschränkung existieren, ist die Beteiligung vorrangig nach Art. 18 Abs. 5 CRR zu behandeln.193) 127 Soweit das konsolidierungsverpflichtete Unternehmen oder die ihm nachgeordnete (gemischte) Finanzholdinggesellschaft einen Konzernabschluss nach HGB erstellt und dabei hinsichtlich des Gemeinschaftsunternehmens vom Wahlrecht in § 310 Abs. 1 HGB Gebrauch gemacht hat, können die anteilige Beteiligung und die Risikopositionen nach –

___________ 186) Beteiligungen liegen zwar typischerweise bei einer Anteilsquote zwischen 20 % und 50 % vor. Im Einzelfall kann aber auch bereits bei einer darunterliegenden Quote eine anteilsmäßige Konsolidierung erforderlich werden (Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 18 CRR Rz. 81). 187) Lediglich der Kapitalanlage dienende Anteile genügen insofern zwar nicht (vgl. FG Thüringen, Urt. v. 23.4.2002 – II 5/96, juris Rz. 37; Baumbach/Hopt-Merkt, HGB, § 271 Rz. 3). Andererseits ist jedoch nicht zwingend erforderlich, dass die Anteile der unternehmerischen Einflussnahme auf das Institut oder Finanzinstitut dienen (vgl. Baumbach/Hopt-Merkt, HGB, § 271 Rz. 3; Grottel/Kreher in: BeckBilKomm, § 271 HGB Rz. 17). Relevante Indizien können z. B. unternehmerische Kooperationen, gemeinsame Finanzierungsstrategien oder personelle Verflechtungen sein. 188) Luz/Neus/Schaber/u. a.-Schaber/Amann, KWG und CRR, § 10a KWG Rz. 36 – 39, möchten hingegen auf die Vorgaben des § 10a Abs. 4 Satz 2 bis 6 KWG in der bis zum Inkrafttreten des CRD IV-Umsetzungsgesetzes geltenden Fassung zurückzugreifen. Zur entsprechenden Thematik nach österreichischem Recht: Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 18 CRR Rz. 82 ff. 189) Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 99; Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Kempers/Klotzbach, KWG, § 10a Rz. 71. 190) Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Kempers/Klotzbach, KWG, § 10a Rz. 71a. 191) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 18 CRR Rz. 80. 192) Luz/Neus/Schaber/u. a.-Schaber/Amann, KWG und CRR, § 10a KWG Rz. 42. 193) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 18 CRR Rz. 86; a. A. Schwennicke/AuerbachAuerbach/Kempers/Klotzbach, KWG, § 10a Rz. 72, die Art. 18 Abs. 6 lit. b CRR heranziehen wollen.

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III. Konsolidierungskreis und Art der Konsolidierung

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ggf. erforderlicher Überleitung (siehe dazu Rz. 143 f.) – gemäß der Konzernabschlussmethode berücksichtigt werden.194) Soweit das konsolidierungsverpflichtete Unternehmen oder die ihm nachgeordnete (ge- 128 mischte) Finanzholdinggesellschaft einen Konzernabschluss nach IFRS erstellt195) oder hinsichtlich des Gemeinschaftsunternehmens nicht vom Wahlrecht in § 310 Abs. 1 HGB Gebrauch gemacht hat, d. h. die Beteiligung bilanziell nach der Äquivalenzmethode (At Equity) berücksichtigt hat, ist nach § 10a Abs. 5 Satz 5 i. V. m. Abs. 4 Satz 6 und 7 KWG die Aggregationsmethode anzuwenden, um die quotale Berücksichtigung i. R. der aufsichtsrechtlichen Konsolidierung herbeizuführen.196) Die Zusammenfassung der Beteiligungen und Risikopositionen erfolgt in dieser Konstellation nach dem Aggregationsverfahren nach § 10a Abs. 4 Satz 6 und 7 KWG, wobei § 10a Abs. 4 Satz 7 KWG die Regelungen zur Vollkonsolidierung nach der Aggregationsmethode nach Satz 2 bis 5 für entsprechend anwendbar erklärt (zum Aggregationsverfahren siehe auch unten Rz. 145 f.). Der Gesetzeswortlaut des § 10a Abs. 4 Satz 6 KWG ist missverständlich formuliert, da er impliziert, dass zur Bestimmung der Kapitalbeteiligungsquote lediglich auf die Beteiligungsquote des übergeordneten Unternehmens abzustellen ist. Dies hätte jedoch zur Folge, dass mittelbare Beteiligungen von übergeordneten Unternehmen in (gemischten) Finanzholding-Gruppen keine Berücksichtigung fänden. Maßgeblich ist daher vielmehr die Beteiligungsquote, die das übergeordnete Unternehmen zusammen mit seinen Tochterunternehmen an einem nachgeordneten Unternehmen erreicht.197) d)

Beteiligungen und sonstige Kapitalbeziehungen

Art. 18 Abs. 5 CRR dient als Auffangregelung für Fälle, die nicht durch Art. 18 Abs. 1 bis 129 4 CRR erfasst werden. In den durch die vorgenannten Normen nicht erfassten Fällen von Beteiligungen oder sonstigen Kapitalbeziehungen entscheiden die zuständigen Behörden, ob und in welcher Form die Konsolidierung zu erfolgen hat. Beteiligungen sind in Art. 4 Abs. 1 Nr. 35 CRR legaldefiniert (siehe dazu oben Rz. 124). Sonstige Kapitalbeziehungen sind verbriefte oder nicht verbriefte Anteile in Form von Mitgliedschafts- oder Gesellschaftsrechten sowie bestimmte hybride Instrumente (z. B. Genussrechte, Aktienanleihen, Umtauschanleihen, Wandelanleihen oder Optionswandelanleihen) an anderen Unternehmen, sofern sie materiell Eigenkapitalcharakter aufweisen, ohne die Voraussetzungen einer Beteiligung zu erfüllen.198) Die Behörden können vor allem die Anwendung der Äquivalenzmethode gestatten oder 130 vorschreiben. Für deutsche Institute, die die Konzernabschlussmethode nutzen (siehe dazu unten Rz. 141 ff.), hat der Verordnungsgeber in § 32 SolvV199) eine konkretisierende Regelung erlassen.200) Danach können konsolidierungsverpflichtete Institute Beteiligungen an assoziierten Unternehmen, die sie in ihrem Konzernabschluss nach der Äquivalenzmethode bewerten,201) mit ihrem anteiligen bilanziellen Eigenkapital (ggf. getrennt ___________ 194) Dies lässt sich mit dem grundsätzlichen Vorrang der Konzernabschlussmethode und der dadurch bedingten Vereinfachung begründen. § 10a Abs. 4 Satz 6 KWG tritt insoweit zurück. 195) Joint Ventures sind nach IFRS 11.24 mit der Äquivalenzmethode zu bilanzieren. Etwas anderes gilt für Joint Operations (gemeinschaftliche Tätigkeit) nach IFRS 11.15, die quotal zu konsolidieren sind. 196) So auch Sopp/Sopp in: Paetzmann/Schöning, Corporate Governance von Kreditinstituten, S. 195, 212. 197) Luz/Neus/Schaber/u. a.-Schaber/Amann, KWG und CRR, § 10a KWG Rz. 80. 198) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 18 Rz. 93. 199) Solvabilitätsverordnung – SolvV, v. 6.12.2013, BGBl. I 2013, 4168. 200) Warum sich diese gerade auch auf Anbieter von Nebendienstleistungen erstreckt, ist nicht verständlich, da diese nur zu konsolidieren sind, soweit sie in die Konsolidierung einbezogen werden. Dies ist ausweislich Art. 18 Abs. 5 Satz 3 CRR bei Anwendung der Äquivalenzmethode gerade nicht der Fall. 201) Nach § 32 Abs. 1 SolvV bzgl. IFRS 28.13 und nach § 32 Abs. 2 SolvV bzgl. § 311 HGB.

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Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

nach Eigenkapitalbestandteilen) in den Abschluss einbeziehen. Bei Inanspruchnahme der Methode nach § 32 SolvV muss im Gegenzug zur Einbeziehung des anteiligen bilanziellen Eigenkapitals nach der Äquivalenzmethode der ermittelte fortgeführte Buchwert der Beteiligung vom CET1-Kapital der Gruppe abgezogen werden, wobei der darin enthaltene Firmenwert in der Abzugsposition nach Art. 36 Abs. 1 lit. b CRR als immaterieller Vermögenswert entsprechend Art. 37 CRR zu erfassen ist. Art. 18 Abs. 5 Satz 3 CRR stellt klar, dass die Anwendung der Äquivalenzmethode nicht bedeutet, dass die betreffenden Unternehmen in die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis einbezogen werden. Daher bewahrt die Einbeziehung eines Unternehmens mittels der beschriebenen Äquivalenzmethode nicht vor einem Eigenmittelabzug gemäß Artt. 36 Abs. 1 lit. g bis i, 59 f., 66 lit. d, 66 lit. c, 69, 70, 74 CRR. Die an die aufsichtliche Konsolidierung anknüpfenden Vorteile und Erleichterungen stehen nicht zur Verfügung (Einzelheiten siehe Rz. 155 ff.). Die EZB und die EBA vertreten die Ansicht, dass im Falle von Minderheitsbeteiligungen grundsätzlich die Äquivalenzmethode anzuwenden ist.202) e)

Signifikanter Einfluss ohne Beteiligung oder tatsächliche einheitliche Leitung

131 Bei Art. 18 Abs. 6 CRR handelt es sich um eine weitere Auffangregelung, die den Aufsichtsbehörden die Befugnis verleiht, über das Ob und die Form der Konsolidierung zu bestimmen, wenn x

ein Institut einen signifikanten Einfluss auf ein oder mehrere Institute oder Finanzinstitute ausübt, ohne jedoch eine Beteiligung an diesen Instituten zu halten oder andere Kapitalbeziehungen zu diesen Instituten zu haben, und

x

zwei oder mehr Institute oder Finanzinstitute einer einheitlichen Leitung unterstehen, ohne dass diese vertraglich oder satzungsmäßig festgelegt ist.203)

132 Die in Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 1 lit. a CRR adressierte Konstellation des signifikanten Einflusses ohne Beteiligung dürfte in Deutschland keine besondere praktische Bedeutung haben, da bereits die Definition des Tochterunternehmens in § 290 HGB keine Beteiligung fordert und die tatsächliche Beherrschung eines Unternehmens zur Einordnung als Tochterunternehmen nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 lit. b CRR ausreichend ist (siehe oben Rz. 119). Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 1 lit. a CRR bezieht sich auf Situationen, in denen ein konsolidierungsverpflichtetes Unternehmen nach Ansicht der zuständigen Behörden maßgeblichen Einfluss auf andere Institute oder Finanzinstitute ausübt, weil es analog zu IAS 28.2 die Möglichkeit hat, an den finanz- und geschäftspolitischen Entscheidungen der betreffenden (beeinflussten) Unternehmen mitzuwirken, ohne jedoch eine Beteili-

___________ 202) EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, Konsolidierte Fassung, v. 11/2016, S. 69. So in Anlehnung an die bilanzrechtliche Behandlung auch die EBA in ihrem Vorschlag für Art. 11 Abs. 2 Draft RTS v. 9.11.2017. Nach Art. 11 Abs. 4 bis 7 Draft RTS v. 9.11.2017 kommt allerdings unter bestimmten Voraussetzungen auch eine anteilsmäßige – z. B. bei Ausübung der Kontrolle gemeinsam mit anderen Anteilsinhabern (ohne das Einstimmungserfordernis des Art. 18 Abs. 4 CRR) oder bei zu erwartender finanzieller Unterstützung des Unternehmens (sog. Step-in-Risk) – oder eine vollständige Konsolidierung – z. B. bei Tragung der Mehrheit an Chancen und Risiken – in Betracht. Allerdings ist der Draft RTS der EBA zu diesem Thema nie finalisiert worden. 203) Weiterhin sieht Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 1 CRR vor, dass die Aufsichtsbehörden die Methoden zur Konsolidierung nach Art. 22 Abs. 8, 9 Bilanzrichtlinie gestatten oder vorschreiben können. Zudem stellt Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 CRR – wie in Art. 18 Abs. 5 Satz 3 CRR – klar, dass diese Art der Konsolidierung nicht zur Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis führt.

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III. Konsolidierungskreis und Art der Konsolidierung

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gung oder andere Kapitalbeziehungen an bzw. zu diesen zu halten.204) Für andere Jurisdiktionen wird zum Teil diskutiert, ob der Tatbestand vor allem Zweckgesellschaften erfasse.205) In Deutschland sind diese bereits nach § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB als Tochtergesellschaften zu behandeln. Fälle des Art. 18 Abs. 6 lit. a CRR behandelt die EZB analog zu Fällen einer Minderheitsbeteiligung an einem Gemeinschaftsunternehmen nach Art. 18 Abs. 4 CRR.206) Auch die tatsächliche einheitliche Leitung i. S. des Art. 18 Abs. 6 lit. b CRR dürfte in der 133 Praxis von untergeordneter Bedeutung bleiben. Wie bei Art. 18 Abs. 3 CRR gilt das inländische Institut mit der höchsten Bilanzsumme als übergeordnetes Institut (vgl. auch Art. 8 Abs. 2 und 4 Draft RTS v. 9.11.2017)207). In der Literatur wird bisweilen angenommen, es handele sich bei der einheitlichen Leitung in diesem Sinne um die einheitliche Leitung nach Art. 22 Abs. 7 lit. b Bilanzrichtlinie.208) Dies ist allerdings vor dem Hintergrund, dass diese Konstellation bereits von Art. 18 Abs. 3 CRR erfasst wird, abzulehnen (siehe oben Rz. 40 ff.). Die EZB behandelt die einheitliche Leitung i. S. von Art. 18 Abs. 6 CRR analog zu Tochterunternehmen nach Art. 18 Abs. 1 CRR und verlangt daher die Anwendung der Vollkonsolidierung.209) Tatsächliche einheitliche Leitung kann vorliegen, wenn zwei oder mehr Institute oder Finanzinstitute von einem Unternehmen oder einer Unternehmensgruppe außerhalb des Konsolidierungskreises oder von einem Unternehmen oder einer Unternehmensgruppe mit Sitz in einem Drittstaat kontrolliert werden (vgl. Art. 13 Abs. 2 lit. a Draft RTS v. 9.11.2017). Die EBA will es darüber hinaus auch genügen lassen, wenn sich zwar die Mehrheit eines Leitungs-, Aufsichts- oder Verwaltungsorgans aus verschiedenen Personen zusammensetzt, die jedoch durch dasselbe/dieselben Unternehmen bestellt wurden (Art. 13 Abs. 2 lit. b Draft RTS v. 9.11.2017). f)

Finanzbranchenfremde Unternehmen

Unternehmen, die keine Institute, Finanzinstitute oder AvN (finanzbranchenfremde Un- 134 ternehmen) sind und die Tochterunternehmen oder Beteiligungen sind, werden gemäß Art. 18 Abs. 7 Satz 1 CRR grundsätzlich nach der Äquivalenzmethode bilanziert. Nach Art. 18 Abs. 7 Unterabs. 2 CRR können Aufsichtsbehörden abweichend von Art. 18 Abs. 7 ___________ 204) Als Indikatoren für einen maßgeblichen Einfluss sind weiterhin die in IAS 28.7 und 28.9 genannten Kriterien analog heranzuziehen. Im Rahmen der Analyse, ob ein signifikanter Einfluss vorliegt, sind Sitze im Vorstand, Aufsichts- oder Verwaltungsrat sowie die Teilnahme an Entscheidungsprozessen und der Austausch von Führungspersonal ebenso relevant wie potentielle Stimmrechte aus Aktienoptionsscheinen, Aktienkaufoptionen und in Aktien wandelbare Schuldinstrumente (Laurer/Schütz/ Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 18 CRR Rz. 111). So auch Artt. 2, 12 Draft RTS v. 9.11.2017. Die EBA schlägt daneben vor, sogar bedeutende Transaktionen oder die Erbringung wichtiger Dienstleistungen als Indizien für einen maßgeblichen Einfluss heranzuziehen. Da derartige Beziehungen zwischen einer Vielzahl von Unternehmen existieren, sind diese Kriterien abzulehnen, um eine uferlose Anwendung des Art. 18 Abs. 6 lit. b CRR bereits tatbestandlich zu begegnen. Soweit die EBA in Anlehnung an IAS 28.5 und Art. 2 Abs. 3 Bilanzrichtlinie an das Halten von mehr als 20 % der Stimmrechte anknüpfen möchte, wird in der Praxis regelmäßig eine Beteiligung oder andere Kapitalbeziehung vorliegen. Allerdings ist der Draft RTS der EBA v. 9.11.2017 zu diesem Thema nie finalisiert worden. 205) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 18 Rz. 111 – zum österreichischen Recht. 206) EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen (Konsolidierte Fassung), v. 11/2016, S. 69. 207) EBA, Consultation Paper, Draft RTS, v. 9.11.2017 (EBA/CP/2017/20). 208) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 18 CRR Rz. 116. S. a. EBA, Consultation Paper, Draft RTS, v. 9.11.2017 (EBA/CP/2017/20), S. 33. 209) EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen (Konsolidierte Fassung), v. 11/2016, S. 69. Die EBA schlägt hingegen eine Vollkonsolidierung vor, wenn das Unternehmen, das einen maßgeblichen Einfluss ausüben kann, die Mehrheit an Chancen oder Risiken trägt (Art. 14 Abs. 2 Draft RTS v. 9.11.2017).

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§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

Satz 1 CRR eine andere bilanzielle Behandlung erlauben oder verlangen (u. a. entsprechend handelsbilanzieller Regelungen), wenn das betroffene (ggf. konsolidierungspflichtige) Institut x

zum 28.12.2020 die Äquivalenzmethode nicht bereits anwendet,

x

der Aufwand für die Anwendung der Äquivalenzmethode unverhältnismäßig wäre oder die Risiken des finanzbranchenfremden Unternehmens für das betroffene Institut bei Anwendung der Äquivalenzmetode nicht angemessen erfasst würden und

x

die anzuwendende (andere) Bilanzierungsmethode nicht zur Voll- oder quotalen Konsolidierung des finanzbranchenfremden Unternehmens führt.

135 Ausnahmsweise sind Institute auf Anordnung der zuständigen Aufsichtsbehörde nach Art. 18 Abs. 8 CRR verpflichtet auch Unternehmen zu konsolidieren, die keine Institute, Finanzinstitute oder AvN sind, wenn hinsichtlich dieser Unternehmen besondere Stepin-Risiken bestehen.210) Step-in-Risiken sind zu bejahen, wenn ein erhebliches Risiko besteht, dass das (konsolidierungspflichtige) Institut beschließt, für das andere Unternehmen unter Stressbedingungen finanzielle Unterstützung bereitzustellen, selbst wenn es dazu nicht oder zumindest nicht in diesem Umfang verpflichtet ist. Fallgruppen, in denen Step-in-Risiken grundsätzlich anzunehmen sind, werden voraussichtlich in den EBA Draft RTS nach Art. 18 Abs. 9 CRR und in einer darauf basierenden umsetzenden Kommissionsverordnung spezifiziert. Es ist anzunehmen, dass sich der Regulator dabei eng an den Vorschlägen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht/Basel Committee on Banking Supervision (BCBS)211) orientieren. Bei der Formulierung des Art. 18 Abs. 8 CRR scheint der Verordnungsgeber übersehen zu haben, dass es im Einzelfall auch Institute, Finanzinstitute oder AvN geben kann, die (z. B. mangels Tochterunternehmenseigenschaft)212) zwar nicht von Art. 18 Abs. 1–6 CRR erfasst werden, für die allerdings ebenfalls Step-inRisiken seitens des (konsolidierungspflichtigen) Instituts bestehen. Obwohl sich hier im Einzelfall Wertungswidersprüche ergeben können, weil finanzbranchenfremde Unternehmen mit Step-in-Risiken zu konsolidieren sind, während Institute, Finanzinstitute oder AvN, für die identischen Risiken existieren, nicht erfasst werden, ist festzuhalten, dass es für diesen Fall an einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage für eine Konsolidierungspflicht fehlt.213) g)

Freiwillig konsolidierte Unternehmen

136 Es wird kontrovers diskutiert, ob neben den Unternehmen, die Teil des aufsichtsrechtlichen Pflichtkonsolidierungskreises sind, darüber hinaus auch andere Unternehmen konsolidiert werden dürfen.214) Dabei ist zwischen zwei Aspekten zu unterscheiden. Die Frage nach der Zulässigkeit der freiwilligen Konsolidierung stellt sich zum einen für Tochterun___________ 210) Die Vorschrift gilt nicht für Versicherungsunternehmen, Drittlands-Versicherungsunternehmen, Rückversicherungsunternehmen, Drittland-Rückversicherungsunternehmen, Versicherungsholdinggesellschaften oder Unternehmen, die gemäß Art. 4 Solvabilität II-Richtlinie aus dem Anwendungsbereich ausgenommen sind. 211) BCBS, Guidelines on identification and management of step-in risk, v. 10/2017. 212) Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob diese Unternehmen z. B. bereits von § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB (bei nach HGB bilanzierenden Instituten) oder Art. 18 Abs. 5 CRR erfasst werden. 213) Der Vorschlag der EBA zu Art. 11 Abs. 4 Draft RTS v. 9.11.2017 indiziert zwar, dass die Aufsicht versuchen könnte, Step-in-Risiken als „sonstige Kapitalbeziehung“ i. S. des Art. 18 Abs. 5 CRR zu interpretieren. Soweit die Definition der „sonstigen Kapitalbeziehung“ (s. unten Rz. 129) nicht erfüllt ist, handelt es sich allerdings um einen untauglichen Versuch der extensiven Auslegung. Hätte der Verordnungsgeber Institute, Finanzinstitute und AvN erfassen wollen, so hätte er sie einfach in Art. 18 Abs. 8 CRR aufnehmen oder Art. 18 Abs. 5 CRR entsprechend ergänzen können. 214) Manns/Webers in: Gendrisch/Gruber/Hahn, Hdb. Solvabilität, S. 23, 44.

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III. Konsolidierungskreis und Art der Konsolidierung

§5

ternehmen, die nicht im weiteren Sinne mit der Finanzbranche in Verbindung stehen und daher nicht in den Konsolidierungskreis fallen. Derartige branchenfremde Unternehmen, die weder Institute noch Finanzinstitute noch Anbieter von Nebendienstleistungen sind, können nach bisweilen vertretener Ansicht nicht freiwillig konsolidiert werden.215) Die Aufsicht geht hingegen davon aus, dass eine freiwillige Konsolidierung immer dann möglich sein soll, wenn bereits ein regulatorischer Konsolidierungskreis existiert.216) Zum anderen ist umstritten, ob Beteiligungen oder Anteile an assoziierten Instituten, Fi- 137 nanzinstituten und Anbietern von Nebendienstleistungen, die nicht zu konsolidieren sind, sondern lediglich nach der Äquivalenzmethode zu bewerten oder als Finanzinstrumente nach IAS 32, 39, IFRS 9 zu behandeln wären, freiwillig quotal in die Konsolidierung einbezogen werden dürfen.217) Dagegen bringen einzelne Stimmen in der Literatur vor, dass freiwillig konsolidierte Unternehmen in der CRR und dem KWG in der seit Inkrafttreten des CRD IV-Umsetzungsgesetzes geltenden Fassung nicht mehr vorgesehen seien.218) Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass § 10a Abs. 1 Satz 3 KWG die freiwillige Konsoli- 138 dierung ausdrücklich zulässt und auch Art. 18 Abs. 5 CRR generell die Möglichkeit eröffnet, weitere Konsolidierungsformen vorzusehen.219) Dadurch, dass zudem die quotale Konsolidierung einer Beteiligung an einem assoziierten Unternehmen nach § 32 Abs. 1 SolvV zulässig ist und es sich dabei um einen Fall der freiwilligen Konsolidierung handelt, kann § 10a Abs. 1 Satz 3 KWG nicht – wie in der Literatur mitunter angenommen wird220) – auf einem bloßen Redaktionsversehen beruhen. Der Wegfall des § 10a Abs. 5 KWG i. V. m. § 10 Abs. 6 Satz 4 KWG in der bis zum Inkrafttreten des CRD IV-Umsetzungsgesetzes geltenden Fassung ist insoweit unschädlich, als sich die Folgen der freiwilligen Konsolidierung insoweit nunmehr aus § 10a Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 Satz 6 KWG i. V. m. Art. 49 Abs. 2 CRR ergeben. Danach sind freiwillig quotal konsolidierte Beteiligungen entgegen Artt. 36 Abs. 1 lit. g bis i, 59, 60, 66 lit. d, 69, 66 lit. c, 69, 70, 74 CRR nicht von den Eigenmitteln abzuziehen. Auch alle weiteren Vor- und Nachteile der aufsichtlichen Konsolidierung sind bei der Entscheidung über die freiwillige Konsolidierung zu berücksichtigen (siehe dazu Rz. 155 ff.). Die freiwillig vorgenommene Konsolidierung eines bestimmten Unternehmens begründet 139 keine Pflicht zur Konsolidierung sämtlicher vergleichbarer Beteiligungen. Das konsolidierungsverpflichtete Unternehmen kann für jede Beteiligung frei zwischen der freiwilligen Konsolidierung und dem Kapitalabzug wählen.221) ___________ 215) Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Kempers/Klotzbach, KWG, § 10a Rz. 47, die sich ausschließlich auf die freiwillige Konsolidierung von Instituten, Finanzinstituten und Anbietern von Nebendienstleistungen beziehen; s. a. Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 18 CRR Rz. 19. 216) Protokoll zur Besprechung von Eigenmittelthemen zwischen der Deutschen Kreditwirtschaft, BaFin und Bundesbank am 28.4.2014. 217) Nach der Ansicht von Manns/Webers in: Gendrisch/Gruber/Hahn, Hdb. Solvabilität, S. 23, 41 Fn. 47, handelt es sich bei § 10a Abs. 1 Satz 3 KWG um ein Redaktionsversehen. Andere Kommentatoren gehen hingegen davon aus, dass die freiwillige Konsolidierung nach § 10a Abs. 1 Satz 3 KWG weiterhin möglich ist (so etwa Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Stawitzke, KWG/CRR-VO, § 10a KWG Rz. 19). 218) Luz/Neus/Schaber/u. a.-Schaber/Amann, KWG und CRR, § 10a KWG Rz. 14; Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 94; Manns/Webers in: Gendrisch/Gruber/Hahn, Hdb. Solvabilität, S. 23, 41 Fn. 47. 219) Vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Stawitzke, KWG/CRR-VO, § 10a KWG Rz. 19, mit dem zielführenden Verweis auf das Protokoll zur Besprechung von Eigenmittelthemen zwischen der Deutschen Kreditwirtschaft, BaFin und Bundesbank am 28.4.2014; vgl. auch Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, § 10a Rz. 27. 220) Manns/Webers in: Gendrisch/Gruber/Hahn, Hdb. Solvabilität, S. 23, 41 Fn. 47; Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 94. 221) Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Kempers/Klotzbach, KWG, § 10a Rz. 74; vgl. zum früheren Recht BAKred-Schreiben v. 5.1.1996, Consbruch/Fischer, B 55.6.

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§5 IV.

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen Konsolidierungstechnik

140 Die CRR enthält nur fragmentarische Anhaltspunkte zur Methodik der vorzunehmenden Konsolidierung. Die aufsichtsrechtlichen Anforderungen sind im Ausgangspunkt so auf die Gruppe der zu konsolidierenden Unternehmen anzuwenden, als handele es sich dabei um ein einziges Institut (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 47 CRR).222) Dadurch wird die Zusammenfassung rechtlich verselbstständigter, jedoch wirtschaftlich verbundener Rechtsträger als ein Einheitsunternehmen fingiert.223) Hinsichtlich der Konsolidierungstechnik sind die Konzernabschlussmethode und die Aggregationsmethode zu unterscheiden, die allerdings in bestimmten Konstellationen auch kombiniert zur Anwendung kommen. 1.

Konzernabschlussmethode

a)

Maßgeblichkeit des Konzernabschlusses

141 Aus ErwG 39 CRR lässt sich ableiten, dass die CRR für die Konsolidierungstechnik auf die bilanzrechtlichen Grundsätze verweist, nach denen der Konzernabschluss erstellt wird.224) Dafür spricht auch, dass die CRR für die Behandlung konsolidierungsrelevanter Kennzahlen auf diese Rechnungslegungsstandards verweist225) und die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1423/2013226) (vor allem in Anhang I) dies voraussetzt. Daraus folgt somit, dass der Konzernabschluss für die aufsichtliche Konsolidierung grundsätzlich maßgeblich ist. 142 Dies entspricht auch der durch den deutschen Gesetzgeber in § 10a Abs. 5 KWG getroffenen Regelung. Danach hat das konsolidierungsverpflichtete Unternehmen einer aufsichtsrechtlichen Gruppe,227) das bilanziell zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist, diesen grundsätzlich bei der Konsolidierung von Eigenmitteln und Risikopositionen zugrunde zu legen.228) Allerdings räumt die Vorschrift dem konsolidierenden Unternehmen einen fünfjährigen Übergangszeitraum ein.229) Nach Ablauf des Übergangszeitraums darf das konsolidierungsverpflichtete Unternehmen nur ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen mit Erlaubnis der BaFin von der Anwendung der Konzernabschlussmethode absehen und die Aggregationsmethode nach § 10a Abs. 4 KWG anwenden (§ 10a Abs. 5 Satz 3, Abs. 6 KWG).230) ___________ 222) Weiterhin hat die Kommission nach Art. 18 Abs. 7 CRR einen technischen Regulierungsstandard zu erlassen. Dieser soll vor allem die Ausnahmen von der grundsätzlich gebotenen Vollkonsolidierung betreffen. Der Entwurf des Standards durch die EBA steht noch aus, obwohl er bereits Ende 2016 vorzulegen gewesen wäre. 223) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Schirk/Stern, BWG, Art. 11 Rz. 8. 224) Sopp, ZBB 2013, 274, 278; Sopp/Sopp in: Paetzmann/Schöning, Corporate Governance von Kreditinstituten, S. 195, 209 f. 225) Latente Steueransprüche (Art. 4 Abs. 1 Nr. 106 CRR), Geschäfts- oder Firmenwert (Art. 4 Abs. 1 Nr. 113 CRR), immaterielle Vermögenswerte (Art. 4 Abs. 1 Nr. 115 CRR), sonstige Rücklagen (Art. 4 Abs. 1 Nr. 117 CRR) oder Gewinn (Art. 4 Abs. 1 Nr. 121 CRR). 226) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1423/2013 der Kommission v. 20.12.2013, ABl. (EU) L 355/60 v. 31.12.2013. 227) Die Pflicht, den Konzernabschluss zugrunde zu legen, folgt für Institutsgruppen aus § 10a Abs. 5 Satz 1 KWG, für (gemischte) Finanzholding-Gruppen aus § 10a Abs. 5 Satz 6 KWG. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass § 10a Abs. 5 Satz 6 KWG nur auf die Sätze 1 bis 5 verweisen müsste. 228) Die einzelnen technischen Schritte der Konsolidierung sind daher entsprechend bilanzrechtlicher Vorgaben durchzuführen. 229) In der Praxis dürfte sich die Bedeutung dieser Regelung mittlerweile auf Fälle des erstmaligen Entstehens einer Pflicht zur Vorlage eines Konzernabschlusses beschränken. Gleichwohl lässt sich die Vereinbarkeit der Übergangfrist mit der CRR, die von der Anwendung der Konzernabschlussmethode ausgeht, diskutieren (s. im Detail Beck/Samm/Kokemoor-Bornemann, KWG, Einf. CRR Rz. 132 ff.). 230) Nimmt man an, dass die CRR die Verwendung der Konzernabschlussmethode vorgibt, lässt sich auch hier die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Regelung mit der CRR aufwerfen. Zusätzlich ist zu beachten, dass § 10a Abs. 5 Satz 3 KWG nur auf die Sätze 1 und 2 verweisen müsste.

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§5

IV. Konsolidierungstechnik b)

Überleitung in die aufsichtsrechtliche Konsolidierung

Hat die aufsichtliche Konsolidierung auf Grundlage des Konzernabschlusses zu erfolgen, 143 ist eine Überleitung des Konzernabschlusses auf die aufsichtliche Konsolidierung notwendig, bei der die einzubeziehenden Unternehmen und die Konsolidierungsmethoden angepasst werden müssen. Dies erfordert eine Dekonsolidierung derjenigen Unternehmen, die zum bilanzrechtlichen Konsolidierungskreis gehören, jedoch nicht in den aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis fallen (§ 10a Abs. 5 Satz 4 KWG).231) Weiterhin sind bilanzrechtlich nicht zu konsolidierende Unternehmen, die in den aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis fallen, hinzuzurechnen (§ 10a Abs. 5 Satz 5 KWG).232) Die Überleitung wird entweder nach der prospektiven oder der retrospektiven Methode vollzogen.233) § 10a Abs. 7 KWG enthält eine Verordnungsermächtigung x

hinsichtlich der Überleitung von Angaben aus dem Konzernabschluss in die Ermittlung der zusammengefassten Eigenmittelausstattung234) sowie

x

hinsichtlich der Behandlung von nach der Äquivalenzmethode zu bewertenden Beteiligungen i. R. der Konzernabschlussmethode, wobei letztere in § 32 SolvV umgesetzt wurde.

Neben der Anpassung des Konsolidierungskreises sind weitere Anpassungen des Kon- 144 zernabschlusses hinsichtlich der Konsolidierungsverfahren235) und der allgemeinen aufsichtsrechtlichen Regelungen (z. B. für die Berücksichtigung von Minderheitenanteilen bei der Kapitalkonsolidierung236) oder die Anwendung eines Prudential Filter237)) vorzunehmen.238) Hinsichtlich des Konsolidierungsverfahrens sei an dieser Stelle nur die Behandlung von Beteiligungen an Gemeinschaftsunternehmen und assoziierten Unternehmen hervorgehoben. Bilanziell werden Beteiligungen an Gemeinschaftsunternehmen regelmäßig nach der Äquivalenzmethode berücksichtigt.239) Diese Beteiligungen sind für die Zwecke der Überleitung zu dekonsolidieren und in einem zweiten Schritt nach der Aggregationsmethode unter den Voraussetzungen des Art. 18 Abs. 4 CRR quotal zu konsolidieren. Beteiligungen an assoziierten Unternehmen werden bilanziell stets nach der Äquiva___________ 231) Dazu gehören z. B. Unternehmen, die nicht zu den aufsichtsrechtlich zu konsolidierenden Arten von Unternehmen zählen, bei denen von der Ausnahme von Art. 19 CRR Gebrauch gemacht wird, ohne dass gleichzeitig auch eine Ausnahme nach § 296 HGB oder IFRS herangezogen wird. 232) Dabei kann es sich z. B. um Unternehmen handeln, die nach § 296 HGB oder IFRS aus dem bilanzrechtlichen Konsolidierungskreis ausgenommen sind, für die aber die Ausnahme nach Art. 19 CRR nicht in Anspruch genommen wird. Dazu näher Manns/Webers in: Gendrisch/Gruber/Hahn, Hdb. Solvabilität, S. 23, 46. 233) Nach der prospektiven Methode (unechte Überleitung) wird nach den für die Konzernrechnungslegung maßgeblichen Konsolidierungsgrundsätzen ein separater Konzernabschluss erstellt, der sich auf die in den aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis einbezogenen Unternehmen bezieht. Bei der retrospektiven Methode (echte Überleitung) sind die nicht in den aufsichtlichen Konsolidierungskreis einbezogenen Unternehmen zu dekonsolidieren und die einzubeziehenden Unternehmen hinzuzurechnen. Diese Hinzurechnung darf nach dem Aggregationsverfahren gemäß § 10a Abs. 4 KWG erfolgen. Näher zu diesem Themenkreis Manns/Webers in: Gendrisch/Gruber/Hahn, Hdb. Solvabilität, S. 23, 58 f., die sich gegen die Zulässigkeit der prospektiven Methode aussprechen, sowie Kuks/Manns/ Savova/Schmid in: Becker/Schulte-Mattler, Finanzkrise 2.0 und Risikomanagement von Banken, S. 383. 234) Diese ist bisher nicht umgesetzt. 235) S. dazu Manns/Webers in: Gendrisch/Gruber/Hahn, Hdb. Solvabilität, S. 23, 58 f. 236) Minderheitenanteile sind dabei nur unter den Voraussetzungen und innerhalb der Grenzen der Artt. 81 ff. CRR zu berücksichtigen (s. dazu Sopp, ZBB 2013, 274 ff.; Beck/Samm/Kokemoor-Bornemann, KWG, Einf. CRR Rz. 132 ff.; Manns/Webers in: Gendrisch/Gruber/Hahn, Hdb. Solvabilität, S. 23, 49). 237) Gutmann/Neisen in: Becker/Christ/Denter, CRR-Handbuch zur Solvabilität, S. 104 ff.; Sopp, WPg 2016, 1229 ff.; Paetzmann, ZBB 2013, 187 ff. 238) Zu weiteren Anpassungen s. Flick/Neisen, RdF 2015, 234 ff. 239) IFRS 11.24 und soweit nicht vom Wahlrecht in § 310 Abs. 1 HGB Gebrauch gemacht wird.

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257

§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

lenzmethode berücksichtigt.240) Aufsichtsrechtlich können Beteiligungen an einem assoziierten Unternehmen nach § 32 Abs. 1 SolvV (siehe bereits oben Rz. 138) behandelt werden. Aus der Verwendung des Wortes „können“ in § 32 Abs. 1 SolvV lässt sich ableiten, dass sie auch quotal nach der Aggregationsmethode konsolidiert werden dürfen.241) Soweit ein übergeordnetes Unternehmen sein Wahlrecht zur freiwilligen quotalen Konsolidierung nutzt, sind auch Beteiligungen an assoziierten Unternehmen für die Zwecke der Überleitung zu dekonsolidieren und in einem zweiten Schritt nach der Aggregationsmethode quotal zu konsolidieren.242) 2.

Aggregationsmethode

145 Es steht konsolidierungsverpflichteten Unternehmen grundsätzlich frei, die Aggregationsmethode nach § 10a Abs. 4 KWG anzuwenden, soweit dies nicht mit der von der CRR und dem KWG geforderten Zugrundelegung des Konzernabschlusses kollidiert.243) Dies gilt zumindest für die Einbeziehung von Unternehmen, die nicht in den Konzernabschluss einbezogen sind (z. B. aufgrund der Ausnahmen nach §§ 291 f. HGB), die Konsolidierung assoziierter Unternehmen sowie die Konsolidierung von Gemeinschaftsunternehmen. Dazu fasst das konsolidierende Unternehmen die Eigenmittel und Risikopositionen der Gruppe zusammen. Bei nicht direkt der CRR unterliegenden zu konsolidierenden Unternehmen ist für diese Zusammenfassung der Betrag als Eigenmittel zu berücksichtigen, der den Anforderungen der CRR entspräche.244) 146 Minderheitenanteile sind wiederum nur unter den Voraussetzungen und innerhalb der Grenzen der Artt. 81 ff. CRR zu berücksichtigen.245) Um Doppelanrechnungen zu vermeiden, sind die Buchwerte der Eigenmittelinstrumente der gruppenangehörigen Unternehmen von den zusammengefassten Eigenmitteln abzuziehen (§ 10a Abs. 4 Satz 2 KWG).246) Bei Beteiligungen, die über nicht gruppenangehörige Unternehmen gehalten werden, sind solche Buchwerte quotal i. H. der durchgerechneten Beteiligung abzuziehen (§ 10a Abs. 4 Satz 3 KWG). Ist der Buchwert der Beteiligung höher als der zusammenzufassende Teil des harten Kernkapitals (CET1-Kapital) des zu konsolidierenden Unternehmens, hat das konsolidierende Unternehmen diesen aktivischen Unterschiedsbetrag vom CET1-Kapital der Gruppe abzuziehen (§ 10a Abs. 4 Satz 4 KWG).247) Im Gegensatz zur Eigenmittelkonsolidierung im Konzernabschlussverfahren findet bei der Aggregationsmethode weder eine Neubewertung der Eigenmittel der einzubeziehenden Unternehmen nach einheitlichen Konzernrechnungslegungsstandards (und damit eine Hebung stiller Lasten und Reserven) noch eine Zwischenergebniseliminierung statt, so dass sich die Resultate der Zusammenfassung stark unterscheiden können. Risikopositionen aus Rechtsverhältnissen zwischen gruppenangehörigen Unternehmen sind bei der Zusammenfassung von Risikopositionen nicht zu berücksichtigen (§ 10a Abs. 4 Satz 4 KWG). ___________ 240) IAS 28.13 und § 311 HGB. 241) Manns/Webers in: Gendrisch/Gruber/Hahn, Hdb. Solvabilität, S. 23, 45. 242) Mit einem groben Ablaufschema einer Dekonsolidierung Manns/Webers in: Gendrisch/Gruber/Hahn, Hdb. Solvabilität, S. 23, 59. 243) Zur Frage der Vereinbarkeit der fünfjährigen Übergangsfrist nach § 10a Abs. 5 Satz 1 KWG und der Regelung des § 10a Abs. 6 KWG mit der CRR s. bereits oben (Fn. 230). 244) Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass diese entgegen des Wortlauts der Artt. 25, 51 CRR keine CRR-Institute sind. Zur Begründung kann auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 47 CRR rekurriert werden, wonach die Vorschriften so auf das konsolidierende Unternehmen anzuwenden ist, als bilde es mit den zu konsolidierenden Unternehmen ein einziges CRR-Institut. 245) S. bereits Fn. 236. 246) Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 109. 247) Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, § 10a Rz. 44.

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V. Erwägungen zur Strukturierung von Bankengruppen

§5

Diese Regelungen finden für die quotale Konsolidierung entsprechende Anwendung (§ 10a Abs. 4 Satz 6 und 7 KWG); siehe dazu bereits Rz. 128. V.

Erwägungen zur Strukturierung von Bankengruppen

Durch sorgfältige Planung der Gruppenstruktur lässt sich v. a. bei internationalen Banken- 147 gruppen regelmäßig ein gewisser regulatorischer Aufwand vermeiden. Um diese zu verstehen, ist es erforderlich, zunächst die erweiterten Pflichten für gruppenangehörige Unternehmen zu erörtern (siehe dazu Rz. 148 ff.). Es folgen sodann die Vorteile der Konsolidierung (siehe Rz. 155 ff.) sowie mögliche Ausnahmen (siehe Rz. 167 ff.). 1.

Erweiterung der Pflichten der Gruppenunternehmen

a)

Konsolidierungsrelevante Pflichten

Durch die Konsolidierung i. R. der Vorgaben der CRR und durch die gruppenweite An- 148 wendung regulatorischer Anforderungen entsteht den betroffenen Bankengruppen regelmäßig ein Mehraufwand. Sowohl dem konsolidierungsverpflichteten Unternehmen als auch dessen Tochterunternehmen werden verschiedene Organisations- sowie Anzeigeund Meldepflichten auferlegt, deren Erfüllung zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Konsolidierung erforderlich sind. Der Zweck dieser Pflichten besteht in der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen konsolidierten Aufsicht. Durch die Anzeigen und Meldungen wird Klarheit über die Gruppenzugehörigkeit der in den Konsolidierungskreis einbezogenen Unternehmen geschaffen. Das konsolidierungsverpflichtete CRR-Institut und dessen Tochterinstitute248) müssen 149 nach Art. 11 Abs. 1 Satz 2 CRR eine angemessene Organisationsstruktur und geeignete interne Kontrollmechanismen errichten, um sicherzustellen, dass die für die Konsolidierung erforderlichen Daten ordnungsgemäß verarbeitet und weitergeleitet werden. Art. 11 Abs. 1 Satz 2 CRR geht insoweit über die allgemeinen, in § 25a Abs. 1 – 3 KWG vorgeschriebenen Organisationspflichten hinaus, als sie die konsolidierungsrelevanten Pflichten zur Datenverarbeitung und -weitergabe konkret festlegt und damit – gegenüber den allgemeinen Organisationspflichten – speziellere Vorgaben beinhaltet. Für die Konsolidierung der Vorgaben zu den Risikopositionen aus übertragenen Kreditrisikopositionen nach Teil 5 CRR sieht Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 CRR eine vergleichbare Regelung vor. Durch § 1a Abs. 1 und 2 KWG werden diese Pflichten auf die in die Konsolidierung einbezogenen Nicht-CRR-Institute ausgeweitet. Das konsolidierungsverpflichtete Unternehmen und dessen Tochterinstitute sind nach Art. 11 Abs. 1 Satz 3 CRR (i. V. m. § 1a Abs. 1 und 2 KWG) zudem dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass diejenigen Unternehmen, die nicht durch Art. 11 Abs. 1 Satz 2 KWG verpflichteten Tochterunternehmen, d. h. nicht regulierte und in Drittstaaten ansässige Tochterunternehmen, Regelungen, Verfahren und Mechanismen schaffen, die eine ordnungsgemäße Konsolidierung gewährleisten. b)

Infektion nicht regulierter Tochterunternehmen

Durch die Verpflichtung zur gruppenweiten Etablierung regulatorischer Organisations- 150 standards (Art. 11 Abs. 1 Satz 3 und Art. 14 Abs. 1 Satz 3 CRR) werden insbesondere auch solche Tochterunternehmen faktisch „infiziert“, die auf Einzelbasis keiner Aufsicht unterliegen. Sie werden dadurch mittelbar in den Pflichtenkreis einbezogen, dass ihre Mutterinstitute sie dazu verpflichten müssen, bestimmte Standards zu erfüllen. Selbiges gilt außerdem im Zusammenhang mit der Verantwortung der Geschäftsleiter für die ord___________ 248) Art. 11 Abs. 1 Satz 2 CRR bezieht nur Tochterunternehmen mit CRR-Institutseigenschaft (Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR) ein.

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259

§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

nungsgemäße Geschäftsorganisation auf Gruppenebene. Nach § 25a Abs. 3 Satz 2 KWG werden auch Tochterunternehmen erfasst, auf die weder die CRR noch § 1a KWG zur Anwendung kommen.249) Durch AT 4.5.1 Satz 2 MaRisk 2017 werden Industrieunternehmen in das Risikomanagement einbezogen, soweit sie unter Risikogesichtspunkten eine wesentliche Bedeutung für die Gruppe haben.250) Dadurch werden nicht regulierte Unternehmen faktisch dazu verpflichtet, bestimmte Methoden und Verfahren (z. B. ITSysteme) einzusetzen. c)

Gesellschaftsrechtliche Schranken

151 Die Pflichten des Art. 11 Abs. 1 Satz 3 CRR und Art. 14 Abs. 1 Satz 3 CRR sowie des § 25a Abs. 3 KWG stehen allerdings grundsätzlich unter dem Vorbehalt, entsprechende Maßnahmen bei den Tochterunternehmen auch gesellschaftsrechtlich durchsetzen zu können.251) § 10a Abs. 8 Satz 2 KWG trifft insoweit eine klarstellende Regelung.252) Das übergeordnete Unternehmen kann Probleme im Zusammenhang mit der Durchsetzung gruppenweiter Standards durch Abschluss eines Beherrschungsvertrages (§ 291 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG) vermeiden. Auch ohne einen solchen bleiben die Tochterunterunternehmen jedoch aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht253) dazu verpflichtet, den zur Durchsetzung der konsolidierungs- sowie gruppenbezogenen Vorgaben notwendigen Maßnahmen zu folgen.254) Im Rahmen des Risikomanagements müssen die Tochterunternehmen daher z. B. der vom übergeordneten Unternehmen festgelegten gruppenweiten Strategie folgen (AT 4.5.2 MaRisk 2017). Wurde kein Beherrschungsvertrag abgeschlossen, werden allerdings die Schranken der §§ 311 ff. AktG nicht durch die aufsichtsrechtlichen Vorgaben verdrängt,255) so dass das nachgeordnete Unternehmen das Recht haben kann, Weisungen zum Abschluss nachteiliger, insbesondere existenzgefährdender, Rechtsgeschäfte nicht auszuführen.256) Sollte tatsächlich ein solcher Fall aufkommen, haben die EZB bzw. die BaFin – gewissermaßen als Korrektiv – die Befugnis nach § 44

___________ 249) S. a. § 25c Abs. 4b Satz 2 KWG, der die Pflicht der Geschäftsleiter des übergeordneten Unternehmens zur Etablierung bestimmter Strategien, Prozesse, Verfahren, Funktionen und Konzepte in der Gruppe festlegt. 250) Hannemann/Schneider/Weigl, MaRisk, 4. Aufl., 2013, AT 4.5, S. 444; Weber-Rey/Gissing, AG 2014, 884, 886. 251) A. A. Weber-Rey/Gissing, AG 2014, 884, 890 f.; Hannemann/Schneider/Weigl, MaRisk, 4. Aufl., 2013, AT 4.5, S. 446; Glawischnig-Quinke in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 13 Rz. 45; zweifelnd auch Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 533; Binder, ZGR 2013, 760, 784, unterstreicht demgegenüber das Bedürfnis nach einer „Kollisionsregel“, „[…] die das Verhältnis zwischen den aufsichtsrechtlichen Einwirkungen und der verbandsrechtlichen Kompetenz- und Pflichtenordnung […] präzisieren hilft“. 252) Vor diesem Hintergrund ist es auch unerheblich, dass der in § 25a Abs. 1a Satz 2 KWG a. F. enthaltene Verweis auf § 10a Abs. 12 KWG a. F., der der aktuellen Fassung des § 10a Abs. 8 KWG entsprach, durch das CRD IV-Umsetzungsgesetz aufgehoben wurde. 253) Die Anknüpfung an die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht stellt damit einen weiteren Anwendungsfall der „Ausstrahlungswirkung“ des Bankenaufsichtsrecht auf das Gesellschaftsrecht dar (vgl. Dreher, ZGR 2010, 496, 500 ff.; Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 565 ff.; Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652, 666 ff.). 254) Zu ähnlichen Ergebnissen wird man häufig dann gelangen, wenn man mit Weber-Rey/Gissing, AG 2014, 884, 890 f., potenzielle Zielkonflikte durch abgestimmte Gruppenziele löst. Unterschiede können allerdings insb. bei Anwendung der §§ 311 ff. AktG entstehen. 255) Vgl. Binder in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. Corporate Governance von Banken, S. 685, 688 ff.; Schneider, Möglichkeiten und Grenzen der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen und bankenaufsichtsrechtlichen Anforderungen an Risikomanagement auf Gruppenebene, S. 98 ff.; Tröger, ZHR 177 (2013), 475, 495 ff.; Wundenberg, Compliance, S. 191 ff. 256) Begr. RegE CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/10974, S. 86.

260

Nemeczek/Pitz

V. Erwägungen zur Strukturierung von Bankengruppen

§5

Abs. 2 Satz 1 KWG, u. a. von nachgeordneten Unternehmen Auskunft sowie die Vorlage von Unterlagen zu verlangen.257) Schwierigkeiten können allerdings bei (gemischten) Finanzholding-Gruppen im umge- 152 kehrten Verhältnis zwischen dem konsolidierenden Unternehmen und der (gemischten) Finanzholdinggesellschaft als Mutterunternehmen entstehen, wenn das konsolidierende Unternehmen keine Möglichkeiten hat, konsolidierungsrelevante Daten beim Mutterunternehmen einzufordern. Gegenüber einer (gemischten) Finanzholdinggesellschaft, die an der Spitze der Finanzholding-Gruppe steht, kann die EZB258) bzw. die BaFin als ultima ratio die Ausübung der Stimmrechte am konsolidierungsverpflichteten Unternehmen und den nachgeordneten Unternehmen untersagen, wenn die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft die für die Konsolidierung erforderlichen Angaben nicht übermittelt (§ 45a Abs. 1 Nr. 1 KWG). Die Anordnung kann sowohl gegenüber inländischen als auch ausländischen (gemischten) Finanzholdinggesellschaften ergehen.259) Auf Antrag der BaFin wird zudem ein Treuhänder bestellt, der die Stimmrechte anstelle der (gemischten) Finanzholdinggesellschaft ausübt (§ 45a Abs. 2 Satz 1 KWG). Da insbesondere dem Treuhänder nicht zugemutet werden kann, gruppenrelevante Entscheidungen zu treffen,260) sieht § 45a Abs. 3 KWG vor, dass die betroffenen Unternehmen nicht als nachgeordnete Unternehmen i. S. des § 10a KWG261) gelten, solange die Untersagungsverfügung vollziehbar ist. Ebenso kann die EZB bzw. die BaFin unmittelbar gegenüber dem konsolidierungsver- 153 pflichteten Unternehmen anordnen, Weisungen der (gemischten) Finanzholdinggesellschaft nicht zu befolgen, sofern es keine gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten gibt, die mit den Geschäften der (gemischten) Finanzholdinggesellschaft betrauten Personen abzuberufen (§ 45a Abs. 1a Satz 1 KWG). d)

Untersagung der Unternehmensbeziehung

Sofern die zur Konsolidierung erforderlichen Angaben durch ein nachgeordnetes Unter- 154 nehmen mit Sitz im Ausland (EWR und Drittstaaten) nicht übermittelt werden, kann die EZB bzw. die BaFin gemäß § 12a Abs. 2 Satz 1 KWG dem konsolidierungsverpflichteten inländischen Unternehmen die Fortführung der Unternehmensbeziehung untersagen. Die Untersagungsbefugnis erstreckt sich auch auf Tochterinstitute, die nach Art. 22 CRR zur Teilkonsolidierung verpflichtet sind. Eine Ausnahme besteht jedoch dann, wenn das konsolidierungsverpflichtete Unternehmen einen Abzug des Buchwerts der Beteiligung gemäß Art. 36 i. V. m. Art. 19 Abs. 2 lit. a CRR vom CET1 vornimmt (§ 12a Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 KWG). 2.

Vorteile der Konsolidierung

a)

Kein Abzug von Beteiligungen

Beteiligungen an Unternehmen der Finanzbranche unterliegen, soweit sie beim einbezo- 155 genen Unternehmen Eigenmittel darstellen (Art. 74 CRR), grundsätzlich und außerhalb der Grenzen des Schwellenwertabzugsverfahrens (Art. 48 CRR) dem Abzug nach Artt. 36 ___________ 257) Vgl. Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Kempers/Klotzbach, KWG, § 10a Rz. 169. 258) Die EZB ist selbst dann für Sanktionen nach nationalem Recht zuständig, wenn diese nicht ausdrücklich im Unionsrecht vorgesehen sind, ECB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, Schreiben v. 31.3.2017 (SSM/2017/0140), S. 2. 259) Begr. RegE KWGÄndG, BT-Drucks. 12/6957, S. 36; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/ CRR-VO, § 45a KWG Rz. 12. 260) Begr. RegE KWGÄndG, BT-Drucks. 12/6957, S. 36. 261) Bei dem in § 45a Abs. 3 KWG enthaltenen Verweis auf § 13b KWG, der durch das CRD IV-Umsetzungsgesetz aufgehoben wurde, handelt es sich um ein Redaktionsversehen.

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261

§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

Abs. 1 lit. g bis i, 43 ff., 59 f., 66 lit. d, 69, 66 lit. c, 69 f. CRR.262) Der Abzug kann allerdings nach Art. 49 Abs. 2 CRR unterbleiben, wenn das Unternehmen, an dem die Beteiligung besteht, in den Konsolidierungskreis einbezogen ist.263) b)

Anwendung gesetzlicher Erleichterungen

156 Die Konsolidierung führt typischerweise zu einem erhöhten Aufwand bei den Instituten, die sie vorzunehmen haben, und zu einer faktischen „Infektion“ der auf Einzelbasis nicht regulierten, in den Konsolidierungskreis fallenden Unternehmen. Allerdings wird durch die Konsolidierung nicht in jedem Fall nur zusätzlicher Aufwand erzeugt. In einigen Konstellationen entfällt durch die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis die Pflicht zur Erfüllung aufsichtsrechtlicher Pflichten auf Einzelbasis. So müssen die Vorschriften zur Offenlegung und zu Beteiligungen außerhalb der Finanzbranche (vgl. Artt. 89 ff. CRR) prinzipiell nicht auf Einzelbasis eingehalten werden, wenn das Institut im Mitgliedstaat seiner Beaufsichtigung Mutter- oder Tochterunternehmen ist und in die Aufsicht auf konsolidierter Basis einbezogen ist (vgl. Art. 6 Abs. 2 und 3 CRR). Nach Art. 13 Abs. 3 CRR werden sogar EU-Mutterinstitute und CRR-Institute, die von einer (gemischten) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft kontrolliert werden, von der Anwendung der Offenlegungspflichten nach Teil 8 CRR auf konsolidierter Basis befreit, wenn gleichwertige Angaben auf konsolidierter Basis durch ein in einem Drittstaat ansässigen Mutterunternehmen erfüllt werden. Auch für Sanierungs- und Abwicklungspläne genügt es im Regelfall, dass diese auf Gruppenebene erstellt werden.264) c)

Ausnahmen nach Art. 7 und Art. 8 CRR

157 Weiterhin können sich gruppenangehörige Unternehmen, die grundsätzlich Anforderungen auf Einzelbasis zu erfüllen haben, unter bestimmten Voraussetzungen von diesen Pflichten freistellen lassen. Seit dem Inkrafttreten der CRR und dem CRD IV-Umsetzungsgesetz bedarf es zur Inanspruchnahme der Waiver-Regelungen einer ausdrücklichen Entscheidung durch die zuständige Aufsichtsbehörde.265) Zu unterscheiden sind dabei die sog. Eigenmittel-Waiver nach Art. 7 CRR266) und die Liquiditäts-Waiver nach Art. 8 CRR267). Der Eigenmittelwaiver begründet über Art. 6 Abs. 5 CRR auch eine Ausnahme von der Anwendung der Leverage Ratio auf Einzelbasis. Zusätzlich können auch sog. ICAAP- und ILAAP-Waiver (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP/ Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP) von Risikomanagementanforderungen nach § 2a Abs. 2 und Abs. 4 KWG erteilt werden. 158 Im Rahmen des Art. 7 CRR ist zwischen Tochter- und Mutter-Waivern zu unterscheiden, wobei der Tochter-Waiver nicht nur gegenüber Töchtern von Instituten (Art. 7 Abs. 1 CRR), sondern auch Töchtern von (gemischten) Finanzholdinggesellschaften ___________ 262) Der Abzug erfolgt nach dem sog. „Corresponding Deduction Approach“. 263) Der Zweck der Abzugsregelungen ist die Doppelbelegung von Eigenmitteln zu verhindern. Die Doppelbelegung wird ebenfalls durch die Anwendung der Eigenmittelanforderungen auf konsolidierter Basis vermieden. 264) S. Fn. 11. 265) S. § 2a Abs. 1 und Abs. 3 KWG. Zuvor konnten die Institute selbständig von der Anwendung bestimmter Anforderungen auf Einzelebene absehen. Die Fiktion des § 2a Abs. 5 KWG gewährt den Instituten Bestandsschutz, die bereits vor dem 31.12.2013 von der Vorgängerregelung des § 2a KWG Gebrauch machten. 266) Ausnahmen von der Anwendung von Aufsichtsanforderungen auf Einzelbasis, die sich neben den Eigenmitteln, Eigenmittelanforderungen auch auf die Großkreditgrenzen, Risikopositionen aus übertragenen Kreditrisiken, Verschuldung (vgl. Art. 6 Abs. 5 CRR) und Offenlegung bezieht. 267) Ausnahme von der Anwendung der Liquiditätsanforderungen auf Einzelbasis.

262

Nemeczek/Pitz

V. Erwägungen zur Strukturierung von Bankengruppen

§5

(Art. 7 Abs. 2 CRR) erteilt werden kann, wenn diese im Hinblick auf die in Art. 11 Abs. 1 CRR festgelegten Standards der gleichen Aufsicht unterliegen wie Institute.268) Das bedeutet, dass die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft abweichend von Art. 11 Abs. 2 CRR konsolidierungsverpflichtet sein muss.269) Dies ist z. B. der Fall, wenn die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft zum übergeordneten und damit konsolidierungsverpflichteten Unternehmen nach § 10a Abs. 2 Satz 2 oder 3 KWG bestimmt wurde.270) Der Tochter-Waiver wird erteilt, wenn sowohl das Tochterunternehmen als auch das 159 Mutterunternehmen in demselben Mitgliedstaat zugelassen und beaufsichtigt werden (keine grenzüberschreitenden Waiver nach Art. 7 CRR)271), das Tochterunternehmen in die konsolidierte Beaufsichtigung des Mutterunternehmens einbezogen ist und alle nachstehenden Bedingungen erfüllt sind, so dass eine angemessene Verteilung der Eigenmittel zwischen dem Mutterunternehmen und den Tochterunternehmen gewährleistet ist: x

Ein wesentliches tatsächliches oder rechtliches Hindernis für die unverzügliche Übertragung von Eigenmitteln (an das Tochterunternehmen) oder die Rückzahlung von Verbindlichkeiten (des Tochterunternehmens gegenüber Dritten) durch das Mutterunternehmen ist weder vorhanden noch abzusehen;

x

entweder das Mutterunternehmen erfüllt in Bezug auf die umsichtige Führung des Tochterunternehmens die Anforderungen der zuständigen Behörde und hat mit deren Genehmigung erklärt, dass es für die von seinem Tochterunternehmen eingegangenen Verpflichtungen bürgt, oder die durch das Tochterunternehmen verursachten Risiken können vernachlässigt werden;

x

die Risikobewertungs-, -mess- und -kontrollverfahren des Mutterunternehmens erstrecken sich auch auf das Tochterunternehmen;

x

das Mutterunternehmen hält mehr als 50 % der mit den Anteilen oder Aktien des Tochterunternehmens verbundenen Stimmrechte oder ist zur Bestellung oder Abberufung der Mehrheit der Mitglieder des Leitungsorgans des Tochterunternehmens berechtigt.272) Für Mutterinstitute ist der Waiver nach Art. 7 Abs. 3 CRR unter spiegelbildlichen Voraussetzungen zu erlangen.273)

___________ 268) Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, Art. 7 CRR Rz. 85 ff. 269) A. A. Luz/Neus/Schaber/u. a.-Weber/Seifer, KWG und CRR, Art. 7 CRR Rz. 14, die bereits die Einbeziehung der Finanzholdinggesellschaft in die konsolidierte Aufsicht genügen lassen. Nach dieser Ansicht enthält Art. 7 Abs. 2 CRR praktisch keine zusätzlichen Anforderungen. 270) Auch in diesem Szenario wäre, soweit ein Tochterunternehmen ein CRR-Institut wäre, grundsätzlich von der Konsolidierungspflicht des CRR-Instituts auszugehen. Soweit nur KWG-Institute Teil der Gruppe wären, wäre hingegen (falls keine Ausnahmen eingreifen) von einer KWG-Institutsgruppe und der Anwendung von Art. 7 Abs. 1 CRR i. V. m. § 1a KWG auszugehen. So auch Laurer/Schütz/ Kammel/Ratka-Stern, BWG, Art. 7 CRR Rz. 7. 271) Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, Art. 7 CRR Rz. 91 ff.; Bei Finanzholdinggesellschaften als Mutterunternehmen genügt es, dass sie im gleichen Staat errichtet wurden. Die im ersten Entwurf der CRR II angelegte Möglichkeit grenzüberschreitende Waiver nach Art. 7 Abs. 2 CRR zuzulassen (Kommission, v. 23.11.2016, COM(2016)850 final, Art. 1 Abs. 5 CRR) wurde im weiteren Verfahren aufgrund des Widerstands zahlreicher Mitgliedstaaten gestrichen. 272) Nähere Ausführungen zu der Auslegung der genannten Voraussetzungen finden sich im Leitfaden der EZB zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen (Konsolidierte Fassung), v. 11/2016, S. 6 ff., und im lediglich im Entwurf erschienenen und nie finalisierten Merkblatt der BaFin zu § 2a KWG über Ausnahmen für gruppenangehörige Institute (Waiver-Regelung), v. 8/2007 (BA 37-FR 2131-2007/0001). 273) Mit Ausnahme der in Art. 7 Abs. 1 lit. b und c CRR genannten Anforderungen, die in dieser umgekehrten Konstellation keine Anwendung finden.

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263

§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

160 Anders als i. R. des Art. 7 CRR können Liquiditäts-Waiver unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 3 CRR auch grenzüberschreitend erteilt werden. Liquiditäts-Waiver nach Art. 8 Abs. 1 und 2 CRR sind auf denselben Mitgliedstaat begrenzt, in dem die Institute und ihre Tochterunternehmen zugelassen wurden. Nach dem Wortlaut der Vorschrift können Liquiditäts-Waiver nur innerhalb von Institutsgruppen oder Institutsuntergruppen erteilt werden. In diesem Fall wäre die Gewährung von Liquiditäts-Waivern in (gemischten) Finanzholdinggruppen allenfalls im Hinblick auf die Bildung von Institutsuntergruppen möglich. Jedoch muss die Gewährung von Liquiditäts-Waivern zumindest dann nach Art. 8 Abs. 1 und 2 i. V. m. Art. 7 Abs. 2 CRR analog möglich sein, wenn die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft nach § 11 Abs. 3 Satz 4 i. V. m. § 10a Abs. 2 Satz 2 KWG zum übergeordneten und damit konsolidierungsverpflichteten Unternehmen einer Finanzholdinggruppe bestimmt wurde (siehe oben Rz. 67, 72 ff.). 161 Der Gesetzgeber des CRD IV-Umsetzungsgesetzes führt zur Begründung des § 11 Abs. 3 Satz 4 KWG an, dass mit dem Verweis auf § 10a Abs. 1 bis 3 KWG die Vorgaben zur Bestimmung des Konsolidierungskreises sowie des übergeordneten Institutes auf die konsolidierte Betrachtung der Liquiditätsanforderungen übertragen werden und ein Gleichlauf hergestellt werden soll.274) Dieser Gleichlauf kann nur dann sichergestellt werden, wenn auch hinsichtlich der Liquiditätsanforderungen innerhalb von Finanzholdinggruppen Liquiditäts-Waiver erteilt werden können. 162 Weiterhin setzt auch Art. 21 CRR Liquiditäts-Waiver in Finanzholdinggruppen voraus. Nach Art. 11 Abs. 1 CRR sind Finanzholdinggesellschaften für Zwecke der Konsolidierung ohnehin wie „Institute“ zu behandeln. Daher sollten bisherige Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit von Liquiditäts-Waivern in Finanzholdinggruppen fallen gelassen werden.275) d)

Berücksichtigung von Minderheitenanteilen

163 Eigenmittelinstrumente an vollkonsolidierten Tochterunternehmen276), die von außenstehenden Dritten gehalten werden (sog. Minderheitenanteile – Minority Interests), sind nach den Artt. 81 ff. CRR nur noch277) unter bestimmten Voraussetzungen und auch dann nur in eingeschränktem Umfang bei der Ermittlung der konsolidierten Eigenmittel auf Gruppenbasis zu berücksichtigen.278) Voraussetzung für die Einbeziehung von Minderheitsanteilen in Form des CET1-Kapitals nach Art. 81 CRR ist dabei, dass das Tochterunternehmen entweder ein CRR-Institut oder ein Institut ist, das nach nationalem Aufsichtsrecht den Vorschriften der CRR und CRD unterliegt. Letzteres ist in Deutschland für KWGInstitute nach § 1a KWG der Fall. 164 Obwohl dies nicht ausdrücklich in Art. 81 Abs. 1 CRR aufgeführt ist, sind vor dem Hintergrund des ErwG 38 CRR a. F. auch Minderheitsanteile an Finanzholdinggesellschaften, auf deren Ebene eine (Unter-)Konsolidierung vorzunehmen ist, bei der Berechnung der

___________ 274) Begr. RegE CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/10974, S. 81. 275) Die EZB und die BaFin stehen der entsprechenden Anwendung des Art. 8 CRR auf Finanzholdinggruppen in der Praxis bisher äußerst krit. gegenüber. 276) Hier kann sich vor allem die Inanspruchnahme von Art. 18 Abs. 2 oder Art. 19 CRR negativ auswirken. 277) Zum „Grandfathering“ der vor der CRR vollständig zu berücksichtigen Minderheitsanteile s. Art. 479 CRR und § 27 Abs. 3 SolvV. 278) Da Risikopositionen von Tochterunternehmen gleichzeitig voll zu konsolidieren sind, kommt es insoweit zu einem Ungleichgewicht. Weiterhin sind finanzierte Minderheitsanteile von vornherein von der Berücksichtigung nach Art. 81 Abs. 2 CRR ausgeschlossen.

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V. Erwägungen zur Strukturierung von Bankengruppen

§5

konsolidierten Eigenmittel zu berücksichtigen.279) Um die Anrechenbarkeit von Minderheitsanteilen sicherzustellen, sollte daher eine Strukturierung angestrebt werden, bei der das Unternehmen, an dem die Minderheitenanteile existieren, entweder als CRR-/KWGInstitut oder als Finanzholdinggesellschaft einzuordnen ist. Minderheitenanteile sind allerdings nicht in voller Höhe, sondern lediglich, soweit sie zur Deckung bestimmter Mindestanforderungen an das CET1-Kapital erforderlich und somit gebunden sind, zu berücksichtigen. Der überschüssige nicht gebundene Teil des CET1-Kapitals ist hingegen nicht zu berücksichtigen. Die konkrete Berechnung des berücksichtigungsfähigen Betrages auf teilkonsolidierter Basis findet nach den Vorgaben des Art. 84 Abs. 1 und Abs. 2 CRR statt.280) Für die Berücksichtigung von Anteilen am AT1- und Tier2-Kapital gelten nach Art. 85 CRR und Art. 87 CRR im Wesentlichen vergleichbare Vorgaben. Die Minderheitenanteile an von vollständig konsolidierten Zweckgesellschaften begebenen AT1und Tier2-Kapitalintrumenten sind hingegen gemäß Art. 83 Abs. 1 CRR voll zu berücksichtigen, soweit sie die Anforderungen der Artt. 52 und 63 CRR erfüllen. Die Einbeziehung von durch Tochterunternehmen ausgegebenen TLAC/MREL-Instrumenten zur Erfüllung der konsolidierten TLAC/MREL-Anforderungen richtet sich nach Art. 88a CRR, der ab dem 28.6.2021 zur Anwendung kommt. e)

Erleichterungen bei Intragruppentransaktionen und Mehrfachmandaten

Weiterhin existieren eine Reihe von Vorschriften, die Transaktionen innerhalb eines Kon- 165 solidierungskreises begünstigen, wie z. B. die Nullgewichtung von gruppeninternen Risikopositionen im Kreditrisiko-Standardansatz gemäß Art. 113 Abs. 6 CRR sowie die entsprechenden Ausnahmen gruppeninterner Risikopositionen vom Großkreditregime gemäß Art. 400 Abs. 1 lit. f, Abs. 2 lit. c bzw. Art. 493 Abs. 3 CRR i. V. m § 2 GroMikV. Auch Mehrfachmandate innerhalb von Gruppen werden nach § 25c Abs. 2 Satz 3 KWG281) und § 25d Abs. 3 Satz 3 KWG282) privilegiert.

___________ 279) Danach sind auch Minderheitsbeteiligungen an Finanzholdinggesellschaften als (innerhalb der einschlägigen Grenzen) bei der Berechnung der konsolidierten Eigenmittel zu berücksichtigen (EBA, Single Rulebook Q&A, Art. 81 CRR, Question ID 2016_2652). Seit der CRR II werden zusätzlich zwischengeschaltete Finanzholdinggesellschaften in einem „äquivalenten“ Drittstaat ausdrücklich in den Katalog des Art. 81 Abs. 1 lit. a (iii) CRR aufgenommen. Selbiges gilt für Art. 82 Abs. 1 CRR. Nach Inkrafttreten der IFR werden ab dem 26.6.2021 gemäß Art. 81 Abs. 1 lit. a CRR auch ausdrücklich (gemischte) Zwischenfinanzholdinggesellschaften, die den Anforderungen der CRR auf teilkonsolidierter Basis unterliegen, Investmentholdinggesellschaften, die den Anforderungen der IFR auf konsolidierter Basis unterliegen und Wertpapierfirmen erfasst. 280) Zur konkreten Berechnung und den erforderlichen Korrekturen am Wortlaut der Vorgaben des Art. 84 CRR s. Sopp, ZBB 2013, 274 ff.; Beck/Samm/Kokemoor-Bornemann, KWG, Einf. CRR Rz. 132 ff.; Manns/Webers in: Gendrisch/Gruber/Hahn, Hdb. Solvabilität, S. 23, 49 ff. 281) Die BaFin steht allerdings – unabhängig der strikten Mandatsbegrenzungen – Geschäftsleitermehrfachmandaten innerhalb von Gruppen allgemein krit. gegenüber. Aufgrund des gesetzlichen Erfordernisses der ausreichenden zeitlichen Verfügbarkeit sei ein Geschäftsleiter regelmäßig daran gehindert mehrere Kreditinstitute gleichzeitig zu leiten (s. BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 24.7.2019, S. 21 ff.). 282) Aus der Praxis ist den Verfassern bekannt, dass die BaFin mittlerweile informell verlautbart hat, dass nicht nur Mehrfachmandate in derselben Institutsgruppe, (gemischten) Finanzholding-Gruppe oder gemischten Holding-Gruppe als ein Mandat zählen, sondern dies auch für Gruppen gilt, deren Mutterunternehmen in Drittstaaten ansässig sind, wenn diese einer gleichwertigen Aufsicht auf konsolidierter Basis unterliegen. Zur Ausweitung der Privilegierung auf Industrieunternehmen s. bereits BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 24.7.2019, S. 28 f.

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§5 f)

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen Anwendung des Europäischen Passes für Finanzinstitute

166 Zusätzlich zu CRR-Kreditinstituten und Wertpapierhandelsunternehmen können nach § 24a Abs. 3c Satz 1 KWG Leasing- und Factoringinstitute sowie – in richtlinienkonformer Auslegung – auch andere Finanzinstitute (Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 CRR) den Europäischen Pass durch Errichtung einer Zweigniederlassung oder im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs ausüben, sofern sie die Voraussetzungen des § 53b Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 bis 7 KWG erfüllen.283) Erforderlich ist dazu nach § 53b Abs. 7 Satz 1 Nr. 7 KWG insbesondere, dass das betreffende Unternehmen in die aufsichtsrechtliche Konsolidierung eines übergeordneten CRR-Kreditinstituts einbezogen ist. Ohne eine solche Einbeziehung in die aufsichtsrechtliche Konsolidierung könnten die betreffenden Finanzinstitute den Europäischen Pass nicht ausüben und müssten zur Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen in jedem Aufnahmemitgliedstaat eine nationale Erlaubnis beantragen, sofern die relevante Dienstleistung dort erlaubnispflichtig ist. 3.

Vermeidung der Konsolidierung

167 Trotz der beschriebenen Vorteile sind Institute in der Praxis aufgrund des mit der Konsolidierung einhergehenden Aufwands daran interessiert, ihre Gruppen so strukturieren, dass eine (Unter-)Konsolidierung vermieden wird. a)

Ausnahmsweise keine Konsolidierungspflicht

168 Hält ein Drittstaatenunternehmen in Deutschland ansässige Institute als Tochterunternehmen, so bietet es sich zur Vermeidung der Konsolidierung an, dass dieses Drittstaatenunternehmen die Institute als direkte Tochterunternehmen (im Verhältnis zueinander Schwesterunternehmen) hält, um die Bildung einer Untergruppe zu vermeiden. Die Abwicklungsbehörde kann nach § 59 Abs. 6 Nr. 8 SAG allerdings unter bestimmten Voraussetzungen die Gründung einer gemeinsamen deutschen Finanzholding für die Tochterinstitute verlangen. Weiterhin kann die Aufsichtsbehörde nach § 53d Abs. 1 KWG die konsolidierte Aufsicht anordnen, wenn das Drittstaatenunternehmen keiner äquivalenten konsolidierten Aufsicht unterliegt.284) Unter Art. 21b CRD wird die Einrichtung eines EU-Mutterunternehmens zukünftig für global systemrelevante Drittstaateninstitute und Drittstaateninstitute mit umfassender Geschäftstätigkeit innerhalb der EU verpflichtend.285) 169 Ähnlich ist die Situation bei deutschen Tochterinstituten europäischer Mutterinstitute. Hier bietet sich ebenfalls das direkte Halten der Unternehmen durch die Mutter an, soweit dadurch eine Unterkonsolidierung in Deutschland verhindert werden kann. 170 Für in Deutschland ansässige CRR-Institute, die von einer (gemischten) Finanzholdinggesellschaft kontrolliert werden, entfällt die Konsolidierungspflicht unter den Voraussetzungen des § 10a Abs. 3 KWG. Ist die (gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaft in einem anderen EWR-Mitgliedstaat ansässig und kontrolliert sie dort mindestens ein CRRKreditinstitut, entfällt für in Deutschland ansässige CRR-Institute die Konsolidierungspflicht gemäß § 10a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KWG i. V. m. Art. 12 CRR (siehe dazu oben Rz. 60 f.). 171 Bei KWG-Instituten kann alternativ auch ein Leasing- oder Factoringunternehmen als Zwischenholding einbezogen werden, da diese von der Ausnahme in § 10a Abs. 1 Satz 9 ___________ 283) S. dazu näher Beck/Samm/Kokemoor-Nemeczek/Pitz, KWG, § 24a Rz. 146 ff. 284) Beck/Samm/Kokemoor-Nemeczek/Pitz, KWG, § 53d Rz. 6 ff.; vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, § 10a Rz. 1. 285) Dazu Nemeczek/Pitz, Oxford Business Law Blog, v. 7.12.2016, https://www.law.ox.ac.uk/businesslaw-blog/blog/2016/12/intermediate-eu-parent-undertaking-requirement-non-eu-g-sibs (Abrufdatum: 9.6.2020).

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V. Erwägungen zur Strukturierung von Bankengruppen

§5

KWG profitieren kann, wenn keines ihrer Tochterunternehmen ein CRR-Institut ist. Dies muss auch für eine einfache Holdinggesellschaft (ohne Leasing- oder Factoringerlaubnis) entsprechend gelten, wobei die Zwischenholding in beiden Fällen stets direktes Mutterunternehmen der Tochter-KWG-Institute sein sollte, um die Entstehung von Tochterinstitutsgruppen auf unterer Ebene zu verhindern.286) Auch bei Unternehmensbanken in Industriekonzernen bietet sich eine Struktur an, bei 172 denen die jeweiligen CRR-Kreditinstitute direkte Tochterunternehmen der Industrieholdinggesellschaften werden. In dieser Konstellation lässt sich bei reinen Industrieholdings schon der Status als Finanzinstitut anzweifeln (siehe dazu oben Rz. 44). Um eine Finanzholdinggesellschaft handelt es sich regelmäßig auch deshalb nicht, weil die Tochterunternehmen der Industriekonzerne nicht hauptsächlich287) CRR-Institute oder Finanzinstitute sind. Innerhalb der Industriekonzerne bietet es sich an, weniger streng regulierte und auf Einzelbasis lediglich durch die BaFin überwachte Leasing- und Factoringinstitute von den CRR-Kreditinstituten zu trennen, um eine konsolidierte Aufsicht (ggf. durch die EZB) über die untergeordneten Finanzaktivitäten zu vermeiden. b)

Ausnahmen aus dem Konsolidierungskreis

Art. 19 Abs. 1 CRR i. V. m. § 31 Abs. 3 KWG ermöglicht es dem konsolidierungsver- 173 pflichteten Unternehmen grundsätzlich zu konsolidierende, aber unerhebliche Unternehmen aus dem aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis auszuschließen. Dazu muss die Summe der Vermögenswerte und außerbilanziellen Posten des auszuschließenden Unternehmens niedriger als 10 Mio. € sowie niedriger als 1 % der Gesamtsumme der Vermögenswerte und der außerbilanziellen Posten des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens sein (sog. De-Minimis-Schwelle). Da für die 1 %-Schwelle auf die Gesamtsumme der Vermögenwerte und der außerbilanziellen Posten des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens abgestellt wird und kein Verweis auf eine Betrachtung auf konsolidierter Basis nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 48 CRR vorliegt, könnte die Berechnung der 1 %-Schwelle auf der Einzelebene des Mutterunternehmens vorzunehmen sein. Dies widerspricht allerdings dem Zweck der Ausnahme nach Art. 19 Abs. 1 CRR. Danach 174 sollen Ausnahmen von der Konsolidierung zulässig sein, soweit die auszunehmenden Unternehmen unbedeutend für die aufsichtsrechtliche Gruppe sind.288) Daher ist für die Untersuchung darauf abzustellen, ob die auf Einzelbasis ermittelte Bilanzsumme (zzgl. außerbilanzieller Posten) des auszunehmenden Unternehmens 1 % der konsolidierten Bilanzsumme (zzgl. außerbilanzieller Posten) des Unternehmens, auf dessen Ebene die Konsolidierung durchzuführen ist, nicht überschreitet.289) Das konsolidierende Unternehmen hat nach § 31 Abs. 3 KWG die Absicht zur Nutzung 175 dieser Möglichkeit seiner zuständigen Aufsichtsbehörde (vorab) mitzuteilen290) und jährlich eine Sammelanzeige mit Angaben darüber einzureichen, welche Unternehmen es gemäß diesen Regelungen von der Konsolidierung ausgenommen hat.291) ___________ 286) S. dazu Nemeczek/Pitz, BKR 2016, 495 ff. 287) S. dazu Fn. 74. 288) Auch die Ausnahme in § 296 Abs. 2 HGB stellt auf die untergeordnete Bedeutung des auszunehmenden Unternehmens für den Konzern ab. 289) Laurer/Schütz/Kammel/Ratka-Stern, BWG, Art. 19 CRR Rz. 7 ff. 290) Die Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde ist hingegen nicht erforderlich (Begr. RegE Gesetz zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie, BT-Drucks. 16/1335, S. 65). 291) § 7 Abs. 2 AnzV i. V. m. § 31 Abs. 3 KWG.

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§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

176 Die konsolidierenden Aufsichtsbehörden können zudem gemäß Art. 19 Abs. 2 CRR im Einzelfall Unternehmen von der Konsolidierung ausnehmen, wenn x

das betreffende Unternehmen seinen Sitz in einem Drittland hat, in dem der Übermittlung der für die Konsolidierung notwendigen Informationen rechtliche Hindernisse im Wege stehen,

x

wenn die Einbeziehung dieses Unternehmens auf zusammengefasster Basis für die Ziele der Bankenaufsicht ohne oder von untergeordneter Bedeutung ist, oder

x

die Einbeziehung in Bezug auf die Ziele der Bankenaufsicht ungeeignet oder irreführend ist.292)

177 Erfüllen mehrere Unternehmen individuell betrachtet die Kriterien des Art. 19 Abs. 1 oder Abs. 2 lit. b CRR zur Ausnahme von der Konsolidierung, aber sind sie zusammengenommen nicht mehr von unerheblicher Bedeutung, müssen sie nach Art. 19 Abs. 3 CRR dennoch in die Konsolidierung einbezogen werden. Allerdings bleibt die Bagatellausnahme des Art. 19 CRR zumindest innerhalb der De-Minimis-Schwelle anwendbar. Lediglich zusätzliche Unternehmen, die auf Einzelbasis die Grenzen unterschreiten, aber insgesamt eine Überschreitung der Gesamtgrenzen verursachen würden, können nicht (zusätzlich) ausgenommen werden. Das konsolidierungsverpflichtete Unternehmen kann dabei nach eigenem Ermessen auswählen, welche Unternehmen auszunehmen sind, soweit der Freibetrag nicht bereits durch die Aufsichtsbehörde nach Art. 19 Abs. 2 lit. b CRR ausgeschöpft wurde. 178 Für die Behandlung der Beteiligung an ausgenommenen Unternehmen bei der Aufstellung der Bilanz der Gruppe fehlt eine ausdrückliche Regelung. Insoweit sprechen gute Gründe dafür, § 32 Abs. 1 SolvV analog anzuwenden.293) Nach Art. 19 CRR ausgenommene Unternehmen können auch bei der gruppenweiten Anwendung der Vergütungsvorschriften (§ 27 InstitutsVergV) außer Acht gelassen werden. Die gruppenweite Anwendung bezieht sich auf nachgeordnete Unternehmen. Dies erfasst nach § 10a Abs. 1 Satz 3 KWG nur Unternehmen, die nach Art. 18 CRR zu konsolidieren sind oder freiwillig konsolidiert werden. Dies trifft auf nach Art. 19 CRR ausgenommene Unternehmen hingegen nicht zu.294) Abweichend ist dies für die gruppenweite Anwendung organisatorischer Pflichten (§ 25a Abs. 3 KWG, AT 4.5 MaRisk) zu beurteilen. Hier stellt § 25a Abs. 3 Satz 2 KWG zusätzlich auf Tochterunternehmen ab. Auch für die gruppenweite Anwendung der Geldwäschepflichten bezieht sich § 9 GwG auf den Tochterunternehmensbegriff. Für diese Bereiche hat die Ausnahme nach Art. 19 CRR daher keine Auswirkungen. 179 Nach der Ansicht der Bundesbank dürfen Zweckgesellschaften i. S. des § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB von der Konsolidierung ausgenommen werden, wenn die Risiken der Zweckgesellschaft bereits anderweitig aufsichtsrechtlich berücksichtigt werden (siehe dazu oben Rz. 115). Falls dies nicht der Fall sein sollte, bleibt stets die Ausnahme nach Art. 19 CRR. 180 Werden Anteile eines Unternehmens ausschließlich zum Zwecke der Weiterveräußerung gehalten, findet nach bilanzrechtlichen Vorgaben regelmäßig keine Konsolidierung statt bzw. es kann eine Ausnahme in Anspruch genommen werden.295) In Bezug auf die aufsichtsrechtliche Konsolidierung existieren keine vergleichbaren Ausnahmen. Gleich___________ 292) Detaillierte Ausführungen bei Sopp/Sopp in: Paetzmann/Schöning, Corporate Governance von Kreditinstituten, S. 195, 214 ff. 293) Manns/Webers in: Gendrisch/Gruber/Hahn, Hdb. Solvabilität, S. 23, 40. 294) Dagegen ließe sich vorbringen, dass auch die nach Art. 19 CRR ausgenommenen Unternehmen zunächst nach Art. 18 CRR zu konsolidieren sind. 295) IFRS 5 und § 296 Abs. 1 Nr. 3 HGB. Bei IFRS 5 gilt dies allerdings nur, wenn die Anteile bereits zum Zwecke der Weiterveräußerung erworben wurden.

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V. Erwägungen zur Strukturierung von Bankengruppen

§5

wohl kann im Einzelfall die Diskussion mit den zuständigen Aufsichtsbehörden gesucht werden, um eine Ausnahme von der Konsolidierung von Beteiligungen an Unternehmen, die nur (noch) vorübergehend gehalten werden, zu erreichen. Eine ungeschriebene Ausnahme kann z. B. hinsichtlich von Beteiligungen an einem Unternehmen in Betracht kommen, die bereits verkauft wurden, bei denen der Vollzug des Kaufvertrages aber noch aussteht. In der Praxis empfiehlt es sich, vor der Anwendung der Ausnahmen deren Auswirkungen 181 zu prüfen. So entfallen sämtliche Vorteile, die an die Vollkonsolidierung anknüpfen (siehe dazu oben Rz. 155 ff.). c)

Erleichterungen auf konsolidierter Basis

aa)

Keine Konsolidierung bei Freistellung sämtlicher gruppenangehöriger Institute auf Einzelbasis

Keine Konsolidierungspflicht besteht gemäß § 10a Abs. 9 KWG, wenn sämtliche grup- 182 penangehörigen Institute die Eigenmittelanforderungen des Teils 3 CRR (Artt. 92 bis 386 CRR) auf Einzelebene nicht anzuwenden haben, es sei denn, sie wurden nach Art. 7 CRR auf Einzelebene freigestellt. Die Vorschrift bringt damit einen wesentlichen Grundsatz zum Ausdruck: Wenn sämtliche gruppenangehörigen CRR-/KWG-Institute auf Einzelbasis von der Beachtung bestimmter Anforderungen freigestellt sind, besteht kein aufsichtlicher Grund, die entsprechenden Risiken – gleichsam durch die Hintertür – im Wege der Konsolidierung zu erfassen. Zutreffend sieht der Gesetzgeber daher in § 10a Abs. 9 KWG eine klarstellende Regelung vor.296) Trotz der ausdrücklichen Beschränkung auf Teil 3 CRR kann dieser Grundsatz daher auch auf alle anderen Teile der CRR angewandt werden. Die Freistellung muss sowohl für die gruppenangehörigen CRR-Institute als auch die 183 Nicht-CRR-Institute, auf die § 1a Abs. 1 und 2 KWG Anwendung findet, gelten und schließt neben den nachgeordneten Instituten auch das übergeordnete Unternehmen ein. Die Institute müssen gesetzlich auf Einzelbasis freigestellt sein.297) Eine im Einzelfall durch die Aufsichtsbehörde erteilte Freistellung (z. B. nach Art. 7 CRR) genügt hierzu nicht. Für CRR-Kreditinstitute ist die praktische Bedeutung allerdings gering, da für diese kaum 184 Befreiungstatbestände existieren. CRR-Wertpapierfirmen i. S. der Artt. 95 Abs. 1 oder 96 Abs. 1 CRR sind demgegenüber gemäß Art. 6 Abs. 5 CRR für die Einhaltung der Aufsichtsanforderungen nach Teil 7 CRR auf Einzelbasis freigestellt. Umfasst die Gruppe ausschließlich solche Wertpapierfirmen, sieht Art. 16 CRR ebenfalls (klarstellend) die Befugnis der Mutterwertpapierfirma vor, von der Konsolidierung abzusehen. bb)

Erleichterungen für Wertpapierfirmen

Die CRR enthält weitere Erleichterungen v. a. für Wertpapierfirmen. Bei reinen Wertpa- 185 pierfirmengruppen kann die zuständige Aufsichtsbehörde nach Art. 11 Abs. 3 Satz 2 CRR die konsolidierungsverpflichtete CRR-Wertpapierfirma von der Konsolidierung hinsichtlich der Erfüllung der Liquiditätsanforderungen (Teil 6 CRR) freistellen, wenn dies mit dem Grundsatz der doppelten Proportionalität (Art, Umfang und Komplexität der Ge___________ 296) Begr. RegE CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/10974, S. 78. Konsequenterweise muss auch Art. 16 CRR als klarstellende Regelung verstanden werden. Krit. Beck/Samm/Kokemoor-Lendermann, KWG, § 10a Rz. 49. 297) Nach Auffassung von Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Kempers/Klotzbach, KWG, § 10a Rz. 170, genügt es auch, wenn das Unternehmen nach Art. 19 Abs. 1 CRR aus dem Konsolidierungskreis ausgenommen ist.

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Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

schäfte) vereinbar ist, solange die Kommission keinen Bericht nach Art. 508 Abs. 2 CRR erstellt hat.298) 186 Im Rahmen der Eigenmittelanforderungen kommt dabei CRR-Wertpapierfirmen mit beschränkter Zulassung (Art. 95 Abs. 1 CRR)299) sowie CRR-Wertpapierfirmen mit einem Anfangskapital i. H. v. min. 730.000 € (Art. 96 Abs. 1 CRR)300) besondere Bedeutung zu. Besteht die Gruppe nur aus diesen Wertpapierfirmen, kann die konsolidierende Aufsichtsbehörde im Einzelfall nach Art. 15 CRR von der Anwendung der Eigenmittelanforderungen (Teil 3 CRR und Titel VII Kapitel 4 CRD) auf konsolidierter Basis absehen. 187 Daneben ergeben sich für reine Wertpapiergruppen Erleichterungen aus Art. 98 CRR.301) Für CRR-Wertpapierfirmen i. S. der Artt. 95 Abs. 1 und 96 Abs. 1 CRR berechnet das konsolidierende Unternehmen den Gesamtrisikobetrag entweder nach Maßgabe des Art. 92 Abs. 3 CRR (jedoch ohne Berücksichtigung der Eigenmittelanforderungen für das operationelle Risiko gemäß Artt. 312 ff. CRR)302) oder aufgrund der mit einem Faktor 12,5 multiplizierten Eigenmittel nach Art. 97 CRR, wobei der jeweils höhere Betrag zugrunde zu legen ist. Die anrechenbaren Eigenmittel nach Art. 97 Abs. 1 CRR i. V. m. Art. 34b Delegierte VO (EU) Nr. 241/2014303) belaufen sich dabei grundsätzlich auf mindestens ein Viertel der im vorausgegangenen Jahr angefallenen fixen Gemeinkosten. 188 Gruppen, die ausschließlich aus Wertpapierfirmen i. S. der Art. 95 Abs. 1 oder Art. 96 Abs. 1 CRR sowie AvN (Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 CRR) bestehen, können gemäß Art. 388 CRR vollständig von der Einhaltung der Aufsichtsanforderungen für Großkredite nach Teil 4 CRR absehen. d)

Prüfung der einzelnen Normen auf ihre gruppenweite Anwendbarkeit

189 Weiterhin zu prüfen bleibt die gruppenweite Anwendbarkeit konsolidierungsrelevanter Normen. Probleme können sich dabei hinsichtlich der territorialen Reichweite der Vorschrift ergeben. Das deutsche und europäische Aufsichtsrecht ist unmittelbar grundsätzlich nicht auf die Drittstaatenunternehmen anwendbar. Extraterritoriale Wirkung entfalten die Vorgaben des deutschen und europäischen Aufsichtsrechts jedoch mittelbar auf Ebene der im EWR ansässigen Mutterinstitute und Tochterinstitute. Wegen Artt. 22 und 23 CRR erfolgt die Konsolidierung grundsätzlich global und bezieht insoweit auch die in Drittstaaten ansässigen Tochterinstitute mit ein. Das konsolidierende Unternehmen sowie dessen Tochterinstitute sind zudem nach Art. 11 Abs. 1 Satz 3 und Art. 14 Abs. 1 Satz 2 CRR dazu verpflichtet, konsolidierungsrelevante Organisationsstandards auch bei den in einem Drittstaat ansässigen Tochterunternehmen zu etablieren (siehe dazu Rz. 149). ___________ 298) S. hierzu Kommission, Call for advice to the EBA for the purposes of the report on the prudential requirements applicable to investment firms, v. 13.6.2016 (Ares(2016)2740315), und EBA, Discussion Paper, Designing a new prudential regime for investment firms, 4.11.2016 (EBA/DP/2016/02). In Deutschland wurde dies durch den Gesetzgeber – anstatt durch die zuständigen Aufsichtsbehörden – nach § 2 Abs. 9d KWG i. V. m. § 10a Abs. 9 KWG für alle Wertpapierfirmen festgelegt. 299) Nach Art. 95 Abs. 1 CRR dürfen die Wertpapierfirmen keine Zulassung für das Eigengeschäft bzw. den Eigenhandel (Anhang I Abschn. A Nr. 3 MiFID I) sowie das Emissionsgeschäft (Anhang I Abschn. A Nr. 6 MiFID I) haben. 300) Die Wertpapierfirmen müssen die weiteren Voraussetzungen des Art. 96 Abs. 1 lit. a oder lit. b CRR erfüllen. 301) Diese Erleichterungen bleiben auch dann anwendbar, wenn die Gruppe neben CRR-Wertpapierfirmen i. S. der Art. 95 Abs. 1 oder Art. 96 Abs. 1 CRR auch andere CRR-Wertpapierfirmen umfasst. 302) Art. 95 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a und Art. 96 Abs. 2 lit. a CRR verweisen lediglich auf Art. 92 Abs. 3 lit. a bis d und lit. f CRR. 303) Delegierte Verordnung (EU) Nr. 241/2014 der Kommission v. 7.1.2014, ABl. (EU) L 74/8 v. 14.3.2014.

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VI. Konsolidierende Aufsichtsbehörde

§5

Die nur mittelbare extraterritoriale Wirkung begegnet allerdings vor allem zwei Proble- 190 men: Da das deutsche und europäische Aufsichtsrecht im Drittstaat nicht unmittelbar anwendbar ist, kann dem konsolidierenden Unternehmen und seinen Tochterinstituten zum einen mitunter die Befugnis fehlen, die konsolidierungsrelevanten Pflichten gegenüber den in Drittstaaten ansässigen Tochterunternehmen durchzusetzen.304) Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass die vom Tochterunternehmen verlangten Maßnahmen gegen die im Drittstaat anwendbaren Vorschriften verstoßen könnten. Entsprechende Ausnahmen zur Anwendung des Aufsichtsrechts auf Drittstaatenunternehmen sind daher im deutschen und europäischen Aufsichtsrechts sowohl aufgrund rechtlicher Hindernisse als auch wegen entgegenstehenden Drittstaatenrechts anerkannt.305) Als Ausnahme zur gruppenweiten Anwendbarkeit des Aufsichtsrechts sieht etwa Art. 19 191 Abs. 2 lit. a CRR vor, dass Drittstaatenunternehmen aus dem Konsolidierungskreis ausgenommen werden können, wenn der Übermittlung der notwendigen Informationen rechtliche Hindernisse entgegenstehen. Zu Art. 19 CRR siehe Rz. 173 ff. Ausnahmen wegen entgegenstehenden Drittrechts sind v. a. in Art. 14 Abs. 3 CRR sowie 192 in § 25a Abs. 3 Satz 3 KWG niedergelegt. Nach Art. 14 Abs. 3 CRR finden die aus Teil 5 CRR erwachsenden Pflichten keine An- 193 wendung auf Drittstaatenunternehmen, wenn ein EU-Mutterinstitut oder die CRRInstitute, die von einer EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft kontrolliert werden, nachweisen können, dass ihre Anwendung gegen die Bestimmungen des Drittstaates verstößt. Der Nachweis kann schon dann als erbracht angesehen werden, wenn gegenüber den zuständigen Aufsichtsbehörden auf das im Drittstaat anwendbare Recht hingewiesen wird. Eine Auskunft oder Bestätigung durch die zuständigen Aufsichtsbehörden des Drittstaates ist nicht notwendig. VI.

Konsolidierende Aufsichtsbehörde

1.

Bestimmung der konsolidierenden Aufsichtsbehörde

Während die Artt. 11–24 CRR aus Institutssicht das konsolidierungsverpflichtete Unter- 194 nehmen festlegen, beurteilt sich die für die Konsolidierung zuständige Aufsichtsbehörde nach Maßgabe des Art. 111 CRD. Das KWG legt nicht ausdrücklich fest, unter welchen Voraussetzungen die BaFin die Aufsicht auf konsolidierter Basis ausübt, sondern setzt diese lediglich voraus.306) Die Zuständigkeit als konsolidierende Aufsichtsbehörde folgt allerdings mittelbar aus der Bestimmung des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens: Um eine ordnungsgemäße und wirksame Aufsicht zu gewährleisten, müssen die Bestimmung des konsolidierungsverpflichteten Unternehmens und die der konsolidierenden Aufsichtsbehörde jeweils parallel erfolgen und aufeinander abgestimmt werden.307) Wird das konsolidierungsverpflichtete Unternehmen direkt von der BaFin beaufsichtigt, ist diese damit zugleich die konsolidierende Aufsichtsbehörde. Aus diesem Grund ist ver___________ 304) Etwas anderes gälte etwa dann, wenn die im EWR ansässigen Unternehmen aufgrund der im Drittstaat anwendbaren gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen dazu berechtigt wären, bestimmte Befugnisse gegenüber ihren Tochterunternehmen auszuüben. 305) Beide Aspekte können sich teilweise überschneiden, da auch entgegenstehendes Drittstaatenrecht als rechtliches Hindernis angesehen werden kann. Ein Hindernis ist vorliegend jedoch auch darin zu sehen, dass das Drittstaatenrecht eine Informationsübermittlung zwar nicht untersagt, aber aufgrund fehlender Befugnisse der im EWR ansässigen Unternehmen nicht gegenüber den Drittstaatenunternehmen durchgesetzt werden kann. 306) Z. B. §§ 7a Abs. 3, 7b Abs. 3 Nr. 5, 8 Abs. 7 Satz 1, 8a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, 8c Abs. 1, 8e Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 KWG. 307) Vgl. ErwG 18 CRD a. F.

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§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

ständlich, dass die institutionelle Vorschrift des Art. 111 CRD nicht in den §§ 6 ff. KWG umgesetzt wurde, sondern nach den Erwägungen des Gesetzgebers primär in § 10a Abs. 3 KWG.308) 195 Im Rahmen des Single Supervisory Mechanism (SSM) ist die EZB für die konsolidierte Aufsicht zuständig, wenn es sich beim konsolidierungsverpflichteten Mutterinstitut um ein in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassenes bedeutendes CRR-Kreditinstitut handelt (Artt. 4 Abs. 1 lit. g, 6 Abs. 4 SSM-VO i. V. m. Art. 8 Abs. 1 SSM-RahmenVO).309) Für Gruppen, an deren Spitze eine (gemischte) Finanzholdinggesellschaft steht, ist die EZB direkt zuständig, wenn die (gemischte) Finanzholdinggesellschaft auf konsolidierter Basis als bedeutend eingestuft wird und wenn der Gruppe zumindest ein CRR-Kreditinstitut, das seinen Sitz auch in einem nicht teilnehmenden Mitgliedstaat haben kann, angehört.310) 196 Welche Aufsichtsbehörde die Zulassung ursprünglich erteilt hatte, ist demgegenüber irrelevant. Nur dann, wenn das in Deutschland niedergelassene Mutterinstitut eine CRRWertpapierfirma oder ein weniger bedeutendes CRR-Kreditinstitut ist, liegt die Zuständigkeit für die konsolidierte Aufsicht bei der BaFin als National Competent Authority (NCA). 197 Speziell bei (gemischten) Finanzholdinggesellschaften wirkt sich der Vorrang der Konsolidierung durch CRR-Kreditinstitute nach Art. 12 CRR auch auf die Bestimmung der konsolidierenden Aufsichtsbehörde aus. Der Vorrang der CRR-Kreditinstitute hat zur Folge, dass die konsolidierte Aufsicht primär von den für den SSM zuständigen Aufsichtsbehörden wahrgenommen wird, wenn die (gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaft in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassen ist.311) In diesem Fall nimmt die EZB die direkte konsolidierte Aufsicht wahr, wenn die (gemischte) Mutterfinanzholdinggesellschaft bedeutend ist,312) während die BaFin als NCA für die direkte konsolidierte Aufsicht bei weniger bedeutenden (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaften zuständig ist.313) Außerhalb des SSM ist die BaFin dann konsolidierende Aufsichtsbehörde, wenn die Konsolidierung durch ein weniger bedeutendes CRR-Kreditinstitut oder eine inländische CRR-Wertpapierfirma vorzunehmen ist. Praktische Schwierigkeiten bei der Beaufsichtigung von (gemischten) Finanzholdinggruppen ergeben sich aufgrund der Neufassung des Art. 111 CRD insoweit, als die konsolidierende Aufsichtsbehörde primär für die Zulassung und fortlaufende Beaufsichtigung der (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaft zuständig ist, auch wenn diese ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat der konsolidierenden Aufsichtsbehörde hat (siehe Rz. 77). 2.

Aufgaben der konsolidierenden Aufsichtsbehörde

198 Die zentrale Aufgabe der konsolidierenden Aufsichtsbehörde besteht x

zum einen darin, die Erfüllung der aufsichtlichen Anforderungen durch das konsolidierungsverpflichtete Unternehmen zu überwachen, und

x

zum anderen in der Koordinierung der Zusammenarbeit der involvierten Aufsichtsbehörden.

___________ 308) S. Begr. RegE CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/10974, S. 78. 309) Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil A Rz. 65. Zur Einstufung als bedeutendes CRR-Kreditinstitute s. § 2 Rz. 22 ff. [Glos/Benzing]. 310) Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil A Rz. 96. 311) Art. 4 Abs. 1 lit. g SSM-VO. 312) Artt. 4 Abs. 1 lit. g, 6 Abs. 4 SSM-VO i. V. m. Art. 8 Abs. 1 SSM-RahmenVO. 313) Art. 8 Abs. 2 SSM-RahmenVO.

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VI. Konsolidierende Aufsichtsbehörde

§5

Dies ist i. R. der konsolidierten Aufsicht deshalb von entscheidender Bedeutung, weil es 199 hier im Einzelfall zu einer Doppelaufsicht kommen kann.314) Da in die Konsolidierung gerade auch solche Unternehmen einbezogen werden, die auf Einzelbasis grundsätzlich von der (ausländischen) Herkunftslandbehörde beaufsichtigt werden, ist die konsolidierende Aufsichtsbehörde darauf angewiesen, die Verbreitung der für die Konsolidierung relevanten Informationen sowie ggf. erforderliche aufsichtliche Maßnahmen zu koordinieren. Ist die EZB oder die BaFin für die konsolidierte Aufsicht über ein EU-Mutterinstitut oder 200 ein CRR-Institut, das von einer (gemischten) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft kontrolliert wird, zuständig, obliegen ihr nach § 8a Abs. 1 Satz 1 KWG dementsprechend zum einen die Koordinierung der Sammlung und Verbreitung zweckdienlicher und grundlegender Informationen (§ 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KWG)315) sowie die Übersendung der Verzeichnisse der (gemischten) Finanzholding-Gesellschaften, bei denen die BaFin die konsolidierte Aufsicht ausübt (§ 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 7a Abs. 3 KWG) und zum anderen die Planung und Koordinierung der Aufsichtstätigkeiten i. R. der laufenden Aufsicht und in Krisensituationen (§ 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KWG).316) Zur Erleichterung der Zusammenarbeit richten die EZB oder die BaFin zudem Aufsichtskollegien nach § 8e KWG (i. V. m. Art. 9 SSM-RahmenVO) ein, zu deren Sitzungen neben den zuständigen Stellen im EWR auch die EBA und zuständige Stellen in Drittstaaten317) teilnehmen können. Als Kernelement der konsolidierten Aufsicht sehen § 8a Abs. 3 – 6 KWG sowie die Durch- 201 führungsverordnung (EU) Nr. 710/2014318) bestimmte Mechanismen zur gemeinsamen Entscheidungsfindung vor. Danach sollen die EZB bzw. die BaFin mit den für die Aufsicht der Tochterinstitute des EU-Mutterinstituts oder der (gemischten) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft eine gemeinsame Entscheidung darüber treffen, x

ob die Eigenmittelausstattung der Gruppe auf zusammengefasster Basis ihrer Finanzlage und ihrem Risikoprofil angemessen ist und

x

welche zusätzlichen Eigenmittelanforderungen für jedes gruppenangehörige Unternehmen und auf zusammengefasster Basis erforderlich sind (§ 8a Abs. 3 Satz 1 KWG).

x

Zudem ist eine gemeinsame Entscheidung i. R. der Liquiditätsaufsicht und über institutsspezifische Liquiditätsanforderungen herbeizuführen (§ 8a Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 KWG).

Kann innerhalb von vier Monaten nach Übermittlung einer Risikobewertung der Gruppe 202 an die zuständigen Stellen im EWR keine gemeinsame Entscheidung getroffen werden, entscheidet die EZB oder die BaFin allein, ob die Eigenmittelausstattung der Gruppe auf konsolidierter Basis oder die der gruppenangehörigen Unternehmen auf Einzelbasis oder teilkonsolidierter Basis der Finanzlage und dem Risikoprofil angemessen ist oder ob zusätzliche Eigenmittelanforderungen erforderlich sind (§ 8a Abs. 4 Satz 1 KWG i. V. m.

___________ 314) Z. B. wird ein ausländisches Tochterinstitut eines deutschen Mutterinstituts einerseits von der ausländischen Herkunftslandbehörde auf Einzelbasis beaufsichtigt; andererseits ist es gleichzeitig in die Aufsicht der für das Mutterinstitut zuständigen konsolidierenden Aufsichtsbehörde einbezogen, Boos/ Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 8 KWG Rz. 15. 315) Beaufsichtigt die BaFin ein EU-Mutterinstitut oder ein von der (gemischten) Mutterfinanzholdinggesellschaft kontrolliertes CRR-Institut, wird die Informationsweitergabe an die zuständigen Stellen im EWR durch die Spezialvorschrift des § 8 Abs. 4 KWG geregelt (Schwennicke/Auerbach-Habetha, KWG, § 8 KWG Rz. 30). 316) § 8a KWG beruht auf Art. 113 CRD und ist von der EZB daher nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 SSM-VO anzuwenden. 317) Vgl. EBA, Single Rulebook Q&A, Art. 116 CRD IV, Question ID 2015_2460. 318) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 710/2014 der Kommission v. 23.6.2014, ABl. (EU) L 188/19 v. 27.6.2014.

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§5

Grundsätze der konsolidierten Aufsicht über Gruppen

Artt. 15 f., 18 DVO (EU) Nr. 710/2014).319) Die Entscheidung ist als transnationaler Verwaltungsakt für die anderen Stellen im EWR bindend (vgl. Art. 113 Abs. 4 Unterabs. 1 CRD).320) Gleiches gilt für die Liquiditätsanforderungen nach Ablauf einer EinMonats-Frist (§ 8a Abs. 6 Satz 2 KWG i. V. m. Artt. 15, 17 f. DVO (EU) Nr. 710/2014). Die Aufsichtsbefugnisse der EZB bzw. der BaFin als konsolidierende Aufsichtsbehörde erstrecken sich daher über das konsolidierungsverpflichtete Unternehmen hinaus auch auf gruppenangehörige Unternehmen, die auf Einzelbasis sonst von der (ausländischen) Herkunftslandbehörde beaufsichtigt werden. Diese Befugnisse erfassen jedoch nicht sämtliche in den Konsolidierungskreis nach Art. 18 CRR einbezogenen Unternehmen, sondern nur Tochterunternehmen i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 CRR.321) 203 Steht an der Spitze der Gruppe ein in einem anderen EWR-Mitgliedstaat zugelassenes EU-Mutterinstitut oder eine (gemischte) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaft, für die die EZB bzw. die BaFin nicht zuständig ist, ist § 8a KWG jedoch nicht anwendbar. Für den inländischen Teil der Gruppe, insbesondere im Hinblick auf die Konsolidierungsanforderungen, die sich nicht an EU-Mutterinstitute oder (gemischte) EU-Mutterfinanzholdinggesellschaften richten, kann die EZB bzw. die BaFin gleichwohl die konsolidierte Aufsicht ausüben.322) Auch hierzu kann sie Aufsichtskollegien nach § 8e KWG (i. V. m. Art. 9 SSM-RahmenVO) einrichten. Entscheidungen, die von der EZB bzw. der BaFin in diesem Zusammenhang getroffen werden, sind allerdings nicht als transnationaler Verwaltungsakt für andere Stellen im EWR bindend.

___________ 319) Vor Ablauf der Vier-Monats-Frist kann auch die EBA auf Antrag der BaFin oder einer anderen zuständigen Stelle beteiligt werden (§ 8a Abs. 3 Satz 4 KWG). Eine Pflicht besteht – im Umkehrschluss zu § 8a Abs. 4 Satz 4 KWG – hierzu nicht. 320) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 8a KWG Rz. 22. 321) Da Art. 113 CRD nur Tochterunternehmen i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 CRR erfasst, muss § 8a Abs. 3 – 6 KWG entsprechend richtlinienkonform ausgelegt werden. Der Gruppenbegriff des § 10a Abs. 1 Satz 1 KWG kann insoweit nicht herangezogen werden. 322) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 8a KWG Rz. 7.

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§6 Regulierung der Finanzverfassung: Ökonomische Grundlagen

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Übersicht I.

Zum Bedarf an Regulierung der Finanzverfassung ........................................ 1 1. Nutzen der Banken ...................................... 3 2. Marktversagen eines unregulierten Bankensektors .............................................. 7 3. Staatsversagen bei der Regulierung von Banken ................................................. 14 II. Ziele der Regulierung............................... 19 1. Anlegerschutz............................................. 23 2. Funktionenschutz ...................................... 25 3. Systemschutz.............................................. 26 III. Eigenkapitalnormen ................................. 31 1. Angestrebte Wirkungen............................. 32 2. Entwicklung der Ausgestaltung ................ 38 3. Schaden strikte Eigenkapitalnormen?....... 52 IV. Eigenkapital zwischen regulatorischen Anforderung und Rechnungslegungsstandards....................................... 57

1.

Vorteile eines gemeinsamen Regelwerkes für Bankenregulierung und Rechnungslegung ....................................... 59 2. Spannungsfelder zwischen externer Rechnungslegung und Bankenregulierung.................................................. 65 3. Normensetzung und Gesetzgebung......................................................... 72 4. Gewinn als zentraler Treiber regulatorischen Kapitals .......................................... 76 5. Ausgewählte Sachverhalte und deren Einfluss auf den bilanziellen Gewinn........................................................ 81 6. Regulatorische Anpassungen auf Basis der Rechnungslegung ....................... 87 V. Zusammenfassende Betrachtung ............ 92

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§6

Regulierung der Finanzverfassung: Ökonomische Grundlagen

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Regulierung der Finanzverfassung: Ökonomische Grundlagen

§6

d118.htm; CPMI, Innovations in retail payments, v. 5/2012, http://www.bis.org/cpmi/publ/d102.htm; (Abrufdatum jew. 22.4.2020). Verlautbarungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht/Basel Committee on Banking Supervision (BCBS): BCBS, Literature review on integration of regulatory capital and liquidity instruments, Working Paper No. 20, v. 3/2016, http://www.bis.org/bcbs/publ/wp30.htm; BCBS, The interplay of accounting and regulation and its impact on bank behaviour: Literature review, Working Paper No. 28, v. 1/2015, http://www.bis.org/bcbs/publ/wp28.htm; BCBS, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen, Überarbeitete Rahmenversion, v. 6/2004, https://www.bis.org/publ/bcbs128ger.pdf; BCBS, International convergence of capital measurement and capital standards, v. 7/1988, http://www.bis.org/publ/bcbs04a.htm; BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 12/2017, https://www.bis.org/bcbs/publ/d424.pdf; (Abrufdatum jew. 22.4.2020). Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013. Leitlinien der Europäischen Zentralbank (EZB): EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.icaap_ guide_201811.de.pdf (Abrufdatum: 2.4.2020). Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): BaFin, Richtlinie zur Durchführung und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute durch die Deutsche Bundesbank – Aufsichtsrichtlinie, v. 21.5.2013, Stand: 19.12.2016, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Meldung/2017/meldung_170123_anpas sung_aufsichtsrichtlinie.html (Abrufdatum: 28.4.2020) Verlautbarungen der Deutschen Bundesbank (Bundesbank): Bundesbank, Monatsbericht 1/2018, https://www.bundesbank.de/resource/blob/693494/65d2da4c437491434426497fd0ff47fd/mL/201801-basel-3-data.pdf; Bundesbank, Monatsbericht 7/2016, https://www.bundesbank.de/de/publikationen/ berichte/monatsberichte/monatsbericht-juli-2016-664998; Bundesbank, Eingangsstellungnahme zur Vorstellung des Bundesbank-Jahresabschlusses 2015, Rede v. Dr. J. Weidmann anlässlich der Pressekonferenz zum Geschäftsbericht 2015, v. 24.2.2016, https://www.bundesbank.de/de/presse/reden/ eingangsstellungnahme-zur-vorstellung-des-bundesbank-jahresabschlusses-2015-664808; Bundesbank, Monatsbericht 6/2013, https://www.bundesbank.de/resource/blob/693220/0344f9927dfc53ce9191c 7e65728ffb8/mL/2013-06-umsetzung-basel-3-data.pdf; Bundesbank, Monatsbericht 3/1962, https:// www.bundesbank.de/resource/blob/690526/05bbf69fb3b69a2858be999af52006de/mL/1962-03monatsbericht-data.pdf; (Abrufdatum jew. 22.4.2020).

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§6 I.

Regulierung der Finanzverfassung: Ökonomische Grundlagen Zum Bedarf an Regulierung der Finanzverfassung1)

1 Märkte im Allgemeinen und der Finanzmarkt im Besonderen sind vollkommen, wenn keine Marktzutrittsbeschränkungen bestehen, keinerlei Transaktionskosten anfallen und alle Marktteilnehmer uneingeschränkt rational handeln. Die konsequente mikroökonomische Analyse eines Systems solcher Märkte führt zu den bekannten Wohlfahrtstheoremen, denen zufolge ein Gleichgewicht in einem System vollkommener Wettbewerbsmärkte stets ein Pareto-Optimum darstellt und überdies durch eine geeignete Verteilung von Ressourcen jedes Pareto-Optimum implementiert werden kann. In dieser ökonomisch „heilen Welt“ wäre jedwede Bankenregulierung2) bedeutungslos. Ebenso wären sogar Banken per se lediglich Einrichtungen, die nicht schädlich und nicht nützlich, sondern schlicht irrelevant sind. Wer aus diesen Aussagen die Überlegenheit einer ausschließlich marktgesteuert agierenden Wirtschaft ableiten möchte, muss sich allerdings belehren lassen, dass ein allwissender, wohlmeinender Zentralplaner – also das theoretische Äquivalent zu einem vollkommenen Markt – die gleichen Ergebnisse herbeiführen kann. 2 Tatsächlich sind allerdings weder Märkte in der einen oder anderen Weise vollkommen noch werden Regulierung und Aufsicht von einer wohlmeinenden, allwissenden Regulierungsinstanz vorgenommen. Es gibt daher gleichermaßen ein gewisses Marktversagen wie ein gewisses Staatsversagen.3) Diese Aussagen der reinen Theorie machen deutlich, dass zur Klärung des Bedarfs an Bankenregulierung unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Marktunvollkommenheiten drei Aussagen zu erörtern sind: x

Banken haben gesamtwirtschaftlich nützliche Aufgaben, was angesichts eines vorhandenen, aber nicht vollkommenen Wettbewerbs auf der einzelwirtschaftlichen Ebene mit einem Gewinnpotenzial einhergeht.

x

Banken bedürfen der Regulierung und Aufsicht.

x

Regulierung und Aufsicht sind ihrerseits nicht perfekt.

1.

Nutzen der Banken

3 Häufig werden Banken die Aufgaben der Größen-, Fristen- und Risikotransformation zugeschrieben.4) Eine solche Transformation fördert die Vereinbarkeit der Anlagepräferenzen privater Haushalte und der Finanzierungsbedürfnisse von Unternehmen. Die Größentransformation besteht in der Heranziehung sehr vieler kleinerer Einlagen zur Refinanzierung vieler größerer Kredite. Die Fristentransformation ermöglicht den Unternehmen die Verfügbarkeit langfristiger Kredite, ohne für die Einleger die kurzfristige Verfügbarkeit liquider Mittel einzuschränken. Erreicht wird dies durch eine revolvierende Refinanzierung sowie durch Inanspruchnahme des Interbankenmarktes zum Liquiditätsausgleich. Eine solche Refinanzierung erfordert eine hohe Bonität der Banken und ein Vertrauen in diese hohe Bonität. Mangelndes Vertrauen führt zu Einschränkungen bei der Refinanzie___________ 1)

2)

3) 4)

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Die Regulierung der Finanzverfassung zielt in der hier vorgenommenen Abgrenzung primär auf die Eigenkapitalregulierung. Die darunter zu subsummierenden Vorschriften werden zum Begriff der Eigenkapitalnormen zusammengefasst. Darüber hinausgehende Vorschriften werden nur einbezogen, wenn sie unmittelbar daran anknüpfen. Mit dem Begriff „Bankenregulierung“ sind im Weiteren die Vorschriften gemeint (Gesetze, Verordnungen, Ausführungsbestimmungen der dazu befugten Organe). In Abgrenzung dazu soll der Begriff „Bankenaufsicht“ für den Prozess der Beaufsichtigung stehen. Der in der Regulierung weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene eindeutig bestimmte Begriff „Bank“ steht in diesem Kapitel der Idee nach für Institute (die freilich bereits in KWG und in der Richtlinie 2013/36/EU [CRD IV] nicht vollidentisch definiert sind). Für die Erörterung konzeptioneller Fragen der Regulierung ist eine präzisere Begriffsbestimmung nicht erforderlich. Luz/Neus/Schaber/u. a.-Neus, KWG und CRR, Einf. Rz. 24. Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, S. 12 – 14.

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I. Zum Bedarf an Regulierung der Finanzverfassung

§6

rung und kann die Zahlungsfähigkeit auch einer grundsätzlich gesunden Bank in Frage stellen. Genau darauf bezieht sich der Gesetzesverweis auf „die besonderen Risiken des Geschäftszweigs der Kreditinstitute“ (§§ 340f Abs. 1, 340g Abs. 1 HGB). Infolge der Risikotransformation kommt das Geschäftsrisiko der Kreditnehmer in ver- 4 ringerter und umstrukturierter Form bei den Einlegern an. Die wesentlichen Beiträge zur Risikotransformation leisten die Diversifikation des Anlageportefeuilles der Bank, die Bereitstellung von Eigenkapital als vorrangiger Verlustpuffer sowie die Inanspruchnahme eines Einlagensicherungssystems im Fall der Zahlungsunfähigkeit einer Bank. Hinzu kommt die Verringerung endogener Risiken (Moral Hazard und Adverse Selection), die aus einer asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Kapitalgebern und Kapitalnehmern herrühren. In diesem Sinne erbringen Banken eine wertsteigernde delegierte Überwachung.5) Schließlich werden die Möglichkeiten der Risikotransformation dadurch noch erweitert, dass Banken Portefeuilles von Buchkrediten nach geeigneter Strukturierung in verbriefter Form wieder den Anlegern zur Verfügung stellen. Auch wenn schlecht strukturierte Verbriefungstransaktionen für die Entstehung und Verbreitung der Bankenkrise6) mit ursächlich waren, liegt hier ein grundsätzlich nützliches Handlungsfeld. Die genannten Transformationsleistungen bergen tatsächlich ein gesamtwirtschaftliches 5 Wohlfahrtspotenzial, weil Realinvestitionen mit längerer Kapitalbindung und größerem Risiko eine höhere erwartete Rendite versprechen, zugleich aber die unerwünschten Nebenwirkungen verringert werden können. Zwar ist relativierend zu ergänzen, dass Transformationsleistungen nicht ausschließlich durch Banken erbracht werden; auch Markttransaktionen sind dazu grundsätzlich geeignet. Jedoch lässt es sich begründen, dass unter Einbeziehung von Banken die Transformation zu geringeren Transaktionskosten erfolgen kann. Ansatzpunkte dafür erkennt man in der Bündelung von Transaktionen infolge der Intermediation und somit der Verwendung einer Betriebsgröße, die es erlaubt, ökonomische Skalenerträge zu realisieren. Hinzu kommt die Verringerung des Informationsbedarfs für das Gros der Marktteilnehmer.7) Der letztgenannte Punkt ist von besonderem Belang, weil eben nicht durchgängig von einer unbegrenzten Rationalität ausgegangen werden kann. Beispielsweise wird häufig das Problem der gering ausgeprägten Financial Literacy beklagt.8) Banken lassen sich daher als institutionelle Vorkehrungen interpretieren, die es erlauben, schädliche Auswirkungen asymmetrisch verteilter Information und ungenügender fachlicher Expertise von Marktteilnehmern zu begrenzen. Schließlich ist auf die hohe Bedeutung eines reibungslosen Zahlungsverkehrs für das Funk- 6 tionieren der Wirtschaft hinzuweisen; bei Stützel9) steht diese Aufgabe sogar an erster Stelle. Sicherheit und Effizienz der Zahlungsabwicklung stehen dabei im Mittelpunkt des Interesses. Während der Zahlungsverkehr insgesamt noch als Domäne von Banken anzusehen ist,10) bringen jüngere technische Entwicklungen es mit sich, dass auch Nicht-Banken zunehmend auf diesem Feld tätig werden.11) Am weitesten reichende Entwicklungen er___________ 5) Diamond, RES 51 (1984), 393. 6) Der Verweis auf die „Bankenkrise“ bezieht sich in der Regel auf die im Jahre 2007 in den USA gestartete Subprime-Mortgage-Krise, die sich in den folgenden Jahren insb. in Europa auch als Staatsschuldenkrise fortsetzte. Bezüge auf andere Bankenkrisen der Vergangenheit sind explizit gekennzeichnet. 7) Breuer, Finanzintermediation im Kapitalmarktgleichgewicht, S. 10. 8) So unter Bezugnahme auf junge Menschen Lusardi/Mitchell/Curto, JCA 44 (2010), 358. 9) Stützel, Bankpolitik heute und morgen, Rz. 9. 10) Committee on Payments and Market Infrastructures (CPMI), Innovations in retail payments, v. 5/2012, S. 15 f. 11) Committee on Payments and Market Infrastructures (CPMI), Non-banks in retail payments, v. 9/2014, S. 13 ff.

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Regulierung der Finanzverfassung: Ökonomische Grundlagen

kennt man im Aufkommen virtueller Währungen wie Bitcoin, die geeignet sein könnten, internet-affine Geschäfte effizienter abzuwickeln. Die zunehmende Bedeutung solcher Marktsegmente hat sich in der deutlichen Ausweitung regulativer Vorschriften durch die Neufassung des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) vom 17.7.2017 niedergeschlagen.12) 2.

Marktversagen eines unregulierten Bankensektors

7 Die vorstehende Zusammenstellung gesamtwirtschaftlicher Wohlfahrtspotenziale erzeugt ein einseitiges Bild. Es handelt sich zunächst nur um Potenziale, die tatsächlich erst noch gehoben werden müssen. Zudem gibt es gerade auf einem unvollkommenen Finanzmarkt Sachverhalte, welche die genannten Vorteile relativieren. Von Interesse sind hier insbesondere bankspezifische Argumente, die deshalb zugleich einen besonderen Regulierungsbedarf von Banken begründen. 8 Bereits im Allgemeinen sind Finanzierungsbeziehungen prekär, weil die eine Vertragsseite (Kapitalgeber) ihre Leistung, nämlich die Bereitstellung liquider Mittel, unmittelbar erbringt, während dies bei der Gegenleistung der anderen Vertragsseite (Kapitalnehmer), hier kurz umschrieben als Verzinsung und Tilgung, erst in der Zukunft der Fall ist. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kapitalgeber die Verfügungsmacht über seine Ressource wenigstens vorübergehend auf den Kapitalnehmer überträgt und die Ressource eine ausgeprägte Gestaltbarkeit („Plastizität“) aufweist, was dem Kapitalnehmer vielfältige Optionen einräumt.13) Aus einer Reihe von Gründen ist dieses Problem bei Banken besonders virulent: 9 Bei den Inhabern der Forderungen gegen Banken handelt es sich, anders als es bei Industrieunternehmen weitenteils der Fall ist, nicht um Kaufleute, sondern um Privatleute mit begrenztem Sachverstand und – so wird häufig unterstellt – geringer Risikobereitschaft. Insbesondere verfügen Sparer kaum über die Informationen, Anreize und Fähigkeiten zur Überwachung der Kapitalverwendung durch die Bank. Im Gegenteil lässt sich die Existenz der Bank gerade dadurch begründen, dass es effizient ist, die Aufgaben der Kreditauswahl und Kreditüberwachung an eine Bank zu delegieren.14) 10 Die oben genannten Vorteile von Banken bringen weiter zugleich ein spezifisches Problem mit sich: Infolge der Größentransformation gibt es eine Vielzahl von Gläubigern mit relativ geringen Forderungen. Bereits deshalb stünde der erforderliche Aufwand eines einzelnen Gläubigers bei der Überwachung der Geschäftstätigkeit einer Bank in einem völlig unangemessenen Verhältnis zu seinem möglichen Nutzen. In der Sprache der ökonomischen Theorie heißt dies, es gibt eine ausgeprägte positive Externalität mit der Folge einer Unterinvestition in Überwachung. Die große Anzahl von Gläubigern erschwert auch ein koordiniertes Verhalten in einer Bankenkrise wie etwa ein Moratorium. Dies ist der eine Entstehungsgrund für die Gefahr eines Schaltersturms (Bank-Runs). 11 Der zweite und noch wichtigere Grund liegt in der Fristentransformation. Der anhaltende Zwang zur häufigen Anschlussfinanzierung macht auch eine höchst solide wirtschaftende Bank anfällig, sogar für haltlose Gerüchte über eine etwaige Krise. Allein die Erwartung, andere Sparer neigten zum Abzug ihrer Einlagen, kann die Folgerung erzwingen, die eigenen Einlagen tatsächlich abzuziehen.15) Verschärfend kommt hinzu, dass der Run auf eine Bank die Erwartung nach sich ziehen kann, dass auch andere Banken in Problemen stecken. Dies ließe sich sogar höchst rational durch die wechselseitige Verflechtung über ___________ 12) Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten – Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG), v. 17.7.2017, BGBl. I 2017, 2446. 13) Bereits mit Verweis auf Banken M. Hellwig, SJES 131 (1995), 723, 733. 14) Diamond, RES 51 (1984), 393. 15) Diamond/Dybvig, JPE 91 (1983), 401.

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I. Zum Bedarf an Regulierung der Finanzverfassung

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den Interbankenmarkt begründen, zusätzlich im Falle einer unzureichenden Transparenz durch die sog. Ähnlichkeitsvermutung, der zufolge Banken in der Hauptsache ein ähnliches Geschäft betreiben und daher denselben Risiken ausgesetzt sind.16) Demnach können individuelle Bankenkrisen ansteckend wirken und einen Domino-Effekt nach sich ziehen.17) Schließlich bringt es der Zugang zur relativ kostengünstigen Refinanzierung über Einla- 12 gen mit sich, dass gerade Banken weniger Eigenkapital zur Finanzierung heranziehen als Unternehmen fast aller anderen Branchen. Stützel18) belegt, dass es sich hierbei um eine langanhaltende kontinuierliche Entwicklung handelt. All dies lässt die Folgerung zu, dass das bei ausfallbedrohtem Fremdkapital generell auf- 13 tretende Risikoanreizproblem in Banken besonders ausgeprägt sein dürfte.19) Somit kann es kaum verwundern, dass bereits in der ersten Fassung des Nachkriegs-Kreditwesengesetzes aus dem Jahre 1961 die zuerst genannte Aufgabe der Bankenaufsicht darin besteht, die Gefährdung der Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte abzuwenden (§ 6 Abs. 2 KWG 1961); bei allen Novellierungen des KWG ist dieser Passus unangetastet geblieben. 3.

Staatsversagen bei der Regulierung von Banken

Wie erwähnt, erfolgt eine ideale Regulierung durch eine allwissende und wohlmeinende, also 14 im öffentlichen Interesse handelnde regulierende Instanz. In der realen Welt müssen allerdings beide Qualifikationen, allwissend und wohlmeinend, in Zweifel gezogen werden. Einer prominenten Kritik folgend könnte sich der Regulator nämlich irriger Weise anmaßen, 15 über mehr Wissen zu verfügen als die Gesamtheit der Marktteilnehmer.20) Auch wenn v. Hayek die Kritik gegen ein Wirtschaftssystem der Zentralplanung vorbringt, ist die Übertragbarkeit auf Marktversagen heilende Eingriffe in Märkte grundsätzlich gegeben. Bestimmte Ausgestaltungsformen der Bankenregulierung lassen sich in der Tat in dieser Weise einschätzen. So spricht M. Hellwig angesichts der kleinteilig formulierten Eigenmittelnormen von den Illusionen der Messbarkeit von Risiken und der Messbarkeit von Zyklizität.21) Es ist auch fraglich, ob Regulierung und Aufsicht tatsächlich stets im öffentlichen Inte- 16 resse ausgeübt werden. Vielmehr könnte sich die tatsächliche Regulierung als Ausfluss privater Interessen ergeben.22) Ein konkreter Ausdruck dieser Befürchtung ist die These der Regulatory Capture,23) der zufolge die regulierenden Instanzen von den zu beaufsichtigenden Einheiten „unterwandert“ sind und daher deren Interessen verfolgen. Einen Beleg erfährt diese These durch die Beobachtung, dass Geschäftsbanken der Aufsicht kompetente Mitarbeiter abwerben, was den Erstgenannten schon deshalb nicht schwerfällt, weil sie nicht an das Gehaltsgefüge des öffentlichen Dienstes gebunden sind. Da allerdings auch die gefangen genommene Regulierung vor dem Hintergrund eines unvollkommenen Marktes zu sehen ist, muss Capture zwar keineswegs stets zu einer Unterregulierung führen,24) in jedem Fall aber zu einer Regulierung im Interesse der Banken und deren Eigen___________ 16) 17) 18) 19) 20) 21) 22) 23) 24)

Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht: Theorie und Praxis der Regulierung, S. 21. Allen/Gale, JPE 108 (2000), 1. Stützel, Bankpolitik heute und morgen, Rz. 47. M. Hellwig, SJES 131 (1995), 723, 733. v. Hayek, SJE 77 (1975), 433. M. Hellwig, Discussion Paper 2010/19, Preprints MPI, S. 33 bzw. S. 35. Freixas/Laeven/Peydró, Systemic Risk, Crisis and Macroprudential Regulation, S. 204 ff. Peltzman, JLE 19 (1976), 211. Hardy, IMF Working Paper WP/06/34, v. 1/2006, S. 3.

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Regulierung der Finanzverfassung: Ökonomische Grundlagen

tümer. Sofern tatsächlich eine Regulatory Capture zu befürchten ist, sollten Regulierung und Aufsicht nicht auf einer zentralisierten Ebene erfolgen.25) 17 Jedwede Regulierung erfordert Sanktionen für den Fall des Verstoßes. Durch die Androhung von Sanktionen ex ante werden die erforderlichen Anreize zur Befolgung von Vorschriften erzeugt. Damit ist allerdings keineswegs gewährleistet, dass die Durchsetzung der Sanktion ex post vorteilhaft ist. Das Phänomen des „too big to fail“ und die damit verwandten Varianten des „too many to fail“,26) des „too complex to fail“, des „to interconnected to fail“ oder umfassend des „too systemic to fail“ zwangen politische Instanzen in der Bankenkrise, in ganz erheblichem Umfang öffentliche Mittel zur Rettung von Banken aufzuwenden. Dieser Umstand ist bereits an und für sich verheerend, weil die damit verbundene Umverteilung zugunsten der Bankeigentümer das Vertrauen der Bürger in ein marktwirtschaftliches System korrumpiert. Erschwerend wirkt die Tatsache, dass die Bankenrettung von den Marktteilnehmern antizipiert wird. Als Fußnote zu dieser bekannten Argumentation ist anzubringen, dass wohl v. a. aus diesem Grund die Lehman-Pleite die Marktteilnehmer so verunsicherte – nämlich infolge der enttäuschten Erwartung, auch in diesem Fall werde der Staat es schon richten.27) Tatsächlich sind es aber keineswegs nur die Banken, die Druck in Sachen staatlicher Garantien entwickeln können. Der öffentlichen Wahrnehmung, Spareinlagen hätten unbedingt sicher zu sein, kann sich ein Politiker in der Krise kaum entziehen.28) Die berühmte Pressekonferenz mit Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück am 5.10.2008 belegt dies. Ungeachtet der mangelnden rechtlichen Absicherung äußerte Merkel wörtlich: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein.“29) 18 Ein gewisses Staatsversagen kann man schließlich auch darin erkennen, dass regulative Maßnahmen häufig der Bewältigung der vergangenen Krise dienen und weniger auf eine bevorstehende Krise zielen. Zwingend ist dies freilich nicht. Bisweilen ist die ökonomische Theorie hier weiter. Beispielsweise wurden dysfunktionale Entlohnungssysteme lange vor der Krise als solche gebrandmarkt,30) von der Regulierung aber erst nach der Krise reglementiert. Manchmal wünschte man sich daher, Praxis und Politik würden theorienäher operieren. II.

Ziele der Regulierung „Wer das Ziel nicht kennt, wird den Weg nicht finden.“

19 Dieser Christian Morgenstern zugeschriebene Satz31) gilt auch für Bankenregulierung und -aufsicht. Grundlegende gesetzliche Regelungen geben bereits einen guten Einblick in die Ziele. In § 6 Abs. 2 KWG heißt es: „Die Bundesanstalt hat Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen entgegenzuwirken, welche die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, die ordnungsmäßige Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können.“

___________ Boyer/Ponce, JFS 8 (2012), 206. Acharya/Yorulmazer, JFI 16 (2007), 1. M. Hellwig, DE 157 (2009), 129, 179. Wissenschaftlicher Beirat beim BMWT, Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht nach der Finanzkrise, Gutachten 3/2010, S. 11 f. 29) S. Beitrag im Spiegel v. 5.10.2008 (ssu/dpa), Merkel und Steinbrück im Wortlaut – „Die Spareinlagen sind sicher“, http://www.spiegel.de/wirtschaft/merkel-und-steinbrueck-im-wortlaut-die-spareinlagensind-sicher-a-582305.html (Abrufdatum: 2.4.2020). 30) Bebchuk/Fried, Pay without Performance, S. 6 f. und passim. 31) S. http://zitat-sammlung.marco-elling.de/2010/11/wer-das-ziel-nicht-kennt-wird-den-weg.html (Abrufdatum: 22.4.2020).

25) 26) 27) 28)

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II. Ziele der Regulierung § 6 Abs. 4 KWG lautet:

20

„Die Bundesanstalt hat bei der Ausübung ihrer Aufgaben in angemessener Weise die möglichen Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf die Stabilität des Finanzsystems in den jeweils betroffenen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums zu berücksichtigen.“

§ 4 Abs. 1a Satz 1 bzw. Abs. 4 FinDAG32) legen fest:

21

„Die Bundesanstalt ist innerhalb ihres gesetzlichen Auftrags auch dem Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen verpflichtet. […] Die Bundesanstalt nimmt ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr.“

So allgemein diese Formulierungen auch gehalten sind, lassen sie doch die maßgeblichen 22 Zielrichtungen erkennen: Es geht um x

Anlegerschutz, auch in der Lesart des allgemeinen Verbraucherschutzes, es geht um

x

den Funktionenschutz, und es geht um

x

den Systemschutz.

1.

Anlegerschutz

Der Anlegerschutz lässt sich mit der Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit der Spa- 23 rer begründen. Diese wiederum korrespondieren mit der limitierten Expertise und Erfahrung sowie mit dem begrenzten Umfang der Partizipation an besonders positiven oder negativen Entwicklungen. Wer nicht über Expertise und Erfahrung verfügt, ist nicht in der Lage, angemessen Vorsorge gegenüber drohenden Schäden zu treffen. Daher ist es bereits aus ökonomischen Gründen sinnvoll, den betreffenden Personen besonders risikoarme Ansprüche zuzuweisen, die einen geringen Bedarf an Vorsorge und Überwachung erfordern. Zudem geht ein Mangel an Erfahrung häufig mit einem geringen Vermögen einher, sodass sich eine ausgeprägte Eigenvorsorge nicht auszahlen würde. Die Schutzbedürftigkeit von Sparern lässt sich also gut begründen. Die Schutzwürdigkeit kann angesichts der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Sparens ebenfalls kaum angezweifelt werden. Es sei darauf hingewiesen, dass dies keineswegs im Gegensatz zu dem Prinzip der Marktkontrolle steht, dem seit Implementierung der Basel II-Regelungen (Säule 3) eine größere Bedeutung zukommt.33) Eine wirksame Marktkontrolle setzt nämlich keineswegs voraus, dass jeder einzelne Marktteilnehmer geeignete Überwachungsmaßnahmen ergreift. Im Gegenteil sollte diese Aufgabe vornehmlich denjenigen Parteien zufallen, die erhebliche Ansprüche auf dem Spiel stehen haben und die offengelegten Informationen sachgerecht auslegen können.34) Dies sind vornehmlich Finanzunternehmen. Da diese allerdings möglicherweise eigene Partikularinteressen verfolgen, wird die Marktkontrolle niemals für sich genommen hinreichend sein. Mit Blick auf die Reichweite des Anlegerschutzes ist auf die Regelung des § 4 Abs. 4 24 FinDAG zu verweisen. Diese dem § 6 Abs. 3 KWG a. F. nachfolgende Vorschrift zeigt an, dass es keine unmittelbare Aufgabe der BaFin ist, die Interessen einzelner Anleger zu schützen,35) daher kann die Vorschrift auch nicht zu einer Haftung der Aufsicht führen. Nach einem gewissen Hin und Her der Rechtsprechung schien diese gesetzliche Klarstellung erforderlich.36) Eine interessante Implikation verdient hervorgehoben zu werden: Ein ___________ 32) Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG), v. 22.4.2002, BGBl. I 2002, 1310. 33) BCBS, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen, Überarbeitete Rahmenversion, v. 6/2004, S. 163 ff. 34) M. Hellwig, Discussion Paper 2015/17, Preprints MPI, S. 7 f. 35) Streib, Eignung stiller Reserven als haftendes Eigenkapital von Kreditinstituten, S. 117. 36) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schwirten, KWG/CRR-VO, 3. Aufl., 2008, § 4 FinDAG Rz. 7 – 14.

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zentraler Ansatzpunkt für den Anlegerschutz ist, namentlich in der Lesart der sog. mikroprudenziellen Regulierung, die Vermeidung individueller Bankinsolvenzen. Damit handelt es sich – ziemlich einzigartig in der Gesamtheit aller staatlich beaufsichtigten Branchen – nicht nur um einen Anleger- sondern auch um einen Unternehmensschutz.37) Mit Blick auf den Sparkassen- und Genossenschaftsbanksektor gilt das konkret auch im Bereich der Einlagensicherung.38) 2.

Funktionenschutz

25 Das zweite Feld ist der Funktionenschutz. Im Gesetz wird – immer noch sehr allgemein – auf die ordnungsgemäße Durchführung von Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen verwiesen. Konkreter wäre hier an diejenigen Argumente zu denken, welche die Vorteilhaftigkeit von Banken begründen. Dies sind solche Angebote an Transformationsleistungen, die, wie oben beschrieben, ein Kapitalmarkt ohne Banken nicht oder nur zu höheren Transaktionskosten erbringen könnte. Die Beeinträchtigung dieser Angebote ist also durch Regulierung und Aufsicht zu vermeiden. 3.

Systemschutz

26 Mit dem Hinweis auf erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft ist die Idee des Systemschutzes konzeptionell bereits angelegt. Seit Umsetzung des CRD IV-Pakets39) hat dies einen expliziten Einfluss in die Regulierung gefunden. In diesem Sinne zu vermeiden ist unter Verweis auf § 1 Abs. 33 KWG eine „Störung im Finanzsystem, die schwerwiegende negative Auswirkungen für das Finanzsystem und die Realwirtschaft haben kann“. 27 Die Formulierung der Zielrichtungen lässt bereits das Nebeneinander mikroprudenzieller und makroprudenzieller Aufsichtskonzeptionen erkennen. Seit jeher zielte die Bankenregulierung auf die Minderung der Gefahr einer individuellen Bankenkrise und deren schädlicher Auswirkungen. Die innere Logik dieser Konzeption liegt auf der Hand: Können Regulierung und Aufsicht garantieren, dass schwerwiegende individuelle Bankenkrisen vermieden werden, ist zugleich eine Systemkrise vermieden. Subtil könnte man erörtern, inwieweit die Bedingung (Vermeidung individueller Krisen) notwendig oder hinreichend für das angestrebte Ziel (Vermeidung einer Systemkrise) ist. Tatsache ist, dass die Bedingung faktisch nicht gewährleistet werden kann. Folglich ist die Mikrosicht um die Makrosicht zu ergänzen. Um dies zu erkennen, bedurfte es keineswegs erst der Bankenkrise. Seinen Vergleich der beiden Sichtweisen fasste Borio bereits 2003 zusammen:

___________ 37) Dewatripont/Rochet/Tirole, Balancing the banks, S. 3. 38) S. u. § 19 Rz. 77 und 87 [Biermann/Lütgerath]. 39) Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013; Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013.

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§6

III. Eigenkapitalnormen Übersicht: Mikro- und makroprudenzielle Sicht der Bankenregulierung

28

Mikroprudenzielle Sicht

Makroprudenzielle Sicht

Unmittelbares Ziel

Begrenzung individueller Bankenkrisen

Begrenzung der Krise des Finanzsystems

Übergeordnetes Ziel

Vermeidung unzumutbarer Verluste bei Anlegern

Vermeidung von BIP-Verlusten

Risiko

Exogen

Zumindest teilweise endogen

Korrelationen und gemeinsame Risikofaktoren

Irrelevant

Wichtig

Quelle: Borio, CESifo ES 49 (2003), 181, 183.

Die Gegenüberstellung verdeutlicht sehr übersichtlich, dass die makroprudenzielle Auf- 29 sicht keineswegs nur einen anderen Ansatzpunkt und ein anderes übergeordnetes Ziel aufweist, sondern auch im Detail anders konzipiert sein muss. Mit der Ergänzung der makroprudenziellen Sicht von Regulierung und Aufsicht wird ein 30 weiteres Ziel ausdrücklich in den Katalog aufgenommen, nämlich die Forderung, eine Inanspruchnahme öffentlicher Gelder bei der Rettung maroder Banken zu vermeiden (bspw. ErwG 73 SRM-VO)40). Ohne dieses Teilziel ließen sich die massiven Fehlreize des als Oberbegriff verstandenen „too systemic to fail“ nicht begrenzen. III.

Eigenkapitalnormen

Grundsätzlich lassen sich die genannten Ziele durch vielfältige bankaufsichtliche Maß- 31 nahmen erreichen. Tatsächlich haben aber Anlage- und Finanzierungsvorschriften eine herausragende Bedeutung. Innerhalb dieser Kategorie gilt dies nochmals für die Eigenkapitalregulierung.41) 1.

Angestrebte Wirkungen

Jede Eigenkapitalnorm42) besteht aus drei Bausteinen:

32

x

der Definition der einbezogenen Kapitalgrößen,

x

der Definition der einbezogenen Risikomaße und

x

der Bestimmung einer Mindestrelation zwischen Kapital und Risikomaß bzw. Höchstrelation zwischen Risikomaß und Kapital.43)

Schon bei einer rein schematischen Anordnung dieser Bausteine lassen sich zwei Lesarten 33 einer Eigenkapitalnorm identifizieren, nämlich die Risikoabdeckung und die Risikobegrenzung. Risikoabdeckung bedeutet, dass gegebene Risiken durch eine Mindest-Eigenkapitalausstattung aufgefangen werden sollen. Genau dies besagt das häufig verwendete Wort „Verlustpuffer“. Risikobegrenzung bedeutet hingegen, dass bei einer gegebenen ___________ 40) Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019. 41) Dazu umfassend s. u. § 7 [Riepe/u. a.]. 42) Im Bereich der Eigenkapitalregulierung für Banken hat sich ein ganz eigenes Vokabular entwickelt. Ungeachtet der stark differenzierenden Begriffe wird im Weiteren schlicht von Eigenkapital und einer Eigenkapitalnorm gesprochen, wenn nicht der konkrete Zusammenhang eine präzisere Begriffsverwendung erfordert. 43) Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht: Theorie und Praxis der Regulierung, S. 123.

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§6

Regulierung der Finanzverfassung: Ökonomische Grundlagen

Eigenkapitalausstattung ein bestimmtes Risiko nicht überschritten werden soll. Mit dieser Lesart vereinbar ist die häufig vorgebrachte Behauptung, Eigenkapital sei teuer und ein Engpassfaktor, der wirtschaftlich einzusetzen sei. 34 Allerdings greifen beide Lesarten zu kurz, weil weder Risiko noch Eigenkapital exogen sind. Vielmehr gehen beide Größen auf bankbetriebliche Entscheidungen zurück. Weil – insbesondere im Eigengeschäft der Bank – das Risiko durch Kauf oder Verkauf von börsengehandelten Finanzinstrumenten sehr kurzfristig angepasst werden kann, ist die Vorstellung eines rein exogenen Charakters des Risikos besonders fragwürdig. Die bedeutendste Funktion von Eigenkapitalnormen liegt daher in der Risikobegrenzung durch Verhaltensbeeinflussung („Eigenkapital als Selbstbehalt“).44) 35 Bekanntlich entsteht das Risikoanreizproblem dadurch, dass auf Seiten der Entscheider einerseits die Partizipation an Gewinnen nach oben unbegrenzt ist, andererseits die Partizipation an Verlusten nach unten durch die Haftungsbeschränkung begrenzt wird (oder technisch formuliert: die Ansprüche der Eigentümer sind konvex in der zugrunde liegenden Erfolgsgröße). Je größer die Eigenkapitalausstattung ist, desto stärker werden die Bankeigentümer auch für negative Handlungsfolgen in Anspruch genommen (wiederum technisch formuliert: desto weniger konvex sind die Eigentümeransprüche), desto schwächer fallen folglich die negativen Externalitäten aus und desto weniger ausgeprägt ist die Neigung, unangemessen hohe Risiken einzugehen. 36 Nun werden in den allermeisten Banken Entscheidungen keineswegs unmittelbar durch die Eigentümer getroffen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die GovernanceMechanismen so gut funktionieren, dass die angestellte Geschäftsleitung ausschließlich im Interesse der Eigentümer handelt. Vielmehr werden die Anreize der Geschäftsleitung maßgeblich durch deren Vergütung und hier wiederum von den variablen Vergütungsbestandteilen beeinflusst. Die Interaktion zwischen Eigenkapitalnormen, variabler Vergütung und ausgelebtem Risikoanreiz ist theoretisch wie empirisch subtil.45) Einerseits wird in stärker eigentümergesteuerten Banken offenbar ein größeres Risiko eingegangen.46) Andererseits haben Banken, die vor der Krise eine größere Eigenkapitalausstattung hatten, ein geringeres Risiko aufgenommen.47) 37 Im Zuge der makroprudenziellen Aufsicht gewinnt wie gesehen das Kriterium an Bedeutung, dass eine notleidende Bank auch ohne Hinzuziehung öffentlicher Mittel abgewickelt werden kann. Dafür ist ein Bail-in erforderlich, also eine weitgehende Beteiligung der Kapitalgeber an den Kosten der Abwicklung. Die generellen Vorschriften über den Mindestbetrag berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities – MREL) in §§ 49 ff. SAG oder die in das CRD V/CRR IIPaket eingearbeiteten Vorschriften über die gesamte Verlustabsorptionskapazität systemrelevanter Banken (Total Loss Absorbing Capacity – TLAC)48) gehören zwar nicht unmittelbar zu den Eigenkapitalnormen, zielen aber leicht erkennbar auf eine Risikoabdeckung: „Unter der Annahme, dass das ‚going-concern‘-Kapital zum Zeitpunkt der Abwicklung vollständig aufgezehrt ist, sollte ausreichend Kapital zur Verfügung stehen, um noch bestehende mögliche Verluste abzudecken sowie eine Rekapitalisierung eines Folgeinstituts i. H. von mindestens 8 % der risikogewichteten Aktiva […] zu ermöglichen“.49)

___________ Baums, ZHR 175 (2011), 160, 182 ff. Neus, DU 68 (2014), 92. Fahlenbrach/Stulz, JFE 99 (2011), 11; Gropp/Köhler, ZEW Discussion Paper No. 10-013. Beltratti/Stulz, JFE 105 (2012), 1. FSB, Principles on loss-absorbing and recapitalisation capacity of G-SIBs in resolution, TLAC term sheet, v. 11/2015. 49) Bundesbank, Monatsbericht 7/2016, S. 70. 44) 45) 46) 47) 48)

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III. Eigenkapitalnormen 2.

Entwicklung der Ausgestaltung

Mit Blick auf die tatsächliche Ausgestaltung der Eigenkapitalnormen ist zu konstatieren, 38 dass an allen der drei in Rz. 32 genannten Stellschrauben immer wieder gedreht wurde. Ein Blick in die Historie hilft somit zu verstehen, welche Entwicklungen zum aktuellen Regulierungsstand beigetragen haben. Im Reichskreditwesengesetz von 193450) waren zwar Rahmenvorschriften über Eigenkapital enthalten, sie wurden allerdings nicht ausgefüllt.51) Daher stellen die Vorschriften des § 10 KWG (vom 10.7.1961) sowie die Grundsätze I und Ia vom 8.3.1962 die ersten wirksamen Eigenkapitalnormen für deutsche Banken dar. Das Risiko wurde (cum grano salis) durch den Umfang der vergebenen Kredite abzgl. der Sammelwertberichtigungen konkretisiert; auch das „haftende Eigenkapital“ wurde nach Maßgabe der Handelsbilanz gemessen. Auf dieser Basis durften die Kredite das 18-fache des haftenden Eigenkapitals nicht überschreiten, die regulative Eigenkapitalquote betrug also 5,55 %. Ausgehend von dieser Grundlage wurden die Eigenkapitalnormen wieder und wieder mo- 39 difiziert,52) wobei nicht selten konkrete Krisenphänomene erkennen ließen, dass die Grundkonstruktion verbesserungsbedürftig war. Dies sei anhand einiger Beispiele verdeutlicht: Die Herstatt-Krise des Jahres 1974 wurde ausgelöst durch Devisenfehlspekulationen die- 40 ses Bankhauses. Bereits am 30.8.1974 trat die Neufassung von Grundsatz Ia des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen (BAKred) in Kraft, demzufolge nun offene Devisenpositionen 30 % des haftenden Eigenkapitals nicht überschreiten durften. Als mittelbare Folge nahm der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) seine Tätigkeit auf; die Umsetzung des Basler Akkordes (Basel I)53) in Deutschland erfolgte durch die 4. KWGNovelle im Jahr 1997. In diesem Zug wurde u. a. die sog. „Cooke-Ratio“54) eingeführt, welche die Unterlegung der gewichteten Risikoaktiva mit 8 % haftendem Eigenkapital verlangt. Bemerkenswert ist hierbei die Umkehrung des Vorzeichens der Norm: Durften zuvor die Kredite ein Vielfaches des haftenden Eigenkapitals nicht überschreiten, waren nun die Risiken zu einem gewissen Mindestanteil mit haftendem Eigenkapital zu unterlegen. Eine wichtige konzeptionelle Änderung bestand darin, dass im Bereich der Marktpreisrisiken erstmals auch bankinterne Modelle zur Bemessung der Risiken herangezogen werden durften. Naturgemäß erfordert dies ebenso die Überprüfung der verwendeten Modelle durch die Aufsicht wie einen aufsichtlichen Rückvergleich (Backtesting), um die Zuverlässigkeit der Modelle zu gewährleisten. Ein wichtiger Meilenstein bestand in der Verabschiedung der Basel II-Reformen im Jahre 41 2004. Eine quantitative Verschärfung der Eigenkapitalnorm war ausdrücklich nicht angestrebt, sehr wohl aber eine nochmals erheblich verfeinerte Risikomessung. Wesentlichen Ausdruck fand dies u. a. in der Einbeziehung der operationellen Risiken als eigene, neue Risikokategorie. Hinzu kam die differenzierte Risikomessung bei Kreditausfallrisiken, um regulativ bedingten Risikofehlanreizen55) zu begegnen. Zuvor hatte es sich im Falle von Eigenkapitalengpässen nämlich gelohnt, ausgerechnet die risikoarmen Positionen abzu___________ 50) Reichsgesetz über das Kreditwesen, v. 5.12.1934, RGBl. I 1934, 1203. 51) Bundesbank, Monatsbericht 3/1962, S. 3. 52) S. für einen knappen Überblick Neus in: Ramser/Stadler, Entwicklungen und Perspektiven der Wirtschaftswissenschaft, S. 198 ff. 53) BCBS, International convergence of capital measurement and capital standards, v. 7/1988. 54) Benannt nach Peter Cooke, 1977–1988 Vorsitzender des BCBS. 55) Koehn/Santomero, JF 35 (1980), 1235. Der grundsätzlich richtige Ansatz hielt die Regulierungsinstanzen jedoch nicht davon ab, eigene Schuldtitel als durchweg risikolos zu bewerten. Offenbar ist die Begünstigung der staatlichen Finanzierungskosten wichtiger als die Förderung der Bankenstabilität. Auch i. R. des CRD V/CRR II-Pakets (s. Rz. 52) wurde dieses Problem noch nicht angegangen.

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§6

Regulierung der Finanzverfassung: Ökonomische Grundlagen

bauen, weil auf diese Weise die Freisetzung von regulativem Kapital zugleich mit den höchsten Liquiditätsgewinnen verbunden war. Die Zulässigkeit bankinterner Modelle der Risikomessung wurde auf das Kreditausfallrisiko ausgeweitet. Die einbezogenen bankinternen Modelle sind durchweg um einiges komplexer als die überwiegend relativ schlicht gehaltenen Standardmodelle der Aufsicht. Dies kann man grundsätzlich als eine differenziertere Form der Risikomessung begrüßen, aber auch mit einer fraglichen Zuverlässigkeit in Zweifel ziehen. Kritiker sprechen von einer „Illusion der Messbarkeit von Risiken“.56) Für die damit verbundenen Befürchtungen gibt es empirische Belege: Die Einführung (interner) komplexer Risikomessmodelle hat zu einer fühlbaren Unterschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeiten geführt.57) 42 Besonders weit reichend war die grundlegende Reform der Eigenkapitalnormen durch Basel III, umgesetzt i. R. des CRD IV-Pakets im Jahr 2014. Durch verschiedene, neu eingeführte Kapitalpuffer kann sich die erforderliche Eigenkapitalunterlegung auf bis zu 18 % erhöhen und damit relativ zum Status quo ante mehr als verdoppeln. Die Puffer i. E. folgen ökonomisch begründeten Anforderungen. 43 Der Kapitalerhaltungspuffer (§ 10c KWG) soll dem Faktum Rechnung tragen, dass man den Kuchen nicht zugleich essen und noch haben kann. Wenn nämlich Risiken schlagend werden und zu Verlusten führen, zehren sie einen Teil des Eigenkapitalpuffers auf, der folglich für eine weitere Verlustabfederung nicht mehr zur Verfügung steht. Der Logik der Eigenkapitalnormen folgend müsste dies dazu führen, dass das abgestufte Instrumentarium der Sanktionierung (§§ 10i Abs. 6 ff., 45 KWG) durch die Aufsicht in Gang gesetzt wird. Dieser elementare Zusammenhang wird häufig als „regulatorisches Paradoxon“ bezeichnet. Die Einführung des Kapitalerhaltungspuffers durchbricht diesen Zusammenhang. Freilich lässt sich diskutieren, ob es dieses Puffers tatsächlich bedurft hätte. Es ist Zeichen einfacher betriebswirtschaftlicher Sorgfalt, dass ein Unternehmen bindende Restriktionen nie bis zum Allerletzten ausreizt, damit nicht bereits eine geringfügige zufällige Schwankung die Verletzung der Restriktion und letztlich eine Sanktionierung nach sich zieht. Folgerichtig geht der ICAAP-Leitfaden der EZB davon aus, dass Banken über die regulatorischen und aufsichtlichen Mindestvorgaben hinaus einen sog. Managementpuffer unterhalten.58) 44 Der institutsspezifische antizyklische Puffer (§ 10d KWG) zielt auf ein Problem, das in der theoretischen Literatur schon vor der Umsetzung von Basel II thematisiert,59) aber erst im Zuge von Basel III angegangen wurde, nämlich die möglicherweise prozyklische Wirkung von risikoabhängigen Eigenkapitalnormen. In einer konjunkturellen Krise schmälern Verluste durch ausgefallene Kredite das Bankeigenkapital, zugleich erhöht sich das Risiko der noch ausstehenden Kredite. Die Einhaltung der Norm gerät also von zwei Seiten unter Druck. Da es in der Krise besonders schwierig ist, Eigenkapital extern aufzunehmen, können sich Banken gezwungen sehen, die Kreditvergabe einzuschränken. Dies wiederum verschärft möglicherweise die Krise. Das gleiche gilt bei dem Verkauf von Nichtkredit-Aktiva, die infolge des Angebotsdrucks einen ohnehin bestehenden Preisverfall verschärfen.60) Die Idee des antizyklischen Puffers ist daher, in Boomzeiten zusätzliche ___________ 56) M. Hellwig, Discussion Paper 2010/19, Preprints MPI, S. 33; ähnlich Dewatripont/Rochet/Tirole, Balancing the banks, S. 103. 57) Behn/Haselmann/Vig, ECB Working Paper No. 1928, v. 7/2016. 58) EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, Rz. 45 – 47. 59) Blum/Hellwig, EER 39 (1995), 739; Tirole, EER 38 (1994), 469. 60) Rudolph, ZHR 175 (2011), 284, 293 ff.

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§6

III. Eigenkapitalnormen

Eigenkapitalpuffer aufzubauen, die in Zeiten der Krise aufgezehrt werden dürfen, ohne die Kreditvergabe einschränken oder zu Notverkäufen greifen zu müssen. So klar die Grundidee ist, so schwierig ist deren Implementierung. Die entscheidende 45 Schwierigkeit besteht offenbar darin, geeignete Signale für den Auf- und Abbau des antizyklischen Puffers zu identifizieren. Die Abweichungen des Verhältnisses der Kredite zum Bruttoinlandsprodukt von seinem langfristigen Trend sind maßgeblich für die Bewertung. In Bezug auf diese von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich vorgeschlagene Konzeption61) ist umstritten, ob sie den richtigen Zeitpunkt trifft;62) Hellwig spricht von der „Illusion der Messbarkeit der Zyklizität“.63) Tatsächlich sollte die genannte Kennzahl auch keinen Automatismus auslösen, sondern für die Aufsicht einen zu beurteilenden Indikator darstellen.64) Diese etwas bescheidenere Herangehensweise entspricht sinngemäß auch der Formulierung von § 10d Abs. 3 Satz 3 KWG.65) Drei weitere Kapitalpuffer zielen noch unmittelbarer auf die makroprudenzielle Auf- 46 sichtskonzeption, nämlich der allgemeine Puffer für systemische Risiken (§ 10e KWG) sowie die institutsspezifischen Puffer für global (§ 10f KWG) bzw. anderweitig systemrelevante Institute (§ 10g KWG). Der Puffer für systemische Risiken soll dazu beitragen, in Zeiten einer systemischen Gefährdung die Stabilität der Banken insgesamt zu erhöhen. Demgegenüber folgen die Puffer für systemrelevante Banken der Logik, die Krise einer systemrelevanten Bank sei infolge der ausgeprägten Externalitäten umso mehr zu vermeiden, was eine strengere Eigenkapitalnorm erfordert. Zwar steht bei dem CRD IV-Paket die Erhöhung der Eigenkapitalunterlegung im Mittel- 47 punkt, dennoch gibt es erneut auch Anpassungen bei der Risikomessung. Hervorzuheben ist die Einbeziehung der Bonitätsverschlechterung bei Kontrahenten im Derivatebereich (sog. CVA-Adjustments, Art. 381 ff. CRR). Dabei werden Geschäfte mit einer qualifizierten zentralen Gegenpartei bevorzugt. Eine letzte bemerkenswerte Neuerung im Bereich der Eigenkapitalnormen durch das 48 CRD IV-Paket liegt in der Verschuldungsquote (Leverage Ratio, Art. 429 CRR), definiert als Quotient von Kernkapital und einer Gesamtrisikopositionsmessgröße. Anlass für die Einführung der neuen Kennzahl war die als übermäßig erachtete Verschuldung der Banken im Vorfeld der Bankenkrise.66) Das alleine hätte eine eigene Kennzahl aber nicht erfordert. Die Tatsache, dass die Verschuldungsquote grundsätzlich als nicht risikosensitive Kennzahl konzipiert ist, offenbart ein erkennbares Unbehagen über eine unzureichend präzise Risikomessung, wie sie den bankinternen Modellen zugrunde liegt.67) Behn/Haselmann/ Vig belegen empirisch, dass bei Verwendung des Kreditrisiko-Standardansatzes die geschätzten Ausfallwahrscheinlichkeiten höher, die realisierten Ausfallhäufigkeiten aber niedriger waren als bei Verwendung fortgeschrittener, auf internen Ratings beruhender Ansätze.68) Das gleiche Nebeneinander risikoabhängiger und nicht risikoabhängiger Messkonzeptionen ist auch bei den TLAC-Vorschriften über eine Verlustabsorptionskapazität

___________ 61) Drehmann/Borio/Tsatsaronis, IJCB 7 (2011), 189. 62) Repullo/Saurina, CEPR Discussion Paper 3/2011, S. 13 und passim. 63) M. Hellwig, Discussion Paper 2010/19, Preprints MPI, S. 35. Ganz ähnlich im Ergebnis Haselmann/ Krahnen/Wahrenburg, SAFE Policy Report No. 1, S. 295. 64) Drehmann/Tsatsaronis, BIS Quarterly Review 3/2014, S. 55. 65) Bericht d. FA z. RegE z. CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/13541, S. 11 f. 66) Vgl. ErwG 91 CRR a. F. 67) Bundesbank, Monatsbericht 6/2013, S. 65. 68) Behn/Haselmann/Vig, ECB Working Paper No. 1928, v. 7/2016, S. 39.

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Regulierung der Finanzverfassung: Ökonomische Grundlagen

erkennbar; beide Konzeptionen fließen ein, die jeweils strengere soll gelten.69) Da die Verschuldungsquote die risikoabhängige Eigenkapitalunterlegung nicht ablöst, sondern ergänzt, ist eine Kritik nicht nachvollziehbar, die Verschuldungsquote provoziere Risiken, da Banken den Anreiz haben, riskantere Kredite zu vergeben und risikoreichere Investitionen zu tätigen.70) Überdies wurde im Zuge ihrer Konzeption die eine oder andere Risikokomponente in die Bemessung der Verschuldungsquote einbezogen.71) Schließlich sei der Hinweis erlaubt, dass die Verschuldungsquote sprachlich verfehlt bezeichnet ist, soll doch einem Übermaß an Verschuldung durch eine Mindest-Verschuldungsquote begegnet werden. 49 Die „Fertigstellung von Basel III“72), bisweilen bereits als „Basel IV“ bezeichnet, hat zum erklärten Hauptziel, die Bemessung der risikogewichteten Aktiva weiter zu vereinheitlichen und damit einen besseren Quervergleich der Risiken zwischen verschiedenen Banken zu ermöglichen. Ansatzpunkte dafür finden sich in einer risikosensitiveren Ausgestaltung der Standardansätze, in der Einschränkung der Verwendung interner Modelle (künftig nicht mehr erlaubt bei operationellen Risiken) sowie in der abschließenden Implementierung der Verschuldungsquote sowie eines Output-Floors. 50 Die Einführung des Letzteren bringt es mit sich, dass alle Banken nunmehr auch die Standardmodelle anwenden müssen. Erst aus dem Vergleich von internen Modellen und Standardmodellen ergibt sich die effektive Untergrenze von 72,5 % der risikogewichteten Aktiva im Falle der Standardmodelle. Offensichtlich liegt auch dem Output-Floor ein Misstrauen gegenüber einer hinreichend zuverlässigen (und vergleichbaren) Risikomessung interner Modelle zugrunde. 51 Die Umsetzung erfolgt durch das CRD V/CRR II-Paket,73) wobei die Elemente der Richtlinie natürlich noch in deutsches Recht zu überführen sind. Die vollumfängliche Anwendung der Vorschriften erfolgt zum 1.1.2022 bzw. – im Fall des Output-Floors – zum 1.1.2027. 3.

Schaden strikte Eigenkapitalnormen?

52 Eigenkapitalnormen gehören zu den zentralen Bausteinen der Bankenregulierung. Wenig überraschend gibt es daher zahlreiche Grundsatzabhandlungen, die sich generell mit Nutzen und Kosten einer hohen Bankeigenkapitalausstattung befassen. Die Tendenz reicht von einer scharfen Kritik an der Kritik von Eigenkapitalnormen74) über differenzierende Analysen75) und quantitative Abschätzungen76) bis hin zu von der Wirtschafts- oder Bankenlobby in Auftrag gegebenen Gutachten.77) Die Diskussion kann hier nicht i. E. nachvollzogen werden. Jedoch lässt sich anhand einiger Beispiele zeigen, dass namentlich die ___________ 69) FSB, Principles on loss-absorbing and recapitalisation capacity of G-SIBs in resolution, TLAC term sheet, v. 11/2015. 70) Bundesbank, Monatsbericht 6/2013, S. 65. 71) Hartmann-Wendels, Die Leverage Ratio, S. 122 f. 72) BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 12/2017; Bundesbank, Monatsbericht 1/2018, S. 77 ff. 73) Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. 74) Allen voran Admati/DeMarzo/Hellwig/Pfleiderer, Discussion Paper 2013/23, Preprints MPI. 75) Thakor, ARFE 6 (2014), 185. 76) Dagher/Dell‘Ariccia/Laeven/Ratnovski/Tong, IMF Staff Discussion Note 16/04. 77) Kaserer, Auswirkung der CRD IV auf die Unternehmensfinanzierung, bzw. Hartmann-Wendels, Die Leverage Ratio.

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§6

III. Eigenkapitalnormen

theoriegeleiteten Argumente der Kritiker verschärfter Eigenkapitalnormen bisweilen deutliche Schieflagen aufweisen: Dass mehr Eigenkapital positiv zur Finanzstabilität beiträgt, wird niemand bestreiten. 53 Kritik an schärferen Eigenkapitalnormen setzt daher v. a. an den Nebenwirkungen an. Diese betreffen zum einen die Verteuerung der Kreditversorgung der Realwirtschaft, zum anderen die Abwanderung von Finanzmarktaktivitäten in den weitgehend unregulierten Schattenbanksektor. Die Kreditversorgung könnte sich infolge verschärfter Eigenkapitalnormen verteuern, 54 wenn sich die Refinanzierungskosten der Banken erhöhten und der Kostenanstieg wenigstens teilweise an die Kreditnachfrager weitergegeben würde. Die Erhöhung der Refinanzierungskosten wird ihrerseits damit begründet, dass ein größerer Teil der gesamten Refinanzierung über das „teurere“ Eigenkapital statt über das „billigere“ Fremdkapital vorgenommen wird – so in der Hauptsache die Argumentation. Aus einer Reihe von Gründen greift diese Darstellung allerdings zu kurz: x

Ursache und Wirkung werden unzulässig vermischt, wenn nicht gar verwechselt. Wenn die Eigenkapitalkosten hoch sind, liegt dies nicht zuletzt an der hohen Verschuldung von Banken. Dies ist eine elementare Implikation des schlichten LeverageEffekts. Demzufolge senken verschärfte Eigenkapitalnormen die Eigenkapitalkosten. Die Gesamtwirkung auf die durchschnittlichen Kapitalkosten ist dann erst einmal unbestimmt.

x

(Relativ) niedrige Fremdkapitalkosten können ihrerseits Folge einer Fehlregulierung sein. Eine erste Ursache dafür liegt in den impliziten Staatsgarantien, welche Gläubiger von Risiken freistellen und damit letztlich nicht marktgerechte Finanzierungskonditionen mit sich bringen. Dies lässt sich auch empirisch belegen.78) Regulierungen, welche dazu betragen, implizite Staatsgarantien zu relativieren, verringern zugleich den Kapitalkostennachteil von Eigenkapital.

x

Auch wegen steuerlicher Vorteile der Fremdfinanzierung werden die Finanzierungskosten der Banken durch verschärfte Eigenkapitalnormen erhöht. Auf der individuellen Ebene einer Bank trifft dieses Argument bei wohl allen real existierenden Steuersystemen zu. Zugleich ist auch dies Ausfluss einer (beklagenswerten) Subventionierung der Fremdfinanzierung durch den Fiskus, die ihrerseits zu verzerrten Investitionsentscheidungen von Unternehmen im Allgemeinen und Banken im Besonderen führt. Im Kern werden bei diesem Argument private und soziale Kosten verwechselt.

x

Bisweilen wird darauf hingewiesen, die Kosten des Prozesses der Eigenkapitalaufnahme seien sehr hoch. Dies wird seinerseits mit Signalkosten der Beteiligungsfinanzierung begründet, beruhend auf der sog. Pecking-order-Theorie der Unternehmensfinanzierung nach Myers/Majluf.79) Hier liegt eine fehlerhafte Logik zugrunde, denn der genannte Ansatz setzt voraus, dass sich die im Interesse der bisherigen Eigentümer handelnde Unternehmensleitung für eine Beteiligung entscheidet. Eine durch Regulierung erzwungene Beteiligung kann aber keinerlei Signaleffekte auslösen. Auch die relativ hohen Kosten des Finanzierungsvorgangs werden kritisiert. Diese ließen sich freilich schon dadurch deutlich reduzieren, dass nicht auf die Verwendung von Bezugsrechten verzichtet würde.80)

___________ 78) Schweikhard/Tsesmelidakis, University of Oxford, Working Paper 3/2013. 79) Myers/Majluf, JFE 13 (1984), 187. 80) Bühner/Kaserer, EFM 8 (2002), 315; Smith, JFE 5 (1977), 273.

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§6 x

Regulierung der Finanzverfassung: Ökonomische Grundlagen Eine deutliche Verschärfung von Eigenkapitalnormen wird, namentlich in den immer noch nachwirkenden Folgen der Krise, ausschließlich durch Gewinnthesaurierung nicht bewältigt werden können. Es könnte fraglich sein, ob der Kapitalmarkt in der Lage ist, das erforderliche Eigenkapital für eine Vielzahl von Banken zugleich bereitzustellen. Etwas eleganter formuliert könnte man auf eine zu geringe Angebotselastizität des Eigenkapitalmarktes verweisen. Von der Hand zu weisen ist diese Befürchtung gewiss nicht. Sollte eine weitere Verschärfung der Eigenkapitalnormen ins Auge gefasst werden, spräche daher viel dafür, eine auskömmliche Anpassungsphase dafür vorzusehen.

55 Zu diskutieren bleibt das Argument, eine striktere Eigenkapitalregulierung führe dazu, dass finanzwirtschaftliche Aktivitäten in den unregulierten Schattenbanksektor abzuwandern drohen. Per se ist dieser Gedanke zumindest nicht unplausibel. Gleichwohl ist nicht einzusehen, warum dies ein Argument gegen scharfe Eigenkapitalnormen sein soll. Wäre an der Abwanderung der Geschäfte in den Schattenbankensektor dessen Verflechtung mit regulären (und somit regulierten) Banken kritisch, müsste eine solche Verflechtung konsequent unterbunden werden – wie es in § 3 Abs. 2 Satz 2 KWG zumindest ansatzweise vorgesehen ist. Sind hingegen zusätzliche Aktivitäten innerhalb des Schattenbankensektors per se kritisch zu sehen, weil dieser Sektor insgesamt schädliche Auswirkungen hat, wäre daraus ein genereller Regulierungsbedarf für Schattenbanken abzuleiten. 56 Schließlich ist auf die Interaktion zwischen Eigenkapitalvorschriften und anderen regulativen Maßnahmen hinzuweisen. Auch basierend auf der Sorge um eine unzulängliche Eigenkapitalausstattung der Banken vor der Bankenkrise wurde in deren Folge das Korsett von Detailvorschriften zum Bankverhalten im Allgemeinen immer enger geschnürt. Gerade dadurch wird allerdings das alltägliche Bankgeschäft behindert und verteuert. Eine Verschärfung von Eigenkapitalnormen könnte dagegen mit einer Lockerung von regulativen Schrauben an anderer Stelle einhergehen.81) IV.

Eigenkapital zwischen regulatorischen Anforderung und Rechnungslegungsstandards

57 Eigenkapital spielt bekanntlich eine zentrale Rolle, sowohl bei der Regulierung zur bankspezifischen Risikotragfähigkeit und der allgemeinen Verschuldungsquote als auch bei den Großkreditgrenzen der Banken. Die zugrunde liegenden ökonomischen Überlegungen stellen dabei primär auf die Funktion des Eigenkapitals ab (siehe Rz. 33). Dieses soll, wie oben ausgeführt, u. a. das Überleben der Bank bei schlagend werdenden Risiken sichern, Risiken ex ante begrenzen, im Verlustfall den Schaden für nachrangige Kapitalgeber, insbesondere für private Einleger, abfedern und die Anreize des von den Eigenkapitalgebern bestellten und überwachten Managements in Bezug auf die einzugehenden Risiken auf ein angemessenes Ausmaß reduzieren. Beispiele für dieses Verständnis finden sich u. a. in den Ausführungen von Thakor82) und Admati/DeMarzo/Hellwig/Pfleiderer83), die sich in ihren Analysen und den zugrunde liegenden Argumentationen explizit auf das Eigenkapital beschränken, da dieses im Gegensatz zu anderen Kapitalbestandteilen die oben beschriebenen Funktionen am besten erfüllt.

___________ 81) Haselmann/Krahnen/Wahrenburg, SAFE Policy Report No. 1, S. 345 f. 82) Thakor, ARFE 6 (2014), 185. 83) Admati/DeMarzo/Hellwig/Pfleiderer, Discussion Paper 2013/23, Preprints MPI, S. 8 ff.

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IV. Eigenkapital zwischen Regulierung und Rechnungslegung

§6

Während der Eigenkapitalbegriff in der ökonomischen Theorie somit über seine Funk- 58 tionen relativ klar umrissen ist84), erfolgt die Bestimmung der regulatorischen Eigenmittelbestandteile grundsätzlich auf Basis der Rechnungslegung. Obwohl die Bankenregulierung prinzipiell unabhängig von den Regelungen der Rechnungslegung ist, führt die Anlehnung an das bilanzielle Zahlenwerk zu zahlreichen Interdependenzen. Dies schließt bspw. die Berücksichtigung weiterer Kapitalbestandteile und Sachverhalte in den regulatorischen Eigenmittelbegriff ein, die nicht immer den zentralen ökonomischen Funktionen von Eigenkapital in der Bankenregulierung genügen. Um regulatorisch unerwünschte Einflüsse aus der Rechnungslegung zu begrenzen, haben sich zunehmend Anpassungsvorschriften, sog. Prudential Filter, herausgebildet.85) Diese greifen in einzelne Sachverhalte der Rechnungslegung ein, korrigieren Ansatz- und Bewertungsvorschriften für die Bankenregulierung und führen somit die verwendete Messgröße der Eigenmittel stärker an die in der ökonomischen Theorie aufgezeigten notwendigen Funktionen von Eigenkapital als regulatorisches Instrument heran. 1.

Vorteile eines gemeinsamen Regelwerkes für Bankenregulierung und Rechnungslegung

Die Orientierung der Bankenaufsicht an der bilanziellen Rechnungslegung als einem be- 59 reits bestehenden und wohl definierten Rahmen bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Da Banken als Institute nach § 26 KWG, aber auch als Kaufleute den §§ 242 ff. HGB folgend verpflichtet sind, einen den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung folgenden Abschluss aufzustellen, stehen die Informationen des externen Rechnungswesens ohne einen zusätzlichen Erstellungsaufwand auch für Regulierungszwecke zur Verfügung. Dies erlaubt es der Bank, Synergien der regulatorischen Berichtserstattung mit der Erstellung des Jahresabschlusses und der dafür notwendigen Informationssysteme zu nutzen. Teile dieser Synergien bleiben selbst bestehen, wenn die Bankenregulierung in Detailfragen abweicht. Somit sorgt die Orientierung an diesem bereits bestehenden Rahmen zunächst für eine kostengünstigere Umsetzung. Die in der Bank bereits vorhandene Expertise bei der Auslegung der Rechnungslegungs- 60 vorschriften selbst für komplexe Sachverhalte bietet dem Ersteller darüber hinaus eine hinreichende rechtliche Sicherheit. Weiter kann die Bank aus einem großen Pool gut ausgebildeter Fachleute das nötige Personal rekrutieren. Eine stärkere Spezialisierung, wie sie bspw. im versicherungsmathematischen Aktuarswesen erfolgt,86) wird in diesem Ausmaß vermieden. All dies senkt ebenfalls die Kosten für die Bank, welche diese Kostenersparnis im Idealfall auch an die Kunden weitergeben kann. Ein weiterer zentraler Vorteil der Orientierung der Bankenregulierung an der Rech- 61 nungslegung entsteht insbesondere für den Regulierer, nämlich die große Detailtiefe. In der Rechnungslegung sind klare Regeln zur Behandlung vieler Sachverhalte festgelegt oder über allgemein anerkannte Grundsätze definiert87) und für die Anwender in zahlreichen Handreichungen und Auslegungshinweisen gut dokumentiert. Im Gegensatz dazu müsste bei einer von der Rechnungslegung völlig unabhängigen Bankenregulierung die Behandlung aller möglichen Sachverhalte detailliert erarbeitet und mit allen Interessengruppen abgestimmt werden. Ein derartiges Vorgehen wäre für den Regulierer mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden. Die Orientierung an der Rechnungslegung erlaubt ihm ___________ 84) Für eine Schuldrechtliche Diskussion von Risikokapital sei an dieser Stelle auf die Arbeit von J. Hellwig, Verlustausgleich und Risikotragung, S. 1, verwiesen. 85) S. hierzu auch § 7 Rz. 31 [Engelbach]. 86) Fogarty/Grant, TAR 9 (1995), 23. 87) Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 8 ff.

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deshalb, sich auf zentrale Problemfälle zu konzentrieren und ggf. Sondervorschriften zu erlassen, die eine Abweichung im Bedarfsfall vorschreiben. 62 Weiter profitiert der Regulierer von der Arbeit der Wirtschaftsprüfer. Diese stellen eine angemessene Verlässlichkeit der zugrunde liegenden Zahlen sicher.88) Die Wirtschaftsprüfer prüfen i. R. der Testierung des bilanziellen Zahlenwerks nicht nur zahlreiche Geschäftsvorfälle, sondern auch die zugrunde liegenden internen Prozesse. Damit gewinnen sie nicht-öffentliche Informationen über Unternehmensabläufe und sind somit in der Lage, frühzeitig Fehlentwicklungen zu erkennen und nicht-konformes Verhalten des Managements i. R. eines Prüfungsvermerkes anzuzeigen. Hier spielt auch die Going-ConcernPrüfung nach § 252 HGB eine Rolle,89) in der der Abschlussprüfer aufgefordert ist, eine Aussage über das Geschäftsmodell und die Zukunftsfähigkeit der Bank zu treffen. 63 Nicht nur der Regulierer profitiert von der Nähe der Bankenregulierung zur Rechnungslegung. Er schafft auch bestimmte Vorteile für weitere externe Adressaten des Jahresabschlusses. Zu diesen Adressaten zählen u. a. Vertragspartner, potenzielle Arbeitnehmer sowie die allgemeine Öffentlichkeit und die Politik. Die Bankenaufsicht trägt auch zu einer höheren Verlässlichkeit der Bilanzierung bei. Im Rahmen von Regelprüfungen wertet sie nach § 26 KWG Teile des bilanziellen Zahlenwerks und vergleichbarer nicht-öffentlicher Kennzahlen aus, die auch zur Erstellung der Bilanz beitragen, und bewertet diese.90) Sie setzt Bilanzierungsregeln auch im Hinblick auf die Säule 3 der Basel-Regulierung durch und kann Verstöße ahnden. So zeigen Bischof/Daske91), dass selbst einmalige, durch den Bankenregulierer induzierte Veröffentlichungen wie Banken-Stresstest-Ergebnisse in der EU zu einem nachhaltigen Anstieg an freiwilliger Transparenz der Banken und einer höheren Aktienliquidität geführt haben. Weiter dokumentieren Bischof/Daske/Elfers/ Hail92) einen starken Anstieg in der Konformität mit den Offenlegungsvorschriften nach IFRS 7, wenn diese ebenfalls vom Bankenregulierer durchgesetzt werden. 64 Zusammenfassend erhöht sich durch die Nähe der Bankenregulierung zur Rechnungslegung die Transparenz für externe Anspruchsgruppen. Weiter können diese auf Basis der Rechnungslegung das Verhalten des Bankenregulierers besser antizipieren und regulierungsinduzierte Verhaltensweisen des Managements nachvollziehen. Die erhöhte Transparenz kann wiederum einen Beitrag zur Bankenstabilität leisten, da die Kapitalmarktüberwachung eine zentrale Säule der Bankenaufsicht darstellt und höhere Transparenz sich positiv auf die Liquiditätsversorgung von Banken auswirken kann. 2.

Spannungsfelder zwischen externer Rechnungslegung und Bankenregulierung

65 Neben den Vorteilen ergeben sich aus dem Spannungsfeld der beiden Regelungswerke aber auch Herausforderungen, insbesondere für die Bankenregulierung. Diese können auf die jeweiligen, teils sehr unterschiedlichen Zielsetzungen zurückverfolgt werden.93) Auch innerhalb der Rechnungslegung gibt es weitere, teils sehr unterschiedliche Ausrichtungen: ___________ 88) Bischof/Laux/Leuz, ECGI – Law Working Paper No. 445/2019, S. 19 f.; für eine krit. Diskussion potentieller Diskrepanzen zwischen der vorgesehenen und tatsächlichen qualitätssichernden Rolle von Wirtschaftsprüfern in der Finanzkrise. 89) IDW, Die Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der Abschlussprüfung – PS 270, Stand: 9.9.2010, S. 1 ff. 90) BaFin, Aufsichtsrichtlinie, v. 21.5.2013, Stand: 19.12.2016, Nr. 3.4.3. 91) Bischof/Daske, JAR 51 (2013), 997. 92) Bischof/Daske/Elfers/Hail, A Tale of Two Regulators: Risk Disclosures, Liquidity, and Enforcement in the Banking Sector, v. 1/2020, S. 1 ff. 93) Riepe, JIEL 22 (2019), 1 ff.

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IV. Eigenkapital zwischen Regulierung und Rechnungslegung

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Bei der Rechnungslegung nach dem deutschen HGB stehen die Ausschüttungsbemes- 66 sungsfunktion, die Steuerbemessungsfunktion sowie die Informationsfunktion der Kapitalgeber im Vordergrund.94) Nicht zuletzt aufgrund der stark von Banken geprägten Finanzierungskultur in Deutschland stellt das HGB die Fremdkapitalgeber und deren Informationsbedürfnisse in den Mittelpunkt. Nur konsequent sind die daraus abgeleiteten, sehr vorsichtigen und auf Verlässlichkeit ausgerichteten Bilanzansatz- und Bewertungsvorschriften, die sich bspw. in Imparitäts- und Realisationsprinzip widerspiegeln. Konkret manifestieren sich diese Grundsätze bspw. in der Vorsorge für allgemeine Bankrisiken nach § 340f HGB und in den Sonderposten für allgemeine Bankrisiken nach § 340g HGB, die auch als „Willkürreserven“ bezeichnet werden können. Diese erlauben das Schaffen stiller und offener Reserven,95) führen zu einem sehr zurückhaltenden Gewinnausweis und verhindern so eine übermäßige Gewinnausschüttung. Der vorsichtige Charakter der Rechnungslegung nach HGB ist prinzipiell gut mit den 67 Zielen des Bankenaufsichtsrechts vereinbar. Während die vorsichtige Ausrichtung und die Orientierung an den Fremdkapitalgebern vor einigen Jahren noch deutlich im Mittelpunkt standen,96) lässt sich in der jüngeren Vergangenheit, spätestens jedoch seit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)97) aus dem Jahre 2009, eine leichte Abkehr von dieser Sichtweise beobachten, die mit einer stärkeren Marktorientierung und Ausrichtung an den Informationsbedürfnissen der Eigenkapitalgebern einhergeht.98) In seinem vorsichtigen Charakter unterscheidet sich die Rechnungslegung nach HGB 68 stark von den Vorschriften der Internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS), die insbesondere für die Konzernberichtserstattung kapitalmarktorientierter Unternehmen relevant sind.99) Ähnliches gilt auch für die US-amerikanischen Rechnungslegungsgrundsätze, die US-GAAP. Diese richten sich fast ausschließlich an die Informationsbedürfnisse der Kapitalmarktteilnehmer mit einem besonderen Fokus auf die Eigenkapitalgeber aus.100) Die Rolle von Fremdkapitalgebern und weiteren Anspruchsgruppen findet sich zwar auch hier wieder, ist jedoch in seiner Wertigkeit deutlich schwächer ausgeprägt. Daraus folgend orientieren sich der Ansatz und die Bewertung nach IFRS und US-GAAP eher an der Entscheidungsnützlichkeit für Eigenkapitalgeber und verzichten überwiegend auf eine vorsichtige Ausrichtung. Auch wenn Eigentümer prinzipiell ebenfalls an verlässlichen Informationen und der Darstellung von Risiken interessiert sind, steht den IFRS folgend v. a. die ausgewogene Darstellung von Risiken und Chancen, also die Abschätzung unsicherer Zukunftsentwicklung im Zentrum. Hierbei orientiert sich die Darstellung nach den IFRS hauptsächlich am Begriff der angemessenen Darstellung der wirtschaftlichen Lage (True and Fair View“). Es ergibt sich eine Bewertung, die sich häufiger am beizulegenden Zeitwert orientiert und bspw. auch nicht-realisierte Gewinne einbezieht. Zugleich soll eine allzu vorsichtige Bilanzierung vermieden werden, was sich bspw. an der Wertberichtigungsermittlung für ausfallgefährdete Kredite basiert auf dem sog. Incurred-LossModell nach IAS 39101) erkennen lässt. Hiernach durften Rückstellungen für Wertberich___________ 94) 95) 96) 97) 98) 99) 100) 101)

Leuz/Wüstemann, CFS Working Paper No. 2003/16, S. 451. S. a. Waschbusch/Blaß/Berg, BKR 2018, 450. Leuz/Wüstemann, CFS Working Paper No. 2003/16, S. 452 ff. Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts – Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), v. 25.5.2009, BGBl. I 2009, 1102. Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 49. Vgl. Riepe, JIEL 22 (2019), 1. Vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Internationale Rechnungslegung, S. 99 ff. IAS 39 – Financial Instruments: Recognition and Measurement, v. 18.2011.

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tigungen erst dann erfasst werden, wenn sie auf ein bereits eingetretenes Ereignis zurückgeführt werden können. 69 In jüngster Vergangenheit und als Reaktion auf die zurückliegende Bankenkrise lässt sich hier eine leichte Abschwächung und eine Verschiebung zu einer etwas vorsichtigeren Bilanzierung beobachten, die durch den IFRS 9 eine Risikovorsorge auf Basis auch erwarteter Verluste nach dem sog. Expected-Loss-Modell erlaubt. Auf diese Weise werden Verluste frühzeitig in der Bilanz widergespiegelt, wodurch sich das regulatorische Eigenkapital schneller anpasst. Nach Novotny-Farkas102) trägt der IFRS 9 grundsätzlich zu einer Erhöhung der Finanzstabilität bei, kann aber in Einzelfällen die Volatilität des bilanziellen Eigenkapitals erhöhen und durch größere diskretionäre Spielräume die Informationsgüte einschränken. 70 Die oben ausgeführten Ziele der Bankenregulierung (siehe Rz. 22), namentlich der Anlegerschutz, der Verbraucherschutz sowie der Funktions- und Systemschutz, unterscheiden sich deutlich von den Zielen der Rechnungslegung nach HGB wie auch nach den IFRS. Diesen Schutzgedanken folgend sollten Eigenkapitalnormen der Bankenregulierung alle Risiken im Vorfeld angemessen berücksichtigen, später bei schlagend werdenden Risiken das Überleben und die Funktionsfähigkeit einer Bank nach Möglichkeit sichern und, falls dies nicht mehr möglich ist, zumindest den Schaden von den Anlegern und Verbrauchern sowie der Gesamtwirtschaft abwenden. 71 Das Eigenkapital muss somit gerade in wirtschaftlich schwierigen Situationen in einem ausreichenden Ausmaß und in einer hinreichenden Qualität vorhanden sein, was sich nicht immer mit dem zukunftsgerichteten Ausweis von unsicheren Gewinnerwartungen nach IFRS decken muss. Allerdings sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass auch nach dem handelsrechtlichen Abschluss mit einem Fokus auf fortgeführten Anschaffungskosten durch sog. Gains-Trading, also dem Verkauf von Vermögenswerten mit Marktwertsteigerungen und dem Halten von Vermögenswerten mit Marktwertverlusten, ein nicht-vorsichtiges Bilanzbild erzeugt werden kann.103) 3.

Normensetzung und Gesetzgebung

72 Ein weiterer zentraler Unterschied zwischen der Bankenregulierung und der Rechnungslegung nach IFRS besteht in der Gestaltungshoheit für die Normsetzung bzw. für die Gesetzgebung.104) Während das Bankenaufsichtsrecht von staatlichen Akteuren und ihren Vertretern in nationalen und internationalen Organen, wie dem BCBS, der Europäischen Zentralbank (EZB), der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) und nationalen Aufsichtsbehörden (BaFin) gestaltet wird, gehen die IFRS auf das International Accounting Standards Board (IASB) zurück. Das IASB ist eine gemeinnützige und private Organisation und wird von der IFRS Foundation finanziert und überwacht, die von einem Vorstand aus 22 Treuhändern geleitet wird. Die Stiftung finanziert sich durch öffentliche Zuwendungen, z. B. der Kommission als größtem Einzelspender in 2018 oder dem China Ministry of Finance sowie aus Spenden großer Unternehmen und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.105) ___________ 102) 103) 104) 105)

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Novotny-Farkas, AiE 13 (2016), 197. Beatty/Liao, JAE 58 (2014), 339, 356; Laux/Leuz, JEP 24 (2010), 93, 97. Riepe, JIEL 22 (2019), 1. Allein die vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, namentlich Deloitte Touche Tohmatsu Limited, KPMG, Ernst & Young und PricewaterhouseCoopers, spendeten im Jahre 2015 jeweils gut 1,65 Mio. US-$. Der Fußballverwein Borussia Dortmund unterstützt über seine GmbH & Co. KGaA als einziger Sportverein ebenfalls die IFRS Foundation; vgl. IFRS Foundation, Annual Report 2018, S. 38 ff., http:// www.ifrs.org/-/media/feature/about-us/funding/annual-report-2018.pdf (Abrufdatum: 2.4.2020).

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IV. Eigenkapital zwischen Regulierung und Rechnungslegung

§6

Das IASB entwickelt und verabschiedet IFRS sowie deren Interpretationen. Die vom 73 IASB veröffentlichten Standards werden i. R. eines Endorsement-Prozesses in europäisches sowie in nationales Recht übernommen. Eine Einflussnahme des Gesetzgebers auf die Gestaltung von Einzelnormen findet hierbei in der Regel nicht statt.106) Detailfragen und die Auslegung der einzelnen Standards erfolgen durch das Interpretationskomitee des IFRS, welches auf nationaler Ebene vom Deutschen Rechnungslegungsstandards Committee (DRSC) unterstützt wird. Weite Teile der Normenentwicklung und -auslegung finden also abseits der staatlichen Kontrolle und jenseits des Einflussbereichs der Bankenregulierung statt. Hierdurch können nach Riepe107) Defizite in der Legitimität der Bankenregulierung entstehen, wenn diese blind auf den privaten Rechnungslegungsstandards aufbaut. Ein erster Schritt in Richtung einer stärkeren öffentlichen Überwachung des IASB erfolgte 74 im Jahre 2009 mit der Gründung des Monitoring Board. Es setzt sich aus Vertretern öffentlich rechenschaftspflichtiger Kapitalmarktbehörden, wie bspw. dem verantwortlichen EU-Kommissar, zusammen. Interessanterweise ist hier ebenfalls der Vorsitzende des BCBS vertreten, der somit die Interessen der Bankenregulierung einbringen kann. Da er ausschließlich als beratendes Mitglied diesem Gremium angehört, sollte seine Bedeutung jedoch nicht überbewertet werden. Um ein Stück unabhängig von bilanziellen Rechnungslegungsvorschriften zu werden und 75 somit stärkere eigene Legitimität aufzubauen, vertraut gerade die EZB seit der Finanzkrise zunehmend auf die Ergebnisse von Stresstests.108) Hierfür prüft die Aufsicht, ob die Eigenmittel einer Bank ausreichen, um die simulierten Vermögenswertminderungen in spezifischen adversen Szenarien auffangen zu können.109) Die Ergebnisse einschließlich teils sehr detaillierter Datenpunkte werden im Nachgang veröffentlicht. Weil der Regulierer i. R. der Stresstests spezielle Bewertungsmaßstäbe für einzelne Vermögenswerte definiert und die Ergebnisse auch veröffentlicht werden, bezeichnet Riepe110) die Stresstest Disclosures als eine frühe Form einer eigenständigen regulatorischen Rechnungslegung. Gleichzeitig bleibt eine gewisse Nähe zur bilanziellen Rechnungslegung mit seinen Vorund Nachteilen erhalten. 4.

Gewinn als zentraler Treiber regulatorischen Kapitals

Die Abhängigkeit der Bankenaufsicht von und ihre Nähe zu den bilanziellen Regelungen 76 hat in den vergangenen Jahren – auch als eine Reaktion auf die Bankenkrise – leicht abgenommen. Allein die Sprachvielfalt in der Bankenregulierung verdeutlicht diese zunehmende bankenspezifische Auslegung des Begriffs. So kannte und kennt die Bankenregulierung Begriffe wie Ergänzungskapital verschiedener Klassen, Drittrangmittel sowie Kernkapital in harter und sonstiger Ausprägung.111) Die nötigen Informationen für die Ermittlung des regulatorischen Eigenkapitals werden 77 insbesondere aus den Einzel- und Konzernabschlüssen der Banken entnommen, welche somit eine zentrale Bedeutung auch für die Regulierung der Finanzverfassung von Banken ___________ 106) Eine Ausnahme dieser Regel fand i. R. der Diskussionen um den IAS 39 statt, für den die EU bei der Implementierung im Hedge Accounting einseitig Carve-outs vorsah, die erst im Nachhinein auch vom IASB übernommen wurden. S. hierzu Riepe, JIEL 22 (2019), 1 ff. 107) Riepe, JIEL 22 (2019), 1 ff. 108) Vgl. EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, § 7. 109) S. a. Haselmann/Krahnen/Wahrenburg, SAFE Policy Report No. 1, S. 14. 110) Riepe, JIEL 22 (2019), 1 ff. 111) S. hierzu auch J. Hellwig, Verlustausgleich und Risikotragung, § 5.

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Regulierung der Finanzverfassung: Ökonomische Grundlagen

einnehmen. Einer der prominentesten Treiber für das bilanzielle Eigenkapital ist zunächst das gezeichnete Kapital. Im Gegensatz zu anderen Eigenkapitalbestandteilen ist dies jedoch relativ statisch. Veränderungen des gezeichneten Kapitals, wie z. B. die Emission neuer Aktien am Kapitalmarkt, spielten in den vergangenen Jahren, insbesondere während der Bankenkrise, eine untergeordnete Rolle. 78 Weit wichtiger in der Bankenpraxis sind Gewinnrücklagen, welche aus einbehaltenen Gewinnen vergangener Perioden gespeist werden. Die bilanziellen Gewinne sind ein zentraler Bestandteil der Eigenkapitalveränderungen und haben auch zu dem in den vergangenen Jahren beobachtbaren Anstieg der Kapitalquoten maßgeblich beigetragen. So zeigt Cohen für eine Stichprobe aus 82 großen international operierenden Banken, dass nahezu zwei Drittel des beobachtbaren Anstiegs des regulatorischen Kapitals zwischen 2009 und 2012 auf einbehaltene Gewinne zurückgeführt werden konnten.112) 79 Für die zentrale Rolle thesaurierter Gewinne bei der Eigenkapitalbildung von Banken sprechen neben rein praktischen Überlegungen auch Erkenntnisse der finanzwirtschaftlichen Theorie. Insbesondere die Pecking-Order-Theorie nach Myers/Majluf113) hebt die Vorteile thesaurierter Gewinne hervor. Gemäß dieser Theorie führen Informationsasymmetrien und Interessenkonflikte zwischen Neu- und Alteigentümern eines Unternehmens, Letztere vertreten durch das aktuelle Management, zu Wertabschlägen bei der Platzierung von neuen Finanzierungstiteln am Kapitalmarkt (siehe Rz. 54). Der Effekt wirkt bei Aktienemissionen noch stärker als bei Anleiheemissionen. Da einbehaltene Gewinne hier keinerlei negative Signale an den Kapitalmarkt senden und – jedenfalls laut Myers/ Majluf – kaum Interessenkonflikte zwischen Alt- und Neueigentümern entstehen, wird die damit einhergehende Innenfinanzierung der Außenfinanzierung stets vorgezogen. Diesem Ansatz folgend schlagen Admati/DeMarzo/Hellwig/Pfleiderer114) eine drastische Erhöhung der Eigenkapitalquoten von Banken insbesondere basierend auf einbehaltenen Gewinnen vor.115) 80 Eine solche drastische Erhöhung der Eigenkapitalquote durch Gewinnthesaurierung setzt natürlich hinreichend hohe Gewinne voraus. So sorgte sich bereits Jens Weidmann, der Präsident der Deutschen Bundesbank, bei der Vorstellung des Bundesbank-Jahresabschlusses 2015 um die Ertragslage deutscher Banken und die damit verbundene Fähigkeit, die Eigenkapitalbasis durch Gewinnthesaurierung weiter zu stärken.116) Während sich solche Sorgen primär auf das ökonomische Umfeld und dessen Einfluss auf den ökonomischen Gewinn von Banken richteten, sei hier ein besonderes Augenmerk auf die handelsrechtliche Gewinnermittlung gelegt. Da sich der Periodenerfolg als Saldo der in der Rechnungslegung erfolgswirksam erfassten Erträge und Aufwendungen ergibt, ist der Periodenerfolg von zahlreichen Sachverhalten betroffen, die sich von Regelungen zur Periodenabgrenzung bis hin zu Bewertungsfragen erstrecken.

___________ Vgl. Cohen, BIS Quarterly Review 9/2013, S. 33. Myers/Majluf, JFE 13 (1984), 187. Admati/DeMarzo/Hellwig/Pfleiderer, Discussion Paper 2013/23, Preprints MPI, S. 4. Admati/DeMarzo/Hellwig/Pfleiderer schlagen alternativ eine allgemein verpflichtende Eigenkapitalemission für alle Banken vor, um mögliche negative Signale zu verhindern. Da der Kapitalmarkt bei diesen simultanen und verpflichtenden Emissionen aller Banken in kurzer Zeit sehr viel Kapital bereitstellen muss, weist diese Alternative einige Herausforderungen auf, die bei einer Eigenkapitalerhöhung über einbehaltene Gewinne entfallen. S. Admati/DeMarzo/Hellwig/Pfleiderer, Discussion Paper 2013/23, Preprints MPI, S. 4; s. Rz. 54. 116) Bundesbank, Eingangsstellungnahme zur Vorstellung des Bundesbank-Jahresabschlusses 2015, Rede v. Dr. J. Weidmann anlässlich der Pressekonferenz zum Geschäftsbericht 2015, v. 24.2.2016.

112) 113) 114) 115)

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Ausgewählte Sachverhalte und deren Einfluss auf den bilanziellen Gewinn

Ein erstes Beispiel für ggf. unerwünschte Einflüsse bilanzieller Regelungen auf die regula- 81 torischen Bankeigenmittel ist der Ansatz aktiver latenter Steuern, der Deferred Tax Assets, der i. R. der Asiatischen Finanzkrise der 1990er zweifelhafte Aufmerksamkeit erlangte. Anstelle eines direkten staatlichen Eingreifens zugunsten unterkapitalisierter Banken erlaubten die japanischen Aufsichtsbehörden das großzügige Aktivieren potenzieller zukünftiger Steuerersparnisse aufgrund aktuell bilanzierter Verluste. Laut Skinner117) konnten japanische Banken auf diesem Wege das regulatorische Eigenkapital um 6,6 Bill. Yen im Gegenwert von gut 55 Mrd. US$ erhöhen. Das zentrale Problem dieser Bilanzposten ist die Frage der Realisierbarkeit. Da die Steuerersparnisse erst dann zum Tragen kommen, wenn die Bank die entsprechenden bilanziellen Gewinne erzielt, war es in vielen Fällen zweifelhaft, ob diesen Bilanzierungshilfen tatsächlich realisierbare Gewinne in der Zukunft entgegenstehen. Erst als eine große Wirtschaftsprüfungsgesellschaft das Testat für Banken wegen aggres- 82 siver Nutzung aktiver latenter Steuern verweigerte, verschwanden viele dieser Positionen aus den Bilanzen und das bilanzielle Eigenkapital wurde in entsprechender Höhe gekürzt. Daraus folgte für viele japanische Banken die Notwendigkeit frisches Eigenkapital aufzunehmen. Bereits in der US-amerikanischen Savings-and-Loans-Krise der 1980er Jahre zeigten sich die gleichen schädlichen Auswirkungen.118) In Europa sollen gemäß Art. 36 Abs. 1 lit. c CRR aktive latente Steuern überwiegend aus dem regulatorischen Eigenkapital herausgerechnet werden. Leider weichen aber einige Länder bei der Anwendung dieser Verordnung ab und lassen eine Umgehung der Herausrechnung latenter Steuern z. B. über Steuergutschriften („Deferred Tax Credit“) zu.119) Angesichts der Ergebnisse von Skinner120) und Gallemore121) bleibt zu befürchten, dass dies mittel- bis langfristig die Bankenstabilität in diesen Ländern negativ beeinflusst. Einen ähnlichen Fall zur Erfassung unsicherer zukünftiger Gewinne stellt die Bewertung 83 von Vermögenswerten zum beizulegenden Zeitwert, das sog. Fair-Value-Accounting, dar. Die bilanzielle Bedeutung dieses Bewertungsverfahrens hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Demzufolge sind Vermögenswerte und Verbindlichkeiten mit einem Wert in der Bilanz anzusetzen, der sich zeitnah in Transaktionen mit unabhängigen Parteien auf aktiven Märkten erzielen lässt. Insbesondere in Fällen liquider Märkte sind hiermit zahlreiche Vorteile gerade auch im Hinblick auf die Informationswirkung verbunden.122) Ein Vorteil liegt in der sofortigen Erfassung von Vermögenswertsteigerungen in der Bilanz und damit einer besseren Periodenabgrenzung der Gewinne. Das sog. GainsTrading, das bei Bewertungen zu fortgeführten Anschaffungskosten häufig beobachtet wird und für die US-amerikanische Savings-and-Loans-Krise mitverantwortlich gemacht wird,123) wäre überflüssig. Bei der Bilanzierung nach Anschaffungskosten als der natürlichen Alternative zum Fair-Value-Accounting müsste die Bank den Vermögensgegenstand erst veräußern und bei Bedarf wiedererwerben, um Wertsteigerungen wie bei dem Ansatz zum beizulegenden Zeitwert gewinnwirksam verbuchen zu können. Umgekehrt werden ___________ Skinner, JAE 46 (2008), 218. Gallemore, EBC Discussion Paper, Vol. 2012-022, S. 1 ff. Haselmann/Krahnen/Wahrenburg, SAFE Policy Report No. 1, S. 27 ff. Skinner, JAE 46 (2008), 218. Gallemore, EBC Discussion Paper, Vol. 2012-022, S. 1 ff. BCBS, The interplay of accounting and regulation and its impact on bank behaviour: Literature review, Working Paper No. 28, v. 1/2015, S. 21 ff.; Beatty/Liao, JAE 58 (2014), 339; Laux/Leuz, JEP 24 (2010), 93. 123) Beatty/Liao, JAE 58 (2014), 339, 340.

117) 118) 119) 120) 121) 122)

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Regulierung der Finanzverfassung: Ökonomische Grundlagen

bei Preisminderungen Vermögensgegenstände nicht unter Verlustrealisierung veräußert, sodass Gains-Trading per Saldo zu einer Überbewertung der Aktiva und somit des bilanziellen Eigenkapitals führt. 84 Bei hinreichend aktiven Märkten können die erwarteten Gewinne gemäß der Bewertung nach beizulegenden Zeitwerten schnell realisiert werden und erscheinen somit unproblematisch. Dagegen ist die rechnungslegungsseitige Erfassung unsicherer zukünftiger Gewinne insbesondere dann problematisch, wenn keine ungestörten Preise auf aktiven Märkten beobachtbar sind. Die Rechnungslegung nach IFRS 13 erlaubt es der Bank, bei derartigen Marktstörungen auf modellbasierte Bewertungsverfahren mit Marktgrößen, den sog. Level 2-Fair-Values, oder sogar auf Bewertungsverfahren ohne Marktgrößen, den sog. Level 3-Fair-Values, auszuweichen, um hypothetische Veräußerungspreise zu ermitteln. In solchen Krisensituationen, in denen Banken am ehesten frische Liquidität benötigen, können die vormals ermittelten aber unsicheren Erlöse nicht mehr realisiert werden. In der Konstellation mit modellbasierten Zeitwerten erscheint ein zu niedriger Ausweis von Verlusten im Fair Value Portfolio relevant, der somit auch nicht von der durch die EBA im Art. 80 Abs. 3 CRR vorgeschlagenen Korrektur für nicht-realisierte Fair-Value-Gewinne betroffen ist. 85 Ein weiteres Problem bei gestörten Märkten geht auf die Verlässlichkeit der modellbasierten Bewertungsverfahren zurück. Da diese auf zahlreichen Annahmen des Managements fußen, besteht die Befürchtung, dass gerade bei Marktturbulenzen die Bank zu hohe modellbasierte Werte ausweist und somit hypothetische Gewinne berichtet oder Verluste zu niedrig ausweist. Milbradt124) charakterisiert die Level 3-Fair Values mit den Worten: „Booking Profits and Concealing Losses“. Mohrmann/Riepe125) dokumentieren ein höheres Ausfallrisiko von Banken und größere Verluste für die Einleger in Banken, die stärker auf die Level 3-Bewertung zurückgreifen. Bischof/Laux/Leuz beschreiben den Verlustausweis für Fair-Value-Finanzinstrumente bei Banken als „too little too late“.126) Inwieweit die über Art. 34 i. V. m. Art. 105 CRR eingeführte Prudent Valuation hier ein effektives Korrektiv darstellt, bleibt abzuwarten. 86 Die oft ebenfalls unterstellte zyklische Wirkung der beizulegenden Zeitwerte, die in der politischen Debatte während der Bankenkrise angeführt wurde, erscheint aufgrund der damals gewählten Umsetzung der Bewertungsvorschriften in Kombination mit regulatorischen Filtern vernachlässigbar und kann empirisch nicht nachgewiesen werden.127) Ob sich dies durch den Wegfall der regulatorischen Filter auf nichtrealisierte Fair-ValueWertänderungen i. R. der Basel III-Umsetzung in Zukunft geändert hat und hierdurch eine zusätzliche Zyklizität im regulatorischen Eigenkapital entsteht, kann zur Zeit nur gemutmaßt werden. Selbst die Analysen des BCBS128) thematisieren diese Gefahr des Wegfalls der Filter, ohne jedoch eine beruhigende Antwort liefern zu können. 6.

Regulatorische Anpassungen auf Basis der Rechnungslegung

87 Auch wenn die Bankenregulierung bei der Ermittlung des regulativen Eigenkapitals überwiegend auf dem Regelwerk der Rechnungslegung aufbaut, nimmt der Regulierer dennoch einige Änderungen vor, um den beschriebenen Zielkonflikten beider Regelwerke ___________ Milbradt, RFS 25 (2012), 55. Mohrmann/Riepe, RQFA 52 (2019) 1163 ff. Bischof/Laux/Leuz, ECGI – Law Working Paper No. 445/2019, S. 16 ff. Amel-Zadeh/Barth/Landsman, RAST 22 (2017), 1423 ff.; Laux/Rauter, JAR 55 (2017), 237 ff. Bischof/ Laux/Leuz, ECGI – Law Working Paper No. 445/2019, S. 35 ff. 128) BCBS, The interplay of accounting and regulation and its impact on bank behaviour: Literature review, Working Paper No. 28, v. 1/2015, S. 18 f.

124) 125) 126) 127)

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IV. Eigenkapital zwischen Regulierung und Rechnungslegung

§6

(siehe oben Rz. 65 ff.) entgegenzuwirken. Diese entstehen häufig als Reaktion auf eine exzessive Ausnutzung besonderer Sachverhalte und stellen somit weniger ein gesamtheitliches Konzept als eine Sammlung von Maßnahmen gegen Regulierungsarbitrage dar.129) Als Beispiel seien hier Wertänderungen angeführt, die aus einer Veränderung der eigenen 88 Bonität herrühren. Derartige Wertänderungen werden im Nachhinein vom regulatorischen Eigenkapital abgezogen bzw. hinzuaddiert, wodurch ein Unterschied zwischen bilanziellem und regulatorischem Eigenkapital entsteht. Diese Maßnahme verhindert, dass bei einer Verschlechterung der eigenen Bonität der Wert der Verbindlichkeiten zum beizulegenden Zeitwert reduziert werden kann und der Differenzbetrag dem Eigenkapital zugutekommt. Eine weitere Anpassungsmaßnahme geht auf aktivierte Geschäfts- und Firmenwerte zu- 89 rück. Da sich diese insbesondere auf erwartete zukünftige Gewinne beziehen und diese Informationen für Eigenkapitalgeber relevant sein können, ist ein bilanzieller Ansatz angebracht. Im Falle finanzieller Schwierigkeiten stehen diese Vermögensgegenstände jedoch nicht als Verlustpuffer zur Verfügung, wodurch sie regulatorischen Ansprüchen nicht genügen. Folglich wird das regulatorische Eigenkapital um derartige Posten bereinigt. Die noch während der Bankenkrise bestehende, ab den Jahren 2014 jedoch langsam aus- 90 laufende Korrektur temporärer Wertänderungen finanzieller Vermögensgegenstände des Available-for-Sales-Portfolios ist ein Beispiel für eine mittlerweile aufgegebene Anpassungsbemühung. Während die regulatorischen Filter ursprünglich vorübergehende Fluktuationen des regulativen Eigenkapitals bekämpfen sollten, stellt der BCBS bei der Abschaffung primär die Sorge vor der Vernachlässigung von Vermögenswertminderungen in den Vordergrund.130) Hierdurch würde in einer Krise keine ausreichende Risikobegrenzung erfolgen.131) Dieses Argument erscheint besonders relevant in Situationen, in denen die Wertpapiere kurzfristig veräußert werden sollen. Dennoch verbleiben Zweifel, ob auf diese Weise langfristig eine Erhöhung der Bankenstabilität erreicht werden kann. Vorübergehende Wertänderungen in diesem Portfolio an Wertpapieren mit einer langen Haltedauer werden nach Analysen der spanischen Zentralbank132) die Volatilität des regulativen Eigenkapitals in Krisen künstlich erhöhen und können über einen zyklischen Einfluss auf Kapitalquoten eine mögliche Krise verstärken. Gleichzeitig hat insbesondere die EZB i. R. des sog. Comprehensive Assessment weitere 91 Schritte unternommen, um eine vorsichtige Bewertung von Wertpapieren im Bankbestand sicherzustellen. Durch die Asset Quality Reviews prüft nun die EZB direkt die angemessene Ausnutzung von bilanziellen Bewertungsspielräumen bei der Wertberichtigung von Krediten oder der Modellierung von illiquiden Marktwerten. Da Bischof/Laux/ Leuz folgend insbesondere Managementanreize für verspätete Wertberichtigungen in der Bilanzierung der Kredit- und Kapitalmarktportfolios von Banken verantwortlich gemacht werden, erscheint dieser regulatorische Eingriff zumindest konzeptionell vielversprechend, um zukünftigen Krisen vorzubeugen und eine verlässliche Bewertung in Bankbilanzen sicherzustellen.

___________ 129) J. Hellwig, Verlustausgleich und Risikotragung, § 6. 130) BCBS, The interplay of accounting and regulation and its impact on bank behaviour: Literature review, Working Paper No. 28, v. 1/2015, S. 15 ff. 131) Bischof/Laux/Leuz, ECGI – Law Working Paper No. 445/2019; S. 435 ff., finden darüber hinaus empirische Evidenz für einen hinderlichen Einfluss der Prudential Filters im AfS Portfolio auf eine rechtzeitige Risikoanpassung in Banken. 132) Argimon/Dietsch/Estrada, Documentos de Trabajo No. 1538, S. 7 ff.

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§6 V.

Regulierung der Finanzverfassung: Ökonomische Grundlagen Zusammenfassende Betrachtung

92 Der grundlegende Regulierungsbedarf der Finanzverfassung von Banken ist in der ökonomischen Forschung unumstritten. Die präzise Ausgestaltung einzelner Regelungen und Messgrößen ist jedoch Teil eines intensiven Diskurses, der von der allgemeinen Höhe des Eigenkapitals bis hin zur genauen Definition einzelner Eigenkapitalbestandteile reicht. 93 Per Saldo scheinen die auf theoretischer Basis gewonnenen Argumente gegen strikte Eigenkapitalnormen nicht besonders zu überzeugen. Schon aus diesem Grund wäre es wünschenswert, gesicherte empirische Erkenntnisse über Kosten und Nutzen der Eigenkapitalnormen zu gewinnen. Tatsächlich gibt es zahlreiche Bemühungen in diese Richtung. Methodisch wie vom Ergebnis her fallen die Ergebnisse allerdings recht weit auseinander, wie bspw. dem Literaturüberblick in BCBS133) zu entnehmen ist. Auch fällt die Interpretation nicht immer ganz leicht. So ist bspw. den Grafiken in Dagher/Dell‘Ariccia/Laeven/ Ratnovski/Tong134) zu entnehmen, dass bei einer Eigenkapitalquote von 20 % der risikogewichteten Aktiva im Zeitfenster 1970 – 2011 bei etwa 85 % der systemischen Bankenkrisen in OECD-Ländern keine Gläubigerverluste eingetreten wären und es in gut 80 % der Krisen nicht erforderlich gewesen wäre, eine Rekapitalisierung der Banken mit öffentlichen Mitteln vorzunehmen.135) Ist daraus nun zu folgern, dass eine solche Eigenkapitalquote hinreichend hoch ist oder nicht? Schließlich ist zur Kenntnis zu nehmen, dass nicht wenige empirische Studien existieren, die nicht nur eine stabilitätsfördernde, sondern auch eine wert- oder gewinnsteigernde Wirkung des Bankeigenkapitals belegen.136) Zusammengenommen ist auch der empirischen Literatur kein klarer Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass strikte Eigenkapitalnormen schädlich sind.137) Auf die Frage nach der gesamtwirtschaftlich optimalen Eigenkapitalquote gibt es allerdings nach wie vor keine eindeutige Antwort. 94 Inwieweit die bestehende Orientierung an der Rechnungslegung in Zukunft bestehen bleibt, bleibt ebenfalls abzuwarten. Während zahlreiche ökonomische Vorteile hiervon klar auf der Hand liegen, lassen insbesondere die sehr unterschiedlichen Zielsetzungen teilweise nicht vereinbare Einzelregelungen entstehen. Diesen Nachteilen begegnet die Bankenregulierung zunehmend mit Anpassungsmaßnahmen, um das bilanzielle Eigenkapital stärker an die regulatorischen Funktionen der Risikobegrenzung und des Verlustpuffers heranzuführen. Hierdurch gehen Teile der Vorteile einer der engen Bindung von Rechnungslegung und Regulierung verloren, eine Überleitung der Rechnungslegung in das regulatorische Zahlenwerk wird anspruchsvoller. 95 Letztlich erfordert jeder Regulierungsansatz eine Abwägung über viele Dimensionen in einer sich ständig verändernden Welt. Daher ist nicht zu erwarten, dass wir in naher Zukunft ein endgültiges, finales Regelwerk erleben werden. Die Dynamik in der Bankenregulierung ist in letzter Zeit jedoch sehr hoch, wodurch sich für die Banken hohe Unsicherheiten im Hinblick auf Geschäftsmodelle, aber auch sehr konkrete Anpassungskosten ergeben. Unabhängig von der tatsächlichen Ausgestaltung einer Regulierung sollte ihr die Zeit gegeben werden, ihre Wirkung zu entfalten. ___________ 133) BCBS, Literature review on integration of regulatory capital and liquidity instruments, Working Paper No. 20, v. 3/2016. 134) Dagher/Dell‘Ariccia/Laeven/Ratnovski/Tong, IMF Staff Discussion Note 16/04, S. 20. 135) S. zur Datenbasis Laeven/Valencia, IMF Economic Review 61 (2013), 225. 136) Beltratti/Stulz, JFE 105 (2012), 1; Berger, JMCB 27 (1995), 432; Berger/Bouwman, JFE 109 (2013), 146; Mehran/Thakor, RFS 24 (2011), 1019. 137) Zu dieser Gesamtsicht kommen in einer umfassenden Untersuchung der neuen Regelwerke auch Haselmann/Krahnen/Wahrenburg, SAFE Policy Report No. 1, S. XII.

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§7 Eigenmittelregulierung

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Übersicht I.

Überblick und allgemeine Grundlagen.................................................. 1 1. Einführung.................................................... 1 2. Überblick der Eigenmittelregulierung und deren Systematik................................... 4 3. Regulierung auf Basis umfassender und selektiver Normen .............................. 15 II. Bestandteile und Mindesthöhen ............. 18 1. Überblick ................................................... 18 2. Eigenmittelanforderungen......................... 21 a) Qualitative Anforderungen an das bankaufsichtsrechtliche Eigenkapital ......................................... 21 aa) Kernkapital nach der Capital Requirements Regulation – CRR .............................................. 24 bb) Ergänzungskapital (Tier 2-Capital) ............................ 28 cc) Abzugsposten............................... 31 dd) Hinzurechnungsposten ............... 33 ee) Übergangsvorschriften/ Grandfathering ............................. 34 b) Quantitative Anforderungen.............. 36 aa) Allgemeine Anforderungen......... 36 bb) Übergangsregelungen .................. 42 3. Das aufsichtliche Meldewesen................... 45 4. Konsolidierung nach CRR......................... 57 5. Waiver-Regelung ........................................ 64 a) Waiver nach Art. 7 Abs. 1 CRR ......... 66 b) Waiver nach Art. 7 Abs. 2 CRR ......... 67 c) Waiver nach Art. 7 Abs. 3 CRR ......... 68 d) Verfahren ............................................. 69 III. Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken.............................................. 70 1. Überblick .................................................... 70 a) Entstehung und Dimensionen von Kreditrisiken ................................ 72 b) Quantifizierung von Kreditrisiken..... 76 c) Aufsichtsrechtliche Anforderungen und Vorgaben ............................... 85 2. Kreditrisikostandardansatz (KSA)............ 93 a) Risikopositionsklassen........................ 95 b) Risikopositionswert ............................ 97 c) Risikogewicht .................................... 101 d) Risikopositionswert für das Gegenparteiausfallrisiko bei Derivaten ........................................... 110 3. Internal Ratings-Based Approach – IRBA ......................................................... 114 a) Aufsichtliche Genehmigung............. 116

Risikopositionsklasse........................ 119 Risikopositionswert .......................... 125 Risikogewicht .................................... 128 Mindestanforderungen an die Anwendung des IRBA ...................... 139 4. Kreditrisikominderungstechniken .......... 162 a) Grundsätzliches................................. 162 b) Besicherung mit Sicherungsleistung............................................... 165 aa) Anerkennungsfähige Sicherheiten ................................ 166 bb) Ermittlung des risikomindernden Effekts......................................... 171 c) Besicherung ohne Sicherungsleistung............................................... 178 aa) Anerkennungsfähige Sicherheiten ................................ 179 bb) Ermittlung des risikomindernden Effekts......................................... 182 5. Verbriefungen........................................... 183 a) Risikopositionswert .......................... 185 b) Risikogewicht in den Bewertungsansätzen ............................................. 186 aa) SEC-IRBA.................................. 189 bb) SEC-SA....................................... 195 cc) SEC-ERBA................................. 198 c) STS-Verbriefungen............................ 199 6. Neuerungen CRR II und CRR III.......... 201 IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko .............................................. 202 1. Einleitung und Überblick ........................ 202 2. Zeitplan zur weiteren Umsetzung der Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko ............................................... 212 3. Handelsbuchdefinition ............................ 215 a) Definition von Handelsbuch und Handelsabsicht .................................. 217 b) Führung des Handelsbuches und Handelstische .................................... 220 c) Umwidmungen zwischen Handelsbuch und Anlagebuch ......... 226 d) Interne Sicherungsgeschäfte............. 230 4. FRTB-Standardansatz.............................. 242 a) Anwendungsbereich und Struktur ... 246 b) Risikosensitiver Standardansatz ....... 252 aa) Sensitivitätsgestützte Methode...................................... 256 bb) Standardisierte Ausfallrisiken.... 262 cc) Restrisiken .................................. 273 dd) Risikofaktor und Sensitivität..... 274

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b) c) d) e)

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§7

Eigenmittelregulierung

ee) Risikogewichte und Korrelationen ............................. 292 5. Interne Modellansätze ............................. 295 a) Anwendungsbereich ......................... 299 b) Struktur und Methodik .................... 305 aa) Shortfall-Erwartungswert.......... 312 bb) Stressszenario-Risikomaß ......... 315 cc) Ausfallrisiken ............................. 318 dd) Qualitative Anforderungen ....... 324 c) Kontrollen ......................................... 326 aa) Validierung ................................. 327 bb) Interne Revision......................... 331 6. Berechnung von Eigenmittelanforderungen – aktueller Standardansatz und interne Modelle................................. 335 a) Positionsrisiko .................................. 339 aa) Spezifisches Zinsänderungsrisiko ........................................... 346 bb) Allgemeines Zinsänderungsrisiko ........................................... 352 cc) Spezifisches Aktienkursrisiko... 359 dd) Allgemeines Aktienkursrisiko... 361 ee) Investmentanteile....................... 364 b) Fremdwährungsrisiko....................... 367 c) Warenpositionsrisiko........................ 373 d) Klassische interne Marktrisikomodelle .............................................. 382 7. Steuerung von Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch ......................................... 384 V. Eigenmittelanforderungen für Veränderungen im Risikoprofil von Gegenparteien ................................. 393 1. Überblick.................................................. 393 2. Abwicklungsrisiko und Vorleistungsrisiko .......................................... 394 3. Anpassung der Kreditbewertung (Credit Value Adjustment – CVA) ........ 405 4. Aktuelle Entwicklungen .......................... 427 VI. Eigenmittelanforderungen für operationelle Risiken ............................. 430 1. Überblick.................................................. 430 2. Definition operationeller Risiken ........... 435 3. Eigenkapitalanforderungen resultierend aus Basel II........................... 444 a) Überblick........................................... 444 b) Basisindikatoransatz – BIA .............. 447 c) Standardansatz – STA....................... 449 d) Fortgeschrittene Ansätze – AMA ... 455 e) Wahl des Ansatzes ............................ 459 4. Überarbeitung Eigenkapitalanforderungen im Zuge von Basel IV.................. 464 a) Einführung ........................................ 464 b) Neuer Standardansatz – SMA .......... 468 aa) Überblick.................................... 468

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bb) Geschäftsindikatorkomponente (Business Indicator Component – BIC)............................................ 470 cc) Verlustmultiplikator (Internal Loss Multiplier – ILM).............. 475 c) Anwendung des neuen Standardansatzes (Standardised Measurement Approach – SMA) ................... 482 d) Auswirkungen auf die Eigenkapitalanforderungen........................ 488 VII. MREL und TLAC .................................. 503 1. Einführung ............................................... 503 2. MREL ....................................................... 507 3. TLAC ....................................................... 515 4. Harmonisierte Definition berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten............ 522 VIII. ECB Guide to ICAAP – Mindestanforderungen an die internen Prozesse zur Beurteilung der Kapitaladäquanz .. 525 1. Allgemeines .............................................. 525 2. Die Anforderungen des EZBLeitfadens zum ICAAP........................... 530 a) Überblick........................................... 530 b) Die sieben Grundsätze des EZB-Leitfadens ................................. 534 aa) Grundsatz 1 – Das Leitungsorgan ist für eine solide Governance des ICAAP verantwortlich ....... 534 bb) Grundsatz 2 – Der ICAAP ist integraler Bestandteil des Gesamtsteuerungsrahmens ....... 537 cc) Grundsatz 3 – Der ICAAP trägt wesentlich zum Fortbestand der Institute bei, indem er die Angemessenheit ihrer Kapitalausstattung aus verschiedenen Perspektiven sicherstellt............ 542 (1) Die zwei Perspektiven eines soliden ICAAP .......................... 542 (2) Normative Perspektive .............. 544 (3) Ökonomische Perspektive ........ 546 (4) Zusammenspiel zwischen der ökonomischen und der normativen Perspektive ............. 550 dd) Grundsatz 4 – Alle wesentlichen Risiken werden im ICAAP identifiziert und berücksichtigt........ 553 ee) Grundsatz 5 – Das interne Kapital ist von hoher Qualität und eindeutig definiert .............. 557 ff) Grundsatz 6 – Die Risikoquantifizierungsmethoden im ICAAP sind angemessen, konsistent und werden unabhängig validiert ..... 562

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§7

Eigenmittelregulierung gg) Grundsatz 7 – Regelmäßige Stresstests sollen die Angemessenheit der Kapitalausstattung unter adversen Bedingungen sicher-stellen.......... 566

3.

c) Zusammenfassende Bewertung der Vorgaben des EZB-Leitfadens ... 575 Ausblick .................................................... 578

Literatur: Admati/DeMarzo/Hellwig/Pfleiderer, Fallacies, irrelevant facts, and myths in the discussion of capital regulation: why bank equity is not socially expensive, Discussion Paper 2013/23, Preprints of the Max Planck Institute (MPI) for Research on Collective Goods; Aberer/Manns, Basel III und CRD IV – Sinnvolle Antwort auf die Finanzmarktkrise?, Risiko Manager 13/2010, 16; FAZ, Serie Finanzskandale: Jérome Kerviel – die Anonymität des kleinen Soldaten, v. 21.2.2009; Gann, Perspektiven der Risikotragfähigkeitsanalyse gemäß BRRD, CRR und SREP-Guidelines, in: Igl/Krüger/Stepanek/Warnecke, Bankenabwicklung und MREL, 2018, S. 61; Gann, Inverse Stresstests in Kreditinstituten: Ein quantitativ orientierter Ansatz, Corporate Finance biz, 3/2012, 285; Gann, Die Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben zum Internal Capital Adequacy Assessment Process (ICAAP) in deutschen Kreditinstituten, Finanz Betrieb 9/2006, 529; Haldane, The Dog and the Frisbee, Speach given at the Federal Reserve Bank of Kansas City’s 36th Economic Policy Symposium “the Changing Policy Landscape”, Jackson Hole, Wyoming, 31.8.2012, zit. nach Rudolph, Defizite und Perspektiven der Bankenregulierung in der Europäischen Union, Kredit und Kapital, 45 (2012), 447; Haselmann/Krahnen/Wahrenburg, Evaluierung gesamt- und finanzwirtschaftlicher Effekte der Reformen europäischer Finanzmarktregulierung im deutschen Finanzsektor seit der Finanzkrise, SAFE Policy Report No. 1, v. 3/2019, https://safe-frankfurt.de/fileadmin/user_upload/ SAFE_Studie_Finanzmarktregulierung.pdf (Abrufdatum: 12.3.2020); Holtmann, Risikomanagement bei Sparkassen: Einschätzung aus Sicht eines Regionalverbandes, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 14/2006, 14; Philipp et al. (Professoren-Arbeitsgruppe), Bankaufsichtsrechtliche Begrenzung des Risikopotentials von Kreditinstituten, DBW 1987, 285; Pykhtin, Model foundations of the Basel III standardised CVA charge, Risk magazine 7/2012, 60; Rudolph, Eigenkapitalanforderungen in der Bankenregulierung, ZHR 175 (2011), 284; Rudolph, Die internationale Finanzkrise als Anstoß für Weiterentwicklungen im Risikocontrolling der Banken und für Reformen in der Bankregulierung, zfbf Sonderheft 61/2010, 122; Süddeutsche Zeitung, Bankrott der Barings Bank – über die peinlichste Zeit von Nick Leeson, v. 9.4.2013. Verlautbarungen des Financial Stability Board (FSB): FSB, Principles on Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution, Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) Term Sheet, v. 9.11.2015, http://www.fsb.org/2015/11/total-loss-absorbing-capacity-tlac-principles-and-term-sheet/; FSB, Principles for an Effective Risk Appetite Framework, v. 18.11.2013, https://www.fsb.org/wpcontent/uploads/r_131118.pdf; (Abrufdatum jew. 24.3.2020). Verlautbarungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht/Basel Committee on Banking Supervision (BCBS): BCBS, Basel III Summary Table, https://www.bis.org/bcbs/basel3/b3_bank_sup_reforms.pdf; BCBS, Consultative Document, Credit Valuation Adjustment Risk: targeted final revision, v. 28.11.2019, https://www.bis.org/bcbs/publ/d488.pdfBCBS, Minimum capital requirements for market risk, v. 14.1.2019, https://www.bis.org/bcbs/publ/d457.htm; BCBS, Basel III: Monitoring Report, v. 4.10.2018, https://www.bis.org/bcbs/publ/d449.htm; BCBS, Stress testing principles, v. 10/2018, https://www.bis.org/bcbs/publ/d450.pdf; BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017, https://www.bis.org/bcbs/publ/d424.htm; BCBS, Basel III: Monitoring Report, v. 12.9.2017, https://www.bis.org/bcbs/publ/d416.htm; BCBS, Standard, TLAC holdings – Amendments to the Basel III standard on the definition of capital, v. 10/2016, https://www.bis.org/bcbs/publ/d387.pdf; BCBS, Interest rate risk in the banking book, v. 21.4.2016, https://www.bis.org/bcbs/publ/BCBS d368.htm; BCBS, Consultative Document, Standardised Measurement Approach for operational risk, v. 4.3.2016, https://www.bis.org/bcbs/publ/d355.htm; BCBS, Minimum capital requirements for market risk, v. 14.1.2016, https://www.bis.org/bcbs/publ/d352.htm; BCBS, Guidelines Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, https://www.bis.org/bcbs/publ/d328.pdf; BCBS, Consultative Document, Review of the Credit Valuation Adjustment (CVA) Risk Framework, v. 1.7.2015, https://www.bis.org/bcbs/publ/d325.htm; BCBS, Consultative Document, Operational risk – Revisions to the simpler approaches, v. 6.10.2014 (BCBS 291), https://www.bis.org/publ/bcbs291.htm; BCBS, The standardised approach for measuring counterparty credit risk exposures, v. 3/2014 Stand: 4/2014, https://www.bis.org/publ/bcbs279.pdf; BCBS, Discussion Paper, The regulatory framework: balancing risk sensitivity, simplicity and comparability, v. 8.7.2013, https://www.bis.org/ publ/bcbs258.pdf; BCBS, Principles for effective risk data aggregation and risk reporting, v. 1/2013, https://www.bis.org/publ/bcbs239.pdf; BCBS, Basel III: Mindestliquiditätsquote und Instrumente zur Überwachung des Liquiditätsrisikos, v. 1/2013, https://www.bis.org/publ/bcbs238_de.pdf; BCBS, Consultative document, Fundamental review of the trading book, v. 3.5.2012, https://www.bis.org/ publ/bcbs219.htm; BCBS, Principles for the sound management of operational risk, v. 6/2011, https://www.bis.org/publ/bcbs195.pdf; BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, v. 12/2010, Stand: 6/2011, https://www.bis.org/publ/ bcbs189_de.pdf; BCBS, Consultative Document, Strengthening the resilience of the banking sector,

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§7

Eigenmittelregulierung

v. 12/2009, https://www.bis.org/publ/bcbs164.pdf; BCBS, International Convergence of Capital Measurement and Capital Standards – A Revised Framework (Comprehensive Version), v. 30.6.2006, https://www.bis.org/publ/bcbs128.pdf; (Abrufdatum jew. 24.3.2020). Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190, v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2017/2402 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2017 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für Verbriefungen und zur Schaffung eines spezifischen Rahmens für einfache, transparente und standardisierte Verbriefung und zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG, 2009/138/EG, 2011/61/EU und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 648/2012, ABl. (EU) L 347/35 v. 28.12.2017; EP/Rat, Verordnung (EU) 2017/2401 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2017 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, ABl. (EU) L 347/1 v. 28.12.2017; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013. Verlautbarungen und Verordnungen der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Delegated Regulation (EU) …/… of 17.12.2019 amending Regulation (EU) No 575/2013 of the European Parliament and of the Council with regard to the alternative standardised approach for market risk, COM(2019) 9068 final, https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/3/2019/EN/C-20199068-F1-EN-MAIN-PART-1.PDF; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2018/1620 der Kommission v. 13.7.2018 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/61 der Kommission zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Liquiditätsdeckungsanforderung an Kreditinstitute, ABl. (EU) L 271/10 v. 30.10.2018; Kommission, Durchführungsverordnung (EU) 2018/1580 der Kommission v. 19.10.2018 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2197 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards in Bezug auf eng verbundene Währungen im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. (EU) L 263/53 v. 22.10.2018; Kommission, Durchführungsverordnung (EU) 2016/1799 der Kommission v. 7.10.2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards im Hinblick auf die Zuordnung der Bonitätsbeurteilungen des Kreditrisikos durch externe Ratingagenturen gemäß Art. 136 Abs. 1 und Art. 136 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 275/3 v. 12.10.2016; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2016/1450 der Kommission v. 23.5.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung der Kriterien im Zusammenhang mit der Methode zur Festlegung der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, ABl. EU L 237/1 v. 3.9.2016; Kommission, Durchführungsverordnung (EU) 2016/322 der Kommission v. 10.2.2016 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die aufsichtlichen Meldungen der Institute in Bezug auf die Liquiditätsdeckungsanforderung, ABl. (EU) L 64/1 v. 10.3.2016; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2015/923 der Kommission v. 11.3.2015 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 241/2014 zur Er-

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§7

Eigenmittelregulierung

gänzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Eigenmittelanforderungen an Institute, ABl. (EU) L 150/1 v. 17.6.2015; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2015/61 der Kommission v. 10.10.2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Liquiditätsdeckungsanforderung an Kreditinstitute, ABl. (EU) L 11/1 v. 7.1.2015; Kommission, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 945/2014 der Kommission v. 4.9.2014 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards in Bezug auf relevante angemessen breit gestreute Indizes gemäß der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. (EU) L 265/3 v. 5.9.2014; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) Nr. 525/2014 der Kommission v. 12.3.2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Definition des Terminus „Markt“, ABl. (EU) L 148/15 v. 20.5.2014; Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, Bestmögliche Netz- und Informationssicherheit – hin zu einer wirksamen Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1148 über Maßnahmen zur Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssystemen in der Union (NISDirective), v. 4.10.2017, COM(2017) 476 final, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/ ?uri=CELEX%3A52017DC0476; Kommission, Verordnung (EG) Nr. 2238/2004 der Kommission v. 29.12.2004 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 betreffend IFRS 1 und IAS Nrn. 1 bis 10, 12 bis 17, 19 bis 24, 27 bis 38, 40 und 41 und SIC Nr. 1 bis 7, 11 bis 14, 18 bis 27 und 30 bis 33, ABl. (EU) L 394/1 v. 31.12.2004; (Abrufdatum jew. 24.3.2020). Verlautbarungen der European Banking Authority (EBA): EBA, Single Rulebook Q&A, https:// eba.europa.eu/single-rule-book-qa; Regulatory Technical Standards (RTS) on Own Funds, https:// www.eba.europa.eu/regulation-and-policy/own-funds/draft-regulatory-technical-standards-on-ownfunds; EBA, Consultation Paper, Draft Implementing Technical Standards on supervisory reporting requirements for institutions under Regulation (EU) No 575/2013, v. 16.10.2019 (EBA-CP-2019-10), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/3004706/7b13609b-ffbd4201-9e87-2add2d99d063/Consultation%20Paper%20on%20the%20ITS%20on%20Supervisory%20Reporting.pdf; EBA, Roadmap for the new Market and Counterparty Credit Risk Approaches, v. 27.6.2019, https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/2844544/ab272ad0-f2564d70-9563-376e1d772feb/EBA%20roadmap%20for%20the%20new%20market%20and%20counterparty%20credit%20risk%20approaches.pdf; EBA, Überarbeitete Leitlinien zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) sowie für die aufsichtlichen Stresstests, zur Änderung der EBA/GL/ 2014/13 v. 19.12.2014 – Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), https:// eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/2535561/9ad309c8-e45c-469d-b293e11267176bb3/Revised%20Guidelines%20on%20SREP%20%28EBA-GL-2018-03%29_DE.pdf? retry=1; EBA, Leitlinien zur Steuerung des Zinsänderungsrisikos bei Geschäften des Anlagebuchs, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/02), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/ 2537150/225f0fda-fbc1-4bea-b77a-58beb6569e07/Guidelines%20on%20the%20management%20of %20IRRBB%20%28EBA-GL-2018-02%29_COR_DE.pdf; EBA, Final Report, Guidelines on institutions’ stress testing, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/04), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/ files/documents/10180/2282644/2b604bc8-fd08-4b17-ac4a-cdd5e662b802/Guidelines%20on% 20institutions%20stress%20testing%20%28EBA-GL-2018-04%29.pdf?retry=1; EBA, Leitlinien für die PD-Schätzung, die LGD-Schätzung und die Behandlung von ausgefallenen Risikopositionen, v. 4/2018 (EBA/GL/2017/16), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/ 2192133/f5a2e068-dc4b-4a0e-a10f-378b517ac19c/Guidelines%20on%20PD%20and%20LGD%20 estimation%20(EBA-GL-2017-16)_EN.pdf; EBA, Guidelines on internal governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/2164689/ 531e7d72-d8ff-4a24-a69a-c7884fa3e476/Guidelines%20on%20Internal%20Governance%20%28EBAGL-2017-11%29_EN.pdf?retry=1; EBA, Guidelines on security measures for operational and security risks under irective (EU) 2015/2366 (PSD2), v. 12.12.2017 (EBA/GL/2017/17), https://eba.europa.eu/ sites/default/documents/files/documents/10180/2060117/d53bf08f-990b-47ba-b36f-15c985064d47/ Final%20report%20on%20EBA%20Guidelines%20on%20the%20security%20measures%20for% 20operational%20and%20security%20risks%20under%20PSD2%20(EBA-GL-2017-17).pdf; EBA, Guidelines on ICAAP and ILAAP information collected for SREP purposes, v. 10.2.2017 (EBA/ GL/2016/10), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/1748842/f484175fe80a-4d2e-8291-415d5647863d/Guidelines%20on%20ICAAP%20ILAAP%20(EBA-GL-2016-10)_ EN.pdf; EBA, Leitlinien zur Anwendung der Ausfalldefinition gemäß Art. 178 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 1/2017 (EBA/GL/2016/07), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/ documents/10180/1721448/41a1848e-2e79-4d7a-825e-a060754f42fd/Guidelines%20on%20default %20definition%20(EBA-GL-2016-07)_DE.pdf; EBA, 2016 EU-Wide Stress Test – Results, v. 29.7.2016, https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/1532819/e5fe6caf-8a524879-a694-d17a45f24c8c/2016-EU-wide-stress-test-Results.pdf; EBA, Guidelines, Limits on exposures to shadow banking entities which carry out banking activities outside a regulated framework under

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307

§7

Eigenmittelregulierung

Art. 395(2) of Regulation (EU) No 575/2013, v. 3.6.2016 (EBA/GL/2015/20), https://eba.europa.eu/ sites/default/documents/files/documents/10180/1310259/ca01acf7-46c9-49d1-9f1a-92f3531df1cf/EBAGL-2015-20%20GL%20on%20Shadow%20Banking%20Entities_EN.pdf?retry=1; EBA, Leitlinien zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess – SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), https://eba.europa.eu/sites/default/ documents/files/documents/10180/1051392/5d63aad3-5b03-4301-b1c9-174e3670ad66/EBA-GL2014-13%20GL%20on%20Pillar%202%20(SREP)%20-%20DE.pdf; EBA, Final Draft, Implementing technical standards on supervisory reporting under Regulation (EU) No 575/2013, v. 26.7.2013 (EBA-ITS-2013-02), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/359626/ f3e58351-8aec-4827-8e8e-628525122414/EBA%20ITS%202013%2002%20(Draft%20ITS%20on%20 supervisory%20reporting).pdf; (Abrufdatum jew. 24.3.2020). Verlautbarungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ECB): ECB, Guide to internal models – General topics chapter, (Consolidated Version) v. 1.10.2019, https:// www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.guidetointernalmodels_consolidated_201910~ 97fd49fb08.en.pdf; ECB, Guide to the internal capital adequacy assessment process (ICAAP), v. 11/2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.icaap_guide_201811.en.pdf; ECB, Guide to the internal liquidity adequacy assessment process (ILAAP), v. 11/2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.ilaap_guide_201811.en.pdf; ECB, Feedback statement: Responses to the public consultation on the draft ECB Guides to the internal capital and liquidity adequacy assessment processes (ICAAP and ILAAP), v. 9.11.2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ legalframework/publiccons/pdf/icaap_ilaap/ssm.feedbackstatement_201811.en.pdf; ECB, Banking Supervision: SSM supervisory priorities 2019, v. 30.10.2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ banking/priorities/pdf/ssm.supervisory_priorities2019.en.pdf?47ad4530bca60f88e1e4d1e94fcb8c87; ECB, TIBER-EU Framework – How to implement the European framework for Threat Intelligencebased Ethical Red Teaming, v. 5/2018, https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/ecb.tiber_eu_framework.en.pdf; ECB, Banking Supervision: SSM supervisory priorities 2018, v. 18.12.2017, https:// www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.supervisory_priorities_2018.en.pdf?3b4a89e9a d114ff7dbdaf156d0f0f564; EZB, Verordnung (EU) Nr. 2017/1539 der EZB v. 25.8.2017 zur Festlegung des Geltungsbeginns der Verordnung (EU) 2017/1538 zur Änderung der Verordnung (EU) 2015/534 über die Meldung aufsichtlicher Finanzinformationen (EZB/2017/25) für weniger bedeutende beaufsichtigte Unternehmen, die nationalen Rechnungslegungsrahmen unterliegen, ABl. (EU) L 240/1 v. 19.9.2017; ECB, SSM supervisory statement on governance and risk appetite, v. 6/2016, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm_supervisory_statement_on_governance_an d_risk_appetite_201606.en.pdf; ECB, Guide on options and discretions available in Union law, v. 3/2016, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ecb_guide_options_discretions.en.pdf; ECB, Supervisory expectations on ICAAP and ILAAP and harmonised information collection on ICAAP and ILAAP, v. 8.1.2016, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ 160108letter_nouy.en.pdf; EZB, Verordnung (EU) Nr. 2015/534 der Europäischen Zentralbank v. 17.3.2015 über die Meldung aufsichtlicher Finanzinformationen, ABl. (EU) L 86/13 v. 31.3.2015; (Abrufdatum jew. 24.3.2020). Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): BaFin, Konsultation 15/2019, Änderung der Finanz- und Risikotragfähigkeitsinformationenverordnung – FinaRisikoV, v. 15.7.2019 (BA 54-FR-2204-2019/0001), https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/ DE/Konsultation/2019/kon_15_19_BA_FinaRisikoV.html; BaFin, Konsultation 13/2019, Entwurf: Rundschreiben 13/2019 (BA) zu Art. 23 der Delegierten Verordnung (EU) 2015-61, v. 3.7.2019 (BA 55-K 2103-2019/0001), https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Konsultation/ 2019/kon_13_19_Zusaetzliche_Liquiditaetsabfluesse.html; BaFin, Festlegung der MREL Quote, Vortragsunterlagen i. R. der BaFin-Veranstaltung zu Abwicklungsthemen am 30.10.2018, https:// www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Veranstaltung/dl_181030_abwicklung_Vortrag5.html; BaFin/Bundesbank, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, https://www.bundesbank.de/de/aufgaben/bankenaufsicht/einzelaspekte/risikomanagement/icaap-ilaap/ risikotragfaehigkeit-598768; BaFin, Rundschreiben 9/2017 (BA), Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002), https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/2017/rs_1709_marisk_ba.html; BaFin, Allgemeinverfügung: Festlegung der Quote für den Antizyklischen Kapitalpuffer, v. 28.12.2015, https:// www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Verfuegung/vf_190628_allgvfg_ antizykl_kapitalpuffer.html; BaFin/Bundesbank, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte, v. 7.12.2011, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Leitfaden/BA/ lf_111212_risikotragfaehigkeit.html; BaFin, Rundschreiben 15/2009 (BA), Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, v. 14.8.2009, https://www.bundesbank.de/resource/blob/598796/ 9aed545e2c4ddfeb03ac87 ccadb994a6/mL/2009-08-14-rundschreiben-mindestanforderungen-risikomanagement-data.pdf; BaFin, Rundschreiben 18/2005 (BA), Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, Stand: 4.5.2006, https://www.bundesbank.de/resource/blob/598636/ccdec39092217b

308

Riepe

§7

I. Überblick und allgemeine Grundlagen

046c6c8046c44c0210/mL/2006-05-04-rundschreiben-mindestanforderungen-risikomanagement-data.pdf; (Abrufdatum jew. 24.3.2020). Verlautbarungen der Deutschen Bundesbank (Bundesbank): Bundesbank, Risikotragfähigkeitsinformationen – Merkblatt für die Meldungen gemäß §§ 10, 11 FinaRisikoV, Stand: 16.12.2019, https:// www.bundesbank.de/resource/blob/612694/d9019f5a4241fd4952a0e565b823ee63/mL/merkblatt-zuden-meldevordrucken-data.pdf; Bundesbank, Statistischer Anhang zum Basel III-Monitoring für deutsche Institute – Stichtag 30.6.2018, v. 3/2019, https://www.bundesbank.de/resource/blob/782874/ a204b2a2d91276bf98f2239ee06c7246/mL/2018-06-basel3-monitoring-deutsche-institute-data.pdf; Bundesbank, Bericht zum Basel III-Monitoring für deutsche Institute – Stichtag 31.12.2017, v. 10/2018, https://www.bundesbank.de/resource/blob/762928/b0817e7a7482ae7c1a4630398115a77e/mL/201712-basel3-monitoring-deutsche-institute-data.pdf; Bundesbank, Monatsbericht 7/2016, https:// www.bundesbank.de/resource/blob/664998/df05e60f25c0386bbce221db8a219536/mL/2016-07-monatsbericht-data.pdf; Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, https://www.bundesbank.de/resource/blob/ 652134/f9108ad039dbeec1d0aa30db7717eb48/mL/2014-06-monatsbericht-data.pdf; Bundesbank, Monatsbericht 3/2013, https://www.bundesbank.de/resource/blob/693210/f77c7186a286da694fde715bce 5aebe0/mL/2013-03-risiktragfaehigkeit-data.pdf; Bundesbank, Monatsbericht 4/2001, https:// www.bundesbank.de/resource/blob/691856/bcd3ccde3a3ca4baa99316a6e0d4b4db/mL/2001-04-monatsbericht-data.pdf; Bundesbank, Monatsbericht 1/2001, https://www.bundesbank.de/resource/blob/ 691844/1ce4359cb 6bcb23f33a9e82d4c222724/mL/2001-01-monatsbericht-data.pdf; (Abrufdatum jew. 24.3.2020). Weitere Verlautbarungen: Financial Services Authority (FSA), The prudential regime for trading activities – A fundamental review, DP 10/4, v. 8/2010, https://www.fca.org.uk/publication/discussion/ dp10_04.pdf; FSA, The Turner Review: A regulatory response to the global banking crisis, v. 3/2009, http://www.actuaries.org/CTTEES_TFRISKCRISIS/Documents/turner_review.pdf; G20 Leaders Statement: The Pittsburgh Summit, v. 24./25.9.2009, http://www.g20.utoronto.ca/2009/2009communique0925.html (Abrufdatum: 12.3.2020).

I.

Überblick und allgemeine Grundlagen Riepe

1. Einführung Die Banken gehören zu den staatlich besonders intensiv regulierten und überwachten Un- 1 ternehmen.1) Der Umfang, in denen sich die Regulierung verändert, hat seit der Finanzkrise zugenommen, die Anpassungsintervalle haben sich verkürzt. Dabei sind die ökonomischen Gründe für eine Regulierung von Banken vielfältig (siehe dazu § 6 [Neus/Riepe]), genauso vielfältig wie die ergriffenen Maßnahmen. In diesem Kapitel werden nach einem allgemeinen Überblick zur Struktur der Eigenmit- 2 telregulierung zunächst die Bestandteile und die Mindesthöhe der Eigenmittelregulierung erläutert (siehe Rz. 18 ff.). Dies schließt insbesondere die qualitativen Anforderungen an die jeweiligen bankaufsichtsrechtlichen Eigenmittel (siehe Rz. 21 ff.) sowie die quantitativen Anforderungen (siehe Rz. 36 ff.) mit ein. Weiter werden Aspekte des aufsichtlichen Meldewesens der Eigenmittelanforderungen (siehe Rz. 45 ff.), Konsolidierungsaspekte der CRR (siehe Rz. 57 ff.) sowie Waiver-Regelungen (siehe Rz. 64 ff.) thematisiert. Anschließend werden in diesem Kapitel die jeweiligen Eigenmittelanforderungen der 3 Kreditrisiken (siehe Rz. 70 ff.), der Marktrisiken (siehe Rz. 202 ff. sowie Rz. 393 ff.) sowie der operationellen Risiken (siehe Rz. 430 ff.) erläutert und diskutiert. Jedes der drei großen Risikoarten weist dabei eine eigene Modellierung und Quantifizierungsverfahren auf, die in jüngster Zeit teilweise starken Veränderungen unterworfen waren und in den jeweiligen Abschnitten detailliert erläutert werden. Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities (MREL) und Total Loss Absorbing Capacity (TLAC) zählen zu den großen Neuerungen in der Eigenmittelsystematik und werden im Abschn. VII (siehe Rz. 503 ff.) erläutert. Abgeschlossen werden die Ausführungen zu den Eigenmittelanforderungen dieses Kapitels mit den ebenfalls neu hinzugekommenen Anforderungen an die internen Prozesse zur Beurteilung der Kapitaladäquanz (siehe Rz. 525 ff.), die nun direkt auf die quantitativen Eigenmittelanforderungen wirken. ___________ 1)

Rudolph, ZHR 175 (2011), 284.

Riepe

309

§7 2.

Eigenmittelregulierung Überblick der Eigenmittelregulierung und deren Systematik

4 Die aktuelle Systematik der Regulierung ist stark durch die als Basel II bekannte Regulierungslogik geprägt. Dabei nutzt die Regulierung neben direkten Vorgaben an interne Bankenprozesse und deren aufsichtliche Überprüfung (der sog. Säule 2), traditionell quantitative Vorgaben zur Angemessenheit der Finanzverfassung von Banken (der sog. Säule 1). Diese waren traditional als Verhältnis der eingegangenen Risiken zu den Bankeigenmitteln definiert. Beide Ansätze werden um detaillierte Offenlegungspflichten ergänzt (der sog. Säule 3), die das staatlich-regulatorische Handeln um (Kapital-)Marktkräfte ergänzt, die eine mutmaßlich flexiblere und stärker zukunftsgerichtete Überwachung erlauben.2) 5 Abb. 1: Basel II-Systematik

BASEL II

Säule I Mindestanforderung an risikoadäquate Eigenmittelausstattung ●

Kreditrisiko

Marktrisiko ● operationelles Risiko ●

Säule II

Säule III

Aufsichtliches Überprüfungsverfahren

erweiterte Offenlegung

Der „Supervisory Review Process“

Transparenzanforderungen für mehr Marktdisziplin

mit Tier 1 und Tier 2 Eigenmitteln

Eigenmittel

∑ RWA

> 8%

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesbank, Die neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II), in: Monatsbericht 4/2001, S. 15, 17.

6 Bis zur Finanzkrise 2008 war es dabei primär die Eigenmittelregulierung der Säule 1, die als limitierender Faktor den Risikoappetit der Banken prägte und vom Bankmanagement als wichtige Steuerungsgröße auch im Hinblick auf die „Regulierungsoptimierung“ genutzt wurde. Die Säulen II und III hatten trotz der teilweise recht umfangreichen Anforderungen in der Bankensteuerung eine weniger ausgeprägte Bedeutung. In der Krise zeigten sich jedoch Defizite einer zu starken Fokussierung und nahezu isolierten Betrachtung der Bankeneigenmittel der Säule 1. Interdependenzen zwischen den Säulen konnten so nicht abgebildet werden. Weitere Risikofaktoren aus der Fristentransformation, die die Bankenliquidität betreffen, fehlten in den Basler Vorgaben vollständig und wurden maximal vom nationalen Regulierer individuell festgelegt.3) ___________ 2) 3)

310

Bundesbank, Die neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II), in: Monatsbericht 4/2001, S. 15, 17. Haselmann/Krahnen/Wahrenburg, SAFE Policy Report No. 1, v. 3/2019, 295; Admati/DeMarzo/Hellwig/ Pfleiderer, Discussion Paper 2013/23, S. 8 ff.

Riepe

Riepe

ICAAP ●

… Capital Loss Absorption: MREL & TLAC

Output Floors





Quality & Level of Capital Constraints on Internal Models



Revised Pillar 3 Disclosure Requirements

Principles for Sound Liquidity Risk Management & Supervision Supervisory Monitoring

Net Stable Funding Ratio (NSFR)

Liquidity Coverage Ratio (LCR)

Global Liquidity Standards / Supervisory Monitoring

Market Discipline

Capital & Risk Coverage Credit; Market; Credit Value Adj.; Operational Risks

Liquidity

Pillar III

Containing Leverage

Pillar I



SIBs: Systematically Important Banks

Interest Rate Risk in the Banking Book

Supplemental Pillar 2 Requirements

Risk Mangagement & Supervision

Pillar II

BASEL III

I. Überblick und allgemeine Grundlagen

§7

Abb. 2: Basel III-Systematik 7

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an BCBS (Basel III Summary Table)

311

§7

Eigenmittelregulierung

8 Über die Umsetzung der Basel III-Regulierung4) wurden die drei Säulen der Bankenregulierung grundlegend beibehalten, wobei die quantitativen Eigenmittelanforderungen der Säule 1 auch weiterhin im Zentrum der Regulierungsaktivitäten steht. Die regulatorischen Anforderungen wurden allerdings um zahlreiche Elemente ergänzt und verschärft, um aufgetretenen Schwachstellen entgegenzuwirken und das Vertrauen in die Stabilität des Bankensektors zu stärken. Bei der Fortentwicklung der Bankenregulierung wurde mit der Regulierung der Bankenliquidität eine zentrale Regulierungslücke in Basel II geschlossen, die die in Deutschland bereits vorher bestehende Liquiditätsverordnung (LiqV) ersetzte. Als Folge werden die Liquiditätsrisiken nun nicht nur über zwei Kennzahlen, der Liquidity Coverage Ratio (LCR) und der Net Stable Funding Ratio (NSFR), gesteuert. Zahlreiche Offenlegungs- und aufsichtliche Prüfprozesse machen die Liquiditätsanforderungen zu einer zusätzlichen Regulierungssäule (siehe § 9 [Laufenberg]). 9 Eine Verschärfung der Anforderungen passierte insbesondere bei der Definition und der Höhe der regulatorischen Eigenmittel (siehe Rz. 18 ff.). Die noch während der Finanzkrise verbreiteten Eigenmittelinstrumente waren Teilweise im Krisenfall nicht mehr Verfügbarkeit oder zeigten keine ausreichende Verlustabsorptionsfähigkeit im Insolvenzfall. Ebenfalls wurden die Spielräume bei der Risikomodellierung stark eingeschränkt und ModellUntergrenzen, sog. „Output-Floors“, definiert. Darüber hinaus wurde mit der Verschuldungsquote (siehe § 8 [Periškiü]) eine komplementäre Größe zu den risikogewichteten Eigenmittelanforderungen geschaffen, die nun als eigenständige Teilsäule eine volumenmäßige Begrenzung der Bankaktivitäten darstellt. 10 Eine konzeptionelle Neuerung bei der Umsetzung von Basel III erfolgte durch eine stärkere Vernetzung der einzelnen Maßnahmen über die Säulengrenzen hinweg. Dies folgte aus der Erkenntnis der Finanzkrise, dass Defizite in einem Teil der Bank, z. B. dem Risikomanagement, starke adverse Folgen für die Wirksamkeit von Marktüberwachung oder Eigenmittelregulierung haben können. Ein Beispiel für die stärkere Vernetzung ist der Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP (siehe Rz. 525 ff.), der aus den Risikomanagementanforderungen der Säule 2 zusätzliche Anforderungen an die Eigenmittelregulierung nach Säule 1 ableiten kann. 11 Auch bei der Stärkung der Kapitalbasis im Verlustfall (Capital Loss Absorption: TLAC, MREL) setzt der Regulierer auf einen säulenübergreifenden Ansatz: Über Bail-in-Kapital kommt es nicht nur zu einer stärkeren Verlustbeteiligung von Gläubigern im Insolvenzfall. Bereits im Vorlauf einer Insolvenz erzeugen die am Kapitalmarkt gehandelten Bail-inKapitalinstrumente einen Marktdruck auf das Management und können so frühzeitig einer Verschärfung der Krise entgegenwirken (siehe Rz. 503 ff.). 12 Zusätzliche Verschärfungen in der Regulierung sieht der Bankenaufseher auch für Banken vor, deren Ausfall besondere Risiken für die allgemeine Finanzstabilität erzeugen: Global Systemically Important Banks (G-SIBs) sowie Domestic Systemically Important Banks (D-SIBs) müssen bei einer Vielzahl einzelner Regulierungsmaßnahmen höhere Kennzahlen erreichen, mehr Informationen bereitstellen oder stärker ausdifferenzierte Prozesse vorweisen. 13 Diese Vielzahl an Neuerungen und Ergänzungen, die den aufgetretenen Schwächen der Bankenregulierung entgegenwirken sollen, zeichnen sich auch durch eine sehr große Detailtiefe aus, die den Anspruch hat, diskretionäre Spielräume im Risikomanagement von Banken und damit mögliche Regulierungsaufweichungen zu verhindern. Dies ist einer___________ 4)

312

Vgl. BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 12/2017, und BCBS, Discussion Paper, The regulatory framework: balancing risk sensitivity, simplicity and comparability, v. 8.7.2013.

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§7

I. Überblick und allgemeine Grundlagen

seits wünschenswert da während der Finanzkrise ein hohes Maß an Heterogenität bei der Anwendung interner Risikomodelle beobachtet werden konnte.5) Andererseits hat dies den Regulierungsaufwand der Banken und die Komplexität der 14 Regulierung weiter erhöht. Mit dieser Komplexitätserhöhung können zusätzliche Risiken entstehen.6) Gerade der ehem. Direktor der Bank of England, Andrew G. Haldane, kritisierte die bürokratische Überregulierung von Banken und die suggerierte Fähigkeit der Regulierung zur zuverlässigen Messung und Steuerung von Risiken, die so nicht gegeben wäre.7) Auch Admati/DeMarzo/Hellwig/Pfleiderer8) thematisieren die adversen Konsequenzen übermäßiger Komplexität in der Regulierung und schlagen eine starke Vereinfachung der Regeln bei einer gleichzeitigen Verschärfung der einzelnen Maßnahmen, insbesondere der Eigenmittelregulierung, vor. Zumindest an einzelnen Stellen folgte der Regulierer diesen Forderungen und vereinfachte einzelne Regeln, eliminierte Wahlrechte und interne Modelle z. B. bei operationellen Risiken. 3.

Regulierung auf Basis umfassender und selektiver Normen

Die vielfältigen Maßnahmen zur Eigenmittelregulierung lassen sich nicht nur in einzelne 15 Regulierungssäulen unterteilen, sondern auch nach dem Charakter der jeweiligen Norm. Dabei setzt die Regulierung von Bankeneigenmitteln hauptsächlich auf umfassende Normen der Eigenmittelunterlegung. Diese zeichnen sich durch übergreifende Grenzwerte für das Verhältnis des verfügbaren Kapitels zu den eingegangenen aggregierten Risiken aus, zunächst approximiert allein durch das Geschäftsvolumen im Kreditgeschäft, später anhand verschiedener modellierter Parameter. Die Eigenmittelunterlegung nach Basel II, welche einen Grenzwert von 8 % Eigenmitteln zu risikogewichteten Aktiva vorsah, ist ein Prototyp einer umfassenden Eigenmittelnorm. Durch die Wahl umfassender Normen versucht der Regulierer einerseits das Bankenrisiko 16 „in einer einzigen Zahl sichtbar und mit der anderer Kreditinstitute vergleichbar“9) zu machen. Diese Eigenschaft ist insbesondere für eine effektive Marktüberwachung wichtig. Andererseits lassen umfassende Normen den Banken eine Dispositionsfreiheit, die ihnen erlaubt, eigenständig die Auswahl und Kombinationen verschiedener Risiken zu wählen.10) Als Nachteile umfassender Eigenmittelnormen gelten jedoch die häufig unangemessene Erfassung von Klumpenrisiken sowie eine Tendenz zur Optimierung von Risikokennzahlen durch Regulierungsarbitrage.11) Die umfassenden Normen wurden um selektive Normen für Kennzahlen einzelner Ri- 17 sikoparameter ergänzt. Selektive Normen legen dabei separate Obergrenzen (entweder in absoluter Höhe aber auch als relative Größe zu den Eigenmitteln) für einzelne Geschäftsaktivitäten oder Risikopositionen fest.12) Ein Beispiel einer selektiven Eigenmittelnorm ist § 13 KWG für Großkredite (siehe § 10 [Lackhoff/Heinz]). Selektive Normen steuern einzelnen, konzentrierten Risiken entgegen, wirken direkter und sind aufgrund ihrer einfacheren Ausgestaltung häufig robuster in ihrer Wirkung. Gleichzeitig greifen sie stärker in den gewählten Risikomix der regulierten Banken ein und begünstigen so einen Gleichlauf ___________ 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12)

Haselmann/Krahnen/Wahrenburg, SAFE Policy Report No. 1, v. 3/2019, 153. Rudolph, zfbf Sonderheft 61/2010, 134 ff. Haldane, The Dog and the Frisbee, zit. nach Rudolph, Kredit und Kapital, 45 (2012), 447, 449. Admati/DeMarzo/Hellwig/Pfleiderer, Discussion Paper 2013/23. Philipp et al., DBW 1987, 285. Rudolph, ZHR 175 (2011), 284, 288. Rudolph, ZHR 175 (2011), 284, 291 f. Rudolph, ZHR 175 (2011), 284, 286.

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§7

Eigenmittelregulierung

von Geschäftsmodellen („too many to fail“, siehe § 6 Rz. 17 [Neus/Riepe]). Auch eignen sich selektive Normen nur unzureichend als Grundlage für eine Kapitalmarktüberwachung (Säule 3). Aus diesen Gründen werden selektive Normen vom Regulierer nur zögerlich und in ausgewählten Einzelfällen eingesetzt. II.

Bestandteile und Mindesthöhen Engelbach

1.

Überblick

18 Der regulatorische Eigenkapitalbegriff ist vom Begriff des Eigenkapitals im bilanztechnischen Sinne abzugrenzen.13) Bankaufsichtsrechtlich existiert ein eigenständiger Kapitalbegriff, der sowohl das bilanzielle Eigenkapital14) umfasst, darüber hinaus jedoch auch Bestandteile einbezieht, die in der Bankbilanz als Fremdkapital, als Sonderposten oder gar nicht explizit ausgewiesen werden. Entscheidend für die Anerkennung als regulatorisches Kapital ist, ob das Kapital Verluste der Bank tragen kann oder Gläubigern im Haftungsfall als Masse zur Verfügung steht. 19 Das bankaufsichtsrechtliche Eigenkapital (bzw. die Eigenmittel)15) hat jedoch nicht lediglich die Funktion, die Bankgläubiger davor zu schützen, dass auch sie tatsächlich eingetretene Verluste der Bank auszugleichen haben. Vielmehr sollen Finanzkrisen und prozyklische Effekte im Finanzsystem durch eine größere Verlustabsorptionsfähigkeit nachhaltig vermieden werden.16) Daher wird heute sowohl seitens der Bankenaufsicht als auch der Investoren verstärkt darauf geachtet, dass die Eigenmittel in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Risiken des einzelnen Instituts aus dessen Geschäftsmodell, den in der Bilanz abgebildeten Geschäften und der Organisation der Bank als solches stehen (Vertrauensfunktion und Risikobegrenzungsfunktion).17) 20 Bei der Bestimmung der Höhe der Eigenmittel ist – soweit es sich nicht um ein Einzelinstitut handelt – maßgeblich auf den regulatorischen Konsolidierungskreis abzustellen. Kapitalmarktorientierte Mutterinstitute haben eine Finanzdatenplanung auf Basis eines IFRS-Gruppenabschlusses (Financial Reporting – FINREP)18) aufzustellen. Darüber hinaus verpflichtet der auf der Banken- und Kapitaladäquanzrichtlinie basierende § 10a Abs. 7

___________ 13) Vgl. hierzu auch Bundesbank, Monatsbericht 1/2001, S. 41, 44. 14) Zum bilanztechnischen Eigenkapital Wierichs/Smets, Gabler, Kompakt-Lexikon Bank und Börse, S. 73 f. 15) Die Begrifflichkeiten „bankaufsichtsrechtliches Eigenkapital“ und „Eigenmittel“ werden sowohl vom Gesetzgeber als auch in der Literatur synonym verwendet. 16) Maier in: Klauck/Stegmann, Basel III, S. 55, 56. 17) Vgl. zu den Funktionen des bankaufsichtsrechtlichen Eigenkapitals i. E. auch Hölscher, Die Eigenkapitalvorgaben nach Basel III und CRR/CRD IV, S. 6 ff. 18) Am 26.3.2015 veröffentlichte die EZB die Verordnung über die Meldung aufsichtsrechtlicher Finanzinformationen (Verordnung (EU) Nr. 2015/534 der EZB v. 17.3.2015, ABl. (EU) L 86/13 v. 31.3.2015). Ziel dieser Verordnung ist es, ein einheitliches und europaweit vergleichbares Reporting sicherzustellen und bestehende Datenlücken zu schließen. Der Anwenderkreis wurde gegenüber den bis dahin bestehenden Regelungen erheblich erweitert. Während vor 2015 nur IFRS-Gruppen zur FINREP-Meldung (Financial-Reporting-Meldung) verpflichtet waren, unterliegen jetzt auch HGBGruppen und HGB-Einzelinstitute der Meldepflicht. Darüber hinaus müssen in Deutschland ansässige Niederlassungen von Kreditinstituten, die ihren Sitz nicht in einem Mitgliedsland des SSM haben (z. B. Schweiz), ebenfalls Finanzinformationen melden. Diese Verordnung wurde – in Ansehung der Änderungen in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 zur aufsichtlichen Berichterstattung – mit Verordnung (EU) Nr. 2017/1539 der EZB v. 25.8.2017, ABl. (EU) L 240/1 v. 19.9.2017, nochmals geändert, um die FINREP-Meldung an den neuen Berichtsstandard für Finanzinstrumente (IFRS 9) anzupassen. Diese Änderung der EZB-Verordnung trat am 1.1.2018 in Kraft. Für weniger bedeutende Institute in Deutschland, die ihre Meldungen gemäß HGB-Rechnungslegungsstandard abgeben, gilt die Verordnung seit dem 1.1.2019.

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§7

II. Bestandteile und Mindesthöhen

KWG19) alle Mutterunternehmen, für die Solvenzmeldung (Common Reporting Framework – COREP)20) den Konzernabschluss bei der Ermittlung der Eigenmittel und Risikopositionen zugrunde zu legen.21) Für Institutsgruppen sind nach aktuellem gesetzlichen Stand sowohl die FINREP- als auch die COREP-Meldungen anhand des aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreises nach § 10a KWG zu erstellen. Die unterschiedlichen Definitionen der Konsolidierungskreise aus dem Rechnungswesen (IFRS) und dem Bankaufsichtsrecht (KWG, Capital Requirements Regulation – CRR22) und die daraus resultierenden Folgeprobleme werden in diesem Abschnitt unter Rz. 57 ff. kurz dargestellt. Zuvor werden jedoch zunächst die für alle Institute geltenden regulatorischen Anforderungen an ihre Eigenmittelausstattung dargestellt. 2.

Eigenmittelanforderungen

a)

Qualitative Anforderungen an das bankaufsichtsrechtliche Eigenkapital

Die Eigenmittel eines Instituts setzen sich aus Komponenten unterschiedlicher Qualitä- 21 ten zusammen. Abb. 3: Eigenmittel

22 Eigenmittel (Own Funds)

Kernkapital

Ergänzungskapital

(Tier 1 Capital)

(Tier 2 Capital)

Hartes Kernkapital

Zusätzliches Kernkapital

(Core Equity Tier 1 Capital/CET1)

(Additional Tier 1 Capital/AT1)

Quelle: Eigene Darstellung.

Grundsätzlich wird, wie in Abb. 3 dargestellt, zwischen dem Kernkapital (Going-Concern- 23 Kapital) und dem Ergänzungskapital (Gone-Concern-Kapital) unterschieden.23) aa)

Kernkapital nach der Capital Requirements Regulation – CRR

Das Kernkapital teilt sich in das harte Kernkapital (Common Equity Tier 1-Capital – 24 CET1) und das zusätzliche Kernkapital (Additional Tier 1-Capital – AT1) auf.24) Das harte Kernkapital entspricht den regulatorischen Eigenmitteln der höchsten Quali- 25 tätsstufe und zeichnet sich v. a. durch seine unbefristete Verfügbarkeit und seine Verlust___________ 19) Eingeführt durch das Gesetz zur Umsetzung der neugefassten Bankenrichtlinie und der Kapitaladäquanzrichtlinie v. 17.11.2006, BGBl. I 2006, 2606. 20) Den ITS zu COREP sowie andere Dokumente zu COREP und FINREP veröffentlicht die Bundesbank auf ihrer Homepage: https://www.bundesbank.de/de/service/meldewesen/bankenaufsicht/corep-finrep. 21) Vgl. hierzu auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Stawitzke, KWG/CRR-VO, § 10a Rz. 10 f. 22) Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013; geändert durch Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. 23) Zur Unterscheidung s. a. BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, v. 12/2019, Stand: 6/2011, Rz. 49 ff.; weitere Detailregelungen finden sich in den Eigenmittel-RTS: EBA, Regulatory Technical Standards (RTS) on Own Funds. 24) Vgl. Art. 25 CRR.

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§7

Eigenmittelregulierung

absorptionsfähigkeit aus.25) Dementsprechend müssen nach Art. 28 CRR26) alle Instrumente zu ihrer Anerkennung als hartes Kernkapital den dort enthaltenen langen Katalog von Kriterien27) kumulativ erfüllen.28) Dieser Kriterienkatalog gilt für alle Institute, und zwar unabhängig von ihrer Rechtsform.29) 26 Zusätzlich zum harten Kernkapital wird das zusätzliche Kernkapital (Additional Tier 1Capital – AT1) als Teil des Kernkapitals anerkannt. Auch hier haben die Kapitalinstrumente eine Reihe von Kriterien zu erfüllen, um regulatorisch als Kernkapital anerkannt zu werden.30) Auch wenn das Additional Tier 1-Capital von den Voraussetzungen her den nach Basel III begebenen Hybridkapitalia ähnelt, können die vor Geltung der CRR als Hybridkapital (Nachränge, Genussrechte, Stille Einlagen) begebenen Kapitalbestandteile wegen „mismatch“ der kumulativ zu erfüllenden CRR-Anerkennungskriterien nun – außer i. R. der Übergangsregelungen – nicht mehr zum Kern-, sondern lediglich noch zum Ergänzungskapital gerechnet werden. 27 Hervorzuheben ist, dass die Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals nach der CRR dem Institut generell unbefristet überlassen werden müssen und die Dokumentationen keinerlei Kündigungs- und Tilgungsanreize sowie Rangänderungsautomatismen enthalten dürfen.31) Ohne Zustimmung der Aufsicht verbleibt den Instituten jedoch die Möglichkeit Additional Tier 1-Capital durch Kapital mindestens gleicher Qualität und Quantität zu ersetzen. Ohne eine derartige Ersetzung ist eine Kündigung von zusätzlichem Kernkapital nur mit Zustimmung der Aufsicht möglich. Erfahrungsgemäß wird eine solche Zustimmung nur erteilt, wenn aus Sicht der Aufsicht auch nach Kündigung des Instruments den Gläubigern des Instituts genügend Haftungsmasse zur Verfügung stehen würde.32) bb)

Ergänzungskapital (Tier 2-Capital)

28 Das Ergänzungskapital (Tier 2-Capital) soll die bei Nicht-Fortführung des Bankbetriebs entstehenden Verluste ausgleichen.33) Es zeichnet sich durch eine geringere Qualität aus, ___________ 25) BCBS, Strengthening the resilience of the banking sector, v. 12/2009, Rz. 13 ff. 26) Kriterien sind u. a. die zeitlich unbefristete Kapitalbereitstellung (kein Tilgungsanreiz und kein fixer Fälligkeitstermin – Kündigungsoptionen sind Art. 52 Abs. 1 lit. i CRR unter den dort genannten Voraussetzungen frühestens nach fünf Jahren zulässig), die Nachrangigkeit im Falle einer Liquidation des Instituts, ein Anspruch auf einen etwaigen Liquidationserlös sowie das Erfordernis einer Wandlungsoder Verlustteilnahmeklausel. 27) Eine zusammenfassende Übersicht zu den Kriterien des harten Kernkapitals nach Art. 28 Abs. 1 CRR findet sich bei Andrae/Krösl in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, Tabelle 2, S. 463, 478 f. 28) Hervorzuheben ist, dass den Instituten mit der Klarstellung in Art. 26 Abs. 1 lit. f CRR die Möglichkeit gegeben wird, über die Zuführung oder Auflösung bilanzieller Vorsorgereserven nach § 340g HGB ihr hartes Kernkapital zu erhöhen oder zu verringern. Derartige Zuführungen oder Auflösungen verringern bzw. erhöhen dabei den Bilanzgewinn und wirken somit regelmäßig vor dem Aufsatzpunkt anderer Hybridkapitalia der Institute. 29) Für Sparkassen, Genossenschaften und Gegenseitigkeitsgesellschaften und ähnliche Institute bestehen Sonderregelungen, vgl. Delegierte Verordnung (EU) Nr. 241/2014 der Kommission v. 7.1.2014, ABl. (EU) L 74/8 v. 14.3.2014. 30) Vgl. Artt. 51 f. CRR; eine zusammenfassende Übersicht zu den Kriterien des harten Kernkapitals nach Art. 28 Abs. 1 CRR findet sich bei Andrae/Krösl in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, Tabelle 3, S. 463, 482 f. 31) Vgl. Art. 52 Abs. 1 lit. f bis lit. h CRR; früher in der Praxis beliebte automatische Zins- oder Margenanpassungen bei Verschlechterung der Schuldnerbonität oder zu fixen Zinszahlungsterminen stehen somit der Anerkennung als Additional Tier 1 nach der CRR entgegen. 32) Unter Beachtung der seitens der CRR vorgegebenen Grenzen ist auch eine Kombination von teilweiser Ersetzung und dauerhafter Verringerung des zusätzlichen Kernkapitals möglich, dies jedoch wiederum nur mit Zustimmung der zuständigen Aufsicht. 33) BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, v. 12/2019, Stand: 6/2011, Rz. 58.

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§7

II. Bestandteile und Mindesthöhen

was bereits an dem im Vergleich zum Kernkapital weniger umfangreichen Kriterienkatalog34) zu erkennen ist, den die Instrumente vor ihrer Anerkennung als Ergänzungskapital kumulativ zu erfüllen haben.35) So muss CRR-Ergänzungskapital u. a. nachrangig sein und darf nicht durch die Bank selbst refinanziert oder besichert werden. Zudem ist eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren Anerkennungskriterium;36) für die Zeit nach der Mindestlaufzeit können die Vertragsparteien Kündigungsrechte vereinbaren.37) Nachträgliche Änderungen der Vertragslaufzeit oder der Kündigungsfristen sind mit Blick auf den Anforderungskatalog der CRR kritisch zu begutachten, denn der Kriterienkatalog des Art. 63 CRR muss von dem begebenen Instrument jederzeit erfüllt werden.38) Während die SolvV den Emittenten von Ergänzungskapital in den letzten beiden Jahren 29 ihrer Laufzeit noch eine pauschale Teilanrechnung gestattete, normiert Art. 64 CRR eine Anrechnung unter Zugrundelegung der Restlaufzeit des Instruments zum jeweiligen Meldestichtag. Drittrangmittel können nach der CRR nicht mehr i. R. der Eigenmittelrechnung ange- 30 setzt werden.39) cc)

Abzugsposten

Neben den höheren Anforderungen an die Qualität von anrechenbaren Kapitalinstrumen- 31 ten als Eigenmittel verschärft die CRR auch die Regularien um die Abzugs- und Korrekturposten (Prudential Filters). Vermögenswerte, die im Falle einer Insolvenz oder der Liquidation des Unternehmens keine oder nur ungewisse Zahlungsströme haben, sind von den Eigenmitteln abzuziehen.40) Der Abzug erfolgt nicht mehr, wie bisher im KWG, jeweils zur Hälfte vom Kern- und Ergänzungskapital, sondern meist nur noch vom harten Kernkapital. Ziel ist es, dass die Banken keine hohen Kernkapitalquoten mehr ausweisen können, wenn das Bankkapital zuvor durch Abschreibungen vermindert wurde.41) So sind die nicht durch Wertberichtigungen gedeckten, erwarteten Verluste nach der 32 CRR vollständig vom harten Kernkapital und nicht mehr hälftig vom Kern- und Ergänzungskapital abzuziehen.42) Des Weiteren sind vom harten Kernkapital abzuziehen:43) x

immaterielle Vermögenswerte;

___________ 34) Eine tabellarische Übersicht zu den Kriterien des harten Kernkapitals nach Art. 63 CRR findet sich bei Andrae/Krösl in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, Tabelle 4, S. 463, 488 f. 35) Mit Basel III wurden die früher existenten zwei Ergänzungskapitalkategorien aufgehoben. 36) Innerhalb dieser fünfjährigen Mindestlaufzeit müssen – wie oben i. R. des zusätzlichen Kernkapitals ausgeführt – jegliche Kündigungs- und Tilgungsanreize des Kreditinstituts ausgeschlossen sein. 37) Kündigungsrechte müssen jedoch im Lichte von Art. 63 lit. g ff. CRR betrachtet werden; schlussendlich können sich hieraus deutliche Begrenzungen i. R. der Anrechnungsfähigkeit als solche, oder zumindest in Bezug auf die Anrechnung der Höhe nach ergeben. 38) Anders Andrae/Krösl in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, Tabelle 2, S. 463, 490 f., die eine nachträgliche Änderung der Laufzeit bzw. einer kürzeren Kündigungsfrist mit Art. 63 CRR für nicht vereinbar halten. Schlussendlich ist jedoch der Vertrag dahingehend zu überprüfen, ob er vor und nach der Änderung den Kriterienkatalog des Art. 63 CRR erfüllt. 39) BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, v. 12/2019, Stand: 6/2011, Rz. 9. 40) Groß/Küster in: Hofmann, Basel III und MaRisk, S. 343, 357 f. 41) Aberer/Manns, Risiko Manager 13/2010, 16, 18. 42) BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, v. 12/2019, Stand: 6/2011, Rz. 81; Groß/Küster in: Hofmann, Basel III und MaRisk, S. 343, 360. 43) Mit den Übergangsregelungen der CRR wurde erstmalig ein Abzug i. H. v. 20 % der jeweiligen Positionen eingeführt. Dieser Abzugswert wurde bis 2018 sukzessive erhöht. S. hierzu auch die folgenden Ausführungen unter Rz. 34.

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§7

Eigenmittelregulierung

x

latente Steueransprüche, die von der künftigen Rentabilität des Instituts abhängig sind;

x

risikogewichtete Forderungsbeträge nach IRBA;

x

bilanziell ausgewiesene Vermögenswerte aus Pensionsfonds mit Leistungszusage;

x

bestimmte direkte, indirekte und synthetische Positionen eines Instituts in eigenen Instrumenten des harten Kernkapitals;

x

bestimmte direkte, indirekte und synthetische Positionen in Instrumenten des harten Kernkapitals von Unternehmen der Finanzbranche soweit das Institut an ihnen keine wesentliche Beteiligung hält.

dd)

Hinzurechnungsposten

33 Kapital aus Minderheitsbeteiligungen kann zwar nach wie vor grundsätzlich angerechnet werden, jedoch nur noch in der Höhe, wie dieses Kapital aus Minderheitsbeteiligungen im Verlustfalle tatsächlich als Deckungsmasse zur Verfügung steht. Hinzurechenbar sind als Minderheitsbeteiligungen nur Instrumente des harten Kernkapitals, das mit diesen verbundene Agio, einbehaltene Gewinne und sonstige Rücklagen eines Tochterunternehmens, die von Dritten gehalten werden.44) Das Tochterunternehmen muss aufsichtsrechtlich vollständig konsolidiert sein und die Anforderungen der CRR erfüllen. Eine direkte, indirekte oder synthetische Finanzierung des Minderheitenanteils durch andere Institute ist ausgeschlossen.45) ee)

Übergangsvorschriften/Grandfathering

34 Bezüglich der Anwendung der neuen Eigenkapitalvorschriften auf vor Inkrafttreten der CRR bereits begebene, bislang aufsichtsrechtlich anerkannte, jedoch unter der CRR nicht mehr anerkennungsfähige Eigenkapitalinstrumente, sieht die CRR einen großzügigen Übergangszeitraum von acht Jahren vor. In diesem genießen die Emissionen, die an bzw. bis zu dem Stichtag 31.12.2011 emittiert wurden Bestandsschutz, der jedoch von Jahr zu Jahr abschmilzt.46) Ausgangspunkt für den maximal anrechenbaren Wert ist der Buchwert der am 31.12.2011 vorhanden Bestandsschutzemissionen zum 31.12.2012. Von diesem Wert senkt die CRR jährlich den anrechnungsfähigen Betrag der Eigenmittelinstrumente, die dem Bestandsschutz unterliegen, ab. Dies für die Summe aller begebenen Instrumente und beginnend ab 2014 mit zunächst 80 % des anrechnungsfähigen Betrages und in den Folgejahren – bis letztmalig 2021 – um jährlich jeweils 10 weitere Prozentpunkte.47) 35 Während in Art. 36 CRR die Abzugsposten des harten Kernkapitals ohne zeitliche Beschränkung festgesetzt worden sind, sind in Artt. 469 ff. CRR i. V. m. Art. 36 Abs. 1 lit. a bis lit. h CRR für spezifische Posten des harten Kernkapitals und zu den anderen Eigenkapitalbestandteilen in den Artt. 474 ff. i. V. m. Art. 56 CRR eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2017 erlaubt worden.48) Welche spezifizierten Prozentsätze in diesem Übergangszeitraum dann tatsächlich abzuziehen sind, regeln die Artt. 478 ff. CRR; ebenso, wie sie die konkrete Ausgestaltung der Übergangsregelungen an die nationalen Aufseher delegiert.49) ___________ 44) Vgl. zur konkreten Berechnung Art. 84 CRR und Art. 1 Nr. 4 Delegierte VO (EU) Nr. 2015/923 der Kommission v. 11.3.2015, ABl. (EU) L 150/1 v. 17.6.2015. 45) Ausf. Andrae/Krösl in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 463, 528 ff. 46) Artt. 484 ff. CRR. 47) Vgl. zu den Grandfathering-Regelungen i. E. Andrae/Krösl in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 463, 495 ff. 48) Für aktive latente Steuern gilt eine gesonderte Übergangsfrist bis zum Jahr 2023. 49) In Deutschland wurden für den nationalen Aufseher über § 26 SolvV die Basler Vorschläge umgesetzt. Danach gilt in Deutschland ab 2017 eine Abzugsquote von 70 und ab 2018 von 100 Prozentpunkten.

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II. Bestandteile und Mindesthöhen b)

Quantitative Anforderungen

aa)

Allgemeine Anforderungen

Gemäß § 10 Abs. 1 KWG haben Banken über eine ausreichende Eigenmittelausstattung 36 zu verfügen. Die Eigenmittel gelten nach Art. 92 Abs. 1 CRR dann als angemessen, wenn ein Institut zu jedem Zeitpunkt folgende Eigenmittelanforderungen erfüllt: x x x

eine harte Kernkapitalquote von 4,5 %, eine Kernkapitalquote von 6 %, eine Gesamtquote von 8 %.

Der durch Eigenkapital abzudeckende Gesamtforderungsbetrag aller Risikopositionen ist 37 nach Art. 92 Abs. 1 CRR weiterhin auf das 12,5-Fache des Eigenkapitals begrenzt: Eigenmittelunterlegung = Risikoposition ˜ Risikogewicht ˜ 8 %. Zwar bleibt hierdurch die bisher geforderte Gesamtmindestkapitalquote von insgesamt 8 % erhalten, doch sind die Anforderungen an die insgesamt zu erbringende Kernkapitalquote höher als vor Geltung von CRR und CRD IV (Capital Requirements Directive)50). Zudem wurden die Mindesteigenkapitalanforderungen durch die §§ 10 ff. KWG und Artt. 25 ff. CRR erhöht. Zum Beispiel muss ein Institut nach § 10 KWG zusätzlich zum harten Kernkapital nach Art. 92 CRR zur Absicherung nicht von Art. 1 CRR abgedeckter Risiken und Risikoelemente, einen aus hartem Kernkapital bestehenden Kapitalerhaltungspuffer i. H. von 2,5 % des nach Art. 92 Abs. 3 CRR ermittelten Gesamtforderungsbetrags erbringen. Neben den erhöhten Anforderungen an die Qualität der Eigenmittel normieren die CRR, CRD IV und das KWG also auch eine differenziertere Eigenmittelausstattung und fordern von den einzelnen Instituten eine quantitativ deutliche Verbesserung der Kapitalbestandteile. Schlussendlich hatten die Institute im Zeitverlauf bis 2019 sukzessive den Anteil von qualitativ hochwertigem Kernkapital gegenüber dem Ergänzungskapital zu steigern. Wie in Abb. 4 (siehe unten Rz. 44) dargestellt, muss der Anteil des harten Kernkapitals nach Art. 92 CRR seit 2015 4,5 % betragen. Der aufsichtlich geforderte Anteil des zusätzlichen Kernkapitals wurde mit Umsetzung der CRR auf 1,5 % gesenkt.51) Seit 2015 müssen (unter Berücksichtigung der Übergangsregelungen) Institute dementsprechend mindestens 6 % ihrer Risiken mit Kernkapital unterlegen. Der Anteil des geforderten Ergänzungskapitals beträgt 2 %. Da das Ergänzungskapital lediglich noch einen Anteil von max. 25 % an der Untergrenze der 8 %igen Eigenmittel-Mindestquote hat, haben die anzurechnenden Eigenmittel aus 75 % Kernkapital zu bestehen. Das Ergänzungskapital verliert mit Blick auf die Eigenmittelanforderungen also mehr und mehr an Bedeutung. Unabhängig davon, ob die Eigenmittel Markt-, operationelle oder Kreditrisiken absichern sollen, schlussendlich müssen sämtliche Risiken mit demselben qualitativ hochwertigeren Kapital unterlegt werden.52) Hinzu kommt, dass im Zuge der Umsetzung der CRD IV weitere Kapitalpuffer (siehe dazu Rz. 42) in das KWG eingeführt wurden, um die Widerstandsfähigkeit der einzelnen Banken zu stärken. Über die Eigenmittelanforderungen des Art. 92 CRR hinaus verlangt das KWG weitere Eigenmittel zur Erfüllung des Kapitalerhaltungspuffers, des antizyklischen Kapitalpuffers und des Systemrisikopuffers und/oder des Kapitalpuffers für global oder anderweitig systemrelevante Institute (siehe dazu i. E. Rz. 42 ff.). Diese Kapitalpuf___________ 50) Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013. 51) Sofern das Institut weniger als 1,5 % der Eigenmittel durch zusätzliches Kernkapital darstellen kann, ist die Differenz zu den geforderten 1,5 % des Gesamtkapitals durch hartes Kernkapital darzustellen. 52) Vgl. Maier in: Klauck/Stegmann, Basel III, S. 55, 67 f.

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§7

Eigenmittelregulierung

fer haben die Institute ausschließlich mit hartem Kernkapital zu unterlegen, wobei die Quote des inländischen antizyklischen Kapitalpuffers von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit Allgemeinverfügung vom 28.12.2015 zunächst auf 0 % festgelegt wurde.53) Mit Wirkung zum 1.7.2019 hat die BaFin nach § 10d Abs. 3 KWG im Einklang mit der Empfehlung des Ausschusses für Finanzstabilität vom 27.5.2019 die Quote des inländischen antizyklischen Kapitalpuffers auf 0,25 % des nach Art. 92 Abs. 3 CRR54) ermittelten Gesamtforderungsbetrags festgesetzt.55) bb)

Übergangsregelungen

42 Die CRR gestattete den Instituten bis 2019 Übergangsregelungen zur vereinfachten Umstrukturierung ihrer Kapitalbestandteile i. S. der erhöhten Anforderungen an die regulatorischen Eigenmittel. Seit 2015 ist aber lediglich noch hinsichtlich der stetig steigenden Quote hinsichtlich des Kapitalerhaltungspuffers, des antizyklischen Kapitalpuffers und des Systemrisikopuffers und/oder des Kapitalpuffers für global- oder anderweitig systemrelevante Institute zu differenzieren (eine grafische Übersicht hierzu enthält Abb. 4, siehe Rz. 44). 43 Doch auch wenn die Umsetzung der erhöhten Eigenmittelanforderungen mit der CRR formal lediglich schrittweise bis 2019 zu erfolgen hat, erwarten Ratingagenturen und Investoren regelmäßig eine frühestmögliche Erfüllung der neuen regulatorischen Anforderungen.

___________ 53) BaFin, Allgemeinverfügung: Festlegung der Quote für den Antizyklischen Kapitalpuffer, v. 28.12.2015. 54) Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013. 55) Die Gründe werden dezidiert dargestellt in BaFin, Allgemeinverfügung: Festlegung der Quote für den Antizyklischen Kapitalpuffer, v. 28.12.2015.

320

Engelbach

§7

II. Bestandteile und Mindesthöhen Abb. 4: Übergangsregelungen

44

18 %

16 % GSIB bis 3,50 %

GSIB bis 3,50 %

14 % GSIB bis 3,50 %

12 %

0–2,50 %

GSIB bis 3,50 %

0–1,875 %

10 %

0–1,25 % 0–0,625 % 0,625 %

8% 2,50 % 6%

1,25 %

1,875 %

2,50 %

2,00 %

2,00 %

2,00 %

2,00 %

2,00 %

1,50 %

1,50 %

1,50 %

4,50 %

4,50 %

4,50 %

3,50 % 1,50 %

4%

1,00 %

2%

3,50 %

4,00 %

1,50 %

1,50 %

4,50 %

4,50 %

) 3 (1 20

20

18

19

(1 1,

0, (1 17 20

%

)

5

25

%

%

)

) 5 20

16

20

(9

13

,2

(8

%

) %

) % (8 15 20

20

14

(8

%

)

0%

Hartes Kernkapital

Ergänzungskapital

Antizyklischer Kapitalpuffer

Zusätzliches Kernkapital

Kapitalerhaltungspuffer

Systemrisikopuffer

Quelle: Eigene Darstellung.

3.

Das aufsichtliche Meldewesen

Die CRR richtet sich grundsätzlich an Einlagenkreditinstitute (CRR-Institute) und 45 Wertpapierfirmen. Durch das CRD IV-Umsetzungsgesetz56) wurde ihr Anwendungsbereich in Deutschland auf weitere Institute i. S. des KWG erweitert (KWG-Institute). Prinzipiell wird das Reformpaket auf Einzelinstituts- und Konzernebene angewendet, wobei die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Ausnahmeregelungen besteht (sog. „Waiver-Regelung“, siehe zu den grundsätzlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme eines Waivers Rz. 64). Diese unterliegen jedoch strengen Kriterien, welche nachfolgend unter Rz. 64 ff. dargestellt sind und von der Aufsicht bislang erfahrungsgemäß restriktiv angewendet werden.

___________ 56) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen – CRD IV-Umsetzungsgesetz, v. 28.8.2013, BGBl. I 2013, 3395.

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321

§7

Eigenmittelregulierung

46 Die CRR-Regelungen sind, einschließlich der Anforderungen an die zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit erforderliche Liquiditätsausstattung57) und der Verschuldungsquote (Leverage Ratio)58), ebenfalls auf konsolidierter Ebene anzuwenden. Konsolidierungskreis und -verfahren sind unter Berücksichtigung des CRD IV-Umsetzungsgesetzes grundsätzlich vergleichbar mit den bisherigen Regelungen nach dem KWG. Durch die Integration von Teilen der überarbeiteten Finanzkonglomeraterichtlinie in die CRD IV unterliegen auch die sog. gemischten Finanzholdinggesellschaften dem Anwendungsbereich der CRR. 47 Die European Banking Authority (EBA) hat im Juli 2013 Durchführungsstandards (Implementing Technical Standards – ITS)59) zum aufsichtlichen Meldewesenprozess veröffentlicht, die eine Angleichung der Berichterstattung gegenüber den einzelnen europäischen Aufsichtsbehörden zum Ziel hat. In den EBA-Durchführungsstandards für das bankaufsichtliche Meldewesen werden die Meldepflichten der CRR spezifiziert.60) Sie beinhalten Begriffsbestimmungen und Instruktionen für abzufragende Dateninhalte, stellen Meldeformate und -bögen bereit, legen Meldeschwellen, -termine und -intervalle fest und bestimmen darüber hinaus auch anzuwendende IT-Lösungen bzw. Datenmodelle. 48 Übergeordnete Zielsetzung für das reformierte Meldewesen ist es, dass alle Institute der Aufsicht einen umfassenden Überblick über das Risikoprofil ihrer Tätigkeiten geben. Damit einher geht der Anspruch einer EU-weiten regulatorischen Harmonisierung der Berichterstattung. So soll eine frühzeitige, grenzüberschreitend konsistente Identifikation von möglicherweise tiefgreifenden Risiken möglich werden. 49 Konkret definieren die ITS die technische Ausführung der Meldung von Finanzinformationen (nach IFRS gemäß FINREP)61) sowie der Solvabilitäts- und Kapitaladäquanzmeldungen (ausgehend vom Common Reporting Framework –COREP)62). Hinzu kommen i. R. von COREP v. a. die Großkreditmeldungen sowie – falls relevant – Meldungen über Gesamtverluste aus Risikopositionen und über den Gesamtforderungswert von Risikopositionen, für die das Institut über Sicherheiten aus Wohnimmobilien oder gewerblichen Immobilien verfügt. ___________ 57) Der BCBS hat bereit 2013 zwei Mindeststandards für die Liquiditätsbeschaffung festgelegt. Diese Standards dienen zwei verschiedenen, aber einander ergänzenden Zielen. Das erste Ziel besteht in der Förderung der kurzfristigen Widerstandskraft des Liquiditätsrisikoprofils. Banken haben sicherzustellen, dass sie über ausreichend lastenfreie erstklassig liquide Aktiva (High-Quality Liquid Assets – HQLA) verfügen, um eine erhebliche, einen Monat andauernde Stresssituation zu überstehen. Zu diesem Zweck entwickelte der Ausschuss die Liquidity Coverage Ratio (LCR). Das zweite Ziel ist, die Widerstandskraft über einen längeren Zeithorizont zu fördern. Hierzu wurden für Banken zusätzliche Anreize geschaffen, ihre Geschäfte auf dauerhafter Basis aus stabileren Refinanzierungsquellen zu finanzieren. Die strukturelle Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio, NSFR) ergänzt die LCR; sie hat einen Zeithorizont von einem Jahr. Zweck der NSFR ist, zu einer tragfähigen Fristenstruktur von Aktiva und Passiva zu führen. Vgl. i. E. BCBS, Basel III: Mindestliquiditätsquote und Instrumente zur Überwachung des Liquiditätsrisikos, v. 1/2013. 58) Vgl. die Ausführungen zu den grundsätzlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme eines Waivers unter Rz. 64 ff. 59) EBA, Final Draft, Implementing technical standards on supervisory reporting under Regulation (EU) No 575/2013, v. 26.7.2013 (EBA-ITS-2013-02). 60) Die ITS wurden für alle EU-Mitgliedstaaten ab 2014 vollumfänglich verbindlich. Allerdings ist die EBA den Instituten in der Terminsetzung für die Erstmeldungen entgegengekommen, um ihnen mehr Zeit für die technische Umsetzung der neuen Anforderungen sowie deren Integration in die Berichtsprozesse einzuräumen: Für FINREP wurde die Inkraftsetzung auf den 1.7.2014 verschoben. Bei allen COREP-Meldungen (inkl. der Meldungen zu Großkrediten, NSFR und Leverage Ratio) gab es eine einmalige Verlängerung der Abgabefrist der ersten Meldung auf den 30.5.2014 für Einzelinstitute und auf den 30.6.2014 auf konsolidierter Basis. Bei der LCR kam es zu einer Verschiebung der Erstanwendung der Meldepflicht hin zum Stichtag 31.3.2014. 61) S. Fn. 18 und Fn. 20. 62) S. Fn. 20.

322

Engelbach

§7

II. Bestandteile und Mindesthöhen

Zu den schon bisher unter COREP gefassten Meldungen treten die Meldeanforderungen 50 nach Basel III zur kurzfristigen Liquiditätsdeckung (Liquidity Coverage Ratio – LCR) und zur stabilen Refinanzierung (Net Stable Funding Ratio – NSFR) sowie zum Verschuldungsgrad (Leverage Ratio).63) Auf nationaler Ebene laufen die Überlegungen zur „Modernisierung des bankaufsichtlichen Meldewesens“ parallel zu den ITS der EBA. Deshalb sind für Institute in Deutschland die Durchführungsstandards auch im Zusammenhang mit den darauf abgestimmten Rechtsverordnungen, in denen die national geltenden Ausführungsbestimmungen für das Meldewesen niedergelegt werden, zu sehen. Das nationale Basismeldewesen für Finanzdaten nach HGB betrifft die Meldung von unterjährigen Finanzdaten auf Einzelinstitutsebene und gilt prinzipiell auch für HGBAnwender, die Abschlüsse auf konsolidierter Ebene erstellen. Erfasst werden neben Ertragsdaten auch relevante Plandaten (u. a. Konditionen- und Strukturbeitrag, stille Reserven, stille Lasten sowie Kennziffern zum Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch). Dafür wurden die bislang geltenden Verordnungen zu Solvabilität (SolvV)64), Liquidität (LiqV)65) sowie zu Groß- und Millionenkrediten (GroMiKV)66) in 2019 neu gefasst) und eine Finanzinformationsverordnung (FinaV)67) erlassen. Gesetzliche Grundlage für diese nationalen Meldungen ist die KWG-Novellierung zur Umsetzung des CRD IV/CRRLegislativpakets in Deutschland. Das dazu verabschiedete „CRD IV-Umsetzungsgesetz“ wurde im September 2013 im Bundesanzeiger veröffentlicht.68) Zur weiteren Konkretisierung der Pflichten wurde am 19.12.2014 die FinaRisikoV69) erlassen, die die bis dahin geltende FinaV ersetzt. Im Februar 2015 hat die BaFin ergänzend eine Allgemeinverfügung zur Einreichung von Informationen zur Risikotragfähigkeit sowie die Deutsche Bundesbank (Bundesbank) ein Merkblatt für die Meldungen70) ___________ 63) S. hierzu auch die Ausführungen in Fn. 57 sowie i. E. die Delegierten Verordnungen der Kommission: Delegierte Verordnung (EU) 2015/61 der Kommission v. 10.10.2014, ABl. (EU) L 11/1 v. 7.1.2015, und Delegierte Verordnung (EU) 2018/1620 der Kommission v. 13.7.2018, ABl. (EU) L 271/10 v. 30.10.2018, sowie die zugehörige Durchführungsverordnung (EU) 2016/322 der Kommission v. 10.2.2016, ABl. (EU) L 64/1 v. 10.3.2016; s. auch BaFin, Konsultation 13/2019, Entwurf: Rundschreiben 13/2019 (BA) zu Art. 23 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/61. 64) Verordnung zur angemessenen Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen, Finanzholding-Gruppen und gemischten Finanzholding-Gruppen – Solvabilitätsverordnung (SolvV), v. 6.12.2013, BGBl. I 2013, 4168, zuletzt geändert durch Art. 1 der 2. Verordnung zur Änderung der SolvV, v. 19.2.2019, BGBl. I 2019, 122. 65) Verordnung über die Liquidität der Institute – Liquiditätsverordnung (LiqV), v. 14.12.2006, BGBl. I 2006, 3117, zuletzt geändert durch Art. 1 der 2. Verordnung zur Änderung der LiqV, v. 22.12.2017, BGBl. I 2017, 4033. 66) Verordnung zur Ergänzung der Großkreditvorschriften nach der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Großkredit- und Millionenkreditverordnung (GroMiKV), v. 6.12.2013, BGBl. I 2013, 4183, zuletzt geändert durch Art. 1 der 2. Verordnung zur Änderung der GroMiKV, v. 27.2.2019, BGBl. I 2019, 151. 67) Verordnung zur Einreichung von Finanz- und Risikotragfähigkeitsinformationen nach dem Kreditwesengesetz – Finanz- und Risikotragfähigkeitsinformationenverordnung (FinaRisikoV) v. 6.12.2013, BGBl. I 2013, 4209, zuletzt geändert durch 2. Verordnung zur Änderung der FinaRisikoV v. 4.7.2018, BGBl. I, 2018, 1086. 68) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen – CRD IV-Umsetzungsgesetz, v. 28.8.2013, BGBl. I 2013, 3395 ff. 69) Die Verordnung zur Änderung der Finanzinformationenverordnung und der Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die BaFin, v. 19.12.2014, BGBl. I 2014, 2336, ist am 30.12.2014 in Kraft getreten. Sie ändert durch Art. 1 der Verordnung die FinaRisikoV v. 6.12.2013, BGBl. I 2013, 4209. 70) Bundesbank, Risikotragfähigkeitsinformationen – Merkblatt für die Meldungen gemäß §§ 10, 11 FinaRisikoV, Stand: 16.12.2019.

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323

51

52

53

54

§7

Eigenmittelregulierung

gemäß §§ 10, 11 FinaRisikoV veröffentlicht. Im Juli 2018 ist die Zweite Verordnung zur Änderung der FinaRisikoV71) in Kraft getreten. Mit ihr wurden den meldepflichtigen Instituten einige Meldeerleichterungen i. R. der Finanzinformationen gewährt. So wird aus Gründen der Proportionalität auch für HGB-Gruppen von den Befreiungsmöglichkeiten des bisherigen § 6 Abs. 3 FinaRisikoV Gebrauch gemacht.72) 55 Diese tiefgreifenden und fortwährenden Reformen des Meldewesens hatten erhebliche Auswirkungen auf die Meldewesen-Organisation, -Prozesse und -Systeme der betroffenen Institute. 56 Bedingt durch die neuen Meldeanforderungen, regelmäßige Stresstests bei den als systemrelevant eingestuften Banken und quantitative Auswirkungsstudien von Bundesbank und EZB steigen die an die Aufsichtsbehörden zu meldenden Datenvolumina kontinuierlich. Darüber hinaus bedingen die hohen Anforderungen an Datenverfügbarkeit und Konsistenz der Meldewesendaten eine an die aktuellen Anforderungen angepasste flexible und effiziente Organisation. 4.

Konsolidierung nach CRR

57 Aufsatzpunkt für die Eigenkapitalunterlegungsberechnung und damit der Eigenmittelmeldung ist für Institutsgruppen der aufsichtsrechtliche Konsolidierungskreis, der sich gemäß § 10a KWG i. V. m. Artt. 18 ff. CRR definiert. Eine Institutsgruppe besteht nach § 10a Abs. 1 KWG aus einem übergeordneten und mehreren nachgeordneten Unternehmen. Das übergeordnete Unternehmen (Mutterinstitut) ist dabei ein Institut (Kreditoder Finanzdienstleistungsinstitut), das weder einem anderen Institut noch einer Finanzholding-Gesellschaft mit Sitz im Inland oder in einem anderen Staat des europäischen Wirtschaftsraums nachgeordnet ist. Nachgeordnete Unternehmen i. S. des KWG sind Tochterunternehmen, qualifizierte Minderheitsbeteiligungen sowie freiwillig konsolidierte Unternehmen. 58 Nach § 10a Abs. 1–5 KWG ist der aufsichtsrechtliche Konsolidierungskreis bei der Ermittlung der Eigenmittel und Risikopositionen maßgeblich. Da Ausgangspunkt der Berechnungen der IFRS-Konsolidierungskreis ist, haben die Institute die IFRS-Werte unter Berücksichtigung der Unterschiede bei den einzubeziehenden Unternehmen und Konsolidierungsmethoden auf den regulatorischen Konsolidierungskreis überzuleiten. 59 Dabei sind zwingend x

Unternehmen, die zum IFRS- aber nicht dem aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis zugeordnet werden, zu entkonsolidieren und

x

die nach den IFRS nicht konsolidierten Unternehmen, die jedoch aufsichtsrechtlich nachgeordnete Unternehmen darstellen sowie die nach § 10a Abs. 5 KWG freiwillig quotal konsolidierten Unternehmen einzubeziehen,

um die Anforderungen an aufsichtsrechtliche Berichterstattungen erfüllen zu können. 60 Aufsichtsrechtlich nehmen gemäß Art. 18 Abs. 1 CRR Institute, die den Anforderungen auf Basis der konsolidierten Lage unterliegen, eine Vollkonsolidierung aller Institute und Finanzinstitute vor, die ihre Tochterunternehmen sind. Eine quotale Konsolidierung ___________ 71) 2. Verordnung zur Änderung der Finanz- und Risikotragfähigkeitsinformationenverordnung v. 4.7.2018, BGBl. I, 2018, 1086; Bundesbank, Risikotragfähigkeitsinformationen – Merkblatt für die Meldungen gemäß §§ 10, 11 FinaRisikoV, Stand: 16.12.2019. 72) Vgl. i. E. die Erläuterungen der BaFin, abrufbar unter https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/ BankenFinanzdienstleister/Anzeige-Meldepflichten/FinaRisikoV/FinaRisikoV_artikel.html sowie die BaFin, Konsultation 15/2019, Änderung der Finanz- und Risikotragfähigkeitsinformationenverordnung – FinaRisikoV.

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§7

II. Bestandteile und Mindesthöhen

entsprechend dem von dem Mutterinstitut an dem Tochterunternehmen gehaltenen Kapitalanteilen ist hingegen nur unter den Bedingungen des Art. 18 Abs. 4 CRR gestattet. Institute, Finanzinstitute und Anbieter von Nebendienstleistungen, die Tochterunter- 61 nehmen sind oder an denen eine Beteiligung gehalten wird, dürfen unter den Bedingungen des Art. 19 Abs. 1 bis 3 CRR aus der Konsolidierung ausgenommen werden. Das übergeordnete Institut als Anknüpfungspunkt für die Aufsicht hat die Bestimmun- 62 gen der CRR für alle Unternehmen im CRR-Konsolidierungskreis auf konsolidierter Basis anzuwenden. Wesentliche Beteiligungen mit bis zu 50 % Beteiligungsverhältnis werden nach der Equity-Methode73) bilanziert. Voraussetzung für die Einbeziehung nach der Equity-Methode ist, dass man die Unternehmenspolitik maßgeblich beeinflussen kann. Der handelsrechtliche Konsolidierungskreis wird dagegen ausschließlich nach den Vor- 63 schriften des HGB aufgestellt. 5.

Waiver-Regelung

Nach Art. 7 CRR können Mitgliedstaaten oder die zuständigen Behörden Ausnahmen 64 von der Anwendung der Aufsichtsanforderungen auf Einzelbasis erteilen (sog. WaiverRegelung).74) Die Nachfolgende Übersicht zeigt, auf welcher Ebene bzw. für welche Konstellationen (A, B, C und E) die Waiver-Regelungen des Art. 7 CRR wirken und in welcher Konstellation ein Waiver nicht gewährt werden kann (D). Abb. 5: Waiver nach Art. 7 CRR

65

A

Art. 7 II CRR Waiver

Finanzholdinggesellschaft (Financial Holding Company)

B

Art. 7 III CRR Waiver

Mutterinstitut (Parent Institution)

Art. 7 I CRR Waiver

Art. 7 I CRR Waiver E

C

Tochterunternehmen (Institution)

Mutterinstitut (Parent Institution)

Keine Waiver nach Art. 7 III CRR D

Tochterunternehmen (Institution)

Quelle: Eigene Darstellung.

___________ 73) Die Equity-Methode ist eine Bilanzierungsmethode, bei der die Anteile zunächst mit den Anschaffungskosten angesetzt werden und in der Folge entsprechend dem Anteil des Anteilseigners am sich ändernden Reinvermögen des Beteiligungsunternehmens berichtigt werden. Das Periodenergebnis des Anteilseigners enthält den Anteil des Anteilseigners am Erfolg des Beteiligungsunternehmens. So Verordnung (EG) Nr. 2238/2004 der Kommission v. 29.12.2004, ABl. (EU) L 394/1 v. 31.12.2004, zu IAS 28. 74) Dargestellt wird hier nur das System der sog. Capital-Waiver-Regelung der CRR. Die CRR enthält in Art. 8 zudem eine Bestimmung zur Gewährung von Ausnahmen von der Anwendung der Liquiditätsanforderungen auf Einzelinstitutsbasis.

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325

§7 a)

Eigenmittelregulierung Waiver nach Art. 7 Abs. 1 CRR

66 Eine Freistellung nach Art. 7 Abs. 1 CRR kann seitens eines Tochterunternehmens erreicht werden, wenn gewährleistet ist, dass die Eigenmittel zwischen dem Mutter- und den Tochterunternehmen angemessen verteilt sind. Ob dies der Fall ist, ist anhand der in Art. 7 Abs. 1 lit. a bis lit. d CRR genannten Bedingungen zu beurteilen. Wenn sämtliche dieser Bedingungen erfüllt sind, kann ein Mitgliedstaat für die Fallgruppen, auf die sich Art. 7 Abs. 1 CRR bezieht (siehe in der Übersicht oben, Rz. 65 unter B, C und E), die Tochter von der Anwendung des Art. 6 Abs. 1 CRR ausnehmen. Eingangsvoraussetzung ist, dass sowohl das Tochterunternehmen als auch das Mutterinstitut Institute i. S. von Art. 4 Abs. 3 CRR sind und das Tochterunternehmen Teil der konsolidierten Aufsicht des Mutterunternehmens von einem Mitgliedstaat ist. b)

Waiver nach Art. 7 Abs. 2 CRR

67 Die Fallgruppen, auf die die zuständige Behörde die Ausnahme nach Art. 7 Abs. 2 CRR gewähren kann, sind in der Übersicht als A und B gekennzeichnet. Das Mutterinstitut muss eine gemischte Finanzholdinggesellschaft i. S. von Art. 4 Abs. 21 CRR sein und im gleichen Mitgliedstaat gegründet sein wie das Institut selbst. Zudem müssen beide der gleichen Aufsicht unterliegen. c)

Waiver nach Art. 7 Abs. 3 CRR

68 Die Fallgruppen, auf die die zuständigen Behörden die Ausnahmeregelung des Art. 7 Abs. 3 CRR anwenden können, sind in der Übersicht unter B und C dargestellt. Danach kann das Mutterinstitut von der Verpflichtung zur Erfüllung der Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 auf Einzelinstitutsebene ausgenommen werden. Voraussetzung ist, dass es in die Beaufsichtigung auf konsolidierter Ebene eingebunden ist und zudem gewährleistet ist, dass die Eigenmittel zwischen dem Mutter- und den Tochterunternehmen angemessen verteilt sind. d)

Verfahren

69 Ein Antrag auf Ausnahme von der Anwendung der Aufsichtsanforderungen auf Einzelbasis ist für jede Institution separat zu stellen. Die Einhaltung der Bedingungen ist daher ebenfalls separat für jedes Institut/Unternehmen gegenüber der zuständigen Behörde nachzuweisen. Die Behörde entscheidet dann im jeweiligen Einzelfall, ob die beantragte Ausnahme gewährt wird oder nicht.75) III.

Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken

1.

Überblick

Kämmler/Kleppe

70 Kreditrisiken spielen an verschiedenen Stellen der Bankenregulierung eine wichtige Rolle. Einerseits müssen die Kreditrisiken mit Eigenmitteln unterlegt werden (Säule 1), wobei die Risikoquantifizierung detaillierten regulatorischen Vorschriften unterliegt. Andererseits müssen die Risiken angemessen quantifiziert und gesteuert werden (Säule 2), wobei der Regulierer den Banken grundsätzlich die freie Methodenwahl zugesteht. Insbesondere ist in der Säule 2 auch den Unzulänglichkeiten der regulatorischen Bemessung der Kreditrisiken gemäß Säule 1 – bspw. der Vernachlässigung von Konzentrationsrisiken – Rechnung zu tragen. Über die Neuordnung der Anforderungen an die Säule 2, sowohl durch die Vorgaben der EBA an den aufsichtlichen Überprüfungsprozess (Supervisory ___________ 75) Vgl. i. E. auch den ECB, Guide on options and discretions available in Union law, v. 3/2016, S. 6 ff.

326

Kämmler/Kleppe

III. Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken

§7

Review and Evaluation Process – SREP)76) und damit der Festlegung zusätzlicher Mindestkapitalanforderungen (Pillar 2-Requirement – P2R77) und Pillar 2-Guidance – P2G78)) analog zu Säule 1 als auch die Neuordnung der Anforderungen an die Säule 2 durch EZB und BaFin unterliegt jedoch auch die Säule 2-Risikoquantifizierung immer engeren Vorgaben durch die Aufsicht (siehe hierzu Rz. 525 ff.). Die folgenden Abschnitte geben zunächst einen Überblick über die Entstehung und die 71 verschiedenen Dimensionen von Kreditrisiken, gehen auf zentrale Aspekte der Quantifizierung von Kreditrisiken ein und beschreiben die zentralen regulatorischen Vorgaben der Säule 1. Im Anschluss werden die Vorgaben zur Eigenmittelunterlegung für Kreditrisiken ausführlich dargestellt. a)

Entstehung und Dimensionen von Kreditrisiken

Der Begriff Kreditrisiko (auch Ausfallrisiko oder Adressrisiko) bezeichnet das Risiko von 72 Verlusten in Folge des Ausfalls eines Geschäftspartners. Es resultiert folglich aus der Gefahr, dass ein Geschäftspartner seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nicht fristgerecht nachkommt. Damit unterliegen alle Geschäfte, die von der Zahlungsfähigkeit oder -bereitschaft einer juristischen oder natürlichen Person abhängig sind, einem Kreditrisiko, wobei sowohl bilanzielle Vermögenspositionen als auch außerbilanzielle Positionen (z. B. Bürgschaften) eingeschlossen sind.79) Unter dem Begriff Kreditrisiko werden üblicherweise auch die folgenden Spezialfälle ge- 73 fasst: x

Länderrisiken (Sovereign Risk, Transferrisiko),

x

Kontrahentenrisiko (Ausfallrisiko bzgl. des Kontrahenten bei Derivategeschäften),

x

Wiedereindeckungsrisiko (Kostenrisiko bei Neueindeckung),

x

Beteiligungsausfallrisiko (Ausfall- oder Wertminderungsrisiko bei Beteiligungen),

x

Abwicklungsrisiko (Ausfallrisiko bzgl. des Handelspartners bei Handelsgeschäften),

x

Emittentenrisiko (Ausfallrisiko in Bezug auf Emittenten von Wertpapieren),

x

Migrationsrisiko (Verlustrisiko aufgrund von Ratingverschlechterungen),

x

CVA-Risiko (Credit Value Adjustment, Kreditbewertungsrisiko bei Wertpapieren).

Dabei ist eine Abgrenzung von anderen Risikoarten nicht immer trennscharf, z. B. lässt 74 sich das CVA-Risiko nicht zweifelsfrei dem Kredit- oder Marktpreisrisiko zuordnen. Darüber hinaus bestehen Verbindungen zu anderen Risikoarten, bspw. können Verluste aus Kreditausfällen auch die Liquiditätssituation beeinflussen. Das Kreditrisiko stellt für sehr viele Institute die dominierende Risikoart dar. Dem Ma- 75 nagement von Kreditrisiken kommt daher eine besondere Bedeutung zu, die sich auch in den regulatorischen Vorgaben widerspiegelt. Kreditrisiken lassen sich im Gegensatz zu Preisrisiken nur eingeschränkt handeln oder veräußern. Für das Risikomanagement ist daher eine zeitige, idealerweise vorvertragliche Risikoquantifizierung auf Einzelpositionsund Portfolioebene wichtig. ___________ 76) EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13); EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03). 77) Pillar 2-Requirement (P2R): SREP-Kapitalzuschlag, zusätzliche Eigenkapitalanforderung für Risiken, die in Säule I nicht oder nur unzureichend abgedeckt werden. 78) Pillar 2-Guidance (P2G): Eigenmittelzielkennziffer, erwartetes zusätzliches Eigenkapital, über die Gesamtkapitalanforderung (Overall Capital Requirement – OCR) hinausgehend. 79) S. dazu Heithecker/Tschuschke, Management von Modellrisiken.

Kämmler/Kleppe

327

§7 b)

Eigenmittelregulierung Quantifizierung von Kreditrisiken

76 Die grundlegende Quantifizierung von Kreditrisiken erfolgt anhand von drei zentralen Parametern: x

Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default – PD)

x

Verlustquote bei Ausfall (Loss Given Default – LGD)

x

Forderungsbetrag bei Ausfall (Exposure at Default –EAD)

77 Aus diesen Parametern berechnet sich der erwartete Verlust (Expected Loss – EL) als EL

EAD ˜ PD ˜ LGD .

78 Der erwartete Verlust entspricht bei korrekter Bestimmung der zuvor genannten Größen gerade dem Betrag, der im Mittel als Verlust aufgrund von Ausfällen zu erwarten ist, und wird üblicherweise in der risikoadjustierten Kalkulation, d. h. in der Preis- und Konditionengestaltung, als Standardrisikokosten berücksichtigt. Die Bestimmung der drei genannten Parameter und damit des erwarteten Verlustes ist eine zentrale Aufgabe in der Steuerung von Kreditrisiken. Die darin enthaltenen Informationen über die Bonität eines Schuldners stellen die Grundlage des Kreditvergabe- und Risikomanagementprozesses dar. Die Anwendung eines leistungsfähigen Ratingsystems erlaubt es, Schuldner guter Bonität von Schuldnern schlechter Bonität zu trennen und die Höhe der mit einem Engagement verbundenen Kreditrisiken präzise einzuschätzen. Dies ermöglicht es dem Institut, gleichzeitig wettbewerbsfähige Konditionen anzubieten und dennoch ausreichend hohe Risikokosten einzukalkulieren, um das Eingehen von systematisch verlustreichen Engagements zu vermeiden. 79 Im engeren Sinne stellt der erwartete Verlust kein Risiko dar, da es sich um eine erwartete Größe handelt, die durch eine Zinsmarge o. Ä. kompensiert wird; die Unsicherheit in der Bestimmung des erwarteten Verlustes kann im Bereich des Modellrisikos verortet werden. Das eigentliche Risiko liegt in der zufälligen Natur des Verlustes, aus der regelmäßig eine Abweichung des tatsächlichen Verlustes vom erwarteten Verlust resultiert. Dieser unerwartete Verlust (Unexpected Loss – UL) ist die zentrale Größe in der regulatorischen Eigenmittelunterlegung sowie der internen Risikotragfähigkeitsrechnung eines Instituts zur Ermittlung des ökonomischen Kapitalbedarfs. Die Kalkulation des regulatorischen und ökonomischen Verlustes zielt darauf ab, den unerwarteten Verlust des Portfolios bzw. des einzelnen Engagements zu quantifizieren, um das benötigte Eigenkapital für dessen Absorption zu bestimmen. Der abstrakte Begriff des unerwarteten Verlustes wird i. R. üblicher Kreditrisikomodelle meist als ein Quantil der Verlustverteilung definiert, d. h. als der mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit maximale über den erwarteten Verlust hinausgehende Verlust.80) 80 Neben den oben genannten zentralen Kreditrisikoparametern gibt es weitere Größen, die für die Quantifizierung von Kreditrisiken eine Rolle spielen. Für die Modellierung des Verlustpotentials auf Portfolioebene werden insbesondere weitere Parameter zur Beschreibung der Portfoliostruktur benötigt, da die zuvor genannten Größen lediglich die Risiken eines Einzelengagements erfassen. In den klassischen Portfoliomodellen wird dabei angenommen, dass sich das Risiko eines einzelnen Engagements aus zwei grundlegend verschiedenen Komponenten zusammensetzt: x

Das idiosynkratische Risiko betrifft nur den einzelnen Schuldner; es lässt sich durch Diversifizierung des Portfolios (bei hinreichender Portfoliogröße) weitgehend eliminieren.

___________ 80) Ein übliches Risikomaß ist der Value at Risk (VaR), der gerade ein Quantil der Verlustverteilung bezeichnet. Ebenfalls gebräuchlich ist der Expected Shortfall, d. h. der erwartete Verlust bedingt darauf, dass der Verlust jenseits eines Quantils der Verlustverteilung liegt.

328

Kämmler/Kleppe

III. Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken x

§7

Das systematische Risiko betrifft alle Schuldner gleichermaßen; es lässt sich grundsätzlich nicht eliminieren, lediglich durch eine geeignete Portfoliostruktur vermindern.

Der Anteil der jeweiligen Komponenten wird durch einen Korrelationsparameter be- 81 schrieben; auch der Zusammenhang zwischen den systematischen Risiken von Teilportfolios wird durch Korrelationsstrukturen modelliert. Die Bestimmung dieser Korrelationsstrukturen spielt in der Portfoliomodellierung eine wesentliche Rolle. Darüber hinaus werden in der internen Steuerung von Kreditrisiken oft auch weitere Charakteristika eines Portfolios berücksichtigt. Beispielsweise unterscheidet sich das Risiko eines Portfolios mit vielen ähnlichen kleinen Krediten grundlegend vom Risiko eines Portfolios mit wenigen individuellen großen Krediten. Für das interne Risikomanagement (Säule 2) wird der Grad der Komplexität in der Port- 82 foliomodellierung durch die individuellen Erfordernisse des Instituts bestimmt. Die aufsichtsrechtlichen Regularien geben in dieser Hinsicht lediglich vor, dass die Modellierung der Größe und Komplexität des Instituts und den Geschäften angemessen sein muss.81) Für die regulatorische Eigenmittelunterlegung (Säule 1) wird ein vergleichsweise einfa- 83 ches Kreditportfoliomodell unterstellt, das die Portfoliostruktur lediglich durch einen einzelnen Korrelationsparameter erfasst, der die Gewichtung von idiosynkratischem und systematischem Risiko widerspiegelt (siehe Rz. 128 ff.). Im einfacheren Kreditrisikostandardansatz wird die Eigenmittelanforderung sogar nach einem noch gröberen Vorgehen ermittelt, das gar nicht auf die in diesem Abschnitt genannten Risikoparameter Bezug nimmt. Unabhängig vom gewählten Ansatz für die regulatorische Kapitalberechnung liegt eine 84 möglichst präzise Quantifizierung von Kreditrisiken im Interesse jedes Instituts. Wie bereits erwähnt ist dies die Grundlage für eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Konditionengestaltung. Eine unzulängliche Bewertung von Kreditrisiken kann eine Fehlkalkulation der Standardrisikokosten und damit ein existenzbedrohendes systematisches Verlustpotential, oder eine Fehlallokation der Ressourcen und damit eine ineffektive Kreditvergabe nach sich ziehen. Umgekehrt stellt ein leistungsfähiges Management von Kreditrisiken einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil dar. c)

Aufsichtsrechtliche Anforderungen und Vorgaben

Kreditrisiken standen bereits früh im Fokus der Bankenregulierung. So werden bereits in 85 Basel I Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko definiert. Auch in der aktuellen Regulierung ist das Kreditrisiko ein zentraler Bestandteil der Eigenmittelanforderungen. Im Folgenden werden im Wesentlichen die derzeit geltenden Vorschriften beschrieben; auf Veränderungen im regulatorischen Umfeld, die in absehbarer Zeit zu erwarten sind, wird in Abschn. III. 6. (siehe Rz. 201) eingegangen. Aufsichtsrechtliche Vorgaben bzgl. Kreditrisiken finden sich an unterschiedlichen Stellen: 86 Qualitative Vorgaben werden u. a. in den MaRisk82) formuliert, insbesondere bzgl. der Aufbau- und Ablauforganisation, außerdem Mindeststandards bzgl. Entwicklung und Validierung von Modellen, die im Kontext der Risikotragfähigkeitsberechnung zur Quantifizierung von Risiken (also insbesondere auch Kreditrisiken) eingesetzt werden. Quantitative Anforderungen hinsichtlich der Unterlegung von Kreditrisiken mit Ei- 87 genmitteln werden grundsätzlich durch Teil 3 Titel II der CRR83) festgelegt. Darüber ___________ 81) S. AT 4.1. MaRisk 2017. Der Proportionalitätsgedanke wird bspw. im Monatsbericht der Bundesbank von März 2013 herausgearbeitet: Bundesbank, Monatsbericht 3/2013, S. 31. 82) BaFin, Rundschreiben 9/2017 (BA), MaRisk, v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002). 83) Teil 3 Titel II der CRR.

Kämmler/Kleppe

329

§7

Eigenmittelregulierung

hinaus gibt es eine Reihe weiterer sekundärer regulatorischer Vorgaben (vor allem EBAund EZB-Richtlinien), die zu diversen Aspekten, insbesondere hinsichtlich der Ermittlung der Kreditrisikoparameter PD, LGD und EAD für IRBA-Banken, detaillierte Vorschriften formulieren. Außerdem finden sich ergänzende Vorgaben in der SolvV, insbesondere zur Ausgestaltung des nationalen Zulassungsverfahrens. 88 Für die Berechnung der Eigenmittel für das Kreditrisiko haben die Institute die Wahl zwischen verschiedenen Ansätzen, die sich hinsichtlich Komplexität aber auch Gestaltungsspielraum unterscheiden: x

Im Kreditrisikostandardansatz (KSA)84) erfolgt eine sehr grobe Einschätzung des Kreditrisikos auf Grundlage einer Klassifikation des Kreditnehmers bzw. der Position, die durch die Risikopositionsklasse ausgedrückt wird, sowie ggf. einer externen Bonitätsbeurteilung durch eine Ratingagentur.

x

Im anspruchsvolleren auf internen Ratings basierenden Ansatz (Internal RatingsBased Approach – IRBA)85) erfolgt die Quantifizierung des Kreditrisikos auf Basis interner Modelle zur Bestimmung der Risikoparameter PD, LGD und EAD, d. h. unter Berücksichtigung eigener Erfahrungswerte (Datenhistorie, Prozesse, Wettbewerbssituation usw.).

89 Die risikogewichteten Positionsbeiträge für das Kreditrisiko dürfen grundsätzlich nur entweder nach dem KSA oder dem IRBA berechnet werden,86) wobei die Verwendung des IRBA nur nach aufsichtlicher Genehmigung möglich ist. Eine Ausnahme stellen Verbriefungspositionen sowie Positionen gegenüber zentralen Gegenparteien dar, die nach gesonderten Regelwerken zu behandeln sind.87) 90 Eigenmittel für das Kreditrisiko sind grundsätzlich für alle Geschäftsfelder mit Ausnahme der Handelsbuchtätigkeit des Instituts vorzuhalten,88) außerdem für das Gegenparteiausfallrisiko bei Derivate-, Pensions-, Leih- und Lombardgeschäften sowie Geschäften mit langer Abwicklungsfrist. Insbesondere sind dabei auch solche Positionen eingeschlossen, die aus ökonomischer Perspektive keinem Kreditrisiko unterliegen. Für die Handelsbuchtätigkeit ist die Eigenmittelanforderung nach dem Regelwerk für das Marktrisiko zu bestimmen, wobei auch dort dem Ausfallrisiko mit der Default Risk Charge (DRC) Rechnung getragen wird. Institute mit Handelsbuchtätigkeiten in geringem Umfang (Nichthandelsbuchinstitute) können auch für die Handelsbuchtätigkeit die Eigenmittelanforderung nach dem Regelwerk für das Kreditrisiko bestimmen.89) 91 Der risikogewichtete Positionsbeitrag (Risk-Weighted Assets – RWA) ergibt sich unabhängig vom gewählten Ansatz als Produkt aus dem Risikopositionswert (Forderungswert, Exposure Amount) und dem Risikogewicht (Risk Weight – RW): RWA

Positionswert ˜ RW

92 Die Eigenmittelunterlegung für das Kreditrisiko ergibt sich dann zu 8 % der RWA, zzgl. etwaiger Aufschläge (siehe Rz. 36 ff.). ___________ 84) Artt. 111 bis 141 CRR. 85) Internal Ratings-Based Approach – IRBA, Artt. 142 bis 191 CRR. 86) Bei Anwendung des IRBA gibt es die Möglichkeit des dauerhaften „partial use“, d. h. der dauerhaften Herausnahme bestimmter Portfolios aus dem IRBA in begründeten Fällen. Nach deutschem Recht müssen jedoch – ggf. nach Abschluss einer maximal fünfjährigen IRBA-Einführungsphase – mindestens 92 % des relevanten Gesamtportfolios im IRBA bewertet werden (§ 9 Abs. 2, § 10 Abs. 3 SolvV). 87) S. Abschn. 5 bzw. Teil 3 Titel II Kap. 6 der CRR. 88) S. Art. 92 Abs. 3 lit. a CRR. 89) S. Art. 94 Abs. 1 CRR.

330

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III. Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken 2.

§7

Kreditrisikostandardansatz (KSA)

Im Kreditrisikostandardansatz (KSA) ist das Risikogewicht regulatorisch vorgegeben, dif- 93 ferenziert nach Risikopositionsklassen sowie für einige Risikopositionsklassen nach der Bonitätsbeurteilung einer externen Ratingagentur. Die Multiplikation des so ermittelten positionsspezifischen Risikogewichts mit dem Risikopositionswert ergibt den risikogewichteten Positionsbetrag. Spezifische Erfahrungen und damit auch Stärken des Instituts bzgl. des Kreditrisikoma- 94 nagements (Portfoliostruktur, Ausfall- und Verlusterfahrung, Prozesseffizienz usw.) werden im KSA nicht berücksichtigt. Insbesondere für Banken, deren Portfolio primär aus Privat- und Geschäftskunden besteht ist der Standardansatz daher ein wenig sensitives Verfahren zur Quantifizierung der Eigenmittelunterlegung von Kreditrisiken. a)

Risikopositionsklassen

Jede Risikoposition ist einer der 17 Risikopositionsklassen (in der SolvV früher als 95 „KSA-Forderungsklassen“ bezeichnet) zuzuordnen:90) x

Risikopositionen gegenüber Zentralstaaten oder Zentralbanken,

x

Risikopositionen gegenüber regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften,

x

Risikopositionen gegenüber öffentlichen Stellen,

x

Risikopositionen gegenüber multilateralen Entwicklungsbanken,

x

Risikopositionen gegenüber internationalen Organisationen,

x

Risikopositionen gegenüber Instituten,

x

Risikopositionen gegenüber Unternehmen,

x

Risikopositionen aus dem Mengengeschäft,

x

durch Immobilien besicherte Risikopositionen,

x

ausgefallene Risikopositionen,

x

mit besonders hohen Risiken verbundene Risikopositionen,

x

Risikopositionen in Form von gedeckten Schuldverschreibungen,

x

Positionen, die Verbriefungspositionen darstellen,

x

Risikopositionen gegenüber Instituten und Unternehmen mit kurzfristiger Bonitätsbeurteilung,

x

Risikopositionen in Form von Anteilen an Organismen für Gemeinsame Anlagen (OGA),

x

Beteiligungspositionen,

x

sonstige Posten.

In Art. 112 CRR erfolgt keine inhaltliche Konkretisierung der Forderungsklassen. Abge- 96 sehen von den sprechenden Bezeichnungen ergibt sich diese aus den Vorgaben zur Bestimmung der Risikogewichte (siehe Rz. 101 ff.). b)

Risikopositionswert

Die Ermittlung des Risikopositionswertes ist in Art. 111 CRR geregelt.91) Für bilanzielle 97 Positionen (Aktivpositionen) ist der Risikopositionswert gleich dem Buchwert abzgl. et___________ 90) S. Art. 112 CRR. 91) S. Art. 111 CRR.

Kämmler/Kleppe

331

§7

Eigenmittelregulierung

waiger spezifischer Kreditrisikoanpassungen (umfasst sowohl Einzel- als auch Pauschalwertberichtigungen) und zusätzlicher Wertberichtigungen für zeitwertbilanzierte Positionen (Additional Valuation Adjustments – AVAs). 98 Für außerbilanzielle Positionen (z. B. Kreditzusagen oder Bürgschaften) ist der Risikopositionswert ein Anteil des Nominalwertes abzgl. spezifischer Kreditrisikoanpassungen und zusätzlicher Wertberichtigungen, wobei sich die Höhe des Anteils am Risikogehalt orientiert:92) x

100 % für Positionen mit hohem Risiko (z. B. Kreditderivate, Garantien mit dem Charakter eines Kreditsubstituts);

x

50 % für Positionen mit mittlerem Risiko (z. B. Kreditlinien mit einer Ursprungslaufzeit von mehr als einem Jahr, Handelsfinanzierungen im Allgemeinen);

x

20 % für Positionen mit mittlerem/geringem Risiko (z. B. Kreditlinien mit einer Ursprungslaufzeit von weniger als einem Jahr, bestimmte Arten der Handelsfinanzierung);

x

0 % für Positionen mit geringem Risiko (z. B. jederzeit uneingeschränkt und fristlos kündbare Kreditlinien).

99 Für die Einordnung einer Position in eine dieser vier Risikoklassen ist Anhang I der CRR heranzuziehen. 100 Abweichend davon erfolgt für Derivate die Ermittlung des Risikopositionswertes nach den Vorgaben für das Gegenparteiausfallsrisiko (siehe Rz. 110 ff.)93) und für Pensionsgeschäfte, Wertpapier- oder Warenverleih- oder -leihgeschäfte, Geschäfte mit langer Abwicklungsfrist, Lombardgeschäfte wahlweise nach den Vorgaben für das Gegenparteiausfallsrisiko oder den Vorgaben zu Kreditrisikominderungstechniken (siehe Rz. 162 ff.).94) c)

Risikogewicht

101 Das Risikogewicht ergibt sich im KSA aus der Risikopositionsklasse, wobei für einige Risikopositionsklassen eine zusätzliche Risikodifferenzierung durch die Zuordnung zu einer Bonitätsstufe gemäß der Beurteilung durch eine externe Ratingagentur erfolgt. Dabei darf eine externe Bonitätsbeurteilung nur dann für die Bestimmung des Risikogewichts herangezogen werden, wenn sie von einer anerkannten Ratingagentur (External Credit Assessment Institution – ECAI) stammt oder von einer solchen bestätigt wurde.95) Eine Liste der ECAI wird von der für die Anerkennung zuständigen European Securities and Markets Authority (ESMA) veröffentlicht. Um die Ratings einer ECAI für die Bestimmung des Risikogewichts verwenden zu können, muss ein Institut die ECAI zuvor der Aufsicht benannt haben. Wenn für eine Position mehr als ein anwendbares Rating vorliegt, so ist im Wesentlichen das zweitbeste Rating zu verwenden. Die Bonitätsstufen stellen eine Aggregation der bekannten Ratingstufen der Agenturen (AAA, AA+, AA, …) in sechs Gruppen mit vergleichbarem Risiko dar (mit Klasse 1 für die besten bis Klasse 6 für die schlechtesten Ratings). Die konkrete Zuordnung von Ratingnoten zu Bonitätsstufen wird von der EBA, European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) und ESMA festgelegt.96)

___________ 92) 93) 94) 95) 96)

332

S. Anhang I der CRR. Teil 3 Titel II Kap. 6 CRR. Teil 3 Titel II Kap. 4 CRR. Art. 135 CRR. Durchführungsverordnung (EU) 2016/1799 der Kommission v. 7.10.2016, ABl. L 275/3 v. 12.10.2016.

Kämmler/Kleppe

III. Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken

§7

Im Folgenden werden für die wichtigsten Risikopositionsklassen die wesentlichen Vorga- 102 ben zur Ableitung der Risikogewichte skizziert:97) Positionen gegenüber Zentralstaaten/Zentralbanken98) mit einem anwendbaren ECAI- 103 Rating erhalten ein bonitätsabhängiges Risikogewicht zwischen 0 % und 150 %, Positionen ohne anwendbares Rating erhalten ein Risikogewicht von 100 %. Dabei werden Risikopositionen gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB/ECB) und Risikopositionen in Landeswährung gegenüber den Zentralstaaten und -banken der EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich als nicht ausfallgefährdet angesehen und erhalten entsprechend ein Risikogewicht von 0 %. Risikopositionen gegenüber internationalen Organisationen und multilateralen Ent- 104 wicklungsbanken99) erhalten ein Risikogewicht von 0 %. Für Positionen gegenüber Instituten100) liegt das Risikogewicht bonitätsabhängig zwi- 105 schen 20 % und 150 %, wobei eine Differenzierung zwischen Risikopositionen mit einer Restlaufzeit von mehr bzw. weniger als drei Monaten erfolgt (erstere werden konservativer behandelt). Falls kein verwendbares Rating vorliegt, erfolgt die Risikoeinstufung anhand der Bonitätsstufe des Zentralstaates, in dessen Hoheitsgebiet das Institut seinen Sitz hat. Risikopositionen gegenüber Unternehmen101) erhalten ein bonitätsabhängiges Risikoge- 106 wicht zwischen 20 % und 150 %. Falls kein verwendbares Rating vorliegt, so ist ein Risikogewicht von 100 % zu verwenden oder, falls dieses höher ist, das Risikogewicht des Zentralstaates, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat. Risikopositionen des Mengengeschäfts102) erhalten ein bonitätsunabhängiges Risikoge- 107 wicht von 75 %. Um als Mengengeschäft klassifiziert zu werden, muss eine Position die folgenden drei Bedingungen erfüllen: x

Der Kunde ist eine natürliche Person oder ein kleines oder mittleres Unternehmen (KMU).

x

Die Position ist eine von vielen Risikopositionen mit ähnlichen Merkmalen.

x

Gegenüber dem Kunden oder der Gruppe verbundener Kunden besteht ein (konzernweites) Exposure von nicht mehr als 1 Mio. €, mit Ausnahme von Risikopositionen, die vollständig durch Wohnimmobilien besichert sind.

Durch Grundpfandrechte auf Wohnimmobilien und Gewerbeimmobilien vollständig 108 besicherte Positionen103) erhalten bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen ein Risikogewicht von 35 % bzw. 50 %. Sonstige durch Grundpfandrechte auf Immobilien besicherte Risikopositionen, die nicht die Voraussetzungen für die Zuordnung der genannten Risikogewichte erfüllen, erhalten ein Risikogewicht von 100 %. Der unbesicherte Teil ausgefallener Risikopositionen104) erhält ein Risikogewicht von 109 100 % oder 150 % in Abhängigkeit von den spezifischen Kreditrisikoanpassungen.

___________ 97) 98) 99) 100) 101) 102) 103) 104)

Vgl. Artt. 114 bis 134 CRR. Vgl. Art. 114 CRR. Vgl. Artt. 117, 118 CRR. Vgl. Artt. 119 bis 121 CRR. Vgl. Art. 122 CRR. Vgl. Art. 123 CRR. Vgl. Artt. 124 bis 126 CRR. Vgl. Art. 127 CRR.

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333

§7

Eigenmittelregulierung

d)

Risikopositionswert für das Gegenparteiausfallrisiko bei Derivaten

110 Das Gegenparteiausfallrisiko (Kontrahentenausfallrisiko), also das Kreditrisiko mit Bezug auf die Gegenpartei bei Derivategeschäften, stellt insofern eine Besonderheit dar, als dass die Höhe des Verlustes sich aus dem Wert des Derivats zum Zeitpunkt des Ausfalls ableitet und somit von der Entwicklung von Marktparametern wie bspw. Zinsen, Währungs- oder Aktienkursen abhängt. Daher erfolgt die Berechnung des Positionswertes für diese Art von Geschäften nach einem eigenen Regelwerk, das in der CRR105) niedergelegt ist. Dieses Regelwerk gilt für KSA-Banken gleichermaßen wie für IRBA-Banken und wird daher hier in einem separaten Abschnitt beschrieben. 111 Nach der derzeit noch gültigen Fassung der CRR gibt es vier Methoden, die zur Bestimmung des Positionswertes für Derivategeschäfte angewandt werden können: x

Nach der Marktbewertungsmethode106) setzt sich der Positionswert zusammen aus dem Marktwert der Positionen bzw. 0 (null), falls der Marktwert negativ sein sollte, und einem potentiellen zukünftigen Wiederbeschaffungswert. Der letztere ergibt sich durch Multiplikation des Nominalwertes mit einem aufsichtlich vorgegebenen Prozentsatz zwischen 0 % und 15 %, der von der Art des Underlyings und der Restlaufzeit des Derivats abhängt.

x

Nach der Ursprungsrisikomethode,107) die nur von Nichthandelsbuchinstituten und nur für Zins-, Währungs- und Gold-bezogene Geschäfte angewandt werden darf, ergibt sich der Positionswert als aufsichtlich vorgegebener Prozentsatz des Nominals.

x

Die Standardmethode108) stellt eine vereinfachte und standardisierte Version der auf internen Modellen beruhenden Methode (siehe den folgenden Aufzählungspunkt) dar. Dabei werden Geschäfte in ihre Komponenten (Underlying- und Zahlungskomponenten) zerlegt, diesen werden Positionswerte auf Basis ihres Nominals und bei nichtlinearem Risikoprofil ihres Deltas zugewiesen, welche anschließend zu HedgingSätzen zusammengefasst saldiert und mit einem Prozentsatz in Abhängigkeit von der Art des Geschäfts multipliziert werden. Die Summe der Absolutwerte der so erhaltenen Werte oder der Nettomarktwert, falls dieser größer ist, wird mit dem Faktor 1,4 multipliziert und ergibt den Positionswert.

x

Die auf internen Modellen beruhende Methode (IMM)109) schließlich ist die anspruchsvollste Methode zur Berechnung des Positionswertes für Derivategeschäfte. Sie beruht auf einem internen Modell zur Berechnung der erwarteten Wiederbeschaffungswerte über die Zeit. Die Anwendung ist nur nach aufsichtlicher Genehmigung zulässig und an eine Reihe von Voraussetzungen hinsichtlich Modelldesign, Validierung, Risikomanagement, Organisationsstrukturen, Prozessen usw. geknüpft.

112 Mit der CRR II (siehe Rz. 201) gehen auch Neuerungen im Bereich des Gegenparteiausfallrisikos einher, die ab dem 28.6.2021 anzuwenden sind. Zukünftig werden die Marktbewertungsmethode, die Ursprungsrisikomethode und die heutige Standardmethode durch einen neuen Standardansatz (Standardised Approach for Measuring Counterparty Credit Risk, SA-CCR)110) ersetzt, der im März 2014 durch den Basler Ausschuss für ___________ 105) 106) 107) 108) 109) 110)

334

S. Teil 3 Titel II Kap. 6 CRR. Abschn. 3 Art. 274 CRR a. F. Abschn. 4 Art. 275 CRR a. F. Abschn. 5 Artt. 276 bis 282 CRR a. F. Abschn. 6 Artt. 283 bis 294 CRR a. F. Teil 3 Titel II Kap. 6 Abschn. 3 CRR II.

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III. Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken

§7

Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision – BCBS) veröffentlicht wurde.111) Nach dem SA-CRR berechnet sich der Positionswert eines Derivats als Positionswert

1,4 ˜ RC  PFE

wobei RC im Wesentlichen den aktuellen Marktwert (Replacement Cost) und PFE das potentielle zukünftige Exposure (Potential Future Exposure) bezeichnet. Das zukünftige Exposure wiederum wird auf Grundlage des Nominalwertes und einer Reihe aufsichtlich vorgegebener Faktoren und Formeln berechnet. Neben diesem vollumfänglichen SA-CRR sieht die CRR II einen vereinfachten Stan- 113 dardansatz112) vor sowie – als eine weitere Vereinfachung – die sog. Ursprungsrisikomethode113), die der heutigen Marktbewertungsmethode ähnlich ist. Die Anwendbarkeit dieser vereinfachten Verfahren ist abhängig davon, ob das Derivatevolumen des Instituts bestimmte Schwellwerte (absolut und relativ zur Bilanzsumme) überschreitet. 3.

Internal Ratings-Based Approach – IRBA

Im IRBA erfolgt die Berechnung der risikogewichteten Aktiva auf der Grundlage interner 114 Kreditrisikoparameter. Die Spezifika des Portfolios sowie die individuellen Erfahrungswerte des Instituts werden somit in die Quantifizierung des Kreditrisikos einbezogen. Der risikogewichtete Positionsbetrag ergibt sich auch hier durch Multiplikation des Risikogewichts mit dem Risikopositionswert. Die Bestimmung des Risikogewichts erfolgt allerdings für die wichtigsten Risikopositionsklassen mittels der IRB-Formel, deren wichtigste Eingangsgrößen die bereits erwähnten Kreditrisikoparameter PD (Probability of Default) und LGD (Loss Given Default) sind. Die Berechnung des Risikopositionswertes von außerbilanziellen Risikopositionen erfolgt mittels des CCF (Credit Conversion Factor), in den regulatorischen Texten als Umrechnungsfaktor bezeichnet. Wendet ein Institut den IRBA zur Eigenmittelberechnung an, so bestimmt es in jedem 115 Fall die PD nach eigenen Modellen.114) Die Schätzung der Parameter LGD und CCF ist im Allgemeinen anspruchsvoller hinsichtlich der Modellierung sowie der Erhebung der dafür benötigten Datengrundlage; daher können entweder aufsichtlich vorgegebene Werte oder ebenfalls eigene Modelle verwendet werden.115) In den Basler Standards wird hier vom IRB-Basisansatz (Foundation IRBA – F-IRBA) bzw. vom fortgeschrittenen IRBAnsatz (Advanced IRBA – A-IRBA) gesprochen. Diese begriffliche Differenzierung erfolgt im europäischen Aufsichtsrecht (CRR) nicht, gleichwohl gibt es diese Unterscheidung inhaltlich auch dort. Für das Mengengeschäft sind grundsätzlich, also auch im F-IRBA, alle drei Kreditrisikoparameter durch das Institut selbst zu schätzen.116) a)

Aufsichtliche Genehmigung

Die Anwendung des IRBA erfordert eine Genehmigung durch die Aufsicht.117) Die Ge- 116 nehmigung ist für jede Risikopositionsklasse und jedes Ratingsystem (einschließlich der Modelle für die Berechnung von LGD und Umrechnungsfaktoren sowie interner Modelle ___________ 111) 112) 113) 114) 115) 116) 117)

BCBS, The standardised approach for measuring counterparty credit risk exposures, v. 4/2014. Teil 3 Titel II Kap. 6 Abschn. 4 CRR II. Teil 3 Titel II Kap. 6 Abschn. 5 CRR II. Art. 151 Abs. 6 CRR. Art. 151 Abs. 8, 9 CRR. Art. 151 Abs. 6, 7 CRR. Art. 143 CRR.

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§7

Eigenmittelregulierung

für Beteiligungspositionen) einzuholen. Neben der Erstzulassung sind auch alle wesentlichen Änderungen bzgl. des Anwendungsbereichs oder des Modells genehmigungspflichtig, unwesentliche Änderungen müssen der Aufsicht angezeigt werden. 117 Um die Erlaubnis zur Anwendung des IRBA zu erhalten, muss ein Institut hinreichend gut nachweisen, dass es eine Reihe von Bedingungen erfüllt, u. a.:118) x

Die Ratingsysteme müssen „eine aussagekräftige Risikodifferenzierung sowie genaue und einheitliche quantitative Risikoschätzungen“ erlauben.

x

Die für die Eigenmittelberechnung verwendeten Systeme und Verfahren sowie die Risikoeinstufungen müssen auch in den internen Steuerungsprozessen (Kapitalallokation, Kreditvergabe, Risikomanagement) verwendet werden. Insbesondere ist hier also die Verzahnung der regulatorischen Kapitalberechnung nach Säule 1 und der ökonomischen Kapitalberechnung nach Säule 2 gefordert.

x

Die Kreditrisikoüberwachung muss über die notwendige Unabhängigkeit verfügen, muss also insbesondere außerhalb von Markt und Marktfolge angesiedelt sein.

x

Alle relevanten Daten für die Kreditrisikomessung und -management müssen gespeichert werden.

x

Die verwendeten Modelle müssen dokumentiert und validiert worden sein.

118 Darüber hinaus muss das Institut über Erfahrung in der Anwendung von IRB-Ansätzen verfügen, d. h. im Allgemeinen muss für die betreffende Risikopositionsklasse mindestens drei Jahre lang ein IRBA-fähiges Ratingsystem betrieben werden, bevor ein solches für die regulatorische Kapitalberechnung erstmalig angemeldet werden darf.119) b)

Risikopositionsklasse

119 Jede Risikoposition ist unter Verwendung einer „dauerhaften und kohärenten Methode“ einer der sieben Risikopositionsklassen (in der SolvV früher als „IRBA-Forderungsklassen“ bezeichnet) zuzuordnen:120) x

Zentralstaaten und Zentralbanken,

x

Institute,

x

Unternehmen,

x

Mengengeschäft,

x

Beteiligungen,

x

Verbriefungen,

x

sonstige Aktiva ohne Kreditverpflichtungen.

120 Die Risikopositionsklassen werden in Art. 147 CRR weiter konkretisiert.121) In vielen Fällen können sie als Zusammenfassung von KSA-Risikopositionsklassen betrachtet werden oder nehmen zumindest auf diese Bezug. So sind der Risikopositionsklasse Zentralstaaten und Zentralbanken auch alle Risikopositionen gegenüber regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften zugeordnet, sofern diese im KSA wie Risikopositionen gegenüber Zentralstaaten behandelt werden, außerdem Positionen gegenüber multilateralen Entwicklungsbanken sowie gegenüber internationalen Organisationen, die im KSA ein Risi___________ 118) 119) 120) 121)

336

Die Bedingungen sind in Art. 144 CRR aufgeführt. Art. 145 CRR. Art. 147 CRR. Art. 147 CRR.

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III. Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken

§7

kogewicht von 0 % erhalten.122) Der Risikopositionsklasse Institute werden neben den Positionen gegenüber Instituten auch Forderungen gegenüber regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften, öffentlichen Stellen und multilateralen Entwicklungsbanken zugeordnet, sofern diese nicht der Risikopositionsklasse Zentralstaaten und Zentralbanken zugeordnet werden, sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch Finanzinstitute.123) Die Kriterien für die Klassifikation einer Position als Mengengeschäft unterscheiden sich 121 leicht von den entsprechenden Kriterien im KSA; sie sind im IRBA gegeben durch:124) x

Eine der beiden folgenden Bedingungen ist erfüllt: x Der Kunde ist eine natürliche Person oder eine Gruppe natürlicher Personen. x Der Kunde ist ein kleines oder mittleres Unternehmen (KMU) und gegenüber dem Kunden oder der Gruppe verbundener Kunden besteht ein (konzernweites) Exposure von nicht mehr als 1 Mio. €, mit Ausnahme von Risikopositionen, die vollständig durch Wohnimmobilien besichert sind.

x

Vergleichbare Positionen werden im Zeitverlauf konsistent und in vergleichbarer Weise gesteuert.

x

Die Positionen werden weniger individuell gesteuert als die der Risikopositionsklasse Unternehmen zugeordneten Positionen.

x

Die Position ist eine von vielen Risikopositionen, die ähnlich gesteuert werden.

Die exakte Abgrenzung von Beteiligungspositionen hat sich in der Vergangenheit oft als 122 schwierig erwiesen. Die CRR macht hier nur eine allgemeine Vorgabe, dass Positionen die einen nachrangigen Residualanspruch auf die Vermögenswerte und Einkünfte des Emittenten darstellen, als Beteiligungen zu klassifizieren sind. Dabei sind auch Schuldtitel als Beteiligung zu sehen, sofern sie dem wirtschaftlichen Charakter nach diese Bedingung erfüllen.125) Die Forderungsklasse Unternehmen stellt eine Residualklasse für Positionen dar, die einem 123 Kreditrisiko unterliegen. Innerhalb der Forderungsklasse Unternehmen sind Spezialfinanzierungen abzugrenzen (Projekt-, Objektfinanzierungen), die teilweise einer gesonderten Behandlung unterliegen.126) Der Forderungsklasse der sonstigen kreditunabhängigen Aktiva sind schließlich alle 124 Positionen zuzuordnen, die keinem Kreditrisiko unterliegen.127) c)

Risikopositionswert

Die Ermittlung des Risikopositionswertes ist in der CRR geregelt.128) Für bilanzielle Po- 125 sitionen (Aktivpositionen) ist der Risikopositionswert im Regelfall gleich dem Buchwert vor Berücksichtigung etwaiger spezifischer Kreditrisikoanpassungen. Lediglich für Positionen der Risikopositionsklassen Beteiligungen und Sonstige kreditunabhängige Aktiva ist der Positionswert der Buchwert nach Abzug spezifischer Kreditrisikoanpassungen. Gesonderte Vorschriften gelten für Pensions- und Leihgeschäften i. R. von Nettingvereinba___________ 122) 123) 124) 125) 126) 127) 128)

Art. 147 Abs. 3 CRR. Art. 147 Abs. 4 CRR. Art. 147 Abs. 5 CRR. Art. 147 Abs. 6 CRR. Art. 147 Abs. 8 CRR. Art. 147 Abs. 7 CRR. Artt. 166 bis 168 CRR.

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§7

Eigenmittelregulierung

rungen129), Derivaten130), Leasinggeschäften, angekaufte Forderungen und anderen Spezialfällen (siehe dazu den auch im IRB-Ansatz relevanten Abschn. III. 2. d), Rz. 110 ff.). 126 Für außerbilanzielle Positionen wird der Risikopositionswert durch Multiplikation des zugesagten (aber nicht in Anspruch genommenen) Betrags mit einem Umrechnungsfaktor (Credit Conversion Factor – CCF) ermittelt. Der CCF spiegelt die Erwartung wider, welcher Anteil der offenen Zusage zum Zeitpunkt eines Ausfalls der Position in Anspruch genommen wurde und deshalb vom Ausfall betroffen ist. Hat ein Institut die Erlaubnis zur Verwendung eigener Schätzungen für LGD und CCF erhalten (Anwendung des A-IRBA), so muss es für bestimmte Produktgruppen131) eigene Umrechnungsfaktoren verwenden. Andernfalls sind die vorgegebenen Werte zu verwenden; ebenso für sonstige außerbilanzielle Positionen, die in die vier in Anhang I der CRR genannten Risikogruppen einzuordnen und mit den folgenden Umrechnungsfaktoren zu versehen sind (siehe auch Rz. 98 f.): x

100 % für Positionen mit hohem Risiko,

x

50 % für Positionen mit mittlerem Risiko,

x

20 % für Positionen mit mittlerem/geringem Risiko,

x

0 % für Positionen mit geringem Risiko.

127 Für außerbilanzielle Positionen des Mengengeschäfts ist der CCF grundsätzlich vom Institut selbst zu schätzen.132) d)

Risikogewicht

128 In der Bestimmung des Risikogewichts ist nach Risikopositionsklasse zu differenzieren. Für Positionen der Risikopositionsklassen Zentralstaaten und Zentralbanken, Institute, Unternehmen und Mengengeschäft wird das Risikogewicht nach der IRB-Formel berechnet:133) RW

12,5 ˜ LGD ˜ bed. PD  PD ˜ Laufzeitfaktor ˜ 1,06

129 Die IRB-Formel ist am oben skizzierten Gedanken zur Quantifizierung des Kreditrisikos orientiert: Während der erwartete Verlust durch die Zinsmarge gedeckt ist, muss der unerwartete Verlust durch das vorzuhaltende Eigenkapital des Instituts gedeckt werden. Die Eigenkapitalanforderung wird demnach so hoch bemessen, dass der über den erwarteten Verlust hinausgehende Verlust mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit von 99,9 % nicht höher ist als das Mindesteigenkapital des Instituts. Der IRB-Formel liegt ein Kreditportfoliomodell zugrunde, mit dem sich dieser „maximale“ Verlust unter Verwendung einer modifizierten „bedingten“ PD134) (bed. PD) analog zum erwarteten Verlust darstellen lässt: x

Erwarteter Verlust: EAD ˜ LGD ˜ PD

x

„Maximaler“ Verlust (i. S. eines 99,9 %-Quantils): EAD ˜ LGD ˜ bed. PD

130 Der unerwartete Verlust berechnet sich aus der Differenz zwischen dem „maximalen“ Verlust und dem erwarteten Verlust, was die zentrale Komponente der IRB-Formel er___________ 129) 130) 131) 132) 133) 134)

338

Anwendung von Teil 3 Titel II Kap. 4 oder 6 CRR. Anwendung von Teil 3 Titel II Kap. 6 CRR. Diese werden in Art. 166 Abs. 8 CRR genannt. Art. 151 Abs. 7 CRR. Artt. 153 und 154 CRR. Der IRB-Formel liegt das Vasicek-Modell als Spezialfall des Merton-Modells zugrunde, das von einem unendlich granularen, homogenen Portfolio ausgeht. Die modifizierte PD ist die PD der Risikoposition bedingt darauf, dass der systematische Faktor des Vasicek-Modells gerade den 99,9 %-Quantilswert seiner Verteilung annimmt.

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III. Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken

§7

gibt. Der Laufzeitfaktor trägt zusätzlich noch dem unterschiedlichen Risikogehalt von vergleichbaren Positionen mit unterschiedlicher Restlaufzeit und somit in gewisser Weise dem Migrationsrisiko Rechnung. Er wird im Wesentlichen aus der effektiven Restlaufzeit der Risikoposition bestimmt. Der Faktor 12,5 erklärt sich dadurch, dass der risikogewichtete Positionsbeitrag noch mit einem Prozentsatz von mindestens 8 % multipliziert wird, um zur Eigenkapitalanforderung zu gelangen. Der Faktor 1,06 ist ein aufsichtlicher Kalibrierungsfaktor. Der Term EAD aus der Formel für den erwarteten Verlust erscheint in der IRB-Formel nicht, da das Risikogewicht noch mit dem Risikopositionswert multipliziert wird, um zum risikogewichteten Positionsbeitrag zu kommen. Die bed. PD in der IRB-Formel berechnet sich aus der tatsächlichen PD und einem aufsicht- 131 lich vorgegebenen Korrelationsterm, in den die Risikopositionsklasse, die PD und ggf. weitere Eigenschaften des Kreditnehmers (Größe, Zuordnung zu Finanzbranche) eingehen.135) Es sei erwähnt, dass der IRB-Formel ein sehr einfaches Kreditportfoliomodell zugrunde 132 liegt, das einige wichtige Aspekte wie bspw. Konzentrationsrisiken nicht berücksichtigt. Für die Risikomodellierung der Säule 2 ist in der Regel eine anspruchsvollere Modellierung notwendig, die diesen Aspekten in Abhängigkeit von den Spezifika des Portfolios angemessen Rechnung trägt. Die PD als eine zentrale Eingangsgröße der IRB-Formel beschreibt die Wahrscheinlich- 133 keit eines Ausfalls der Gegenpartei innerhalb eines Jahres,136) d. h. der Regulator legt für die Eigenmittelunterlegung explizit einen Zeithorizont von einem Jahr fest. Die PD ist vom Institut stets mit eigenen Modellen zu schätzen. Auf die detaillierten regulatorischen Vorgaben dazu wird in Abschn. III. 3. e), siehe Rz. 139 ff., näher eingegangen. Die LGD als die zweite zentrale Eingangsgröße der IRB-Formel beschreibt die Höhe des 134 Verlustes bei Ausfall des Schuldners, gemessen am Betrag der zum Zeitpunkt des Ausfalls ausstehenden Risikoposition.137) Falls ein Institut keine Erlaubnis für die Verwendung eigener LGD- und CCF-Schätzungen hat, so sind für Positionen der Risikopositionsklassen Zentralstaaten und Zentralbanken, Institute und Unternehmen die vorgegeben Werte (u. a. von 45 % und 75 % für vorrangige bzw. nachrangige unbesicherte Positionen) zu verwenden.138) Auf die Berücksichtigung von Sicherheiten wird in Abschn. III. 4., siehe Rz. 162 ff., eingegangen. Für Risikopositionen des Mengengeschäfts dagegen sind grundsätzlich eigene Schätzungen zu verwenden. Wie bereits erwähnt, liegt der IRB-Formel die Annahme zugrunde, dass der erwartete 135 Verlust durch die Kreditrisikomarge gedeckt wird, die sich in den Kreditrisikoanpassungen widerspiegeln sollte. Um eine adäquate Eigenmittelunterlegung sicherzustellen, wird ein Wertberichtigungsvergleich vorgenommen, für den die Differenz aus den Kreditrisikoanpassungen und dem erwarteten Verlust bestimmt wird. Ergibt sich ein Überschuss, so darf dieser bis zu einer gewissen Grenze als Ergänzungskapital angerechnet werden, ein Fehlbetrag dagegen ist vom harten Kernkapital abzuziehen.139) Für Spezialfinanzierungen, bei denen das Institut die PD nicht in angemessener Form 136 schätzen kann, darf ein Elementaransatz verwendet werden, bei dem die Position lediglich einer von fünf Risikostufen zuzuweisen ist, für die dann aufsichtliche Risikogewichte vorgegeben sind.140) ___________ 135) 136) 137) 138) 139) 140)

S. dazu Artt. 153 und 154 CRR. Art. 4 Abs. 1 Nr. 54 CRR. Art. 4 Abs. 1 Nr. 55 CRR. Art. 161 Abs. 1 CRR. S. Artt. 159, 62 lit. d und Art. 36 Abs. 1 lit. d CRR. Art. 153 Abs. 5 CRR.

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§7

Eigenmittelregulierung

137 Für Positionen der Risikopositionsklasse Beteiligungen besteht die Wahl zwischen drei Ansätzen:141) x

Im einfachen Risikogewichtungsansatz werden vorgegebene Risikogewichte verwendet (190 % für Positionen aus privatem Beteiligungskapital in ausreichend diversifizierten Portfolios, 290 % für börsengehandelte Beteiligungspositionen, 370 % für alle sonstigen Beteiligungspositionen).

x

Im PD/LGD-Ansatz wird die IRB-Formel analog zu Forderungen gegenüber Unternehmen angewandt, wobei einige zusätzliche Anforderungen an PD und LGD zu berücksichtigen sind.

x

Schließlich dürfen Institute auch eigene interne Modelle zur Risikobewertung heranziehen.

138 Positionen der Risikopositionsklasse „Sonstige kreditunabhängige Aktiva“ erhalten pauschal ein Risikogewicht von 100 %, in einigen Fällen darf ein Gewicht von 0 % angewandt werden.142) e)

Mindestanforderungen an die Anwendung des IRBA

139 Die qualitativen Mindestanforderungen an die Anwendung des IRBA, die ein Institut sowohl bei der Erstgenehmigung als auch fortlaufend zu erfüllen hat, sind grundsätzlich in Teil 3 Titel II Kap. 3 Abschn. 6 der CRR geregelt. Darüber hinaus gibt es eine Fülle weiterer aufsichtlicher Dokumente, die diese Anforderungen präzisieren und ergänzen. Um den Rahmen dieser Darstellung nicht zu sprengen, kann darauf jedoch nur an ausgewählten Stellen eingegangen werden. 140 Als ein zentraler Begriff wird ein Ratingsystem definiert als Gesamtheit aller Methoden, Prozesse, Kontrollen, Datenerhebungs- und IT-Systeme, die zur Beurteilung von Kreditrisiken, zur Zuordnung von Risikopositionen zu Bonitätsstufen oder -pools sowie zur Quantifizierung von Ausfall- und Verlustschätzungen für eine bestimmte Risikopositionsart dienen.143) 141 Allgemeine Anforderungen an Ratingsysteme werden in Artt. 169 bis 177 CRR formuliert. Ratingsysteme für die Risikopositionsklassen „Zentralstaaten und Zentralbanken, Institute und Unternehmen“ müssen über eine Risikoeinstufungsskala (Ratingskala) für die PD verfügen, die mindestens sieben Stufen zzgl. einer Stufe für ausgefallene Schuldner umfasst. Die Anzahl der Ratingstufen sollte eine aussagekräftige Differenzierung gewährleisten, d. h. die Schuldner einer Ratingstufe weisen ein ähnlich hohes Ausfallrisiko auf, so dass die Ausfallrate der Ratingstufe repräsentativ für alle Schuldner dieser Ratingstufe ist. Konzentrationen innerhalb einzelner Ratingstufen sind zu vermeiden, soweit sie nicht empirisch begründet sind. Grundsätzlich können stets auch direkte Schätzungen für Risikoparameter verwendet werden, die dann als Ratingstufen einer kontinuierlichen Skala betrachtet werden (d. h. es besteht keine Notwendigkeit, eine Masterskala o. Ä. zu verwenden). Für die Zuweisung zu Ratingstufen sind ausschließlich schuldnerspezifische Merkmale zu berücksichtigen. Sofern eigene LGD-Schätzungen verwendet werden, muss eine Einstufung bzgl. einer gesonderten Risikoeinstufungsskala für die LGD auf Grundlage LGD-bezogener Merkmale unter Sicherstellung einer ausreichenden Risikodifferenzierung erfolgen. Für das Mengengeschäft dagegen können PD und LGD gemeinsam ge___________ 141) Art. 155 CRR. 142) Art. 156 CRR. 143) Art. 142 Abs. 1 CRR.

340

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III. Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken

§7

schätzt werden, wobei auch in diesem Fall eine aussagekräftige Risikodifferenzierung zu gewährleisten ist. Für die Zuordnung von Risikopositionen zu Ratingstufen muss ein Institut über genau 142 festgelegte Definitionen, Prozesse und Kriterien verfügen, die insbesondere eine konsistente Anwendung des Ratingsystems sicherstellen, die Zuordnung für Dritte nachvollziehbar machen und mit den internen Kreditvergaberichtlinien sowie den Vorgaben bzgl. problembehafteter Kredite übereinstimmen.144) Für die Zuordnung müssen alle relevanten Informationen berücksichtigt werden, wobei diese aktuell und aussagekräftig sein sollen. Art. 173 CRR fordert u. a. eine regelmäßige Überprüfung durch eine unabhängige Instanz, um die Integrität des Zuordnungsprozesses sicherzustellen.145) Allgemeine Vorgaben für Modelle sind insbesondere:146)

143

x

Das Modell muss über eine gute Prognosekraft verfügen, darf keine systematischen Fehler enthalten und darf nicht zu einer Verzerrung der Eigenmittelanforderungen führen.

x

Die in das Modell einfließenden Daten müssen hinsichtlich Genauigkeit, Vollständigkeit und Angemessenheit überprüft werden.

x

Die Datengrundlage der Modellentwicklung muss für das aktuelle Portfolio des Instituts repräsentativ sein.

x

Es muss eine regelmäßige Modellvalidierung durchgeführt werden.

x

Das statistische Modell muss durch individuelle Beurteilung und Kontrolle angemessen ergänzt werden.

Weitere Vorgaben existieren bzgl. Dokumentationspflichten,147) der Datenpflege148) und 144 bzgl. der Beurteilung der Angemessenheit der Eigenmittelausstattung mittels regelmäßig durchzuführender Stresstests.149) Darüber hinaus werden konkrete Mindestanforderungen bzgl. der Risikoquantifizierung 145 formuliert. Die aktuelle Definition des Schuldnerausfalls150) wird durch die ab 2021 anzuwendenden EBA-Leitlinien zur Anwendung der Ausfalldefinition151) weiter detailliert. Im Wesentlichen sind dabei zwei Fälle zu unterscheiden: x

Das Institut sieht es als unwahrscheinlich an, dass der Schuldner seine Verpflichtungen in voller Höhe begleichen wird, ohne dass das Institut auf Maßnahmen wie die Verwertung von Sicherheiten zurückgreift. Die EBA definiert dazu eine Reihe konkreter Kriterien, die für die Identifikation eines Ausfallereignisses heranzuziehen sind (u. a. Einstellung spezifischer Wertanpassungen, Verkäufe und Restrukturierungen mit Verlust, Insolvenz des Schuldners).152)

x

Der Schuldner ist mit einer wesentlichen Verbindlichkeit mehr als 90 Tage im Verzug. Die EBA definiert dazu einheitliche Anforderungen an die Zählung der Verzugsta-

___________ 144) 145) 146) 147) 148) 149) 150) 151)

Art. 171 CRR. Art. 173 CRR. Art. 174 CRR. Art. 175 CRR. Art. 176 CRR. Art. 177 CRR. Art. 178 CRR. EBA, Leitlinien zur Anwendung der Ausfalldefinition gemäß Art 178 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 1/2017 (EBA/GL/2016/07). 152) EBA, Leitlinien zur Anwendung der Ausfalldefinition gemäß Art. 178 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 1/2017 (EBA/GL/2016/07).

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§7

Eigenmittelregulierung ge;153) die Materialitätsgrenze kann von den nationalen Aufsichtsbehörden festgelegt werden, wobei im Regelfall der Wert von 1 % angewandt wird.

146 Es bestehen allgemeine Anforderungen an Schätzungen von Kreditrisikoparametern (PD, LGD, Umrechnungsfaktoren)154), von denen viele in ergänzenden regulatorischen Dokumenten, insbesondere den EBA-Leitlinien für die PD-Schätzung, die LGD-Schätzung und die Behandlung von ausgefallenen Risikopositionen,155) weiter ausgearbeitet werden. Grundsätzlich müssen alle einschlägigen Daten, Informationen und Methoden berücksichtigt werden. Die Schätzungen sollen auf den wesentlichen Bestimmungsfaktoren für die jeweiligen Risikoparameter beruhen, die Ableitung soll aus historischen Werten und empirischen Nachweisen erfolgen (d. h. keine reinen Expertenschätzungen), sie sollen plausibel sein und die langfristigen Erfahrungen repräsentativ wiedergeben. Eine Aufschlüsselung der historischen Erfahrungswerte nach den Hauptbestimmungsfaktoren für die jeweiligen Risikoparameter ist gefordert. Veränderungen in der Kreditvergabepraxis oder im Prozess der Sicherheitenverwertung sind ebenso zu berücksichtigen wie technische Fortschritte, neue Daten und sonstige neue Informationen. Es muss eine Überprüfung der Schätzungen stattfinden, sobald neue Informationen vorliegen, zumindest aber jährlich. Der Umfang der Stichprobe und die Länge des Erhebungszeitraumes müssen hinreichend groß sein, um zuverlässige Schätzungen zu gewährleisten. Bei angekauften Forderungen sind alle zur Verfügung stehenden Informationen zu berücksichtigen, insbesondere auch solche vom Verkäufer und aus externen Quellen. 147 Die Datengrundlage der Schätzung sowie die zum Zeitpunkt der Datenerhebung geltenden Kreditvergaberichtlinien müssen mit der aktuellen Kreditstruktur und den aktuellen Standards vergleichbar sein (Repräsentativität).156) Gemäß der EBA157) ist in diesem Zusammenhang zwischen der Entwicklungs- und der Kalibrierungsstichprobe zu differenzieren. Für die Kalibrierungsstichprobe wird gefordert, dass die Repräsentativität bzgl. Anwendungsbereich, Ausfalldefinition, Verteilung der relevanten Risikotreiber, Kreditvergaberichtlinien gegeben ist.158) Etwaige Abweichungen sind zu analysieren und zu bewerten, ggf. sind nicht-repräsentative Beobachtungen auszuschließen oder andere geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus müssen auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und das Marktumfeld mit den gegenwärtigen und absehbaren Verhältnissen vergleichbar sein, wobei dies nur für die Kalibrierungsstichprobe gefordert wird.159) Ist die Repräsentativität der Kalibrierungsstichprobe als unzureichend zu bewerten, ist eine entsprechende Korrektur sowie ein Konservativitätsaufschlag vorzusehen (siehe Rz. 148).160) 148 Es ist eine Sicherheitsspanne in Relation zum erwarteten Schätzfehler unter Berücksichtigung der Qualität der zur Verfügung stehenden Daten und Methoden vorzusehen.161) Zu diesem ___________ 153) EBA, Leitlinien zur Anwendung der Ausfalldefinition gemäß Art. 178 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 1/2017 (EBA/GL/2016/07). 154) Art. 179 CRR. 155) EBA, Leitlinien für die PD-Schätzung, die LGD-Schätzung und die Behandlung von ausgefallenen Risikopositionen, v. 4/2018 (EBA/GL/2017/16). 156) Art. 179 Abs. 1 lit. d CRR. 157) EBA, Leitlinien für die PD-Schätzung, die LGD-Schätzung und die Behandlung von ausgefallenen Risikopositionen, v. 4/2018 (EBA/GL/2017/16). 158) EBA, Leitlinien für die PD-Schätzung, die LGD-Schätzung und die Behandlung von ausgefallenen Risikopositionen, v. 4/2018 (EBA/GL/2017/16). 159) EBA, Leitlinien für die PD-Schätzung, die LGD-Schätzung und die Behandlung von ausgefallenen Risikopositionen, v. 4/2018 (EBA/GL/2017/16). 160) EBA, Leitlinien für die PD-Schätzung, die LGD-Schätzung und die Behandlung von ausgefallenen Risikopositionen, v. 4/2018 (EBA/GL/2017/16). 161) Art. 179 Abs. 1 lit. f CRR.

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III. Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken

§7

Aspekt macht die EBA detaillierte Vorgaben:162) Alle relevanten Mängel an Methoden, Prozessen, Daten und Systemen, die zu einer Verzerrung der Risikoparameter oder einer erhöhten Unsicherheit führen und die nicht vollständig auf den allgemeinen Schätzfehler zurückzuführen sind, werden identifiziert und durch eine angemessene Korrektur des Risikoparameters (Appropriate Adjustment – AA) ausgeglichen (Mängel der Kategorie A). Ebenso werden alle relevanten Änderungen hinsichtlich der Kreditvergabepraxis, der Sicherheitenverwertung, dem Risikoappetit, der Portfoliostruktur, dem Geschäftsumfeld usw. identifiziert und mit einem AA kompensiert (Mängel der Kategorie B). Der Konservativitätsaufschlag (Margin of Conservatism – MoC) berücksichtigt und quantifiziert schließlich die aus den beiden zuvor genannten Quellen resultierende Schätzunsicherheit; zusätzlich ist ein Konservativitätsaufschlag für den allgemeinen Schätzfehler (Aufschlag der Kategorie C) vorzusehen. Bei Verwendung von institutsübergreifenden Pooldaten sind weitere Anforderungen zu 149 berücksichtigen, die sicherstellen sollen, dass die Angemessenheit des Ratingsystems durch das Pooling nicht beeinträchtigt wird.163) Neben den zuvor beschriebenen allgemeinen Anforderungen sind besondere Anforde- 150 rungen an PD-Schätzungen zu berücksichtigen.164) Hier ist insbesondere hervorzuheben, dass für die Schätzung der PD in den einzelnen Bonitätsstufen der langfristige Durchschnitt der jährlichen Ausfallraten heranzuziehen ist. Ferner wird gefordert, dass der Beobachtungszeitraum regelmäßig fünf Jahre betragen muss. Diese Anforderung wird durch die EBA weiter detailliert und insbesondere zusätzlich gefordert, dass die historische Beobachtungsperiode eine repräsentative Mischung guter und schlechter Jahre enthält und somit die wahrscheinliche Schwankungsbreite der Ausfallrate widerspiegelt.165) Besondere Anforderungen an LGD-Schätzungen bestehen u. a. hinsichtlich der Berück- 151 sichtigung etwaiger Abhängigkeiten zwischen Risiko des Schuldners und Risiko der Sicherheit, Währungsinkongruenzen und der Verwertbarkeit von Sicherheiten. Ferner soll auch hier eine Kalibrierung auf den langfristigen Durchschnitt oder auf Downturn-Werte erfolgen, falls diese konservativer sind, wobei der ausfallgewichtete (nicht der volumengewichtete) Durchschnitt heranzuziehen ist.166) Schließlich gelten besondere Anforderungen an die Schätzung eigener Umrechnungs- 152 faktoren, wobei auch hier auf den langfristigen ausfallgewichteten Durchschnitt oder auf Downturn-Werte, falls diese konservativer sind, zu kalibrieren ist.167) Mindestanforderungen bzgl. interner Modelle für Beteiligungspositionen bestehen u. a. 153 hinsichtlich des Modelldesigns, der Risikomanagement-Prozesse und -Kontrollen sowie der Validierung und Dokumentierung.168) Ferner gibt es Mindestanforderungen hinsichtlich der internen Unternehmensführung 154 und Überwachung.169) Die Geschäftsleitung (Senior Management) muss über ein gutes Verständnis der Ratingsysteme verfügen und ist für die fortlaufende Funktionstüchtigkeit derselben verantwortlich; das Leitungsorgan (Management Body) muss über allgemeine ___________ 162) EBA, Leitlinien für die PD-Schätzung, die LGD-Schätzung und die Behandlung von ausgefallenen Risikopositionen, v. 4/2018 (EBA/GL/2017/16). 163) Art. 179 Abs. 2 CRR. 164) Art. 180 CRR. 165) EBA, Leitlinien für die PD-Schätzung, die LGD-Schätzung und die Behandlung von ausgefallenen Risikopositionen, v. 4/2018 (EBA/GL/2017/16). 166) Art. 181 CRR. 167) Art. 182 CRR. 168) Artt. 186 bis 188 CRR. 169) Artt. 189 bis 191 CRR.

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§7

Eigenmittelregulierung

Kenntnisse der Ratingsysteme verfügen und deren wesentliche Aspekte bestätigen. Ferner muss die Darstellung des Kreditrisikoprofils eines Instituts wesentlicher Bestandteil der Berichterstattung an die Geschäftsleitung sein. 155 Art. 190 CRR verlangt die Einrichtung einer vom Markt unabhängigen Einheit für die Kreditrisikoüberwachung (Credit Risk Control Unit – CRCU), die direkt der Geschäftsleitung unterstellt ist. Ihre Aufgaben umfassen u. a. x

Erstellung und Auswertung von Berichten über die Ratingsysteme,

x

Überwachung der Anwendung der Ratingsysteme,

x

aktive Beteiligung an der Gestaltung, Umsetzung und Validierung der Ratingsysteme,

x

fortlaufende Überwachung und Überprüfung der verwendeten Modelle.

156 Schließlich müssen alle Ratingsysteme einschließlich deren Anwendung mindestens einmal jährlich durch die Innenrevision hinsichtlich der Einhaltung aller geltenden Anforderungen überprüft werden.170) 157 Um die Leistungsfähigkeit der Ratingsysteme sicherzustellen, kommt deren regelmäßiger Überprüfung und Validierung eine große Bedeutung zu. Dementsprechend wird diesem Aspekt auch regulatorisch ein hoher Stellenwert eingeräumt. Die grundsätzliche Forderung nach einer regelmäßigen Überprüfung der Schätzung171) wird durch detaillierte Vorgaben von der EBA hinsichtlich Häufigkeit und Umfang ergänzt.172) Die Vorgaben der CRR bzgl. der Validierung der Ratingsysteme173) werden – formal nur für von der EZB beaufsichtigte Institute – von der EZB weiter konkretisiert.174) Während die regelmäßige Überprüfung durch die für die Modellentwicklung zuständige CRCU vorgenommen werden kann, muss die Validierung zwingend durch eine davon unabhängige Einheit vorgenommen werden. 158 Die regelmäßige Überprüfung der Ratingsysteme muss mindestens jährlich durchgeführt werden, wobei zumindest die folgenden Aspekte zu berücksichtigen sind:175) x

Repräsentativität der Datengrundlage der Modellentwicklung und -parametrisierung bzgl. des aktuellen Portfolios,

x

Performance (vor allem hinsichtlich Trennschärfe) des Modells und Stabilität über die Zeit,

x

Vorhersagekraft des Modells (Kalibriertheit), insbesondere durch Backtesting sowie durch Überprüfung, ob sich durch die Einbeziehung der jüngsten Beobachtungen wesentliche Veränderungen der langjährigen Durchschnittswerte ergeben.

159 Eine tiefergehende Analyse des Ratingsystems einschließlich des grundsätzlichen Modelldesigns und der Auswahl der Risikofaktoren kann in größeren Abständen erfolgen (z. B. alle drei Jahre). Darüber hinaus sind Umstände zu definieren, die eine anlassbezogene Überprüfung auslösen. 160 Die Validierung stellt eine gründliche quantitative und qualitative Überprüfung eines Ratingsystems und dessen Anwendung dar und dient der Beurteilung, ob das Ratingsystem eine angemessene Risikoquantifizierung erlaubt. Eine Validierung ist sowohl nach der ___________ 170) Art. 191 CRR. 171) Art. 179 Abs. 1 lit. c CRR. 172) U. a. in EBA, Leitlinien für die PD-Schätzung, die LGD-Schätzung und die Behandlung von ausgefallenen Risikopositionen, v. 4/2018 (EBA/GL/2017/16). 173) Art. 185 CRR. 174) ECB, Guide to internal models – General topics chapter, (Consolidated Version) v. 1.10.2019. 175) EBA, Leitlinien für die PD-Schätzung, die LGD-Schätzung und die Behandlung von ausgefallenen Risikopositionen, v. 4/2018 (EBA/GL/2017/16).

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III. Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken

§7

Entwicklung eines Modells (Erstvalidierung) als auch auf regelmäßiger jährlicher Basis erforderlich, wobei mindestens die folgenden Aspekte berücksichtigt werden sollen:176) x

Analysen zur Kalibrierung (Backtesting), d. h. Vergleich der tatsächlich realisierten Ausfallraten in den Ratingklassen mit den prognostizierten Ausfallraten (bzw. Verlustraten und Umrechnungsfaktoren für LGD- und CCF-Ratingsysteme);

x

Analysen zur Trennschärfe, zur Stabilität (z. B. Migrations- und Konzentrationsanalysen), zur Repräsentativität des Entwicklungsdatensatzes für das aktuelle Portfolio (insb. Analysen bzgl. Ausfalldefinition, Prozessen, externes Umfeld usw.);

x

Bewertung der Eingangsdaten (Verfügbarkeit und Aktualität der Daten, Angemessenheit der Prozesse, Vollständigkeit der Ausfallerfassung);

x

Stabilität des Modelldesigns (z. B. Gewichtung der Risikofaktoren; mindestens alle drei Jahre);

x

qualitative Analysen (Bewertung von Modellannahmen und Expertenschätzungen, Anwendung der Modelle, gesetzliche/regulatorische Änderungen, Abschwungphasen und korrekte Anwendung von MoCs);

x

Benchmarking (d. h. Vergleich mit alternativen Modellen; mindestens alle drei Jahre);

x

Analyse der Maßnahmen zur Datenbereinigung, Replikation der Modellentwicklung, Qualitätssicherung der Programmierung/Implementierung (nur Erstvalidierung).

Falls i. R. der Überprüfung oder der Validierung eines Ratingsystems signifikante Abwei- 161 chungen zwischen den realisierten und den prognostizierten Werten auftreten oder andere wesentliche Schwächen zutage treten, so ist eine entsprechende Überarbeitung des Modells erforderlich.177) 4.

Kreditrisikominderungstechniken

a)

Grundsätzliches

Zur Mitigation des Kreditrisikos wird eine Reihe von Kreditrisikominderungstechniken 162 (Besicherung) angewandt, die auch in der regulatorischen Kapitalberechnung teilweise berücksichtigt werden dürfen. Dabei ist grundsätzlich sicherzustellen, dass die risikomindernden Effekte nicht mehrfach in der Risikobewertung berücksichtigt werden. Die im Folgenden beschriebenen konkreten Vorgaben der CRR zur Berücksichtigung 163 von Kreditrisikominderungstechniken178) sind für IRBA-Institute zunächst nur dann zwingend anzuwenden, wenn das Institut keine Erlaubnis zur Verwendung eigener LGD-Schätzungen hat (Anwendung des F-IRBA). Liegt eine solche Erlaubnis vor, kann das Institut die Auswirkung von Kreditrisikominderungstechniken auch in anderer Form in der LGD-Methodik berücksichtigen, um den Spezifika des Instituts gerecht zu werden; dabei sind jedoch zumindest die für alle Institute geltenden Anforderungen hinsichtlich Sicherheitenmanagement, Rechtssicherheit und Risikomanagement179) zu beachten.180) Damit eine Besicherung i. R. der Risikoberechnung anerkannt werden darf, müssen eine 164 Reihe von Kriterien erfüllt sein,181) die sicherstellen sollen, dass die besichernde Wirkung ___________ 176) S. ECB, Guide to internal models – General topics chapter, (Consolidated Version) v. 1.10.2019. 177) Vgl. Art. 185 lit. e CRR, und EBA, Leitlinien für die PD-Schätzung, die LGD-Schätzung und die Behandlung von ausgefallenen Risikopositionen, v. 4/2018 (EBA/GL/2017/16), Abschn. 216. 178) Teil 3 Titel II Kap. 4 der CRR. 179) Die Anforderungen sind im ansonsten formal nur bei Verwendung des KSA und des F-IRBA anzuwendenden Teil 3 Titel II Kap. 4 Abschn. 3 CRR vorgegeben. 180) Art. 181 Abs. 1 lit. f CRR. 181) Art. 194 CRR.

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§7

Eigenmittelregulierung

im Falle eines Ausfalls auch tatsächlich im erwarteten Umfang eintritt. So muss die Verwertung der Sicherheit rechtswirksam und rechtlich durchsetzbar sein, die Sicherheit muss werthaltig sein und das Institut muss Risiken, die sich aus der Besicherung ergeben, durch geeignete Prozesse kontrollieren und steuern. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer spezifischer Anforderungen für die im Folgenden aufgeführten Formen der Besicherung mit und ohne Sicherungsleistung, die für die Anerkennung in der Risikoberechnung erfüllt sein müssen. b)

Besicherung mit Sicherungsleistung

165 Unter Besicherung mit Sicherungsleistung (dingliche Sicherheiten) ist die Besicherung einer Forderung mit einem Sicherungsgut (Finanzinstrumenten, Sachsicherheiten o. Ä.) zu verstehen, dessen Verwertungserlös im Falle eines Ausfalls zur Deckung von Verlusten herangezogen wird. Die Qualität der Besicherung hängt von den Eigenschaften und dem Wert des Sicherungsgutes ab, daher spielen diese auch in der regulatorischen Behandlung eine zentrale Rolle. aa)

Anerkennungsfähige Sicherheiten

166 Die unabhängig von Ansatz und Methode anerkennungsfähigen Sicherheiten sind im Wesentlichen:182) x

Bareinlagen,

x

Schuldverschreibungen von Staaten und staatsähnlichen Emittenten, Instituten und anderen Emittenten mit hinreichend guter Bonität,

x

in einem Hauptindex vertretene Aktien oder Wandelschuldverschreibungen,

x

Gold,

x

Verbriefungspositionen mit hinreichend guter Bonität.

167 Wendet ein Institut die umfassende Methode (siehe Rz. 173) zur Berücksichtigung finanzieller Sicherheiten an, so können darüber hinaus die folgenden Sicherheiten herangezogen werden:183) x

Aktien und Wandelschuldverschreibungen, die an einer anerkannten Börse gehandelt werden,

x

Anteile an Organismen für Gemeinsame Anlagen (OGA).184)

168 Wendet ein Institut den IRBA an, so sind weitere Sicherheiten anerkennungsfähig:185) x

Immobiliensicherheiten,

x

Forderungen,

x

sonstige Sachsicherheiten,

x

Leasing-Objekte (für Risikopositionen aus Leasinggeschäften, bei denen das Institut Leasinggeber ist).

169 Weitere anerkennungsfähige Formen der Besicherung sind außerdem:186) x Bareinlagen bei Drittinstituten, ___________ 182) Art. 197 CRR. 183) Art. 198 CRR. 184) Organismus für Gemeinsame Anlagen (Investmentfonds). Dies geschieht unter weniger strikten Bedingungen gegenüber Art. 197 CRR. 185) Art. 199 CRR. 186) Art. 200 CRR.

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§7

III. Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken x

Lebensversicherungen,

x

von Drittinstituten emittierte Instrumente, die von diesem Institut auf Verlangen zurückgekauft werden.

Für gegenseitige Barguthaben, die einer Nettingvereinbarung unterliegen, ist das bilan- 170 zielle Netting erlaubt.187) Darüber hinaus ist das Netting für Repo-Geschäfte i. R. einer Nettingvereinbarung erlaubt, sofern das Institut die umfassende Methode zur Berücksichtigung finanzieller Sicherheiten anwendet.188) bb)

Ermittlung des risikomindernden Effekts

Die Ermittlung des risikomindernden Effekts kann wahlweise nach der einfachen Metho- 171 de oder der umfassenden Methode zur Berücksichtigung finanzieller Sicherheiten erfolgen,189) wobei die einfache Methode nur bei Anwendung des KSA zulässig ist. Um regulatorische Arbitrage zu vermeiden, dürfen dabei in der Regel nicht beide Methoden gleichzeitig zur Anwendung kommen. Im Rahmen der einfachen Methode zur Berücksichtigung finanzieller Sicherheiten190) 172 erfolgt die Berücksichtigung durch einen Substitutionsansatz: Der durch den Marktwert der Sicherheit abgesicherte Anteil einer Risikoposition erhält das Risikogewicht, das sich ergeben würde, wenn das Institut eine direkte Position in dem Sicherungsinstrument halten würde. Dieses Risikogewicht des besicherten Anteils kann jedoch bis auf wenige Ausnahmen (Repo-Geschäfte, Derivate, Barsicherheiten und Schuldverschreibungen von Staaten) nicht niedriger sein als 20 %. Der unbesicherte Anteil der Risikoposition erhält weiterhin das aus der ursprünglichen Risikoposition abgeleitete Risikogewicht. Bei Anwendung der umfassenden Methode zur Berücksichtigung finanzieller Sicher- 173 heiten191) wird der Wert des Sicherungsgutes vom Risikopositionswert der besicherten Risikoposition abgezogen. Um dem Risiko aus Marktschwankungen Rechnung zu tragen, werden sowohl der Wert der Sicherheit als auch der Risikopositionswert um einen Faktor für Kursvolatilität und ggf. um einen Faktor für Währungsinkongruenz nach unten bzw. nach oben angepasst:





E* max 0, E ˜ (1  HE )  C ˜ (1  HC  H fx )

mit E*

= vollständig angepasster Risikopositionswert

E

= Risikopositionswert

C

= Wert der Sicherheit

HE = Volatilitätsanpassung für den Risikopositionswert HC = Volatilitätsanpassung für den Wert der Sicherheit H fx = Volatilitätsanpassung für eine etwaige Währunginkongruenz

___________ 187) 188) 189) 190) 191)

Art. 195 CRR. Art. 196 CRR. Art. 222 bzw. Artt. 223 bis 228 CRR. Art. 222 CRR. Artt. 223 bis 228 CRR.

Kämmler/Kleppe

347

§7

Eigenmittelregulierung

174 Für die Volatilitätsanpassungen können entweder vorgegebene Werte (differenziert nach Sicherungsgut, Emittent, Restlaufzeit, Bonität usw.) verwendet werden,192) oder das Institut schätzt eigene Volatilitätsanpassungen.193) 175 Verwendet ein Institut den KSA, so wird der risikogewichtete Positionsbeitrag durch Multiplikation des Risikogewichts mit dem vollständig angepassten Risikopositionswert ermittelt.194) 176 Verwendet ein Institut den IRBA, so wird die unbesicherte LGD der Risikoposition in eine besicherten LGD* gemäß der folgenden Formel überführt und das Institut verwendet weiter den ursprünglichen Risikopositionswert:195) LGD*

LGD ˜

E* E

177 Für andere anerkennungsfähige IRBA-Sicherheiten (Immobilien, Forderungen, sonstige Sachsicherheiten) wird die besicherte LGD vorgegeben, wobei hier insbesondere auf bestimmte vorgegebene Mindestbesicherungsquoten hinzuweisen ist.196) c)

Besicherung ohne Sicherungsleistung

178 Unter Besicherungen ohne Sicherungsleistung (persönliche Sicherheiten) sind Garantien o. Ä. durch einen Sicherungsgeber zu verstehen; im Falle eines Ausfalls des eigentlichen Geschäftspartners entsteht bei dieser Form der Besicherung ein schuldrechtlicher Anspruch gegenüber dem Sicherungsgeber. Die Qualität der Besicherung hängt in diesem Fall vom Sicherungsgeber ab, daher spielen dessen Eigenschaften in der regulatorischen Behandlung eine zentrale Rolle. aa)

Anerkennungsfähige Sicherheiten

179 Die ansatzunabhängig anerkennungsfähigen Sicherungsgeber sind:197) x

Zentralstaaten und Zentralbanken,

x

regionale und lokale Gebietskörperschaften,

x

multilaterale Entwicklungsbanken,

x

internationale Organisationen, die im KSA ein Risikogewicht von 0 % erhalten,

x

öffentliche Stellen,

x

Institute,

x

Unternehmen, sofern eine externe oder interne (für IRB-Institute) Bonitätsbeurteilung vorliegt,

x

Zentrale Gegenparteien.

180 IRB-Institute können unter bestimmten Voraussetzungen auch Absicherungen von Instituten, Versicherungs- und Rückversicherungsgesellschaften sowie Exportversicherungsagenturen i. R. von Art. 153 Abs. 3 CRR berücksichtigen. ___________ 192) 193) 194) 195) 196) 197)

348

Art. 224 CRR. Art. 225 CRR. Art. 228 Abs. 1 CRR. Art. 228 Abs. 2 CRR. Art. 230 CRR. Art. 201 CRR.

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III. Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken

§7

Darüber hinaus können Kreditderivate (Kreditausfallswaps, Gesamtrendite-Swaps, Credit 181 Linked Notes) unter gewissen Voraussetzungen als Absicherung ohne Sicherungsleistung berücksichtigt werden. bb)

Ermittlung des risikomindernden Effekts

Eine Besicherung ohne Besicherungsleistung erfolgt durch einen Substitutionsansatz:198) 182 Der durch die Sicherheit besicherte Anteil der Risikoposition wird wie eine Risikoposition gegenüber dem Sicherungsgeber behandelt. Zur Ermittlung des abgesicherten Betrags ist der vom Garantiegeber für den Fall eines Kreditausfalls zugesagte Betrag heranzuziehen und ggf. um einen Faktor für Währungsinkongruenz (analog zur Besicherung mit Sicherheitsleistung) und, falls die Restlaufzeit der Besicherung kürzer ist als die der Risikoposition, einen Faktor zur Berücksichtigung von Laufzeitinkongruenzen zu korrigieren. Der unbesicherte Anteil der Risikoposition wird weiterhin mit Bezug auf den ursprünglichen Schuldner bewertet. 5.

Verbriefungen

Zur Eigenmittelberechnung für Verbriefungspositionen wurde im Dezember 2017 ein 183 neues Regelwerk in die CRR integriert, das ab dem 1.1.2019 bzw. für vor diesem Zeitpunkt emittierte Verbriefungen ab dem 1.1.2020 anzuwenden ist.199) Ein Hauptanliegen ist, die Eigenkapitalanforderungen stärker an den allozierten Kreditrisiken auszurichten. Die Abhängigkeit von externen Ratings wird dabei reduziert, da die Ableitung des Risikogewichts aus externen Ratings, wie sie bisher im Vordergrund stand, nicht immer zu einer adäquaten Eigenkapitalunterlegung führte. Der Originator einer Verbriefung darf die verbrieften Positionen (d. h. den Forderungs- 184 pool) von der Eigenmittelberechnung ausnehmen (im Fall einer traditionellen Verbriefung) oder die Verbriefung als Absicherungsinstrument berücksichtigen (im Fall einer synthetischen Verbriefung), wenn die Übertragung eines signifikanten Kreditrisikos nach den Anforderungen an traditionelle Verbriefungen200) bzw. synthetische Verbriefungen201) gegeben ist. Diese Bedingungen sollen sicherstellen, dass das Risiko tatsächlich nicht mehr beim Originator liegt. a)

Risikopositionswert

Der Risikopositionswert einer bilanziellen Verbriefungsposition ist deren Buchwert 185 nach Berücksichtigung etwaiger spezifischer Kreditrisikoanpassungen.202) Der Risikopositionswert einer außerbilanziellen Verbriefungsposition ergibt sich durch Multiplikation des Nominals mit einem Umrechnungsfaktor, der in der Regel 100 % beträgt.203) b)

Risikogewicht in den Bewertungsansätzen

Die Eigenmittelberechnung für Verbriefungspositionen erfolgt nach spezifischen Bewer- 186 tungsansätzen (SEC-IRBA, SEC-SA, SEC-ERBA), die nicht direkt dem IRBA oder KSA zuzuordnen, sondern vielmehr als eigenständige Ansätze zu betrachten sind. Dabei wird ___________ 198) Art. 233 CRR. 199) Verordnung (EU) 2017/2401 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2017, ABl. (EU) L 347/1 v. 28.12.2017. 200) Art. 244 CRR. 201) Art. 245 CRR. 202) Art. 248 Abs. 1 lit. a CRR. 203) Art. 248 Abs. 1 lit. b CRR.

Kämmler/Kleppe

349

§7

Eigenmittelregulierung

eine Ansatzhierarchie definiert,204) die sich im Wesentlichen an den zur Verfügung stehenden Informationen ausrichtet: x

Kann das Institut für mindestens 95 % des verbrieften Portfolios das Risikogewicht nach dem IRBA berechnen, so ist der SEC-IRBA anzuwenden. Weist eine Verbriefung „hochgradig komplexe oder risikoreiche Merkmale“ auf, können die zuständigen Behörden die Verwendung des SEC-IRBA untersagen.

x

Kann der SEC-IRBA nicht verwendet werden, ist der SEC-SA anzuwenden.

x

Für Verbriefungspositionen mit einem (ggf. abgeleiteten) externen Rating kann – und bei Überschreiten gewisser Schwellwerte für das Risikogewicht muss – der SECERBA anstelle des SEC-SA verwendet werden.

x

Für unbeurteilte Positionen darf der Interne Bemessungsansatz angewandt werden, auf den hier aus Platzgründen nicht weiter eingegangen wird.

187 Für Wiederverbriefungen muss der SEC-SA mit modifizierter Parametrisierung angewendet werden. 188 Im Folgenden werden die drei Ansätze SEC-IRBA, SEC-SA und SEC-ERBA kurz beschrieben. aa)

SEC-IRBA

189 Der SEC-IRBA ist ein formelbasierter Ansatz, bei dem das Risikogewicht aus Eigenschaften des verbrieften Pools sowie der relevanten Tranche nach einer aufsichtlich vorgegebenen Formel berechnet wird.205) Die zentralen Eingangsgrößen für die Berechnung des Risikogewichts nach dem SEC-IRBA sind: x

Die hypothetische nach dem IRBA ermittelte Eigenkapitalunterlegung für das verbriefte Portfolio, wenn dieses nicht verbrieft, sondern durch das berechnende Institut direkt gehalten würde, wobei eine EK-Quote von 8 % anzusetzen ist ( KIRB = das Verhältnis zwischen der IRB-Kapitalanforderung einschließlich des EL-Anteils und der Summe der Risikopositionswerte für das gesamte Portfolio)206).

x

Die Position der relevanten Tranche innerhalb des Wasserfalls der Verbriefungsstruktur, ausgedrückt als Attachmentpunkt (A) und Detachmentpunkt (D).207)

190 Das Risikogewicht für eine Verbriefungsposition wird mittels einer Formel berechnet, die KIRB zur Position der Tranche innerhalb des Wasserfalls ins Verhältnis setzt. 191 Liegt eine Tranche vollständig unterhalb der hypothetischen Eigenkapitalanforderung für den verbrieften Pool, d. h. der Detachmentpunkt dieser Tranche ist kleiner als KIRB , so ist die Position vollständig mit Eigenkapital zu unterlegen bzw. erhält ein Risikogewicht von 1.250 %. 192 Liegt eine Tranche vollständig oberhalb der hypothetischen Eigenkapitalanforderung für den verbrieften Pool, d. h. der Attachmentpunkt dieser Tranche ist größer als KIRB , so berechnet sich das Risikogewicht nach folgender Formel: ___________ 204) 205) 206) 207)

350

Art. 254 CRR. Art. 259 CRR. Art. 255 CRR. Vereinfacht ausgedrückt ist der Attachmentpunkt das Verhältnis des ausstehenden Nominals der zur betrachteten Tranche nachrangigen Tranchen zum ausstehenden Nominal aller Tranchen, und der Detachmentpunkt das Verhältnis des ausstehenden Nominals der zur betrachteten Tranche nach- und gleichrangigen Tranchen (einschließlich der betrachteten Tranche selbst) zum ausstehenden Nominal aller Tranchen. S. auch die Definition in Art. 256 CRR.

Kämmler/Kleppe

§7

III. Eigenmittelanforderungen für Kreditrisiken

RW

12,5 ˜

e a˜ u  e a˜ l a u  l

mit u

D  KIRB l

max A  K IRB ;0 a



1 KIRB p

wobei sich der sog. aufsichtliche Parameter p (Supervisory Parameter) nach einer regulatorisch vorgegeben Formel aus KIRB , der exposuregewichteten mittleren LGD des verbrieften Portfolios, der effektiven Anzahl verbriefter Kredite, der Art der Positionen (Retail vs. Nonretail) sowie der Seniorität und Laufzeit (MT) der Tranche bestimmt. Liegt KIRB gerade zwischen dem Attachmentpunkt und dem Detachmentpunkt der 193 Tranche, so wird diese an KIRB geteilt und das Risikogewicht für die beiden Teiltranchen nach den beiden zuvor dargestellt Methoden ermittelt. Für das resultierende Risikogewicht gilt eine Untergrenze von 15 %. bb)

194

SEC-SA

Der SEC-SA ist ebenfalls ein formelbasierter Ansatz, der als eine Vereinfachung des 195 SEC-IRBA betrachtet werden kann.208) Die zentralen Eingangsgrößen für die Berechnung des Risikogewichts nach dem SEC-SA sind: x

Die hypothetische nach dem KSA ermittelte Eigenkapitalunterlegung für das verbriefte Portfolio, wenn dieses nicht verbrieft, sondern durch das berechnende Institut direkt gehalten würde, wobei ein EK-Quote von 8 % anzusetzen ist (mit einer Modifikation für ausgefallene Risikopositionen).

x

Die Position der relevanten Tranche innerhalb des Wasserfalls der Verbriefungsstruktur, ausgedrückt als Attachmentpunkt (A) und Detachmentpunkt (D).

Die Berechnung erfolgt mittels der im SEC-IRBA verwendeten Formel, wobei der auf- 196 sichtliche Parameter den festen Wert p 1 hat. Das resultierende Risikogewicht beträgt wiederum mindestens 15 %. Für Wiederverbriefungen ist stets der SEC-SA anzuwenden, wobei für den aufsichtlichen 197 Parameter der Wert p 1,5 zu verwenden ist und das resultierende Risikogewicht mindestens 100 % beträgt.209) cc)

SEC-ERBA

Der SEC-ERBA ist ein auf externen Ratings basierender Ansatz, bei dem das Risikoge- 198 wicht im Wesentlichen anhand einer vorgegebenen Tabelle aus dem Rating der Tranche bestimmt wird, wobei für Langfristratings Adjustierungen bzgl. Tranchendicke und Maturität erfolgen.210) Für Kurzfristratings beträgt das Risikogewicht zwischen 15 % und 100 %, für Langfristratings zwischen 15 % und 1.250 %. Eine Tranche ohne anwendbares externes Rating erhält im Regelfall ein Risikogewicht von 1.250 %; falls eine Tranche nicht geratet ist, diese aber höherrangig als eine geratete Tranche mit mindestens gleicher Laufzeit ist, so wird für die ungeratete Tranche das Rating der anderen Tranche übernommen (abgeleitetes Rating). ___________ 208) Art. 261 CRR. 209) Art. 269 CRR. 210) Art. 263 CRR.

Kämmler/Kleppe

351

§7 c)

Eigenmittelregulierung STS-Verbriefungen

199 Aufgrund der Intransparenz bzgl. der verbundenen Risiken und komplexer Zahlungsstrukturen gelten Verbriefungen als ein wesentlicher Grund für die Finanzkrise des Jahres 2008. In Anbetracht dessen wurden die Eigenkapitalanforderungen mit dem neuen Verbriefungsregelwerk signifikant verschärft. In den zurückliegenden Jahren ist jedoch das Bewusstsein dafür gewachsen, dass nur wenige bestimmte Arten von Verbriefungen zu den Verwerfungen geführt hatten. Grundsätzlich kann der Einsatz von Verbriefungen durchaus einen positiven Einfluss auf den Kapitalmarkt haben. Vor diesem Hintergrund wurden Kriterien für qualifizierte Verbriefungen entwickelt, die für Investoren ein gewisses Niveau an Sicherheiten bieten und regulatorisch bevorzugt behandelt werden. 200 Im europäischen Aufsichtsrecht wurde dazu das Konzept der „einfachen, transparenten und standardisierten Verbriefungen“ (Simple, Transparent and Standardised – STS) eingeführt. Die Anerkennung einer Verbriefung als STS-Verbriefung ist in Verordnung (EU) 2017/2402211) geregelt, die dort in Kap. 4 genannten Kriterien konkretisieren die Begriffe der Einfachheit, Standardisierung und Transparenz i. S. einer aufsichtlichen Vorzugsbehandlung. Hinsichtlich der Eigenmittelanforderungen werden in der CRR für alle genannten Ansätze Erleichterungen i. S. einer Reduzierung des vorzuhaltenden Eigenkapitals definiert.212) 6.

Neuerungen CRR II und CRR III

201 Die Darstellung in diesem Kapitel entspricht den zum Zeitpunkt der Herausgabe gültigen regulatorischen Vorgaben. An dieser Stelle soll jedoch ein kurzer Ausblick auf die in naher Zukunft zu erwartenden Änderungen erfolgen: In den vergangenen Jahren wurden die Basler Standards in vielen Punkten grundlegend überarbeitet, vor allem in Reaktion auf die Finanzkrise und die dabei zutage getretenen Schwächen der geltenden regulatorischen Standards. Das als Basel III bezeichnete Reformpaket wurde durch die Veröffentlichung von BCBS213) im Dezember 2017 offiziell abgeschlossen. Die Umsetzung in geltendes Rechts auf EU-Ebene erfolgt in mehreren Schritten. Während einzelne Komponenten (wie das neue Verbriefungsregelwerk) bereits in die CRR aufgenommen wurden und anzuwenden sind, ist dies für viele Neuerungen noch nicht geschehen. Mit dem als CRR II bezeichneten Reform-Paket vom 20.5.2019214) wird eine Reihe der Basel III-Reformen in die CRR aufgenommen, im Kreditrisiko insbesondere der bereits erwähnte SA-CRR für das Gegenparteiausfallrisiko sowie kleinere Modifikationen an KSA und IRBA. Die Umsetzung der übrigen Basel III-Reformen in der Folgezeit wird jedoch weitere signifikante Änderungen mit sich bringen, u. a. sind zu erwarten: x

Weitere deutliche Modifikationen des KSA werden vorgenommen (z. B. Differenzierung von Risikogewichten für unbeurteilte Positionen gegenüber Banken und Unternehmen, Retail-Positionen, durch Immobilien besicherte Positionen usw.); in diesem Zusammenhang wird oft vom „neuen KSA“ gesprochen.

x

Diverse Floor-Werte für die Schätzungen von PD, LGD und CCF im IRBA werden eingeführt.

___________ 211) Verordnung (EU) 2017/2402 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2017, ABl. (EU) L 347/35 v. 28.12.2017. 212) Artt. 260, 262, 264 CRR. 213) BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 12/2017. 214) Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019.

352

Kämmler/Kleppe

IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko

§7

x

Die Anwendung des A-IRBA für Banken sowie große Unternehmen wird nicht mehr zulässig sein, da für diese Positionen eine stabile und zuverlässige Modellierung als nicht gesichert betrachtet wird.

x

Für Beteiligungspositionen wird nur noch der Standardansatz angewandt werden dürfen.

IV.

Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko

1.

Einleitung und Überblick

Henseler/Hoffmann/Keese

Marktrisiko ist laut Art. 4 Abs. 1 Nr. 141 ff. CRR II215) das Verlustrisiko, das aus Markt- 202 preisbewegungen, einschließlich Wechselkurs- oder Warenpreisbewegungen, erwächst. Diese Marktpreisbewegungen können zu Verlusten aus Marktwertveränderungen von Positionen führen: Entweder direkt über sich ändernde Marktwerte, z. B. für eine an einem aktiven Markt liquide gehandelte Aktienposition, oder indirekt über Modellpreise, die unter Verwendung eines Bewertungsmodells und Marktdaten ermittelt werden, wie z. B. bei der Berechnung des Marktwertes eines Zins-Swaps unter sich ändernden Zinssätzen über ein Modell. Kreditinstitute dürfen Risiken maximal in einem Umfang eingehen, den sie durch „ver- 203 fügbares“ Kapital abdecken können. Um dies zu gewährleisten, müssen Institute fortlaufend ihr zur Abdeckung der Risiken verfügbares Kapital216) ermitteln und ihren Risiken gegenüberstellen; dazu gibt es zwei sich ergänzende Verfahren: Einerseits in Säule 1 des Bankenaufsichtsrechts über die regulatorischen Eigenmittelanforderungen siehe Rz. 1 ff.) und andererseits in Säule 2 des Bankenaufsichtsrechtes im bankinternen Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP (siehe Rz. 525 ff.). Beide Verfahren werden nachfolgend kurz für Marktrisiken beschrieben. Die Verfahren zur Bestimmung der regulatorischen Eigenmittel und die Verfahren zur 204 Bestimmung der regulatorischen Eigenmittelanforderungen werden in § 10 Abs. 1 Satz 1 KWG und der CRR beschrieben, die Berechnung der Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko finden sich in Teil 3 Titel IV Art. 325 bis Art. 377 CRR. Mit der Verordnung CRR II wurden an diesem Titel im Jahre 2019 erhebliche Änderungen vorgenommen. Ein kurzer Überblick über diese Anpassungen wird im aktuellen Abschnitt dieses Kapitels gegeben, einen Zeitstrahl der Änderungen stellt dann anschließend Abschn. IV. 2. (siehe Rz. 212 ff.) dar. Die Verfahren und Anforderungen zur Sicherstellung einer angemessenen internen Kapi- 205 talausstattung im ICAAP werden in § 25a Abs. 1 KWG und diversen weiteren aufsichtsrechtlichen Vorgaben formuliert. Im ICAAP wird das zur Risikodeckung verfügbare interne Kapital über interne Verfahren bestimmt und werden zur Quantifizierung des Kapitalbedarfs aller wesentlichen Risiken interne Modelle verwendet. Die zuständige Auf___________ 215) Maßgeblich für den vorliegenden Text ist die aktuelle Fassung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. Diese Fassung, welche am 27.6.2019 in Kraft getreten ist, wird der Einfachheit halber im Folgenden abkürzend als CRR bezeichnet. Die vorherige Fassung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2019/630 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.4.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 im Hinblick auf die Mindestdeckung notleidender Risikopositionen, ABl. (EU) L 111/4 v. 25.4.2019, wird in diesem Buchkapitel als CRR a. F. referenziert. Mit CRR II ist stets nur die Änderungsverordnung (EU) 2019/876 selbst gemeint. 216) Auch das Thema Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten betreffend hat die CRR II zahlreiche Änderungen eingeführt, die eine Anpassung qualifizierender Instrumente an das MREL/ TLAC-Framework vornehmen, dadurch Kapitalquoten verändern und für alle Banken relevant sind (s. Rz. 503 ff.).

Henseler/Hoffmann/Keese

353

§7

Eigenmittelregulierung

sichtsbehörde legt zudem im aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses gemäß Artt. 97 ff. CRD (Supervisory Review and Evaluation Process – SREP) Aufschläge auf den internen Kapitalbedarf in Form von Kapitalquoten217) fest. Im Weiteren geht dieser Abschn. IV. hauptsächlich auf die Bestimmung der regulatorischen Eigenmittelanforderungen in Säule 1 ein. 206 Die für ein Geschäft bzw. eine Position gestellten Eigenmittelanforderungen für Marktrisiken hängen davon ab, ob die Position dem Handelsbuch oder Anlagebuch zugeordnet ist. Prinzipiell wird jede Position, die mit Handelsabsicht oder die zur Absicherung einer anderen mit Handelsabsicht eingegangenen Position abgeschlossen wurde, dem Handelsbuch zugeordnet. Alle anderen Positionen werden dem Anlagebuch zugeordnet. Abhängig von dieser Zuordnung werden abweichende Eigenmittelanforderungen gestellt. So werden etwa im Anlagebuch keine Eigenmittelanforderungen für Aktien- oder Zinsrisiken gestellt. Die Definition und Abgrenzung des Handelsbuches spielt somit eine zentrale Rolle für die Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko. Die entsprechenden Anforderungen wurden mit der CRR II erheblich überarbeitet; sie werden in Abschn. IV 3. (siehe Rz. 215 ff.) beschrieben. 207 Mit dem bereits erwähnten Änderungsgesetz CRR II wurden verschiedene Übergangsregelungen eingeführt. Für deren Verständnis ist ein Rückblick hilfreich: Ausgangspunkt der konkreten Anpassungen an den Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko war die im März 2009 veröffentlichte Turner Review.218) Im Mai 2012 veröffentlichte der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision – BCBS) eine erste Fassung der Fundamental Review of the Trading Book219) (FRTB), einer grundlegenden Überarbeitung der Handelsbuchvorschriften. Die marktrisikobezogenen Neuerungen der CRR II, denen dieser Abschnitt gewidmet ist, basieren im Wesentlichen auf einer späteren Fassung des FRTB-Rahmenwerks aus dem Jahre 2016.220) Die im Jahre 2019 erschienene finale Fassung221) der FRTB stellt einen der letzten Bausteine der Basel III-Reformen dar.222) Die CRR II geht zwar bereits auf Änderungen dieser finalen Basel III-Veröffentlichung ein, verlagert deren Umsetzung jedoch zu weiten Teilen in einen delegierten Rechtsakt223) sowie von der EBA initial zu erstellende Regulierungs- und Implementierungsstandards (EBA RTS/ITS) sowie Leitlinien (EBA GL), die zu verschiedenen Zeitpunkten in den nächsten Jahren entwickelt und, die RTS/ITS betreffend, im Nachgang als Rechtsakte von der Kommission verabschiedet werden sollen. Die finale Festlegung der gesamten neuen Eigenkapitalunterlegung wird erst mit einer künftigen Revision224) der CRR erfolgen. ___________ 217) Nach Art. 97 CRD i. V. m. den EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13) und EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03). 218) FSA, The Turner Review – a regulatory response to the global banking crisis, v. 3/2009. 219) BCBS, Consultative document, Fundamental review of the trading book, v. 3.5.2012. Erste Anstöße des Themas gab es bereits früher, etwa i. R. eines Diskussionspapiers der FSA, The prudential regime for trading activities – A fundamental review, DP 10/4, v. 8/2010. 220) BCBS, Minimum capital requirements for market risk, v. 14.1.2016. 221) BCBS, Minimum capital requirements for market risk, v. 14.1.2019. 222) BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017. 223) Der delegierte Rechtsakt ist gemäß Art. 461a CRR bis 31.12.2019 von der Kommission zu verabschieden. Am 17.12.2019 wurde die finale Version von der Kommission veröffentlicht (Commission Delegated Regulation (EU) …/… of 17.12.2019 amending Regulation (EU) No 575/2013 of the European Parliament and of the Council with regard to the alternative standardised approach for market risk, COM(2019) 9068 final). Sie ist aber noch nicht rechtskräftig. 224) Die Kommission soll gemäß Art. 519b CRR bis zum 30.6.2020 einen entsprechenden Entwurf für die weitere Revision der CRR (CRR III) zur Anwendung der FRTB-Eigenmittelanforderungen vorlegen. Diese könnte darüber hinaus weitere Aspekte der Finalisierung von Basel III enthalten.

354

Henseler/Hoffmann/Keese

IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko

§7

Diese schrittweise Einführung der FRTB hat zur Folge, dass neue Eigenmittelanforde- 208 rungen in der CRR II zwar teilweise zum Zwecke einer Meldung beschrieben werden, jedoch noch nicht für die Eigenmittelanforderungen anzuwenden sind (ggf. können sie in die SREP-Kapitalquoten im ICAAP eingehen). Vielmehr bestimmen Banken ihre Eigenkapitalanforderungen für das Marktrisiko zunächst (gemäß Art. 92 Abs. 3 i. V. m. Art. 325 Abs. 2 CRR) weiter entsprechend der schon zuvor gültigen und unter dem Begriff „Basel 2,5“ bekannten Eigenkapitalanforderungen der CRR a. F. In der CRR II gefordert ist jedoch bereits eine Meldepflicht für den neuen FRTB-Standardansatz.225) Außerdem ist eine Meldung des FRTB-internen Modellansatzes möglich, frühestens ab 2023, nach vorheriger Modellanmeldung. Die Meldepflicht betrifft gemäß § 325a Abs. 1 CRR Banken, deren Umfang an marktrisikobehafteten bilanziellen und außerbilanziellen Geschäften mehr als 10 % ihrer gesamten Vermögenswerte oder mindestens 500 Mio. € ausmachen.226) Solche Banken müssen Kennzahlen nach dem neuen FRTB-Standardansatz (SA-TB) berechnen und diese Kennzahlen melden.227) Dieser ist in Teil 3 Titel IV Kap. 1a CRR beschrieben und wird dort als alternativer Standardansatz bezeichnet. In der Übergangsfrist wird der alternative Standardansatz noch nicht zur Bestimmung der Eigenkapitalanforderungen verwendet. Die Grundlagen dieses alternativen Standardansatzes beschreibt Abschn. IV. 4. (siehe Rz. 242 ff.). Zur zukünftigen Bestimmung der regulatorischen Eigenmittelanforderungen für das 209 Marktrisiko dient als Basismethode der oben genannte FRTB-Standardansatz. Die zuständige Bankenaufsicht darf Banken auf deren Antrag hin erlauben, ihre Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko stattdessen ganz oder teilweise über ihr internes Modell zu berechnen. Voraussetzung dafür ist die Erfüllung umfassender methodischer, dokumentarischer und prozessualer Anforderungen durch die Bank, weshalb in der Regel nur große Banken diesen Antrag stellen. Mit der FRTB wurden die Anforderungen an interne Modelle erheblich verschärft. Interne Modelle gemäß FRTB werden in Teil 3 Titel IV Kap. 1b CRR beschrieben und dort „auf einem alternativen internen Modell beruhender Ansatz“ genannt. Die CRR erlaubt gemäß Art. 430b Abs. 3 CRR, diesen alternativen internen Modellansatz zu berechnen und zu melden, nach vorheriger Genehmigung durch die zuständigen Behörden, und frühestens ab 2023. Die Anforderungen hierzu werden zusammenfassend in Abschn. IV. 5. über interne Modelle beschrieben (siehe Rz. 295 ff.). Die aktuell ohne Änderungen weiter gültigen Bestimmungen zur Berechnung der Ei- 210 genmittelanforderungen für Marktrisiken im Standardansatz oder unter Verwendung eines internen Modells, bei Vorliegen einer entsprechenden aufsichtsrechtlichen Zulassung, gemäß den Regelungen in Teil 3 Titel IV Kap. 2 bis 5 CRR werden in Abschn. IV. 6., siehe Rz. 335 ff. behandelt. Es ist davon auszugehen, dass der aktuelle Standardansatz gemäß „Basel 2,5“ dann zukünftig bei Berechnung der Eigenmittelanforderungen gemäß dem neuen alternativen Standardansatz als vereinfachter Standardansatz weiterbestehen wird.

___________ 225) Nach Stand 12/2019 muss der FRTB-Standardansatz voraussichtlich erstmalig per 31.3.2021 gemeldet werden. 226) Die Anforderungen an die Berechnung des Umfangs der bilanziellen und außerbilanziellen Geschäfte, die einem Marktrisiko unterliegen, sowie Vorgaben zur Meldung an die Aufsicht finden sich in Art. 325a Abs. 2 bis 8 CRR. 227) Die Meldeverpflichtung für den FRTB-Standardansatz soll ein Jahr nach dem Erlass des in Art. 461a CRR mandatierten delegierten Rechtsakts beginnen. Dieser wurde am 17.12.2019 verabschiedet, aber bisher nicht veröffentlicht. Somit wird sich der Meldebeginn, der ursprünglich für das erste Quartal 2021 erwartet wurde, verzögern. Für den alternativen internen Modellansatz gemäß FRTB soll die Meldeverpflichtung erst drei Jahre nach Erlass des oben genannten delegierten Rechtsaktes beginnen, nach aktuellem Stand wohl frühestens zum III. Quartal 2023.

Henseler/Hoffmann/Keese

355

§7

Eigenmittelregulierung

211 Da Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch für die meisten Banken eine hohe Bedeutung haben, gibt es für deren Messung und Steuerung besondere aufsichtsrechtliche Anforderungen in der CRD IV228) und CRD V229), MaRisk230), EBA-Leitlinien231) und BaFin-Rundschreiben232), welche in die Kapitalfestsetzung im aufsichtsrechtlichen Überwachungsprozess SREP eingehen, nicht aber in die regulatorischen Eigenmittelanforderungen. Zinsänderungsrisiken des Anlagebuches werden dabei nicht als Teil des Marktrisikos, sondern als eigene Risikoklasse „Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch“233) (Interest Rate Risk in the Banking Book – IRRBB) behandelt. Dies diskutiert der abschließende Abschn. IV. 7. (siehe Rz. 384 ff.). 2.

Zeitplan zur weiteren Umsetzung der Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko

212 Zusammenfassend ergibt sich aktuell (d. h. April 2020) der in Abb. 6 dargestellte Zeitplan. Am 27.6.2019 sind durch die Verordnung (EU) 2019/876 die unter dem Begriff CRR II zusammengefassten Änderungen an der CRR und mit ihr die europäische Umsetzung des Basel-Beschlusses zum FRTB aus dem Jahre 2016 in Kraft getreten. Dabei werden weite Teile in einem am 17.12.2019 von der Kommission veröffentlichten, aber noch nicht rechtsgültigem, delegierten Rechtsakt sowie den aktuell noch in Bearbeitung befindlichen 26 Regulierungsstandards und zwei Leitlinien der EBA234) umgesetzt. Letztere sollen zu verschiedenen Zeitpunkten in vier Phasen bis Ende 2024 veröffentlicht werden. 213 Für den Zeitplan zur Umsetzung der Eigenmittelanforderungen gemäß FRTB soll die Kommission bis 30.6.2020 einen Vorschlag erarbeiten. Bereits vor der Umsetzung der Eigenmittelanforderungen sollen Meldeanforderungen235) eingeführt werden. Bis zum 30.6.2020 soll die EBA gemäß Art. 430b Abs. 5 CRR eine Durchführungsverordnung (DVO) hierzu mit Erläuterungen zur Meldung hinsichtlich Häufigkeit und Meldeformularen verfassen.

___________ 228) Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013, geändert durch die Richtlinie (EU) 2018/843 (AMLD V) v. 30.5.2018, welche am 9.7.2018 in Kraft getreten ist. 229) Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019, welche die CRD IV umfassend ändert. 230) BaFin, Rundschreiben 9/2017 (BA), MaRisk, v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002). 231) EBA, Leitlinien zur Steuerung des Zinsänderungsrisikos bei Geschäften des Anlagebuchs, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/02). 232) BaFin, Rundschreiben 6/2019 (BA), Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch, 12.8.2019, Stand: 8.1.2020 (BA 55-FR 2232-2019/0001). 233) BCBS, Interest rate risk in the banking book, v. 21.4.2016. 234) EBA, Roadmap for the new Market and Counterparty Credit Risk Approaches, v. 27.6.2019. 235) Die Meldepflichten für Marktrisiken für Institute, die nicht unter die Ausnahmen in Art. 94a Abs. 1 und Art. 325a Abs. 1 CRR fallen, finden sich in Art. 430b CRR.

356

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§7

IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko Abb. 6: Zeitplan für Eigenmittelberechnung und Meldepflichten gemäß CRR-Änderung (CRR II)236) Inkrafttreten der CRD V und CRR II; 20 Tage nach Veröffentlichung im EUAmtsblatt L150

27.6.2019

Delegierter Rechtsakt gemäß Art. 461a CRR der Kommission zur technischen Anpassung der FRTB-Beschlüsse aus 2019 (von der Kommission beschlossen, aber noch nicht offiziell veröffentlicht)

17.12.2019

Phase 1 EBA-Entwürfe zu technischer Regulierungsstandards wesentliche Anpassungen der FRTB-Regelungen zu internen Modellen

28.3.2020

Vorschlag der Kommission zur CRR III; insb. zu Eigenmittelanforderungen nach alternativen Ansätzen

Urspr. bis 28.6.2020, aufgrund Corona-Krise vsl. nicht vor dem I. Quartal 2021

Phase 2 EBA-Entwürfe zu Regulierungsstandards über alternativen Ansätzen und Durchführungs-standards zu Meldepflichten nach dem Standardansatz

28.9.2020

Meldepflicht des alternativen Standardansatzes (ein Jahr nach Erlass des delegierten Rechtsaktes gem. Art. 461a CRR und max. sechs Monate nach Veröffentlichung der Meldeverordnung)

Vsl. nicht vor dem III. Quartal 2021

Phase 3 EBA-Entwürfe zu Regulierungsstandards über den alternativen Standardansatz sowie Durchführungsstandards nach internen Modellen

Vsl. nicht vor dem 30.9.2023

Meldepflicht des alternativen auf einem internen Modell beruhenden Ansatzes (drei Jahre nach Erlass des delegierten Rechtsaktes gemäß Art. 461a CRR)

Urspr. nicht vor dem III. Quartal 2022, aufgrund Corona-Krise vsl. nicht vor dem III. Quartal 2023

Phase 4 EBA-Entwürfe zu technischer Regulierungsstandards über wesentliche Neuerungen und Änderungen des FRTBRegelwerks

28.6.2024

214

Quelle: Eigene Darstellung.

___________ 236) Gemäß dem Konsultationsdokument zum delegierten Rechtsakt, welches von der EBA am 21.10.2019 veröffentlicht worden ist, ist mit einem Beginn der Meldepflicht der Eigenmittelanforderungen gemäß dem neuen internen Modellansatz nicht vor dem III. Quartal 2023 zu rechnen. Bzgl. der Anwendung der Eigenmittelanforderungen gemäß neuem Standardansatz werden i. R. dieser Konsultation die Banken um ihre Stellungnahmen gebeten.

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§7 3.

Eigenmittelregulierung Handelsbuchdefinition

215 Dieser Abschnitt stellt die Abgrenzung zwischen Handelsbuch und Anlagebuch sowie besondere Anforderungen an das Handelsbuch dar, welche in Teil 3 Titel I Kap. 3 Artt. 102 bis 106 CRR beschrieben sind. Diese Abgrenzung ist wesentlich für die Eigenmittelanforderungen, u. a. weil sich die Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko im Handelsbuch und Anlagebuch unterscheiden. Zudem unterliegen alle Fair-Value-Positionen des Gesamtbuches, und damit üblicherweise der größte Teil der Positionen des Handelsbuches den Anforderungen an die vorsichtige Bewertung237) (Prudent Valuation) gemäß Art. 105 CRR, auf deren Basis Abzüge für das harte Kernkapital und somit von den anrechenbaren Eigenmitteln vorzunehmen sind. An die Zuordnung einer Position zum Handelsbuch oder Anlagebuch knüpfen sich auch eine Vielzahl weiterer aufsichtsrechtlicher Anforderungen,238) wie z. B. an die Steuerung, die Validierung und an das Reporting. 216 Die Zuordnungen von Positionen zum Handelsbuch sind zukünftig dauerhaft verbindlich. Nur unter sehr engen Bedingungen ist eine nachträgliche Umwidmung von Position aus dem Handelsbuch in das Anlagebuch oder umgekehrt möglich, und dann auch nur unter Anwendung des neuen Art. 104a CRR (siehe Rz. 226 ff.), welcher regulatorische Arbitrage in Form einer Verbesserung der Eigenkapitalquote durch eine Neuzuordnung zum Handelsbuch bzw. zum Anlagebuch verhindert. a)

Definition von Handelsbuch und Handelsabsicht

217 Das Handelsbuch besteht laut Art. 4 Abs. 1 Nr. 86 CRR aus allen Positionen in Finanzinstrumenten und Waren, die mit Handelsabsicht gehalten werden oder die zur Absicherung von mit Handelsabsicht gehaltenen Positionen dienen. Deshalb kommen für das Handelsbuch gemäß Art. 102 Abs. 1 CRR nur solche Positionen in Betracht, die unbeschränkt marktfähig sind oder die abgesichert werden können. 218 Handelsabsicht besteht gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 85 CRR bei Eigenhandelspositionen, bei Positionen aus Kundenbetreuung und Marktpflege sowie bei Positionen zum kurzfristigen Wiederverkauf oder zur kurzfristigen Ausnutzung von Kursunterschieden zwischen Kaufs- und Verkaufskursen oder andersartigen Marktschwankungen. Das Anlagebuch, das teilweise auch als Bankbuch oder auch als Nicht-Handelsbuch bezeichnet wird, wird als die Menge aller Positionen verstanden, die nicht zum Handelsbuch gehören. 219 In der FRTB finden sich Positiv- und Negativlisten für die Zuordnung von Positionen zum Handels- und Anlagebuch. Diese wurden bisher nicht in die CRR übernommen. Stattdessen fordert Art. 104 Abs. 1 CRR, dass Institute ihrer Risikomanagementfähigkeit und -praxis angemessene und den im vorigen Absatz genannten Anforderungen entsprechende interne Grundsätze und Verfahren zur Festlegung der Positionen des Handelsbuches formulieren, deren Einhaltung dokumentieren und dieselben regelmäßig intern überprüfen. Der Nachweis der Handelsabsicht erfolgt dabei gemäß Art. 102 Abs. 2 CRR anhand der vom Institut selbst aufgestellten Strategien, Regeln und Verfahren für das Führen des Handelsbuches gemäß Art. 103 CRR, der internen Regeln und Verfahren für die Neueinstufung (Umwidmung) von Positionen laut Art. 104 CRR sowie anhand der internen Regeln und Verfahren für Handelstische laut Art. 104b CRR. Die Anforderungen ___________ 237) Früher unterlag genau das Handelsbuch den Anforderungen an eine vorsichtige Bewertung. Auf die vorsichtige Bewertung geht das aktuelle Kapitel nicht weiter ein, da es sich nicht um spezielle Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko handelt. 238) Bspw. aus der MaRisk, aus der CRD oder auch i. R. des SREP, auf die nachfolgend nicht eingegangen wird.

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IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko

§7

aus den soeben genannten Artt. 103, 104, 104a und 106 CRR werden im Folgenden besprochen. b)

Führung des Handelsbuches und Handelstische

Wie oben ausgeführt, besteht das Handelsbuch grundsätzlich aus den mit Handelsabsicht 220 gehaltenen Positionen oder Positionen zu deren Absicherung. Das Institut muss fähig sein, alle Positionen im Handelsbuch zu handeln, zu bewerten, abzusichern und zu verwalten. Art. 103 CRR fordert dazu die Aufstellung interner Regeln zur Gesamtführung des Handelsbuches, welche die Handelstätigkeit und damit die Bestandteile des Handelsbuches sowie die Geschäftsprozesse zur Führung und Verwaltung des Handelsbuches regelt. In diesen internen Regeln sind u. a. Aspekte zu Bewertung und Risikosteuerung zu be- 221 rücksichtigen. Eine Auswahl der laut Art. 103 CRR dabei zu berücksichtigenden Aspekte sind, x

inwieweit für eine Position täglich der auf einem aktiven, hinreichend liquiden Markt bezogene Marktwert bestimmt werden kann,

x

inwieweit für eine mittels Modellpreisen bewertete Position alle wesentlichen Risiken identifiziert und durch Instrumente mit aktiven, hinreichend liquiden Märkten abgesichert werden können und inwieweit für wichtige Annahmen und Modellparameter verlässliche Schätzungen ableitbar sind,

x

inwieweit das Institut fähig oder verpflichtet ist, Bewertungen für die Position zu liefern, die extern einheitlich validiert werden können und

x

inwieweit das Institut fähig und verpflichtet ist, die Risiken der Position i. R. seiner Handelstätigkeit zu steuern.

Die Regeln und Verfahren zur Führung des Handelsbuches müssen des Weiteren berück- 222 sichtigen, inwieweit juristische oder operationelle Einschränkungen eine kurzfristige Schließung oder Absicherung von Positionen behindern würden. Zudem haben sie zu berücksichtigen, inwieweit das Institut im Einklang mit Art. 104a CRR eine Position oder ihre Risiken zwischen Handels- und Anlagebuch umwidmen kann. Darüber hinaus enthält Art. 103 CRR eine Vielzahl von Anforderungen an eine ange- 223 messene Risikosteuerung des Handelsbuches, die hier lediglich überblicksweise wiedergeben werden: So ist u. a. festzulegen, welche Positionen welcher Handelstisch bzw. Händler eingehen darf und wie Positionslimits festgelegt und überwacht werden. Des Weiteren sind die Handelstätigkeit und Positionssteuerung durch die Händler, die Berichtspflichten an die Geschäftsleitung sowie die Überwachung der Märkte der Positionen, u. a. bzgl. Absicherungsmöglichkeiten und Liquidität, zu gewährleisten. Art. 103 CRR fordert eine klar formulierte und von der Geschäftsleitung genehmigte Handelsstrategie, welche auch die erwartete Haltedauer der Positionen des Handelsbuches regelt und deren Einhaltung aktiv zu überwachen ist. Zur Verwaltung der Positionen des Handelsbuches sieht die CRR die Einrichtung von 224 Handelstischen vor, insbesondere i. V. m. der Meldepflicht für alternative interne Modelle (also FRTB-interne Modelle) im Zusammenhang mit Art. 104b CRR.239) Ein Handels___________ 239) Eine Einrichtung von regulatorischen Handelstischen durch Institute, welche gemäß Standardansatz melden, ist Stand 12/2019 in der CRR nicht eindeutig gefordert; die Autoren dieses Abschnitts gehen davon aus, dass die Einrichtung von Handelstischen nur bei Anmeldung eines alternativen internen Modells erforderlich ist. Diesbezüglich besteht aber aus Sicht der Autoren Klärungsbedarf durch den Gesetzgeber.

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359

§7

Eigenmittelregulierung

tisch ist gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 144 i. V. m. Art. 104b CRR eine genau definierte Gruppe von Händlern, die gemeinsam ein Portfolio von Handelsbuchpositionen verwaltet, dabei eine klare und eindeutige Geschäftsstrategie verfolgt und über eine für die Geschäftsstrategie angemessene Risikomanagementstruktur verfügt. Jede Handelsbuchposition muss gemäß Art. 102 Abs. 4 CRR einem Handelstisch zugeordnet werden und dessen Geschäftsstrategie entsprechen. 225 Auf die weiteren Anforderungen aus Art. 104b CRR wird hier kurz überblicksweise eingegangen: Zur Organisation der Handelstische enthält Art. 104b Abs. 2 CRR u. a. Anforderungen an die Organisationsstruktur von Handelstischen, an Positionslimits, Berichtswesen und Berichte an die zuständigen Aufsichtsbehörden bei Verstößen gegen die internen Vorgaben durch den Handelstisch. Gemäß Art. 104b Abs. 2 lit. b i. V. m. Art. 104b Abs. 3 CRR darf ein Händler nur dann mehr als einem Handelstisch zugeordnet werden, wenn das Institut der zuständigen Behörde den Bedarf und die Angemessenheit dafür hinreichend nachweist. Gemäß Art. 104b Abs. 4 CRR können die zuständigen Behörden von einem Institut verlangen, die Struktur oder Organisation seiner Handelstische an die Anforderungen von Art. 104b CRR anzupassen. c)

Umwidmungen zwischen Handelsbuch und Anlagebuch

226 Gemäß den Übergangsvorschriften der CRR II treten die nachfolgend beschriebenen Regeln zu Umwidmungen aus Art. 104a CRR erst im Juni 2023 in Kraft. Umwidmungen sind Neueinstufungen von Positionen vom Handelsbuch ins Anlagebuch oder vom Anlagebuch ins Handelsbuch. Da Handelsbuch und Anlagebuch verschiedenen Eigenmittelanforderungen für Marktrisiken unterliegen, bergen Umwidmungen das Risiko, dass Institute sie zur Minderung ihrer Eigenmittelanforderungen missbrauchen (eine Form regulatorischer Arbitrage). In Ausnahmefällen können Umwidmungen jedoch notwendig sein; bspw. nennt das BCBS240) als valide Gründe die Schließung von Handelstischen anlässlich einer Restrukturierung, das Aufgeben von Geschäftstätigkeiten oder Änderungen in den Anforderungen der externen Rechnungslegung. Keine validen Gründe für Umwidmungen sind hingegen Marktereignisse, wie z. B. eine veränderte Marktliquidität von Instrumenten oder die Abkehr von der Handelsabsicht. 227 Umwidmungen sind gemäß Art. 104a CRR nur unter außergewöhnlichen Umständen zugelassen und unwiderruflich. Wie diese außergewöhnlichen Umstände erkannt werden, müssen die Institute in mindestens einmal jährlich intern überprüften Grundsätzen festhalten. Die Entscheidung zur Umwidmung einer Position aufgrund außergewöhnlicher Umstände erfordert die Genehmigung der Geschäftsleitung und eine Genehmigung durch die zuständigen Aufsichtsbehörden, welcher das Institut zuvor den Bedarf zur Neueinstufung der betroffenen Positionen aufgrund außergewöhnlicher Umstände schriftlich nachweisen muss. Die zuständigen Aufsichtsbehörden informieren die EBA über ihre Entscheidungen und über ihre Gründe zur Erlaubnis oder zur Verwehrung von Umwidmungen.241) 228 Sofern das Institut von der zuständigen Behörde die Erlaubnis zur Umwidmung erhält, muss es gemäß Art. 104a Abs. 4 CRR einmalig den Wert der Nettoveränderung der Eigenmittelanforderungen bestimmen, indem es zu einem Zeitpunkt unmittelbar vor der Umwidmung zwei Rechnungen der Eigenmittelanforderungen entsprechend Art. 92 CRR vornimmt, die sich nur ausschließlich durch die Umwidmung unterscheiden. Das Institut ___________ 240) BCBS, Minimum capital requirements for market risk, v. 14.1.2019, S. 6. 241) Auf Basis dieser Prüfungspraxis ist gemäß Art. 104a Abs. 1 CRR die EBA mandatiert, bis zum 28.6.2024 Leitlinien zum Verständnis des Begriffs „außergewöhnliche Umstände“ zu verabschieden.

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IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko

§7

muss nach erfolgter Genehmigung gemäß Art. 104a Abs. 3 CRR unverzüglich offenlegen, dass es die Position neu eingestuft hat und, im Falle einer damit einhergehenden Reduktion seiner Eigenmittelanforderungen, den Umfang der Verringerung offenlegen. Die Berücksichtigung einer die Eigenmittelanforderungen reduzierenden Neueinstufung 229 darf allerdings laut Art. 104a Abs. 3 CRR nicht unmittelbar in der Höhe der Eigenmittelanforderungen berücksichtigt werden.242) Vielmehr muss damit bis zur Fälligkeit der Position gewartet werden, wenn nicht die zuständige Aufsichtsbehörde eine frühere Anerkennung in den Eigenmittelanforderungen genehmigt. Die Möglichkeiten einer Vorteilsnahme durch Umwidmungen werden durch diese aus der FRTB stammenden Regelungen erheblich eingeschränkt. d)

Interne Sicherungsgeschäfte

Gemäß des in Abb. 6 dargestellten Zeitplans treten die in diesem Abschnitt beschriebenen 230 Regelungen zu internen Sicherungsgeschäften voraussichtlich erst Ende 2023 in Kraft. Ein internes Sicherungsgeschäft ist laut Art. 4 Abs. 1 Nr. 96 CRR eine Position, die die 231 Risikobestandteile zwischen einer Position im Handelsbuch und einer oder mehreren Positionen im Anlagebuch oder zwischen zwei Handelstischen im Wesentlichen ausgleicht. Es handelt sich dabei um ein internes Geschäft, welches für die interne Risikosteuerung eine Zuordnung von Risiken zu den beteiligten Einheiten erlaubt. Dies lässt sich durch folgendes Beispiel illustrieren (weiter unten in diesem Abschnitt folgt noch ein Beispiel für Zinsrisiken): Beispiel 1: Beispielsweise könnte eine Bank die Kreditrisiken einer Anlagebuchposition durch einen Credit Default Swap (CDS) absichern wollen. Über ein internes CDS-Geschäft könnten diese Kreditrisiken vom Anlagebuch an das Handelsbuch übertragen werden. Dazu werden eine Seite des internen Geschäfts im Anlagebuch und die Gegenseite im Handelsbuch verbucht. Ein Händler könnte die so ins Handelsbuch übertragenen Kreditrisiken dann extern absichern, indem er sich durch ein zum internen Geschäft gespiegeltes CDS-Geschäft im Handelsbuch mit einem externen Kontrahenten absichert.

Zu unterscheiden ist in diesem Beispiel zwischen x

der ökonomischen Wirkung auf Ebene der Gesamtbank,

x

der Abbildung in der internen Risikosteuerung und

x

dem Einbezug in die Eigenkapitalanforderungen für das Marktrisiko.

232

Ökonomisch sichert sich die Bank in diesem Beispiel durch das externe CDS Geschäft ab. 233 Das interne Geschäft hat keinerlei ökonomische Wirkung für die Bank. Seine Seite im Handelsbuch und seine entgegengesetzte Seite im Anlagebuch werden in der internen Risikosteuerung wie echte Geschäfte behandelt, wodurch die Absicherungswirkung im Anlagebuch und die Übertragung der Risiken ins Handelsbuch in der internen Risikosteuerung sichtbar werden und so das Eingehen einer passgenauen Absicherung durch die zuständige Handelseinheit ermöglicht wird. Es stellt sich nun die Frage, ob die im Handelsbuch geführte Seite des internen Geschäfts 234 in die Bestimmung der Eigenkapitalanforderungen einbezogen werden darf. Ist dies nicht der Fall, so müsste zwar der zur Absicherung dienende externe CDS in die Berechnung der Eigenkapitalanforderungen für das Handelsbuch einbezogen werden, das interne Geschäft dürfte hingegen nicht einbezogen werden. Das externe Geschäft stünde dann ___________ 242) Wie die Nichtberücksichtigung der Reduktion der Eigenmittelanforderungen praktisch erfolgt, wird nicht näher beschrieben; die FRTB schlägt dazu in RBC25.15 die Bildung von Kapitalaufschlägen auf die Säule 1-Anforderungen vor.

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§7

Eigenmittelregulierung

aus Sicht der regulatorischen Eigenmittelanforderungen als offenes Risiko im Handelsbuch, obwohl es ökonomisch betrachtet auf Gesamtbankebene das Marktrisiko senkt. 235 Darf die Handelsbuchseite des internen Geschäftes jedoch in die Bestimmung der Eigenkapitalanforderungen für Marktrisiken einbezogen werden, so steht dieses aus Perspektive der Eigenmittelanforderungen spiegelbildlich gegen das externe Geschäft (man spricht hier auf Englisch auch von Back-to-Back) und gleicht so die Marktrisiken des externen Geschäfts im Handelsbuch aus,243) konsistent zur ökonomischen Wirkung. 236 Die Voraussetzungen dafür, dass ein internes Geschäft als internes Sicherungsgeschäft gilt und damit gemäß Art. 102 Abs. 6 CRR in die Bestimmung der Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko einbezogen darf, werden in Art. 106 CRR formuliert. Zunächst bestehen einige generelle Anforderungen: Ein internes Sicherungsgeschäft darf nicht primär zur Minderung oder Vermeidung von Eigenmittelanforderungen dienen, es muss sorgfältig dokumentiert werden und speziellen internen Genehmigungs- und Prüfverfahren unterliegen, es muss zu Marktkonditionen abgeschlossen werden und es muss überwacht werden. Das daraus entstehende Marktrisiko muss im Handelsbuch innerhalb der relevanten Limite gesteuert werden. Zudem sind die nachfolgend beschriebenen Anforderungen wesentlich. 237 Während Art. 106 CRR a. f. und weiteren in vergangenen Fassungen nur interne Sicherungsgeschäfte zur Übertragung von Kreditrisiken und Gegenparteirisiken vom Anlagebuch ins Handelsbuch erlaubte, ermöglicht die CRR II ab dem Jahr 2023 nun zusätzlich auch den Einbezug interner Sicherungsgeschäfte für Aktienkursrisiken des Anlagebuchs und auch für Zinsrisiken im Gesamtbuch: 238 Die Regelungen für interne Sicherungsgeschäfte für Kredit- und Aktienrisiken sind inhaltlich identisch. Wenn ein Institut ein Kredit- bzw. Aktienrisiko des Anlagebuchs durch ein internes Derivategeschäft mit dem Handelsbuch absichert, dann gilt diese Derivateposition gemäß Art. 106 Abs. 3 bzw. 4 CRR als internes Sicherungsgeschäft, wenn zusätzlich ein weiteres Derivat mit einem anerkannten dritten, externen Sicherungsgeber eingegangen wird, welches das Marktrisiko des internen Sicherungsgeschäftes vollständig ausgleicht. Die Handelsbuchpositionen aus dem externen Derivat und dem internen Geschäft müssen also spiegelbildlich sein, so dass das Risiko vom Anlagebuch eins zu eins an den Dritten weitergegeben wird. Sowohl das interne Sicherungsgeschäft als auch das externe Geschäft werden dann für die Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen des Marktrisikos einbezogen. 239 Die Regelungen für den Einbezug interner Sicherungsgeschäfte für Zinsänderungsrisiken sind komplexer. Sie lassen sich an folgendem Beispiel illustrieren: Beispiel 2: Beispielsweise könnte eine Bank ihr Zinsrisiko auf Gesamtbankebene absichern wollen. Dazu könnte das Treasury oder eine andere zuständige Einheit Zinsrisiken des Anlagebuchs durch interne Zinsswaps an ein Portfolio des Handelsbuches übertragen. In dieses Portfolio könnten durch weitere interne Geschäfte zudem auch Zinsrisiken aus anderen Portfolios des Handelsbuches übertragen werden. Die zuständigen Händler der Bank erhielten so eine Sicht auf alle Zinsrisiken, die ihnen aus der Bank bewusst übertragen wurden, und könnten diese durch Geschäfte mit externen Parteien absichern.

___________ 243) Die Frage der Einbeziehung in die Bestimmung der Eigenkapitalanforderungen kann künftig auch bei internen Geschäften zwischen zwei Handelstischen relevant werden, z. B. wenn für einen der Handelstische die Bestimmung der Eigenkapitalanforderungen über den Standardansatz erfolgt und für den anderen Handelstisch über ein internes Modell. Dieser Fall wird aber erst im Zusammenhang mit alternativen internen Modellen relevant und i. R. der aktuellen CRR erst im Kontext der Meldungen gemäß Art. 430b CRR für eine geplante Anmeldung eines alternativen internen Modells.

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IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko

§7

Inwieweit die internen Geschäfte dieses Beispiels in die Bestimmung der Eigenmittel der 240 Eigenkapitalanforderungen für Marktrisiken einbezogen werden können, beantworten Art. 106 Abs. 5 und 6 CRR: Interne Sicherungsgeschäfte für Zinsrisiken: Eine im Handelsbuch verbuchte Zinsrisi- 241 koposition aufgrund eines internen Geschäfts zwischen Anlagebuch und Handelsbuch ist unter folgenden, in Art. 106 Abs. 5 CRR formulierten Anforderungen, ein internes Sicherungsgeschäft (und kann damit in die Bestimmung der Eigenkapitalanforderungen für das Handelsbuch einbezogen werden). Die Position muss einem Portfolio244) mit eigener Handelsstrategie zugeordnet werden, das vom Rest des Handelsbuches getrennt ist und dessen alleiniger Zweck die Steuerung und Verminderung des Marktrisikos von internen Sicherungsgeschäften für das Zinsrisiko ist. Diesem Portfolio dürfen auch weitere Zinsrisikopositionen mit Dritten oder mit dem Handelsbuch des Institutes zugeordnet werden, wenn das Institut das Marktrisiko dieser mit seinem Handelsbuch eingegangenen Zinsrisikopositionen durch externe Gegenzinsrisikopositionen mit Dritten ausgleicht. Für ein internes Sicherungsgeschäft für Zinsrisiken des Anlagebuchs muss zudem vollständig dokumentiert werden, wie es die Zinsrisiken des Anlagebuches (diese werden in Artt. 84 und 98 CRD geregelt; siehe Rz. 386) mindert, somit muss es also auch in die Messung und Steuerung der Zinsrisiken des Anlagebuchs einbezogen werden. Das Zinsrisiko des dedizierten Handelstisches für interne Zinssicherungsgeschäfte wird gemäß Art. 106 Abs. 6 CRR eigenständig berechnet und ergänzt die Eigenmittelanforderungen für die anderen Handelsbuchpositionen. Sollte das Risiko also nicht 1:1 weitergegeben werden, entsteht eine zusätzliche Eigenkapitalanforderung. 4.

FRTB-Standardansatz

Ein wesentliches Ziel der FRTB ist es, die strukturellen Schwachstellen der Eigenmittel- 242 anforderungen für das Marktrisiko zu beheben. Ein zentrales Element dafür ist ein neuer Standardansatz für das Marktrisiko. Mit der CRR II wurde mit der Einführung dieses FRTB-Standardsatzes in die CRR unter dem Namen „alternativer Standardansatz“ begonnen. Die diesbezüglichen Anforderungen finden sich in Teil 3 Titel IV Kap. 1a CRR, d. h. in Artt. 325c bis 325ay CRR. Der alternative Standardansatz zielt insbesondere auf eine erhöhte Risikosensitivität und 243 auf die institutsübergreifende Vergleichbarkeit der Ergebnisse des Standardansatzes ab. Er stellt zudem eine praktikable, risikosensitive Auffanglösung für nicht risikoadäquate alternative interne Modelle dar, welche in Abschn. IV. 5. (siehe Rz. 295 ff.) vorgestellt werden. Dies wird durch eine Annäherung der Kalibrierungsmethoden des alternativen Standardansatzes und der alternativen internen Modelle unterstützt. Der alternative Standardansatz ist eine komplette Überarbeitung des bisherigen Stan- 244 dardansatzes. Er beruht in erster Linie auf dem sensitivitätsgestützten Verfahren (Sensitivity-based Method – SBM). Zudem sieht er die Berechnung von standardisierten Ausfallrisiken (Default Risk Charge – DRC) und eine Komponente zur Erfassung von Restrisiken (Residual Risk add-on – RRAO) vor. Die pauschalen, weitgehend nominalbasierten Risikomessverfahren des bisherigen Stan- 245 dardansatzes sind im alternativen Standardansatz zugunsten von modellhaft berechneten Risikokennzahlen fast völlig entfallen. Der alte Standardansatz bleibt aber in der CRR enthalten; er wird in Abschn. IV. 6. (siehe Rz. 335 ff.) beschrieben. ___________ 244) Falls das Institut ein alternatives Marktrisikomodell einsetzt, muss dieses dedizierte Portfolios einem dedizierten Handelstisch zur Steuerung und Verminderung des Zinsrisikos entsprechen.

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§7 a)

Eigenmittelregulierung Anwendungsbereich und Struktur

246 Gemäß Art. 325c CRR unterliegt der alternative Standardansatz zunächst nur der Meldepflicht nach Art. 430b CRR und keinen Eigenmittelanforderungen für Marktpreisrisiken.245) Die Kommission soll bis Juni 2020 einen Gesetzesvorschlag für die Überführung der Meldepflicht in eine Eigenmittelanforderung vorlegen. Der Einfachheit halber wird im Folgenden dennoch von „Eigenmittelanforderungen für den alternativen Standardansatz“ gesprochen. 247 Im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind Ausnahmen von der Meldepflicht für Institute mit begrenzten Handelsbuchtätigkeiten vorgesehen. In der CRR wird hierzu basierend auf dem Umfang marktrisikobehafteter Geschäfte zwischen Instituten mit kleinen Handelsbüchern gemäß Art. 94 CRR und Instituten mit mittelgroßen Handelsbüchern gemäß Art. 325a CRR unterschieden. In der folgenden Übersicht sind die jeweils anzuwendenden Definitionen für die Bestimmung des Umfangs marktrisikobehafteter Geschäfte und den dann dauerhaft zu unterschreitenden zugehörigen Schwellenwerten zusammenfassend dargestellt. Institute, erhalten die Erlaubnis der Ausnahmeregelung nur, wenn sie nachweisen können, dass sie diese Bedingungen auch während eines Zeitraums von einem Jahr ununterbrochen erfüllt haben. 248 Übersicht: Schwellenwerte für Ausnahmen von der Meldepflicht für Institute mit begrenzten Handelsbuchtätigkeiten Umfang marktrisikobehafteter Geschäfte

Schwellenwerte

Institute mit kleinem Handelsbuch Art. 94 Abs. 1 CRR

Summe der absoluten Marktwerte im Handelsbuch

< 5 % und < 50 Mio. €

Institute mit mittelgroßem Handelsbuch Art. 325a CRR

(Summe der absoluten Marktwerte in Handelsbuch + Netto Fremdwährungs- und Rohwahrenpositionen im Anlagebuch)

< 10 % der Vermögenswerte des Instituts und < 500 Mio. €

249 Nach Art. 430b CRR sind Institute, die die entsprechenden Schwellenwerte in Art. 94 Abs. 1 für kleines Handelsbuch oder Art. 325a CRR für mittelgroßes Handelsbuch dauerhaft unterschreiten, von der Meldepflicht für den alternativen Standardansatz befreit. 250 Für Institute mit kleinem Handelsbuch wird auch zukünftig keine Festlegung der Eigenmittelanforderung für Positions-/Marktrisiken aus dem Handelsbuch erwartet. Stattdessen soll eine entsprechende Berücksichtigung im Kreditrisiko stattfinden. 251 Für Institute mit mittelgroßem Handelsbuch ist die Behandlung für die spätere Eigenmittelanforderung noch offen und wird voraussichtlich i. R. einer künftigen CRR-Änderung geklärt. Es wird erwartet, dass Institute mit mittelgroßem Handelsbuch die Eigenkapitalanforderung für das Marktrisiko weiterhin unter Anwendung eines vereinfachten Standardansatzes, ähnlich dem bisherigen Standardansatz in Abschn. IV. 6. (siehe Rz. 335 ff.),

___________ 245) Die Meldepflicht beginnt mit Geltungsbeginn des geplanten delegierten Rechtsaktes, voraussichtlich also ab Anfang 2021 (s. Rz. 214). Es ist möglich, dass die gemeldeten Zahlen bei der Festlegung der Kapitalquoten i. R. des SREP durch die zuständige Aufsichtsbehörde einbezogen werden.

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IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko

§7

bestimmen können.246) In der FRTB wird vorgeschlagen, dass dieser Standardansatz um zusätzliche risikoarten-spezifische Skalierungsfaktoren erweitertet wird, d. h. die einzelnen risikoarten-spezifischen Eigenmittelbeiträge werden mit jeweils vorgegebenen Skalierungsfaktoren multipliziert und anschließend zur Gesamt-Eigenmittelanforderung summiert. b)

Risikosensitiver Standardansatz

Der alternative Standardansatz untergliedert sich in folgende drei Elemente, die auch in 252 Abb. 7 dargestellt sind: 1. Sensitivitätsgestützte Methode, 2. standardisiertes Ausfallrisiko, 3. Aufschlag für Restrisiken. Jedes dieser drei Elemente adressiert spezifische Risikoarten und die Eigenmittelanforde- 253 rung für Marktrisiken gemäß dem alternativen Standardansatz ergibt sich aus der Summe der Beiträge für die drei Elemente. Auf Handelsbuchebene sind die Ergebnisse für diese drei Komponenten getrennt zu melden. Institute, die zukünftig für einzelne Handelstische die Erlaubnis zur Anwendung des al- 254 ternativen internen Modellansatzes erhalten, müssen weiterhin auch zusätzlich die Ergebnisse gemäß dem alternativen Standardansatz nach Art. 430b Abs. 3 CRR melden. Abb. 7: Komponenten des alternativen Standardansatzes

255

Alternativer Standardansatz

Delta-Risiko Sensitivitätsgestützte Methode

Vega-Risiko Krümmungs-Risiko Nicht-Verbriefungen

Ausfallrisiko (Default Risk Charge)

Verbriefungen nicht im Korrelationsportfolio Verbriefungen im Korrelationsportfolio

Restrisiken (Residual Risk Add-On) Quelle: Eigene Darstellung.

aa)

Sensitivitätsgestützte Methode

Die sensitivitätsgestützte Methode umfasst gemäß Art. 325e CRR Beiträge zu den Ei- 256 genmittelanforderungen für die drei Risikomaße Delta, Vega und Krümmungen. Die Sensitivitäten Delta und Vega bezeichnen dabei die Veränderung des Wertes einer Position infolge einer kleinen Veränderung eines relevanten Risikofaktors der Position, d. h. mit___________ 246) Der in Abschn. IV. 6. dargestellte Standardansatz entspricht ohne Änderung dem Standardansatz aus der CRR a. F. Es ist davon auszugehen, dass der aktuelle Standardansatz gemäß „Basel 2,5“ dann zukünftig bei Berechnung der Eigenmittelanforderungen gemäß dem neuen alternativen Standardansatz als vereinfachter Standardansatz weiterbestehen wird.

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365

§7

Eigenmittelregulierung

tels Delta werden die Einflüsse von Veränderungen für alle Risikofaktoren außer den impliziten Volatilitäten und mittels Vega die Einflüsse von Veränderungen impliziter Volatilitäts-Risikofaktoren erfasst. Der Wert der Position muss dabei nach Art. 325t Abs. 1 CRR über diejenigen internen Bewertungsmodelle des Instituts berechnet werden, auf denen auch die Meldung von Gewinnen und Verlusten an das höhere Management basiert.247) 257 Insbesondere für Positionen mit nichtlinearem Risikoprofil werden Krümmungen benötigt. Deren Berechnung basiert auf Szenarioanalysen der relevanten Risikofaktoren und ist somit ähnlich zur Berechnung der Sensitivitäten, nur dass dabei deutlich größere Wertveränderungen der relevanten Risikofaktoren betrachtet werden. So sind dann auch nichtlineare Effekte relevant, während bei kleinsten Auslenkungen i. R. der Sensitivitätsberechnung im Wesentlichen nur lineare Effekte beitragen. 258 Die Berechnung der Sensitivitäten und Szenarioanalysen erfolgt getrennt für verschiedene Risikoklassen. Die Risikoklassen aus dem bisherigen Standardansatz (siehe Rz. 336) werden dabei zum Teil abgelöst bzw. ergänzt. Es werden nun sieben Risikoklassen unterschieden: 1. Allgemeines Zinsrisiko (General Interest Rate Risk – GIRR), 2. Kreditspreadrisiko (Credit Spread Risk – CSR) bei Nicht-Verbriefungspositionen, 3. Kreditspreadrisiko bei nicht in das alternative Korrelationshandelsportfolio einbezogenen Verbriefungspositionen (CSR außerhalb des alternativen Korrelationshandelsportfolios), 4. Kreditspreadrisiko bei in das alternative Korrelationshandelsportfolio einbezogenen Verbriefungspositionen (CSR des alternativen Korrelationshandelsportfolios), 5. Aktienkursrisiko, 6. Warenpositionsrisiko und 7. Fremdwährungsrisiko. 259 Diese sieben Risikoklassen werden nach Artt. 325l ff. CRR weiter unterteilt in Unterklassen, welche aus Untermengen von Positionen mit einem ähnlichen Risikoprofil bestehen. Bei Risikofaktoren des allgemeinen Zinsrisikos gibt es z. B. eine Unterklasse je Währung. 260 Die sensitivitätsgestützte Methode ist in Artt. 325e ff. CRR beschrieben. Institute berechnen für alle Positionen von Instrumenten aus den obigen Risikoklassen getrennt jeweils das Delta-Risiko und insbesondere für alle Positionen von Instrumenten mit Optionalitäten außerdem jeweils das Vega-Risiko und das Krümmungsrisiko (CVR für engl. curvature).248) 261 Ausgehend von den berechneten Risikokennzahlen aggregieren die Institute risikoklassenspezifische Eigenmittelanforderungen gemäß vorgegebenen Risikogewichten und Aggregationsvorschriften unter Berücksichtigung von Korrelationen. Die risikoklassenspezifischen Eigenmittelanforderungen werden dann mittels Summation der Komponenten für das ___________ 247) Einem Institut, welchem die Verwendung eines alternativen internen Modells genehmigt wurde, kann die zuständige Behörde allerdings vorschreiben, stattdessen die Bewertungsmodelle des Risikomesssystems zu verwenden. 248) Gemäß Art. 325e Abs. 2 CRR werden Vega und Krümmungen nur für Positionen mit Optionalität berechnet. Der finale Entwurf des Delegated Acts sieht jedoch mit durch Hinzufügen von Abs. 3 zu Art. 325e CRR die Möglichkeit vor, Vega und Krümmungen auch für Positionen ohne Optionalität zu berechnen. Dies bedeutet, dass Bewertungseinheiten bestehend aus Positionen mit und ohne Optionalitäten für die Bestimmung des Krümmungs-Risikomaßes nicht aufgebrochen, d. h. isoliert, betrachtet werden müssen. Institute, die Art. 325e Abs. 3 CRR anwenden möchten, müssen die Aufsicht hierüber drei Monate vor dessen Anwendung informieren und dürfen ihn anschließend anwenden, solange kein Widerspruch seitens der Aufsicht erfolgt.

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IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko

§7

Delta-, Vega- und Krümmungsrisiko bestimmt. Die vorläufige Eigenmittelanforderung ist die Summe der Eigenmittelanforderungen je Risikoklasse. Die obige Berechnung erfolgt separat für drei übergeordnete Korrelationsszenarien, d. h. einem Szenario mit geringer, einem Szenario mit mittlerer und einem Szenario mit starker Korrelation innerhalb und unterhalb der Risikoklassen. Somit stehen vorläufige Eigenmittelanforderungen aus drei Korrelationsszenarien bereit, von denen die höchste Eigenmittelanforderung als Eigenmittelanforderung aus der sensitivitätsgestützten Methode ausgewählt wird. bb)

Standardisierte Ausfallrisiken

Standardisierte Ausfallrisiken sind ein weiteres der drei Elemente des alternativen Stan- 262 dardansatzes und werden in Art. 325v bis 325ad CRR behandelt. Die Eigenmittelanforderung für standardisierte Ausfallrisiken soll das Jump-to-Default-Risiko (JTD), d. h. das Risiko eines Ausfalls eines Schuldners, absichern. Dieses Risiko ist im Kreditspreadrisiko der sensitivitätsgestützten Methode gemäß Abschn. IV. 4. b) aa) (siehe Rz. 256 ff.) nicht angemessen erfasst. Es ist relevant für: x

Schuldtitel und Eigenkapitalinstrumente,

x

darauf basierende Derivate und

x

Derivate, deren Erträge oder Zeitwerte beeinflusst werden, wenn ein anderer Schuldner als die Gegenpartei des Derivates ausfällt.

Analog zum Kreditspreadrisiko des sensitivitätsgestützten Ansatzes setzt sich das Aus- 263 fallrisiko gemäß Art. 325v CRR als einfache Summe folgender drei Komponenten zusammen, die separat berechnet werden: x

Nicht-Verbriefungspositionen,

x

Verbriefungspositionen, die nicht in das alternative Korrelationshandelsportfolio einbezogen sind und

x

Verbriefungspositionen, die in das alternative Korrelationshandelsportfolio einbezogen sind.

Das übergreifende Vorgehen zur Berechnung des Ausfallrisikos einer jeden Klasse ist:

264

x

Berechnung des Jump-to-Default-Bruttobetrags je Position, d. h. Berechnung des Gewinnes oder Verlustes je Position, der durch den Ausfall eines Schuldners entstehen würde.

x

Berechnung des Jump-to-Default-Nettobetrags aus den JTD-Bruttobeträgen, wobei unter Bedingungen eine teilweise Aufrechnung erlaubt ist.

x

Berechnung der Eigenmittelanforderung aus den JTD-Nettobeträgen und Risikogewichten und unter Berücksichtigung von Sicherungsbeziehungen.

Im Folgenden werden die Ausfallrisiken weiter diskutiert: Das Ausfallrisiko bei Nicht- 265 Verbriefungspositionen beruht gemäß Art. 325w CRR auf den JTD-Bruttobeträgen. In deren Berechnung gehen u. a. das Nominal, für das Instrument bereits berücksichtigte Gewinne und Verluste und ein Anpassungsterm ein. Das Nominal wird mit der Verlustquote (Loss Given Default – LGD) skaliert, d. h. mit der für Zwecke des Ausfallrisikos in Art. 325w Abs. 3 CRR vorgegebenen relevanten Verlustquote des Instrumentes.249) ___________ 249) Werte kleiner als 100 % des LGD sind dabei nur für die Kategorien vorrangige Schuldtitel (75 %) und gedeckte Schuldverschreibungen (25 %) anzuwenden, während für nachrangige Schuldtitel Werte von 100 % LGD anzuwenden sind. Die Berechnungsvorschrift der JTD-Bruttobeträge legt fest, dass die Werte der JTD-Bruttobeträge bei Long-Risikopositionen immer null oder positiv bzw. bei ShortRisikopositionen immer null oder negativ sind.

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§7

Eigenmittelregulierung

266 Die JTD-Nettobeträge werden gemäß den Vorgaben in Art. 325x CRR berechnet. Die vollständige oder teilweise Aufrechnung der JTD-Bruttobeträge aus Long- und ShortRisikopositionen gegenüber demselben Schuldner ist erlaubt. Short-Risikopositionen, welche Gewinne begründen, müssen dafür vom gleichen oder niedrigeren Rang sein. Risikopositionen mit einer Restlaufzeit kürzer als ein Jahr, werden nur teilweise berücksichtigt. 267 Grundlage der Berechnung der Eigenmittelanforderung sind gemäß Art. 325y CRR die JTD-Nettobeträge. Diese werden getrennt nach den drei Unterklassen, Unternehmen, Staaten und Gebietskörperschaften, aggregiert. Die gesamte Eigenmittelanforderung ist die Summe der Anforderung je Unterklasse; dabei sind alle Beiträge stets Null oder positiv. 268 Innerhalb jeder Unterklasse werden die JTD-Nettobeträge mit bonitätsabhängigen Ausfallrisikogewichten skaliert. Die Aggregation der gewichteten JTD-Nettobeträge zu der Eigenmittelanforderung der Unterklasse berücksichtigt teilweise Vorteile aus Sicherungseffekten zwischen verschiedenen Instrumenten durch Einführung einer Quote. 269 Das Ausfallrisiko bei Verbriefungspositionen die nicht im alternativen Korrelationshandelsportfolio liegen, beruht laut Art. 325z CRR auf den JTD-Bruttobeträgen, welche ihren Marktwerten, nur behelfsweise den beizulegenden Zeitwerten, entsprechen. 270 Zur Bestimmung der JTD-Nettobeträge ist eine Aufrechnung der JTD-Bruttobeträge von Kauf- und Verkaufspositionen erlaubt, wenn diese die gleichen zugrunde liegenden AssetPools haben und von derselben Tranche sind. 271 Analog zu den Nicht-Verbriefungspositionen ergibt sich auch hier gemäß Art. 325aa CRR die gesamte Eigenmittelanforderung als Summe der Anforderungen aus Unterklassen, wobei die gleiche Aggregationsvorschrift angewendet wird, jedoch mit abweichenden Risikogewichten (gemäß den Kapitalanforderungen für das Kreditrisiko, vgl. Teil 3 Titel II Kap. 5 Abs. 3 CRR (= Artt. 247 ff. CRR). Auch die Unterklassen selbst weichen ab und sind granularer: 1. Unternehmen (eine Unterklasse) 2. Region und Anlageklasse (44 Unterklassen aus der Kombination von vier Regionen und elf Anlageklassen) a) Asien, Europa, Nordamerika, übrige Welt b) ABCP, Kfz-Darlehen und -Leasings, durch private Wohnimmobilien besicherte Wertpapiere (RMBS), Kreditkarten, durch Gewerbeimmobilien besicherte Wertpapiere (CMBS), durch einen Anleihepool besicherte Wertpapiere, quadrierte forderungsbesicherte Schuldverschreibungen (CDO-squared), Darlehen an kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Studiendarlehen, sonstige Privat- und sonstige Großkundenkredite. 272 Bei den Eigenmittelanforderungen für das Ausfallrisiko von Verbriefungspositionen des alternativen Korrelationshandelsportfolios gibt es Abweichungen zu den zuvor diskutierten Verbriefungspositionen. In Art. 325ad CRR wird die hierfür anzuwendende abweichende Aggregation der JTD-Nettobeiträge sowie auch die abweichende Berücksichtigung von Sicherungsbeziehungen vorgegeben. cc)

Restrisiken

273 Für alle Risiken, die nicht bereits durch die sensitivitätsgestützte Methode (siehe Rz. 256 ff.) oder das standardisierte Ausfallrisiko (siehe Rz. 262 ff.) abgedeckt sind, wird in Art. 325u CRR eine zusätzliche Eigenmittelanforderung für Restrisiken gefordert. Diese Eigenmittelkomponente berechnet sich als Summe des Brutto-Nominalwerts der relevanten Instrumente multipliziert mit einem von zwei vorgegebenen Risikogewichten. Bei den Risiko-

368

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IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko

§7

gewichten wird zwischen Instrumenten mit exotischem Basiswert (1 %) und allen Instrumenten, die einem anderen Restrisiko unterliegen (0,1 %), unterschieden. Die EBA wird einen technischen Regulierungsstandard ausarbeiten, im welchem festgelegt wird, was ein exotischer Basiswert ist und welche Instrumente einem anderen Restrisiko unterliegen. dd)

Risikofaktor und Sensitivität

In Kap. 1a Abschn. 3 CRR, d. h. in Artt. 325l – 325t, werden die relevanten regulatorisch 274 vorgeschriebenen Risikofaktoren und die Sensitivitäten für die sieben Risikoklassen des Standardansatzes definiert (siehe Rz. 258). An dieser Stelle werden diese Definitionen nur knapp zusammengefasst. Es werden die drei Risikomaße Delta, Vega und Krümmungen unterschieden. Gemein ist 275 den Delta- resp. Vega-Risikosensitivitäten, dass sie mathematisch als partielle Ableitung gegen den Basiswert resp. dessen implizite Volatilität gerechnet werden und so angeben, wie sehr sich der auf Basis einer Bewertungsfunktion (Pricing Model) gemessene Wert des Instruments, ändert, wenn sich der Basiswert resp. dessen implizite Volatilität ändert. Delta-Risikosensitivitäten sind in Art. 325r CRR je nach Risikofaktorart definiert als 276 Differenzenquotient auf Basis der Wertänderung eines Bewertungsmodells f entweder 1. unter einer additiven Basispunkt-Veränderung eines Basiswerts bzw. Risikoparameters x ǻx

f x  0,0001  f x 0,0001

für Zinssätze, Kreditspread-Sätze sowie Vektoren der Inflations-, Repo- und Währungsbasiskurven oder 2. unter einer relativen Prozentpunkt-Veränderung eines Basiswerts bzw. Risikoparameters x

ǻx

f 1,01Q x  f x 0,01

für Aktienkassa-, Warenwert- oder Devisenwechselkurse. Die Vega-Risikosensitivitäten sind in Art. 325s CRR ebenfalls als Differenzenquotient 277 auf Basis der Wertänderung eines Bewertungsmodells f unter einer relativen Prozentpunkt-Veränderung der impliziten Volatilität volx eines Basiswerts definiert:250) .x

f 1,01 ˜ volx  f volx

0,01

Die Bestimmung des Krümmungsrisikos wird erst durch den delegierten Rechtsakt ge- 278 mäß Art. 461a CRR festgelegt werden.251) Gemäß FRTB beschreibt die Krümmung die Risikoveränderung, die nicht durch das Delta-Risiko erfasst wird. Technisch lässt sich ___________ 250) In Art. 325s CRR hat sich ein offensichtlicher Formelfehler eingeschlichen. In Konsistenz zu den vorangegangenen Konsultationsdokumenten wird eine relative Veränderung der impliziten Volatilität angenommen. 251) Vgl. Art. 325g CRR. In dem vorliegenden finalen Entwurf zum delegierten Rechtsakt wurden hierfür die Bestimmungen aus dem FRTB fast unverändert übernommen.

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369

§7

Eigenmittelregulierung

dies durch den Vergleich der Wertänderung eines Bewertungsmodells f bei einer positiven gegenüber einer negativen Veränderung eines Risikoparameters x messen.252) 279 Die Risikofaktoren des allgemeinen Zinsrisikos werden in Art. 325l CRR definiert. Sie umfassen für die Berechnung der Delta-Sensitivitäten die maßgeblichen risikofreien Zinssätze sowie Risikofaktoren für das Inflationsrisiko und das Basis-Währungsrisiko. Bezüglich dieser drei Risikofaktorgruppen stellen die Risikofaktoren einer Währung jeweils eine eigene Unterklasse dar. Innerhalb dieser Unterklassen findet eine Zuordnung zu vorgegebenen Laufzeiten statt. Institute weisen Risikofaktoren innerhalb der gleichen Unterklasse, aber mit unterschiedlichen Laufzeiten, unterschiedliche in der CRR definierte Risikogewichte zu (siehe Rz. 292 ff.). 280 Die Risikofaktoren für das Inflationsrisiko basieren auf den marktimplizierten Inflationsraten pro Währung. Für die Zwecke der sensitivitätsgestützten Methode wenden Institute als Risikofaktoren das Basis-Währungsrisiko jeder Währung gegenüber dem USDollar oder Euro an.253) Pro Unterklasse kann es höchstens zwei Netto-Sensitivitäten geben, d. h. mit Basis zu Euro und mit Basis zu US-Dollar. 281 Für alle Optionen mit zinsreagiblen Basiswerten müssen die Vega-Sensitivitäten berechnet werden. Die hierfür relevanten Vega-Risikofaktoren des allgemeinen Zinsrisikos entsprechen den impliziten Volatilitäten der maßgeblichen risikofreien Zinssätze. Je nach Währung werden diese in eigene Unterklassen unterteilt und innerhalb der Unterklassen vorgegebenen Laufzeiten zugeordnet. 282 Für Netting-Zwecke betrachten Institute implizite Volatilitäten, die den gleichen risikofreien Zinssätzen und den gleichen Laufzeiten zugeordnet sind, als gleichen Risikofaktor. 283 Eigenmittelanforderungen in Bezug auf das Krümmungsrisiko werden nur für die im Hinblick auf eine spezifische risikofreie Ertragskurve repräsentativen risikofreien Zinssätze pro Währung berechnet. Es werden keine Krümmungsrisikofaktoren für das Inflations- und das Währungsrisiko betrachtet. 284 Die Risikofaktordefinitionen für das Kreditspreadrisiko bei Nicht-Verbriefungspositionen und bei Verbriefungspositionen finden sich in Artt. 325m und 325n CRR. 285 Bei Nicht-Verbriefungsinstrumenten mit Sensitivität gegenüber dem Kreditspreadrisiko sind diese als Delta-Risikofaktoren gegen die Kreditspreadsätze der Emittenten für diese Instrumente zu berechnen. Es ist stets ein Risikofaktor je Emittent und Laufzeit anzuwenden, unabhängig davon ob die Kreditspreadsätze aus Schuldtitel oder Kreditausfallswaps ermittelt sind. 286 Bei Optionen sind zudem laufzeitabhängige Sensitivitäten gegenüber den Vega-Risikofaktoren zu bestimmen. Ähnlich bei Krümmungsrisikofaktoren, deren laufzeitabhängigen Sensitivitäten gegenüber den laufzeitabhängigen Kreditspreadsätzen des Emittenten zu bestimmen sind. 287 Bei Verbriefungsinstrumenten, die dem alternativen Korrelationsportfolio zugeordnet sind, werden gemäß Art. 325n CRR ebenfalls Sensitivitäten der Kreditspreadsätze der Emittenten der zugrundeliegenden Risikoposition der Verbriefungsposition ermittelt. Für Verbriefungsinstrumente die nicht dem alternativen Korrelationsportfolio zugeordnet sind, sind Sensitivitäten auf Basis von spezifischen Kreditspreadsätzen der betreffenden Tranche einer Verbriefungsposition zu berechnen. ___________ 252) Klassischerweise wird die Krümmung einer Bewertungsfunktion durch eine zweite partielle Ableitung als Gamma-Risiko bezeichnet. 253) Gemäß Art. 325l Abs. 6 CRR sollen Institute Währungsbasen, die sich nicht auf die Basis zu US-Dollar oder die Basis zu Euro beziehen, entweder als Basis zu US-Dollar oder Basis zu Euro berechnen.

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IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko

§7

Für die Bemessung der Sensitivitäten der Risikofaktoren im Aktienkursrisiko sind Delta- 288 Risikofaktoren auf Aktienkassakurse und Aktien-Repo-Sätze zu berechnen – sowie für Optionen Sensitivitäten des Vega-Risikos und Krümmungsrisikos auf Aktienkassakurse. Im Warenpositionsrisiko sind Sensitivitäten gegen Delta-Risikofaktoren nach Laufzeit, 289 Warenart254) und Lieferort zu berechnen. Für Optionen sind ebenfalls Sensitivitäten des Vega-Risikos und Krümmungsrisikos zu ermitteln, wobei für das Krümmungsrisiko die Unterscheidung nach Lieferort nicht mehr vorzunehmen ist. Bei Instrumenten mit Sensitivität gegenüber dem Fremdwährungsrisiko werden Delta- 290 Risikofaktoren gegen Devisenkassakurse zwischen der Währung des Instruments und der Währung der Rechnungslegung des Instituts gerechnet. Bei Optionen berechnen sich Sensitivitäten des Vega-Risikos laufzeitabhängig gegen die impliziten Volatilitäten von Währungspaaren. Für die Ermittlung der Krümmungsrisiken werden wiederum die DeltaRisikofaktoren herangezogen. Bei allen Risikofaktoren ist es nicht nötig zwischen Offshore- und Onshore-Varianten einer Währung zu unterscheiden. Die Risikofaktoren aus den Standardansatz bilden außerdem eine Referenzmenge für die 291 Risikofaktoren eines internen Modellansatzes, wie er in Abschn. IV. 5. (siehe Rz. 295 ff.) beschrieben ist. ee)

Risikogewichte und Korrelationen

In Teil 3 Titel IV Kap. 1a Abschn. 6 CRR, d. h. in Artt. 325ae bis 325ay CRR, werden die 292 für die Berechnung der sensitivitätsgestützten Methode anzuwendenden Risikogewichte und Korrelationen für die sieben Risikoklassen definiert. Dieser Abschnitt der CRR enthält auch detaillierte Definitionen der jeweiligen Risikounterklassen. Bei den Korrelationen wird hierbei zwischen den Korrelationen innerhalb einer Risikounterklasse und den Korrelationen zwischen den einzelnen Unterklassen einer Risikoklasse unterschieden. Außerdem wird für Kreditspread-, Aktienkurs-, und Rohwarenrisikofaktoren jeweils 293 eine Unterklasse für Sonstige Sektoren bzw. Sonstige Waren definiert, welche für Risikofaktoren zu verwenden ist, die sich nicht einem der anderen Unterklassen zuordnen lassen. Diese Unterklassen werden mit einem besonders hohen Risikogewicht belegt und unterliegen auch speziellen Regelungen bzgl. nicht diversifizierender Aggregation. Der delegierte Rechtsakt255) gemäß Art. 461a CRR enthält zahlreiche Ergänzungen zu 294 den Artikeln in Teil 3 Titel IV Kap. 1a Abschn. 6 CRR, in denen die anzuwendenden Risikogewichte für die Aggregation der Sensitivitäten sowie die anzuwendenden Korrelationen innerhalb und unterhalb der Risikoklassen definiert werden. Mit diesen Ergänzungen durch den delegierten Rechtsakt wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass alle betroffenen Institute auf operationeller Ebene der Meldeverpflichtung gemäß dem alternativen Standardansatz nachkommen können. Anmerkungen zum Zeitplan für die Meldeverpflichtung finden sich in Abschn. IV. 2. (siehe Rz. 212 ff.).

___________ 254) Unterklassen gemäß Warenart und genauere Spezifizierungen erfolgen im delegierten Rechtsakt nach Art. 461a CRR. 255) Der delegierte Rechtsakt gemäß Art. 461a CRR wurde von der Kommission im Dezember 2019 beschlossen und am 17.12.2019 in der finalen Version veröffentlicht (Commission Delegated Regulation (EU) …/… of 17.12.2019 amending Regulation (EU) No 575/2013 of the European Parliament and of the Council with regard to the alternative standardised approach for market risk, COM(2019) 9068 final). Dieser delegierte Rechtsakt ist aber (Stand: April 2020) noch nicht rechtskräftig, da dessen Veröffentlichung im offiziellen EU-Journal noch nicht erfolgt ist.

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§7 5.

Eigenmittelregulierung Interne Modellansätze

295 Ein weiteres zentrales Element des FRTB zur Behebung struktureller Schwachstellen der Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko ist neben dem neuen Standardansatz auch die entsprechende grundlegende Neugestaltung der Anforderungen an interne Modellansätze. Hierzu wurde in der CRR mit Teil 3 Titel IV Kap. 1b CRR, d. h. durch Artt. 325az bis 325bq, ein neuer Abschnitt zu dem als „alternativer interner Modellansatz“ bezeichneten Vorgaben aufgenommen. Damit haben die Vorschläge aus FRTB mit geringen Anpassungen, Eingang in europäisches Recht gefunden, wobei teilweise die genauere Ausarbeitung durch regulatorische Standards und Guidelines an die EBA delegiert wurde. 296 Die bereits aus der CRR a. F. bekannten regulatorischen Bestimmungen in Artt. 362 bis 377 CRR zur Verwendung interner Modelle zur Ermittlung der Eigenmittelanforderungen für Marktrisiken256) bleiben unverändert bestehen und werden in Abschn. IV. 6. d) (siehe Rz. 382 ff.) beschrieben. Bis Geltungsbeginn der Bestimmungen für den alternativen internen Modellansatz können Institute gemäß Art. 325a CRR bei entsprechender Genehmigung durch die zuständigen Behörden die bisherigen zugelassenen internen Modelle weiterverwenden. Um zukünftig die Eigenmittel gemäß den Anforderungen des alternativen internen Modellansatzes zu bestimmen, muss eine neue Beantragung und Zulassung – nach entsprechender Prüfung die Aufsichtsbehörden – erfolgen. 297 Durch Inkrafttreten der Basel III-Reformbestimmungen mittels Umsetzung in CRR II und CRD V sind die zukünftigen Anforderungen an die Anwendung interner Modelle hinsichtlich der x

Anwendungsbereiche,

x

methodischen Grundlagen,

x

quantitativen und qualitativen Standards und

x

technischen sowie personellen Anforderungen

deutlich gestiegen. In Anbetracht des mit der Realisierung, Genehmigung und Anwendung interner Marktrisikomodelle für die Eigenmittelbestimmung verbundenen Aufwands sind interne Modelle gemäß der alten Bestimmungen bereits von nur wenigen Instituten umgesetzt und angemeldet worden.257) Die mit dem neuen Ansatz zusätzlich gestiegene Komplexität als auch die Umsetzungs- und Betriebskosten interner Marktrisikomodelle sowie die zukünftige regulatorische Beschränkung der Einsparmöglichkeiten für regulatorische Eigenmittel planen im deutschsprachigen Raum nur wenige der großen Institute eine Anmeldung gemäß des alternativen internen Modellansatzes. 298 Auf eine ausführliche Darstellung des alternativen internen Modellansatzes wird daher an dieser Stelle verzichtet. Der Vollständigkeit halber wird nachfolgend aber ein grober Überblick über die wesentlichen Elemente und die qualitativen Anforderungen gegeben. a)

Anwendungsbereich

299 Die Anwendung von alternativen internen Modellen wird nicht für das gesamte Institut bzw. dessen Handelsbuch erteilt, sondern die Zulassung erfolgt zukünftig nach Prüfung durch die zuständige Aufsichtsbehörde separat auf der Ebene einzelner Handelstische (siehe auch Rz. 224 f.). 300 Für die zugelassenen Handelstische ist neben der Berechnung der Eigenmittelanforderungen gemäß dem angemeldeten internen Modellansatz jedoch stets zusätzlich die Berechnung ___________ 256) Hierfür wird häufig auch von internen Modellen gemäß „Basel 2.5“ gesprochen. 257) In Deutschland besitzen gemäß Statistik der Bundesbank zum 4.10.2017 neun Institute eine Zulassung zur Nutzung interner Modelle für Marktrisiken gemäß Art. 363 CRR.

372

Henseler/Hoffmann/Keese

IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko

§7

gemäß dem neuen, alternativen Standardansatz durchzuführen. Letzterer kommt automatisch zur Anwendung, sobald ein Handelstisch wesentlich gegen die zu erfüllenden Validierungskriterien des alternativen internen Modellansatzes verstößt. Die Werte des alternativen Standardansatzes werden außerdem für die Bestimmung des maximal zulässigen Anteils an Einsparungen durch die Anwendung interner Modelle aufgrund des neu eingeführten „Capital Floors“ benötigt.258) Damit soll erreicht werden, dass Institute auch bei Verwendung interner Modelle stets ein aufsichtsrechtlich erwünschtes Mindestmaß an Eigenmitteln vorhalten. Die Umsetzung des Floors erfolgt über die einfache Multiplikation der von den Instituten mittels der Standardverfahren ermittelten Gesamt-Eigenmittelanforderungen über alle Risikoklassen, wie z. B. Kreditrisiko und Marktrisiko, mit einem vom BCBS kalibrierten Faktor. Dieser Faktor soll einen finalen Wert von 72,5 % haben und soll ab 1.1.2022 schrittweise eingeführt werden. Für die Anwendung von alternativen internen Modellen und i. R. deren Anmeldung wird 301 in Art. 325bg CRR die Gewinn- und Verlustzuweisung (P&L Attribution) als neues Validierungskriterium für die relevanten Handelstische eingeführt. Hierbei handelt es sich um eine automatisierte Prüfung der Angemessenheit der i. R. der Risikobewertung verwendeten Risikofaktoren. Es ist der Nachweis zu erbringen, dass über zwölf Monate die im Modell angenommenen Abhängigkeiten zwischen täglichen Gewinnen bzw. Verlusten basierend auf der Handelsbewertung und den für die Risikobewertung als wesentlich erachteten und als Risikofaktoren ausgewählten Marktgrößen, wie Preis- oder Zinsänderungen, hinreichend gut übereinstimmt. Desweitern muss das Institut für die betroffenen Handelstische und auf Institutsebene 302 zeigen, dass die tatsächlich eingetretenen Verluste seit 250 Geschäftstagen die ermittelten Eigenmittelanforderungen nicht unerwartet oft überschritten haben. Dies hat i. R. eines Rückvergleichs (Backtesting) unter den in Art. 325bf CRR festgelegten wahrscheinlichkeitstheoretischen Anforderungen an seltene Ereignisse zu erfolgen. Unterliegen die Positionen einer Handelsabteilung auch Ausfallrisiken, so sind für diese ge- 303 mäß Art. 325bm CRR ebenfalls Eigenmittelanforderungen zu ermitteln. Zusätzlich sind gemäß Art. 325bi CRR regelmäßig gründliche Stresstests durchzuführen, die auch inverse Stresstests enthalten. Die Ergebnisse sind mindestens monatlich von der Geschäftsleitung zu prüfen und müssen den durch sie festgelegten Grundsätzen und Obergrenzen genügen. Werden sämtliche Anforderungen erfüllt, so hat das Institut monatlich neben den mittels 304 internem Modell ermittelten Eigenmittelanforderungen gemäß Art. 325bc CRR auch die Eigenmittelanforderungen gemäß dem alternativen Standardansatz, Art. 325d Nr. 1 CRR, zu melden.259) b)

Struktur und Methodik

Die eigentliche Eigenmittelanforderung für Marktrisiken für einen Handelstisch mit zu- 305 gelassenem internen alternativen Modell ist die Summe der Eigenmittelbeiträge folgenden drei Komponenten: x

Liquiditäts-adjustierter Shortfall Erwartungswert

x

Stressszenario-Risikomaß

___________ 258) BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017. 259) Gemäß der Konsultation der EBA zur Überarbeitung der ITS ist der Beginn der Meldephase für Eigenmittelanforderungen gemäß internem Modell nicht vor dem III. Quartal 2023 zu erwarten, EBA, Consultation Paper, Draft Implementing Technical Standards on supervisory reporting requirements for institutions under Regulation (EU) No 575/2013, v. 16.10.2019 (EBA-CP-2019-10). S. hierzu auch Abschn. IV. 2. Rz. 212 ff. zum Zeitplan.

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373

§7 x

Eigenmittelregulierung Ausfallrisiken.

306 Die Werte dieser drei Komponenten werden dabei jeweils x

für den letztverfügbaren Tag, meist den Vortag und

x

aus einem Durchschnitt aller vorausgegangen 60 Geschäftstage bzw. zwölf Wochen multipliziert mit einem vorgegebenen Gewichtsfaktor bestimmt

und anschließend wird das Maximum davon als Eigenmittelbeitrag der jeweiligen Komponente verwendet.

Interner Mdodellansatz

307 Abb. 8: Komponenten des alternativen internen Modellansatzes

Liquiditätsadjustierter Expected Shortfall

Bewertung der Modellierbarkeit von Risikofaktoren

Ausfallrisiko (Default Risk Charge)

P&L Attribution Test

Nicht modellierbare Risikofaktoren

Backtesting

Quelle: Eigene Darstellung.

308 Große Bedeutung haben die dem Modell zugrunde liegenden Risikofaktoren, d. h. aus Marktpreisen abgeleitete Größen zur Risikobewertung, deren zukünftige Entwicklung nicht sicher vorhersagbar ist. Sie werden in Art. 325bb CRR in die fünf Risikofaktorgruppen Zinssätze, Kreditspreads, Beteiligungspositionen, Wechselkurse und Warenpositionen eingeteilt. Des Weiteren wird in Art. 325be CRR zwischen modellierbaren und nicht-modellierbaren Risikofaktoren unterschieden. Für letztere Unterteilung ist eine genaue, umfangreiche und fortlaufende Analyse der verfügbaren Marktpreisbeobachtungen in ihrer Art und Häufigkeit notwendig. 309 Modellierbare Risikofaktoren zeichnen sich durch ausreichend häufige verlässliche Beobachtungen auf einem liquiden Markt aus, die es i. S. der Regulierung nach Art. 325bf CRR gestatten die Unsicherheit der zukünftigen Entwicklung statistisch durch Verteilungsannahmen zu approximieren. Dies ist insbesondere zur Abschätzung von Diversifikationseffekten von Bedeutung, die sich durch Abhängigkeiten zwischen mehreren modellierbaren Risikofaktoren ergeben, wie in Art. 325bi Abs. 3 CRR beschrieben. 310 Für nicht-modellierbare Risikofaktoren sind diese Beobachtungen nicht ausreichend vorhanden, z. B. weil für sie kein ausreichend liquider aktiver Markt vorhanden ist. Diese werden daher als nicht statistisch modellierbar angenommen; für sie sind lediglich einzelne Schockszenarien der Risikofaktoren anzusetzen und müssen Diversifikationseffekte im Wesentlichen unberücksichtigt bleiben. 311 Die einzelnen Komponenten des alternativen internen Modellansatzes werden in den nachfolgenden Abschnitten kurz vorgestellt.

374

Henseler/Hoffmann/Keese

IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko aa)

§7

Shortfall-Erwartungswert

Der Shortfall-Erwartungswert (Expected Shortfall – ES) ist die Eigenmittelkomponente 312 der modellierbaren Risikofaktoren. Er ist eine gewichtete Summe von nach Liquiditätshorizonten gemäß Art. 325bd CRR adjustierten partiellen Shortfall-Erwartungswerten. Diese wiederum bestehen aus je einem partiellen Summanden für eine Risikofaktorgruppe sowie einen Summanden für einen risikofaktorgruppenübergreifenden Shortfall-Erwartungswert. Der Shortfall-Erwartungswert ist der zu erwartende Verlustbetrag, der sich im Durch- 313 schnitt an solchen Tagen ergibt, bei denen der Schwellenwert des Maßes des Risikopotentials (Value-at-Risk – VaR) zum Konfidenzniveau von 97,5 % überschritten wird. Gegenüber dem Maß des Risikopotentials (VaR) selbst hat der Shortfall-Erwartungswert den Vorteil, dass er nicht nur berücksichtigt, ob ein Schwellenwert überschritten wird, sondern auch in welchem Maße. Die Auswirkungen seltener, aber extremer Ereignisse können so besser berücksichtigt werden – zumindest wenn die statistischen Modelle für die Risikofaktoren diese in ausreichendem Maße abbilden. Damit behält die Eigenmittelkennzahl auch noch in Situationen eine praktische Bedeutung, an denen die Verluste das Maß des Risikopotentials bereits überschritten haben. Die Modellierbarkeit der Risikofaktoren gestattet es, Verteilungen von Szenarien der Ri- 314 sikofaktoren zu modellieren und mit modellhaften Bewertungsverfahren das Portfolio in diesen Szenarien zu bewerten. Auf dieser Basis lässt sich dann eine hypothetische Gewinn- und Verlustverteilung des Portfolios des Handelstisches über alle Szenarien hinweg berechnen. In dieser Gewinn- und Verlustverteilung ist zunächst die Maßzahl des Risikopotentials als derjenige Verlust zu identifizieren, der in 2,5 % aller Szenarien überschritten wird. Der Shortfall-Erwartungswert kann dann als das arithmetische Mittel aller Verluste größer oder gleich dem identifizierten Schwellenwert bestimmt werden. bb)

Stressszenario-Risikomaß

Für nicht-modellierbare Risikofaktoren stehen keine ausreichenden Informationen zur 315 statistischen Modellierung zur Verfügung, so dass sich hieraus auch keine statistischen Gewinn- und Verlustverteilungen ableiten lassen. Vielmehr sind die Eigenmittelanforderungen als Summen von anzunehmenden Verlusten in einzelnen, extremen Stressszenarien für die nicht-modellierbaren Risikofaktoren je Risikofaktorgruppe zu bestimmen. Diese zugrunde liegenden Stressszenarien bedürfen gemäß Art. 325bk CRR die Einwilli- 316 gung der zuständigen Behörden. Sie sind so zu konzipieren, dass die resultierenden Eigenmittelanforderungen für Marktrisiken genauso hoch sind, wie sich ergeben würden, wenn diese Risikofaktoren (hypothetisch) modellierbar wären. Eine genauere Vorgehensweise zur Ableitung extremer Szenarien für nicht-modellierbare 317 Risikofaktoren soll in technischen Regulierungsstandards durch die EBA geregelt260) werden. Ebenso sollen auch Standard-Schocks, die im Zweifelsfall an Stelle von eigenentwickelten Szenarien anzuwenden sind, in technischen Regulierungsstandards durch die EBA festgelegt werden. cc)

Ausfallrisiken

Die Ausführungen über die Eigenmittelanforderungen für Ausfallrisiken (Default Risk 318 Charge – DRC) sind in Art. 325bl bis Art. 325bq CRR zu finden. ___________ 260) Mit der Ausarbeitung ist die EBA i. R. der CRR II beauftragt.

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375

§7

Eigenmittelregulierung

319 Die Höhe der Eigenmittelanforderungen ist durch die Maßzahl des Risikopotentials, d. h. Value-at-Risk zum Konfidenzniveau von 99 %, über eine Verlustverteilung des relevanten Portfolios, welches gemäß Art. 325bn CRR als unveränderte Position über die Haltedauer eines Jahres anzunehmen ist, zu bestimmen. 320 In die zugrunde liegende Kalkulation der Verlustverteilung dürfen bei Erfüllung von gesonderten Anforderungen, wie in Art. 325bo CRR ausgeführt, auch Absicherungsgeschäfte und Diversifikationseffekte einfließen. Die für die Berücksichtigung von Diversifikationseffekten notwendigen Ausfallkorrelationen sind dann über Perioden von mindestens zehn Jahren zu schätzen. 321 Die Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeiten hat auf einjährigen Horizont und auf historischen Ausfalldaten, möglichst i. V. m. Marktpreisen, zu erfolgen. 322 Bei Instituten die eine Zulassung für interne Verfahren (siehe auch Abschn. III. 3. zum Internal Ratings-Based Approach – IRBA bei Kreditrisiken, Rz. 114 ff.) zur Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten oder sogar auch Verlustquoten haben, so sind diese anzusetzen. 323 Generell bestehen nach Art. 325bp CRR die Anforderungen der Berücksichtigung von konjunkturellen Entwicklungen bei Ausfallrisiken und Abhängigkeiten zwischen Erlösquoten und systematischen Risikofaktoren. dd)

Qualitative Anforderungen

324 Über die methodischen und quantitativen Anforderungen hinaus ist nach Art. 325bi CRR das interne Modell eng in die Prozesse des täglichen wie auch strategischen Risikomanagements des Instituts, bis hin zur Geschäftsleitung, zu integrieren. So bedarf es einer unabhängigen Abteilung für die Risikosteuerung und -überwachung, die direkt der Geschäftsleitung unterstellt ist. Diese hat sich aktiv am Risikomanagement zu beteiligen und muss über Befugnisse verfügen, um auch eine Reduzierung von Positionen gegenüber Händler durchzusetzen. Auch ist diese in Hinblick auf die internen Risikomessmodelle ausreichend mit qualifizierten Mitarbeitern auszustatten. 325 Jedes interne Risikomessmodell hat über dokumentierte Grundsätze, Verfahren und Kontrollen zu verfügen, die dessen Funktionsweise sicherstellen und in der Vergangenheit die präzise Risikomessung belegen. Auch gibt es die Aufforderung, bei neuen Techniken und bewährten Verfahren für interne Risikomessmodelle, diese auch entsprechend anzuwenden. c)

Kontrollen

326 Neben den bereits oben erwähnten Anforderungen an eine Gewinn- und Verlustzuschreibung gemäß Art. 325bg CRR und den Rückvergleich der Eigenmittelanforderungen nach Art. 325bf CRR bestehen weitere umfangreiche Anforderungen an Kontrollen um die Angemessenheit der internen Risikomesssysteme. aa)

Validierung

327 So regelt Art. 325bi CRR die Validierung der Modelle durch eine von der Entwicklung unabhängigen Stelle, die sicherzustellen hat, dass die Modellentwicklung solide ist und alle wesentlichen Risiken erfasst. 328 Sie überprüft durch Tests, ob alle im internen Modell verwendeten Annahmen angemessen sind und keine Unterschätzung oder Überschätzung des Risikos zur Folge haben. Dies setzt insbesondere voraus, dass alle im Modell getroffenen Annahmen bekannt und dokumentiert sind.

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IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko

§7

Zusätzlich zu den vorgeschriebenen Rückvergleichen sind eigene Tests zur Validierung 329 des internen Modells gefordert, die auch Rückvergleiche in spezifischem Bezug auf die Risiken und die Struktur der Portfolios umfassen. Diese sollen auch den Einsatz hypothetischer Portfolien beinhalten, um sicherzustellen, dass das interne Risikomessmodell eventuell auftretende, besondere strukturelle Merkmale, wie erhebliche Basisrisiken und das Konzentrationsrisiko oder Risiken im Zusammenhang mit der Verwendung von Näherungswerten, erfassen kann. Validierungshandlungen dieser Art müssen bei der Einführung und bei jeder wesentlichen 330 Änderung des Modells sowie in regelmäßigen Zeitabständen durchgeführt werden. Insbesondere dann, wenn es am Markt zu einem Strukturwandel oder in der Portfoliozusammensetzung zu wesentlichen Veränderungen kommt und wenn dies dazu führen könnte, dass das interne Risikomessmodell nicht mehr angemessen ist. bb)

Interne Revision

Neben der Validierung der Entwicklung und Annahmen der internen Modelle hat eine re- 331 gelmäßige Innenrevisionstätigkeit261) gemäß Art. 325bj CRR zu erfolgen, die die Risikomanagementorganisation und -prozesse inklusive deren Dokumentation, Integrität und geforderten Kontrollen rund um das interne Risikomodell umfassen. So sind u. a. die Einbeziehung der Risikomessungen in das tägliche Risikomanagement und die Integrität des Management-Informationssystems sowie die Vollständigkeit der Positionsdaten und die Validierung wesentlicher Änderungen des Modells zu bewerten. Darüber hinaus sind auch die Angemessenheit des Modells in Bezug auf die Bandbreite 332 der von dem Modell erfassten Risiken, die Genauigkeit des Risikomesssystems, der Volatilitäts- und Korrelationsannahmen, Bewertungs- und Risikosensitivitätsberechnungen sowie Verfahren zur Ermittlung von etwaigen Näherungswerten zu prüfen. Auch die Verifizierungsverfahren zur Bewertung der verwendeten Datenquellen sowie 333 die Genehmigungsverfahren für genutzte Risikobepreisungsmodelle und Bewertungssysteme unterliegen der Beurteilung der internen Revision. Finanzmärkte sowie das zugehörige Risikomanagement unterliegen kontinuierlichen Ver- 334 änderungen und neuen Entwicklungen, die auch in noch so bedachter Regulierung Anpassungen erfordern. Daher sind, teilweise explizit, praktische Auslegungen und Handhabungen der dargestellten Anforderungen an die Ermittlung von Eigenmittelanforderungen für Marktrisiken durch Standardsetzer und Aufsichtsbehörden sowohl in ihren Grundsätzen wie der laufenden Aufsicht zu erwarten. 6.

Berechnung von Eigenmittelanforderungen – aktueller Standardansatz und interne Modelle

In Art. 325 CRR wird festgelegt, dass die Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko 335 entweder gemäß dem Standardansatz aus Teil 3 Titel IV Kap. 2 bis 4 CRR, d. h. gemäß dem alten Standardansatz nach „Basel 2,5“, oder bei einem vorhandenen zugelassenen internen Modell gemäß dem alten internen Modellansatz aus Teil 3 Titel IV Kap. 5 CRR zu berechnen sind. An diesen CRR-Kapiteln hat sich durch die Aufnahme der FRTBBestimmungen bislang keine Änderung ergeben. Im Standardansatz werden die Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko über die Ei- 336 genmittelanforderungen in den Marktrisikokategorien für das Positionsrisiko und darin ___________ 261) Diese kann auch durch die Beauftragung einer unabhängigen Prüfung durch einen hinreichend qualifizierten Dritten erfolgen.

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377

§7

Eigenmittelregulierung

den Zinsänderungsrisiken, Aktienkursrisiken sowie Investmentanteilen, über Wechselkursrisiken und über Warenpositionsrisiken ermittelt. Die Eigenmittelanforderung an das Marktrisiko ist dann die Summe der Eigenmittelanforderungen der drei Marktrisikokategorien. 337 Institute mit mittelgroßem Handelsbuch262) haben die Möglichkeit zur Beantragung einer Ausnahmeregelung und der Nutzung von vereinfachten Ansätzen, d. h. sie können eine Bewertung gemäß den Anforderungen für vereinfachte Ansätze nach Art. 352 sowie Art. 357 und Art. 358 CRR vornehmen. Diese Vorschriften befanden sich bereits unverändert im bisherigen Rahmenwerk (CRD IV) als Standardansatz. 338 Inwieweit Ausnahmen und vereinfachte Ansätze auch bei der zukünftigen Bestimmung der Eigenmittelanforderungen gemäß des alternativen Standardansatzes möglich sind, ist in Abschn. IV. 4. beschrieben (siehe Rz. 247 ff.). Es wird davon ausgegangen, dass der aktuelle Standardansatz im Wesentlichen den zukünftigen vereinfachten Standardansatz darstellen wird. a)

Positionsrisiko

339 Das Positionsrisiko wird in Teil 3 Titel IV Kap. 2 CRR, d. h. Artt. 326 bis 350, behandelt und umfasst das Zinsänderungs- und das Aktienkursrisiko von Schuldtiteln und Aktieninstrumenten des Handelsbuches. Verbriefungen im Handelsbuch sollen dabei gemäß Art. 326 CRR wie Schuldtitel behandelt werden. Anlagebuchpositionen spielen bei der Betrachtung des Positionsrisikos keine Rolle. 340 Die Eigenmittelanforderung des Instituts für das Positionsrisiko ergeben sich aus der Summe der Eigenmittelanforderungen seiner Positionen in Schuldtiteln und Aktieninstrumenten, wobei jeweils wieder zwischen Beiträgen für allgemeine und spezifische Risiken unterschieden wird. Allgemeine Risiken haben ihren Ursprung in der Abhängigkeit der Positionen auf Veränderungen durch allgemein verfügbare Marktpreise, wie z. B. Referenzzinsen oder Aktienindizes, während spezifische Risiken in der Marktpreisänderung auf Basis von einzelnen Titeln oder Instrumenten bzw. deren Emittenten begründet sind. 341 Grundlage für die jeweilige Ermittlung an Eigenmittelanforderungen ist die Berechnung der Nettoposition marktrisikorelevanter Handelsbuchpositionen, die als die Differenz an Kauf- und Verkaufspositionen des Instituts in den gleichen Aktien, Schuldtiteln und Wandelanleihen sowie in identischen Finanzterminkontrakten, Optionen, Optionsscheinen und Fremdoptionsscheinen in Bezug auf jedes dieser Instrumente festgelegt ist. 342 Alle Nettopositionen werden unabhängig von ihrem Vorzeichen vor der Summierung auf Tagesbasis zum jeweiligen Devisenkassakurs in die Währung der Rechnungslegung des Instituts umgerechnet (vgl. Art. 326 Abs. 3 CRR). 343 Der eigentlichen Berechnung vorgelagert ist unter bestimmten Voraussetzungen, wie in Artt. 328 bis 334 CRR dargelegt, die Zerlegung von Positionen an Derivaten in Kaufoder/und Verkaufspositionen in einem Basisinstrument. So werden u. a. Optionen und Optionsscheine gemäß ihrem Risikoprofil erster Ordnung (Delta-Faktor) in Kaufund/oder Verkaufspositionen aufgespalten und angepasst. Beispielsweise wird ein Zinsswap, bei dem ein Institut variable Zinsen erhält und feste Zinsen zahlt, behandelt als eine Kaufposition in einem zinsvariablen Instrument mit der gleichen Laufzeit wie die Frist bis zur nächsten Zinsfestsetzung und als eine Verkaufsposition in einem festverzinslichen Instrument mit der gleichen Laufzeit wie der Swap selbst. ___________ 262) S. Rz. 247 ff. zur Definition von Instituten mit mittelgroßem bzw. kleinem Handelsbuch und der dafür dauerhaft einzuhaltenden Schwellenwerte und deren Berechnungsvorgaben.

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IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko

§7

Institute, die ihr Zinsrisiko von Derivaten nach einer Diskontierungsmethode steuern, 344 dürfen – vorbehaltlich der Genehmigung der zuständigen Behörden – zur Berechnung der Nettopositionen Sensitivitätsmodelle anwenden. Bei der Bestimmung der Sensitivitäten ist dabei eine gegenüber der Handelsbewertung unabhängig ausgewählte Zinskurve zugrunde zu legen, wobei in jedes der im Abschnitt über das allgemeine Zinsänderungsrisiko vorgegebenen Laufzeitbänder (vgl. Tabelle 2 in Art. 339 CRR) zumindest ein Sensitivitätspunkt fallen muss. Institute die keine Sensitivitätsmodelle verwenden, dürfen ermittelte Positionen an Derivaten lediglich unter bestimmten Bedingungen gegeneinander aufrechnen.263) In Artt. 332 und 333 CRR sind Bestimmungen für Kreditderivate und Pensionsgeschäfte 345 an übertragenen oder verliehenen Wertpapieren vorgegeben. aa)

Spezifisches Zinsänderungsrisiko

Die Berechnung der Eigenmittelanforderung für das spezifische Risiko in Schuldtiteln ist 346 in Art. 336 CRR dargelegt. Hierzu sind nach Art. 327 Abs. 1 Satz 3 CRR alle Positionen, außer Verbriefungen und 347 eigenen Schuldtiteln, anhand des Risikogewichts des Kreditrisikostandardansatzes (siehe Abschn. III. 2, Rz. 93 ff.) in eine von vier Kategorien einzuordnen. Jeder dieser Kategorien ist wiederum ein Gewicht zugeteilt. Dieses Gewicht beträgt, mit Ausnahme der Kategorie 2, für welche das Gewicht in Abhängigkeit von der jeweiligen Restlaufzeit zwischen 0,25 und 1,6 % liegt, jeweils 8 % des Gewichtes des Kreditrisikoansatzes. In diesen Fällen entspricht die Eigenkapitalunterlegung jeweils der Eigenmittelanforderung gemäß Kreditrisikostandardansatz. Eine Beschränkung der Eigenmittelanforderungen pro Position auf den aus einem Ausfall 348 resultierenden höchstmöglichen Verlust ist gemäß Art. 335 CRR möglich. Für Verbriefungspositionen im Handelsbuch wird gemäß Art. 337 CRR auf die Berech- 349 nungsmethodik der Eigenmittelanforderungen im Anlagebuch zurückgegriffen. Grundsätzlich gilt, dass die Eigenmittelanforderungen für diese Positionen so berechnet werden müssen, als wären diese Positionen im Anlagebuch. Die gesamte Eigenmittelunterlegung des Handelsbuches für das spezifische Zinsänderungsrisiko ergibt sich als Summe der Absolutbeträge der jeweiligen gewichteten Nettopositionen. Eine gesonderte Behandlung genießt das sog. Korrelationshandelsportfolio. In Art. 338 350 CRR sind Vorgaben festgelegt, nach denen Verbriefungspositionen und n-ter-AusfallKreditderivate sowie mögliche Positionen zur Absicherung ein Korrelationshandelsportfolio bilden. Die Ermittlung der gewichteten Positionen erfolgt dann analog des oben beschriebenen 351 Vorgehens außerhalb des Korrelationshandelsportfolios. Allerdings werden die finalen Eigenmittelanforderungen als die höhere der beiden aufsummierten gewichteten NettoKauf- und Netto-Verkaufspositionen gebildet. bb)

Allgemeines Zinsänderungsrisiko

Für die Berechnung des allgemeinen Zinsänderungsrisikos sind zwei verschiedene Verfah- 352 ren genannt: die laufzeitbezogene Berechnung nach Art. 339 CRR sowie die durationsbasierte Methode nach Art. 340 CRR. ___________ 263) Notwendige Kriterien sind gemäß Art. 331 Abs. 2 CRR u. a. das Vorliegen von gleichen Währungen, zeitlicher Kongruenz und identischen Referenzzinssätzen oder Festzinssätzen (Coupon).

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379

§7

Eigenmittelregulierung

353 Bei der laufzeitbezogenen Berechnung sind die Nettopositionen mit einem ihrer Laufzeit und ihrem Festzinssatz (größer bzw. kleiner als 3 %) zugeordneten Risikogewicht zu multiplizieren (vgl. Art. 339 Tabelle 2 CRR). Die einzelnen Laufzeitbänder sind wiederum in die drei Zonen (i) kurzfristige Geldmarktzinssätze, (ii) mittel- und (iii) langfristige Kapitalmarktzinssätze unterteilt. 354 Je Laufzeitband ist die gewichtete Summe aller Kauf- und die gewichtete Summe aller Verkaufsposition zu berechnen. Im Folgenden wird dann ermittelt, ob und wie sich die gewichteten Positionen innerhalb eines Laufzeitbandes, zwischen Laufzeitbändern innerhalb derselben Zone und zwischen Laufzeitbändern zwischen unterschiedlichen Zonen ausgleichen. 355 Die Eigenmittelanforderungen ergeben sich gemäß Art. 339 Abs. 9 CRR nun als gewichtete Summe aus ausgeglichenen gewichteten Positionen je Laufzeitband sowie je Zonenpaar und zwischen den Zonen sowie der nicht ausgeglichenen Positionen. 356 Die Alternative zur laufzeitbezogenen Berechnung stellt die durationsbasierte Methode dar. Diese bestimmt die Eigenmittelanforderung anhand der Wertänderung der Instrumente unter einer Zinsschwankung, anstatt vertragliche Bestandteile, wie Laufzeiten und Kupons, zu nutzen. 357 Diese Wertänderung wird je einzelne Position durch die Multiplikation des Marktwerts, der modifizierten Duration (die Ableitung der Duration ist in Art. 340 Abs. 3 CRR grob dargestellt) und einer in Abhängigkeit der Höhe der modifizierten Duration angenommenen Zinsänderung ermittelt (vgl. Art. 340 Abs. 4 Tabelle 3 CRR). 358 Die Eigenmittelanforderungen ergeben sich nun als gewichtete Summe aus ausgeglichenen durationsgewichteten Positionen innerhalb angegebener Zonen für die modifizierte Duration, ausgeglichenen durationsgewichteten Positionen zwischen den Positionen und den zwischen den Zonen nicht ausgeglichenen durationsgewichteten Positionen. cc)

Spezifisches Aktienkursrisiko

359 Die Eigenmittelanforderungen an Aktieninstrumente werden in Artt. 341 bis 344 CRR dargelegt. Die Eigenmittelanforderungen bzgl. des spezifischen Aktienkursrisikos betragen gemäß Art. 342 CRR 8 % der Bruttogesamtposition. Letztere ist die Summe der Absolutbeträge aller Netto-Kauf- und Netto-Verkaufspositionen. 360 Hierbei ist es erlaubt für Aktienindizes neben der Behandlung von Aktienindizes als eine eigenständige Aktie auch die paritätische Zerlegung in die einzelnen dem Index zugrundeliegenden Aktien vorzunehmen. dd)

Allgemeines Aktienkursrisiko

361 Die Eigenmittelanforderungen bzgl. des allgemeinen Aktienkursrisikos sind in Art. 343 CRR ausgeführt und betragen 8 % der Nettogesamtposition. Hierzu werden zunächst alle Aktienpositionen in einem Markt betrachtet. Hierbei ist der Terminus „Markt“ als alle Aktien geregelt,264) x

die an Aktienmärkten in Mitgliedstaaten notiert sind, welche den Euro als Währung eingeführt haben,

x

die an Aktienmärkten innerhalb eines nationalen Rechtsraums notiert sind, bei dem Euro-Währungsgebiet nicht angehörenden Staaten.

___________ 264) Delegierte Verordnung (EU) Nr. 525/2014 der Kommission v. 12.3.2014, ABl. (EU) L 148/15 v. 20.5.2014.

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IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko

§7

So errechnet sich die Nettogesamtposition innerhalb eines Marktes als die Differenz der 362 Absolutbeträge der gesamten Netto-Kauf- und der gesamten Netto-Verkaufsposition eines Marktes. Die Nettogesamtposition ist dann die Summe aller Nettogesamtpositionen für alle Märkte. Unter bestimmten Voraussetzungen,265) die in Bezug auf relevante, angemessen breit ge- 363 streute Indizes spezifiziert werden, darf auf die Unterlegung des spezifischen Aktienkursrisikos aus Aktienindizes, die wie eine Aktie behandelt werden, verzichtet werden. ee)

Investmentanteile

Investmentanteile an Fonds, auch als Positionen in Organisationen gemeinsamer Anlage 364 (OAG), bleiben von den bisher beschriebenen Verfahren zur Ermittlung der Eigenkapitalunterlegung bzgl. des Positionsrisikos zunächst unberührt. So liegen für Investmentanteile die Eigenmittelanforderungen bei 32 % der jeweiligen 365 Nettoposition. Bei Fremdwährungspositionen in den Investmentanteilen beträgt die Eigenmittelanforderung 40 % der jeweiligen Nettoposition. Unter den bestimmten Voraussetzungen von Art. 349 CRR können spezifische Metho- 366 den zur Ermittlung der Eigenmittelanforderungen des Positionsrisikos der Investmentanteile herangezogen werden. Sind u. a. die Einzelpositionen der Investmentanteile täglich bekannt, besteht nach Art. 350 CRR die Möglichkeit, die Einzelpositionen individuell für die Eigenmittelanforderungsberechnung im Durchschauverfahren zu berücksichtigen. b)

Fremdwährungsrisiko

Die Eigenkapitalanforderungen bzgl. des Fremdwährungsrisikos umfassen Fremdwäh- 367 rungs- und auch Goldpositionen266) sowie Derivate auf Wechselkurse und Goldpreise. Hierbei sind sowohl Positionen des Handelsbuches als im Anlagebuch einzubeziehen. Die Anforderungen hierzu befinden sich in Artt. 350 bis 354 CRR. Übersteigen die Eigenkapitalanforderungen bzgl. des Fremdwährungsrisikos 2 % der ge- 368 samten Eigenmittelanforderungen nicht, so sind für das Fremdwährungsrisiko nach Art. 351 CRR keine Eigenmittel zu unterlegen. Andernfalls beträgt die Eigenmittelanforderung für das Fremdwährungsrisiko 8 % der Summe der gesamten Netto-Fremdwährungsposition und der Netto-Goldposition in der Währung der Rechnungslegung. Zur Berechnung der gesamten Netto-Fremdwährungsposition und Netto-Gold- 369 position ist Folgendes festgelegt: Zunächst sind je Währung alle Kauf- und Verkaufspositionen sowie alle Kauf- und Verkaufspositionen an Gold geeignet miteinander zu verrechnen, so dass jeweils entweder eine Netto-Kaufposition oder eine Netto-Verkaufsposition verbleibt. Auch hierbei sind mit Hilfe des Delta-Faktors die Bestände an Fremdwährungs- und Gold-Optionen sowie über den Marktwert die Positionen an anderen Optionen in Fremdwährung zu berücksichtigen. Die resultierenden Netto-Kauf- und Verkaufspositionen sind dann in die Währung der Rechnungslegung umzurechnen. Bei der Berechnung der Netto-Kauf- bzw. Netto-Verkaufsposition pro Währung und 370 Gold können durchgängig Beträge aus künftigen, noch nicht angefallenen, aber bereits voll abgesicherten, Einnahmen oder Ausgaben einbezogen werden. Auch dürfen Netto___________ 265) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 945/2014 der Kommission v. 4.9.2014, ABl. (EU) L 265/3 v. 5.9.2014. 266) Im aktuellen Standardansatz wird Gold nach wie vor wie eine Fremdwährungsposition behandelt. Im neuen alternativen Standardansatz fällt Gold unter die Warenpositionen.

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381

§7

Eigenmittelregulierung

positionen in Korbwährungen für die Zwecke dieser Berechnung gemäß den geltenden Quoten in die einzelnen Währungen zerlegt werden. 371 Für den Fall, dass im Investmentvermögen des Instituts Fremdwährungsrisiken enthalten sind, werden diese Fremdwährungspositionen gemäß Art. 353 CRR wie direkt gehaltene Positionen behandelt, solange das Institut diese auch kennt. Ist dies nicht der Fall, wird angenommen, dass die vertraglich vereinbarten maximalen Bestände gehalten werden. In beiden Fällen werden diese Bestände nicht bei der Berechnung der Netto-Kauf- bzw. Netto-Verkaufsposition der Währung berücksichtigt, sondern zu der Summe der NettoKauf- bzw. Netto-Verkaufspositionen addiert. 372 Die CRR ermöglicht gemäß Art. 354 die Identifizierung von eng verbundenen Währungen und räumt bei eben diesen geringere Eigenmittelanforderungen ein.267) So sind die eng mit dem Euro verbunden Währungen: Albanischer Lek (ALL), bosnisch-herzegowinische konvertible Mark (BAM), bulgarischer Lew (BGN), tschechische Krone (CZK), kroatische Kuna (HRK), ungarischer Forint (HUF), marokkanischer Dirham (MAD), rumänischer Leu (RON) und serbischer Dinar (RSD). c)

Warenpositionsrisiko

373 Das Warenpositionsrisiko umfasst alle Warenbestände und Positionen in warenunterlegten Derivaten, sowohl im Handels- als auch im Anlagebuch. Da das Risiko der Änderung des Goldpreises schon unter dem Fremdwährungsrisiko erfasst wird, fallen die diesbezüglichen Positionen nicht unter die Eigenkapitalberechnung des Warenpositionsrisikos. 374 Die Eigenmittelanforderungen für das Warenpositionsrisiko befinden sich in Artt. 355 bis 361 CRR. Drei verschiedene Standardansätze dürfen grundsätzlich gemäß CRR zur Berechnung der Eigenkapitalanforderungen bzgl. des Warenpositionsrisikos verwendet werden: 375 Beim Laufzeitbandverfahren gemäß Art. 359 CRR werden alle Warenpositionen zunächst anhand ihrer Laufzeit Laufzeitbändern zugeordnet. Für jedes Laufzeitband werden separat die Kauf- und die Verkaufspositionen zur gesamten Kauf- bzw. Verkaufsposition aufsummiert. Anschließend wird wiederum ermittelt, ob und welche Positionen sich innerhalb eines Laufzeitbandes oder auch zwischen Laufzeitbändern ausgleichen. 376 Abschließend wird die gewichtete Summe aus allen ausgeglichenen Positionen, allen vorgetragenen Positionen und der finalen nicht ausgeglichenen Positionen gebildet. Die Gewichte sind gemäß Art. 359 Abs. 5 CRR zu wählen. 377 Positionen, die am gleichen Tag fällig werden oder innerhalb desselben Zehn-TagesZeitraums fällig werden und auf Märkten mit täglichen Lieferterminen gehandelt werden, dürfen nach Art. 359 Abs. 2 CRR vor der Zuordnung zu Laufzeitbändern ausgeglichen werden. 378 Nur die nicht ausgeglichene Position wird daraufhin einem Laufzeitband zugeordnet. Dieses Vorgehen ermöglicht somit eine Eigenkapitalunterlegung von null für diese ausgeglichene Position. 379 Insgesamt ergibt sich die Eigenkapitalanforderung für das Warenpositionsrisiko gemäß Laufzeitverfahren als Summe der Eigenkapitalanforderungen für alle Waren. 380 Die einfachste Methode ist das vereinfachte Verfahren gemäß Art. 360 CRR. Hierbei wird für jede Ware sowohl die Netto- als auch die Bruttoposition berechnet und die Summe aus 15 % der Nettoposition (saldierte Summe aller Kauf- und Verkaufspositio___________ 267) Durchführungsverordnung (EU) 2018/1580 der Kommission v. 19.10.2018, ABl. (EU) L 263/53 v. 22.10.2018.

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IV. Eigenmittelanforderungen für das Marktrisiko

§7

nen) und 3 % der Bruttoposition (nicht saldierte Summe aller Kauf- und Verkaufspositionen) ermittelt. Die Eigenkapitalanforderung bzgl. des Warenpositionsrisikos ist die Summe der im vorherigen Schritt berechneten Summe über alle Waren. Das erweiterte Laufzeitbandverfahren gemäß Art. 361 CRR erscheint nunmehr obsolet, da 381 es nur von Instituten genutzt werden könnte, die in erheblichem Umfang Warengeschäfte betreiben. Dies sollten jedoch nicht unter die Ausnahmeregelung nach Art. 325a fallen. d)

Klassische interne Marktrisikomodelle

Die bisherigen Regelungen für interne Modelle im Marktrisiko gemäß CRR a. F. behalten 382 während einer Übergangsphase ihre Gültigkeit. Dies dient jedoch im Wesentlichen dem temporären Bestandsschutz für bereits abgenommene interne Modelle und es ist nicht davon auszugehen, dass in der Übergangsphase aufgrund des erheblichen Vorbereitungsund Prüfungsaufwands noch weitere interne Modelle bzw. größere Erweiterungen interner Modelle zugelassen werden. Für eine ausführliche Erläuterung der für interne Modelle geltenden Anforderungen sei 383 an dieser Stelle auf die Ausführungen über „Interne Modelle im Marktrisiko“ gemäß CRR I in der ersten Auflage dieses Handbuchs verwiesen.268) 7.

Steuerung von Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch

Für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch (Interest Rate Risk in the Banking Book – 384 IRRBB)269) sieht die CRR keine regulatorischen Eigenkapitalanforderungen vor. Dessen ungeachtet ist die Aufsicht gemäß Art. 104 Abs. 1 lit. a CRD i. V. m. § 10 Abs. 3 KWG verpflichtet zu prüfen, ob sie bei der SREP-Kapitalfestsetzung zusätzliche Eigenmittelanforderungen in Bezug auf das Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch anordnen muss. Diese Prüfung erfolgt nicht anhand isolierter einzelner Kriterien, sondern durch eine Gesamtwürdigung des IRRBB. Aufgrund seiner großen Bedeutung für die Kapitalfestsetzung im aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess gemäß Artt. 97 ff. CRD (Supervisory Review and Evaluation Process – SREP; siehe Abschn. VIII, Rz. 525 ff.) wird nachfolgend kurz auf die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die interne Messung und Steuerung von Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch eingegangen. Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch stellen für die meisten Banken ein wesentliches Ri- 385 siko dar; sie werden dann über interne Modelle in den ICAAP (Internal Capital Adequacy Assessment Process) einbezogen. Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch wird bei der SREP-Kapitalfestsetzung270) als eine vom Marktrisiko unabhängige Risikoklasse betrachtet, für die keinerlei Diversifikationseffekte zum Marktrisiko angerechnet werden dürfen, insbesondere auch keine Diversifikationseffekte zu Währungsrisiken im Anlagebuch oder zu Zinsänderungsrisiken im Handelsbuch. Die grundlegenden Anforderungen an die Messung und Steuerung von Zinsänderungsri- 386 siken wurden vom BCBS271) formuliert. Auf europäischer Ebene werden diese in Artt. 84 und 98 Abs. 5 CRD sowie in Art. 448 CRR sowie in den präzisierenden EBA Leitlinien EBA/GL/2018/02 und außerdem in noch durch die EBA zu erlassenden technischen Re___________ 268) Vgl. Beekmann/Puppe in: Binder/Glos/Riepe, Hdb. Bankenaufsichtsrecht, 1. Aufl. 2017, § 7 Rz. 278 ff., S. 346 ff. 269) CRD und die Schriften der EBA führen die Basel Anforderungen zu IRRBB auch unter dem Namen „Interest rate risk arising from non-trading book activities“. 270) Nach Art. 97 CRD i. V. m. den EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13) und EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03). 271) BCBS, Interest rate risk in the banking book, v. 21.4.2016.

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§7

Eigenmittelregulierung

gulierungsstandards umgesetzt.272) In Deutschland ist die Überführung in nationales Recht über die MaRisk sowie über das am 31.12.2019 in Kraft getretene Rundschreiben 06/2019 der BaFin zu Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch273) erfolgt. 387 Bei der Messung und Überwachung von Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch muss laut Art. 84 CRD sowohl auf ihre Wirkung auf den wirtschaftlichen Wert des Eigenkapitals als auch auf ihre Wirkung auf den Nettozinsertrag abgestellt werden; sie sind also sowohl aus barwertiger Perspektive als auch aus Ertragsperspektive zu messen und zu überwachen. Desgleichen sind auch Kreditspreadrisiken des Anlagebuchs (Credit Spread Risk in the Banking Book – CSRBB) aus der barwertigen Perspektive und aus der Perspektive des Nettozinsertrages zu messen, zu überwachen und zu kontrollieren. Die Institute können interne Verfahren verwenden, die relevante Aufsichtsbehörde kann einem Institut aber die Verwendung einer standardisierten Methode vorschreiben, falls sie die internen Verfahren für unzureichend hält.274) 388 Die Zinsänderungsrisiken des Anlagebuchs sind gemäß Art. 98 Abs. 5 CRD regelmäßig einem früher als „Ausreißertest“ bezeichneten Verfahren zu unterziehen; heute spricht man statt von „Ausreißerinstituten“ von „Instituten mit erhöhten Zinsänderungsrisiken“. Dazu sind die Veränderungen des wirtschaftlichen Wertes der Geschäfte des Anlagebuchs (Zinsbuchbarwert) unter sechs aufsichtsrechtlich vorgegebenen Zinsschocks zu bestimmen. Diese Zinsschocks sind als plötzliche Verschiebungen der Zinskurve anzuwenden; neben Parallelverschiebungen umfassen sie auch Drehungen der Zinskurve. Sofern eine dieser barwertigen Veränderungen einen Verlust von mehr als 15 % des Kernkapitals ausmacht (das Verhältnis dieses Verlustes zum Kernkapital wird als Zinsrisikokoeffizient bezeichnet), muss sich die Aufsicht entweder davon überzeugen, dass das Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch des Instituts angemessen und nicht übermäßig hoch ist, oder sie muss ihre Überwachungsbefugnisse ausüben. Dies ist ein zentraler Unterschied zum früheren Vorgehen,275) welches nur mit einer parallelen Verschiebung der Zinskurve um 200 Basispunkte operierte und auf eine Veränderung von 20 % der Eigenmittel abstellte. 389 Zusätzlich zur barwertigen Perspektive ist auch die Ertragsperspektive zu berücksichtigen: Es ist zu ermitteln, ob die Wirkung von zwei aufsichtsrechtlich vorgegebenen Zinsschocks zu einem stark rückläufigen Nettozinsertrag führt (wofür bisher keine konkrete Schwelle definiert ist); auch in diesem Fall muss sich die Aufsicht entweder davon überzeugen, dass das Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch des Instituts angemessen und nicht übermäßig hoch ist, oder sie muss ihre Überwachungsbefugnisse ausüben. Die Ausübung der Überwachungsbefugnisse bei Überschreitung der Schwellen kann zur Verhängung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen führen. ___________ 272) Entwürfe der Leitlinien und technischen Regulierungsstandards sind durch die EBA bis zum 28.6.2020 vorzulegen. 273) BaFin, Rundschreiben 6/2019 (BA) – Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch, v. 12.8.2019, Stand: 8.1.2020 (BA 55-FR 2232-2019/0001). 274) Bis zum 28.6.2020 soll die EBA präzisierende Leitlinien veröffentlichen, insb. für die bisher fehlenden Anforderungen zur Steuerung von Kreditspread-Risiken im Anlagebuch und zur standardisierten Methode sowie zu einer vereinfachten standardisierten Methode. In Deutschland hatten BaFin und Bundesbank bereits 2011 im Schreiben zur „Aufsichtlichen Beurteilung interner Risikotragfähigkeitskonzepte“ sehr weitgehende Anforderungen zum Einbezug von Kreditspreadrisiken in die barwertige bzw. ökonomische Perspektive des ICAAP/SREP gestellt, vgl. BaFin/Bundesbank, Aufsichtliche Beurteilung interner Risikotragfähigkeitskonzepte, v. 7.12.2011 (BA 54-K 3000-2010/0006). 275) Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013.

384

Henseler/Hoffmann/Keese

V. Eigenmittelanforderungen für Veränderungen im Risikoprofil von Gegenparteien § 7 Generell gilt dabei, dass die Verhängung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen für die Aufsicht 390 nicht verpflichtend, sondern abhängig von einer gesamthaften Würdigung ist. Die genaue Ausgestaltung der Ausreißertests wird in einem technischen Regulierungsstandard der EBA definiert.276) Die bei der Bestimmung des Zinsrisikokoeffizienten zu berücksichtigenden wesentli- 391 chen aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die bankinterne Messung und Überwachung von Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch werden nachfolgend kurz genannt: x

Es sind alle zinsrisikobehafteten Positionen einzubeziehen, inkl. unmittelbarer, nicht in einer anderen Risikomessung bereits berücksichtigten, Pensionsverpflichtungen.

x

Einzubeziehen sind auch notleidende Forderungen, sofern diese in Summe wesentlich sind.

x

Positionen mit unbestimmter vertraglicher Zinsbindung sind angemessen und ggf. auch zinsabhängig zu modellieren, konsistent zu aus dem Kundenverhalten resultierenden, historisch beobachteten Zinsbindungen.

x

Die Betrachtung der Zinsänderungsrisiken auf Nettozinserträge erfordert die Modellierung von Wiederanlage und Refinanzierung und ggf. auch der Geschäftsentwicklung, konsistent zu getätigten Planungsannahmen.

x

Margen in Cashflows sind angemessen abzubilden. Dies spielt in der barwertigen Perspektive nicht nur im Zinsänderungsrisiko277) eine Rolle, sondern insbesondere auch im Zusammenhang mit der Abbildung von Kreditspreadrisiken. Bei der Betrachtung der Zinsänderungsrisiken von Nettozinserträgen ist eine Einbeziehung der Margen erforderlich; eine große Rolle spielt eine angemessene Abbildung der Margen hier insbesondere bei der Modellierung von Wiederanlage, Refinanzierung und ggf. Geschäftsentwicklung.

Art. 448 CRR regelt die Offenlegungspflichten für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch. 392 So sollen durch Institute qualitative Informationen über ihre interne Modellierung, wie wesentliche Modellierungs- und Parametrisierungsannahmen, sowie quantitative Daten, insbesondere die Ergebnisse aus den in Art. 98 Abs. 5 CRD geforderten Zinsschocks aus Barwert- und Nettozinsertragsperspektive, gemeldet werden,278) wobei Institute, die den Standardansatz oder den vereinfachten Standardansatz verwenden, geringeren qualitativen Anforderungen unterliegen (vgl. Art. 448 Abs. 2 CRR). V.

Eigenmittelanforderungen für Veränderungen im Risikoprofil von Gegenparteien

1.

Überblick

Beekmann/Puppe/Riepe

Dieses Kapitel umfasst die Anforderungen zur Bestimmung der Eigenmittel für das Ab- 393 wicklungsrisiko und Vorleistungsrisiko sowie für das Risiko einer Anpassung der Kreditbewertung bei OTC-Derivaten (Credit Valuation Adjustment-Risiko – CVARisiko). Für diese Risiken sind gemäß Art. 92 Abs. 3 CRR Eigenmittelanforderungen zu bestimmen. Die Anforderungen für das Abwicklungsrisiko und das Vorleistungsrisiko ___________ 276) Die Konsultationsversion der genauen Ausgestaltung ist bis 28.6.2020 zu veröffentlichen. 277) Grundsätzlich erlaubt das Rundschreiben 6/2019 der BaFin, in der barwertigen Betrachtung die Zinsänderungsrisiken aus Innenzinssicht zu messen, d. h. unter Weglassen von Margen, wenn dies konsistent zu den internen Modellen erfolgt und insgesamt eine angemessene Risikosteuerung und Risikotragfähigkeitsmessung ergibt, BaFin, Rundschreiben 6/2019 (BA) – Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch, v. 12.8.2019, Stand: 8.1.2020 (BA 55-FR 2232-2019/0001). 278) Gemäß CRD V sowie Art. 448 CRR hat diese Meldung ab dem 28.6.2021 zu erfolgen.

Beekmann/Puppe/Riepe

385

§7

Eigenmittelregulierung

sind in Teil 3 Titel V der CRR (Artt. 378 bis 380 CRR) dargelegt. Für das CVA-Risiko befinden sich die Anforderungen in Teil 3 Titel VI der CRR (Artt. 381 bis 386 CRR). Abschließend wird ein kurzer Stand zur aktuellen Entwicklung der beschriebenen Risikoarten gegeben. 2.

Abwicklungsrisiko und Vorleistungsrisiko

394 Das Abwicklungsrisiko und das Vorleistungsrisiko befinden sich in der CRR in einem eigenen Titel des Teils 3 der CRR. Damit können diese Risiken formal als eigene Risikoarten neben Markt-, Kredit- und operationelle Risiken angesehen werden. Für die Eigenmittelberechnung wird das Abwicklungsrisiko in Zusammenhang mit den aus dem Marktrisiko stammenden Fremdwährungsrisiko und Warenpositionsrisiko genannt (vgl. Art. 92 Abs. 3 lit. c CRR). Hintergrund ist, dass diese Risiken sowohl für Positionen des Handelsbuchs als auch für die des Anlagebuchs mit Eigenmitteln unterlegt werden müssen. Das Vorleistungsrisiko wird in Art. 92 Abs. 3 lit. a CRR zusammen mit dem Kredit- und Verwässerungsrisiko genannt. 395 Ein Abwicklungsrisiko (in der CRR auch als Abwicklungs-/Lieferrisiko bezeichnet) entsteht, wenn Schuldtitel, Aktieninstrumente, Fremdwährungen oder Waren nach dem festgesetzten Liefertag noch nicht abgewickelt wurden. In dem Fall kann nämlich eine für das Institut vorteilhafte Preisdifferenz zwischen dem vereinbarten Abrechnungspreis und dem aktuellen Marktwert entstehen, die bis zur abschließenden Lieferung mit Eigenkapital zu unterlegen ist. 396 Als Beispiel diene der Kauf einer Aktienposition, deren Einbuchung (Lieferung) der entsprechenden Position nach einigen Tagen noch nicht erfolgt ist. Ist der Aktienkurs in der Zwischenzeit gestiegen, so entsteht eine Preisdifferenz, die risikobehaftet ist. Erfolgt die Lieferung nicht, entfällt auch der entsprechende Gewinn. 397 Gemäß Art. 378 CRR ist die Preisdifferenz als Differenz zwischen dem vereinbarten Abrechnungspreis und dem aktuellen Marktwert für das zugrunde liegende Geschäft zu bestimmen, wenn die Differenz mit einem Verlust für das Institut verbunden sein könnte. Diese Differenz wird dann mit einem von der Anzahl der Verzugstage abhängigen Faktor (siehe Abb. 9) multipliziert, woraus sich die Eigenmittelanforderung ergibt. 398 Abb. 9: Faktor pro Anzahl der Arbeitstage nach dem festgesetzten Abwicklungstermin Anzahl Arbeitstage nach Abwicklungstermin

Faktor in %

5 – 15

8

16 – 30

50

31 – 45

75

46 oder mehr

100

Quelle: Art. 378 Tabelle 1 CRR.

399 Ausgenommen von der Unterlegung sind Pensionsgeschäfte und Wertpapier- oder Warenverleih- und Wertpapier- oder Warenleihgeschäfte. 400 Das Abwicklungsrisiko entsteht also durch einen möglichen entgangenen Gewinn, wenn eine vereinbarte Lieferung ausbleibt. Ein zusätzliches Risiko entsteht, wenn das Geschäft einseitig bereits erfüllt wurde, ohne dass die Gegenleistung stattfand. In diesem Fall entsteht ein sog. Vorleistungsrisiko. Genauer ist der Begriff in Art. 379 Abs. 1 CRR durch die Bedingung, unter denen ein Institut Eigenmittel unterlegen muss umschrieben. Dieser

386

Beekmann/Puppe/Riepe

V. Eigenmittelanforderungen für Veränderungen im Risikoprofil von Gegenparteien § 7 Sachverhalt liegt vor, wenn das Institut Wertpapiere, Fremdwährungen oder Waren bezahlt bzw. geliefert hat, bevor es diese erhalten bzw. die Bezahlung erhalten hat. Die Eigenmittelunterlegung ergibt sich in Abhängigkeit vom Fälligkeitstermin der Zah- 401 lung bzw. Lieferung. Bis zum vertraglich vereinbarten Zahlungstermin bzw. Liefertermin des Institutes wird keine Eigenmittelunterlegung gefordert. Vom Zeitpunkt der Zahlung bzw. Lieferung des Instituts bis zu vier Tagen nach dem 402 Zeitpunkt der vertraglich vereinbarten Gegenleistung wird die Vorleistung wie eine Risikoposition im Kreditrisiko behandelt. Dabei wird das Risikogewicht für diese Risikoposition für ein den Kreditrisikostandardansatz anwendendes Institut nach dem Standardansatz bestimmt. Ein IRBA-Institut darf das Risikogewicht entsprechend dem IRB-Ansatz (Internal Ratings Based [Approach]) bestimmen. Falls gegenüber dem Kontrahenten keine andere Risikoposition im Anlagebuch existiert, darf das Institut die zugehörige PD (Probability of Default) anhand einer externen Beurteilung vornehmen. Außerdem dürfen den fortgeschrittenen IRB-Ansatz anwendende Institute statt der eigenen LGD-Schätzungen (Loss Given Default) die aufsichtlich vorgegebenen LGD-Parameter gemäß Art. 161 Abs. 1 CRR verwenden, sofern dies auf alle Vorleistungsrisikopositionen angewandt wird. Alternativ dürfen auch die den IRB-Ansatz anwendenden Institute das Risikogewicht nach dem Standardansatz oder mit 100 % ansetzen, sofern dies für alle Vorleistungsrisikopositionen verwendet wird. Ab dem fünften Tag nach dem vertraglich vereinbarten Zeitpunkt für die Gegenleistung 403 wird die Vorleistung als Risikoposition mit einem Risikogewicht von 1250 % bewertet. Alternativ zur Gewichtung mit 1250 % können Institute gemäß Art. 379 Abs. 3 CRR den übertragenen Wert zzgl. des aktuellen positiven Risikopositionsbetrags von Posten des harten Kernkapitals abziehen. In Art. 380 CRR ist für das Abwicklungsrisiko und das Vorleistungsrisiko die Ausset- 404 zung der Eigenmittelanforderungen durch die zuständigen Behörden geregelt. Die Voraussetzungen einer solchen Aussetzung bestehen in einem systemweiten Ausfall eines Abwicklungssystems, eines Clearingsystems oder einer zentralen Gegenpartei. 3.

Anpassung der Kreditbewertung (Credit Value Adjustment – CVA)

Tätigt ein Institut Geschäfte mit Derivaten, so können dadurch mehrere komplementäre 405 Eigenmittelanforderungen entstehen. Neben den risikogewichteten Positionsbeträgen für das Gegenparteiausfallrisiko aus der Handelsbuchtätigkeit müssen Institute gemäß Art. 92 Abs. 3 lit. d CRR Eigenmittelanforderung für das Risiko einer Anpassung der Kreditbewertung bei OTC-Derivaten (CVA-Risiko) erfüllen. Außerdem beinhalten Derivate Marktrisiken. In diesem Kapitel liegt der Fokus auf dem CVA-Risiko. Zum Verständnis dieses Risikos ist aber ein Verständnis des Gegenparteiausfallrisikos notwendig, weshalb auch hierauf im Folgenden kurz eingegangen wird. Das Gegenparteiausfallrisiko besteht aus dem Risiko, dass durch den Ausfall des Kont- 406 rahenten die mit ihm getätigten Derivate nicht mehr erfüllt werden und somit ein Verlust durch die Wiedereindeckung mit einem anderen Kontrahenten entsteht. Als Beispiel diene ein Zinsswap mit einem Kontrahenten über eine längere Laufzeit. Der Zinsswap besitzt für das Institut einen positiven Marktwert. Fällt der Kontrahent aus, so können verabredete Zahlungen nicht mehr geleistet werden und es entsteht hierdurch ein Verlust für das Institut.

Beekmann/Puppe/Riepe

387

§7

Eigenmittelregulierung

407 Die Bestimmung des Gegenparteiausfallrisiko ist Gegenstand von Titel II Kap. 6 der CRR (Artt. 271 – 311 CRR).279) In Abschn. 1 CRR (Artt. 271 – 272 CRR) werden der Anwendungsbereich i. S. der betroffenen Arten von Derivategeschäften festgelegt und notwendige Begriffe definiert. Abschn. 2 CRR entspricht Art. 273 der CRR und regelt grundsätzliche Voraussetzungen zur Anwendung von Methoden zur Berechnung des Risikopositionswertes für das Gegenparteiausfallrisiko. Insgesamt stehen vier unterschiedliche Methoden zur Auswahl, die unter bestimmten Voraussetzungen zur Anwendung kommen können: x

Marktbewertungsmethode (Abschn. 3 CRR, Art. 274 CRR),

x

Ursprungsrisikomethode (Abschn. 4 CRR, Art. 275 CRR),

x

Standardmethode (Abschn. 5 CRR, Artt. 276 – 282 CRR),

x

auf internen Modellen beruhende Methode – IMM (Abschn. 6 CRR, Artt. 283 – 294 CRR).

408 Abschn. 7 CRR (Artt. 295 – 298 CRR) beinhaltet Regelungen um Derivategeschäfte eines Kontrahenten netten zu können, sodass positive und negative Marktwerte von unterschiedlichen Derivaten berücksichtigt werden können. In Abschn. 8 CRR (Art. 299 CRR) werden spezielle Anforderungen für Derivatepositionen im Handelsbuch formuliert. Gegenstand von Abschn. 9 CRR (Artt. 300 – 311 CRR) sind Regelungen falls Derivategeschäfte in Zusammenhang mit einer zentralen Gegenpartei getätigt werden. 409 Wird ein OTC-Derivat bewertet, so spielen in erster Linie die entsprechenden Marktrisikofaktoren eine Rolle, mit deren Hilfe über eine Pricingfunktion der aktuelle Marktwert des Derivats bestimmt werden kann. Insbesondere die Finanzkrise hat gezeigt, dass jedoch auch die Bonität des Kontrahenten zu beachten ist. Der Marktwert eines Derivats sinkt, wenn sich die Bonität des Kontrahenten verschlechtert. Diese Wertverschlechterung wird Anpassung der Kreditbewertung (Credit Value Adjustment – CVA) genannt. Das Risiko einer derartigen Anpassung (CVA-Risiko) soll mit Eigenkapital unterlegt werden und ist in Teil 3 Titel VI der CRR spezifiziert (Artt. 381 – 386 CRR). 410 In Art. 381 CRR wird der Begriff der Anpassung der Kreditbewertung definiert als ein Betrag zur Anpassung der Bewertung eines Portfolios von Geschäften mit einer Gegenpartei an die Bewertung zum mittleren Marktwert. Dabei ist der mittlere Marktwert als Bewertung des Derivateportfolios des entsprechenden Kontrahenten unabhängig von dessen Bonität zu verstehen. Hier spielen also wie oben erwähnt nur die Marktrisikofaktoren eine Rolle, die in die entsprechenden Pricingformeln eingesetzt werden. Anhand der Definition wird ebenfalls klar, dass sich der Anpassungsbetrag auf das gesamte Portfolio bezieht, wodurch ggf. Nettingmöglichkeiten entstehen. 411 Art. 382 CRR beinhaltet eine Beschreibung des Anwendungsbereichs, nach dem für alle OTC-Derivate in allen Geschäftsfeldern Eigenmittelanforderungen für das CVA-Risiko zu berechnen sind. Dies schließt ggf. auch Wertpapierfinanzierungsgeschäfte mit ein, sofern die zuständige Behörde feststellt, dass die aus diesen Geschäften erwachsenen CVARisikopositionen wesentlich sind. Ausgenommen sind Kreditderivate, die anerkanntermaßen risikogewichtete Positionsbeträge für das Kreditrisiko verringern. Außerdem sind ___________ 279) Die Ausführungen zum Gegenparteiausfallrisiko beziehen sich auf die aktuelle CRR (a. F.). Mit der Änderungsverordnung v. 20.5.2019 wurde Titel II Kap. 6 Abschn. 3 bis 5 der CRR maßgeblich verändert (Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019). Ab dem 28.6.2021 ersetzt ein neuer Standardansatz für das Gegenparteiausfallrisiko (Standardised Approach for Counterparty Credit Risk – SA-CCR) die drei bisher anwendbaren standardisierten Ansätze. In speziellen Fällen kann ein vereinfachter SA-CCR oder eine modifizierte Ursprungsmethode angewendet werden.

388

Beekmann/Puppe/Riepe

V. Eigenmittelanforderungen für Veränderungen im Risikoprofil von Gegenparteien § 7 ausgenommen Geschäfte, die mit oder über eine zentrale Gegenpartei getätigt werden, Geschäfte mit nichtfinanziellen Kontrahenten, welche eine sog. Clearingschwelle nicht überschreiten, gruppeninterne Geschäfte und Geschäfte mit Gegenparteien, für die ein Risikogewicht von 0 vorgesehen ist. Zur Bestimmung der Eigenmittelanforderung des CVA-Risikos werden in der CRR drei 412 Methoden beschrieben: x

fortgeschrittene Methode (Art. 383 CRR),

x

Standardmethode (Art. 384 CRR),

x

Alternative zur Verwendung der CVA-Methoden (Art. 385 CRR).

Die fortgeschrittene Methode muss verwendet werden, wenn das Institut eine Erlaubnis 413 zur Anwendung der IMM zur Bestimmung des Risikopositionswerts des Gegenparteiausfallrisikos gemäß Art. 283 CRR sowie ein internes Marktrisikomodell zur Berechnung des spezifischen Risikos von Schuldtiteln besitzt. Letzteres wird dann angewendet, um einen VaR für den CVA zu bestimmen, der allein aus der Spreadänderung des Kontrahenten als Risikofaktor resultiert. Der CVA-Wert wird dabei als Formel angegeben und entspricht einer Pricingfunktion eines Instrumentes im Marktrisikomodell. Das IMM liefert dabei Inputgrößen der Pricingfunktion. Die Formel zur Berechnung des CVA lautet gemäß Art. 383 Abs. 1 CRR: CVA

§ § s ˜t max ¨ 0, exp ¨¨  i 1 i 1 ¨ © LGDMKT i 1,..,T © EEi 1 ˜ Di 1  EEi ˜ Di ˜ 2

LGDMKT ˜

¦

· § si ˜ ti ¸¸  exp ¨¨  LGD MKT ¹ ©

414 ·· ¸¸ ¸¸ ¹¹

wobei gilt: ti

= Zeit des i-ten Neubewertungszeitraums ab t0 =0.

tT

= die längste vertragliche Laufzeit bei allen Netting-Sets mit der Gegenpartei.

si

= Kreditspread der Gegenpartei für die Laufzeit ti. Falls der CDS-Spread der Gegenpartei vorliegt, muss dieser verwendet werden. Anderenfalls muss ein Näherungswert, der die Bonitätsbeurteilung, Branche und Region berücksichtigt, verwendet werden.

LGDMKT = LGD der Gegenpartei. Falls ein Spread eines von der Gegenpartei gehandelten Instrumentes vorliegt, muss dieser zur Bestimmung des LGD verwendet werden. Anderenfalls muss ein Näherungswert, der die Bonitätsbeurteilung, Branche und Region berücksichtigt, verwendet werden. EEi

= der erwartete Wiederbeschaffungswert (Expected Exposure) gegenüber der Gegenpartei zum Neubewertungszeitpunkt ti, bei dem die Risikopositionen der unterschiedlichen Netting-Sets addiert werden und die längste Fälligkeit jedes Netting-Sets durch die längste darin enthaltene Restlaufzeit definiert wird. Für die Berechnung wird die IMM verwendet.

Di

= Risikoloser Dikontierungsfaktor vom Stichtag bis zum Zeitpunkt ti mit D0 = 1.

Die Formel zeigt die Berechnung eines Erwartungswertes für den CVA. Dabei wird die Ge- 415 samtlaufzeit aller Derivate durch zeitliche Stützstellen ti in unterschiedliche Zeitintervalle

Beekmann/Puppe/Riepe

389

§7

Eigenmittelregulierung

eingeteilt. Durch den ersten Faktor in der Summe wird die Wahrscheinlichkeit bestimmt, dass der Kontrahent innerhalb des Zeitintervalls [ti–1, ti] ausfällt.280) Diese marginale Ausfallwahrscheinlichkeit wird nun mit dem Mittelwert der diskontierten Expected Exposures am Anfang und am Ende des Intervalls multipliziert. Dieser Wert gibt an, wie hoch der über alle Geschäfte saldierte erwartete Marktwert gegenüber dem Kontrahenten innerhalb des Intervalls ist, der bei Ausfall des Kontrahenten ein Verlustrisiko birgt. Durch die Aufsummierung der Produkte ergibt sich ein Erwartungswert für das gesamte Verlustrisiko gegenüber dem Kontrahenten. Dieses Verlustrisiko wird durch einen LGD reduziert. 416 Ändert sich nun die Spreadkurve für den Kontrahenten, so ändert sich damit auch der CVA. Gesucht wird nun eine Verteilung des CVAs, aus dem der 99 %-VaR bestimmt werden kann. 417 Wird zu diesem Zweck ein Simulationsmodell für die Markrisikoänderung verwendet, welches die Pricingfunktionen direkt nutzt, so werden durch Szenarien unterschiedliche Creditspreads zu verschiedenen Zeitpunkten simuliert, und damit eine Verteilung der resultierenden CVA-Werte bestimmt. Aus dieser Verteilung wird der 99 %-VaR bestimmt, der etwa mit der Wurzel-T-Regel auf eine zehn Tage Haltedauer skaliert werden kann. 418 Im Falle, dass das Marktrisikomodell Sensitivitäten der Risikofaktoren zur Bestimmung des VaR verwendet, werden in Art. 383 CRR ebenfalls Formeln zur Bestimmung der Kreditspread-Sensitivitäten für den CVA (die sog. Regulatory CS01) angegeben, in die ebenfalls die IMM Inputgrößen liefert. Durch diese Sensitivitäten kann dann ebenfalls ein VaR für das CVA-Risiko bestimmt werden. 419 Weitere Regelungen zur fortgeschrittenen Methode in Art. 383 Nr. 3 ff. CRR betreffen Vorschriften, x

wenn für besicherte OTC-Derivate die Messgröße EPE (Expected Positive Exposure) verwendet wird,

x

wenn für einen geringen Anteil von Derivaten kein Profil des Wiederbeschaffungswertes (EE) durch die IMM generiert werden kann,

x

für die finale Berechnung des VaR bzw. sVaRs durch das Marktrisikomodell

x

wenn für Risikopositionen gegenüber einer Gegenpartei kein dem tatsächlichen Ausfallrisiko angemessener Spread bestimmt werden kann.

420 Falls das Institut nicht die fortgeschrittene Methode verwenden muss, so sind die Portfolioeigenmittelanforderungen für jeden Kontrahenten nach der Standardmethode (Art. 384 CRR) zu berechnen. 421 Die Formel hierzu lautet: K

§ 2,33 ˜ h ˜ ¨ ¨ © 



¦ i

¦0,75 ˜ w M ˜ EAD 2 i

i

i

total i

· wind ˜ Mind ˜ Bind ¸ ¸ ind ¹

2

¦

0,5 ˜ wi Mi EADitotal  Mihedge Bi   Mihedge Bi



2

wobei h

= einjähriger Risikohorizont, d. h. h = 1

wi = Gewicht von Gegenpartei i in Abhängigkeit des externen Ratings durch eine ECAI gemäß folgender Tabelle:

___________ 280) Der mathematische Hintergrund ist ein Hazard-Rate-Modell, wobei die Hazard-Rate aus dem Spread berechnet wird.

390

Beekmann/Puppe/Riepe

V. Eigenmittelanforderungen für Veränderungen im Risikoprofil von Gegenparteien § 7 Abb. 10: Gewichtung pro Bonitätsstufe Bonitätsstufe

Gewichtung

1

0,7 %

2

0,8 %

3

1,0 %

4

2,0 %

5

3,0 %

6

10,0 %

422

Quelle: Art. 384 Abs. 2 Tabelle 1 CRR.

Liegt keine externe Bonitätsbeurteilung durch eine ECAI vor und verwendet das Institut den IRBA zur Ermittlung der Eigenkapitalunterlegung für Kreditrisiken, so ordnet das Institut das interne Rating einer der sechs Bonitätsstufen zu. Verwendet das Institut zur Ermittlung der Eigenkapitalunterlegung für Kreditrisiken den Standardansatz, dann gilt grundsätzlich wi 1 % und für Risikopositionen mit besonders hohem Risiko gemäß Art. 128 CRR wi 3 % . EADitotal = Gesamtexposures in mit Gegenparteiausfallrisiko behafteten Positionen gegenüber der Gegenpartei i ggf. unter Berücksichtigung von Sicherheiten.

Bi

= abgezinster Nominalwert von Single-Name-CDS, die zur Absicherung des CVA-Risikos gegenüber dem Kontrahenten i dienen.

Bind

= abgezinster Nominalwert von Index-CDS, die zur Absicherung des CVARisikos gegenüber dem Kontrahenten dienen.

wind

= Gewichtung von Index-Absicherungsgeschäften.

Mi

= effektive Laufzeit des Geschäfts mit dem Kontrahenten i.

Mihedge

= effektive Laufzeit der Absicherungsgeschäfte mit Nominalwert Bi.

Mind

= effektive Laufzeit der Index-Absicherungsgeschäfte.

Durch die Formel wird ein 99 %-VaR für das CVA-Risiko eines Portfolios mit Positio- 423 nen gegenüber einem Kontrahenten ermittelt.281) Alternativ zu den oben beschriebenen Methoden dürfen Institute, welche die Ur- 424 sprungsrisikomethode für das Gegenparteiausfallrisiko verwenden, nach vorheriger Genehmigung durch die zuständige Behörde gemäß Art. 385 CRR die sich ergebenden risikogewichteten Positionsbeträge für das Gegenparteiausfallrisiko mit einem Faktor 10 multiplizieren, anstatt die Eigenmittelanforderungen für das CVA-Risiko zu berechnen. Zur Verringerung des CVA-Risikos dürfen sowohl bei Nutzung der fortgeschrittenen 425 Methode, als auch bei der Standardmethode Absicherungsgeschäfte angerechnet werden. Die Voraussetzungen, die derartige Geschäfte erfüllen müssen, sind in Art. 386 CRR dargelegt. Als mögliche Instrumente zur Absicherung kommen Einzeladressen-CDS, bzw. äquivalente Sicherungsinstrumente mit direkter Referenz auf den Kontrahenten und unter bestimmten Voraussetzungen Index-CDS in Betracht. Nicht anerkennungsfähig sind dagegen insbesondere Instrumente wie n-to-default-Swaps 426 oder Credit Linked Notes. Für die Minderung des CVA-Risikos herangezogene Siche___________ 281) Der mathematische Hintergrund der Formel wird etwa in Pykhtin, Risk magazine 7/2012, 60 ff., erläutert.

Beekmann/Puppe/Riepe

391

§7

Eigenmittelregulierung

rungsgeschäfte dürfen nicht bei der Berechnung der Eigenmittelanforderung für das spezifische Risiko oder zur Kreditrisikominderung angerechnet werden. 4.

Aktuelle Entwicklungen

427 Im Dezember 2017 stellte das BCBS auch die Überarbeitung des CVA-Risiko-Rahmenwerks vor.282) Ziel der Überarbeitung war es, die Risikosensitivität der bisherigen Ansätze zu erhöhen, die Eigenmittelberechnungen an die Rechnungslegungsvorschriften anzugleichen und einen Einklang mit den überarbeiteten Anforderungen an die Eigenmittelbestimmung für Marktrisiken gemäß dem Fundamental Review of the Trading Book (FRTB) zu erzeugen. 428 Die ab Januar 2022 anzuwendenden Regelungen zur Eigenmittelberechnung für das CVA-Risiko sehen zwei Ansätze vor, einen Basisansatz (BA-CVA) und einen Standardansatz (SA-CVA). Allerdings wird Instituten mit einem Derivateportfolio nicht größer als 100 Mio. € Nominalwert (bezogen auf nicht zentral geclearte Derivate) erlaubt, die Eigenmittelanforderungen für das CVA-Risiko gleich den Eigenmittelanforderungen für das Gegenparteiausfallrisiko zu setzen. Im Rahmen der Überarbeitung wurde die Möglichkeit eines eigenen Internen Modells für das CVA-Risiko diskutiert, diese wurde jedoch nicht in die finale Überarbeitung übernommen. 429 Obwohl noch nicht anzuwenden, wurden bereits weitere Anpassungen und Änderungen an dem zukünftigen CVA-Risiko-Rahmenwerk konsultiert.283) Diese Änderungen umfassen zum einen Anpassungen, die aufgrund der Finalisierung des Rahmenwerks für Marktrisiken im Januar 2019284) notwendig geworden sind, um einen Einklang zwischen dem CVA-Risiko und dem Marktrisiko Rahmenwerk zu erhalten. Zum anderen werden weitere gezielte Änderungen vorgestellt. VI.

Eigenmittelanforderungen für operationelle Risiken

1.

Überblick

Hater/Kronbichler

430 Operationelle Risiken sind allgegenwärtig: Die Insolvenz der Barings Bank 1995, das EnronDebakel 2001, der Heros-Untergang 2006, aber auch die Vogelgrippe 2006 oder Anschläge von New York, London und Madrid Anfang der 2000er Jahren haben dazu geführt, dass diese Risiken in den Fokus öffentlicher Diskussion und der Bankenaufsicht geraten sind. Im Zuge der ersten Veröffentlichung der zweiten Basler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) 2004 sind erstmals Mindesteigenkapitalanforderungen zur Unterlegung operationeller Risiken, das qualitative Management dieser Risiken sowie die Markttransparenz gestellt worden.285) Seither gelten operationelle Risiken neben Kredit-, Markt- und Liquiditätsrisiken als wesentliche Risiken.286) 431 Weitere schlagend gewordene operationelle Risikoereignisse haben zu einer fortlaufenden Entwicklung regulatorischer Anforderungen geführt: Nach dem Finanzskandal bei der Société Générale 2008287) wurden u. a. erweiterte Anforderungen an die IT-Rechtevergabe sowie die Trennung zwischen Front- und Backoffice in den Mindestanforderungen an das ___________ 282) BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017. 283) BCBS, Consultative Document, Credit Valuation Adjustment Risk: targeted final revision, v. 28.11.2019. Die Konsultation endete am 25.2.2020. 284) BCBS, Minimum capital requirements for market risk, v. 14.1.2019. 285) Vgl. BCBS, Basel II: Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen, v. 6/2006, Part 2 V., Part 3 III. C., Part 4 II. D. 4. 286) Vgl. erstmals in: AT 2.2 MaRisk 2005. 287) Vgl. FAZ, Die Anonymität des kleinen Soldaten, v. 21.2.2009.

392

Hater/Kronbichler

VI. Eigenmittelanforderungen für operationelle Risiken

§7

Risikomanagement (MaRisk) 2017 gestellt.288) Letztere wurden anhand einer Detaillierung des Modells der drei Verteidigungslinien in den angepassten Sound Practices for the Management and Supervision of Operational Risk (Sound Practices) von 2011 konkretisiert.289) Im Zuge der Veröffentlichung des Supervisory Review and Evaluation Processes (SREP) 2014 wurden weitergehend die Anforderungen an Verhaltens- und Reputationsrisiken ausgestaltet.290) Ferner fordern die Anforderungen des SREP an den Umgang mit ICTRisiken291) sowie verschiedene Anforderungen an den Umgang mit Cyber-Risiken292) von Banken sich stärker mit dem Management von IT-Risiken auseinander zu setzen. Seit der Veröffentlichung von Basel II waren drei mögliche Ansätze zur Eigenkapitalunter- 432 legung operationeller Risiken vorgesehen: x

der Basisindikatoransatz (BIA),

x

der Standardansatz (STA) oder

x

die Entwicklung eines eigenen fortgeschrittenen Ansatzes (Advanced Measurement Approach – AMA).

Fehlende Risikosensitivität der beiden einfachen Ansätze und mangelnde Vergleichbar- 433 keit der fortgeschrittenen Ansätze haben zu einer grundlegenden Überarbeitung der Eigenkapitalanforderungen im Zuge von Basel III geführt. Das im Dezember 2017 verabschiedete Basel III-Finalisierungspaket sieht einen neuen Standardansatz zur Eigenkapitalunterlegung operationeller Risiken vor, der von allen Banken verpflichtend umzusetzen ist.293) Die folgenden Darstellungen berücksichtigen sowohl die aktuell gültigen und von Banken 434 zu erfüllenden Eigenkapitalanforderungen operationeller Risiken als auch deren laufende Überarbeitung zu einem neuen Standardansatz. 2.

Definition operationeller Risiken

Operationelle Risiken sind die „Gefahr von Verlusten, die infolge einer Unzulänglichkeit 435 oder des Versagens von internen Verfahren (Prozessen), Menschen und (IT-)Systemen oder infolge externer Ereignisse eintreten“.294) Nach dieser Definition, die ursprünglich vom BCBS veröffentlicht wurde, gehören Rechtsrisiken zu den operationellen Risiken, strategische und Reputationsrisiken jedoch nicht.295) Als Prozessrisiken werden sämtliche Risiken bezeichnet, die den Wertschöpfungsprozess 436 unmittelbar beeinflussen können.296) Prozessrisiken können einerseits in fehlerhaft aufgestellten Prozessen schlagend werden, indem sie fehlerhaft definiert oder zugehörige Kon___________ 288) 289) 290) 291) 292)

293) 294) 295) 296)

Vgl. AT 7.2., BTO Abs. 3 MaRisk 2017. Vgl. BCBS, Principles for the sound management of operational risk, v. 6/2011, Principle 13. Vgl. EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), Rz. 235 lit. a, 252–257. Information, Communication and Technology. Z. B. EBA, Guidelines on security measures for operational and security risks under PSD2, v. 12/2017 (EBA/GL/2017/17), EZB, TIBER-EU Framework – How to implement the European framework for Threat Intelligence-based Ethical Red Teaming, v. 5/2018; Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament den Rat, Bestmögliche Netz- und Informationssicherheit (NIS-Directive), v. 4.10.2017, COM(2017) 476 final. Vgl. BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reform, v. 7.12.2017, Abschn. „Minimum capital requirements for operational risk“, Abs. 4. BCBS, Basel II: Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen, v. 6/2006, Abs. 644. Vgl. BCBS, Basel II: Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen, v. 6/2006, Abs. 644. Vgl. Foit, Management operationeller IT-Risiken in Banken, S. 34.

Hater/Kronbichler

393

§7

Eigenmittelregulierung

trollen fehlerhaft sind. Beispiele hierfür sind die durch mangelnde Kontrollen verursachte Pleite der Barings Bank297) oder die fehlende Trennung von Front- und Backoffice bei der Société Générale.298) Andererseits können Prozesse auch angemessen aufgestellt, aber fehlerhaft ausgeführt werden. Eine häufige Ursache fehlerhafter Prozessausführung ist die mangelhafte Dokumentationslandschaft von Banken. Dokumente sind häufig nicht aktuell, missverständlich oder weisen Lücken auf. 437 Personenrisiken können entweder bewusster oder unbewusster Natur sein. Bewusstes Fehlverhalten ist ein klassisches Conduct- oder Fraud-Risiko und äußert sich z. B. in Betrugsdelikten. Unbewusstes Fehlverhalten kann z. B. in einer fehlerhaft gesetzten Kommastelle auftreten. 438 Unter IT-Risiken werden alle Risiken der Informationstechnologie (IT) zusammengefasst. Dem Erhalt der Verfügbarkeit, der Vertraulichkeit und der Integrität als Grundwerte299) der IT-Sicherheit kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu.300) Systeme und Daten werden als verfügbar bezeichnet, wenn sie ihre Aufgaben in der dafür vorgesehenen Zeit verrichten. Vertraulichkeit der Daten spielt bei Banken aufgrund der großen Menge an persönlichen Kundendaten eine wichtige Rolle. Unter Integrität wird die Unversehrtheit der Daten verstanden. Die Veränderung durch eine Übertragung oder gezielte Manipulation ist dabei zu verhindern.301) Mit vermehrten regulatorischen Anforderungen an IT-Risiken im Kontext von SREP302) ist auch die Hinwendung in der Bankenpraxis gestiegen. 439 Externe Risiken sind in der Regel unkontrollierbar und schlecht vorhersehbar. Typische Beispiele sind externer Betrug, Naturkatastrophen wie z. B. die Oderflut oder die Terroranschläge von New York oder die Corona-Pandemie. 440 Von den vier Ursachenkategorien operationeller Risiken (Prozesse, Menschen, Systeme und externe Ereignisse) sind drei Kategorien individuell von der einzelnen Bank beeinflussbar. Die „3 P’s“ (Prozesse, Personen und PC’s) gelten im Gegensatz zu den externen Risiken als interne Risiken. Durch ein proaktives, vorausschauendes Management operationeller Risiken hat die Bank die Möglichkeit, diese Risiken angemessen zu steuern und Verluste gar nicht erst eintreten zu lassen. Für externe Risiken eignet sich oftmals eine reaktive Versicherung. 441 Nach ihrer Definition entstehen operationelle Risiken mittelbar oder unmittelbar aus den Geschäftstätigkeiten einer Bank und bilden primär Risiken des Betriebsbereichs ab. Bei Finanzrisiken sind Ursache-/Wirkungszusammenhänge im Regelfall deutlich, z. B. die Wertveränderung einer Anleihe durch eine Zinsänderung. Finanzrisiken werden bewusst eingegangen, ihnen stehen direkte Chancen gegenüber.303) Operationelle Risiken resultieren hingegen in der Regel aus komplexen Wirkungsketten, sodass die Zusammenhänge häufig nicht direkt zu erkennen sind oder auch die Zuordnung zu den Ursachenkategorien nicht trennscharf ist. Sowohl der Fall der Barings Bank als auch der Fall der Société Générale können den Ursachenkategorien Prozesse (Versagen des internen Kontrollsystems) und Menschen (internes Fehlverhalten und Betrug) zugeordnet werden. Auch ___________ 297) Vgl. Süddeutsche Zeitung, Bankrott der Barings Bank – über die peinlichste Zeit von Nick Leeson, v. 9.4.2013. 298) Vgl. Vgl. FAZ, Die Anonymität des kleinen Soldaten, v. 21.2.2009. 299) Vgl. Petruch in: Rossbach/Locarek-Junge, IT-Sicherheitsmanagement in Banken, S. 280. 300) Vgl. Jörg/Rossbach in: Rossbach/Locarek-Junge, IT-Sicherheitsmanagement in Banken, S. 73 f. 301) Vgl. Rossbach in: Rossbach/Locarek-Junge, IT-Sicherheitsmanagement in Banken, S. 122 f. 302) Vgl. EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (BA/GL/2014/13), Rz. 252, 258 – 261. 303) Vgl. Holtmann, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 14/2006, 14.

394

Hater/Kronbichler

VI. Eigenmittelanforderungen für operationelle Risiken

§7

Schnittmengen zu den IT-Risiken sind vorhanden, da von der IT-Landschaft kein sicherer Rahmen vorgegeben wurde und so der interne Betrug erst ermöglicht wurde. Operationelle Risiken stehen in vielseitigen Wechselbeziehungen zu den anderen Risiko- 442 arten von Banken: x

Im Fall der Barings Bank existierten zwar die operationellen Risiken bedingt durch mangelhafte Organisation („Prozesse“) und die verdeckten Arbeiten des Herrn Leeson („Personen“), schlagend wurde das operationelle Risiko jedoch durch den Kurseinbruch des Nikkei (Marktrisiko).

x

Ein mangelhaft aufgesetztes Kreditrisikomodell (Modellrisiko – „Prozesse“) führt unter Umständen zu einer schlechteren Bonitätsprüfung potentieller Kreditnehmer und folglich zu vermehrten Kreditausfällen (Kreditrisiko).

Solche Zusammenhänge sind von der Aufsicht bereits im Zuge von Basel II erkannt wor- 443 den: Hiernach sind Verluste aus operationellen Risiken im Zusammenhang mit Kreditrisiken als solche zu bewerten. Verluste aus operationellen Risiken im Zusammenhang mit Marktrisiken sind hingegen als operationelle Risiken zu bewerten.304) 3.

Eigenkapitalanforderungen resultierend aus Basel II

a)

Überblick

Die Ermittlung der Eigenkapitalanforderung operationeller Risiken ist derzeit im Um- 444 bruch. Während die neuen Ansätze schon vorbereitet werden (siehe Rz. 464 ff.), werden die bestehenden Ansätze noch bis Ende 2022305) angewandt. Drei unterschiedliche Ansätze zur Ermittlung der Eigenkapitalunterlegung für operationelle Risiken sind derzeit noch vorgesehen: x

Basisindikatoransatz (BIA),

x

Standardansatz (STA) und

x

fortgeschrittene Ansätze (Advanced Measurement Approaches – AMA).

Die Ansätze sind gekennzeichnet durch steigende Risikosensitivität und Komplexität, aber 445 auch durch sinkende Eigenkapitalanforderungen.306) Banken werden angehalten, sich durch Verbesserung des Risikomanagements entlang des Spektrums gegebener Ansätze weiter zu entwickeln.307) Ein Rückschritt zu einem einfacheren Ansatz bedarf der Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde. Auch die Aufforderung der Aufsicht zu einem Rückschritt ist denkbar. Eine solche Aufforderung wird bei Nichteinhalten der für den gewählten Ansatz definierten Mindestanforderungen der Fall sein.308) Von international tätigen Banken, sowie Banken, die bedingt durch ihr individuelles Geschäftsprofil wesentlichen operationellen Risiken ausgesetzt sind, wird wenigstens die Anwendung des Standardansatzes gefordert.309) Dabei ist auch die Anwendung höherer Ansätze für lediglich einzelne Geschäftsfelder möglich.310) Die drei Ansätze werden im Folgenden vorgestellt. ___________ 304) Vgl. Art. 322 Abs. 3b CRR. 305) Ursprünglich war die Erstanwendung ab Januar 2022 vorgesehen. Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie wird die Erstanwendung um ein Jahr auf den 1.1.2023 verschoben. 306) Vgl. BCBS, Basel II: Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen, v. 6/2006, Abs. 645. 307) Vgl. BCBS, Basel II: Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen, v. 6/2006, Abs. 646. 308) Vgl. Art. 313 CRR. 309) Vgl. BCBS, Basel II: Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen, v. 6/2006, Abs. 647. 310) Vgl. Art. 314 CRR.

Hater/Kronbichler

395

§7

Eigenmittelregulierung

446 Abb. 11: Eigenkapitalunterlegung operationeller Risiken nach Basel II311) Das für operationelle Risiken vorzuhaltende Kapital wird aus den Verlusterfahrungen des jeweiligen Instituts errechnet Die Unterlegung operationeller Risiken mit Eigenkapital wird über den Bruttoertrag der Geschäftsfelder ermittelt, in denen die Bank tätig ist

Die Unterlegung operationeller Risiken mit Eigenkapital wird über den Bruttoertrag der Bank bestimmt

Fortgeschrittene Bemessungsansätze

Standardansatz

Basisindikatoransatz Zunehmende Risikosensitivität und Messgenauigkeit Zunehmende qualitative und quantitative Anforderungen Abnehmende Eigenmittelanforderungen (Anreiz)

Quelle: Eigene Darstellung.

b)

Basisindikatoransatz – BIA

447 Der einfachste der drei Ansätze sieht eine Eigenkapitalunterlegung nach einem festgesetzten Prozentsatz von 15 % (D) des positiven Bruttoertrags vor. Für den Bruttoertrag wird der Durchschnitt der vergangenen drei Jahre zugrunde gelegt. Für den BIA existieren keine Mindestanforderungen, allerdings wird die Einhaltung der Sound Practices gefordert.312) 448 Da die Höhe der Eigenkapitalanforderung beim BIA lediglich von der Höhe des Bruttoertrages abhängt, weist dieser Ansatz keine Risikosensitivität und keine Anreize für Banken zur Verbesserung des Risikomanagements auf.313) Je erfolgreicher eine Bank (gemessen an ihrem Bruttoertrag der letzten drei Jahre) ist, desto höher ist die Eigenkapitalunterlegung für operationelle Risiken. c)

Standardansatz – STA

449 Äquivalent zum BIA wird die Höhe der Eigenkapitalanforderung im STA an die Höhe des Bruttoertrages geknüpft. Die Tätigkeiten einer Bank werden im Standardansatz acht Geschäftsfeldern zugeordnet. Anhand der Höhe des Bruttoertrages des individuellen Geschäftsfeldes und einem individuell pro Geschäftsfeld definierten Prozentsatz E wird die Eigenkapitalanforderung bestimmt. Mit den spezifischen E-Faktoren soll dem Risikoexposure der einzelnen Geschäftsfelder Rechnung getragen werden. Der Indikator zur Berücksichtigung des Bruttoertrages wird für den BIA und STAS, wie in der folgenden Darstellung dargestellt, berechnet. Für den STA wird analog der Drei-Jahres-Durchschnitt des Bruttoertrages zugrunde gelegt.314)

___________ 311) 312) 313) 314)

396

Vgl. Artt. 312 f. CRR. Vgl. Art. 315 CRR. Vgl. Hofmann, Operationelle Risiken, S. 102. Vgl. Art. 317 CRR.

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VI. Eigenmittelanforderungen für operationelle Risiken

§7

Abb. 12: Berechnung des Indikators für den BIA und STA315) Nicht zu berücksichtigen/gegebenenfalls herauszurechnen

Für den Indikator zu berücksichtigende Positionen + Zinserträge



Außerordentliche oder unregelmäßige Erträge

− Zinsaufwendungen



Realisierte Gewinne oder Verluste aus der Veräußerung von Positionen, die nicht im Handelsbuch enthalten sind Erträge aus Versicherungsgeschäften

+ Provisionserträge − Provisionsaufwendungen



+ Laufende Erträge aus Aktien und anderen nicht festverzinslichen Wertpapieren

450

+ Sonstige betriebliche Erträge + − Nettoertrag bzw. Nettoaufwand aus Finanzgeschäften Relevanter Indikator

Eventuell im Rahmen der Risikovorsorge vorgenommene Einzelwertberechnungen wirken sich nicht vermindernd auf den relevanten Indikator aus

Quelle: Eigene Darstellung.

Für die Anwendung des STA wurden Mindestanforderungen definiert. Gefordert werden 451 die aktive Beteiligung der Geschäftsleitung im Risikomanagement, ein solides und fest verankertes Risikomanagementsystem sowie ausreichende Ressourcen zur Umsetzung des Ansatzes.316) Banken haben die Möglichkeit, sich von der zuständigen Aufsichtsbehörde einen alterna- 452 tiven Standardansatz genehmigen zu lassen. Zweck ist es, die doppelte Anrechnung von Risiken zu vermeiden. Dem alternativen Standardansatz werden besondere Geschäftsfelder zugrunde gelegt, die wiederum mit ihrem geschäftsfeldspezifischen E-Faktor bezogen auf den Bruttoertrag die Höhe der Eigenkapitalunterlegung ergeben.317) Wie der BIA ist der STA an den Bruttoertrag geknüpft. Daraus folgen auch für den Stan- 453 dardansatz eine mangelhafte Risikosensitivität und ein fehlender Anreiz zur Verbesserung des Risikomanagements.318) Auch wenn der Bruttoertrag für die einzelnen Geschäftsfelder berechnet wird und die geschäftsfeldspezifischen E-Faktoren dem jeweiligen Risikoprofil besser entsprechen sollen, wird weiterhin ein positiver Zusammenhang von Erfolg einer Bank und dem Eigenkapitalbedarf unterstellt. Der Nutzen des Wechsels vom BIA in den STA ist in der Regel stark abhängig vom Ge- 454 schäftsmodell der Bank bzw. von den Geschäftsfeldern, in denen die Bank ihre Bruttoerträge erzielt. Das individuelle Geschäftsmodell der Bank ist bei einer Wechselentscheidung zu berücksichtigen, denn der Standardansatz führt nicht bei jedem Geschäftsmodell zu geringeren Kapitalunterlegungsanforderungen. d)

Fortgeschrittene Ansätze – AMA

Für die Genehmigung eines fortgeschrittenen Ansatzes (AMA) hat die Bank ein internes 455 Modell zu entwickeln, das dann zunächst von der zuständigen Aufsichtsbehörde abge___________ 315) 316) 317) 318)

Vgl. Art. 316 CRR. Vgl. Art. 318 CRR. Vgl. Art. 319 CRR. Vgl. Hofmann, Operationelle Risiken, S. 104 f.

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397

§7

Eigenmittelregulierung

nommen werden muss. Hierfür sind von der Bank verschiedene Mindestanforderungen einzuhalten:319) x

Generelle Anforderungen: x Aktive Unterstützung der Geschäftsleitung in das Risikomanagement-System operationeller Risiken, x feste Implementierung des Risikomanagement-Systems operationeller Risiken, x Vorhalten ausreichender Ressourcen sowohl in den Geschäftsfeldern als auch in den Kontroll- und Revisionsbereichen zur Umsetzung des fortgeschrittenen Ansatzes.

x

Qualitative Anforderungen: x Etablierte Einheit für das Management operationeller Risiken; x das bankinterne Messsystem operationeller Risiken muss eng in die operativen Risikomanagementprozesse eingebunden sein, x die interne Revision/der externe Prüfer prüft regelmäßig die Risikomanagementprozesse.

x

Quantitative Anforderungen: x Sammlung und Nutzung interner Verlustdatenhistorien (mindestens über fünf Jahre) und Anreicherung mit externen Daten, x Durchführung von Szenarioanalysen, x Berücksichtigung von Geschäftsumfeld- und internen Kontrollfaktoren bei der Quantifizierung operationeller Risiken sowie Anwendung AMA-Soliditätskriterium (Ermittlung des Value at Risk mit 99,9 % Konfidenzintervall bei einer Haltedauer von einem Jahr).

456 Mittels eines AMA werden operationelle Risiken anhand interner und externer Daten (ex ante und ex post) quantifiziert und eine bankspezifische Verlustverteilung ermittelt. Operationelle Risiken folgen dabei wie Kreditrisiken einer rechtsschiefen Verlustverteilung, bei der der Großteil der Verluste ein geringes Schadensausmaß aufweist und die Schadensanzahl mit der Verlusthöhe abnimmt. 457 Für eine Übergangszeit wird auch die Verwendung eines fortgeschrittenen Ansatzes für einen einzelnen oder einen Teil der Geschäftsfelder zugelassen (sog. partial-use). Generell wird der Aufsichtsbehörde eine Beobachtungsphase des verwendeten Systems eingeräumt, bevor die Verwendung des individuellen, fortgeschrittenen Ansatzes genehmigt wird.320) 458 Im Gegensatz zu den beiden vorab dargestellten Ansätzen verfügen die fortgeschrittenen Ansätze über verschiedene quantitative und qualitative Aspekte, anhand derer sich die Eigenkapitalanforderung am individuellen Risikoprofil der Bank orientiert.321) Somit zeichnet die fortgeschrittenen Ansätze ihre Risikosensitivität aus. Dadurch wird ein proaktives, vorausschauendes Management operationeller Risiken gefördert.

___________ 319) Vgl. Art. 321 f. CRR. 320) Vgl. Art. 314 CRR. 321) Vgl. Hofmann, Operationelle Risiken, S. 121.

398

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VI. Eigenmittelanforderungen für operationelle Risiken e)

§7

Wahl des Ansatzes

Generell ist es der Bank überlassen, welcher Ansatz zur Eigenkapitalunterlegung operati- 459 oneller Risiken angewendet wird. Von Seiten der Bankenaufsicht als auch vom Bankenmarkt wird indes erwartet, dass mit steigender Größe der Bank ein höherer Ansatz angewendet wird.322) Kleine Mittelstandsbanken verwenden tendenziell den BIA, größere Mittelstandsbanken den STA. Von international tätigen Großbanken wird erwartet, dass sie den AMA umsetzen und anwenden. Der Mehraufwand beim Wechsel vom BIA in den STA beschränkt sich auf ein System 460 zur Zuordnung interner Geschäfte in die Geschäftsfelder des STA. In Einzelfällen kann es hier jedoch zu starken Abweichungen interner Geschäftsfelder mit den „Standard“Geschäftsfeldern des STA kommen. Der Wechsel zum AMA ist mit hohem Aufwand und auch hohen Kosten verbunden. 461 Zugrunde liegende Modelle sind zunächst zu konzeptionieren und die interne Organisation und die Prozesse müssen zur Umsetzung eingerichtet werden. Den Kosten der Umsetzung stehen indes geringere Eigenkapitalanforderungen gegenüber. Durch ein proaktives und vorausschauendes Risikomanagement werden außerdem in- 462 direkt Schadensfälle aus operationellen Risiken vermieden bzw. deren Auswirkungen (Verlusthöhe) ggf. reduziert. Maßnahmen eines solchen proaktiven Managements sind häufig dem Qualitätsmanagement zuzuordnen. Sie beziehen sich auf die Ursachen operationeller Risiken (Personen, Prozesse, PCs) und führen somit zu einer qualitativen Verbesserung der Prozesslandschaft, einem durch ein verbessertes Arbeitsklima motiviertem Personal und einer sicheren IT-Landschaft. Vor allem Banken mit einem hohen Exposure operationeller Risiken meinen zu beobachten, dass das identifizierte Exposure mit einem Wechsel zum AMA steigt. Diese Einschätzung ist trügerisch, da diese Risiken bereits vorab bestanden, aber nicht als operationelle Risiken erkannt wurden. Erst mit Einrichtung entsprechender Methoden und Techniken (z. B. Risk Assessment, Key Risk Indicators, Szenarioanalysen) werden diese operationellen Risiken identifiziert. Das heißt, auch die damit verbundenen Verluste bestanden bereits vor der Einführung des AMA. Operationelle Risiken konnten indes nicht als Ursache für diese Verluste erkannt werden. Durch ein angemessenes Maßnahmenmanagement hat die Bank die Chance, die Verluste aus operationellen Risiken zu vermeiden oder zu vermindern und damit mittelfristig einen geringeren Bedarf zur Eigenkapitalunterlegung über entsprechende Modelle erreichen zu können. Der Nutzen eines proaktiven umfassenden betriebswirtschaftlichen Managements operationeller Risiken wird in der folgenden Grafik illustrativ dargestellt.

___________ 322) Vgl. auch BCBS, Basel II: Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen, v. 6/2006, Rz. 647.

Hater/Kronbichler

399

§7

Eigenmittelregulierung

463 Abb. 13: Wirkung eines betriebswirtschaftlichen Managements operationeller Risiken Wirkungen eines betriebswirtschaftlichen OpRisk-Managements auf die Risikoursachen

Erhöhung Risikosensitivität der Mitarbeiter

Erhöhung Prozesseffizienz

Verbesserung IT-Infrastruktur

Fehlerreduktion

Steigerung Mitarbeiterzufriedenheit

Höhere Ausschöpfung Bestandskundenpotenzial

Steigerung Kundenzufriedenheit

Kundenzuwachs

Reputationssteigerung

Steigerung Unternehmenswert/-erfolg Quelle: Eigene Darstellung.

4.

Überarbeitung Eigenkapitalanforderungen im Zuge von Basel IV

a)

Einführung

464 Im Rahmen der Überarbeitung der Basler Vorschriften (sog. Basel IV) wurden die Regularien zur Eigenkapitalunterlegung von operationellen Risiken vom BCBS zwischen 2014 und 2017 grundlegend überarbeitet. Danach wird ein neuer Standardansatz (Standardised Measurement Approach – SMA) eingeführt, der die bestehenden drei Ansätze (BIA, STA, AMA) ersetzt. Der neue SMA wird somit durch alle Banken verpflichtend anzuwenden sein. 465 Der erste Vorschlag des BCBS sah vor, nur die einfachen Ansätze (BIA und STA) durch einen neuen Standardansatz zu ersetzen.323) Im darauf folgenden, überarbeiteten Konsultationspapier in 2016 wurde indes radikaler vorgeschlagen, alle aktuell bestehenden Ansätze durch nur einen Ansatz zu ersetzen.324) Auf Basis einer quantitativen Auswirkungsstudie325) wurde der vorgeschlagene Ansatz u. a. hinsichtlich der Parametrisierung nochmals überarbeitet und als finale Fassung veröffentlicht. Die finale Fassung von Dezember 2017 sieht ebenfalls eine Abschaffung der drei bestehenden Ansätze vor.326) Der neue SMA sollte ursprünglich ab 2022 anzuwenden sein. Am 27.3.2020 kündigte die Gruppe der Zentralbankpräsidenten und Leiter der Aufsichtsbehörden (GHOS) an, dass aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie die Erstanwendung um ein Jahr auf den 1.1.2023 verschoben wird.

___________ 323) Vgl. BCBS, Consultative Document, Operational risk – Revisions to the simpler approaches, v. 6.10.2014. 324) Vgl. BCBS, Consultative Document, Standardised Measurement Approach for operational risk, v. 4.3.2016. 325) Vgl. BCBS, Basel III: Monitoring Report, v. 12.9.2017. 326) Vgl. BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017.

400

Hater/Kronbichler

§7

VI. Eigenmittelanforderungen für operationelle Risiken Abb. 14: Entwicklung des neuen SMA für operationelle Risiken (Basel IV) BCBS #291

BCBS #424

BCBS #355

Consultative Document „Operational risk – Revisions to the simpler approaches“ 2014

466

Consultative Document „Standardised Measurement Approach for operational risk“ (SMA) …

Basel III: Finalising post-crisis reforms SMA 2016

2017



2023

BCBS #426 Basel III Monitoring Report – Results of cumulative QIS

Quelle: Eigene Darstellung.

Mit der Abschaffung der bestehenden Ansätze und Einführung des neuen SMA verfolgt 467 der BCBS vier grundsätzliche Ziele:327) x

Vergleichbarkeit: Die Eigenkapitalunterlegung für operationelle Risiken soll zwischen den Banken vergleichbarer werden. Die Vergleichbarkeit ist durch die aktuelle Wahlmöglichkeit zwischen drei Ansätzen (BIA, STA, AMA) stark eingeschränkt. Ferner bietet der AMA den Banken individuelle Ausgestaltungsmöglichkeiten, so dass die Vergleichbarkeit der Kapitalunterlegung selbst dann einschränkt ist, wenn die zu vergleichenden Banken den gleichen Ansatz, den AMA, anwenden.

x

Einfachheit: Mit dem neuen SMA soll die Ermittlung der Eigenkapitalunterlegung einfach möglich sein. Vor allem für kleinere Institute sollen keine komplexen Methoden (wie z. B. interne, statistische Modelle) verpflichtend vorgeschrieben werden.

x

Risikosensitivität: Ein wesentlicher Schwachpunkt der einfachen Ansätze (BIA und STA) ist ihre fehlende Risikosensitivität. In der Vergangenheit konnte vielfach eine Zunahme der Anzahl und Schwere von operationellen Risikoereignissen beobachtet werden, z. B. während der Finanzkrise. Die mittels einfacher Standardansätze ermittelte Eigenkapitalunterlegung für operationelle Risiken ist in diesen Fällen indes stabil geblieben oder ist teilweise sogar gesunken. Der neue SMA versucht diesem Schwachpunkt entgegenzuwirken und die Risikosensitivität zu stärken.

x

Individualität: Der neue SMA soll die individuelle Risikosituation der Banken widerspiegeln können. Banken, die in der Vergangenheit gezeigt haben, dass ihre Verluste aus operationellen Risiken gering sind, sollen für operationelle Risiken weniger Eigenkapital unterlegen müssen und vice versa.

b)

Neuer Standardansatz – SMA

aa)

Überblick

Der SMA besteht aus den zwei Komponenten Geschäftsindikatorkomponente (Business 468 Indicator Component – BIC) und Verlustmultiplikator (Internal Loss Multiplier – ILM), die miteinander multipliziert werden. Durch die Multiplikation von BIC und dem ILM wird die Höhe des Eigenkapitals ermittelt, mit denen operationelle Risiken regulatorisch mindestens unterlegt werden müssen: Min. KapitalSMA=BIC×ILM

___________ 327) Vgl. BCBS, Consultative Document, Standardised Measurement Approach for operational risk, v. 4.3.2016, Rz. 5 ff. Vgl. auch BCBS, Discussion Paper, The regulatory framework: balancing risk sensitivity, simplicity and comparability, v. 8.7.2013.

Hater/Kronbichler

401

§7

Eigenmittelregulierung

469 Die beiden Komponenten, BIC und ILM, werden im Folgenden näher erläutert. bb)

Geschäftsindikatorkomponente (Business Indicator Component – BIC)

470 In einer vom BCBS durchgeführten Studie wurden diverse Faktoren hinsichtlich ihrer Erklärungskraft für die Höhe der operationellen Risiken untersucht. Der Geschäftsindikator stellte sich dabei als Variable mit der stärksten Erklärungskraft heraus.328) 471 Der Geschäftsindikator ähnelt sehr stark der Größe „Bruttoertrag“, die in den aktuell noch zu verwendenden einfachen Ansätzen Eingang findet (siehe Rz. 447 ff.). Der Geschäftsindikator wird aus GuV- und Bilanzgrößen errechnet. Die GuV- und Bilanzgrößen fließen als Durchschnittswert der letzten drei Jahre in die Berechnung ein.329) Der Geschäftsindikator ist die Summe aus drei Komponenten. Jede der drei Komponenten soll die Größe bzw. den Umfang operativer Banktätigkeiten für bestimmte Arten von Geschäften und die mit diesen operativen Tätigkeiten verbundenen operationellen Risiken widerspiegeln:330) x

Zins-, Leasing- und Dividenden-Komponente: Zinsergebnis und Dividendenerträge bilden die Basis für die Bestimmung des Umfangs von Tätigkeiten und damit verbundener operationeller Risiken bei Zins-/Dividendengeschäften. Ergebnisse aus Leasinggeschäften sind hier ebenfalls zu berücksichtigen.

x

Service-Komponente: Basis für die Abschätzung operationeller Risiken, die im Zusammenhang mit operativen Tätigkeiten bei Vermittlungsgeschäfte entstehen, werden durch GuV-Positionen dieser Komponente erfasst. Erträge und Aufwände für Gebühren und Provisionen sind ebenso wie Ergebnisse aus sonstigen betrieblichen Tätigkeiten in dieser Komponente berücksichtigt.

x

Finanz-Komponente: In dieser Komponente wird das Nettoergebnis aus Handelsbuchaktivitäten einerseits und aus Bankbuchaktivitäten andererseits berücksichtigt.

472 Die Geschäftsindikatorkomponente wird aus dem Geschäftsindikator ermittelt. Hierbei kommt eine Größenstaffelung zum Tragen: Je größer die Komponenten des Geschäftsindikators sind, desto größer ist die Geschäftsindikatorkomponente und die Mindestkapitalanforderung. Drei Größenstufen (sog. Buckets) für den Geschäftsindikator werden unterschieden. Den Größenstufen sind steigende Gewichtungsfaktoren zugeordnet, die mit dem Geschäftsindikator multipliziert und aufaddiert die Geschäftsindikatorkomponente ergeben. Wird die erste Größenstufe überschritten, wird nach einer Überlauflogik der Teil des Geschäftsindikators, der in die zweite Stufe fällt, mit dem Gewichtungsfaktor für diese Stufe multipliziert – entsprechend wird auf den Teil des Geschäftsindikators, der die zweite Größenschwelle überschreitet, der Gewichtsfaktor der dritten Größenstufe angewendet.331) 473 Die erste Größenstufe reicht bis zu einem Geschäftsindikator von einer Milliarde Euro. Die Gewichtung in der ersten Größenstufe beträgt 12 %. Die Gewichtung ist damit geringer als der D-Faktor im aktuell noch gültigen BIA (siehe Rz. 447 f.). Die zweite Grö___________ 328) Vgl. BCBS, Consultative Document, Standardised Measurement Approach for operational risk, v. 4.3.2016, Rz. 23. 329) Für die Ermittlung der Mindestkapitalunterlegung auf Gruppenebene sind gruppeninterne Geschäfte zu berücksichtigen. GuV-Positionen sind konsolidiert zu berücksichtigen. Für die Ermittlung der Mindestkapitalunterlegung für Tochterunternehmen sind die GuV-Positionen auf der Ebene der Tochter zu berücksichtigen. Vgl. BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017, S. 128 ff. 330) Für eine genaue Beschreibung der Komponenten vgl. BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017, S. 134 f. 331) Vgl. BCBS, Consultative Document, Standardised Measurement Approach for operational risk, v. 4.3.2016, Rz. 25 ff. Vgl. auch BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017, S. 129.

402

Hater/Kronbichler

§7

VI. Eigenmittelanforderungen für operationelle Risiken

ßenstufe, bei einem Geschäftsindikator zwischen 1 Mrd. € und 30 Mrd. €, wird mit 15 % gewichtet. Für Geschäftsindikatoren größer als 30 Mrd. € wird ein Faktor von 18 % angewendet. Die folgende Tabelle stellt die Daten dar. Übersicht: Größenstufe und Gewichtsfaktoren im SMA (Bucketsystematik)332) Größenstufe (Bucket)

Geschäftsindikator (in Mrd. €)

474

Gewichtungsfaktor

1

0 bis einschl. 1

2

1 bis einschl. 30

12 % 15 %

3

30 bis ’

18 %

Beispiel: Bei einem Geschäftsindikator i. H. von 10 Mrd. € fließen 1 Mrd. € in Größenstufe 1 und werden mit 12 % gewichtet, weitere 9 Mrd. € fließen in Größenstufe 2 und werden mit 15 % gewichtet. Die Geschäftsindikatorkomponente beträgt damit 1,47 Mrd. €.

cc)

Verlustmultiplikator (Internal Loss Multiplier – ILM)

Die zweite Komponente des neuen SMA, der ILM, ist von Instituten anzuwenden, die in 475 die Größenstufe 2 bzw. 3 fallen (siehe die Übersicht bei Rz. 474). Das heißt, Institute mit einem Geschäftsindikator größer als 1 Mrd. € sind grundsätzlich verpflichtet den Verlustmultiplikator zu berechnen und als zweite Komponente in der Ermittlung der Kapitalanforderungen für operationelle Risiken zu berücksichtigen.333) Institute der Größenstufe 1 (d. h. BIC ist kleiner oder gleich 1 Mrd. €) wenden den Ver- 476 lustmultiplikator gemäß Vorschlag des BCBS grundsätzlich nicht an.334) Für diese Institute wird der Verlustmultiplikator gleich eins gesetzt. Die Kapitalanforderung für operationelle Risiken entspricht für diese kleinen Institute der Geschäftsindikatorkomponente BIC. Der ILM basiert auf den Verlusten, die das Institut in der Vergangenheit bei Schadensfäl- 477 len aus operationellen Risiken erlitten hat. Der ILM ist wie folgt definiert:

ILM = ln ª¬exp 1  1  (LC/BIC)0,8 º ¼ Für die Berechnung des ILM sind institutsspezifische Verluste der letzten zehn Jahre zu 478 berücksichtigen. In einer Übergangsphase kann in Ausnahmefällen ein geringerer Betrachtungshorizont akzeptiert werden, der aber mindestens fünf Jahre umfassen muss.335) Die zehnjährige Verlusthistorie fließt in die Verlustkomponente ein (Loss Component – LC). In der Berechnung des ILM ist ferner die zuvor beschriebene Geschäftsindikatorkomponente (BIC) zu berücksichtigen. ___________ 332) Tabelle aus BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017, S. 129. 333) Die verpflichtende Anwendung des Verlustmultiplikators kann durch nationale Wahlrechte anders geregelt werden (s. hierzu Rz. 487). 334) Der BCBS sieht indes ein nationales Wahlrecht vor, durch das nationale Aufsichtsbehörden die Berücksichtigung des ILM auch für kleinere Banken (Bucket 1) erlauben können. Vgl. BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017, S. 130. 335) Voraussetzung für eine kürze als zehnjährige Verlusthistorie: Das Institut migriert aus dem Standardansatz in den SMA. Eine angemessene Datenqualität muss für mindestens fünf Jahre Verlusthistorie gewährleistet werden. Kann das Institut eine Verlustdatensammlung mit angemessener Qualität auch nicht über diesen Mindestzeitraum von fünf Jahren nachweisen, sind die Kapitalanforderungen nur auf Basis der Geschäftsindikatorkomponente zu berechnen. Die nationalen Aufsichtsbehörden können im Einzelfall indes auch eine Ermittlung des ILM auf einer Verlusthistorie von weniger als fünf Jahren vorschreiben. Vgl. BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017, S. 131.

Hater/Kronbichler

403

§7

Eigenmittelregulierung

479 Die Berechnung des ILM ist derart definiert, dass der ILM den Wert 1 annimmt, wenn LC und BIC gleich groß sind.336) In diesem Fall gilt, dass die Ermittlung der Kapitalanforderung der Geschäftsindikatorkomponente entspricht: Min. KapitalSMA

BIC u ILM

BIC u 1

480 Der ILM ist wesentlicher Stellhebel für die mittels SMA ermittelten Kapitalanforderungen. Der ILM wird größer 1, wenn LC BIC übersteigt. Die sich aus BIC ergebenen Kapitalanforderungen werden durch die multiplikative Verknüpfung um den Faktor ILM erhöht. Da der ILM in erster Linie von den Verlusten aus operationellen Schadensfälle der letzten zehn Jahre bestimmt wird, haben Verluste aus operationellen Risiken über einen sehr langen Zeitraum Auswirkung auf die Kapitalanforderungen. 481 Vice versa gilt aber auch, dass geringe Verluste aus Schadensfällen im Vergleich zur Größe der Geschäftsindikatorkomponente den ILM unter 1 sinken lassen. In diesen Fällen reduziert der Faktor ILM die sich aus der Geschäftsindikatorkomponente ergebenden Kapitalanforderungen. Eine geringe Anzahl von Schadensfällen und eine geringe Höhe der Schäden führen zu geringeren Kapitalanforderungen. Die Konzeption des ILM soll für Institute den Anreiz schaffen, das Management von operationellen Risiken zu verbessern. Ein solches Management sollte den Eintritt von Schadensfällen proaktiv vermeiden bzw. die Höhe der Verluste begrenzen (siehe hierzu auch Rz. 462 und Abb. 11). c)

Anwendung des neuen Standardansatzes (Standardised Measurement Approach – SMA)

482 Die Anwendung des neuen SMA setzt für Institute der Größenstufen 2 und 3 (Institute mit einem Geschäftsindikator größer 1 Mrd. €) eine Verlustdatensammlung von Verlusten aus Schadensfällen zu operationellen Risiken mit einer zehnjährigen Historie voraus. Zu sammelnde Daten sind:337) x

der Bruttoverlust aus dem Schadensfall,

x

das Datum des Verlustereignisses,

x

das Datum, zu dem der Schadensfall aufgedeckt wurde,

x

das Datum, zu dem der Verlust in der GuV wirksam wurde (Verlustrealisierung).

483 In die Verlustdatensammlung dürfen keine Ereignisse bzw. Verluste einfließen, die bereits dem Kreditrisiko zugeordnet wurden. Hierdurch werden Doppelzählungen von Risiken vermieden. 484 Zur Sammlung der institutsinternen Verlustdaten sind entsprechende Prozesse aufzusetzen. Die Prozesse sind zu dokumentieren. Der BCBS fordert ferner, dass die Prozesse und die Verlustdatensammlung regelmäßig durch unabhängige Stellen geprüft werden (interne und externe Prüfung).338) Banken im Bucket 2 oder 3 sind auch verpflichtet, interne Verlustdaten an die Aufsichtsbehörden zu melden.339) 485 In die Verlustdatensammlung sind Verluste aus Schadensfällen ab einem Verlust von 20.000 € aufzunehmen. Durch ein nationales Wahlrecht wird den nationalen Gesetzgebern ___________ 336) Vgl., BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017, S. 131. 337) Die Aufsicht geht davon aus, dass für Institute mit marktdurchschnittlichen Verlusten aus operationellen Schadensfällen, LC und BIC gleich groß sind und der ILM somit den Wert 1 annimmt. Vgl. BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017, S. 128. 338) Im Vorschlag des BCBS sind interne und externe Prüfungen vorgesehen. Vgl. BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017, S. 131. 339) Vgl. BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017, S. 134.

404

Hater/Kronbichler

VI. Eigenmittelanforderungen für operationelle Risiken

§7

indes die Möglichkeit gegeben, diese Schwelle zur Verlustdatensammlung auf 100.000 € für Institute in den Größenstufen 2 oder 3 anzuheben. Das heißt, Institute mit einem Geschäftsindikator größer 1 Mrd. € würden von dieser Erleichterung profitieren.340) Aktuell sind vor allem AMA-Banken verpflichtet, Verluste aus Schadensfällen von opera- 486 tionellen Risiken in einer Verlustdatenbank zu erheben. Gemäß Analysen des BCBS sind mehr als 80 % der Banken mit einem Geschäftsindikator größer 1 Mrd. € NichtStandardansatz-Banken.341) Ein großer Teil der Banken, die künftig durch den neuen SMA verpflichtet werden, Verlustdaten zu sammeln, erfüllen damit schon Anforderungen an eine Verlustdatensammlung. Indes gibt es aktuell auch Institute, die noch keine Verlustdaten für operationelle Risiken sammeln, aber aufgrund ihrer Größe dazu künftig verpflichtet sind. Diese Institute müssen zeitnah beginnen, eine entsprechende Historie aufzubauen. Auch wenn der neue SMA erst ab dem Jahr 2023 anzuwenden ist, muss bis zur Erstanwendung schon eine entsprechende Verlusthistorie aufgebaut sein. Im finalen Papier zum SMA ist ein weiteres nationales Wahlrecht vorgesehen. Danach 487 können die nationalen Aufsichtsbehörden den Wert des ILM für alle Institute in ihrer Gerichtsbarkeit auf 1 festlegen, unabhängig von der Größe der Bank.342) Da der ILM ein wesentlicher Stellhebel für künftige Eigenkapitalanforderungen der Institute ist (siehe Rz. 480), wird den nationalen Behörden hierdurch die Möglichkeit gegeben, die Auswirkungen des SMA für Institute in ihrer Gerichtsbarkeit stark zu beeinflussen. Allerdings entbindet die Nicht-Berücksichtigung des ILM bei der Eigenkapitalunterlegung die Institute nicht von der Verpflichtung, Verlustdaten zu sammeln und zu melden. Das heißt, auch wenn national die Ermittlung des ILM ausgesetzt ist und somit auch keine Verlustdaten für die ILM-Ermittlung benötigt werden, müssen diese Verlustdaten dennoch gesammelt und der Aufsicht gemeldet werden.343) d)

Auswirkungen auf die Eigenkapitalanforderungen

Der BCBS hat die Auswirkungen auf die Kapitalanforderungen durch die Einführung des 488 neuen SMA in mehreren sog. Auswirkungsstudien erhoben.344) Die Auswirkungsanalysen für den Stichtag 31.12.2017 wurden auf Basis der Daten von 105 Instituten aus unterschiedlichen Ländern durchgeführt. Unter diesen 105 Instituten waren 48 Institute, die den AMA anwenden. Alle 20 als global systemrelevant eingestuften Institute (sog. G-SIBs) sind in der Analyse berücksichtigt. Abb. 15 zeigt in einem Boxplot die in der Auswirkungsstudie ermittelten Veränderungen 489 der Eigenkapitalanforderungen für operationelle Risiken differenziert nach Größe bzw. Systemrelevanz. In der Darstellung wird ferner unterschieden, welchen Ansatz die Institute aktuell anwenden (fortgeschrittener Ansatz AMA oder Standardansätze BIA oder STA). Der Boxplot ist wie folgt zu lesen: Das erste und dritte Quartil sind die Grenzen der Box. In- 490 nerhalb dieser Grenzen liegen 50 % der Beobachtungen (d. h. Veränderungen der Kapitalunterlegungsanforderungen für operationelle Risiken durch den Wechsel vom aktuellen Ansatz auf den SMA). Die Antennen werden durch das Minimum und Maximum aufgespannt. Die Linie innerhalb der Box markiert den Median: 50 % der Beobachtungen liegen unter und 50 % über diesem Wert. Der gewichtete Durchschnitt ist durch den Punkt dargestellt. ___________ 340) Vgl. BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017, S. 131. 341) Vgl. BCBS, Consultative Document, Standardised Measurement Approach for operational risk, v. 4.3.2016, Rz. 30. 342) Vgl. BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017, S. 130. Das nationale Wahlrecht sieht ferner vor, die Berücksichtigung des ILM auch für kleinere Banken (Bucket 1) zu erlauben. 343) Vgl BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 7.12.2017, S. 134. 344) Vgl. z. B. BCBS, Basel III: Monitoring Report, v. 4.10.2018.

Hater/Kronbichler

405

§7

Eigenmittelregulierung

491 Abb. 15: Boxplot der Kapitalbedarfsauswirkungen durch den SMA (länderübergreifende Ergebnisse)345) Veränderung Kapitalanforderung durch SMA (in Prozent)

250,0

200,0

150,0

100,0

50,0

0,0

–50,0

–100,0 Große & International AMA

BIA/SA

Sonstige

… davon G-SIBs AMA

BIA/SA

AMA

BIA/SA

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Daten aus BCBS, Basel III: Monitoring Report, v. 4.10.2018, Kap. 4.4.1 und 4.4.2

492 Im Mittel zeigen sich moderate Auswirkungen. Der Median der Kapitalbedarfssteigerung beträgt für große, international tätige Institute +1,2 % (bei einem Wechsel von AMA zum SMA) bzw. –7 % (also ein Rückgang des Kapitalbedarfs bei einem Wechsel von BIA bzw. SA zum SMA). Für sonstige, kleinere Institute, die aus dem BIA oder SA zum SMA wechseln, werden im Median auf Basis dieser Auswirkungsstudie nahezu keine Änderung der Kapitalanforderungen für operationelle Risiken erwartet. 493 Trotz moderater Auswirkungen im Mittel, können die Auswirkungen auf den Kapitalbedarf im Einzelfall gravierend ausfallen: Die Änderungen der Kapitalanforderungen für große, international tätige Banken schwanken z. B. zwischen +127 % und –76 % (bei Wechsel von AMA zum SMA) bzw. zwischen +250 % und –48 % (bei Wechsel von den sonstigen Ansätzen zum SMA). 494 Die Auswirkungen der Einführung des neuen SMA auf die Kapitalanforderungen wurden auch speziell für den deutschen Markt analysiert. In den Analysen zum Jahresabschluss 2017346) und zum Halbjahr 2018347) wurden mehr als 30 deutsche Institute348) einbezogen. ___________ 345) Als groß wird ein Institut mit einem Kernkapital von mehr als 3 Mrd. € eingestuft. 346) Vgl. Bundesbank, Bericht zum Basel III-Monitoring für deutsche Institute – Stichtag 31.12.2017, v. 10/2018. 347) Vgl. Bundesbank, Statistischer Anhang zum Basel III-Monitoring für deutsche Institute – Stichtag 30.6.2018, v. 3/2019. 348) Sample für Jahresabschluss 2017: 7 große, international tätige Institute mit Kernkapital von mehr als 3 Mrd. €, 4 große, national tätige Institute mit Kernkapital von mehr als 3 Mrd. €, 6 mittelgroße Institute mit Kernkapital kleiner 3 Mrd. € und größer 1,5 Mrd, €, 18 kleine Institute mit Kernkapital kleiner 1,5 Mrd. €. Sample für Halbjahresabschluss 2018: 7 große, international tätige Institute mit Kernkapital von mehr als 3 Mrd. €, 5 große, national tätige Institute mit Kernkapital von mehr als 3 Mrd. €, 7 mittelgroße Institute mit Kernkapital kleiner 3 Mrd. € und größer 1,5 Mrd. €, 13 kleine Institute mit Kernkapital kleiner 1,5 Mrd. €.

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Hater/Kronbichler

§7

VI. Eigenmittelanforderungen für operationelle Risiken

Von den ca. 1.600 Instituten in Deutschland sind in dieser Stichprobe vor allem kleinere Institute relativ gering vertreten. Die Ergebnisse sind daher nicht repräsentativ für den gesamten deutschen Bankensektor. Einzelne Beobachtungen sind dennoch interessant. In den Studien wurde einerseits untersucht, wie die Effekte auf den Kapitalbedarf ausfallen, 495 wenn der SMA umgesetzt wird, wie vom BCBS vorgesehen. Andererseits wurde betrachtet, welche Kapitalbedarfseffekte sich ergeben, wenn das nationale Wahlrecht umgesetzt wird, die Berechnung des Verlustmultiplikators auch für größere Institute auszusetzen.349) Wesentliche Ergebnisse der Auswirkungen auf den Kapitalbedarf für operationelle Risi- 496 ken bei deutschen Instituten sind in der folgenden Übersicht dargestellt. Übersicht: Auszug Auswirkungen SMA Deutschland350) Institut

Effekt Kapitalbedarf für operationellen Risiken bei Umsetzung SMA inkl. ILM [in %]

497

Effekt Kapitalbedarf für operationellen Risiken bei Umsetzung SMA bei ILM = 1 [in %]

(Sehr) groß und international

+26,2

–21,6

(Sehr) groß

+74,4

+39,8

Mittelgroß

–3,1

–3,1

Klein

–6,8

–6,8

Alle

+26,6

–17,1

AMA-Institute

+25,5

–26,5

In der Analyse wird deutlich, dass vor allem (sehr) große Institute mit einem starken An- 498 stieg der Mindestkapitalanforderungen rechnen müssen. Auch für AMA-Institute wird ein starker Anstieg (25,5 %) erwartet. Dieser „Gleichlauf“ von großen Instituten und AMA-Instituten überrascht nicht, da vor allem große Institute den AMA anwenden. Ein Grund für den starken Anstieg sind die geringeren Ausgestaltungsmöglichkeiten im SMA im Vergleich zum AMA. Der SMA lässt sich weniger institutsindividuell ausgestalten. Ferner ist der Anstieg für große Institute getrieben durch die in der Vergangenheit beo- 499 bachteten hohen Schadensfälle. Hohe Verluste der Vergangenheit lassen den ILM steigen. Dies wird vor allem dadurch deutlich, dass bei einem ILM von 1 (d. h. bei Ausübung des nationalen Wahlrechts, den ILM = 1 zu setzen) die Auswirkungen auf die Mindestkapitalanforderungen gravierend anders ausfallen. Für sehr große, internationale Institute verkehrt sich das Bild: Ist noch von einem Anstieg der Mindestkapitalanforderungen auszugehen, wenn der ILM institutsspezifisch ermittelt werden muss, würden sich die Mindestkapitalanforderungen sogar reduzieren, wenn die Ermittlung des ILM in Deutschland für alle Institute ausgesetzt wird (bzw. = 1 gesetzt wird). Und auch für große, nicht internationale Institute wäre nicht mehr mit einem Kapitalbedarfsanstieg von 75 % zu rechnen, sondern „nur“ noch von einem Anstieg von etwa 40 %. Die Kapitaleffekte des neuen SMA werden also stark von der Ausgestaltung bzw. Anwendung des ILM beeinflusst. ___________ 349) Auswirkungen aus dem nationalen Wahlrecht, Verlustdaten erst für Schadensfälle ab einer Schadenssumme von 100.000 € berücksichtigen zu müssen, wurden ebenfalls untersucht. Die festgestellten Unterschiede hinsichtlich der Kapitalbedarfsauswirkungen sind indes gering und werden hier nicht separat dargestellt. 350) Vgl. Bundesbank, Statistischer Anhang zum Basel III-Monitoring für deutsche Institute – Stichtag 30.6.2018, v. 3/2019, S. 22.

Hater/Kronbichler

407

§7

Eigenmittelregulierung

500 Wenn die nationale Umsetzung die Anwendung des ILM vorsieht, ist der ILM wesentlicher Stellhebel des SMA. Wesentlicher Treiber des ILM wiederum sind die internen Verluste des Instituts. Der BCBS versucht durch den ILM, Anreize für ein besseres, proaktiveres Management operationeller Risiken zu schaffen. Denn mit einem proaktiven Management dieser Risiken können potentiell interne Verluste vermieden und damit der ILM und die Eigenkapitalunterlegung reduziert werden. 501 Für mittelgroße und kleine Institute wird in der Analyse ein leichter Entlastungseffekt auf die Mindestkapitalanforderungen festgestellt. Mittelgroße und kleine Institute wenden aktuell vor allem die Standardansätze an (BIA, STA). Der leichte Rückgang der Mindestkapitalanforderungen für diese Institute lässt sich u. a. durch die Gewichtungsfaktoren erklären. Die aktuelle Gewichtung im Basisindikatoransatz (Prozentsatz D, siehe Rz. 447) beträgt 15 %. Viele kleinere Banken fallen im neuen SMA in die erste Größenstufe. Für diesen beträgt der Gewichtungsfaktor nur 12 %. Da BIA-Prozentsatz D und SMAGewichtungsfaktor auf einen ähnlichen Indikator351) angewendet werden, ergibt sich eine leichte Reduktion der Kapitalanforderungen für kleinere Banken. 502 Die Ausübung des nationalen Wahlrechts, den ILM nicht ermitteln zu müssen, hat für kleinere Institute keinen Einfluss auf die Mindestkapitalbedarfe (siehe rechte Spalte in der Übersicht Rz. 497). Für kleinere Institute, die in Größenstufe 1 fallen, nimmt der ILM auch in der Ausgestaltung wie vom BCBS vorgeschlagen, den Wert 1 an. Daher ergeben sich aus der Ausübung des nationalen Wahlrechts, den ILM nicht ermitteln zu müssen, keine Effekte für kleinere Banken. VII. MREL und TLAC Amann

1.

Einführung

503 Während der Finanzkrise wurde deutlich, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über ein Institut sich nachteilig auf das Finanzsystem und darüber hinaus auf die Realwirtschaft auswirken kann. Deswegen sahen sich die Staaten gezwungen, zahlreiche Institute vor der Insolvenz zu retten. Die Durchführung staatlicher Stützungsmaßnahmen zur Rettung der Institute belastete die Staatshaushalte und verursachte Anreize für Institute und Investoren, im Vertrauen auf die Übernahme von Verlusten durch den Staat übermäßige Risiken einzugehen.352) Vor diesem Hintergrund einigten sich die Staats- und Regierungschefs der G20 im Jahr 2009 darauf, der vorherrschenden Bail-out-Politik, d. h. der Rettung ausfallender Banken unter Rückgriff auf öffentliche Mittel, ein Ende zu bereiten.353) 504 Das zentrale Element der daraufhin erarbeiteten Standards und Vorschriften für die Abwicklung von Banken stellt das sog. Bail-in-Instrument dar. Im Rahmen der Abwicklung eines Instituts soll sichergestellt werden, dass die Investoren eines Instituts nicht nur von den Gewinnen profitieren, sondern wie in einem herkömmlichen Insolvenzverfahren auch an den Verlusten des Instituts beteiligt werden. Mithilfe des Bail-in-Instruments können die eingetretenen Verluste eines Instituts seinen Gläubigern zugewiesen werden, indem ihre Kapitalinstrumente und Forderungen herabgeschrieben werden (siehe § 18 Rz. 74 ff. [Binder] zur Umsetzung des Bail-in-Instruments im EU-Recht). Dadurch soll verhindert werden, dass die Kosten der Schieflage eines Instituts auf die Steuerzahler abgewälzt werden. Darüber hinaus soll die Marktdisziplin durch das Bail-in-Instrument ge___________ 351) Die in den Geschäftsindikator einfließenden Positionen sind weitgehend vergleichbar mit dem Indikator im BIA bzw. STA. Die durch Änderungen am Indikator bedingten Änderungseffekte auf die Mindestkapitalanforderungen sind für viele Banken daher gering. 352) Vgl. Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, S. 31, 32. 353) Vgl. G20 Leaders Statement: The Pittsburgh Summit, v. 24./25.9.2009, Rz. 13.

408

Amann

§7

VII. MREL und TLAC

stärkt werden. Die glaubhafte Androhung der Beteiligung von Anteilseignern und Gläubigern an den Verlusten eines Instituts soll die Investoren zur Überwachung der Risiken eines Instituts anhalten und die mit der Erwartung eines Bail-outs einhergehenden Risikoanreize vermindern.354) Um zu gewährleisten, dass Institute jederzeit über ausreichend Bail-in-fähiges Kapital 505 verfügen, wurden mit den Kenngrößen Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities – MREL) und Gesamt-Verlustabsorptionskapazität (Total Loss Absorbing Capacity – TLAC) neue Kapitalanforderungen für Banken etabliert. Während die durch die Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD)355) eingeführten 506 MREL-Vorschriften bereits seit dem Jahr 2016 einzuhalten sind, bedurften die TLACVorschriften zunächst noch der Umsetzung in EU-Recht. Mit der Verabschiedung der CRR II356) ist die Umsetzung in EU-Recht im Mai 2019 erfolgt. Die Bestimmungen zu TLAC sind unmittelbar nach Inkrafttreten der CRR II erstmalig anzuwenden.357) Im Rahmen der Umsetzung der TLAC-Vorschriften wurden Anpassungen an den MRELVorschriften vorgenommen,358) um die beiden gleichgerichteten Anforderungen MREL und TLAC weitestgehend zu harmonisieren. Vor der erstmaligen Anwendung müssen diese Änderungen noch in nationales Recht umgesetzt werden. Für die Umsetzung wird den Mitgliedstaaten eine Frist von 18 Monaten nach Inkrafttreten der Änderungen an der BRRD gewährt.359) 2.

MREL

Die Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten 507 (MREL) wurde mit der BRRD als verbindliche Kennzahl eingeführt, die im laufenden Geschäftsbetrieb jederzeit einzuhalten ist.360) In Deutschland wurden die MREL-Vorschriften durch das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG)361) in nationale Gesetzgebung umgesetzt.362) Die MREL-Quote eines Instituts wird als Anteil der Summe der Eigenmittel und berück- 508 sichtigungsfähigen Verbindlichkeiten an der Summe der Gesamtverbindlichkeiten und Eigenmittel des Instituts ausgedrückt. Die MREL-Vorschriften gelten für alle in der EU ansässigen Banken. Die Höhe der ein- 509 zuhaltenden MREL wird für jedes Institut von den Abwicklungsbehörden individuell festgelegt, um der Heterogenität der europäischen Bankenlandschaft Rechnung zu tragen.363) Bei der Festlegung der Höhe der MREL haben die Abwicklungsbehörden einheitliche ___________ 354) Vgl. Haselmann/Krahnen/Wahrenburg, SAFE Policy Report No. 1, v. 3/2019, 177. 355) Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190, v. 12.6.2014. 356) Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. 357) Die Regelungen der CRR II sind grundsätzlich erst zwei Jahre nach Inkrafttreten der CRR II erstmalig anzuwenden. Die TLAC-Vorschriften bilden hiervon eine Ausnahme, vgl. Art. 3 Abs. 2 CRR II. 358) Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019. 359) Vgl. Art. 3 Abs. 1 BRRD II. 360) Vgl. Art. 45 Abs. 1 Satz 2 BRRD. 361) Sanierungs- und Abwicklungsgesetz – SAG, v. 10.12.2014, BGBl. I 2014, 2091. 362) Zur Umsetzung der MREL-Vorschriften im SAG vgl. Luz/Neus/Schaber/u. a.-Amann, KWG/CRR, §§ 49 – 56 SAG. 363) Vgl. Bundesbank, Monatsbericht 7/2016, S. 65, 77.

Amann

409

§7

Eigenmittelregulierung

Kriterien zu beachten.364) Die Festsetzung der Höhe der MREL für Institute, die von der EZB direkt beaufsichtigt werden, obliegt dem Single Resolution Board (SRB). Bei den übrigen Instituten in Deutschland ist die BaFin als Nationale Abwicklungsbehörde (NAB) für die Festlegung der Höhe der MREL verantwortlich.365) Für das Jahr 2018 betrug die vom SRB festgelegte einzuhaltende MREL-Quote durchschnittlich 26 % der risikogewichteten Aktiva.366) 510 Bei der Anwendung des Bail-in-Instruments sind die gesetzliche Haftungsrangfolge und der Grundsatz der Pari-Passu-Behandlung von Gläubigern zu beachten,367) d. h. die Verluste eines Instituts werden zuerst den Eigentümern aufsichtsrechtlicher Eigenmittelinstrumente zugewiesen. Die Eigenmittel eines Instituts sind daher bereits dem Wortlaut nach Bestandteil der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten. Die Verbindlichkeiten eines Instituts sind dann „berücksichtigungsfähig“, wenn bei ihnen nicht von vornherein Zweifel bestehen, ob sie rechtssicher und ohne die Finanzstabilität zu gefährden zur Verlustabsorption herangezogen werden können.368) Auf die MREL dürfen nur diejenigen „berücksichtigungsfähigen“ Verbindlichkeiten angerechnet werden, die bestimmte Qualitätsmerkmale aufweisen, durch die die Verlustabsorptionsfähigkeit der Verbindlichkeiten gewährleistet werden soll. 511 Zur Harmonisierung der MREL- und TLAC-Vorschriften wurde insbesondere der zur Messung der Verlustabsorptionsfähigkeit eines Instituts verwendete Nenner der MREL an die TLAC-Vorgaben angepasst. Nach Inkrafttreten der Änderungen wird die MREL nicht mehr als Anteil an der Summe der Gesamtverbindlichkeiten und Eigenmittel (siehe Rz. 508), sondern als prozentualer Anteil des Gesamtrisikobetrags und der Gesamtrisikopositionsmessgröße eines Instituts ausgedrückt.369) Die Verlustabsorptionskapazität wird künftig also einerseits als Anteil des Nenners der Eigenmittelquoten, d. h. der risikogewichteten Aktiva (RWA), und andererseits als Anteil des Nenners der Verschuldungsquote (Leverage Ratio) gemessen. Die höhere der beiden Anforderungen ist für ein Institut bindend. 512 Während die Eigenmittel eines Instituts explizit auf die MREL angerechnet werden dürfen, wurde das Verhältnis der Mindestanforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten zu den Kapitalpufferanforderungen in den MRELVorschriften zunächst offengelassen. Dieses Verhältnis wurde i. R. der Harmonisierung ___________ 364) Die Kriterien zur Festlegung der Höhe der MREL wurden in der BRRD definiert, vgl. Art. 45 Abs. 6 BRRD. Zur Konkretisierung der Kriterien vgl. Delegierte Verordnung (EU) 2016/1450 der Kommission v. 23.5.2016, ABl. (EU) L 237/1 v. 3.9.2016. 365) Bis einschließlich 2017 hatte die FMSA die Funktion der Nationalen Abwicklungsbehörde (NAB) in Deutschland inne und war im Benehmen mit der BaFin für die Festlegung der MREL zuständig. Mit dem FMSA-Neuordnungsgesetz (Gesetz zur Neuordnung der Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung – FMSA-Neuordnungsgesetz (FMSANeuOG), v. 23.12.2016, BGBl. I 2016, 3171) wurden die Aufgaben der FMSA neu geordnet und die Nationale Abwicklungsbehörde als operativ eigenständige Einheit in die BaFin eingegliedert. 366) Vgl. BaFin, Festlegung der MREL Quote, Vortragsunterlagen i. R. der BaFin-Veranstaltung am 30.10.2018, S. 6. 367) Vgl. ErwG 77 BRRD. 368) In der BRRD wurden ursprünglich alle Verbindlichkeiten, die im Anwendungsbereich des Bail-inInstruments liegen, als „berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten“ bezeichnet, vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 71 BRRD. Sprachlich wurde keine Differenzierung zu den Verbindlichkeiten vorgenommen, die auf die MREL angerechnet werden können. In der BRRD II werden die beiden Gruppen sprachlich klar unterschieden, indem die Verbindlichkeiten, die im Anwendungsbereich des Bail-in-Instruments liegen, als „bail-in-fähige Verbindlichkeiten“ und die auf die MREL anrechenbaren Verbindlichkeiten als „berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten“ bezeichnet werden. 369) Vgl. ErwG 6 BRRD II und Art. 45 Abs. 2 BRRD. Die Festlegung der Höhe der einzuhaltenden MREL soll künftig weiterhin institutsspezifisch erfolgen.

410

Amann

§7

VII. MREL und TLAC

der MREL- und TLAC-Vorschriften klargestellt. Hartes Kernkapital, das zur Erfüllung der kombinierten Kapitalpufferanforderung dient, darf nicht gleichzeitig zur Erfüllung der MREL herangezogen werden.370) Eine doppelte Anrechnung des harten Kernkapitals zur Erfüllung der Kapitalpufferanforderung und der MREL hätte zur Folge, dass die Absorption von Verlusten durch das zur Erfüllung der Kapitalpufferanforderungen vorgehaltene Kernkapital unmittelbar zu einer Unterschreitung der einzuhaltenden MREL führen würde. Die Funktion der Kapitalpuffer, Verluste im laufenden Geschäftsbetrieb aufzufangen, während die jederzeit einzuhaltenden Kapitalanforderungen erfüllt bleiben, könnte in diesem Fall nicht gewährleistet werden.371) Verstöße gegen die MREL sollen künftig sanktioniert werden, da sie ein Hindernis für 513 die Abwicklungsfähigkeit eines Instituts darstellen können. Im Zuge der Harmonisierung der MREL- und TLAC-Vorschriften wurden die möglichen Sanktionen einer Unterschreitung der MREL klargestellt. Die möglichen Maßnahmen sind nach der Schwere des Verstoßes abgestuft. Sofern ein Institut die kombinierte Kapitalpufferanforderung nicht erfüllt, wenn diese als zusätzliche Anforderung zur MREL betrachtet wird, kann die Abwicklungsbehörde zunächst Ausschüttungsbeschränkungen für das Institut verhängen.372) Für den Fall, dass das Kapital eines Instituts so weit absinkt, dass die MREL nicht eingehalten werden kann, kann die Abwicklungsbehörde im Benehmen mit der zuständigen Aufsichtsbehörde u. a. die Befugnisse zum Abbau von Hindernissen für die Abwicklungsfähigkeit ausüben oder Frühinterventionsmaßnahmen ergreifen, die den Behörden zur Sanierung eines Instituts offen stehen.373) Um die transparente Anwendung der MREL-Vorschriften sicherzustellen, sind künftig 514 Melde- und Offenlegungspflichten hinsichtlich der Höhe und Zusammensetzung der MREL zu beachten.374) Die Offenlegungsbestimmungen müssen erst ab Januar 2024 angewendet werden, um den Instituten ausreichend Zeit zu gewähren, die einzuhaltende MREL vollumfänglich zu erfüllen.375) 3.

TLAC

Der vom Financial Stability Board (FSB) erarbeitete Standard zur Total Loss Absorbing 515 Capacity (TLAC) wurde im November 2015 veröffentlicht.376) Dieser Standard zielt darauf ab, eine Mindestanforderung an die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit von global systemrelevanten Instituten (G-SRI) zu stellen. Die Vorgaben zu TLAC wurden durch die CRR II als Anforderung der Säule I in europäisches Recht umgesetzt. Die sog. TLAC-Anforderung wurde als „Anforderungen an Eigenmittel und berücksich- 516 tigungsfähige Verbindlichkeiten für G-SRI“ in EU-Recht umgesetzt, d. h. sie muss lediglich von den in der EU ansässigen global systemrelevanten Instituten erfüllt werden. Die TLAC-Anforderung wird einerseits risikobasiert als Anteil des Gesamtrisikobetrags eines ___________ 370) 371) 372) 373)

Vgl. Art. 128 Abs. 1 Unterabs. 4 CRD. Vgl. Bundesbank, Monatsbericht 7/2016, S. 65, 70, 82. Vgl. Art. 16a Abs. 1 BRRD. Vgl. Art. 45k BRRD zu den Befugnissen bei Verstößen gegen die MREL. Die Befugnisse der Behörden bei einer Unterschreitung der MREL gehen bis hin zu einer Bewertung, ob ein Institut ausfällt oder wahrscheinlich ausfallen wird. Eine Unterschreitung der MREL kann damit in letzter Konsequenz die Einleitung eines Abwicklungsverfahrens auslösen. 374) Vgl. ErwG 25 BRRD II sowie Art. 45i BRRD. Zur Festlegung einheitlicher Melde- und Offenlegungsformate der Informationen zur MREL wurde die EBA beauftragt, technische Durchführungsstandards zu erarbeiten. 375) Vgl. ErwG 37 BRRD II. 376) Vgl. FSB, Principles on Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution, Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) Term Sheet, v. 9.11.2015.

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411

§7

Eigenmittelregulierung

Instituts, d. h. als Anteil der risikogewichteten Aktiva (RWA), und andererseits nichtrisikobasiert als Anteil der Gesamtrisikopositionsmessgröße, d. h. als Anteil des Nenners der Verschuldungsquote (Leverage Ratio), ausgedrückt.377) TLAC  Anforderung

ª Eigenmittel  berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten

Max «

Geamtrisikobetrag(RWA)

¬ :

Eigenmittel  berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten

º »

Gesamtrisikopositionsmessgröße(Nenner der Leverage Ratio) ¼

517 Für die betroffenen Institute ist die jeweils höhere Anforderung bindend. Durch die risikobasierte Bemessung der vorzuhaltenden Verlustabsorptionskapazität soll sichergestellt werden, dass Institute mit höheren Risiken einer höheren TLAC-Anforderung unterliegen. Gleichzeitig soll der Gefahr vorgebeugt werden, dass der Gesamtrisikobetrag keine verlässliche Größe für die Messung von Risiken eines Instituts darstellt.378) 518 Im Rahmen der Einführung der TLAC-Anforderung wird den Instituten eine Übergangsregelung gewährt. Die einzuhaltende TLAC-Anforderung beträgt zunächst 16 % des Gesamtrisikobetrags sowie 6 % der Gesamtrisikopositionsmessgröße.379) Nach Ablauf der Übergangsfrist, d. h. ab dem Jahr 2022, steigt die TLAC-Anforderung auf 18 % des Gesamtrisikobetrags sowie 6,75 % der Gesamtrisikopositionsmessgröße. 519 Zur Erfüllung der TLAC-Anforderung dürfen neben den Eigenmitteln eines Instituts Verbindlichkeiten angerechnet werden, soweit sie die mit den MREL-Vorgaben harmonisierten Kriterien zur Einstufung als berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten erfüllen (siehe unten Rz. 523). Im Verhältnis zu den Kapitalpufferanforderungen stellt die TLACAnforderung eine zusätzliche Anforderung dar, d. h., das zur Erfüllung der Kapitalpufferanforderungen erforderliche harte Kernkapital darf nicht gleichzeitig zur Erfüllung der TLAC-Anforderung angerechnet werden. Wenn ein Institut die TLAC-Anforderung nicht erfüllen kann oder es wahrscheinlich ist, dass die TLAC-Anforderung in absehbarer Zeit unterschritten wird, greifen die gleichen Sanktionsmechanismen wie bei einer Unterschreitung der Eigenmittelanforderungen der Säule I. 520 Zur Regulierung von gegenseitigen Investitionen in berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten von Unternehmen, die der TLAC-Anforderung unterliegen, wurde das im europäischen Bankenaufsichtsrecht für Investitionen in Eigenmittelinstrumente anderer Institute etablierte Abzugsverfahren in Form des sog. Corresponding Deduction Approach auf berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten übertragen.380) Positionen in eigenen berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten und in berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten anderer Institute müssen zunächst von den eigenen berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten abgezogen werden. Soweit der Abzugsbetrag die eigenen berücksichtigungsfä-

___________ 377) 378) 379) 380)

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Vgl. Art. 92a Abs. 1 CRR. Vgl. Bundesbank, Monatsbericht 7/2016, S. 65, 71. Vgl. Art. 494 Abs. 1 CRR. Im Auftrag des FSB wurde vom BCBS ein Vorschlag zur Regulierung sog. „TLAC-Holdings“ erarbeitet, vgl. BCBS, Standard, TLAC holdings – Amendments to the Basel III standard on the definition of capital, v. 10/2016. Dieser Vorschlag sieht vor, das Ergänzungskapital als Abzugsgrundlage für Positionen in berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten anderer Institute heranzuziehen. Der europäische Gesetzgeber ist diesem Vorschlag im Hinblick auf die Wahl des Abzugsverfahrens, nicht jedoch im Hinblick auf die Abzugsgrundlage gefolgt.

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VIII. ECB Guide to ICAAP – Mindestanforderungen an die internen Prozesse

§7

higen Verbindlichkeiten eines Instituts übersteigt, muss der Abzug von der nächsthöheren Kapitalkategorie vorgenommen werden, d. h. von den Ergänzungskapitalinstrumenten.381) In Bezug auf die TLAC-Vorschriften sind Melde- und Offenlegungspflichten zu beach- 521 ten. Die Offenlegungspflichten hinsichtlich der TLAC-Anforderung umfassen u. a. Informationen zur Zusammensetzung der Eigenmittel und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten, zu deren Laufzeit und Hauptmerkmalen und zur Rangordnung der berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten in der Hierarchie der Gläubiger.382) 4.

Harmonisierte Definition berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten

Die Wirksamkeit der MREL und der TLAC-Anforderung setzt voraus, dass die zur Er- 522 füllung der jeweiligen Anforderung vorgehaltenen Verbindlichkeiten eine hohe Verlustabsorptionsfähigkeit besitzen. Verbindlichkeiten müssen deswegen bestimmte Eigenschaften aufweisen, um auf die Mindestanforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten angerechnet werden zu können. Die zu diesem Zweck ursprünglich in der BRRD definierten Kriterien zur Anrechnung von Verbindlichkeiten auf die MREL wurden weitestgehend an die im TLAC-Standard vorgegebenen Kriterien angepasst und in die CRR II überführt. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die beiden gleichgerichteten Anforderungen MREL und TLAC weitestgehend mit denselben Instrumenten erfüllt werden können.383) Die Kriterien zur Anrechnung von Verbindlichkeiten auf die MREL bzw. TLAC-An- 523 forderung setzen bspw. voraus, dass Verbindlichkeiten unmittelbar von einem Institut begeben bzw. aufgenommen und voll eingezahlt sind sowie eine Restlaufzeit von mindestens einem Jahr aufweisen. Zusätzlich zu den Merkmalen, die Verbindlichkeiten zur Anrechnung auf die MREL aufweisen müssen, setzt die Anrechnung auf die TLAC-Anforderung voraus, dass die betreffenden Verbindlichkeiten nachrangig gegenüber nicht anrechenbaren Verbindlichkeiten sind.384) Die Verbindlichkeiten, die die Kriterien zur Anrechnung auf die MREL bzw. die TLAC- 524 Anforderung erfüllen, werden als „berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten“ bezeichnet. Die Anrechnungsfähigkeit von Verbindlichkeiten auf die MREL oder die TLACAnforderung ist für den Umfang der Verbindlichkeiten, die bei Anwendung des Bail-inInstruments zur Verlustabsorption herangezogen werden können, unbeachtlich.385) VIII. ECB Guide to ICAAP – Mindestanforderungen an die internen Prozesse zur Beurteilung der Kapitaladäquanz Gann

1.

Allgemeines

Mit der klaren Intention, die Widerstandsfähigkeit der Kreditinstitute im Wirkungsbereich 525 des Single Supervisory Mechanism (SSM) nachhaltig zu stärken, fordert die EZB in dem Leitfaden „ECB Guide to the internal capital adequacy assessment process (ICAAP)“386) die ___________ 381) Vgl. Artt. 72e ff. CRR zu den Abzugsvorschriften für berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten. 382) Vgl. Art. 437a CRR. 383) Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungsfähigkeit von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG, 2002/47/EG, 2012/30/EU, 2011/35/EU, 2005/56/EG, 2004/25/EG und 2007/36/EG, COM(2016) 852 final, v. 23.1.2017, BR-Drucks. 47/17, S. 4. 384) Vgl. Art. 72b Abs. 2 CRR zu den Anrechnungskriterien und insb. Art. 72b Abs. 2 lit. d CRR zu dem Nachrangkriterium für die Anrechnung von Verbindlichkeiten auf die TLAC-Anforderung. 385) Vgl. zur Klarstellung EBA, Single Rulebook Q&A, Question ID 2017_3207. 386) ECB, Guide to the internal capital adequacy assessment process (ICAAP), v. 11/2018.

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§7

Eigenmittelregulierung

kontinuierliche Verbesserung der internen Prozesse zur zukunftsorientierten Beurteilung der Angemessenheit des Kapitals der Kreditinstitute (ICAAP).387) Ziel ist es, i. S. eines mikroprudenziellen Regulierungsansatzes die in der Vergangenheit beobachteten teilweise signifikanten Schwächen bei der Identifikation, Bewertung und effektiven Steuerung von Risiken durch die Institute nachhaltig zu eliminieren. Gleichzeitig soll durch die Umsetzung der Vorgaben sichergestellt werden, dass Banken sämtliche potentiell kapitalwirksamen Risiken jederzeit durch ein hinreichend großes Risikodeckungspotential hoher Qualität abdecken können. Die adversen Implikationen marktweiter oder idiosynkratischer Krisen für einzelne Institute werden dadurch reduziert und in der Folge die Widerstandsfähigkeit des gesamten Finanzsystems gegen Schocks erhöht. 526 Mit dem Leitfaden zum ICAAP, nachfolgend vereinfacht als EZB-Leitfaden bezeichnet, legt die EZB ihr Verständnis der aus Art. 73 der EU-Richtlinie 2013/36/EU resultierenden Anforderungen an den ICAAP umfassend dar.388) Sie formuliert damit i. S. der Definition eines Best Practice faktisch Mindestanforderungen an die Ausgestaltung des ICAAP von Kreditinstituten, welche ab dem Jahr 2019 den relevanten Bewertungsmaßstab für die aufsichtliche Beurteilung der Solidität und Effektivität des ICAAP der direkt beaufsichtigten Institute darstellen werden.389) 527 Da ein solider ICAAP die Unsicherheit über das aktuelle und potentiell zukünftige Risikopotential des Instituts reduziert und das Vertrauen der Aufsichtsbehörden in die Fähigkeit des Instituts stärkt, die Angemessenheit der Kapitalausstattung kontinuierlich zu gewährleisten, stellt die Beurteilung des ICAAP einen zentralen Baustein für den in den SREP-Guidelines beschriebenen SREP dar.390) Bei diesem überprüft die zuständige Auf___________ 387) Zu beachten ist, dass die EZB entsprechend dem Ziel der Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Kreditinstitute mit dem ILAAP-Leitfaden zu den Anforderungen an die Kapitaladäquanz analoge Vorgaben an die internen Prozesse zur Beurteilung der Angemessenheit der Liquidität formuliert, vgl. hierzu ECB, Guide to the internal liquidity adequacy assessment process (ILAAP), v. 11/2018. ICAAP und ILAAP sind dabei eng zu verknüpfen. S. hierzu auch die Ausführungen in Rz. 530 ff. und Rz. 578 f. 388) Die in Art. 73 CRD IV formulierten Anforderungen an den ICAAP basieren auf den prinzipienorientierten Vorgaben der zweiten Säule des Basel II/III-Rahmenwerks und gingen im Jahr 2013 durch das CRD IV-Umsetzungsgesetz auf Grundlage der Anpassung des § 25a Abs. 1 KWG in deutsches Recht ein. Das BaFin-Rundschreiben wiederum gibt auf der Grundlage dieses Paragraphen einen flexiblen und praxisnahen Rahmen für die Ausgestaltung des Risikomanagements der Institute vor, vgl. AT 1 Rz 1 MaRisk 2017. Anzumerken ist, dass die im Leitfaden definierten Erwartungen der EZB formal keine geltenden Rechtsvorschriften ersetzen und regelmäßig weiter entwickelt werden, um neue Entwicklungen und Erfahrungen angemessen zu berücksichtigen. 389) Der EZB-Leitfaden gilt unmittelbar für die i. R. des SSM direkt beaufsichtigten Institute (Significant Institutions, SI). Für die im SSM durch die EZB indirekt beaufsichtigten Institute (Less Significant Institutions, LSI) formulieren die entsprechenden nationalen Aufsichtsbehörden Anforderungen an den ICAAP, welche die im Leitfaden dargestellten Prinzipien in für LSI angemessener Form widerspiegeln. So finden sich die Anforderungen des EZB-Leitfadens bspw. für Kreditinstitute, die der unmittelbaren deutschen Bankenaufsicht unterstehen, in den Kriterien und Maßstäben wieder, die von der BaFin und Bundesbank niedergelegt sind (vgl. BaFin/Bundesbank, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018). Inhaltlich können dabei aufgrund des Proportionalitätsprinzips durchaus deutliche Unterschiede zwischen den Anforderungen des EZB-Leitfadens an SI und den darauf basierenden Vorgaben der nationalen Aufsichtsbehörden an LSI bestehen. So finden sich in dem Dokument von BaFin und Bundesbank z. B. weder die im EZB-Leitfaden explizit dargestellte Erwartungshaltung der EZB an SI zur Definition eines Managementpuffers noch die Vorgabe zur Formulierung eines Capital Adequacy Statements durch den Vorstand wieder. 390) Vgl. EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13); EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03). Die SREP-Guidelines konkretisieren die in Art. 97 CRD definierten Anforderungen zum aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess, welcher seinen Ursprung analog des Art. 73 CRD in den prinzipienorientierten Vorgaben der zweiten Säule des Basel II/III-Rahmenwerks findet und im Jahr 2013 durch das CRD IV-Umsetzungsgesetz auf Grundlage der Anpassung des § 6b KWG in deutsches Recht einging.

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VIII. ECB Guide to ICAAP – Mindestanforderungen an die internen Prozesse

§7

sichtsbehörde regelmäßig die Angemessenheit der Strategien, der Governance sowie der Kapital- und Liquiditätsausstattung (Overall SREP Assessment) und aggregiert ihre Bewertungsergebnisse für die einzelnen Prüfungsbereiche zu einer Gesamtbewertung, den Overall SREP Score, welcher wiederum Auslöser für weitergehende aufsichtliche Maßnahmen sein kann. Dabei ist insbesondere die Vorgabe von institutsindividuellen SREPKapitalaufschlägen – in der für den SSM seit 2017 gültigen Vorgehensweise in Form der Pillar 2-Requirement (P2R) sowie Pillar 2-Guidance (P2G) zu nennen.391) Die Erfüllung der im Leitfaden formulierten Erwartungen der EZB an den ICAAP hat somit über den Overall SREP Score und folglich die Höhe der institutsindividuellen SREP-Kapitalaufschlägen unmittelbare Auswirkungen auf die bei gegebenen Eigenmitteln maximale Höhe der Risiko- und damit Ertragspotentiale eines Kreditinstituts. Mit dem Ziel, eine stärkere Konvergenz der internen Kapitaladäquanzprozesse der direkt 528 beaufsichtigten Institute zu erreichen, formulierte die EZB bereits im Januar 2016 grundsätzliche Erwartungen an den ICAAP, die jedoch einen sehr geringen Detaillierungsgrad aufwiesen.392) Aufbauend auf diesen Vorgaben veröffentlichte die EZB im Februar 2017 i. R. einer informellen Vorabkonsultation des EZB-Leitfadens deutlich ausführlichere Erwartungen an den ICAAP. Die formelle öffentliche Konsultationsversion der Leitlinien zum ICAAP wurde im März 2018 publiziert und zeichnete sich durch eine weitere signifikante Konkretisierung der Anforderungen aus. Die Veröffentlichung des finalen EZBLeitfadens erfolgte im November 2018. Inhaltliche Änderungen gegenüber der offiziellen Konsultationsversion waren dabei insbesondere auf weitergehende Erläuterungen und Konkretisierungen zurückzuführen, welche sich auf die geforderte enge Verknüpfung einzelner Risikomanagementbausteine beziehen. Die praktische Umsetzung der Anforderungen des EZB-Leitfadens besitzt tiefgehende 529 Implikationen für die im SSM beaufsichtigten Banken. Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, ist dabei jedoch nicht in erster Linie an die Erfordernis der vollständigen Neudefinition von Methoden und Verfahren zu denken. Vielmehr induziert der Leitfaden insbesondere die Notwendigkeit, die bei den Kreditinstituten regelmäßig bereits bestehenden – und gemäß EZB essentiellen – Bausteine eines soliden ICAAP zielgerichtet weiterzuentwickeln und in eine stringente Prozessarchitektur einzubetten, welche eine konsistente, effektive und umfassende Verknüpfung sämtlicher ICAAP-Bausteine miteinander sowie mit den weiteren zentralen Elementen eines wirkungsvollen Risikomanagements (z. B. ILAAP und Sanierungsplanung) unter dem Gesichtspunkt einer wirkungsvollen Gesamtbanksteuerung sicherstellt. 2.

Die Anforderungen des EZB-Leitfadens zum ICAAP

a)

Überblick

Gemäß EZB-Leitfaden hat der ICAAP eines Instituts sicherzustellen, dass der eigene 530 Fortbestand – insbesondere auch in Krisenzeiten – jederzeit durch eine adäquate Kapital___________ 391) Während die P2R analog der Mindesteigenmittelanforderung der CRR durch das Institut zu jedem Zeitpunkt verpflichtend einzuhalten ist, ist eine Verletzung der P2G bei Vorliegen schwerwiegender adverser Bedingungen nach Rücksprache mit der verantwortlichen Aufsichtsbehörde grundsätzlich möglich, ohne dass dies zwangsläufig aufsichtsrechtliche Maßnahmen induzieren muss, vgl. EBA, 2016 EU-Wide Stress Test – Results, v. 29.7.2016, sowie EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Annex 2. Die P2G ergänzt somit faktisch die in Artt. 128 bis 131 CRR definierten Kapitalpufferanforderungen um einen auf Grundlage der SREP-Guidelines determinierten Pufferbetrag, welcher im Falle adverser Entwicklungen den Kapitalpuffern der CRR vorgelagert ist und dementsprechend „erstrangig“ zur Verlustabsorption zur Verfügung steht. 392) Vgl. ECB, Supervisory expectations on ICAAP and ILAAP and harmonised information collection on ICAAP and ILAAP, v. 8.1.2016.

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§7

Eigenmittelregulierung

ausstattung eigenständig und nachhaltig gesichert werden kann. Die Beurteilung der Kapitaladäquanz basiert dabei wesentlich auf einer Bewertung sämtlicher relevanter Kapitalrisiken und der damit einhergehenden Analyse der Risikotragfähigkeit, bei welcher eine Gegenüberstellung des gemessenen Risikopotentials zu den Kapitalien erfolgt, die bei einer potentiellen Materialisierung von Risiken zur Verlustabsorption zur Verfügung stehen.393) Für eine valide Beurteilung der Risikotragfähigkeit eines Instituts sind dabei stets auch die Implikationen (stark) adverser marktweiter und idiosynkratischer Stressbedingungen vor dem Hintergrund der institutseigenen Schwachstellen und des Geschäftsumfelds umfassend und konsistent zu berücksichtigen. Die tiefgehende Analyse der Risikotragfähigkeit ist für die Beurteilung der Angemessenheit der Kapitalausstattung grundlegend, muss mit dem Ziel eines aktiven Managements der Kapitaladäquanz jedoch umfassend in sämtliche Steuerungsprozesse eines Instituts – einschließlich der Prozesse zur Definition und Weiterentwicklung der Geschäfts- und Risikostrategien – eingebunden werden. Denn eine fundierte Bewertung der Kapitaladäquanz hat stets die zukünftige Entwicklung des Risikopotentials zu berücksichtigen, welche maßgeblich durch die geschäfts- und risikostrategische Ausrichtung des Instituts sowie dessen Fähigkeit determiniert wird, Risiken effektiv auf Grundlage der implementierten Governance möglichst unabhängig von der Entwicklung des Geschäftsumfelds steuern zu können. 531 Eine aktuelle, valide, zukunftsgerichtete und alle wesentlichen Risikoarten umfassende Risikotragfähigkeitsanalyse, das damit verbundene Stresstestingverfahren sowie die steuerungsrelevante Einbettung dieser Bausteine in die Governance des Instituts entsprechen den elementaren Zutaten eines wirksamen ICAAP. Entsprechend stellen die im EZBLeitfaden formulierten sieben Grundsätze die maßgebenden Erwartungen bzw. Anforderungen an genau diese grundlegenden ICAAP-Bausteine sowie deren Zusammenspiel dar (siehe Abb. 16 Rz. 533): x

Grundsätze 1 und 2 definieren die Mindestanforderungen an den hinsichtlich einer umfassenden Steuerungswirksamkeit des ICAAP notwendigen Governance-Rahmen des Kreditinstituts.

x

Gemäß Grundsatz 3 – das zentrale Element des Leitfadens – ist die Risikotragfähigkeit mit dem Fokus auf die dauerhafte Sicherstellung der Überlebensfähigkeit aus einer normativen und ökonomischen Perspektive zu analysieren, wobei beide ICAAPSichtweisen eng zu verknüpfen sind. Während die normative Perspektive auf die Erfüllung sämtlicher regulatorischer und aufsichtlicher Kapitalanforderungen und -vorgaben sowie sonstiger externer finanzieller Zwänge über einen mindestens dreijährigen Zeithorizont abzielt, beruht die ökonomische Perspektive methodisch – trotz der gemäß EZB in dieser Perspektive zugrunde zu legenden Annahme einer Fortführung

___________ 393) Aus aufsichtsrechtlicher Perspektive existieren hinsichtlich der Bewertung der Risikotragfähigkeit eines Instituts unterschiedliche Betrachtungsdimensionen, welche sich in den spezifischen regulatorischen Vorgaben für die potentiell möglichen Umweltzustände eines Instituts (Normal-, Stress-, Sanierungs- oder Abwicklungssituation) widerspiegeln. Vgl. Gann in: Igl/Krüger/Stepanek/Warnecke, Bankenabwicklung und MREL, S. 61; zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden dieser Betrachtungsdimensionen, welche durch die Vorgaben der CRR, der BRRD sowie EBA, Überarbeitete SREPGuidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03) definiert werden. Der i. R. dieses Beitrags betrachtete EZB-Leitfaden definiert Erwartungen an den ICAAP auf Grundlage einer Fortführungsannahme und richtet sich damit faktisch an Institute, die sich nicht in Abwicklung bzw. einer schwerwiegenden akuten Sanierungssituation befinden.

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VIII. ECB Guide to ICAAP – Mindestanforderungen an die internen Prozesse

§7

des Instituts – auf den in Deutschland als Gone-Concern- bzw. Liquidationsansätzen bezeichneten Verfahren.394) x

Grundsatz 4 fordert die Identifikation sämtlicher bestehender oder potentiell eintretender wesentlicher Risiken und deren Berücksichtigung in den beiden oben genannten Perspektiven des ICAAP.395)

x

Die Anforderungen an die Definition des i. R. der ökonomischen Perspektive verwendeten Risikodeckungspotentials sind Gegenstand des Grundsatzes 5.

x

Erwartungen an die dem ICAAP zugrunde liegenden Risikoquantifizierungsmethoden und deren Validierung werden in Grundsatz 6 formuliert.

x

Grundsatz 7 erläutert die maßgebenden Vorgaben der EZB an das Stresstestingverfahren eines Instituts zur Bewertung der Angemessenheit der Kapitalausstattung unter adversen Bedingungen.

Die in den genannten Grundsätzen definierten zentralen Anforderungen und deren Zu- 532 sammenspiel sowie die Implikationen für die direkt beaufsichtigten Institute werden nachfolgend zusammenfassend dargestellt. Abb. 16: Die sieben Grundsätze des EZB-Leitfadens

533

1 Das Leitungsorgan ist für eine solide Governance des ICAAP verantwortlich 2 Der ICAAP ist Bestandteil des übergreifenden Managementrahmens

3

4 Alle wesentlichen Risiken werden im ICAAP identifiziert und berücksichtigt

Der ICAAP trägt wesentlich zum Fortbestand der Institute bei, indem er die Angemessenheit ihres Kapitals aus verschiedenen Perspektiven gewährleistet

5 Das interne Kapital ist von hoher Qualität und eindeutig definiert

Normative Perspektive

Ökonomische Perspektive

Die Risikoquantifizierungsmethoden im ICAAP sind angemessen und konsistent und werden unabhängig validiert Regelmäßige Stresstests sollen die Angemessenheit des Kapitals unter widrigen Bedingungen sicherstellen

6

7

Quelle: Eigene Darstellung.

___________ 394) S. hierzu ausf. Rz. 542 ff. Die Methodik der traditionellen Gone-Concern- bzw. Liquidiationsansätze der ökonomischen Risikotragfähigkeitsanalyse deutscher Banken wurde wesentlich durch das 2011 veröffentlichte Dokument „Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte“ der BaFin und Bundesbank geprägt, vgl. BaFin/Bundesbank, Leitfaden, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte, v. 12.12.2011. 395) Gemäß EZB ist ein Risiko wesentlich, „[…] wenn sein Eintritt, seine Nichtberücksichtigung oder fehlerhafte Darstellung die angemessene Kapitalausstattung, die Profitabilität oder den Fortbestand des Instituts aus der ökonomischen Perspektive betrachtet wesentlich verändern oder beeinflussen würde, unabhängig davon, welche Rechnungslegungspraxis angewandt wird.“ Vgl. ECB, Guide to the internal capital adequacy assessment process (ICAAP), v. 11/2018, Beispiel 4.2.

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Eigenmittelregulierung

b)

Die sieben Grundsätze des EZB-Leitfadens

aa)

Grundsatz 1 – Das Leitungsorgan ist für eine solide Governance des ICAAP verantwortlich396)

534 Aufgrund der großen Bedeutung des ICAAP für den dauerhaften Fortbestand des Instituts muss dieser gemäß EZB eine zentrale Rolle in der Steuerung eines Kreditinstituts einnehmen.397) Folgerichtig wird bereits im ersten Grundsatz des EZB-Leitfadens die Gesamtverantwortung des Leitungsorgans des Kreditinstituts für die Umsetzung, die Genehmigung aller Kernelemente sowie den umfassenden Governance-Rahmen des ICAAP betont. Der Begriff Leitungsorgan umfasst dabei sowohl die Aufsichts- und Leitungsfunktion, welche in deutschen Kreditinstituten in zwei separaten Organen ausgeführt wird. Welche Funktion für die Genehmigung welcher Kernelemente des ICAAP verantwortlich ist, wird dabei den institutsspezifischen Regelungen zur internen Governance überlassen, für welche die nationalen und europäischen Rechtsvorschriften sowie die EBA-Leitlinien EBA/GL/2017/11 den relevanten Rahmen bilden.398) Die Übernahme der Gesamtverantwortung für den ICAAP durch das Leitungsorgan alleine wird für die Sicherstellung der tatsächlichen Steuerungsrelevanz des internen Kapitaladäquanzprozesses jedoch als unzureichend erachtet. Vielmehr besteht die explizit formulierte Erwartung der EZB, dass das Leitungsorgan, die obere Leitungsebene und die zuständigen Ausschüsse den ICAAP effektiv erörtern und hinterfragen. 535 Darüber hinaus muss das Leitungsorgan jährlich eine Erklärung – das Capital Adequacy Statement (CAS) – verfassen und unterzeichnen, in der die Einschätzung zur Angemessenheit der Kapitalausstattung des Instituts sowie die wichtigsten Gründe für diese Einschätzung klar und prägnant zum Ausdruck gebracht werden. Das CAS stellt für die EZB ein wichtiges Instrument dar, um das Verständnis des Leitungsorgans für die Adäquanz der Kapitalausstattung, die Funktionsweise und Methodik, die zentralen Bestimmungsfaktoren und Schwachstellen sowie die zugrunde liegenden Eingangsdaten, Ergebnisse und Prozesse des ICAAP beurteilen zu können. Da das umfassende Verständnis des Leitungsorgans für genau diese Sachverhalte die zentrale Grundvoraussetzung für die tatsächliche Steuerungsrelevanz des ICAAP darstellt, kommt der Qualität des CAS i. R. der jährlichen Meldung der ICAAP-relevanten Informationen an die EZB eine wichtige Bedeutung zu.399) 536 Als elementaren Teil des durch das Leitungsorgan verantworteten Governance-Rahmens des ICAAP betont die EZB ferner die grundlegende Bedeutung eines klar definierten und verlässlichen Ansatzes für die regelmäßige interne Überprüfung und Validierung des ICAAP. Entsprechend des Modells der drei Verteidigungslinien (Three Lines of Defense) ist die Überprüfung dabei entsprechend der in den EBA-Guidelines on Internal Governance jeweilig beschriebenen Aufgaben und Funktionen jeder Verteidigungslinie durch-

___________ 396) Vgl. ECB, Guide to the internal capital adequacy assessment process (ICAAP), v. 11/2018, Rz. 15–23. 397) Die große Bedeutung des ICAAP spiegelt sich auch in dem hohen Stellenwert dieses Prüfungsbereichs i. R. der SREP-Bewertung wider, vgl. hierzu Rz. 522 ff. sowie Rz. 578 f. 398) Vgl. EBA, Guidelines on internal governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11). 399) Die grundsätzlichen Informationen, welche die relevanten Aufsichtsbehörden zur Beurteilung des ICAAP und ILAAP eines Kreditinstituts entsprechend der in den SREP-Guidelines (EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03)) festgelegten Kriterien heranzuziehen haben und welche jährlich durch das Kreditinstitut an die relevanten Aufsichtsbehörden zu übermitteln sind, werden in EBA, Guidelines on ICAAP and ILAAP information collected for SREP purposes, v. 10.2.2017 (EBA/GL/2016/10), spezifiziert.

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VIII. ECB Guide to ICAAP – Mindestanforderungen an die internen Prozesse

§7

zuführen.400) Ziel der Überprüfung ist die valide Beurteilung der aktuellen und zukunftsgerichteten Solidität der internen Prozesse sowie der gewählten Methoden und Annahmen um auf dieser Basis eine proaktive Anpassung des ICAAP an alle wesentlichen Änderungen gewährleisten zu können. Dadurch soll die Solidität des ICAAP auch bei sich ändernden Rahmenbedingungen kontinuierlich sichergestellt werden, was eine bedeutende Voraussetzung für die bankinterne Akzeptanz und damit umfassende Steuerungsrelevanz des internen Kapitaladäquanzprozesses ist. Die Ergebnisse der Überprüfung müssen dokumentiert und vor dem Hintergrund der Sicherstellung der Steuerungsrelevanz des ICAAP gegenüber dem Leitungsorgan sowie der oberen Leitungsebene kommuniziert werden. bb)

Grundsatz 2 – Der ICAAP ist integraler Bestandteil des Gesamtsteuerungsrahmens401)

In Grundsatz 2 definiert die EZB aufbauend auf den im Grundsatz 1 dargelegten Erwar- 537 tungen an das Leitungsorgan ihr Verständnis hinsichtlich der zentralen Voraussetzungen für eine effektive operative Nutzbarkeit des ICAAP zur aktiven Steuerung der Angemessenheit der Kapitalausstattung. Da die in Grundsatz 1 geforderte Übernahme der Gesamtverantwortung sowie Sicherstellung des umfassenden Verständnisses für sämtliche wesentliche Aspekte des ICAAP durch das Leitungsorgan das Fundament einer aktiven Nutzung des bankinternen Kapitaladäquanzprozesses als Steuerungsinstrument darstellt, bildet der Grundsatz 1 die inhaltliche Basis für die in Grundsatz 2 formulierten Anforderungen. Neben dem quantitativen Rahmenwerk für die Bewertung der Angemessenheit der Kapitalausstattung – die Erwartungen der EZB diesbezüglich werden in Grundsatz 3 erläutert – kommt dem qualitativen Rahmen (wie z. B. der Ausgestaltung des Indikatorensystems zur frühzeitigen Identifikation potentieller Bedrohungen der Kapitaladäquanz) für die aktive Steuerung eine besondere Bedeutung zu. Um den ICAAP effektiv als Steuerungsinstrument nutzen zu können, müssen die quantitativen und qualitativen Aspekte des ICAAP miteinander in Einklang stehen, vollständig in die Geschäfts-, Entscheidungs- und Risikomanagementprozesse des Instituts integriert und innerhalb der gesamten Institutsgruppe konsistent und kohärent sein. Eine solide und wirksame ICAAPGesamtarchitektur als Teil der internen Governance muss dementsprechend die stringente Verknüpfung der individuellen ICAAP-Elemente miteinander sowie die wirksame Einbindung des ICAAP in sämtliche bestehende strategische und operative Steuerungsprozesse des Kreditinstituts gewährleisten. Dies erfordert einerseits die inhaltliche Konsistenz des ICAAP zu den weiteren risiko- 538 strategischen Prozessen des Instituts.402) Andererseits sind die in der normativen und ökonomischen Perspektive generierten, quantitativen Ergebnisse des ICAAP regelmäßig und anlassbezogen gegenüber verschiedenen Managementebenen zu berichten und bei allen ___________ 400) Vgl. EBA, Guidelines on internal governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11). Entsprechend des Three-Lines-of-Defence-Models stellt der Marktbereich, welcher die Risiken eingeht und i. R. seiner Aufgaben verwaltet, die erste Verteidigungslinie dar. Die nachgelagerten und vom Markt unabhängigen Funktionen Risikomanagement und Compliance nehmen die Identifizierung, Messung, Aggregation, Überwachung, Validierung und Berichterstattung der Risiken vor. Sie sind für die Einhaltung sämtlicher interner und externer Anforderungen auf Einzel- und Gruppenebene verantwortlich und stellen damit die zweite Verteidigungslinie dar. Die unabhängige Interne Revision als dritte Verteidigungslinie überprüft die erste und zweite Verteidigungslinie regelmäßig und anlassbezogen. 401) Vgl. ECB, Guide to the internal capital adequacy assessment process (ICAAP), v. 11/2018, Rz. 14 – 38. 402) Bspw. muss die vollumfängliche Konsistenz zwischen dem ICAAP und der Ausgestaltung des Sanierungsplans eines Instituts hinsichtlich der i. R. des ICAAP umgesetzten Managementmaßnahmen gegeben sein. Vgl. dazu z. B. ECB, Guide to the internal capital adequacy assessment process (ICAAP), v. 11/2018, Rz. 35 und 36 sowie Beispiel 2.1.

Gann

419

§7

Eigenmittelregulierung

wesentlichen Geschäftsaktivitäten und Entscheidungen umfassend zu berücksichtigen (z. B. durch die Nutzung ICAAP-basierter risikoadjustierter Performanceindikatoren in Entscheidungsprozessen, die ICAAP-basierte Festlegung der Kapitalallokation/Limitierung oder das Ergreifen präventiver Maßnahmen zur Stärkung der Kapitalbasis auf Grundlage der Ergebnisse des ICAAP). Darüber hinaus muss eine solide und wirksame ICAAPGesamtarchitektur die enge Einbettung des ICAAP in den Rahmen für die Risikobereitschaft (Risk Appetite Framework – RAF) eines Instituts sicherstellen. Das RAF und dessen Umsetzung definiert und begrenzt das angestrebte Gesamtrisikoprofil des Instituts und ist damit ein wichtiges Instrument zur Entwicklung, Implementierung und Operationalisierung der Geschäftsstrategie. Die EZB erwartet, dass das in der Regel in verschiedenen Dokumenten verankerte RAF in einer Erklärung zur Risikobereitschaft (Risk Appetite Statement – RAS) verdichtet wird, welches die maximale Risikobereitschaft des Instituts u. a. durch die Festlegung von Risikogrenzen prägnant definiert. Die im EZBLeitfaden definierten grundlegenden Vorgaben an das RAF sind dabei als Extrakt der weitreichenden Anforderungen zu verstehen, die zu dieser Thematik in den relevanten Veröffentlichungen des FSB, des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS), der EBA sowie der EZB formuliert werden.403) 539 Gemäß den Vorgaben dieser Institutionen muss das in der gemeinsamen Verantwortung von CEO, CRO sowie CFO liegende RAF die Verbindung zwischen den eingegangenen Risiken, der Angemessenheit der Kapital- und Liquiditätsausstattung und den strategischen Zielen des Instituts unter dem Gesichtspunkt der Definition des Gesamtrisikoappetits des Instituts darstellen. Entsprechend sind neben dem ICAAP im RAF auch weitere strategische Prozesse wie der ILAAP, die Sanierungsplanung oder die Vergütungssystematik umfassend zu berücksichtigen. Hinsichtlich des ICAAP muss das RAF gemäß den Erwartungen der EZB darlegen, wie die Umsetzung und die Überwachung der Strategie und Risikobereitschaft durch den ICAAP unterstützt werden und wie dadurch die effektive Einhaltung der im RAS dokumentierten Risikogrenzen ermöglicht wird. In diesem Zusammenhang kommt der Nutzung der ICAAP-Ergebnisse im System zur Risikoüberwachung – welches u. a. die Risikoberichterstattung sowie ein granulares Limitsystem umfasst – in der operativen Umsetzung des angestrebten Gesamtrisikoprofils eine zentrale Bedeutung zu. 540 Expliziter Teil des RAF – und damit Ausdruck des Risikoappetits des Instituts – ist gemäß Grundsatz 2 die Definition eines Managementpuffers. Dieser stellt einen Kapitalbetrag dar, der über den regulatorischen und aufsichtlichen Mindestwerten sowie den internen Kapital-Schwellenwerten liegt und den das jeweilige Institut als notwendig erachtet, um sein Geschäftsmodell nachhaltig betreiben und flexibel gegenüber etwaigen Geschäftschancen bleiben zu können, ohne seine angemessene Kapitalausstattung zu gefährden.404) Bei der Festlegung des Managementpuffers hat das Institut sämtliche wesentliche Aspekte, wie z. B. das Geschäftsumfeld und die Erwartungen relevanter Stakeholder, zu berücksichtigen. Gemeinsam mit den in Grundsatz 3 des EZB-Leitfadens formulierten Anforderungen an die Ausgestaltung des Managementpuffers wird deutlich, dass dieser die Einhaltung der Overall Capital Requirement (OCR) und Pillar 2-Guidance (P2G) unter den gemäß Grundsatz 3 zu analysierenden erwarteten Basisszenario-Bedingungen ___________ 403) Vgl. u. a. FSB, Principles for an Effective Risk Appetite Framework, v. 18.11.2013; BCBS, Guidelines Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015; ECB, SSM supervisory statement on governance and risk appetite, v. 6/2016; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), sowie EBA, Guidelines on internal governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11). 404) Vgl. ECB, Guide to the internal capital adequacy assessment process (ICAAP), v. 11/2018, S. 42.

420

Gann

§7

VIII. ECB Guide to ICAAP – Mindestanforderungen an die internen Prozesse

sowie der Total SREP Capital Requirement (TSCR) in den gemäß Grundsatz 3 ebenfalls zu betrachtenden hinreichend adversen Szenarien ermöglichen soll. Da im EZB-Leitfaden keine konkreten Vorgaben zur Ableitung des Managementpuffers 541 formuliert werden und auch die prinzipienbasierten Anforderungen diesbezüglich wenig präzise sind, verbleibt für das Verfahren zur Definition des Managementpuffers ein großer bankindividueller Spielraum. Vor dem Hintergrund, dass ICAAP und Sanierungsplan gemäß Grundsatz 2 Teil des identischen Risikomanagement-Rahmens sein müssen und im EZB-Leitfaden explizit eine logische Verknüpfung zwischen der Höhe des notwendigen Managementpuffers und der im Institut betrachteten Szenarien hergestellt wird,405) erscheint es sinnvoll, den Managementpuffer auf Grundlage des Zusammenspiels der Ergebnisse des im Institut betrachteten Stresstest-Programms, der institutsspezifischen aufsichtlichen SREP-Mindestquoten sowie der im schweren Stressfall zur Abwendung einer Abwicklungssituation vorhandenen kapitalwirksamen Handlungsoptionen, welche im Sanierungsplan eines Instituts definiert sind, abzuleiten.406) cc)

Grundsatz 3 – Der ICAAP trägt wesentlich zum Fortbestand der Institute bei, indem er die Angemessenheit ihrer Kapitalausstattung aus verschiedenen Perspektiven sicherstellt407)

(1)

Die zwei Perspektiven eines soliden ICAAP

Durch die aktive Steuerung der Kapitaladäquanz und die dadurch angestrebte kontinuier- 542 liche Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung, trägt der ICAAP maßgeblich zur Sicherung des Fortbestands eines Instituts bei. Vor dem Hintergrund dieses Kontinuitätsziels muss der ICAAP gemäß Grundsatz 3 des EZB-Leitfadens stets zwei komplementäre interne Perspektiven vereinen. Im Rahmen einer normativen Perspektive hat das Institut auf der Grundlage einer zur Geschäftsstrategie konsistenten mindestens dreijährigen Kapitalplanung zu bewerten, inwiefern die bestehenden quantitativen regulatorischen und aufsichtlichen Kapitalanforderungen und -vorgaben (wie u. a. die Mindesteigenmittelanforderungen gemäß CRR und SREP, Leverage Ratio und MREL) sowie sonstigen externen finanziellen Zwängen (z. B. Mindestausschüttungsanforderungen) erfüllt ___________ 405) Vgl. ECB, Guide to the internal capital adequacy assessment process (ICAAP), v. 11/2018, insb. Rz. 35 und 36, Beispiel 2.1 und 3.1 sowie Fn. 21 und 26. 406) So kann der Managementpuffer bspw. ausgehend von der Festlegung der Kapitalquoten abgeleitet werden, welche in den gemäß Vorgabe des Leitungsorgans zu überlebenden Szenarien des institutsspezifischen Stresstesting-Programms eingehalten werden sollen. Die simultane Berücksichtigung derjenigen kapitalwirksamen Handlungsoptionen des Sanierungsplans, die das Leitungsorgan im Krisenfall bereit ist (vor dem Hintergrund der durch den Einsatz der Optionen bedingten Implikationen für die Geschäftsstrategie bzw. Reputation des Instituts) einzusetzen, ermöglicht dann die stringente und nachvollziehbare Bestimmung eines Managementpuffers. Dieser Mechanismus sei durch das nachfolgende Beispiel veranschaulicht: Das Leitungsorgan strebt an, ein i. R. der normativen Perspektive betrachtetes stark adverses Szenario ohne Verletzung der OCR zu überleben. Im Rahmen der mehrjährigen Kapitalplanung zeigt sich jedoch, dass eine Unterschreitung der OCR bei diesem Szenario i. H. von X erfolgt. Gleichzeitig ist das Leitungsorgan vor dem Hintergrund des Fortführungsziels bei diesem Szenario lediglich bereit, kapitalwirksame Handlungsoptionen mit geringen Implikationen für die Geschäftsstrategie sowie Reputation des Instituts einzusetzen. Die unter dieser Maßgabe definierten Handlungsoptionen besitzen einen aggregierten Kapitaleffekt i. H. von Y, wobei Y 1 falls Liquiditätsrisiko in dem Land/Währung deckt Anleihen von supranationalen Instituten (z. B. IWF, etc.) und Entwicklungsbanken Förderbankanleihen und Anleihen von Kreditinstituten, deren Lebensfähigkeit von Staaten garantiert wird

Gedeckte Schuldverschreibungen höchster Qualität mit BS 1/RW 10 %, EV ≥ € 500 Mio.



Nicht-EU Zentralbank-, Zentral-/Regionalregierungen und PSE Anleihen hoher Qualität mit BS 2 EU-Regionalregierungen und PSE Anleihen hoher Qualität mit RW 20 % Gedeckte Schuldverschreibungen hoher Qualität mit min. BS 2/RW 20 %, EV ≥ € 250 Mio. Nicht-EU gedeckte Schuldverschreibungen hoher Qualität mit BS 1/RW 10 % Unternehmensanleihen mit BS 1, EV ≥ € 500 Mio., uLZ max. 10J

Verbriefungen (Abschlag: 25 % – 35 %) Gedeckte Schuldverschreibungen mit EV ≥ € 250 Mio. (Abschlag 30 %) Unternehmensanleihen mit min. BS 3, EV ≥ € 250 Mio., uLZ max. 10 Jahre (Abschlag: 50 %) Aktien (Abschlag: 50 %) Zugesagte Liquiditätsfazilitäten (EZB, EU/Nicht-EU Zentralbanken) Einlagen innerhalb von Genossenschaftsnetzen oder institutsbezogenen Sicherungssystemen



AS – Abschlag/Haircut BS – Bonitätsstufe

EV – Emissionsvolumen RW – Risikogewicht

uLZ– Ursprungslaufzeit

OGA (Abschlag: 0 % – 55 %)–Stufe und Abschlag auf Einzelbasis je nach Art der einzelnen Assets; bis zu € 500 Mio.







































0% ≥7 % ≥ 15 % ≥ 25 – 50 %

≥ 60% ≥ 30 %

≤ 40 %

≤ 15 %

AS

II. Liquidity Coverage Ratio – LCR

§9

Abb. 3: Einzelne Aktivastufen 63

Quelle: Eigene Darstellung.

469

Liquiditätspuffer

§9

Liquiditätsvorschriften

64 Bei der Anrechnung der Zentralbankguthaben ist zu beachten, dass der durchschnittliche tägliche Mindestreservebedarf17) von den Zentralbankguthaben in Abzug gebracht werden muss, da nur der den durchschnittlichen täglichen Mindestreservebedarf übersteigende Betrag als im Stressfall abziehbar gelten soll. e)

Sonderfälle

65 Darüber hinaus existieren noch Sonderfälle für die Aktiva, die nur für gewisse Institute bzw. Vermögensgegenstände eingeschränkt anwendbar sind. Dazu zählen: x

Eingeschränkt nutzbare zugesagte Liquiditätsfazilitäten (Art. 14 Delegierte VO (EU) 2015/61): Erfüllen von der Zentralbank zugesagte Liquiditätsfazilitäten gewisse Voraussetzungen, so können diese als Aktiva der Stufe 2B angerechnet werden.

x

Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen (OGA), Art. 15 Delegierte VO (EU) 2015/61 i. V. m. Art. 1 Nr. 9 Delegierte VO (EU) 2018/1620: Anteile oder Aktien von OGA können bis zu einem Absolutbetrag von 500 Mio. € als liquide Aktiva derselben Stufe wie die liquiden Aktiva, die dem betreffenden OGA zugrunde liegen. Hierbei kommen allerdings höhere Abschläge zu Anwendung, als wenn das Institut direkt in die Bestandteile des OGA investiert hätte. Zudem darf der OGA ausschließlich in liquide Aktiva investiert haben – mit Ausnahme von Derivaten zur Sicherung von Zins-, Währungs- oder Kreditrisiken.

x

Einlagen und andere Mittel in Genossenschaftsnetzen und institutsbezogenen Sicherungssystemen (Art. 16 Delegierte VO (EU) 2015/61 i. V. m. Art. 1 Nr. 10 Delegierte VO (EU) 2018/1620).

3.

Zahlungsmittelabflüsse

66 Grundsätzlich umfassen die Zahlungsmittelabflüsse solche Abflüsse, die innerhalb von 30 Kalendertagen auftreten können. Die Abflüsse werden berechnet, indem Abflussfaktoren, die zwischen 0 % und 100 % liegen, auf die ausstehenden Beträge angewendet werden. Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht der anzuwendenden Artikel aus der Delegierten VO (EU) 2015/61 hinsichtlich Zahlungsmittelabflüsse. 67 Übersicht der anzuwendenden Artikel aus der Delegierten Verordnung (EU) 2015/61 i. V. m. der Delegierten Verordnung (EU) 2018/1620 Art.

Bezeichnung

Inhalt

23

Zusätzliche Liquiditätsabflüsse im Zusammenhang mit anderen Produkten und Dienstleistungen

Abflüsse im Zusammenhang mit Produkten oder Dienstleistungen, die nicht unter die Artt. 27 bis 31a fallen und die die Institute anbieten oder deren Sponsor sie sind oder die potenziellen Käufer als mit ihnen in Verbindung stehend betrachten würden. Darunter fallen bspw.: • Eventualverbindlichkeiten • Nicht in Anspruch genommene Kredite an Großkunden • Nicht in Anspruch genommene Hypothekendarlehen • Kreditkarten • Überziehungskredite • Geplante Abflüsse in Zusammenhang mit der Verlängerung oder der Vergabe neuer Privat- oder Großkundenkredite • Geplante Derivateverbindlichkeiten • Außerbilanzielle Posten für die Handelsfinanzierung

___________ 17) S. BaFin, Liquidität: LCR-Mindeststandard für Europa, v. 1.12.2014.

470

Laufenberg

§9

II. Liquidity Coverage Ratio – LCR Art.

Bezeichnung

Inhalt

24

Abflüsse aus stabilen Stabile Privatkundeneinlagen Privatkundeneinlagen

25

Abflüsse aus anderen Privatkundeneinlagen

Andere Privatkundeneinlagen

26

Mit Zuflüssen einhergehende Abflüsse

Verrechnung von zusammenhängenden Zu- und Abflüssen

27

Abflüsse aus operativen Einlagen

Einlagen, die aus operativen Zwecken gehalten werden

28

Abflüsse aus sonstigen Verbindlichkeiten

• Nicht-operative Einlagen von Großkunden • Abflüsse aus Betriebskosten • Abflüsse aus besicherten Kreditvergabe und Kapitalmarkttransaktionen • Abflüsse aus Sicherheitenswaps • Gewisse Verrechnungssalden • Fällige Eigenemissionen • Unbesicherte Entleihen

29

Abflüsse innerhalb einer Gruppe oder eines institutsbezogenen Sicherungssystems

Sonderbehandlung von Abflüssen innerhalb einer Gruppe oder eines institutsbezogenen Sicherungssystems

30

Zusätzliche Abflüsse

• Abflüsse für gestellte Sicherheiten, die für Derivatgeschäfte hinterlegt sind • Abflüsse für Sicherheiten bei Kontrakten mit RatingDowngrade-Trigger • Abflüsse für Sicherheiten, die aufgrund der Auswirkungen ungünstiger Marktbedingungen auf Derivatgeschäfte und anderen Kontrakte benötigt würden • Abflüsse aus Derivatgeschäft • Ungedeckte Leerverkäufe • Überschüssige Sicherheiten, zu hinterlegende Sicherheiten und Sicherheiten in Form von liquiden Aktiva, die gegen nicht liquide Aktiva ausgetauscht werden können • Abflüsse für den Verlust an Finanzmitteln aus forderungsgedeckten Wertpapieren, gedeckten Schuldverschreibungen, anderen strukturierten Finanzierungsinstrumenten, forderungsgedeckten Geldmarktpapieren, Conduits, Wertpapier-Anlageinstrumenten und anderen derartigen Finanzierungsfazilitäten • Abflüsse für gewisse Primebroker-Dienstleistungen

31

Abflüsse aus Kreditund Liquiditätsfazilitäten

Abflüsse für Kredit- und Liquiditätsfazilitäten in Abhängigkeit des Kontrahenten

31a

Abflüsse aus Verbindlichkeiten und Verpflichtungen, die nicht unter andere Bestimmungen dieses Kapitels fallen

Abflüsse, die nicht unter die Artt. 24 bis 31 fallen

Laufenberg

471

§9

Liquiditätsvorschriften

68 Die Aufzählung zeigt, dass die LCR sehr umfassende Vorgaben für die Erfassung möglicher Zahlungsmittelabflüsse macht. Im Folgenden soll auf einige besondere Aspekte der Abflüsse eingegangen werden. a)

Privatkundeneinlagen

69 Zu den Privatkundeneinlagen zählen auch Einlagen von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), falls die Anforderung nach Art. 411 Nr. 2 CRR erfüllt ist. Das heißt, das KMU würde zur Risikopositionsklasse „Mengengeschäft“ nach dem Standard- oder IRBAnsatz (Internal Ratings Based Approach – IRBA) für das Kreditrisiko gehören, oder eine Verbindlichkeit gegenüber einer Gesellschaft, auf die die Behandlung nach Art. 153 Abs. 4 CRR angewandt werden darf, sofern die Gesamteinlagen dieses KMU oder dieser Gesellschaft auf Gruppenbasis 1 Mio. € nicht übersteigen. 70 Das Vorgehen zur Bestimmung der Abflussfaktoren für Einlagen ist wie folgt: x

Gekündigte Einlagen mit einer Restlaufzeit von weniger als 30 Kalendertagen und in Fällen, in denen die Auszahlung an ein anderes Institut vereinbart wurde, erhalten einen Abflussfaktor von 100 %.

x

Einlagen, die der Einleger innerhalb von 30 Kalendertagen nicht abziehen darf, und Einlagen, bei denen bei vorzeitigen Abhebungen innerhalb von 30 Kalendertagen der Einleger eine Mindest-Vorfälligkeitsentschädigung zahlen muss, dürfen von der Berechnung ausgeschlossen werden.

x

Anschließend muss überprüft werden, ob die Kriterien aus Art. 25 Abs. 3 und 4 Delegierte VO (EU) 2015/61 erfüllt sind. Falls ja, so ist die jeweilige Einlage als Einlage mit erhöhten Abflussfaktoren zu behandeln. Je nach zutreffenden Kriterien aus Art. 25 Abs. 2 Delegierte VO (EU) 2015/61 wird die Einlage in eine von zwei Kategorien eingeteilt. Diese unterscheiden sich in den anzuwenden Abflussfaktoren. Die erste Kategorie erhält nach Art. 25 Abs. 3a Delegierte VO (EU) 2015/61 einen Abflussfaktor zwischen 10 % und 15 % und die zweite Kategorie nach Absatz 3b einen Abflussfaktor zwischen 15 % und 20 %. Welchen konkreten Abflussfaktor ein Institut innerhalb der jeweiligen Bandbreiten ansetzt, hängt davon ab, ob ein Institut anhand eigener Analysen nachweisen kann, dass der Faktor angemessen ist. Ist der Nachweis nicht möglich, so sollte das Maximum der Bandbreite verwendet werden.

x

Ist eine Einlage nicht den Einlagen mit erhöhten Abflussfaktoren zuzuordnen, kann ein Institut prüfen, ob die Einlage eine stabile Einlage nach Art. 24 Delegierte VO (EU) 2015/61 ist. Diese liegt vor, wenn die Einlage auf einem Zahlungsverkehrskonto gehalten wird oder die Einlage Bestandteil einer stabilen Geschäftsbeziehung mit dem Kunden ist, die einen Abzug der Einlage unwahrscheinlich macht. Zudem muss die Einlage von einem anerkannten Einlagensicherungssystem gedeckt sein. Stabile Einlagen erhalten einen Abflussfaktor von 5 %.18)

x

Alle anderen Einlagen erhalten einen Abflussfaktor von 10 %.

71 Die folgende Grafik gibt einen schematischen Überblick über die Ableitung der Abflussfaktoren für Privatkundeneinlagen.

___________ 18) Erfüllt das Einlagensicherungssystem zusätzliche Anforderungen, so kann die Kommission ab Januar 2019 erlauben, dass der Abflussfaktor 3 % beträgt (Art. 24 Abs. 4 Delegierte VO (EU) 2015/61).

472

Laufenberg

Nein

Laufenberg

Stabile Einlage nach Art. 24 Abs. 1 bis 3

Nein

Einlage mit höherem Abfluss nach Art. 25 Abs. 2 und 3

Nein

Laufzeit der Einlage nach Art. 25 Abs. 4

Gekündigte Einlage nach Art. 25 Abs. 4

Nein

Abflussfaktor 10 %

Abflussfaktor 5 %

Abflussfaktor 15 % bis 20 %

Min. drei der folgenden Kriterien 1. Einlagen > 500 TEUR 2. Internetkonto 3. Besonderer Zinssatz 4. Termineinlage bzw. Kündigungsfrist mit RLZ < 30 Tage 5. Einleger aus Drittland oder Einlage nicht in Heimatwährung Gedeckte Einlage und a) Zahlungsverkehrskonto oder b) Etablierte Geschäftsbeziehung

Abflussfaktor 15 % bis 20 %

Abflussfaktor 10 % bis 15 %

1. Einlagen > 500 TEUR oder 2. zwei der folgenden Kriterien 1. Internetkonto 2. Besonderer Zinssatz 3. Termineinlage bzw. Kündigungsfrist mit RLZ < 30 Tage 4. Einleger aus Drittland oder Einlage nicht in Heimatwährung Einlagen > 500 TEUR und min. eines der folgenden Kriterien 1. Internetkonto 2. Besonderer Zinssatz 3. Termineinlage bzw. Kündigungsfrist mit RLZ < 30 Tage 4. Einleger aus Drittland oder Einlage nicht in Heimatwährung

Abflussfaktor 0 %

Abflussfaktor 100 %

a) Laufzeit > 30 Tage oder b) wesentliche Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Abhebung

Ja

II. Liquidity Coverage Ratio – LCR

§9

Abb. 4: Ableitung der Abflussfaktoren für Privatkundeneinlagen 72

Quelle: Eigene Darstellung.

473

§9 b)

Liquiditätsvorschriften Großkundeneinlagen

73 Bei Einlagen von Großkunden ist zwischen Einlagen, die zu operativen Zwecken gehalten werden und sonstigen Einlagen zu unterscheiden. Bei operativen Einlagen kann es sich um folgende besondere Einlagen handeln (Art. 27 Delegierte VO (EU) 2015/61): x

Einlagen, die vom Einleger gehalten werden, um Clearing-, Verwahr-, Gelddispositions- oder andere vergleichbare Dienstleistungen des Instituts i. R. einer etablierten Geschäftsbeziehung in Anspruch zu nehmen und Einlagen, die vom Einleger i. R. einer sonstigen etablierten Geschäftsbeziehung gehalten werden;

x

Einlagen, die im Zusammenhang mit einem institutsbezogenen Sicherungssystem gemäß den Anforderungen des Art. 113 Abs. 6 oder 7 CRR stehen;

x

Einlagen, die vom Einleger für die Zahlungsverkehrsabrechnung (Cash Clearing) und für Dienstleistungen eines Zentralinstituts sowie für den Fall gehalten werden, dass das Institut zu einem der in Art. 16 Delegierte VO (EU) 2015/61 genannten Netze bzw. Sicherungssysteme gehört.

74 Grundsätzlich müssen Einlagen mit erheblichen rechtlichen oder operativen Einschränkungen verbunden sein, die erhebliche Abhebungen innerhalb von 30 Kalendertagen unwahrscheinlich machen. Einlagen, die über die für die Erbringung operativer Dienste erforderlichen Einlagen hinausgehen, werden als nicht-operative Einlagen behandelt. 75 Operative Einlagen erhalten einen Abflussfaktor von 25 %, sind die Einlagen durch ein anerkanntes Einlagensicherungssystem gedeckt lautet der Abflussfaktor 5 %. 76 Nicht-operative Einlagen von Großkunden erhalten entweder einen Abflussfaktor von 20 % (durch ein anerkanntes Einlagensicherungssystem gedeckt) oder 40 % (nicht gedeckte Einlagen). c)

Derivate

77 Im Zusammenhang mit Derivaten werden umfassende Vorgaben zur Erfassung von Abflüssen gemacht. 78 Grundsätzlich sind Zahlungsmittelabflüsse von Derivaten19), die innerhalb der nächsten 30 Tage auftreten, zu erfassen und mit einem Faktor von 100 % zu gewichten20). Dabei werden diese Zahlungsmittelabflüsse auf Nettobasis nach Art. 21 Delegierte VO (EU) 2015/61 i. V. m. Art. 1 Nr. 12 Delegierte VO (EU) 2018/1620 berechnet. Dies bedeutet, dass Zahlungsflüsse von Derivaten, die auf Basis von bilateralen Nettingvereinbarungen (Master Agreements), die die Anforderungen aus Art. 295 CRR erfüllen, abgeschlossen wurden, aufgerechnet werden dürfen. Zusätzlich dürfen Fremdwährungsderivate, die mit einem gleichzeitig (oder am selben Tag) erfolgenden vollständigen Austausch der Kapitalbeträge verbunden sind, aufgerechnet werden, auch wenn die jeweiligen Fremdwährungsderivate nicht durch eine bilaterale Nettingvereinbarung gedeckt sind. 79 Stellen sich die Kontrahenten Sicherheiten für die derivativen Geschäfte, so werden nach Art. 21 Delegierte VO (EU) 2015/61 i. V. m. Art. 1 Nr. 12 Delegierte VO (EU) 2018/ 1620 zu stellende und zu empfangende21) Sicherheiten nicht berücksichtigt. Eventuelle ___________ 19) Definiert als Geschäfte nach Anhang II CRR. 20) Abflüsse gemäß Art. 30 Abs. 4 Delegierte VO (EU) 2015/61 i. V. m Art. 1 Nr. 19 Delegierte VO (EU) 2018/1620 und Zuflüsse gemäß Art. 32 Abs. 5 Delegierte VO (EU) 2015/61 i. V. m Art. 1 Nr. 22 Delegierte VO (EU) 2018/1620. 21) Unter der Voraussetzung, dass die Sicherheit bei Empfang als liquides Aktivum gilt und dass das Kreditinstitut rechtlich befugt und organisatorisch in der Lage ist, die empfangene Sicherheit wiederzuverwenden.

474

Laufenberg

§9

II. Liquidity Coverage Ratio – LCR

vertragliche Vereinbarungen zur Sicherheitenstellung, wie z. B. Mindesttransferbeträge oder Schwellenwerte, werden nicht explizit berücksichtigt. Für derivative Geschäfte (inkl. Kreditderivate) bei Kontrahenten hinterlegte Sicherheiten, 80 die nicht der Stufe 1 entsprechen, muss ein zusätzlicher Abfluss i. H. von 20 % berücksichtigt werden (Art. 30 Abs. 1 Delegierte VO (EU) 2015/61) und für gedeckte Schuldverschreibungen der Stufe 1 ein zusätzlicher Abfluss i. H. von 10 %. Bei besichertem Derivategeschäft besteht zudem ein Risiko, dass durch sich verändernde 81 Marktbewegungen (z. B. Zinssätze oder Währungskurse) erhebliche Nachschussverpflichtungen durch das Institut zu leisten sind. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, ist hierfür ein Abfluss zu erfassen (Art. 30 Abs. 3 Delegierte VO (EU) 2015/61 i. V. m. Art. 1 Nr. 19 Delegierte VO (EU) 2018/1620). Dieser wird auf Basis des sog. Historical Lookback Approach (HLBA) analog den Basel III Vorgaben ermittelt. Hierzu müssen Institute mit einem materiellen22) Derivateportfolio den HLBA anwenden, um die Abflüsse zu bestimmen. Die Berechnung basiert auf der größten 30-Tages-Sicherheitenbewegung innerhalb der letzten 24 Monate, berechnet auf der Nettobasis von gestellten und erhaltenen Sicherheiten. Die Vorgaben werden i. R. einer Delegierten Verordnung erlassen.23) d)

Fazilitäten

Bei gegebenen Fazilitäten wird zwischen Kredit- und Liquiditätsfazilitäten unterschie- 82 den (Art. 31 Delegierte VO (EU) 2015/61 i. V. m. Art. 1 Nr. 20 Delegierte VO (EU) 2018/1620). Eine Liquiditätsfazilität ist definiert als eine nicht in Anspruch genommene Back-up-Fazilität, mit der die Verbindlichkeiten eines Kunden refinanziert werden können, sollte er nicht in der Lage sein, auf den Finanzmärkten eine Anschlussfinanzierung für die jeweiligen Verbindlichkeiten zu erhalten. Allgemeine Betriebskapitalfazilitäten für Unternehmen werden nicht als Liquiditätsfazilitäten, sondern als Kreditfazilitäten eingestuft. Der Abflussfaktor unterscheidet sich zusätzlich noch in Abhängigkeit des Kreditnehmers 83 und bewegt sich im Bereich von 5 % bis 100 %. Übersicht: Abflussfaktoren von Fazilitäten

84

Kunde

Kredit- Liquiditätsfazilität fazilität

Privatkunde

5%

5%

Nicht-Finanzkunde

10 %

30 %

Private Beteiligungsgesellschaft

10 %

40 %

Verbriefungszweckgesellschaft nach Art. 31 Abs. 6 Delegierte VO (EU) 2015/61



10 %

Sonstige Verbriefungszweckgesellschaft

100 %

100 %

Liquiditätsfazilität, die von einem Zentralinstitut eines in Art. 16 Delegierte VO (EU) 2015/61 genannten Systems oder Netzes zugesagt wurde, sofern das angeschlossene Institut die Liquiditätsfazilität als liquide Aktiva nach Art. 16 Abs. 2 Delegierte VO (EU) 2015/61 behandeln darf.



75 %

___________ 22) Falls in den letzten zwei Jahren der Nominalwert der Derivate größer ist als 10 % der Nettoliquiditätsabfluss, dann wird das Derivateportfolio als materiell angesehen. 23) Delegierte Verordnung (EU) 2017/208 der Kommission v. 31.10.2016, ABl. (EU) L 33/14 v. 8.2.2017.

Laufenberg

475

§9

Liquiditätsvorschriften

Kunde

Kredit- Liquiditätsfazilität fazilität

Institute

40 %

40 %

40 % Andere beaufsichtigte Finanzinstitute, einschließlich Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen, OGA und nicht-offener Anlagegesellschaften

100 %

Sonstige Finanzkunden

100 %

100 %

Quelle: Art. 31 Delegierte VO (EU) 2015/61 i. V. m. Art. 1 Nr. 20 Delegierte Verordnung (EU) 2018/1620.

85 Eine Sonderbehandlung ist für Förderdarlehen erlaubt. Werden Förderdarlehen über ein als Vermittler auftretendes Institut als Durchlaufdarlehen gewährt, so dürfen diese Institute einen symmetrischen Zu- und Abfluss anwenden, d. h. die durch das Förderinstitut erhaltene Fazilität mit einem symmetrischen Zuflussfaktor gewichten und bei den Zahlungsmittelzuflüssen berücksichtigen. e)

Zusätzliche Liquiditätsabflüsse in Zusammenhang mit anderen Produkten und Dienstleistungen

86 Eine Besonderheit bei der Bestimmung der Zahlungsmittelabflüsse stellt Art. 23 Delegierte VO (EU) 2015/61 i. V. m. Art. 1 Nr. 14 der Delegierten VO (EU) 2018/1620 dar. Üblicherweise setzt die Aufsicht Standardfaktoren für die Zahlungsmittelabflüsse fest, die von allen Kreditinstituten anzuwenden sind. Dabei spielt es keine Rolle, welche tatsächlichen Abflüsse die Kreditinstitute in der Vergangenheit in Stressphasen aufgetreten sind. Nun sind die Vorgaben für die Zahlungsmittelabflüsse in den Artt. 27 bis 31a Delegierte VO (EU) 2015/61 i. V. m. Delegierten VO (EU) 2018/1620 nicht vollumfänglich. In Art. 23 Delegierte VO (EU) 2015/61 i. V. m. Art. 1 Nr. 14 der Delegierten VO (EU) 2018/1620 werden nun weitere Produkte aufgeführt, für die jedoch keine Abflussfaktoren festgelegt werden, sondern für die die Kreditinstitute die Abflussfaktoren selbst bestimmen müssen. Dies soll vor dem Hintergrund eines kombinierten spezifischen und marktweiten Stressszenarios i. S. des Art. 5 Delegierte VO (EU) 2015/61 erfolgen. 87 Am 3.7.2019 veröffentlichte die BaFin den Entwurf eines Rundschreibens,24) das die Vorgaben für die Kreditinstitute zur Ermittlung der Abflussfaktoren der Produkte und Dienstleistungen spezifiziert. Dabei werden die in Art. 23 Abs. 1 lit. a bis lit. h Delegierte VO (EU) 2015/61 i. V. m. Art. 1 Nr. 14 Delegierte VO (EU) 2018/1620 genannten Kategorien von Produkten und Dienstleistungen näher bestimmt sowie das Verfahren zu Ermittlung der diesen Produkten und Dienstleistungen zuzuordnenden Abflüssen festgelegt. 88 Ferner erfolgt in dem Rundschreiben eine Konkretisierung der gemäß Art. 23 Abs. 2 Delegierte VO (EU) 2015/61 mindestens jährlich durchzuführenden Meldungen an die Aufsicht, für die die Wahrscheinlichkeit und der potenzielle Umfang von Liquiditätsabflüssen wesentlich sind, sowie die Festlegung der diesen Produkten und Dienstleistungen zuzuordnenden Abflüsse. 4.

Zahlungsmittelzuflüsse

a)

Anrechnung von Zuflüssen

89 Zahlungsmittelzuflüsse werden in den Artt. 32 bis 34 Delegierte VO (EU) 2015/61 i. V. m. Art. 1 Nr. 22 und 23 Delegierte VO (EU) 2018/1620 behandelt. Ein Zufluss darf nur berücksichtigt werden, wenn der Zufluss innerhalb der nächsten 30 Kalendertage er___________ 24) BaFin, Konsultation 13/2019, Entwurf: Rundschreiben 13/2019, (BA) Zusätzliche Liquiditätsabflüsse in Zusammenhang mit anderen Produkten und Dienstleistungen gemäß Art. 23 Delegierte VO (EU) 2015/61, v. 3.7.2019 (BA 55-K 2103-2019/0001).

476

Laufenberg

§9

II. Liquidity Coverage Ratio – LCR

folgt und wenn er auf vertraglichen Zuflüsse aus Forderungen basiert, die nicht überfällig sind und hinsichtlich derer das Institut keinen Grund zu der Annahme hat, dass sie innerhalb von 30 Kalendertagen nicht erfüllt werden. Ein Zuflussfaktor von 100 % wird angesetzt für Zahlungen von Zentralbanken und Fi- 90 nanzkunden, für innerhalb von 30 Kalendertagen fällige Wertpapiere und Handelsfinanzierungen sowie auf Zahlungen aus Eigenkapitalinstrumenten in wichtigen Indizes (z. B. Dividenden). Fällige Zahlungen zu Tilgungszwecken von Nicht-Finanzkunden werden entweder um 91 50 % ihres Werts oder um die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber diesen Kunden zur Ausreichung von Finanzierungsmitteln reduziert, je nachdem, welcher der Beträge höher ist. Die Reduktion der Anrechnung von Tilgungszahlungen soll berücksichtigen, dass das Institut seiner üblichen Geschäftstätigkeit weiter nachgeht und auslaufende Kredite entweder prolongiert oder neue Kredite vergibt, so dass die eingehenden Tilgungen für diese Zwecke verwendet werden. Zinszahlungen von Nicht-Finanzkunden dürfen hingegen zu 100 % angerechnet werden. Aktivische Einlagen, die das schuldende Institut als operative Einlage nach Art. 27 Dele- 92 gierte VO (EU) 2015/61 behandelt, darf das einlegende Institut abweichend von Art. 32 Abs. 2a Delegierte VO (EU) 2015/61 nicht mit 100 % anrechnen, sondern mit dem symmetrischen Faktor, wie sie das schuldende Institut bei deren Abflüssen berücksichtigt. Kann der symmetrische Faktor nicht ermittelt werden, so beträgt der Zuflussfaktor 5 %. Die Zahlungsmittelzuflüsse aus besicherter Kreditvergabe und Kapitalmarkttransak- 93 tionen ergeben sich aus Multiplikation der fälligen Geldbeträge mit dem Haircut, den die Sicherheit nach den Artt. 10 bis 15 Delegierte VO (EU) 2015/61 erhalten würde. b)

Obergrenze für Zuflüsse

Nach Art. 33 Abs. 1 Delegierte VO (EU) 2015/61 müssen die Institute die Anrechnung der 94 Zahlungsmittelzuflüsse auf 75 % der Zahlungsmittelabflüsse begrenzen. Dies hat v. a. für Institute Auswirkungen, die sich fristenkongruent refinanzieren, d. h. deren Zahlungsmittelzu- und -abflüsse sich betragsmäßig und zeitlich (im Wesentlichen) entsprechen. Hierzu bestehen aber gewisse Öffnungsklauseln, die jeweils durch die Aufsichtsbehör- 95 den genehmigt werden müssen. Eine Ausnahme nach Art. 33 Abs. 2 Delegierte VO (EU) 2015/61 besteht für gewisse Produkte bzw. Kontrahenten, d. h. die Ausnahme gilt nicht für alle Zuflüsse des Instituts: x

Zuflüsse, bei denen die Gegenpartei ein Mutter- oder Tochterunternehmen des Instituts oder ein anderes Tochterunternehmen desselben Mutterunternehmens ist,

x

Zuflüsse aus Einlagen bei anderen Instituten innerhalb einer Gruppe von Unternehmen, die für die Behandlung nach Art. 113 Abs. 6 oder 7 CRR in Frage kommen,

x

Zuflüsse i. S. des Art. 26 Delegierte VO (EU) 2015/61 und Zuflüsse aus Hypothekendarlehen oder aus Förderdarlehen, die das Institut als Durchlaufdarlehen weitergereicht hat.

Weitere Ausnahmen gelten für bestimmte spezialisierte Institute, d. h. hier gilt die Aus- 96 nahme für das gesamte Institut: x

Die Haupttätigkeiten des Institutes liegen im Leasing- und Factoringgeschäft. In diesem Fall wird das Institut von der Obergrenze der Zuflüsse vollständig ausgenommen.

x

Die Haupttätigkeiten des Institutes liegen in der Finanzierung des Erwerbs von Kraftfahrzeugen oder in Verbraucherkrediten i. S. der Richtlinie 2008/48/EG über VerLaufenberg

477

§9

Liquiditätsvorschriften braucherkreditverträge.25) In diesem Fall wird die Obergrenze der Zuflüsse von 75 % auf 90 % angehoben.

97 Um in den Genuss diese Ausnahme zu kommen, müssen die spezialisierten Institute folgende Voraussetzungen erfüllen: x

Die Geschäftstätigkeiten weisen ein geringes Liquiditätsrisikoprofil auf. Hierzu zählt, dass der Zeitpunkt der Zuflüsse dem Zeitpunkt der Abflüsse entspricht und auf Ebene des einzelnen Unternehmens wird das Institut nicht in wesentlichem Maße durch Privatkundeneinlagen finanziert.

x

Auf Ebene des einzelnen Unternehmens machen ihre Haupttätigkeiten mehr als 80 % der Gesamtbilanzsumme aus.

x

Die Ausnahmen werden in jährlichen Berichten dargelegt.

98 Laut der Veröffentlichung der EBA26) haben bisher drei Kreditinstitute die Ausnahmegenehmigung nach Art. 33 Abs. 3 Delegierte VO (EU) 2015/61 und fünf Kreditinstitute die Ausnahmegenehmigung nach Art. 33 Abs. 4 Delegierte VO (EU) 2015/61 erhalten. 5.

Weitere Veröffentlichungen

99 Für einzelne Sachverhalte wurde die EBA durch die CRR ermächtigt, i. R. von Implementing Technical Standards (ITS) und Regulatory Technical Standards (RTS) konkrete Vorgaben zu veröffentlichen. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht für die LCR relevanter ITS und RTS. 100 Übersicht: Relevante ITS und RTS ITS bzw. RTS

Status

Inhalt

Delegierte Verordnung (EU) 2016/709 der Kommission v. 26.1.2016

Veröffentlicht, ABl. (EU) L 125/1 v. 13.5.2016

Festlegung der Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmen bezüglich Währungen mit begrenzter Verfügbarkeit liquider Aktiva.

Durchführungsverordnung (EU) 2015/2344 der Kommission v. 15.12.2015

Veröffentlicht, ABl. (EU) L 330/26 v. 16.12.2015

Überschreitet der Bedarf an liquiden Aktiva die Verfügbarkeit dieser liquiden Aktiva in einer Währung, sollten für diese Währung gemäß Art. 419 Abs. 2 CRR eine Ausnahme Anwendung finden. In dieser Durchführungsverordnung wird daher festgelegt, für welche Währungen (Norwegische Krone, NOK) und in welchem Umfang (63 %) eine solche Ausnahme Anwendung finden sollte.

Delegierte Verordnung (EU) 2017/1230 der Kommission v. 31.5.2017

Veröffentlicht, ABl. (EU) L 177/7 v. 8.7.2017

In Art. 29 Abs. 1 und Art. 34 Abs. 1 Delegierte VO (EU) 2015/61 wird die Möglichkeit eingeräumt, gewisse Transaktionen innerhalb einer Gruppe oder eines institutsbezogenen Sicherungssystems bevorzugt zu behandeln. Für grenzüberschreitende Transaktionen gelten zusätzliche Anforderungen, die in dieser Verordnung definiert werden.

___________ 25) Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.4.2008, ABl. (EU) L 133/66 v. 22.5.2008. 26) EBA, Updates list of credit institutions subject to an LCR inflow cap derogation, v. 19.1.2018.

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§9

II. Liquidity Coverage Ratio – LCR ITS bzw. RTS

Status

Inhalt

Durchführungsverordnung (EU) 2015/233 der Kommission v. 13.2.2015

Veröffentlicht, ABl. (EU) L 39/11 v. 14.2.2015

Nach Art. 416 Abs. 3 CRR gilt für liquide Aktiva die Bedingung, dass die Vermögenswerte anerkannte Sicherheiten für die gewöhnlichen geldpolitischen Operationen einer Zentralbank in einem Mitgliedstaat oder einer Zentralbank eines Drittstaates sein müssen. Eine Ausnahme gilt für liquide Aktiva, die zur Deckung von Liquiditätsabflüssen in einer Währung gehalten werden, deren Zentralbankfähigkeit äußerst eng definiert ist. Laut der Durchführungsverordnung betrifft dies den Bulgarischen Lew (BGN).

6.

Unterschiede der LCR nach der Delegierten Verordnung (EU) 2015/61 und nach Basel III

Bei der Umsetzung der LCR in europäisches Recht wurde sich zwar grundsätzlich an den 101 Vorgaben des BCBS orientiert. Bei ausgewählten Sachverhalten gibt es jedoch Unterschiede, die zum Teil auf Unionsspezifische Besonderheiten zurückzuführen sind. Beispiele hierfür sind: x

Die Anrechnung von gedeckten Schuldverschreibungen (Pfandbriefe) kann nicht nur als liquide Aktiva der Stufe 2A erfolgen, sondern in allen Stufen des Liquiditätspuffers. Allerdings gelten strengere Anforderungen für die Anrechnung von gedeckten Schuldverschreibungen.

x

Im Rahmen des Derivatenetting können Fremdwährungsderivate aufgerechnet werden, auch wenn sie nicht unter einer bilateralen Nettingvereinbarung abgeschlossen wurden.

x

Anrechnung von erhaltenen Zusagen im Förderkreditgeschäft.

x

Anhebung bzw. Ausnahmen hinsichtlich der Obergrenze von Zuflüssen.

7.

Ausblick

Am 12.7.2019 veröffentlichte die EBA einen Report über die Überwachung der Umset- 102 zung der LCR in Europa.27) In diesem Report greift die EBA eine Reihe von einzelnen Produkten bzw. Anforderungen heraus und analysiert die Umsetzungspraxis innerhalb Europas. Aus den Analysen leitet die EBA jeweils entsprechende Handlungsempfehlungen ab, die bspw. in geänderten Meldebögen zukünftig berücksichtigt werden könnten. In dem vorliegenden Report werden die folgenden Themen angesprochen: x

103

Operative Einlagen: die EBA stellt fest, dass die Delegierte Verordnung (EU) 2015/61 keine hinreichend detaillierten Kriterien definiert, wie operative Einlagen abgeleitet und wie „Überschusseinlagen“28) identifiziert werden sollten. Die EBA schlägt nun zwei Möglichkeiten zur Ableitung der „Überschusseinlagen“ vor.

Ausgeschlossene Privatkundeneinlagen: die EBA stellt fest, dass die Delegierte Verordnung (EU) 2015/61 keine Schwelle für eine wesentliche Vertragsstrafe nach deren Art. 25 Abs. 4 festlegt, so dass in der Praxis sehr unterschiedliche Definitionen angewendet werden. ___________ x

27) EBA, Monitoring of the LCR implementation in the EU – First Report, v. 12.7.2019. 28) Überschusseinlagen stellen den Teil der Einlagen auf einem Konto dar, der über den Teil der operativen Einlagen hinausgeht.

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479

§9

Liquiditätsvorschriften

x

Zahlungsmittelzuflüsse von fälligen Wertpapieren: hier stellt die EBA fest, dass vereinzelt Wertpapiere mit einer Restlaufzeit von unter 30 Tagen nicht mehr dem Liquiditätspuffer zugeordnet, sondern stattdessen als Zufluss angesetzt wurden. Dies führt insgesamt zu einer vorteilhaften Anrechnung in der LCR, da der Zufluss zu 100 % angesetzt werden kann, während im Liquiditätspuffer ein Abschlag berücksichtigt werden muss.

x

Optionale und bedingte Zuflüsse: bei optionalen oder bedingten Zu- bzw. Abflüssen sollte es ein asymmetrisches Vorgehen geben. So sollten optionale oder bedingte Zuflüsse nicht angesetzt werden, während optionale oder bedingte Abflüsse grundsätzlich berücksichtigt werden sollten.

x

Austausch von zurückbehaltenen gedeckten Schuldverschreibungen und Verbriefungen zwischen Kreditinstituten: grundsätzlich sind zurückbehaltene Emissionen von gedeckten Schuldverschreibungen und Verbriefungen nicht im Liquiditätspuffer anrechenbar. Wenn nun Kreditinstitute zurückbehaltene Wertpapiere gegenseitig austauschen, so könnten diese bei der jeweiligen Gegenpartei im Liquiditätspuffer angerechnet werden. Die EBA hat allerdings in diesen Fällen Bedenken, ob die operativen Anforderungen nach Artt. 7 und 8 Delegierte VO (EU) 2015/61 z. B. hinsichtlich eines liquiden Marktes und der einfachen Bewertbarkeit erfüllt sind.

x

Zeitdimension der LCR: die EBA stellt fest, dass in gewissem Umfang die Institute die LCR zum Meldestichtag am Monatsende positiv beeinflussen und dass die LCR innerhalb des Monats geringer ist. Dabei ist nach Art. 414 CRR die LCR fortwährend einzuhalten. Zudem gibt es Transaktionen mit einer Kündigungsfrist von knapp über 30 Tagen, die somit nicht als Abfluss in die LCR eingehen. Die EBA weist darauf hin, dass die Aufsichtsbehörden die Möglichkeit haben, i. R. der AMM (siehe Rz. 143 ff.) derartige Geschäfte zu identifizieren.

III.

Net Stable Funding Ratio – NSFR

1.

Hintergrund

104 Die zweite Liquiditätskennziffer, die im Basel III-Paket enthalten ist, ist die strukturelle Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio – NSFR). Im Gegensatz zur LCR, die eine kurzfristige Kennziffer darstellt und einen Liquiditätsstress über 30 Kalendertage umfasst, hat die NSFR die Sicherstellung der angemessenen langfristigen Refinanzierung von Instituten im Blick. 105 Die Berechnung der NSFR erfolgt mithilfe der folgenden Formel:29) Strukturelle Liquiditätsquote NSFR (%)=

Positionen, die eine stabile Refinanzierung bieten Positionen, die eine stabile Refinanzierung erfordern

106 Die NSFR ist definiert als der Betrag der Positionen, die eine stabile Refinanzierung bieten (verfügbarer Betrag stabiler Refinanzierung) im Verhältnis zu dem Betrag der Positionen, die ein stabile Refinanzierung erfordern (erforderlicher Betrag stabiler Refinanzierung). Der verfügbare Betrag stabiler Refinanzierung setzt sich aus den Verbindlichkeiten und den Eigenmitteln zusammen, von denen erwartet wird, dass sie über den NSFR relevanten Zeitraum von einem Jahr zur Verfügung stehen. Der erforderliche Betrag stabiler Refinanzierung setzt sich aus den Vermögenswerten und außerbilanziellen Positionen und deren Restlaufzeiten bzw. Liquiditätsmerkmalen zusammen. Grundsätzlich basiert die NSFR auf bilanziellen Größen, d. h. Buchwerten. Daher weicht der Wertansatz in der NSFR von der eher Zahlungsfluss-orientierten LCR ab. ___________ 29) Art. 428b Abs. 1 CRR.

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§9

III. Net Stable Funding Ratio – NSFR

Die Kalibrierung der NSFR berücksichtigt verschiedene Faktoren. Bei der Kalibrierung 107 der Verbindlichkeiten bspw.: x

Restlaufzeit: grundsätzlich werden längerfristige Verbindlichkeiten stabiler als kurzfristige Verbindlichkeiten angesehen.

x

Art der Refinanzierung und Gegenpartei: Einlagen von Privatkunden und KMU werden bei gleicher Restlaufzeit grundsätzlich stabiler angesehen als die Einlagen von Großkunden.

Bei der Kalibrierung von Vermögenswerten und außerbilanziellen Positionen wurden 108 folgende Faktoren berücksichtigt: x

Widerstandsfähige Kreditschöpfung: Die NSFR verlangt für einen Teil der Kreditvergabe an die Realwirtschaft eine stabile Refinanzierung, damit eine gewisse Kontinuität bei der Kreditvergabe gewährleistet ist.

x

Bankspezifisches Verhalten: Die NSFR unterstellt, dass die Institute einen beträchtlichen Anteil ihrer fällig werdenden Kredite prolongieren, um ihre Kundenbeziehungen aufrechtzuerhalten.

x

Restlaufzeit des Vermögenswerts: Die NSFR unterstellt, dass bei gewissen kurzfristigen Vermögenswerten (mit Fälligkeit von unter einem Jahr) ein geringerer Anteil an stabiler Refinanzierung nötig ist, weil die Banken in der Lage sind, sie teilweise auslaufen zu lassen anstatt sie zu erneuern.

x

Qualität und Liquiditätswert von Vermögenswerten: die NSFR unterstellt, dass unbelastete Vermögenswerte, die in der LCR zum Liquiditätspuffer zählen würden, nicht vollständig stabil refinanziert werden müssen, da hier ein liquider Markt vorhanden ist.

Auf internationaler Ebene sind die Vorgaben durch den BCBS im Jahr 201430) finalisiert 109 worden. Im Zielbild wird – analog zur LCR – ebenfalls eine Mindestquote von 100 % für die NSFR in der EU vorgeschrieben werden. Über die CRR wurde allerdings lediglich eine Meldepflicht der einzelnen Bestandteile der NSFR eingeführt, eine Quotenberechnung erfolgte noch nicht. Die Einführung einer verpflichtenden Mindestquote erfolgt erst durch die CRR II ab Juni 2021. Grundsätzlich greift die NSFR auf die Definitionen der LCR zurück, bspw. bei der Defi- 110 nition der HQLA, den stabilen Privatkundeneinlagen und den operativen Einlagen von Großkunden. Dieser Gleichlauf der Definitionen war jedoch durch die CRR in der EU noch nicht gegeben, da die LCR durch die Delegierte Verordnung (EU) 2015/61 bedeutend gegenüber den ursprünglichen Vorgaben in der CRR weiterentwickelt wurde, wohingegen die NSFR noch auf Basis der CRR gemeldet wurde. Erst mit Einführung der CRR II werden diese Definitionen wieder an die LCR angeglichen. Die im Juni 2019 im Amtsblatt veröffentlichte CRR II finalisiert somit die Umsetzung 111 der NSFR in der EU und enthält eine Reihe von Anpassungen: x

Einführung der Faktoren für die verfügbare stabile Refinanzierung und die erforderliche stabile Refinanzierung.

x

Einführung einer verbindlichen Mindestquote von 100 % ab Juni 2021.

x

Angleichung der Definitionen der NSFR (z. B. Definition der HQLA, den stabilen Privatkundeneinlagen und den operativen Einlagen von Großkunden) an die Definitionen der LCR aus der Delegierten Verordnung (EU) 2015/61.

x

Konkretisierung der Behandlung von Derivatekontrakten.

___________ 30) BCBS, Basel III: The Net Stable Funding Ratio, v. 10/2014.

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481

§9

Liquiditätsvorschriften

x

Einführung der Vorgaben zur bevorzugten Behandlung von interdependenten Aktiva und Verbindlichkeiten.

x

Einführung einer vereinfachten NSFR für kleine und nicht komplexe Kreditinstitute.

2.

Grundsätze bei der Ermittlung der NSFR

112 Kommt die NSFR auch auf konsolidierter Basis zur Anwendung, so gilt gemäß Art. 428a CRR in dem Fall, dass ein Tochterunternehmen mit Hauptsitz in einem Drittland in die Konsolidierung einbezogen ist, folgende Bestimmungen: x

Gilt nach nationalem Recht des Drittlandes ein höherer RSF-Faktor für Vermögenswerte und außerbilanzielle Positionen oder ein niedrigerer ASF-Faktor für Verbindlichkeiten oder Eigenmittel, so kommen die höheren RSF-Faktoren oder niedrigeren ASF-Faktoren bei der Konsolidierung zur Anwendung.

x

Aktiva, die zwar nach den europäischen Vorgaben der LCR als liquide Aktiva anerkannt werden, aber nach dem nationalen Recht des Drittlandes nicht als liquide Aktiva anerkannt werden, werden bei der Konsolidierung nicht als liquide Aktiva anerkannt.

113 Sinkt die NSFR unter die Mindestanforderung von 100 % oder ist absehbar, dass dies geschieht, muss das Institut dies den Aufsichtsbehörden unverzüglich melden und einen Plan vorlegen, wie es die Anforderungen wieder einzuhalten gedenkt (Art. 428b Abs. 2 und 3 i. V. m. Art. 414 CRR). Grundsätzlich muss ein Institut dann die NSFR täglich an die Aufsichtsbehörden melden. 114 Die Meldung der NSFR – analog zur Meldung der LCR (siehe Rz. 34 ff.) – erfolgt in der Meldewährung (Art. 415 CRR). Alle Positionen, die nicht auf die Meldewährungen lauten, werden zum Stichtagskurs in die Meldewährung umgerechnet. Gemäß Art. 428b Abs. 4 CRR muss ein Institut die NSFR zusätzlich gesondert in einer Fremdwährung melden, falls diese wesentlich ist (wesentliche Fremdwährung). Für wesentliche Fremdwährungen können Aufsichtsbehörden auch Obergrenzen für den Anteil der erforderlichen stabilen Refinanzierung in einer bestimmten Währung festlegen, der durch verfügbare stabile Refinanzierung in einer anderen Währung erfüllt werden kann (siehe Art. 428b Abs. 5 CRR). Somit kann die Aufsichtsbehörde Währungsinkongruenzen beschränken. Grundsätzlich sind die Institute aufgefordert, die Währungsverteilung ihres Finanzierungsprofils mit der Währungsverteilung ihrer Aktiva in Einklang zu halten. Eine harte Grenze hierfür ist in der CRR II allerdings nicht enthalten. 115 Die Behandlung von Derivatkontrakten ist durch Art. 428d CRR spezifiziert. Hierbei sind folgende Vorgaben zu beachten: x

Grundlage der Ermittlung ist abweichend zu den sonstigen Positionen der Zeitwert der Derivatekontrakte. Dies bedeutet auch, dass ein Add-On, der zur Ermittlung des Exposures im Gegenparteiausfallrisiko nach Teil 3 Titel II Kapitel 6 angewendet wird, für die NSFR keine Rolle spielt.

x

Falls die Anforderungen aus Art. 429c Abs. 1 CRR für einen Nettingsatz erfüllt sind, so werden Derivatkontrakte auf Nettobasis berücksichtigt. Dies bedeutet, dass die Summe der Zeitwerte aller in einem Nettingsatz enthaltenen Derivatkontrakte gebildet werden.

x

Falls die Anforderungen aus Art. 429c Abs. 1 CRR für einen Nettingsatz nicht erfüllt sind, so werden die Zeitwerte der Derivatkontrakte auf Bruttobasis berücksichtigt, d. h. diese Derivatpositionen werden jeweils als eigener Nettingsatz behandelt.

x

Eine Ausnahme stellen Fremdwährungsderivate dar (Anhang II Nr. 2a) bis 2e) CRR), die mit einem am selben Tag erfolgenden vollständigen Austausch der Kapitalbeträge verbunden sind. Diese werden währungsübergreifend immer auf Nettobasis berechnet.

482

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§9

III. Net Stable Funding Ratio – NSFR x

Zur Minderung des Risikos einer Derivatposition als Sicherheit erhaltene Barmittel werden als solche behandelt und werden nicht als Einlagen behandelt, d. h. diese Barmittel müssen nicht direkt bei der Ermittlung der verfügbaren stabilen Refinanzierung berücksichtigt werden.

x

Die zuständigen Behörden können mit Zustimmung der jeweiligen Zentralbank beschließen, dass Derivatekontrakte in der NSFR unberücksichtigt bleiben, falls sie mit der EZB oder der Zentralbank eines Mitgliedstaats mit einer Restlaufzeit von weniger als sechs Monaten abgeschlossen wurden und die Transaktion der Geldpolitik der EZB oder des jeweiligen Mitgliedstaats dienen.

Nach Art. 428e CRR kann bei besicherten Kreditvergaben und Kapitalmarkttransak- 116 tionen ein Netting von Aktiva und Verbindlichkeiten aus Wertpapierfinanzierungsgeschäften mit ein und derselben Gegenpartei vorgenommen werden, sofern die Anforderungen aus Art. 429b Abs. 4 CRR erfüllt werden: x

Die Geschäfte haben dasselbe explizite endgültige Erfüllungsdatum;

x

das Recht, den der Gegenpartei geschuldeten Betrag gegen den von der Gegenpartei geschuldeten Betrag aufzurechnen, ist im normalen Geschäftsverlauf und im Falle eines Ausfalls, einer Insolvenz oder eines Konkurses rechtlich durchsetzbar;

x

die Parteien beabsichtigen, die Geschäfte netto oder gleichzeitig abzuwickeln, oder für die Geschäfte gilt ein Abrechnungsmechanismus, der funktional auf eine Nettoabwicklung hinausläuft.

Nach Art. 428f CRR können Aufsichtsbehörden einem Institut erlauben, dass bestimmte 117 Aktiva und Verbindlichkeiten als interdependent behandelt werden dürfen. Dies führt in der NSFR zu einer vorteilhaften Behandlung, da sowohl die Verbindlichkeiten nach Art. 428k Abs. 3 lit. b CRR als auch die Aktiva nach Art. 428 Abs. 1 lit. f CRR jeweils einen Faktor von 0 % erhalten. Durch diese neutrale Behandlung wird eine asymmetrische Behandlung und damit eine Belastung der NSFR durch diese Aktiva und Verbindlichkeiten ausgeschlossen. Der Art. 428f CRR nennt eine Reihe an Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um die bevorzugte Behandlung zu erhalten: x

Die Rolle des Instituts beschränkt sich auf die Weiterleitung der Finanzmittel von der Verbindlichkeit in das entsprechende interdependente Aktivum;

x

die einzelnen interdependenten Aktiva und Verbindlichkeiten sind klar identifizierbar und haben denselben Kapitalbetrag;

x

das Aktivum und die interdependente Verbindlichkeit haben im Wesentlichen kongruente Laufzeiten mit einer maximalen Zeitspanne von 20 Tagen zwischen der Fälligkeit des Aktivums und der Fälligkeit der Verbindlichkeit;

x

die interdependente Verbindlichkeit wurde aufgrund einer rechtlichen, regulatorischen oder vertraglichen Verpflichtung verlangt und wird nicht zur Finanzierung anderer Aktiva verwendet;

x

die aus dem Aktivum erwachsenden Kapitalzahlungsströme werden nicht zu anderen Zwecken als zur Rückzahlung der interdependenten Verbindlichkeit verwendet;

x

die Gegenparteien bei jedem Paar von interdependenten Aktiva und Verbindlichkeiten sind nicht dieselben.

Der Art. 428f CRR nennt auch eine Reihe an Produkte und Dienstleistungen, bei denen 118 davon ausgegangen werden kann, dass die Anforderungen erfüllt sind. Dazu zählen u. a. Förderdarlehen sowie mit Förderdarlehen in Zusammenhang stehende Kredit- und Liquiditätsfazilitäten sowie Derivate-Clearingtätigkeiten für Kunden, vorausgesetzt, das Insti-

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§9

Liquiditätsvorschriften

tut übernimmt gegenüber seinen Kunden keine Garantie für die Erfüllung durch die ZGP und geht somit kein Refinanzierungsrisiko ein. 119 Gemäß Art. 428g CRR gelten für die von einem Institut, das zu einem institutsbezogenen Sicherungssystemen nach Art. 113 Abs. 7 CRR oder Genossenschaftsverbunden gehört, beim Zentralinstitut gehaltenen Einlagen, die das Institut als liquide Aktiva behandelt, dass das Institut den RSF-Faktor anwendet, der dem Abschlag bei der Berechnung der LCR für die Sichteinlage entspricht. Das Zentralinstitut, das die Einlage hereinnimmt, muss den entsprechenden symmetrischen Faktor für die verfügbare stabile Refinanzierung anwenden. 120 Gemäß Art. 428h CRR können die zuständigen Behörden, Instituten gestatten, einen höheren ASF-Faktor oder einen niedrigeren RSF-Faktor auf Aktiva, Verbindlichkeiten und zugesagte Kredit- oder Liquiditätsfazilitäten anzuwenden, wenn alle Bedingungen aus Art. 428h Abs. 1 lit. a bis lit. d und Abs. 2 CRR erfüllt sind. Dies gilt bspw., wenn die Gegenpartei innerhalb der gleichen Gruppe angesiedelt oder Mitglied desselben institutsbezogenen Sicherungssystems nach Art. 113 Abs. 7 CRR oder eines Verbunds i. S. der Art. 10 CRR ist. 3.

Verfügbarer Betrag stabiler Refinanzierung

121 Der Betrag der verfügbaren stabilen Refinanzierung für eine Position wird gemäß Art. 428i CRR berechnet, in dem der Buchwert der Position mit dem ASF-Faktor (Available-Stable-Funding-Faktor) multipliziert wird.31) Der ASF-Faktor spiegelt die Stabilität der Refinanzierungsquelle wider. Anleihen und andere Schuldverschreibungen, die das Institut begeben hat und die ausschließlich auf dem Privatkundenmarkt verkauft und auf einem Privatkundenkonto geführt werden, können als in die geeignete Kategorie von Privatkundeneinlagen fallend behandelt werden. Hierzu sind allerdings Beschränkungen vorzusehen, die bewirken, dass diese Instrumente ausschließlich von Privatkunden erworben und gehalten werden können. 122 Bei der Ermittlung der Restlaufzeiten ist gemäß Art. 428j CRR grundsätzlich die vertragliche Restlaufzeit heranzuziehen. Gemäß Art. 428j Abs. 2 und 3 CRR ist davon auszugehen, dass (Kündigungs-)Optionen, die die Gegenparteien ausüben können, zum frühestmöglichen Zeitpunkt ausgeübt werden. Eine Ausnahme stellen Kündigungsmöglichkeiten durch den Einleger dar, wenn der Einleger eine erhebliche Vorfälligkeitsentschädigung zahlen muss. Hier gilt die gleiche Definition wie in der LCR. Bei Optionen, die durch das Institut selbst ausgeübt werden können, muss das Institut auch Reputationsfaktoren und Markterwartungen bei der Einschätzung berücksichtigen, ob das Institut die Optionen ausüben kann oder nicht. 123 Übersicht: ASF-Faktoren für die einzelnen Positionen ASFFaktor

Position

100 %

• Eigenkapitalposten und -instrumente: • Positionen des harten Kernkapitals vor Anpassungen und Abzügen • Positionen des zusätzlichen Kernkapitals vor Abzügen • Ergänzungskapitals mit einer Restlauzeit • 1 Jahr, vor Abzügen • Sonstige Eigenkapitalinstrumente mit einer Restlaufzeit • 1 Jahr • Latente Steuerschulden und Minderheitsbeteiligungen mit einer Restlaufzeit • 1 Jahr • Alle sonstigen Verbindlichkeiten mit Restlaufzeit • 1 Jahr

___________ 31) BCBS, Basel III: The Net Stable Funding Ratio, v. 10/2014, Rz. 17.

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III. Net Stable Funding Ratio – NSFR ASFFaktor

Position

95 %

• Stabile Privatkunden-Sichteinlagen, Privatkundeneinlagen mit einer vereinbarten Kündigungsfrist < 1 Jahr und Termineinlagen mit Restlaufzeit < 1 Jahr

90 %

• Privatkunden-Sichteinlagen, Privatkundeneinlagen mit einer vereinbarten Kündigungsfrist < 1 Jahr und Privatkunden-Termineinlagen mit Restlaufzeit < 1 Jahr

50 %

• Latente Steuerschulden und Minderheitsbeteiligungen mit einer Restlaufzeit • 6 Monaten und < 1 Jahr • Operative Einlagen • Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit < 1 Jahr gegenüber • Zentralstaaten, regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften und öffentlichen Stellen (jeweils Mitgliedstaat oder Drittland) • Multilateralen Entwicklungsbanken und internationalen Organisationen • Nichtfinanziellen Firmenkunden, und • Kreditgenossenschaften, private Beteiligungsgesellschaften sowie Einlagenvermittler • Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit • 6 Monaten und < 1 Jahr • der EZB, • der Zentralbanken eines Mitgliedstaates oder von Drittländern, • Finanzkunden. • Sonstige Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit • 6 Monaten und < 1 Jahr

0%

• Verbindlichkeiten ohne feste Laufzeit, einschließlich Verkaufspositionen und Positionen mit offener Laufzeit, • Latente Steuerschulden und Minderheitsbeteiligungen mit einer Restlaufzeit < 6 Monate • Handelstagverbindlichkeiten • Interdependente Verbindlichkeiten nach Art. 428f CRR • Verbindlichkeiten mit Restlaufzeit < 6 Monaten von • der EZB, • der Zentralbanken eines Mitgliedstaates oder von Drittländern, • Finanzkunden. • Sonstige in den Art. 428l bis 428o CRR nicht genannte Verbindlichkeiten und Eigenkapitalposten oder -instrumente • Differenz — sofern negativ — zwischen der Summe der Zeitwerte über alle Nettingsätze von Derivatkontrakten mit positivem Zeitwert und der Summe der Zeitwerte über alle Nettingsätze von Derivatkontrakten mit negativem Zeitwert. Hierbei dürfen Nachschüsse (Variation Margin) in Form von gestellten Sicherheiten und erhaltenen Sicherheiten (beschränkt auf Aktiva der Stufe 1 ohne gedeckte Schuldverschreibungen äußerst hoher Qualität) berücksichtigt werden.

4.

Erforderlicher Betrag stabiler Refinanzierung

a)

Betrag der erforderlichen stabilen Refinanzierung

Der Betrag der erforderlichen stabilen Refinanzierung ergibt sich gemäß Art. 428p 124 CRR aus dem Buchwert des Vermögenswertes und dem RSF-Faktor (Required-StableFunding-Faktor). Der RSF-Faktor wird aus der Restlaufzeit des Vermögenswertes und der Liquiditätscharakteristik abgeleitet. Weitere Bestimmungen für die Ermittlung der erforderlichen stabilen Refinanzierung 125 werden in Art. 428p Abs. 2 bis 10 CRR aufgeführt. Hierzu gehört u. a. auch die Berücksichtigung einer Belastung des Vermögenswertes. Eine Belastung kann bspw. entstehen, wenn der Vermögenswert als Sicherheit hinterlegt wurde (z. B. im Derivatgeschäft). Eine

Laufenberg

485

§9

Liquiditätsvorschriften

Belastung wirkt in Abhängigkeit der Belastungsdauer grundsätzlich erhöhend auf den RSF-Faktor. Lediglich bei Aktiva, die weniger als sechs Monate belastet sind, erhalten gemäß Art. 428p Abs. 4 CRR die gleichen RSF-Faktoren, als wenn sie unbelastet wären. 126 Bei der Berechnung der Restlaufzeiten müssen gemäß Art. 428q CRR II etwaige Verlängerungsoptionen berücksichtigt werden und das Institut soll von der Annahme ausgehen, dass der Emittent oder die Gegenpartei jegliche Option zur Verlängerung der Laufzeit des Aktivums ausüben wird. Bei Optionen, die durch das Institut selbst ausgeübt werden können, muss das Institut auch Reputationsfaktoren und Markterwartungen bei der Einschätzung berücksichtigen, ob das Institut die Optionen ausüben kann oder nicht. Bei Amortisationsdarlehen werden die Tilgungen in die jeweiligen Restlaufzeitbänder (weniger als sechs Monate; mindestens sechs Monate und weniger als ein Jahr; mindestens ein Jahr) eingeordnet. 127 Bei der Anwendung der RSF-Faktoren auf Vermögensgegenstände, die in der LCR als liquide Aktiva, d. h. dem Liquiditätspuffer zugerechnet werden können, wird grundsätzlich auf die Definition in der LCR abgestellt. Dabei wird jedoch die Erfüllung der operativen Anforderungen und der Anforderungen an die Zusammensetzung des Liquiditätspuffers nicht gefordert. Somit kann der Fall eintreten, dass ein Wertpapier für die LCR nicht im Liquiditätspuffer angerechnet werden kann (z. B., weil es außerhalb der Kontrolle der Liquiditätsmanagementfunktion liegt oder weil nicht alle liquiden Aktiva der Stufe 2B angerechnet werden können) aber trotzdem die bevorzugte Behandlung durch einen geringen RSF-Faktor erhält. b)

Übersicht über die RSF-Faktoren für die einzelnen Positionen

128 Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die anzuwendenden RSF-Faktoren und die einzubeziehenden Positionen. 129 Übersicht: RSF-Faktoren für die einzelnen Positionen RSFFaktor

Position

0%

• Unbelastete Vermögenswerte, die bei der Berechnung der LCR als liquide Aktiva hoher Qualität der Stufe 1 (Ausnahme gedeckte Schuldverschreibungen äußert hoher Qualität) behandelt werden • Unbelastete Anteile von OGA, die bei der Berechnung der LCR einen Abschlag von 0 % erhalten würden • Alle Zentralbankguthaben (EZB und Zentralbanken der Mitgliedstaaten oder Drittländern) einschließlich der Mindestreserve • Alle Forderungen an Zentralbanken (EZB und Zentralbanken der Mitgliedstaaten oder Drittländern) mit Restlaufzeit < 6 Monaten • Handelstagforderungen innerhalb eines Standardabrechnungszeitraums • Interdependente Aktiva nach Art. 428f CRR II • Ausstehende Zahlungen aus Wertpapierfinanzierungsgeschäften mit Finanzkunden mit Restlaufzeit < 6 Monaten, sofern diese durch Vermögenswerte durch Aktiva der Stufe 1 besichert sind (Ausnahme gedeckte Schuldverschreibungen äußert hoher Qualität)

5%

• Unbelastete Anteile von OGA, die bei der Berechnung der LCR einen Abschlag von 5 % erhalten würden • Ausstehende Zahlungen aus Wertpapierfinanzierungsgeschäften mit Finanzkunden mit einer Restlaufzeit < 6 Monaten • Nicht in Anspruch genommener Teil zugesagter Kredit- und Liquiditätsfazilitäten

486

Laufenberg

§9

III. Net Stable Funding Ratio – NSFR RSFFaktor

Position • Außenbilanzielle Positionen für Handelsfinanzierungen mit Restlaufzeit < 6 Monaten • Auf den absoluten Zeitwert von Nettingsätzen aus Derivatkontrakten, vor Berücksichtigung hinterlegter Sicherheiten, wenn diese Nettingsätze einen negativen Zeitwert haben

7%

• Unbelastete Vermögenswerte, die bei der Berechnung der LCR als gedeckte Schuldverschreibungen äußerst hoher Qualität behandelt werden

7,5 %

• Außerbilanzielle Positionen für Handelsfinanzierungen mit einer Restlaufzeit • 6 Monaten und < 1 Jahr

10 %

• Ausstehende Zahlungen aus Transaktionen mit Finanzkunden mit einer Restlaufzeit < 6 Monaten • Bilanzwirksame Posten für Handelsfinanzierungen mit einer Restlaufzeit < 6 Monaten • Außenbilanzielle Positionen für Handelsfinanzierungen mit einer Restlaufzeit • 1 Jahr

12 %

• Unbelastete Anteile von OGA, die bei der Berechnung der LCR einen Abschlag von 12 % erhalten würden

15 %

• Unbelastete Vermögenswerte, die bei der Berechnung der LCR als liquide Aktiva hoher Qualität der Stufe 2A behandelt werden

20 %

• Unbelastete Anteile von OGA, die bei der Berechnung der LCR einen Abschlag von 20 % erhalten würden

25 %

• Unbelastete Verbriefungen, die bei der Berechnung der LCR als liquide Aktiva hoher Qualität der Stufe 2B behandelt werden

30 %

• Unbelastete gedeckte Schuldverschreibungen hoher Qualität • Unbelastete Anteile von OGA, die bei der Berechnung der LCR einen Abschlag von 30 % erhalten würden

35 %

• Unbelastete Verbriefungen, die bei der Berechnung der LCR als liquide Aktiva hoher Qualität der Stufe 2B behandelt werden • Unbelastete Anteile von OGA, die bei der Berechnung der LCR einen Abschlag von 35 % erhalten würden

40 %

• Unbelastete Anteile von OGA, die bei der Berechnung der LCR einen Abschlag von 40 % erhalten würden

50 %

• Unbelastete Vermögenswerte, die bei der Berechnung der LCR als liquide Aktiva hoher Qualität der Stufe 2B (Ausnahme Verbriefungen und gedeckte Schuldverschreibungen hoher Qualität) behandelt werden • Einlagen bei einem anderen Finanzinstitut für operative Zwecke • Ausstehende Zahlungen mit Restlaufzeit < 1 Jahr von: • Zentralstaaten, regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften, sowie öffentlichen Stellen (jeweils Mitgliedstaat oder Drittland); • Multilateralen Entwicklungsbanken und internationalen Organisationen; • Nichtfinanzunternehmen, KMU und Privatkunden; • Kreditgenossenschaften, private Beteiligungsunternehmen und Einlagenvermittler; • Ausstehende Zahlungen mit einer Restlaufzeit • 6 Monaten und < 1 Jahr von der EZB, Zentralbanken eines Mitgliedstaats oder Drittlands oder Finanzkunden • Bilanzwirksame Posten für die Handelsfinanzierung mit einer Restlaufzeit • 6 Monaten und < 1 Jahr

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487

§9 RSFFaktor

Liquiditätsvorschriften Position • Belastete Aktiva mit einer Restlaufzeit der Belastung von • 6 Monaten und < 1 Jahr32) • Sonstige Aktiva mit Restlaufzeit < 1 Jahr

55 %

• Unbelastete Anteile von OGA, die bei der Berechnung der LCR einen Abschlag von 55 % erhalten würden

65 %

• Unbelastete Darlehen mit einer Restlaufzeit • 1 Jahr und einem Risikogewicht ” 35 % nach Teil 3 Titel II Kapitel 2 CRR: • Durch Grundpfandrechte auf Wohnimmobilien besicherte bzw. durch anerkennungsfähige Sicherungsgeber in voller Höhe abgesicherte, unbelastete Darlehen für Wohnimmobilien nach Art. 129 Abs. 1e) CRR • Sonstige unbelastete Darlehen (Ausnahme: Darlehen an Finanzkunden)

85 %

• Aktiva und außerbilanzielle Positionen, die als Ersteinschuss (Initial Margin) für Derivatekontrakte geleistet werden • Aktiva und außerbilanzielle Positionen, die als Beitrag zum Ausfallsfonds einer zentralen Gegenpartei geleistet werden • Unbelastete Darlehen mit Restlaufzeit • 1 Jahr und einem Risikogewicht > 35 % nach Teil 3 Titel II Kapitel 2 CRR, die nicht mehr als 90 Tage überfällig sind (Ausnahme: Darlehen an Finanzkunden) • Bilanzwirksame Positionen für die Handelsfinanzierung mit einer Restlaufzeit • 1 Jahr • Unbelastete, nicht ausgefallene Wertpapiere mit einer Restlaufzeit • 1 Jahr, die für die LCR Berechnung nicht als liquide Aktiva behandelt werden • Unbelastete börsengehandelte Aktien, die für die LCR Berechnung nicht als liquide Aktiva der Stufe 2B behandelt werden • Physisch gehandelte Waren, einschließlich Gold (ohne Warenderivate) • Aktiva, die für eine Restlaufzeit • 1 Jahr belastet sind und sich in einem Deckungsstock befinden, der durch gedeckte Schuldverschreibungen finanziert wird

100 %

• Sämtliche Aktiva, die für eine Restlaufzeit • 1 Jahr belastet sind • Alle sonstigen bisher nicht genannten Aktiva, einschließlich • Darlehen an Finanzkunden mit einer Restlaufzeit • 1 Jahr • Notleidende Risikopositionen • Abzugsposten von den Eigenmitteln • Sachanlagen • Nicht börsengehandelte Aktien • Zurückbehaltene Rechte • Versicherungswerte • Ausgefallene Wertpapiere • Differenz — sofern positiv — zwischen der Summe der Zeitwerte über alle Nettingsätze von Derivatkontrakten mit positivem Zeitwert und der Summe der Zeitwerte über alle Nettingsätze von Derivatkontrakten mit negativem Zeitwert. Hierbei dürfen Nachschüsse (Variation Margin) in Form von gestellten Sicherheiten und erhaltenen Sicherheiten (beschränkt auf Aktiva der Stufe 1 ohne gedeckte Schuldverschreibungen äußerst hoher Qualität) berücksichtigt werden.

___________ 32) Ausnahme: Würde das unbelastete Aktivum einen höheren RSF-Faktor erhalten, so ist der höhere RSF-Faktor anzuwenden.

488

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§9

III. Net Stable Funding Ratio – NSFR 5.

Vereinfachte NSFR

Im Rahmen der Einführung der CRR II wurde auch dem Proportionalitätsgedanken ver- 130 stärkt Rechnung getragen. Die Maßnahmen sollen für kleine, nicht komplexe Institute die operativen Belastungen – vor allem in den Bereichen Meldewesen, Offenlegung und Vergütung – reduzieren. Bei der NSFR wurde die Möglichkeit gegeben, dass kleine, nicht komplexe Institute eine vereinfachte Version der NSFR (vereinfachte NSFR) anwenden können. Hierbei steht vor allem die verringerte Anzahl an Datenpunkten, die für die Meldung der NSFR erhoben werden müssen, im Vordergrund. Dies soll die Komplexität der Meldung der NSFR reduzieren. Gleichzeitig wurde über die Kalibrierung der Faktoren sichergestellt, dass auch die kleinen, nicht komplexen Institute über eine ausreichend stabile Refinanzierung verfügen. Dies bedeutet, dass die vereinfachte NSFR mindestens so konservativ ausgestaltet ist wie die vollständige NSFR (Standard-NSFR). Grundsätzlich ist die vereinfachte NSFR genauso aufgebaut, wie die Standard-NSFR. Die 131 Regeln für die vereinfachte NSFR sind in Kapitel 5 in den Artt. 428ai bis 428az CRR enthalten. Die Definition von kleinen, nicht komplexen Instituten ist im Art. 4 CRR i. V. m. Art. 1 132 Nr. 2 lit. a Ziff. xv CRR II enthalten und umfasst folgende Bedingungen. Ein kleines und nicht komplexes Institut ist ein Institut, das alle folgenden Bedingungen erfüllt: x

Es ist kein großes Institut;33)

x

der Gesamtwert seiner Vermögenswerte ist auf Einzelbasis oder gegebenenfalls auf konsolidierter Basis gemäß CRR und CRD während des Vierjahres-Zeitraums, der dem laufenden jährlichen Berichtszeitraum unmittelbar vorangeht, im Durchschnitt kleiner oder gleich dem Schwellenwert von 5 Mrd. €; die Mitgliedstaaten können einen niedrigeren Schwellenwert festsetzen;

x

es unterliegt keinen Anforderungen oder unterliegt vereinfachten Anforderungen in Bezug auf die Sanierungs- und Abwicklungsplanung im Einklang mit Art. 4 der Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD)34);

x

seine Handelsbuchtätigkeiten werden als von geringem Umfang i. S. des Art. 94 Abs. 1 CRR eingestuft;

x

der Gesamtwert seiner Derivatepositionen des Instituts, die mit Handelsabsicht gehalten werden, übersteigt nicht 2 % seiner gesamten bilanziellen und außerbilanziellen Vermögenswerte; und der Gesamtwert seiner gesamten Derivatepositionen übersteigt nicht 5 %, wobei beide Werte gemäß Art. 273a Abs. 3 CRR berechnet werden;

x

mehr als 75 % sowohl der konsolidierten Gesamtaktiva als auch der konsolidierten Gesamtpassiva des Instituts, in beiden Fällen mit Ausnahme der gruppeninternen Risikopositionen, betreffen Tätigkeiten mit Gegenparteien, die ihren Sitz im Europäischen Wirtschaftsraum haben;

x

das Institut verwendet keine internen Modelle, um seine Aufsichtsanforderungen gemäß dieser Verordnung zu erfüllen; hiervon ausgenommen sind Tochterunternehmen,

___________ 33) Ein großes Institut ist ein Institut, bei dem es sich um ein G-SRI handelt oder es wurde gemäß Art. 131 Abs. 1 und 3 CRD als anderes systemrelevantes Institut ermittelt oder es zählt in dem Mitgliedstaat, in dem es niedergelassen ist, nach dem Gesamtwert der Vermögenswerte zu den drei größten Instituten oder der Gesamtwert seiner Vermögenswerte auf Einzelbasis oder gegebenenfalls auf Basis der konsolidierten Gesamtlage gemäß CRR und CRD ist größer oder gleich 30 Mrd. €. 34) Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019.

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489

§9

Liquiditätsvorschriften die auf Gruppenebene entwickelte interne Modelle verwenden, sofern die Gruppe den Offenlegungspflichten nach Art. 433a oder Art. 433c CRR auf konsolidierter Basis unterliegt;

x

das Institut hat sich nicht bei der zuständigen Behörde gegen eine Qualifizierung als kleines und nicht komplexes Institut ausgesprochen;

x

die zuständige Behörde hat nicht entschieden, dass das Institut auf der Grundlage einer Analyse der Größe, Verflechtung, Komplexität oder des Risikoprofils nicht als kleines und nicht komplexes Institut zu betrachten ist.

133 Wenden Institute die vereinfachte NSFR an, so kommen die Anforderungen aus den Kapiteln 3 und 4 (Artt. 428i bis 428ah CRR) nicht zur Anwendung, sondern werden ersetzt durch die Anforderungen aus den Kapiteln 6 und 7 (Artt. 428ai bis 428az CRR). Die allgemeinen Regeln für die Berechnung der NSFR aus Kapitel 2 (Artt. 428c bis 428h CRR) gelten hingegen auch für die vereinfachte NSFR. a)

Verfügbarer Betrag stabiler Refinanzierung

134 Die Anforderungen zur Bestimmung des verfügbaren Betrags stabiler Refinanzierung sind in Artt. 428aj und 428ak CRR aufgeführt. Diese entsprechen den Anforderungen der Standard NSFR aus den Artt. 428i und 428j CRR. 135 Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht der ASF-Faktoren und der zugehörigen Positionen, die bei der Ermittlung der vereinfachten NSFR anzuwenden sind. Abweichungen zur Standard-NSFR sind dabei fett gedruckt. Dabei wird deutlich, dass bei der Ermittlung des verfügbaren Betrags stabiler Refinanzierung ein relativ geringer Unterschied zur Standard-NSFR besteht. Lediglich bei den Positionen latente Steuerschuld, Minderheitsbeteiligungen und Verbindlichkeiten ggü. EZB, Zentralbanken und Finanzkunden wird bei Restlaufzeiten unter einem Jahr nicht weiter unterschieden und ein ASF-Faktor von 0 % angewendet, wohingegen die Standard-NSFR für Restlaufzeiten zwischen sechs Monaten und einem Jahr einen vorteilhafteren ASF-Faktor von 50 % vorsieht. 136 Übersicht: ASF-Faktoren für die einzelnen Positionen der vereinfachten NSFR ASFFaktor

Vereinfachte NSFR Position

100 %

• Eigenkapitalposten und -instrumente: • Positionen des harten Kernkapitals vor Anpassungen und Abzügen • Positionen des zusätzlichen Kernkapitals vor Abzügen • Ergänzungskapitals mit einer Restlauzeit • 1 Jahr, vor Abzügen • Sonstige Eigenkapitalinstrumente mit einer Restlaufzeit • 1 Jahr • Latente Steuerschulden und Minderheitsbeteiligungen mit einer Restlaufzeit • 1 Jahr • Alle sonstigen Verbindlichkeiten mit Restlaufzeit • 1 Jahr

95 %

• Stabile Privatkunden-Sichteinlagen, Privatkundeneinlagen mit einer vereinbarten Kündigungsfrist < 1 Jahr und Termineinlagen mit Restlaufzeit < 1 Jahr

90 %

• Privatkunden-Sichteinlagen, Privatkundeneinlagen mit einer vereinbarten Kündigungsfrist < 1 Jahr und Privatkunden-Termineinlagen mit Restlaufzeit < 1 Jahr

50 %

• Operative Einlagen • Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit < 1 Jahr gegenüber • Zentralstaaten, regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften und öffentlichen Stellen (jeweils Mitgliedstaat oder Drittland) • Multilateralen Entwicklungsbanken und internationalen Organisationen

490

Laufenberg

§9

III. Net Stable Funding Ratio – NSFR ASFFaktor

Vereinfachte NSFR Position • Nichtfinanziellen Firmenkunden, und • Kreditgenossenschaften, private Beteiligungsgesellschaften sowie Einlagenvermittler • Sonstige Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit • 6 Monaten und < 1 Jahr

0%

b)

• Verbindlichkeiten ohne feste Laufzeit, einschließlich Verkaufspositionen und Positionen mit offener Laufzeit, • Latente Steuerschulden und Minderheitsbeteiligungen mit einer Restlaufzeit < 1 Jahr • Handelstagverbindlichkeiten • Interdependente Verbindlichkeiten nach Art. 428f CRR II • Verbindlichkeiten mit Restlaufzeit < 1 Jahr von • der EZB, • der Zentralbanken eines Mitgliedstaates oder von Drittländern, • Finanzkunden. • Sonstige in den Art. 428l bis 428o CRR nicht genannte Verbindlichkeiten und Eigenkapitalposten oder -instrumente • Differenz — sofern negativ — zwischen der Summe der Zeitwerte über alle Nettingsätze von Derivatkontrakten mit positivem Zeitwert und der Summe der Zeitwerte über alle Nettingsätze von Derivatkontrakten mit negativem Zeitwert. Hierbei dürfen Nachschüsse (Variation Margin) in Form von gestellten Sicherheiten und erhaltenen Sicherheiten (beschränkt auf Aktiva der Stufe 1 ohne gedeckte Schuldverschreibungen äußerst hoher Qualität) berücksichtigt werden.

Erforderlicher Betrag stabiler Refinanzierung

Die Anforderungen zur Bestimmung des erforderlichen Betrags stabiler Refinanzierung 137 sind in Artt. 428aq und 428ar CRR aufgeführt. Diese entsprechen – bis auf ein paar redaktionelle Abweichungen – den Anforderungen der Standard-NSFR aus den Artt. 428p und 428q CRR. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die anzuwendenden RSF-Faktoren und 138 die einzubeziehenden Positionen. Übersicht: RSF-Faktoren für die einzelnen Positionen der vereinfachten NSFR RSFFaktor

139

Vereinfachte NSFR Position

0%

• Unbelastete Vermögenswerte, die bei der Berechnung der LCR als liquide Aktiva hoher Qualität der Stufe 1 (Ausnahme gedeckte Schuldverschreibungen äußert hoher Qualität) behandelt werden • Alle Zentralbankguthaben (EZB und Zentralbanken der Mitgliedstatten oder Drittländern) einschließlich der Mindestreserve • Alle Forderungen an Zentralbanken (EZB und Zentralbanken der Mitgliedstaaten oder Drittländern) mit Restlaufzeit < 6 Monaten • Interdependente Aktiva nach Art. 428f CRR

5%

• Nicht in Anspruch genommener Teil zugesagter Kredit- und Liquiditätsfazilitäten • Auf den absoluten Zeitwert von Nettingsätzen aus Derivatkontrakten, vor Berücksichtigung hinterlegter Sicherheiten, wenn diese Nettingsätze einen negativen Zeitwert haben

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491

§9 RSFFaktor

Liquiditätsvorschriften Vereinfachte NSFR Position

10 %

• Unbelastete Vermögenswerte, die bei der Berechnung der LCR als gedeckte Schuldverschreibungen äußerst hoher Qualität behandelt werden. • Außenbilanzielle Positionen für Handelsfinanzierungen

20 %

• Unbelastete Vermögenswerte, die bei der Berechnung der LCR als liquide Aktiva hoher Qualität der Stufe 2A behandelt werden und unbelastete Anteile von OGA

50 %

• Besicherte und unbesicherte Darlehen mit einer Restlaufzeit < 1 Jahr und sofern sie < 1 Jahr belastet sind • Belastete Aktiva mit einer Restlaufzeit der Belastung von • 6 Monaten und < 1 Jahr35) • Sonstige Aktiva mit Restlaufzeit < 1 Jahr

55 %

• Unbelastete Vermögenswerte, die bei der Berechnung der LCR als liquide Aktiva hoher Qualität der Stufe 2B behandelt werden und unbelastete Anteile von OGA

85 %

• Aktiva und außerbilanzielle Positionen, die als Ersteinschuss (Initial Margin) für Derivatekontrakte geleistet werden oder die als Beitrag zum Ausfallsfonds einer zentralen Gegenpartei geleistet werden • Unbelastete Darlehen mit Restlaufzeit • 1 Jahr, die nicht mehr als 90 Tage überfällig sind (Ausnahme: Darlehen an Finanzkunden) • Bilanzwirksame Positionen für die Handelsfinanzierung mit einer Restlaufzeit • 1 Jahr • Unbelastete, nicht ausgefallene Wertpapiere mit einer Restlaufzeit • 1 Jahr, die für die LCR Berechnung nicht als liquide Aktiva behandelt werden • Unbelastete börsengehandelte Aktien, die für die LCR Berechnung nicht als liquide Aktiva der Stufe 2B behandelt werden • Physisch gehandelte Waren, einschließlich Gold (ohne Warenderivate)

100 %

• Sämtliche Aktiva, die für eine Restlaufzeit • 1 Jahr belastet sind • Alle sonstigen bisher nicht genannten Aktiva, einschließlich • Darlehen an Finanzkunden mit einer Restlaufzeit • 1 Jahr • Notleidende Risikopositionen • Abzugsposten von den Eigenmitteln • Sachanlagen • Nicht börsengehandelte Aktien • Zurückbehaltene Rechte • Versicherungswerte • Ausgefallene Wertpapiere • Differenz – sofern positiv – zwischen der Summe der Zeitwerte über alle Nettingsätze von Derivatkontrakten mit positivem Zeitwert und der Summe der Zeitwerte über alle Nettingsätze von Derivatkontrakten mit negativem Zeitwert. Hierbei dürfen Nachschüsse (Variation Margin) in Form von gestellten Sicherheiten und erhaltenen Sicherheiten (beschränkt auf Aktiva der Stufe 1 ohne gedeckte Schuldverschreibungen äußerst hoher Qualität) berücksichtigt werden.

140 Im Vergleich zu den RSF-Faktoren der Standard-NSFR wird deutlich, dass erheblich weniger unterschiedliche RSF-Faktoren vergeben werden (lediglich 8 Gruppen statt 17 Gruppen bei der Standard-NSFR). Da die Aufsicht die Positionen aus den nicht mehr verwendeten Gruppen immer einer Gruppe mit höherem RSF-Faktor in der vereinfachten NSFR zuordnet, kann dies – je nach Materialität der Positionen – zu einer deutlich verschlechterten NSFR führen. Die folgende Tabelle vergleicht die Positionen, die abweichende RSF-Faktoren ausweisen. ___________ 35) Ausnahme: Würde das unbelastete Aktivum einen höheren RSF-Faktor erhalten, so ist der höhere Faktor anzuwenden.

492

Laufenberg

§9

III. Net Stable Funding Ratio – NSFR Vergleich RSF-Faktoren

141 RSF-Faktor

RSF-Faktor

Standard NSFR

vereinfachte NSFR

Unbelastete Vermögenswerte, die bei der Berechnung der LCR als gedeckte Schuldverschreibungen äußerst hoher Qualität behandelt werden

7%

10 %

Unbelastete Vermögenswerte, die bei der Berechnung der LCR als liquide Aktiva hoher Qualität der Stufe 2A behandelt werden

15 %

20 %

Unbelastete Vermögenswerte, die bei der Berechnung der LCR als liquide Aktiva hoher Qualität der Stufe 2B behandelt werden

25 % bis 50 %

55 %

Unbelastete Anteile von OGA, die bei der Berechnung der LCR einen Abschlag zwischen 0 % und 12 % erhalten würden

0 % bis 12 %

Nicht explizit definiert

Unbelastete Anteile von OGA, die bei der Berechnung der LCR einen Abschlag zwischen 30 % und 40 % erhalten würden

30 % bis 40 %

55 %

Außenbilanzielle Positionen für Handelsfinanzierungen mit Restlaufzeit < 6 Monaten

5%

10 %

Außerbilanzielle Positionen für Handelsfinanzierungen mit einer Restlaufzeit • 6 Monaten und < 1 Jahr

7,5 %

10 %

Bilanzwirksame Posten für Handelsfinanzierungen mit einer Restlaufzeit < 6 Monaten

10 %

Nicht explizit definiert

Bilanzwirksame Posten für die Handelsfinanzierung mit einer Restlaufzeit • 6 Monaten und < 1 Jahr

50 %

Nicht explizit definiert

Ausstehende Zahlungen aus Wertpapierfinanzierungsgeschäften mit Finanzkunden mit einer Restlaufzeit < 6 Monaten

0 % oder 5 %

50 %

Ausstehende Zahlungen aus Transaktionen mit Finanzkunden mit einer Restlaufzeit < 6 Monaten

10 %

50 %

65 %

85 %

85 %

100 %

0%

Nicht explizit definiert

Position

Liquide Aktiva

Handelsfinanzierungen

Darlehen an Finanzkunden

Darlehen an Nicht-Finanzkunden Unbelastete Darlehen mit einer Restlaufzeit • 1 Jahr und einem Risikogewicht ” 35 % nach Teil 3 Titel II Kapitel 2 CRR: • Durch Grundpfandrechte auf Wohnimmobilien besicherte bzw. durch anerkennungsfähige Sicherungsgeber in voller Höhe abgesicherte, unbelastete Darlehen für Wohnimmobilien nach Art. 129 Abs. 1e) CRR • Sonstige unbelastete Darlehen (Ausnahme: Darlehen an Finanzkunden) Belastete Aktiva Aktiva, die für eine Restlaufzeit • 1 Jahr belastet sind und sich in einem Deckungsstock befinden, der durch gedeckte Schuldverschreibungen finanziert wird Sonstige Positionen Handelstagforderungen innerhalb eines Standardabrechnungszeitraums

Laufenberg

493

§9

Liquiditätsvorschriften

142 Da die vereinfachte NSFR nur für kleine und nicht komplexe Institute anwendbar ist, werden die meisten Abweichungen vermutlich keine größere Rolle spielen (z. B. die Unterschiede bei den liquiden Aktiva oder den Handelsfinanzierungen). Allerdings sind kurzfristige Darlehen an Finanzkunden mit einer Restlaufzeit bis zu sechs Monaten deutlich benachteiligt, ebenso können mit Wohnimmobilien besicherte Darlehen mit einer Restlaufzeit von einem Jahr oder länger einen höheren RSF-Faktor erhalten. IV.

Additional Monitoring Metrics

143 Nach Art. 415 CRR hat die EBA Entwürfe technischer Durchführungsstandards (Implementing Technical Standards – ITS) hinsichtlich zusätzlich erforderlicher Parameter für die Liquiditätsüberwachung (Additional Monitoring Metrics – AMM) auszuarbeiten, die den zuständigen Behörden einen umfassenden Überblick über das Liquiditätsrisikoprofil ermöglichen. Diese ITS wurden schließlich von der Kommission angenommen und im Amtsblatt veröffentlicht.36) 144 Diese Durchführungsverordnungen (EU) Nr. 2016/313 und (EU) 2017/2114 definieren weitere Meldepflichten, die die folgenden Meldebögen umfassen: Meldebogen C 66.00: Fälligkeitsstruktur. In diesem Meldebogen werden die Zahlungsmittelzu- und -abflüsse in verschiedene Laufzeitbänder eingeordnet und dem Liquiditätsdeckungspotenzial gegenübergestellt. x Meldebogen C 67.00: Konzentration der Finanzierung nach Gegenpartei. x Meldebogen C 68.00: Konzentration der Finanzierung nach Produktarten. x Meldebogen C 69.00: Kosten für unterschiedliche Finanzierungszeiträume. Dieser Meldebogen enthält Informationen über das durchschnittliche Transaktionsvolumen und die vom Institut entrichteten Finanzierungskosten für verschiedene Laufzeiten. x Meldebogen C 70.00: Anschlussfinanzierung. Dieser Meldebogen enthält Informationen über das Volumen der fällig werdenden Mittel und der neuen erhaltenen Finanzierung, d. h. der Finanzierungsverlängerung auf Tagesbasis über einen Zeithorizont von einem Monat. x Meldebogen C 71.00: Konzentration des Liquiditätsdeckungspotenzials nach Emittenten/Gegenparteien. Dieser Meldebogen enthält Informationen über die Konzentration des Liquiditätsdeckungspotenzials, aufgeschlüsselt nach den zehn größten gehaltenen Vermögenswerten bzw. den dem Institut zu diesem Zweck zugesagten Liquiditätslinien. 145 Mit der ALMM-Meldung ist keine verpflichtende Einhaltung einer Mindestquote verbunden. Die Meldungen erfolgen rein nachrichtlich und sollen den Aufsichtsbehörden die Möglichkeit geben, sich einen umfassenden Überblick über die Liquiditätssituation der Institute zu verschaffen. Die Informationen werden im aufsichtlichen Überwachungsund Bewertungsprozess (siehe unten Rz. 186) verwendet. x

V.

Meldepflichten

146 Die Meldepflichten für die LCR sind in einer Durchführungsverordnung geregelt (Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2016/322)37). Diese definieren die zu berichtenden Meldebögen: x Meldebogen C 72.00: Teil I – Liquide Aktiva, ___________ 36) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2016/313 der Kommission v. 1.3.2016, ABl. (EU) L 60/5 v. 5.3.2016, und Durchführungsverordnung (EU) 2017/2114 der Kommission v. 9.11.2017, ABl. (EU) L 321/1 v. 6.12.2017. 37) Durchführungsverordnung (EU) 2016/322 der Kommission v. 10.2.2016, ABl. (EU) L 64/1 v. 10.3.2016.

494

Laufenberg

§9

VI. Offenlegung x

Meldebogen C 73.00: Teil II – Abflüsse,

x

Meldebogen C 74.00: Teil III – Zuflüsse,

x

Meldebogen C 75.00: Teil IV – Sicherheitenswaps und

x

Meldebogen C 76.00: Teil V – Berechnungen.

Die LCR wird monatlich gemeldet und die Meldefrist für die LCR beträgt 15 Kalender- 147 tage.38) Die Änderungen zur LCR durch die Delegierte Verordnung (EU) 2018/1620 werden für 148 die Meldebögen i. R. einer weiteren Durchführungsverordnung umgesetzt.39) Eine gewisse Erleichterung sehen die Anpassungen der Meldebögen durch den Wegfall einiger Memorandum Items vor. Zusätzlich wird ein neuer Meldebogen C 77.00 eingeführt, der die in der Meldung enthaltenen Gesellschaften aufführt. Die neuen Meldebögen sind für die Meldung zum 30.4.2020 erstmalig anzuwenden. Die Meldepflicht zur NSFR wird noch in der ursprünglichen Durchführungsverordnung 149 (EU) Nr. 680/201440) geregelt und enthält zwei Meldebögen: x

Meldebogen C 60.00: stabile Refinanzierung – Positionen, die stabile Refinanzierung erfordern und

x

Meldebogen C 61.00: stabile Refinanzierung – Positionen, die stabile Refinanzierung bieten.

Die Meldung der NSFR erfolgt quartalsweise jeweils zum Quartalsende. Die Meldefrist 150 für die NSFR beträgt 42 Kalendertage. Die Meldepflicht für die NSFR nach CRR II ist noch nicht definiert, die EBA hat noch 151 keine Entwürfe für Meldebögen für die NSFR nach CRR II veröffentlicht. VI.

Offenlegung

Analog zu anderen Risikoarten unter Säule 1 werden Offenlegungsanforderungen für 152 die Liquiditätskennzahlen eingeführt. Dies betrifft sowohl die LCR als auch die NSFR. Im März 2017 hat die EBA Leitlinien für die Offenlegungsanforderungen zur LCR veröf- 153 fentlicht.41) Die Leitlinien richten sich in erster Linie an global oder anderweitig systemrelevante Institute, die die Anforderungen verpflichtend umsetzen sollen. Alle anderen Institute können die Leitlinie entweder freiwillig oder auf Anweisung der nationalen Aufsichtsbehörde umsetzen. Die Leitlinien sehen eine Erstanwendung der Offenlegungsstandards ab Dezember 2017 vor. Zudem werden sowohl qualitative als auch quantitative Offenlegungsanforderungen definiert. Die qualitativen Anforderungen umfassen bspw. die Darstellung der Strategie und der 154 Prozesse im Liquiditätsrisikomanagement, die eingesetzten Systeme und die Richtlinien zur Sicherung und Risikominderung der Liquiditätsrisiken. Zusätzlich soll das Liquiditätsrisikoprofil des Instituts dargestellt werden, was auch die Offenlegung von weiteren Kennzahlen umfasst (über LCR/NSFR hinausgehend). ___________ 38) Vgl. Art. 3 Abs. 1a DVO (EU) Nr. 680/2014. 39) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2020/429 der Kommission v. 14.2.2020, ABl. (EU) L 96/1 v. 30.3.2020. 40) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 der Kommission v. 16.4.2014, ABl. (EU) L 191/1 v. 28.6.2014. 41) EBA, Guidelines on LCR disclosure to complement the disclosure of liquidity risk management under Art. 435 of Regulation (EU) No 575/2013, v. 21.6.2017 (EBA/GL/2017/01).

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495

§9

Liquiditätsvorschriften

155 Die quantitativen Offenlegungsanforderungen umfassen verschiedene Einzelpositionen der LCR (bspw. HQLA, stabile und weniger stabile Einlagen, Kredit- und Liquiditätsfazilitäten etc.), jeweils als ungewichtete und gewichtete Werte. Die Werte sind allerdings keine Stichtagswerte, sondern müssen als einfache Durchschnittswerte der Erhebungen am Monatsende über die letzten zwölf Monate berechnet werden. 156 Wie bei Leitlinien üblich, sind diese nicht unmittelbar für die Institute anwendbar, sondern müssen von den nationalen Aufsichtsbehörden noch in nationales Recht übernommen werden. Die nationalen Aufsichtsbehörden müssen der EBA anzeigen, ob sie die Leitlinie in ihrer Jurisdiktion umsetzen werden. 157 Die deutsche Aufsichtsbehörde BaFin hat zum 8.8.2017 an die EBA gemeldet, dass sie die Leitlinie der EBA umsetzen wird (comply).42) Die BaFin hat am 20.7.2018 eine Konsultation eines Rundschreibens43) veröffentlicht, mit dem die BaFin die EBA Leitlinie zur Offenlegung in Deutschland umsetzen möchte. 158 Zusätzlich werden i. R. der CRR II Offenlegungsanforderungen für die LCR, NSFR und das Liquiditätsrisikomanagement durch Art. 451a CRR eingeführt. Die Frequenz und der Umfang der Offenlegung variieren zukünftig in Abhängigkeit der Kategorisierung der Institute in große Institute, kleine und nicht komplexe Institute und andere Institute. Die Offenlegungsanforderungen in Abhängigkeit der Kategorisierung sind in den Artt. 433a bis 433c CRR enthalten. Die Offenlegung auf Basis der CRR II erfolgt ab Juni 2021. 159 Hinsichtlich der LCR müssen die Institute für jedes Quartal des maßgeblichen Offenlegungszeitraums folgendes offenlegen: x

den Durchschnitt bzw. die Durchschnitte ihrer LCR, basierend auf den Beobachtungen am Monatsende in den letzten zwölf Monaten;

x

den Durchschnitt bzw. die Durchschnitte der gesamten liquiden Aktiva, nach Vornahme der entsprechenden Abschläge, die im Liquiditätspuffer enthalten sind, basierend auf den Beobachtungen am Monatsende in den letzten zwölf Monaten, und eine Beschreibung der Zusammensetzung dieses Liquiditätspuffers;

x

die Durchschnitte ihrer Liquiditätsabflüsse, Liquiditätszuflüsse und Netto-Liquiditätsabflüsse, basierend auf den Beobachtungen am Monatsende in den letzten zwölf Monaten, und eine Beschreibung ihrer Zusammensetzung.

160 Hinsichtlich der NSFR müssen die Institute folgendes offenlegen: x

Quartalsendzahlen zur NSFR für jedes Quartal des maßgeblichen Offenlegungszeitraums;

x

eine Übersicht über den Betrag der verfügbaren stabilen Refinanzierung;

x

eine Übersicht über den Betrag der erforderlichen stabilen Refinanzierung.

161 Zudem legen die Institute die Grundsätze, Systeme, Verfahren und Strategien offen, mit denen sie ihr Liquiditätsrisiko ermitteln, messen, steuern und überwachen. VII. Liquiditätsverordnung (LiqV) 162 Auf nationaler Ebene wird seit 2007 über die LiqV die Liquiditätsausstattung von Instituten und gewissen Finanzdienstleistungsinstituten geregelt. In der LiqV werden die Anforderungen aus dem § 11 KWG präzisiert. Bis zum 31.12.2017 erstreckte sich der An___________ 42) EBA, Guidelines compliance table, v. 8.3.2017 (EBA/GL/2017/01 Appendix 1). 43) BaFin, Konsultation 14/2018, Offenlegung der Liquiditätsdeckungsquote gemäß Art. 435 VO (EU) Nr. 575/2013, v. 20.7.2018 (BA 55-K 2103-2017/0004).

496

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§9

VII. Liquiditätsverordnung (LiqV)

wendungsbereich der LiqV auf Kreditinstitute und gewisse Finanzdienstleistungsinstitute.44) Seit 1.1.2018 ist der Anwendungsbereich der LiqV deutlich eingeschränkt auf: x

Kreditinstitute, die die LCR nicht einzuhalten haben und

x

Finanzdienstleistungsinstitute, die Eigenhandel betreiben oder als Anlagevermittler, Abschlussvermittler oder Finanzportfolioverwalter befugt sind, sich Eigentum oder Besitz an Geldern oder Wertpapieren von Kunden zu verschaffen oder auf eigene Rechnung mit Finanzinstrumenten zu handeln.

Die LiqV sieht zwei Möglichkeiten vor, wie Institute nachweisen können, ausreichende 163 Liquidität vorzuhalten: x

Meldung der Liquiditätskennzahl nach §§ 2 bis 7 LiqV (Standardansatz).

x

Verwendung von institutseigenen Liquiditätsrisikomess- und -steuerungsverfahren nach § 10 LiqV.

Die Verwendung von institutseigenen Liquiditätsrisikomess- und -steuerungs- 164 verfahren ist erst nach Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde erlaubt. Hinweise zum Ablauf des Zulassungsverfahrens gibt ein Merkblatt der BaFin.45) In diesem Abschnitt wird schwerpunktmäßig auf die Meldung der Liquiditätskennzahl 165 (Standardansatz) eingegangen, da die Anwendung von institutseigenen Liquiditätsrisikomess- und steuerungsverfahren nur sehr eingeschränkt genutzt wird. Nach § 2 Abs. 1 LiqV halten Institute nach dem Standardansatz eine ausreichende Liqui- 166 dität vor, wenn die zu berechnende Liquiditätskennzahl im Laufzeitband 1 (täglich oder in bis zu einem Monat) den Wert von eins nicht unterschreitet: Liquiditätskennzahl =

Zahlungsmittel t1 Zahlungsverpflichtung

Zur Berechnung der Liquiditätskennzahl werden die verfügbaren Zahlungsmittel zu den 167 während dieses Zeitraums abrufbaren Zahlungsverpflichtungen ins Verhältnis gesetzt. Insgesamt sind vier Laufzeitbänder vorgegeben, in die die Zahlungsmittel und -ver- 168 pflichtungen eingruppiert werden (§ 2 Abs. 1 LiqV): x

täglich oder in bis zu einem Monat (Laufzeitband 1),

x

in über einem Monat bis zu drei Monaten (Laufzeitband 2),

x

in über drei Monaten bis zu sechs Monaten (Laufzeitband 3) und

x

in über sechs Monaten bis zu zwölf Monaten (Laufzeitband 4).

Während die Liquiditätskennzahl für das erste Laufzeitband berechnet wird und eine 169 Mindestanforderung vorgegeben wird, werden für die weiteren drei Laufzeitbänder nur Beobachtungskennziffern nach dem gleichen Schema berechnet, aber nicht limitiert. Ein Zahlungsmittelüberschuss aus dem vorherigen Laufzeitband kann als zusätzliches Zahlungsmittel berücksichtigt werden. Die Funktionsweise der Liquiditätskennzahl ist eine Mischung aus einem „Maturity- 170 Mismatch-Approach“ und einem „Stock Approach“.46) Während nach dem Maturity___________ 44) Finanzdienstleistungsinstitute, die Eigenhandel betreiben oder die als Anlagevermittler, Abschlussvermittler oder Finanzportfolioverwalter befugt sind, sich Eigentum oder Besitz an Geldern oder Wertpapieren von Kunden zu verschaffen oder auf eigene Rechnung mit Finanzinstrumenten zu handeln. 45) BaFin, Merkblatt zur Zulassung eines bankinternen Liquiditätsmess- und -steuerungsverfahrens nach § 10 Liq Konsultation 14/2018, v. 15.10.2007. 46) S. Bundesbank, Mitteilung, Liquiditätsverordnung, v. 26.8.2019.

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§9

Liquiditätsvorschriften

Mismatch-Approach alle Zahlungsmittelzu- und -abflüsse aus bilanziellen und außerbilanziellen Positionen nach ihrer jeweiligen Restlaufzeit den Laufzeitbändern zugeordnet werden, erfolgt nach dem Stock Approach die Zuordnung von gewissen – als liquide klassifizierten – Vermögensgegenständen unabhängig von der tatsächlichen Restlaufzeit im ersten Laufzeitband. Diese liquiden Vermögensgegenstände stehen als Liquiditätspuffer zur Verfügung, um mögliche Zahlungsverpflichtungen zu decken. 171 Die Liquiditätskennzahl und die Beobachtungskennzahlen müssen monatlich an die Aufsicht bis zum 15. Geschäftstag gemeldet werden. Die Meldung erfolgt anhand der beiden Meldevordrucke LV1 und LV2. 172 Die Vorgaben für die Bestimmung der Zahlungsmittel und -verpflichtungen werden in den beiden folgenden Abschnitten näher beleuchtet. 1.

Zahlungsmittel

173 Zahlungsmittel, die die Anforderungen aus § 3 Abs. 1 LiqV erfüllen, werden nicht anhand ihrer tatsächlichen Restlaufzeit behandelt, sondern im Laufzeitband 1 erfasst: x

Kassenbestand,

x

Guthaben bei Zentralnotenbanken,

x

Inkassopapiere,

x

unwiderrufliche Kreditzusagen, die das Institut von einem anderen Institut oder der Kreditanstalt für Wiederaufbau erhalten hat,

x

börsennotierte Wertpapiere, die an einer anerkannten Börse zum Handel zugelassen sind,

x

bei nullgewichteten Zentralnotenbanken refinanzierungsfähige Vermögensgegenstände,

x

gedeckte Schuldverschreibungen nach Art. 129 CRR und

x

gewisse Sondervermögen.

174 Hierzu zählen auch jeweils dem Institut als Pensionsnehmer oder Entleiher i. R. von Pensionsgeschäften oder Leihgeschäften übertragenen Vermögensgegenstände, falls diese unter die o. a. Kategorien fallen. 175 Der Ansatz, diese Zahlungsmittel unabhängig von ihrer Laufzeit im ersten Laufzeitband anzurechnen, ähnelt in gewisser Weise dem Liquiditätspuffer in der LCR. Allerdings unterscheiden sich die anrechenbaren Vermögensgegenstände erheblich, so dass hier kein Gleichlauf zwischen der LiqV und der LCR zu erwarten ist. 176 Weitere Vermögensgegenstände werden anhand ihrer Restlaufzeit eingruppiert, hierzu zählen bspw.: x

Forderungen an Zentralnotenbanken, Institute und Kunden,

x

bei Zentralnotenbanken refinanzierbare Wechsel,

x

Sachforderungen des verleihenden Instituts auf Rückgabe der verliehenen Wertpapiere bzw. des Pensionsgebers auf Rückübertragung von Wertpapieren i. R. echter Pensionsgeschäfte,

x

Schuldverschreibungen und andere festverzinsliche Wertpapiere.

2.

Zahlungsverpflichtungen

177 Die Zahlungsverpflichtungen werden ebenfalls grundsätzlich nach ihrer Restlaufzeit den Laufzeitbändern zugeordnet. Eine Ausnahme besteht bei Positionen, bei denen sich die Abflüsse nicht direkt aus der Restlaufzeit ergeben. Bspw. sind täglich fällige Kundeneinlagen zwar juristisch innerhalb von einem Tag durch den Kunden abziehbar, jedoch zeigt 498

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§9

VIII. Liquiditätsrisikomanagement

die Praxis, dass ein hoher Anteil der Einlagen den Instituten langfristig zur Verfügung steht („Bodensatz“), so dass davon ausgegangen wird, dass nur ein relativ kleiner Teil innerhalb des betrachteten Zeitraums abgezogen wird. Folgende Positionen werden dem ersten Laufzeitband – unabhängig von der Restlaufzeit – zugeordnet: x

40 % der täglich fälligen Verbindlichkeiten gegenüber Instituten,

x

10 % der täglich fälligen Verbindlichkeiten gegenüber Kunden,

x

10 % der Spareinlagen,

x

5 % der Eventualverbindlichkeiten aus weitergegebenen Wechseln und aus übernommenen Bürgschafts- oder Gewährleistungsverpflichtungen,

x

5 % des Haftungsbetrags aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten,

x

20 % der Platzierungs- oder Übernahmeverpflichtungen und

x

20 % der noch nicht in Anspruch genommenen, unwiderruflich zugesagten Kredite, wenn sie nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 12 oder Abs. 3 LiqV zu erfassen sind.

Weitere Zahlungsverpflichtungen sind anhand der Restlaufzeit einzugruppieren.

178

Ein Vergleich zur LCR zeigt zwar, dass die LiqV bei Positionen, die einen Bodensatz oder 179 die ein Abrufrisiko (z. B. Kreditzusagen) aufweisen, einen ähnlichen Ansatz verwendet, indem die Abflüsse als Relation zum Bestandsvolumen geschätzt werden. Allerdings sind die Regelungen zur LCR deutlich granularer und unterscheiden nach Art der Einlage (z. B. stabile vs. nicht stabile einlagen) bzw. Kundengruppe (bei Fazilitäten). Zudem lässt die LiqV Liquiditätsrisiken unberücksichtigt, die in der Vergangenheit zu erheblichen Liquiditätsabflüssen während einer Krise geführt haben. Hierunter sind bspw. Nachschussverpflichtungen bei besicherten Derivaten zu zählen. VIII. Liquiditätsrisikomanagement Neben der Berücksichtigung der Liquiditätsrisiken innerhalb der Säule 1 sind die Vorga- 180 ben für das Risikomanagement von Liquiditätsrisiken innerhalb der Säule 2 ebenfalls deutlich ausgebaut worden. Einen umfassenden Überblick zu geben, würde den Rahmen dieses Abschnitts sprengen, so dass nur kurz auf die wesentlichen Regularien eingegangen werden kann. 1.

BaFin Rundschreiben zu den Mindestanforderungen an das Risikomanagement

Die Vorgaben für das Risikomanagement nach Säule 2 für Liquiditätsrisiken erfolgt durch 181 ein Rundschreiben der BaFin47) (MaRisk). Liquiditätsrisiken werden im Besonderen Teil BTR 3 behandelt. Dem Grundsatz der MaRisk folgend, sind die Vorgaben prinzipienorientiert ausgelegt und enthalten keine konkreten Vorgaben für eine Methodik zur Identifizierung, Messung, Überwachung und Berichterstattung der Liquiditätsrisiken. Stattdessen erhalten die Institute Methodenfreiheit für das interne Liquiditätsrisikomanagement. Innerhalb des Abschn. BTR 3 der MaRisk wird zwischen Vorgaben unterschieden, die für 182 alle beaufsichtigten Unternehmen gelten (BTR 3.1 MaRisk) und besonderen Vorschriften für kapitalmarktorientierte Unternehmen (BTR 3.2 MaRisk).

___________ 47) BaFin, Rundschreiben 9/2017 (BA), MaRisk, v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002).

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499

§9

Liquiditätsvorschriften

183 Übersicht: Vorgaben aus dem Abschn. BTR 3.1, die für alle Institute gelten Rz.

Inhalt

1

Sicherstellung Zahlungsverpflichtungen und Diversifikation Vermögensgegenstände und Refinanzierungsstruktur

2

Erkennung Liquiditätsengpässe und Angemessenheit der Verfahren

3

Erstellung aussagekräftige Liquiditätsübersicht – Gegenüberstellung Zahlungsmittelzuund -abflüsse

4

Prüfung der Deckung auftretender Liquiditätsbedarfe und Vorhalten Liquiditätspuffer

5

Einrichtung eines geeigneten Verrechnungssystems zur verursachungsgerechten internen Verrechnung der jeweiligen Liquiditätskosten, -nutzen und -risiken

6

Einrichtung eines Liquiditätstransferpreissystems zur verursachungsgerechten internen Verrechnung der jeweiligen Liquiditätskosten, -nutzen und -risiken für große Institute mit komplexen Geschäftstätigkeiten

7

Verantwortung für die Entwicklung und Qualität sowie die regelmäßige Überprüfung des Liquiditätstransferpreis-systems

8

Durchführung von Stresstests

9

Notfallplan für Liquiditätsengpässe

10

Übertragung liquider Mittel und unbelasteter Vermögensgegenstände innerhalb der Gruppe

11

Verfahren zur Steuerung der Fremdwährungsliquidität in den wesentlichen Währungen

12

Erstellung eines Refinanzierungsplans

184 Zusätzlich gelten für kapitalmarktorientierte Institute48) die erweiterten Anforderungen nach BTR 3.2. Dies betrifft vor allem die Anforderungen an das Vorhalten einer Liquiditätsreserve49) und strenge Vorgaben an die Ausgestaltung von Stresstests.50) Auf Basis der Stresstests muss das Institut einen Liquiditätspuffer vorhalten, um den Refinanzierungsbedarf über mindestens einen Monat sicherzustellen. Für die Überbrückung des Refinanzierungsbedarfs von mindestens einer Woche muss das Institut besonders hochliquide Vermögensgegenstände vorhalten. Diese müssen zentralbankfähig sein und sich jederzeit ohne signifikante Wertverluste an privaten Märkten liquidieren lassen. Im Sinne der MaRisk stellen Transaktionen mit der Zentralbank keine Transaktionen auf einem privaten Markt dar. 185 Im Rahmen der Stresstests müssen Szenarien betrachtet werden, die sowohl auf institutseigenen Ursachen als auch auf marktweiten beruhen. Zudem muss ein Szenario beide Aspekte kombiniert betrachten. Des Weiteren müssen die Szenarien folgende Sachverhalte abdecken: x

signifikante Ratingverschlechterung des Instituts;

x

keine Verlängerung von unbesicherter Refinanzierung durch institutionelle Anleger mindestens innerhalb der ersten Woche des Stressszenarios;

x

Abzug eines Teils von Privatkundeneinlagen;

x

allgemeiner Kursverfall von marktgängigen Vermögensgegenständen, insbesondere Wertpapieren sowie

x

allgemeine Verschlechterung der Refinanzierungsbedingungen.

___________ 48) Für das Kriterium der Kapitalmarktorientierung gilt § 264d HGB entsprechend. 49) BTR 3.2 Rz. 1 und 2 MaRisk 2017. 50) BTR 3.2 Rz. 3 MaRisk 2017.

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§9

VIII. Liquiditätsrisikomanagement 2.

EBA-Leitlinie zum Supervisory Review an Evaluation Process – SREP

Die Leitlinie zum aufsichtsrechtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess51) defi- 186 nieren weitere aufsichtsrechtliche Vorgaben zu Liquiditätsanforderungen. Die Leitlinien der EBA richten sich in erster Linie an die Aufsichtsbehörden und definieren Standards für die Überwachung der Institute. Indirekt werden über diese Leitlinien allerdings auch Vorgaben für die zu überwachenden Institute gesetzt. Innerhalb der Titel 5,52) 853) und 954) werden die Vorgaben für die Verfahren zur Beurteilung der Angemessenheit der internen Liquidität (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP) ausgeführt. Während in Titel 6 das übergreifende Rahmenwerk für das Risikomanagement – inkl. ILAAP-Rahmen – definiert wird, enthält der Titel 8 die konkreten Vorgaben, wie die Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken eines Instituts bewerten werden sollen. Dies umfasst sowohl Methoden für die Bewertung der Einzelrisiken als auch die Bewertung des Risikomanagements und der Risikokontrollen: x

Bewertung des inhärenten Liquiditätsrisikos,

x

Bewertung des inhärenten Finanzierungsrisikos und

x

Bewertung des Risikomanagements in Bezug auf Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken.

Abb. 5: Übersicht der betrachteten Aspekte der Überprüfung

187

Bewertung des Liquiditäts- und Finanzierungsrisikos Inhärentes Liquiditätsrisiko

Inhärentes Finanzierungsrisiko

Beurteilung des Liquiditätsbedarfs (kurz-/mittelfristig)

Beurteilung des Intraday Liquiditätsrisikos

Beurteilung des Refinanzierungsprofils

Beurteilung des tatsächlichen Marktzugangs

Beurteilung des Liquiditätspuffers

(Aufsichtliche) Liquiditätsstresstests

Beurteilungen von Risiken für die Stabilität des Refinanzierungsrofils

Beurteilung erwarteter Änderungen der Refinanzierungsrisiken

Management des Liquiditäts- und Finanzierungsrisikos • Liquiditätsrisikostrategie und -toleranz • Organisatorischer Rahmen, Richtlinien und Prozesse • Risikoidentifikation, -messung,-management, -überwachung und -reporting • Institutsindividuelle Liquiditätsstresstests • Interne Kontrollmechanismen und das Liquiditätsrisikomanagement • Liquiditätsnotfallplan • Refinanzierungsplan

Bewertung der einzelnen Liquiditäts- und Refinanzierungsrisiken Quelle: In Anlehnung an EBA SREP-Guidelines (EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 [EBA/GL/2014/13], EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 [EBA/GL/2018/03]), Rz. 413.

Auf Basis der in Titel 8 gewonnenen Erkenntnisse erfolgt in Titel 9 die SREP-Bewertung 188 bzgl. Liquidität. Mittels dieser Bewertung wird festgestellt, ob die vom Institut vorgehaltene Liquidität eine angemessene Deckung der gemäß Titel 8 beurteilten Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken gewährleistet. Zudem wird festgelegt, ob die Aufsicht zusätzliche Liquiditätsanforderungen an das Institut stellen muss, um die Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken zu decken. Mögliche zusätzliche Anforderungen können ein erhöhter Liquiditätspuffer, eine Reduzierung der Nettozahlungsmittelabflüsse oder ein Mindest-Überlebenshorizont sein. ___________ 51) EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), geändert durch EBA, Überarbeitete SREPGuidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03). 52) Titel 5: Bewertung der internen Governance und der institutsweiten Kontrollen. 53) Titel 8: Bewertung der Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken. 54) Titel 9: SREP-Liquiditätsbewertung.

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501

§9 IX.

Liquiditätsvorschriften Zusammenfassung

189 Die letzten Jahre haben gezeigt, dass das Liquiditätsrisiko ein wesentliches Risiko für die Institute darstellt und dass die Notwendigkeit bestand, die aufsichtlichen Überwachungsinstrumente dieser Entwicklung anzupassen. Daraus sind umfangreiche Meldeund Überwachungspflichten entstanden, die einerseits den Instituten strengere Vorgaben machen (z. B. LCR und zukünftig NSFR) als auch den Aufsichtsbehörden umfangreiche standardisierte Informationen über die Liquiditätsposition von den Instituten zur Verfügung stellen (z. B. AMM). Zudem besteht über SREP die Möglichkeit, den Instituten Vorgaben für zusätzliche Anforderungen für die Liquiditätsausstattung zu machen. Die Erfahrung aus SREP hinsichtlich der Kapitalausstattung zeigt, dass die Aufsicht davon regelmäßig Gebrauch macht und es ist zu erwarten, dass dies zukünftig auch für die Liquiditätsausstattung gelten wird. 190 Noch ist allerdings die Umsetzung aller vorgesehenen aufsichtlichen Weiterentwicklungen nicht vollständig abgeschlossen. Stattdessen werden auch in Zukunft Regulierungsvorhaben konkrete Vorgaben für verschiedene, die Liquidität betreffende Aspekte machen. Als Beispiel seien hier konkretere Vorgaben hinsichtlich der Überwachung des InnertagesLiquiditätsrisikos genannt. 191 Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Überwachung der Liquiditätsausstattung erheblich an Bedeutung gewonnen hat und dies auch in Zukunft zu erwarten ist.

502

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§ 10 Großkredite

Lackhoff/Heinz

Übersicht I. 1.

Einleitung .................................................... 1 Regelungszweck der Großkreditvorschriften .................................................. 1 2. Übersicht über den rechtlichen Rahmen ....................................................... 10 II. Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen .......... 23 1. Die Adressaten der Großkreditvorschriften ...................................................... 23 a) Anwendungsbereich der CRR (Artt. 387, 388 CRR).......................... 23 b) Erweiterter Anwendungsbereich aufgrund nationalen Rechts................ 29 2. Das Vorliegen eines Großkredits (Artt. 389 – 392 CRR)................................ 30 a) Definition (Art. 392 CRR)................. 30 b) Der Begriff der Risikoposition und die Berechnung des Risikopositionswerts (Artt. 389, 390 CRR)..... 32 aa) Relevante Risikopositionen ......... 32 bb) Ermittlung des Risikopositionswerts.............................................. 38 (1) Aktiva............................................ 38 (2) Außerbilanzielle Posten............... 39 (3) Derivatgeschäfte........................... 40 (4) Handelsbuchpositionen............... 42 (5) Sonderbestimmung für die Zwecke der Berechnung des Risikopositionswerts (Art. 391 CRR).......... 44 cc) Sonderfall: Geschäfte mit zugrunde liegenden Vermögenswerten (Art. 390 Abs. 7, 8 CRR) ............ 47 (1) Durchschau auf Risikopositionen aus zugrunde liegenden Vermögenswerten.................................... 50 (a) Durchschau auf den Kunden, mit dessen Adressenausfallrisiko die Position aus dem zugrunde liegenden Vermögensgegenstand verbunden ist ................................ 53 (b) Zuordnung der Risikoposition an das Geschäft als separater Kunde............................................ 54 (c) Zuordnung zu dem Kunden „unbekannter Kunde“ .................. 55 (2) Zusätzliche Risikoposition aus der Struktur des Geschäfts .......... 56 c) Die Bestimmung des Kunden oder der Gruppe verbundener Kunden ...... 58 aa) Begriff des Kunden ...................... 59

3.

4. 5.

bb) Gruppe verbundener Kunden (Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR) ........ 62 (1) Einheitliches Risiko aufgrund Kontrolle (Art. 4 Abs. 1 Nr. 37 CRR)............................................. 68 (a) Kontrolle i. S. des jeweiligen Konzernrechnungslegungsstandards (Var. 1, 2)...................................... 70 (b) Kontrolle aufgrund eines vergleichbaren Verhältnisses (Var. 3) ........... 77 (2) Einheitliches Risiko aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeit ..... 78 (3) Verknüpfung zwischen den Kriterien „Kontrolle“ und „wirtschaftliche Abhängigkeit“ (Kumulierung) ............................. 86 (4) Spezialfall: Gruppenangehörige Unternehmen als Gruppe verbundener Kunden......................... 87 (5) Anforderungen an die Prozesse zur Bestimmung von Gruppen verbundener Kunden ................... 89 (6) Sonderregelung: Zentralstaaten und Gebietskörperschaften und zentrale Gegenparteien (Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 Unterabs. 2 und 3 CRR)................................................90 d) Verhältnis der Risikoposition zu den anrechenbaren Eigenmitteln........ 93 Organisatorische Anforderungen (Art. 393 CRR) und Beschlussfassungspflichten der Geschäftsleiter (§ 13 KWG, §§ 3, 4 GroMiKV)................. 94 Die Meldung von Großkrediten (Art. 394 CRR) .......................................... 96 Obergrenze für Großkredite (Artt. 395 – 403 CRR).............................. 104 a) Großkreditobergrenzen.................... 106 aa) Allgemeine Großkreditobergrenze (Artt. 395 Abs. 1 Satz 1, 396 Abs. 1 CRR)........................ 107 bb) Besondere Großkreditobergrenze bei Interbankenpositionen kleinerer Institute (Artt. 395 Abs. 1 Satz 2 Unterabs. 2, 396 Abs. 1 CRR)............................... 112 cc) Besondere Großkreditobergrenze für Kredite zwischen global systemrelevanten Instituten (Art. 395 Abs. 1 Unterabs. 4 CRR) ......... 116

Lackhoff/Heinz

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§ 10

Großkredite

dd) Handelsbuchpositionen (Art. 395 Abs. 5 CRR) .............. 117 ee) Obergrenzen für Kredite an Schattenbanken (Art. 395 Abs. 2 CRR)............................... 120 (1) Begriff des Schattenbankunternehmens...................................... 123 (2) Verfahren und Kontrollmechanismen ........................................ 127 (3) Ansatz für die Festsetzung von Obergrenzen ....................... 130 b) Auslastung der Großkreditobergrenzen .............................................. 131 aa) Ausnahmen von der Anwendung der Großkreditobergrenze (Artt. 400 und 493 Abs. 3 CRR)................... 132 (1) Kraft Gesetzes geltende Ausnahmen (Art. 400 Abs. 1 CRR) ...... 132 (2) (Vollständige oder teilweise) Ausnahmen kraft behördlicher Entscheidung.............................. 137

(a) Ausnahmen gemäß Art. 400 Abs. 2, 3 CRR ............................ 139 (b) Nationale Wahlrechte (Art. 493 Abs. 3 CRR) .............. 150 bb) Kreditrisikominderungstechniken (Artt. 399, 401 – 403 CRR) .......................... 155 III. Die Anwendung der Großkreditregelungen im Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) ................................. 163 1. Die Zuständigkeit für die Überwachung des Großkreditregimes der CRR im SSM ............................................ 163 2. Die Zuständigkeit für die Überwachung der nationalen Großkreditvorschriften, insbesondere der Großkreditbeschluss- und –meldevorschriften des KWG, im SSM ................................... 167

Literatur: Buch, Risiken von Banken und Staaten trennen, Börsenzeitung v. 27.3.2015, https:// www.bundesbank.de/de/presse/gastbeitraege/risiken-von-banken-und-staaten-trennen-608078 (Abrufdatum: 13.5.2020); Eicke/Grol/Meyer-Ramloch, Europäische Großkreditregelungen, in: Grieser/ Heemann, Europäisches Bankaufsichtsrecht, 2016, Kap. XIX, S. 741; Frank, Die Level-3-Verlautbarungen der ESMA – ein sicherer Hafen für den Rechtsanwender?, ZBB 2015, 213; Kunschke/ Huertas, Regulation 2016/445 of the European Central Bank on the Exercise of Options and Discretions Available in Union Law (NODE Regulation): A Milestone towards a Single Rulebook for all Banks in the EU?, Journal of International Banking Law and Regulation (JIBLR) 2016, 439; Lackhoff/ Baldus, Das Großkreditregime der CRR und die Änderungsvorschläge des Baseler Ausschusses, ZBB 2015, 245. Verlautbarungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht/Basel Committee für Bankingsupervision (BCBS): BCBS, Standards – Rahmenregelung für die Messung und Begrenzung von Großkrediten, v. 4/2014, http://www.bis.org/publ/bcbs283_de.pdf (Abrufdatum: 13.5.2020). Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/ 2034 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 2002/87/EG, 2009/65/EG, 2011/61/EU, 2013/ 36/EU, 2014/59/EU und 2014/65/EU – Investment Firm Directive (IFD), ABl. (EU) L 314/64 v. 5.12.2019; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/ EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013; EP/Rat, Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates – Bilanzrichtlinie, ABl. (EU) L 182/19 v. 29.6.2013; EP/Rat, Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit – Solvabilität II, ABl. (EG) L 335/1 v. 17.12.2009; EP/Rat, Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.12.2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 79/267/EWG, 92/49/EWG, 92/96/EWG, 93/6/EWG und 93/22/EWG des Rates und der Richtlinien 98/78/EG und 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl.

504

Lackhoff/Heinz

§ 10

Großkredite

(EG) L 35/1 v. 11.2.2003; Rat, Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates v. 13.6.1983 aufgrund von Art. 54 Absatz 3 lit. g des Vertrages über den konsolidierten Abschluß, ABl. (EG) L 193/1 v. 18.7.1983. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1093/ 2010, (EU) Nr. 575/2013, (EU) Nr. 600/2014 und (EU) Nr. 806/2014 – Investment Firm Regulation (IFR), ABl. L 314/1 v. 5.12.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2017/ 2395 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2017 zur Änderung der Verordnung (EU) 575/2013 in Bezug auf Übergangsbestimmungen zur Verringerung der Auswirkungen der Einführung des IFRS 9 auf die Eigenmittel und zur Behandlung von bestimmten auf die Landeswährung eines Mitgliedstaats lautenden Risikoposition gegenüber dem öffentlichen Sektor als Großkredite, ABl. (EU) L 345/27 v. 27.12.2017; Rat, Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010; EP/Rat, Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. (EG) L 243/1 v. 11.9.2002. Verlautbarungen und Verordnungen der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Durchführungsbeschluss (EU) 2019/536 der Kommission v. 29.3.2019 zur Änderung des Durchführungsbeschlusses 2014/908/EU im Hinblick auf die Listen der Drittländer und Gebiete, deren aufsichtliche und rechtliche Anforderungen für die Zwecke der Behandlung von Risikopositionen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates als gleichwertig betrachtet werden, ABl. (EU) L 92/3 v. 1.4.2019; Kommission, Call for advice to the EBA for the purpose of revising the large exposure framework as part of the CRR review, v. 26.4.2016 (Ref. Ares (2016)1982720), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/1466081/ cf496c0d-4216-47c3-89c1-5443e388398a/(EBA-2016-E-675)%20Call%20for%20Advice%20Large %20exposures.pdf; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1187/2014 der Kommission v. 2.10.2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Bestimmung der Gesamtrisikoposition gegenüber einem Kunden oder einer Gruppe verbundener Kunden bei Geschäften mit zugrunde liegenden Vermögenswerten, ABl. (EU) L 324/1 v. 7.11.2014; Kommission, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 der Kommission v. 16.4.2014 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die aufsichtlichen Meldungen der Institute gemäß der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates – EU-Meldeverordnung, ABl. (EU) L 191/1 v. 28.6.2014; (Abrufdatum: 13.5.2020). Verlautbarungen und Verordnungen der European Banking Authority (EBA): EBA, Single Rulebook Q&A, http://www.eba.europa.eu/single-rule-book-qa; EBA, Leitlinien zu verbundenen Kunden gemäß Artikel 4 Absatz 1 Nummer 39 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 23.2.2018 (EBA/ GL/2017/15), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/2135623/7a09afa855c1-4fc6-8461-6649adb4eee1/Guidelines%20on%20connected%20clients%20%28EBA-GL-201715%29_DE.pdf; EBA, Consultation Paper on the scope of the draft Guidelines on Connected Clients under Article 4 (1) (39) of Regulation (EU) No 575/2013, v. 25.5.2017 (EBA/CP/2017/07), https:// eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/1856240/6b948a5d-2ecb-434c-999714c546418464/Consultation%20Paper%20on%20the%20scope%20of%20the%20draft%20Guidelines% 20on%20connected%20clients%20%28EBA-CP-2017-07%29.pdf; EBA, Leitlinien, Obergrenzen für Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen, die außerhalb eines Regelungsrahmens Banktätigkeiten ausüben, gemäß Art. 395 Abs. 2 VO (EU) Nr. 575/2013), v. 3.6.2016 (EBA/GL/2015/ 20), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/1482770/10a6ad11-46f54bcf-8dee-c23371f42114/EBA-GL-2015-20%20GLs%20on%20Shadow%20Banking%20Entities_DE .pdf; EBA, Consultation Paper on Guidelines on Connected Clients under Article 4 (1) (39) of Regulation (EU) No 575/2013, v. 26.7.2016 (EBA/CP/2016/09), https://www.eba.europa.eu/documents/ 10180/1531170/EBA-CP-2016-09+CP+on+Guidelines+on+Connected+Clients.pdf/ebfe2bd2-ddcb46ed-94ac-b104e4d051e9; (Abrufdatum jew. 13.5.2020).

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§ 10

Großkredite

Verlautbarungen und Verordnungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ ECB): ECB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, v. 31.3.2017 (SSM/2017/0140), https://www.bankingsupervision.europa.eu/ press/letterstobanks/shared/pdf/2017/Letter_to_SI_Entry_point_information_letter.pdf?cb0801df8 1ba2db9d450ce4fb53065c8; EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, v. 3/2016, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ecb_guide_options _discretions.de.pdf; EZB, Verordnung (EU) Nr. 2016/445 der Europäischen Zentralbank v. 14.3.2016 über die Nutzung der im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräume (EZB/2016/4), ABl. (EU) L 78/60 v. 24.3.2016; EZB, Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank v. 16.4.2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus – SSM-Rahmenverordnung (SSM-RahmenVO) (EZB/2014/17), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014; (Abrufdatum jew. 13.5.2020). Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): BaFin, Rundschreiben 8/2016 (BA), Obergrenzen für Risikopositionen gegenüber Schattenbanken, v. 14.12.2016, https:// www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/2016/rs_1608_Obergrenze_fuer_ Risikopositionen.html; BaFin, Rundschreiben 5/2014 (BA), Anwendung von Aussagen zum Grundsatz I, zur SolvV-alt und zur GroMiKV-alt auf CRD IV und CRR, v. 10.7.2014, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/rs_1405_ba_anwendung_grundsatzI.html; BaFin, Rundschreiben 8/2011 (BA), Umsetzung der CEBS-Großkreditleitlinie vom 11.12.2009 sowie weitere Auslegungsentscheidungen zu Großkreditvorschriften, v. 15.7.2011, https://www.bafin.de/SharedDocs/ Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/rs_1108_ba_cebs_grosskreditleitlinie.html; (Abrufdatum jew. 13.5.2020). Weitere Verlautbarungen: CEBS, Guidelines on the implementation of the revised large exposure regime, v. 11.12.2009, http://www.eba.europa.eu/regulation-and-policy/large-exposures/guidelines-onthe-revised-large-exposures-regime (Abrufdatum: 13.5.2020).

I.

Einleitung )

1.

Regelungszweck der Großkreditvorschriften

1 Wie viele, wenn nicht alle, Rechtsregelungen haben die Großkreditvorschriften keinen vor-rechtlichen veränderungsfesten Kern, sondern unterliegen im Zeitenlauf der Entwicklung und Anpassung an neue Verhältnisse und „Umweltbedingungen“. Mithin gilt für die Großkreditvorschriften auch der Satz, „drei berichtigende Worte des Gesetzgeber[s] und ganze Bibliotheken werden zur Makulatur“1). Mit den durch die CRR II2) in die Großkreditvorschriften der Capital Requirement Regulation – CRR3) eingefügten Vorschriften sind wesentliche qualitative Änderungen und neue operative Anforderungen für die Kreditinstitute verbunden. Dazu im weiteren Text. 2 Vorab ist an dieser Stelle festzuhalten, dass die Großkreditvorschriften der CRR in der Gestalt, die sie durch die CRR II erhalten haben, im Wesentlichen ab dem 28.6.2021 anwendbar sind, Art. 3 Abs. 2 CRR II.4) Die Vorschriften der CRR werden eingedenk dessen im Folgendem auf Basis des Standes erörtert, den sie durch die CRR II erhalten werden; sonstige Rechtsvorschriften (z. B. des KWG und der GroMiKV) werden auf dem Stand vom 1.4.2020 erörtert. ___________

) 1)

2) 3) 4)

506

Der Beitrag spiegelt ausschließlich die persönliche Auffassung der Autoren wider. S. zur durchaus denkwürdigen Herkunft dieses Satzes Julius v. Kirchmann, Die Werthlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft, Ein Vortrag gehalten in der juristischen Gesellschaft zu Berlin, Berlin 1848, S. 23; s. dazu auch https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Werthlosigkeit_der_Jurisprudenz _als_Wissenschaft (Abrufdatum jew. 13.5.2020). Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013. Zum bis zum 28.6.2021 geltenden Rechtsstand wird auf den Beitrag § 10 Großkredite in der 1. Auflage dieses Handbuchs verwiesen; s. a. Lackhoff/Baldus, ZBB 2015, 245.

Lackhoff/Heinz

§ 10

I. Einleitung

Ab dem 27.6.2019 sind von den in der CRR II enthaltenen Änderungen der Großkredit- 3 vorschriften allein die Artt. 391 Unterabs. 2, 394 Abs. 4, 396 Abs. 3 und Art. 403 Abs. 4 CRR anwendbar, vgl. Art. 3 Abs. 3 lit. k CRR II. Der neu eingefügte zweite Unterabsatz des Art. 391 CRR ermächtigt die Kommission i. R. der Feststellung, ob ein in einem Drittstaat etabliertes Unternehmen als Institut anzusehen ist, zu beurteilen, ob Aufsichtsvorschriften in diesem Drittstaat in äquivalenter Weise angewendet werden wie in der EU. Dies hat die Kommission bislang (1.5.2020) noch nicht getan, so dass die Vorteile einer Qualifizierung eines Unternehmens aus einem Drittstaat als Institut nur erreicht werden können, wenn die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde ungeachtet der Kompetenz der Kommission bereit ist, eine solche Äquivalenzfeststellung zu treffen. Dies ist strukturell keine glückliche Ausgestaltung, da die Anreize für die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde, in dieser Situation eine solche Feststellung zu treffen, limitiert sind. Die Vorschriften der Artt. 394 Abs. 4, 396 Abs. 3 und Art. 403 Abs. 4 CRR.5) gelten bereits jetzt, um die Europäische Bankenaufsicht (European Banking Authority – EBA) zur Vorbereitung technischer Regulierungsstandards oder zum Erlass von (nicht bindenden) Leitlinien in Bezug auf die künftig in Kraft tretenden Regelungen zu veranlassen. Ungeachtet der noch zu erörternden Ergänzungen zielt die Regulierung von Großkredi- 4 ten zuvörderst weiterhin auf eine Begrenzung von Konzentrationsrisiken in Kreditinstituten ab (sog. Klumpenrisiken). Mögliche Verluste, die bei einem Kreditinstitut infolge eines plötzlichen Ausfalls einer einzelnen Gegenpartei6) oder einer Gruppe miteinander verbundener Gegenparteien entstehen können, sollen derart kontrolliert und beschränkt werden, dass sie den Fortbestand des Kreditinstituts nicht gefährden.7) Die Großkreditvorschriften ergänzen somit die Regelungen zu den Eigenkapitalanforderungen, die keine Konzentrationsrisiken berücksichtigen,8) und stellen ein klassisches Instrument zur Vermeidung von Klumpenrisiken dar. Die Beschränkung von Risikopositionen eines Kreditinstituts gegenüber einer Gegenpartei im Verhältnis zu den Eigenmitteln des Kreditinstituts ist ein etabliertes Instrument des Bankaufsichtsrechts. Neben der Obergrenze für die einzelnen Risikopositionen ist die Pflicht zur Meldung besonders hoher Kredite an die Aufsichtsbehörde regelmäßig Bestandteil solcher Vorschriften.9)

___________ 5)

6)

7)

8) 9)

Im Folgenden werden Artikel der CRR i. d. F. zitiert, die sie durch die CRR II erhalten; wird auf die CRR i. d. F. vor den Änderungen durch die CRR II Bezug genommen, wird „CRR a. F.“ angegeben, wobei zu berücksichtigen ist, dass diese Fassung bis zum 27.6.2021 Anwendung findet. Die Veröffentlichungen des BCBS greifen im Zusammenhang mit den Rahmenregelungen zu Großkrediten auf den Begriff der „Gegenpartei“ zurück. Die CRR verwendet stattdessen den Begriff des „Kunden“, während die GroMiKV u. a. von „(Groß-)Kreditnehmern“ spricht. In der Sache sind mit den verschiedenen Begrifflichkeiten jedoch keine Unterschiede verbunden. Es geht um die Bezeichnung derjenigen Person, gegenüber welcher eine Risikoposition besteht. S. ErwG 53 CRR: „Die Überwachung und Kontrolle der Risikopositionen eines Instituts sollte fester Bestandteil der Beaufsichtigung sein. Eine zu starke Konzentration von Krediten auf einen einzigen Kunden oder eine Gruppe verbundener Kunden kann ein inakzeptables Verlustrisiko zur Folge haben. Eine derartige Situation kann der Solvenz eines Instituts als abträglich angesehen werden.“ S. BCBS, Standards – Rahmenregelung für die Messung und Begrenzung von Großkrediten, v. 4/2014, Rz. 3. Gleeson, International Regulation of Banking, Rz. 20.03.

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507

§ 10

Großkredite

5 Mit der in der CRR II eingeführten, verschärften Großkreditobergrenze10) wird den Großkreditvorschriften über die Vermeidung von Klumpenrisiken hinaus eine weitere Funktion bei der Reduzierung des Ansteckungsrisikos zwischen (global) systemrelevanten Instituten im Interesse der Finanzstabilität zugewiesen. Die CRR II folgt damit den Basler Vorschlägen.11) 6 Des Weiteren wird das Großkreditregime als ein nützliches Instrument zur Stärkung der Überwachung und Regulierung des Schattenbankensystems angesehen.12) 7 Schließlich wurde in der Vergangenheit schon angeregt, zukünftig spezifische Großkreditobergrenzen auf Staatsanleihen und sonstige Forderungen gegenüber einzelnen staatlichen Schuldnern mit dem Ziel anzuwenden, die Risiken von Banken und Staaten schrittweise zu entkoppeln.13) Dieses Ziel ist noch nicht (umfassend) in der CRR implementiert. Vielmehr wurden erste in der CRR vorhandene Ansätze, zumindest Risikopositionen gegenüber Zentralstaaten und Zentralbanken eines Mitgliedstaats, die auf die Landeswährung eines anderen Mitgliedstaats lauten, bei der Berechnung der Auslastung der Großkreditobergrenze zu berücksichtigen, durch neu eingeführte Bestandsschutz- und Übergangsregelungen abgemildert. Für Risikopositionen gegenüber Zentralstaaten und Zentralbanken eines Mitgliedstaats, die auf die Landeswährung eines anderen Mitgliedstaats lauten und in dieser Währung refinanziert sind, sieht Art. 495 Abs. 2 CRR nämlich vor, dass diesen (nur) bis zum 31.12.2017 das gleiche Risikogewicht (nämlich 0) wie Risikopositionen gegenüber Zentralstaaten und Zentralbanken eines Mitgliedstaats, die auf die Landeswährung dieses Mitgliedstaats lauten und in dieser Währung refinanziert sind, zugewiesen wird. Seit dem 1.1.2018 steigt das Risikogewicht dieser Positionen jedoch in drei Schritten bis zum Jahr 2020 auf 100 % an. Dies sollte dazu führen, dass die Voraussetzungen für eine Nichtanrechnung dieser Positionen auf die Großkreditobergrenze gemäß Art. 400 Abs. 1 CRR ab dem 1.1.2018 nicht mehr gegeben sind. Art. 1 Nr. 2 der VO (EU) 2017/2395,14) der die Art. 493 Abs. 4 bis 7 in die CRR eingefügt hat, führte insoweit jedoch eine Be___________ 10) Art. 395 Abs. 1 Unterabs. 4 CRR: „Abweichend von Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes hält ein G-SRI, gegenüber einem anderen G-SRI oder einem Nicht-EU-G-SRI, keine Risikoposition, deren Wert nach Berücksichtigung der Wirkung der Kreditrisikominderung gemäß den Artikeln 399 bis 403 15 % seines Kernkapitals übersteigt. Ein G-SRI hält diese Obergrenze spätestens zwölf Monate ab dem Datum, an dem es als ein G-SRI ermittelt wurde, ein. Hält ein G- SRI gegenüber einem Institut oder einer Gruppe, die als ein G-SRI oder ein Nicht-EU-G-SRI ermittelt wurde, so hält es diese Obergrenze spätestens zwölf Monate ab dem Datum, an dem dieses andere Institut oder die Gruppe als G-SRI oder Nicht-EU-G-SII ermittelt wurde.“ 11) BCBS, Standards – Rahmenregelung für die Messung und Begrenzung von Großkrediten, v. 4/2014, Rz. 5. Daran anknüpfend ist die Kommission mit einem Konsultationsersuchen an die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) herangetreten, die Auswirkungen auf europäische Banken zu untersuchen, die sich ergeben, sollte die Obergrenze für Risikopositionen zwischen global systemrelevanten Banken auf 15 % des Kernkapitals der jeweiligen Bank herabgesetzt werden, s. Kommission, Call for advice to the EBA for the purpose of revising the large exposure framework as part of the CRR review, v. 26.4.2016 (Ref. Ares(2016)1982720). 12) S. BCBS, Standards – Rahmenregelung für die Messung und Begrenzung von Großkrediten, v. 4/2014, Rz. 6: Dazu sollen vor allem die besonderen Regelungen zur Behandlung von Fonds, Verbriefungsstrukturen und Organismen für gemeinsame Anlage (Durchschau) beitragen. Zudem EBA, Leitlinien, Obergrenzen für Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen, die außerhalb eines Regelungsrahmens Banktätigkeiten ausüben, gemäß Art. 395 Abs. 2 VO (EU) Nr. 575/2013, v. 3.6.2016 (EBA/GL/2015/20): Diese verlangen u. a., dass Institute auf Basis von Risikoanalysen Gesamt- und Einzelobergrenzen für Risikopositionen gegenüber (einzelnen) Schattenbankunternehmen festlegen. 13) S. z. B. den Gastbeitrag von Buch, Risiken von Banken und Staaten trennen, Börsenzeitung v. 27.3.2015. Der BCBS hält demgegenüber an der Ausnahme für Staaten bzw. staatliche Schuldner von der Anwendung der Großkreditobergrenze fest, s. BCBS, Standards – Rahmenregelung für die Messung und Begrenzung von Großkrediten, v. 4/2014, Rz. 13, 61. 14) Verordnung (EU) 2017/2395 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2017, ABl. (EU) L 345/27 v. 27.12.2017.

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§ 10

I. Einleitung

standsschutz und Übergangsregelung ein. Zur Begründung wurde im ErwG 10 angeführt, dass es angebracht sei, „Übergangsbestimmungen für die Ausnahme von der Obergrenze für Großkredite vorzusehen, die für Risikopositionen bestimmter öffentlicher Schuldtitel der Mitgliedstaaten gilt, die auf die Landeswährung eines Mitgliedstaats lauten. Die Dauer des Übergangszeitraums sollte drei Jahre ab 1. Januar 2018 für Risikopositionen dieser Art, die am 12. Dezember 2017 oder danach entstanden sind, betragen, während für Risikopositionen dieser Art, die vor diesem Tag entstanden sind, Bestandsschutz gelten sollte und diese weiterhin unter die Ausnahme für Großkredite fallen sollten.“

Nach den Übergangsregelungen können die zuständigen Behörden Instituten abweichend 8 von Art. 395 Abs. 1 CRR unter bestimmten Voraussetzungen (Art. 493 Abs. 6 CRR) gestatten, bestimmte Risikopositionen (Art. 493 Abs. 5 CRR) bis zu den folgenden Obergrenzen zu halten: x

100 % des Kernkapitals des Instituts bis zum 31.12.2018;

x

75 % des Kernkapitals des Instituts bis zum 31.12.2019;

x

50 % des Kernkapitals des Instituts bis zum 31.12.2020.

Die Höchstgrenzen gelten für Risikopositionswerte nach Berücksichtigung der Wirkung 9 der Kreditrisikominderung gemäß den Artt. 399 bis 403 CRR. Diese Regelungen gelten für folgende Risikopositionen: x

Aktiva in Form von Forderungen an Zentralstaaten, Zentralbanken oder öffentliche Stellen der Mitgliedstaaten;

x

Aktiva in Form von Forderungen, die von Zentralstaaten, Zentralbanken oder öffentlichen Stellen der Mitgliedstaaten ausdrücklich abgesichert sind;

x

sonstige Risikopositionen, die gegenüber Zentralstaaten, Zentralbanken oder öffentlichen Stellen der Mitgliedstaaten bestehen oder von diesen abgesichert sind;

x

Aktiva in Form von Forderungen an regionale oder lokale Gebietskörperschaften der Mitgliedstaaten, die nach Art. 115 Abs. 2 wie Risikopositionen gegenüber dem Zentralstaat behandelt werden;

x

sonstige Risikopositionen, die gegenüber regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften der Mitgliedstaaten bestehen oder von diesen abgesichert sind.

2.

Übersicht über den rechtlichen Rahmen

Im Rahmen der Europäisierung und Vereinheitlichung des Bankaufsichtsrechts sind auch 10 die Vorschriften über Großkredite in die unmittelbar anwendbare Kapitaladäquanzverordnung überführt worden, die seit dem 1.1.2014 in den Mitgliedstaaten der EU einheitlich gilt. Dieses Regime hat durch die CRR II substantielle Änderungen erfahren. Diese Änderungen gehen im Wesentlichen auf die Vorschläge des Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision – BCBS) vom April 2014 zu einer Rahmenregelung für die Messung und Begrenzung von Großkrediten zurück,15) die ursprünglich bis zum 1.1.2019 umgesetzt werden sollten. In die CRR II flossen auch die Er-

___________ 15) BCBS, Standards – Rahmenregelung für die Messung und Begrenzung von Großkrediten, v. 4/2014.

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§ 10

Großkredite

gebnisse einer durch die Kommission auf Basis des Art. 507 CRR a. F.16) durchgeführten Überprüfung der Ausnahmeregelungen der CRR im Bereich der Großkredite ein.17) 11 Die mit der CRR II vorgenommenen und ab dem 28.6.2021 anwendbaren Änderungen sehen im Wesentlichen Folgendes vor: Das Bestehen eines Großkredits und das Erreichen der Großkreditobergrenze werden ausschließlich im Verhältnis zur Bezugsgröße des Kernkapitals bestimmt.18) x Bei der Ermittlung der i. R. der Großkreditvorschriften zu beachtenden Risikopositionswerte erfolgen Verschärfungen. Bei Handelsbuchpositionen wird die Verrechnung von Kauf- und Verkaufspositionen von verschiedenen von einem bestimmten Kunden begebenen Finanzinstrumenten i. R. der Ermittlung des Risikopositionswertes davon abhängig gemacht, dass die den Positionen zugrunde liegenden Finanzinstrumente den gleichen Rang besitzen oder das Finanzinstrument, das der Verkaufsposition zugrunde liegt, gegenüber dem der Kaufposition zugrunde liegendem Finanzinstrument nachrangig ist (Art. 390 Abs. 3 lit. b CRR). Für Derivategeschäfte wird die Anwendung der auf internen Modellen beruhenden Methoden zur Ermittlung der Gegenparteiausfallrisiken untersagt (Art. 390 Abs. 4 CRR). Ferner wird klargestellt, dass zusätzlich zu den Gegenparteiausfallrisiken etwa bestehende indirekte Risikopositionen aus den zugrunde liegenden Finanzinstrumenten in die Berechnung des Risikopositionswertes einzubeziehen sind (Art. 390 Abs. 5 CRR). x Die Regelungen zur Berücksichtigung von Kreditrisikominderungstechniken werden insbesondere dahingehend geändert, dass ein Gleichlauf zwischen der Nutzung von Kreditrisikominderungstechniken i. R. der Ermittlung der risikogewichteten Aktiva (RWA-Ermittlung) und bei der Anwendung der Großkreditvorschriften zu erfolgen hat (Art. 399 CRR) und bei der Anwendung von Kreditrisikominderungstechniken stets der in Bezug auf den Emittenten einer finanziellen Sicherheit oder den Garantiegeber anzurechnende Betrag im Hinblick auf die gewährte finanzielle Sicherheit/ Garantie zu erhöhen ist (sog. Substitutionseffekt) (Art. 403 CRR). 12 Diese Änderungen verschärfen das Großkreditregime. Insbesondere die Begrenzung der Bezugsgröße für die Ermittlung von Großkrediten auf das Kernkapital wird dazu führen, dass ein Großkredit und eine Überschreitung der Großkreditobergrenze deutlich eher ___________ x

16) Gemäß Art. 507 CRR a. F. hat die Kommission bis zum 31.12.2015 die Anwendung des Art. 400 Abs. 1 lit. j und Abs. 2 CRR zu überprüfen, u. a. im Hinblick darauf, ob die Ausnahmen nach Art. 400 Abs. 2 CRR individuell zu gewähren sind, einen Bericht zu erstellen und diesen, ggf. zusammen mit einem Gesetzgebungsvorschlag, dem Europäischen Parlament und dem Rat vorzulegen. Im Rahmen der CRR wurde Art. 507 CRR a. F. durch folgenden Text ersetzt: „(1) Die EBA überwacht die Anwendung der Ausnahmen nach Artikel 390 Absatz 6 Buchstabe b, Artikel 400 Absatz 1 Buchstaben f bis m und Artikel 400 Absatz 2 Buchstaben a, c bis g, i, j und k und legt der Kommission bis zum 28. Juni 2021 einen Bericht vor, in dem sie die quantitativen Auswirkungen bewertet, die die Abschaffung dieser Ausnahmen oder die Begrenzung ihrer Inanspruchnahme hätte. In diesem Bericht wird für jede Ausnahme nach diesen Artikeln insbesondere Folgendes bewertet: a) die Anzahl der in den einzelnen Mitgliedstaaten ausgenommenen Großkredite; b) die Anzahl der Institute, die die Ausnahme in den einzelnen Mitgliedstaaten in Anspruch nehmen; c) der Gesamtbetrag der in den einzelnen Mitgliedstaaten ausgenommenen Risikopositionen. (2) Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 31. Dezember 2023 einen Bericht über die Anwendung der Ausnahmen nach Artikel 390 Absatz 4 und Artikel 401 Absatz 2 in Bezug auf die Methoden für die Berechnung des Risikopositionswerts von Wertpapierfinanzierungsgeschäften und insbesondere in Bezug auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Änderungen bei internationalen Standards zur Bestimmung der Methoden für solche Berechnungen vor.“ 17) S. Kommission, Call for advice to the EBA for the purpose of revising the large exposure framework as part of the CRR review, v. 26.4.2016 (Ref. Ares(2016)1982720). 18) Art. 392 CRR erhält dazu folgende Fassung: „Die Risikoposition eines Instituts gegenüber einem Kunden oder einer Gruppe verbundener Kunden gilt als Großkredit, wenn der Wert der Risikoposition 10 % des Kernkapitals des Instituts erreicht oder überschreitet.“

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§ 10

I. Einleitung

vorliegen werden. Operationell wird z. B. der verlangte Gleichlauf von Kreditrisikominderungstechniken für Eigenmittel- und Großkreditzwecke das Potential haben, Institute vor Herausforderungen zu stellen. Die Großkreditregelungen finden sich insbesondere in Teil 4 der CRR (Artt. 387 – 403 CRR).19) Ferner werden die Großkreditvorschriften der CRR durch weitere unmittelbar verbindliche Regelungen in Durchführungs- und delegierten Rechtsakten komplettiert.20) Dies gilt insbesondere für die Meldepflichten gemäß Art. 394 CRR a. F., die in der EUMeldeverordnung21) konkretisiert werden. Des Weiteren enthält die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1187/201422) ergänzende Vorgaben für die nach Art. 390 Abs. 7 CRR erforderliche Ermittlung der Gesamtrisikoposition gegenüber einem Kunden bei Geschäften mit zugrunde liegenden Vermögenswerten. Mit dem Ziel, eine einheitliche Anwendung der bankaufsichtsrechtlichen Regelungen sicherzustellen, wird das Großkreditregime weiter durch Leitlinien und Auslegungsentscheidungen der Europäischen Bankaufsichtsbehörde (EBA) ausgestaltet.23) Dementsprechend werden die Vorschriften über die Obergrenzen für Großkredite gemäß Art. 395 CRR durch Leitlinien der EBA zu Obergrenzen für Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen ergänzt.24) Zudem hat die EBA am 14.11.2017 Leitlinien zur Bestimmung einer Gruppe verbundener Kunden gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR veröffentlicht.25) Der Veröffentlichung dieser Leitlinien gingen zwei Konsultationen voraus,26) von denen die letzte am 26.6.2017 endete. Daneben lässt das Unionsrecht einen begrenzten Raum für nationale Regelungen im Zusammenhang mit Großkrediten, den der deutsche Gesetzgeber genutzt hat. Zunächst hat der deutsche Gesetzgeber in § 13 Abs. 2, 3 KWG i. V. m. §§ 3, 4 GroMiKV autonom, d. h. ohne Vorgabe im Unionsrecht, Geschäftsleiterpflichten zur Beschlussfassung über Großkredite geschaffen.27) Ferner wird das BMF in § 13 Abs. 1 KWG ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Interesse des angemessenen Schutzes der Institute, Institutsgruppen, Finanzholding-Gruppen und gemischten Finanzholding-Gruppen vor Klumpenrisiken in Ergänzung der CRR bestimmte weitere Regelungen zu treffen. Vorgesehen sind Regelungen über x die Beschlussfassungspflichten der Geschäftsleiter gemäß § 13 Abs. 2 KWG sowie Ausnahmen davon, ___________ 19) Mit Blick auf das System mehrerer Normsetzungsebenen im europäischen Bank- und Finanzmarktaufsichtsrecht handelt es sich hierbei um sog. Level 1 Regelungen. 20) Mit Blick auf das System mehrerer Normsetzungsebenen im europäischen Bank- und Finanzmarktaufsichtsrecht handelt es sich hierbei um sog. Level 2 Regelungen. 21) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 der Kommission v. 16.4.2014, ABl. (EU) L 191/1 v. 28.6.2014. 22) Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1187/2014 der Kommission v. 2.10.2014, ABl. (EU) L 324/1 v. 7.11.2014. 23) Mit Blick auf das System mehrerer Normsetzungsebenen im europäischen Bank- und Finanzmarktaufsichtsrecht handelt es sich hierbei um sog. Level 3 Regelungen. Diese sind zwar nicht unmittelbar rechtsverbindlich. Da sie jedoch als Auslegungsmaßstäbe die Verwaltungspraxis der Aufsichtsbehörden determinieren, wirken sie bisweilen faktisch wie gesetzliche Regelungen. 24) EBA, Leitlinien, Obergrenzen für Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen, die außerhalb eines Regelungsrahmens Banktätigkeiten ausüben, gemäß Art. 395 Abs. 2 VO (EU) Nr. 575/2013, v. 3.6.2016 (EBA/GL/2015/20). 25) EBA, Leitlinien zu verbundenen Kunden gemäß Artikel 4 Absatz 1 Nummer 39 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 23.2.2018 (EBA/GL/2017/15). 26) EBA, Consultation Paper on Guidelines on Connected Clients under Article 4 (1) (39) of Regulation (EU) No 575/2013, v. 26.7.2016 (EBA/CP/2016/09), sowie EBA, Consultation Paper on the scope of the draft Guidelines on Connected Clients under Article 4 (1) (39) of Regulation (EU) No 575/2013, v. 25.5.2017 (EBA/CP/2017/07). 27) Ebenso die Übersicht bei Beck/Samm/Kokemoor-Demmelmair, KWG, Artt. 387 – 403 CRR Rz. 1 ff.

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Großkredite

x

die Großkreditstammdatenanzeigen sowie deren Rückmeldungen i. R. des Großkreditmeldeverfahrens nach Art. 394 Abs. 1 bis 3 der CRR,

x

die Meldung des Anteils des Handelsbuchs sowie die Nutzung der Ausnahmeregelung nach Art. 94 Abs. 1 CRR,

x

die bis zum Inkrafttreten der technischen Durchführungsstandards nach Art. 394 Abs. 4 CRR geltenden Vorgaben für Großkreditanzeigen nach Art. 394 Abs. 1 bis 3 CRR sowie zu den nach diesen Bestimmungen bestehenden Anzeigepflichten, und

x

die Umsetzung der von Art. 493 Abs. 3 CRR zugelassenen (vollständigen oder teilweisen) Freistellung bestimmter Kredite von der Anwendung der Großkreditobergrenzen.

18 Mit der zuletzt genannten Verordnungsermächtigung nimmt der deutsche Verordnungsgeber ein in der CRR für den nationalen Gesetzgeber angelegtes Wahlrecht auf, das dann in den §§ 1, 2 Groß- und Millionenkreditverordnung (GroMiKV)28) ausgestaltet worden ist. Mit den weiteren Regelungen sieht der deutsche Gesetzgeber Ergänzungen zur CRR vor, die ggf. nur bis zum Erlass von europäischen Durchführungsbestimmungen zur CRR gelten sollen und die ggf. nur bis zu diesem Zeitpunkt als gerechtfertigt angesehen werden können, da sie nur bis zu diesem Zeitpunkt zur Durchführung der CRR erforderlich sind. 19 § 13 Abs. 4 KWG sieht schließlich für die Zwecke der Großkreditvorschriften des Art. 395 Abs. 1 CRR eine Kreditnehmerfiktion für einen Interbankenkredit vor, wenn das Institut Kredite aus öffentlichen Fördermitteln zu vorbestimmten Konditionen über ein anderes Institut an Endkreditnehmer leitet und sich die Kreditforderung hat zur Sicherheit abtreten lassen. In diesem Fall kann das Institut den einzelnen Endkreditnehmer und nicht die Durchleitungsbank als seinen Kreditnehmer ansehen.29) 20 Schließlich werden die Großkreditvorschriften auch durch die Aufsichtspraxis geprägt. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass mit der Errichtung des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM), der die Überwachung bedeutender Kreditinstitute bei der Europäischen Zentralbank (EZB) zentralisiert, eine (teilweise) Zuständigkeitsverlagerung für die Überwachung der Großkreditvorschriften von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hin zur EZB erfolgt ist.30) Die EZB hat vor allem mit dem Erlass der Verordnung über die Nutzung von Optionen und Ermessensspielräumen31) und der Veröffentlichung eines ergänzenden Leitfadens32) auch relevante Weichenstellungen für die Überwachung der Großkreditvorschriften getroffen. Beide Instrumente werden im Hinblick auf die CRR II überarbeitet werden. 21 Ferner erfasst die Zuständigkeitsverlagerung nicht nur die Aufgaben und Befugnisse zur Überwachung der in der CRR vorgesehenen Großkreditvorschriften. Vielmehr ist auch die Zuständigkeit für die Überwachung der autonom vom deutschen Gesetzgeber ge___________ 28) Verordnung zur Ergänzung der Großkreditvorschriften nach der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 und zur Ergänzung der Millionenkreditvorschriften nach dem Kreditwesengesetz – Großkredit- und Millionenkreditverordnung (GroMiKV), v. 6.12.2013, BGBl. I 2013, 4183. 29) Für die Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 18 Abs. 1 KWG ist hingegen auf das nachgeordnete Institut abzustellen, Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Groß, KWG/CRR-VO, § 13 KWG Rz. 45. 30) Zum Einheitlichen Aufsichtsmechanismus Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik in der Währungsunion, § 5; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism. 31) Verordnung (EU) Nr. 2016/445 der Europäischen Zentralbank v. 14.3.2016, ABl. (EU) L 78/60 v. 24.3.2016. 32) EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, v. 3/2016.

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II. Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen

§ 10

schaffenen Großkreditbeschluss- und Meldevorschriften in Bezug auf bedeutende Kreditinstitute auf die EZB übergegangen.33) Die nachfolgende Darstellung gibt einen systematischen Überblick über die geltenden 22 Regelungen zu Großkrediten.34) Daran schließt sich ein kurzer Ausblick zur Anwendung der Großkreditvorschriften im Einheitlichen Überwachungsmechanismus an. II.

Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen

1.

Die Adressaten der Großkreditvorschriften

a)

Anwendungsbereich der CRR (Artt. 387, 388 CRR)

Nach Art. 387 CRR sind Institute verpflichtet, Großkredite gemäß den Vorschriften des 23 4. Teils der CRR zu überwachen und zu kontrollieren. Der Begriff des Instituts umfasst gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR Kreditinstitute und Wertpapierfirmen. Adressaten der Großkreditvorschriften der CRR sind folglich Kreditinstitute und (derzeit grundsätzlich noch alle) Wertpapierfirmen i. S. der CRR35), s. dazu noch Rz. 25. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang ferner, dass künftig auch bestimmte Finanzholdinggesellschaften und gemischte Finanzholdinggesellschaften die Großkreditvorschriften auf konsolidierter Basis einzuhalten haben, s. Art. 11 Abs. 1, 2 CRR. Die Vorschriften über Großkredite finden nach Art. 388 Abs. 1 CRR ausnahmsweise keine 24 Anwendung auf Wertpapierfirmen, die x

keine Zulassung für den Handel für eigene Rechnung und die Übernahme der Emission und/oder Platzierung von Finanzinstrumenten mit fester Übernahmeverpflichtung haben (Art. 95 Abs. 1 CRR);

x

für eigene Rechnung ausschließlich zum Zwecke der Erfüllung oder Ausführung eines Kundenauftrags oder des möglichen Zugangs zu einem Clearing- und Abwicklungssystem oder einer anerkannten Börse handeln, sofern sie kommissionsweise tätig sind oder einen Kundenauftrag ausführen (Art. 96 Abs. 1 lit. a CRR); oder

x

keine Kundengelder oder -wertpapiere halten, Handel nur für eigene Rechnung treiben, keine externen Kunden haben und die ihre Geschäfte unter der Verantwortung eines Clearinginstituts ausführen und abwickeln lassen, wobei Letzteres die Garantie dafür übernimmt (Art. 96 Abs. 1 lit. b CRR).

Die Verordnung und Richtlinie zur Neugestaltung der Aufsichtsanforderungen an Invest- 25 mentfirmen, die am 19.3.2019 beschlossen wurden, deren Veröffentlichung im Amtsblatt am 5.12.2019 erfolgt ist36) und deren Vorschriften 18 Monate nach Veröffentlichung im Amtsblatt anwendbar sind bzw. angewendet werden sollen, werden in Bezug auf die Anwendung der Großkreditvorschriften auf Wertpapierfirmen Veränderungen herbeiführen. Danach werden die Großkreditregelungen unmittelbar oder auf Anordnung der zuständi___________ 33) Zu dieser häufig als „National-Powers-Frage“ bezeichneten Frage s. u. a. das Schreiben der EZB an bedeutende Kreditinstitute: EZB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, v. 31.3.2017 (SSM/2017/0140); s. a. Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 95 ff. und unten unter Rz. 163 ff. 34) Ein solcher Überblick, der auch die Millionen- und Organkredite behandelt, findet sich auch in Brixner/ Schaber, Bankenaufsicht, S. 373 ff.; s. ferner Eicke/Grol/Meyer-Ramloch in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 741; Luz/Neus/Schaber/u. a., CRR visuell, S. 155 ff.; Gleeson, International Regulation of Banking, S. 405 ff. 35) Diese Begriffe sind in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 CRR definiert. 36) Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 – Investment Firm Regulation (IFR), ABl. L 314/1 v. 5.12.2019, und Richtlinie (EU) 2019/2034 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 – Investment Firm Directive (IFD), ABl. (EU) L 314/64 v. 5.12.2019.

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Großkredite

gen Aufsichtsbehörde nur für Investmentfirmen der Klasse 1 und deren Unterkategorien gelten, während es für solche der Klassen 2 und 3 zwar Regelungen zu Konzentrationsrisiken geben wird, die Großkreditregelungen der CRR jedoch nicht gelten werden. 26 Institute haben die Anforderungen des Großkreditregimes grundsätzlich auf Einzelbasis einzuhalten (Art. 6 Abs. 1 CRR). Des Weiteren sind die Großkreditvorschriften auch auf konsolidierter Basis (Artt. 11, 18 CRR) sowie im Falle von Teilkonsolidierungen gemäß Artt. 11 Abs. 637) und 22 CRR anzuwenden. Der durch die CRR II neu gefasste Art. 22 Abs. 1 CRR sieht vor, dass Tochterinstitute die Großkreditvorschriften und die zugehörigen Meldepflichten gemäß Teil 7A auf teilkonsolidierter Basis anwenden, wenn die betreffenden Institute ein Institut oder ein Finanzinstitut als Tochterunternehmen in einem Drittland haben oder eine Beteiligung an einem solchen Unternehmen halten. Der neu eingefügte Art. 22 Abs. 2 CRR eröffnet eine Ausnahme von dieser Pflicht zur Teilkonsolidierung durch Tochterinstitute, die ihrerseits in Drittstaaten ein Institut oder Finanzinstitut als Tochterunternehmen haben.38) Gemäß dieser Vorschrift besteht die Pflicht zur Teilkonsolidierung nicht, wenn die Summe der Aktiva und außerbilanziellen Posten und Beteiligungen in Drittländern weniger als 10 % der Summe der Aktiva und außerbilanziellen Posten des Tochterinstituts ausmacht. 27 Das Großkreditregime findet nach Art. 388 Abs. 2 CRR keine Anwendung auf Gruppen, denen nur von der Anwendung der Großkreditvorschriften ausgenommene Wertpapierfirmen sowie Anbieter von Nebendienstleistungen angehören. 28 Sofern ein Institut nach Art. 7 Abs. 1 CRR auf Einzelbasis oder teilkonsolidierter Basis von den Pflichten des Großkreditregimes freigestellt ist, sind gemäß Art. 396 Abs. 2 CRR Maßnahmen zu ergreifen, die eine angemessene Risikoverteilung innerhalb der Gruppe ermöglichen. b)

Erweiterter Anwendungsbereich aufgrund nationalen Rechts

29 Den Kreis der Adressaten der Großkreditvorschriften der CRR hat der deutsche Gesetzgeber über Kreditinstitute und Wertpapierfirmen i. S. der CRR hinaus erweitert. Vorbehaltlich der Ausnahmen gemäß § 2 Abs. 9, 9a, 9b KWG sind die Großkreditvorschriften der CRR gemäß § 1a Abs. 1 KWG auf alle Kreditinstitute i. S. des KWG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 KWG)39) so anzuwenden, als seien sie CRR-Kreditinstitute. Ferner sind die Großkreditvorschriften der CRR gemäß § 1a Abs. 2 KWG auf alle Finanzdienstleistungsinstitute i. S. des KWG (§ 1 Abs. 1a Satz 1 KWG) so anzuwenden, als seien sie CRR-Wertpapierfirmen vorbehaltlich § 2 Abs. 7 – 9 KWG. 2.

Das Vorliegen eines Großkredits (Artt. 389 – 392 CRR)

a)

Definition (Art. 392 CRR)

30 Art. 392 CRR definiert den Begriff des Großkredits.40) Danach liegt ein Großkredit vor, wenn der Wert einer Risikoposition eines Instituts (siehe Rz. 32 ff.) gegenüber einem Kunden oder einer Gruppe verbundener Kunden (siehe Rz. 58 ff.) 10 % des Kernkapitals ___________ 37) Durch die CRR II wird der bisherige Art. 11 Abs. 5 zu Art. 11 Abs. 6 CRR. 38) Von Art. 22 CRR wird auch der Fall erfasst, dass nicht das Tochterinstitut eine entsprechende Tochtergesellschaft in einem Drittstaat hat, sondern die Mutter-(Gemischte)-Finanzholdinggesellschaft. 39) Der Begriff des Kreditinstituts i. S. des KWG ist weiter und erfasst über CRR-Kreditinstitute, d. h. Einlagenkreditinstitute, hinaus sämtliche Unternehmen, die eines der in § 1 Abs. 1 KWG aufgeführten Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, betreiben. 40) Zu den verschiedenen Kreditbegriffen des KWG im Zusammenhang mit Millionenkrediten, Organkrediten und Großkrediten s. Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 375 ff.

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II. Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen

§ 10

des Instituts (siehe Rz. 93) erreicht oder überschreitet. Um zu ermitteln, ob ein Großkredit vorliegt, sind folglich bestimmte Adressenausfallrisikopositionen gegenüber einem Kunden oder einer Gruppe verbundener Kunden zu bestimmten Eigenmittelpositionen des Instituts ins Verhältnis zu setzen. Mit der CRR II werden die zu berücksichtigenden Eigenmittelpositionen auf solche des 31 Kernkapitals (Art. 25 CRR) begrenzt und mithin das Ergänzungskapital aus der Kapitalmessgröße zur Bestimmung eines Großkredits und der Großkreditobergrenze ausgenommen. Da sich mithin die Basis für die Bestimmung eines Großkredits und der Großkreditobergrenze verringert, liegt im Vergleich zum bisherigen Rechtsstand eher ein Großkredit/eine Überschreitung der Großkreditobergrenze vor. b)

Der Begriff der Risikoposition und die Berechnung des Risikopositionswerts (Artt. 389, 390 CRR)

aa)

Relevante Risikopositionen

Für die Zwecke der Großkreditvorschriften bezeichnet der Begriff der Risikoposition die 32 Gesamtheit der Adressenausfallrisikopositionen eines Instituts gegenüber einem Einzelkunden oder einer Gruppe verbundener Kunden.41) Die Gesamtrisikoposition gegenüber einer Gruppe verbundener Kunden wird durch Ad- 33 dition der Risikopositionen gegenüber den Einzelkunden dieser Gruppe berechnet, Art. 390 Abs. 1 CRR. Bei der Ermittlung der Risikoposition gegenüber einem Einzelkunden sind bei Handelsbuchinstituten42) wiederum die Risikopositionen aus dem Handelsbuch und aus dem Anlagebuch zu addieren, Art. 390 Abs. 2 CRR. Gemäß Art. 389 CRR umfasst der Begriff der Risikoposition alle Aktiva und außerbilan- 34 ziellen Posten eines Instituts i. S. der Regelungen zum Kreditrisikostandardansatz (Artt. 111 – 141 CRR) allerdings ohne Anwendung der Risikogewichte und -grade. Aus Art. 111 Abs. 2, Art. 390 Abs. 4 CRR folgt, dass auch Derivatgeschäfte unter den Begriff der Risikoposition fallen und somit ebenfalls bei der Ermittlung von Großkrediten zu berücksichtigen sind. Art. 390 Abs. 6 CRR führt Positionen auf, die bei der Bestimmung des Risikopositions- 35 wertes zur Ermittlung eines Großkredits nicht zu berücksichtigen sind. Sowohl vom Kernkapital abzuziehende Positionen (Art. 390 Abs. 6 lit. e CRR) als auch sog. Usancegeschäfte (Art. 390 Abs. 6 lit. a – d CRR)43) sind danach nicht als Risikopositionen für die Zwecke der Großkreditvorschriften zu behandeln. Usancegeschäfte umfassen: x

im Fall von Fremdwährungsgeschäften die Risikopositionen, die i. R. des üblichen Abrechnungsverfahrens im Zeitraum von zwei Arbeitstagen nach Leistung der Zahlung entstehen;

x

im Fall von Wertpapiergeschäften die Risikopositionen, die i. R. des üblichen Abrechnungsverfahrens im Zeitraum von fünf Geschäftstagen nach Leistung der Zahlung oder Lieferung der Wertpapiere entstehen – je nachdem, welches der frühere Termin ist;

im Fall der Durchführung des Zahlungsverkehrs, einschließlich der Ausführung von Zahlungsdiensten, des Clearings und der Abrechnung in jedweder Währung und des ___________

x

41) Gleeson, International Regulation of Banking, Rz. 20.07. 42) Dieser Begriff umfasst Institute, die Handelsbuchtätigkeiten nicht nur von geringem Umfang betreiben (Art. 94 CRR) und die Eigenmittelanforderungen für das Handelsbuch dementsprechend gemäß der Artt. 326 – 350 CRR (Teil 3 Titel IV Kap. 2), Art. 299 CRR und Artt. 378 – 380 CRR (Teil 3 Titel V) sowie ggf. Artt. 362 – 377 CRR (Teil 3 Titel IV Kap. 5) berechnen. 43) Zu dem Begriff und weiteren Einzelheiten der betreffenden Fallgruppen s. Beck/Samm/KokemoorDemmelmair, KWG, Artt. 387 – 403 CRR Rz. 20 ff.

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Großkredite

Korrespondenzbankgeschäfts oder der Erbringung von Dienstleistungen für Kunden zum Clearing, zur Abwicklung und zur Verwahrung von Finanzinstrumenten, verspätete Zahlungseingänge bei Finanzierungen sowie andere Risikopositionen im Kundengeschäft, die längstens bis zum folgenden Geschäftstag bestehen; x

im Fall der Durchführung des Zahlungsverkehrs, einschließlich der Ausführung von Zahlungsdiensten, des Clearings oder der Abrechnung in jedweder Währung und des Korrespondenzbankgeschäfts, Intratageskredite an Institute, die diese Dienste erbringen.

36 Diese Ausnahmen werden in ErwG 56 der CRR aufgegriffen. Danach sollen sehr kurzfristige Positionen im Zusammenhang mit Zahlungsverkehrsdiensten, einschließlich Zahlungs-, Clearing- und Abwicklungs- sowie Verwahrdiensten für Kunden, von den Regeln über die Überwachung von Großkrediten ausgenommen werden, um ein reibungsloses Funktionieren der Finanzmärkte und der damit zusammenhängenden Infrastruktur zu erleichtern.44) 37 Daneben kennt die CRR Risikopositionen, die bei der Bestimmung eines Großkredits für Meldezwecke (Art. 394 CRR), nicht aber für die Bestimmung der Einhaltung der Großkreditobergrenze (Art. 395 CRR) berücksichtigt werden (siehe Ausnahmen nach Art. 400 CRR). bb)

Ermittlung des Risikopositionswerts

(1)

Aktiva

38 Der Begriff der Aktiva umfasst alle mit einem Adressenausfallrisiko verbundenen Bilanzaktiva, wie z. B. Forderungen gegenüber Instituten und Unternehmen. Diese Positionen sind gemäß Art. 389, Art. 111 Abs. 1 Satz 1 CRR mit ihrem nach spezifischen Kreditrisikoanpassungen, Wertberichtigungen sowie etwaigen Verringerungen der Eigenmittel verbleibenden Buchwert zu berücksichtigen. Der für die Ermittlung der Einhaltung der Großkreditobergrenzen zu berücksichtigende Wert weicht von diesem für die Bestimmung eines Großkredit verwendeten Risikopositionswert ab, da z. B. die Kreditrisikominderungen zu berücksichtigen sind. (2)

Außerbilanzielle Posten

39 Zu berücksichtigende außerbilanzielle Posten sind nach Artt. 389, 111 Abs. 1 Satz 2 CRR alle Adressenausfallrisikopositionen aus solchen außerbilanziellen Geschäften, die in Anhang I der CRR unterteilt nach Risikokategorien aufgeführt sind. Der Risikopositionswert entspricht einem bestimmten Prozentsatz des Nominalwerts des außerbilanziellen Postens nach Abzug spezifischer Kreditrisikoanpassungen, wobei sich der anzuwendende Prozentsatz nach der einschlägigen Risikokategorie richtet. Nach Anhang I der CRR werden z. B. Garantien und Kreditderivate als außerbilanzielle Geschäfte erfasst. (3)

Derivatgeschäfte

40 Die in Anhang II der CRR genannten Derivatgeschäfte werden gemäß Artt. 389, 390 Abs. 4, 111 Abs. 2 CRR als Risikopositionen erfasst. Der Risikopositionswert ist gemäß Art. 390 Abs. 4 CRR nach einer der in den Artt. 273 – 282 CRR vorgesehenen Methoden zu ermitteln. Das bedeutet, dass die Berechnung anhand des Standardansatzes für das Gegenparteiausfallrisiko (Artt. 274 – 280 f. CRR), dem Vereinfachten Standardansatz für das Gegenparteiausfallrisiko (Art. 281 CRR) oder der Ursprungsrisikomethode (Art. 283 ___________ 44) S. auch Gleeson, International Regulation of Banking, Rz. 20.09: Die Ausnahme kurzfristiger Risikopositionen aufgrund normaler noch nicht abgewickelter Geschäfte ist allgemein anerkannt.

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II. Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen

§ 10

CRR) erfolgen muss. Eine Anwendung der auf internen Modellen beruhenden Methode wird mit der CRR II ausgeschlossen. Wird die Derivateposition im Handelsbuch geführt, ist Art. 299 CRR zu berücksichtigen, Art. 390 Abs. 4 Unterabs. 2 CRR. Für Wertpapierfinanzierungsgeschäfte können Institute mit einer Erlaubnis zur Verwen- 41 dung der Methoden nach Teil 3 Titel II Kap. 4 Abschn. 4 und Teil 3 Titel II Kap. 6 Abschn. 6 (d. h. der auf einem internen Modell beruhenden Methode – IMM) diese Methoden für die Berechnung des Risikopositionswerts für Wertpapierfinanzierungsgeschäfte verwenden, Art. 390 Abs. 4 Unterabs. 3 CRR. (4)

Handelsbuchpositionen

Der Wert der Risikopositionen des Handelsbuchs ist auf Basis der Sonderregelung in 42 Art. 390 Abs. 3 CRR zu ermitteln. Das Handelsbuch umfasst alle Positionen in Finanzinstrumenten und Waren, die ein Institut entweder mit Handelsabsicht oder zur Absicherung anderer mit Handelsabsicht gehaltener Positionen des Handelsbuchs hält (Art. 4 Abs. 1 Nr. 86 CRR). Entscheidend für die Zuordnung einer Position zum Handelsbuch ist mithin der Bezug zu einer Handelsabsicht (Art. 4 Abs. 1 Nr. 85 CRR). Bei der Bestimmung des Risikopositionswertes von Handelsbuchpositionen dürfen Kauf- 43 und Verkaufspositionen in den von einem bestimmten Kunden begebenen Finanzinstrumenten gegeneinander aufgerechnet werden, Art. 390 Abs. 3 CRR. Allerdings ist die Verrechnung von Kauf- und Verkaufspositionen in verschiedenen von einem bestimmten Kunden begebenen Finanzinstrumenten i. R. der Ermittlung des Risikopositionswertes nur zulässig, wenn die den Positionen zugrunde liegenden Finanzinstrumente den gleichen Rang besitzen oder das Finanzinstrument, das der Verkaufsposition zugrunde liegt, gegenüber dem der Kaufposition zugrunde liegendem Finanzinstrument nachrangig ist (Art. 390 Abs. 3 lit. b CRR). (5)

Sonderbestimmung für die Zwecke der Berechnung des Risikopositionswerts (Art. 391 CRR)

Bei der Ermittlung eines Risikopositionswerts ist ggf. Art. 391 CRR zu berücksichtigen. 44 Dieser erweitert den Begriff des Instituts für die Zwecke der Berechnung des Risikopositionswerts i. R. des Großkreditregimes. Danach fallen auch solche private oder öffentliche Unternehmen, einschließlich ihrer Zweigstellen, unter den Begriff „Institut“, x

die, wenn sie in der Union niedergelassen wären, die Definition „Institut“ (Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR) erfüllen würden und

x

die in einem Drittland zugelassen wurden, dessen aufsichtliche Anforderungen denen der Union mindestens gleichwertig sind.

Ob die in einem Drittland geltenden aufsichtlichen Anforderungen denen der Union 45 mindestens gleichwertig sind, kann gemäß Art. 391 Unterabs. 2 CRR45) durch die Kommission unter Berücksichtigung ihres Durchführungsbeschlusses bestimmt werden. Anhang I des Durchführungsbeschlusses der Kommission über die Gleichwertigkeit der 46 aufsichtlichen und rechtlichen Anforderungen bestimmter Drittländer46) führt für die Zwecke des Art. 107 Abs. 4 CRR diejenigen Drittländer auf, die für Kreditinstitute auf___________ 45) Dieser hat den folgenden Wortlaut: „Für die Zwecke des Absatzes 1 kann die Kommission im Wege von Durchführungsrechtsakten und vorbehaltlich des in Artikel 464 Absatz 2 genannten Prüfverfahrens Beschlüsse dazu erlassen, ob die aufsichtlichen und rechtlichen Anforderungen eines Drittlands denen der Union zumindest gleichwertig sind.“ 46) Durchführungsbeschluss (EU) 2019/536 der Kommission v. 29.3.2019, ABl. (EU) L 92/3 v. 1.4.2019.

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Großkredite

sichtliche und rechtliche Vorschriften anwenden, die den in der Union geltenden Vorschriften gleichwertig sind. Aufgrund der (mit der CRR II begründeten) Zuständigkeit der Kommission erscheint es angemessen, dass die zuständige Aufsichtsbehörde Anhang I des Durchführungsbeschlusses für die Zwecke des Art. 391 CRR entsprechend heranzieht, solange die Kommission keinen Beschluss nach Art. 391 Abs. 2 CRR gefasst hat, was bislang (1.5.2020) der Fall ist. Die EBA hat i. R. des Q&A-Prozesses bereits zuvor dargelegt, dass der Durchführungsbeschluss als Leitlinie genutzt werden kann.47) Sollte die zuständige Aufsichtsbehörde dies nicht tun und auf einen Beschluss der Kommission gemäß Art. 391 Abs. 2 CRR warten, würde dies bedeuten, dass die Vorteile einer Qualifizierung eines Unternehmens aus einem Drittstaat als Institut mangels Äquivalenzfeststellung nicht erreicht werden könnten. Dies ist strukturell keine glückliche Ausgestaltung, da die Anreize für die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde, in dieser Situation eine solche Äquivalenzfeststellung zu treffen, limitiert sind. cc)

Sonderfall: Geschäfte mit zugrunde liegenden Vermögenswerten (Art. 390 Abs. 7, 8 CRR)

47 Art. 390 Abs. 7 CRR enthält eine Sonderregelung zur Ermittlung der Gesamtrisikoposition für Geschäfte, bei denen Risikopositionen aus zugrunde liegenden Vermögenswerten resultieren. Danach haben Institute bei der Bestimmung von Großkrediten i. R. einer Durchschau in erster Linie die mittelbaren Adressrisiken zu erfassen, die aus den Vermögenswerten erwachsen, die einem solchen Geschäft zugrunde liegen.48) Die Sonderregelung findet Anwendung x

bei Verbriefungspositionen (Art. 112 lit. m CRR),

x

Risikopositionen in Form von Anteilen an Organismen für gemeinsame Anlagen (OGA) (Art. 112 lit. o CRR) sowie

x

bei anderen Geschäften, bei denen Risikopositionen aus zugrunde liegenden Vermögenswerten folgen (sonstige Konstrukte).

48 Mit Letzterem wurde ein Auffangtatbestand geschaffen, der es erlaubt, mögliche Konzentrationsrisiken umfassend zu erfassen.49) 49 Einzelheiten werden durch die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1187/2014 der Kommission geregelt, die auf Basis der Ermächtigung gemäß Art. 390 Abs. 8 CRR erlassen wurde. (1)

Durchschau auf Risikopositionen aus zugrunde liegenden Vermögenswerten

50 Gemäß Art. 390 Abs. 7 CRR, Art. 3 Abs. 1 Delegierte VO (EU) Nr. 1187/2014 hat ein Institut für jeden einem Geschäft zugrunde liegenden Vermögenswert die daraus resultierende Risikoposition i. R. einer Durchschau zu ermitteln.50) Dazu ist grundsätzlich auf den/die der Risikoposition zugrunde liegenden Vermögenswert/e abzustellen und in Bezug auf diesen der Kunde und Gruppen verbundener Kunden zu bestimmen.51) 51 Art. 5 Delegierte VO (EU) Nr. 1187/2014 regelt, wie die Berechnung des Positionswerts im Einzelnen erfolgt. Dabei wird insbesondere zwischen Geschäften unterschieden, bei denen alle beteiligten Anleger gleichrangig sind (z. B. OGA), und Geschäften, bei denen ___________ 47) 48) 49) 50) 51)

EBA, Single Rulebook Q&A, Question ID 2014_1692. S. auch Eicke/Grol/Meyer-Ramloch in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 741, 758. Beck/Samm/Kokemoor-Demmelmair, KWG, Artt. 387 – 403 CRR Rz. 45. S. dazu auch Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 409 ff. S. dazu auch Brixner/Schaber, Bankenaufsicht, S. 409.

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II. Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen

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Tranchierungen möglich sind, so dass sich die Risikopositionen im Rang unterscheiden können (z. B. bei Verbriefungen). Art. 6 Delegierte VO (EU) Nr. 1187/2014 bestimmt, inwieweit der ermittelte Positions- 52 wert bei der Berechnung der Gesamtrisikoposition des Instituts gegenüber einem spezifischen Kreditnehmer als Einzelkunden (oder gegenüber der entsprechenden Gruppe verbundener Kunden) zu berücksichtigen ist. Eine aus dem zugrunde liegenden Vermögenswert resultierende Risikoposition kann nach der Regelung des Art. 6 Delegierte VO (EU) Nr. 1187/2014 prinzipiell drei verschiedenen Kunden zugeordnet werden: (a)

Durchschau auf den Kunden, mit dessen Adressenausfallrisiko die Position aus dem zugrunde liegenden Vermögensgegenstand verbunden ist

Grundsätzlich sieht die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1187/2014 gemäß Art. 6 Abs. 1 53 eine Durchschau auf einen konkreten Kunden vor. Der ermittelte Wert der Risikoposition, die aus dem zugrunde liegenden Vermögenswert resultiert, ist demzufolge bei dem Kunden zu berücksichtigen, mit dessen Adressenausfallrisiko die Risikoposition verbunden ist. Liegt einer Verbriefungsposition z. B. eine Forderung gegen Schuldner S zugrunde, ist diese der Verbriefungsposition zugrunde liegende Forderung bei der Bestimmung, ob ein Großkredit vorliegt, mit möglichen weiteren Risikopositionen gegenüber dem Schuldner S zu addieren. (b)

Zuordnung der Risikoposition an das Geschäft als separater Kunde

Abweichend von einer Durchschau kommt eine Zuordnung der Risikoposition an das 54 Geschäft als separatem Kunden in den folgenden Fällen in Betracht: x

x

(c)

Das Institut hat den Kreditnehmer der zugrunde liegenden Risikoposition nicht identifiziert oder kann nicht feststellen, dass die zugrunde liegende Risikoposition keine Adressenausfallrisikoposition ist, sofern bestimmte Schwellenwerte eingehalten werden. Derzeit werden diese Schwellenwerte unter Bezugnahme auf die anrechenbaren Eigenmittel festgelegt. Es ist davon auszugehen, dass diese Bezugnahme bis zum 28.6.2021 im Einklang mit der dann anwendbaren neuen Großkreditdefinition auf das Kernkapital geändert wird. Die Schwellenwerte sind, dass x

der Positionswert 0,25 % der anrechenbaren Eigenmittel nicht übersteigt (Materialitätsschwelle) oder

x

der Positionswert die Materialitätsschwelle zwar übersteigt, das Institut aber gewährleisten kann, dass die zugrunde liegende Risikoposition nicht mit anderen Risikopositionen des Instituts verbunden ist (Art. 6 Abs. 2 lit. a, b Delegierte VO (EU) Nr. 1187/2014); oder

Das Institut ist nicht in der Lage, die zugrunde liegenden Risikopositionen abzugrenzen, sofern der Gesamtwert der Risikopositionen 0,25 % der anrechenbaren Eigenmittel52) nicht übersteigt (Art. 6 Abs. 3 lit. a Delegierte VO (EU) Nr. 1187/2014). Zuordnung zu dem Kunden „unbekannter Kunde“

Wenn eine Durchschau gemäß Art. 6 Abs. 1 Delegierte VO (EU) Nr. 1187/2014 nicht in 55 Betracht kommt und die Risikoposition auch nicht an das Geschäft als separatem Kunden zugeordnet werden kann, hat das Institut die Risikoposition dem Kreditnehmer „unbe___________ 52) Es ist davon auszugehen, dass die Bezugnahme auf „anrechenbare Eigenmittel“ bis zur Anwendbarkeit der CRR II durch eine Bezugnahme auf das Kernkapital ersetzt wird.

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Großkredite

kannter Kunde“ zuzuordnen (vgl. Art. 6 Abs. 2 lit. c, Abs. 3 lit. b Delegierte VO (EU) Nr. 1187/2014). Die Risikopositionen, für die das Institut keinen Schuldner ermittelt hat und die nicht an das Geschäft als separatem Kunden zugeordnet werden können, werden folglich zu einem einheitlichen Risiko zusammengefasst.53) Dieser hypothetische (unbekannte) Einzelkunde unterliegt in vollem Maße den Großkreditvorschriften.54) (2)

Zusätzliche Risikoposition aus der Struktur des Geschäfts

56 Gemäß Art. 390 Abs. 7 CRR, Art. 3 Abs. 2 Delegierte VO(EU) Nr. 1187/2014 hat das Institut des Weiteren zu beurteilen, ob die Struktur des Geschäfts mit zugrunde liegenden Vermögensgegenständen selbst eine zusätzliche Risikoposition begründet. Ausweislich des ErwG 7 der Delegierten VO (EU) Nr. 1187/2014 sollte die Struktur eines Geschäfts dann keine zusätzliche Risikoposition darstellen, wenn Verluste nur aus Ausfällen der zugrunde liegenden Vermögenswerte resultieren können. Dementsprechend regelt Art. 7 Delegierte VO (EU) Nr. 1187/2014, dass die Struktur keine eigene Risikoposition darstellt, wenn x

der Verwalter der Transaktion und Dritte nach der rechtlichen und operationellen Struktur der Transaktion daran gehindert sind, Zahlungsströme aus den zugrunde liegenden Vermögensgegenständen an nicht zu deren Empfang berechtigte Personen umzuleiten (Abs. 1 lit. a); und

x

weder der Emittent noch ein Dritter dazu verpflichtet werden kann, eine zusätzliche Zahlung oder eine Vorauszahlung auf die Zahlungsströme aus den zugrunde liegenden Vermögensgegenständen zu erbringen (Abs. 1 lit. b).

57 Die Bedingung gemäß lit. a gilt als erfüllt, sofern es sich bei dem Geschäft um einen Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) handelt. c)

Die Bestimmung des Kunden oder der Gruppe verbundener Kunden

58 Das Vorliegen eines Großkredits ist in Bezug auf den einzelnen Kunden (Kreditnehmer) sowie in Bezug auf Gruppen verbundener Kunden, d. h. Kunden, die miteinander verflochten sind und wahrscheinlich gleichzeitig ausfallen würden, zu bestimmen. Dementsprechend erfordert die Prüfung, ob ein Großkredit vorliegt, die Bestimmung des relevanten Kunden oder der relevanten Gruppe verbundener Kunden als Bezugspunkt für die zu berücksichtigenden Risikopositionen. aa)

Begriff des Kunden

59 Die CRR definiert den Begriff des Kunden nicht. Wer als Kunde anzusehen ist, ist vor dem Hintergrund der Definition des Großkredits gemäß Art. 392 CRR und dem Regelungszweck der Großkreditvorschriften zu bestimmen. Art. 392 CRR definiert einen Großkredit als „Risikoposition eines Instituts an einen Kunden“, deren Wert mindestens 10 % des Kernkapitals des Instituts erreicht oder überschreitet. Daraus folgt, dass Kunde (Kreditnehmer) diejenige Person ist, der gegenüber eine Risikoposition, d. h. eine mit einem Adressenausfallrisiko behaftete Position, besteht. Diese Betrachtung steht im Einklang mit dem Regelungsziel, die besondere Gefahr von Adressenausfallrisiken aus der Kreditvergabe an einen (einzigen) Kunden zu begrenzen, und wird weiter durch Art. 6 Abs. 1 Delegierte VO (EU) Nr. 1187/201455) veranschaulicht. Die Vorschrift verlangt in Bezug ___________ 53) Eicke/Grol/Meyer-Ramloch in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 741, 758. 54) Beck/Samm/Kokemoor-Demmelmair, KWG, Artt. 387 – 403 CRR Rz. 53. 55) S. dazu Rz. 52 ff.

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II. Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen

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auf Kreditrisiken, die aus dem einem Geschäft zugrunde liegenden Vermögensgegenstand resultieren, dass das Institut den jeweiligen Kreditnehmer für die Zwecke der Zuordnung der zugrunde liegenden Kreditrisikoposition zu einem Kunden ermittelt. In einzelnen Fallkonstellationen können sich jedoch Abgrenzungsschwierigkeiten erge- 60 ben, wer als Kunde i. S. der Großkreditvorschriften anzusehen ist.56) Dies lässt sich am Beispiel des echten/unechten Factorings veranschaulichen: Erwirbt ein Institut von einem Veräußerer eine Forderung, ohne dass der Veräußerer für die Einbringlichkeit der Forderung einsteht (sog. echtes Factoring), ist das Institut als Forderungsinhaber nur dem Adressenausfallrisiko des Forderungsschuldners der Forderung ausgesetzt. Der Forderungsschuldner ist somit alleiniger Kunde des Instituts i. S. der Großkreditvorschriften. Im Fall des sog. unechten Factorings, in dem der Veräußerer für die Erfüllung der For- 61 derung einsteht, ist hingegen fraglich, ob der Forderungsschuldner, der Veräußerer oder beide als Kunde anzusehen sind, da die Uneinbringlichkeit des Forderungsbetrags sowohl vom Eintritt des Adressenausfallrisikos des Forderungsschuldners als auch des Veräußerers abhängig ist. Sofern das Factoringverhältnis so ausgestaltet ist, dass die Abrede zwischen dem Institut und dem Veräußerer als Absicherung der erworbenen Forderung gegen den Forderungsschuldner anzusehen ist, ist Art. 403 CRR zu beachten. Dieser regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Institut den abgesicherten Teil eines Kredits als Risikoposition gegenüber dem Garantiegeber anstatt als Risikoposition gegenüber dem Schuldner behandeln soll. Dies spricht dafür, auch in der Konstellation des unechten Factorings primär den Forderungsschuldner als Kunde des Instituts i. S. der Großkreditvorschriften anzusehen und den Veräußerer nur dann als Kunden zu ersetzen, wenn die Voraussetzungen des Art. 403 CRR vorliegen.57) bb)

Gruppe verbundener Kunden (Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR)

Eine zu starke Konzentration von Krediten auf einen einzigen Kunden kann ein inakzep- 62 tables Verlustrisiko zur Folge haben.58) Mit den Großkreditvorschriften wird das Anliegen verfolgt, diese besondere Gefahr von Adressenausfallrisiken aus der Kreditvergabe an einen Kunden zu begrenzen. Einzelkunden eines Instituts können allerdings rechtlich oder wirtschaftlich derart eng miteinander verbunden sein, dass sie mit Blick auf Konzentrationsrisiken des kreditgebenden Instituts eine Risikoeinheit bilden. Vor diesem Hintergrund erfasst die CRR auch Risikopositionen eines Instituts an eine „Gruppe verbundener Kunden“ als Großkredit, sofern ihr Wert die Schwelle von 10 % des Kernkapitals erreicht (Art. 392 CRR). Solche Risikopositionen gegenüber Gruppen verbundener Kunden sind gemäß Art. 390 Abs. 1 CRR durch die Addition der Risikopositionen gegenüber den Einzelkunden einer Gruppe zu ermitteln. Folglich ist für die Bestimmung, ob ein Großkredit an eine Gruppe verbundener Kunden 63 vorliegt, entscheidend, welche Einzelkunden des Instituts zu einer Gruppe verbundener Kunden zusammen zu fassen sind. Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR definiert den Begriff „Gruppe verbundener Kunden“. Danach besteht eine solche Gruppe aus zwei oder mehr natürlichen oder juristischen Personen, die im Hinblick auf das Risiko als Einheit anzusehen sind, da x

die eine Person über eine direkte oder indirekte Kontrolle über die andere/n verfügt, sofern nicht das Gegenteil nachgewiesen wird,59) (Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 lit. a CRR) (Kontrolle); oder

___________ 56) 57) 58) 59)

Zu non-recourse Leasingfinanzierungen s. Lackhoff/Baldus, ZBB 2015, 245, 251 f. A. A. Beck/Samm/Kokemoor-Demmelmair, KWG, Artt. 387–403 CRR Rz. 38. ErwG 53 CRR. Die Kontrollvermutung ist also widerleglich.

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zwischen ihnen Abhängigkeiten bestehen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass bei finanziellen Schwierigkeiten, insbesondere Finanzierungs- oder Rückzahlungsschwierigkeiten, einer Person auch andere oder alle anderen auf Finanzierungs- oder Rückzahlungsschwierigkeiten stoßen (Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 lit. b CRR) (wirtschaftliche Abhängigkeit).

64 Für Zentralstaaten sowie regionale und lokale Gebietskörperschaften, die direkte Kontrolle ausüben oder zu denen ein oder mehrere Personen in direkter wirtschaftlicher Abhängigkeit stehen, enthält Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 Unterabs. 2 CRR eine Sonderregelung. Aufgrund dieser Sonderregelung sind voneinander unabhängige Staatsunternehmen, aufgrund der Eigentümerstellung des Zentralstaates nicht zu einer einzigen Gruppe verbundener Kunden zusammen zu fassen. Vielmehr bildet jedes Staatsunternehmen zusammen mit dem Zentralstaat, in dessen Eigentum es steht, eine eigene Gruppe verbundener Kunden (siehe unten Rz. 90 f.). 65 Mit dem durch die CRR II neu eigefügten Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 Unterabs. 3 CRR wird ferner eine klarstellende Regelung in Bezug auf Personen aufgenommen, die jeweils eine direkte Risikoposition gegenüber derselben zentralen Gegenpartei zu Zwecken von Clearingtätigkeiten haben. Danach ist dieser Umstand für sich genommen nicht hinreichend, um diese Personen als Gruppe verbundener Kunden zu betrachten (siehe unten Rz. 91). 66 Mit Blick auf die Auslegung des Begriffs der Kontrolle sowie des Begriffs der wirtschaftlichen Abhängigkeit konnten zunächst auch nach Geltungsbeginn der CRR zum 1.1.2014 die Ausführungen zur Bildung von Gruppen verbundener Kunden in den „CEBS-Guidelines on the implementation of the revised large exposure regime“ vom 11.12.200960) und das darauf beruhende Rundschreiben 8/2011 der BaFin vom 15.7.201161) herangezogen werden.62) Mittlerweile hat sich die Verwaltungspraxis jedoch gewandelt. Vor dem Hintergrund der Einführung der überarbeiteten Großkreditvorschriften in der CRR hat die EBA die CEBS-Guidelines überprüft und am 14.11.2017 eine neue Leitlinie zu „Gruppen verbundener Kunden“63) zur Bestimmung der Gruppe verbundener Kunden veröffentlicht. Mit diesen Leitlinien verfolgt die EBA, wie sich aus dem ersten Konsultationspapier64) erschließt, einen Ansatz, der weitgehend im Einklang mit den Standards „Rahmenregelung für die Messung und Begrenzung von Großkrediten“ des BCBS (April 2014)65) steht. Aus einem zweiten, am 25.5.2017 veröffentlichten Konsultationspapier,66) wird ferner deutlich, dass die Leitlinien darauf abzielen, den Anwendungsbereich der Rechtsfigur der Gruppe verbundener Kunden auf den gesamten Bereich der CRR zu erstrecken. ___________ 60) CEBS, Guidelines on the implementation of the revised large exposure regime, v. 11.12.2009. Diese Guidelines werden durch die EBA, Leitlinien zu verbundenen Kunden gemäß Artikel 4 Absatz 1 Nummer 39 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 23.2.2018 (EBA/GL/2017/15), m. W. v. 1.1.2019 aufgehoben. 61) BaFin, Rundschreiben 8/2011 (BA), Umsetzung der CEBS-Großkreditleitlinie vom 11.12.2009 sowie weitere Auslegungsentscheidungen zu Großkreditvorschriften, v. 15.7.2011. 62) In diesem Zusammenhang hat die BaFin klargestellt, bis auf Weiteres die bis zum Jahresende 2013 geübte Verwaltungspraxis fortzusetzen, soweit dieser weder der Wortlaut noch der Regelungskontext der CRR noch eine von der BaFin übernommene, den Q&A-Prozess der EBA abschließende veröffentlichte Aussage entgegensteht, s. BaFin, Rundschreiben 5/2014 (BA), Anwendung von Aussagen zum Grundsatz I, zur SolvV-alt und zur GroMiKV-alt auf CRD IV und CRR, v. 10.7.2014. 63) EBA, Leitlinien zu verbundenen Kunden gemäß Artikel 4 Absatz 1 Nummer 39 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 23.2.2018 (EBA/GL/2017/15). 64) EBA, Consultation Paper on Guidelines on Connected Clients under Article 4 (1) (39) of Regulation (EU) No 575/2013, v. 26.7.2016 (EBA/CP/2016/09). 65) BCBS, Standards – Rahmenregelung für die Messung und Begrenzung von Großkrediten, v. 4/2014. 66) EBA, Consultation Paper on the scope of the draft Guidelines on Connected Clients under Article 4 (1) (39) of Regulation (EU) No 575/2013, v. 25.5.2017 (EBA/CP/2017/07).

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II. Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen

§ 10

Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des Umstands, dass Leitlinien der EBA als 67 Auslegungsmaßstab die Verwaltungspraxis der Aufsichtsbehörden prägen,67) liegen die Leitlinien (EBA/GL/2017/15) den nachstehenden Ausführungen zugrunde. (1)

Einheitliches Risiko aufgrund Kontrolle (Art. 4 Abs. 1 Nr. 37 CRR)

Kontrolle i. S. von Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR wird in Art. 4 Abs. 1 Nr. 37 CRR definiert. 68 Danach ist Kontrolle x

das Verhältnis zwischen einem Mutter- und einem Tochterunternehmen i. S. des Art. 1 Richtlinie 83/349/EWG68) (jetzt Art. 22 Bilanzrichtlinie)69) (Var. 1) oder

x

des Rechnungslegungsstandards, der gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/200270) für ein Institut gilt (Var. 2); oder

x

ein vergleichbares Verhältnis zwischen einer natürlichen oder juristischen Person und einem Unternehmen (Var. 3).

Die Definition verweist somit in erster Linie auf den jeweiligen Konzernrechnungsle- 69 gungsstandard. Das kreditgebende Institut hat jedoch die Möglichkeit darzulegen, dass im Ausnahmefall71) trotz Bestehen eines Kontrollverhältnisses i. S. der Rechnungslegungsstandards kein einheitliches Risiko und somit keine Gruppe verbundener Kunden vorliegt.72) (a)

Kontrolle i. S. des jeweiligen Konzernrechnungslegungsstandards (Var. 1, 2)

Der in Art. 4 Abs. 1 Nr. 37 Var. 1 CRR in Bezug genommene Art. 1 Richtlinie 83/349/ 70 EWG ist durch Art. 22 Abs. 1 und 2 Bilanzrichtlinie ersetzt worden, ohne dass es hierdurch zu inhaltlichen Änderungen gekommen ist. Zusammengefasst sieht Art. 22 Abs. 1 Bilanzrichtlinie vor, dass ein Mutter-Tochter-Verhältnis bei x

Bestehen einer Stimmrechtsmehrheit,

x

dem Recht zur Bestellung und Abberufung der Mehrheit der Mitglieder des Leitungsoder Aufsichtsorgans sowie

x

der vertraglichen Einräumung oder dem faktischen Bestehen eines beherrschenden Einflusses

vorliegt. Zusätzlich besteht nach Art. 22 Abs. 2 Bilanzrichtlinie eine Pflicht zur Aufstellung eines 71 konsolidierten Abschlusses, wenn ein Mitgliedstaat dies vorschreibt und x

ein Unternehmen (Mutterunternehmen) einen beherrschenden Einfluss oder die Kontrolle über ein anderes Unternehmen (Tochterunternehmen) ausüben kann oder tatsächlich ausübt; oder

___________ 67) S. dazu Lackhoff/Baldus, ZBB 2015, 245, 247 m. w. N. 68) Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates v. 13.6.1983, ABl. (EG) L 193/1 v. 18.7.1983. 69) Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Bilanzrichtlinie, ABl. (EU) L 182/19 v. 29.6.2013. 70) Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.7.2002, ABl. (EG) L 243/1 v. 11.9.2002. 71) Nr. 12 der EBA-Leitlinien (EBA, Leitlinien zu verbundenen Kunden gemäß Artikel 4 Absatz 1 Nummer 39 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 23.2.2018 [EBA/GL/2017/15]) stellt klar, dass die Vermutung eines einheitlichen Risikos infolge von Kontrolle nur im Ausnahmefall widerlegt werden kann, und fordert, dass ein Institut ausführlich dokumentiert, aus welchen Gründen es einen solchen Ausnahmefall annimmt. 72) Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR: „[…] sofern nicht das Gegenteil nachgewiesen wird […]“.

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dieses Unternehmen (Mutterunternehmen) und ein anderes Unternehmen (Tochterunternehmen) unter einheitlicher Leitung des Mutterunternehmens stehen.

72 Auf Grundlage dieser Vorschrift können Mitgliedstaaten für die genannten Fälle einen konsolidierten Abschluss auch ohne Beteiligung des Mutterunternehmens an dem Tochterunternehmen vorschreiben. 73 Der Verweis auf die Bilanzrichtlinie ist gemäß Nr. 13 lit. a Leitlinien (EBA/GL/2017/15)73) als Verweis auf die jeweiligen nationalen Vorschriften zu verstehen, die in Umsetzung der Bilanzrichtlinie ergangen sind. Das kreditgebende Institut soll seine Kunden auf Basis ihrer Konzernabschlüsse zu Gruppen verbundener Kunden zusammenfassen. Folglich sind in Anwendung der Leitlinien auch solche nationalen Bilanzierungsvorschriften bei der Bestimmung von Gruppen verbundener Kunden zu berücksichtigen, mit denen der nationale Gesetzgeber von der ihm durch die Bilanzrichtlinie eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die bilanzrechtliche Konsolidierung über das von der Bilanzrichtlinie geforderte Mindestmaß hinaus zu erweitern.74) 74 Aufgrund des Wortlauts der Vorschrift kann man hinterfragen, ob nicht entgegen diesem Verständnis der EBA die durch die CRR in Bezug genommenen Vorschriften der Bilanzrichtlinie als Teil der CRR-Regelung unmittelbar anwendbar sind. Der Verweis auf die Richtlinienbestimmung in der Definition des Kontrollbegriffs inkorporiert die in Bezug genommenen Vorschriften der Bilanzrichtlinie so in die CRR, als wären sie dort „kopiert“. Damit sind sie unmittelbar anwendbar vorausgesetzt, dass keine Gründe der Rechtssicherheit hiergegen sprechen, so dass es auch unerheblich ist, ob und wie sie umgesetzt sind.75) Eine vermittelnde Position wäre es, die in Bezug genommene Bilanzrichtlinie als unmittelbar anzusehen, sofern sie nicht dem nationalen Gesetzgeber Optionen einräumt (so Art. 22 Abs. 2 Bilanzrichtlinie anders als Art. 22 Abs. 1 Bilanzrichtlinie).76) 75 Des Weiteren nimmt Art. 4 Abs. 1 Nr. 37 Var. 2 CRR Bezug auf die (internationalen) Rechnungslegungsstandards, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 gelten. Nach Art. 4 VO (EG) Nr. 1606/2002 haben kapitalmarktorientierte Gesellschaften ihre konsolidierten Abschlüsse nach den in der EU übernommenen IFRS Rechnungslegungsstandards aufzustellen. Alle Unternehmen, die ein kapitalmarktorientiertes Mutterunternehmen gemäß IFRS zu konsolidieren hat, gehören demnach einer Gruppe verbundener Kunden an. Nr. 13 lit. b Leitlinien (EBA/GL/2017/15) verweist auch in diesem Zusammenhang darauf, dass Institute gehalten sind, Kunden auf Basis der von diesen aufgestellten Konzernabschlüsse den Gruppen verbundener Kunden zuzuordnen. Folglich ist bei der Anwendung des Art. 4 Abs. 1 Nr. 37 CRR für die Zwecke der Großkreditvorschriften primär von dem tatsächlich aufgestellten Konzernabschluss des Kunden auszugehen.77) ___________ 73) „[…] institutions should rely on the control relationship between a parent undertaking and its subsidiaries within the meaning of Art. 22(1) and (2) of Directive 2013/34/EU. For this purpose, institutions should group clients on the basis of their clients’ consolidated financial statements. To this end, references to Directive 2013/34/EU should be understood as references to the national rules […]“. 74) Ausführlich zu der Frage, ob auch nach § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB zu konsolidierende Unternehmen zu einer Gruppe verbundener Kunden gehören Lackhoff/Baldus, ZBB 2015, 245, 253 f. 75) EuGH, Urt. v. 17.1.2008 – Rs. C-37/06, C-58/06 (Viamex), Rz. 27 ff., ECLI:EU:C:2008:18, und EuGH, Urt. v. 15.9.2016 – Rs. T-392/13 (La Ferla), Rz. 80, ECLI:EU:T:2016:478. 76) S. § 5 Rz. 113 ff. [Nemeczek/Pitz]. 77) In diesem Zusammenhang wird in den Entwürfen der Guidelines (EBA, Consultation Paper on Guidelines on Connected Clients under Article 4 (1) (39) of Regulation (EU) No 575/2013, v. 26.7.2016 [EBA/CP/ 2016/09]) näher erläutert: „[…] it makes sense that the accounting framework to be considered in this context is the one applicable to the institution’s clients.“ (Explanatory Box zu Nr. 13 Guidelines [EBA/CP/2016/09]).

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II. Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen

§ 10

Allerdings verlangt Nr. 14 Leitlinien, dass Institute darüber hinaus prüfen, ob weitere 76 Unternehmen in eine Gruppe verbundener Kunden aufgrund eines Kontrollverhältnisses aufzunehmen sind, die z. B. im Fall der Anwendung einer Ausnahmeregelung vom Konzernabschluss ausgenommen wurden. Anhaltspunkte, die eine entsprechende Prüfung möglicherweise veranlassen, könnten sich z. B. daraus ergeben, dass der Konzernabschluss ein solches Verhältnis erwähnt. (b)

Kontrolle aufgrund eines vergleichbaren Verhältnisses (Var. 3)

Für Kunden, die nicht den europäischen Rechnungslegungsvorschriften unterliegen, ent- 77 hält Nr. 13 lit. c Leitlinien (EBA/GL/2017/15) eine nicht abschließende Auflistung von Anhaltspunkten, die auf ein Kontrollverhältnis hinweisen und die daher von den Instituten bei der Bestimmung von Gruppen verbundener Kunden herangezogen werden sollen. Die dort aufgeführten Anhaltspunkte beruhen auf den Kriterien, die i. R. der Rechnungslegung für die Bestimmung von Kontrollverhältnissen angewendet werden. (2)

Einheitliches Risiko aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeit

Eine Gruppe verbundener Kunden kann auch ohne Kontrolle vorliegen, wenn zwischen 78 zwei oder mehr Personen eine (einseitige oder wechselseitige) Abhängigkeit besteht, die es wahrscheinlich erscheinen lässt, dass bei finanziellen Schwierigkeiten, insbesondere Finanzierungs- oder Rückzahlungsschwierigkeiten, eines Kunden auch ein oder mehrere andere Kunden in Finanzierungs- oder Rückzahlungsschwierigkeiten geraten. Nach den Leitlinien (EBA/GL/2017/15) ist abweichend von den CEBS-Guidelines nicht 79 mehr erforderlich, dass der Ausfall eines Kunden zu „erheblichen, existenzbedrohenden“ Rückzahlungsschwierigkeiten für einen oder mehrere andere Kunden führt. Nach dem Konsultationspapier der EBA für die Annahme einer wirtschaftlichen Abhängigkeit sollte vielmehr im Einklang mit dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR bereits ausreichend sein, dass ein Ausfall eines Kunden zu „Rückzahlungsschwierigkeiten“ bei anderen Kunden führen kann. In den Leitlinien ist ein entsprechend expliziter Erwägungsgrund zwar nicht mehr enthalten; dennoch sind auch nach diesen mögliche „Rückzahlungsschwierigkeiten“ bei einem anderen Kunden für die Annahme einer wirtschaftlichen Abhängigkeit ausreichend.78) Wirtschaftliche Abhängigkeiten können sich aufgrund von bilateralen Geschäftsbezie- 80 hungen (z. B. i. R. von Wertschöpfungsketten, Abhängigkeiten von Großkunden oder Forderungen der Gegenpartei, finanzielle Abhängigkeiten) ergeben, sofern sie nicht auf sektorale oder geographische Konzentrationen zurückzuführen sind. Verwirklicht sich ein von den einzelnen Geschäftsparteien ausgehendes (idiosynkratisches) Risiko, so kann es zu Ansteckungseffekten bei der ansonsten unabhängigen anderen Partei kommen.79) Ist ein Kunde zwar durch eine Geschäftsbeziehung von einem anderen Kunden abhängig, ist es aber gleichwohl möglich, im Falle eines Ausfalls für den Geschäftspartner einen Ersatz zu finden oder diesen Verlust etwa durch eine Kostensenkung zu kompensieren,

___________ 78) EBA, Consultation Paper on Guidelines on Connected Clients under Article 4 (1) (39) of Regulation (EU) No 575/2013, v. 26.7.2016 (EBA/CP/2016/09), ErwG 23. S. dazu auch EBA, Leitlinien zu verbundenen Kunden gemäß Artikel 4 Absatz 1 Nummer 39 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 23.2.2018 (EBA/GL/2017/15). 79) EBA, Leitlinien zu verbundenen Kunden gemäß Artikel 4 Absatz 1 Nummer 39 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 23.2.2018 (EBA/GL/2017/15), ErwG 21.

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§ 10

Großkredite

kann von einer Zusammenfassung der beiden Kunden unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Abhängigkeit abgesehen werden.80) 81 Ob eine wirtschaftliche Abhängigkeit i. S. des Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR vorliegt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Nr. 23 der Leitlinien enthält eine beispielhafte Darstellung von Sachverhaltskonstellationen, in denen grundsätzlich auf eine wirtschaftliche Abhängigkeit zu schließen ist. Dies umfasst u. a. folgende Fälle: x

Ein beträchtlicher Teil (mind. 50 %) der jährlichen Netto-Einnahmen oder NettoAusgaben eines Kunden rührt aus einer Geschäftsbeziehung mit einem anderen Kunden des Instituts her (z. B. der Eigentümer einer Wohn-/Gewerbeimmobilie hat einen Mieter, der den bei weitem größten Anteil der Miete zahlt);

x

ein beträchtlicher Teil (mind. 50 %) der Produktion eines Kunden entfällt auf einen einzigen Abnehmer (der ebenfalls Kunde des Instituts ist);

x

ein beträchtlicher Teil (mind. 50 %) der Forderungen oder Verbindlichkeiten eines Kunden entfällt auf eine Gegenpartei (die ebenfalls Kunde des Instituts ist);

x

ein beträchtlicher Teil (mind. 50 %) des Vermögens eines Kunden ist in einen anderen Kunden investiert;

x

Kunden, die ihrerseits die gleiche Kundenbasis besitzen, die aus sehr wenigen Kunden besteht und die sich nur schwer ausweiten ließe;

x

Beziehung zwischen einem Schuldner und seinem Mitschuldner.

82 Nr. 24 Leitlinien (EBA/GL/2017/15) verlangt, dass Institute die beispielhaft aufgeführten Sachverhaltskonstellationen insbesondere bei der Prüfung von Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Unternehmen aus dem Schattenbankenbereich berücksichtigen. 83 Zudem stellt Nr. 25 der Leitlinien klar, dass ein Kunde durchaus von mehreren anderen Kunden des Instituts wirtschaftlich abhängig sein kann, die ihrerseits nicht miteinander verbunden sind. In diesem Fall ist der wirtschaftlich abhängige Kunde mehreren Gruppen verbundener Kunden zuzuordnen. Unter der Voraussetzung, dass keine weiteren Abhängigkeiten bestehen, sind diese einzelnen Gruppen nicht über den in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zu ihnen stehenden Kunden miteinander zu verbinden (keine Kumulierung). 84 Ferner ist eine Gruppe verbundener Kunden nach Nr. 26 der Leitlinien (EBA/GL/ 2017/15) zu bilden, wenn zwei Kunden des Instituts von derselben Person wirtschaftlich abhängig sind, diese Person selbst jedoch nicht Kunde des Instituts ist. Beispielsweise sind Zulieferer, die Kreditnehmer bei demselben Institut und von einem Autohersteller wirtschaftlich abhängig sind, als Gruppe verbundener Kunden des Instituts zusammenzufassen, unabhängig davon, dass der Autohersteller nicht Kunde des Instituts ist. 85 Eine wirtschaftliche Abhängigkeit kann sich auch daraus ergeben, dass Kunden aufgrund von Finanzierungsbeziehungen miteinander verbunden sind. Dies ist nach Nr. 28 der Leitlinien (EBA/GL/2017/15) dann der Fall, wenn sich die Finanzierungsprobleme eines Unternehmens wahrscheinlich auf ein anderes übertragen, da sich beide vollständig oder größtenteils über dieselbe Quelle refinanzieren. Institute sollten u. a. die in Nr. 29 und 30 der Leitlinien (EBA/GL/2017/15) aufgeführten Situationen bei der Prüfung, ob entsprechende Ansteckungsrisiken bestehen, berücksichtigen: x

Nutzung einer einzigen Finanzierungsquelle (z. B. dieselbe Bank oder dieselbe Zweckgesellschaft, die sich nicht ohne weiteres ersetzen lassen);

x Nutzung gleicher Strukturen; ___________ 80) EBA, Leitlinien zu verbundenen Kunden gemäß Artikel 4 Absatz 1 Nummer 39 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 23.2.2018 (EBA/GL/2017/15), ErwG 22.

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II. Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen x

(3)

§ 10

Abhängigkeit von Zusagen derselben Quelle (wie Garantien, Credit Support oder Liquiditätsfazilitäten) und deren Solvenz. Verknüpfung zwischen den Kriterien „Kontrolle“ und „wirtschaftliche Abhängigkeit“ (Kumulierung)

Die beiden Alternativen der Bildung einer Gruppe verbundener Kunden stehen nach dem 86 Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR zunächst unverbunden nebeneinander. Nach Nr. 31 der Leitlinien (EBA/GL/2017/15) hat ein Institut, nachdem es die Gruppen verbundener Kunden auf Basis der beiden Alternativen Kontrolle und wirtschaftliche Abhängigkeit ermittelt hat, zu prüfen, ob die ermittelten Gruppen ihrerseits teilweise oder vollständig miteinander verbunden sind. Gemäß Nr. 33 der Leitlinien (EBA/GL/2017/15) sind sämtliche Unternehmen, die in einer Kette von Ansteckungsrisiken miteinander verknüpft sind, als eine Gruppe verbundener Kunden zu erfassen. Eine solche Kette von Ansteckungsrisiken ist danach z. B. anzunehmen (Downstream), wenn ein Kunde A wirtschaftlich von einem anderen Kunden B abhängig ist und gleichzeitig selbst an der Spitze eines Kontrollverhältnisses steht bspw. als Mutterunternehmen von a1 und a2. In diesem Fall bilden A, B sowie die Tochtergesellschaften von A, d. h. a1 und a2, eine Gruppe verbundener Kunden. (4)

Spezialfall: Gruppenangehörige Unternehmen als Gruppe verbundener Kunden

Im gleichen Maße wie Risikopositionen gegenüber anderen (Unternehmens-)Gruppen 87 zusammenzufassen sind, sind auch die Risikopositionen gegenüber den einzelnen Unternehmen, die derselben Gruppe wie das Institut angehören, zu einer Risikoposition des Instituts gegenüber der eigenen Gruppe zusammenzufassen.81) Dies folgt aus der Definition der Gruppe verbundener Kunden gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 CRR, die nicht vorsieht, dass eine Gruppe verbundener Kunden, der das Institut angehört, anders behandelt wird. Allerdings ist in diesem Zusammenhang grundsätzlich zu beachten, dass gemäß der Artt. 36 88 und 66 CRR von den Eigenmitteln abgezogene Risikopositionen nach Art. 390 Abs. 6 lit. e CRR nicht bei der Ermittlung von Großkrediten zu berücksichtigen sind. Zudem sind in der Praxis im Falle von Risikopositionen gegenüber gruppenangehörigen Unternehmen die Ausnahmen von der Großkreditobergrenze nach Art. 400 Abs. 1 lit. f sowie Art. 493 Abs. 3 lit. c CRR i. V. m. § 2 GroMiKV besonders relevant (siehe zu den Ausnahmen unten Rz. 132 ff.).82) (5)

Anforderungen an die Prozesse zur Bestimmung von Gruppen verbundener Kunden

Die Prozesse eines Instituts zur Ermittlung und fortlaufenden Überprüfung von Gruppen 89 verbundener Kunden sollen den in den Leitlinien dargelegten Anforderungen genügen. In diesem Zusammenhang fordert Nr. 37 der Leitlinien (EBA/GL/2017/15), dass Institute mögliche wirtschaftliche Abhängigkeiten zwischen einzelnen Kunden dann besonders eingehend prüfen, wenn Risikopositionen gegenüber einem einzelnen Kunden 5 % des Kernkapitals des Instituts erreichen. Gleichzeitig verlangt Nr. 37 der Leitlinien unabhängig von der 5 %-Schwelle aber auch, dass ein Institut mögliche wirtschaftliche Abhängigkeiten unter seinen Kunden in angemessener Weise prüft. Folglich kann die vorgesehene 5 %Schwelle nicht als De-Minimis-Regelung verstanden werden, unterhalb derer von einer Prüfung stets komplett abgesehen werden könnte. ___________ 81) In diesem Sinne auch Gleeson, International Regulation of Banking, Rz. 20.15. 82) Die nationale Regelung basierend auf Art. 493 CRR derogiert Art. 400 Abs. 2 lit. c CRR.

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§ 10 (6)

Großkredite Sonderregelung: Zentralstaaten und Gebietskörperschaften und zentrale Gegenparteien (Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 Unterabs. 2 und 3 CRR)

90 Sofern ein Zentralstaat mehrere Kunden eines Instituts kontrolliert oder diese direkt wirtschaftlich von ihm abhängig sind, wären diese Kunden grundsätzlich als Gruppe verbundener Kunden zusammen zu fassen. Aufgrund einer Sonderregelung ist jedoch die Gruppe bestehend aus dem Zentralstaat und den einzelnen kontrollierten oder wirtschaftlich abhängigen Personen nicht als Gruppe verbundener Kunden zu behandeln (Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 Unterabs. 2 CRR). Stattdessen sind separate Gruppen jeweils bestehend aus dem Zentralstaat und der kontrollierten bzw. wirtschaftlich abhängigen Person zu bilden, ggf. einschließlich weiterer von dieser Person kontrollierten oder wirtschaftlich abhängigen Personen. Hält der Zentralstaat seine Beteiligung an verschiedenen Kunden durch eine Holding, die ausschließlich auf Weisung des Zentralstaats handelt und keinerlei eigenen Entscheidungsspielraum hat, sind die verschiedenen Kunden nicht aufgrund dieses Umstandes einer Gruppe verbundener Kunden zuzuordnen. 91 Dasselbe gilt für regionale und lokale Gebietskörperschaften, sofern Risikopositionen ihnen gegenüber gemäß Art. 115 Abs. 2 CRR wie Risikopositionen gegenüber dem Zentralstaat, in deren Hoheitsgebiet sie sich befinden, behandelt werden. Dies ist unter der Voraussetzung der Fall, dass kein Unterschied zwischen den Risiken solcher Positionen aufgrund der speziellen Steuererhebungsbefugnisse dieser Gebietskörperschaften und aufgrund der besonderen institutionellen Vorkehrungen besteht, die zur Verringerung ihres Ausfallrisikos getroffen wurden. 92 Mit dem durch die CRR II neu eigefügten Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 Unterabs. 3 CRR wird ferner klargestellt, dass zwei oder mehr natürliche oder juristische Personen, zwischen denen (allein) aufgrund ihrer direkten Risikoposition gegenüber derselben zentralen Gegenpartei zu Zwecken von Clearingtätigkeiten entweder ein Kontrollverhältnis oder eine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht, nicht als Gruppe betrachtet werden, die eine Gruppe verbundener Kunden bildet. d)

Verhältnis der Risikoposition zu den anrechenbaren Eigenmitteln

93 Die Summe der in Bezug auf einen Kunden (oder eine Gruppe verbundener Kunden) ermittelten Risikopositionen ist zu dem Kernkapital des Instituts ins Verhältnis zu setzen, um zu bestimmen, ob ein Großkredit gegenüber dem betreffenden Kunden vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Risikopositionen des Kunden 10 % des Kernkapitals des Instituts erreichen oder überschreiten. Das Kernkapital ist gemäß Art. 25 CRR die Summe des harten Kernkapitals und des zusätzlichen Kernkapitals. 3.

Organisatorische Anforderungen (Art. 393 CRR) und Beschlussfassungspflichten der Geschäftsleiter (§ 13 KWG, §§ 3, 4 GroMiKV)

94 Art. 393 CRR stellt organisatorische Anforderungen in Bezug auf die Ermittlung, Verwaltung, Überwachung, Erfassung und Meldung von Großkrediten auf. Danach muss ein Institut über ordnungsgemäße Verwaltungs- und Rechnungslegungsverfahren sowie angemessene interne Kontrollmechanismen zur Ermittlung, Verwaltung, Überwachung, Erfassung und Meldung aller Großkredite sowie ihrer späteren Änderungen im Einklang mit den Vorschriften der CRR verfügen. 95 Daneben hat der deutsche Gesetzgeber autonom besondere Anforderungen an die Geschäftsorganisation der Institute im Hinblick auf Großkredite aufgestellt. Dazu hat er in § 13 Abs. 2 und 3 KWG sowie §§ 3, 4 GroMiKV Regelungen zur Beschlussfassung der Geschäftsleiter über Großkredite getroffen. Danach muss vor der Gewährung eines Groß-

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II. Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen

§ 10

kredits ein einstimmiger Beschluss sämtlicher Geschäftsleiter eingeholt werden. Sofern dies im Einzelfall wegen einer Eilbedürftigkeit nicht möglich ist, muss die Beschlussfassung nachgeholt werden. Der Beschluss ist zu dokumentieren. Institute haben die zuständige Aufsichtsbehörde zu unterrichten, falls sie einen Großkredit gewährt haben, ohne zuvor oder innerhalb eines Monats nach Gewährung den erforderlichen Beschluss eingeholt zu haben (§ 13 Abs. 2 Satz 1 – 5 KWG). Eine entsprechende Beschlussfassungspflicht gilt für den Fall, dass ein bereits gewährter Kredit durch eine Verringerung der anrechenbaren Eigenmittel83) zum Großkredit wird (§ 13 Abs. 2 Satz 6–8 KWG), sowie in dem Fall, dass ein Großkredit über die Obergrenze für Großkredite hinaus erhöht werden soll (§ 4 GroMiKV). § 3 GroMiKV regelt demgegenüber Ausnahmen von der Beschlussfassungspflicht. 4.

Die Meldung von Großkrediten (Art. 394 CRR)

Die durch die CRR II neugefasste Vorschrift des Art. 394 CRR regelt Meldepflichten für 96 Großkredite. Wie bisher sind sämtliche Großkredite unabhängig davon, ob sie von der Anwendung der Obergrenze für Großkredite (Art. 395 CRR) ausgenommen sind, von dem Institut an die zuständige Behörde zu melden, Art. 394 Abs. 1 CRR. Dabei wird klargestellt, dass diese Meldepflicht (nur) für vergebene und (noch) gehaltene Großkredite gilt. Die Vorschrift schreibt vor, welche Angaben die Meldung enthalten muss. Institute, die den IRB-Ansatz (Internal Ratings Based Approach – IRBA) verwenden, 97 haben zusätzlich die 20 größten Kredite auf konsolidierter Basis zu melden (Art. 394 Abs. 1 Unterabs. 2 CRR i. V. m. Art. 13 Abs. 2 EU-Meldeverordnung). Kredite, die von der Anwendung der Großkreditobergrenze ausgenommen sind, sind in diesem Zusammenhang jedoch nicht zu berücksichtigen. Ferner sind aufgrund einer durch die CRR II eingefügten Ergänzung ab dem 28.6.2021 alle 98 Institute verpflichtet, auf konsolidierter Basis Kredite zu melden, die ein Volumen von mindestens 300 Mio. € oder mehr aufweisen und keine Großkredite sind, Art. 394 Abs. 1 Unterabs. 3 CRR. Die Meldepflicht gemäß Art. 394 Abs. 2 CRR erfährt eine weitere Konkretisierung durch 99 die EU-Meldeverordnung. Danach hat die Meldung von Großkrediten auf Einzelebene sowie auf konsolidierter Ebene vierteljährlich bezogen auf die Meldestichtage84) an den Einreichungsterminen85) auf Grundlage eines einheitlichen Meldebogens und dazu bestehender Erläuterungen86) zu erfolgen (Art. 13 Abs. 1 EU-Meldeverordnung). Des Weiteren ist gemäß Art. 394 Abs. 1 CRR jedes Institut verpflichtet,

100

x

seine zehn größten Kredite auf konsolidierter Basis gegenüber (anderen) Instituten sowie

x

seine zehn größten Kredite auf konsolidierter Basis gegenüber Schattenbankunternehmen zu melden,

einschließlich derjenigen Kredite, die von der Anwendung der Großkreditobergrenze ausgenommen sind (Art. 394 Abs. 2 CRR i. V. m. Art. 13 Abs. 3 EU-Meldeverordnung). Der durch die CRR II anstelle des Begriffs des „nicht beaufsichtigtes Finanzunternehmen“ 101 (Art. 142 Abs. 1 Nr. 5 CRR) in Art. 394 Abs. 2 CRR eingefügte Begriff des „Schatten___________ 83) Es ist davon auszugehen, dass die Bezugnahme auf „anrechenbare Eigenmittel“ bis zur Anwendbarkeit der CRR II durch eine Bezugnahme auf das Kernkapital ersetzt wird. 84) 31.3., 30.6., 30.9. und 31.12. (Art. 2 Abs. 1 lit. b EU-Meldeverordnung). 85) 12.5., 11.8., 11.11. und 11.2. (Art. 3 Abs. 1 lit. b EU-Meldeverordnung). 86) Anhang VIII der EU-Meldeverordnung, erläutert nach Anhang IX der EU-Meldeverordnung.

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§ 10

Großkredite

bankunternehmens“ ist in dieser Vorschrift nicht definiert. Vielmehr verpflichtet Art. 394 Abs. 4 CRR die EBA dazu, der Kommission bis zum 28.6.2020 Entwürfe technischer Regulierungsstandards zu übermitteln, in denen die Kriterien für die Ermittlung von Schattenbankunternehmen festgelegt werden. Hierbei soll die EBA die internationalen Entwicklungen und international vereinbarten Standards zum Schattenbankwesen berücksichtigen und erwägen, x

ob von der Verbindung zu einem einzelnen Unternehmen oder einer Gruppe von Unternehmen Risiken für die Solvabilität oder die Liquiditätslage des Instituts ausgehen könnten, und

x

ob Unternehmen, die ähnlichen Solvabilitäts- oder Liquiditätsanforderungen unterliegen, wie sie in dieser Verordnung und in der CRD87) vorgesehen sind, ganz oder teilweise von der in Absatz 2 in Bezug auf Schattenbankunternehmen genannten Pflicht, gemeldet zu werden, befreit werden sollten.

102 Die EBA soll der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 28.6.2020 übermitteln. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artt. 10 bis 14 VO (EU) Nr. 1093/201088) zur Ergänzung dieser Verordnung zu erlassen. 103 Die Regelungen nach Art. 394 Abs. 1 und 2 CRR werden in Bezug auf die Meldung der Stammdaten der Großkreditnehmer, d. h. der Kunden sowie der Gruppen verbundener Kunden, in den §§ 8–10 GroMiKV durch autonome nationale Regelungen ergänzt. 5.

Obergrenze für Großkredite (Artt. 395 – 403 CRR)

104 Die Vorschriften über Großkredite sollen eine zu starke Konzentration von Krediten auf einen einzigen Kunden oder eine Gruppe verbundener Kunden verhindern, um Institute vor erheblichen Verlusten zu schützen, die beim plötzlichen Ausfall eines einzelnen Kunden (oder einer Gruppe miteinander verbundener Kunden) entstehen.89) Mit Obergrenzen für Großkredite soll erreicht werden, dass der höchstmögliche Verlust, den ein Institut bei einem Ausfall einer Gegenpartei erleiden könnte, seinen Fortbestand nicht gefährden würde. 105 Darüber hinaus soll mit der durch die CRR II eingeführten und ab dem 28.6.2021 anwendbaren reduzierten Großkreditobergrenze von 15 % des Kernkapitals für Kredite eines global systemrelevanten Instituts (Art. 4 Abs. 1 Nr. 133 CRR – G-SRI), gegenüber einem anderen G-SRI oder einem global relevanten Nicht-EU-Instituts (Art. 4 Abs. 1 Nr. 134 CRR – Nicht-EU-G-SRI), das Ansteckungsrisikos zwischen (global) systemrelevanten Instituten im Interesse der Finanzstabilität reduziert werden, Art. 395 Abs. 1 Unterabs. 4 CRR. a)

Großkreditobergrenzen

106 Art. 395 Abs. 1 CRR legt mehrere alternativ geltende Obergrenzen für Großkredite fest. Institute müssen die für sie jeweils einschlägige Obergrenzen des Art. 395 Abs. 1 CRR grundsätzlich jederzeit einhalten (Artt. 395 Abs. 3, 396 CRR). Für Risikopositionen im Handelsbuch gelten gemäß Art. 395 Abs. 5 CRR Besonderheiten in Bezug auf die Einhaltung der relevanten Obergrenze. ___________ 87) Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019. 88) Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010. 89) ErwG 53 CRR.

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II. Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen aa)

§ 10

Allgemeine Großkreditobergrenze (Artt. 395 Abs. 1 Satz 1, 396 Abs. 1 CRR)

Im Grundsatz gilt gemäß Art. 395 Abs. 1 Satz 1 CRR, dass ein Großkredit die Schwelle 107 von 25 % des Kernkapitals des Instituts nicht übersteigen darf. Kommt es ausnahmsweise zu einer Überschreitung dieser Obergrenze, ist das Institut 108 gemäß Art. 396 Abs. 1 CRR verpflichtet, den Risikopositionswert unverzüglich der zuständigen Aufsichtsbehörde zu melden. Diese kann i. R. einer Ermessensentscheidung dem Institut eine begrenzte Frist einräumen, bis zu deren Ende das Institut die Obergrenze wieder einhalten muss. Bei dieser Ermessensentscheidung sind alle Umstände des Einzelfalls (wie z. B. die Ursache der Überschreitung der Großkreditobergrenze) zu berücksichtigen. Eine ohne vorherige Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde erfolgte Überschreitung der Großkreditobergrenze kann sanktioniert werden (Art. 18 Abs. 1 SSM-RahmenVO90) i. V. m. Art. 67 Abs. 1 CRD; § 56 Abs. 5 Nr. 17 KWG). Wird eine Überschreitung der in Art. 395 Abs. 1 festgelegten Obergrenze für mehr als 109 drei Monate gebilligt, so hat das Institut der zuständigen Behörde einen „überzeugenden Plan“ für die zeitnahe Wiedereinhaltung dieser Obergrenze vorzulegen und diesen Plan innerhalb der mit der zuständigen Behörde „vereinbarten Frist“ umzusetzen. Die zuständige Behörde überwacht die Durchführung des Plans und schreibt eine schnellere Wiedereinhaltung vor, falls angebracht. Die Planeinreichung ist für die Fälle der Gestattung einer Überschreitung der Obergrenze für mehr als drei Monate gesetzlich vorgesehen. Sofern die EZB die zuständige Aufsichtsbehörde ist, dürfte es dennoch Sinn ergeben, sie in eine Gestattungsentscheidung als Auflage aufzunehmen, da sie dann sanktionsbewehrt ist (Art. 18 Abs. 7 SSM-RahmenVO). In diesem Zusammenhang ist vorgesehen (Art. 396 Abs. 3 CRR), dass die EBA Leitlinien 110 herausgibt, in denen festgelegt wird, wie die zuständigen Behörden folgendes ermitteln: x

die Ausnahmefälle nach Art. 396 Abs. 1 CRR,

x

den Zeitraum, der zur Wiederherstellung der Einhaltung der Großkreditobergrenze als angemessen erachtet wird, sowie

x

die Maßnahmen, die zu ergreifen sind, um die zeitnahe Wiedereinhaltung durch das Institut sicherzustellen.

Für diejenigen Kreditinstitute, die der Aufsicht der EZB unterfallen, ist in diesem Zu- 111 sammenhang Kapitel 4 (siehe Rz. 20) des Leitfadens zu Optionen und Ermessensspielräumen91) relevant. Als Leitlinie gilt danach, dass die EZB beabsichtigt, eine solche begrenzte Frist für eine alsbaldige Wiedereinhaltung der Obergrenze einzuräumen, sofern die Überschreitung nicht 100 % der anrechenbaren Eigenmittel92) übersteigt und eine unverzügliche Rückführung nicht realisierbar ist. Darüber hinaus wird verlangt, dass das betroffene Kreditinstitut nachweist, dass die Nichteinhaltung der Obergrenze nicht auf die übliche Verfahrensweise für den Abschluss gewöhnlicher Kreditrisikopositionen zurückzuführen ist. Bloße Unachtsamkeit bei der Durchführung des Kreditgeschäfts stellt keine außergewöhnlichen Umstände dar. Diese ermessensbindenden Aussagen des Leitfadens ___________ 90) Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank v. 16.4.2014 – SSM-Rahmenverordnung (SSM-RahmenVO) (EZB/2014/17), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014. S. dazu Lackhoff, JIBLR 2014, 498. 91) EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, v. 3/2016. Dieser beschreibt die allgemeinen Aspekte, die die EZB bei der Festlegung der Aufsichtsanforderungen heranzieht. Die darin dargelegten Regelungen dienen den gemeinsamen Aufsichtsteams als Leitlinie. Allerdings behält sich die EZB vor, von den dort festgelegten Leitlinien abzuweichen, sofern dafür klare und hinreichende Gründe dargelegt werden. 92) Es ist davon auszugehen, dass die Bezugnahme auf „anrechenbare Eigenmittel“ bis zur Anwendbarkeit der CRR II durch eine Bezugnahme auf das Kernkapital ersetzt wird.

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§ 10

Großkredite

zu Optionen und Ermessensspielräumen sind an die durch die CRR II vorgesehenen Änderungen anzupassen. bb)

Besondere Großkreditobergrenze bei Interbankenpositionen kleinerer Institute (Artt. 395 Abs. 1 Satz 2 Unterabs. 2, 396 Abs. 1 CRR)

112 Eine Modifikation der allgemeinen Obergrenze für Großkredite besteht für Interbankenpositionen nach Art. 395 Abs. 1 Satz 2 Unterabs. 2 CRR. Diese Vorschrift ermöglicht es kleineren Instituten, eine größere Risikoposition als ohne diese Modifikation gegenüber anderen Instituten einzugehen, und erleichtert ihnen damit die Refinanzierung im Interbankenmarkt. Ist der Kunde eines Instituts seinerseits ein Institut,93) darf der Risikopositionswert gegenüber diesem Kunden die höhere der beiden folgenden Schwellen nicht übersteigen: x

25 % des Kernkapitals des Instituts; oder

x

150 Mio. €.

113 Dasselbe gilt für eine Gruppe verbundener Kunden, sofern der Gruppe mindestens ein Institut angehört. In diesem Fall ist einschränkend zu berücksichtigen, dass die Summe der Risikopositionswerte gegenüber den der Gruppe angehörigen Kunden, die kein Institut sind, 25 % des Kernkapitals des Instituts nicht übersteigen darf. 114 Sofern die Schwelle von 150 Mio. € höher ist als der Betrag von 25 % des Kernkapitals und mithin die maßgebliche (absolute) Obergrenze bildet, darf der Risikopositionswert zusätzlich nicht über eine angemessene (relative) Obergrenze in Bezug auf die Eigenmittel des Instituts hinausgehen. Diese Obergrenze ist von den Instituten festzulegen und darf im Regelfall 100 % des Kernkapitals nicht überschreiten. 115 Die zuständigen Behörden können zum einen eine niedrigere Obergrenze als 150 Mio. € festlegen; in diesem Fall setzen sie die EBA und die Kommission davon in Kenntnis, Art. 395 Abs. 1 Unterabs. 3 CRR. Die zuständige Aufsichtsbehörde kann zum anderen auf Einzelfallbasis gestatten, dass die (relative) Obergrenze von 100 % in Bezug auf das Kernkapital überschritten wird (Art. 396 Abs. 1 Unterabs. 2 CRR). Für diejenigen Kreditinstitute, die der Aufsicht der EZB unterfallen, ist allerdings zu beachten, dass die EZB es ausweislich ihres Leitfadens nach dem derzeitigen Stand (Januar 2020)94) selbst in Ausnahmefällen nicht für angemessen hält zu gestatten, dass die Risikoposition 100 % der anrechenbaren Eigenmittel übersteigt. cc)

Besondere Großkreditobergrenze für Kredite zwischen global systemrelevanten Instituten (Art. 395 Abs. 1 Unterabs. 4 CRR)

116 Abweichend von der allgemeinen Großkreditobergrenze wird mit der CRR II eine ab dem 28.6.2021 anwendbare reduzierte Großkreditobergrenze von 15 % des Kernkapitals ___________ 93) Es ist nicht eindeutig, ob für die Zwecke des Art. 395 Abs. 1 Satz 2 Unterabs. 2 der Institutsbegriff des Art. 391 CRR (s. oben Rz. 44 f.) oder die allgemeine Definition des Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 CRR gilt, d. h. ob die Modifikation der allgemeinen Obergrenze auch bei Interbankenpositionen gegenüber Drittlandinstituten Anwendung findet. Dagegen könnte sprechen, dass Art. 391 CRR dem Wortlaut nach nur für die Zwecke der Berechnung des Risikopositionswerts eine gesonderte Begriffsbestimmung trifft (in diesem Sinne Beck/Samm/Kokemoor-Demmelmair, KWG, Artt. 387–403 CRR Rz. 77). Allerdings sprechen Sinn und Zweck der Sonderregelung für Interbankenpositionen, die Refinanzierung im Interbankenmarkt zu erleichtern, für ein weites Verständnis des Anwendungsbereichs von Art. 391 CRR (die Anwendung von Art. 391 CRR befürwortend Boos/Fischer/Schulte-MattlerSprengard/Waßmann, KWG/CRR-VO, Art. 391 CRR Rz. 10 und Art. 395 CRR Rz. 19). 94) EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, v. 3/2016, Kap. 4 Rz. 3.

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II. Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen

§ 10

für Kredite eines global systemrelevanten Instituts (Art. 4 Abs. 1 Nr. 133 CRR – G-SRI), gegenüber einem anderen G-SRI oder einem global relevanten Nicht-EU-Institut (Art. 4 Abs. 1 Nr. 134 CRR – Nicht-EU-G-SRI) eingeführt. Diese spezielle reduzierte Großkreditobergrenze soll das Ansteckungsrisiko zwischen (global) systemrelevanten Instituten im Interesse der Finanzstabilität reduzieren (Art. 395 Abs. 1 Unterabs. 4 CRR). dd)

Handelsbuchpositionen (Art. 395 Abs. 5 CRR)

Die allgemeine Obergrenze von 25 % des Kernkapitals ist grundsätzlich als Gesamtbuch- 117 obergrenze für die Summe der Risikopositionen im Anlagebuch und im Handelsbuch gegenüber einem Kunden (oder einer Gruppe verbundener Kunden) zu verstehen. Bei einem Handelsbuchinstitut darf die allgemeine Obergrenze für Risikopositionen im Handelsbuch allerdings gemäß Art. 395 Abs. 5 CRR unter den dort genannten Voraussetzungen überschritten werden. Als Bedingung für eine solche Überschreitung gilt zunächst, dass sich die Überschreitung 118 allein aus den auf das Handelsbuch entfallenden Risikopositionen ergeben darf, d. h. die Summe der Risikopositionen im Anlagebuch darf die allgemeine Großkreditobergrenze nicht übersteigen (Art. 395 Abs. 5 lit. a CRR). Das betreffende Handelsbuchinstitut muss des Weiteren eine im Einklang mit Artt. 397, 398 CRR berechnete zusätzliche Eigenmittelanforderung erfüllen (Art. 395 Abs. 5 lit. b CRR).95) Zudem gelten die folgenden weiteren einschränkenden Bedingungen: x Bei einer bis zu zehn Tagen andauernden Überschreitung der allgemeinen Großkreditobergrenze darf die betroffene Risikoposition im Handelsbuch 500 % des Kernkapitals des Instituts nicht überschreiten (Art. 395 Abs. 5 lit. c CRR); x bei einer mehr als zehn Tage andauernden Überschreitung der allgemeinen Großkreditobergrenze dürfen sämtliche Überschreitungen zusammen 600 % des Kernkapitals des Instituts nicht überschreiten (Art. 395 Abs. 5 lit. d CRR). Daneben hat das Institut jede Überschreitung der Obergrenze im Handelsbuch unver- 119 züglich der zuständigen Aufsichtsbehörde zu melden und zwar unter Angabe der Höhe der Überschreitung und des Namens des betreffenden Kunden sowie ggf. der Gruppe verbundener Kunden. ee)

Obergrenzen für Kredite an Schattenbanken (Art. 395 Abs. 2 CRR)

Im Zusammenhang mit den Regelungen zu Obergrenzen für Großkredite hat die EBA 120 auf Basis des Art. 395 Abs. 2 CRR Leitlinien zu Obergrenzen für Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen erarbeitet.96) Die Leitlinien (EBA/GL/2015/20) legen das Verfahren dar, nach dem Institute vorgehen sollen, um das aus Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen erwachsende Konzentrationsrisiko zu erfassen und zu steuern. Sie enthalten insbesondere Kriterien für die Festsetzung einer Gesamtobergrenze für Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen und x von Obergrenzen für einzelne Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen. Leitlinien der EBA haben zwar keinen unmittelbaren rechtsverbindlichen Charakter,97) 121 jedoch haben die zuständigen Aufsichtsbehörden sowie Institute gemäß Art. 16 Abs. 3 x

___________ 95) S. dazu Eicke/Grol/Meyer-Ramloch in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 741, 750 f. 96) EBA, Leitlinien, Obergrenzen für Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen, die außerhalb eines Regelungsrahmens Banktätigkeiten ausüben, gemäß Art. 395 Abs. 2 VO (EU) Nr. 575/2013, v. 3.6.2016 (EBA/GL/2015/20). 97) Frank, ZBB 2015, 213, 215 (in Bezug auf die vergleichbaren insoweit Leitlinien der ESMA).

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§ 10

Großkredite

VO (EU) Nr. 1093/2010 alle erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen, um Leitlinien der EBA nachzukommen. Vor diesem Hintergrund sind Leitlinien der EBA von prägender Bedeutung im Hinblick auf die Aufsichtspraktiken der zuständigen Behörden und somit auch für Institute relevant. Gemäß Rz. 10 und 12 der vorliegenden Leitlinien (EBA/GL/ 2015/20) zu Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen gelten diese für zuständige Aufsichtsbehörden sowie für Institute ab dem 1.1.2017. 122 Ausgehend von den Leitlinien der EBA vom 3.6.2016 über Obergrenzen gegenüber Schattenbanken hat die BaFin ein Rundschreiben 8/2016 zu Obergrenzen für Risikopositionen gegenüber Schattenbanken veröffentlicht.98) Das Rundschreiben trat am 1.1.2017 in Kraft. (1)

Begriff des Schattenbankunternehmens

123 Ausgangspunkt der Definition von Schattenbankunternehmen i. S. der Leitlinien (EBA/ GL/2015/20) ist, dass es sich um ein Unternehmen handeln muss, das eine oder mehrere Kreditvermittlungstätigkeiten ausübt. Als Kreditvermittlungstätigkeiten gelten bankähnliche Tätigkeiten, die Fristentransformation, Liquiditätstransformation, Verschuldung, Kreditrisikoübertragung und ähnliche Tätigkeiten beinhalten. Dies umfasst mindestens die in Anhang I der CRD IV unter Nr. 1 – 3, 6 – 8 und 10 aufgeführten Tätigkeiten.99) 124 Die Leitlinien (EBA/GL/2015/20) enthalten in einem zweiten Schritt einen umfangreichen Katalog an Unternehmen, die von dem Begriff des Schattenbankunternehmens ausgenommen sind: x

Unternehmen, die auf Basis der konsolidierten Lage eines Instituts i. S. von Art. 4 Abs. 1 Nr. 47 CRR in die konsolidierte Beaufsichtigung einbezogen sind;

x

Unternehmen, die der Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis durch die zuständige Behörde eines Drittlands gemäß dem Recht eines Drittlands unterliegen, das aufsichtliche Anforderungen vorsieht, die denen der Union zumindest gleichwertig sind;

x

Kreditinstitute einschließlich Kreditinstitute eines Drittlands, das gleichwertige aufsichtliche Anforderungen vorsieht, sowie Wertpapierfirmen und anerkannte Drittland-Wertpapierfirmen;

x

Finanzinstitute, die von den zuständigen Behörden zugelassen wurden und beaufsichtigt werden und die hinsichtlich der Robustheit vergleichbaren Aufsichtsvorschriften unterliegen wie Institute, wenn die Risikopositionen des Instituts gegenüber dem betreffenden Unternehmen nach Art. 119 Abs. 5 CRR wie Risikopositionen gegenüber Instituten behandelt werden;

x

Unternehmen, die in Art. 2 Abs. 5 Nr. 2 – 23 CRD oder in Art. 9 Abs. 2 CRD aufgeführt sind;

___________ 98) BaFin, Rundschreiben 8/2016 (BA), Obergrenzen für Risikopositionen gegenüber Schattenbanken, v. 14.12.2016. In Bezug auf bedeutende Banken verfolgt die EZB ein Verständnis der CRR-Vorschriften, das den EBA Leitlinien folgt. Nationale „Soft-Law-Regelungen“, wie z. B. Rundschreiben der BaFin, werden allenfalls angewandt, solange die EZB in einem Bereich (nicht notwendig zu Einzelfragen) keinen eigenen Standpunkt (Policy Stance) entwickelt hat. 99) Entgegennahme von Einlagen und sonstigen rückzahlbaren Geldern; Darlehensgeschäfte; Finanzierungsleasing; Bürgschaften und Kreditzusagen; Handel für eigene Rechnung oder im Kundenauftrag mit Geldmarktinstrumenten, Devisen, Finanzterminkontrakten und Optionen, Wechselkurs- und Zinssatzinstrumenten und Wertpapieren; Teilnahme an Wertpapieremissionen und Bereitstellung einschlägiger Dienstleistungen; Geldmaklergeschäfte.

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II. Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen x

x x x x

§ 10

Versicherungsholdinggesellschaften, Versicherungsunternehmen und Rückversicherungsunternehmen sowie Unternehmen, die gemäß Art. 4 Richtlinie 2009/138/EG100) aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sind; Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, die in den Leitlinien (EBA/GL/ 2015/20) aufgeführt sind; Organismen für gemeinsame Anlagen, die in den Leitlinien (EBA/GL/2015/20) aufgeführt sind; Zentrale Gegenparteien; E-Geld-Emittenten;

Zahlungsinstitute; Unternehmen, deren Haupttätigkeit in Kreditvermittlungstätigkeiten für gruppenangehörige Unternehmen besteht; x Abwicklungsbehörden, für die Vermögensverwaltung gegründete Zweckgesellschaften und Brückeninstitute. In Anbetracht dieses Katalogs erfolgt die Prüfung, ob ein Schattenbankunternehmen vor- 125 liegt, im Wesentlichen anhand einer negativen Abgrenzung gegenüber den von der Definition ausgenommenen Unternehmen. x x

Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen i. S. der Leitlinien (EBA/GL/ 126 2015/20) sind Risikopositionen mit einem Risikopositionswert, der nach Berücksichtigung der Wirkung einer anerkannten Kreditrisikominderung101) sowie von Ausnahmen102) 0,25 % oder mehr der anrechenbaren Eigenmittel103) eines Instituts beträgt. (2)

Verfahren und Kontrollmechanismen

Die Leitlinien (EBA/GL/2015/20) legen allgemeine Grundsätze zu Verfahren und Kontroll- 127 mechanismen dar, die Institute beachten sollen, um Konzentrationsrisiken, die aus Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen erwachsen, wirksam zu erfassen und zu steuern. Institute haben danach insbesondere einen internen Rahmen für die Ermittlung, Steuerung, Kontrolle und Minderung der Risiken einzurichten, die aus den einzelnen Risikopositionen des Instituts gegenüber Schattenbankunternehmen erwachsen. Dieser Rahmen soll Analysen im Hinblick auf das Geschäft der für das Institut relevanten Schattenbankunternehmen und Ansteckungsrisiken umfassen, die durch den Risikobeauftragten unter Aufsicht des Kreditrisikokomitees durchzuführen sind. Des Weiteren sollen Institute ein robustes Verfahren einführen, um Verflechtungen zwischen verschiedenen Schattenbankunternehmen sowie zwischen Schattenbankunternehmen und dem Institut festzustellen. Die besonderen Risiken, die aus den Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen 128 erwachsen, sollen i. R. des sog. Internal Capital Adequacy Assessment Process (ICAAP) und der Kapitalplanung des Instituts angemessen berücksichtigt werden. Zudem sollen Institute auf der Grundlage der durchgeführten Bewertungen ihre Risikotoleranz und Risikobereitschaft in Bezug auf Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen festlegen und i. R. des Gesamtrisikomanagements Verfahren einrichten, die eine wirksame Berichterstattung über solche Risikopositionen an das Leitungsorgan erlauben. Darüber hinaus sollen Institute Aktionspläne für den Fall vorhalten, dass die von dem Institut ___________ 100) Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2009 – Solvabilität II, ABl. (EG) L 335/1 v. 17.12.2009. 101) Artt. 399, 401 – 403 CRR, s. unten Rz. 155 ff. (Auslastung der Großkreditobergrenzen). 102) Artt. 400, 493 Abs. 3 CRR, s. unten Rz. 132 ff. (Auslastung der Großkreditobergrenzen). 103) Es ist davon auszugehen, dass die Bezugnahme auf „anrechenbare Eigenmittel“ bis zur Anwendbarkeit der CRR II durch eine Bezugnahme auf das Kernkapital ersetzt wird.

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§ 10

Großkredite

festgesetzten Obergrenzen für Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen überschritten werden. 129 Die Leitlinien (EBA/GL/2015/20) sehen zudem im Hinblick auf die Überwachungsaufgabe des Leitungsorgans regelmäßige Überprüfungstätigkeiten vor. Diese sind grundsätzlich von dem Leitungsorgan104) wahrzunehmen, können allerdings auch auf die Geschäftsleitung105) übertragen werden. Sie unterstreichen die Bedeutung, die den Konzentrationsrisiken, die aus Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen erwachsen können, seitens der EBA beigemessen wird. (3)

Ansatz für die Festsetzung von Obergrenzen

130 Institute sollen sowohl eine Gesamtobergrenze für Risikopositionen gegenüber Schattenbankunternehmen als auch (niedrigere) Obergrenzen für Risikopositionen gegenüber einzelnen Schattenbankunternehmen unter Beachtung der in den Leitlinien aufgeführten Kriterien (sog. Hauptansatz) festsetzen. Sofern ein Institut nicht in der Lage ist, den Hauptansatz zu verfolgen, der auf der Anwendung der dargelegten Kriterien beruht, weil es entweder nicht über hinreichende Verfahren und Kontrollmechanismen verfügt oder ihm in Bezug auf bestimmte Risikopositionen nicht ausreichend Informationen vorliegen, soll es auf den sog. Fallback-Ansatz zurückgreifen. Danach sind die für Großkredite geltenden Obergrenzen gemäß Art. 395 CRR für die aggregierten Risikopositionen des Instituts gegenüber Schattenbankunternehmen anzuwenden. b)

Auslastung der Großkreditobergrenzen

131 Die Berechnung der Auslastung der Obergrenzen erfolgt grundsätzlich in derselben Weise, wie die Berechnung eines Großkredits. Allerdings regeln Art. 400 Abs. 1 und Abs. 2 CRR abweichend von den Vorschriften, nach denen zu bestimmen ist, ob ein Großkredit vorliegt, eine Reihe von Ausnahmen. Danach sind bestimmte Risikopositionen (ganz oder teilweise) automatisch (Art. 400 Abs. 1 CRR) oder aufgrund einer Entscheidung der zuständigen Aufsichtsbehörde (Art. 400 Abs. 2 CRR)106) nicht auf die Großkreditobergrenze nach Art. 395 Abs. 1 CRR anzurechnen. Zusätzlich räumt Art. 493 Abs. 3 CRR den Mitgliedstaaten für eine Übergangszeit die Möglichkeit ein, bestimmte Risikopositionen von der Anwendung der Großkreditobergrenze ganz oder teilweise auszunehmen. Ferner können bei der Berechnung, in welchem Umfang Risikopositionen zur Auslastung der Großkreditobergrenzen beitragen, Kreditrisikominderungstechniken berücksichtigt werden (Artt. 399, 401 – 403 CRR). aa)

Ausnahmen von der Anwendung der Großkreditobergrenze (Artt. 400 und 493 Abs. 3 CRR)

(1)

Kraft Gesetzes geltende Ausnahmen (Art. 400 Abs. 1 CRR)

132 Die in dem Katalog des Art. 400 Abs. 1 lit. a – n CRR enumerativ aufgeführten Risikopositionen107) werden bei der Berechnung der Auslastung der Großkreditobergrenze gemäß Art. 395 Abs. 1 CRR nicht berücksichtigt. ___________ 104) In der englischen Fassung als „management body“ bezeichnet. 105) In der englischen Fassung als „senior management“ bezeichnet. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Sprengard/ Waßmann, KWG/CRR-VO, Art. 395 CRR Rz. 29b, gehen vor diesem Hintergrund zu Recht davon aus, dass eine Delegation an die 2. Führungsebene zulässig sei. 106) Art. 400 Abs. 2 CRR kommt dabei nicht zur Anwendung insoweit der nationale Gesetzgeber vom Wahlrecht des Art. 493 Abs. 3 CRR Gebrauch gemacht hat. 107) Art. 400 Abs. 1 lit. j CRR a. F. ist durch die CRR II geändert worden und Art. 400 Abs. 1 lit. l, m und n sind neu eingefügt worden.

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II. Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen

§ 10

Der Katalog umfasst insbesondere einzelne Risikopositionen, denen nach dem Standard- 133 ansatz für das Kreditrisiko (Artt. 111 – 141 CRR) ein Risikogewicht von 0 % zugewiesen würde (siehe Art. 400 Abs. 1 lit. a – f CRR), wie z. B. Aktiva in Form von Forderungen an Zentralstaaten, Zentralbanken oder öffentlichen Stellen, denen unbesichert ein Risikogewicht von 0 % zugewiesen würde.108) Erfasst werden in diesem Zusammenhang auch Risikopositionen gegenüber Gegenparteien, 134 die derselben Gruppe oder demselben institutsbezogenen Sicherungssystem wie das betreffende Institut angehören, sofern die restriktiven Voraussetzungen gemäß Art. 113 Abs. 6 CRR (bei gruppenangehörigen Unternehmen) bzw. Art. 113 Abs. 7 CRR (bei Teilnehmern desselben Institutssicherungssystems) erfüllt sind und somit ein Risikogewicht von 0 % zugewiesen werden könnte (Art. 400 Abs. 1 lit. f CRR). Das bedeutet im Fall von Intragruppenforderungen (Art. 113 Abs. 6 CRR),109) dass die Gegenpartei x

ein Institut, eine (gemischte) Finanzholdinggesellschaft, ein Finanzinstitut, eine Vermögensverwaltungsgesellschaft oder ein Anbieter von Nebendienstleistungen sein und angemessenen Aufsichtsvorschriften unterliegen muss,

x

in dieselbe Vollkonsolidierung wie das Institut einbezogen ist,

x

den gleichen Risikobewertungs-, Risikomess- und Risikokontrollverfahren wie das Institut unterliegt und

x

ihren Sitz in demselben Mitgliedstaat wie das Institut hat.

x

Zudem darf ein wesentliches tatsächliches oder rechtliches Hindernis für die unverzügliche Übertragung von Eigenmitteln von der Gegenpartei auf das Institut oder für die Rückzahlung von Verbindlichkeiten an das Institut weder vorhanden noch absehbar sein.

Folgt man dem Wortlaut des Art. 400 Abs. 1 lit. f CRR (Verwendung des Konjunktiv 135 „würde“, „would“) ist es nicht erforderlich, dass die zuständige Aufsichtsbehörde auf Antrag des Instituts gestattet hat, dass den Positionen gegenüber den betreffenden Gegenparteien ein Risikogewicht von 0 % zugewiesen wird. Diese Auslegung ermöglicht auch Instituten, die den auf internen Ratings basierenden Ansatz verwenden, von dieser Vorschrift Gebrauch zu machen, da für sie eine solche Erlaubnis außer im Hinblick auf Positionen, für die sie dauerhaft den Standardansatz verwenden (Art. 150 CRR), nicht in Betracht kommt. Des Weiteren sind nach Art. 400 Abs. 1 lit. g CRR z. B. solche Risikopositionen von der 136 Anwendung der Großkreditobergrenze ausgenommen, die durch eine Bareinlage bei dem kreditgebenden Institut oder bei einem mit diesem verbundenen Institut (Mutter- oder Tochterunternehmen) besichert sind. (2)

(Vollständige oder teilweise) Ausnahmen kraft behördlicher Entscheidung

Den zuständigen Aufsichtsbehörden wird in Bezug auf die in Art. 400 Abs. 2 CRR aufge- 137 führten Risikopositionen die Option eingeräumt, diese ebenfalls ganz oder teilweise von ___________ 108) In Bezug auf solche Forderungen, die nicht in der Landeswährung des Zentralstaates oder der Zentralbank denominiert sind (ein Beispiel wären Bundesanleihen in britischen Pfund), sehen Artt. 114 Abs. 6, 495 Abs. 2 CRR vor, dass ab 2018 ein Risikogewicht zugewiesen wird. Folglich ist die Ausnahme des Art. 400 Abs. 1 lit. a CRR, die ein Risikogewicht von 0 % voraussetzt, nicht mehr anwendbar. Die daraus folgende begrenzte Berücksichtigung von Staatsanleihen i. R. der Großkreditregelungen hat der europäische Gesetzgeber mit Art. 1 Nr. 2 der VO (EU) 2017/2395 einer großzügigen Grandfathering bzw. dreijährigen Übergangsregelung unterworfen. 109) Dieser Fall ist besonders praxisrelevant, da die Liquiditätssteuerung häufig auf Gruppenebene erfolgt. S. a. Gleeson, International Regulation of Banking, Rz. 20.06.

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§ 10

Großkredite

der Anwendung der Großkreditobergrenze auszunehmen. Allerdings ist Art. 400 Abs. 2 CRR nur insoweit anwendbar, als der jeweilige nicht von der Regelung gemäß Art. 493 Abs. 3 CRR Gebrauch gemacht hat. 138 Art. 493 Abs. 3 CRR räumt den Mitgliedstaaten für eine Übergangszeit, die spätestens am 31.12.2028 endet, die Möglichkeit ein, abweichend von Art. 400 Abs. 2, 3 CRR, bestimmte Risikopositionen von der Anwendung der Großkreditobergrenze ganz oder teilweise auszunehmen. Soweit sich die Anwendungsbereiche decken, geht eine nach Art. 493 Abs. 3 CRR ausgeübte Option der Regelung gemäß Art. 400 Abs. 2 CRR vor.110) Insoweit verdrängt mithin nationales Recht aufgrund der Öffnungsklausel in der Verordnung das ansonsten anwendbare Verordnungsrecht, so dass in diesem Fall die zuständige Aufsichtsbehörde das in Ausübung der Option erlassene nationale Recht anzuwenden hat. (a)

Ausnahmen gemäß Art. 400 Abs. 2, 3 CRR

139 Die zuständigen Behörden können, vorbehaltlich einer nationalen Gesetzesregelung gemäß Art. 493 Abs. 3 CRR, die in Art. 400 Abs. 2 lit. a – l CRR111) aufgeführten Risikopositionen ganz oder teilweise von der Anwendung der Großkreditobergrenze ausnehmen, sofern die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 400 Abs. 3 CRR erfüllt sind. Art. 400 Abs. 3 CRR verlangt, dass x

das Risiko der betreffenden Position durch die besondere Art der Risikoposition selbst, der Gegenpartei oder der Beziehung zwischen dem Institut und der Gegenpartei beseitigt oder verringert wird (lit. a); und dass

x

das ggf. verbleibende Konzentrationsrisiko durch andere, gleichermaßen wirksame Mittel wie die Regelungen, Verfahren und Mechanismen nach Art. 81 CRD aufgefangen werden kann. Art. 81 CRD sieht seinerseits vor, dass Konzentrationsrisiken u. a. mittels schriftlicher Grundsätze und Verfahren erfasst und gesteuert werden sollen.

140 Der Katalog des Art. 400 Abs. 2 CRR erfasst unter lit. c ebenfalls Intragruppenforderungen.112) Dies sind Risikopositionen eines Instituts, einschließlich Beteiligungen oder sonstiger Anteile, gegenüber seinem Mutterunternehmen, anderen Tochterunternehmen desselben und eigenen Tochterunternehmen sowie qualifizierten Beteiligungen,113) sofern diese in die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis einbezogen sind, der das Institut gemäß dieser Verordnung, der Richtlinie 2002/87/EG114) oder nach gleichwertigen Normen eines Drittlands auch selbst unterliegt.

___________ 110) In diesem Sinne auch Art. 9 Abs. 7 der VO (EU) Nr. 2016/445 betreffend die Ausübung der Option gemäß Art. 400 Abs. 2 CRR durch die EZB: „Dieser Artikel findet nur dann Anwendung, wenn der jeweilige Mitgliedstaat die in Artikel 493 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 vorgesehene Option, die spezifische Risikoposition vollständig oder teilweise auszunehmen, nicht genutzt hat.“ 111) Art. 400 Abs. 2 lit. k und lit. l CRR sind durch die CRR II eingefügt worden, wobei lit. k unter bestimmten Bedingungen Risikopositionen in Form einer Sicherheit oder einer Bürgschaft für Darlehen für Wohnimmobilien, die von einem anerkennungsfähigen Sicherungsgeber nach Art. 201 gestellt werden, erfasst und lit. l unter bestimmten Bedingungen Risikopositionen in Form einer von einer Exportversicherungsagentur gestellten Bürgschaft für öffentlich unterstützte Exportkredite, die für die Bonitätsbeurteilung in Frage kommen, erfasst. 112) Der deutsche Gesetzgeber hat insoweit von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Intragruppenforderungen von der Berücksichtigung bei der Großkreditobergrenze auszunehmen. Zur Vorschrift des Art. 400 Abs. 2 lit. c CRR sehr informativ, wenngleich mehr aus einer de lege ferenda Perspektive, Bassani, The Legal Framework Applicable to the Single Supervisory Mechanism, S. 167, 178, 176. 113) Die qualifizierten Beteiligungen sind erst durch die CRR II in den Text aufgenommen worden. 114) Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.12.2002, ABl. (EG) L 35/1 v. 11.2.2003.

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II. Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen

§ 10

Durch die Aufnahme von Risikopositionen gegenüber qualifizierten Beteiligungen in die 141 Ausnahmevorschrift können ihr künftig Risikopositionen eines Kreditinstituts gegenüber einem Joint Venture unterfallen. Diese dürften bislang regelmäßig mangels der Eigenschaft eines Joint Ventures als Tochterunternehmen (Art. 4 Abs. 1 Nr. 16 CRR i. V. m. Art. 22 Abs. 1 bis 5 Bilanzrichtlinie) nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift gefallen sein. Für diejenigen Kreditinstitute, die der Aufsicht der EZB unterfallen, ist Art. 9 VO (EU) 142 Nr. 2016/445 zu beachten. Diese Vorschrift übt einige der Optionen und Ermessensspielräume aus, die den zuständigen Aufsichtsbehörden in Bezug auf die Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute durch das Unionsrecht eröffnet sind. Gegenstand von Art. 9 VO (EU) Nr. 2016/445 ist die Ausübung der Option gemäß Art. 400 Abs. 2 CRR durch die EZB.115) Sofern der jeweilige Mitgliedstaat die in Art. 493 Abs. 3 CRR vorgesehene Möglichkeit, eine spezifische Risikoposition vollständig oder teilweise auszunehmen, nicht genutzt hat,116) übt die EZB mit dieser Verordnung die ihr als zuständiger Aufsichtsbehörde in Art. 400 Abs. 2 CRR eingeräumte Option einheitlich für die unter ihre Aufsicht fallenden Institute aus. Das heißt, dass mit der Verordnung (EU) Nr. 2016/445 unter den in Art. 400 Abs. 3 CRR festgelegten und im Anhang I der VO (EU) Nr. 2016/445 näher spezifizierten Bedingungen, die ex post zu beurteilen sind, Intragruppenforderungen in vollem Umfang von der Anwendung des Art. 395 Abs. 1 CRR ausgenommen sind, soweit diese Unternehmen der gleichen Aufsicht auf konsolidierter Basis gemäß der CRR, der Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates oder in einem Drittland geltenden gleichwertigen Standards nach Maßgabe des Anhangs I dieser VO (EU) Nr. 2016/445 unterliegen. Problematisch ist bei diesem Ansatz, dass mit der VO (EU) Nr. 2016/445 eine zuständige Behörde die für die Anwendung im Einzelfall erteilte Ermächtigung zu einer Ermessensentscheidung einheitlich, bindend und vorab ausübt und nicht nur eine Ermessensbindung durch Darlegung ihrer geplanten Verwaltungspraxis herbeiführt. Im Rahmen der mit der CRR II notwendig werdenden Überarbeitung dieser Verordnung und eingedenk dessen das Intragruppen-Beziehungen, einschließlich IntragruppenForderungen, stärker in den aufsichtlichen Fokus gerückt sind, wird man erwarten dürfen, dass diese Position überdacht werden wird.117) Mit Art. 9 Abs. 1 bis 5 VO (EU) Nr. 2016/445 nimmt die EZB (derzeit noch) sämtliche 143 Risikopositionen, die in dem Katalog des Art. 400 Abs. 2 lit. a – k CRR aufgeführt sind, zumindest teilweise von der Anwendung der Obergrenze aus. Die Bezugnahmen auf Art. 400 Abs. 2 lit. a bis lit. k CRR sind dabei als dynamische Verweise zu verstehen, so dass sie abgeänderte Fassungen einschließen; fällt ein in Bezug genommener Tatbestand indessen weg wird auch die Bezugnahme obsolet, selbst wenn der betreffende Buchstabe in Art. 400 Abs. 2 CRR mit einem anderen Text fortgeführt wird. Das Art. 9 Abs. 1 bis 5 VO (EU) Nr. 2016/445 die in Art. 400 Abs. 2 CRR enthaltenen 144 Optionen ausübt, bedeutet, dass die EZB die Erlaubnis nach Art. 400 Abs. 2 CRR nicht im Einzelfall erlässt, was den administrativen Aufwand reduziert. Allerdings stellt Art. 9 Abs. 1 bis 5 VO (EU) Nr. 2016/445 zum Teil über die in Art. 400 Abs. 3 CRR festgelegten Bedingungen hinaus weitere Bedingungen dafür auf, dass ein Institut die einzelnen Ausnahmen für spezifische Risikopositionen tatsächlich nutzen darf. Prozedural entscheidend ist jedoch, dass grundsätzlich kein Verfahren zur Erteilung einer Ausnahme mehr durchzuführen ist, wenn die Voraussetzungen erfüllt werden, sondern vielmehr die ___________ 115) Dazu auch Kunschke/Huertas, JIBLR 2016, 439, 442. 116) S. Art. 9 Abs. 7 VO (EU) Nr. 2016/445. 117) S. a. Bassani, The Legal Framework Applicable to the Single Supervisory Mechanism, S. 167, 178, 176.

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§ 10

Großkredite

Institute nach Art. 9 Abs. 6 VO (EU) Nr. 2016/445 selbst zu bewerten haben (SelfAssessment), ob die einschlägigen Bedingungen für die spezifische Risikoposition erfüllt sind. Die EZB kann diese Bewertung jedoch jederzeit überprüfen und die Institute zu diesem Zweck zur Vorlage der relevanten Unterlagen auffordern. Ein Erlaubnisverfahren ist allerdings durchzuführen, wenn ein Kreditinstitut z. B. eine im Umfang von der erteilten Ausnahme abweichende Ausnahme beantragt hat. 145 In Bezug auf die Ausnahme von Intragruppenforderungen von der Großkreditobergrenze gemäß Art. 400 Abs. 2 CRR i. V. m. Art. 9 Abs. 3 VO (EU) Nr. 2016/445 bedeutet das bspw., dass ein Institut bei der Bewertung, ob die zusätzlichen Voraussetzungen nach Art. 400 Abs. 3 CRR erfüllt sind, auch die spezifischen Kriterien nach Nr. 2 des Anhangs I der VO (EU) Nr. 2016/445 berücksichtigen muss. Für die Zwecke ihrer Überprüfung kann die EZB nach Nr. 3 des Anhangs I der VO (EU) Nr. 2016/445 insbesondere die Vorlage von Bestätigungen verlangen, die vom Leitungsorgan des Instituts genehmigt sind. Darin ist zu bestätigen, dass das Institut sämtliche Bedingungen für die Ausnahme gemäß Art. 400 Abs. 2, 3 CRR i. V. m. Art. 9 Abs. 3 VO (EU) Nr. 2016/445 erfüllt, einschließlich einer Erklärung, dass x

keine praktischen Hindernisse bestehen, die die rechtzeitige Rückzahlung von Risikopositionen durch eine Gegenpartei an das Institut verhindern;

x

die gruppeninternen Risikopositionen aufgrund der Refinanzierungsstruktur der Gruppe gerechtfertigt sind;

x

der Entscheidungsprozess zur Genehmigung eines Kredits an eine gruppeninterne Gegenpartei und der Überwachungs- und Überprüfungsprozess für solche Kredite sowohl auf Einzel- als auch auf konsolidierter Ebene mit den Prozessen vergleichbar ist, die bei der Kreditvergabe an Dritte zur Anwendung kommen; und

x

das Konzentrationsrisiko aus gruppeninternen Risikopositionen i. R. der Gesamtrisikobewertung des Instituts berücksichtigt wird.

146 Ferner müssen die Risikobewertungs-, Risikomess- und Risikokontrollverfahren des Instituts denjenigen der Gegenpartei entsprechen und die Risikomanagementverfahren, die IT-Systeme und das interne Berichtswesen es dem Leitungsorgan ermöglichen, die Höhe des Großkredits und dessen Vereinbarkeit mit der Risikostrategie und mit den Grundsätzen eines soliden internen Liquiditätsmanagements innerhalb der Gruppe kontinuierlich zu überwachen. 147 Das verdeutlicht, dass die Ausnahme von der Anwendung der Großkreditobergrenze unter dem Vorbehalt eines effektiven Managements der mit den Risikopositionen verbundenen Konzentrationsrisiken steht. 148 Sind die Voraussetzungen alle erfüllt, was das Kreditinstitut selbst zu beurteilen hat, kann es die relevanten Risikopositionen von der Anwendung der Großkreditobergrenze ausnehmen, ohne dass ein (weiteres) Verwaltungsverfahren erforderlich ist. 149 Der mit der CRR II neu eingefügte Art. 400 Abs. 4 CRR bestimmt, dass die gleichzeitige Anwendung von mehr als einer der in den Art. 400 Abs. 1 und 2 CRR festgelegten Ausnahmen auf ein und dieselbe Risikoposition nicht gestattet ist. Dies dürfte nur von Relevanz sein, wenn eine Risikoposition nur teilweise von der Anwendung der Großkreditobergrenze ausgenommen ist. Festzuhalten bleibt auch, dass der nationale Gesetzgeber bei der Nutzung von Art. 493 Abs. 3 CRR mangels entsprechenden Anhaltspunkts in der CRR keine entsprechende Regelung vorsehen muss.

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II. Das Großkreditregime der CRR und ergänzende nationale Regelungen (b)

§ 10

Nationale Wahlrechte (Art. 493 Abs. 3 CRR)

Der deutsche Gesetzgeber hat die ihm in Art. 493 Abs. 3 CRR eingeräumte Möglichkeit, 150 für eine Übergangszeit bestimmte Risikopositionen ganz oder teilweise von der Anwendung der Großkreditobergrenze auszunehmen, genutzt und entsprechende Ausnahmen in den §§ 1 und 2 GroMiKV geregelt. Mit § 2 GroMiKV i. V. m. Art. 493 Abs. 3 lit. c CRR hat der deutsche Gesetzgeber die in 151 der Praxis besonders relevante Ausnahme für Risikopositionen gegenüber gruppenangehörigen Unternehmen aufgegriffen und einer differenzierten Regelung unterworfen.118) Diese unterscheidet zunächst zwischen x

Beteiligungen und sonstigen Anteilen (§ 2 Abs. 1 GroMiKV) sowie

x

anderen Risikopositionen gegenüber gruppenangehörigen Unternehmen (§ 2 Abs. 2 – 4 GroMiKV);

x

zudem sieht § 2 Abs. 5 GroMiKV eine Sonderregelung für Beteiligungen oder sonstige Anteile an verbundangehörigen Instituten vor.

Für Risikopositionen in Form von Beteiligungen oder sonstigen Anteilen an gruppen- 152 angehörigen Unternehmen, die in die Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis einbezogen sind, der das Institut unterliegt, gilt abhängig von dem Positionswert der Beteiligung gemäß § 2 Abs. 1 GroMiKV das Folgende: x

Beteiligungen oder sonstige Anteile, die 25 % der anrechenbaren Eigenmittel119) des Instituts nicht überschreiten, werden jeweils in voller Höhe bei der Berechnung der Auslastung der Obergrenze nach Art. 395 Abs. 1 CRR ausgenommen (Nr. 1).

x

Beteiligungen oder sonstige Anteile, die 25 % der anrechenbaren Eigenmittel des Instituts überschreiten, werden jeweils in der Höhe des Betrags ausgenommen, der 25 % der anrechenbaren Eigenmittel entspricht (Nr. 2).120)

Für andere Risikopositionen gegenüber gruppenangehörigen Unternehmen, die in die Be- 153 aufsichtigung auf konsolidierter Basis einbezogen sind, der das Institut unterliegt, trifft § 2 Abs. 2 – 4 GroMiKV eine weiter differenzierende Regelung. Grundsätzlich werden diese Risikopositionen kraft Gesetzes i. H. von 75 % ihrer Bemessungsgrundlage bei der Berechnung der Auslastung der Großkreditobergrenze ausgenommen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GroMiKV). Eine Besonderheit gilt jedoch für Risikopositionen in Gestalt von Patronatserklärungen des Instituts, die erstmals vor dem 1.1.2014 für ein gruppenangehöriges Unternehmen zur Erfüllung konkret bestehender aufsichtlicher Anforderungen abgegeben wurden. Entsprechende Risikopositionen werden in voller Höhe ihrer Bemessungsgrundlage ausgenommen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GroMiKV). Ferner kann die BaFin auf Antrag des Instituts abweichend von § 2 Abs. 2 Nr. 2 GroMiKV 154 gestatten, dass die Risikopositionen gegenüber sämtlichen oder einzelnen in die konsolidierte Beaufsichtigung einbezogenen gruppenangehörigen Unternehmen i. H. von 93,75 % ihrer Bemessungsgrundlage ausgenommen werden (§ 2 Abs. 3 GroMiKV). Dies setzt insbesondere voraus, dass eine solche Ausnahme für die Liquiditätsversorgung oder für Zwecke der zentralen Risikosteuerung innerhalb der Gruppe notwendig ist und kein unangemessenes Konzentrationsrisiko entsteht. Die erweiterte Ausnahmemöglichkeit nach § 2 Abs. 3 GroMiKV, die bislang für Institutsgruppen mit zentralem Liquiditätsmanage___________ 118) S. dazu auch Lackhoff/Baldus, ZBB 2015, 245, 258 f. 119) Die Änderung der in Bezug genommenen Kapitalgröße (Tier1-Kapital) durch die Änderung der CRR wird in der GroMiKV zukünftig noch aufzunehmen sein. 120) Zutreffend Beck/Samm/Kokemoor-Demmelmair, KWG, Artt. 387 – 403 CRR Rz. 197: Es handelt sich um eine Freibetrags- und keine Freigrenzenregelung.

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§ 10

Großkredite

ment bestand, steht seit 2018 auch Institutsgruppen mit zentralem Risikomanagement zur Verfügung. bb)

Kreditrisikominderungstechniken (Artt. 399, 401 – 403 CRR)

155 Bei der Berechnung des Risikopositionswerts für die Zwecke des Art. 395 Abs. 1 CRR hat ein Institut grundsätzlich eine Kreditrisikominderungstechnik zu berücksichtigen, wenn es diese Technik auch zur Berechnung der Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko verwendet hat und wenn diese Kreditrisikominderungstechnik die in Art. 399 CRR festgelegten Bedingungen erfüllt (Art. 399 Abs. 1 CRR). Dieser mit der CRR II vorgesehene Gleichlauf der Verwendung von Kreditrisikominderungstechniken für Eigenmittel- und Großkreditzwecke kann die Anpassung interner Prozesse erfordern. 156 Kreditrisikominderung stellt gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 57 CRR ein Verfahren dar, das ein Institut einsetzt, um das mit einer oder mehreren Risikopositionen seines Bestands verbundene Kreditrisiko herabzusetzen. Bei diesem Verfahren wird zwischen einer „Besicherung mit Sicherheitsleistung“ und einer „Absicherung ohne Sicherheitsleistung“ unterschieden. Das zuerst genannte Verfahren bewirkt eine Verminderung des Kreditrisikos dadurch, dass das Institut das Recht hat, bei Ausfall der Gegenpartei oder bei bestimmten anderen Kreditereignissen bestimmte Vermögenswerte oder Beträge zu verwerten, ihren Transfer oder ihre Bereitstellung zu erwirken oder sie einzubehalten (Art. 4 Abs. 1 Nr. 58 CRR). Bei dem Verfahren der Absicherung ohne Sicherheitsleistung vermindert sich das mit der Risikoposition verbundene Kreditrisiko durch die Verpflichtung eines Dritten, bei Ausfall der Gegenpartei oder bei bestimmten anderen Kreditereignissen eine Zahlung zu leisten (Art. 4 Abs. 1 Nr. 59 CRR). 157 Ob eine Besicherung mit Sicherheitsleistung oder eine Absicherung ohne Sicherheitsleistung bei der Berechnung der Auslastung der Obergrenze des Art. 395 Abs. 1 CRR kreditrisikomindernd in Ansatz gebracht werden darf, beurteilt sich nach Maßgabe der Artt. 399, 401 – 403 CRR. In jedem Fall müssen gemäß Art. 399 Abs. 2 CRR die Anerkennungsvoraussetzungen und sonstigen Anforderungen der Vorschriften über die Kreditrisikominderung (Artt. 192 – 241 CRR) erfüllt sein. Der neu eingeführte Art. 399 Abs. 3 CRR legt schließlich fest, dass Kreditrisikominderungstechniken, die nur Instituten zur Verfügung stehen, die einen IRB-Ansatz verwenden, nicht zur Verringerung des Risikopositionswerts von Großkrediten eingesetzt werden können, es sei denn, es handelt sich um durch Immobilien besicherte Risikopositionen gemäß Art. 402 CRR. 158 Zusätzlich ist zu beachten, dass Institute gemäß Art. 399 Abs. 4 CRR ihre Risikopositionen gegenüber Sicherheitsemittenten und Stellern von Absicherungen sowie die zugrunde liegenden Vermögenswerte (Art. 390 Abs. 7 CRR) soweit wie möglich auf mögliche Konzentrationen prüfen müssen. Gegebenenfalls haben sie geeignete Maßnahmen zu ergreifen und der zuständigen Behörde wesentliche Feststellungen zu melden. 159 Artt. 401 bis 403 CRR regeln, wie die verschiedenen Formen von Sicherheiten zu berücksichtigen sind. Art. 401 CRR bestimmt, dass Institute für die Berechnung des Risikopositionswertes für die Bestimmung der Großkreditobergrenze (Art. 395 CRR) einen vollständig angepassten Forderungswert im Einklang mit den Vorschriften des Kapitels Kreditrisikominderung berechnen können. Dabei haben sie grundsätzlich (siehe Art. 401 Abs. 2 CRR) die umfassende Methode zur Berücksichtigung finanzieller Sicherheiten anzuwenden und zwar unabhängig davon, nach welcher Methode die Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko berechnet werden. 160 Die Berücksichtigung von Immobiliensicherheiten regelt Art. 402 CRR. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift dürfen Institute den Risikopositionswert oder Teile von Risikopositionen, die im Einklang mit Art. 125 Abs. 1 CRR vollständig durch Wohnimmobilien besi542

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III. Die Anwendung der Großkreditregelungen im SSM

§ 10

chert sind, um den als Sicherheit hinterlegten Betrag des Marktwerts oder des Beleihungswerts der betreffenden Immobilien herabsetzen – allerdings um höchstens 50 % des Marktwerts oder 60 % des Beleihungswerts in Mitgliedstaaten, deren Rechts- und Verwaltungsvorschriften strenge Vorgaben für die Bemessung des Beleihungswerts setzen –, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Art. 402 Abs. 2 CRR enthält eine entsprechende Regelung für Gewerbeimmobilien. Nach Art. 402 Abs. 3 CRR schließlich darf eine Forderung an eine Gegenpartei, die aus einem umgekehrten Pensionsgeschäft herrührt, bei dem das Institut von der Gegenpartei ein nicht akzessorisches unabhängiges Grundpfandrecht an Immobilien Dritter erworben hat, als eine Reihe von Einzelforderungen gegen jeden dieser Dritten behandeln, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Mit der CRR II wurde den nationalen Gesetzgebern die Option eingeräumt, die Herab- 161 setzung des Risikopositionswerts oder der Teile von Risikopositionen, die vollständig durch Wohn- oder Gewerbeimmobilien besichert sind, durch eine nationale Regelung auszuschließen (Art. 402 Abs. 1 und 2 CRR). Absicherungen eines Kredites durch einen Dritten oder durch eine von einem Dritten ge- 162 stellte Sicherheit können unter den Voraussetzungen des Art. 403 CRR (Substitutionsansatz) zur Kreditrisikominderung herangezogen werden. Wendet ein Institut das Verfahren nach Art. 403 CRR an und rechnet den abgesicherten Teil der Risikoposition gegenüber dem ursprünglichen Kreditnehmer nicht auf die Obergrenze an, entsteht eine neue Risikoposition gegenüber dem Sicherungsgeber. III.

Die Anwendung der Großkreditregelungen im Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM)

1.

Die Zuständigkeit für die Überwachung des Großkreditregimes der CRR im SSM

Mit Beginn der Tätigkeit des SSM am 4.11.2014 ist die Zuständigkeit für die Überwa- 163 chung der Einhaltung der Großkreditvorschriften der CRR für bedeutende Kreditinstitute auf die EZB übergegangen (Art. 4 Abs. 1 lit. d SSM-VO)121). Die EZB ist für bedeutende Kreditinstitute ferner auch für die Anwendung der auf Basis 164 des Art. 493 CRR erlassenen Vorschriften der GroMiKV zu Intragruppenforderungen zuständig, da es sich insoweit um die Ausnutzung eines in der CRR vorgesehenen Wahlrechts handelt.122) Ist auf Basis des § 2 Abs. 3 GroMiKV einem Institut durch die BaFin vor dem Übergang der Aufsichtskompetenz auf die EZB gestattet worden, Risikopositionen gegen gruppenangehörige Unternehmen nur mit 6,25 % ihrer Bemessungsgrundlage bei der Berechnung der Auslastung der Obergrenze für Großkredite anzusetzen, ist die EZB hieran zunächst gebunden (Art. 148 SSM-RahmenVO). Sie kann diese Erlaubnis nur widerrufen oder zurücknehmen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen nach dem von der EZB anzuwendenden Unionsverfahrensrecht vorliegen.123) Für die Bescheidung neuer Anträge gemäß § 2 Abs. 3 GroMiKV ist für bedeutende Institute die EZB zuständig; sie wendet dabei das europäische Verfahrensrecht an. Die regelmäßigen Großkreditmeldungen sind gemäß Art. 140 Abs. 3 SSM-RahmenVO 165 weiterhin an die BaFin zu senden. Meldungen einzelner Überschreitungen dürften gemäß ___________ 121) Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013. Zu den Kriterien für die Bestimmung bedeutender Institute, s. Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, S. 137 ff., Rz. 592 ff. 122) S. Art. 4 Abs. 3 SSM-VO. 123) Zum von der EZB anzuwendenden Verfahrensrecht s. Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, S. 107 ff., Rz. 462 ff.

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Großkredite

Art. 95 SSM-RahmenVO an die EZB zu senden sein. Für Anträge auf Gestattung von Überschreitungen der Obergrenze gilt entsprechendes. 166 Eine Sanktionierung von Verstößen gegen Großkreditvorschriften der CRR kann durch die EZB basierend auf Art. 18 Abs. 1 SSM-VO unmittelbar erfolgen. Von den am 2.1.2020 auf der Internetseite veröffentlichten Sanktionen gegen zehn Kreditinstitute waren bei vier Instituten die Sanktionen (auch) auf Verstöße gegen Großkreditvorschriften gestützt. Die Bußgelder lagen zwischen 200.000 € und 2.500.000 €. 2.

Die Zuständigkeit für die Überwachung der nationalen Großkreditvorschriften, insbesondere der Großkreditbeschluss- und –meldevorschriften des KWG, im SSM

167 Insoweit der deutsche Gesetzgeber „autonom“, d. h. ohne Veranlassung im Unionsrecht, Beschlussfassungsregelungen für Großkredite geschaffen hat (§ 13 Abs. 2, 3 KWG, §§ 3, 4 GroMiKV), stellt sich bei bedeutenden Kreditinstituten die Frage, ob deren Überwachung in die Kompetenz der EZB fällt oder weiterhin die BaFin dafür zuständig ist. Eine Aufspaltung der Kompetenz – nach der die EZB für die Überwachung der Großkreditvorschriften der CRR und die BaFin für die Überwachung der ohne (explizite) Veranlassung im Unionsrecht erlassenen nationalen Großkreditbeschluss- und Überwachungsvorschriften zuständig wäre – ist wenig sinnvoll und widerspricht dem Ziel des einheitlichen Aufsichtsraums, so dass davon auszugehen ist, dass die Überwachung dieser Vorschriften für bedeutende Institute der EZB mitübertragen ist. Dagegen ließe sich auf Basis der Rückkoppelung der Aufgabenzuweisung des Art. 4 Abs. 1 lit. d, Abs. 3 SSM-VO an die CRR argumentieren, dass „autonom“ gesetzte Aufsichtsregelungen zu Großkrediten weiterhin von den nationalen Behörden zu überwachen sind. Gegenüber diesem Wortlautargument wiegt u. E. das teleologische Argument schwerer. 168 In Bezug auf bedeutende Kreditinstitute ist mithin die Überwachung dieser „autonomen“ nationalen Vorschriften auch auf die EZB übergegangen. Diese „autonomen“ nationalen Regelungen zu Großkrediten sind nur ein Beispiel für eine Vielzahl nicht ausdrücklich in der Kapitaladäquanzrichtlinie angelegter „autonomer“ nationaler Regelungen, die Aufsichtsanforderungen stellen und Erlaubnisse oder Eingriffsbefugnisse vorsehen. Dies wird unter dem Stichwort „National Powers Issue“ diskutiert124) und kreist um die Frage, ob entsprechende Aufgaben und Befugnisse auf die EZB übertragen worden sind.125) Dies muss zwar im Einzelfall beurteilt werden, weil nur in diesem entschieden werden kann, ob es als mit dem Prinzip der Einzelermächtigung und der Rechtssicherheit vereinbar anzusehen ist, dass die relevante „National Power“ in Bezug auf bedeutende Banken der EZB zur Ausübung zugewiesen ist. Man wird es jedoch bejahen dürfen, wenn x

der geregelte Bereich in die der EZB zugewiesenen Aufgaben fällt,

x

die nationale Regelung aufsichtsrechtliche Zwecke verfolgt (und z. B. keine produktbezogene Regelung darstellt) und

x

mit den Befugnissen der EZB verbunden ist.

169 Zur Beurteilung des letzten Aspekts gibt es im Wesentlichen zwei Ansätze: x

der eine fragt danach, ob die Regelung in einem weit verstandenen Sinne Umsetzung der CRD ist;

___________ 124) Der Begriff „powers“ (Befugnisse) ist dabei nicht spezifisch genug, da es auch um Maßstabsnormen geht; zutreffend ist indessen, dass insbesondere die Befugnisnormen von Bedeutung sind. 125) Dazu Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, S. 24 ff., Rz. 95 ff. S. a. Bassani, The Legal Framework Applicable to the Single Supervisory Mechanism, S. 73 ff.

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III. Die Anwendung der Großkreditregelungen im SSM x

§ 10

der andere danach, ob die Befugnis bei teleologischer Auslegung als übertragen anzusehen ist (effet utile).126)

In Bezug auf eine Sanktionierung etwaiger Verstöße gegen „autonome“ nationale Rege- 170 lungen zu Großkrediten kommt, sofern im nationalen Recht überhaupt eine Sanktionierung vorgesehen ist, seitens der EZB bei bedeutenden Kreditinstituten nur eine Anweisung an die zuständige nationale Aufsichtsbehörde zur Einleitung eines Verfahrens in Betracht (Art. 18 Abs. 5 SSM-VO). In Bezug auf den Ausgang des Verfahrens ist eine solche Anweisung ergebnisoffen.

___________ 126) Hierzu generell Bedenken äußernd § 2 Rz. 62 [Glos/Benzing].

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§ 11 Organisatorische Anforderungen

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Übersicht I. Überblick...................................................... 1 II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation ................................................. 7 1. Grundlagen ................................................... 7 2. Risikomanagement..................................... 14 a) Risikotragfähigkeit.............................. 16 aa) Wesentliche Risiken..................... 22 bb) Risikodeckungspotential ............. 25 cc) Wechselwirkungen ....................... 27 b) Strategien ............................................. 28 aa) Anforderungen............................. 31 bb) Strategieprozess............................ 34 c) Interne Kontrollverfahren .................. 40 aa) Aufbau- und Ablauforganisation .................................. 41 bb) Risikosteuerungs- und -controllingprozesse .................... 52 cc) Besondere Funktionen................. 62 (1) Risikocontrolling-Funktion ........ 64 (2) Compliance-Funktion ................. 68 (3) Interne Revision ........................... 73 dd) Datenmanagement, Datenqualität und Aggregation von Risikodaten............................ 77 ee) Internes Berichtswesen................ 79 ff) Stresstests ..................................... 90 gg) Anpassungsprozesse .................... 95 d) Ressourcen......................................... 101 aa) Personelle Ausstattung .............. 102 bb) Technisch-organisatorische Ausstattung ................................ 104 e) Notfallkonzept.................................. 110 f) Unternehmensstruktur, interne Vorgaben, Unternehmens- und Risikokultur....................................... 112 3. Bestimmung der finanziellen Lage .......... 122 4. Dokumentation ........................................ 124 5. Whistleblower-Prozess ............................ 125

6.

7. III. 1. 2.

3.

IV. 1. 2. 3.

4. V. VI.

Sonstige Anforderungen; Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und strafbaren Handlungen ....................................................... 127 Unternehmensgruppen............................ 138 Organe und Organmitglieder ............... 147 Grundlagen ............................................... 147 Geschäftsleitungsorgan............................ 150 a) Aufgaben und Pflichten.................... 150 b) Zusammensetzung und Entscheidungsfindung ............................ 156 c) Organmitglieder ................................ 159 d) Ausschüsse ........................................ 166 Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan ......... 167 a) Aufgaben und Pflichten.................... 168 b) Zusammensetzung und Entscheidungsfindung ............................ 171 c) Organmitglieder ................................ 174 d) Ausschüsse ........................................ 180 Auslagerung............................................. 185 Anwendungsbereich................................. 187 Auslagerungsfähigkeit.............................. 194 Anforderungen......................................... 197 a) Risikoanalyse ..................................... 200 b) Maßstab ............................................. 201 c) Auslagerungsvertrag ......................... 206 d) Auslagerungsunternehmen............... 211 e) Steuerung und Überwachung ........... 212 f) Vorkehrungen für eine Beendigung ................................................... 214 g) Zentrales Auslagerungsmanagement/Auslagerungsfunktion/ Auslagerungsregister......................... 217 h) Überprüfung...................................... 220 Einzelfälle ................................................. 221 Prüfung, Überwachung, Eingriffe und Sanktionen ....................................... 228 Ausblick ................................................... 238

Literatur: Ahlbrecht, Banken im strafrechtlichen Regulierungsfokus – Trennbankengesetz und Steuerhinterziehungsinstitute, BKR 2014, 98; Andrae, Anforderungen an die Risikoberichterstattung, in: Becker/Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, 3. Aufl., 2018, S. 395; Barsch, Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung der Internen Revision, in: Becker/Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, 3. Aufl., 2018, S. 375; Bauer/Stegmaier, Nachhaltigkeit als (Regulierungs-) Konzept im Bankensektor, in: Bauer/ Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, 2016, S. 5; Becker, Besondere Funktionen der MaRisk – Risikomanagement, Compliance und Interne Revision, in: Becker/Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, 3. Aufl., 2018, S. 141; Becker, Interne Revision, in: Becker/Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, 3. Aufl., 2018, S. 357; Berger, Rechtsanwendung durch die EZB im Single Supervisory Mechanism (SSM), Teil I, WM 2016, 2325; Teil II, WM 2016, 2361; Binder, Anforderungen an die interne Corporate Governance der Institute, in: Grieser/Heemann, Europäisches Bankaufsichtsrecht, 2016, S. 425; Binder, Organisationspflichten und das Finanzdienstleistungs-Unternehmensrecht, ZGR 2015, 667; Binder, Pflichten- und Kompetenzkollisionen im Bankenaufsichts- und Gesellschaftsrecht, ZGR 2013, 760;

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

Brandt, Datenschutz, in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, 3. Aufl., 2016, § 29; Dürr, Bankgeschäftsleiter – Risikoerfahrung contra Stabserfahrung, WM 1993, 1918; Cichy/Cziupka/ Wiersch, Voraussetzungen der Strafbarkeit der Geschäftsleiter von Kreditinstituten nach § 54a KWG n. F., NZG 2013, 846; Dombret, Culture and Conduct, in: Kenadjian/Dombret, Culture and Ethics, 2016, S. 9; Dörr, Anpassungsprozesse, in: Becker/Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, 3. Aufl., 2018, S. 155; Dreher, Die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation der Versicherungsgruppe nach Solvency II und VAG 2016, WM 2015, 649; Dreher, Die Gesamtqualifikation des Aufsichtsrates, in: Festschrift für Michael Hoffmann-Becking, 2013, S. 313; Eufinger, Arbeits- und strafrechtlicher Schutz von Whistleblowern im Kapitalmarktrecht, WM 2016, 2336; Fischer/Petri/Steidle, Outsourcing im Bankbereich – neue aufsichtsrechtliche Anforderungen nach § 25a KWG und MaRisk, WM 2007, 2313; Gampe/ Silberg, Kritische Infrastrukturen – Betreiber im Finanzsektor: Identifizierung und Anforderungen, BaFin-Fachartikel v. 16.8.2017, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/ 2017/fa_bj_1708_kritische_Infrastrukturen.html (Abrufdatum: 16.5.2020); Gann/Rudolph, Anforderungen an das Risikomanagement, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. 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Organisatorische Anforderungen

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Verlautbarungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht/Basel Committee on Banking Supervision (BCBS): BCBS, Stress testing principles, v. 17.10.2018, https://www.bis.org/bcbs/publ/ d450.pdf; BCBS, Sound management of risks related to money laundering and financing of terrorism, v. 7.6.2017, https://www.bis.org/bcbs/publ/d405.pdf; BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, http://www.bis.org/bcbs/publ/d328.pdf; BCBS, Grundsätze für die effektive Aggregation von Risikodaten und die Risikoberichterstattung, v. 9.1.2013, http://www.bis.org/ publ/bcbs239_de.pdf; BCBS, Consolidated KYC Risk Management, v. 6.10.2004, http://www.bis.org/ publ/bcbs110.pdf; BCBS, Management operationeller Risiken – Praxisempfehlung für Banken und Bankenaufsicht, v. 25.2.2003, http://www.bis.org/publ/bcbs96de.pdf; BCBS, Customer due diligence for banks, v. 4.10.2001, http://www.bis.org/publ/bcbs85.pdf; (Abrufdatum jew. 16.5.2020). Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 30.5.2018 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinien 2009/138/EG und 2013/36/EU – Fünfte EU-Geldwäscherichtlinie, ABL. (EU) L 156/43 v. 19.6.2018; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2015/ 2366 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG, ABl. (EU) L 337/35 v. 23.12.2015; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission – Vierte EU-Geldwäscherichtlinie, ABl. (EU) L 141/73 v. 6.5.2015; EP/Rat, Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU – Markets in Financial Instruments Directive II (MiFID II), ABl. (EU) L 173/349 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/ 48/EG und 2006/49/EG – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013; EP/Rat, Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.9.2009 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, zur Ände-

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Organisatorische Anforderungen

rung der Richtlinien 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2000/46/EG, ABL. (EU) L 267/7 v. 10.10.2009; EP/Rat, Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.5.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderungder Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie84/253/EWG des Rates, ABl. (EU) L 157/87 v. 9.6.2006; EP/Rat, Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID I), ABl. (EU) L 145/1 v. 30.4.2004. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/2175 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 18.12.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), der Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 über Märkte für Finanzinstrumente, der Verordnung (EU) 2016/1011 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und der Verordnung (EU) 2015/847 über die Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers, ABl. (EU) L 334/1 v. 27.12.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; Rat, Durchführungsverordnung (EU) 2019/24 des Rates v. 8.1.2019 zur Durchführung des Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1071, ABl. (EU) L 6/2 v. 9.1.2019; Rat, Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates v. 27.12.2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, ABl. (EG) L 344/70 v. 28.12.2001; EP/Rat, Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG, ABl. (EU) L 168/12 v. 30.6.2017; EP/Rat, Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG – Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), ABl. (EU) L 119/1 v. 4.5.2016; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 2015/847 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2015 über die Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1781/2006 – Geldtransfer-VO II, ABl. (EU) L 141/1 v. 5.6.2015; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.11.2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte – PRIIP, ABl. (EU) L 352/1 v. 9.12.2014; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Markets in Financial Instruments Regulation (MiFIR), ABl. (EU) L 173/84 v. 12.6.2014; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/ 125/EG und 2004/72/EG der Kommission – Market Abuse Regulation (MAR), ABl. (EU) L 173/1 v. 12.6.2014; Rat, Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.7.2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister – European Market Infrastructure Regulation (EMiR), ABl. (EU) L 201/1 v. 27.7.2012; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010. Verlautbarungen und Richtlinien/Verordnungen der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2017/589 der Kommission v. 19.7.2016 zur Ergänzung

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Organisatorische Anforderungen

der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung der organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen, die algorithmischen Handel betreiben – Organisatorische Anforderungen bei Betreiben algorithmischen Handels, ABl. (EU) L 87/417 v. 31.3.2017; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2016/1675 der Kommission v. 14.7.2016 zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates durch Ermittlung von Drittländern mit hohem Risiko, die strategische Mängel aufweisen, ABl. (EU) L 254/1 v. 20.9.2016; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission v. 25.4.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl. (EU) L 87/1 v. 31.3.2017. Verlautbarungen der European Banking Authority (EBA) und der European Securities and Markets Authority (ESMA): EBA, Single Rulebook Q&A, https://eba.europa.eu/single-rule-book-qa; EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/GL/2019/04), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/2522896/32a28233-12f5-49c89bb5-f8744ccb4e92/Final%20Guidelines%20on%20ICT%20and%20security%20risk%20management .pdf; ESMA, Consultation Paper, Guidelines on certain aspects of the MiFID II compliance function requirements, v. 15.7.2019 (ESMA35-43-2019), https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/ cp_on_compliance_function_guidelines_for_publication.pdf; EBA, Consultation Paper, Draft Guidelines on loan origination and monitoring, v. 19.6.2019 (EBA/CP/2019/04), https://eba.europa.eu/ documents/10180/2831176/CP+on+GLs+on+loan+origination+and+monitoring.pdf; ESMA, Final Report, Technical advice to the European Commission on integrating sustainability risks and factors in MiFID II, v. 30.4.2019 (ESMA35-43-1737), https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/ esma35-43-1737_final_report_on_integrating_sustainability_risks_and_factors_in_the_mifid_ii.pdf; EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), https://eba.europa.eu/documents/10180/2551996/EBA+revised+Guidelines+on+outsourcing+ arrangements; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), https:// eba.europa.eu/documents/10180/2761380/EBA+revised+Guidelines+on+outsourcing_DE.pdf/ 5546a705-bff2-43eb-b382-e5c7bed3a2bc; EBA, Guidelines compliance table, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/ files/document_library//EBA GL 2019 02 – CT GLs on outsourcing arrangements.pdf; EBA, Consultation Paper, Draft Guidelines on ICT and security risk management, v. 13.12.2018 (EBA/ CP/2018/15), https://eba.europa.eu/regulation-and-policy/internal-governance/guidelines-on-ict-andsecurity-risk-management#pane-291; EBA, Leitlinien über das Management notleidender und gestundeter Risikopositionen, v. 31.10.2018 (EBA/GL/2018/06), https://eba.europa.eu/sites/default/ documents/files/documents/10180/2668883/4b50a0a5-b3cc-47ca-bea3-fa94ee571bfd/EBA%20BS%20 2018%20358%20Final%20report%20on%20GL%20on%20NPE_FBE_DE.pdf; EBA, Überarbeitete Leitlinien zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) sowie für die aufsichtlichen Stresstests, zur Änderung der EBA/GL/2014/13 v. 19.12.2014 – Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/ 2535561/9ad309c8-e45c-469d-b293-e11267176bb3/Revised%20Guidelines%20on%20SREP%20%28 EBA-GL-2018-03%29_DE.pdf?retry=1; EBA, Leitlinien zu den Stresstests der Institute, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/04), https://eba.europa.eu/documents/10180/2537426/Guidelines+on+ institutions+stress+testing+(EBA-GL-2018-04)_COR_DE.pdf/23bc3fd6-8e20-4745-8978-ef84927 b9394; EBA, Leitlinien zur Steuerung des Zinsänderungsrisikos bei Geschäften des Anlagebuchs, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/02), https://eba.europa.eu/documents/10180/2537150/Guidelines+on+ the+management+of+IRRBB+(EBA-GL-2018-02)_COR_DE.pdf/225f0fda-fbc1-4bea-b77a-58beb 6569e07; EBA/ESMA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), https://eba.europa.eu/ regulation-and-policy/internal-governance/joint-esma-and-eba-guidelines-on-the-assessment-of-thesuitability-of-members-of-the-management-body/; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), https://eba.europa.eu/documents/10180/2164689/Guidelines+on+ Internal+Governance+%28EBA-GL-2017-11%29_DE.pdf/411fdd9d-8174-4366-ab36-3aa9b0a1d716; EBA, Final Report, Recommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2017 (EBA/REC/2017/03), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/2170121/ 5fa5cdde-3219-4e95-946d-0c0d05494362/Final%20draft%20Recommendations%20on%20Cloud%20 Outsourcing%20(EBA-Rec-2017-03).pdf; EBA, Opinion of the European Banking Authority on issues related to the departure of the United Kingdom from the European Union, v. 12.10.2017 (EBA/Op/ 2017/12), https://eba.europa.eu/documents/10180/1756362/EBA+Opinion+on+Brexit+Issues+ %28EBA-Op-2017-12%29.pdf; EBA/ESMA, Guidelines compliance table, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU (EBA/GL/2017/12 [ESMA71-99-598]), v. 26.9.2017 (ESMA35-43-1215); EBA, Final Report, Guidelines on internal governance under Directive 2013/36/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/11), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

documents/10180/1972987/eb859955-614a-4afb-bdcd-aaa664994889/Final%20Guidelines%20on%20 Internal%20Governance%20(EBA-GL-2017-11).pdf; EBA/ESMA, Final Report, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/12), https:// eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/1972984/43592777-a543-4a42-8d39530dd4401832/Joint%20ESMA%20and%20EBA%20Guidelines%20on%20the%20assessment%20 of%20suitability%20of%20members%20of%20the%20management%20body%20and%20key%20 function%20holders%20(EBA-GL-2017-12).pdf; EBA, Leitlinien für die IKT-Risikobewertung im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP), v. 11.9.2017 (EBA/GL/ 2017/05), https://eba.europa.eu/documents/10180/1954038/Guidelines+on+ICT+Risk+Assessment+ under+SREP+%28EBA-GL-2017-05%29_DE.pdf/d1f46d49-6b93-4fc0-b789-839edcaafb9a; ESMA, Opinion, General principles to support supervisory convergence in the context of the United Kingdom withdrawing from the European Union, v. 31.5.2017 (ESMA42-110-433), https:// www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma42-110-433_general_principles_to_support_super visory_convergence_in_the_context_of_the_uk_withdrawing_from_the_eu.pdf; EBA, Leitlinien zu für SREP erhobene ICAAP- und ILAAP-Informationen, v. 10.2.2017 (EBA/GL/2016/10), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/1748842/c88d3ce5-d3b9-4429b53d-5111087aa5b7/Guidelines%20on%20ICAAP%20ILAAP%20(EBA-GL-2016-10)_DE.pdf; EBA/ ESMA, Consultation Paper, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/ EU, v. 28.10.2016 (EBA/CP/2016/17), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/ 10180/1639842/fdaf8526-54c2-40a9-aa85-6fdb6565fe38/Consultation%20Paper%20on%20Joint%20 ESMA%20EBA%20Guidelines%20on%20suitability%20of%20management%20body%20(EBA-CP2016-17).pdf; EBA, Consultation Paper, Draft Guidelines on internal governance, v. 28.10.2016 (EBA/CP/2016/16), https://eba.europa.eu/documents/10180/1639914/Consultation+Paper+on+ Guidelines+on+internal+governance+%28EBA-CP-2016-16%29.pdf; EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on assessment methodology for IRB approach (EBA/RTS/2016/03), v. 21.7.2016, https://eba.europa.eu/documents/10180/1525916/Final+Draft+RTS+on+Assessment+Methodology +for+IRB.pdf/e8373cbc-cc4b-4dd9-83b5-93c9657a39f0; EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik gemäß Art. 74 Abs. 3 und Art. 75 Abs. 2 der Richtlinie 2013/36/EU und Angaben gemäß Art. 450 der VO (EU) Nr. 575/2013, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22), https://eba.europa.eu/ documents/10180/1504751/EBA-GL-2015-22+GLs+on+Sound+Remuneration+Policies_DE.pdf; ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, v. 22.3.2016 (ESMA/ 2015/1886 DE (rev)), https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015-1886_de.pdf; EBA, Leitlinien für Überwachung und Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft, v. 15.7.2015 (EBA/GL/2015/18), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/1412678/EBA-GL2015-18+Guidelines+on+product+oversight+and+Governance_DE.pdf/ecce784c-1d37-4683-a15ec231f00495af; EBA, Leitlinien zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess – SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/1051392/5d63aad3-5b03-4301b1c9-174e3670ad66/EBA-GL-2014-13%20GL%20on%20Pillar%202%20(SREP)%20-%20DE.pdf; EBA, Leitlinien für harmonisierte Definitionen und Vorlagen für Finanzierungspläne von Kreditinstituten nach ESRB/2012/2, v. 19.6.2014 (EBA/GL/2014/04), https://www.eba.europa.eu/documents/ 10180/898667/EBA_2014_00900000_DE_COR.pdf/2cc05a5a-4cbe-4063-82ab-70856f814dc1; ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Compliance-Funktion, v. 25.6.2012 (ESMA/2012/388), https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/2012-388_de.pdf; EBA, Leitlinien zur Internen Governance (GL 44), v. 27.9.2011, https://www.eba.europa.eu/documents/ 10180/103861/EBA_2012_00210000_DE_COR.pdf; (Abrufdatum jew. 16.5.2020). Verlautbarungen des Committee of European Banking Supervisors (CEBS): CEBS, Guidelines on Stress Testing, v. 26.8.2010 (GL32), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/16094/ST_ Guidelines.pdf; CEBS, Guidelines on Outsourcing, v. 14.12.2006, https://eba.europa.eu/documents/ 10180/104404/GL02OutsourcingGuidelines.pdf.pdf; (Abrufdatum jew. 16.5.2020). Beschlüsse und Verordnungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ ECB): EZB, Verordnung (EU) Nr. 2016/445 der Europäischen Zentralbank v. 14.3.2016 über die Nutzung der im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräume (EZB/2016/4), ABl. (EU) L 78/60 v. 24.3.2016; EZB, Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank v. 16.4.2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus – SSM-Rahmenverordnung (SSM-RahmenVO) (EZB/2014/17), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014. Empfehlungen und Stellungnahmen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ECB): EZB, Mitteilung zu den Erwartungen der Aufsicht an die Deckung von NPE, v. 22.8.2019, https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/letterstobanks/shared/pdf/2019/ssm. supervisory_coverage_expectations_for_NPEs_201908.de.pdf; ECB, Rede v. Sabine Lautenschläger,

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Organisatorische Anforderungen

Towards a more cyber secure financial system: the role of central banks, v. 10.5.2019, https:// www.ecb.europa.eu/press/key/date/2019/html/ecb.sp190510_1~5803aca48c.en.html; ECB, IT and cyber risk – the SSM perspective, v. 13.2.2019, https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/ publications/newsletter/2019/html/ssm.nl190213_4.en.html; ECB, TIBER-EU White Team Guidance: The roles and responsibilities of the White Team in a Threat Intelligence-based Ethical Red Teaming test, v. 12/2018, https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/ecb.tibereu.en.pdf; ECB, Cyber resilience oversight expectations for financial market infrastructures, v. 12/2018, https:// www.ecb.europa.eu/paym/pdf/cons/cyberresilience/Cyber_resilience_oversight_expectations_for_ financial_market_infrastructures.pdf; ECB, Supervisory expectations on booking models, v. 8/2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/banking/relocating/shared/pdf/ssm.supervisoryexpecta tionsbookingmodels_201808.en.pdf; ECB, TIBER-EU Framework: How to implement the European framework for Threat Intelligence-based Ethical Red Teaming, v. 5/2018, https://www.ecb.europa.eu/ pub/pdf/other/ecb.tiber_eu_framework.en.pdf; ECB, Rede v. Danièle Nouy, Good governance for good decisions, v. 22.3.2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/speeches/date/2018/ html/ssm.sp180322_1.en.html; ECB, Rede v. Sabine Lautenschläger, Cyber resiliance – objectives and tools, v. 9.3.2018, https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2018/html/ecb.sp180309_2.en.html; ECB, Letter regarding the ECB guide on fit and proper assessments, v. 26.5.2017, https:// www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.170526letter_balz.pdf?efb0e292e8750de141b8 ec6744108fd3; ECB, IT risk – ECB to roll out cyber incident reporting framework, v. 17.5.2017, https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/publications/newsletter/2017/html/ssm.nl170517_3 .en.html; EZB, Empfehlung v. 4.4.2017 zu einheitlichen Kriterien für die Nutzung einiger im Unionsrecht eröffneter Optionen und Ermessensspielräume durch die nationalen zuständigen Behörden bei weniger bedeutenden Instituten (EZB/2017/10), ABl. (EU) C 120/2 v. 13.4.2017; ECB, Stocktake of IT risk supervision practices, v. 16.11.2016, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ ecb/pub/pdf/it_risk_stocktake201611.en.pdf; EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, v. 3.11.2016, Konsolidierte Fassung, https://www.bankingsupervision .europa.eu/ecb/pub/pdf/ond_guide_consolidated.de.pdf; ECB, SSM supervisory statement on governance and risk appetite, v. 21.6.2016, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ ssm_supervisory_statement_on_governance_and_risk_appetite_201606.en.pdf; ECB, Letter on the reporting of breaches, v. 25.5.2016, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ 160525letter_hayes.en.pdf; EZB, Schreiben v. Danièle Nouy an die Geschäftsleitung bedeutender Banken, Aufsichtliche Erwartungen an den ICAAP und ILAAP sowie harmonisierte Erhebung von ICAAP- und ILAAP-Informationen, v. 8.1.2016, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/ pub/pdf/160108letter_nouy.de.pdf; EZB, Stellungnahme zur Bankenabwicklung, v. 2.9.2015 (CON/ 2015/31), https://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/pdf/de_con_2015_31_f_sign.pdf; (Abrufdatum jew. 16.5.2020). Leitlinien und weitere Verlautbarungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ECB): EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.icaap_guide_201811.de.pdf; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Liquiditätsausstattung (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP), v. 9.11.2018, https:// www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.ilaap_guide_201811.de.pdf; ECB, Guide to internal models, v. 10/2019, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.guideto internalmodels_consolidated_201910~97fd49fb08.en.pdf; EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/ pdf/ssm.osi_guide201809.de.pdf; ECB, TIBER-EU Framework: Services Procurement Guidelines, v. 8/2018, https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/ecb.1808tiber_eu_framework.en.pdf; EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.fap_guide_201705_ rev_201805.de.pdf; EZB, Ergänzung zum EZB-Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten: aufsichtliche Erwartungen an die Risikovorsorge für notleidende Risikopositionen, v. 3/2018, https:// www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.npl_addendum_201803.de.pdf; EZB, Leitlinie (EU) 2017/697 v. 4.4.2017 über die Nutzung der im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräume durch die nationalen zuständigen Behörden bei weniger bedeutenden Instituten, ABl. (EU) L 101/156 v. 13.4.2017; EZB, Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten, v. 3/2017, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/guidance_on_npl.de.pdf; EZB, Mehrjahresplan für die SSM-Leitfäden zum ICAAP und zum ILAAP, Schreiben an die Geschäftsleitung bedeutender Banken, v. 20.2.2017, (inkl. SSM-Leitfaden zum ILAAP/SSM-Leitfaden zum ICAAP), https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/170220letter_nouy.de.pdf?808a0d4dda72b 3ae519b31cadde56913; (Abrufdatum jew. 16.5.2020). Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): BaFin, Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, v. 20.12.2019, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/ DE/Merkblatt/dl_mb_Nachhaltigkeitsrisiken.html; BaFin, Rundschreiben 7/2019 (WA), Mindest-

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

anforderungen an die ordnungsgemäße Erbringung des Depotgeschäfts und den Schutz von Kundenfinanzinstrumenten für Wertpapierdienstleistungen – MaDepot, v. 16.8.2019, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Rundschreiben/dl_rs_072019_MADepot.pdf?__blob=publicationFile &v=3; BaFin, Rundschreiben 6/2019 (BA), Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch, v. 6.8.2019, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rundschreiben/dl_rs_1906_zaer_pdf_ba.pdf?__blob =publicationFile&v=3; BaFin, Digitalisierung – Folgen für Finanzmarkt, Aufsicht und Regulierung (Teil II), BaFin-Perspektiven 1/2019, v. 28.2.2019, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/ DE/BaFinPerspektiven/2019/bp_19-1_digitalisierung.html; BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/ Auslegungsentscheidung/dl_ae_auas_gw_2018.pdf?__blob=publicationFile&v=6; BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, https:// www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_170131_GL_KWG_ZAG_KAGB.pdf? __blob=publicationFile&v=8; BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_170131_AR_KWG_KAGB.pdf?__blob=publicationFile &v=10; BaFin, Protokoll zur Sitzung des Fachgremiums MaRisk am 5.11.2018 in Frankfurt, https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/BankenFinanzdienstleister/Fachgremien/MaRisk/marisk_node .html; BaFin, Merkblatt, Orientierungshilfe zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter, v. 11/2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/BA/dl_181108_orientierungshilfe_zu_ auslagerungen_an_cloud_anbieter_ba.pdf?__blob=publicationFile&v=4; BaFin, Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT Kritischer Infrastrukturen, Anschreiben v. 3.8.2018, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Downloads/DE/Auslegungsentscheidung/dl_ae_kritis.pdf?__blob=publicationFile&v=8; BaFin, Digitalisierungsstrategie, v. 8/2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/dl_ digitalisierungsstrategie.pdf?__blob=publicationFile&v=5; BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/ DE/Anlage/dl_180524_rtf-leitfaden_veroeffentlichung.pdf?__blob=publicationFile&v=3; BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte – Veröffentlichung der Endfassung des aufsichtlichen Leitfadens, Anschreiben v. 24.5.2018 (BA 54-FR 2210-2018/0004), https:// www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Anlage/dl_180524_rtf_leitfaden_anschreiben.pdf?__blob =publicationFile&v=1; BaFin, Rundschreiben 5/2018 (WA), Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten – MaComp, v. 19.4.2018, Stand: 9.5.2018 (WA 31-Wp 2002-2017/0011), https://www.bafin.de/SharedDocs/ Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/2018/rs_18_05_wa3_macomp.html; BaFin, Rundschreiben 6/2018 (BA und WA), Mindestanforderungen an das Beschwerdemanagement, v. 4.5.2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/2018/rs_18_06_beschwerde management_vbs.html; BaFin, Konsultation 5/2018, Entwurf: Auslegungs- und Anwendungshinweise gemäß § 51 Abs. 8 Geldwäschegesetz, v. 15.3.2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/ Veroeffentlichungen/DE/Konsultation/2018/kon_0518_auas_gw.html; BaFin, Checkliste, Erlaubnisverfahren – Zulassung als Kreditinstitut, v. 16.11.2017, https://www.bafin.de/SharedDocs/ Downloads/DE/Formular/BA/dl_170818_checkliste_erlaubnisverfahren_ba.pdf?__blob=publication File&v=6; BaFin, Rundschreiben 10/2017 (BA), Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT – BAIT, v. 6.11.2017, Stand: 14.9.2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rundschreiben/ dl_rs_1710_ba_BAIT.pdf?__blob=publicationFile&v=9; BaFin, Rundschreiben 9/2017 (BA), Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002), https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/2017/rs_1709_marisk_ ba.html; BaFin, Erläuterungen zu den MaRisk i. d. F. v. 27.10.2017 – Erläuterungen MaRisk 2017, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rundschreiben/dl_rs0917_marisk_Endfassung_ 2017_pdf_ba.pdf;jsessionid=CEC59BB265EE23C02070BDB5AE234B68.1_cid381?__blob=publication File&v=5; BaFin, MaRisk-Novelle 2017 – Veröffentlichung der Endfassung, Anschreiben v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002), https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/ Rundschreiben/dl_rs0917_marisk_anschreiben_pdf_ba.pdf?__blob=publicationFile&v=4; BaFin, BaFin Journal 10/2017, S. 8, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/BaFinJournal/2017/ bj_1710.html; BaFin, Konsultation 8/2017, Rundschreiben zur Überwachung und Steuerung von Finanzprodukten im Privatkundengeschäft, v. 21.7.2017, https://www.bafin.de/SharedDocs/ Downloads/DE/Konsultation/2017/dl_kon-0817_RS_Ueberwachung_Steuerung_Finanzprodukte_ Privatkundengeschaeft.pdf?__blob=publicationFile&v=3; BaFin, Jahresbericht 2016, v. 5/2017, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Jahresbericht/dl_jb_2016.html?nn=9142322; BaFin, Konsultation 2/2017, Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT – BAIT, Entwurf v. 23.2.2017, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Konsultation/2017/dl_kon_0217_entwurf_bait_ ba.pdf?__blob=publicationFile&v=1; BaFin, Allgemeinverfügung, Anordnung von Eigenmittelanforderungen für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch, v. 23.12.2016 (BA 55-FR 2232-2016/0001), https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Verfuegung/vf_161223_ allgvfg_zinsaenderungsrisiko.html; BaFin, Richtlinie zur Durchführung und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute durch die Deutsche Bundes-

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

bank – Aufsichtsrichtlinie, v. 21.5.2013, Stand: 19.12.2016, https://www.bafin.de/SharedDocs/ Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Richtlinie/rl_130521_aufsichtsrichtlinie.html; BaFin, Rundschreiben 8/2016 (BA), Obergrenzen für Risikopositionen gegenüber Schattenbanken, v. 2.12.2016, Stand: 14.12.2016 (BA 52-FR 1903-2016/0001), https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/ DE/Rundschreiben/2016/rs_1608_Obergrenze_fuer_Risikopositionen.html; BaFin, Zwischenentwurf des Rundschreibens MaRisk – MaRisk-ZwischenE 2016, v. 23.6.2016; BaFin, Konsultation 2/2016, Entwurf der MaRisk – MaRisk-E 2016, v. 18.2.2016 (BA 54-FR 2210-2016/0008), https:// www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Konsultation/2016/kon_0216_marisk-novelle_ 2016.html; BaFin, Rundschreiben 1/2014 (GW), Verdachtsmeldung nach §§ 11, 14 GwG und anderes, v. 5.3.2014, Stand: 10.11.2014 (GW 1-GW 2001-2008/0003), https://www.bafin.de/SharedDocs/ Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/rs_1401_gw_verwaltungspraxis_vm.html; BaFin, Rundschreiben 10/2012 (BA), Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, v. 14.12.2012 (BA 54-FR 2210-2012/0002), https://www.bundesbank.de/resource/blob/598760/825c3c1518cdc 5fce74f732fc0d05cc4/mL/2012-12-14-rundschreiben-data.pdf; BaFin, Erläuterungen zu den MaRisk i. d. F. v. 14.12.2012 – Erläuterungen MaRisk 2012, https://web.archive.org/web/20140219093449/ http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Aufgaben/Bankenaufsicht/Marisk/2012_12_ 14_erlaeuterungen.pdf?__blob=publicationFile; BaFin, MaRisk – Veröffentlichung der Endfassung, Anschreiben v. 15.12.2010 (BA 54-FR 2210-2010/0003), https://www.bundesbank.de/resource/ blob/598696/1f16bc36e7dfbaac51538c450fe77a02/mL/2010-12-15-marisk-veroeffentlichung-der-end fassung-data.pdf; BaFin, Konsultation 1/2007, Erster Entwurf der überarbeiteten OutsourcingRegelungen, Anschreiben v. 17.4.2007 (BA 17-K 3106-2006/0001), https://www.bundesbank.de/ resource/blob/599002/bbb496d1174655a00483baea7907cce4/mL/2007-04-17-konsultation-ersterentwurf-ueberarbeitete-outsourcing-regelungen-data.pdf; BaFin, Rundschreiben 8/2005 (GW), Implementierung angemessener Risikomanagementsysteme zur Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Betrug, v. 23.3.2005, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/ DE/Rundschreiben/rs_0508_gw_implementierung_risikosysteme.html; (Abrufdatum jew. 16.5.2020). Verlautbarungen der Deutschen Bundesbank (Bundesbank): Bundesbank, Merkblatt über die Erteilung einer Erlaubnis zum Erbringen von Finanzdienstleistungen gemäß § 32 Abs. 1 KWG, v. 6.7.2018, https://www.bundesbank.de/resource/blob/597848/6ffd4623a3f8ba188813284f76113c5b/ mL/merkblatt-ueber-die-erteilung-einer-erlaubnis-zum-erbringen-von-finanzdienstleistungen-data.pdf; Bundesbank, Monatsbericht 10/2017, S. 45, https://www.bundesbank.de/resource/blob/693474/ f6b8252ab171104edb2da3230cb2da0c/mL/2017-10-aufsichtliche-ueberpruefung-data.pdf; Bundesbank, Monatsbericht 3/2013, S. 31, https://www.bundesbank.de/resource/blob/693210/f77c7186a286da 694fde715bce5aebe0/mL/2013-03-risiktragfaehigkeit-data.pdf; Bundesbank/BaFin, Merkblatt über die Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften gemäß § 32 Abs. 1 KWG, v. 31.12.2007, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/BA/dl_080609_bankerlaubnis _ba.pdf?__blob=publicationFile&v=2; (Abrufdatum jew. 16.5.2020). Verlautbarungen der Deutschen Kreditwirtschaft (DK): DK, Stellungnahme zur Umsetzung der ESMA/EBA-Leitlinien zur Beschwerdeabwicklung, Konsultation der BaFin v. 23.6.2017, v. 4.8.2017, https://die-dk.de/media/files/170804_Beschwerdemanagement_BaFin-Konsultation_DK-Stellungnahme _final.pdf; DK, Stellungnahme zur Konsultation des Rundschreibens „Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT – BAIT“ v. 22.3.2017, v. 4.5.2017, https://die-dk.de/media/files/DK-Stellungnahme_ BAIT_20170504.pdf; DK, Comments, EBA Draft Guidelines on internal governance, v. 27.1.2017, https://bankenverband.de/media/files/2017-01-27_DK-Stn_BdB_Leitlinien_Internal_Governance_final _EN.pdf; DK, Stellungnahme zum Entwurf für Konsultation 1/2015, Merkblätter für Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen und für Geschäftsleiter gemäß KWG, ZAG und KAGB (BA 53FR 1903-2013/0003), v. 19.1.2015, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/ Konsultation/2015/kon_0115_merkblaetter-gl-ar_ba_va.html; DK, Auslegungs- und Anwendungshinweise der DK zur Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen strafbaren Handlungen, v. 1.2.2014, https://die-dk.de/media/files/DK-HinweiseStand_Februar2014.pdf; (Abrufdatum jew. 16.5.2020). Weitere Verlautbarungen: Joint Committee of the European Supervisory Authorities, Joint Advice of the European Supervisory Authorities: To the European Commission on the need for legislative improvements relating to ICT risk management requirements in the EU financial sector (JC 2019 26), v. 10.4.2019, https://eba.europa.eu/documents/10180/2551996/JC+2019+26+%28Joint+ESAs+ Advice+on+ICT+legislative+improvements%29.pdf; Joint Committee of the European Supervisory Authorities, Joint Advice of the European Supervisory Authorities: To the European Commission on the costs and benefits of developing a coherent cyber resilience testing framework for significant market participants and infrastructures within the whole EU financial sector (JC 2019 25), v. 10.4.2019, https://eba.europa.eu/documents/10180/2551996/JC+2019+25+%28Joint+ESAs+Advice +on+a+coherent+cyber+resilience+testing+framework%29.pdf; Gemeinsamer Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden, Gemeinsame Leitlinien nach Art. 17 und Art. 18 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2015/849 über vereinfachte und verstärkte Sorgfaltspflichten und die Faktoren, die Kredit- und Finanzinstitute bei der Bewertung des mit einzelnen Geschäftsbeziehungen und gelegentlichen

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

Transaktionen verknüpften Risikos für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung berücksichtigen sollten, Leitlinien zu Risikofaktoren, v. 4.1.2018 (JC 2017 37), https://esas-joint-committee.europa.eu/ Publications/Guidelines/Guidelines%20on%20Risk%20Factors_DE_04-01-2018.pdf; IDW, Feststellung und Beurteilung von Fehlerrisiken und Reaktionen des Abschlussprüfers auf die beurteilten Fehlerrisiken – IDW PS 261 n. F., Stand: 15.9.2017; G20/Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development – OECD), Grundsätze der Corporate Governance, v. 23.12.2015, https://read.oecd-ilibrary.org/governance/ g20-oecd-grundsatze-der-corporate-governance_9789264250130-de#page1; Financial Action Task Force (FATF), Guidance for a risk-based approach – the banking sector, v. 10/2014, http:// www.fatf-gafi.org/media/fatf/documents/reports/Risk-Based-Approach-Banking-Sector.pdf; Gemeinsamer Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden, Leitlinien zur Beschwerdeabwicklung für den Wertpapierhandel (ESMA) und das Bankwesen (EBA), v. 27.5.2014 (JC 2014 43), https:// www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/de_-_jc_2014_43_-_joint_committee_-_ complaints-handling_guidelines.pdf; Financial Action Task Force (FATF), Recommendations, International standards on combating money laundering and the financing of terrorism & proliferation, v. 15.2.2012, Stand: 6/2019, http://www.fatf-gafi.org/media/fatf/documents/recommendations/pdfs/ FATF%20Recommendations%202012.pdf; Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred), Rundschreiben 11/2001 v. 6.12.2001, Auslagerung von Bereichen auf ein anderes Unternehmen gemäß § 25a Abs. 2 KWG (aufgehoben), https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Jahresbericht/ dl_jb_2001_bakred.pdf?__blob=publicationFile&v=2; (Abrufdatum jew. 16.5.2020).

I.

Überblick

1 Um eine zielgerichtete Geschäftstätigkeit und ein Management der mit ihr verbundenen Risiken bestmöglich zu gewährleisten und um ihre Pflichten ungeachtet der Vielfalt und Komplexität der wirtschaftlichen, rechtlichen und sonstigen Rahmenbedingungen zu erfüllen, bedürfen Banken einer effizienten und transparenten Organisation. Diese ist auch wesentlich für eine hinreichende Risikokultur und die Verhinderung von Fehlentwicklungen. Die Geschwindigkeit der Änderung der Rahmenbedingungen in den letzten Jahren führt indes dazu, dass auch die Organisation immer komplexer und an ihre Grenzen getrieben wird. 2 Organisatorische Anforderungen sind vielschichtig und betreffen z. B. die Unternehmensstruktur (Organe, Organisationseinheiten etc.), Prozesse, Verfahren, Dokumentation, Kommunikation, Veröffentlichung, Anzeige- und Meldepflichten, Strategien, Konzepte, Ressourcen oder Vergütung. Gegenstand dieses Beitrags sind nur organisatorische Vorgaben des Bankaufsichtsrechts. Diese ergänzen die jeweiligen rechtsformspezifischen Vorgaben (etwa des Aktien-, GmbH-, SE-, Genossenschafts- oder öffentlichen Rechts und rechtsformübergreifend z. B. des Deutschen Corporate Governance Kodexes – DCGK1)), die genauso wenig dargestellt werden können wie organisatorische Anforderungen anderer Rechtsgebiete einschließlich derjenigen des wertpapier(dienstleistungs)- bzw. produktbezogenen Aufsichtsrechts. Auch eine vollständige oder überblicksartige Behandlung aller organisatorischen Vorgaben des Bankaufsichtsrechts würde aufgrund ihrer Vielzahl und Komplexität den Rahmen dieses Beitrags sprengen.2) Dieser konzentriert sich daher auf die „zentralen Vorgaben“ der §§ 25a bis 25d KWG für Institute (§ 1 Abs. 1b KWG), ___________ 1) 2)

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Deutscher Corporate Governance Kodex – DCGK i. d. F. v. 7.2.2017, http://www.dcgk.de//files/ dcgk/usercontent/de/download/kodex/170424_Kodex.pdf (Abrufdatum: 16.5.2020). Diese Vorgaben lassen sich in vielerlei Hinsicht unterscheiden, etwa als geschäftsmodellunabhängig oder -abhängig, als generell oder nur in spezifischen Situationen anwendbar, als alle oder nur bestimmte Unternehmen, Organe, Organmitglieder oder Funktionsträger betreffend. Letztlich resultiert aus jeder „materiellen“ Pflicht eine Organisationspflicht (erstere mittels angemessener Strukturen und Maßnahmen zu erfüllen). Die Vorgaben werden teilweise in anderen Kapiteln dieses Handbuchs behandelt; vgl. zu den Zulassungsvoraussetzungen § 3 [Binder] und zu Vorgaben im Zusammenhang mit Eigenmitteln § 7 [Riepe/u. a.], Verschuldung § 8 [Periškiü], Liquidität § 9 [Laufenberg], Großkrediten § 10 [Lackhoff/Heinz], Vergütung § 12 [Glasow], Meldepflichten § 13 [Glos], Sanierung und Abwicklung §§ 14 ff., Einlagensicherung § 19 [Biermann/Lütgerath], Trennbankenregelung § 20 [Glasow] und Bankenabgabe § 21 [Wolfers/Voland].

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§ 11

I. Überblick

d. h. für Kreditinstitute (§ 1 Abs. 1 KWG) und Finanzdienstleistungsinstitute (§ 1 Abs. 1a KWG) einschließlich CRR-Institute (§ 1 Abs. 3d Satz 3 KWG). Er bezieht sonstige Anforderungen allenfalls kursorisch ein.3) Auf Vorgaben betreffend Unternehmensgruppen, deren übergeordnete Unternehmen oder Holding-Gesellschaften wird teilweise kurz hingewiesen. Auf Finanzkonglomerate wird nicht eingegangen. Zunächst werden Anforderungen an die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation (siehe Abschn. II, Rz. 7 ff.), an Organe und ihre Mitglieder (siehe Abschn. III, Rz. 147 ff.) und an die Auslagerung (siehe Abschn. IV, Rz. 185 ff.) dargestellt, bevor kurz auf die Prüfung, Überwachung, Eingriffsmaßnahmen und Sanktionen eingegangen wird (siehe Abschn. V, Rz. 228 ff.). Der Beitrag schließt mit einem Ausblick (siehe Abschn. VI, Rz. 238 ff.). Bei der Darstellung der Anforderungen der §§ 25a bis 25d KWG wird der praktischen 3 Bedeutung einschlägiger Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und weiterer Vorgaben ohne Gesetzesrang, dem EU-rechtlichen und internationalen Hintergrund und dem Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) Rechnung getragen. Die §§ 25a ff. KWG beruhen zu einem wesentlichen Teil auf Vorgaben der Capital Requirements Directive – CRD4) (zukünftig i. d. F. der CRD V)5) und weiterer EU-Richtlinien,6) setzen diese aber nicht immer deckungsgleich bzw. teilweise „überschießend“ um. Die BaFin hat wesentliche gesetzliche Anforderungen in Verlautbarungen ausgelegt, insbesondere in den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) und in den zugehörigen Erläuterungen (Erläuterungen MaRisk), die sie jeweils zuletzt in der MaRisk-Novelle 2017 überarbeitet hat.7) Besonders wichtig ist auch die Auslegung der gesetzlichen Anforderungen bzw. die Konkretisierung der Vorgaben der MaRisk in den Bankaufsichtlichen Anforderungen an die IT (BAIT).8) Als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften binden diese Verlautbarungen zwar ___________ 3)

4) 5)

6) 7)

8)

Bei Darstellung der §§ 25a bis 25d KWG bleiben die in § 12 [Glasow] behandelten Vergütungsthemen und die Anwendbarkeit auf die Geschäftstätigkeit ausländischer Unternehmen in Deutschland und deutscher Unternehmen im Ausland (jeweils durch Zweigstellen/-niederlassungen oder grenzüberschreitend) außer Betracht. Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013. Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019. Die CRD V ist grundsätzlich bis zum 29.12.2020 in nationales Recht umzusetzen (teilweise ist eine längere Umsetzungsfrist vorgesehen). So z. B.: Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Markets in Financial Instruments Directive II (MiFID II), ABl. (EU) L 173/349 v. 12.6.2014. BaFin, Rundschreiben 9/2017 (BA), MaRisk, v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002); BaFin, Erläuterungen zu den MaRisk i. d. F. v. 27.10.2017 i. d. F. v. 27.10.2017 – Erläuterungen MaRisk 2017. Bezugnahmen auf den i. R. der MaRisk-Novelle 2017 öffentlich konsultierten Entwurf (BaFin, Konsultation 2/2016, Entwurf der MaRisk – MaRisk-E 2016, v. 18.2.2016 [BA 54-FR 2210-2016/0008]) sowie auf den Zwischenentwurf, der den Marktteilnehmern über die Verbände zur Verfügung gestellt wurde (BaFin, Zwischenentwurf der MaRisk – MaRisk-ZwischenE 2016, v. 23.6.2016) werden entsprechend gekennzeichnet. Die novellierten MaRisk ersetzten mit ihrer Veröffentlichtung am 27.10.2017 die zuvor geltende Fassung (BaFin, Rundschreiben 10/2012 (BA), MaRisk, v. 14.12.2012; BaFin, Erläuterungen zu den MaRisk i. d. F. v. 14.12.2012 – Erläuterungen MaRisk 2012). Hintergründe der MaRisk-Novelle 2017 waren insb. (i) die Umsetzung der Grundsätze des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision – BCBS) für die effektive Aggregation von Risikodaten und die Risikoberichterstattung, v. 9.1.2013 (BCBS 239), (ii) die Nachbesserung der Vorgaben für die Leistungsfähigkeit von IT-Systemen, (iii) die internationalen Diskussionen betreffend die Risikokultur sowie (iv) die Umsetzung von Erfahrungen aus der Aufsichtspraxis, insb. die Anpassung der Anforderungen an Auslagerungen (vgl. BaFin, MaRisk-Novelle 2017 – Veröffentlichung der Endfassung, Anschreiben v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002); BaFin, Jahresbericht 2016, S. 85 f.). BaFin, Rundschreiben 10/2017 (BA), Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT – BAIT, v. 6.11.2017, Stand: 14.9.2018. Vgl. auch den zuvor konsultierten Entwurf: BaFin, Konsultation 2/2017, Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT – BAIT, Entwurf v. 23.2.2017.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

rechtlich allein die BaFin und die Deutsche Bundesbank (Bundesbank)9) (behördenintern und über die auf ihr beruhende Verwaltungspraxis und den Gleichbehandlungsgrundsatz mittelbar auch im Außenverhältnis).10) Allerdings werden sie in der Praxis bereits deswegen eingehalten, weil die Prüfer der Institute sie als Prüfungsmaßstab heranziehen und die BaFin sie ihrer Aufsichtstätigkeit auch i. R. des bankaufsichtlichen Überwachungsprozesses (Supervisory Review and Evaluation Process – SREP) und bei der Entscheidung über Eingriffe und Sanktionen zugrunde legt. Insoweit geben die MaRisk auch einen Marktstandard wieder und kommt ihnen eine faktische Bindungswirkung zu.11) 4 Soweit die Europäische Zentralbank (EZB) i. R. des SSM zuständige Aufsichtsbehörde ist, muss sie, wenn das von ihr anzuwendende EU-Recht aus EU-Richtlinien besteht, das diese Richtlinien umsetzende deutsche Recht anwenden,12) ist jedoch an die Verwaltungspraxis und die Auslegung der BaFin nicht gebunden.13) Von der EZB beaufsichtigte Unternehmen können daher ungeachtet identischer gesetzlicher Vorgaben einem abweichenden Aufsichtsstandard unterliegen,14) der auch daraus resultieren kann, dass die EZB sich eher an (mitgliedstaatsübergreifenden) Maßstäben auf EU-Ebene, z. B. den Vorgaben der Europäischen Bankaufsichtsbehörde (European Banking Authority – EBA), orientiert bzw. diese stärker gewichtet. Allerdings wird sich die Verwaltungspraxis der BaFin und ___________ 9) Die Aufgabenverteilung i. R. des SSM zwischen der EZB und der BaFin als nationaler Aufsichtsbehörde (vgl. § 1 Abs. 5 KWG) richtet sich nach der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013. Die Bundesbank ist gemäß der Aufgabenverteilung und Zusammenarbeit auf deutscher Ebene (§§ 6 ff. KWG) insb. für die laufende Überwachung zuständig (vgl. auch: BaFin, Aufsichtsrichtlinie, v. 21.5.2013, Stand: 19.12.2016). Soweit im Folgenden zur Vereinfachung nur auf die BaFin abgestellt wird, wird damit i. R. ihrer Zuständigkeit auch die Bundesbank bezeichnet. 10) So die ganz h. M., vgl. Binder, ZGR 2015, 667, 691; Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 25a Rz. 8a; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 97; Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 895 ff.; Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rz. 26; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 506; Rose in: Becker/Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, S. 3, 6. Vgl. auch: BaFin, Protokoll zur Sitzung des Fachgremiums MaRisk am 5.11.2018 in Frankfurt, Ziff. 3. Die MaRisk sind also keine normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften, die einen der Verwaltung gewährten Beurteilungsspielraum konkretisieren und nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle zugänglich sind (Schramm, Einseitiges informelles Verwaltungshandeln im Regulierungsrecht, S. 51 ff.; Sedlak, Bankenaufsicht über Geschäftsorganisation, S. 170 ff. (aber krit.); Wundenberg, Compliance, S. 92 ff., der die MaRisk aber als „atypische Verwaltungsvorschrift“ qualifiziert; a. A. wohl: Luz/Neus/Schaber/u. a.-Hellstern, KWG und CRR, § 25a Abs. 1 – 4 KWG Rz. 2, 52). 11) Auch im Hinblick auf potentielle Vorwürfe pflicht- oder sorgfaltswidrigen Handelns bzw. eine potentielle Haftung, werden Adressaten sich an den MaRisk orientieren. Diese Fragen werden in diesem Beitrag nicht behandelt. Zur für die Haftung wichtigen Business-Judgement-Rule, vgl. BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95 (ARAG/Garmenbeck), BGHZ 135, 244, 253 ff. = ZIP 1997, 883; Sieg/Zeidler in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 3. Vgl. zur Anwendbarkeit der Business-Judgement-Rule im Kontext des § 25a KWG: Wundenberg, Compliance, S. 136 ff. 12) Vgl. Art. 4 Abs. 3 SSM-VO. Vgl. zur hier nicht behandelten Frage, ob und inwieweit die EZB nationales Recht anzuwenden hat, das in Ausübung der durch EU-Recht gewährten Wahlrechte oder Umsetzungsspielräume, durch „überschießende“ Umsetzung oder autonom geschaffen wurde: Berger, WM 2016, 2325, 2327, 2331 ff.; Gurlit, WM 2016, 2053, 2056; Kämmerer, WM 2016, 1, 3 f.; Schuster, EuZW-Beilage 2014, S. 3, 8 f. Vgl. auch: Verordnung (EU) Nr. 2016/445 der Europäischen Zentralbank v. 14.3.2016, ABl. (EU) L 78/60 v. 24.3.2016; EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, v. 3.11.2016; EZB, Leitlinie (EU) 2017/697 v. 4.4.2017 über die Nutzung der im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräume durch die nationalen zuständigen Behörden bei weniger bedeutenden Instituten, ABl. (EU) L 101/156 v. 13.4.2017; EZB, Empfehlung v. 4.4.2017 zu einheitlichen Kriterien für die Nutzung einiger im Unionsrecht eröffneter Optionen und Ermessensspielräume durch die nationalen zuständigen Behörden bei weniger bedeutenden Instituten (EZB/2017/10), ABl. (EU) C 120/2 v. 13.4.2017. 13) Vgl. BaFin, Protokoll zur Sitzung des Fachgremiums MaRisk am 5.11.2018 in Frankfurt, Ziff. 2. 14) Vgl. BaFin, Protokoll zur Sitzung des Fachgremiums MaRisk am 5.11.2018 in Frankfurt, Ziff. 4.

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§ 11

I. Überblick

der EZB ggf. sukzessiv angleichen.15) Wesentlich sind ebenfalls die von der EBA bzw. ihrem Vorgänger, dem Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden für das Bankwesen (Committee of European Banking Supervisors – CEBS), veröffentlichten Leitlinien, denen keine durchsetzbare rechtliche, wohl aber eine bedeutsame faktische Bindungswirkung zukommt.16) Wesentlich sind zudem die ebenfalls nicht rechtsverbindlichen Leitfäden der EZB, die nur vorbehaltlich anwendbarer nationaler Vorschriften gelten. Schließlich ist auf die Veröffentlichungen internationaler Gremien bzw. Standardsetzer, etwa des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision – BCBS) und des Rats für Finanzstabilität (Financial Stability Board – FSB),17) sowie die Prüfungsstandards des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW PS) hinzuweisen. Die einzelnen Vorgaben folgen nicht immer der gleichen Systematik und sind nicht im- 5 mer deckungsgleich.18) Sie werden, für sich genommen und im Hinblick aufeinander, fortlaufend weiterentwickelt, so dass die Verpflichteten die (oft parallel laufenden) Gesetzgebungs- bzw. Konsultationsverfahren eng begleiten und Übergangsfristen stets im Blick haben müssen.19) Die einzelnen Vorgaben (z. B. der EBA, EZB oder BaFin) gelten (ungeachtet einer etwaigen Ausstrahlungswirkung) oft nur für bestimmte Institute, etwa (bestimmte) CRR-Institute oder (CRR-)Kreditinstitute.20) Um die Lesbarkeit des Beitrags zu gewährleisten, wird dies nicht immer erwähnt, sondern wird eine Prüfung des Anwendungsbereichs dargestellter Vorgaben jeweils vorausgesetzt. Aus Gründen der Lesbarkeit wird ebenfalls nicht jeweils darauf hingewiesen, dass die Vorgaben der EBA oft nur „Soll“Anforderungen sind und dass die europäischen und internationalen Vorgaben (anders als die Vorgaben des KWG bzw. der BaFin) oft nicht spezifisch an das Geschäftsleitungsbzw. Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan, sondern rechtsformneutral an das Leitungsorgan gerichtet sind (siehe Rz. 148). ___________ 15) Vgl. auch: EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 7 f.; BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 4 f.; BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte – Veröffentlichung der Endfassung des aufsichtlichen Leitfadens, Anschreiben v. 24.5.2018 (BA 54-FR 2210-2018/0004). Von der Ermächtigung, Rechtsverordnungen zum Risikomanagement bzw. zur Auslagerung zu erlassen (§ 25a Abs. 4 bzw. § 25b Abs. 5 KWG), wurde noch kein Gebrauch gemacht. Derartige Rechtsverordnungen würden i. R. der allgemeinen Grundsätze auch die EZB binden; vgl. aber auch: EZB, Stellungnahme zur Bankenabwicklung, v. 2.9.2015 (CON/2015/31), Ziff. 3.1. 16) Vgl. Berger, WM 2016, 2325, 2330; Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 876; Manger-Nestler, Kreditwesen 2012, 38, 39 f.; Weber-Rey/Baltzer in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. Corporate Governance, S. 431, 447 f. Nach Art. 16 VO (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010, müssen Aufsichtsbehörden und Unternehmen grundsätzlich alle erforderlichen Anstrengungen unternehmen, um den Leitlinien nachzukommen bzw. die Behörden, und, soweit vorgesehen, auch die Unternehmen, die Absicht, ihnen nicht nachzukommen, der EBA mitteilen (comply or explain). Vgl. zur Praxis der BaFin: BaFin, Protokoll zur Sitzung des Fachgremiums MaRisk am 5.11.2018 in Frankfurt, Ziff. 2. 17) Vgl. auch: AT 1 Rz. 3 MaRisk 2017. 18) Dies resultiert u. a. daraus, dass §§ 25a ff. KWG auf EU-Richtlinienvorgaben wie auch auf „überschießender“ Richtlinienumsetzung und autonom nationaler Regelung beruhen. §§ 25a ff. KWG werden durch weitere Vorgaben ergänzt oder überlagert, z. B. durch § 80 WpHG oder durch die Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission v. 25.4.2016, ABl. (EU) L 87/1 v. 31.3.2017. 19) Die Aufsichtsbehörden verlangen in der Regel, dass sich Institute bereits während laufender Konsultationen mit den Entwürfen auseinandersetzen. Sie gewähren insoweit teilweise keine (längeren) Umsetzungsfristen. 20) So haben z. B. Finanzdienstleistungsinstitute und Wertpapierhandelsbanken die Anforderungen der MaRisk nach AT 2.1 Rz. 2 MaRisk 2017 (nur) insoweit zu beachten, wie dies vor dem Hintergrund ihrer Größe sowie von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten zur Einhaltung der gesetzlichen Pflichten nach §§ 25a und 25b KWG geboten erscheint.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

6 Die relevanten Begrifflichkeiten werden von Gesetzgebern, Behörden und Standardsetzern sowie in der juristischen Literatur und Praxis nicht einheitlich verwendet und systematisiert und sind naturgemäß auch nicht „trennscharf“. Der Beitrag orientiert sich an ihrer Verwendung in den §§ 25a ff. KWG, wonach die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation insbesondere die in § 25a Abs. 1 und § 25c Abs. 3, 4a und 4b KWG genannten Bestandteile umfasst, insbesondere ein angemessenes und wirksames Risikomanagement, das seinerseits insbesondere aus den in §§ 25a und 25c KWG genannten Elementen besteht (etwa internen Kontrollverfahren mit einem internen Kontrollsystem und einer Internen Revision). II.

Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

1.

Grundlagen

7 Unabhängig von rechtsformspezifischen Vorgaben müssen Institute nach § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verfügen, die die Einhaltung der zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen und der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten gewährleistet. Verantwortlich hierfür sind die Geschäftsleiter (§ 1 Abs. 2 KWG). Diese müssen die erforderlichen Maßnahmen für die Ausarbeitung entsprechender interner Vorgaben ergreifen, sofern nicht das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan entscheidet (§ 25a Abs. 1 Satz 2 KWG). 8 Die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation kann nicht allgemeingültig, abschließend und genau definiert werden. Dies gilt bereits für ihre einzelnen Elemente. Wesentliche Mindestanforderungen zählt § 25a Abs. 1 Satz 3 ff. KWG auf, aber nicht abschließend und eher abstrakt und prinzipienorientiert, d. h. mit vielen qualitativen, erhebliche Auslegungsspielräume eröffnenden Tatbestandsmerkmalen.21) Eine (indirekte) Konkretisierung dieser Vorgaben und weitere Elemente enthält § 25c Abs. 4a und 4b KWG, der wesentliche, überwiegend zuvor in den MaRisk an Institute adressierte Pflichten und Mindeststandards in Gesetzesrang erhebt, die Verantwortung (in Konkretisierung des § 25a Abs. 1 Satz 2 KWG) den Geschäftsleitern zuweist und die Bestrafung von Verstößen gemäß § 54a KWG ermöglicht (siehe zu § 54a KWG Rz. 236).22) Weitere Bestandteile sind § 25c Abs. 3 KWG zu entnehmen. Die an die Geschäftsleiter adressierten Vorgaben in § 25c KWG sind aber, wie die institutsbezogenen Vorgaben in § 25a KWG, nicht abschließend und eher abstrakt.23) Die BaFin legt die Vorgaben zum Risikomanagement und zur Auslagerung aus ihrer Sicht in den MaRisk und in weiteren Verlautbarungen aus. Die MaRisk enthalten zwar konkretere Vorgaben, setzen aber oft ebenfalls keinen zwingenden (Mindest-/Maximal-)Standard.24) Ähnliches gilt für viele Vorgaben auf EU-Ebene.25) ___________ 21) Vgl. Binder, ZGR 2015, 667, 691; Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 25a Rz. 2; GlawischnigQuinke/Schuler in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, 13. Kap., Rz. 23 f.; Sedlak, Bankenaufsicht über Geschäftsorganisation, S. 74, 110, 144 ff. Die Vorgaben gehen aber jedenfalls deutlich über entsprechende rechtsformspezifische Anforderungen hinaus (vgl. z. B.: §§ 76, 91 Abs. 2 AktG). 22) Vgl. Begr. RegE RisikoabschirmungsG, BT-Drucks. 17/12601, S. 43 f. 23) Vgl. Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 143. In § 25c Abs. 4a und 4b KWG werden den Geschäftsleitern grundsätzlich zunächst Pflichten zugewiesen und sodann deren Mindestinhalte vorgegeben. 24) Die MaRisk wollen einen flexiblen, praxisnahen und fortlaufend weiter zu entwickelnden Rahmen für die Ausgestaltung des Risikomanagements schaffen. Während einige Unternehmen über einzelne MaRiskVorgaben hinausgehen müssen, kommen anderen die Öffnungsklauseln der MaRisk zugute, die (etwa von Größe, Geschäft oder Risikosituation abhängige) Anforderungen bzw. Ausnahmen vorsehen (vgl. AT 1 Rz. 1, 3, 5 MaRisk 2017; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 106; Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rz. 35 ff.). Vgl. für die BAIT: Abschn. I Rz. 1 ff. BAIT. Zum Proportionalitäts- bzw. Verhältnismäßigkeitsprinzip allgemein s. Rz. 10. 25) Vgl. neben den in diesem Beitrag behandelten Quellen der EBA und EZB z. B. Artt. 74 ff. CRD; Artt. 21 ff. Delegierte VO (EU) 2017/565; Art. 16 MiFID II.

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Im Rahmen dieser weiten Gestaltungsspielräume müssen die Normadressaten die im 9 Einzelfall sachgerechten und angemessenen Maßnahmen eigenverantwortlich festlegen.26) Auch wenn dieser Regelungsansatz als solcher sicherlich unvermeidbar ist, ist das Ausmaß der den Aufsichtsbehörden i. R. der qualitativen Aufsicht gewährten Spielräume und die oft erst im Dialog mit ihnen zu reduzierende Rechtsunsicherheit der Unternehmen und Geschäftsleiter nicht unproblematisch.27) Dies gilt umso mehr, weil die gesetzlichen Vorgaben, deren Einhaltung durch die Geschäftsorganisation zu gewährleisten ist, divers und ihrerseits nicht immer klar gefasst sind (wie etwa die allgemeinen Grundsätze der Ordnungsmäßigkeit und Redlichkeit des Depot- oder Wertpapiergeschäfts), so dass die Gefahr besteht, dass jeder Sachverhalt mit „Störgefühl“ ggf. zu Unrecht pauschal als Verstoß gegen die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation qualifiziert wird. Umgekehrt ist fraglich, ob und inwieweit die (insbesondere durch Entwicklungen auf EU-Ebene) zunehmende Ergänzung der qualitativ-prinzipienbasierten Elemente durch bzw. um quantitativ-regelbasierte Elemente wirklich sachgerecht und zielführend ist. Die Festlegung einzelfallgerechter Lösungen durch den in der Praxis etablierten Dialog mit den Aufsichtsbehörden hat sich jedenfalls bewährt.28) Die einzelnen Vorgaben sind vor dem Hintergrund und im Spannungsfeld allgemeiner Ziel- 10 setzungen, insbesondere etwa des Schutzes des Bestands des Instituts und seiner Gläubiger, des Schutzes der Kunden, der Sicherung der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte, der Gewährleistung der ordnungsgemäßen Durchführung von Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen, der Vorbeugung von Interessenkonflikten, der Stabilität des Finanzsystems und der Vermeidung erheblicher Nachteile für die Gesamtwirtschaft auszulegen.29) Den Anforderungen liegt jeweils ein am Einzelfall, insbesondere am Proportionalitätsbzw. Verhältnismäßigkeitsprinzip,30) ausgerichteter Ansatz zugrunde, der auch in wertenden Begriffen wie „angemessen“, „wirksam“, „hinreichend“ oder „wesentlich“ zum Aus___________ 26) Glawischnig-Quinke/Schuler in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, 13. Kap., Rz. 23 f. Dabei ist eine wertende Zusammenschau aller Vorgaben erforderlich, da selbst die Aufzählungen in § 25a und § 25c KWG und den MaRisk nicht immer einheitlich sind (vgl. Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 146). 27) Vgl. Binder, ZGR 2015, 667, 691, 702 f.; Binder, ZGR 2013, 760, 764; Sedlak, Bankenaufsicht über Geschäftsorganisation, S. 155 ff. 28) Die Aufsichtsbehörden nutzen insb. auch die Sanierungsplanung (vgl. §§ 12 ff. SAG und unten § 15 [Cichy]) für Einflussnahmen auf die Organisation. 29) Vgl. § 6 Abs. 2 KWG; AT 2 Rz. 1, AT 4.1 Rz. 2 MaRisk 2017; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 32 ff., 94; Gann/Rudolph in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. Corporate Governance, S. 601 ff.; Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rz. 2; Wundenberg, Compliance, S. 28 f. Bei Wertpapier(neben)dienstleistungen liegt ein besonderer Fokus auf dem Schutz der Wertpapierdienstleistungskunden (vgl. AT 2 Rz. 1 MaRisk 2017). 30) Vgl. z. B.: § 25a Abs. 1 Satz 4 KWG; Art. 74 Abs. 2 CRD; AT 1 Rz. 2 f., 5 MaRisk 2017; Abschn. I Rz. 3 BAIT; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 17 ff.; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 20 ff.; EBA, Überarbeitete SREPGuidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 36 ff.; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 18 ff.; EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/GL/2019/04), Guidelines, Rz. 1; EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 10; BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, Rz. 16; Bundesbank, Monatsbericht 10/2017, S. 45 ff. Da sich neben Art und Umfang der Vorgaben auch Art, Umfang und Intensität der aufsichtlichen Prüfung an der Verhältnismäßigkeit zu orientieren haben, wird dies in der Regel als „Prinzip der doppelten Proportionalität“ bezeichnet (vgl. z. B.: Begr. RegE Gesetz zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie, BTDrucks. 16/1335, S. 74; AT 1 Rz. 2 MaRisk 2017; Abschn. I Rz. 3 BAIT; Romeike in: Paetzmann/ Schöning, Corporate Governance, S. 357, 373; Wundenberg, Compliance, S. 85 ff.).

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Organisatorische Anforderungen

druck kommt. Ein One-Approach-/One-Size-fits-all-Ansatz würde der Vielfalt und Heterogenität der Unternehmen, Gruppen und betriebenen Geschäfte nicht gerecht. 11 Der Identifizierung und Beurteilung der gesetzlichen Bestimmungen, deren Einhaltung durch die Geschäftsorganisation zu gewährleisten ist, müssen sich Unternehmen letztlich sowohl „von oben“ (aus einer strategischen bzw. Geschäftsmodellperspektive) wie auch „von unten“ (aus einer Einzelgeschäftsperspektive) nähern. Sie müssen, ggf. mit externer Unterstützung, alle einschlägigen Regelungsgebiete kontinuierlich beleuchten.31) 12 Die Beachtung betriebswirtschaftlicher Notwendigkeiten kann (ungeachtet der fehlenden Trennschärfe der Vorgabe) jedenfalls keinen Verstoß gegen Rechtsnormen rechtfertigen.32) 13 Die organisatorischen Strukturen und Maßnahmen sind ausreichend zu implementieren. Ihre Existenz, Angemessenheit und Einhaltung ist regelmäßig und anlassbezogen zu prüfen. Bei Bedarf sind Anpassungen vorzunehmen. Die Implementierung erfolgt insbesondere durch interne Vorgaben, die Überwachung und Prüfung intern durch prozessabhängige und -unabhängige Maßnahmen und extern durch die Prüfer und Aufsichtsbehörden. 2.

Risikomanagement

14 Jedes Institut ist bei seiner Geschäftstätigkeit verschiedenen Risiken ausgesetzt, etwa Adressenausfall-, Liquiditäts-, Marktpreis- oder operationellen Risiken. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Ziele (siehe Rz. 10) müssen Institute gemäß § 25a Abs. 1 Satz 3 KWG über ein angemessenes und wirksames Risikomanagement verfügen.33) Diese Pflicht, die für ihre Geschäftstätigkeit relevanten Risiken zu ermitteln und zu beurteilen, genügend Kapital zu ihrer Abdeckung vorzuhalten und über ausreichende Strategien sowie Strukturen, Ressourcen und Maßnahmen zur Steuerung, Kontrolle, Überwachung und Kommunikation der relevanten Risiken zu verfügen, wird gesetzlich insbesondere in § 25a Abs. 1 und 3 sowie § 25c Abs. 3, 4a und 4b KWG geregelt.34) 15 Die einzelnen Elemente des Risikomanagements stehen in engen wechselseitigen Beziehungen.35) Unter Einbeziehung der Wechselwirkungen, Abhängigkeiten und Überschneidungen muss jedes Institut eigenverantwortlich beurteilen, dass sein Risikomanagement insgesamt für das Unternehmen bzw. für Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt seiner Geschäftstätigkeit jederzeit wirksam und angemessen ist (vgl. § 25a Abs. 1 Satz 4 ___________ 31) „Gesetzliche Bestimmungen“ i. S. des § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG sind alle einschlägigen Gesetze im materiellen Sinne unabhängig von einem Bezug zum Bank- und Kapitalmarktrecht (vgl. Schwennicke/ Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rz. 45; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 520; Beck/Samm/ Kokemoor-Reppenthien, KWG, § 25a Rz. 46; Wundenberg, Compliance, S. 102 ff.; differenzierend hingegen: Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 39 ff.; Sedlak, Bankenaufsicht über Geschäftsorganisation, S. 113). Das Unternehmen muss die Bestimmungen aus einer Compliance- und aus einer Governance-Perspektive „beleuchten“. Aus Governance-Sicht werden sie in der Praxis teilweise zu einem mehr oder weniger granularen Pflichten(kreis-)Modell verdichtet (vgl. Weber-Rey/Gissing in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 75, 81 f.). 32) Luz/Neus/Schaber/u. a.-Hellstern, KWG und CRR, § 25a Abs. 1 – 4 KWG Rz. 5; Beck/Samm/ Kokemoor-Reppenthien, KWG, § 25a Rz. 55. Den Gesetzesmaterialien (vgl. Begr. RegE FinMRLUmsG, BT-Drucks. 16/4028, S. 95) sind zum Tatbestandsmerkmal keine hinreichenden Anhaltspunkte zu entnehmen. In der Lit. wird teilweise auf die aus der Betriebswirtschaft abgeleiteten Erkenntnisse bzw. auf die IDW PS verwiesen (vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 47; Heim/Peters in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, 14. Kap., Rz. 10 ff.). 33) Das Erfordernis der „Wirksamkeit“ soll der Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 MiFID I-Durchführungsrichtlinie dienen (Begr. RegE FinMRL-UmsG, BT-Drucks. 16/4028, S. 95). Neben dem Kriterium der Angemessenheit kommt ihm aber wohl allenfalls eine Klarstellungsfunktion zu. 34) Besondere Maßstäbe sind in Spezialgesetzen vorgesehen, vgl. z. B.: § 27 PfandBG. 35) Vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 30, 94; Heuter in: Becker/ Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, S. 69, 71 f.; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 508.

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und 5 KWG).36) Für international tätige bedeutende Institute mit komplexer und risikoexponierter Geschäftstätigkeit gelten dabei deutlich umfangreichere Anforderungen als für nur lokal tätige kleine Institute mit beschränkter und risikoarmer Geschäftstätigkeit.37) Gebräuchlich ist das Three-Lines-of-Defence-Modell, nach dem das Risikomanagement durch die operativen Geschäftsbereiche (erste Verteidigungslinie), das interne Kontrollsystem (zweite Verteidigungslinie) und die Interne Revision (dritte Verteidigungslinie) erfolgt.38) Das Risikomanagement muss nicht nur im „Normalbetrieb“, sondern gerade auch dann wirksam sein, wenn sich einzelne oder mehrere Risiken realisieren. a)

Risikotragfähigkeit

Auf Basis ihres Risikomanagements haben Institute die Risikotragfähigkeit laufend sicher- 16 zustellen (§ 25a Abs. 1 Satz 3 KWG). Im Rahmen der von ihnen festgelegten Verfahren, Methoden und Prozesse zur kontinuierlichen Gewährleistung der Angemessenheit des internen Kapitals (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP) müssen sie also laufend sicherstellen, dass sie stets genügend internes Kapital vorhalten, um alle ihre wesentlichen Risiken unter Berücksichtigung von Risikokonzentrationen abzudecken.39) Soweit erforderlich, müssen sie Risiken abbauen oder das zu ihrer Deckung verfügbare interne Kapital (Risikodeckungspotential) erhöhen.40) Jedes Institut muss ein Risikotragfähigkeitskonzept, d. h. für seine spezifische Situation 17 angemessene Verfahren und Methoden zur Ermittlung und Sicherstellung der Risikotragfähigkeit, eigenverantwortlich festlegen, umsetzen und überprüfen.41) Das KWG gewährt grundsätzlich Verfahrens- und Methodenfreiheit.42) Allerdings müssen die Verfahren ___________ 36) Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 136 ff.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 94 ff.; Beck/Samm/KokemoorReppenthien, KWG, § 25a Rz. 199. 37) AT 1 Rz. 3 MaRisk 2017; BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, Rz. 16; Beck/Samm/Kokemoor-Reppenthien, KWG, § 25a Rz. 68. 38) Vgl. nur: BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, Rz. 13, 38 ff.; EBA, Final Report, Guidelines on internal governance under Directive 2013/36/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/11), Background and rationale, Rz. 28 ff.; EBA, Consultation Paper, Draft Guidelines on loan origination and monitoring, v. 19.6.2019 (EBA/CP/2019/04), Rz. 75; Becker in: Becker/ Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, S. 141, 142; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 508; RosnerNiemes in: Becker/Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, S. 189, 196 f. 39) Vgl. AT 1 Rz. 2, AT 4.1 Rz. 1 MaRisk 2017; Bundesbank, Monatsbericht 3/2013, S. 31; Hannemann/ Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 235 f., 312; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Hellstern, KWG und CRR, § 25a Abs. 1 – 4 KWG Rz. 92; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 506; Wundenberg, Compliance, S. 108 f. Da die international gebräuchliche und die deutsche Terminologie nicht immer übereinstimmen, hat die BaFin den ICAAP aus ihrer Sicht abgegrenzt als internen Prozess zur Sicherstellung der Risikotragfähigkeit gemäß § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWG i. V. m. AT 4.1 Rz. 1 MaRisk 2017, der Folgendes umfasst: ein Risikotragfähigkeitskonzept mit einer Risikotragfähigkeitsrechnung und einer Kapitalplanung sowie ergänzende Stresstests und die prozessuale Verknüpfung mit der Festlegung der Strategien einerseits und den Risikosteuerungs- und –controllingprozessen andererseits (vgl. BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 16). 40) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 124. Der Bundesbank sind Risikotragfähigkeitsinformationen gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 KWG i. V. m. der FinaRisikoV einzureichen. Vgl. zu einzufordernden Informationen auch: EBA, Leitlinien zu für SREP erhobene ICAAP- und ILAAP-Informationen, v. 10.2.2017 (EBA/GL/2016/10). 41) Vgl. AT 4.1 Rz. 8 f. MaRisk 2017; Bundesbank, Monatsbericht 3/2013, S. 31, 33; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 4 f., 6 ff., 8 ff.; Gann/Rudolph in: Hopt/ Wohlmannstetter, Hdb. Corporate Governance, S. 601, 611; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 507. 42) Vgl. auch: BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 6; Bundesbank, Monatsbericht 3/2013, S. 31, 33 ff., 41 f.; Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 57, 300, 328; Volk/Wiesemann, ZfgK 2012, 17, 20.

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und Methoden das Ziel „Sicherstellung der Risikotragfähigkeit“ tatsächlich hinreichend gewährleisten und sie dürfen nicht willkürlich oder inkonsistent sein.43) Auch ist bei der Ermittlung von Risiken und Risikodeckungspotential ein vorsichtiger Ansatz zu wählen (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWG)44) und ist § 25c Abs. 4a Nr. 2 KWG zu beachten. 18 Die EZB hat ihre Erwartungen an den ICAAP bedeutender beaufsichtigter Unternehmen (i. S. des Art. 2 Abs. 16 SSM-RahmenVO)45) zuletzt im November 2018 veröffentlicht, gemeinsam mit ihren Erwartungen an den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Liquiditätsausstattung (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP).46) Ihre Grundsätze für den ICAAP47) sieht die EZB als Ausgangsbasis für den aufsichtlichen Dialog und den vom Institut festzulegenden angemessenen ICAAP-Ansatz, den die EZB auf Einzelfallbasis bewertet.48) Nach der EZB kommt dem ICAAP eine Schlüsselrolle bei der Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung und damit (neben dem ILAAP, der Geschäftsstrategie und Wettbewerbssituation) bei der Sicherung des Fortbestands des Instituts zu.49) Der ICAAP soll zwei komplementäre interne Perspektiven vereinen: In der normativen Perspektive soll über mehrere Jahre hinweg die Fähigkeit beurteilt werden, auf mittlere Sicht stets alle regulatorischen und aufsichtlichen Kapitalanforderungen und -vorgaben erfüllen und sonstigen externen finanziellen Zwängen Rechnung tragen zu können. Der solide und aktuelle Kapitalplan des Instituts muss ___________ 43) Vgl. BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 6, 10 f.; Bundesbank, Monatsbericht 3/2013, S. 31, 33; Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 5 zu AT 4.1 Rz. 1 MaRisk 2017. Vgl. auch: EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 4 f., 8 ff., 28, 32, 34. Vgl. auch die Vorgaben der EBA für die SREP-Bewertung des ICAAP- und ILAAP-Rahmens: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 101 ff. 44) Vgl. Begr. RegE Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2012/…/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. …/2012 über die Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen – CRD IV-UmsG, BT-Drucks. 17/10974, S. 85. Die BaFin (BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 10 f.) und die EZB (EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 14, 34 ff.) sprechen auch von einem hinreichend „konservativen“ Ansatz. 45) Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank v. 16.4.2014 – SSM-Rahmenverordnung (SSM-RahmenVO) (EZB/2014/17), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014. 46) Vgl. EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Liquiditätsausstattung (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP), v. 9.11.2018. Zuvor hatte die EZB ihre Anforderungen in folgenden Quellen veröffentlicht: EZB, Mehrjahresplan für die SSM-Leitfäden zum ICAAP und zum ILAAP, Schreiben v. 20.2.2017; EZB, Schreiben v. Danièle Nouy an die Geschäftsleitung bedeutender Banken, Aufsichtliche Erwartungen an den ICAAP und ILAAP sowie harmonisierte Erhebung von ICAAP- und ILAAP-Informationen, v. 8.1.2016. Die beiden neuen Leitfäden werden seit dem 1.1.2019 angewendet. 47) Die sieben Grundsätze sind: (i) Das Leitungsorgan ist für eine solide Governance des ICAAP verantwortlich, (ii) der ICAAP ist integraler Bestandteil des Gesamtsteuerungsrahmens, (iii) der ICAAP trägt wesentlich zum Fortbestand der Institute bei, indem er die Angemessenheit ihrer Kapitalausstattung aus verschiedenen Perspektiven sicherstellt, (iv) alle wesentlichen Risiken werden im ICAAP identifiziert und berücksichtigt, (v) das interne Kapital ist von hoher Qualität und eindeutig definiert, (vi) die Risikoquantifizierungsmethoden im ICAAP sind angemessen, konsistent und werden unabhängig validiert, und (vii) regelmäßige Stresstests sollen die Angemessenheit der Kapitalausstattung unter adversen Bedingungen sicherstellen. 48) EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 4 f. 49) EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 14, 15 f.

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

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mit den Strategien, der Risikobereitschaft und den Kapitalressourcen vereinbar sein; die Basisszenarien und adversen Szenarien sollen einen zukunftsgerichteten Zeithorizont von mindestens drei Jahren abdecken.50) In der ökonomischen Perspektive sollen alle wesentlichen Risiken identifiziert und quantifiziert werden, welche aus ökonomischer Sicht Verluste verursachen und das interne Kapital substantiell verringern können, wobei auf den wirtschaftlichen Wert aller wirtschaftlich relevanten Aspekte (einschließlich Vermögenswerte, Verbindlichkeiten und Risiken) abzustellen ist (und nicht auf Rechnungslegungsvorschriften oder aufsichtliche Anforderungen).51) Beide Perspektiven ergänzen und beeinflussen sich.52) Die EZB stellt spezifische Anforderungen an jede Perspektive53) und macht allgemeine Vorgaben, wie etwa die Vorgaben, dass die Methoden zur Ermittlung von Kapitalbedarf und Kapital miteinander sowie mit der jeweiligen Perspektive übereinstimmen oder dass Institute ihre Methoden der Risikoquantifizierung hinreichend verstehen.54) Die BaFin hat ihre Vorgaben zur Risikotragfähigkeit Mitte 2018 überarbeitet, um den 19 Entwicklungen innerhalb des SSM nachzukommen und die SREP-Vorgaben der EBA zu beachten.55) Die Vorgaben der BaFin gelten nur für Institute, die unmittelbar der deutschen Bankenaufsicht unterstehen.56) Übergeordnetes Ziel des ICAAP ist aus Sicht der BaFin, jederzeit die Risikotragfähigkeit und somit auch das langfristige Fortführen der Unternehmenstätigkeit aus eigener Substanz und Ertragskraft sicherzustellen.57) Die zur Sicherstellung der Risikotragfähigkeit eingesetzten Verfahren müssen das Ziel der Institutsfortführung wie auch den Schutz der Gläubiger vor Verlusten aus ökonomischer Sicht angemessen berücksichtigen.58) Die BaFin fordert ebenfalls, dem Risikotragfähigkeitskonzept eine normative sowie eine ökonomische Perspektive zugrunde zu legen.59) Sie ___________ 50) EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 14, 16 ff. 51) EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 14 f., 20 ff. 52) EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 2, 15, 22 ff. 53) Vgl. EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 16 ff., 20 ff. 54) Vgl. EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 32, 34, 37. 55) BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 4; BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte – Veröffentlichung der Endfassung des aufsichtlichen Leitfadens, Anschreiben v. 24.5.2018 (BA 54-FR 2210-2018/0004). Die BaFin betont dabei die Bedeutung des „für die deutsche Bankenlandschaft so wichtigen Proportionalitätsprinzips“. Vgl. auch: Hofer, BaFin-Fachartikel v. 16.7.2018, S. 1 f. 56) BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 4. Vgl. dazu: Hofer, BaFin-Fachartikel v. 16.7.2018, S. 2. Zur Anwendbarkeit des Leitfadens auf Finanzdienstleistungsinstitute, vgl. BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Fn. 1. 57) BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 15. 58) AT 4.1 Rz. 2 MaRisk 2017; AT 4.1 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017; BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 20. 59) BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 21, 22 ff., 37 ff. Die normative Perspektive dient dem Ziel der Institutsfortführung, die ökonomische Perspektive der langfristigen Sicherung der Substanz des Intituts bzw. dem Gläubigerschutz. Wie die EZB fordert die BaFin in der normativen Perspektive alle regulatorischen und aufsichtlichen sowie darauf basierenden internen Vorgaben zu berücksichtigen und i. R. der ökonomischen Perspektive eine wirtschaftliche Betrachtung basierend auf der Methodik des Instituts, welche Elemente einbezieht, die in der Rechnungslegung und den Eigenmittelanforderungen nicht (angemessen) abgebildet werden.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

sieht die Weiternutzung bestehender „Going-Concern-Ansätze alter Prägung“ allerdings bis auf Weiteres als zulässig an.60) Wie die EZB stellt sie an jede der beiden (eng „verwobenen“ und zu verknüpfenden)61) Perspektiven spezifische Anforderungen62) und macht sie allgemeine Vorgaben z. B. zur Stabilität und Konsistenz der Verfahren und Methoden, zur nachvollziehbaren Begründung von Annahmen oder zur Berücksichtigung externer Daten bzw. Annahmen.63) Sie stellt klar, dass die Aufsicht grundsätzlich i. R. einer Gesamtwürdigung aller Elemente der Risikotragfähigkeitssteuerung im Einzelfall prüft, ob die bankinternen Verfahren und Methoden angemessen sind.64) Über den einjährigen Risikobetrachtungshorizont der Risikotragfähigkeitsrechnung hinausgehend, verlangt sie ebenfalls eine (mindestens jährlich fortzuschreibende) mehrjährige Kapitalplanung für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren, die neben einem Basisszenario (Planszenario) mögliche adverse Entwicklungen berücksichtigt.65) 20 Die BaFin fordert eine mindestens jährliche sowie eine anlassbezogene Prüfung der Angemessenheit der Verfahren und Methoden.66) Auch die EZB verlangt eine derartige Überprüfung.67) ___________ 60) BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 8, Annex; BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte – Veröffentlichung der Endfassung des aufsichtlichen Leitfadens, Anschreiben v. 24.5.2018 (BA 54-FR 2210-2018/0004). Die BaFin betont, dass zwar keine konkreten Umsetzungsfristen für die Anpassung dieser Ansätze bestünden, ihre Zukunft allerdings vor dem Hintergrund der Harmonisierungsbestrebungen im SSM eher beschränkt sei. 61) BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 67. 62) BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 26 ff., 28 ff., 39 ff., 50 ff. 63) Vgl. BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 33, 38, 47, 61, 65; AT 4.1 Rz. 8 f. MaRisk 2017; AT 4.1 Rz. 9 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 136, 140 ff.; Hannemann/ Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 330 f. Wie die EZB verlangt die BaFin, dass das Institut jederzeit einen vollständigen und aktuellen Überblick über seine Methoden und Verfahren zur Risikoquantifizierung hat (AT 4.1 Rz. 9 Erläuterungen MaRisk 2017). 64) BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 11. 65) Vgl. dazu i. E.: BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 17, 23, 31 ff., 50. Vgl. auch: AT 4.1 Rz. 11 MaRisk 2017; AT 4.1 Rz. 11 Erläuterungen MaRisk 2017. 66) AT 4.1 Rz. 9 MaRisk 2017; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 132; Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 333 ff. Die Intensität der Prüfung hängt von der Komplexität der Verfahren und Methoden sowie davon ab, wie konservativ die ermittelten Werte vergleichsweise sind (AT 4.1 Rz. 9 Erläuterungen MaRisk 2017). Ist eine umfassende Validierung erforderlich, muss diese seit der MaRisk-Novelle 2017 angemessen unabhängig von der Methodenentwicklung sein; ihre wesentlichen Ergebnisse sowie etwaige Vorschläge zum Umgang mit bekannten Grenzen und Beschränkungen der Methoden und Verfahren sind der Geschäftsleitung vorzulegen (AT 4.1 Rz. 10 MaRisk 2017). Über die „angemessene Unabhängigkeit“ hinausgehend war nach dem in der MaRisk-Novelle 2017 öffentlich konsultierten Entwurf sogar die „angemessene prozessuale und organisatorische Trennung“ der Validierung erforderlich (AT 4.1 Rz. 10 MaRisk-E 2016). Vgl. dazu auch: Gruber in: Becker/Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, S. 47 ff. 67) Vgl. i. E.: EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 7 f., 38 f. Die EZB fordert eine regelmäßige unabhängige interne Validierung der ICAAP-Risikoquantifizierungsmethoden, wobei sie verschiedene organisatorische Lösungen aufzeigt, um die Unabhängigkeit der Entwicklung und der Validierung der Methoden zu gewährleisten.

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

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Verantwortlich für den ICAAP sind die Geschäftsleiter. Nach § 25c Abs. 4a Nr. 2 KWG 21 haben sie dafür Sorge zu tragen, dass das Institut über Verfahren zur Ermittlung und Sicherstellung der Risikotragfähigkeit verfügt, die den Anforderungen von §§ 25a und 25c KWG genügen. Die BaFin fordert, dass sie die Ausgestaltung des ICAAP einschließlich der wesentlichen Elemente der Risikotragfähigkeitssteuerung und der wesentlichen zugrunde liegenden Annahmen genehmigen.68) Auch die EZB verlangt, dass das Leitungsorgan alle Kernelemente des ICAAP genehmigt und die Gesamtverantwortung für die Umsetzung des ICAAP trägt.69) aa)

Wesentliche Risiken

Ein Institut muss sich regelmäßig und anlassbezogen mittels Risikoinventur einen Über- 22 blick über seine Risiken verschaffen und (unter Berücksichtigung der normativen und der ökonomischen Perspektive) die wesentlichen Risiken ermitteln und definieren (Gesamtrisikoprofil).70) Die Risikoinventur ist durch die Risikocontrolling-Funktion durchzuführen und das Gesamtrisikoprofil der Geschäftsleitung zur Verfügung zu stellen.71) Wesentliche Risiken sind nach § 25c Abs. 4a Nr. 2 KWG Adressenausfall-, Marktpreis-, 23 Liquiditäts- und operationelle Risiken. Diese Aufzählung ist weder abschließend noch zwingend.72) Wesentlich sind (auch) alle (weiteren) Risiken, die die Vermögens-, Ertragsoder Liquiditätslage bzw. die Kapitalausstattung aufgrund der spezifischen Geschäftstä___________ 68) AT 4.1 Rz. 8 MaRisk 2017; BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 14. 69) EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 6 ff., 29. Für die Zuständigkeit der Geschäftsleitungs- oder Aufsichtsfunktion verweist die EZB auf die Governance des Instituts gemäß den nationalen Vorschriften. Die EZB erwartet auch, dass das Leitungsorgan den Governance-Rahmen für den ICAAP genehmigt, jährlich eine Erklärung zu seiner Einschätzung der Angemessenheit der Kapitalausstattung (Capital Adequacy Statement – CAS) vorlegt und entscheidet, welche Risikoarten wesentlich sind und für welche wesentlichen Risiken Kapital vorzuhalten ist. Das Leitungsorgan, die obere Leitungsebene und die zuständigen Ausschüsse sollen den ICAAP effektiv erörtern und hinterfragen. 70) Vgl. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 und § 25c Abs. 4a Nr. 2 lit. a KWG; BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 13, 17; AT 2.2 Rz. 1 f. MaRisk 2017; AT 2.2 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 28 ff., wonach eine mindestens jährliche sowie eine anlassbezogene Prüfung erforderlich ist; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Liquiditätsausstattung (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP), v. 9.11.2018, S. 22 ff. Nach § 25c Abs. 4a Nr. 2 KWG verantworten die Geschäftsleiter die Durchführung der Risikoinventur und die Erstellung des Gesamtrisikoprofils und dass dabei Risikokonzentrationen berücksichtigt und mögliche wesentliche Beeinträchtigungen der Vermögens-, Ertrags- oder Liquiditätslage geprüft werden. Nach § 25c Abs. 3 Nr. 3 KWG müssen sie den Risiken ausreichend Zeit widmen. Anders als der Wortlaut von § 25a KWG unterscheiden § 25c KWG, die MaRisk und die EZB, jeweils a. a. O., ausdrücklich wesentliche und nicht wesentliche Risiken. Letztere müssen nicht in das Risikotragfähigkeitskonzept aber in die Risikoinventur einbezogen werden, schon um die Wesentlichkeit kontinuierlich erneut zu beurteilen (vgl. Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 511 f.). Auch sind für nicht wesentliche Risiken angemessene Vorkehrungen zu treffen, obwohl die MaRisk nicht für sie gelten (AT 2.2 Rz. 1 MaRisk 2017; Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 8 zu AT 2.2 Rz. 1 MaRisk; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 113; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Hellstern, KWG und CRR, § 25a Abs. 1 – 4 KWG Rz. 94). 71) Vgl. AT 2.2 Rz. 1, AT 4.4.1 Rz. 2 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 170, 174, 178 f. 72) Vgl. auch: AT 2.2 Rz. 1 MaRisk 2017; Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 256 f. Es besteht auch kein einheitliches Verständnis dieser Risiken. Darüber hinaus kann die Abgrenzung im Einzelfall auch aufgrund komplexer Wechselwirkungen schwierig sein.

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Organisatorische Anforderungen

tigkeit und des individuellen Risikoprofils wesentlich beeinträchtigen können. Dies können z. B. auch Reputations-, Platzierungs-, Refinanzierungs- oder Zinsänderungsrisiken sein.73) Die EZB hat mögliche wesentliche Risiken (weder abschließend noch verpflichtend) benannt.74) Zunehmend wichtiger werden Nachhaltigkeitsrisken bzw. Environmental, Social and Governance (ESG)-Risiken, die nach Ansicht der BaFin keine eigenständige Risikoart darstellen, sondern als Faktoren auf andere Risikoarten einwirken (und zu deren Wesentlichkeit beitragen können).75) Jedes wesentliche Risiko ist grundsätzlich in das Risikotragfähigkeitskonzept einzubeziehen.76) 24 In der Praxis werden verschiedene Verfahren und Methoden zur Quantifizierung einzelner Risiken verwendet. Diese müssen in der normativen Perspektive den rechtlichen Anforderungen (insbesondere der Capital Requirements Regulation – CRR77), zukünftig i. d. F. der CRR II)78), bzw. der zugehörigen Rechtsakte und sonstigen Quellen) und in beiden Perspektiven den Anforderungen von EBA sowie EZB bzw. BaFin genügen.79) ___________ 73) Vgl. die AT 2.2 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017; Bundesbank, Monatsbericht 3/2013, S. 31, 40; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 136; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 509. 74) Vgl. die nicht vollständig identischen Aufstellungen in: EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 29 f; EZB, Mehrjahresplan für die SSM-Leitfäden zum ICAAP und zum ILAAP, Schreiben v. 20.2.2017, S. 11; EZB, Schreiben v. Danièle Nouy an die Geschäftsleitung bedeutender Banken, Aufsichtliche Erwartungen an den ICAAP und ILAAP sowie harmonisierte Erhebung von ICAAP- und ILAAP-Informationen, v. 8.1.2016, Anh. A, S. 3. Die EZB betont die Verantwortung der Institute, alle für sie wesentlichen Risiken und Risikokonzentrationen zwischen diesen Risiken und innerhalb dieser Risiken zu identifizieren und Risikoarten und Risikounterkategorien zu kombinieren. 75) BaFin, Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, v. 20.12.2019, S. 10 ff.: der Begriff Nachhaltigkeits- bzw. ESG-Risiken erfasst dabei ein Spektrum unterschiedlicher Risiken. Vgl auch: ESMA, Final Report, Technical advice to the European Commission on integrating sustainability risks and factors in MiFID II, v. 30.4.2019 (ESMA35-43-1737). Vgl. auch das Mandat der EBA in Art. 98 Abs. 8 CRD V. 76) Vgl. BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 17, 30; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 28. Nach AT 4.1 Rz. 4 MaRisk 2017 ist die Nichteinbeziehung eines wesentlichen Risikos nur zulässig, wenn es nicht sinnvoll durch Risikodeckungspotential begrenzt werden kann. Die Gründe der Nichteinbeziehung sind zu dokumentieren und das Risiko ist angemessen in den Risikosteuerungs- und -controllingprozessen zu berücksichtigen. Ähnlich: EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 28, 35. 77) Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013. 78) Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. Die CRR II gilt grundsätzlich ab 28.6.2021 (teilweise bereits ab 1.1.2019 bzw. 27.6.2019 bzw. zu späteren Zeitpunkten nach dem 28.6.2021). 79) Vgl. z. B.: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 140 ff., 175, 179; BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 28 ff., 46 ff., 50 ff., Annex A. 3; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 16 ff., 20 ff., 34 ff.; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Liquiditätsausstattung (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP), v. 9.11.2018, S. 26 ff.; BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, Rz. 114. Verfügt ein Institut nicht über Methoden und Verfahren zur Quantifizierung einzelner Risiken (etwa mangels hinreichender Daten oder der Unverhältnismäßigkeit ihrer Entwicklung bzw. Beschaffung), ist ein Risikobetrag mittels Plausibilisierung festzulegen (AT 4.1 Rz. 5 MaRisk 2017; vgl. auch: EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 35).

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

§ 11

Während Risikokonzentrationen berücksichtigt werden müssen,80) dürfen risikomindernde Diversifikationseffekte nur unter bestimmten Voraussetzungen berücksichtigt werden.81) bb)

Risikodeckungspotential

Dem aggregierten Gesamtrisiko ist das (aus normativer und aus ökonomischer Perspektive 25 zu ermittelnde) Risikodeckungspotential gegenüberzustellen, um zu bewerten, ob die Risikotragfähigkeit sichergestellt ist.82) Institute können den (hinreichend „konservativ“ ermittelten) Risiken das gesamte Risikodeckungspotential gegenüberstellen.83) Sie stellen ihnen aber regelmäßig nur einen zur Abdeckung ausreichenden Anteil (Risikobudget bzw. Risikodeckungsmasse) gegenüber, der als Gesamtbankrisikolimit den Rahmen einer detaillierten Limitstruktur bildet.84) Die Risikotragfähigkeit muss laufend sichergestellt sein. Bei der Festlegung der Prüfungs- 26 intervalle sollten die Volatilität der wesentlichen Komponenten der Berechnung von Risiken und Risikodeckungspotential und die Höhe des Risikopuffers (Differenz zwischen Risikodeckungspotential und Risikobudget) bzw. die Auslastung der Limite berücksichtigt werden.85) cc)

Wechselwirkungen

Wie bereits aus dem Wortlaut des § 25a Abs. 1 Satz 3 KWG ersichtlich, ist die Sicherstel- 27 lung der Risikotragfähigkeit wesentliches Element und wesentliches Ergebnis des Risikomanagements und damit eine grundlegende Steuerungsgröße der gesamten Geschäftstä___________ 80) Vgl. AT 2.2 Rz. 1, AT 4.1 Rz. 1, BTR 1 Rz. 6 MaRisk 2017; AT 2.2 Rz. 1 und zu BTR 1 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 109; Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 9 zu AT 4.1 Rz. 1 MaRisk. Risikokonzentrationen treten als Intra- oder Interrisikokonzentrationen oder als Klumpenrisiken auf. Klumpenrisiken stellen bereits aufgrund der Größe einer Risikoposition eine Risikokonzentration dar. Intra-Risikokonzentrationen entstehen durch Gleichlauf von Risikopositionen innerhalb einer Risikoart und Inter-Risikokonzentrationen durch Gleichlauf von Risikopositionen über verschiedene Risikoarten hinweg durch gemeinsame Risikofaktoren oder die Interaktion von Risikofaktoren (AT 2.2 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017). 81) Vgl. AT 4.1 Rz. 6 f. MaRisk 2017; AT 4.1 Rz. 6 Erläuterungen MaRisk 2017; BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 62; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 37 f. Vgl. auch: Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 144 ff.; Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 319 ff.; Luz/ Neus/Schaber/u. a.-Hellstern, KWG und CRR, § 25a Abs. 1 – 4 KWG Rz. 98. 82) Vgl. BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 26 f., 39 ff., Annex A. 2; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 15 ff., 32. 83) BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 18. Vgl. auch: EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 15. 84) Vgl. allgemein: AT 4.2 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017. Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 6 zu AT 4.1 Rz. 1 MaRisk, stellen zu Recht fest, dass die Festlegung dieses Risikopuffers eine wichtige strategische Entscheidung ist, die auch für das Ausmaß der Anforderungen an die Risikosteuerung und -überwachung relevant ist. 85) Vgl. Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 10 zu AT 4.1 Rz. 1 MaRisk; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Hellstern, KWG und CRR, § 25a Abs. 1 – 4 KWG Rz. 93; Schwennicke/ Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rz. 62.

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Organisatorische Anforderungen

tigkeit.86) Die hierfür erforderlichen Prozesse und Verfahren können nur wirksam sein, wenn sie in die interne Unternehmensführung und -steuerung eingebettet sowie mit allen Risikosteuerungs- und -controllingmaßnahmen und sonstigen strategischen und operativen Elementen und Entscheidungen hinreichend verknüpft werden, die eine Wechselwirkung mit der Risikotragfähigkeit haben.87) Eine solche Wechselwirkung besteht z. B. insoweit, als die Erhöhung der in den (aufsichtsrechtlich geforderten) Strategien festgelegten Risikobereitschaft das Risikobudget erhöht oder nicht ausreichendes Risikodeckungspotential ggf. einer risikoreichen Strategie entgegensteht.88) Die EZB fordert insoweit eine solide und wirksame „ICAAP-Gesamtarchitektur“89) sowie einen Rahmen für die Risikobereitschaft (Risk Appetite Framework – RAF), der das Zusammenspiel zwischen diesem Rahmen und anderen strategischen Prozessen wie dem ICAAP, dem ILAAP, dem Sanierungsplan und dem Vergütungssystem formalisiert und ein Grundpfeiler eines soliden Risikound Kapitalmanagements ist.90) b)

Strategien

28 Erforderlich ist auch die Festlegung von Strategien, insbesondere einer Geschäfts- und Risikostrategie, und die Einrichtung von Prozessen zu ihrer Planung, Umsetzung, Beurteilung und Anpassung (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und § 25c Abs. 4a Nr. 1 KWG).91) 29 Die Geschäftsleiter verantworten die Festlegung der Geschäfts- und der Risikostrategie und die Einrichtung des Strategieprozesses und müssen der Festlegung der Strategien ausreichend Zeit widmen (§ 25c Abs. 3 Nr. 3 und Abs. 4a Nr. 1 KWG).92) Die Strategien, er___________ 86) Vgl. Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 301. 87) Vgl. BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 3, 65 ff.; AT 4.1 Rz. 2 MaRisk 2017; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 8 ff., 17; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 101; EBA, Leitlinien zu für SREP erhobene ICAAP- und ILAAP-Informationen, v. 10.2.2017 (EBA/GL/2016/10), Rz. 24; Gann/Rudolph in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. Corporate Governance, S. 601, 608, 618 f. Vgl. zur erforderlichen Konsistenz zwischen ICAAP und Sanierungsplänen: EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 12, 13 f. 88) Vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 126; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 508. 89) EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 10. 90) EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 11, 15; ECB, SSM supervisory statement on governance and risk appetite, v. 21.6.2016, S. 15 ff. Vgl. auch: FSB, Principles for An Effective Risk Appetite Framework, v. 18.11.2013. 91) Der geschäftspolitische Entscheidungsspielraum wird also auch insoweit ordnungsrechtlich begrenzt. Strategien sind wesentlich, weil sie eine zielgerichtete Geschäftstätigkeit und die Planung der zukünftigen und Bewertung der gegenwärtigen Lage ermöglichen, der operativen Steuerung einen Rahmen vorgeben, Wechselwirkungen mit der Risikotragfähigkeit haben und wichtig für die Risikokultur sind (vgl. Gann/Rudolph in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. Corporate Governance, S. 601, 605; Hannemann/ Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 223). 92) § 25c Abs. 4a Nr. 1 KWG legt Mindestinhalte in die Verantwortung der Geschäftsleiter. Nach Ansicht der BaFin und EBA müssen bzw. sollten sie auch für die Umsetzung der Strategien Sorge tragen (vgl. AT 4.2 Rz. 3 MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/11), Rz. 23, 29). Die Verantwortung für die Festlegung und Anpassung der Strategien können sie nicht delegieren (AT 4.2 Rz. 3 MaRisk 2017), aber Fach- oder Kontrollbereiche in die Strategieentwicklung einbeziehen (vgl. Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 1 zu AT 4.2 Rz. 3 MaRisk; Pietzke, CCZ 2010, 45, 48 f.). Vgl. auch: EBA, Consultation Paper, Draft Guidelines on loan origination and monitoring, v. 19.6.2019 (EBA/CP/2019/04), Rz. 21; Vgl. für die IKT-Strategie auch: EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/GL/2019/04), Guidelines, Rz. 4; Abschn. II. 1 Rz. 1 f. BAIT; § 81 WpHG.

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forderliche Anpassungen und die Analyse der Ursachen des Nichterreichens von Zielen, sind dem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan zur Kenntnis zu geben und mit diesem zu erörtern.93) Anders als die Risikostrategie und der Strategieprozess unterliegt der Inhalt der Geschäfts- 30 strategie nicht der Prüfung durch die Interne Revision oder den Prüfer.94) Allerdings ist die Geschäftsstrategie zur Beurteilung der Konsistenz bei der Prüfung der Risikostrategie heranzuziehen.95) Auch muss der Prüfer beurteilen, ob die Strategien auf die nachhaltige Entwicklung ausgerichtet sind (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a KWG und § 11 Abs. 2 Nr. 1 PrüfbV96)). Des Weiteren müssen die Aufsichtsbehörden die Geschäftsstrategie bei der Überprüfung und Beurteilung des Geschäftsmodells i. R. des SREP berücksichtigen (siehe Rz. 231 f.). aa)

Anforderungen

Eine einheitliche Geschäfts- und Risikostrategie ist genauso möglich wie umgekehrt Teil- 31 strategien für einzelne Risiken bzw. Geschäftsaktivitäten festgelegt werden können.97) Separate (oder in die Geschäfts- oder Risikostrategie integrierte) Strategien beziehen sich z. B. auf die Vergütung,98) die Auslagerung, die Kosten, die notleidenden Risikopositionen99), die IT bzw. Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)100) und den Umgang mit Nachhaltigkeits- bzw. ESG-Risiken.101) Der Detaillierungsgrad der Strategien ist insbesondere von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der geplanten Geschäftsakti-

___________ 93) AT 4.2 Rz. 5 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/ GL/2017/11), Rz. 29. Adressat soll grundsätzlich jedes Organmitglied, kann aber auch ein Ausschuss sein (vgl. i. E.: AT 4.2 Rz. 5 Erläuterungen MaRisk 2017). Der Risikoausschuss (s. Rz. 181) bzw. das gesamte Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan bestimmen Art, Umfang, Format und Häufigkeit vorzulegender Informationen (§ 25d Abs. 8 Satz 10 KWG). Das Organ muss der Erörterung der Strategien ausreichend Zeit widmen (§ 25d Abs. 6 Satz 2 KWG). 94) Vgl. Begr. RegE BankenRL-UmsG, BT-Drucks. 16/1335, S. 62; AT 4.2 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 164. Etwas anderes kann sich aber aus rechtsformspezifischen Erfordernissen ergeben (vgl. Reischauer/KleinhansBaudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 7 zu AT 4.2 Rz. 1 MaRisk). 95) AT 4.2 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 165. 96) Verordnung über die Prüfung der Jahresabschlüsse der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute sowie über die darüber zu erstellenden Berichte – Prüfungsberichtsverordnung (PrüfbV), v. 11.6.2015, BGBl. I 2015, 930. 97) AT 4.2 Rz. 2 f. MaRisk 2017; Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 4 zu AT 4.2 Rz. 1 MaRisk 2017. 98) Vgl. zur Ausrichtung der Vergütungsstrategie und -systeme an den Zielen der Geschäfts- und Risikostrategien nur: § 4 Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten – Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV), v. 16.12.2013, BGBl. I 2013, 4270, sowie unten § 12 [Glasow]. 99) EBA, Leitlinien über das Management notleidender und gestundeter Risikopositionen, v. 31.10.2018 (EBA/GL/2018/06), Rz. 22 ff. 100) Vgl. Abschn. II. 1 BAIT (dazu auch: DK, Stellungnahme zur Konsultation des Rundschreibens „Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT – BAIT“ v. 22.3.2017, v. 4.5.2017, S. 3); BaFin, Merkblatt, Orientierungshilfe zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter, v. 11/2018, S. 5; EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/GL/2019/04), Guidelines, Rz. 4, 5 f. Vgl. zu den Vorgaben der EBA für den SREP: EBA, Leitlinien für die IKT-Risikobewertung im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP), v. 11.9.2017 (EBA/GL/2017/05), Rz. 25 ff. 101) BaFin, Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, v. 20.12.2019, S. 19 ff., 22.

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vitäten abhängig, wobei Ziele so zu formulieren sind, dass ihre Erreichung sinnvoll überprüft werden kann.102) 32 Die Geschäftsstrategie muss auf eine nachhaltige Entwicklung gerichtet sein und mindestens das Gesamtziel, die Ziele für jede wesentliche Geschäftsaktivität und die Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele festlegen (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und § 25c Abs. 4a Nr. 1 lit. a KWG). Hinsichtlich der Ziele und Maßnahmen besteht ein weites Ermessen, wobei das Erfordernis der „Nachhaltigkeit“ das Anstreben allein kurzfristiger Erfolge ausschließt.103) Nach den MaRisk müssen die relevanten externen und internen Einflussfaktoren einbezogen, Annahmen zu ihrer zukünftigen Entwicklung getroffen, diese regelmäßig und anlassbezogen überprüft und die Strategie erforderlichenfalls angepasst werden.104) Die Ziele und Maßnahmen sind so konkret zu beschreiben, dass sie plausibel in die operative Planung überführt werden können.105) Nach den MaRisk sind Aussagen zu umfangreichen Auslagerungen und, abhängig von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten, zur zukünftig geplanten Ausgestaltung der IT-Systeme erforderlich.106) Systemrelevante Institute haben zudem Aussagen zur Möglichkeit der Verbesserung von Aggregationskapazitäten für Risikodaten zu treffen.107) 33 Die Risikostrategie muss mit der Geschäftsstrategie konsistent sein und mindestens die Ziele der Risikosteuerung der wesentlichen Geschäftsaktivitäten sowie die Maßnahmen zu ihrer Erreichung umfassen (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und § 25c Abs. 4a Nr. 1 lit. b KWG). Insbesondere ist durch quantitative oder qualitative Vorgaben unter Berücksichtigung von Risikokonzentrationen108) für alle wesentlichen Risiken die Risikobereitschaft („Ri-

___________ 102) AT 4.2 Rz. 3 f. MaRisk 2017; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 153; Klein/Nolte in: Becker/Gruber/Wohlert, Hdb. MaRisk und Basel III, 2. Aufl., 2012, S. 165, 175. 103) Vgl. Bauer/Stegmaier in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 5, 21 ff.; Klein/Nolte in: Becker/Gruber/Wohlert, Hdb. MaRisk und Basel III, 2. Aufl., 2012, S. 165, 173. Nach den Vorgaben der EBA für die Bewertung der Nachhaltigkeit i. R. des SREP (EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 55, 76 f., 78 f.) kommt es darauf an, ob die Strategie aufgrund der strategischen Pläne und finanziellen Prognosen geeignet ist, eine akzeptable Rendite über einen zukunftsgerichteten Zeitraum von mindestens drei Jahren zu erzielen. 104) AT 4.2 Rz. 1 MaRisk 2017; Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 5 zu AT 4.2 Rz. 1 MaRisk; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 161 f.; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Hellstern, KWG und CRR, § 25a Abs. 1 – 4 KWG Rz. 109. Als externe Einflussfaktoren nennen die MaRisk exemplarisch Markt, Wettbewerb und regulatorisches Umfeld, als interne Einflussfaktoren Risikotragfähigkeit, Ertragslage, Liquidität und Ressourcen. Vgl. auch die Vorgaben der EBA für die Geschäftsmodell- bzw. Geschäftsstrategieanalyse i. R. des SREP: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 54 ff. 105) AT 4.2 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017; Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 364 f.; Luz/ Neus/Schaber/u. a.-Hellstern, KWG und CRR, § 25a Abs. 1 – 4 KWG Rz. 109. Allerdings soll die Geschäftsleitung auf der strategischen Ebene bleiben, d. h. nur die Eckpunkte der operativen Planung abstecken und keine operativen Ziele, etwa konkrete Kennziffern, formulieren und qualitative Ziele nicht zwingend „in Zahlen gießen“ (BaFin, MaRisk – Veröffentlichung der Endfassung, Anschreiben v. 15.12.2010 [BA 54-FR 2210-2010/0003]). 106) AT 4.2 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017. Krit.: Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 3a zu AT 4.2 Rz. 1 MaRisk. 107) AT 4.2 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. BCBS, Grundsätze für die effektive Aggregation von Risikodaten und die Risikoberichterstattung (BCBS 239), v. 9.1.2013, Rz. 35. Systemrelevante Institute i. S. der MaRisk sind global systemrelevante Institute nach § 10f KWG und anderweitig systemrelevante Institute nach § 10g KWG (AT 1 Rz. 6 MaRisk 2017). 108) Da Risikokonzentrationen auch mit Blick auf die Ertragssituation zu berücksichtigen sind, muss das Institut seine Erfolgsquellen voneinander abgrenzen und quantifizieren können (AT 4.2 Rz. 2 MaRisk 2017).

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sikoappetit“) festzulegen.109) Erforderlich sind also u. a. grundlegende Vorgaben zur Risikotragfähigkeit, zur Risikoermittlung und -beurteilung (wesentliche Ansätze und Parameter, „Strenge“ der Messung etc.), zur Risikosteuerung (Limitsysteme etc.) sowie zur Risikoüberwachung und -kommunikation (z. B. Berichterstattung, Warn- und Eskalationsmechanismen).110) Wie festgestellt (siehe Rz. 27), fordert die EZB einen formalisierten Rahmen für die Risikobereitschaft. bb)

Strategieprozess

Der Strategieprozess muss sich insbesondere auf die Prozessschritte Planung, Umsetzung, Beurteilung und Anpassung der Strategien erstrecken (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und § 25c Abs. 4a Nr. 1 KWG). Die Strategien und der Strategieprozess sind aus Gründen der Nachvollziehbarkeit, Überprüfbarkeit und Kommunikation schriftlich zu dokumentieren.111) Der Prozess beginnt mit der strategischen Planung, in der die relevanten Einflussfaktoren ermittelt, Annahmen zu ihrer künftigen Entwicklung getroffen sowie die Ziele und Maßnahmen entsprechend der dargelegten Grundsätze (siehe Rz. 32 f.) entwickelt und festgelegt werden.112) Vorbehaltlich spezifischer Vorgaben (siehe z. B. Rz. 18 f.), liegt der Planungshorizont grundsätzlich im Ermessen des Instituts, wobei die Praxis in der Regel zwischen kurz-, mittel- und langfristiger Planung unterscheidet. Die strategische Planung ist mit der entsprechenden Entscheidung der Geschäftsleitung abgeschlossen. Auf diese folgt die Umsetzung der Strategien (Operationalisierung). Wichtig ist dabei insbesondere ihre zeitnahe und angemessene Kommunikation an die Mitarbeiter. Deren Form und Detaillierungsgrad hängen u. a. von Art und Inhalt der Strategie(-änderung), von Art und Aufbau des Instituts und vom Empfängerhorizont ab.113) ___________ 109) AT 4.2 Rz. 2 MaRisk 2017; AT 4.2 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 14, 138, 170; EBA, Überarbeitete SREPGuidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 99 f.; ECB, SSM supervisory statement on governance and risk appetite, v. 21.6.2016, S. 15 ff.; BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, Rz. 35 f.; Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 2 zu AT 4.2 Rz. 2 MaRisk; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Hellstern, KWG und CRR, § 25a Abs. 1 – 4 KWG Rz. 110. In Anlehnung an die englische Terminologie verwenden die MaRisk den Begriff „Risikoappetit“; in diesem Beitrag wird insoweit von „Risikobereitschaft“ gesprochen. Dem Zusammenspiel von Geschäfts- und Risikostrategie sollte sich das Chance-Risikoverhältnis hinreichend entnehmen lassen (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 170). 110) Vgl. die AT 4.2 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 138; ECB, SSM supervisory statement on governance and risk appetite, v. 21.6.2016, S. 16 f.; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 100; Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 2 zu AT 4.2 Rz. 2 MaRisk; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 170; Glawischnig-Quinke/ Schuler in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, 13. Kap., Rz. 62. Die Risikostrategie soll aber wie die Geschäftsstrategie nur den übergeordneten Rahmen setzen und keine allzu detaillierten Vorgaben enthalten (vgl. Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 376; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 510). 111) Vgl. AT 6 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/ 2018/03), Rz. 100; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 151, 154. 112) Die strategische Analyse (Ermittlung der Einflussfaktoren und Treffen von Annahmen zu ihrer Entwicklung) ist entweder Teil des Prozessschritts „strategische Planung“ oder vorgelagert (vgl. Reischauer/ Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 3 zu AT 4.2 Rz. 4 MaRisk). 113) Vgl. AT 4.2 Rz. 6 MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/11), Rz. 214 f.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 157, 160; Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 391 f., 397 ff.; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Hellstern, KWG und CRR, § 25a Abs. 1 – 4 KWG Rz. 111. Soweit dies ausreichend ist, können Mitarbeitern nur die für sie bedeutsamen Strategieauszüge bekannt gemacht werden (Reischauer/Kleinhans-Baudisch/ Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 1 zu AT 4.2 Rz. 6 MaRisk; Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rz. 58). „Umgekehrte“ Kommunikationswege ermöglichen der Geschäftsleitung die Kenntnisnahme von Schwierigkeiten bzw. Anpassungsbedarf.

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38 Mittels Zielabweichungsanalyse sind die Zielerreichung (bzw. ihr Grad) und die Ursachen etwaiger Abweichungen zu analysieren und bewerten.114) 39 Die (regelmäßig und anlassbezogen zu prüfende) Notwendigkeit der Anpassung von Strategien kann sich aus der Zielabweichungsanalyse oder daraus ergeben, dass sich Geschäftsaktivitäten oder relevante Einflussfaktoren oder Annahmen ändern bzw. dass diese nicht (mehr) sachgerecht oder zutreffend sind.115) Anpassungen der Strategien sind ebenfalls zu dokumentieren und innerhalb des Instituts in geeigneter Weise zu kommunizieren.116) c)

Interne Kontrollverfahren

40 Gemäß § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 und § 25c Abs. 4a Nr. 3 KWG erfordert das Risikomanagement interne Kontrollverfahren mit einem internen Kontrollsystem und einer Internen Revision.117) Nach den nicht vollständig einheitlichen Aufzählungen in §§ 25a und 25c KWG beinhaltet das interne Kontrollsystem insbesondere x

aufbau- und ablauforganisatorische Regelungen mit klarer Abgrenzung der Verantwortungsbereiche, klarer Definition wesentlicher Prozesse und damit verbundener Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten, Kontrollen und Kommunikationswege sowie Trennung bestimmter Tätigkeiten, Bereiche und Funktionen,

x

Prozesse zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung, Überwachung und Kommunikation der Risiken,

x

eine Risikocontrolling- und eine Compliance-Funktion,

x

Berichte über die Risikosituation an die Geschäftsleitung und von der Geschäftsleitung an das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan118) sowie

x

regelmäßige angemessene Stresstests für die wesentlichen Risiken und das Gesamtrisikoprofil und eine darauf basierende Prüfung möglichen Handlungsbedarfs.119)

aa)

Aufbau- und Ablauforganisation

41 Durch aufbau- und ablauforganisatorische Regelungen, die die Risikosteuerungs- und Risikocontrollingprozesse (siehe Rz. 52 ff.) hinreichend berücksichtigen müssen und stets ___________ 114) AT 4.2 Rz. 4 MaRisk 2017. 115) Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 3 zu AT 4.2 Rz. 4; Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 156. 116) AT 4.2 Rz. 6, AT 6 MaRisk 2017. 117) Vgl. zu den Zielsetzungen: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/11), Rz. 126 ff. 118) Diese nach § 25c Abs. 4a Nr. 3 lit. d KWG erforderlichen Berichte über die Risikosituation müssen eine Beurteilung der Risiken beinhalten und in angemessenen Abständen, mindestens aber vierteljährlich erfolgen. Ebenso muss die Interne Revision nach § 25c Abs. 4a Nr. 3 lit. g KWG an die Geschäftsleitung und das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan berichten. 119) Die Begrifflichkeiten des KWG sind nicht vollkommen identisch mit denen des IDW PS 261. Nach dem IDW PS 261 Rz. 19 f. bezeichnet das interne Kontrollsystem die vom Management eingeführten Grundsätze, Verfahren und Maßnahmen (Regelungen), die gerichtet sind auf die organisatorische Umsetzung der Entscheidungen des Managements (i) zur Sicherung der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftstätigkeit (einschließlich des Schutzes des Vermögens und der Verhinderung und Aufdeckung von Vermögensschädigungen), (ii) zur Ordnungsmäßigkeit und Verlässlichkeit der internen und externen Rechnungslegung sowie (iii) zur Einhaltung der für das Unternehmen maßgeblichen rechtlichen Vorschriften. Das interne Kontrollsystem beinhaltet danach Regelungen (i) zur Steuerung der Unternehmensaktivität (internes Steuerungssystem) und (ii) zur Überwachung ihrer Einhaltung (internes Überwachungssystem), wobei letztere Regelungen prozessintegrierte Maßnahmen (organisatorische Sicherungsmaßnahmen und Kontrollen) und prozessunabhängige Maßnahmen insb. der Internen Revision (aber z. B. auch High-Level-Controls durch oder im Auftrag der Geschäftsleiter) erfasst.

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im Kontext des gesamten Risikomanagementsystems zu betrachten sind, sind die Geschäftsaktivitäten angemessen zu steuern und zu überwachen.120) Die Regelungen müssen schriftlich dokumentiert, den Mitarbeitern hinreichend bekannt und für Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten angemessen sein (siehe Rz. 115 ff.). Prozesse und damit verbundene Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten, Kontrol- 42 len und Kommunikationswege (einschließlich Schnittstellen zu wesentlichen Auslagerungen) sind klar zu definieren und aufeinander abzustimmen, wobei Berechtigungen und Kompetenzen nach dem „Sparsamkeitsgrundsatz“ zu vergeben, regelmäßig und anlassbezogen innerhalb angemessener Fristen zu überprüfen und bei Bedarf zeitnah anzupassen sind.121) Grundlegend zur Vermeidung von Interessenkonflikten und Fehlern sind der Grundsatz der Funktionstrennung und das Vier-Augen-Prinzip. Danach sind bestimmte Bereiche und Funktionen auf getrennte, voneinander unabhängige organisatorische Einheiten zu verteilen (organisatorische Trennung), miteinander unvereinbare Tätigkeiten verschiedenen Personen zu übertragen (funktionale Trennung) und grundsätzlich mehrere Personen in einen Geschäftsvorfall einzuschalten.122) Die Standardisierung und Automatisierung der Geschäftsvorfälle ist oft ein geeignetes 43 Mittel, um Fehlerrisiken zu reduzieren und die Steuerung und Überwachung bestmöglich zu gewährleisten. Die angemessene Steuerung und Überwachung erfordert aber jedenfalls die sofortige, vollständige und richtige Erfassung aller Geschäftsvorfälle (siehe auch Rz. 124).123) Die Einhaltung der aufbau- und ablauforganisatorischen Regelungen ist durch geeignete 44 Kontrollen laufend sicherzustellen. Wie diese Kontrollen durchzuführen sind (z. B. vor-, gleich- oder nachgelagert, manuell oder IT-gestützt, für alle Geschäftsvorfälle oder als Stichprobe, zur Plausibilisierung oder als vollumfängliche Prüfung), ist anhand des Pro___________ 120) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 372 ff. Vgl. allgemein AT 4.3.1 Rz. 1 f. MaRisk 2017 und spezifisch für die IT-Aufbau- und Ablauforganisation insb. Abschn. II. 2 Rz. 3 f., Abschn. II. 3 Rz. 8 BAIT. S. zu den verbundenen Vorgaben für Grundsätze ordnungsgemäßer Geschäftsführung und für eine angemessene und transparente Unternehmensstruktur unten Rz. 113 f. 121) Vgl. dazu i. E.: AT 4.3.1 Rz. 2, AT 7.2 Rz. 2 MaRisk 2017; AT 4.3.1 Rz. 2 und AT 7.2 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017; Abschn. II. 5 BAIT; EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/GL/2019/04), Guidelines, Rz. 19 f. 122) Der Grundsatz der Funktionstrennung kommt u. a. in § 25c Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4a Nr. 3 lit. a und b KWG, AT 4.3.1 Rz. 1, BTO Rz. 9 MaRisk 2017 und EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 67, 158, 133, und das Vier-Augen-Prinzip kommt u. a. in § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KWG, BTO 1.2.3 Rz. 1 MaRisk 2017 und EBA, Final Report, Guidelines on internal governance under Directive 2013/36/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/11), Accompanying Documents, S. 78 f., zum Ausdruck. Vgl. für Handelstische auch Art. 104b CRR, der durch die CRR II eingefügt wurde. Vgl. spezifisch für die IT: Abschn. II. 2 Rz. 6 und II. 5 Rz. 24 BAIT. Auch Arbeitsplatzwechsel unterliegen Beschränkungen: Die MaRisk stellen klar, dass beim Wechsel von den Bereichen „Markt“ oder „Handel“ in nachgelagerte oder Kontrollbereiche bzw. -funktionen angemessene Karenzzeiten für Tätigkeiten einzuhalten sind, mit denen gegen das Verbot der Selbstprüfung verstoßen würde, wobei kleine, weniger komplexe Institute ggf. alternative angemessene Kontrollmechanismen einrichten können, wenn der Betriebsablauf durch die Karenzzeiten unverhältnismäßig verzögert würde (AT 4.3.1 Rz. 1 MaRisk 2017; AT 4.3.1 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017). Die Funktionstrennung beinhaltet bzw. wird ergänzt um Vertraulichkeitsbereiche zur Vermeidung von Interessenkonflikten, Marktmissbrauch etc. (etwa gemäß den Anforderungen des WpHG, der BaFin, Rundschreiben 5/2018 (WA), MaComp, v. 19.4.2018, Stand: 9.5.2018 (WA 31-Wp 2002-2017/0011), oder gemäß der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 – Market Abuse Regulation (MAR), ABl. (EU) L 173/1 v. 12.6.2014). Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit und Proportionalität können bestimmte Begrenzungen rechtfertigen: Je nach Institut oder Geschäftsvorgang kann z. B. eine Person einen Geschäftsvorgang alleine bearbeiten, soweit keine unvereinbaren Tätigkeiten ausgeführt werden und die Kontrolldichte proportional mit dem Ausmaß der wahrgenommenen Aufgaben zunimmt (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 391). 123) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 410 f.

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portionalitätsprinzips (insbesondere im Hinblick auf Art und Höhe des Risikos) zu bestimmen.124) 45 Über diese allgemeinen Anforderungen hinaus enthalten § 25c Abs. 4a Nr. 3 lit. b KWG und die MaRisk besondere Vorgaben für das Kredit- und Handelsgeschäft.125) Diese nachstehend dargelegten Vorgaben gelten nur vorbehaltlich bzw. unter Berücksichtigung spezifischer gesetzlicher oder sonstiger Vorgaben, die hier nicht dargestellt werden können.126) Dies gilt auch für die konsultierten Vorgaben der EBA für das Kreditgeschäft127) bzw. die Vorgaben der EBA für das Management notleidender und gestundeter Risikopositionen.128) 46 In der Aufbauorganisation sind nach dem Grundsatz der Funktionstrennung die Bereiche „Markt“ und „Handel“ grundsätzlich bis einschließlich der Geschäftsleitung strikt vom Bereich „Marktfolge“, der Risikocontrolling-Funktion, den Funktionen zur Abwicklung und Kontrolle der Handelsgeschäfte und bestimmten weiteren Bereichen oder Funktionen des Kreditgeschäfts zu trennen.129) Entsprechend sind Funktionen des Marktpreisrisikocontrollings von Bereichen mit Positionsverantwortung (z. B. Handel oder Treasury) zu trennen.130) Diese aufbauorganisatorische Trennung erfordert auch im Vertretungsfall eine fachliche und disziplinarische Trennung der Verantwortlichkeiten bis zur Ebene der Geschäftsleitung, die bei IT-gestützter Bearbeitung durch entsprechende Verfahren und Schutzmaßnahmen sicherzustellen ist.131) Insbesondere aus Gründen der Verhältnismäßig-

___________ 124) Vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 410, 414 f. Die Funktionsfähigkeit der Kontrollen ist durch prozessunabhängige Überwachungsmaßnahmen sicherzustellen. 125) Die Abgrenzung von Kredit- und Handelsgeschäft nach AT 2.3 MaRisk 2017 ist nicht immer trennscharf (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 442). Größe, Geschäftsschwerpunkt oder Risikosituation können eine vereinfachte Umsetzung der relevanten MaRisk-Vorgaben zulassen (vgl. BTO Rz. 1 MaRisk 2017). 126) Neben den diversen Vorgaben in der CRR sehen z. B. § 18 und § 18a KWG Anforderungen für Kredite ab einem bestimmtem Volumen und an (Immobilien-)Verbraucherkredite oder § 13 Abs. 2 und § 15 Abs. 1 KWG Vorgaben für Groß- und Organkredite vor. Vorgaben für das Handelsgeschäft machen z. B. die CRR, das WpHG, die MAR, die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.7.2012 – European Market Infrastructure Regulation (EMiR), ABl. (EU) L 201/1 v. 27.7.2012, oder die Delegierte Verordnung (EU) 2017/589 der Kommission v. 19.7.2016 – Organisatorische Anforderungen bei Betreiben algorithmischen Handels, ABl. (EU) L 87/417 v. 31.3.2017. Rechtsformspezifische Regelungen bzw. Unternehmensstatuten können ebenfalls Vorgaben enthalten (etwa zu Organkrediten). 127) EBA, Consultation Paper, Draft Guidelines on loan origination and monitoring, v. 19.6.2019 (EBA/ CP/2019/04). 128) EBA, Leitlinien über das Management notleidender und gestundeter Risikopositionen, v. 31.10.2018 (EBA/GL/2018/06). 129) Vgl. § 25c Abs. 4a Nr. 3 lit. b KWG; BTO Rz. 2, 3 MaRisk 2017; BTO Rz. 3 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. auch: Rosner-Niemes in: Becker/Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, S. 189, 198 f. Der Bereich Markt initiiert Kreditgeschäfte und hat ein Votum bei Kreditentscheidungen. Der Bereich Marktfolge hat ein zweites Votum bei Kreditentscheidungen. Der Bereich Handel ist für den Abschluss und die unverzügliche und vollständige Erfassung der Handelsgeschäfte verantwortlich. Die Risikocontrolling-Funktion überwacht und kommuniziert die Risiken (s. Rz. 64). Die „Handelsabwicklung“ fertigt Abrechnungen aus den Abschlussdaten der Handelsgeschäfte aus. Die „Handelskontrolle“ prüft, ob die gesammelten Daten vollständig und richtig sind. Zu den weiteren relevanten Bereichen bzw. Funktionen des Kreditgeschäfts, vgl. die Verweise in BTO Rz. 3 MaRisk 2017. 130) BTO Rz. 4 MaRisk 2017. 131) BTO Rz. 5, 9 MaRisk 2017; BTO Rz. 3 Erläuterungen MaRisk 2017. Der für das Risikocontrolling zuständige Geschäftsleiter darf aber Mitglied eines von der Geschäftsleitung mit der Risikosteuerung betrauten Ausschusses sein (BTO Rz. 6 MaRisk 2017). Die Vertretung kann grundsätzlich auch von einem geeigneten Mitarbeiter unterhalb der Ebene der Geschäftsleitung wahrgenommen werden (BTO Rz. 5 MaRisk 2017).

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keit werden aber bestimmte Ausnahmen bzw. Einschränkungen anerkannt.132) Über die strikte Funktionstrennung bis zur Ebene der Geschäftsleitung hinaus sind auch bestimmte von den Bereichen Markt und Handel unabhängige (ggf. aber innerhalb der jeweiligen Geschäftsleiterlinie angesiedelte) Stellen einzurichten, etwa das Rechnungswesen oder die Stelle zur Überprüfung wesentlicher Rechtsrisiken.133) Nach den Vorgaben für die Votierung erfordert eine Kreditentscheidung grundsätzlich 47 zustimmende Voten der Bereiche Markt und Marktfolge; insbesondere bei nicht-risikorelevantem oder bei durch Dritte initiiertem Geschäft ist aber ggf. ein Votum ausreichend.134) Das Unternehmen muss eine klare und konsistente Kompetenzordnung für Entscheidungen im Kreditgeschäft festlegen, einschließlich Regeln für den Fall abweichender Voten.135) Bei Handelsgeschäften sind Kontrahenten- und Emittentenlimite durch ein Votum des Bereichs Marktfolge festzulegen.136) Die festzulegenden Prozesse im Kreditgeschäft müssen die Kreditbearbeitung (Kredit- 48 gewährung und -weiterbearbeitung), die Kreditbearbeitungskontrolle, die Intensivbetreuung, die Problemkreditbearbeitung und die Risikovorsorge umfassen.137) Die Bearbeitungsgrundsätze sind, soweit erforderlich, in geeigneter Weise zu differenzieren.138) Festzulegen sind auch (i) akzeptierte Arten von Sicherheiten und Verfahren betreffend ihre Wertermittlung, Verwaltung und Verwertung, (ii) Verfahren zur Behandlung von Limitüberschreitungen sowie (iii) Verfahren für die Einreichung und Auswertung der Kreditunterlagen.139) Verträge sind auf Grundlage rechtlich geprüfter Unterlagen abzuschließen und zwar soweit möglich und zweckmäßig mittels angemessener, standardisierter Kreditvorlagen bzw. Standardtexte.140) Im Rahmen der Kreditgewährung sind die für die Risikobeurteilung wichtigen Faktoren 49 zu analysieren und bewerten.141) Im Rahmen der Kreditweiterbearbeitung sind die Einhaltung der Pflichten durch den Kreditnehmer sowie die Risiken und Sicherheiten regelmäßig und anlassbezogen angemessen zu prüfen.142) Durch prozessabhängige Kontrollen ___________ 132) Dies gilt etwa für kleine Institute, für nicht-risikorelevante oder sehr geringe Handelsaktivitäten, für die Kreditvergabe an Mitarbeiter, für die Entwicklung der Kreditprozesse und für die Weiterleitung von Kundenaufträgen an den Handel (vgl. z. B.: BTO 1.1 Rz. 1, BTO 2.1 Rz. 2 MaRisk 2017; BTO 1.1 Rz. 1, zu BTO 1.2 Rz. 1 sowie zu BTO 2.1 Rz. 1 und 2 Erläuterungen MaRisk 2017). 133) BTO Rz. 7 f. MaRisk 2017; BTO Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017. Bei „handelsintensiven“ Instituten sollte das Rechnungswesen aber bis zur Ebene der Geschäftsleitung vom Handel getrennt werden (BTO Rz. 7 Erläuterungen MaRisk 2017). 134) Vgl. BTO 1.1 Rz. 2, 4 MaRisk 2017. Vgl. zu den Anforderungen an die Votierung: BTO 1.1 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. zum Begriff der Kreditentscheidung: AT 2.3 Rz. 2 MaRisk 2017; AT 2.3 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017. Risiko- und nicht-risikorelevantes Geschäft muss das Institut eigenverantwortlich abgrenzen; nicht-risikorelevant dürfte regelmäßig das standardisierte Mengengeschäft sein (vgl. i. E.: BTO 1.1 Rz. 4 Erläuterungen MaRisk 2017; krit.: Luz/Neus/Schaber/u. a.Hellstern, KWG und CRR, § 25a Abs. 1 – 4 KWG Rz. 199). Vgl. zur Krediteinzelkompetenz der Geschäftsleiter: BTO 1.1 Rz. 5 MaRisk 2017; BTO 1.1 Rz. 5 Erläuterungen MaRisk 2017. 135) BTO 1.1 Rz. 6 MaRisk 2017 sieht insoweit die Ablehnung oder ein Eskalationsverfahren vor. 136) BTO 1.1 Rz. 3 MaRisk 2017. 137) BTO 1.2 Rz. 1 MaRisk 2017. Die Entwicklung und Qualität der Prozesse muss außerhalb des Bereichs Markt verantwortet werden (BTO 1.2 Rz. 1 MaRisk 2017; vgl. aber die Ausnahme in der BTO 1.2 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017). Das Institut muss die erforderliche Risikovorsorge auf Basis festgelegter Kriterien unter Beachtung der angewandten Rechnungslegungsnormen zeitnah ermitteln und fortschreiben, wobei erheblicher Risikovorsorgebedarf der Geschäftsleitung unverzüglich mitzuteilen ist (BTO 1.2.6 Rz. 1 f. MaRisk 2017). 138) BTO 1.2 Rz. 2 MaRisk 2017; BT 1.2 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017. 139) Vgl. BTO 1.2 Rz. 2, 8 f. MaRisk 2017. 140) Vgl. BTO 1.2 Rz. 10 ff. MaRisk 2017; BTO 1.2 Rz. 12 Erläuterungen MaRisk 2017. 141) Vgl. dazu i. E.: BTO 1.2.1 Rz. 1 ff. MaRisk 2017. 142) Vgl. dazu i. E.: BTO 1.2.2 Rz. 1 ff. MaRisk 2017; BT 1.2 Rz. 6 Erläuterungen MaRisk 2017.

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(Kreditbearbeitungskontrolle) ist zu gewährleisten, dass die Kreditbearbeitung entsprechend der internen Vorgaben erfolgt.143) Art und Intensität der erstmaligen, turnusmäßigen und anlassbezogenen Prüfung und Beurteilung eines (potentiellen) Engagements (einschließlich der Sicherheiten) richten sich allgemein nach seinem Risikogehalt.144) Um Kreditnehmer, bei deren Engagements sich erhöhte Risiken abzuzeichnen beginnen, rechtzeitig identifizieren und frühzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können, sind Verfahren zur Früherkennung von Risiken festzulegen.145) Es sind Kriterien zu definieren, wann ein Engagement einer gesonderten Beobachtung (Intensivbetreuung) zu unterziehen und wann ein Übergang in die Problemkreditbehandlung bzw. eine Abgabe an die (oder Einschaltung der) auf die Sanierung bzw. Abwicklung spezialisierten Mitarbeiter oder Bereiche geboten ist.146) 50 Bei Abschluss von Handelsgeschäften müssen die Konditionen (einschließlich Nebenabreden) vollständig vereinbart und grundsätzlich marktgerecht sein.147) Soweit möglich und zweckmäßig sind ebenfalls standardisierte Vertragstexte zu verwenden.148) Die rechtliche Durchsetzbarkeit relevanter Verträge (insbesondere der Rahmen- und Nettingvereinbarungen sowie Sicherheitenbestellungen) ist vor ihrem Abschluss durch eine vom Handel unabhängige Stelle zu prüfen.149) Missbrauchsmöglichkeiten sind durch spezifische Maßnahmen zu reduzieren.150) Handelsgeschäfte sind unverzüglich nach Geschäfts___________ 143) Vgl. BTO 1.2.3 MaRisk 2017. Die Kontrollen können auch i. R. des Vier-Augen-Prinzips erfolgen. 144) Vgl. dazu i. E.: BTO 1.2 Rz. 3 ff., BTO 1.2.1 Rz. 1 ff., BTO 1.2.2 Rz. 2 ff., BTO 1.4 Rz. 1 ff. MaRisk 2017; BTO 1.2 Rz. 5 und 6, zu BTO 1.2.1 Rz. 1 und 3 und zu BTO 1.2.2 Rz. 3 Erläuterungen MaRisk 2017. Möglich sind z. B. eine Beurteilung im vereinfachten Verfahren, eine Kreditwürdigkeitsprüfung oder eine Einstufung im Risikoklassifizierungsverfahren. Die einzurichtenden aussagekräftigen Risikoklassifizierungsverfahren müssen angemessen in die Kreditprozesse und ggf. in die Kompetenzordnung eingebunden sein und die nachvollziehbare Einstufung in eine Risikoklasse gewährleisten, soweit aufgrund des Risikogehalts das Risikoklassifizierungsverfahren anzuwenden ist; die Verantwortung für ihre Entwicklung, Qualität und die Überwachung ihrer Anwendung ist außerhalb des Bereichs Markt anzusiedeln und die Konditionen sollten sachlich nachvollziehbar mit der Einstufung zusammenhängen. Darüber hinaus sind Vorgaben für spezifische Finanzierungsformen (z. B. Objekt- und Projektfinanzierungen, Fremdwährungs- oder Immobilien-Verbraucherdarlehen) zu beachten. 145) Vgl. BTO 1.3 MaRisk 2017; BTO 1.3 Rz. 3 Erläuterungen MaRisk 2017. 146) Vgl. dazu sowie allgemein zur Intensivbetreuung und Problemkreditbehandlung: BTO 1.2.4, BTO 1.2.5 MaRisk 2017; BTO 1.2.4 Rz. 1 und zu BTO 1.2.5 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017. Die Entwicklung, Qualität und Überprüfung der Kriterien und die Federführung für den Sanierungs- bzw. den Abwicklungsprozess oder deren Überwachung muss außerhalb des Bereichs Markt verantwortet werden. Intensivbetreute Engagements sind turnusgemäß auf die Fortführung der Intensivbetreuung, die Rückführung in die Normalbetreuung oder die Abgabe an die Sanierung bzw. Abwicklung zu prüfen (BTO 1.2.4 Rz. 2 MaRisk 2017). Vgl. insoweit auch die Anforderungen der EBA: EBA, Leitlinien über das Management notleidender und gestundeter Risikopositionen, v. 31.10.2018 (EBA/GL/2018/06). Vgl. zu den Anforderungen bei „notleidenden Krediten” (Non-performing loans – NPL) auch: EZB, Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten, v. 3/2017; EZB, Ergänzung zum EZB-Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten: aufsichtliche Erwartungen an die Risikovorsorge für notleidende Risikopositionen, v. 3/2018; EZB, Mitteilung zu den Erwartungen der Aufsicht an die Deckung von NPE, v. 22.8.2019. 147) Vgl. BTO 2.2.1 Rz. 1 f. MaRisk 2017. Vgl. zu internen Handelsgeschäften: BTO 2.2.1 Rz. 1 MaRisk 2017; BTO 2.2.1 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. zu Abschlüssen außerhalb der Geschäftsräume: BTO 2.2.1 Rz. 3 MaRisk 2017. 148) BTO 2.2.1 Rz. 1 MaRisk 2017. 149) BTO 2.2.1 Rz. 8 MaRisk 2017. 150) So sollten Geschäftsgespräche der Händler grundsätzlich aufgezeichnet und mindestens drei Monate aufbewahrt werden, dürfen Handelsmitarbeiter nur gemeinsam mit Mitarbeitern eines handelsunabhängigen Bereichs über Zeichnungsberechtigungen für Zahlungsverkehrskonten verfügen und ist sicherzustellen, dass die Positionsverantwortung von Händlern jährlich für einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens zehn Handelstagen an einen anderen Mitarbeiter übertragen wird und während dieses Zeitraums kein Zugriff des abwesenden Händlers auf die von ihm verantwortete Position erfolgt (BTO 2.2.1 Rz. 4, 9 f. MaRisk 2017). Vgl. auch die detaillierten Vorgaben zur Gesprächsaufzeichnung in § 83 WpHG sowie in Artt. 72 ff. Delegierte VO (EU) 2017/565.

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abschluss mit allen maßgeblichen Abschlussdaten zu erfassen, bei der Ermittlung der jeweiligen Position zu berücksichtigen und an die Abwicklung weiterzuleiten.151) Die Handelsabwicklung fertigt die Geschäftsbestätigungen bzw. Abrechnungen aus und führt Abwicklungsaufgaben durch.152) Handelsgeschäfte sind einer laufenden Kontrolle zu unterziehen, wobei Änderungen 51 und Stornierungen außerhalb des Bereichs Handel zu kontrollieren und geeignete Verfahren zur Kontrolle der Marktgerechtigkeit einzurichten sind.153) Im Rahmen der Abwicklung und Kontrolle festgestellte Unstimmigkeiten und Auffälligkeiten sind unter Federführung eines vom Handel unabhängigen Bereichs unverzüglich zu klären; es sind angemessene Eskalationsverfahren für den Fall vorzusehen, dass sie nicht plausibel geklärt werden können.154) Die im Handel ermittelten Positionen sind regelmäßig mit den in den nachgelagerten Prozessen und Funktionen geführten Positionen abzustimmen.155) Handelsgeschäfte einschließlich solcher Nebenabreden, die zu Positionen führen, sind unverzüglich im Risikocontrolling abzubilden.156) bb)

Risikosteuerungs- und -controllingprozesse

Erforderlich sind auch angemessene Prozesse zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung, 52 Überwachung und Kommunikation der Risiken entsprechend der in Artt. 76 ff. CRD niedergelegten Kriterien für die Organisation und Behandlung von Risiken (vgl. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 lit. b und § 25c Abs. 4a Nr. 3 lit. c KWG).157) Die Prozesse sind eng mit dem Risikotragfähigkeitskonzept bzw. ICAAP verknüpft (siehe Rz. 17 ff., 27), bei der Festlegung der aufbau- und ablauforganisatorischen Regelungen zu berücksichtigen (siehe Rz. 41 ff.) und in eine gemeinsame Ertrags- und Risikosteuerung (Gesamtbanksteuerung) einzubinden. Ihre Angemessenheit ist regelmäßig und anlassbezogen zu überprüfen; erforderlichenfalls sind die Prozesse anzupassen.158)

___________ 151) BTO 2.2.1 Rz. 5 MaRisk 2017. Vgl. zu den Abschlussdaten: BTO 2.2.1 Rz. 5 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. zur Erfassung und Weiterleitung: BTO 2.2.1 Rz. 5 f. MaRisk 2017. Vgl. zu Spätgeschäften: BTO 2.2.1 Rz. 7 MaRisk 2017; BTO 2.2.1 Rz. 7 Erläuterungen MaRisk 2017. 152) Vgl. dazu i. E.: BTO 2.2.2 Rz. 1 ff. MaRisk 2017; BTO 2.2.2 Rz. 1 und 2 Erläuterungen MaRisk 2017. 153) Vgl. zur laufenden Kontrolle: BTO 2.2.2 Rz. 4 MaRisk 2017; BTO 2.2.2 Rz. 4 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. zur Marktgerechtigkeitskontrolle: BTO 2.2.2 Rz. 5 MaRisk 2017; BTO 2.2.2 Rz. 5 Erläuterungen MaRisk 2017. Der für die Marktgerechtigkeitskontrolle zuständige Geschäftsleiter ist unverzüglich zu unterrichten, wenn Handelsgeschäfte zu nicht marktgerechten Bedingungen abgeschlossen werden, obwohl die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen (BTO 2.2.2 Rz. 5 MaRisk 2017). 154) BTO 2.2.2 Rz. 6 MaRisk 2017. 155) BTO 2.2.2 Rz. 7 MaRisk 2017. Ggf. sind insoweit Prozesse und Verfahren erforderlich, die eine jederzeitige Verifizierung der Entstehungshistorie von Positionen und Cashflows gewährleisten (BTO 2.2.2 Rz. 7 Erläuterungen MaRisk 2017). 156) BTO 2.2.3 Rz. 1 MaRisk 2017. Dadurch wird aber nicht ausgeschlossen für Zwecke des Risikocontrollings auf Daten des Rechnungswesens zuzugreifen (BTO 2.2.3 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017). 157) Anders als § 25c KWG verweist § 25a KWG auf Artt. 76 ff. CRD. Anders als der Wortlaut von § 25a KWG beziehen sich § 25c KWG und die MaRisk auf die wesentlichen Risiken und damit verbundene Risikokonzentrationen (letztere werden von § 25a KWG über den Verweis auf die CRD IV erfasst). Wie festgestellt (s. Fn. 70), müssen nicht wesentliche Risiken in die Risikoinventur einbezogen werden und sind für sie angemessene Vorkehrungen zu treffen. 158) AT 4.3.2 Rz. 1, 5 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 139. Vgl. zur Berücksichtigung und zur Dokumenation der Berücksichtigung der normativen und ökonomischen Perspektive i. R. der Gesamtbanksteuerung auch: BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 65 ff.

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Organisatorische Anforderungen

53 Durch sorgfältige Risikoidentifizierung und -beurteilung ist zu gewährleisten, dass die wesentlichen Risiken und damit verbundene Risikokonzentrationen (auch aus ausgelagerten Aktivitäten und Prozessen und risikoartenübergreifend) mittels geeigneter Indikatoren frühzeitig und vollständig ermittelt, definiert und angemessen bewertet werden.159) 54 Die Risikosteuerung besteht aus jeweils geeigneten und angemessenen vor- oder nachgelagerten, quantitativen oder qualitativen Maßnahmen bzw. Instrumenten, durch welche Risiken und Risikokonzentrationen unter Berücksichtigung der Risikotragfähigkeit und Risikobereitschaft wirksam vermieden, begrenzt, auf Dritte verlagert oder bewusst eingegangen werden.160) 55 Die Risikoüberwachung hängt von der Art des jeweiligen Risikos und dessen Steuerung ab. Besonders wichtig sind insoweit Managementinformationssysteme und prozessintegrierte Überwachungsmaßnahmen. 56 Die Risikokommunikation erfordert angemessene Risikoberichte (siehe Rz. 79 ff.) und die unverzügliche Weiterleitung der unter Risikogesichtspunkten wesentlichen Informationen an die Geschäftsleitung, die jeweiligen Verantwortlichen und ggf. die Interne Revision entsprechend eines hierfür festgelegten Verfahrens, das die frühzeitige Einleitung geeigneter Maßnahmen ermöglicht.161) Daneben sind eine ausreichende Kommunikation durch die Geschäftsleitung sowie die hinreichende Einbeziehung der besonderen Kontrollfunktionen erforderlich.162) 57 Über diese allgemeinen Vorgaben hinaus sind alle einschlägigen spezifischen Vorgaben für einzelne Risikoarten, -quellen und -konzentrationen zu beachten, die hier nicht dargelegt werden können, wie z. B. die Anforderungen der CRR,163) die Anforderungen an das Management der Risiken der IT bzw. Informations- und Kommunikationstechnologie

___________ 159) AT 4.3.2 Rz. 2 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 136 f. Vgl. zur Risikoinventur, zum Gesamtrisikoprofil, zu den wesentlichen Risiken und zur Quantifizierung: Rz. 22 ff. 160) Vgl. AT 4.3.2 Rz. 1 MaRisk 2017; AT 4.3.2 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 137 ff., 179 f., 210; Hannemann/Steinbrecher/ Weigl, MaRisk, S. 423; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 516 f. Als Beispiele für quantitative Maßnahmen nennt die BaFin Limit- und Ampelsysteme, als Beispiele für qualitative Maßnahmen regelmäßige Risikoanalysen; sie weist darauf hin, dass in das Risikotragfähigkeitskonzept einbezogene Risiken in der Regel auf Basis eines Limitsystems gesteuert und überwacht werden, soweit dies sinnvoll ist (AT 4.3.2 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017). 161) AT 4.3.2 Rz. 3 f. MaRisk 2017; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 230. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 145 f. Vgl. zur Informationspflicht gegenüber der Internen Revision: AT 4.3.2 Rz. 4 Erläuterungen MaRisk 2017. 162) Vgl. auch: AT 4.4.1 Rz. 2 ff. MaRisk 2017 für die Risikocontrolling-Funktion; AT 4.4.2 Rz. 6 MaRisk 2017 für die Compliance-Funktion; AT 4.4.3 Rz. 4 f. MaRisk 2017 für die Interne Revision. 163) Vgl. zu den (durch Level 2- und Level 3-Maßnahmen ergänzten und konkretisierten) Vorgaben der CRD IV und CRR: Binder in: Grieser/Heemann, Europäisches Bankaufsichtsrecht, S. 425, 441. Die Vorgaben der CRD IV und CRR werden durch die CRD V bzw. CRR II angepasst. Vgl. zu den Vorgaben der EBA für den SREP: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/ 2018/03), Rz. 132 ff. (Kredit- und Gegenparteiausfallrisiko), Rz. 197 ff. (Marktrisiko), Rz. 233 ff. (Operationelles Risiko), Rz. 310 ff. (Zinsänderungsrisiko aus anderen Geschäften als den Handelsaktivitäten), Rz. 319 ff. (SREP Kapitalbewertung), Rz. 370 ff. (Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken und -risikomanagement) und Rz. 426 ff. (SREP Liquiditätsbewertung).

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

§ 11

(IKT),164) die Anforderungen an den ILAAP165) oder die Anforderungen an den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken166). Dargestellt werden im Folgenden nur kurz die Anforderungen der MaRisk an die Steuerung der Adressenausfall-, Marktpreis-, Liquiditäts- und operationellen Risiken.167) Adressenausfallrisiken und damit verbundene Risikokonzentrationen sind danach durch 58 geeignete Maßnahmen unter Berücksichtigung der Risikotragfähigkeit zu steuern.168) Relevant sind insoweit die Risikoklassifizierungsverfahren und die Verfahren zur Früherkennung von Risiken (siehe Rz. 49). Kreditgeschäfte dürfen nicht ohne kreditnehmerbezogenes Limit, Handelsgeschäfte grundsätzlich nicht ohne Kontrahenten- und Emittentenlimit abgeschlossen werden.169) Abgeschlossene Geschäfte sind unverzüglich auf die Limite anzurechnen und die Positionsverantwortlichen zeitnah über die Limite und deren aktuelle Ausnutzung zu informieren.170) Die Einhaltung der Limite ist zu überwachen und ihre Überschreitung und die daraufhin ggf. getroffenen Maßnahmen sind festzuhalten.171) Da ein Geschäft mit Marktpreisrisiken nicht ohne Marktpreisrisikolimit abgeschlossen 59 werden darf, ist auf Grundlage der Risikotragfähigkeit ein System von Limiten zur Begrenzung der Marktpreisrisiken unter Berücksichtigung von Risikokonzentrationen einzurichten.172) Mit Marktpreisrisiken behaftete Geschäfte des Handelsbuchs sind unverzüglich auf die einschlägigen Limite anzurechnen und die entsprechenden Positionen des Handelsbuchs täglich zu bewerten; der Positionsverantwortliche ist über die Limite und ihre Ausnutzung zeitnah zu informieren und bei Überschreitung der Limite sind geeignete Maßnahmen zu treffen.173) Mit Marktpreisrisiken behaftete Positionen des Anlagebuchs ___________ 164) Vgl. nur: EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/ GL/2019/04), Guidelines, Rz. 10 ff. (diese Leitlinien ersetzen die EBA-Leitlinien zu Sicherheitsmaßnahmen bezüglich der operationellen und sicherheitsrelevanten Risiken von Zahlungsdiensten, EBA/GL/2017/17, v. 12.1.2018); AT 7.2 Rz. 4 MaRisk 2017; Abschn. II. 3 BAIT (dazu: DK, Stellungnahme zur Konsultation des Rundschreibens „Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT – BAIT” v. 22.3.2017, v. 4.5.2017, S. 4 ff.); ECB, IT risk – ECB to roll out cyber incident reporting framework, v. 17.5.2017; ECB, Stocktake of IT risk supervision practices, v. 16.11.2016; ECB, Cyber resilience oversight expectations for financial market infrastructures, v. 12/2018. Vgl. zum SREP: EBA, Leitlinien für die IKT-Risikobewertung im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP), v. 11.9.2017 (EBA/GL/2017/05). S. a. Rz. 104 ff. 165) Vgl. dazu Fn. 178. 166) BaFin, Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, v. 20.12.2019, S. 126 ff. 167) Die BaFin macht weitere Vorgaben in spezifischen Verlautbarungen, vgl. z. B.: BaFin, Rundschreiben 8/2016 (BA), Obergrenzen für Risikopositionen gegenüber Schattenbanken, v. 2.12.2016, Stand: 14.12.2016 (BA 52-FR 1903-2016/0001). 168) BTR 1 Rz. 1, 6 MaRisk 2017; BTR 1 Rz. 1 und 6 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. dazu: Luz/ Neus/Schaber/u. a.-Hellstern, KWG und CRR, § 25a Abs. 1 – 4 KWG Rz. 226, 233 ff. Vgl. BTR 1 Rz. 7 MaRisk 2017 zu den Vorgaben für die Erlösquotensammlung. 169) Vgl. dazu i. E.: BTR 1 Rz. 2 ff. MaRisk 2017; BTR 1 Rz. 3 und 4 Erläuterungen MaRisk 2017. 170) BTR 1 Rz. 3, 5 MaRisk 2017. 171) BTR 1 Rz. 5 MaRisk 2017. Ab einer unter Risikogesichtspunkten festgelegten Höhe sind Überschreitungen von Kontrahenten- und Emittentenlimiten den zuständigen Geschäftsleitern täglich anzuzeigen. 172) BTR 2.1 Rz. 1 f. MaRisk 2017. Vgl. zum Begriff der Marktpreisrisiken: BTR 2.1 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 281 ff. Die Beurteilungsverfahren für Marktpreisrisiken sind regelmäßig zu überprüfen, auch dahingehend, ob sie auch bei schwerwiegender Marktstörung zu verwertbaren Ergebnissen führen (BTR 2.1 Rz. 3 MaRisk 2017). Des Weiteren sind die im Rechnungswesen und im Risikocontrolling ermittelten Ergebnisse regelmäßig zu plausibilisieren (BTR 2.1 Rz. 4 MaRisk 2017). 173) BTR 2.2 Rz. 1 ff. MaRisk 2017. Des Weiteren ist täglich ein Ergebnis für das Handelsbuch zu ermitteln, sind Risikopositionen mindestens täglich zum Geschäftsschluss zu Gesamtrisikopositionen zusammenzufassen und sind die modellmäßig ermittelten Risikowerte fortlaufend mit der tatsächlichen Entwicklung zu vergleichen.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

sind mindestens vierteljährlich zu bewerten.174) Durch geeignete Maßnahmen ist sicherzustellen, dass Limitüberschreitungen aufgrund zwischenzeitlicher Veränderungen der Risikopositionen vermieden werden können.175) Spezifische Anforderungen stellt die BaFin z. B. an die Behandlung von Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch.176) 60 Institute müssen sicherstellen, dass sie ihre Zahlungspflichten jederzeit erfüllen können, dass sie ihre Refinanzierungsquellen und Liquiditätspuffer ausreichend diversifizieren (ggf. auch durch bestehende Verbund- oder Konzernstrukturen) und dass sie dahingehende Konzentrationen wirksam überwachen und begrenzen.177) Zur Begrenzung ihrer Liquiditätsrisiken müssen sie nach den MaRisk angemessene Maßnahmen für ihre individuelle Situation ergreifen.178) Insbesondere sind erforderlich: x

angemessene, mindestens jährlich zu überprüfende Verfahren zur frühzeitigen Erkennung sich abzeichnender Liquiditätsengpässe,

x

aussagekräftige Liquiditätsübersichten zur Darstellung der Liquiditätslage im kurz-, mittel- und langfristigen Bereich,

x

die laufende Prüfung, inwieweit auftretender Liquiditätsbedarf (auch bei angespanntem Marktumfeld) gedeckt werden kann,

x

die regelmäßige Überprüfung des dauerhaften Zugangs zu relevanten Refinanzierungsquellen,

x

das Vorhalten ausreichend bemessener, nachhaltiger Liquiditätspuffer für kurzfristig eintretende Verschlechterungen der Liquiditätssituation (auch in Stressszenarien),

x

ein von der Geschäftsleitung zu genehmigendes angemessenes Verrechnungssystem zur verursachungsgerechten internen Verrechnung der jeweiligen Liquiditätskosten, -nutzen und -risiken (bzw. ein Liquiditätstransferpreissystem bei großen Instituten mit komplexen Geschäftsaktivitäten),

x

regelmäßige angemessene Stresstests für Liquiditätsrisiken,

x

ein Notfallplan für Liquiditätsengpässe,

x

die Prüfung, inwieweit der Übertragung liquider Mittel und unbelasteter Vermögensgegenstände innerhalb der Gruppe gesellschaftsrechtliche, regulatorische und operationelle Restriktionen entgegenstehen sowie

___________ 174) BTR 2.3 Rz. 1 MaRisk 2017. Mindestens vierteljährlich ist auch ein Ergebnis für das Anlagebuch zu ermitteln. Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Positionen können aber jeweils auch eine monatliche, wöchentliche oder tägliche Bewertung, Ergebnisermittlung und Kommunikation der Risiken gebieten (BTR 2.3 Rz. 2, 4 MaRisk 2017). 175) BTR 2.3 Rz. 3 MaRisk 2017. 176) Vgl. dazu i. E.: BTR 2.3 Rz. 5 ff. MaRisk 2017; BTR 2.3 Rz. 5, 6 und 7 Erläuterungen MaRisk 2017; BaFin, Rundschreiben 6/2019 (BA), Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch, v. 6.8.2019; BaFin, Allgemeinverfügung, Anordnung von Eigenmittelanforderungen für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch, v. 23.12.2016 (BA 55-FR 2232-2016/0001). Vgl. zu Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch auch: EBA, Leitlinien zur Steuerung des Zinsänderungsrisikos bei Geschäften des Anlagebuchs, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/02) sowie die zukünftigen Vorgaben in Art. 84 CRD i. d. F. der CRD V. 177) BTR 3.1 Rz. 1 MaRisk 2017; BTR 3.1 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017. 178) Vgl. auch die Vorgaben der EZB für das Verfahren zur Beurteilung der Angemessenheit der internen Liquidität (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP) bei bedeutenden beaufsichtigten Unternehmen i. S. des Art. 2 Abs. 16 SSM-RahmenVO: EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Liquiditätsausstattung (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP), v. 9.11.2018. Vgl. zu den Vorgaben der EBA für die Bewertung des ILAAP, der Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken und des entsprechenden Risikomanagements i. R. des SREP und für die SREP-Liquiditätsbewertung: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 101 ff., 370 ff., 426 ff. Vgl. zu den erforderlichen Informationen: EBA, Leitlinien zu für SREP erhobene ICAAP- und ILAAP-Informationen, v. 10.2.2017 (EBA/GL/2016/10).

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation x

§ 11

ein interner Refinanzierungsplan für einen angemessen langen, in der Regel mehrjährigen Zeitraum, der die Strategien, die Risikobereitschaft und das Geschäftsmodell angemessen widerspiegelt.179)

Operationelle Risiken sind institutsintern einheitlich und möglichst klar von anderen Ri- 61 siken abgegrenzt zu definieren; die Definition ist an die Mitarbeiter zu kommunizieren.180) Wesentliche operationelle Risiken sind zumindest jährlich zu identifizieren und zu beurteilen.181) Schadensfälle sind angemessen zu erfassen und die Ursachen bedeutender Schadensfälle unverzüglich zu analysieren.182) Welche Maßnahmen zur Steuerung operationeller Risiken oder zur Beseitigung ihrer Ursachen angemessen sind, ist auf Basis der Berichte zu operationellen Risiken zu entscheiden (siehe Rz. 82 und Fn. 243); die Umsetzung der Maßnahmen ist zu überwachen.183) Siehe zu IT- bzw. IKT-Risiken Rz. 57. cc)

Besondere Funktionen

Die Geschäftsleitung muss auch dafür Sorge tragen, dass besondere Funktionen bzw. 62 Kontrollfunktionen eingerichtet werden, insbesondere eine Risikocontrolling- und eine Compliance-Funktion als Elemente des internen Kontrollsystems (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 lit. c und § 25c Abs. 4a Nr. 3 lit. c KWG)184) und eine Interne Revision (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 und § 25c Abs. 4a Nr. 3 KWG).185) Diese drei nachstehend erläuterten Funktionen werden durch weitere Funktionen ergänzt. Neben den nach der CRR vorgesehenen Funktionen (wie etwa der unabhängigen Stelle für die Kreditrisikoüberwachung nach Art. 190 CRR), sind dies z. B. x

der Geldwäschebeauftragte (siehe Rz. 134, 144),

___________ 179) Vgl. zu diesen Vorgaben: BTR 3.1 Rz. 1 ff. MaRisk 2017; BTR 3.1 Rz. 1, 3, 4, 5, 6, 8, 11 und 12 Erläuterungen MaRisk 2017. Die BaFin stellt klar, dass (i) der interne Refinanzierungsplan ausschließlich internen Steuerungszwecken dient und von Refinanzierungsplänen zu unterscheiden ist, die die EBA nach ihren Leitlinien für harmonisierte Definitionen und Vorlagen für Finanzierungspläne von Kreditinstituten nach ESRB/2012/2, Empfehlung A Abs. 4, v. 19.6.2014 (EBA/GL/2014/04), fordert, dass aber (ii) die Anforderung mit einem für die EBA erstellten Refinanzierungsplan erfüllt werden kann. Soweit erforderlich, müssen auch Maßnahmen zur Steuerung untertägiger, in Fremdwährungen bestehender oder sonstiger individueller Liquiditätsrisiken ergriffen werden (vgl. BTR 3.1 Rz. 1, 11 MaRisk 2017; BTR 3.1 Rz. 1 und 11 Erläuterungen MaRisk 2017). Für kapitalmarktorientierte Institute bestehen zusätzliche Anforderungen, vgl. BTR 3.2 MaRisk 2017; BTR 3.2 Rz. 1, 2 und 3 Erläuterungen MaRisk 2017. 180) BTR 4 Rz. 1 MaRisk 2017; BTR 4 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. auch: Art. 85 Abs. 1 CRD sowie dessen Änderung durch die CRD V; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Anh. 1; BCBS, Management operationeller Risiken – Praxisempfehlung für Banken und Bankenaufsicht, v. 25.2.2003, Rz. 5. Die Prozesse zum Management operationeller Risiken sollten auch den Umgang mit nicht eindeutig zuordenbaren Schadensfällen (boundary events), Beinaheverlusten und zusammenhängenden Ereignissen umfassen (BTR 4 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017). 181) BTR 4 Rz. 2 MaRisk 2017. 182) BTR 4 Rz. 3 MaRisk 2017. Größere Institute müssen eine Ereignisdatenbank für Schadensfälle einrichten, in der alle Schadensereignisse oberhalb angemessener Schwellenwerte vollständig erfasst werden (BTR 4 Rz. 3 Erläuterungen MaRisk 2017). 183) BTR 4 Rz. 4 MaRisk 2017. Vgl. auch: BCBS, Management operationeller Risiken – Praxisempfehlung für Banken und Bankenaufsicht, v. 25.2.2003. Als Beispiele für Maßnahmen führen die MaRisk Versicherungen, Ersatzverfahren, Neuausrichtung von Geschäftsaktivitäten und Katastrophenschutzmaßnahmen auf. 184) Nach § 31 Abs. 2 Satz 2, 3 KWG hat die BaFin die Möglichkeit, Leasing- und Factoringinstitute unter Proportionalitätsgesichtspunkten von den Anforderungen freizustellen. 185) Die BaFin bezeichnet diese drei Funktionen als „besondere Funktionen“ (vgl. AT 4.4 MaRisk 2017). Die EBA bezeichnet sie als „Kontrollfunktionen“ (EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 153; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 96) und die Risikocontrolling-Funktion (entsprechend Art. 76 Abs. 4 Unterabs. 1 CRD) als Risikomanagement-Funktion.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

x

der Vergütungsbeauftragte (§ 25a Abs. 6 Nr. 3 KWG, §§ 23 ff. InstitutsVergV),

x

der Datenschutzbeauftragte (siehe Rz. 108),

x

der Informationssicherheitsbeauftragte bzw. die Kontrollfunktion für IKT- und Sicherheitsrisiken (siehe Rz. 107) oder

x

der Beauftragte für den Schutz von Kundenfinanzinstrumenten (§ 81 Abs. 5 WpHG)186).

63 Die möglichen Überlagerungen zwischen einzelnen Funktionen bzw. zwischen diesen und sonstigen Organisationseinheiten (z. B. der Rechtsabteilung) erfordern jeweils eine genaue Abgrenzung der Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Schnittstellen im Einzelfall.187) (1)

Risikocontrolling-Funktion

64 Die Risikocontrolling-Funktion ist für die Überwachung und Kommunikation der Risiken zuständig. Sie hat nach den MaRisk insbesondere folgende Aufgaben: x

Unterstützung der Geschäftsleitung in allen risikopolitischen Fragen (Entwicklung der Risikostrategie, Ausgestaltung des Risikobegrenzungssystems etc.) und bei der Einrichtung und Weiterentwicklung der Risikosteuerungs- und -controllingprozesse,

x

Durchführung der Risikoinventur und Erstellung des Gesamtrisikoprofils,

x

Einrichtung und Weiterentwicklung des Risikokennzahlensystems und Risikofrüherkennungsverfahrens,

x

laufende Überwachung der Risikosituation, der Risikotragfähigkeit und der Einhaltung der Risikolimite,

x

Beteiligung an Anpassungsprozessen (siehe Rz. 95 ff.) i. R. ihrer Aufgaben sowie

x

Erstellung der Risikoberichte für die Geschäftsleitung (siehe Rz. 82) und Verantwortung der Prozesse zur unverzüglichen Weitergabe der unter Risikogesichtspunkten wesentlichen Informationen (siehe Rz. 56).188)

65 Die Risikocontrolling-Funktion enthebt die Geschäftsleitung und die Geschäfts- und Stabsbereiche nicht von der Verantwortung für ihre Entscheidungen.189) 66 Die Risikocontrolling-Funktion muss unabhängig sein. Erforderlich ist nach § 25c Abs. 4a Nr. 3 lit. b KWG und den MaRisk ihre aufbauorganisatorische Trennung bis einschließlich der Ebene der Geschäftsleitung von Bereichen, die Geschäfte initiieren bzw. abschließen, wie etwa die Bereiche Markt, Handel oder Treasury.190) Die Risikocontrolling-Funk___________ 186) Vgl. dazu: BaFin, Rundschreiben 7/2019 (WA), Mindestanforderungen an die ordnungsgemäße Erbringung des Depotgeschäfts und den Schutz von Kundenfinanzinstrumenten für Wertpapierdienstleistungen – MaDepot, v. 16.8.2019, Ziff. 2.1.5. 187) Vgl. Gebauer/Niermann in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 48 Rz. 8. 188) AT 4.4.1 Rz. 2, AT 8.1 Rz. 5, AT 8.2 Rz. 1 MaRisk 2017. Vgl. zur Aufgabenbeschreibung der EBA: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 162 ff., 170 f., 172 f., 174 ff., 181 f. Vgl. auch die Vorgaben der EBA für den SREP: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 96. Im Falle der Einrichtung einer Risikocontrolling-Funktion für einzelne Geschäftsfelder bzw. Tochterunternehmen sollte zur Wahrung eines ganzheitlichen Blicks nicht auf eine zentrale Risikocontrolling-Funktion verzichtet werden (EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 168). 189) Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 171. 190) AT 4.4.1 Rz. 1 MaRisk 2017; AT 4.4.1 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017 (mit einer Einschränkung unter Proportionalitätsgesichtspunkten). Vgl. auch: Art. 76 Abs. 5 Unterabs. 1 CRD; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 67, 155, 158, 166. Eine Verbindung mit der Compliance-Funktion ist grundsätzlich möglich (vgl. i. E.: AT 4.4.2 Rz. 3 Erläuterungen MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 159, 188 f.). S. zu Informationspflichten bzw. -rechten im Verhältnis zum Verwaltungs- und Aufsichtsorgan: Rz. 170 und Fn. 465.

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

§ 11

tion muss mit einer ausreichenden Anzahl hinreichend qualifizierter Mitarbeiter besetzt sein und über alle notwendigen Befugnisse und einen uneingeschränkten Zugang zu allen für sie relevanten Informationen verfügen (insbesondere einen uneingeschränkten und jederzeitigen Zugang zu Risikodaten).191) Die Leitung der Risikocontrolling-Funktion, die bei allen wichtigen risikopolitischen 67 Entscheidungen der Geschäftsleitung zu beteiligen ist, ist einer Person auf einer ausreichend hohen Führungsebene zu übertragen, die diese Aufgabe (je nach Größe des Instituts und Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt seiner Geschäftsaktivitäten) grundsätzlich exklusiv wahrnehmen muss.192) Nach den MaRisk ist die Aufgabe (i) bei systemrelevanten Instituten exklusiv und grundsätzlich von einem Geschäftsleiter (Chief Risk Officer – CRO) wahrzunehmen, der weder für Finanzen und Rechnungswesen (Chief Financial Officer – CFO) noch für Organisation und IT (Chief Operational Officer – COO) verantwortlich ist und (ii) i. Ü. in der Regel von einer Person unmittelbar unterhalb der Ebene der Geschäftsleiter (2. Ebene), wobei die Risikocontrolling-Funktion und der Bereich Marktfolge in beiden Fällen aufbauorganisatorisch bis einschließlich zur 2. Ebene klar zu trennen sind.193) Die Person muss besonderen qualitativen Anforderungen entsprechend ihres Aufgabengebiets genügen.194) Nach der EBA gelten auch die Vorgaben für die Prüfung der fachlichen Geeignetheit und Zuverlässigkeit der Inhaber von Schlüsselfunktionen (siehe Rz. 102 und Fn. 288 f.). Während nach den MaRisk Wechsel in der Leitung dem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan (nur) rechtzeitig vorab unter Angabe der Gründe mitzuteilen sind, ist nach Art. 76 Abs. 5 Unterabs. 5 CRD und der Auffassung der EBA dessen vorherige Zustimmung erforderlich.195)

___________ 191) AT 4.4.1 Rz. 3 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/ GL/2017/11), Rz. 67, 160 f., 162 ff.; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/ 2018/03), Rz. 96, 98. 192) AT 4.4.1 Rz. 4 MaRisk 2017. Vgl. auch: Art. 76 Abs. 5 Unterabs. 4 CRD; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 26, 155, 184; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 98. Nach Ansicht der EBA sollten verschärfte Vorgaben für Entscheidungen gelten, die der Leiter der Risikocontrollingfunktion ablehnt und sollte die Ablehnung dokumentiert werden (EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/11), Rz. 185 f.). 193) Vgl. AT 4.4.1 Rz. 4 f. MaRisk 2017; AT 4.4.1 Rz. 4 Erläuterungen MaRisk 2017. Die BaFin erkennt an, dass bei Instituten mit maximal drei Geschäftsleitern unter bestimmten Voraussetzungen (i) eine Trennung der Risikocontrolling-Funktion und des Bereichs Marktfolge bis zur 2. Ebene nicht erforderlich ist bzw. dass (ii) die Leitung der Risikocontrolling-Funktion auch auf der 3. Ebene (mit direkter Berichtslinie zur Geschäftsleiterebene) angesiedelt werden kann (vgl. dazu und zu weiteren Detailfragen auch: BaFin, Protokoll zur Sitzung des Fachgremiums MaRisk am 5.11.2018 in Frankfurt, Ziff. 7). Die Vorgaben des Art. 76 Abs. 5 Unterabs. 4 CRD könnten als tendenziell „strenger“ verstanden werden: Danach steht an der Spitze der Risikomanagementfunktion ein eigens für dieselbe zuständiges unabhängiges Mitglied der Geschäftsleitung und kann eine andere Führungskraft benannt werden, sofern Art, Umfang und Komplexität der Geschäfte es nicht rechtfertigen, speziell zu diesem Zweck eine Person zu benennen, und kein Interessenkonflikt besteht. Vgl. aber auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 26, 184, Accompanying Documents, S. 98. 194) AT 7.1 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 184. 195) Vgl. AT 4.4.1 Rz. 6 MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 157. Nach Ansicht der EBA sollte die Aufsichtsbehörde bei bedeutenden Instituten über die Zustimmung und die wesentlichen Gründe des Wechsels informiert werden.

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§ 11 (2)

Organisatorische Anforderungen Compliance-Funktion

68 Die Compliance-Funktion soll den Risiken aus der Nichteinhaltung rechtlicher Vorgaben entgegenwirken.196) Nach den MaRisk197) hat sie insbesondere folgende Aufgaben: x

Regelmäßige und anlassbezogene Identifizierung und Beurteilung der wesentlichen rechtlichen Vorgaben, deren Nichteinhaltung zu einer Gefährdung des Vermögens des Unternehmens führen kann (unter Berücksichtigung von Risikogesichtspunkten),198)

x

Hinwirken auf die Implementierung wirksamer Verfahren zur Einhaltung dieser Vorgaben und entsprechender Kontrollen,199)

x

Unterstützung und Beratung der Geschäftsleitung hinsichtlich der Einhaltung dieser Vorgaben,200)

x

Beteiligung an Anpassungsprozessen (siehe Rz. 95 ff.) i. R. ihrer Aufgaben und

x

Erstellung der Compliance-Berichte (siehe Rz. 83).201)

69 Die Compliance-Funktion entbindet die Geschäftsleiter und Geschäftsbereiche nicht von ihrer Verantwortung für die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben.202) 70 Aufbauorganisatorisch ist die Compliance-Funktion nach den MaRisk unmittelbar der Geschäftsleitung unterstellt und berichtspflichtig; außer bei systemrelevanten Instituten kann sie aber an andere (Kontroll-)Einheiten (mit Ausnahme der Internen Revision) an-

___________ 196) AT 4.4.2 Rz. 1 MaRisk 2017. Vgl. zum Spannungsverhältnis zwischen der Schutzfunktion gegenüber dem Institut, seinen Mitarbeitern und Kunden: Renz/Lackhoff in: Paetzmann/Schöning, Corporate Governance, S. 461, 487 f. Zwischen der Compliance-Funktion und anderen Funktionen bestehen Schnittmengen bzw. spezifische Compliance-Aspekte sind (vorbehaltlich der Möglichkeit einer Verbindung) besonderen Funktionen zugewiesen (s. etwa zur „Geldwäsche-Compliance“ Rz. 127 ff.). 197) Vgl. AT 4.4.2 Rz. 1 f., AT 8.1 Rz. 5, AT 8.2 Rz. 1 MaRisk 2017. Vgl. zu den Aufgaben auch: Begr. RegE CRD IV-UmsG, BT-Drucks. 17/10974, S. 85; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 187, 192 ff.; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 521 ff.; Renz/Lackhoff in: Paetzmann/Schöning, Corporate Governance, S. 461, 469 f., 475 ff. 198) Vgl. dazu: Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 1 ff. zu AT 4.4.2 Rz. 2 MaRisk 2017; Gebauer/Niermann in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 48 Rz. 8, 40 ff. 199) Die Compliance-Funktion muss die Fachbereiche frühzeitig auf relevante Entwicklungen hinweisen, damit diese etwaigen Handlungsbedarf ermitteln und wirksame Verfahren implementieren. Die Compliance-Funktion berät, koordiniert und unterstützt die Fachbereiche und überwacht, ob sie ihren Aufgaben angemessen nachkommen (vgl. Gebauer/Niermann in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 48 Rz. 24 ff.; Beck/Samm/Kokemoor-Reppenthien, KWG, § 25a Rz. 146 ff.). 200) „Unterstützung“ ist weit zu verstehen und umfasst u. a. die (Mitwirkung an der) Erstellung interner Richtlinien und Anweisungen, die Durchführung von Schulungen, die Unterstützung im Tagesgeschäft und die Begleitung von Projekten; zur Vermeidung von Interessenkonflikten kann eine Trennung der Unterstützungs- und Kontrollaufgaben erforderlich sein (vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Reppenthien, KWG, § 25a Rz. 151). 201) Allgemein ist die Compliance-Funktion wesentlich, um interne und externe Interessenkonflikte (s. Fn. 326) zu erkennen, aufzulösen oder offenzulegen (im Hinblick auf Interessenkonflikte im Verhältnis zu Kunden gilt dies aufgrund des besonderen Fokus der wertpapierhandelsbezogenen Vorgaben insb. für die Wertpapiercompliance-Funktion (s. Rz. 72); vgl. Gebauer/Niermann in: Hauschka/ Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 48 Rz. 26 ff.). 202) AT 4.4.2 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017; Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 4 zu AT 4.4.2 Rz. 1 MaRisk; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 434; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 520.

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

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gebunden werden, sofern eine direkte Berichtslinie zur Geschäftsleitung besteht.203) Abhängig von der Größe des Instituts sowie von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten ist die Compliance-Funktion in einem von den Bereichen Markt und Handel unabhängigen Bereich anzusiedeln.204) Sie muss mit einer ausreichenden Anzahl hinreichend qualifizierter Mitarbeiter besetzt sein, denen ausreichende Befugnisse und ein uneingeschränkter Zugang zu allen erforderlichen Informationen eingeräumt werden.205) Um ihre Aufgabe sinnvoll erfüllen zu können, muss sie in alle relevanten Prozesse und Verfahren hinreichend einbezogen sein (etwa in die Aufbau- und Ablauforganisation, Strategie-, Risikosteuerungs-, Risikocontrolling- und Anpassungsprozesse).206) Der Compliance-Beauftragte ist für die Erfüllung der Aufgaben der Compliance-Funktion 71 verantwortlich.207) Nach den MaRisk kann ein Geschäftsleiter nur im Ausnahmefall, abhängig von der Größe des Instituts und von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten, zum Compliance-Beauftragten bestellt werden.208) Die Person muss besonderen qualitativen Anforderungen entsprechend ihres Aufgabengebiets genügen.209) Nach der EBA gelten auch die Vorgaben für die Prüfung der fachlichen Geeignetheit und Zuverlässigkeit der Inhaber von Schlüsselfunktionen (siehe Rz. 102 und Fn. 288 f.).210) Nach den MaRisk sind Wechsel in der Position des Compliance-Beauftragten dem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan rechtzeitig vorab unter Angabe der Gründe mitzuteilen; nach Ansicht der EBA sollte dieses vorab zustimmen.211)

___________ 203) AT 4.4.2 Rz. 3 f. MaRisk 2017; AT 4.4.2 Rz. 3 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 155, 158, 159, 188 f.; EBA, Final Report, Guidelines on internal governance under Directive 2013/36/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/11), Accompanying Documents, S. 95. Vgl. zur Wertpapiercompliance-Funktion: BT 1.3.3.2 und BT 1.3.3.3 MaComp. Eine Integration des Datenschutzbeauftragten in die Compliance-Funktion kann Interessenkonflikte begründen (vgl. Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 5 zu AT 4.4.2 Rz. 3 MaRisk; Beck/Samm/Kokemoor-Reppenthien, KWG, § 25a Rz. 134). S. zu Informationspflichten bzw. -rechten im Verhältnis zum Verwaltungs- und Aufsichtsorgan: Rz. 170 und Fn. 465. 204) AT 4.4.2 Rz. 3 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 155, 158, 188 f. 205) Vgl. AT 4.4.2 Rz. 6 MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/11), Rz. 67, 160 f., 189 f.; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 96. Für die Compliance-Funktion wesentliche Weisungen und Beschlüsse der Geschäftsleitung sowie wesentliche Änderungen der für ihre Aufgabe relevanten internen Vorgaben sind ihr bekanntzugeben (AT 4.4.2 Rz. 6 MaRisk 2017). Zur Erfüllung ihrer Aufgaben kann die Compliance-Funktion auf andere Funktionen und Stellen zurückgreifen (AT 4.4.2 Rz. 3 MaRisk 2017). 206) Vgl. Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 625. 207) Vgl. AT 4.4.2 Rz. 5 MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/11), Rz. 187. 208) Vgl. AT 4.4.2 Rz. 5 MaRisk 2017. Nach Ansicht der EBA kann ein Geschäftsleiter bestellt werden, solange kein Interessenkonflikt besteht (EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/ GL/2017/11), Rz. 26). 209) AT 7.1 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017. 210) Eine Anzeigepflicht gegenüber der BaFin ist in § 87 Abs. 5 WpHG für die Wertpapier-Compliance vorgesehen. 211) AT 4.4.2 Rz. 8 MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/11), Rz. 157. Nach Ansicht der EBA sollte die Aufsichtsbehörde bei bedeutenden Instituten über die Zustimmung und die wesentlichen Gründe des Wechsels informiert werden.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

72 Unberührt von den Anforderungen der MaRisk bleiben spezielle Vorgaben, z. B. die umfangreichen Anforderungen an die Wertpapiercompliance-Funktion212) und den Wertpapiercompliance-Beauftragten.213) (3)

Interne Revision

73 Kernaufgabe der Internen Revision ist es, risikoorientiert und prozessunabhängig die Wirksamkeit und Angemessenheit des gesamten Risikomanagements und die Ordnungsmäßigkeit grundsätzlich aller (auch der ausgelagerten) Aktivitäten und Prozesse zu prüfen und zu beurteilen.214) Dies beinhaltet die prozessabhängigen Überwachungsmaßnahmen und die Tätigkeit der besonderen Funktionen.215) Soweit ihre Unabhängigkeit gewährleistet ist und kein Interessenkonflikt besteht, kann die Interne Revision i. R. ihrer Aufgaben die Geschäftsleitung oder andere Organisationseinheiten beraten und hat sie wesentliche Projekte, insbesondere Anpassungsprozesse (siehe Rz. 95 ff.) i. R. ihrer Aufgaben zu begleiten.216) 74 Aufbauorganisatorisch ist die Interne Revision nach den MaRisk als Instrument der Geschäftsleitung dieser insgesamt (oder einem ihrer Mitglieder, nach Möglichkeit dem Vorsitzenden) unmittelbar unterstellt und berichtspflichtig.217) Sie kann an keine sonstige (Kontroll-)Einheit angebunden werden, hat ihre Aufgaben selbständig und unabhängig ___________ 212) Die Einrichtung einer separaten Wertpapiercompliance-Funktion ist genauso möglich wie eine einheitliche Compliance-Funktion (Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 3 zu AT 4.4.2 Rz. 5 MaRisk; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 526). 213) Vgl. Art. 22 Delegierte VO (EU) 2017/565; § 87 Abs. 5 WpHG; § 3 WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung (WpHGMaAnzV); BT 1, BT 11.2 MaComp; ESMA, Consultation Paper, Guidelines on certain aspects of the MiFID II compliance function requirements, v. 15.7.2019 (ESMA35-43-2019); ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Compliance-Funktion, v. 25.6.2012 (ESMA/2012/388). Die Funktionen des Wertpapiercompliance-Beauftragten und des Beauftragten für den Schutz von Kundenfinanzinstrumenten können miteinander kombiniert werden (BaFin, Rundschreiben 7/2019 (WA), Mindestanforderungen an die ordnungsgemäße Erbringung des Depotgeschäfts und den Schutz von Kundenfinanzinstrumenten für Wertpapierdienstleistungen – MaDepot, v. 16.8.2019, Ziff. 2.1.5.5). 214) Vgl. AT 4.4.3 Rz. 3, BT 2.1 Rz. 1 MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 199 ff.; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 50 f., 89 ff. Vgl. auch: Art. 24 Delegierte VO 2017/565. S. zur Geschäftsstrategie Rz. 30. S. zu den Vorgaben der EBA für den SREP: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/ 2018/03), Rz. 97. Die Interne Revision sollte Normen und Methoden des Berufsstands beachten (vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 204; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 97). Die MaRisk und die EBA sehen Möglichkeiten des Rückgriffs auf Dritte vor (s. Rz. 220). S. zur Auslagerung der Internen Revision: Rz. 222 f. S. zur Konzernrevision: Rz. 145. 215) Vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 153. 216) BT 2.1 Rz. 2, BT 2.2 Rz. 2 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 200; Barsch in: Becker/Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, S. 375, 377 f., 379 ff.; Becker in: Becker/Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, S. 357, 359; Boos/Fischer/SchulteMattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 592; Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 1580; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Hellstern, KWG und CRR, § 25a Abs. 1 – 4 KWG Rz. 263; Beck/Samm/ Kokemoor-Reppenthien, KWG, § 25a Rz. 168 f. 217) AT 4.4.3 Rz. 2 MaRisk 2017. Vgl. für den SREP auch: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 97. Die EBA befürwortete zwischenzeitlich eine „echte“ Berichtslinie, d. h. eine direkte Verantwortlichkeit, der Internen Revision zum bzw. gegenüber Verwaltungsoder Aufsichtsorgan (EBA, Consultation Paper, Draft Guidelines on internal governance, v. 28.10.2016 (EBA/CP/2016/16), S. 39 f.). Nunmehr geht sie „nur noch“ von einer direkten „Informationslinie“ aus (vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 155 f.). S. zu den Informationspflichten bzw. -rechten im Verhältnis zum Verwaltungs- und Aufsichtsorgan Rz. 170 und Fn. 465. Ist aufgrund der Betriebsgröße die Einrichtung einer Revisionseinheit unverhältnismäßig, kann ein Geschäftsleiter diese Aufgaben erfüllen (AT 4.4.3 Rz. 1 MaRisk 2017).

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

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wahrzunehmen und ist insbesondere bei der Berichterstattung und der Bewertung der Prüfungsergebnisse keinen Weisungen unterworfen.218) Sie muss mit einer ausreichenden Anzahl hinreichend qualifizierter Mitarbeiter besetzt sein; zur Sicherstellung der Funktionstrennung dürfen diese grundsätzlich nicht mit revisionsfremden Aufgaben und Mitarbeiter anderer Organisationseinheiten umgekehrt grundsätzlich nicht mit Aufgaben der Internen Revision betraut werden.219) Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben muss das vollständige und uneingeschränkte Informationsrecht der Internen Revision jederzeit gewährleistet sein und müssen ihr unverzüglich erforderliche Informationen und Dokumente zur Verfügung gestellt und erforderliche Einblicke gewährt werden.220) Der Leiter der Internen Revision muss besonderen qualitativen Anforderungen entspre- 75 chend seines Aufgabengebiets genügen.221) Nach der EBA gelten auch die Vorgaben für die Prüfung der fachlichen Geeignetheit und Zuverlässigkeit der Inhaber von Schlüsselfunktionen (siehe Rz. 102 und Fn. 288 f.). Nach den MaRisk sind Wechsel in der Leitung der Internen Revision dem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan rechtzeitig vorab unter Angabe der Gründe mitzuteilen; nach Ansicht der EBA sollte dieses vorab zustimmen.222) Die Interne Revision muss ihre Prüfungen planen, durchführen, über die Ergebnisse 76 berichten und die Mängelbeseitigung überwachen. Die Prüfungen müssen auf einem umfassenden und jährlich fortzuschreibenden risikoorientierten Prüfungsplan basieren; der Plan und dessen wesentliche Anpassungen sind von der Geschäftsleitung zu genehmigen.223) Die Prüfungsplanung (einschließlich der Risikoeinstufung der Aktivitäten und Prozesse), die Prüfungsmethoden und -qualität sind regelmäßig und anlassbezogen auf ihre Angemessenheit zu überprüfen und weiterzuentwickeln.224) Mindestens bezüglich einzelner Themen (z. B. der Risikosteuerungs- und -controllingprozesse) wird nicht nur ein reines „Abhaken“ einer Soll-Ist-Vergleichsliste, sondern eine eigene Einschätzung verlangt.225) Es muss sichergestellt sein, dass kurzfristig notwendige Sonderprüfungen jeder___________ 218) BT 2.2 Rz. 1 MaRisk 2017; AT 4.4.2 Rz. 3 Erläuterungen MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 67, 158, 159, 198 ff. Die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Internen Revision wird durch das Direktionsrecht der Geschäftsleitung zur Anordnung zusätzlicher Prüfungen nicht berührt. 219) BT 2.2 Rz. 2 f. MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 67, 158, 160, 197 f., 200; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 96, 97. In begründeten Einzelfällen dürfen Mitarbeiter aufgrund ihres Spezialwissens zeitweise für die Interne Revision tätig werden (BT 2.2 Rz. 3 MaRisk 2017). S. zu Karenzzeiten: BT 2.2 Rz. 3 MaRisk 2017 sowie allgemein die Ausführungen in Fn. 122. 220) AT 4.4.3 Rz. 4 f. MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/11), Leitlinien, Rz. 161, 203. 221) AT 7.1 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017. 222) AT 4.4.3 Rz. 6 MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/11), Rz. 157. Nach Ansicht der EBA sollte die Aufsichtsbehörde bei bedeutenden Instituten über die Zustimmung und die wesentlichen Gründe des Wechsels informiert werden. 223) BT 2.3 Rz. 1 f., 5 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 205 f. Vgl. auch: Barsch in: Becker/Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, S. 375, 381 ff, 386. Nach den MaRisk beträgt das Prüfungsintervall bei normalem Risiko drei Jahre, bei besonderem Risiko ein Jahr und bei geringem Risiko ggf. mehr als drei Jahre. Die Risikobewertungsverfahren haben eine Analyse des Risikopotentials der Aktivitäten und Prozesse unter Berücksichtigung absehbarer Veränderungen zu beinhalten, wobei die verschiedenen Risikoquellen und die Manipulationsanfälligkeit der Prozesse durch Mitarbeiter angemessen zu berücksichtigen sind (BT 2.3 Rz. 2 MaRisk 2017; BT 2.3 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017). 224) BT 2.3 Rz. 2 f. MaRisk 2017. Vgl. zu einem möglichen Standardprüfungsverfahren: Beck/Samm/ Kokemoor-Reppenthien, KWG, § 25a Rz. 176. 225) Luz/Neus/Schaber/u. a.-Hellstern, KWG und CRR, § 25a Abs. 1 – 4 KWG Rz. 268; Beck/Samm/ Kokemoor-Reppenthien, KWG, § 25a Rz. 167.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

zeit durchgeführt werden können.226) Die Interne Revision muss über jede Prüfung berichten sowie Gesamtberichte anfertigen (siehe Rz. 86).227) Sie muss die fristgerechte Beseitigung festgestellter Mängel in geeigneter Form überwachen (ggf. durch Nachschauprüfung).228) dd)

Datenmanagement, Datenqualität und Aggregation von Risikodaten

77 Die MaRisk fordern von systemrelevanten Instituten instituts- und gruppenweit geltende, von der Geschäftsleitung zu genehmigende und in Kraft zu setzende Grundsätze für das Datenmanagement, die Datenqualität sowie die Aggregation von Risikodaten festzulegen.229) Für alle Prozessschritte sind Verantwortlichkeiten festzulegen und prozessabhängige Kontrollen einzurichten; außerdem muss eine von den geschäftsinitiierenden bzw. -abschließenden Organisationseinheiten unabhängige Stelle regelmäßig überprüfen, ob die internen Regelungen, Verfahren, Methoden und Prozesse eingehalten werden.230) 78 Allgemein müssen Datenstruktur und -hierarchie gewährleisten, dass Daten zweifelsfrei identifiziert, zusammengeführt und ausgewertet werden können und zeitnah zur Verfügung stehen.231) Risikodaten müssen genau, vollständig und nach unterschiedlichen Kategorien auswertbar sein; soweit möglich und sinnvoll, sollten sie automatisiert aggregiert werden können.232) Sie sind mit anderen im Institut vorhandenen Informationen abzugleichen und zu plausibilisieren.233) Die Datenaggregationskapazitäten müssen gewährleisten, dass aggregierte Risikodaten im Normalbetrieb und in Stressphasen zeitnah zur

___________ 226) BT 2.3 Rz. 4 MaRisk 2017. Die Durchführung von Sonderprüfungen kann von der Geschäftsleitung oder der Internen Revision beschlossen werden (vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/ CRR-VO, § 25a KWG Rz. 599). 227) Die Prüfungen sind auch durch Arbeitsunterlagen zu dokumentieren, die die durchgeführten Arbeiten, die festgestellten Mängel und die Schlussfolgerungen für sachkundige Dritte nachvollziehbar machen und die sechs Jahre aufzubewahren sind (BT 2.4 Rz. 2, 6 MaRisk 2017). 228) BT 2.5 Rz. 1 MaRisk 2017. Werden wesentliche Mängel nicht in angemessener Zeit beseitigt, informiert der Leiter der Internen Revision den fachlich zuständigen Geschäftsleiter; werden die Mängel weiterhin nicht beseitigt, wird die Geschäftsleitung hierüber spätestens i. R. des nächsten Gesamtberichts unterrichtet (vgl. BT 2.5 Rz. 2 MaRisk 2017). Vgl. für den SREP auch: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 96. 229) AT 4.3.4 Rz. 1 MaRisk 2017. Die Anforderungen in AT 4.3.4 Rz. 1 MaRisk 2017 sind von global systemrelevanten Instituten seit dem Januar 2016, i. Ü. mit einer Umsetzungsfrist von drei Jahren grundsätzlich mit dem Zeitpunkt der Einstufung als (anderweitig) systemrelevantes Institut zu erfüllen (vgl. BaFin, MaRisk-Novelle 2017 – Veröffentlichung der Endfassung, Anschreiben v. 27.10.2017 (BA 54FR 2210-2017/0002), S. 6 f.). Sie gelten auf Ebene der Gruppe und der wesentlichen gruppenangehörigen Einzelinstitute. Sie sollen Vorgaben des BCBS (BCBS, Grundsätze für die effektive Aggregation von Risikodaten und die Risikoberichterstattung (BCBS 239), v. 9.1.2013) umsetzen. Auf nicht systemrelevante Institute dürfte AT 4.3.4 MaRisk 2017 über die Aufsichtspraxis eine gewisse Ausstrahlungswirkung entwickeln (vgl. auch: BaFin, MaRisk-Novelle 2017 – Veröffentlichung der Endfassung, Anschreiben v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002), S. 3, sowie für den SREP: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 130). 230) AT 4.3.4 Rz. 7 MaRisk 2017; AT 4.3.4 Rz. 7 Erläuterungen MaRisk 2017. 231) AT 4.3.4 Rz. 2 MaRisk 2017. Vgl. zur Dateninfrastruktur: EBA; Leitlinien zu den Stresstests der Institute, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/04), Rz. 33 ff. 232) AT 4.3.4 Rz. 3 MaRisk 2017; AT 4.3.4 Rz. 3 Erläuterungen MaRisk 2017. Die Datenqualität und -vollständigkeit sind danach anhand geeigneter Kriterien zu überwachen. Es sind interne Anforderungen an die Genauigkeit und Vollständigkeit zu formulieren. Der Einsatz und der Umfang manueller Prozesse und Eingriffe sind zu begründen, zu dokumentieren und auf das notwendige Maß zu beschränken. 233) AT 4.3.4 Rz. 4 MaRisk 2017; AT 4.3.4 Rz. 4 Erläuterungen MaRisk 2017. Erforderlich sind auch Verfahren und Prozesse zum Abgleich von Risikodaten und Daten in den Risikoberichten, mittels derer Datenfehler und Schwachstellen in der Datenqualität identifiziert werden können.

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

§ 11

Verfügung stehen und dass Informationen ad hoc nach unterschiedlichen Kategorien ausgewiesen und analysiert werden können.234) ee)

Internes Berichtswesen

Ein ausreichendes internes Berichtswesen ist Voraussetzung für ein wirksames Risiko- 79 management.235) Nach § 25c Abs. 4a Nr. 3 lit. d, e und g KWG haben die Geschäftsleiter dafür Sorge zu tragen, dass in angemessenen Abständen, mindestens vierteljährlich, an die Geschäftsleitung und seitens derselben an das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan über die Risikosituation und ihre Beurteilung sowie von der Internen Revision an die Geschäftsleitung und das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan berichtet wird.236) Die MaRisk verlangen die turnusmäßige Erstellung bestimmter (Risiko-)Berichte.237) Au- 80 ßerdem muss (i) das Unternehmen in der Lage sein, gebotene Ad-hoc-Risikoinformationen zu generieren238) und müssen (ii) unter Risikogesichtspunkten wesentliche Informationen unverzüglich weitergeleitet werden (siehe Rz. 56). Risikoberichte müssen nach den MaRisk allgemein x

in einem angemessenen zeitlichen Rahmen erstellt werden, der eine aktive und zeitnahe Risikosteuerung auf ihrer Basis ermöglicht,

x

auf vollständigen, genauen und aktuellen Daten beruhen,

x

die Risikosituation nachvollziehbar und aussagefähig darstellen und beurteilen, wobei insbesondere auch auf die Ergebnisse der Stresstests und deren potentielle Auswirkungen auf die Risikosituation und das Risikodeckungspotential und die ihnen zugrunde liegenden wesentlichen Annahmen sowie auf Risikokonzentrationen und deren potentielle Auswirkungen einzugehen ist,

x

eine zukunftsorientierte Risikoeinschätzung enthalten und sich nicht ausschließlich auf aktuelle und historische Daten stützen sowie

x

bei Bedarf Handlungsvorschläge (z. B. zur Risikoreduzierung) vorsehen.239)

___________ 234) Vgl. dazu i. E.: AT 4.3.4 Rz. 5 f. MaRisk 2017; AT 4.3.4 Rz. 5 und 6 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. zum SREP: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 130. Vgl. zu Datenaggregationsfähigkeiten für die Zwecke der Stresstests: EBA, Leitlinien zu den Stresstests der Institute, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/04), Rz. 40 ff. 235) Vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 145 f.; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 96. Im öffentlich konsultierten Entwurf in der MaRisk-Novelle 2017 (vgl. MaRisk-E 2016) wurde die Bedeutung des Berichtswesens im Vergleich zum Zwischenentwurf v. 23.6.2016 und zur finalen Fassung noch stärker unterstrichen, indem die Vorgaben zur Berichterstattung insgesamt weitgehend in Modul BT 3 „gebündelt“ wurden. 236) Der Inhalt der Berichte wird gesetzlich nicht konkretisiert. S. zur direkten Kommunikation zwischen den Leitern der Kontrollfunktionen und dem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan Rz. 172 und Fn. 465. 237) Die interne Risikoberichterstattung sollte auch Nachhaltigkeitsrisiken hinreichend adressieren, sofern über diese nicht als Teil anderer Risikoarten berichtet wird (BaFin, Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, v. 20.12.2019, S. 31). 238) BT 3.1 Rz. 3 MaRisk 2017. 239) Vgl. dazu i. E.: BT 3.1 Rz. 1 ff. MaRisk 2017; BT 3.1 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 135, 137, 145 f., 180, 181 f. Vgl. zu den Vorgaben der EBA für den SREP: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 96. Vgl. auch: Andrae in: Becker/Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, S. 395, 400 ff. Wichtig ist nach den MaRisk eine inhaltlich aussagekräftige Aufarbeitung der Informationen mit einem angemessenen Verhältnis zwischen quantitativen und qualitativen Informationen (BT 3.1 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017; BaFin, MaRisk-Novelle 2017 – Veröffentlichung der Endfassung, Anschreiben v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002), S. 3).

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§ 11

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81 Die MaRisk sehen die im Folgenden dargelegten spezifischen Berichtspflichten vor:240) 82 Die Risikocontrolling-Funktion hat regelmäßig Einzelrisikoberichte und einen Gesamtrisikobericht zu erstellen und der Geschäftsleitung vorzulegen.241) Der Gesamtrisikobericht enthält die wesentlichen Informationen zu jeder als wesentlich eingestuften Risikoart, die Stresstestergebnisse und Informationen zu Risikokonzentrationen, zur Angemessenheit der Kapitalausstattung, zum aufsichtsrechtlichen und ökonomischen Kapital sowie zu den aktuellen und prognostizierten Kapital- und Liquiditätskennzahlen und Refinanzierungspositionen.242) Zum Inhalt der Einzelrisikoberichte, die sich jeweils nur auf eine einzelne wesentliche Risikoart beziehen, machen die MaRisk ebenfalls jeweils konkrete Vorgaben.243) Diese Berichterstattung muss grundsätzlich mindestens vierteljährlich erfolgen; abhängig von der Risikoart und von Art, Umfang, Komplexität, Risikogehalt und Volatilität der jeweiligen Positionen sowie der Marktentwicklung kann auch eine monatliche, wöchentliche oder tägliche Berichterstattung über einzelne Risikoarten erforderlich sein.244) 83 Die Compliance-Funktion hat der Geschäftsleitung mindestens jährlich und anlassbezogen zu berichten, wobei sie auf die Angemessenheit und Wirksamkeit der internen Vorgaben zur Einhaltung der wesentlichen rechtlichen Vorgaben sowie auf mögliche Defizite und Maßnahmen zu deren Behebung eingehen muss; die Berichte sind an das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan und die Interne Revision weiterzuleiten.245) Weitere Anforderungen bestehen für die Wertpapiercompliance-Funktion.246)

___________ 240) Auch die EZB stellt Anforderungen an die Berichterstattung; vgl. z. B. zur Berichterstattung im Hinblick auf den ICAAP und den ILAAP: EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 10 f.; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Liquiditätsausstattung (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP), v. 9.11.2018, S. 11. 241) BT 3.2 Rz. 1 ff. MaRisk 2017. Vgl. allgemein auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 135, 169, 170, 172, 174 f., 180, 181 f. 242) Vgl. BT 3.2 Rz. 2 MaRisk 2017. Vgl. zu Einzelheiten: BT 3.2 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017. 243) Vgl. zum Risikobericht über Adressenausfallrisiken (einschließlich der wesentlichen strukturellen Merkmale des Kreditgeschäfts): BT 3.2 Rz. 3 MaRisk 2017 sowie BT 3.2 Rz. 3 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. zum Risikobericht über Marktpreisrisiken (einschließlich Zinsänderungsrisiken): BT 3.2 Rz. 4 MaRisk 2017 sowie BT 3.2 Rz. 4 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. zum Risikobericht über Liquiditätsrisiken und die Liquiditätssituation: BT 3.2 Rz. 5 MaRisk 2017. Vgl. zum Risikobericht über bedeutende Schadensfälle und wesentliche operationelle Risiken: BT 3.2 Rz. 6 MaRisk 2017. Vgl. zu den Risikoberichten über sonstige wesentliche Risiken: BT 3.2 Rz. 7 MaRisk 2017. Vgl. auch den Überblick bei: Andrae in: Becker/Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, S. 395, 405 ff. 244) BT 3.2 Rz. 1 MaRisk 2017. In Stressphasen ist der Turnus zu erhöhen, soweit dies für die aktive und zeitnahe Risikosteuerung erforderlich ist (BT 3.2 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017). Systemrelevante und kapitalmarktorientierte Institute müssen über Liquiditätsrisiken und -situation mindestens monatlich berichten (BT 3.2 Rz. 5 MaRisk 2017). Die Gesamtrisikopositionen, die Ergebnisse für das Handelsbuch und die Limitauslastungen sind (in Abstimmung mit dem Handel) grundsätzlich zeitnah am nächsten Geschäftstag an den für das Risikocontrolling zuständigen Geschäftsleiter zu berichten (BT 3.2 Rz. 4 MaRisk 2017). Über bedeutende Schadensfälle und wesentliche operationelle Risiken ist mindestens jährlich zu berichten (BT 3.2 Rz. 6 MaRisk 2017). 245) AT 4.4.2 Rz. 7 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 193; Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 1 ff. zu AT 4.4.2 Rz. 6 MaRisk. 246) Vgl. Art. 22 Abs. 2 lit. c und Abs. 3 lit. c, Art. 25 Abs. 2 Delegierte VO (EU) 2017/565; § 81 Abs. 4 WpHG. Vgl. auch: BT 1.2.2 MaComp; ESMA, Consultation Paper, Guidelines on certain aspects of the MiFID II compliance function requirements, v. 15.7.2019 (ESMA35-43-2019), Annex III, Rz. 31 ff.; ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Compliance-Funktion, v. 25.6.2012 (ESMA/2012/388), Rz. 27 ff.

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

§ 11

Die BaFin hatte in dem öffentlich konsultierten Entwurf der MaRisk-Novelle 2017 im 84 Modul BT 3.4 „gebündelte“ Berichtspflichten der Markt- und Handelsbereiche vorgesehen.247) Dieses Modul ist im Zwischenentwurf und in der finalen Fassung ersatzlos gestrichen worden;248) Berichtspflichten dieser Bereiche sind weiterhin vereinzelt in anderen Modulen der MaRisk vorgesehen.249) Das zentrale Auslagerungsmanagement (siehe Rz. 217) hat mindestens jährlich einen 85 Bericht über die wesentlichen Auslagerungen zu erstellen und der Geschäftsleitung zur Verfügung zu stellen. In diesem muss festgestellt werden, ob die erbrachten Dienstleistungen den Vereinbarungen entsprechen, ob die ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse angemessen gesteuert und überwacht werden können und ob weitere risikomindernde Maßnahmen ergriffen werden sollen.250) Die Interne Revision muss über jede Prüfung zeitnah einen schriftlichen Bericht erstel- 86 len und grundsätzlich den fachlich zuständigen Geschäftsleitern (bzw. bei schwerwiegenden Mängeln unverzüglich der Geschäftsleitung) vorlegen.251) Der Bericht muss insbesondere den Prüfungsgegenstand, die Feststellungen, die Beurteilung der Prüfungsergebnisse sowie ggf. vorgesehene Maßnahmen enthalten; wesentliche Mängel sind besonders herauszustellen.252) Darüber hinaus ist zeitnah ein Quartalsbericht über die seit dem Stichtag des letzten Quartalsberichts durchgeführten Prüfungen zu verfassen und der Geschäftsleitung und dem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan vorzulegen. Dieser muss über die wesentlichen oder höher eingestuften Mängel, die beschlossenen Maßnahmen, deren Status sowie darüber informieren, ob und inwieweit die Vorgaben des Prüfungsplans eingehalten wurden.253) In einem Jahresbericht ist über die im Jahresablauf festgestellten schwerwiegenden und über die noch nicht behobenen wesentlichen Mängel in inhaltlich prägnanter Form an die Geschäftsleitung und an das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan zu berichten, wobei die aufgedeckten schwerwiegenden Mängel, die beschlossenen Maßnahmen und deren Status besonders hervorzuheben sind; über besonders schwerwiegende Mängel ist ___________ 247) BT 3.4 MaRisk-E 2016. 248) Hingegen wurden die Berichtspflichten der Compliance-Funktion und des zentralen Auslagerungsmanagements (s. Rz. 83 und Rz. 85), die zunächst in den (ebenfalls gestrichenen) Modulen BT 3.3 und BT 3.5 MaRisk-E 2016 vorgesehen waren, im MaRisk-ZwischenE 2016 und in der finalen Fassung der MaRisk 2017 an anderer Stelle eingefügt. 249) So besteht die Pflicht, Handelsgeschäfte zu nicht marktgerechten Bedingungen mit entsprechender Bedeutung an die Geschäftsleitung zu berichten (BTO 2.2.1 Rz. 2 MaRisk 2017) oder die Pflicht, Überschreitungen von Kontrahenten- und Emittentenlimiten ab einer unter Risikogesichtspunkten festgelegten Höhe den zuständigen Geschäftsleitern täglich anzuzeigen (BTR 1 Rz. 5 MaRisk 2017). Neben spezifisch geregelten Berichtspflichten sind solche ggf. auch aus allgemeinen Grundsätzen und (Kommunikations-)Vorgaben abzuleiten. 250) AT 9 Rz. 13 MaRisk 2017. Dabei sind die dem Institut vorliegenden Informationen bzw. die institutsinterne Bewertung der Dienstleistungsqualität des Auslagerungsunternehmens zu berücksichtigen. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 102. 251) BT 2.4 Rz. 1 MaRisk 2017. Institute müssen im Hinblick auf ihre (potentielle) Bedeutung „wesentliche“, „schwerwiegende“ und „besonders schwerwiegende“ Mängel (sowie, nach eigenem Ermessen, auch weniger relevante Mängel) eigenverantwortlich abgrenzen (BT 2.4 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017). Alle Revisionsberichte (und die zugrunde liegenden Arbeitsunterlagen) sind sechs Jahre aufzubewahren (BT 2.4 Rz. 6 MaRisk 2017). 252) BT 2.4 Rz. 1 MaRisk 2017. Sind sich die geprüfte Organisationseinheit und die Interne Revision hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen uneinig, gibt erstere eine Stellungnahme ab (BT 2.4 Rz. 3 MaRisk 2017). 253) BT 2.4 Rz. 4 MaRisk 2017. Die Berichterstattung an das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan kann über die Geschäftsleitung erfolgen, sofern keine nennenswerte Verzögerung entsteht und der Inhalt deckungsgleich ist (BT 2.4 Rz. 4 Erläuterungen MaRisk 2017). Die Vorgaben in BT 2.4 Rz. 4 MaRisk 2017 gelten entsprechend für die Konzernrevision, vgl. AT 4.5 Rz. 6 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 135.

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Organisatorische Anforderungen

unverzüglich zu berichten.254) Ergeben sich schwerwiegende Feststellungen gegen Geschäftsleiter, ist unverzüglich an die Geschäftsleitung zu berichten, die unverzüglich den Vorsitzenden des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans sowie die BaFin und die Deutsche Bundesbank zu informieren hat.255) 87 Die Geschäftsleitung muss dem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan mindestens vierteljährlich über die Risikosituation angemessen schriftlich berichten, wobei sie die Risikosituation angemessen darstellen und beurteilen und auf besondere Risiken für die Geschäftsentwicklung und insoweit geplante Maßnahmen der Geschäftsleitung gesondert eingehen muss.256) Für das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan unter Risikogesichtspunkten wesentliche Informationen sind entsprechend eines von den Organen gemeinsam festgelegten geeigneten Verfahrens unverzüglich weiterzuleiten.257) 88 Neben den in diesem Abschnitt dargelegten Berichtspflichten nach den MaRisk bestehen weitere institutsinterne Berichtspflichten, z. B. Berichte des Informationssicherheitsbeauftragten,258) Berichte des Beauftragten für den Schutz von Kundenfinanzinstrumenten,259) Vergütungskontrollberichte, Berichte des Geldwäsche- oder Datenschutzbeauftragten, Beschwerdeberichte.260) oder die diversen Berichtspflichten nach der CRR.261) Diese können hier nicht dargestellt werden. 89 Die internen Berichtspflichten werden um Offenlegungspflichten ergänzt. Diese betreffen etwa gemäß § 26a Abs. 1 Satz 1 KWG die rechtliche und organisatorische Struktur und die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung (siehe Rz. 113 f.) sowie die nach Artt. 435 bis 455 CRR erforderlichen Angaben, welche u. a. wesentliche Angaben zum Risikomanagement nach Art. 435 CRR einschließen.262) ff)

Stresstests

90 Die Geschäftsleiter haben nach § 25c Abs. 4a Nr. 3 lit. f KWG dafür Sorge zu tragen, dass regelmäßig angemessene Stresstests für die wesentlichen Risiken und das Gesamtrisikoprofil263) durchgeführt werden und auf Grundlage der Ergebnisse möglicher Handlungs___________ 254) BT 2.4 Rz. 4 MaRisk 2017. Der vierte Quartals- und der Jahresbericht können als gesonderte Abschnitte in einen Bericht aufgenommen werden (BT 2.4 Rz. 4 Erläuterungen MaRisk 2017). 255) BT 2.4 Rz. 5 MaRisk 2017. Kommt die Geschäftsleitung ihrer Berichtspflicht nicht nach oder beschließt sie keine sachgerechten Maßnahmen, muss die Interne Revision den Vorsitzenden des Aufsichtsorgans unterrichten. 256) BT 3.1 Rz. 5 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/ GL/2017/11), Rz. 30. Adressat soll grundsätzlich jedes Organmitglied, kann unter bestimmten Voraussetzungen aber auch ein Ausschuss sein (BT 3.1 Rz. 5 Erläuterungen MaRisk 2017; s. zum Risikoausschuss: Rz. 181). 257) BT 3.1 Rz. 5 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/ GL/2017/11), Rz. 30. 258) Vgl. Abschn. II. 3 Rz. 8 und 14, Abschn. II. 4 Rz. 22 BAIT. Vgl. auch: EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/GL/2019/04), Guidelines, Rz. 11, 24. 259) BaFin, Rundschreiben 7/2019 (WA), Mindestanforderungen an die ordnungsgemäße Erbringung des Depotgeschäfts und den Schutz von Kundenfinanzinstrumenten für Wertpapierdienstleistungen (MaDepot), v. 16.8.2019, Ziff. 2.1.5.2. 260) Vgl. z. B.: BaFin, Rundschreiben 6/2018 (BA und WA) – Mindestanforderungen an das Beschwerdemanagement, v. 4.5.2018; BT 12.2 MaComp. 261) Vgl. z. B.: Art. 103(b)(iv), Art. 189 Abs. 1, 3, Art. 190 Abs. 1, 2(b), Art. 221 Abs. 4(b)(iii), (c), Art. 286 Abs. 5, Art. 287 Abs. 2(b), (c), Abs. 3(f), Art. 290 Abs. 9, Art. 293 Abs. 1(d), Art. 320(c), Art. 321(c), Art. 368 Abs. 1(b), (c) CRR. 262) Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 217. Vgl. auch die Anpassung der Artt. 435 ff. CRR durch die CRR II. 263) Vgl. BaFin, Protokoll zur Sitzung des Fachgremiums MaRisk am 5.11.2018 in Frankfurt, Ziff. 6.

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

§ 11

bedarf geprüft wird.264) Durch Stresstests werden die Auswirkungen spezifischer Veränderungen bzw. Szenarien auf das individuelle Risikopotential auf den relevanten Ebenen (z. B. Gesamtinstitut, Geschäftsbereich oder Portfolio) geprüft, wobei außergewöhnliche, aber plausibel mögliche Ereignisse abzubilden sind.265) Nach den MaRisk müssen die Methoden bzw. Szenarien Art, Umfang, Komplexität und 91 Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten sowie die strategische Ausrichtung und das wirtschaftliche Umfeld hinreichend widerspiegeln, sich auf angenommene Risikokonzentrationen und Diversifikationseffekte erstrecken, Risiken aus Verbriefungstransaktionen und außerbilanziellen Gesellschaftskonstruktionen berücksichtigen sowie die Auswirkungen eines schweren konjunkturellen Abschwungs auf Gesamtinstitutsebene analysieren.266) Zusätzlich sind inverse Stresstests erforderlich.267) Die BaFin fordert außerdem, dass die Stresstests die Nachhaltigkeits- bzw. ESG-Risiken in geeigneter Weise abbilden.268) Die Angemessenheit der Stresstests sowie die ihnen zugrunde liegenden Annahmen sind 92 nach den MaRisk regelmäßig, mindestens jährlich, zu überprüfen.269) Die Ergebnisse sind kritisch zu reflektieren, auf Handlungsbedarf zu prüfen und bei der Beurteilung der Risikotragfähigkeit angemessen zu berücksichtigen; als Beispiele möglicher Maßnahmen sind in den MaRisk eine verschärfte Risikoüberwachung, eine Anpassung der Limite oder der geschäftspolitischen Ausrichtung und eine Erhöhung des Risikodeckungspotentials genannt.270) Auch die EZB hat verschiedene Anforderungen an Stresstests gestellt.271) Sie fordert u. a., 93 dass die ICAAP- und ILAAP-Stresstests ineinander einfließen, dass die Institute bei der Definition plausibler adverser Szenarien den Schwerpunkt auf ihre größten Anfälligkeiten legen, dass die Angemessenheit der Stresstest-Szenarien mindestens vierteljährlich überprüft wird und dass mindestens jährlich reverse Stresstests durchgeführt werden.

___________ 264) Nach AT 4.3.3 Rz. 1 MaRisk 2017 sind vom Institut auch anlassbezogene Stresstests durchzuführen. Darüber hinaus sind aufsichtliche Stresstests möglich (vgl. nur: § 6b Abs. 3 KWG; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 570 ff.). 265) Vgl. AT 4.3.3 Rz. 1, 3 MaRisk 2017; AT 4.3.3 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 39 ff. 266) AT 4.3.3 Rz. 1, 3 MaRisk 2017; AT 4.3.3 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017. Die Stresstests müssen die Veränderung eines und die simultane Veränderung mehrerer Risikofaktoren analysieren (vgl. AT 4.3.3 Rz. 3 MaRisk 2017; AT 4.3.3 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017). Für Stresstests des Gesamtrisikoprofils sind geeignete übergeordnete Szenarien zu definieren entsprechend den Anforderungen von AT 4.3.3 Rz. 2 MaRisk 2017 und weiterer Anforderungen der BaFin (vgl. z. B.: BaFin, Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, v. 24.5.2018, Rz. 63 f.). 267) AT 4.3.3 Rz. 4 MaRisk 2017; AT 4.3.3 Rz. 4 Erläuterungen MaRisk 2017. Inverse Stresstests analysieren, welche Ereignisse die Überlebensfähigkeit gefährden könnten. Nach den MaRisk ist die Überlebensfähigkeit gefährdet, wenn sich das ursprüngliche Geschäftsmodell als nicht mehr durchführbar bzw. tragbar erweist. 268) BaFin, Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, v. 20.12.2019, S. 34 ff. 269) AT 4.3.3 Rz. 5 MaRisk 2017. 270) AT 4.3.3 Rz. 6 MaRisk 2017; AT 4.3.3 Rz. 6 Erläuterungen MaRisk 2017. Die Ergebnisse inverser Stresstests müssen in der Regel bei der Beurteilung der Risikotragfähigkeit nicht berücksichtigt werden (vgl. die AT 4.3.3 Rz. 4 Erläuterungen MaRisk 2017). 271) Vgl. z. B. EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 39 ff.; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Liquiditätsausstattung (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP), v. 9.11.2018, S. 29 ff.

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94 Die EBA hat ihre Vorgaben zu Stresstests im Jahr 2018 überarbeitet.272) Sie gibt Mindestinhalte für ein (regelmäßig zu beurteilendes und zu aktualisierendes) Stresstest-Programm vor; das Leitungsorgan muss dieses genehmigen und dessen Umsetzung und Leistung überwachen.273) Auch stellt die EBA Anforderungen an die zugehörige Governance und Dateninfrastruktur sowie an den Umfang und Anwendungsbereich von Stresstests auf den relevanten Ebenen, an bestimmte Stresstvarianten und an Stresstests für einzelne Risikoarten und Risikobereiche.274) Die Institute müssen „glaubwürdige Maßnahmen“ der Geschäftsleitung festlegen und bestimmen, wann diese als Reaktion auf Stresstestergebnisse ergriffen werden müssen.275) Das BCBS hat ebenfalls einige Vorgaben gemacht.276) gg)

Anpassungsprozesse

95 Da die Aufnahme neuer Geschäftsaktivitäten, die Änderung betrieblicher Prozesse und Strukturen sowie eine Übernahme oder Fusion neue Risikodimensionen eröffnen kann, müssen Unternehmen entsprechende Anpassungsprozesse vorsehen.277) 96 Für die Aufnahme von Geschäftsaktivitäten in neuen Produkten, auf neuen Märkten oder mittels neuer Vertriebswege ist ein Prozess vorzusehen (Neu-Produkt-Prozess).278) Die Aufnahme erfordert grundsätzlich ein vorheriges Konzept. In diesem müssen auf Basis der Ergebnisse der Analyse des Risikogehalts der Geschäftsaktivitäten und ihrer Auswirkungen auf das Gesamtrisikoprofil die wesentlichen Konsequenzen für das Risikomanagement dargestellt werden (z. B. betreffend die Organisation, die Abläufe, das Personal, die IT, die Risikobeurteilung oder wesentliche rechtliche Aspekte).279) Bei Handelsgeschäften ist grundsätzlich auch der erfolgreiche Abschluss einer Testphase notwendig.280) In die Erstellung des Konzepts und in die Testphase einzubeziehen sind jeweils die später in die Arbeitsabläufe eingebundenen Organisationseinheiten sowie, i. R. ihrer jeweiligen Aufgaben, auch die Risikocontrolling- und die Compliance-Funktion, der Geldwäschebe___________ 272) Die Leitlinien der EBA zu den Stresstests der Institute, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/04) haben zum 1.1.2019 die zuvor anwendbaren Guidelines on Stress Testing, v. 26.8.2010 (GL32) ersetzt. Vgl. für die Vorgaben an den SREP: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 110 ff. 273) EBA, Leitlinien zu den Stresstests der Institute, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/04), Rz. 12 ff., 17, 23 ff. 274) EBA, Leitlinien zu den Stresstests der Institute, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/04), Rz. 23 ff., 33 ff., 47 ff., 59 ff., 102 ff. und 187 ff. 275) EBA, Leitlinien zu den Stresstests der Institute, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/04), Rz. 194 ff. 276) BCBS, Stress testing principles, v. 17.10.2018. 277) Vgl. Auerbach, Banken- und Wertpapieraufsicht, S. 138. 278) Vgl. AT 8.1 Rz. 1 ff. MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/ GL/2017/11), Rz. 147 ff. Der Neu-Produkt-Prozess ist in den in AT 8.1 Rz. 8 MaRisk 2017 genannten Fällen anlassbezogen zu überprüfen und bei Mängeln unverzüglich anzupassen. Er wird i. R. des SREP bewertet (EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 89, 96, 128 f.). Vgl. zur Umsetzung des Neu-Produkt-Prozesses: Dörr in: Becker/Gruber/Heuter, Hdb. MaRisk, S. 155, 158 ff. 279) AT 8.1 Rz. 1 MaRisk 2017; AT 8.1 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 151 f.; § 80 Abs. 9 ff. WpHG und §§ 11 ff. WpDVerOV; EBA, Leitlinien für Überwachung und Governance von Bankprodukten im Privatkundengeschäft, v. 15.7.2015 (EBA/GL/2015/18); BaFin, Konsultation 8/2017, Rundschreiben zur Überwachung und Steuerung von Finanzprodukten im Privatkundengeschäft, v. 21.7.2017. Bei der Entscheidung, ob eine neue Geschäftsaktivität vorliegt, ist ein von den Bereichen Markt bzw. Handel unabhängiger Bereich einzubinden (AT 8.1 Rz. 3 MaRisk 2017; vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 152). Die Entscheidung ist grundsätzlich nicht schematisch. Können die neuen Aktivitäten nach Einschätzung der in die Arbeitsabläufe eingebundenen Organisationseinheiten sachgerecht gehandhabt werden, sind Konzept und Testphase nicht erforderlich (AT 8.1 Rz. 7 MaRisk 2017). 280) Vgl. i. E.: AT 8.1 Rz. 4 MaRisk 2017; AT 8.1 Rz. 4 Erläuterungen MaRisk 2017.

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auftragte und die Interne Revision (soweit ihre Unabhängigkeit gewahrt ist).281) In der Praxis sehen die internen Vorgaben für den Neu-Produkt-Prozess teilweise mit Vertretern aller relevanten Einheiten besetzte Komitees vor, um zeitnahe Entscheidungen sicherzustellen. Das Konzept und die Aufnahme der laufenden Geschäftstätigkeit bedarf der Genehmi- 97 gung der zuständigen Geschäftsleiter unter Einbeziehung der für die Überwachung der Geschäfte verantwortlichen Geschäftsleiter; die Genehmigung kann nur delegiert werden, sofern dafür klare Vorgaben gemacht wurden und die Geschäftsleitung zeitnah über die Entscheidungen informiert wird.282) Die Unternehmen müssen einen Katalog der Produkte und Märkte vorhalten, die Ge- 98 genstand der Geschäftsaktivitäten sein sollen und in einem angemessenen Turnus überprüfen, ob die Produkte noch verwendet werden.283) Vor wesentlichen Veränderungen in der Aufbau- und Ablauforganisation sowie in 99 den IT-Systemen müssen die Unternehmen auf Grundlage ihrer internen Vorgaben für den Anpassungsprozess deren Auswirkungen auf die Kontrollverfahren und die Kontrollintensität analysieren.284) Die BAIT stellen insoweit umfangreiche Anforderungen an ITProjekte und die Anwendungsentwicklung.285) Auch vor einer Übernahme anderer Institute oder einer Fusion mit anderen Instituten 100 ist ein Konzept zu erarbeiten.286) d)

Ressourcen

Ein angemessenes Risikomanagement erfordert auch eine angemessene personelle und 101 technisch-organisatorische Ausstattung, die sich quantitativ und qualitativ an den betriebsinternen Erfordernissen, den Geschäftsaktivitäten und der Risikosituation orientiert (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und § 25c Abs. 4a Nr. 4 KWG). aa)

Personelle Ausstattung

Alle erforderlichen Organisationseinheiten müssen mit einer ausreichenden Anzahl hin- 102 reichend qualifizierter Mitarbeiter besetzt sein.287) Mitarbeiter und ihre Vertreter (einschließlich Leiharbeiter) müssen allgemein über die für ihre Aufgaben, Kompetenzen und ___________ 281) AT 8.1 Rz. 5 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/ GL/2017/11), Rz. 151 f., 172 f., 194. Vgl. zur Compliance-Funktion bei Wertpapierdienstleistungen: BT 1.2.4 Ziff. 3 MaComp. 282) AT 8.1 Rz. 6 MaRisk 2017. Vgl. auch: § 81 Abs. 4 WpHG. 283) AT 8.1 Rz. 2 MaRisk 2017; BaFin, Protokoll zur Sitzung des Fachgremiums MaRisk am 5.11.2018 in Frankfurt, Ziff. 8. Produkte, die über einen längeren Zeitraum nicht mehr Gegenstand der Geschäftstätigkeit waren, sind zu kennzeichnen. Vor Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit müssen die in die Arbeitsabläufe eingebundenen Organisationseinheiten das Fortbestehen der beim letztmaligen Geschäftsabschluss vorherrschenden Geschäftsprozesse bestätigen. Bei Veränderungen ist zu prüfen, ob der Neu-Produkt-Prozess erneut durchlaufen werden muss. 284) Vgl. AT 8.2 Rz. 1 MaRisk 2017. Vgl. auch: Abschn. II. 7 Rz. 48 f. BAIT; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 147 f., 151 f. Wie bei der Aufnahme neuer Geschäftsaktivitäten sind in die Analyse die betroffenen Organisationseinheiten und besonderen Funktionen einzubeziehen. 285) Vgl. Abschn. II. 6 BAIT. Vgl. auch: EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/GL/2019/04), Guidelines, Rz. 13. 286) Vgl. dazu i. E.: AT 8.3 Rz. 1 MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 148. 287) Vgl. AT 7.1 MaRisk 2017 sowie spezifisch für das Informationsrisiko- und -sicherheitsmanagement, den IT-Betrieb und die Anwendungsentwicklung: Abschn. II. 2 Rz. 5 BAIT.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

Verantwortlichkeiten erforderlichen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen verfügen. Teilweise bestehen ausdrückliche Vorgaben; siehe für die Anforderungen an Organmitglieder Rz. 159 ff. und 174 ff., für die Anforderungen an bestimmte Funktionsträger z. B. Rz. 67, 71, 75 und 134, für Inhaber von Schlüsselfunktionen288) bei bestimmten Instituten die Vorgaben der EBA289) und für bestimmte Mitarbeiter exemplarisch die Vorgaben in § 87 WpHG i. V. m. der WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung (WpHGMaAnzV)290) oder § 18a Abs. 6 KWG i. V. m. der Immobiliar-Darlehensvergabe-Sachkunde-Verordnung (ImmoDarlSachkV). Durch geeignete Maßnahmen ist ein angemessenes Qualifikationsniveau fortlaufend zu gewährleisten.291) Erforderlich ist also u. a. eine laufende Aus- und Weiterbildung.292) 103 Institute werden sich oft an den üblichen Personalmanagementkonzepten orientieren, die als fortlaufende Prozessschritte insbesondere die Personalbedarfsplanung, -auswahl, -integration und -entwicklung vorsehen.293) Bei der Personalbedarfsplanung ist zu berücksichtigen, dass auch die Abwesenheit oder das Ausscheiden von Mitarbeitern nicht zu ___________ 288) Nach der Definition der EBA sind Inhaber von Schlüsselfunktionen Personen, die einen bedeutenden Einfluss auf die Leitung des Instituts haben, ohne Chief Executive Officer (CEO) bzw. Organmitglied zu sein (ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 15; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 14. Derartige Personen sind die Leiter der internen Kontrollfunktionen (Risikocontrolling-Funktion, Compliance-Funktion und Interne Revision) sowie der Chief Financial Officer (CFO), soweit sie nicht Organmitglied sind. Inhaber von Schlüsselfunktionen sind auch weitere Personen, bei denen ein CRR-Institut auf Basis eines risikobasierten Ansatzes feststellt, dass sie die Anforderungen erfüllen. Dies können z. B. Leiter bedeutsamer Geschäftsbereiche oder die Leiter von EWR-/EFTA-Zweigstellen oder -niederlassungen, von Drittstaatentochterunternehmen oder von sonstigen internen Funktionen sein. 289) Für Inhaber von Schlüsselfunktionen bei bestimmten Instituten verlangt die EBA im Hinblick auf die konkrete Position eine Prüfung der fachlichen Geeignetheit und Zuverlässigkeit entsprechend den bei Organmitgliedern angewandten Grundsätzen. CRR-Institute müssen die fachliche Geeignetheit und Zuverlässigkeit der Inhaber von Schlüsselfunktionen vor Übernahme der Funktion (und, soweit erforderlich, während ihrer Ausübung erneut) prüfen und beurteilen und sich „Korrekturmaßnahmen“ vorbehalten bzw. solche ergreifen. Bedeutende CRR-Institute i. S. der EBA müssen die zuständige Aufsichtsbehörde rechtzeitig über das Ergebnis der Prüfung und Beurteilung betreffend die Leiter der internen Kontrollfunktionen und den CFO sowie über dahingehende „Korrekturmaßnahmen“ informieren (die Aufsichtsbehörde kann derartige Informationen von allen CRR-Instituten und für alle Inhaber von Schlüsselfunktionen verlangen). Die zuständige Aufsichtsbehörde muss die fachliche Eignung und Zuverlässigkeit der Leiter der internen Kontrollfunktionen und des CFO bei bedeutenden CRR-Instituten i. S. der EBA bei Übernahme der Funktion eigenständig beurteilen (sowie während der Ausübung erneut, soweit erforderlich) und erforderlichenfalls Maßnahmen ergreifen (vgl. auch: ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 37 ff., 116, 162 ff., 170 ff., 186 ff.). In Deutschland ist ein formeller aufsichtsbehördlicher Prozess für die Prüfung der fachlichen Eignung und Zuverlässigkeit der Inhaber von Schlüsselfunktionen bislang nicht vorgesehen (vgl. auch: ESMA/ EBA, Final Report, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/12), Accompanying Documents, S. 72). Die BaFin hat der EBA mitgeteilt, dass sie diese Anforderung auch nicht umsetzen wird (ESMA/EBA, Guidelines compliance table, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU (EBA/GL/2017/12 (ESMA71-99598)), v. 26.9.2017 (ESMA35-43-1215), S. 4 f.). 290) Vgl. auch: ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, v. 22.3.2016 (ESMA/2015/1886 DE (rev)); BT 11 MaComp. 291) AT 7.1 Rz. 2 MaRisk 2017. 292) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 616. Vgl. auch: EBA, Consultation Paper, Draft Guidelines on loan origination and monitoring, v. 19.6.2019 (EBA/CP/2019/04), Rz. 79; EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/ GL/2019/04), Guidelines, Rz. 4. 293) Vgl. z. B.: Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 739 f.

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

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nachhaltigen Störungen der Betriebsabläufe führen sollte;294) insoweit sind Inhaber von Schlüsselfunktionen sicherlich von besonderer Relevanz.295) bb)

Technisch-organisatorische Ausstattung

Umfang und Qualität der technisch-organisatorischen Ausstattung müssen für das 104 Unternehmen, insbesondere für die betriebsinternen Erfordernisse, für die Geschäftsaktivitäten und für die Risikosituation, angemessen sein.296) Die technisch-organisatorische Ausstattung umfasst diverse Sachmittel, wie Grundstücke, Gebäude oder Büroausstattung.297) In Anbetracht ihrer (laufend weiter steigenden) Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der Prozesse, die effiziente Bearbeitung und Überwachung von Geschäftsvorfällen und die Gewährleistung von Datensicherheit und Datenschutz, ist die IT allerdings in aller Regel die wichtigste Ressource.298) Dies gilt auch vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung und digitalen Vernetzung des Finanzsektors.299) Nach den MaRisk müssen IT-Systeme (Hard- und Software) und die zugehörigen IT- 105 Prozesse die Integrität, Verfügbarkeit, Authentizität und Vertraulichkeit der Daten sicherstellen.300) Insoweit ist bei ihrer Ausgestaltung grundsätzlich auf gängige Standards abzustellen und ihre Eignung regelmäßig von den fachlich und technisch zuständigen Mitarbeitern zu überprüfen.301) Es sind Prozesse für eine angemessene Berechtigungsvergabe einzurichten, die sicherstellen, dass jeder Mitarbeiter nur über die für seine Tätigkeit benötigten Rechte verfügt.302) IT-Systeme sind – entsprechend des festzulegenden Regelprozesses für ihre Entwicklung, ihr Testen, ihre Freigabe und ihre Implementierung – vor dem erstmaligen Einsatz und nach wesentlichen Veränderungen zu testen und von den fachlich und den technisch zuständigen Mitarbeitern abzunehmen.303) Auch sind für IT___________ 294) AT 7.1 Rz. 3 MaRisk 2017. 295) Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur Internen Governance (GL 44), v. 27.9.2011, Rz. 8.2.e. (aufgehoben). 296) AT 7.2 Rz. 1 MaRisk 2017; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 621. 297) Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 2 zu AT 7.2 Rz. 1 MaRisk. 298) Die BaFin spricht insoweit von der „‚Basisinfrastuktur‘ für sämtliche bankfachlichen, aber auch alle nichtbankfachlichen Prozesse in den Instituten“ bzw. davon, dass „IT-Governance und Informationssicherheit keine Randthemen mehr [sind], sondern … auch für die Aufsicht inzwischen den gleichen Stellenwert [haben], wie die Ausstattung der Institute mit Kapital und Liquidität“ (BaFin, Rundschreiben 10/2017 (BA), Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT – BAIT, Anschreiben v. 6.11.2017 [BA 51-K 3142-2017/0011]). 299) Vgl. nur: EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/ GL/2019/04), Background and rationale, Rz. 1; BaFin, Digitalisierungsstrategie, v. 8/2018; BaFin, Digitalisierung – Folgen für Finanzmarkt, Aufsicht und Regulierung (Teil II), BaFin-Perspektiven 1/2019. 300) AT 7.2 Rz. 2 MaRisk 2017. Vgl. auch: Abschn. II. 3 Rz. 11 BAIT. In AT 7.2 Rz. 5 MaRisk 2017 wird festgestellt, dass dass Modul AT 7.2 MaRisk 2017 entsprechend der Kritikalität der unterstützten Geschäftsprozesse und der Bedeutung der Anwendungen für diese Prozesse auch für durch Fachbereiche selbst entwickelte Anwendungen (Individuelle Datenverarbeitung, IDV) gilt. 301) AT 7.2 Rz. 2 MaRisk 2017; AT 7.2 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017. Das Abstellen auf gängige Standards erfordert allerdings nicht die Verwendung von Standardhardware- oder -software. Relevante Standards sind z. B. die IT-Grundschutzkataloge des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und die Sicherheitsstandards der ISO/IEC 27000er-Reihe der International Organization for Standardization (ISO) und der International Electrotechnical Commission (IEC) (vgl. Abschn. I Rz. 2 BAIT; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 623 ff.). 302) AT 7.2 Rz. 2 MaRisk 2017; AT 7.2 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. insb. auch: Abschn. II. 5 BAIT. Vgl. allgemein zum „Sparsamkeitsgrundsatz“ Rz. 42. 303) Vgl. AT 7.2 Rz. 3 MaRisk 2017; AT 7.2 Rz. 3 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. insb. auch: Abschn. II. 7 Rz. 48 f. BAIT.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

bzw. Informationsrisiken angemessene Überwachungs- und Steuerungsprozesse einzurichten (siehe Rz. 57). 106 Die Vorgaben der MaRisk werden in den BAIT durch detailliertere Vorgaben x

zur IT-Strategie und IT-Governance,

x

zum Informationsrisiko-, Informationssicherheits- und Benutzerberechtigungsmanagement,

x

zu IT-Projekten und zur Anwendungsentwicklung,

x

zum IT-Betrieb einschließlich Datensicherung,

x

zu Auslagerungen und zum sonstigem Fremdbezug von IT-Dienstleistungen sowie

x

zum Betrieb kritischer Infrastrukturen

konkretisiert.304) Auch die EBA hat nunmehr umfängliche, teilweise noch detailliertere IKT-Anforderungen zu den vorgenannten Themen aufgestellt, die ab 30.6.2020 anwendbar sein werden.305) 107 Hinsichtlich der IT- bzw. IKT-Sicherheit sind insbesondere die Vorgaben des Gesetzes über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) i. V. m. der BSIKritisverordnung306) sowie Anforderungen der EBA,307) EZB308) und BaFin zu beachten.309) Die BaFin verlangt in den MaRisk Maßnahmen zur Sicherstellung der Datensicher___________ 304) Vgl. Abschn. II BAIT. Die BaFin plant, die BAIT sukzessive zum zentralen IT-Anforderungskatalog für Institute auszubauen (BaFin, Digitalisierungsstrategie, v. 8/2018, S. 13). 305) EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/GL/2019/ 04). Vgl. zu den Vorgaben der EBA für den SREP: EBA, Leitlinien für die IKT-Risikobewertung im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP), v. 11.9.2017 (EBA/GL/ 2017/05). Vgl. auch: Joint Committee of the European Supervisory Authorities, Joint Advice of the European Supervisory Authorities: To the European Commission on the need for legislative improvements relating to ICT risk management requirements in the EU financial sector (JC 2019 26), v. 10.4.2019. 306) Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik – BSI-Gesetz, v. 14.8.2009, BGBl. I 2009, 1666. Für das Finanzwesen relevant ist die BSI-Kritisverordnung v. 22.4.2016, BGBl. I 2016, 958, i. d. F. der Ersten Verordnung zur Änderung der BSI-Kritisverordnung v. 21.6.2017, BGBl. I 2017, 1903 (vgl.: Gampe/Silberg, BaFin-Fachartikel v. 16.8.2017). Vgl. auch: BaFin, Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT Kritischer Infrastrukturen, Anschreiben v. 3.8.2018; Held, BaFinFachartikel v. 2.2.2015; Schmidl in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 28. 307) EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/GL/2019/ 04), Guidelines, Rz. 10 ff., 28 ff. Vgl. auch die Vorgaben der EBA für den SREP: EBA, Leitlinien für die IKT-Risikobewertung im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP), v. 11.9.2017 (EBA/GL/2017/05), Rz. 25 ff. Vgl. auch die Vorschläge in: Joint Committee of the European Supervisory Authorities, Joint Advice of the European Supervisory Authorities: To the European Commission on the need for legislative improvements relating to ICT risk management requirements in the EU financial sector (JC 2019 26), v. 10.4.2019; Joint Committee of the European Supervisory Authorities, Joint Advice of the European Supervisory Authorities: To the European Commission on the costs and benefits of developing a coherent cyber resilience testing framework for significant market participants and infrastructures within the whole EU financial sector (JC 2019 25), v. 10.4.2019. 308) Vgl. zu diesen z. B.: EZB, Rede v. Sabine Lautenschläger, Towards a more cyber secure financial system: the role of central banks, v. 10.5.2019; ECB, IT and cyber risk – the SSM perspective, v. 13.2.2019; EZB, Rede v. Sabine Lautenschläger, Cyber resiliance – objectives and tools, v. 9.3.2018; ECB, IT risk – ECB to roll out cyber incident reporting framework, v. 17.5.2017. Vgl. auch: ECB, Stocktake of IT risk supervision practices, v. 16.11.2016. Vgl. zum Rahmenwerk für kontrollierte und individuell abgestimmte Cyber-Hackingangriffe (Threat Intelligence-based Ethical Red Teaming – TIBER): ECB, TIBER-EU Framework: How to implement the European framework for Threat Intelligence-based Ethical Red Teaming, v. 5/2018; ECB, TIBER-EU Framework: Services Procurement Guidelines, v. 8/2018; ECB, TIBER-EU White Team Guidance: The roles and responsibilities of the White Team in a Threat Intelligence-based Ethical Red Teaming test, v. 12/2018. 309) Neben den hier erwähnten Quellen gibt es diverse Quellen auf den verschiedenen rechtlichen Ebenen, die die IT- bzw. IKT-Sicherheit der Finanzmarktinfrastruktur und ihrer Akteure betreffen. Diese werden in diesem Beitrag nicht betrachtet.

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

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heit, die sich am Schutzbedarf der verarbeiteten Daten orientieren; für einzelne Aktivitäten formuliert sie spezifische Vorgaben.310) Darüber hinaus enthalten die BAIT Anforderungen an das Informationssicherheitsmanagement. Erforderlich sind danach u. a. eine im Einklang mit den Strategien stehende Informationssicherheitsleitlinie, auf dieser aufbauende Informationssicherheitsrichtlinien und -prozesse einschließlich Maßnahmen bei Informationssicherheitsvorfällen sowie die Funktion eines Informationssicherheitsbeauftragten, die für die Wahrnehmung aller Belange der Informationssicherheit innerhalb des Instituts und gegenüber Dritten verantwortlich ist.311) Die entsprechenden Anforderungen der EBA schließen ebenfalls eine Informationssicherheitsrichtlinie und diverse sicherheitsbezogene Maßnahmen ein,312) einschließlich einer internen Kontrollfunktion für IKT- und Sicherheitsrisiken.313) Auch die Einhaltung des Datenschutzrechts314) erfordert angemessene technische und 108 organisatorische Maßnahmen (vgl. z. B. Art. 32 DSGVO, § 64 BDSG) einschließlich der Ernennung eines bei der Erfüllung seiner Aufgaben weisungsfreien Datenschutzbeauftragten (§§ 37 ff. DSGVO, § 38 BDSG). Besondere Anforderungen sind auch für die Auslagerung und den sonstigen Fremdbe- 109 zug von IT oder von Tätigkeiten mit IT-Bezug zu beachten (siehe Rz. 229). e)

Notfallkonzept

Erforderlich sind auch die Festlegung eines angemessenen Konzepts für Notfälle in 110 zeitkritischen Aktivitäten und Prozessen, die regelmäßige Durchführung von Notfalltests zur Überprüfung seiner Angemessenheit und Wirksamkeit sowie Berichte über deren Ergebnisse an die jeweils Verantwortlichen (§ 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 und § 25c Abs. 4a Nr. 5 KWG).315) Das Notfallkonzept muss den beteiligten Mitarbeitern zur Verfügung stehen.316) Es er- 111 fordert die Identifizierung und Analyse relevanter Notfallszenarien, Notfallpläne mit aus___________ 310) Vgl. AT 7.2 Rz. 5 MaRisk 2017. 311) Vgl. Abschn. II. 4 BAIT, wonach die Funktion des Informationssicherheitsbeauftragten, die grundsätzlich mit anderen Funktionen kombiniert werden kann, zur Vermeidung möglicher Interessenkonflikte organisatorisch und prozessual unabhängig auszugestalten und grundsätzlich im eigenen Haus vorzuhalten ist. 312) EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/GL/ 2019/04), Guidelines, Rz. 28 ff. 313) EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/GL/ 2019/04), Guidelines, Rz. 11. Um die Unabhängigkeit und Objektivität der Kontrollfunktion zu gewährleisten, soll diese angemessen von den IKT-Betriebsprozessen getrennt sein, unmittelbar gegenüber dem Leitungsorgan rechenschaftspflichtig und für die Überwachung und Kontrolle der Einhaltung des IKT- und Sicherheitsrisikomanagementrahmens zuständig sein. Sie soll sicherstellen, dass die IT- und Sicherheitsrisiken identifiziert, gemessen, bewertet, „verwaltet“, überwacht und berichtet werden. Vgl. auch die konsultierten Vorgaben (EBA, Consultation Paper, Draft Guidelines on ICT and security risk management, v. 13.12.2018 (EBA/CP/2018/15), Guidelines, Rz. 10 f., 32 f.) und die Erwägungen der EBA für die finale Fassung der Vorgaben: EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/GL/2019/04), Feedback on public consultation, S. 57 ff. 314) Datenschutzrechtliche Vorgaben enthalten insb. die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.4.2016 – Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), ABl. (EU) L 119/1 v. 4.5.2016 sowie das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). 315) Vgl. auch: AT 7.3 Rz. 1 f. MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 208 ff. Vgl. zum SREP: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 131. Die Begriffe „Notfall“ und „zeitkritisch“ sind im KWG und in den MaRisk nicht definiert. Vgl. zum Begriff „Notfall“: Empfehlung des BSI, IT-Grundschutz-Kataloge, B. 1. 3. Vgl. zum Begriff „zeitkritisch“: Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 777. Werden zeitkritische Aktivitäten und Prozesse ausgelagert, müssen die Notfallkonzepte des auslagernden Instituts und des Auslagerungsunternehmens aufeinander abgestimmt sein (AT 7.3 Rz. 1 MaRisk 2017). 316) AT 7.3 Rz. 2 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/ GL/2017/11), Rz. 213.

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Organisatorische Anforderungen

reichenden Maßnahmen für die Zeit vor und nach Eintritt des Notfalls und ein nachhaltiges Notfallmanagement durch Aktualisierung, Tests, Schulung der Mitarbeiter etc.317) Die Maßnahmen müssen (mindestens) geeignet sein, das Ausmaß möglicher Schäden bzw. wesentlicher operativer, finanzieller, rechtlicher, reputationsbezogener oder sonstiger Folgen zu reduzieren.318) Das Notfallkonzept muss Geschäftsfortführungs- und Wiederanlaufpläne umfassen und die Kommunikationswege festlegen.319) Geschäftsfortführungspläne müssen gewährleisten, dass der Geschäftsbetrieb im Notfall aufrechterhalten werden kann, dass also zeitnah Ersatzlösungen zur Verfügung stehen (z. B. ein Ersatzrechenzentrum, Datenbackups, Notstromaggregate oder Alternativprozesse); Wiederanlaufpläne müssen innerhalb eines angemessenen Zeitraums die Rückkehr zum Normalbetrieb ermöglichen.320) Fortlaufend wichtiger werden insoweit IT- bzw. IKT-bezogene Implikationen.321) f)

Unternehmensstruktur, interne Vorgaben, Unternehmens- und Risikokultur

112 In § 25c Abs. 3 KWG werden wesentliche Anforderungen an die interne Governance festgelegt und wird die dahingehende Verantwortung den Geschäftsleitern zugeordnet.322) 113 Nach § 25c Abs. 3 Nr. 4 KWG müssen die Geschäftsleiter für eine angemessene und transparente Unternehmensstruktur sorgen, die sich an den Strategien ausrichtet und der für ein wirksames Risikomanagement erforderlichen Transparenz der Geschäftsaktivitäten Rechnung trägt. Außerdem müssen sie die Struktur und die mit ihr verbundenen Risiken ausreichend kennen.323) Für Geschäftsleiter eines übergeordneten Unternehmens bezieht sich diese Pflicht auch auf die Gruppe gemäß § 25a Abs. 3 KWG.324) Nach den Gesetzesmaterialien soll derart den Anforderungen der EBA („know your structure“ bzw. „non-standard or non-transparent activities“) Rechnung getragen werden; neben einer übermäßigen und unangemessenen Komplexität, Intransparenz und nicht ausreichender Kenntnis sollen auch Konstruktionen verhindert werden, die vor allem dem Zweck dienen,

___________ 317) Vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 211, 213; Boos/ Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 645 ff. 318) Vgl. AT 7.3 Rz. 1 MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/11), Rz. 210. Ergänzend sind präventive Risikomanagementmaßnahmen möglich, die das Risiko des Eintritts von Notfällen reduzieren (EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 210). 319) AT 7.3 Rz. 2 MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/11), Rz. 212; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 643, 645. 320) AT 7.3 Rz. 2 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/ GL/2017/11), Rz. 212. 321) Vgl. § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 KWG; EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/GL/2019/04), Guidelines, Rz. 77 ff.; Abschn. II 1, 4, 9 BAIT. 322) Über die im Text genannten Vorgaben hinaus müssen die Geschäftsleiter der Festlegung der Strategien und den Risiken ausreichend Zeit widmen (§ 25c Abs. 3 Nr. 3 KWG), die Richtigkeit von Rechnungswesen und Finanzberichterstattung sicherstellen (§ 25c Abs. 3 Nr. 5 KWG) und die Prozesse hinsichtlich Offenlegung und Kommunikation überwachen (§ 25c Abs. 3 Nr. 6 KWG). Vgl. auch die zugrunde liegenden Anforderungen in Artt. 74, 76 und 88 CRD. 323) Nach der EBA sollten sie über eine schriftliche Beschreibung der Struktur verfügen (EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 67; EBA, Opinion of the European Banking Authority on issues related to the departure of the United Kingdom from the European Union, v. 12.10.2017 (EBA/Op/2017/12), Report, Rz. 105). S. zur Offenlegung: Rz. 89. Wesentlich für die Unternehmensstruktur ist auch die Sanierungsplanung (vgl. §§ 12 ff. SAG; s. § 15 [Cichy]). 324) Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 166, weist zu Recht darauf hin, dass die Gesetzesmaterialien über den Gesetzeswortlaut hinaus auch die Geschäftsleiter der nachgeordneten Unternehmen einbeziehen (wenn auch nicht primär).

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

§ 11

Anforderungen des KWG zu umgehen, einschließlich der Verlagerung von Aktivitäten in unregulierte Bereiche (Schattenbanken).325) Weiterhin müssen die Geschäftsleiter nach § 25c Abs. 3 Nr. 1 KWG Grundsätze einer 114 ordnungsgemäßen Geschäftsführung beschließen, die die erforderliche Sorgfalt bei der Führung des Instituts gewährleisten, insbesondere eine Aufgabentrennung in der Organisation und Maßnahmen festlegen, um Interessenkonflikten vorzubeugen.326) Sie müssen für die Umsetzung dieser Grundsätze Sorge tragen, ihre Wirksamkeit überwachen, sie regelmäßig bewerten und angemessene Schritte zur Behebung von Mängeln einleiten (§ 25c Abs. 3 Nr. 1 und 2 KWG).327) Diese Anforderung hängt zusammen mit den für eine ordnungsgemäße Geschäftsorgani- 115 sation nach § 25a Abs. 1 KWG allgemein erforderlichen internen Vorgaben. Nach den MaRisk sind die Geschäftsaktivitäten auf Grundlage schriftlicher Organisationsrichtlinien zu betreiben, deren Detaillierungsgrad für Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten angemessen ist.328) Die Richtlinien müssen sachgerecht sein, den Mitarbeitern in geeigneter Weise bekannt gemacht werden, für sie nachvollziehbar sein, ihnen in der jeweils aktuellen Fassung zur Verfügung stehen und bei Veränderungen zeitnah angepasst werden.329) Sie müssen insbesondere Regelungen x zur Aufbau- und Ablauforganisation, zur Aufgabenzuweisung, zur Kompetenzordnung und zu den Verantwortlichkeiten, ___________ 325) Begr. RegE CRD IV-UmsG, BT-Drucks. 17/10974, S. 86 f., mit Bezugnahme auf die Vorgaben der EBA (EBA, Leitlinien zur Internen Governance (GL 44), v. 27.9.2011, Ziff. 4, 6 f. (aufgehoben)), die in der überarbeiteten Fassung weiter verschärft wurden (vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 67 ff., 70 ff., 75 ff.; EBA, Final Report, Guidelines on internal governance under Directive 2013/36/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/11), Executive Summary, S. 3; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 94). Die EBA fordert u. a. eine geeignete, transparente und angemessen unkomplexe organisatorische und operative Struktur und entsprechende Kenntnis (die sich bei konsolidierenden Unternehmen auch auf den Zweck und die Geschäftsaktivitäten der einzelnen Rechtseinheiten und die Beziehungen bzw. Verbindungen zwischen ihnen erstrecken muss). Die Rechtseinheiten der Gruppe sollten ausreichende Informationen erhalten. Strukturen ohne klaren wirtschaftlichen oder rechtlichen Sinn bzw. Strukturen, bei denen Institute die Gefahr sehen, dass sie für bestimmte kriminelle Handlungen genutzt werden könnten, sollten grundsätzlich nicht gewählt werden. Die Wahl einer komplexen bzw. nicht transparenten Struktur bzw. die Tätigkeit in Ländern, in denen internationale Standards nicht hinreichend gewährleistet sind, setzt ausreichende Kenntnis von Zweck, Gegenstand und wesentlichen Risiken sowie die Überwachung und sachgerechte Steuerung der Risiken voraus. Erforderlich sind auch (regelmäßig zu überprüfende) angemessene interne Richtlinien bzw. Verfahren und Prozesse für derartige Tätigkeiten. Dieselben Maßnahmen sollten zudem ergriffen werden, wenn nicht standardisierte oder nicht transparente Tätigkeiten für Kunden wahrgenommen werden. 326) Interessenkonflikte können auf allen Ebenen des Instituts bzw. der Gruppe und im Hinblick auf Organe, Organmitglieder, Mitarbeiter oder Dritte (einschließlich gruppenangehörige Unternehmen, Geschäftspartner, Anteilseigner und Kunden) entstehen, wenn die jeweils (generell oder im Einzelfall) betroffenen Interessen divergieren (etwa Interessen des Instituts und eines Mitarbeiters oder Kunden, Interessen von Mitarbeitern und Kunden, Interessen verschiedener Kunden etc.). Können Interessenkonflikte nicht ausgeschlossen werden, müssen sie abgeschwächt, angemessen behandelt oder zumindest offengelegt werden. Im Bereich der Wertpapierdienstleistungen bestehen insoweit vielfältige gesetzliche und untergesetzliche Vorgaben. Vgl. zu Interessenkonflikten allgemein z. B.: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 103 ff., 106 ff. 327) S. zur Offenlegung: Rz. 89. BaFin und Bundesbank können Instituten zusätzliche Anzeige- und Meldepflichten auferlegen, um einen vertieften Einblick in die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung zu erhalten (§ 24 Abs. 3b KWG). 328) AT 5 Rz. 1 f. MaRisk 2017. 329) AT 5 Rz. 2 MaRisk 2017; AT 5 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017. Das Unternehmen kann über die Ausgestaltung der Organisationsrichtlinien frei entscheiden, soweit die im Text genannten Grundsätze eingehalten werden und die Ausgestaltung der Internen Revision ermöglicht, in die Sachprüfung einzutreten (AT 5 Rz. 4 MaRisk 2017). Neben den in AT 5 Rz. 1 MaRisk 2017 exemplarisch genannten Handbüchern, Arbeitsanweisungen und -ablaufbeschreibungen kommen z. B. Organigramme, Flussdiagramme, Kompetenzregelungen oder Stellen- bzw. Arbeitsplatzbeschreibungen in Betracht. Die Dokumente müssen aufeinander und auf die sonstige Dokumentation (z. B. Formulare, Strategien oder Notfallpläne) abgestimmt sein.

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603

§ 11

Organisatorische Anforderungen

x

zur Ausgestaltung der Risikosteuerungs- und -controllingprozesse,

x

zur Internen Revision,

x

zur Gewährleistung der Einhaltung rechtlicher Vorgaben (Datenschutz, Compliance etc.) sowie

x

zu Verfahrensweisen bei wesentlichen Auslagerungen enthalten.330)

116 Außerdem müssen sie x

abhängig von der Größe des Instituts und von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten, einen Verhaltenskodex für die Mitarbeiter sowie

x

bei systemrelevanten Instituten Regelungen zu Verfahren, Methoden und Prozessen der Aggregation von Risikodaten vorsehen.331)

117 Die EBA fordert ebenfalls einen angemessenen internen Governance-Rahmen auf Unternehmens- und Gruppenebene bzw. schriftliche, hinreichend bekannt gemachte, klare und transparente sowie regelmäßig und anlassbezogen zu überprüfende und ggf. anzupassende interne Richtlinien u. a. betreffend die organisatorische und operative Struktur, die Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten, die Risiken und Risikosteuerung, die Organe und Organmitglieder, die Inhaber von Schlüsselfunktionen, die internen Kontrollverfahren, die Compliance, die Interessenkonflikte, die neuen Produkte und Strukturen, die wesentlichen Änderungen von Prozessen und Systemen, das Whistleblowing und die Auslagerung sowie einen Verhaltenskodex und Unternehmenswerte bzw. eine Unternehmensund Risikokultur.332) 118 Sämtliche internen Vorgaben müssen aufeinander abgestimmt und für die Adressaten verständlich, zugänglich und im Tagesgeschäft handhabbar sein. Dies ist keine geringe Herausforderung, umso mehr für Unternehmen oder Gruppen, die weltweit unterschiedliche Vorgaben und Standards zu beachten haben. Die vermeintlich nahe liegende Anwendung des global strengsten Standards in allen Jurisdiktionen wird oft bereits aus wirtschaftlichen Gründen ausscheiden, insbesondere aufgrund unangemessener interner Ressourcenbindung oder drohender Abwendung von (potentiellen) Kunden, die mit Anforderungen konfrontiert werden, die über die lokalen rechtlichen Vorgaben bzw. Marktstandards hinausgehen. Insoweit sind ggf. globale Minimalstandards ergänzt um jurisdiktionsspezifische Vorgaben geboten, was die Komplexität indes zwangsläufig weiter erhöht. Unauflösbare Konflikte zwischen den Vorgaben einzelner Jurisdiktionen sind ggf. mit den Aufsichtsbehörden zu besprechen und können erfordern, geschäftliche Aktivitäten zu unterlassen bzw. einzustellen. Allgemein muss interne „Überregulierung“ nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen vermieden werden, sondern auch, um die Funktionsfä___________ 330) AT 5 Rz. 3 MaRisk 2017. Die Integration von Nachhaltigkeits- bzw. ESG-Risiken in die internen Organisationsrichtlinien ist ganzheitlich zu prüfen (BaFin, Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, v. 20.12.2019, S. 23). 331) AT 5 Rz. 3 MaRisk 2017. 332) Vgl. i. E.: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 23, 27, 63, 71, 79, 90 ff., 94 ff., 99 ff., 103 ff., 106 ff., 117 ff., 130 ff., 147 ff., 162, 167, 191, 214 f., Annex I; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 21, 28, 30, 35, 84, 97 ff., 104 ff., 110 ff., 118 ff., 134; EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/ 2019/02), Background, Rz. 22, 31; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 41 ff. Vgl. für die Kreditvergabe auch: EBA, Consultation Paper, Draft Guidelines on loan origination and monitoring, v. 19.6.2019 (EBA/CP/2019/04), Rz. 31 ff. Anders als nach den MaRisk sollten nach Ansicht der EBA alle Institute über einen Verhaltenskodex oder Ähnliches verfügen (EBA, Final Report, Guidelines on internal governance under Directive 2013/36/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/11), Accompanying documents, S. 76). Vgl. auch die Vorgaben der EBA für den SREP: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 88 ff.

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

§ 11

higkeit der Geschäftsorganisation, die Akzeptanz der tatsächlich erforderlichen Vorgaben und ein „siloübergreifendes“ (Mit-)Denken zu gewährleisten. Die internen Vorgaben sind auch wesentlich, um ein verantwortungsbewusstes, rechts- 119 konformes sowie risiko- und wertorientiertes Verhalten und damit eine angemessene Unternehmens- sowie Risikokultur (oder, weiter differenziert, Kontroll-, Compliance-, Kreditrisiko-, Integritätskultur etc.)333) zu gewährleisten. Die Bedeutung einer internen Risikokultur ist in den letzten Jahren zunehmend ins Bewusstsein getreten.334) Die EBA hat sie bereits 2011 als „Schlüsselelement“ des Risikomanagements qualifiziert und die Bedeutung der Unternehmenswerte und Risikokultur zwischenzeitlich noch stärker betont.335) Auch die MaRisk fordern von den Geschäftsleitern, i. R. ihrer Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation eine angemessene Risikokultur innerhalb des Instituts und der Gruppe zu entwickeln, zu fördern und zu integrieren.336) Eine Risiko- und Unternehmenskultur kann nur durch das Zusammenwirken verschie- 120 dener angemessener Maßnahmen gewährleistet werden, auf die die Risikokultur dann ihrerseits zurückwirkt. BaFin, EBA, EZB, BCBS und FSB heben jeweils wesentliche Aspekte hervor.337) Wichtig sind danach u. a. eine transparente Organisationsstruktur, ein hinreichend bekannter und beachteter Risikomanagementrahmen sowie klar und eindeutig verfasste, konsequent implementierte, beachtete und überwachte interne Vorgaben. Wesentlich ist auch eine ausreichende Leitungskultur („tone from the top“). Diese Leitungskultur kann u. a. im klaren Bekenntnis der Geschäftsleitung zu einem entsprechenden Verhalten und in der Festlegung von Unternehmenswerten und eines Ethik- und Verhaltenskodex338) zum Ausdruck kommen; relevant sind insoweit auch die Vorgabe der Risikobereitschaft und die Geschäfts- und Risikostrategie. Wichtig ist auch das Verhalten der ___________ 333) Vgl. dazu z. B.: BT 1.1 Rz. 5 MaComp; EBA, Consultation Paper, Draft Guidelines on loan origination and monitoring, v. 19.6.2019 (EBA/CP/2019/04), Rz. 22 ff.; Wendt in: Hauschka/Moosmayer/ Lösler, Corporate Compliance, § 9. 334) Es besteht keine vollkommen einheitliche Definition der Risikokultur. Nach der AT 3 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017 beschreibt sie z. B. allgemein die Art und Weise, wie Mitarbeiter mit Risiken umgehen (sollen) und soll sie die Identifizierung und den bewussten Umgang mit Risiken fördern sowie sicherstellen, dass Entscheidungsprozesse zu Ergebnissen führen, die auch unter Risikogesichtspunkten ausgewogen sind. Ähnlich auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/11), Rz. 14. 335) Vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 94 ff., 99 ff.; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 93 f. Vgl. auch: ErwG 54 CRD IV. 336) AT 3 Rz. 1 MaRisk 2017. Vgl. aber bereits: Steinbrecher, BaFin-Fachartikel v. 17.8.2015. 337) Vgl. die AT 3 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017; BaFin, MaRisk-Novelle 2017 – Veröffentlichung der Endfassung, Anschreiben v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002), S. 3 f.; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 94 ff., 99 ff.; EBA, Überarbeitete SREPGuidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 93 f.; EBA, Consultation Paper, Draft Guidelines on loan origination and monitoring, v. 19.6.2019 (EBA/CP/2019/04), Rz. 22 ff.; ECB, SSM supervisory statement on governance and risk appetite, v. 21.6.2016, S. 17 ff.; BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, Rz. 30 ff.; FSB, Guidance on Supervisory Interaction with Financial Institutions on Risk Culture: A Framework for Assessing Risk Culture, v. 7.4.2014, S. 3 ff. Auch nach der Präambel des DCGK ist „nicht nur Legalität, sondern auch ethisch fundiertes, eigenverantwortliches Verhalten (Leitbild des ehrbaren Kaufmanns)“ erforderlich. Vgl. auch: Dombret in: Kenadjian/Dombret, Culture and Ethics, S. 9, 13 f.; Nouy in: Kenadjian/Dombret, Culture and Ethics, S. 51, 53 f. 338) Dass die MaRisk einen Verhaltenskodex nur abhängig von der Größe des Instituts und von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten fordern, soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die BaFin bei kleineren Instituten oftmals die persönliche Ansprache der Mitarbeiter durch die Führungskräfte als das direktere und im Zweifel effektivere Mittel ansieht, wobei sie betont, dass Institute keiner besonderen Beweislast ausgesetzt wären, wenn sie zu diesem Instrument greifen und auch keine entsprechende Dokumentation hierfür gegenüber der Aufsicht vorhalten müssten (BaFin, MaRisk-Novelle 2017 – Veröffentlichung der Endfassung, Anschreiben v. 27.10.2017 (BA 54FR 2210-2017/0002), S. 4).

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

Führungsebene („tone at the middle“). Weiterhin sollten festzulegende Kommunikationswege und -formen (z. B. Besprechungen, Schulungen, Workshops, (anonyme) Umfragen, Eskalations- und Whistleblower-Prozesse oder Berichte) einen transparenten, offenen, kritischen und kontroversen Dialog zu allen risikorelevanten und wertbezogenen Fragen auf und zwischen allen Unternehmensebenen hinreichend ermöglichen und fördern (und insoweit auch ein ausreichendes „echo from the bottom“ gewährleisten). Die Einrichtung eines Ethik- und Wertekommitees kann ebenfalls eine sinnvolle Maßnahme sein. Schließlich sind angemessene Anreizstrukturen (Zielvorgaben, Vergütungsgestaltung und sonstige Würdigung richtigen Verhaltens) und das konsequente Vorgehen gegen Verstöße entsprechend eines hierfür definierten Prozesses wesentliche Elemente. 121 Über die einzelnen Maßnahmen hinaus ist aber letztlich entscheidend, dass die Unternehmens- und Risikokultur von Geschäftsleitern, Führungsebene und Mitarbeitern verinnerlicht und jederzeit tatsächlich „(vor-)gelebt“ wird, sich also im operativen Geschäftsbetrieb manifestiert und diesen bestimmt.339) Ungeachtet des Umstands, dass die Etablierung und insbesondere der Wandel einer Kultur (zumal in internationalen Banken mit verschiedenen Geschäftsfeldern und Traditionen) ein langwieriger Prozess ist, der nicht ohne Weiteres „verordnet“ werden kann,340) ist nicht vollkommen klar, wie dies von den Unternehmen ausreichend dokumentiert und von den Prüfern und der Aufsicht sachgerecht geprüft und bewertet werden kann.341) 3.

Bestimmung der finanziellen Lage

122 Gemäß § 25a Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 KWG setzt eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation ferner angemessene Regelungen voraus, anhand derer sich die finanzielle Lage jederzeit mit hinreichender Genauigkeit bestimmen lässt. Dies erfordert insbesondere ein funktionsfähiges Managementinformationssystem zur Steuerung und Überwachung des gesamten Geschäftsablaufs und der Risiken.342) 123 Der Begriff der „finanziellen Lage“ erfasst die Risiko-, Liquiditäts-, Vermögens- und Ertragslage.343) Die finanzielle Lage muss mit den vorhandenen Mitteln jederzeit ermittelbar sein, nicht aber jederzeit ermittelt werden.344) Zu beachten sind spezifische Vorgaben, etwa ___________ 339) Dombret in: Kenadjian/Dombret, Culture and Ethics, S. 9 f., 12 ff.; Gleeson in: Kenadjian/Dombret, Culture and Ethics, S. 58, 66. 340) Vgl. Wendt in: Hauschka/Moosmayer/Lösler, Corporate Compliance, § 9 Rz. 72. Geschäftlicher Erfolg als Resultat der von den Stakeholdern wahrgenommenen Kultur kann diesen Prozess ggf. unterstützen (vgl. Kumpan in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 323, 329 ff.). 341) Vgl. auch: BaFin, MaRisk-Novelle 2017 – Veröffentlichung der Endfassung, Anschreiben v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002), S. 4. Das FSB stellt fest, dass die Risikokultur einer ChecklistenPrüfung nicht zugänglich, vielmehr eine wertende umfassende Prüfung erforderlich ist (vgl. FSB, Guidance on Supervisory Interaction with Financial Institutions on Risk Culture: A Framework for Assessing Risk Culture, v. 7.4.2014, S. 4). Über diesen (sicherlich unstreitigen) Grundansatz hinaus ist die Festlegung von Maßstäben und Methoden schwierig. Die Prüfung kann Interviews mit Organmitgliedern, der Führungsebene, den Mitarbeitern der Risikofunktionen und aller betroffenen Geschäftseinheiten, die Prüfung risikorelevanter Unterlagen und Daten sowie die Analyse von Protokollen relevanter Veranstaltungen oder Besprechungen (oder die Teilnahme an denselben) beinhalten (vgl. auch: ECB, SSM supervisory statement on governance and risk appetite, v. 21.6.2016, S 6). In jedem Fall dürfte dem Unternehmen wie auch den Prüfern und der Aufsicht ein „zentrales“ Risikokultur-Dokument helfen, das die relevanten Maßnahmen darstellt, zusammenfasst und in Perspektive setzt. 342) Vgl. Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 25a Rz. 10; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 650, 656. Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rz. 94 und Beck/Samm/Kokemoor-Reppenthien, KWG, § 25a Rz. 201a, weisen darauf hin, dass sich diese Anforderung letztlich bereits aus anderen Vorgaben ergibt. 343) Vgl. Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 25a Rz. 10; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 654 f., 657. 344) Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 25a Rz. 10; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/ CRR-VO, § 25a KWG Rz. 653.

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

§ 11

die in den MaRisk vorgesehenen Intervalle für einzelne Risiken. Der erforderliche Genauigkeitsgrad ist insbesondere anhand des Risikopotentials und der verfügbaren Mittel zur Risikoabdeckung zu bestimmen.345) 4.

Dokumentation

Gemäß § 25a Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 KWG müssen Institute ihre Geschäftstätigkeit voll- 124 ständig dokumentieren, so dass eine lückenlose Überwachung durch die BaFin in ihrem Zuständigkeitsbereich gewährleistet ist, und erforderliche Aufzeichnungen mindestens fünf Jahre aufbewahren.346) Nach den MaRisk sind die Geschäfts-, Kontroll- und Überwachungsunterlagen systematisch und für sachkundige Dritte nachvollziehbar abzufassen, ist die Aktualität und Vollständigkeit der Aktenführung sicherzustellen und die Dokumentation grundsätzlich fünf Jahre aufzubewahren; die für die Einhaltung der MaRisk wesentlichen Handlungen und Festlegungen (einschließlich der Inanspruchnahme wesentlicher Öffnungsklauseln) sind nachvollziehbar zu dokumentieren.347) Die aufsichtsrechtlichen gehen also über die (parallel zu beachtenden) handelsrechtlichen Vorgaben hinaus, da nicht nur ausgeführte Geschäfte zu dokumentieren sind.348) 5.

Whistleblower-Prozess

Gemäß § 25a Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 KWG beinhaltet eine ordnungsgemäße Geschäftsorgani- 125 sation einen Hinweisgeberprozess, der es Mitarbeitern unter Wahrung der Vertraulichkeit ihrer Identität ermöglicht, Verstöße gegen bestimmte EU-Verordnungen, das KWG und das WpHG sowie die auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen sowie etwaige strafbare Handlungen (bzw., über den Wortlaut hinaus, den hinreichenden Verdacht von Verstößen bzw. von strafbaren Handlungen) innerhalb des Unternehmens an geeignete Stellen zu berichten.349) ___________ 345) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 653. 346) Vgl. dazu die exemplarische Aufstellung von: Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 669 ff. Hinsichtlich Aufbewahrungsform und Fristbeginn gilt § 257 Abs. 3 und 5 HGB entsprechend (vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 674 ff.; Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rz. 103). Gemäß § 25a Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 KWG bleibt die längere Frist des § 257 Abs. 4 HGB unberührt. Dies gilt selbstverständlich auch für sonstige strengere Vorgaben. 347) AT 6 Rz. 1 f. MaRisk 2017. Die zuvor in AT 6 Rz. 1 MaRisk 2012 vorgesehene Zwei-Jahres-Frist ist i. R. der MaRisk-Novelle 2017 ersetzt worden. 348) Auerbach, Banken- und Wertpapieraufsicht, S. 145; Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 25a Rz. 11; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 665, 668. 349) Einbezogene EU-Verordnungen sind die CRR, die MAR, die Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.11.2014 – PRIIP, ABl. (EU) L 352/1 v. 9.12.2014, die Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Markets in Financial Instruments Regulation (MiFIR), ABl. (EU) L 173/84 v. 12.6.2014, sowie die Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2017, ABl. (EU) L 168/12 v. 30.6.2017. Nach der EBA sollen (potentielle) Verstöße gegen aufsichtsrechtliche und interne Vorgaben bzw. gegen die interne Governance einbezogen werden (EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 117). Ziff. 4.1.3 DCGK regt eine Anzeigemöglichkeit auch für unternehmensfremde Dritte an. Neben dem unternehmensinternen besteht (parallel) ein behördlicher Whistleblower-Prozess (vgl. § 4d Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG); ECB, Letter on the reporting of breaches v. 25.5.2016). Die EBA wollte zwischenzeitlich (potentielle) Verstöße gegen die interne Governance in den behördlichen Whistleblower-Prozess einbeziehen (EBA, Consultation Paper, Draft Guidelines on internal governance, v. 28.10.2016 (EBA/CP/2016/16), S. 35), was sie nun aber nicht fordert (vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 124). Nach § 6 Abs. 5 bzw. § 53 GwG sind ein unternehmensinterner bzw. behördlicher Whistleblower-Prozess für geldwäscherechtliche Vorschriften einzurichten (dazu BaFin, Auslegungsund Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.8).

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

126 Institute können den Whistleblower-Prozess eigenverantwortlich gestalten, insbesondere bezüglich des Adressaten der Meldung und der Maßnahmen zur Gewährleistung der Anonymität. Nach seinem Sinn und Zweck muss der Informationskanal allerdings speziell, unabhängig und autonom sein, sollte er also außerhalb der normalen Berichtswege liegen.350) Angezeigte Vorgänge sind zu untersuchen und einschließlich des Ergebnisses der Untersuchung zu dokumentieren.351) Eine ordnungsgemäße Meldung darf keine negativen Folgen für den Meldenden haben.352) Eine gemeldete Person ist ebenfalls vor negativen Folgen zu schützen, soweit die Untersuchung keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen Verstoß ergibt.353) 6.

Sonstige Anforderungen; Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und strafbaren Handlungen

127 Über die in §§ 25a und 25c KWG genannten, in den vorstehenden Abschnitten dargestellen Vorgaben hinaus lassen sich aus dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation bzw. eines angemessenen Risikomanagements nach § 25a Abs. 1 KWG weitere Anforderungen ableiten, wie z. B. solche an ein ordnungsgemäßes Management von Kundenbeschwerden.354) 128 Darüber hinaus enthalten das KWG und diverse weitere deutsche, europäische und internationale Vorgaben vielfältige organisatorische Anforderungen und Standards, die teilweise ausdrücklich geregelt sind und sich teilweise aus der Pflicht zur ordnungsgemäßen Erfüllung der dem Unternehmen obliegenden „materiellen“ Pflichten ableiten lassen.355) Jedes Unternehmen muss, ggf. mit externer Unterstützung, die konkret einschlägigen Vorgaben, Standards und Maßstäbe ermitteln.

___________ 350) Vgl. auch: Art. 71 Abs. 3 CRD; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/11), Rz. 117 f.; Renz/Rhode-Liebenau, BB 2014, 692, 693, 697. Beck/Samm/Kokemoor-Reppenthien, KWG, § 25a Rz. 216 ff., fordert zu weitgehend die Eröffnung verschiedener Kanäle. Eine Auslagerung des Whistleblower-Prozesses ist wesentlich i. S. des § 25b KWG (Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 25a Rz. 12; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 690; Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rz. 107). 351) Vgl. i. E.: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 123. 352) Vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 121; BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, Rz. 32; G20/OECD, Grundsätze der Corporate Governance, v. 23.12.2015, IV. E. Vgl. zum arbeits- und strafrechtlichen Schutz: Eufinger, WM 2016, 2336 ff. 353) Vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 122. Soweit eine Maßnahme erfolgt, sollte das Institut bei ihrer Ausführung danach streben, die betroffene Person vor unbeabsichtigten, über das Ziel der Maßnahme hinausgehenden negativen Auswirkungen zu schützen. 354) Vgl. nur: BaFin, Rundschreiben 6/2018 (BA und WA), Mindestanforderungen an das Beschwerdemanagement, v. 4.5.2018; Art. 26 Delegierte VO (EU) 2017/565; § 87 Abs. 1 Satz 4 WpHG; AT 6.2 Rz. 1, BT 12 MaComp; Gemeinsamer Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden, Leitlinien zur Beschwerdeabwicklung für den Wertpapierhandel (ESMA) und das Bankwesen (EBA), v. 27.5.2014 (JC 2014 43). Vgl. auch: DK, Stellungnahme zur Umsetzung der ESMA/EBA-Leitlinien zur Beschwerdeabwicklung, Konsultation der BaFin v. 23.6.2017, v. 4.8.2017. 355) Diese werden hier nicht dargestellt. Allein die umfangreichen und detaillierten organisatorischen Pflichten bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen nach dem MiFID II/MiFIR-Rechtsrahmen einschließlich des WpHG, der WpDVerOV und den MaComp dürfte einen eigenen Beitrag rechtfertigen. Teilweise sind spezifische organisatorische Vorgaben allerdings in anderen Kapiteln dieses Handbuchs behandelt (s. Fn. 2).

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

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Im Folgenden wird nur kurz auf die Anforderungen zur Verhinderung von Geldwäsche, 129 Terrorismusfinanzierung und strafbaren Handlungen hingewiesen.356) Diese ergeben sich wesentlich aus §§ 25h ff. KWG sowie den (einen breiteren Adressatenkreis treffenden) Regelungen des Geldwäschegesetzes (GwG). Diese gesetzlichen Vorgaben wurden mit Wirkung zum 26.6.2017 im Zuge der Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie357) insgesamt neu strukturiert, konkretisiert und erweitert358) und zum 1.1.2020 durch das Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie359) zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie360) angepasst. Die BaFin hat ihre Auslegung in den Auslegungs- und Anwendungshinweisen (AuA) dargelegt.361) Darüber hinaus sind vielfältige EU-Vorgaben362) sowie internationale und nationale Standards relevant.363) Gemäß §§ 4 ff. GwG bzw. § 25h Abs. 1 KWG müssen Institute über ein angemessenes 130 Risikomanagement sowie angemessene interne Sicherungsmaßnahmen verfügen, die der Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und strafbaren Handlungen, die zu einer Gefährdung des Vermögens des Instituts führen können, dienen.364) Dafür müssen sie angemessene geschäfts- und kundenbezogene Sicherungssysteme schaffen und ak___________ 356) Vgl. zum Begriff „Geldwäsche“ i. S. des GwG den Verweis auf § 261 StGB in § 1 Abs. 1 GwG. Zum Begriff „Terrorismusfinanzierung“ s. § 1 Abs. 32 KWG bzw. § 1 Abs. 2 GwG. Vgl. zum Begriff der „strafbaren Handlungen“ i. S. des § 25h KWG: Begr. RegE Zweite E-GeldRL-UmsG, BT-Drucks. 17/3023, S. 60; DK, Auslegungs- und Anwendungshinweise zur Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen strafbaren Handlungen, v. 1.2.2014, Zeile 88; BaFin, Rundschreiben 1/2014 (GW), Verdachtsmeldung nach §§ 11, 14 GwG und anderes, v. 5.3.2014, Stand: 10.11.2014 (GW 1-GW 2001-2008/0003); Mühlroth/Quedenfeld in: Quedenfeld, Hdb. Bekämpfung der Geldwäsche und Wirtschaftskriminalität, Rz. 467 ff.; Schröder/Bergmann, ZBB 2011, 255 ff. S. zur Auslagerung einschlägiger Pflichten unten Rz. 226 f. 357) Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2015 – Vierte EU-Geldwäscherichtlinie, ABl. (EU) L 141/73 v. 6.5.2015. 358) Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen – Vierte GeldwäscheRL-UmsG, v. 23.6.2017, BGBl. I 2017, 1822. 359) Richtlinie (EU) 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 30.5.2018 – Fünfte EU-Geldwäscherichtlinie, ABL. (EU) L 156/43 v. 19.6.2018. 360) Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2602 ff. 361) BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018. Vgl. zur konsultierten Fassung: BaFin, Konsultation 5/2018, Entwurf: Auslegungs- und Anwendungshinweise gemäß § 51 Abs. 8 Geldwäschegesetz, v. 15.3.2018. Vor der Veröffentlichung der AuA waren die DK, Auslegungs- und Anwendungshinweise zur Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen strafbaren Handlungen, v. 1.2.2014, praktisch besonders relevant. Diese waren mit dem BMF und der BaFin abgestimmt und gaben die Verwaltungspraxis wieder. 362) Vgl. exemplarisch: Verordnung (EU) Nr. 2015/847 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2015 – Geldtransfer-VO II, ABl. (EU) L 141/1 v. 5.6.2015; Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 des Rates v. 27.12.2001, ABl. (EG) L 344/70 v. 28.12.2001, zuletzt geändert durch die Durchführungsverordnung (EU) 2019/24 des Rates v. 8.1.2019, ABl. (EU) L 6/2 v. 9.1.2019; Delegierte Verordnung (EU) 2016/1675 der Kommission v. 14.7.2016, ABl. (EU) L 254/1 v. 20.9.2016; Gemeinsamer Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden, Leitlinien zu Risikofaktoren, v. 4.1.2018 (JC 2017 37). 363) Vgl. exemplarisch: BCBS, Customer due diligence for banks, v. 4.10.2001; BCBS, Consolidated KYC Risk Management, v. 6.10.2004; BCBS, Sound management of risks related to money laundering and financing of terrorism, v. 7.6.2017; FATF, Recommendations, International standards on combating money laundering and the financing of terrorism & proliferation, v. 15.2.2012, Stand: 6/2019; FATF, Guidance for a risk-based approach – the banking sector, v. 10/2014. Vgl. zu den Rundschreiben der BaFin die Aufstellung von Quedenfeld in: Quedenfeld, Hdb. Bekämpfung der Geldwäsche und Wirtschaftskriminalität, Rz. 89 f. Typologiepapiere können Verpflichtete u. a. im internen Bereich der Website der deutschen Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit, FIU) www.fiu.bund.de abrufen. 364) Die Maßnahmen zur Verhinderung relevanter strafbarer Handlungen sind mit den Maßnahmen zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung inhaltlich und organisatorisch abzustimmen (BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.2).

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tualisieren sowie Kontrollen durchführen. Auch müssen sie fortlaufend geeignete Strategien sowie Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs neuer Finanzprodukte und Technologien für Zwecke der Geldwäsche, der Terrorismusfinanzierung oder der Begünstigung der Anonymität von Geschäftsbeziehungen und Transaktionen entwickeln (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 4 GwG). Kreditinstitute müssen nach Maßgabe des § 25h Abs. 2 KWG Datenverarbeitungssysteme betreiben und aktualisieren, mittels derer sie bestimmte besonders komplexe, große, ungewöhnliche oder zweifelhafte Geschäftsbeziehungen und einzelne Transaktionen im Zahlungsverkehr erkennen können.365) Institute müssen derartige Transaktionen mit angemessenen Maßnahmen untersuchen, um das Risiko im Hinblick auf relevante strafbare Handlungen überwachen, einschätzen und ggf. die Erstattung einer Strafanzeige prüfen zu können (§ 25h Abs. 3 KWG). 131 § 6 Abs. 2 GwG führt wesentliche Regelbeispiele für interne Sicherungsmaßnahmen auf. Unter anderem sind die Ausarbeitung umfangreicher interner Grundsätze, Verfahren und Kontrollen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 GwG),366) die Überprüfung und Schulung der Mitarbeiter (§ 6 Abs. 2 Nr. 5 und 6 GwG),367) die Einhaltung risikobasiert abgestufter Know-yourCustomer-Pflichten (§§ 10 ff. GwG und §§ 25i ff. KWG)368) und sonstiger Pflichten, z. B. Untersuchungs-, Überwachungs-, Sorgfalts-, Verhaltens-, Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs-, Melde-, Auskunfts(bereitschafts)-, Mitwirkungs- und Verschwiegenheitsplichten (vgl. z. B. § 6 Abs. 2, 6 und §§ 8, 43 und 46 f., 52 GwG), erforderlich.369) 132 Durch die (unter Beachtung des Proportionalitätsprinzips) auszugestaltenden internen Sicherungsmaßnahmen muss auch die Einhaltung aller spezifischen Pflichten (etwa nach § 25m KWG) gewährleistet werden. 133 Grundlage der internen Sicherungsmaßnahmen und des Risikomanagements ist die gemäß § 5 GwG vom Institut durchzuführende, nachvollziehbar zu dokumentierende, regelmäßig zu überprüfende und ggf. zu aktualisierende sowie der BaFin auf deren Verlangen zur Verfügung zu stellende Risikoanalyse (zuvor als Gefährdungsanalyse bezeichnet). Der Umfang der Analyse richtet sich nach Art und Umfang der konkreten Geschäftstätigkeit.370) ___________ 365) Vgl. dazu: DK, Auslegungs- und Anwendungshinweise zur Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen strafbaren Handlungen, v. 1.2.2014, Zeile 86d; Boos/Fischer/SchulteMattler-Achtelik, KWG/CRR-VO, § 25h KWG Rz. 16. 366) BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.1. 367) BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.5, II.3.6. 368) Ausführlich dazu: BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. III; Gemeinsamer Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden, Leitlinien zu Risikofaktoren, v. 4.1.2018 (JC 2017 37). 369) Eng verbunden sind auch die Pflichten der Kreditinstitute nach § 24c KWG im Zusammenhang mit dem automatisierten Abruf von Kontoinformation sowie der Whistleblower-Prozess (s. Rz. 125 f.). 370) Nach § 5 Abs. 1 GwG haben die Verpflichteten insb. die in den Anlagen 1 und 2 zum GwG genannten Risikofaktoren sowie die Informationen zu berücksichtigen, die auf Grundlage der nationalen Risikoanalyse zur Verfügung gestellt werden. Vgl. dazu sowie zur im Finanzsektor nach Ansicht der BaFin grundsätzlich nicht bestehenden Möglichkeit der Befreiung vom Dokumentationserfordernis nach § 5 Abs. 4 GwG: BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.2.3. Noch zur Gefährdungsanalyse: BaFin, Rundschreiben 8/2005 (GW), Implementierung angemessener Risikomanagementsysteme zur Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Betrug v. 23.3.2005 (der Inhalt dieses Rundschreibens ist nach Auffassung der BaFin in der gesetzlichen Regelung aufgegangen; BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.2.3); Auerbach, Banken- und Wertpapieraufsicht, S. 160 ff.; HerzogAchtelik, GwG, § 9 Rz. 5 ff.; Krämer/Baumgaertner in: Paetzmann/Schöning, Corporate Governance, S. 437, 444 ff.; Mühlroth/Quedenfeld in: Quedenfeld, Hdb. Bekämpfung der Geldwäsche und Wirtschaftskriminalität, Rz. 504 ff.

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Nach § 6 Abs. 2 Nr. 2, § 7 GwG müssen Institute einen der Geschäftsleitung unmittelbar 134 nachgeordneten und berichtspflichtigen, seine Tätigkeit im Inland ausübenden Geldwäschebeauftragten auf Führungsebene sowie seinen Stellvertreter bestellen.371) Der Geldwäschebeauftragte muss dem gemäß § 4 Abs. 3 GwG zuständigen Mitglied der Leitungsebene (siehe Rz. 136) unmittelbar organisatorisch und fachlich nachgeordnet und berichtspflichtig sein und unterliegt grundsätzlich dessen Direktionsrecht.372) Er ist – unbeschadet der Verantwortung der Geschäftsleitung bzw. Leitungsebene (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 GwG) – für die Einhaltung der Vorschriften zur Bekämpfung und Verhinderung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung und grundsätzlich (als „zentrale Stelle“) auch für die Einhaltung der Pflichten zur Verhinderung relevanter strafbarer Handlungen i. S. des § 25h KWG zuständig und Ansprechpartner für die zuständigen Behörden (§ 7 Abs. 1 GwG, § 25h Abs. 7 KWG).373) Die BaFin hat einen Katalog wesentlicher Aufgaben des Geldwäschebeauftragten zusammengestellt.374) Der Geldwäschebeauftragte und sein Vertreter müssen zuverlässig und fachlich geeignet 135 sein, die Geschäftstätigkeit ausreichend kennen und während der üblichen Geschäftszeiten erreichbar sein.375) Ihre Bestellung oder Entpflichtung ist der BaFin vorab anzuzeigen und die Bestellung ist auf Verlangen der BaFin zu widerrufen (§ 7 Abs. 4 GwG).376) Der Geldwäschebeauftragte muss seine Aufgaben unabhängig und effektiv wahrnehmen kön-

___________ 371) Nach Ansicht der BaFin wird der Stellvertreter bei Abwesenheit des Geldwäschebeauftragten oder im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit ihm tätig und können mehrere Stellvertreter benannt werden, soweit dies erforderlich und arbeitsteiliges Zusammenwirken gewährleistet ist (BaFin, Auslegungsund Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.2). Nach § 1 Abs. 15 GwG ist „Mitglied der Führungsebene“ eine Führungskraft oder ein leitender Mitarbeiter mit ausreichendem Wissen über die Risiken, denen der Verpflichtete in Bezug auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ausgesetzt ist, und mit der Befugnis, insoweit Entscheidungen zu treffen; ein Mitglied der Führungsebene muss aber nicht zugleich ein Mitglied der Leitungsebene sein. 372) BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.2. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz GwG unterliegt der Geldwäschebeauftragte, soweit er die Erstattung einer Meldung nach § 43 Abs. 1 GwG beabsichtigt oder ein Auskunftsersuchen der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen nach § 30 Abs. 3 GwG beantwortet, nicht dem Direktionsrecht. S. zu Informationspflichten bzw. -rechten im Verhältnis zum Verwaltungs- und Aufsichtsorgan und daraus resultierenden Fragen: Rz. 170 und Fn. 465. 373) Vgl. Begr. RegE Zweite E-GeldRL-UmsG, BT-Drucks. 17/3023, S. 62. Die BaFin kann bei wichtigem Grund auf Antrag bestimmen, dass für die strafbaren Handlungen eine andere Stelle zuständig (also keine zentrale Stelle einzurichten) ist (§ 25h Abs. 7 Satz 2 KWG). 374) BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.2. Vgl. auch: DK, Auslegungs- und Anwendungshinweise zur Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen strafbaren Handlungen, v. 1.2.2014, Zeile 84, 86 ff., 89; Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Achtelik, KWG/CRR-VO, § 25h KWG Rz. 30, 32; Auerbach, Banken- und Wertpapieraufsicht, S. 163 f.; Studer in: Quedenfeld, Hdb. Bekämpfung der Geldwäsche und Wirtschaftskriminalität, Rz. 142 ff. 375) Vgl. § 7 Abs. 4 GwG; BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.2.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Achtelik, KWG/CRR-VO, § 25h KWG Rz. 29. Die BaFin verlangt darüber hinaus hinreichende deutsche Sprachkenntnisse, da der Geldwäschebeauftragte Ansprechpartner für die BaFin, die Strafverfolgungsbehörden und für die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen ist. 376) Vgl. dazu: BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.2. Nach § 7 Abs. 7 GwG darf Geldwäschebeauftragten und deren Stellvertretern wegen der Erfüllung ihrer Aufgaben keine Benachteiligung im Beschäftigungsverhältnis entstehen und wird das Kündigungsrecht beschränkt.

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nen.377) Dazu ist er in alle relevanten Informationsflüsse und Vorgänge einzubinden (z. B. in Anpassungsprozesse, siehe Rz. 95 ff.); des Weiteren müssen ihm angemessene sachliche und personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt sowie ausreichende Befugnisse (interne Weisungsrechte und externe Vertretungsrechte) und ein ungehinderter Zugang zu sämtlichen Informationen, Daten, Aufzeichnungen und Systemen eingeräumt werden.378) 136 Gemäß § 4 Abs. 3 GwG ist auch ein Mitglied der Leitungsebene zu benennen,379) welches (unbeschadet der Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung) für das Risikomanagement und die Einhaltung der Vorschriften zur Bekämpfung und Verhinderung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verantwortlich ist und die Risikoanalyse und die internen Sicherungsmaßnahmen genehmigen muss.380) Nach den Gesetzesmaterialien kann dieses Mitglied zur Vermeidung von Interessenkonflikten grundsätzlich nicht gleichzeitig Geldwäschebeauftragter sein.381) Eine vollkommen eindeutige Abgrenzung der Aufgaben und Kompetenzen des Mitglieds der Leitungsebene und des Geldwäschebeauftragten ist den gesetzlichen Vorgaben, den Gesetzesmaterialien, der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, und den AuA nicht zu entnehmen.382) 137 Die Aufsicht über die Vorgaben zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung liegt i. R. der Aufgabenverteilung innerhalb des SSM (vorbehaltlich der Auf-

___________ 377) BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.2. Nach Ansicht der BaFin kommt die Bestellung von Mitgliedern der Leitungsebene zu Geldwäschebeauftragten (oder Stellvertretern) – zur Vermeidung von Interessenskonflikten – in der Regel nur bei Verpflichteten in Betracht, die weniger als 15 Vollzeitäquivalente haben und für diese Tätigkeit keinen geeigneten Beschäftigten unterhalb der Leitungsebene besitzen. Aus dem gleichen Grund soll der Geldwäschebauftragte grundsätzlich nicht mit Aufgaben des Datenschutzbeauftragten betraut werden (außer den jeweiligen Pflichten wird angemessen Rechnung getragen und der Sachverhalt wird prüfungstechnisch nachvollziehbar begründet und dokumentiert). Eine Anbindung an andere Organisationsund Stabsbereiche, z. B. die Rechtsabteilung, soll grundsätzlich nicht erfolgen (und ist, falls doch, unter Darlegung der Gründe prüfungstechnisch nachvollziehbar zu dokumentieren). Mit Ausnahme der internen Revision ist die Anbindung auf gleicher Ebene an andere Kontrollbereiche, etwa Compliance oder Risikocontrolling, bei gleichzeitiger Leitungswahrnehmung beider Bereiche zulässig. Vgl. auch: AT 4.4.2 Rz. 3 MaRisk 2017; AT 4.4.2 Rz. 3 Erläuterungen MaRisk 2017; Boos/Fischer/Schulte-MattlerAchtelik, KWG/CRR-VO, § 25h KWG Rz. 32; Auerbach, Banken- und Wertpapieraufsicht, S. 163. 378) Vgl. § 7 Abs. 5 GwG; BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.2. Die Ausstattung des Geldwäschebauftragten hat sich an Größe, Geschäftsmodell und abstrakter Risikosituation des Verpflichteten und den daraus resultierenden Aufgaben des Geldwäschebeauftragten zu orientieren. Kürzungen der Mittel des Geldwäschebeauftragten sind schriftlich vom zuständigen Mitglied der Leitungsebene zu begründen. Das Aufsichtsorgan des Verpflichteten ist über alle wesentlichen Kürzungen zu informieren. 379) Die BaFin stellt klar, dass die Verantwortlichkeit unbeschadet der Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung besteht, eine Mitteilung an die BaFin aber nicht erforderlich ist und verlangt eine eindeutige Dokumentation der Verantwortlichkeit (BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.2.2). 380) Die BaFin betont, dass revisionssicher zu dokumentieren ist, dass die Risikoanalyse dem zuständigen Mitglied des Leitungsorgans in der jeweils aktuellen Form vorgelegt wurde (BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.2.3). Die BaFin konkretisiert hinsichtlich der internen Sicherheitsmaßnahmen, dass deren Ersteinrichtung und wesentliche Änderungen derselben der Genehmigung bedürfen (BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.2.2). 381) Begr. RegE Vierte GeldwäscheRL-UmsG, BT-Drucks. 18/11555, S. 113. Vgl. auch: BaFin, Auslegungsund Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.2. 382) Die BaFin betont, dass das Mitglied der Leitungsebene die Risiken und ihre Bewertungen im Zusammenhang mit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in Bezug auf den Geschäftsbetrieb des Verpflichteten genau kennen muss und dass ihm die erforderlichen wesentlichen Informationen regelmäßig (soweit erforderlich, zeitnah) vollständig, verständlich und zutreffend mitzuteilen sind (BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.2.2).

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sichtsbefugnisse der EZB für die allgemeine Geschäftsorganisation) bei der BaFin.383) Durch die Reform der Europäischen Aufsichtsbehörden ist außerdem das Mandat der EBA gestärkt und die EBA mit einer führenden, koordinierenden und überwachenden Rolle im Bereich der Geldwäscheaufsicht betraut worden.384) Die Bedeutung der Geldwäscheaufsicht wird auch durch die CRD V weiter gestärkt.385) 7.

Unternehmensgruppen

Auf die organisatorischen Anforderungen betreffend Unternehmensgruppen (einschließlich 138 der zukünftigen Anforderungen für Drittlandsgruppen; siehe Rz. 146) kann ebenfalls nur kurz hingewiesen werden. Insbesondere internationale, komplexe oder gemischte Gruppen können sehr vielfältigen Vorgaben unterliegen. Erforderlich ist eine kontinuierliche Analyse, welche Vorgaben auf Ebene der Gruppe, der Teilgruppe, des übergeordneten Unternehmens, der Holding-Gesellschaft oder der einzelnen gruppenangehörigen Unternehmen (Institute und Nichtinstitute) zu erfüllen sind. Der Aufwand für die Analyse und Einhaltung der Anforderungen ist oft hoch. Die Komplexität resultiert auch daraus, dass den einzelnen Vorgaben nicht zwingend ein einheitliches Gruppen- bzw. Verpflichtetenverständnis zugrunde liegt. Grundlegende gruppenbezogene Vorgaben enthalten § 25a Abs. 3 und § 25c Abs. 3 Nr. 4 139 und Abs. 4b KWG. Diese Vorgaben ergänzen die einzelinstitutsbezogenen Anforderungen.386) Nach § 25a Abs. 3 Satz 1 KWG gelten die Vorgaben an die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation nach § 25a Abs. 1 KWG für Institutsgruppen, (gemischte) Finanzholding-Gruppen sowie Unterkonsolidierungsgruppen nach Art. 22 CRR mit der Maßgabe entsprechend, dass die Geschäftsleiter des übergeordneten oder zur Unterkonsolidierung verpflichteten Unternehmens für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation der jeweiligen Gruppe verantwortlich sind. § 25a Abs. 3 Satz 2 KWG erweitert das Gruppenverständnis für Zwecke der Geschäftsorganisation bzw. des Risikomanagements i. S. des § 25a KWG.387) Nach § 25c Abs. 4b KWG sind die Geschäftsleiter des übergeordneten Unternehmens 140 für die Wahrung der dort genannten Pflichten innerhalb der Institutsgruppe, (gemischten) Finanzholding-Gruppe oder Institute i. S. des Art. 4 CRR verantwortlich, wenn das über___________ 383) Die EZB und die nationalen Aufsichtsbehörden tauschen Informationen aus (vgl. Multilateral Agreement on the Practical Modalities for Exchange of Information pursuant to Art. 57a(2) of Directive (EU) 2015/849, https://eba.europa.eu/-/esas-announce-multilateral-agreement-on-the-exchange-ofinformation-between-the-ecb-and-aml-cft-competent-authorities [Abrufdatum: 16.5.2020]) und die EZB nimmt insoweit eine Koordinierungsfunktion und eine Funktion als zentrale Anlaufstelle wahr. 384) Vgl. dazu die Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010, durch die Verordnung (EU) 2019/2175 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 18.12.2019, ABl. (EU) L 334/1 v. 27.12.2019, insbesondere die neuen Art. 9a ff. Verordnung (EU) Nr. 1093/2010. 385) Vgl. die Änderungen der Artt. 56 lit. g, 91 Abs. 1, 97 Abs. 6, 117 Abs. 6 CRD durch die CRD V sowie ErwG 20 CRD V. 386) Vgl. Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 531; Wundenberg, Compliance, S. 169 f. Die Vorgaben auf Einzelinstitutsebene werden also nicht ersetzt. Es besteht aber bezüglich der gruppenangehörigen Institute und der Institute, die institutsbezogenen Sicherungssystemen angehören, i. R. von § 2a KWG i. V. m. Artt. 7 f. CRR die Möglichkeit, eine Freistellung von der Anwendung von Aufsichtsanforderungen auf Einzelbasis zu beantragen. Spezialgesetzlich können besondere Maßstäbe für das Risikomanagement auf Gruppenebene bestehen. Vgl. zum Datentransfer: Beck/Samm/KokemoorReppenthien, KWG, § 25a Rz. 257. 387) Nach § 25a Abs. 3 Satz 2 KWG gehören zur Gruppe i. S. des § 25a Abs. 3 Satz 1 KWG auch Tochterunternehmen eines übergeordneten Unternehmens oder nachgeordneten Tochterunternehmens einer relevanten Gruppe, auf die weder die CRR noch § 1a KWG anwendbar ist. Tochterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat müssen die sich aus der Einbeziehung in das Risikomanagement auf Gruppenebene ergebenden Pflichten allerdings nur insoweit beachten, als diese dem geltenden Recht ihres Herkunftsstaats nicht entgegenstehen (§ 25a Abs. 3 Satz 3 KWG). Vgl. dazu: Begr. RegE CRD IV-UmsG, BT-Drucks. 17/10974, S. 86.

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Organisatorische Anforderungen

geordnete Unternehmen Mutterunternehmen ist, das beherrschenden Einfluss i. S. des § 290 Abs. 2 HGB über andere Unternehmen der Gruppe ausübt.388) Sie haben i. R. ihrer Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation der jeweiligen Gruppe dafür Sorge zu tragen, dass diese (bzw. teilweise die gruppenangehörigen Unternehmen) über die in § 25c Abs. 4b KWG aufgeführten Strategien, Prozesse, Verfahren, Funktionen und Konzepte verfügt. § 25c Abs. 4b KWG stellt im Wesentlichen gleiche Anforderungen an das Risikomanagement auf Ebene der Gruppe (bzw. teilweise der gruppenangehörigen Unternehmen) wie § 25c Abs. 4a KWG an das Risikomanagement der Institute, macht also entsprechende Vorgaben für Strategien, Risikotragfähigkeit, interne Kontrollverfahren, besondere Funktionen, Ressourcen, Notfallkonzepte, Berichterstattung, Stresstests, Auslagerung etc.389) Allerdings sind die auf Ebene der Gruppe angemessenen Maßstäbe vor dem Hintergrund der oft noch deutlich komplexeren Sachverhalts- und Rechtsfragen schwieriger zu bemessen. Über § 25c Abs. 4a KWG hinausgehend ist die strategische Ausrichtung der gruppenangehörigen Unternehmen mit den gruppenweiten Geschäfts- und Risikostrategien abzustimmen.390) Nach § 25c Abs. 3 Nr. 4 KWG sind die Geschäftsleiter des übergeordneten Unternehmens dazu verpflichtet, für eine angemessene und transparente Gruppenstruktur zu sorgen und die hierfür erforderliche Kenntnis über die Struktur und die damit verbundenen Risiken zu besitzen (siehe auch Rz. 113). 141 Die BaFin legt die Vorgaben des § 25a Abs. 3 KWG insbesondere in AT 4.5 MaRisk 2017 aus.391) Allgemein hängt die Ausgestaltung des Risikomanagements auf Gruppenebene danach insbesondere von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der von der Gruppe betriebenen Geschäfte und den gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten ab.392) 142 Hinsichtlich des Verhältnisses der rechtsformspezifischen und aufsichtsrechtlichen Vorgaben ist allerdings zu bedenken, dass das KWG seit Inkrafttreten des CRD IV-Umsetzungsgesetzes nur noch Einschränkungen hinsichtlich Tochterunternehmen in Drittstaaten enthält (vgl. § 25a Abs. 3 Satz 3 KWG). Den Gesetzesmaterialien ist einerseits zu entnehmen, dass die Einwirkungsrechte des übergeordneten Unternehmens im Einklang mit der CRD IV uneingeschränkt gelten und nicht durch anderweitiges Gesellschaftsrecht beschnitten werden sollen.393) Andererseits bleibe davon (auch bei vertraglichen Durch___________ 388) Die Erweiterung des Gruppenbegriffs in § 25a Abs. 3 Satz 2 KWG ist nicht auf § 25c Abs. 4b KWG anwendbar (vgl. Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 212). 389) Vgl. dazu i. E.: Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 214, 216 ff. 390) Vgl. auch: Begr. RegE RisikoabschirmungsG, BT-Drucks. 17/12601, S. 44. 391) Nach AT 4.5 Rz. 1 MaRisk 2017 muss das Risikomanagement auf Gruppenebene alle wesentlichen Risiken der Gruppe unabhängig davon erfassen, ob diese von konsolidierungspflichtigen Unternehmen begründet werden oder nicht. Da sich das Risikomanagement auf Gruppenebene nur auf wesentliche Risiken erstreckt, können z. B. nachgeordnete Unternehmen, deren Risiken aus Sicht des übergeordneten Unternehmens als nicht wesentlich eingestuft werden, vom Risikomanagement auf Gruppenebene ausgenommen werden, wenn die Risiken bei zusammengefasster Betrachtung aller nachgeordneten Unternehmen mit jeweils unwesentlichem Risiko nicht insgesamt als wesentlich einzustufen sind (AT 4.5 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017). In AT 4.5 MaRisk 2017 sind spezifische Anforderungen vorgesehen: U. a. muss die Geschäftsleitung des übergeordneten Unternehmens danach für die Umsetzung der gruppenweiten Strategien Sorge tragen, dürfen die eingesetzten Methoden und Verfahren (z. B. IT-Systeme) der Wirksamkeit des Risikomanagements auf Gruppenebene nicht entgegenstehen, ist die Risikotragfähigkeit der Gruppe laufend sicherzustellen, sind angemessene ablauforganisatorische Vorkehrungen auf Gruppenebene, angemessene Risikosteuerungs- und -controllingprozesse, die die gruppenangehörigen Unternehmen einbeziehen, sowie angemessene Stresstests auf Gruppenebene erforderlich und ist an die Geschäftsleiter des übergeordneten Unternehmens zeitnah Bericht zu erstatten (vgl. AT 4.5 Rz. 1, 2, 4 MaRisk 2017). Weitere Vorgaben der MaRisk für die Gruppenebene ergeben sich z. B. aus AT 4.3.4 Rz. 1, AT 9 Rz. 2, 5, BTR 3.1 Rz. 7, 10 und BTR 3.2 Rz. 4 MaRisk 2017. Vereinzelt bleiben die MaRisk hinter dem KWG zurück (vgl. auch: Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 222). 392) AT 4.5 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017. 393) Vgl. nur: Art. 109 CRD; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 82 ff.

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II. Ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

§ 11

griffsrechten) die Pflicht des nachgeordneten Unternehmens unberührt, die Rechtmäßigkeit der Weisung zu prüfen, sowie das Recht, nachteilige (insbesondere existenzgefährdende) Rechtsgeschäfte oder andere nachteilige Maßnahmen nicht auszuführen (womit den Grundsätzen des deutschen Gesellschaftsrechts Rechnung getragen werde).394) Hieraus werden unterschiedliche Schlussfolgerungen zum (Spannungs-)Verhältnis zwischen rechtsformspezifischen und aufsichtsrechtlichen Vorgaben gezogen, die hier nicht im Einzelnen dargelegt werden können.395) Auch EBA und BCBS stellen wesentliche gruppenbezogene organisatorische Anforderun- 143 gen auf.396) Nach Maßgabe von § 5 Abs. 3 und § 9 GwG397) müssen Verpflichtete nach dem GwG, die 144 Mutterunternehmen einer Gruppe sind (bzw. Verpflichtete i. S. des § 9 Abs. 4 GwG) auf Basis einer gruppenweiten Risikoanalyse (für alle Zweigstellen und Zweigniederlassungen sowie relevante gruppenangehörige Unternehmen) einheitliche interne Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nach § 6 Abs. 2 GwG einrichten (vgl. zu diesen Rz. 129 ff.). Dies beinhaltet u. a. die Schaffung der notwendigen Verfahren für den Informationsaustausch innerhalb der Gruppe und die Bestellung eines Gruppen-Geldwäschebeauftragten (sowie eines Stellvertreters), der für die Erstellung einer gruppenweiten Strategie zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie für die Koordinierung und Überwachung ihrer Umsetzung zuständig ist.398) Wesentlich ist auch eine Konzernrevision, die i. R. des Risikomanagements auf Gruppen- 145 ebene ergänzend zur Internen Revision der gruppenangehörigen Unternehmen tätig wird ___________ 394) Begr. RegE CRD IV-UmsG, BT-Drucks. 17/10974, S. 86, insoweit abweichend von Begr. RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.12.2002 – Finanzkonglomeraterichtlinie-Umsetzungsgesetz (FKRL-UmsG), BT-Drucks. 15/3641, S. 48. 395) Vgl. z. B.: Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 215; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25c KWG Rz. 709 f.; Dreher, WM 2015, 649, 656 f.; Glawischnig-Quinke/Schuler in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, 13. Kap., Rz. 43 ff.; Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 685 f.; Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rz. 143; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 533. 396) Vgl. insb.: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 68 f., 71 ff., 75 ff., 82 ff., 99, 106, 127, 168, 172 f., 199, 216 f., Annex I; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 9, 118 ff.; BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, Rz. 95 ff. Vgl. zu den Vorgaben der EBA für den SREP: EBA, Überarbeitete SREPGuidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 134 f., 505 ff. 397) Vgl. zu den Änderungen des § 9 GwG durch das Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2602 ff., 2606, mit Wirkung zum 1.1.2020, die Gesetzesbegründung: BT-Drucks. 19/13827, S. 77. 398) Vgl. i. E.: § 9 GwG sowie BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. IV.11.3. Nach § 9 GwG müssen die Mutterunternehmen (bzw. die Verpflichteten i. S. des § 9 Abs. 4 GwG) sicherstellen, dass (i) die von ihnen getroffenen Maßnahmen von ihren Zweigstellen, Zweigniederlassungen und relevanten gruppenangehörigen Unternehmen wirksam umgesetzt werden, (ii) Zweigniederlassungen und relevante gruppenangehörige Unternehmen mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat die dortigen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Vierten Geldwäscherichtlinie einhalten und (iii) Zweigstellen und relevante gruppenangehörige Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat, in dem die Mindestanforderungen zur Verhinderung von Geldwäsche und von Terrorismusfinanzierung geringer sind als in Deutschland, (a) die Anforderungen nach dem GwG erfüllen, soweit das Recht des Drittstaats dies zulässt oder (b) soweit dies nicht der Fall ist, zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um dem Risiko der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung wirksam zu begegnen, und ihre zuständige Aufsichtsbehörde über diese Maßnahmen informieren (wenn die Maßnahmen nicht ausreichen, ordnet die zuständige Aufsichtsbehörde an, dass die Verpflichteten sicherstellen, dass die Zweigstellen und relevanten gruppenangehörigen Unternehmen in diesem Drittstaat weder eine Geschäftsbeziehung begründen oder fortsetzen noch Transaktionen durchführen). Die gruppenangehörigen Verpflichteten müssen die für sie geltenden gruppenweiten Pflichten nach Maßgabe des § 9 Abs. 5 GwG umsetzen – unbeschadet der von den Verpflichteten zu beachtenden eigenen gesetzlichen Verpflichtung zur Erfüllung sonstiger geldwäscherechtlicher Vorschriften.

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Organisatorische Anforderungen

und der Geschäftsleitung und dem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan des übergeordneten Unternehmens in angemessenen Abständen, mindestens vierteljährlich, berichtet (§ 25c Abs. 4b Satz 2 Nr. 3 lit. g KWG). Nach den MaRisk ist sicherzustellen, dass für die Konzernrevision und die Internen Revisionen der einzelnen gruppenangehörigen Unternehmen Revisionsgrundsätze und Prüfungsstandards gelten, die eine Vergleichbarkeit der Prüfungsergebnisse gewährleisten und dass die Prüfungsplanungen und die Verfahren zur Überwachung der fristgerechten Beseitigung von Mängeln aufeinander abgestimmt sind.399) 146 Die gruppenbezogenen Anforderungen werden durch die CRD V weiter verstärkt. Unter anderem werden gemäß des bis zum 29.12.2020 in nationales Recht umzusetzenden Art. 1 Nr. 9 CRD V (durch den Art. 21b in die CRD eingefügt wird) Drittlandsgruppen mit zwei oder mehr Instituten in der EU mit einem Gesamtwert der Vermögenswerte der Drittlandsgruppe in der EU von mindestens 40 Mrd. € zukünftig verpflichtet, ein (erlaubnispflichtiges) zwischengeschaltetes EU-Mutterunternehmen (Intermediate EU Parent Undertaking – IPU) zu gründen (bzw. zwei zwischengeschaltete EU-Mutterunternehmen nach Gestattung durch die zuständigen Behörden), um die Beaufsichtigung ihrer EU-Tätigkeiten zu verbessern und die Abwicklung innerhalb der EU zu vereinfachen.400) III.

Organe und Organmitglieder

1.

Grundlagen

147 Die Anforderungen an Organe und ihre Mitglieder ergeben sich zunächst aus rechtsformspezifischen und mitbestimmungsrechtlichen Regelungen. Diese werden durch aufsichtsrechtliche Vorgaben konkretisiert, ergänzt oder überlagert.401) Im gesetzlichen Rahmen legen die Unternehmensstatuten (Gesellschaftsvertrag, Satzung, Geschäftsordnungen etc.) Einzelheiten fest. Allgemeine aufsichtsrechtliche Anforderungen ergeben sich aus §§ 25c und 25d KWG402) sowie aus Vorgaben der EBA,403) BaFin404) und EZB405). ___________ 399) AT 4.5 Rz. 6 MaRisk 2017. Die Konzernrevision kann die Prüfungsergebnisse der Internen Revisionen der einzelnen gruppenangehörigen Unternehmen berücksichtigen. 400) Für bestehende Drittlandsgruppen gilt nach Art. 21b CRD i. d. F. der CRD V eine Übergangsfrist bis 30.12.2023. 401) Neben den in diesem Abschnitt behandelten Anforderungen an Organe und ihre Mitglieder enthält das Aufsichtsrecht weitere Anforderungen an die strukturelle Organisation und an verantwortliche Personen, etwa an die Unternehmensstruktur, an Organisationseinheiten, Funktionsträger und Inhaber von Schlüsselfunktionen etc. (s. dazu Abschn. II, Rz. 7 ff.). 402) § 25c und § 25d KWG setzen Mindestvorgaben der CRD IV nicht vollkommen identisch und partiell „überschießend“ um. Sie sind an die Unternehmen oder an die Organmitglieder adressiert. 403) Vgl. z. B.: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11); EBA, Final Report, Guidelines on internal governance under Directive 2013/36/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/11); ESMA/EBA, Final Report, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/12); ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12); EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 35 ff. 404) Vgl. z. B.: BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018; BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018. Vgl. auch: Bundesbank/BaFin, Merkblatt über die Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften gemäß § 32 Abs. 1 KWG, v. 31.12.2007; BaFin, Checkliste, Erlaubnisverfahren – Zulassung als Kreditinstitut, v. 16.11.2017; Bundesbank, Merkblatt über die Erteilung einer Erlaubnis zum Erbringen von Finanzdienstleistungen gemäß § 32 Abs. 1 KWG, v. 6.7.2018. 405) Vgl. z. B.: EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018; EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, v. 3.11.2016; EZB, Empfehlung v. 4.4.2017 zu einheitlichen Kriterien für die Nutzung einiger im Unionsrecht eröffneter Optionen und Ermessensspielräume durch die nationalen zuständigen Behörden bei weniger bedeutenden Instituten (EZB/2017/10), ABl. (EU) C 120/2 v. 13.4.2017.

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§ 11

III. Organe und Organmitglieder

Die einzelnen Anforderungen sind vor dem Hintergrund unterschiedlicher Institutsver- 148 fassungen formuliert, insbesondere einer monistischen Verfassung (bei der einem Organ die Geschäftsführungs- und die Aufsichtsaufgaben obliegen) oder einer dualistischen Verfassung (bei der einem Organ die Geschäftsführungs- und einem weiteren die Aufsichtsaufgaben obliegen). Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 ff. CRD trägt den unterschiedlichen Verfassungen Rechnung. Danach bezeichnet „Leitungsorgan“ „das Organ oder die Organe …, das (die) … befugt ist (sind), Strategie, Ziele und Gesamtpolitik des Instituts festzulegen und die Entscheidungen der Geschäftsleitung zu kontrollieren und zu überwachen, und dem die Personen angehören, die die Geschäfte des Instituts tatsächlich führen“, wobei weiter das „Leitungsorgan in seiner Aufsichtsfunktion“ und die „Geschäftsleitung“ unterschieden werden.406) Nach ErwG 55 CRD IV will die CRD die unterschiedlichen Leitungsstrukturen unberührt lassen und sämtlich erfassen.407) Ein derart funktionales Verständnis ist bei allen Vorgaben erforderlich, auch bei den auf dualistischer Grundlage formulierten §§ 25c und 25d KWG. Den folgenden Ausführungen wird zur Vereinfachung eine dualistische Struktur zugrunde gelegt. Unabhängig von der Verfassung sollten die Geschäftsleitungs- und die Aufsichtsfunktion 149 effektiv zusammenwirken.408) Eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verlangt in

___________ 406) „Leitungsorgan in seiner Aufsichtsfunktion“ bezeichnet die Wahrnehmung der Aufgabe der Beaufsichtigung und Überwachung der Geschäftsleitung; „Geschäftsleitung“ bezeichnet die Wahrnehmung der Geschäftsführungsaufgabe und die Verantwortung für das Tagesgeschäft mit Rechenschaftspflicht gegenüber dem Leitungsorgan. Die EBA verwendet auch den Begriff „Leitungsorgan in seiner Leitungsfunktion“, vgl. ESMA/EBA, Final Report, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/12), Background and rationale, Rz. 5; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 11; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 9. Die EBA stellt klar, dass ihre Vorgaben für Geschäftsleiter auch für Personen gelten, die Geschäftsleiteraufgaben wahrnehmen, ohne nach dem jeweiligen Gesellschaftsrecht (formal) Organmitglieder zu sein (EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 10). 407) Vgl. auch: ESMA/EBA, Final Report, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/12), Background and rationale, Rz. 4 ff.; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 10; EBA, Final Report, Guidelines on internal governance under Directive 2013/36/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/11), Background and rationale, Rz. 21 ff., Guidelines, Rz. 8 ff.; EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 3 f. Allerdings sind die eher vor dem Hintergrund monistischer Strukturen verfassten europäischen Vorgaben im Hinblick auf dualistische Strukturen nicht immer eindeutig und teilweise zu weitgehend (vgl. exemplarisch: Binder in: Grieser/ Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 425, 432 ff.; DK, Comments, EBA Draft Guidelines on internal governance, v. 27.1.2017). 408) EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 22. Vgl. auch: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 92; Ziff. 3.1 DCGK. Die EZB betont bezüglich Art. 88 Abs. 1 lit. e CRD, dass die Leitungs- und die Aufsichtsfunktion (bzw. die Funktion des Vorsitzenden des Leitungsorgans in seiner Aufsichtsfunktion und des Geschäftsführers) klar getrennt sein und die Zusammenlegung nur im Ausnahmefall und bei entsprechenden „Korrekturmaßnahmen“ gestattet werden sollte (EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, v. 3.11.2016, S. 63 f., mit Verweis auf Vorgaben des BCBS und der EBA; EZB, Empfehlung v. 4.4.2017 zu einheitlichen Kriterien für die Nutzung einiger im Unionsrecht eröffneter Optionen und Ermessensspielräume durch die nationalen zuständigen Behörden bei weniger bedeutenden Instituten (EZB/2017/10), ABl. (EU) C 120/2 v. 13.4.2017, Ziff. VII, Anhang). In § 25c Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und § 25d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3a Nr. 1 KWG wird klargestellt, dass eine gleichzeitige Mitgliedschaft im Geschäftsleitungs- sowie im Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan nicht möglich ist; s. Rz. 162 und Rz. 177 f.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

jedem Fall eine angemessene interne Governance zur Organisation, Zusammensetzung und Arbeitsweise der Organe und ihrer Mitglieder.409) 2.

Geschäftsleitungsorgan

a)

Aufgaben und Pflichten

150 Ausgangspunkt für die Bestimmung der Aufgaben und Pflichten des Geschäftsleitungsorgans und seiner Mitglieder sind die rechtsformspezifischen Vorgaben (vgl. z. B. §§ 76 ff. AktG und Ziff. 3 f. DCGK). Aufsichtsrechtlich sind § 25a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 sowie § 25c Abs. 3, 4a und 4b KWG und spezifische Anforderungen des KWG und weiterer Gesetze zu beachten. Grundsätzlich müssen Geschäftsleiter eigenverantwortlich und unabhängig handeln können410) und darf ihre Verantwortung nicht ausgelagert werden (siehe Rz. 194). 151 Systematisch lassen sich verschiedene Arten von Pflichten unterscheiden: Während sich einige aus der Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation ableiten lassen, sind andere für spezifische Tatbestände normiert (z. B. Entscheidungen über Groß- und Organkredite in § 13 Abs. 2 und § 15 Abs. 1 KWG). Die Pflichten sind an die Geschäftsleiter adressiert oder ihnen wertungsmäßig zuzuordnen. Sie obliegen dem Kollegialorgan oder einzelnen oder allen Geschäftsleiter(n). Sie sind höchstpersönlicher Natur oder können (teilweise) unter den Geschäftsleitern zugeordnet oder auf Hierarchieebenen unterhalb der Ebene der Geschäftsleiter delegiert werden. 152 Nach § 25a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 KWG (sowie AT 3 MaRisk 2017) tragen die Geschäftsleiter unabhängig von der internen Zuständigkeitsverteilung die Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation des Instituts bzw. die Geschäftsleiter des übergeordneten oder zur Unterkonsolidierung verpflichteten Unternehmens für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation der Institutsgruppe, (gemischten) Finanzholding-Gruppe oder Unterkonsolidierungsgruppe.411) Im Rahmen der Geschäftsverteilung werden Aufgaben regelmäßig einzelnen Geschäftsleitern zugeordnet, die ihre Erfüllung zunächst gewährleisten müssen und, wie die MaRisk klarstellen, ungeachtet der Gesamtverantwortung für die Einrichtung angemessener Kontroll- und Überwachungsprozesse in ihrem Zuständigkeitsbereich verantwortlich sind.412) Aufgrund der Gesamtverantwortung obliegt den anderen Geschäftsleitern aber immer mindestens die Pflicht zu gewährleisten, dass eine Aufgabe zugeordnet wurde, zu prüfen, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass sie vom zuständigen Geschäftsleiter nicht ordnungsgemäß erfüllt wird, ___________ 409) Vgl. z. B.: ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 21, 28, 30, 35, 84, 97 ff., 104 ff., 110 ff., 118 ff., 134; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 20 ff.; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 92; BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, Rz. 58 f. Die EBA fordert u. a. interne Vorgaben zur Auswahl, Beurteilung, Wiederbestellung, Einführung und Fortbildung der Organmitglieder, zur Nachfolgeplanung, zur Vorgabe, der Tätigkeit ausreichend Zeit zu widmen, zur Geeignetheit und Zusammensetzung der Organe, zur diversity, zu den Ausschüssen, zum Umgang mit Interessenkonflikten, zur Kommunikation mit den Aufsichtsbehörden und zu Dokumentationsanforderungen. S. zu den internen Vorgaben allgemein Rz. 115 ff. 410) Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 70, weist zu Recht darauf hin, dass eine generelle Weisungsbefugnis des Aufsichtsorgans oder Einflussnahme sonstiger Dritter nicht zulässig wäre. 411) Nach AT 3 Rz. 1 MaRisk 2017 bezieht sich diese Verantwortung (unter Berücksichtigung ausgelagerter Aktivitäten und Prozesse) auf alle wesentlichen Elemente des Risikomanagements und werden die Geschäftsleiter ihr nur gerecht, wenn sie die Risiken beurteilen können und die erforderlichen Maßnahmen zu ihrer Begrenzung treffen, wozu auch die Entwicklung, Förderung und Integration einer angemessenen Risikokultur innerhalb des Instituts und der Gruppe zählt. 412) AT 3 Rz. 2 MaRisk 2017. Vgl. allgemein zur Verteilung von Aufgaben zwischen den Organmitgliedern auch: Art. 25 Abs. 1 Delegierte VO 2017/565.

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§ 11

III. Organe und Organmitglieder

sowie im gebotenen Rahmen einzugreifen, wenn Verstöße oder Anhaltspunkte für Verstöße festgestellt werden (Organisations-, Überwachungs- und Eingriffspflicht).413) Weitergehend kann die Zuordnung einer Aufgabe ausgeschlossen sein, weil sie zwingend von allen Geschäftsleitern bzw. dem Kollegialorgan wahrgenommen werden muss; dies gilt z. B. für die Festlegung der Geschäfts- und Risikostrategie (siehe Rz. 29). Umgekehrt ist die Zuordnung ggf. sogar zwingend, z. B. aufgrund ausdrücklicher Vorgaben (etwa in § 4 Abs. 3 GwG) oder des auch für die Geschäftsleitung geltenden Grundsatzes der Funktionstrennung. Nur im Einzelfall kann festgestellt werden, ob und inwieweit Aufgaben – bei fortbeste- 153 hender Verantwortung und (ggf. erhöhter) Organisations-, Überwachungs- und Eingriffspflicht – auf Hierarchieebenen unterhalb der Ebene der Geschäftsleitung delegiert werden können.414) Hingegen können Entscheidungen der Geschäftsleitung immer durch einzelne Geschäftsleiter oder Mitarbeiter auf Ebenen unterhalb der Ebene der Geschäftsleitung vorbereitet werden. § 25c Abs. 3, 4a und 4b KWG, die MaRisk415) und weitere Quellen416) konkretisieren die 154 Gesamtverantwortung der Geschäftsleiter durch Zuordnung spezifischer Pflichten. § 25c Abs. 3 KWG enthält vornehmlich Anforderungen an die interne Governance (siehe Rz. 112 ff.). § 25c Abs. 4a und 4b KWG normiert wichtige Pflichten betreffend das Risikomanagement und die Auslagerung (siehe Abschn. II.2, Rz. 14 ff., bzw. Abschn. IV, Rz. 185 ff.), wobei streitig ist, ob diese Pflichten (bei fortbestehender Organisations-, Überwachungs- und Eingriffspflicht i. S. von Rz. 152) einem Ressort zugeteilt werden können;417) unseres Erachtens nach sollte eine derartige Zuordnung, vorbehaltlich der wertungsmäßig vom Kollegium zu treffenden Entscheidungen, generell möglich sein, soweit sie nicht ohnehin zur Funktionstrennung erforderlich ist. ___________ 413) Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 25a Rz. 6; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRRVO, § 25a KWG Rz. 54; Beck/Samm/Kokemoor-Kleinert, KWG, § 25c Rz. 111 ff.; Schwennicke/ Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rz. 23 ff.; Beck/Samm/Kokemoor-Reppenthien, KWG, § 25a Rz. 59. Vgl. auch: Altenhain in: Paetzmann/Schöning, Corporate Governance, S. 237, 241 f.; Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 538. Umfang und Inhalt der Überwachungspflicht können letztlich nur für den konkreten Einzelfall geklärt werden. Allgemein wird bezüglich einer Pflicht zur anlassunabhängigen aktiven Nachforschung vertreten, dass ein Geschäftsleiter sich grundsätzlich auf das Bild verlassen dürfe, das er während und außerhalb der Geschäftsleitungssitzungen gewinne, und dass er von seinem Frageund Auskunftsrecht nur bei entsprechenden Anhaltspunkten Gebrauch machen müsse (Beck/Samm/ Kokemoor-Reppenthien, KWG, § 25a Rz. 63, unter Verweis auf die aktienrechtlichen Ausführungen von Habersack, WM 2005, 2360, 2363 f.). 414) Vgl. Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 70. Teilweise ist eine Delegierung ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. z. B.: AT 4.2 Rz. 3 MaRisk 2017) oder zulässig (vgl. z. B.: AT 8.1 Rz. 6 MaRisk 2017). 415) Vgl. die Pflichten in: AT 2.2 Rz. 1, AT 3 Rz. 1 f., AT 4.1 Rz. 8, AT 4.2 Rz. 1 ff., AT 4.3.2 Rz. 3, AT 4.3.4 Rz. 1, AT 4.4.1 Rz. 5, AT 4.5. Rz. 2, AT 8.1 Rz. 6, AT 9 Rz. 10, BTR 3.1 Rz. 5, BT 2.3 Rz. 5, BT 2.4 Rz. 5, BT 3.1 Rz. 1 und 5 MaRisk 2017; BTO 1.1 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017. Weitere Pflichten lassen sich „indirekt“ aus Pflichten anderer Adressaten gegenüber der Geschäftsleitung ableiten. Vgl. auch: Glawischnig-Quinke/Schuler in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, 13. Kap., Rz. 100, Fn. 159, die hinsichtlich der Pflichten in den MaRisk 2012 die Auffassung vertritt, dass die BaFin diese Pflichten (vorbehaltlich ausdrücklich anderslautender Bestimmung) als nicht delegierbar betrachte. 416) Vgl. z. B. die diversen Pflichten in der CRR oder die Aufstellungen der EBA zum Leitungsorgan: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 20 ff. sowie EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 36; EBA, Leitlinien zu den Stresstests der Institute, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/04), Rz. 22, 23, 26, 89, 93. 417) Dafür: Altenhain in: Paetzmann/Schöning, Corporate Governance, S. 237, 250 f.; Beck/Samm/KokemoorKleinert, KWG, § 25c Rz. 114; Schröder, WM 2014, 100, 103. Dagegen: Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 177; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 25c Rz. 71. Auch nach der Begr. des Gesetzesentwurfs (Begr. RegE RisikoabschirmungsG, BT-Drucks. 17/12601, S. 22, 44), die sich aber noch auf die (insoweit sprachlich abweichende) ursprüngliche Entwurfsfassung bezieht, ist eine Delegierung und Aufteilung in Einzelressorts nicht möglich.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

155 Auch das WpHG legt in seinem Anwendungsbereich wesentliche Pflichten der Geschäftsleiter ausdrücklich fest und spezifiziert insoweit § 25c Abs. 3 KWG.418) b)

Zusammensetzung und Entscheidungsfindung

156 Hinsichtlich der Anzahl der Mitglieder und sonstigen Zusammensetzung des Geschäftsleitungsorgans enthält das Aufsichtsrecht in § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KWG eine konkrete Anforderung.419) Allgemein erfordert die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation, dass das Organ mit einer für das konkrete Unternehmen, seine Geschäfte und seine spezifische Situation sowie zur Gewährleistung der Funktionstrennung angemessenen Anzahl an hinreichend geeigneten Personen besetzt ist.420) Dies steht nicht nur einer zu geringen, sondern auch einer zu großen Anzahl an Mitgliedern entgegen.421) Anders als § 25d Abs. 2 KWG für das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan und Art. 91 Abs. 7 CRD für das Leitungsorgan, verlangt § 25c KWG nicht ausdrücklich, dass die Geschäftsleiter auch kollektiv über hinreichende Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen müssen.422) Dies ist allerdings selbstverständlich ebenfalls erforderlich.423) 157 Die Entscheidungsfindung sowie Zustimmungserfordernisse des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans werden in der Regel in den Unternehmensstatuten im Einklang mit rechtsformspezifischen und aufsichtsrechtlichen Anforderungen festgelegt. Vorgaben des Aufsichtsrechts sind für spezifische Fälle normiert (z. B. das Erfordernis eines einstimmigen Beschlusses über Großkredite, § 13 Abs. 2 KWG, oder eines grundsätzlich einstimmigen Beschlusses und einer Zustimmung des Aufsichtsorgans für Organkredite, § 15 Abs. 1 KWG). Weitere Vorgaben lassen sich aus dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation ableiten.424)

___________ 418) Vgl. § 81 WpHG; Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drucks. 18/10936, S. 79, 243. 419) Daneben bestehen rechtsformspezifische Vorgaben, z. B. in § 76 Abs. 2 AktG. Durch das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst – FührposGleichberG, v. 24.4.2015, BGBl. I 2015, 642, wurden die rechtsformspezifischen Regelungen um Vorgaben zur Förderung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen ergänzt, vgl. z. B.: § 111 Abs. 5 AktG. 420) Vgl. ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 129 f.; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 92; BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, Rz. 47 f. Vgl. zur diversity: ESMA/EBA, Final Report, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/12), Background and rationale, Rz. 42 ff.; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 104 ff., 111, 132. 421) Vgl. EZB, Rede v. Danièle Nouy, Good governance for good decisions, v. 22.3.2018. 422) Art. 91 Abs. 1 Satz 2 CRD bzw. Art. 91 Abs. 7 CRD i. d. F. der CRD V fordert auch, dass die Zusammensetzung des Leitungsorgans insgesamt ein angemessen breites Spektrum an Erfahrung widerspiegelt. 423) Vgl. auch: § 25d Abs. 11 Satz 2 Nr. 1, 4 KWG; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/12), Rz. 31 ff., 67 ff., 150 ff.; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 92; Wabnitz/Lange/Isensee/Redenz, BaFin Journal 12/2017, S. 15, 18; Kulenkamp/Lackhoff in: Bauer/ Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 39, 47. 424) Mit einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation wäre es z. B unvereinbar, wenn ein Organmitglied bzw. eine geringe Anzahl an Organmitgliedern die Entscheidungsfindung generell dominieren könnte (vgl. § 25d Abs. 11 Satz 2 Nr. 3 KWG; Art. 88 Abs. 2 CRD; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 22; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 90, 154; Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 70).

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§ 11

III. Organe und Organmitglieder

Die Frequenz der regelmäßigen Kollegiumssitzungen ist einzelfallabhängig so festzulegen, 158 dass das Organ und seine Mitglieder ihre Aufgaben vor dem Hintergrund von Art, Größe und Situation des Unternehmens angemessen und wirksam wahrnehmen können.425) Anlassbezogen können außerordentliche Sitzungen erforderlich sein. c)

Organmitglieder

Aufsichtsrechtlich müssen Geschäftsleiter während der gesamten Dauer ihrer Bestellung 159 fachlich geeignet und zuverlässig sein und der Wahrnehmung ihrer Aufgabe ausreichend Zeit widmen (§ 25c Abs. 1 KWG).426) Die EBA stellt ausdrücklich klar, dass Auslagerungen die Anforderungen an die Organmitglieder nicht reduzieren.427) Nach § 25c Abs. 1 Satz 2 KWG setzt die fachliche Eignung ausreichende theoretische 160 und praktische Kenntnisse in den betreffenden Geschäften sowie Leitungserfahrung voraus. Gemäß § 25c Abs. 1 Satz 3 KWG ist sie regelmäßig anzunehmen, wenn eine dreijährige leitende Tätigkeit bei einem Institut vergleichbarer Größe und Geschäftsart nachgewiesen wird.428) Die fachliche Eignung ist unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit einzelfallbezogen für das konkrete Unternehmen, die konkrete Position und Person zu beurteilen.429) Leitungserfahrung erfordert die Leitung von Unternehmen oder hinreichenden Organisa-

___________ 425) Vgl. EBA, Leitlinien zur Internen Governance (GL 44), v. 27.9.2011, Ziff. 14.2 (aufgehoben). 426) Für Personen, die die Geschäfte einer (gemischten) Finanzholding-Gesellschaft führen, gelten nach § 2d Abs. 1 KWG im Grundsatz gleiche Kriterien. § 25c KWG gilt entsprechend für Geschäftsleiterund Verhinderungsvertreter (BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 19), kommissarische Geschäftsleiter, Geschäftsleiter auf Probe und ähnliche Fälle (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25c KWG Rz. 6; Beck/Samm/Kokemoor-Kleinert, KWG, § 25c Rz. 9 ff.). Institute müssen angemessene Ressourcen einsetzen, um Geschäftsleitern die Einführung in ihr Amt zu erleichtern und die Fortbildung zu ermöglichen, die zur Aufrechterhaltung der fachlichen Eignung erforderlich ist (vgl. § 25c Abs. 4 KWG; ESMA/EBA, Final Report, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/12), Background and rationale, Rz. 37, 41; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 94 ff., 97 ff.). 427) EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 37. 428) Nach Ansicht der BaFin und der EZB gilt die widerlegbare Regelvermutung auch bei leitender Tätigkeit unmittelbar unter der Geschäftsleiterebene (vgl. BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 20; EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 14). Die EZB sieht für die Vermutung höhere Schwellenwerte als das KWG vor (die allerdings nur „unbeschadet nationaler Rechtsvorschriften“ gelten). Eine besondere Regelvermutung enthält § 2 Abs. 1 Satz 5 PfandBG. Vgl. auch: Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 32 ff. 429) Vgl. ESMA/EBA, Final Report, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/12), Background and rationale, Rz. 39; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 21, 27, 58 ff.; EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 10, 12 f.; Reischauer/ Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 36. Verfügt ein Kandidat (noch) nicht über die ausreichende fachliche Eignung, kann er diese in einer Qualifizierungsphase von einem oder mehreren Jahr(en) in einer Position unmittelbar unter der Geschäftsleitung erwerben. Zur Förderung des Ausbaus der ITKenntnisse der Geschäftsleitung durch Bestellung von IT-Spezialisten zu Geschäftsleitern, stellt die BaFin in der Einzelfallprüfung in geeigneten Fällen (auch unter Berücksichtigung der kollektiven Eignung der Geschäftsleitung) reduzierte Anforderungen an den Zeitraum, in dem IT-Spezialisten bankpraktische Erfahrungen erworben haben müssen (vgl. Wabnitz/Lange/Isensee/Redenz, BaFin Journal 12/2017, S. 15, 16 ff.).

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

tionseinheiten mit eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnis.430) Relevante theoretische Kenntnisse können durch abgeschlossene Berufsausbildungen, Studiengänge, Fortbildungen oder breite Berufspraxis nachgewiesen werden, praktische Kenntnisse durch einschlägige Berufserfahrung.431) Insbesondere bei großen Universalbanken ist es angesichts der Vielzahl und Komplexität der einzelnen Geschäfte und Abläufe kaum möglich, dass alle Geschäftsleiter tiefgehende Spezialkenntnisse in jedem Themengebiet haben. Anders als beim Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan (siehe Rz. 175) reicht es aber nicht aus, wenn das Organ nur kollektiv über ausreichende Kenntnisse verfügt. Jeder Geschäftsleiter muss vielmehr mindestens ausreichend gehobene Fachkenntnisse zur Wahrnehmung der Gesamtverantwortung haben.432) Aufgrund des Vier-Augen-Prinzips bzw. Diskussionsund Vertretungserfordernissen muss außerdem, je nach Einzelfall, nicht nur eine Person über das jeweilige tiefgehende Spezialwissen verfügen.433) Die BaFin verlangt von jedem Geschäftsleiter zwingend Berufserfahrung im Kreditgeschäft und Risikomanagement in gehobener Position und mit entsprechenden Kompetenzen.434) Die EZB setzt grundsätzlich mindestens grundlegende theoretische Erfahrung in bestimmten Bereichen des Bank-

___________ 430) BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 20; Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 30; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Scholz, KWG und CRR, § 25c KWG Rz. 12 ff. Vgl. auch: ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 65. 431) Vgl. BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 20. Vgl. auch: ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 60 ff.; EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 12 ff.; Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 25 ff., 41 ff.; Luz/ Neus/Schaber/u. a.-Scholz, KWG und CRR, § 25c KWG Rz. 7 f.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 25c Rz. 32. Relevante Themen sind z. B. Bank- und Finanzwesen, Betriebs- und Volkswirtschaft, Recht, Steuern, Finanzregulierung, Strategie, Risikomanagement oder interne Kontrolle. Die praktische Tätigkeit muss erfolgreich gewesen sein. 432) Vgl. dazu die Ansichten von: Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 27, 41 ff.; Beck/Samm/ Kokemoor-Kleinert, KWG, § 25c Rz. 46 f.; Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rz. 24; Opitz, BKR 2013, 177, 178; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Scholz, KWG und CRR, § 25c KWG Rz. 9 f.; Schwennicke/ Auerbach-Schwennicke, KWG, § 25c Rz. 27; Zerwas/Hanten, BB 1998, 2481, 2483. Vgl. auch: ESMA/ EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 58, 70; Wabnitz/Lange/Isensee/Redenz, BaFin Journal 12/2017, S. 15, 17. 433) Vgl. ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 70. Vgl. auch: Wabnitz/Lange/ Isensee/Redenz, BaFin Journal 12/2017, S. 15, 18; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Scholz, KWG und CRR, § 25c KWG Rz. 9 f. 434) BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 20. Dies kann bei großen und stark arbeitsteiligen Organen ggf. zu weitgehend sein (Reischauer/ Kleinhans-Albert, KWG, § 33 Rz. 53; Dürr, WM 1993, 1918, 1918; a. A.: Schwennicke/AuerbachSchwennicke, KWG, § 25c Rz. 29 unter Verweis auf Groß- und Organkreditentscheidungen). Besondere Anforderungen können an Sprachkenntnisse und bei im Ausland gesammelten Erfahrungen gestellt werden (vgl. ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Anhang II; Bundesbank/BaFin, Merkblatt über die Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften gemäß § 32 Abs. 1 KWG, v. 31.12.2007, S. 14; Bundesbank, Merkblatt über die Erteilung einer Erlaubnis zum Erbringen von Finanzdienstleistungen gemäß § 32 Abs. 1 KWG, v. 6.7.2018, S. 27).

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III. Organe und Organmitglieder

geschäfts voraus.435) Die EBA zählt aus ihrer Sicht relevante Bereiche sowie Beurteilungskriterien auf436) und gibt eine (weder abschließende noch verbindliche) Liste relevanter Fähigkeiten vor.437) Immer wichtiger werden z. B. auch IT-Kenntnisse.438) Zuverlässigkeit wird unterstellt, wenn gegenteilige Tatsachen nicht erkennbar sind. Das 161 Gesamtbild aus persönlichem und geschäftlichem Verhalten bzw. Persönlichkeit darf nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht darauf schließen lassen, dass eine sorgfältige und ordnungsgemäße Geschäftsführung nicht erwartet werden kann. In die einzelfallbezogene Gesamtabwägung, bei der das Proportionalitätsprinzip keine Anwendung finden kann,439) sind alle relevanten Umstände (etwa persönlicher, geschäftlicher, wirtschaftlicher, straf-, ordnungswidrigkeiten-, vermögens- oder aufsichtsrechtlicher Art) einzubeziehen.440) Fehlende Unvoreingenommenheit oder (geistige oder sonstige) Unabhängigkeit bzw. Inte___________ 435) EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 12 ff. Die EZB benennt folgende Bereiche: (i) Bankwesen und Finanzmärkte, (ii) Regulierungsrahmen und rechtliche Anforderungen, (iii) strategische Planung und Verständnis der Geschäftsstrategie bzw. des Geschäftsplans eines Kreditinstituts und deren Umsetzung, (iv) Risikomanagement (Ermittlung, Bewertung, Überwachung, Kontrolle und Eindämmung der Hauptrisiken eines Kreditinstituts), einschließlich Erfahrung mit direktem Bezug zu den Verantwortlichkeiten des jeweiligen Mitglieds, (v) Rechnungslegung und Revision, (vi) Beurteilung der Wirksamkeit von Regelungen eines Kreditinstituts im Hinblick auf eine effektive Unternehmensführung und Überwachung sowie wirksame Kontrollen und (vii) Auswertung von Finanzinformationen eines Kreditinstituts, Aufdeckung von wesentlichen Problemen auf Basis dieser Informationen sowie angemessene Kontrollen und Maßnahmen. 436) ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 62 ff., 71. 437) Vgl. ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 61, Anhang II; ESMA/EBA, Final Report, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/12), Accompanying Documents, S. 106. 438) Vgl. EZB, Rede v. Danièle Nouy, Good governance for good decisions, v. 22.3.2018; Wabnitz/Lange/ Isensee/Redenz, BaFin Journal 12/2017, S. 15 ff. Vgl. dazu auch Fn. 429. 439) Vgl. ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 22; EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 15. 440) Vgl. BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 20 f.; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 73 ff.; EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 15 ff. Abzuwägen sind alle bekannten objektiven und die subjektiven Umstände. Zwar setzt die Annahme der Unzuverlässigkeit ein schuldhaftes Handeln oder eine Verurteilung aufgrund der zukunftsbezogenen Prognoseentscheidung nach h. M. nicht zwingend voraus (vgl. BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 21; EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 16; Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 42 ff., 61 ff.; Sedlak, Bankenaufsicht über Geschäftsorganisation, S. 104). Auch die EBA weist aber zurecht darauf hin, dass dahingehend jedenfalls rechtsstaatliche bzw. grundrechtsrelevante Grundsätze und Grenzen zu beachten sind (ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 75 f.). Offen ist, ob und inwieweit Gerichte eingedenk des zugrunde liegenden Art. 91 CRD und der zunehmenden Europäisierung und „Verselbstständigung“ des Bankaufsichtsrechts entsprechend der Stellungnahmen in der juristischen Lit. (Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 43; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Scholz, KWG und CRR, § 25d KWG Rz. 16; Sedlak, Bankenaufsicht über Geschäftsorganisation, S. 103 f.) weiterhin auf allgemeine gewerberechtliche Grundsätze zurückgreifen werden. Da dieselben indes wesentlich auf den Schutzzweck der konkret einschlägigen Gesetze bzw. die Maßstäbe des konkreten Gewerbes abstellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.1961 – I C 34.60, NJW 1961, 1834, 1834 f.), dürfte letztlich allerdings immer entscheidend sein, wie Gerichte die Maßstäbe des Bankaufsichtsrechts beurteilen.

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Organisatorische Anforderungen

ressenkonflikte können (auf Basis einer Einzelfallbeurteilung) die Zuverlässigkeit oder die fachliche Eignung ausschließen.441) 162 Um die zeitliche Verfügbarkeit zu gewährleisten und Interessenkonflikte zu vermeiden, werden in § 25c Abs. 2 KWG die Anzahl der Leitungs- oder Aufsichtsmandate, die ein Geschäftsleiter gleichzeitig innehaben kann, begrenzt und bestimmte Mandatskonstellationen ausgeschlossen.442) Für die Anzahl der Mandate, die ein Geschäftsleiter gleichzeitig innehaben kann, sind danach allgemein der Einzelfall sowie Art, Umfang und Komplexität der Geschäfte entscheidend. Geschäftsleiter eines CRR-Instituts von erheblicher Bedeutung443) kann nicht sein, wer in demselben Unternehmen Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans, in einem anderen Unternehmen Geschäftsleiter oder bereits in mehr als zwei Unternehmen Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans ist.444) Bei letzterer Berechnung sind bestimmte Mandate privilegiert.445) Auch kann die

___________ 441) Vgl. BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 21; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 79 ff., 82 ff.; EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 17 ff.; BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, Rz. 51 f. EBA, BaFin und EZB heben insoweit jeweils spezifische Umstände hervor. Ausführlich dazu auch: Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 55 ff., 61 ff. Mindestens muss ein Geschäftsleiter (potentielle) Interessenkonflikte entsprechend den internen Regelungen zur Vermeidung und Steuerung von Interessenkonflikten frühzeitig offenlegen, ist mit ihnen angemessen umzugehen und sind sie und der Umgang mit ihnen intern angemessen zu dokumentieren und den Stakeholdern im erforderlichen Umfang mitzuteilen (vgl. auch: Fn. 326). 442) Nach Ansicht der BaFin (BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 29) sind anderweitige Mandatsbegrenzungen (z. B. nach AktG, VAG oder ausländischem Recht) parallel zu beachten und nicht wechselseitig anwendbar (krit.: IDW, Stellungnahme zur Neufassung der Merkblätter zur Prüfung der fachlichen Eignung, Zuverlässigkeit und zeitlichen Verfügbarkeit von Geschäftsleitern und zur Kontrolle der Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen, v. 17.2.2015, S. 7 f.). Vgl. zu Altfällen: § 64r Abs. 13 KWG. 443) Erhebliche Bedeutung in diesem Sinne liegt nach § 25c Abs. 2 Satz 6 KWG vor, wenn die Bilanzsumme im Durchschnitt zu den Stichtagen der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre 15 Mrd. € erreicht oder überschritten hat, das Institut nach Art. 6 Abs. 4 SSM-VO von der EZB beaufsichtigt wird, es als potentiell systemgefährdend i. S. des § 20 Abs. 1 Satz 3 SAG eingestuft wurde oder es ein Finanzhandelsinstitut i. S. des § 25f Abs. 1 KWG ist. Die Mandatsbeschränkungen für CRR-Institute von erheblicher Bedeutung gelten für alle Personen, die ein (Geschäftsleiter-, Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan-)Mandat in einem solchen Institut innehaben (BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 22, 33). 444) Nach Ansicht der BaFin (BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 23) sind (ungeachtet der Geschäftsleiterdefinition in § 1 Abs. 2 KWG) auch Mandate in nicht beaufsichtigten Unternehmen relevant. Zustimmend: Beck/Samm/KokemoorKleinert, KWG, § 25c Rz. 78. Ablehnend: Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 25c Rz. 100. Vgl. zu anderen Unternehmen auch § 25d Abs. 3a Nr. 1 KWG. 445) Mehrere Mandate gelten als ein Mandat, wenn sie bei Unternehmen wahrgenommen werden, die derselben Institutsgruppe, (gemischten) Finanzholding-Gruppe oder gemischten Holding-Gruppe oder demselben institutsbezogenen Sicherungssystem angehören oder an denen das Institut eine bedeutende Beteiligung hält. Mandate bei „nicht-gewerblichen“ Organisationen und Unternehmen werden nicht berücksichtigt. Vgl. zur Auslegung der BaFin: BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 24 ff. Vgl. zur Auslegung der Vorgaben in Art. 91 Abs. 3 und 4 CRD: ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 49 ff.; EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 21 f. Vgl. zu den diversen Einzelfragen (Überkreuzberechnung etc.) auch: Reischauer/ Kleinhans-Brogl, KWG, § 25c Rz. 88 ff.

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§ 11

III. Organe und Organmitglieder

Aufsichtsbehörde ein weiteres Mandat in einem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan gestatten.446) Die Pflicht, der Wahrnehmung der Aufgaben ausreichend Zeit zu widmen, d. h. die für 163 die konkrete Position im konkreten Unternehmen unter Berücksichtigung von dessen (normaler oder vorübergehend oder längerfristig außergewöhnlicher) Situation ausreichende Zeit zu haben und aufzuwenden, besteht unabhängig davon, ob die zulässige Mandatsanzahl ausgeschöpft ist.447) EBA,448) BaFin449) und EZB450) haben die insoweit nach ihrer jeweiligen Ansicht zu berücksichtigenden Mandate und Ämter bzw. beruflichen und sonstigen Tätigkeiten und Umstände jeweils im Einzelnen aufgeführt. Die Bestellung, die Amtszeit und das Ausscheiden der Geschäftsleiter richten sich nach 164 den Unternehmensstatuten und rechtsformspezifischen Vorgaben. Institute müssen in erster Linie selbst prüfen (vor der erstmaligen Bestellung, regelmäßig und bei jeder Änderung relevanter Umstände) und ggf. durch entsprechende (Korrektur-)Maßnahmen gewährleisten, dass die Geschäftsleiter einzeln und kollektiv den Vorgaben des § 25c KWG genügen.451) Damit die zuständige Aufsichtsbehörde ihrer Gatekeeper-Funktion452) nachkommen 165 kann, haben das Institut und die Geschäftsleiter Anzeigepflichten gegenüber der BaFin

___________ 446) Vgl. dazu auch: EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, v. 3.11.2016, S. 64 f.; EZB, Empfehlung v. 4.4.2017 zu einheitlichen Kriterien für die Nutzung einiger im Unionsrecht eröffneter Optionen und Ermessensspielräume durch die nationalen zuständigen Behörden bei weniger bedeutenden Instituten (EZB/2017/10), ABl. (EU) C 120/2 v. 13.4.2017, Ziff. VII, Anhang. 447) BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 22, 25; EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 21; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRRVO, § 25c KWG Rz. 24; Kulenkamp/Lackhoff in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 39, 48. A. A.: DK, Stellungnahme zum Entwurf für Konsultation 1/2015, Merkblätter für Mitglieder von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen und für Geschäftsleiter gemäß KWG, ZAG und KAGB (BA 53-FR 1903-2013/0003), v. 19.1.2015, S. 19. Die EBA fordert, den erwarteten Mindestzeitaufwand schriftlich festzuhalten (vgl. ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 44). 448) ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 41 ff. 449) BaFin, Checkliste, Erlaubnisverfahren – Zulassung als Kreditinstitut, v. 16.11.2017, Ziff. 2.5.5.3; BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 21. Nach Ansicht der BaFin schließt das Kriterium eine gleichzeitige Geschäftsleitung mehrerer Institute regelmäßig aus. 450) EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 21 f. 451) Vgl. i. E.: ESMA/EBA, Final Report, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/12), Background and rationale, Rz. 34 f., 46 f.; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 24 ff., 31 ff., 135 ff., 146 ff., 150 ff.; Reischauer/ Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 73. Vgl. auch die Klarstellung in Art. 91 Abs. 1 CRD i. d. F. der CRD V, wonach die Institute die „Hauptverantwortung“ dafür tragen, dass die Mitglieder des Leitungsorgans allzeit ausreichend gut beleumundet sind und ausreichende Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben besitzen. 452) EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 9 f.

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und der Bundesbank.453) Eingereichte Unterlagen werden an die EZB weitergeleitet, soweit diese die zuständige Aufsichtsbehörde ist. Ob die EZB ein persönliches Interview für die Beurteilung als erforderlich ansieht, bemisst sie anhand von Verhältnismäßigkeitsund Risikogesichtspunkten.454) Auch die BaFin verlangt im Einzelfall Interviews. Den Behörden stehen verschiedene Prüfungs- und Eingriffsmaßnahmen zur Verfügung (siehe Abschn. V, Rz. 228 ff.). d)

Ausschüsse

166 Die rechtsformspezifischen Regelungen können Vorgaben zu Ausschüssen machen. Das Aufsichtsrecht steht ihrer Bildung nicht entgegen, solange seine Grundsätze, insbesondere die Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung, nicht unterlaufen werden. 3.

Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan

167 Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan i. S. des § 25d KWG ist (unabhängig von der Bezeichnung) jedes Organ, dem die Überwachung der Geschäftsleitung obliegt.455) Das KWG verlangt die Bildung eines solchen Organs nicht, wenn die Rechtsform es nicht erfordert.456) ___________ 453) Vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3, 3a, 3b und 3c KWG bzw. Artt. 93 f. SSM-RahmenVO. Vgl. zu Einzelheiten und relevanten Unterlagen neben der Verordnung über die Anzeigen und die Vorlage von Unterlagen nach dem Kreditwesengesetz – Anzeigenverordnung (AnzV), v. 19.12.2006, BGBl. I 2006, 3245: BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 4 ff., 8 ff.; ESMA/EBA, Final Report, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/12), Background and rationale, Rz. 51 f.; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 170 ff., Annex III; EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 10, 16 f., 18, 25 f., 27, 30 ff. Vgl. zum Beurteilungs- und Beschlussverfahren der EZB: EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 30 ff., 34 ff. Während die EBA grundsätzlich eine ex ante-Beurteilung durch die Aufsichtsbehörde (vor der Bestellung) vorgeben wollte (ESMA/EBA, Consultation Paper, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU, v. 28.10.2016 (EBA/CP/ 2016/17), S. 53 f., 56 f.), lässt sie (mit „Bedauern“) auch weiterhin die (in Deutschland vorgesehene) ex post-Beurteilung zu (ESMA/EBA, Final Report, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/12), Background and rationale, Rz. 49, Accompanying Documents, S. 80 ff., 118 f.; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 170). Auch die EZB verweist insoweit auf die Vorgaben des nationalen Rechts (EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 6 f.). Krit. zur Zulässigkeit einer ex ante-Beurteilung durch die EZB: Gurlit, WM 2016, 2053, 2056. 454) Vgl. EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 28 f. Vgl. auch: ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/12), Rz. 182 f. 455) Begr. RegE CRD IV-UmsG, BT-Drucks. 17/10974, S. 87. Nach Ansicht der BaFin sind fakultative Organe erfasst und Beiräte, wenn ihnen entsprechende Aufgaben und Befugnisse gesetzlich oder durch Satzung oder Gesellschaftsvertrag verliehen werden (BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 6 f.). Enger ist das Aufsichtsorgan allerdings in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KWG im Kontext von Organkrediten definiert. 456) Vgl. Begr. RegE CRD IV-UmsG, BT-Drucks. 17/10974, S. 87. Vgl. auch: BaFin, Checkliste, Erlaubnisverfahren – Zulassung als Kreditinstitut, v. 16.11.2017, Ziff. 2.6; Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 25d Rz. 7; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 539 f.; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Scholz, KWG und CRR, § 25d KWG Rz. 5. Wird ein solches Organ nicht gebildet, ist im Einzelfall zu klären, wie und von wem die Aufsichtsaufgaben ausreichend wahrgenommen werden (vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 11).

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III. Organe und Organmitglieder a)

Aufgaben und Pflichten

Bereits die rechtsformspezifischen Bestimmungen bzw. Unternehmensstatuten dürften 168 die Überwachung der Geschäftsleiter als Hauptaufgabe des Organs festlegen (vgl. z. B. § 111 Abs. 1 AktG).457) § 25d Abs. 6 KWG stellt mindestens klar, dass das Organ die Geschäftsleiter auch hinsichtlich der Einhaltung der einschlägigen bankaufsichtsrechtlichen Regelungen überwacht und insbesondere der Erörterung von Strategien, Risiken und Vergütungssystemen ausreichend Zeit widmen muss (siehe Rz. 29).458) Die Überwachung erfolgt auch „präventiv“ (z. B. durch Erörterung der Strategien mit der Geschäftsleitung).459) Dem Organ obliegen auch diejenigen Pflichten, die an seine Ausschüsse adressiert und bei der Darstellung der Ausschüsse aufgeführt sind (siehe Rz. 180 ff.). Die Organmitglieder müssen ihren Pflichten jederzeit nachkommen, insbesondere die 169 Strategien und die Geschäfts- und Risikosituation laufend beobachten und beurteilen und wesentliche Verstöße der Geschäftsleiter gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation durch sorgfältige Überwachung identifizieren und beseitigen.460) Sie müssen an den Sitzungen teilnehmen, sich auf diese hinreichend vorbereiten,461) das Unternehmen (insbesondere bei erheblicher Änderung der Risikosituation) auch zwischen den Sitzungen begleiten und ihre Funktion umfassend persönlich ausüben, d. h. mit ausreichendem zeitlichen Einsatz und anlassbezogen aktiver Wahrnehmung des Auskunftsrechts.462) Um ihre Aufgaben wahrnehmen zu können, müssen das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan 170 und seine Mitglieder über hinreichende Informationen verfügen.463) Wichtige Informationsquellen sind die dargestellten Berichte (siehe Rz. 79 ff.) und die unverzüglich weitergelei-

___________ 457) Vgl. zu rechtsformspezifischen Aufgaben: Hölscher/Dähne in: Paetzmann/Schöning, Corporate Governance, S. 271, 280 ff. Soweit (insb. europäische) Vorgaben dem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan eine (direkte) Überwachung der „Organisation“, also von Ebenen unterhalb der Ebene der Geschäftsleiter zuweisen, wirft dies in Deutschland rechtsformspezifische Fragen auf, die hier nicht behandelt werden können (vgl. auch: DK, Comments, EBA Draft Guidelines on internal governance, v. 27.1.2017, S. 2 ff.). 458) Vgl. zu Vorgaben des Aufsichtsrechts auch: ErwG 57 CRD IV; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 31, 33. Nach Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 25d Rz. 95 bezieht sich das Tatbestandsmerkmal „einschlägige bankaufsichtsrechtliche Regelungen“ insb. auf die Aufzählung in § 1 Abs. 18 KWG. Besondere Bedeutung hat jedenfalls die Überwachung im Hinblick auf die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation i. S. des § 25a KWG sowie im Hinblick auf die Einhaltung der Pflichten nach § 25c Abs. 3, 4a und 4b KWG. 459) Auerbach, Banken- und Wertpapieraufsicht, S. 150; Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rz. 109. 460) BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 46 f.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRRVO, § 25d KWG Rz. 81. 461) BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 47; ECB, SSM supervisory statement on governance and risk appetite, v. 21.6.2016, S. 11 f.; Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 25d Rz. 37. Das Unternehmen muss den Organmitgliedern insoweit grundsätzlich mit angemessener Vorlaufzeit ausreichende Unterlagen zur Verfügung stellen. 462) BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 46 f.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRRVO, § 25d KWG Rz. 81. 463) Vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 22.

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Organisatorische Anforderungen

teten wesentlichen Informationen (siehe Rz. 87).464) Neben dem Auskunftsrecht gegenüber der Geschäftsleitung ist teilweise ein Auskunftsrecht gegenüber der „Organisation“ (insbesondere gegenüber den Leitern der Kontrollfunktionen) vorgesehen.465) Der Wechsel in der Leitung bestimmter Funktionen ist dem Organ mindestens unter Angabe der Gründe mitzuteilen (siehe dazu: Rz. 67, 71 und 75). Es besteht das Recht, auf alle für angemessen gehaltenen Ressourcen einschließlich externer Berater zurückzugreifen (vgl. § 25d Abs. 8 Satz 9 und Abs. 11 Satz 3 KWG). b)

Zusammensetzung und Entscheidungsfindung

171 Die rechtsformspezifischen Vorgaben können die Anzahl der Mitglieder und sonstige Zusammensetzung des Organs etwa von der Unternehmensgröße abhängig machen (vgl. z. B. §§ 95 ff. AktG). Wichtig sind insbesondere die Anforderungen an den Geschlechteranteil466) und die mitbestimmungsrechtlichen Vorgaben. Aufsichtsrechtlich erfordert eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation wie beim Geschäftsleitungsorgan, dass das Organ mit einer für das Institut, für seine Geschäfte und seine spezifische Situation angemessenen Anzahl an hinreichend geeigneten Personen besetzt ist.467) Gemäß § 25d Abs. 2 KWG muss es kollektiv geeignet sein, d. h. in seiner Gesamtheit die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen haben, die zur Wahrnehmung der Kontrollfunktion und zur Infragestellung, Beurteilung und Überwachung der Geschäftsleitung notwendig sind, wobei mitbestimmungsrechtliche Vorschriften über die Wahl und Abberufung der Arbeitnehmerver-

___________ 464) Gemäß § 25d Abs. 8 Satz 10 KWG bestimmen der Risikoausschuss bzw. das Gesamtorgan über Art, Umfang, Format und Häufigkeit der Informationen, die die Geschäftsleitung zum Thema Strategie und Risiko vorlegen muss. Die EBA (EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/ GL/2017/11), Rz. 59; EBA, Final Report, Guidelines on internal governance under Directive 2013/36/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/11), Accompanying Documents, S. 84; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 127) sieht auch einen direkten Zugriff auf Informationen und Daten vor (krit.: DK, Comments, EBA Draft Guidelines on internal governance v. 27.1.2017, S. 8). 465) Gesetzlich ist dies hinsichtlich des Leiters der Internen Revision und der Risikocontrolling-Funktion vorgesehen (vgl. § 25d Abs. 8 Satz 7, Abs. 9 Satz 4 und 5 und Abs. 12 Satz 5 und 7 KWG). Auch die BaFin verlangt ein direktes Auskunftsrecht (unter Einbeziehung der Geschäftsleitung) gegenüber dem Leiter der Internen Revision (AT 4.4.3 Rz. 2 MaRisk 2017; AT 4.4.3 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017) bzw. (unter Einbeziehung des zuständigen Mitglieds der Leitungsebene) gegenüber dem Geldwäschebeauftragten (BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.2). Ein direktes Auskunftsrecht gegenüber dem Compliance-Beauftragten ist im KWG und in den MaRisk nicht vorgesehen (dafür aber: ECB, SSM supervisory statement on governance and risk appetite, v. 21.6.2016, S. 14; Schwennicke/Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rz. 89). Nur vereinzelt wird eine Informationspflicht der Organisation bzw. Funktionsträger aufgestellt (vgl. BT 2.4 Rz. 5 MaRisk 2017 und s. Rz. 86). Die EBA betont, dass die Leiter der Kontrollfunktionen in dem erforderlichen Umfang ein Recht auf direkten Zugang zum Aufsichtsorgan haben sollten bzw. ein Recht, diesem zu berichten, um Besorgnis zu äußern und warnen zu können, wenn bestimmte Entwicklungen das Institut beeinträchtigen könnten (EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/11), Rz. 33, 156, 163, 181, 186; EBA, Final Report, Guidelines on internal governance under Directive 2013/36/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/11), Accompanying Documents, S. 77 f., 94 f.; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 96. Vgl. dazu auch: EZB, Rede v. Danièle Nouy, Good governance for good decisions, v. 22.3.2018; Art. 76 Abs. 5 CRD für die Risikocontrolling-Funktion). Den sich insoweit stellenden rechtsformspezifischen Fragen (vgl. DK, Comments, EBA Draft Guidelines on internal governance, v. 27.1.2017, S. 3 f., 14; Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 537 f.) kann hier nicht nachgegangen werden. 466) Wie in Fn. 419 festgestellt, wurden die rechtsformspezifischen Gesetze durch das FührposGleichberG um entsprechende Regelungen ergänzt; vgl. z. B.: § 96 Abs. 2 Satz 1 und § 111 Abs. 5 AktG. 467) S. die Nachweise in Fn. 420.

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III. Organe und Organmitglieder

treter unberührt bleiben.468) Die EBA sieht es als „Good Practice“ an, dass das Organ bei CRR-Instituten „unabhängige Mitglieder“ hat und macht Vorgaben für deren Anzahl;469) die BaFin hat der EBA mitgeteilt, dass sie diese Anforderungen der EBA nicht umsetzen wird.470) Die Entscheidungsfindung richtet sich nach den Unternehmensstatuten und den rechts- 172 formspezifischen und mitbestimmungsrechtlichen Vorgaben. Aufsichtsrechtlich können sich Vorgaben aus den Anforderungen an das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan bzw. an die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation im Allgemeinen ergeben. Die Frequenz der regelmäßigen Sitzungen des Kollegiums ist einzelfallabhängig so fest- 173 zulegen, dass das Organ und seine Mitglieder ihre Aufgaben vor dem Hintergrund von Art, Größe und Situation des Unternehmens angemessen und wirksam wahrnehmen können.471) Anlassbezogen können außerordentliche Sitzungen erforderlich sein. c)

Organmitglieder

Aufsichtsrechtlich müssen Organmitglieder während der gesamten Dauer ihrer Bestellung 174 zuverlässig sein, die erforderliche Sachkunde besitzen und der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ausreichend Zeit widmen (§ 25d KWG).472)

___________ 468) Vgl. auch: ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 67 ff.; ECB, SSM supervisory statement on governance and risk appetite, v. 21.6.2016, S. 9 f.; BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, Rz. 49; Ziff. 5.4.1 DCGK; Dreher in: FS HoffmannBecking, S. 313, 327 f. Jede Veränderung der personellen Zusammensetzung erfordert eine Neubewertung (Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 25d Rz. 39). 469) ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 81, 88 ff.; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 32, 46. Vgl. auch: BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, Rz. 47. „Unabhängigkeit“ i. S. der EBA setzt voraus, dass das Mitglied gegenwärtig oder in der jüngsten Vergangenheit keine relevanten Beziehungen oder Verbindungen zum CRR-Institut oder seinem Management hat bzw. hatte, die seine Fähigkeit, Themen objektiv und ausgewogen zu beurteilen, beeinflussen oder seine Fähigkeit, unabhängige Entscheidungen zu treffen, reduzieren könnten. Die EBA führt Umstände auf, bei deren Vorliegen eine Unabhängigkeit zu verneinen ist, soweit das CRR-Institut eine gegenteilige Beurteilung nicht begründen kann. Während bedeutende CRR-Institute i. S. der EBA und börsennotierte CRR-Institute eine „ausreichende Anzahl“ unabhängiger Mitglieder haben sollten, sollten sonstige CRR-Institute mindestens ein unabhängiges Mitglied haben (wobei zuständige Aufsichtsbehörden bei Wertpapierfirmen sowie bei CRR-Instituten, die vollständig im Eigentum eines anderen CRR-Instituts stehen, Ausnahmen zulassen können). 470) ESMA/EBA, Guidelines compliance table, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU (EBA/GL/2017/12 (ESMA71-99-598)), v. 26.9.2017 (ESMA35-43-1215), S. 4 f.; BaFin, BaFin Journal 10/2017, S. 8, 9. 471) Vgl. EBA, Leitlinien zur Internen Governance (GL 44), v. 27.9.2011, Ziff. 14.2. (aufgehoben). Vgl. auch: ECB, SSM supervisory statement on governance and risk appetite, v. 21.6.2016, S. 11 ff. 472) Nach Ansicht der BaFin gelten die Vorgaben auch für stellvertretende Mitglieder, für Ersatzmitglieder aber erst ab dem Zeitpunkt ihres Nachrückens. Sachkunde kann (unbeschadet der rechtsformspezifischen Haftung ab Bestellung) ggf. erst zeitnah nach der Bestellung hergestellt werden (BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 7, 20, 22; vgl. insoweit aber auch den Wortlaut des Art. 91 Abs. 1 CRD („allzeit“) sowie in anderem Kontext: Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 540). Institute und (gemischte) Finanzholding-Gesellschaften müssen angemessene Ressourcen einsetzen, um Organmitgliedern die Einführung in ihr Amt zu erleichtern und die Fortbildung zu ermöglichen, die zur Aufrechterhaltung der erforderlichen Sachkunde erforderlich ist (§ 25d Abs. 4 KWG; vgl. auch: ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), Rz. 94 ff., 97 ff.).

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

175 Sachkunde setzt voraus, dass sie zur Wahrnehmung der Kontrollfunktion und zur Beurteilung und Überwachung der konkret betriebenen Geschäfte unter Berücksichtigung ihres Umfangs und ihrer Komplexität fachlich in der Lage sind (§ 25d Abs. 1 Satz 2 KWG). Soweit relevant, ist insoweit auf die gesamte Institutsgruppe bzw. (gemischte) Finanzholdinggruppe abzustellen. Die BaFin fordert ein angemessenes Verständnis der Geschäfte, eine angemessene Fähigkeit zur Beurteilung ihrer Risiken und ausreichende Vertrautheit mit den wesentlichen rechtlichen Vorgaben; Spezialkenntnisse seien grundsätzlich nicht erforderlich, aber die Fähigkeit, eigenen Beratungsbedarf zu erkennen.473) Auch nach den Gesetzesmaterialien muss das finanztechnische Fachwissen (nur) ausreichend sein, um an der Kollektiventscheidung mitwirken zu können, so dass es auf die kollektive Kenntnis der Organmitglieder ankommt.474) Diese Sichtweise, nach der geringere Anforderungen als an die fachliche Eignung der Geschäftsleiter zu stellen sind,475) überzeugt auch im Hinblick auf § 25d Abs. 2 und 7 ff. KWG. Organmitglieder müssen aber ihr Amt persönlich und eigenverantwortlich ausüben, vorgelegte Unterlagen selbstständig verstehen und beurteilen und Entscheidungen der Geschäftsleitung hinterfragen können.476) Außerdem müssen sie hinreichende Fachkenntnisse für die Mitgliedschaft im jeweiligen Ausschuss aufweisen (siehe Rz. 180 ff.). Vgl. zu den Anforderungen von EZB und EBA auch Rz. 160. 176 Hinsichtlich der Zuverlässigkeit und der Widmung ausreichender Zeit gelten grundsätzlich die gleichen Gesichtspunkte wie bei Geschäftsleitern (siehe Rz. 161 bzw. 163), wobei allerdings die unterschiedliche Funktion zu berücksichtigen ist.477) 177 § 25d Abs. 3 und 3a KWG begrenzt die Anzahl der Leitungs- oder Aufsichtsmandate, die ein Organmitglied gleichzeitig innehaben kann, und schließt bestimmte Mandatskonstellationen aus.478) Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans von CRR-Instituten von erheblicher Bedeutung oder von (gemischten) Finanzholding-Gesellschaften i. S. von § 25d Abs. 3 Satz 2 KWG kann nach § 25d Abs. 3 KWG nicht sein, wer in dem Unternehmen x

Geschäftsleiter ist oder

___________ 473) BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 20 ff. Die BaFin nimmt u. a. bei Beschäftigten der Unternehmensgruppe, die aufgrund des Mitbestimmungsrechts bestellt werden, regelmäßig Sachkunde an, wenn sie in die wirtschaftlichen und rechtlichen Abläufe des Tagesgeschäfts unmittelbar eingebunden sind. Gleiches gilt bei bestimmten Funktionsträgern von Gebietskörperschaften (vgl. zu diesen auch: ESMA/EBA, Final Report, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/12), Background and rationale, Rz. 32; ECB, Letter regarding the ECB guide on fit and proper assessments, v. 26.5.2017). 474) Begr. RegE CRD IV-UmsG, BT-Drucks. 17/10974, S. 87. Vgl. auch: Luz/Neus/Schaber/u. a.-Scholz, KWG und CRR, § 25d KWG Rz. 11. 475) Vgl. Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 23, 29. 476) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25d KWG Rz. 18 f. Erforderlich ist ein ausreichendes Verständnis der internen Abläufe, der vertriebenen Produkte und der wirtschaftlichen Zusammenhänge (Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 25d Rz. 27). Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, § 25d KWG Rz. 5b, stellt zu Recht fest, dass die dauerhafte Inanspruchnahme externer Beratung mit der Höchstpersönlichkeit der Amtsausübung nicht vereinbar ist. 477) Vgl. dazu: BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 23 f., 25; Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 25d Rz. 9, 14, 32; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25d KWG Rz. 29 ff. Art. 91 Abs. 8 CRD i. d. F. der CRD V stellt klar, dass der Umstand, Mitglied eines verbundenen Unternehmens oder einer verbundenen Rechtsperson zu sein, an sich kein Hindernis für ein unvoreingenommenes Handeln darstellt. 478) Nach Ansicht der BaFin sind anderweitige Mandatsbegrenzungen wiederum parallel zu beachten und können nicht wechselseitig angewendet werden (s. Fn. 442). Vgl. zu Altfällen: § 64r Abs. 14 KWG.

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§ 11

III. Organe und Organmitglieder

Geschäftsleiter war, wenn bereits zwei ehemalige Geschäftsleiter Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans sind479) oder x wer in einem anderen Unternehmen Geschäftsleiter480) und zugleich in mehr als zwei Unternehmen Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans ist oder x wer in mehr als vier Unternehmen Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans ist. Bei der Berechnung gemäß den Anforderungen unter Aufzählungspunkt 3 und 4 sind be- 178 stimmte Mandate privilegiert.481) Auch kann die Aufsichtsbehörde ggf. ein weiteres Mandat gestatten.482) Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans sonstiger Unternehmen kann nicht sein, wer die Anforderungen unter Aufzählungspunkt 1 oder 2 erfüllt oder wer in mehr als fünf Unternehmen, die unter Aufsicht der BaFin stehen, Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans ist, es sei denn, diese Unternehmen gehören demselben institutsbezogenen Sicherungssystem an (§ 25d Abs. 3a KWG).483) Bestellung, Amtszeit und Ausscheiden der Organmitglieder richten sich nach den Unter- 179 nehmensstatuten sowie den rechtsformspezifischen und ggf. mitbestimmungsrechtlichen Vorgaben. Wie bei Geschäftsleitern (siehe Rz. 164) müssen Institute in erster Linie selbst prüfen und gewährleisten, dass die Organmitglieder einzeln und kollektiv den Anforderungen genügen, und bestehen Anzeigepflichten, damit die zuständige Aufsichtsbehörde die Eignung der Organmitglieder überprüfen kann.484) Den Behörden stehen ___________ x

479) Eine Karenzzeit (vgl. etwa: Ziff. 5.4.4 DCGK) sieht das KWG hingegen nicht vor (vgl. BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 28). 480) Nach Ansicht der BaFin sind davon (ungeachtet der Definition des Geschäftsleiterbegriffs in § 1 Abs. 2 KWG) auch Geschäftsleitertätigkeiten bei nicht-beaufsichtigten Unternehmen erfasst (BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 28). Ebenso, aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung im Hinblick auf Art. 91 Abs. 3 CRD: Lackhoff, ZfgK 2014, 663, 664; Boos/Fischer/Schulte-MattlerWolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25d KWG Rz. 43. 481) So gelten mehrere Mandate als ein Mandat, wenn sie bei Unternehmen wahrgenommen werden, die derselben Institutsgruppe, (gemischten) Finanzholdinggruppe oder gemischten Holding-Gruppe oder demselben institutsbezogenen Sicherungssystem angehören oder an denen das Institut eine bedeutende Beteiligung hält. Mandate bei „nicht-gewerblichen“ Organisationen und Unternehmen oder als Vertreter des Bundes oder der Länder werden nicht berücksichtigt. Auch gilt die Anforderung unter Rz. 177 Aufzählungspunkt 4 nicht für kommunale Hauptverwaltungsbeamte, die kraft kommunaler Satzung zur Wahrnehmung eines Mandats in einem kommunalen Unternehmen oder einem kommunalen Zweckverband verpflichtet sind. Vgl. zur dahingehenden Auffassung der BaFin (einschließlich der Ansicht, dass die Privilegierung für Gruppenmandate über den Gesetzeswortlaut hinaus auch für Mandate in Unternehmen eingreift, die demselben Konzern außerhalb der Finanzbranche angehören): BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 28 ff. S. zur Auffassung der EZB den Nachweis in Fn. 445. 482) Vgl. dazu auch: EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, v. 3.11.2016, S. 64 f.; EZB, Empfehlung v. 4.4.2017 zu einheitlichen Kriterien für die Nutzung einiger im Unionsrecht eröffneter Optionen und Ermessensspielräume durch die nationalen zuständigen Behörden bei weniger bedeutenden Instituten (EZB/2017/10), ABl. (EU) C 120/2 v. 13.4.2017, Ziff. VII, Anhang. 483) Vgl. zu den dahingehenden Ansichten und Beispielen der BaFin: BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 42 ff. 484) Vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 15 und 15a, Abs. 2a, 3a, 3b und 3c KWG bzw. Artt. 93 f. SSM-RahmenVO und s. die Nachweise in Fn. 453. Stellvertretende Mitglieder sind anzuzeigen, Ersatzmitglieder erst ab dem Zeitpunkt ihres Nachrückens. Nach Ansicht der BaFin ist die Mandatsverlängerung durch Wiederwahl nicht anzuzeigen (vgl. BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 8 f.); anders: EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 32. Vgl. zu den erforderlichen Unterlagen neben der AnzV: BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 9 ff. Vgl. zum Beurteilungs- und Beschlussverfahren der EZB: EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 15.5.2017, Stand: 28.5.2018, S. 30 ff., 34 ff.

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631

§ 11

Organisatorische Anforderungen

verschiedene Prüfungs- und Eingriffsmaßnahmen zur Verfügung (siehe Abschn. V, Rz. 228 ff.). d)

Ausschüsse

180 Die rechtsformspezifischen Vorgaben können festlegen, dass das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan aus seiner Mitte Ausschüsse bestellen kann oder muss. § 340a Abs. 1 und § 324 HGB enthalten ebenfalls Vorgaben. Aufsichtsrechtlich ist § 25d Abs. 7 bis 12 KWG zu beachten. Danach hat das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan von CRR-Instituten von erheblicher Bedeutung und (gemischten) Finanzholding-Gesellschaften i. S. von § 25d Abs. 3 Satz 2 KWG aus seiner Mitte einen Risiko-, Prüfungs-, Nominierungs- und Vergütungskontrollausschuss zu bestellen.485) Bei anderen Unternehmen soll das Organ derartige Ausschüsse abhängig von der Größe und internen Organisation und von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäfte des Unternehmens aus seiner Mitte bestellen.486) Jedem Ausschuss müssen die im KWG vorgesehenen Aufgaben zugewiesen werden, soweit diese nach den rechtsformspezifischen Regelungen dem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan obliegen.487) Die Ausschüsse beraten und unterstützen das Organ (§ 25d Abs. 7 Satz 1 KWG).488) Sie sollen ein Ausschussmitglied zum Vorsitzenden ernennen (§ 25d Abs. 7 Satz 2 KWG). Die Mitglieder müssen über die jeweils erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen und mindestens ein Ausschussmitglied soll auch Mitglied eines anderen Ausschusses sein (§ 25d Abs. 7 Satz 3 und 4 KWG).489) Die Häu___________ 485) Wenn dies unter Berücksichtigung der gesetzlichen Kriterien sinnvoll erscheint, kann nach § 25d Abs. 10 KWG ein gemeinsamer Risiko- und Prüfungsausschuss bestellt werden, was der BaFin anzuzeigen ist. Hingegen ist nach Art. 76 Abs. 3 Unterabs. 4 CRD und der Ansicht der EBA (EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 64; EBA, Single Rulebook Q&A, Question-ID 2013_228) eine Zusammenlegung nur bei nicht bedeutenden Instituten und mit behördlicher Gestattung möglich. Vgl. auch: EZB, Leitfaden zu im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräumen, v. 3.11.2016, S. 62; EZB, Empfehlung v. 4.4.2017 zu einheitlichen Kriterien für die Nutzung einiger im Unionsrecht eröffneter Optionen und Ermessensspielräume durch die nationalen zuständigen Behörden bei weniger bedeutenden Instituten (EZB/2017/10), ABl. (EU) C 120/2 v. 13.4.2017, Ziff. VI. 486) Die Entscheidung ist ausreichend zu dokumentieren und sollte, wenn kein Ausschuss gebildet wird, in angemessenem Abstand überprüft werden (BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungsund Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 48). Nach den Gesetzesmaterialien kann bei weniger als zehn Organmitgliedern von der Bildung der Ausschüsse abgesehen werden (vgl. Begr. RegE CRD IV-UmsG, BT-Drucks. 17/10974, S. 88). Relativierend aber: Bericht des Finanzausschusses zu RegE CRD IV-UmsG, BT-Drucks. 17/13541, S. 4 f. Vgl. auch: Hönsch/ Kaspar, ZfgK 2014, 380; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Scholz, KWG und CRR, § 25d KWG Rz. 33; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25d KWG Rz. 87. Die BaFin kann die Bildung von Ausschüssen gemäß § 25d Abs. 7 Satz 5 KWG verlangen. 487) BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 48. Neben den Pflichtausschüssen können weitere Ausschüsse gebildet werden (vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 41). Pflichtausschüsse sollten mindestens drei Mitglieder haben (EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 47; BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 47 f.). 488) Vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 44; Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25d KWG Rz. 89. Zur Möglichkeit einer abschließenden Delegierung von Aufgaben, vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/ GL/2017/11), Rz. 44; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Scholz, KWG und CRR, § 25d KWG Rz. 39 ff. Ausschüsse müssen ihre Tätigkeit ausreichend dokumentieren (vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 58). 489) Vgl. Luz/Neus/Schaber/u. a.-Scholz, KWG und CRR, § 25d KWG Rz. 37. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 48 ff., 56; EBA, Final Report, Guidelines on internal governance under Directive 2013/36/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/2017/11), Accompanying Documents, S. 80; BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, Rz. 64.

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§ 11

III. Organe und Organmitglieder

figkeit, Intensität und Tiefe, mit der sich ein Ausschuss mit den ihm zugewiesenen Aufgaben beschäftigen muss, richtet sich nach dem Proportionalitätsprinzip.490) Gemäß § 25d Abs. 8 KWG muss der Risikoausschuss insbesondere

181

x

das Organ zur aktuellen und künftigen Gesamtrisikobereitschaft und -strategie beraten,

x

das Organ bei der Überwachung der Umsetzung dieser Strategie durch die obere Leitungsebene unterstützen,

x

überwachen, dass die Konditionen im Kundengeschäft mit dem Geschäftsmodell und der Risikostruktur im Einklang stehen,

x

prüfen, ob die durch das Vergütungssystem gesetzten Anreize die Risiko-, Kapitalund Liquiditätsstruktur sowie die Wahrscheinlichkeit und Fälligkeit von Einnahmen berücksichtigen und

x

Art, Umfang, Format und Häufigkeit der Informationen bestimmen, die die Geschäftsleitung zum Thema Strategie und Risiko vorlegen muss.491)

Der Prüfungsausschuss unterstützt das Organ nach § 25d Abs. 9 KWG insbesondere bei 182 der Überwachung x

des Rechnungslegungsprozesses,

x

der Wirksamkeit des Risikomanagementsystems, insbesondere des internen Kontrollsystems und der Internen Revision,

x

der Durchführung der Abschlussprüfungen sowie

x

der zügigen Behebung der vom Prüfer festgestellten Mängel durch die Geschäftsleitung mittels geeigneter Maßnahmen.492)

Der Nominierungsausschuss unterstützt das Organ gemäß § 25d Abs. 11 KWG bei der x

Ermittlung von Bewerbern für die Besetzung einer Stelle in der Geschäftsleitung und der Vorbereitung von Wahlvorschlägen für die Wahl der Mitglieder des Verwaltungsoder Aufsichtsorgans,

x

Erarbeitung einer Zielsetzung zur Förderung der Vertretung des unterrepräsentierten Geschlechts im Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan sowie einer Strategie zu deren Erreichung,

___________ 490) BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 49. 491) Vgl. zu weiteren Einzelheiten: § 25d Abs. 8 KWG. Vgl. auch: Art. 76 Abs. 3 und 4 CRD; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 59, 60 ff.; BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, Rz. 71 ff. Nach Ansicht der EBA (EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 [EBA/GL/2017/11], Rz. 53) sollte der Ausschuss bei global systemrelevanten und anderweitig systemrelevanten Instituten überwiegend aus unabhängigen Mitgliedern bestehen und ein unabhängiges Mitglied zum Vorsitzenden haben. Bei nach dem nationalen Recht oder von zuständigen Aufsichtsbehörden als bedeutend eingestuften Instituten sollten eine ausreichende Anzahl der Mitglieder und, nach Möglichkeit, der Vorsitzende unabhängig sein. Bei allen Instituten sollte der Vorsitzende nicht Vorsitzender eines anderen Ausschusses oder des Leitungsorgans sein. 492) Vgl. zu weiteren Einzelheiten: § 25d Abs. 9 KWG. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 63. Nach § 25d Abs. 9 Satz 3 KWG muss der Ausschussvorsitzende über Sachverstand auf den Gebieten der Rechnungslegung und der Abschlussprüfung verfügen; die EBA verweist zur Zusammensetzung des Ausschusses auf Art. 39 Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.5.2006, ABl. (EU) L 157/87 v. 9.6.2006 (vgl. EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 [EBA/GL/2017/11], Rz. 50). Nach Ziff. 5.3.2 DCGK soll der Ausschussvorsitzende unabhängig und weder der Aufsichtsratsvorsitzende noch ein ehemaliges Vorstandsmitglied sein, dessen Bestellung vor weniger als zwei Jahren endete.

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183

§ 11

Organisatorische Anforderungen

x

regelmäßig, mindestens einmal jährlich, durchzuführenden Bewertung der Struktur, Größe, Zusammensetzung und Leistung der Geschäftsleitung und des Verwaltungsoder Aufsichtsorgans (einschließlich einer dahingehenden Empfehlung an das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan),

x

regelmäßig, mindestens einmal jährlich, durchzuführenden Bewertung der Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung sowohl der einzelnen Geschäftsleiter und Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans als auch des jeweiligen Organs in seiner Gesamtheit und

x

Überprüfung der Grundsätze der Geschäftsleitung für die Auswahl und Bestellung der Personen der oberen Leitungsebene und bei diesbezüglichen Empfehlungen an die Geschäftsleitung.493)

184 Gemäß § 25d Abs. 12 KWG muss der Vergütungskontrollausschuss x

die angemessene Ausgestaltung der Vergütungssysteme für die Geschäftsleiter und Mitarbeiter überwachen bzw. das Organ entsprechend unterstützen und die Auswirkungen der Vergütungssysteme auf das Risiko-, Kapital- und Liquiditätsmanagement bewerten,

x

die Beschlüsse des Organs über die Vergütung der Geschäftsleiter vorbereiten und

x

das Organ bei der Überwachung der ordnungsgemäßen Einbeziehung der internen Kontrollbereiche und aller sonstigen maßgeblichen Bereiche bei der Ausgestaltung der Vergütungssysteme unterstützen.494)

IV.

Auslagerung

185 Die Anforderungen an die Auslagerung von Aktivitäten und Prozessen, die Ausfluss der allgemeinen Anforderungen an die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation sind, sollen verhindern, dass sensible Aspekte im Zusammenhang mit Bank- und Finanzdienstleistungen auf externe Unternehmen übertragen und derart die Steuerungsmöglichkeiten der ___________ 493) Vgl. zu weiteren Einzelheiten: § 25d Abs. 11 KWG. Vgl. auch: Art. 88 Abs. 2 CRD; ESMA/EBA, Final Report, Joint Guidelines on the assessment of the suitability of members of the management body and key function holders under Directive 2013/36/EU and Directive 2014/65/EU, v. 26.9.2017 (EBA/GL/ 2017/12), Background and rationale, Rz. 46; ESMA/EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/12), Rz. 117, 124 ff., 131, 135 ff., 146 ff., 150 ff., 153 ff.; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Scholz, KWG und CRR, § 25d KWG Rz. 57 ff.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25d KWG Rz. 111 ff. Nach Ansicht der EBA (EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 51) sollte der Ausschuss bei global systemrelevanten und anderweitig systemrelevanten Instituten überwiegend aus unabhängigen Mitgliedern bestehen und ein unabhängiges Mitglied zum Vorsitzenden haben. Bei nach dem nationalen Recht oder von zuständigen Aufsichtsbehörden als bedeutend eingestuften Instituten sollte eine ausreichende Anzahl der Mitglieder unabhängig sein und kann ein unabhängiges Mitglied als good practice zum Vorsitzenden bestellt werden. 494) Vgl. zu weiteren Einzelheiten: § 25d Abs. 12 KWG. Vgl. auch: Art. 95 CRD, § 15 InstitutsVergV; EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik gemäß Art. 74 Abs. 3 und Art. 75 Abs. 2 der Richtlinie 2013/36/EU und Angaben gemäß Art. 450 der VO (EU) Nr. 575/2013, v. 27.6.2016 (EBA/GL/ 2015/22). Nach § 25d Abs. 12 KWG muss mindestens ein Mitglied des Vergütungskontrollausschusses über ausreichend Sachverstand und Berufserfahrung im Bereich Risikomanagement und -controlling verfügen, insb. im Hinblick auf Mechanismen zur Ausrichtung der Vergütungssysteme an der Gesamtrisikobereitschaft und -strategie und an der Eigenmittelausstattung. Soweit relevant, muss dem Ausschuss mindestens ein entsprechend den Mitbestimmungsgesetzen ernannter Arbeitnehmervertreter angehören. Vgl. zu den Vorgaben der EBA für die Zusammensetzung des Ausschusses: EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik gemäß Art. 74 Abs. 3 und Art. 75 Abs. 2 der Richtlinie 2013/36/EU und Angaben gemäß Art. 450 der VO (EU) Nr. 575/2013, v. 27.6.2016 (EBA/GL/ 2015/22), Rz. 49 f.

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Benzler/Krieger

§ 11

IV. Auslagerung

Geschäftsleitung und der aufsichtsrechtliche Zugriff „gelockert“ werden.495) Relevant sind auch systemische Risiken durch Konzentration von ausgelagerten Aktivitäten bei einer begrenzten Anzahl an Auslagerungsdienstleistern.496) Allgemeine aufsichtsrechtliche Vorgaben enthalten insbesondere § 25b KWG, der § 25a 186 KWG ergänzt, konkretisiert bzw. überlagert,497) sowie § 25c Abs. 4a Nr. 6, Abs. 4b Nr. 6 KWG. Relevant sind auch EBA-/CEBS-Leitlinien, insbesondere die EBA-Leitlinien zur Auslagerung, die (abgesehen von den vorgesehenen Übergangsfristen) am 30.9.2019 in Kraft getreten sind.498) Die BaFin legt die gesetzlichen Anforderungen in den MaRisk und in weiteren Verlautbarungen aus.499) Sie beabsichtigt, den EBA-Leitlinien zur Auslagerung ab 31.12.2020 bzw. ab der für das Jahr 2020 geplanten MaRisk-Novelle nachzukommen. Die EZB will ihnen ab dem SREP 2020 nachkommen und geht davon aus, dass sie ihr Regelwerk bis Ende September 2020 an die EBA-Leitlinien zur Auslagerung angepasst hat.500) Teilweise (z. B. für die Anzeigepflichten und das Auslagerungsregister) wird die Umsetzung der EBA-Leitlinien zur Auslagerung in Deutschland die Schaffung gesetzlicher Grundlagen erfordern.

___________ 495) Vgl. Begr. RegE eines Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften – KredWÄndG, BT-Drucks. 13/7142, S. 88; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 39; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 91 f.; EBA, Opinion of the European Banking Authority on issues related to the departure of the United Kingdom from the European Union, v. 12.10.2017 (EBA/Op/2017/12), Report, Rz. 109; CEBS, Guidelines on Outsourcing, v. 14.12.2006, S. 3; Reischauer/ Kleinhans-Brogl, § 25b KWG Rz. 4 ff.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25b KWG Rz. 1. 496) EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 45 f. Vgl. auch: ErwG 36 Delegierte VO 2017/565. Derartige Konzentrationsrisiken können z. B. im Bereich IT- oder Cloud-Outsourcing bestehen. 497) S. zum Verhältnis von § 25b und § 25a KWG auch Fn. 530. Rechtsformspezifische Vorgaben und ihr Verhältnis zu den aufsichtsrechtlichen Anforderungen können hier nicht behandelt werden (vgl. dazu im Kontext des § 25a Abs. 2 KWG a. F. Bergmann, Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, S. 86 ff., 403 ff.). 498) EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02); EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 90 ff., 154. Die neuen EBA-Leitlinien zu Auslagerungen aktualisieren die CEBS-Guidelines on Outsourcing, v. 14.12.2006 und integrieren die EBARecommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2017 (EBA/REC/2017/03), die jeweils mit Inkrafttreten der neuen Leitlinien aufgehoben werden. Vgl. zum SREP auch: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 89. Die neuen EBA-Leitlinien zu Auslagerungen sind nach ihren Rz. 13 ff. auf alle Auslagerungsvereinbarungen anwendbar, die nach dem 30.9.2019 abgeschlossen, geändert oder überprüft werden. Institute sollen bestehende Auslagerungsvereinbarungen überprüfen und bei Bedarf anpassen. Soweit die Überprüfung von Auslagerungsvereinbarungen für kritische und wesentliche Funktionen bis zum 31.12.2021 nicht abgeschlossen ist, sollen sie die zuständigen Aufsichtsbehörden hierüber informieren. Kooperationsvereinbarungen zwischen der für das Institut zuständigen Aufsichtsbehörde und der für Drittstaaten-Dienstleister zuständigen Aufsichtsbehörde i. S. der Rz. 63 lit. b der EBA-Leitlinien zu Auslagerungen sind erst ab 31.12.2021 erforderlich. Auch für das Auslagerungsregister (s. Rz. 219) gelten Übergangsfristen. 499) AT 9 MaRisk 2017. Die Vorgaben der MaRisk zur Auslagerung, die i. R. der MaRisk-Novelle 2017 präzisiert und ergänzt wurden, haben die (ggf. noch als Auslegungshilfe zu nutzenden, vgl. Luz/Neus/ Schaber/u. a.-Krautheuser, KWG und CRR, § 25b KWG Rz. 30) Anforderungen früherer Rundschreiben abgelöst und deren Detaillierungs- und Komplexitätsgrad bewusst reduziert (vgl. BaFin, Konsultation 1/2007, Erster Entwurf der überarbeiteten Outsourcing-Regelungen, Anschreiben v. 17.4.2007 [BA 17-K 3106-2006/0001]). Vgl. auch: Abschn. II. 8 BAIT; BaFin, Merkblatt – Orientierungshilfe zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter, v. 11/2018; BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II. 3. 10. 500) EBA, Guidelines compliance table, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/ 2019/02).

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§ 11 1.

Organisatorische Anforderungen Anwendungsbereich

187 Entsprechend dem Verständnis in § 25b Abs. 1 Satz 1 KWG und AT 9 Rz. 1 MaRisk 2017 liegt eine Auslagerung vor, wenn x ein anderes Unternehmen (Auslagerungsunternehmen; vgl. § 44 Abs. 1 Satz 2 KWG) x mit der Wahrnehmung von Aktivitäten und Prozessen im Zusammenhang mit der Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen beauftragt wird, x die ansonsten vom auslagernden Institut selbst erbracht würden.501) 188 Die Begriffe „Bankgeschäft“ und „Finanzdienstleistung“ sind in § 1 Abs. 1 und 1a KWG definiert. Der Begriff der „sonstigen institutstypischen Dienstleistung“ trägt den Anforderungen der MiFID Rechnung.502) 189 Angelehnt an das MiFID II-Regelwerk, definiert die EBA die Auslagerung sehr ähnlich als Vereinbarung gleich welcher Form zwischen einem relevanten Institut i. S. der EBALeitlinien und einem Dienstleister, in deren Rahmen der Dienstleister einen Prozess durchführt, eine Dienstleistung erbringt oder eine Tätigkeit ausführt, den/die das relevante Institut ansonsten selbst übernähme.503) 190 Die Anforderungen an die Auslagerung gelten auch für die Weiterverlagerung ausgelagerter Aktivitäten und Prozesse.504) 191 Der sonstige Fremdbezug von Leistungen ist keine Auslagerung und (nur) an den allgemeinen Vorgaben des § 25a KWG zu messen.505) Letztere Vorgaben können allerdings ___________ 501) Zivilrechtliche Gestaltungen und Abreden können das Vorliegen der Auslagerung nicht von vorneherein ausschließen, vgl. AT 9 Rz. 1 MaRisk 2017; BT 1.3.4 Rz. 1 MaComp. 502) Vgl. Begr. RegE FinMRL-UmsG, BR-Drucks. 833/06, S. 225, mit Verweis auf Art. 13 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID I), ABl. (EU) L 145/1 v. 30.4.2004 (nunmehr Art. 16 Abs. 5 Satz 1 MiFID II). Art. 13 Abs. 5 Satz 1 MiFID I stellte ab auf den „[…] Rückgriff auf Dritte zur Wahrnehmung betrieblicher Aufgaben, die für die kontinuierliche und zufrieden stellende Erbringung bzw. Ausübung von Dienstleistungen für Kunden und Anlagetätigkeiten ausschlaggebend sind […]“. Vgl. auch: AT 9 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017, wonach der Begriff z. B. die in Anh. I Abschn. B MiFID I genannten Nebendienstleistungen erfasst; Bergmann, Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, S. 230 ff.; Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 1 zu AT 9 Rz. 4 f. MaRisk 2017; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25b KWG Rz. 27 ff. 503) EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 19 bzw. EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 12 im Hinblick auf Art. 2 Abs. 3 Delegierte VO (EU) 2017/565. Ähnlich: CEBS, Guidelines on Outsourcing, v. 14.12.2006, S. 2. Relevante Institute i. S. der EBA-Leitlinien sind Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute, Zahlungsinstitute und E-Geld-Institute. Hingegen gelten die CEBS, Guidelines on Outsourcing, v. 14.12.2006, nur für Kreditinstitute. 504) AT 9 Rz. 11 MaRisk 2017; EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 25 f.; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/ 2019/02), Rz. 12; CEBS, Guidelines on Outsourcing, v. 14.12.2006, S. 9; EBA, Final Report, Recommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2017 (EBA/REC/2017/03), Recommendations, Rz. 21 ff.; BaFin, Merkblatt, Orientierungshilfe zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter, v. 11/2018, S. 12 f. 505) AT 9 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. zum sonstigen Fremdbezug auch: EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 24, 31; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 26 ff., 33. Sonstiger Fremdbezug kann ein einmaliger oder gelegentlicher Fremdbezug von Gütern oder Dienstleistungen genauso sein wie eine Leistung, die typischerweise bezogen und regelmäßig nicht selbst erbracht werden kann. Beispiele für den einmaligen oder gelegentlichen Fremdbezug sind die gelegentliche Inanspruchnahme von Rechtsberatung oder arbeitsteilig mit anderen durchgeführte Einzelprojekte (vgl. Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 863; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/ CRR-VO, § 25b KWG Rz. 28, 31). Zu weiteren Beispielen s.: AT 9 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 28. Vgl. zu internen Modellen: ECB, Guide to internal models, v. 10/2019, General topics, Rz. 119.

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§ 11

IV. Auslagerung

im Einzelfall den Vorgaben für die Auslagerung ähnlich sein.506) Insgesamt ist in den letzten Jahren zunehmend ein weitergehendes Verständnis des Anwendungsbereichs der Auslagerungsvorgaben und ein engeres Verständnis der Grenzen der Auslagerung durch die Aufsicht festzustellen.507) § 25b KWG konkretisiert nicht, was ein „Auslagerungsunternehmen“ ist.508) In Anbe- 192 tracht des Wortlauts („anderes Unternehmen“) und der gesetzgeberischen Zielsetzungen (siehe Rz. 185) sollten unseres Erachtens Verlagerungen auf gruppenfremde und -interne „Dritte“, nicht aber Verlagerungen von inländischen Instituten auf rechtlich unselbständige Zweigniederlassungen oder -stellen als Auslagerung qualifiziert werden.509) Auch die EBA definiert das Auslagerungsunternehmen als „unabhängiges“ Unternehmen und sieht

___________ 506) Vgl. z. B. die Anforderungen in Abschn. II. 8 BAIT an den sonstigen Fremdbezug von IT-Dienstleistungen (wobei IT-Dienstleistungen nach Abschn. II. 8 Rz. 52 BAIT alle Ausprägungen des Bezugs von IT, insb. die Bereitstellung von IT-Systemen, Projekten/Gewerken oder Personalgestellung einschließlich Cloud-Dienstleistungen umfassen). U. a. ist danach (i) für jeden sonstigen Fremdbezug von IT-Dienstleistungen vorab eine angemessene Risikobewertung durchzuführen, ist (ii) der sonstige Fremdbezug von IT-Dienstleistungen im Einklang mit den Strategien unter Berücksichtigung der Risikobewertung zu steuern und die Erbringung der geschuldeten Leistung entsprechend der Risikobewertung zu überwachen (wofür eine vollständige, strukturierte Vertragsübersicht vorzuhalten ist), sind (iii) die aus der Risikobewertung abgeleiteten Maßnahmen angemessen in der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen und die Ergebnisse der Risikobewertung angemessen im Managementprozess (und insb. in der Gesamtrisikobewertung) des operationellen Risikos zu berücksichtigen und sind (iv) die Risikobewertungen regelmäßig und anlassbezogen zu überprüfen und (ggf. inklusive der Vertragsinhalte) anzupassen. Vgl. dazu auch: DK, Stellungnahme zur Konsultation des Rundschreibens „Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT“ (BAIT) v. 22.3.2017, v. 4.5.2017, S. 14 ff. 507) I. R. der MaRisk-Novelle 2017 wurde insb. die Qualifizierung des Bezugs von Software intensiv diskutiert (vgl. BaFin, MaRisk-Novelle 2017 – Veröffentlichung der Endfassung, Anschreiben v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002), S. 5 f.). Vgl. den dahingehend gefundenen „Kompromiss“ in der finalen Fassung der AT 9 Rz. 1 Erläuterungen MaRisk 2017 (sowie die Entwurfsfassungen: MaRisk-E 2016; MaRisk-ZwischenE 2016). Vgl. auch die Anforderung in AT 7.2 Rz. 4 MaRisk 2017. Vgl. zu CloudDienstleistungen: Abschn. II. 8 Rz. 52 BAIT; BaFin, Merkblatt, Orientierungshilfe zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter, v. 11/2018; EBA, Final Report, Recommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2017 (EBA/REC/2017/03). 508) Nach dem aufgehobenen Rundschreiben 11/2001 des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen (BAKred) war dies „jede andere Stelle, Einheit oder Person, die in Bezug auf die ausgelagerte Funktion oder Tätigkeit nicht dem auslagernden Institut zuzurechnen und organisatorisch von ihm abgegrenzt ist, ohne dass es auf die Kaufmannseigenschaft, Rechtsfähigkeit oder Rechtsform ankommt“ (BAKred, Rundschreiben 11/2001, v. 6.12.2001, Auslagerung von Bereichen auf ein anderes Unternehmen gemäß § 25a Abs. 2 KWG, Ziff. 9 (aufgehoben)). 509) Vgl. Bergmann, Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, S. 223 ff.; Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 1 zu AT 9 Rz. 6 MaRisk; Lackhoff in: Kaib, Outsourcing in Banken, S. 261, 286; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25b KWG Rz. 11 ff., 21 ff. Gegen die Qualifizierung der Verlagerung auf Zweigniederlassungen als Auslagerung spricht auch die Definition des Auslagerungsunternehmens in § 44 Abs. 1 Satz 2 KWG („Unternehmen“). Art und Umfang der Verlagerung auf Zweigniederlassungen können aber selbstverständlich Fragen nach einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation (§ 25a KWG) aufwerfen (vgl. BAKred, Rundschreiben 11/2001, v. 6.12.2001, Auslagerung von Bereichen auf ein anderes Unternehmen gemäß § 25a Abs. 2 KWG, Ziff. 6 (aufgehoben)). Vgl. zur Anforderung eines Service Level Agreement: ECB, Supervisory expectations on booking models, v. 8/2018, S. 11. Die BaFin stellt für die Funktion des Geldwäschebeauftragten gemäß GwG fest, dass nach ihrer Ansicht auch die Wahrnehmung von Aufgaben durch eine ausländische Hauptniederlassung eine Auslagerung darstellt (BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.2). Dies entspricht der Auffassung des BAKred im aufgehobenen Rundschreiben 11/2001 v. 6.12.2001. Vgl. dazu auch: EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 7. Vgl. zu gruppeninternen Auslagerungen auch: AT 9 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 8, 21 ff.; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 92.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

die Dienstleistungserbringung durch Zweigstellen und Zweigniederlassungen nicht als Auslagerung an.510) 193 Das KWG regelt nicht ausdrücklich, ob und inwieweit das übergeordnete Unternehmen einer Institutsgruppe oder (gemischten) Finanzholding-Gruppe die Einhaltung des § 25b KWG auf Gruppenebene sicherstellen muss. Dafür sprechen nach unserer Ansicht das Verhältnis von §§ 25a und 25b KWG, die Verantwortung für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation der Gruppe nach § 25a Abs. 3 KWG sowie die Regelungen in § 25c Abs. 4b Satz 2 Nr. 6 KWG und Art. 109 CRD.511) Auch die EBA vertritt ein solches Verständnis.512) 2.

Auslagerungsfähigkeit

194 Ein Institut kann unter Beachtung der bestehenden Vorgaben grundsätzlich alle Aktivitäten und Prozesse auslagern, soweit x

die Ordnungsmäßigkeit der Geschäfte und Dienstleistungen und die Geschäftsorganisation i. S. des § 25a Abs. 1 KWG nicht beeinträchtigt werden, insbesondere ein angemessenes und wirksames Risikomanagement gewährleistet bleibt, das die ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse einbezieht (vgl. § 25b Abs. 1 Satz 2 und 3 KWG),513)

x

die Verantwortung der Geschäftsleiter nicht übertragen wird (vgl. § 25b Abs. 2 Satz 1 KWG),514)

x

die Aufsichtsbehörden und Prüfer durch die Auslagerung an der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht gehindert werden (vgl. § 25b Abs. 3 Satz 1 und 2 KWG)515) und

x

besondere Maßstäbe oder Grenzen nicht missachtet werden (siehe Rz. 221 ff.).

195 In den letzten Jahren ist, auch durch Fragestellungen im Kontext des BREXIT, die Frage nach der im auslagernden Unternehmen verbleibenden „Substanz“ zunehmend in den Fokus gelangt. Ein Unternehmen muss jederzeit ausreichende Substanz aufweisen (auch

___________ 510) EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 12; EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Summary of responses, S. 81. 511) Ebenso: Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25b KWG Rz. 15. Gesetzgeberische Maßnahmen anregend: Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 232. 512) Vgl. dazu i. E.: EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/ 2019/02), Background, Rz. 21; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 21 ff. Die Vorgaben der EBA für Gruppen und gruppeninterne Auslagerungen differenzieren zwischen Waiver- und Nicht-Waivergruppen (Art. 109 CRD, Art. 7 CRR bzw. Art. 21 CRD). Die EBA sieht gewisse Erleichterungen für Gruppen vor, insb. folgende Möglichkeiten: eine zentrale „Auslagerungs-Vorabprüfung“, eine zentrale operative Überwachung von Auslagerungen, zentrale Ausstiegsund Geschäftsfortführungspläne sowie ein zentrales Auslagerungsregister. 513) Vgl. auch: § 25c Abs. 4a Nr. 6, Abs. 4b Nr. 6 KWG; AT 9 Rz. 4 MaRisk 2017; EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 5, 11; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 40; CEBS, Guidelines on Outsourcing, v. 14.12.2006, S. 4. 514) Es dürfen also keine Leitungsaufgaben bzw. den Geschäftsleitern zugewiesene Aufgaben ausgelagert werden. Vgl. dazu: AT 9 Rz. 4 MaRisk 2017; AT 9 Rz. 4 Erläuterungen MaRisk 2017; EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 5, 6; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 35 f.; CEBS, Guidelines on Outsourcing, v. 14.12.2006, S. 3 f.; Fischer/Petri/Steidle, WM 2007, 2313, 2317; Loff, WM 2009, 780, 782. 515) Vgl. auch: EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/ 2019/02), Background, Rz. 5, 11, 36; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 92; CEBS, Guidelines on Outsourcing, v. 14.12.2006, S. 4. Die EBA betont, dass dies die Abwicklungsbehörden einschließt.

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§ 11

IV. Auslagerung

im Hinblick auf die Geschäftsorganisation bzw. das Risikomanagement); es darf nicht zu einer „leeren Hülle“ oder „Briefkastenfirma“ werden.516) Auslagerungen dürfen darüber hinaus die Abwicklungsfähigkeit des Instituts nicht be- 196 einträchtigen.517) 3.

Anforderungen

Die dem Proportionalitätsprinzip unterliegenden518) Anforderungen an die Auslagerung 197 betreffen die allgemeine Auslagerungsgovernance und alle Phasen der Auslagerung (Planung, Vereinbarung, Überwachung/Überprüfung und Beendigung). Die Auslagerung berührt weder die Verantwortung des auslagernden Instituts für die Ein- 198 haltung der von ihm zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen (vgl. § 25b Abs. 2 Satz 2 KWG) noch die Gesamtverantwortung seiner Geschäftsleiter für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation, die sich auf alle wesentlichen Elemente des Risikomanagements unter Berücksichtigung der ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse bezieht.519) Gesetzliche Anzeigepflichten betreffend Absicht oder Vollzug einer Auslagerung beste- 199 hen derzeit nur noch in Einzelfällen.520) Allerdings stellt die EBA nun deutlich höhere Anforderungen.521) Diese erfordern eine gesetzliche Grundlage. Es ist noch offen, wie sie in Deutschland umgesetzt werden. a)

Risikoanalyse

Ob und in welchem Umfang eine Auslagerung erfolgen kann bzw. welche Maßnahmen vor 200 und während einer Auslagerung zu treffen sind, muss das Institut vor der Auslagerung und sodann regelmäßig und anlassbezogen mittels einer Risikoanalyse eigenverantwort___________ 516) Vgl. EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 8, 25; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 39, 115; EBA, Opinion of the European Banking Authority on issues related to the departure of the United Kingdom from the European Union, v. 12.10.2017 (EBA/Op/2017/12), Report, Rz. 16, 23, 102, 114 ff.; ECB, Supervisory expectations on booking models, v. 8/2018, S. 7, 9, 11; BaFin, Digitalisierung – Folgen für Finanzmarkt, Aufsicht und Regulierung (Teil II), BaFin-Perspektiven 1/2019, 49. Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Back517) S. EBA, ground, Rz. 9, 35. 518) Vgl. § 25b Abs. 1 Satz 1 KWG; AT 2.1 Rz. 2 MaRisk 2017; EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 14; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 18 ff.; CEBS, Guidelines on Outsourcing v. 14.12.2006, S. 2; EBA, Final Report, Recommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2017 (EBA/REC/2017/03), Executive Summary, S. 3. 519) AT 3 Rz. 1 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 44; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 35 ff.; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/ 2017/11), Rz. 91; CEBS, Guidelines on Outsourcing, v. 14.12.2006, S. 3. 520) Vgl. z. B.: § 20 Abs. 2 ZAG, § 6 Abs. 7 GwG oder § 25h Abs. 4 KWG. Zur vorherigen Rechtslage: Lackhoff in: Kaib, Outsourcing in Banken, S. 261, 297. 521) EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 44; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 58 f.: „Institute […] sollten die zuständigen Behörden rechtzeitig über die geplante Auslagerung von kritischen oder wesentlichen Funktionen informieren oder in einen aufsichtlichen Dialog mit den zuständigen Behörden treten und/oder […] Informationen bereitstellen, wenn eine ausgelagerte Funktion kritisch oder wesentlich geworden ist. Institute […] sollten die zuständigen Behörden rechtzeitig über wesentliche Änderungen und/oder schwerwiegende Vorfälle bezüglich ihrer Auslagerungsvereinbarungen, die wesentliche Auswirkungen auf die Fortführung von Geschäftstätigkeiten der Institute […] aufweisen können, in Kenntnis setzen“; EBA, Final Report, Recommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2017 (EBA/REC/2017/03), Recommendations, Rz. 2.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

lich festlegen.522) Die Risikoanalyse muss alle für das Institut im Zusammenhang mit der Auslagerung relevanten Aspekte berücksichtigen, insbesondere die wesentlichen Risiken (inklusive Risikokonzentrationen und Risiken aus Weiterverlagerungen, wobei operationellen Risiken in der Regel eine hohe Bedeutung zukommt) sowie die Eignung des Auslagerungsunternehmens (siehe auch Rz. 217).523) Bei gruppeninternen Auslagerungen können nach den MaRisk ggf. wirksame Vorkehrungen, insbesondere ein einheitliches und umfassendes Risikomanagement auf Gruppenebene und Durchgriffsrechte, risikomindernd berücksichtigt werden.524) Die EBA akzentuiert ihre Ausführungen zu gruppeninternen Auslagerungen etwas anders.525) Besondere Sorgfalt ist bei der Auslagerung an außerhalb des EWR ansässige Dienstleister geboten (vgl. Rz. 217).526) Auch spielen IT-bezo___________ 522) AT 9 Rz. 2 MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 60, 61, 64 ff., 102 ff. Die angemessen nachvollziehbar zu begründende und zu dokumentierende Analyse muss auf instituts- bzw. gruppenweit einheitlichen Rahmenvorgaben beruhen und unter Einbeziehung der maßgeblichen Organisationseinheiten erstellt werden (AT 9 Rz. 2 MaRisk 2017). Einen Katalog relevanter Aspekte enthalten auch die EBA-Leitlinien zur Auslagerung (EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 61, 64 ff.). 523) AT 9 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017; relevant sind z. B. der Risikogehalt, die Komplexität und die zeitkritische Natur der Aktivitäten und Prozesse, die Kompatibilität der IT-Systeme bzw. IT-Schnittstellen, das Risiko des Ausfalls des Dienstleisters oder seiner Schlechtleistung (und damit seine wirtschaftliche und rechtliche Situation, Zuverlässigkeit, Reputation, Erfahrung, Ressourcen, internen Kontrollverfahren etc.), das Risiko, bei Ausfall oder Schlechtleistung keinen Ersatzdienstleister zu finden bzw. die Aktivitäten oder Prozesse nicht oder nur schwer reintegrieren zu können, die Einbeziehung in die internen Kontrollverfahren oder die Maßnahmen zur Risikominderung (vgl. Reischauer/Kleinhans-Brogl KWG, Anh. 1 § 25a Anm. 2 zu AT 9 Rz. 2 MaRisk; Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 874; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25b KWG Rz. 44; ausführlich, aber noch zu § 25a Abs. 2 KWG a. F.: Bergmann, Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, S. 262 ff.). Auch Nachhaltigkeitsaspekte sind zu berücksichtigen (BaFin, Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, v. 20.12.2019, S. 37). Die EBA legt nunmehr wesentliche zu berücksichtigende Gesichtspunkte für die Risikoanalyse und die Eignungsprüfung des Dienstleisters fest (einschließlich besonderer Gesichtspunkte für kritische und wesentliche Auslagerungen) und betont, dass neben rechtlichen Anforderungen (einschließlich betreffend Interessenkonflikte) auch Interessen der Stakeholder zu berücksichtigen sind (ethische Standards, ein Verhaltenskodex etc.): EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 11, 24 ff., 32; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 40, 45 ff., 61, 62 f., 64 ff., 69 ff., 73; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 93. Vgl. auch: Artt. 30 ff. Delegierte VO (EU) 2017/565. Vgl. zur Auslagerung an Cloud-Dienstleister auch: EBA, Final Report, Recommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2017 (EBA/REC/2017/03), Recommendations, Rz. 1, 15 ff.; BaFin, Merkblatt, Orientierungshilfe zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter, v. 11/2018, S. 5 ff. 524) AT 9 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. auch: Art. 31 Abs. 4 Delegierte VO (EU) 2017/565; ESMA, Consultation Paper, Guidelines on certain aspects of the MiFID II compliance function requirements, v. 15.7.2019 (ESMA35-43-2019), Annex III, Rz. 85; ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Compliance-Funktion, v. 25.6.2012 (ESMA/2012/388), Rz. 78. 525) EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 27 ff.; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 21 ff., 45 ff., 68. Die EBA betont, dass gruppeninterne Auslagerungen nicht zwingend mit weniger Risiken verbunden sind, dass insoweit (potentielle) Interessenkonflikte zu beachten sind und dass bei wesentlichen oder kritischen Funktionen die Auswahl der Rechtseinheit auf objektiven Gründen beruhen, zu marktüblichen Konditionen erfolgen und die Vereinbarung potentieller Interessenkonflikte ausdrücklich behandeln muss (die EBA sieht allerdings Erleichterungen für gruppeninterne Auslagerungen vor; vgl. Fn. 512). Gleiche Grundsätze wie für gruppeninterne Auslagerungen gälten bei Auslagerungen durch Mitglieder eines institutsbezogenen Einlagensicherungssystems innerhalb desselben. 526) Vgl. Art. 32 Delegierte VO (EU) 2017/565; EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 7, 10, 24, 30; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 63, 67 f., 73; CEBS, Guidelines on Outsourcing, v. 14.12.2006, S. 5; EBA, Opinion of the European Banking Authority on issues related to the departure of the United Kingdom from the European Union, v. 12.10.2017 (EBA/Op/2017/12), S. 14; ESMA, Opinion, General principles to support supervisory convergence in the context of the United Kingdom withdrawing from the European Union, v. 31.5.2017 (ESMA42-110-433), Rz. 35 f.; EBA, Final Report, Recommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2017 (EBA/REC/2017/03), Recommendations, Rz. 19.

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§ 11

IV. Auslagerung

gene Fragestellungen eine immer größere Rolle (siehe Rz. 229). Die Prüfungsintensität richtet sich nach Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse; dementsprechend ist bei Auslagerungen von erheblicher Tragweite intensiv zu prüfen, ob und wie die Einbeziehung der ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse in das Risikomanagement sichergestellt werden kann.527) Die Auslagerung muss auch mit der Auslagerungsstrategie vereinbar sein.528) b)

Maßstab

Das KWG und die MaRisk unterscheiden zwischen wesentlichen und nicht wesentlichen 201 Auslagerungen. Nicht wesentliche Auslagerungen sind (nur) an den Vorgaben für die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation nach § 25a Abs. 1 KWG zu messen.529) Damit besteht zunächst der gleiche Maßstab wie bei nicht ausgelagerten Aktivitäten und Prozessen. Die zusätzlichen Risiken externer Leistungserbringung (d. h. die reduzierten Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten) erfordern aber jedenfalls die sorgfältige Auswahl des Dienstleisters und die Überwachung der ordnungsgemäßen Leistungserbringung.530) Auf wesentliche Auslagerungen findet § 25b KWG Anwendung. Neben den bereits dar- 202 gelegten Vorgaben (siehe Rz. 194) verlangt § 25b KWG einen Auslagerungsvertrag (siehe Rz. 206 ff.) sowie angemessene Vorkehrungen zur Vermeidung übermäßiger zusätzlicher Risiken und geeignete Vorkehrungen zur Gewährleistung der Auskunfts- und Prüfungsrechte sowie Kontrollmöglichkeiten der Prüfer und Aufsichtsbehörden. Gemäß § 25c Abs. 4a Nr. 6 und Abs. 4b Satz 2 Nr. 6 KWG haben die Geschäftsleiter mindestens für angemessene Verfahren und Konzepte Sorge zu tragen, um übermäßige zusätzliche Risiken und eine Beeinträchtigung der Ordnungsmäßigkeit der ausgelagerten Geschäfte und Dienstleistungen und der Geschäftsorganisation i. S. des § 25a Abs. 1 KWG zu vermeiden.531) Nach den MaRisk müssen i. R. der Aufbau- und Ablauforganisation auch für Schnittstellen zu wesentlichen Auslagerungen die Prozesse und damit verbundene Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten, Kontrollen und Kommunikationswege klar definiert und aufeinander abgestimmt werden (siehe Rz. 42). Die Organisationsrichtlinien müssen außerdem Regelungen zu Verfahrensweisen bei wesentlichen Auslagerungen beinhalten (siehe Rz. 115).

___________ 527) Vgl. AT 9 Rz. 2 Erläuterungen MaRisk 2017. Eine Auslagerung von erheblicher Tragweite liegt etwa bei Auslagerung der Risikocontrolling-Funktion, der Compliance-Funktion, der Internen Revision oder von Kernbankbereichen vor, soweit eine solche zulässig ist (s. Rz. 222 f.). 528) Vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25b KWG Rz. 44. 529) Vgl. auch: AT 9 Rz. 3 MaRisk 2017; Lackhoff in: Kaib, Outsourcing in Banken, S. 261, 282, 284. Vgl. zu Beispielen nicht wesentlicher Auslagerungen: BAKred, Rundschreiben 11/2001, v. 6.12.2001, Auslagerung von Bereichen auf ein anderes Unternehmen gemäß § 25a Abs. 2 KWG, Ziff. 11 (aufgehoben); Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25b KWG Rz. 49. 530) Begr. RegE FinMRL-UmsG, BT-Drucks. 16/4028, S. 96 f.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25b KWG Rz. 51. Allgemein stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Vorgaben des § 25b KWG eine ergänzende und abschließende Sonderregelung zu § 25a KWG darstellen oder dessen Anforderungen klarstellen bzw. konkretisieren, unter Wahrung des Proportionalitätsprinzips im Einzelfall also ggf. auch bei nicht wesentlichen Auslagerungen zu beachten sind. In der Praxis ist eine strikte Differenzierung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Auslagerungen oft bereits deswegen nicht angebracht, weil sich der Charakter einer Auslagerung als (un)wesentlich im Verlauf der Auslagerung ändern kann. 531) Zur Kritik am Wortlaut „mindestens“, vgl. Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 209. Vgl. auch: CEBS, Guidelines on Outsourcing, v. 14.12.2006, S. 3.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

203 Weitergehend fordert die EBA Auslagerungsrichtlinien, die alle Auslagerungen erfassen und gibt für sie einen Mindestinhalt und Differenzierungskriterien vor.532) Generell macht sie Vorgaben für alle Auslagerungen (allgemeines Regime) sowie spezifische Vorgaben (besonderes Regime) für die Auslagerung von Verfahren, Dienstleistungen oder Aktivitäten, die als kritisch oder wesentlich („critical or important“) i. S. des MiFID II-Regelwerks zu qualifizieren sind.533) 204 Nach der EBA ist eine Auslagerung immer als Auslagerung kritischer oder wesentlicher Verfahren, Dienstleistungen oder Aktivitäten anzusehen, wenn x

angelehnt an Art. 30 Delegierte VO (EU) 2017/565, die unzureichende oder unterlassene Wahrnehmung der Verfahren, Dienstleistungen oder Aktivitäten die kontinuierliche Einhaltung der Zulassungsbedingungen, der Pflichten aus bestimmten Rechtsakten534) bzw. der regulatorischen Pflichten oder die finanzielle Leistungsfähigkeit oder die Solidität oder Kontinuität ihrer Bank- und Zahlungsdienste und -geschäfte wesentlich beeinträchtigen würde,

x

operative Aufgaben interner Kontrollfunktionen ausgelagert werden (soweit die Risikoanalyse nicht ergibt, dass die unzureichende oder unterlassene Wahrnehmung keine nachteiligen Auswirkungen auf die Wirksamkeit der internen Kontrollfunktion hätte),

x

beabsichtigt ist, Aufgaben von Bank- und Zahlungsdienstleistungen in einem Umfang auszulagern, die eine Erlaubnis erfordern würde, oder

x

die Verfahren, Dienstleistungen oder Aktivitäten erforderlich sind, um Aktivitäten der Kerngeschäftsbereiche oder der kritischen Funktionen i. S. des Art. 2 Abs. 1 Nr. 35 und 36 Richtlinie 2014/59/EU (BRRD)535) auszuführen (soweit die Risikoanalyse nicht ergibt, dass die unzureichende oder unterlassene Wahrnehmung sich nicht nachteilig auf die operationelle Kontinuität der Kerngeschäftsbereiche oder kritischen Funktionen auswirken würde).536)

205 Für die Beurteilung, ob eine Auslagerung kritisch oder wesentlich ist, gibt die EBA zu berücksichtigende Faktoren vor.537) c)

Auslagerungsvertrag

206 Gemäß § 25b Abs. 3 Satz 3 KWG ist bei wesentlichen Auslagerungen ein schriftlicher Auslagerungsvertrag erforderlich, der die zur Einhaltung seiner Pflichten erforderlichen Rechte des auslagernden Instituts (einschließlich Weisungs- und Kündigungsrechten) und die korrespondierenden Pflichten des Auslagerungsunternehmens festlegen muss. ___________ 532) EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 41 ff.; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 90 ff.; CEBS, Guidelines on Outsourcing, v. 14.12.2006, S. 6. 533) EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 20, 23, 31. 534) Die EBA führt folgende Rechtsakte auf: die CRD, die CRR, die Richtlinie 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2015, ABl. (EU) L 337/35 v. 23.12.2015, sowie die Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.9.2009, ABl. (EU) L 267/7 v. 10.10.2009. 535) Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019. 536) EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 29 f. 537) EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 31.

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§ 11

IV. Auslagerung

Der Vertrag muss die Einhaltung aller spezifischen Anforderungen gewährleisten (vgl. z. B. § 80 Abs. 3 Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, SAG). Die MaRisk538) sehen folgenden Mindestinhalt vor:

207

x

Spezifizierung (und ggf. Abgrenzung) der vom Auslagerungsunternehmen zu erbringenden Leistung,

x

Festlegung angemessener Informations- und Prüfungsrechte der Internen Revision und der externen Prüfer,539)

x

Sicherstellung uneingeschränkter Informations- und Prüfungsrechte sowie Kontrollmöglichkeiten der gemäß § 25b Abs. 3 KWG zuständigen Behörden bezüglich der ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse,

x

Weisungsrechte, soweit erforderlich,540)

x

Regelungen zur Gewährleistung datenschutz- und sicherheitsbezogener Anforderungen,541)

x

Kündigungsrechte und angemessene Kündigungsfristen,542)

x

Regelungen zur Möglichkeit und den Modalitäten einer Weiterverlagerung, die die Einhaltung der bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben sicherstellen543) und

x

Informationspflichten des Auslagerungsunternehmens betreffend Entwicklungen, die die ordnungsgemäße Erledigung der ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse beeinträchtigen können.

Selbstverständlich muss bzw. sollte ein Auslagerungsvertrag je nach Gegenstand darüber 208 hinaus weitere ergänzende bzw. konkretisierende Regelungen enthalten, u. a. betreffend einzelne Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, Laufzeit, Verfügbarkeit der Leistungen, Vergütung, Verantwortlichkeiten, Fristen und Eskalationsprozesse, Sanktionen, Vertragsanpassung, Verschwiegenheit, Rechtswahl oder Streitschlichtung.544) Die Leistungs___________ 538) Vgl. AT 9 Rz. 7 f. MaRisk 2017; AT 9 Rz. 7 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. für Cloud-Dienstleistungen: BaFin, Merkblatt, Orientierungshilfe zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter, v. 11/2018, S. 7 ff. Vgl. zu Nachhaltigkeitsthemen auch: BaFin, Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, v. 20.12.2019, S. 37. 539) Vgl. für Cloud-Dienstleistungen auch: BaFin, Merkblatt, Orientierungshilfe zu Auslagerungen an CloudAnbieter, v. 11/2018, S. 8 ff., 13; BaFin, Digitalisierung – Folgen für Finanzmarkt, Aufsicht und Regulierung (Teil II), BaFin-Perspektiven 1/2019, S. 48. 540) Vgl. für Cloud-Dienstleistungen auch: BaFin, Merkblatt, Orientierungshilfe zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter, v. 11/2018, S. 11; BaFin, Digitalisierung – Folgen für Finanzmarkt, Aufsicht und Regulierung (Teil II), BaFin-Perspektiven 1/2019, S. 47. 541) Vgl. auch: EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 40; BaFin, Merkblatt, Orientierungshilfe zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter, v. 11/2018, S. 11 f. 542) Das Institut hat bereits bei Vertragsschluss intern festzulegen, welchen Grad einer Schlechtleistung es hinnehmen möchte (AT 9 Rz. 7 Erläuterungen MaRisk 2017). Im Kontext der Auslagerung an CloudDienstleister stellt die BaFin fest, dass ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund für den Fall zu vereinbaren ist, dass die Aufsichtsbehörden die Kündigung des Auslagerungsvertrags verlangen (BaFin, Merkblatt, Orientierungshilfe zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter, v. 11/2018, S. 12). 543) Nach AT 9 Rz. 8 MaRisk 2017 sind möglichst Zustimmungsvorbehalte oder konkrete Voraussetzungen vorzusehen. Zumindest ist sicherzustellen, dass die Vereinbarungen zwischen Auslagerungs- und Subunternehmen im Einklang mit dem Auslagerungsvertrag stehen. Zu vereinbaren ist eine Informationspflicht des Auslagerungsunternehmens an das auslagernde Institut. Das Auslagerungsunternehmen bleibt im Falle der Weiterverlagerung auf ein Subunternehmen gegenüber dem auslagernden Institut berichtspflichtig. Vgl. auch: BaFin, Merkblatt, Orientierungshilfe zu Auslagerung an Cloud-Anbieter, v. 11/2018, S. 12 f. 544) Vgl. Hannemann/Steinbrecher/Weigl, MaRisk, S. 907 ff.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25b KWG Rz. 70. Vgl. auch: BaFin, Merkblatt, Orientierungshilfe zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter, v. 11/2018, S. 7.

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Organisatorische Anforderungen

und Qualitätsstandards für die zu erbringende Leistung werden in der Praxis regelmäßig in einer den Auslagerungsvertrag konkretisierenden Leistungsbeschreibung (Service-LevelAgreement) festgelegt. 209 Auch die EBA macht nunmehr konkrete Vorgaben für den Mindestinhalt des (nach ihrer Ansicht für alle Auslagerungen erforderlichen) schriftlichen Auslagerungsvertrags, wobei einige Anforderungen für alle Auslagerungsverträge und weitere Anforderungen nur für kritische und wesentliche Auslagerungen gelten.545) Die Vorgaben der EBA für den Auslagerungsvertrag sind deutlich detaillierter als diejenigen der MaRisk. 210 Alle Regelungen sind unter Beachtung des Proportionalitätsprinzips sorgfältig und auf den Einzelfall angepasst zu gestalten, unter Berücksichtigung der Risikoanalyse, der Interessenlage und der potentiell relevanten Szenarien. So müssen etwa die „ausstiegsbezogenen“ Vereinbarungen reflektieren, ob und inwieweit eine sofortige Beendigung oder eine Ausstiegsfrist sinnvoll ist und welche Rechte und Pflichten während der Ausstiegsphase und nach der Beendigung (fort-)bestehen (z. B. Nutzungsrechte an der Software, Pflicht zur Herausgabe oder zur Löschung von Daten und Dokumenten, zur Schulung von Mitarbeitern oder zur Kooperation mit einem neuen Auslagerungsunternehmen, Beratungsund Informationspflichten etc.).546) d)

Auslagerungsunternehmen

211 Im Rahmen der Risikoanalyse (bzw. parallel zu dieser) sind die Eignung des Auslagerungsunternehmens und die Risiken, die für die konkrete Auslagerung mit dem Auslagerungsunternehmen verbunden sind, zu prüfen und zu bewerten, wobei die EBA wesentliche zu berücksichtigende Gesichtspunkte vorgibt (siehe Rz. 200 und Fn. 523). Die EBA betont nunmehr Folgendes: Sofern Funktionen des Bankgeschäfts oder der Zahlungsdienste in einem Umfang ausgelagert werden, in dem für die Wahrnehmung der betreffenden Funktion eine Zulassung oder Registrierung durch eine zuständige Behörde in dem Mitgliedstaat ihrer Zulassung erforderlich ist, muss das Auslagerungsunternehmen selbst zur Erbringung dieser Aktivitäten zugelassen, registriert oder anderweitig nach dem jeweiligen nationalen Recht befugt sein. Weitere Anforderungen bestehen, wenn das Auslagerungsunternehmen nicht in einem EU-Mitgliedstaat angesiedelt ist.547) e)

Steuerung und Überwachung

212 Das auslagernde Institut muss die mit wesentlichen Auslagerungen verbundenen Risiken angemessen steuern und die Ausführung der ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse ordnungsgemäß überwachen, wobei die EBA-Leitlinien zur Auslagerung das Er-

___________ 545) EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 34, 36; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 40, 74 f., 76 ff., 85 ff., 98 f.; EBA, Final Report, Recommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2017 (EBA/REC/2017/03), Recommendations, Rz. 6 ff., 10 ff., 15 ff. 546) Vgl. dazu jetzt auch: EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 99. 547) EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 62 f. Erforderlich sind nach der EBA (i) eine Zulassung des Auslagerungsunternehmens zur Erbringung von Bankgeschäften oder Zahlungsdiensten im Drittstaat und eine effektive Aufsicht durch die zuständige Drittstaatenaufsichtsbehörde sowie (ii) eine angemessene Kooperationsvereinbarung zwischen den Aufsichtsbehörden des Instituts und des Auslagerungsunternehmens, die bestimmte Mindestrechte und -pflichten der beteiligten Aufsichtsbehörden vorsieht. Vgl. auch: EBA, Final Report, Recommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2017 (EBA/REC/2017/03), Recommendations, Rz. 19. Vgl. auch: Art. 32 Delegierte VO (EU) 2017/565.

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IV. Auslagerung

fordernis einer aktiven Steuerung und Überwachung noch deutlicher betonen.548) Unter anderem müssen die Risikosteuerungs- und -controllingprozesse gewährleisten, dass die wesentlichen Risiken aus ausgelagerten Aktivitäten und Prozessen frühzeitig erkannt, vollständig erfasst und angemessen dargestellt werden können.549) Auch müssen ausreichende Kenntnisse im auslagernden Unternehmen verbleiben.550) Des Weiteren muss die Leistung des Auslagerungsunternehmens regelmäßig anhand vorzuhaltender (quantitativer und qualitativer) Kriterien beurteilt werden551) und sind vorgesehene Eskalationsprozesse und Sanktionsmöglichkeiten im Falle der Nicht- bzw. Schlechtleistung zu nutzen.552) Für die Steuerung und Überwachung sind klare Verantwortlichkeiten festzulegen.553) Bei Auslagerung zeitkritischer Aktivitäten und Prozesse sind die Notfallkonzepte des 213 auslagernden Instituts und des Auslagerungsunternehmens aufeinander abzustimmen.554) f)

Vorkehrungen für eine Beendigung

Ein angemessenes und wirksames Risikomanagement erfordert auch Vorkehrungen für 214 den Fall der Beendigung von Auslagerungen (zum Auslagerungsvertrag siehe Rz. 206 ff.). Nach den MaRisk hat das auslagernde Institut Vorkehrungen zu treffen, um die Kontinui- 215 tät und Qualität der ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse auch nach der Beendigung zu gewährleisten, wenn die Beendigung wesentlicher Auslagerungen beabsichtigt oder erwartet wird.555) Für eine unbeabsichtigte oder unerwartete Beendigung wesentlicher Auslagerungen, die mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Geschäftstätigkeit verbunden sein können, sind Handlungsoptionen zu prüfen, zu verabschieden sowie regelmäßig und anlassbezogen zu überprüfen.556) Soweit sinnvoll und möglich, sind entsprechende Ausstiegsprozesse mit dem Ziel festzulegen, die notwendige Kontinuität und Qualität der ausgelagerten Aktivitäten und Prozesse aufrechtzuerhalten bzw. in angemessener Zeit wiederherstellen zu können.557) ___________ 548) AT 9 Rz. 9 MaRisk 2017; EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 33; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/ 2019/02), Rz. 100 ff.; CEBS, Guidelines on Outsourcing, v. 14.12.2006, S. 7; BaFin, Merkblatt, Orientierungshilfe zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter, v. 11/2018, S. 8 f.; Fischer/Petri/Steidle, WM 2007, 2313, 2318. 549) AT 4.3.2 Rz. 2 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/ 2019/02), Rz. 60. 550) ECB, Guide to internal models, v. 10/2019, General topics, Rz. 52, 130 ff.; EZB, Rede v. Sabine Lautenschläger, Towards a more cyber secure financial system: the role of central banks, v. 10.5.2019. 551) Vgl. AT 9 Rz. 9 MaRisk 2017; CEBS, Guidelines on Outsourcing, v. 14.12.2006, S. 9; EBA, Final Report, Recommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2017 (EBA/REC/ 2017/03), Recommendations, Rz. 15 ff., 18. 552) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25b KWG Rz. 62. 553) AT 9 Rz. 10 MaRisk 2017; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 35, 38. S. zur vollständigen Auslagerung der besonderen Funktionen Rz. 222. 554) AT 7.3 Rz. 1 MaRisk 2017. Vgl. für die Auslagerung auf Cloud-Dienstleister: EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 48 f.; EBA, Final Report, Recommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2017 (EBA/REC/2017/03), Recommendations, Rz. 26. 555) AT 9 Rz. 6 MaRisk 2017. Vgl. auch: EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 107 f.; EBA, Final Report, Recommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2014 (EBA/REC/2017/03), Recommendations, Rz. 26 ff. 556) AT 9 Rz. 6 MaRisk 2017. Über die Vorgaben der MaRisk hinausgehend kann dies auch bei Auslagerungen sinnvoll sein, deren Beendigung keine entsprechende Beeinträchtigung zur Folge haben können (vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 25b KWG Rz. 66). Bestehen keine Handlungsoptionen, ist zumindest eine angemessene Berücksichtigung in der Notfallplanung erforderlich (AT 9 Rz. 6 Erläuterungen MaRisk 2017). 557) AT 9 Rz. 6 MaRisk 2017; AT 9 Rz. 6 Erläuterungen MaRisk 2017. Bei gruppen- und verbundinternen Auslagerungen ist die Erstellung der Ausstiegsprozesse verzichtbar.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

216 Die EBA verlangt, dass das auslagernde Institut bei kritischen oder wesentlichen Auslagerungen Beendigungsstrategien und Geschäftsfortführungspläne vorhalten und sicherstellen muss, dass es innerhalb einer angemessenen Frist mindestens entweder (i) die ausgelagerten Aktivitäten auf einen anderen Dienstleister übertragen, (ii) die ausgelagerten Aktivitäten reintegrieren oder (iii) die Geschäftsaktivitäten, die von den ausgelagerten Aktivitäten abhängen, beenden kann.558) g)

Zentrales Auslagerungsmanagement/Auslagerungsfunktion/ Auslagerungsregister

217 Nach den MaRisk hat das Institut, abhängig von Art, Umfang und Komplexität der Auslagerungsaktivitäten, ein zentrales Auslagerungsmanagement einzurichten. Dieses muss insbesondere x

ein angemessenes Auslagerungsmanagement und entsprechende Kontroll- und Überwachungsprozesse implementieren und weiterentwickeln,

x

eine vollständige Dokumentation der Auslagerungen (einschließlich Weiterverlagerungen) erstellen und pflegen,

x

die Fachbereiche bezüglich der internen und gesetzlichen Anforderungen an Auslagerungen unterstützen,

x

die durch die zuständigen Bereiche durchgeführte Risikoanalyse koordinieren und überprüfen sowie

x

mindestens jährlich einen Bericht über die wesentlichen Auslagerungen erstellen und der Geschäftsleitung vorlegen (siehe Rz. 85).559)

218 Auch die EBA verlangt, unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit eine Auslagerungsfunktion einzurichten bzw. einen leitenden Mitarbeiter zu benennen (z. B. den Leiter einer internen Kontrollfunktion), der dem Leitungsorgan unmittelbar unterstellt und für die Steuerung und Überwachung der Risiken der Auslagerungen verantwortlich ist.560) 219 Die EBA verlangt darüber hinaus das Führen eines fortlaufend zu aktualisierenden Registers aller Auslagerungsvereinbarungen mit vorgegebenen Mindestinformationen für alle Auslagerungen und weitergehenden Informationen für kritische und wesentliche Auslagerungen.561) Die Institute müssen den Aufsichtsbehörden das Register auf Anfrage ganz oder teilweise in einem gängigen Datenbankformat zugänglich machen.562)

___________ 558) Vgl. dazu i. E.: EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/ 2019/02), Background, Rz. 22; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 40, 48 ff., 99, 106 ff.; EBA, Final Report, Recommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2017 (EBA/REC/2017/03), Recommendations, Rz. 26 ff. Die EBA fordert Beendigungsstrategien und Geschäftsfortführungspläne auch für gruppen- und verbundinterne Auslagerungen, zentrale Ausstiegs- und Geschäftsfortführungspläne sind aber möglich (s. Fn. 512). 559) AT 9 Rz. 12 f. MaRisk 2017. 560) EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 38. Kleine und nicht komplexe Institute sollten zumindest eine klare Trennung der Aufgaben und Veranwortlichkeiten für die Steuerung und die Überwachung der Auslagerungen sicherstellen und können die Auslagerungsfunktion einem Mitglied des Leitungsorgans übertragen. 561) EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 44; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 52 ff. Vgl. auch: EBA, Final Report, Recommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2017 (EBA/REC/2017/03), Recommendations, Rz. 4 f. Die Verpflichtung besteht auch nach Beendigung der Auslagerungsvereinbarung für einen angemessenen Zeitraum fort. 562) EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 56 ff.

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§ 11

IV. Auslagerung h)

Überprüfung

Die Anforderungen an die Auslagerung und ihre Umsetzung werden von der Internen 220 Revision des auslagernden Instituts überprüft (zur externen Prüfung siehe Abschn. V, Rz. 228 ff.). Diese hat die Wirksamkeit und Angemessenheit des Risikomanagements und die Ordnungsmäßigkeit grundsätzlich aller Aktivitäten und Prozesse unabhängig davon zu prüfen und beurteilen, ob sie ausgelagert sind oder nicht (siehe Rz. 73). Nach den MaRisk kann sie aber auf eigene Prüfungshandlungen verzichten, sofern die anderweitig durchgeführte Revisionstätigkeit den einschlägigen Anforderungen genügt und sie sich davon regelmäßig überzeugt. Anderweitig übernommen werden kann die Revisionstätigkeit durch die Interne Revision des Auslagerungsunternehmens, die Interne Revision eines oder mehrerer der auslagernden Institute im Auftrag der auslagernden Institute, einen vom Auslagerungsunternehmen beauftragten Dritten oder einen von den auslagernden Instituten beauftragten Dritten.563) Auch die EBA sieht spezifische Möglichkeiten des Rückgriffs auf Dritte bzw. der Nutzung von Zertifizierungen vor.564) 4.

Einzelfälle

Für Auslagerungen in bestimmten Bereichen sind besondere Anforderungen zu beachten. 221 Einige wesentliche Einzelfälle sind im Folgenden dargelegt.565) Nach den MaRisk ist die vollständige Auslagerung der Risikocontrolling-Funktion, 222 der Compliance-Funktion oder der Internen Revision nur für Tochterinstitute innerhalb einer Institutsgruppe zulässig, sofern das übergeordnete Institut Auslagerungsunternehmen ist und das Tochterinstitut sowohl hinsichtlich seiner Größe, Komplexität und dem Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten für den nationalen Finanzsektor als auch hinsichtlich seiner Bedeutung innerhalb der Gruppe als nicht wesentlich einzustufen ist; gleiches gilt für Gruppen, wenn das Mutterunternehmen kein Institut und im Inland ansässig ist.566) Darüber hinaus ist die vollständige Auslagerung der Compliance-Funktion und der Internen Revision bei kleinen Instituten zulässig, sofern deren Einrichtung vor dem Hintergrund der Institutsgröße sowie von Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der betriebenen Geschäftsaktivitäten nicht angemessen erscheint.567) Ist eine vollständige Auslagerung einer dieser Funktionen zulässig, ist jeweils ein Beauftragter zu benennen, der die ordnungsgemäße Durchführung der jeweiligen Aufgaben gewährleisten muss.568) ___________ 563) BT 2.1 Rz. 3 MaRisk 2017; BT 2.1 Rz. 3 Erläuterungen MaRisk 2017. Vgl. auch: BaFin, Merkblatt, Orientierungshilfe zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter, v. 11/2018, S. 9. 564) EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 91 ff.; EBA, Final Report, Recommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2017 (EBA/REC/2017/03), Recommendations, Rz. 8. 565) Vgl. darüber hinaus z. B.: § 22a Abs. 3 KWG; § 26 ZAG; AT 9 Rz. 4 MaRisk 2017; Art. 190 Abs. 3 CRR; Art. 4 EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on assessment methodology for IRB approach (EBA/RTS/2016/03), v. 21.7.2016; ECB, Guide to internal models, v. 10/2019, General topics, Rz. 119 ff.; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, S. 38, Fn. 45; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Liquiditätsausstattung (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP), v. 9.11.2018, S. 28, Fn. 38. 566) AT 9 Rz. 5 MaRisk 2017. 567) AT 9 Rz. 5 MaRisk 2017. 568) AT 9 Rz. 10 MaRisk 2017. Nach der AT 9 Rz. 10 Erläuterungen MaRisk 2017hat ein Revisionsbeauftragter den Prüfungsplan gemeinsam mit dem beauftragten Dritten zu erstellen, (ggf. gemeinsam mit letzterem) den Gesamtbericht nach BT 2.4 Rz. 4 MaRisk 2017 zu verfassen und zu prüfen, ob festgestellte Mängel beseitigt wurden (s. dazu Rz. 76, 86). Je nach Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten können die Aufgaben des Revisionsbeauftragten (bei ausreichender Kenntnis und Unabhängigkeit) von einer Organisationseinheit, einem Mitarbeiter oder einem Geschäftsleiter wahrgenommen werden.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

223 Die Auslagerung in Kontroll- und Kernbankbereichen ist nach den MaRisk allgemein nur in einem Umfang zulässig, der gewährleistet, dass das Institut weiterhin über Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, die eine wirksame Überwachung der Dienstleistungen des Auslagerungsunternehmens gewährleisten, und soweit sichergestellt ist, dass der ordnungsgemäße Betrieb in diesen Bereichen bei Bedarf (im Falle der Beendigung der Auslagerung oder der Änderung der Gruppenstruktur) fortgesetzt werden kann.569) 224 Die Chancen und Risiken der Auslagerung der IT bzw. IKT oder von Aktivitäten mit IT- oder IKT-Bezug gelangen zunehmend in den Fokus – auch aufgrund der zunehmenden Bedeutung der sich in hoher Geschwindigkeit fortentwickelnden IT bzw. IKT und der erhöhten Auslagerungaktivitäten der Marktteilnehmer einschließlich der Anpassung an neue Geschäftsmodelle und Technologien im Kontext von FinTech oder von Cloud-Lösungen.570) Neben allgemeinen Vorgaben für die Auslagerung von Aktivitäten mit IKT-Bezug571) sind spezifische Vorgaben z. B. für die Auslagerung der Funktion des Informationssicherheitsbeauftragten,572) den sonstigen Fremdbezug von IT-Dienstleistungen573) oder die Nutzung von Cloud-Dienstleistungen574) zu beachten. 225 Bei Auslagerung von Aktivitäten und Prozessen betreffend Wertpapierdienstleistungen einschließlich der Wertpapiercompliance-Funktion sind zusätzlich zu § 25b KWG und den MaRisk weitere Vorgaben zu beachten, insbesondere die detaillierten Anforderungen der Artt. 30 ff. Delegierte VO 2017/565, die ein spezifisches Regime für die Auslagerung kritischer und wesentlicher Aufgaben festlegen.575) 226 Gemäß § 25h Abs. 4 KWG dürfen Institute die internen Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder strafbarer Handlungen, die zu einer Gefährdung des Vermögens des Instituts führen können, nach vorheriger Anzeige bei der BaFin (nicht mehr vorheriger Zustimmung) durch einen Dritten durchführen lassen; § 6 Abs. 7 GwG enthält eine entsprechende Regelung für Maßnahmen nach dem

___________ 569) AT 9 Rz. 5 MaRisk 2017. Die Entwurfsfassungen i. R. der MaRisk-Novelle 2017 verlangten insoweit noch „fundierte“ Kenntnisse und Erfahrungen (vgl. MaRisk-E 2016; MaRisk-ZwischenE 2016). Allgemein auf das Proportionalitätsprinzip abstellend: EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/11), Rz. 154. 570) Vgl. EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 2 ff., 37 ff.; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 40; BaFin, Merkblatt, Orientierungshilfe zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter, v. 11/2018. 571) Vgl. EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 12; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 94; EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/GL/ 2019/04), Rz. 7 ff. Vgl. zu den Vorgaben der EBA für den SREP: EBA, Leitlinien für die IKTRisikobewertung im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP), v. 11.9.2017 (EBA/GL/2017/05). 572) Vgl. Abschn. II. 4 Rz. 20 BAIT. 573) S. dazu Fn. 506. 574) EBA, Final Report, Guidelines on outsourcing arrangements, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Background, Rz. 39 ff.; EBA, Leitlinien zu Auslagerungen, v. 25.2.2019 (EBA/GL/2019/02), Rz. 82 f.; EBA, Final Report, Recommendations on outsourcing to cloud service providers, v. 20.12.2017 (EBA/REC/ 2017/03), die nach Inkrafttreten der neuen EBA-Leitlinien durch diese ersetzt werden; BaFin, Merkblatt, Orientierungshilfe zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter, v. 11/2018. 575) Vgl. auch: § 80 Abs. 6 WpHG; AT 9, BT 1.3.4 MaComp; ESMA, Consultation Paper, Guidelines on certain aspects of the MiFID II compliance function requirements, v. 15.7.2019 (ESMA35-43-2019), Annex III, Rz. 79 ff.; ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Compliance-Funktion, v. 25.6.2012 (ESMA/2012/388), Rz. 72 ff. Vgl. außerdem: Art. 2 Abs. 3 und Art. 4 Delegierte VO (EU) 2017/589 der Kommission v. 19.7.2016 – Organisatorische Anforderungen bei Betreiben algorithmischen Handels, ABl. (EU) L 87/417 v. 31.3.2017.

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V. Prüfung, Überwachung, Eingriffe und Sanktionen

§ 11

GwG.576) Die BaFin kann die Rückübertragung verlangen (§ 25h Abs. 4 KWG) bzw. die Übertragung untersagen (§ 6 Abs. 7 GwG). Für die „Know-your-customer“-Pflichten nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 GwG bestehen 227 besondere Vorgaben in § 17 GwG. Die Regelung unterscheidet zwischen dem Rückgriff auf Dritte ohne gesonderte Auslagerungsvereinbarung und der vertraglichen Auslagerung an andere geeignete Personen und Unternehmen.577) Insoweit stellt sich die Frage, ob und inwieweit die nicht von § 17 GwG erfasste578) kontinuierliche Überwachung sowie die verstärkten Sorgfaltspflichten nach § 6 Abs. 7 GwG ausgelagert werden dürfen.579) V.

Prüfung, Überwachung, Eingriffe und Sanktionen

Hinsichtlich der externen Prüfung und Überwachung sowie der Eingriffsmaßnahmen und 228 Sanktionen kann nur ein kurzer Überblick gegeben werden (siehe dazu § 2 [Glos/Benzing] und § 13 [Glos]). Extern geprüft wird die Einhaltung der organisatorischen Vorgaben zunächst durch die 229 Prüfer. Deren Prüfung bezieht sich nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a und Abs. 2 KWG u. a. auf § 25a Abs. 1 Satz 3 und Satz 6 Nr. 1 und Abs. 3, § 25b, § 25c Abs. 2 bis 4b, § 25d Abs. 3 bis 12 und § 25h bis § 25m KWG sowie das GwG.580) Die BaFin kann Bestimmungen über den Inhalt der Prüfung treffen, insbesondere Prüfungsschwerpunkte festlegen (§ 30 KWG).581) Die Prüfer orientieren sich i. R. ihrer Prüfung an den einschlägigen Prüfungsstandards und den Vorgaben der Aufsichtsbehörden, wie den MaRisk. Darüber hinaus wird die Einhaltung der Anforderungen von der i. R. des SSM582) jeweils 230 zuständigen Aufsichtsbehörde regelmäßig und anlassbezogen geprüft und überwacht.583) § 6b KWG legt Einzelheiten für die aufsichtliche Überprüfung und Beurteilung fest. 231 Nach dort näher geregelter Maßgabe beurteilt die Aufsichtsbehörde die Regelungen, Stra___________ 576) Die BaFin verlangt, dass bei Auslagerung der Funktion des Geldwäschebeauftragten im Unternehmen ein Ansprechpartner für Fragen im Zusammenhang mit der ausgelagerten Funktion verfügbar und sichergestellt ist und dass das zuständige Mitglied der Leitungsebene (§ 4 Abs. 3 GwG) direkt beim Dienstleister Auskünfte einholen kann. Außerdem stellt nach ihrer Ansicht auch die Wahrnehmung von Aufgaben durch eine ausländische Muttergesellschaft oder Hauptniederlassung eine Auslagerung dar (BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.2). Nach Ansicht der BaFin muss die Anzeige mindestens zwei Wochen vor dem Beginn der geplanten Auslagerung eingereicht werden (BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.10). 577) Vgl. BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. III.8. Das in der Konsultationsfassung vorgesehene Verbot einer Weiterverlagerung bei Rückgriff auf Dritte gemäß § 17 Abs. 1 bis 4 GwG (BaFin, Konsultation 5/2018, Entwurf: Auslegungs- und Anwendungshinweise gemäß § 51 Abs. 8 Geldwäschegesetz, v. 15.3.2018, Abschn. III.8.3), ist in der finalen Fassung nicht enthalten (BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. III.8.3). Vgl. auch die Änderung im Zuge der Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie: Gesetz zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2602 ff., 2610. 578) BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. III.8. 579) Insoweit ist zu beachten, dass die BaFin davon spricht, dass neben den in § 6 Abs. 2 GwG beispielhaft genannten internen Sicherungsmaßnahmen auch sämtliche anderen internen Sicherungsmaßnahmen auslagerungsfähig sind, einschließlich des EDV-Monitorings nach § 25h Abs. 2 KWG (BaFin, Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz, v. 12/2018, Abschn. II.3.10). 580) Einzelheiten sind in der PrüfbV geregelt. Daneben bestehen Vorgaben außerhalb des KWG; vgl. z. B. § 89 WpHG i. V. m. der WpDPV. 581) Unberührt bleiben eigene Prüfungsbefugnisse der Aufsichtsbehörde, vgl. Begr. RegE BankenRLUmsG, BT-Drucks. 16/1335, S. 64; missverständlich: Luz/Neus/Schaber/u. a.-Hellstern, KWG und CRR, § 25a Abs. 1 – 4 KWG Rz. 61. 582) S. dazu: Fn. 9 und § 2 [Glos/Benzing]. 583) Vgl. zur Aufsicht betreffend Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung auch: Rz. 137.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

tegien, Verfahren und Prozesse, die das Institut zur Einhaltung der aufsichtlichen Anforderungen geschaffen hat, die Risiken, denen es ausgesetzt ist oder sein könnte, und die Risiken, die es für das Finanzsystem darstellt. Anhand der Überprüfung und Beurteilung bewertet sie zusammenfassend und zukunftsgerichtet, ob die geschaffenen Regelungen, Strategien, Verfahren und Prozesse und die Liquiditäts- und Eigenmittelausstattung ein angemessenes und wirksames Risikomanagement und eine solide Risikoabdeckung gewährleisten, wobei sie die in § 6b Abs. 2 KWG vorgesehenen Mindestanforderungen berücksichtigt.584) 232 Die EBA hat den Aufsichtsbehörden in ihren SREP-Leitlinien wesentliche Vorgaben zur Ausgestaltung des aufsichtlichen Überprüfungs- und Beurteilungsprozesses gemacht.585) Danach sind Umfang, Häufigkeit und Intensität der Aufsichtstätigkeit und des aufsichtlichen Dialogs sowie die erwartete Einhaltung der Standards am Proportionalitätsprinzip, insbesondere an der (regelmäßig zu überprüfenden) Kategorisierung der Institute nach ihrer Größe, Struktur und internen Organisation bzw. nach Art, Umfang und Komplexität ihrer Geschäfte auszurichten.586) Gefordert werden eine Überwachung von Schlüsselindikatoren, eine Prüfung und Bewertung der SREP-Elemente (Geschäftsmodell, interne Governance und institutsweite Kontrollen, Kapital-, Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken sowie Angemessenheit der Eigenmittel- und Liquiditätsausstattung) und eine SREPGesamtbewertung.587) Auf Basis der Bewertungen sind ggf. Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen, ist also z. B. eine Verringerung von Risiken oder eine Anpassung von Strukturen, Geschäftsmodellen, Strategien, Prozessen, Verfahren, Ressourcen, internen Kontrollen, internen Regelungen etc. zu verlangen oder sind quantitative Kapital- oder Liquiditätssowie ggf. Frühinterventionsmaßnahmen zu ergreifen.588) 233 Der BaFin stehen i. R. ihrer Zuständigkeit nach dem KWG verschiedene Ermächtigungsgrundlagen für die Durchführung von Prüfungen und für Eingriffe und Sanktionen ___________ 584) Vgl. auch die zugrunde liegenden Vorgaben in Artt. 97 ff. CRD, die durch die CRD V geändert werden; es bleibt abzuwarten, wie der deutsche Gesetzgeber diese Änderungen umsetzen wird. Nach der bestehenden Rechtslage kann die Aufsichtsbehörde ein Institut aufsichtlichen Stresstests unterziehen (§ 6b Abs. 3 KWG). Die Häufigkeit und Intensität der Überprüfungen, Beurteilungen und ggf. Stresstests ist unter Berücksichtigung von Größe und Systemrelevanz sowie von Art, Umfang und Komplexität der Geschäfte des Instituts zu bestimmen, wobei die Überprüfungen und Beurteilungen mindestens jährlich aktualisiert werden (§ 6b Abs. 4 KWG). 585) Vgl. EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 9 ff. Ausführlich zu den Vorgaben der EBA: Laufenberg/Petersen in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 361 ff. Vgl. für die zur Verfügung zu stellenden Informationen: EBA, Leitlinien zu für SREP erhobene ICAAP- und ILAAP-Informationen, v. 10.2.2017 (EBA/GL/2016/10). Die EBA ergänzt ihre allgemeinen SREP-Leitlinien um SREP-Leitlinien zu Einzelfragen, vgl. z. B.: EBA, Leitlinien für die IKT-Risikobewertung im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP), v. 11.9.2017 (EBA/GL/2017/05). 586) Vgl. zum Proportionalitätsprinzip und zum Grundsatz des Mindestmaßes der Überwachung: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 36 ff., vgl. zur Kategorisierung dort Rz. 10 ff. 587) Vgl. hierzu: EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), und zwar zur Überwachung der Schlüsselindikatoren: Rz. 44 ff.; zur Geschäftsmodellanalyse: Rz. 54 ff.; zur Bewertung der internen Governance und institutsweiten Kontrollen: Rz. 88 ff.; zu Kapitalrisiken: Rz. 113 ff.; zur Angemessenheit der Eigenmittel und Bestimmung zusätzlicher Eigenmittel: Rz. 342 ff.; zu Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken: Rz. 370 ff.; zur SREP-Gesamtbewertung: Rz. 456, 460 ff. Die Bewertung der Angemessenheit der Kapital- und Liquiditätsausstattung ist regelmäßig (alle zwölf Monate bis drei Jahre oder häufiger unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit) durchzuführen und anlassbezogen zu überprüfen (vgl. EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 16 f.). 588) Vgl. EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 456 ff. und zwar zu Kapitalmaßnahmen: Rz. 465 f.; zu Liquiditätsmaßnahmen: Rz. 467 f.; zu anderen Aufsichtsmaßnahmen: Rz. 469 ff.

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V. Prüfung, Überwachung, Eingriffe und Sanktionen

§ 11

zur Verfügung.589) Sie kann u. a. formell um Auskunft ersuchen, Sonderprüfungen anordnen oder Vertreter in die Sitzungen des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans entsenden (§ 44 KWG).590) Des Weiteren kann sie alle geeigneten und erforderlichen Anordnungen treffen, um die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation i. S. des § 25a Abs. 1 Satz 3 und 6 KWG sicherzustellen (§ 25a Abs. 2 Satz 2 KWG) oder um Beeinträchtigungen ihrer Prüfungsrechte und Kontrollmöglichkeiten bei Auslagerungen zu beseitigen (§ 25b Abs. 4 Satz 1 KWG).591) Sie kann auch anordnen, dass geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um festgestellte Mängel bei den nach § 25c Abs. 4a und 4b KWG erforderlichen Strategien, Prozessen, Verfahren, Funktionen und Konzepten innerhalb einer angemessenen Frist zu beseitigen (§ 25c Abs. 4c KWG). Auch die Anordnung erhöhter Eigenmittel- oder Liquiditätsanforderungen ist möglich (§ 10 Abs. 3 bzw. § 11 Abs. 2 KWG). Des Weiteren kann die BaFin die Ermächtigungsgrundlagen nach §§ 45 ff. KWG nutzen, z. B. Maßnahmen bei organisatorischen Mängeln nach § 45b KWG ergreifen oder Sonderbeauftragte nach § 45c KWG ernennen. Sie kann Geschäftsleiter bzw. Mitglieder des Verwaltungsoder Aufsichtsorgans nach Maßgabe des § 36 KWG verwarnen, ihre Abberufung verlangen oder ihnen die Ausübung der Tätigkeit untersagen.592) Auch kann sie, je nach Aufgabenverteilung im SSM, die Erlaubniserteilung ablehnen, der EZB die Aufhebung der Erlaubnis vorschlagen593) oder selbst die Erlaubnis aufheben (vgl. §§ 33, 35 KWG, Art. 4 Abs. 1 lit. a, Art. 6, 14 SSM-VO594), Artt. 80 ff. SSM-RahmenVO). Sie kann auch die jeweils als „Minus“ enthaltenen weniger intensiven Maßnahmen treffen. Die EZB kann i. R. ihrer Zuständigkeit von den Ermächtigungsgrundlagen in Artt. 9 ff. 234 SSM-VO (etwa derjenigen zur Durchführung von Prüfungen vor Ort nach Art. 12 SSMVO)595) und insbesondere von den umfangreichen Befugnissen des Art. 16 SSM-VO

___________ 589) Neben den im Text genannten sind diverse weitere Ermächtigungsgrundlagen im KWG (z. B. in § 25a Abs. 2 Satz 1, § 25h Abs. 5 oder § 6 Abs. 3 KWG), im GwG, im WpHG, im FinDAG und weiteren Gesetzen vorgesehen. Unter Reputationsgesichtspunkten schwerwiegend ist die Bekanntmachung von Maßnahmen und Sanktionen (naming and shaming); vgl. §§ 60b ff. KWG, §§ 123 ff. WpHG. 590) Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 KWG können Sonderprüfungen auch bei Unternehmen durchgeführt werden, auf die ein Institut oder übergeordnetes Unternehmen wesentliche Bereiche i. S. des § 25b KWG ausgelagert hat. 591) Z. B. kann sie eine Ergänzung des Auslagerungsvertrags verlangen oder, soweit verhältnismäßig, die Übertragung auf einen anderen geeigneten Dienstleister oder die Reintegration (vgl. Begr. RegE BankenRLUmsG, BT-Drucks. 16/1335, S. 63; CEBS, Guidelines on Outsourcing, v. 14.12.2006, S. 5; Bergmann, Funktionsauslagerung bei Kreditinstituten, S. 176 f.). Über die unberührt bleibende (§ 25b Abs. 4 Satz 2 KWG) Befugnis nach § 25a Abs. 2 Satz 2 KWG kann ggf. angeordnet werden, die, für sich genommen ordnungsgemäßen, aber in der Summe problematischen Auslagerungen zu reduzieren (vgl. EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 488). 592) Vgl. auch: Art. 91 Abs. 1 Satz 3, 4 CRD i. d. F. der CRD V, wonach die zuständigen Behörden zur Abberufung der Mitglieder des Leitungsorgans befugt sind, wenn diese die relevanten Anforderungen nicht erfüllen, wobei die Behörden insb. prüfen, ob die Anforderungen weiterhin erfüllt sind, wenn der begründete Verdacht besteht, dass im Zusammenhang mit diesem Institut Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung stattfinden, stattgefunden haben oder diese Straftaten versucht wurden oder dass ein erhöhtes Risiko hierfür besteht. Darüber hinaus kann bei bestimmten Verstößen auch hierfür verantwortlichen Nicht-Geschäftsleitern vorübergehend oder dauerhaft eine künftige Tätigkeit als Geschäftsleiter untersagt werden (vgl. § 36a Abs. 1 KWG). Auch können Aufgaben und Befugnisse auf einen Sonderbeauftragten übertragen (§ 45c Abs. 2 KWG) bzw. Maßnahmen nach §§ 36 ff. SAG ergriffen werden. 593) Vgl. zur Frage des Entzugs der Erlaubnis auch: Berger, WM 2016, 2361, 2366 ff. 594) Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013. 595) Vgl. auch: EZB, Leitfaden für Vor-Ort-Prüfungen und Prüfungen interner Modelle, v. 9/2018.

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§ 11

Organisatorische Anforderungen

Gebrauch machen. Außerdem stehen ihr nach dem KWG Befugnisse zu.596) Weiterhin kann sie im gesetzlich vorgegebenen Rahmen die BaFin durch Anweisung auffordern, von ihren Befugnissen in den Fällen Gebrauch zu machen, in denen die SSM-VO ihr die entsprechenden Befugnisse nicht übertragen hat (Art. 9 Abs. 1 Satz 5 SSM-VO). Sie kann von der BaFin verlangen, Verfahren im Hinblick auf die Verhängung geeigneter Sanktionen einzuleiten (Art. 18 Abs. 5 SSM-VO) bzw. sie bei der Vorbereitung und Durchführung zu unterstützen (Art. 6 Abs. 3 SSM-VO). 235 Besonders praxisrelevant ist für die BaFin und die EZB, je nach Schwere und Folgen des Verstoßes, informelles Verwaltungshandeln, etwa eine formlose Belehrung oder Missbilligung etc. Durch informelles Verwaltungshandeln können Mängel oft schnell und diskret beseitigt werden und Verwarnungen, Androhungen oder andere formelle Maßnahmen bleiben entbehrlich.597) Auch die Sanierungsplanung (vgl. §§ 12 ff. SAG; siehe § 15 [Cichy]) wird von den Behörden für Einflussnahmen auf die Organisation genutzt. 236 Eine Ordnungswidrigkeit stellen Verstöße gegen § 25a bis § 25d KWG grundsätzlich nur dann dar, wenn einer vollziehbaren Anordnung der BaFin zuwidergehandelt wird, z. B. wenn vorsätzlich oder fahrlässig einer vollziehbaren Anordnung nach § 25a Abs. 2 Satz 2 oder § 25b Abs. 4 Satz 1 KWG zuwidergehandelt wird (§ 56 Abs. 2 Nr. 3 lit. f und g KWG).598) Strafbar ist, wer vorsätzlich entgegen § 25c Abs. 4a oder Abs. 4b Satz 2 KWG nicht dafür Sorge trägt, dass ein Institut oder eine relevante Gruppe über eine relevante Strategie oder Funktion oder einen relevanten Prozess oder ein relevantes Verfahren oder Konzept verfügt, und hierdurch vorsätzlich oder fahrlässig eine Bestandsgefährdung des Instituts, des übergeordneten Unternehmens oder eines gruppenangehörigen Instituts herbeiführt, soweit die BaFin dem Täter durch Anordnung nach § 25c Abs. 4c KWG die Beseitigung des Verstoßes aufgegeben hat, der Täter dieser vollziehbaren Anordnung zuwiderhandelt und hierdurch die Bestandsgefährdung herbeigeführt hat (§ 54a KWG).599) 237 Zwischen den einzelnen behördlichen Maßnahmen besteht grundsätzlich kein Rangbzw. Stufenverhältnis.600) Allerdings ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Auch sind Eingriffe wegen Verstößen gegen nicht-gesetzliche Vorgaben (etwa die MaRisk oder Leitlinien der EBA) nur gerechtfertigt, wenn sich die Vorgaben (hinrei-

___________ 596) Der EZB stehen nach dem KWG i. R. ihrer Zuständigkeit die der „Aufsichtsbehörde“ eingeräumten Ermächtigungen zur Verfügung (vgl. § 1 Abs. 5 Nr. 1 KWG). Ob ihr auch nach dem Wortlaut nur der BaFin zugewiesene Ermächtigungsgrundlagen zur Verfügung stehen bzw. wie Art. 9 Abs. 1 Satz 3 SSM-VO zu verstehen ist, kann hier nicht geklärt werden. 597) Vgl. dazu auch: Ludwig, Branchenspezifische Wirtschaftsaufsicht und Corporate Governance, S. 286 f. 598) Dies gilt indes nicht für die Verletzung sonstiger organisatorischer Anforderungen des KWG (z. B. des § 25h KWG) und anderer Gesetze. Ferner stellt es seit Anfang 2018 nach § 56 Abs. 4h Nr. 5 bzw. 6 KWG eine Ordnungswidrigkeit dar, wenn Geschäftsleiter ihren Aufgaben vorsätzlich oder leichtfertig entgegen § 25c Abs. 1 Satz 1 KWG nicht ausreichend Zeit widmen bzw. entgegen § 25c Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 25c Abs. 1 Satz 3, 4 und 5 KWG eine zu hohe Anzahl an Leitungs- oder Aufsichtsmandaten innehaben (wobei letzterer Verweis sich auf § 25c Abs. 2 Satz 3, 4 und 5 KWG beziehen müsste). Hinsichtlich der EZB ist Art. 18 SSM-VO zu beachten. 599) Streitig ist, ob die Anordnung an den Täter adressiert sein muss (so zu Recht: Altenhain in: Paetzmann/ Schöning, Corporate Governance, S. 237, 251; Cichy/Cziupka/Wiersch, NZG 2013, 846, 848) oder eine Adressierung an die gesamte Geschäftsleitung (Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/ CRR-VO, § 54a KWG Rz. 20) oder jede Kenntniserlangung ausreicht (Schwennicke/AuerbachSchwennicke, KWG, § 25c Rz. 82). 600) Vgl. zum KWG: VGH Kassel, Urt. v. 31.5.2006 – 6 UE 3256/05, WM 2007, 392, 394 f.; Schwennicke/ Auerbach-Langen, KWG, § 25a Rz. 168; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 25a KWG Rz. 738; Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 239.

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VI. Ausblick

chend) aus der gesetzlichen Regelung selbst ergeben.601) Insbesondere bei ordnungswidrigkeiten- und strafrechtlicher Implikation, aber auch in sonstigen Fällen, stellt sich insoweit die Frage nach der Einhaltung des Bestimmtheitsgebots, des Gesetzesvorbehalts und sonstiger rechtsstaatlicher Anforderungen.602) VI.

Ausblick

Die organisatorischen Anforderungen, die dahinter stehenden Konzepte und Kriterien 238 sowie deren Bewertung durch die Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden sind und bleiben im Fluss, auch durch fortlaufende Änderung der rechtlichen Vorgaben, deren Einhaltung auch durch eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation sicherzustellen ist. Unter anderem bleibt die für das Jahr 2020 geplante MaRisk-Novelle abzuwarten. In den letzten Jahren haben z. B. die mit den Aufsichtsbehörden im Kontext des 239 BREXIT diskutierten Fragen nach der jeweils erforderlichen „Substanz“, nach Möglichkeiten von Doppelfunktionen (Dual-Hatting) etc. die Sichtweise der Aufsichtsbehörden auf die organisatorischen Anforderungen und das Risikomanagement geschärft und die dahingehenden Vorgaben wesentlich beeinflusst. Diese Entwicklungen sind noch nicht abgeschlossen und weitere werden folgen, z. B. im Zuge der zunehmenden Fokussierung auf Implikationen der IKT aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung und digitalen Vernetzung. Besonders wesentlich sind die zukünftigen zusätzlichen Anforderungen an Finanzdienstleistungsinstitute und die mit der Qualifizierung der größten Finanzdienstleistungsinstitute als Kreditinstitute einhergehende Beaufsichtigung dieser Institute durch die EZB i. R. der Aufgabenverteilung zwischen der EZB und der BaFin innerhalb des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus. Auch sozialpolitische Entwicklungen erlangen eine zunehmend wichtigere Bedeutung. Insbesondere werden Nachhaltigkeitsthemen (Stichwort: Environmental, Social and Governance – ESG) wesentliche Auswirkungen auf die Strategien, die Geschäftsorganisation und das Risikomanagement haben. Insoweit sind allerdings noch Fragen offen, z. B. in welchen Bereichen und in welchem Umfang konkrete verpflichtende Anforderungen (qualitativer oder sogar quantiativer Art) gestellt werden, die den Umfang der Einschätzungsprärogative der Unternehmen begrenzen. Des Weiteren könnten auch die derzeit im angelsächsischen Raum geführten Diskussionen um die betriebliche Systemstabilität (Operational Resilience) einschließlich der von den Unternehmen dahingehend geforderten Festlegung von Toleranzschwellen Auswirkungen zeitigen. Die fortlaufend aufwändigere und komplexere Gewährleistung der Einhaltung der organisatorischen Anforderungen bindet erhebliche Ressourcen der Unternehmen, die insoweit überprüfen müssen, ob sie ihre geschäftlichen Aktivitäten bzw. Strategien anpassen. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass die Unternehmen gegenwärtig einen besonderen Fokus auf quantitative Vorgaben legen müssen. Die Diskussionen über Erleichterungen für kleine und mittlere Institute unter Verhält- 240 nismäßigkeitsgesichtspunkten (etwa unter dem Stichwort „Small Banking Box“) haben für diese Unternehmen bereits zu Erleichterungen geführt und könnten zu weiteren Entlastungen führen. Naturgemäß sind die Positionen auf europäischer und internationaler ___________ 601) Vgl. auch: Reischauer/Kleinhans-Albert, KWG, § 25c Rz. 239; Reischauer/Kleinhans-Baudisch/Bitterwolf, KWG, § 25a Rz. 5, 8a, Anh. 1 zu § 25a KWG Anm. 2 zu AT 1 Rz. 1 MaRisk 2017. 602) Es ist z. B. streitig, ob § 54a KWG i. V. m. den in Bezug genommenen Regelungen den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes genügt. Dies bejahend: Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/ CRR-VO, § 54a KWG Rz. 6; Schröder, WM 2014, 100, 103; i. E. wohl auch: Wastl, WM 2013, 1401, 1406. Dies verneinend: Ahlbrecht, BKR 2014, 98, 99 ff.; Reischauer/Kleinhans-Brogl, KWG, § 25c Rz. 1, 7.

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Ebene durch die jeweilige Bankenlandschaft geprägt. Die deutsche Aufsicht hebt dabei die Bedeutung des Proportionalitätsprinzips hervor. 241 Technische Entwicklungen und darauf gestützte alternative Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten, etwa FinTech und RegTech, werden das Umfeld wesentlich prägen, einschließlich der Frage, ob die organisatorischen Vorgaben ein Markteintrittshindernis darstellen sowie ob und inwieweit eine unterschiedliche Behandlung der einzelnen Marktteilnehmer erforderlich ist. Gleichfalls bleibt ein zunehmender Einfluss von BigTechs auf das Marktumfeld abzuwarten.

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Übersicht I. 1. 2.

Überblick...................................................... 1 Einführung.................................................... 1 Entwicklung der Vergütungsregeln im Überblick .................................................... 11 a) Europäische Vergütungsregulierung ...................................................... 12 b) Deutsche Vergütungsregulierung ...... 21 c) Verhaltensbezogene Vergütungsregeln mit Fokus auf Kundenschutz................................................... 27 d) Vergütungsregeln für andere Sektoren der Finanzbranche............... 30 II. Institutsvergütungsverordnung.............. 32 1. Grundlagen, Auslegung und zeitliche Anwendung ................................................ 32 2. Anwendungsbereich, Zuständigkeit und Verfahren............................................. 36 a) Anwendungsbereich (§§ 1 und 2 InstitutsVergV) ................................... 36 aa) Institute ........................................ 36 bb) Vergütung..................................... 40 cc) Mitarbeiter.................................... 44 b) Verantwortlichkeiten und Entscheidungsbefugnisse.......................... 48 aa) Leitungsorgan............................... 49 bb) Funktionen unterhalb des Leitungsorgans ............................. 53 cc) Anteilseigner ................................ 56 c) Verfahren ............................................. 57 aa) Jährliche Überprüfung und Anpassung .................................... 57 bb) Organisationsrichtlinien, Dokumentation und interne Transparenz .................................. 60 3. Allgemeine materielle Anforderungen an die Vergütungssysteme ......................... 63 a) Ausrichtung an den Geschäftsund Risikostrategien ........................... 64 b) Angemessenheit der Vergütungssysteme ................................................ 66 aa) Differenzierte Anforderungen nach Mitarbeitergruppen ............. 66 bb) Verhältnis von variabler zu fixer Vergütung ............................ 71

c) Besondere Vergütungskomponenten ...................................... 76 aa) Garantierte variable Vergütung ..... 76 bb) Abfindungen................................. 78 cc) Halteprämien................................ 81 d) Umgehungsverbot .............................. 83 4. Besondere materielle Anforderungen an die Vergütungssysteme ......................... 85 a) Anwendungsbereich............................ 85 aa) Bedeutende Institute.................... 86 bb) Risikoträger .................................. 90 cc) Freigrenze..................................... 97 b) Risikoorientierung der Vergütung („Risikoausrichtungsprozess“) .......... 98 aa) Ex-ante-Risikoadjustierung....... 106 bb) Ex-post-Risikoadjustierung....... 112 (1) Zurückbehaltung eines Anteils der variablen Vergütung ............ 115 (2) Vergütung in Form von Aktien und sonstigen Instrumenten ..... 119 (3) Explizite Ex-postRisikoadjustierung: Malus und Clawback .................................... 124 5. Bonuspool und Erdienung zurückbehaltender Vergütung („§ 7-Prüfung“) .... 129 a) Festsetzung des Bonuspools ............ 129 b) Verteilung des Bonuspools............... 135 c) Erdienung zurückbehaltener Vergütungsbestandteile .......................... 136 6. Gruppenweite Regelung der Vergütung ........................................................... 137 a) Grundlagen und Gruppenbegriff ..... 137 b) Materielle Anforderungen ................ 139 aa) Gruppenweite Vergütungsstrategie....................................... 139 bb) Ermittlung von GruppenRisikoträgern .............................. 143 cc) Zentrale Aufgabenerfüllung und Offenlegung ........................ 145 7. Offenlegung und Kontrolle..................... 148 a) Offenlegung ...................................... 148 b) Prüfung und Kontrolle ..................... 157 aa) Prüfung durch die Aufsicht....... 157 bb) Abschlussprüfung ...................... 161 III. Bewertung und Ausblick ....................... 162

Literatur: Annuß, Abfindungsvereinbarungen unter der Institutsvergütungsverordnung, BKR 2016, 102; Annuß/Sammet, Anforderungen an Vergütungssysteme in Versicherungsunternehmen, BB 2011, 115; Annuß/Sappa, Die Institutsvergütungsverordnung 2017, BB 2017, 2612; Armbrüster, Neue Vorgaben zur Managervergütung im Versicherungssektor, VersR 2011, 1; Binder, Anforderungen an die

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interne Corporate Governance der Institute, in: Grieser/Heemann, Europäisches Bankaufsichtsrecht, 2016, S. 423; Bebchuk/Spamann, Regulating Bankers’ Pay, The Georgetown Law Journal 98 (2010), 247; Botterweck/Jaeger/Steinbrecher, Vergütungssysteme: Prüfungskampagne – Qualitätsmängel bei allen Institute, BaFin-Journal 2/2014, 8; Buscher, Die neue Instituts-Vergütungsverordnung, BaFinJournal 1/2011, 13; Christoffer, Der Vergütungsbeauftragte in bedeutenden Instituten – eine Bestandsaufnahme, BKR 2015, 14; Cuomo, No rhyme or reason: The „Heads I Win, Tails You Lose“ Bank Bonus Culture, Study v. 30.7.2009; Devey/Grau/Ziefle, Bankenvergütung und Brexit – Moving to Germany, NZA 2019, 358; Diekmann, „Say on Pay“ – Wesentliche Änderungen bei der Vergütung von Vorständen und Aufsichtsräten aufgrund der geänderten Aktionärsrechterichtlinie, WM 2018, 796; Döser, Neue Vergütungsregulierung von Wertpapierfirmen nach der Investment Firm Directive/Regulation (IFD/IFR), jurisPR-BKR 11/2018 Anm. 1; Döser, Neue aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Vergütungssysteme von Mitarbeitern im Kredit- und Zahlungsverkehrsgeschäft mit Verbrauchern, jurisPR-BKR 3/2016 Anm. 1; Dreher/Gerigk, Das ausgewogene Verhältnis fester und variabler Vergütungsbestandteile nach Art. 275 Abs. 2 lit. a Solvabilität-II-VO, WM 2018, 1433; Engert, Die Regulierung der Vergütung von Fondsmanagern – zum Umgang mit Copy-paste-Gesetzgebung nach der Finanzkrise, ZBB 2014, 108; Faber/v. Werder, Nicht-finanzielle Ziele als Element nachhaltiger Vorstandsvergütung, AG 2014, 608; Ferran, New Regulation of Renumeration in the Financial Sector in the EU, ECFR 2012, 1; Ferrarini/Ungureanu, Bankers’ Pay after the 2008 Crisis: Regulatory Reforms in the US and the EU, ZBB 2011, 418; Fischbach, Rechtsfragen zur Novelle der InstitutsVergütungsverordnung unter Berücksichtigung der BaFin-Auslegungshilfe, WM 2018, 1491; Freihube/ Christoffer, Die neue Institutsvergütungsverordnung, DB 2018, 827; Gruber/Baier, Vergütungen nach der IDD, VersR 2018, 1093; Habersack, Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung – Grundsatz- und Anwendungsfragen im Lichte der Aktionärsrechterichtlinie, NZG 2018, 127; Herz, Aufsichtsrechtliche Vorgaben für die Vergütung der Geschäftsleiter von Banken und Finanzdienstleistern, NZG 2018, 1050; Herz, Aufsichtsrechtlicher Anpassungsbedarf bei Auslagerungsverträgen von Banken und Finanzdienstleister, BKR 2020, 61; Heuchemer/Kloft, Neue Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten, WM 2010, 2241; Hinrichs/Tacou, Institutsvergütungsverordnung 3.0 – Vergütungssysteme re-modified, BKR 2018, 313; Kruchen, Die Auslegungsentscheidung der BaFin zu Aspekten der Vergütung im Rahmen des Art. 275 Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 – Würdigung und Gedanken zur Lückenschließung, VersR 2017, 198; Insam/ Heisterhagen/Hinrichs, Neue Vergütungsregelungen für Manager von Kapitalverwaltungsgesellschaften: Variable Vergütung (to be) reloaded, DStR 2014, 913; Insam/Hinrichs/Hörtz, InstitutsVergV 2014: Alte und neue Fallstricke in der Ausgestaltung der Vergütung von Kredit- und Finanzdienstleistungsunternehmen, WM 2014, 1415; Johnson, Der Clawback – ein arbeitsrechtlicher Problemfall, CCZ 2018, 9; Klebeck/Boxberger, OGAW-Vergütungsregulierung, GWR 2014, 253; Klein/Wilkens, Der Vergütungsbeauftragte im Spannungsfeld von Vergütungspraxis und regulatorischem Anspruch, Kreditwesen 2016, 594; Knab-Hägele/Roth, Neue Vergütungsregeln im Check, die bank 11/2015, 68; Lackhoff/Kulenkamp, Neue Vorgaben des KWG für das Verhältnis von variabler und fixer Vergütung bei Kreditinstituten (§ 25a Abs. 5 KWG), AG 2014, 770; Langen/Schielke/Zöll, Schluss mit Boni? Vergütung in Instituten nach der MaRisk-Novelle, BB 2009, 2479; Leßmann/Hopfe, Neue Regeln für Vergütungssysteme in Finanzinstituten – Die Rundschreiben der BaFin vom 21.12.2009, DB 2010, 54; Löw, Zielvereinbarung, Zielerreichung und Bonusbudget – aktuelle Rechtsfragen der variablen Vergütung, DB 2017, 1904; Löw, Rückforderung ausgezahlter Vergütung – Ausgestaltung und Durchsetzbarkeit von Clawback-Regelungen in Deutschland und Großbritannien, NZA 2017, 1365; Löw/ Glück, Sound Remuneration Policies – Die neuen EBA-Guidelines und ihre Konsequenzen für die Vergütungssysteme bei Banken, BKR 2016, 265; Löw/Glück, Vergütung bei Banken im Spannungsfeld von Arbeits- und Aufsichtsrecht, NZA 2015, 137; Louven/Ingwersen, Wie nachhaltig muss die Vorstandsvergütung sein?, BB 2013, 1219; Merkelbach, Neue Vergütungsregeln für Banken – Institutsvergütungsverordnung 2.0, WM 2014, 1990; Müller-Bonanni/Jenner, Lockerung des Kündigungsschutzes – Risikoträger leben künftig noch gefährlicher, die bank 3/2019, 64; Müller-Bonanni/ Mehrens, Neue Vergütungsregeln für Banken – Entwurf der Instituts-Vergütungsordnung, NZA 2010, 792; Murphy, Regulating Banking Bonuses in the European Union: A Case Study in Unintended Consequence, European Financial Management 19 (2013), 631; Riesenfelder/Johler, „Product Oversight and Governance Arrangements“-Leitlinien der EBA, ZFR 8/2016, 410; Röttgen/Kluge, Nachhaltigkeit bei Vorstandsvergütungen, NJW 2013, 900; Rubner/Raible, Die Novelle der Institutsvergütungsverordnung – neue Anforderungen an die Vergütungssysteme der Banken, NZG 2017, 1052; Schirrmacher, Damoklesschwert oder Symbolpolitik? – Die Rückforderung von Bankerboni im Spiegel des Arbeitsrechts, ZBB 2017, 281; Teichler, Insurance Distribution Directive – ein erster Überblick über die zu erwartenden Änderungen, VersR 2016, 1088; Thum, Die Zulässigkeit von ClawBack-Regelungen im Lichte der Institutsvergütungsverordnung, NZA 2017, 1577; Tusch/Schuster/ Herzberg, Die Institutsvergütungsverordnung 3.0, WM 2017, 2289; Velte, „Nachhaltige und langfristige“ Vorstandsvergütung nach dem ARUG II, NZG 2020, 12; Wagner, Nachhaltige Unternehmensentwicklung als Ziel der Vorstandsvergütung, AG 2010, 774; Weber-Rey/Baltzer, Verlautbarungen der EU und der BaFin zur internen Governance von Banken, in: Hopt/Wohlmannstetter, Handbuch Corporate Governance von Banken, 2011, S. 431.

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Vergütung

Verlautbarungen des Financial Stability Board/Financial Stability Forum (FSB/FSF): FSB, Implementing the FSB Principles for Sound Compensation Practices and their Implementation Standards, Sixth progress report, v. 17.6.2019, https://www.fsb.org/2019/06/implementing-the-fsb-principlesfor-sound-compensation-practices-and-their-implementation-standards-sixth-progress-report/; FSB, Recommendations for national supervisors: Reporting on the use of compensation tools to address potential misconduct risk, v. 23.11.2018, https://www.fsb.org/2018/11/recommendations-for-nationalsupervisors-reporting-on-the-use-of-compensation-tools-to-address-potential-misconduct-risk/; FSB, Supplementary Guidance to the FSB Principles and Standards on Sound Compensation Practices – The use of compensation tools to address misconduct risk, v. 9.3.2018, https://www.fsb.org/ 2018/03/supplementary-guidance-to-the-fsb-principles-and-standards-on-sound-compensationpractices-2/; FSB, Implementing the FSB Principles for Sound Compensation Practices and their Implementation Standards – Fifth progress report, v. 4.7.2017, http://www.fsb.org/2017/07/ implementing-the-fsb-principles-for-sound-compensation-practices-and-their-implementationstandards-fifth-progress-report/; FSB, Guidance on Supervisory Interaction with Financial Institutions on Risk Culture – A Framework for Assessing Risk Culture, v. 7.4.2014, http://www.fsb.org/ 2014/04/140407/; FSB, Principles for an Effective Risk Appetite Framework, v. 18.11.2013, http://www.fsb.org/wp-content/uploads/r_131118.pdf; FSB, Principles for Sound Compensation Practices – Implementation Standards, v. 25.9.2009, http://www.fsb.org/wp-content/uploads/ r_090925c.pdf; FSB, FSF issues recommendations and principles to strengthen financial systems, Pressemitteilung v. 2.4.2009 (Ref. No. 13/2009), http://www.fsb.org/2009/04/financial-stabilityforum-issues-recommendations-and-principles-to-strengthen-financial-systems/; FSF, Principles for Sound Compensation Practices, v. 2.4.2009, http://www.fsb.org/2009/04/principles-for-soundcompensation-practices-2/; FSF, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience, v. 7.4.2008, http://www.fsb.org/wp-content/uploads/r_0804.pdf?page_moved=1; (Abrufdatum jew. 9.6.2020). Verlautbarungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht/Basel Committee on Banking Supervision (BCBS): BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 12/2017, https://www.bis.org/bcbs/ publ/d424.pdf; BCBS, Standards, Pillar 3 disclosure requirements – consolidated and enhanced framework, v. 29.3.2017, http://www.bis.org/bcbs/publ/d400.htm; BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015, http://www.bis.org/bcbs/publ/d328.htm; BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, v. 12/2010, Stand: 6/2011, http://www.bis.org/publ/bcbs189_de.pdf; (Abrufdatum jew. 9.6.2020). Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/ 2034 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 2002/87/EG, 2009/65/EG, 2011/61/EU, 2013/36/EU, 2014/59/EU und 2014/65/EU – Investment Firm Directive (IFD), ABl. (EU) L 314/64 v. 5.12.2019; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2017/828 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.5.2017 zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EU im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre – Aktionärsrechterichtlinie II (ARRL II), ABl. (EU) L 132/1 v. 20.5.2017; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.1.2016 über Versicherungsvertrieb, ABl. (EU) L 26/19 v. 2.2.2016; EP/Rat, Richtlinie 2014/91/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.7.2014 zur Änderung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im Hinblick auf die Aufgaben der Verwahrstelle, die Vergütungspolitik und Sanktionen – OGAW V-Richtlinie, ABl. (EU) L 257/186 v. 28.8.2014; EP/Rat, Richtlinie 2014/65/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID II), ABl. (EU) L 173/349 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/ 35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/ 2012 des Europäischen Parlaments und des Rates – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG – Capital Requirements Directive

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Vergütung

(CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013; EP/Rat, Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 8.6.2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010 – AIFM-Richtlinie, ABl. (EU) L 174/1 v. 1.7.2011; EP/Rat, Richtlinie 2010/76/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG im Hinblick auf die Eigenkapitalanforderungen für Handelsbuch und Weiterverbriefungen und im Hinblick auf die aufsichtliche Überprüfung der Vergütungspolitik – Capital Requirements Directive (CRD III), ABl. (EU) L 329/3 v. 14.12.2010; EP/Rat, Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit – Solvabilität II, ABl. (EU) L 335/1 v. 17.12.2009; EP/Rat, Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID I), ABl. (EU) L 145/1 v. 30.4.3004. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1093/ 2010, (EU) Nr. 575/2013, (EU) Nr. 600/2014 und (EU) Nr. 806/2014 – Investment Firms Regulation (IFR), ABl. (EU) L 314/1 v. 5.12.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; Rat, Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013. Verlautbarungen und Verordnungen der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 2013/36/EU und 2014/65/EU, v. 20.12.2017, COM(2017) 791 final, https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2017/DE/COM-2017-791F1-DE-MAIN-PART-1.PDF; Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen, v. 23.11.2016, COM(2016) 854 final, https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2016/DE/COM-2016-854F1-DE-MAIN-PART-1.PDF; Kommission, Bericht an das Europäische Parlament und den Rat, Bewertung der Vergütungsbestimmungen der Richtlinie 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 575/ 2013, v. 28.7.2016, COM(2016) 510 final, http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2016/DE/ 1-2016-510-DE-F1-1.PDF; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission v. 25.4.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl. (EU) L 87/1 v. 31.3.2017; Kommission, Delegierten Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission v. 10.10.2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit – Solvabilität II, ABl. (EU) L 12/1 v. 17.1.2015; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) Nr. 527/2014 der Kommission v. 12.3.2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2013/36/EU durch technische Regulierungsstandards zur Bezeichnung der Klassen von Instrumenten, die die Bonität eines Instituts unter der Annahme der Unternehmensfortführung angemessen widerspiegeln und die für eine Verwendung zu Zwecken der variablen Vergütung geeignet sind, ABl. (EU) L 148/21 v. 20.5.2014; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) Nr. 604/2014 der Kommission v. 4.3.2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2013/36/EU durch technische Regulierungsstandards in Bezug auf qualitative und quantitative Kriterien zur Ermittlung der Mitarbeiterkategorien, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil eines Instituts auswirkt, ABl. (EU) L 167/30 v. 6.6.2014; Kommission, Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen ab dem 1.8.2013 zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise – „Bankenmitteilung“, ABl. (EU) C 216/1 v. 30.7.2013; Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 2006/ 48/EG und 2006/49/EG im Hinblick auf die Eigenkapitalanforderungen für Handelsbuch und Weiterverbriefungen und im Hinblick auf die aufsichtliche Überprüfung der Vergütungspolitik, v. 13.7.2009,

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KOM(2009) 362 endg., https://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/pdf/com_2009_362_de_acte_f.pdf; Kommission, Empfehlung 2009/384/EG v. 30.4.2009 zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor, ABl. (EU) L 120/22 v. 15.5.2009; Kommission, Mitteilung zur Begleitung der Empfehlung der Kommission zur Ergänzung der Empfehlungen 2004/913/EG und 2005/162/EG zur Regelung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften und der Empfehlung der Kommission zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor, v. 30.4.2009, KOM(2009) 211 endg., https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX:52009DC0211; Kommission, Mitteilung für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates – Impulse für den Aufschwung in Europa (Teil 1), v. 4.3.2009, KOM(2009) 114 endg., https://eur-lex.europa.eu/legal-content/ DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52009DC0114&from=DE; (Abrufdatum jew. 9.6.2020). Verlautbarungen der European Banking Authority (EBA): EBA, Single Rulebook Q&A, http:// www.eba.europa.eu/single-rule-book-qa; EBA, Überarbeitete Leitlinien zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) sowie für die aufsichtlichen Stresstests, zur Änderung der EBA/GL/ 2014/13 v. 19.12.2014 – Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), https:// eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/2535561/9ad309c8-e45c-469d-b293e11267176bb3/Revised%20Guidelines%20on%20SREP%20%28EBA-GL-2018-03%29_DE.pdf? retry=1; EBA, Final Report, Guidelines on remuneration policies and practices related to the sale and provision of retail banking products and services, v. 28.9.2016 (EBA/GL/2016/06), https:// eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/1596785/ef74f76b-4876-42a5-8cf38bc237a19a7c/Final%20report%20on%20Guidelines%20on%20remuneration%20of%20sales%20st aff%20%28EBA-GL-2016-06%29.pdf; EBA, Review of the application of the principle of proportionality to the remuneration provisions in directive 2013/36/EU, v. 21.11.2016 (EBA-Op-2016-20), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/1667706/f60bdec5-937747c5-ab0c-8fb39f6c29a2/EBA%20Opinion%20on%20the%20application%20of%20the%20principle %20of%20proportionality%20to%20the%20remuneration%20provisions%20in%20Dir%202013 %2036%20EU%20%28EBA-2016-Op-20%29.pdf; EBA, Guidelines compliance table, v. 30.8.2016, Stand: 26.11.2018 (EBA/GL/2015/22 Appendix 1), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/ 1314839/EBA+Guideline+2015+22-Compliance+Table-GLs+on+sound+remuneration+policies.pdf/ 8b8ad3a4-30b6-46c2-a239-28608aeab219; EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik gemäß Art. 74 Abs. 3 und Art. 75 Abs. 2 der Richtlinie 2013/36/EU und Angaben gemäß Art. 450 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22), https://eba.europa.eu/sites/default/ documents/files/documents/10180/1504751/37d22cf6-4757-4232-b4ff-c390e00ce6e7/EBA-GL2015-22%20GLs%20on%20Sound%20Remuneration%20Policies_DE.pdf?retry=1; EBA, Final Report, Guidelines on sound remuneration policies under Articles 74(3) and 75(2) of Directive 2013/36/ EU and disclosures under Article 450 of Regulation (EU) No 575/2013, v. 21.12.2015 (EBA/ GL/2015/22), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/1314839/ 1b0f3f99-f913-461a-b3e9-fa0064b1946b/EBA-GL-2015-22%20Final%20report%20on%20Guidelines%20on%20Sound%20Remuneration%20Policies.pdf?retry=1; EBA, Opinion of the European Banking Authority on the application of the principle of proportionality to the remuneration provisions in Directive 2013/36/EU, v. 21.12.2015 (EBA/Op/2015/25), https://www.eba.europa.eu/ documents/10180/983359/EBA-Op-2015-25+Opinion+on+the+Application+of+Proportionality.pdf; EBA, Consultation Paper, Draft Guidelines on sound remuneration policies under Article 74(3) and 75(2) of Directive 2013/35/EU ans disclosure unter Article 450 of Regulation (EU) No 575/2013, v. 4.3.2015 (EBA/CP/2015/03), https://eba.europa.eu/file/48950/download?token=HAl6_LFF; EBA, Opinion on the application of Directive 2013/36/EU (Capital Requirements Directive) regarding the principles on remuneration policies of credit institutions and investment firms and the use of allowances, v. 15.10.2014 (EBA/Op/2014/10), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/657547/ EBA-Op-2014-10+Opinion+on+remuneration+and+allowances.pdf; EBA, Leitlinien für den Vergütungsvergleich, v. 16.7.2014 (EBA/GL/2014/08), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/ 1504756/EBA-GL-2014-08+GL+on+the+remuneration+benchmarking+exercise_DE.pdf/33119344ce5f-42fc-b93b-31705b8ebde1; EBA, Leitlinien zur Datenerfassung im Hinblick auf Personen mit hohem Einkommen, v. 16.7.2014 (EBA/GL/2014/07), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/ 1504975/EBA-GL-2014-07+GL+on+data+collection+exercise+regarding+high+earners_DE.pdf/ a37491eb-e31d-4414-9c42-af03e3577725; EBA, Leitlinien für den auf die variable Vergütung anzuwendenden Nominaldiskontsatz, v. 27.3.2014 (EBA/GL/2014/01), http://www.eba.europa.eu/ documents/10180/748338/EBA_2014_00420000_DE_TRA.pdf/07b442b1-6e0a-44a8-861b-b9081a 26a0a9; EBA, Survey on the implementation of the CEBS Guidelines on Remuneration Policies and Practices, v. 12.4.2012, https://www.eba.europa.eu/documents/10180/106961/Implementationsurvey-on-CEBS--Guidelines-on-Remuneration--final-.pdf; (Abrufdatum jew. 9.6.2020). Verlautbarungen der European Securities and Markets Authority (ESMA): ESMA, Leitlinien für solide Vergütungspraktiken unter Berücksichtigung der AIFMD, v. 14.10.2016 (ESMA/2016/579), https://www.esma.europa.eu/system/files_force/library/2016-579_de_0.pdf?download=1; ESMA, Leitlinien für solide Vergütungspraktiken unter Berücksichtigung der AIFMD, v. 3.7.2013 (ESMA/

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2013/232), https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/esma_2013_00060000_ de_cor_0.pdf; ESMA, Leitlinien für solide Vergütungspolitiken unter Berücksichtigung der OGAWRichtlinie, v. 14.10.2016 (ESMA/2016/575), https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/ 2016-575_de.pdf; ESMA, Letter of Steven Maijoor, Proportionality principle and remuneration rules in the financial sector, v. 31.3.2016 (ESMA/2016/412), abrufbar unter https://www.esma.europa.eu/ sites/default/files/library/2016-412_letter_to_european_commission_european_council_and_european_ parliament_on_the_proportionality_principle_and_remuneration_rules_in_the_financial_sector.pdf; (Abrufdatum jew. 9.6.2020). Verlautbarungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ECB): EZB, Schreiben von Andrea Enria, Variable Vergütungspolitik des bedeutenden Instituts, v. 21.1.2020 (SSM/2020/016), https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/letterstobanks/shared/pdf/2020/ ssm.2020_letter_remuneration.de.pdf?81131602c5218a7204eace52a4b4eed5; EZB, Empfehlung v. 17.1.2020 zur Dividenden-Ausschüttungspolitik (EZB/2020/1), ABl. (EU) C 30/1 v. 29.1.2020; EZB, Schreiben v. Andrea Enria, Variable Vergütungspolitik des [Mutterunternehmens der Gruppe], v. 9.1.2019 (SSM/2019/010), https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/letterstobanks/shared/ pdf/2019/ssm.201901_letter_renumeration.de.pdf?36ad6370e7538cd49505190290e93ddd; EZB, Empfehlung v. 7.1.2019 zur Dividenden-Ausschüttungspolitik (EZB/2019/1), ABl. (EU) C 11/1 v. 11.1.2019; EZB, Schreiben v. Danièle Nouy, Variable Vergütungspolitik des [Mutterunternehmens der Gruppe], v. 4.1.2018 (SSM/2018/0011), https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/ letterstobanks/shared/pdf/2018/180104_letter_renumeration.de.pdf?; EZB, Empfehlung v. 28.12.2017 zur Dividenden-Ausschüttungspolitik (EZB/2017/44), ABl. (EU) C 8/1 v. 11.1.2018; EZB, Beschluss (EU) 2015/2218 v. 20.11.2015 zum Verfahren bei Ausnahmen für Mitarbeiter von der Annahme ihres wesentlichen Einflusses auf das Risikoprofil eines beaufsichtigten Kreditinstituts (EZB/2015/38), ABl. (EU) L 314/66 v. 1.12.2015; EZB, Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank v. 16.4.2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus – SSM-RahmenVO (EZB/ 2014/17), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014; (Abrufdatum jew. 9.6.2020). Verlautbarungen und Verordnungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): BaFin, Merkblatt zur Sanierungsplanung, v. 31.3.2020, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/BA/Merkblatt_Sanierungsplanung.html; BaFin, Verordnung zu den Mindestanforderungen an Sanierungspläne für Institute – Sanierungsplanmindestanforderungsverordnung (MaSanV), v. 12.3.2020, BGBl. I 2020, 644; BaFin, Rundschreiben 5/2018 (WA), Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und weitere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten – MaComp, v. 19.4.2018, Stand: 29.4.2020 (WA 31-Wp 2002-2017/0011), https:// www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/2018/rs_18_05_wa3_macomp .html; BaFin, Auslegungshilfe zur Institutsvergütungsverordnung, v. 15.2.2018, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Auslegungsentscheidung/BA/ae_180216_institutsvergv.html; BaFin, Rundschreiben 9/2017 (BA), Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002), https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/ DE/Rundschreiben/2017/rs_1709_marisk_ba.html; BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 6.3.2019, https:// www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_verwaltungs-aufsichtsorgane_ KWG_KAGB.html; BaFin, Aspekte der Vergütung (Art. 275 DVO (EU) 2015/35), v. 20.12.2016 (VA 52-I 2510-2016/0006), https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Auslegungsentscheidung/VA/ae_161220_verguetung_va.html; BaFin, Begründung zur Prüfungsberichtsverordnung (PrüfbV), v. 4.8.2015, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Aufsichtsrecht/ dl_pruefbv_begruendung.html; BaFin, Schreiben der BaFin zur Anwendung der „Leitlinien für solide Vergütungspolitiken unter Berücksichtigung der OGAW-Richtlinie und der AIFMD“ von ESMA, v. 22.7.2013, Stand: 1.11.2016 (WA 41-Wp 2137-2013/0037), https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Auslegungsentscheidung/WA/ae_130722_Verguetung_ESMA_guidelines_anwendbarkeit.html; BaFin, Konsultation 8/2016, Änderung der Institutsvergütungsverordnung, v. 10.8.2016, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Konsultation/2016/ kon_0816_aenderung_IVV_ba.html; BaFin, Merkblatt zur Freistellung nach § 2 Abs. 4 KWG für im Inland ansässige Unternehmen, v. 26.2.2014, Stand: 26.11.2015, https://www.bafin.de/SharedDocs/ Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_140226_freistellung_2kwg.html; BaFin, Auslegungshilfe zur Institutsvergütungsverordnung, v. 1.1.2014, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/ Konsultation/2016/dl_kon_0816_auslegungshilfe_institutsvergv_ba.pdf?__blob=publicationFile&v=3; BaFin, Begründung zur Institutsvergütungsverordnung, v. 7.3.2014, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Verordnung/InstitutsVergV_begruendung_ba.html; BaFin, Rundschreiben 22/2009 (BA), Aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten, v. 21.12.2009, https://www.bundesbank.de/resource/blob/670972/a16900a18e615f17c 868c4887a7a14fd/mL/2009-22-aufsichtsrechtliche-anforderungen-an-die-verguetungssysteme-voninstituten-data.pdf; BaFin, Konsultation 14/2009, Entwurf eines Rundschreibens zu den Anforde-

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§ 12

I. Überblick

rungen an Vergütungssysteme (BA), v. 2.12.2009 (BA 54-AZB 2000-2009/0006), https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Konsultation/2009/kon_1409_verguetung_ba.html; BaFin, Rundschreiben 15/2009 (BA), Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, v. 14.8.2009, https://www.bundesbank.de/resource/blob/598796/9aed545e2c4ddfeb03ac87ccadb994a6/mL/200908-14-rundschreiben-mindestanforderungen-risikomanagement-data.pdf; BaFin, Rundschreiben 5/2007 (BA), Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, v. 30.10.2007, http://drnounddieunschuldigen.de/wp-content/uploads/2015/03/2007Okt30_Rundschreiben_MaRisk.pdf; (Abrufdatum jew. 9.6.2020). Verlautbarungen der Deutschen Bundesbank (Bundesbank): Bundesbank, Monatsbericht 10/2013, https://www.bundesbank.de/resource/blob/663748/d153746abc32b54f6e3014a464102a5f/mL/201310-fsb-data.pdf; (Abrufdatum: 9.6.2020). Weitere Verlautbarungen: International Monetary Fund (IMF), Risk Taking, Liquidity, and Shadow Banking: Curbing Excess While Promoting Growth, in: Global Financial Stability Report (GFSR) v. 10/2014, http://www.imf.org/en/Publications/GFSR/Issues/2016/12/31/Risk-Taking-Liquidity-andShadow-Banking-Curbing-Excess-While-Promoting-Growth; Deutsche Kreditwirtschaft (DK), Comments on Draft Guidelines on sound remuneration policies under Article 74(3) and 75(2) of Directive 2013/36/EU and disclosures under Article 450 of Regulation (EU) No 575/2013, v. 3.6.2015, https://eba.europa.eu/system/files/webform/documents/ddm-fileupload/1096722/1.0/view_uploadFiles/ 150603%20Comments%20German%20Banking%20Industry%20Committee%20on%20EBA%20 Guidelines%20Remuneration.pdf; CEBS, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, v. 10.12.2010, https://www.eba.europa.eu/-/cebs-guidelines-on-remuneration-policies-and-practices; Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors (CEIOPS), CEIOPS’ Advice for Level 2 Implementing Measures on Solvency II: Remuneration Issues, v. 10/2009 (CEIOPSDOC-51/09), https://register.eiopa.europa.eu/CEIOPS-Archive/Documents/Advices/CEIOPSDOC-51-09%20L2-Advice-Remuneration-Issues.pdf; G20, Gipfeltreffen in Pittsburgh – Erklärung der Staats- und Regierungschefs, v. 24./25.9.2009, https://www.bundesregierung.de/resource/blob/ 975254/474982/be75df15f10f87de9119564662dc0639/g20-erklaerung-pittsburgh-2009-de-data.pdf? download=1; G20, Londoner Gipfeltreffen – Erklärung der Staats- und Regierungschefs, v. 2.4.2009, https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975254/475006/7108d9f4cd67803dda290e508a834a b0/g20-erklaerung-london-2009-de-data.pdf?download=1; G20, The G20 Washington Leaders‘ Declaration – Summit on Financial Markets and the World Economy, v. 15.11.2008, https:// www.bundesregierung.de/resource/blob/975254/475056/fbc1fa79c12b0e212d583fe48946ddc6/g20erklaerung-washington-2008-en-data.pdf?download=1; (Abrufdatum jew. 9.6.2020).

I.

Überblick

1.

Einführung

Während die Regulierung von Vergütungsfragen im Bankensektor vor der Finanzkrise 1 2007/2008 noch ein Schattendasein fristete,1) änderte sich dies im Anschluss daran schlagartig. Obwohl die Ursachen und Gründe für die Finanzkrise noch heute kontrovers diskutiert werden, herrschte unter den entscheidenden Akteuren aus Politik und Aufsichtsbehörden rasch Einigkeit darüber, dass fehlerhaft ausgestaltete Vergütungssysteme für die Finanzkrise (zumindest) mitverantwortlich waren.2) Auf ihrem ersten Krisengipfel am 14./15.11.2008 in Washington einigten sich die Staats- und Regierungschefs der G20Länder auf einen umfassenden Aktionsplan, in dem Vergütungsthemen eine nicht unwesentliche Rolle spielten. Entsprechend der allgemeinen Zielsetzung der Schaffung „klarer interner Anreize zur Förderung von Stabilität“ enthielt der Washington-Aktionsplan die

___________ 1)

2)

So enthielt etwa noch das Modul AT 7.1 Rz. 4 MaRisk 2007, lediglich folgenden Passus mit Vergütungsbezug: „Die Ausgestaltung der Vergütungs- und Anreizsysteme darf den in den Strategien niedergelegten Zielen nicht widersprechen.“ Vgl. etwa den sog. Draghi-Bericht: FSF, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience, v. 7.4.2008, S. 8: „Compensation schemes in financial institutions encouraged disproportionate risk-taking with insufficient regard to longer-term risks. This risk-taking was not always subject to adequate checks and balances in firms’ risk management systems.“ Inwieweit fehlerhafte Vergütungsanreize tatsächlich zum Ausbruch der Finanzkrise beigetragen haben, ist bis heute umstritten und empirisch nicht eindeutig belegt.

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Vergütung

Forderung nach konkreten Maßnahmen zur Vorbeugung von Vergütungssystemen, „die übermäßig kurzfristige Erträge oder eine übermäßige Eingehung von Risiken belohnen“.3) 2 Diese konkreten Maßnahmen wurden durch das Financial Stability Board (FSB)4) in Form der Prinzipien für solide Vergütungspraktiken vom 2.4.20095) und deren Umsetzungsstandards vom 25.9.20096) erarbeitet. Diese FSB-Prinzipien und FSB-Standards wurden von den G20 gebilligt7) und bilden bis zum heutigen Tage den internationalen Referenzpunkt für die Regulierung im Vergütungsbereich. Das vor dem Hintergrund der Finanzkrise verständliche Ziel der Vergütungsregeln ist die „Verbesserung der Stabilität und der Robustheit des Finanzsystems“.8) Operationalisiert wird dieses übergeordnete Ziel durch die beiden Vorgaben, die „Vergütung an einer umsichtigen Eingehung von Risiken auszurichten“ und die „Anreize von Mitarbeitern mit der langfristigen Profitabilität des Unternehmens in Einklang zu bringen“.9) 3 Das den FSB-Prinzipien und FSB-Standards zugrunde liegende Konzept ist mithin „vom Großen ins Kleine“ zu denken. Die Stabilität des Finanzsystems insgesamt hängt von der umsichtigen und langfristig profitablen Führung der einzelnen Institute ab. Die umsichtige Führung des Einzelinstituts ist wiederum abhängig vom Verhalten der einzelnen Geschäftsleiter und Mitarbeiter. Um die Stabilität des Finanzsystems insgesamt zu gewährleisten, ist also am Verhalten des Einzelnen anzusetzen und dieses Verhalten durch entsprechende Vergütungsanreize an einer umsichtigen Risikoeingehung und der Erzielung langfristiger Erträge auszurichten. Zentraler Aspekt der Vergütungsregeln ist mithin die Verhaltenssteuerung. 4 Die wesentliche Grundannahme ist, dass menschliches Verhalten durch Vergütungsanreize steuerbar ist. Generell werden Vergütungssystemen in Unternehmen verschiedene Funktionen zugeschrieben. Grob lassen sich die Entgeltfunktion und die Verhaltenssteuerungsfunktion der Vergütung unterscheiden. Die Entgeltfunktion soll dem Vergütungsempfänger ein finanzielles Auskommen bieten und ihn zur Aufnahme und der kontinuierlichen Wahrnehmung seiner beruflichen Tätigkeit anhalten. Die Verhaltenssteuerungsfunktion geht insofern darüber hinaus, dass Vergütung nicht nur Anreize zur Durchführung der betreffenden Tätigkeit als solcher bieten soll. Vielmehr soll die Art und Weise der Aufgabenerfüllung beeinflusst und damit ein bestimmtes Verhalten der vergüteten Personen hervorgerufen bzw. verhindert werden.10) Von entscheidender Bedeutung ist hierbei die variable Vergütung, also derjenige Anteil der Vergütung, dessen Bemessung in Abhängigkeit von der Erreichung bestimmter Ziele oder Erfolge steht. Die variable ___________ 3) Vgl. G20, The G20 Washington Leaders‘ Declaration – Summit on Financial Markets and the World Economy, v. 15.11.2008, S. 3 unter dem Abschn. „Risikomanagement“. 4) Zum FSB und zu dessen Vorgängergremium Financial Stability Forum (FSF), vgl. Bundesbank, Monatsbericht 10/2013, S. 47 ff. 5) Vgl. FSF, Principles for Sound Compensation Practices, v. 2.4.2009. 6) Vgl. FSB, Principles for Sound Compensation Practices – Implementation Standards, v. 25.9.2009. 7) Die Erklärung der Staats- und Regierungschefs zum Londoner G20 Gipfeltreffen zur Stärkung des Finanzsystems, v. 2.4.2009, und die Erklärung der Staats- und Regierungschefs zum G20 Gipfeltreffen in Pittsburgh, v. 24./25.9.2009, unterstrichen jeweils die Zustimmung der G20-Staaten zu „einer Reform der Vergütungsstrategien und -praxis als wesentlicher Bestandteil unserer Anstrengungen zur Stärkung der Finanzstabilität.“ 8) Vgl. FSF, Principles for Sound Compensation Practices, v. 2.4.2009, S. 1: „The aim of these standards is to enhance the stability and robustness of the financial system.“ 9) Vgl. FSB, FSF issues recommendations and principles to strengthen financial systems, Pressemitteilung v. 2.4.2009 (Ref. No. 13/2009): „The Principles require compensation practices in the financial industry to align employees’ incentives with the long term-profitability of the firm.“ 10) Vgl. zu diesen Grundsätzen etwa Faber/v. Werder, AG 2014, 608, 610.

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Vergütung ist daher der entscheidende Anknüpfungspunkt einer Vergütungsregulierung für die Zwecke einer Verhaltensteuerung des Einzelnen.11) Die Regulierung für Zwecke der Verhaltensteuerung erfolgte vor dem Hintergrund derje- 5 nigen vergütungsinduzierten Fehlanreize, die für den Ausbruch der Finanzkrise (mit-)verantwortlich gemacht wurden. Dabei war die variable Vergütung in Banken v. a. zwei Kritikpunkten ausgesetzt: x

Zum einen seien die für die Bemessung der variablen Vergütung verwandten Parameter zu kurzfristig ausgerichtet gewesen. Dieser Vorwurf betrifft insbesondere die seinerzeit weit verbreiteten jährlichen Bonuszahlungen in bar. Diese seien auf Basis nur scheinbar nachhaltiger Erträge gewährt und sogleich ausgezahlt worden. Dieses Vorgehen – so der Vorwurf – habe die Eingehung übermäßiger Risiken begünstigt, wobei mitunter solche Positionen eingegangen worden sind, die zwar kurzfristig gute Kennzahlen lieferten, die die Bank aber langfristig erheblichen Risiken aussetzten.

x

Zum anderen betrifft die Kritik die asymmetrische Ausgestaltung der variablen Vergütung. Der Vorwurf lautet, provokant formuliert, Boni seien nach dem Motto „heads I win, tails you lose“ gewährt worden.12) Damit angesprochen ist die Asymmetrie zwischen Gewinn- und Verlustmöglichkeiten. Während gute Ergebnisse mit (teilweise extrem) hohen Bonuszahlungen belohnt wurden, seien schlechte Ergebnisse nicht gleichermaßen negativ berücksichtigt worden. Eng damit verbunden ist der Vorwurf, dass vergütungsrelevante Ziele festgelegt worden seien, die leicht zu erreichen waren und dass selbst bei Nichterreichen dieser wenig ambitionierten Ziele gleichwohl nachträglich variable Vergütungen gewährt wurden, etwa unter Hinweis auf exogene Effekte.13)

Zusammenfassend stellte etwa der deutsche Gesetzgeber fest:

6

„Eine Vergütungspolitik, die auf kurzfristige Parameter ausgerichtet ist und einseitig Erfolg belohnt, ohne Misserfolg ausreichend zu sanktionieren, kann dazu verleiten, den langfristigen und nachhaltigen Unternehmenserfolg aus dem Blick zu verlieren. Wie die Finanzmarktkrise gezeigt hat, können die durch eine verfehlte Vergütungspolitik gesetzten Fehlanreize Risiken nicht nur für die Stabilität einzelner Unternehmen, sondern auch für die Finanzstabilität im Allgemeinen begründen.“14)

Die regulatorische Antwort auf einen solchen Befund hätte lauten können, variable Ver- 7 gütungen einzudämmen oder gar ganz zu verbieten. Es mangelte im Anschluss an die Finanzkrise auch nicht an Stimmen, die den Versuch der Verhaltenssteuerung durch variable Vergütung als für generell gescheitert erklärten. Entlang der Vorgaben der FSB-Prinzipien und -Standards wurde indes ein anderer Weg beschritten. Statt die variable Vergütung zurückzuschneiden wird sie vielmehr für Zwecke einer risikoorientierten Verhaltenssteu___________ 11) Plakativ wurde dieser Gedanke durch den CEBS formuliert: „Remuneration has a direct or indirect influence on people’s behaviour. Variable remuneration may encourage staff to take undesirable or irresponsible risks in the hope of generating more turnover or making profit and thus increasing his/her variable remuneration […] By connecting risk management elements to the remuneration policy, the aforementioned dangers can be counterbalanced. Indeed, when properly structured and implemented, variable remuneration can be an efficient tool to align the staff’s interests with the long-term interests of the institution”, vgl. CEBS, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, v. 10.12.2010, Rz. 66. 12) Andrew M. Cuomo, der Generalanwalt des Staates New York, kam i. R. seiner Analyse der Vergütungssysteme ausgesuchter US-amerikanischer Banken vor und während der Finanzkrise zu folgendem Schluss: „Thus, when banks did well, their employees were paid well. When the banks did poorly, their employees were paid well. And when the banks did very poorly, they were bailed out by taxpayers and their employees were still paid well. Bonuses and overall compensation did not vary significantly as profits diminished.“; vgl. Cuomo, No rhyme or reason: The „Heads I Win, Tails You Lose“ Bank Bonus Culture, v. 30.7.2009. 13) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2014, v. 1.1.2014, zu § 4. 14) Vgl. RegE VergAnfG, BT-Drucks. 17/1291, S. 1.

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Vergütung

erung instrumentalisiert. Vergütungsinduzierte Anreize sind damit quasi das zu lösende Problem und die Lösung des Problems zugleich. Der Gefahr einer Fehlsteuerung durch falsche Vergütungsanreize wird mit konkreten Vorgaben für die „richtige“, d. h. risikoorientierte Ausgestaltung der Vergütungssysteme begegnet.15) 8 Neben der intendierten Verhaltenssteuerung des Einzelnen verfolgten die Vergütungsregeln von Beginn an aber auch eine zweite Zielrichtung. Dies lässt sich bereits den FSBPrinzipien entnehmen, welche die vergütungsinduzierten Probleme vor und während der Finanzkrise wie folgt beschreiben: „Compensation practices at large financial institutions are one factor among many that contributed to the financial crisis that began in 2007. High short-term profits led to generous bonus payments to employees without adequate regard to the longer-term risks they imposed on their firms. These perverse incentives amplified the excessive risk-taking that severely threatened the global financial system and left firms with fewer resources to absorb losses as risks materialised. The lack of attention to risk also contributed to the large, in some cases extreme absolute level of compensation in the industry.”16) (Hervorhebung d. den Verf.)

9 Angesprochen ist mithin die Gesamtvergütung und deren Auswirkung auf das einem Unternehmen zur Verfügung stehende Kapital. Die wesentliche Grundannahme ist, dass Vergütungen für Unternehmen einen bedeutenden Kostenfaktor darstellen. Die simple Rechnung lautet: Das Geld, das an Vergütungen und Boni ausgeschüttet wurde, steht dem Unternehmen nicht mehr zur Verfügung. Angesichts der regulatorischen Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen für Institute ist dies von besonderer Relevanz. Variable Vergütung, die an die Mitarbeiter ausgezahlt wurde, kann die Bank in Krisenzeiten nicht mehr zur Abfederung von Verlusten vorhalten.17) 10 Die Vergütungsregulierung setzt also zusammenfassend an zwei Stellschrauben an. Zum einen an der Vergütung des Einzelnen, wobei der Aspekt der Verhaltenssteuerung im Vordergrund steht. Zum anderen an der Gesamtvergütung, die die Bank insgesamt an ihre Mitarbeiter auszahlt. Hier ist der Aspekt der Einhaltung der Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen angesprochen. Nicht unmittelbar durch die Vergütungsregeln adressiert wird dagegen die Höhe von Einzelvergütungen.18) Dieser Aspekt wird – gerade in der öffentlichen Diskussion – oftmals verkannt. Eine Verringerung der absoluten Vergütungshöhe eines einzelnen Geschäftsleiters oder Mitarbeiters kann aber (mittelbare) ___________ 15) Dieser Gedanke lässt sich den Vergütungsregeln unmittelbar entnehmen. Nach Art. 92 Abs. 2 lit. a CRD a. F. muss die Vergütungspolitik mit einem soliden und wirksamen Risikomanagement vereinbar „und diesem förderlich“ sein und darf nicht zur Übernahme von Risiken ermutigen, die über das von dem Institut tolerierte Maß hinausgehen. Diese Vorgabe enthält sowohl die negative Komponente der Vermeidung schädlicher Anreize als auch die positive Komponente der Herstellung „förderlicher“ Anreize. Auch die deutschen Vergütungsregeln enthalten diesen Gedanken in § 18 Abs. 3 InstitutsVergV, wonach sicherzustellen ist, dass „Anreize, Risiken einzugehen durch Anreize zur Risikosteuerung ausgeglichen werden.“ 16) FSF, Principles for Sound Compensation Practices, v. 2.4.2009, S. 1. 17) Auch diesen Gedanken hat der CEBS plakativ formuliert: „Remuneration represents an important cost factor for financial institutions as remuneration payments influence the institution’s capital base. If an institution falls short of its capital targets, priority is to be given to building up the necessary capital or solvency buffer, and a conservative remuneration policy must be pursued, particularly regarding variable remuneration. In addition to capital planning, remuneration must also be taken into account for liquidity planning purposes. In this way, remuneration payments will be prevented from further weakening an institution and its stability.” Vgl. CEBS, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, v. 10.12.2010, Rz. 66. 18) Eine Ausnahme bilden lediglich Sonderregeln im Bereich der Sanierung und Abwicklung, vgl. etwa § 4 Abs. 3 und 4 RStruktFG (absolute Obergrenze von 500.000 € pro Jahr). Relative Obergrenzen finden sich im Beihilfenbereich, vgl. Kommission, Bankenmitteilung 2013, ABl. (EU) C 216/1 v. 30.7.2013, Rz. 38 (das Fünfzehnfache bzw. Zehnfache bestimmter Durchschnittsgehälter).

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I. Überblick

Folge der Anwendung der Vergütungsregeln für Zwecke der Verhaltenssteuerung und Einhaltung der Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen sein. 2.

Entwicklung der Vergütungsregeln im Überblick

Die Umsetzung der internationalen Vorgaben auf europäischer und deutscher Ebene er- 11 folgte in mehreren Schüben und ist durch eine im Zeitverlauf immer größere Regulierungsdichte und -strenge gekennzeichnet. Diese Entwicklung zeichnet zum einen die Entwicklung der internationalen Regeln selbst nach, die von allgemeinen „principles“ (FSBPrinzipien) zu konkreten „rules“ (FSB-Standards) fortentwickelt wurden. Zum anderen wählte die EU, die selbst bereits einen erheblichen Einfluss auf die internationale Regelsetzung ausgeübt hatte,19) eine besonders strenge Form der Umsetzung und ging mit der Einführung des sog. „Bonus Cap“ letztlich sogar noch über die internationalen Vorgaben hinaus. a)

Europäische Vergütungsregulierung

Die EU verfolgte von vornherein eine duale Strategie für die Regulierung der Vergütung 12 im Finanzdienstleistungssektor, nämlich eine Kombination von rechtlich verbindlichen und unverbindlichen Instrumenten.20) Den Ausgangspunkt bildete mit der Empfehlung 2009/384/EG der Kommission zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor vom 30.4.200921) ein unverbindliches Instrument. Der Anwendungsbereich der Empfehlung ist weit gezogen. Um „Schlupflöcher und Wettbewerbsverzerrungen zwischen verschiedenen Sektoren und Finanzinstituten“ zu vermeiden, findet die Kommissionsempfehlung – wie die internationalen Vorgaben auch – auf alle Sektoren der Finanzbranche Anwendung.22) Darüber hinaus erfasst die Empfehlung grundsätzlich all diese Finanzinstitute ungeachtet ihrer Größe. Dies steht im Gegensatz zu den internationalen Vorgaben, die sich primär an bedeutende Finanzinstitute, insbesondere große und systemrelevante Unternehmen richten.23) In einem zweiten Schritt folgten auf europäischer Ebene Gesetzesinitiativen, welche die 13 Vergütungsprinzipien in verbindliche Rechtsakte überführen sollten, um sie so einer aufsichtsrechtlichen Kontrolle zugänglich zu machen. Dies betraf zunächst die Vergütungspolitik von Banken und Wertpapierfirmen, wo nach Einschätzung der Kommission das „Marktversagen am deutlichsten zutage getreten“ war.24) In ihrem Vorschlag zur Ände___________ 19) Vgl. die Nachweise bei Ferran, ECFR 2012, 1, 8 ff. 20) Vgl. Kommission, Mitteilung für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates – Impulse für den Aufschwung in Europa (Teil 1), v. 4.3.2009, KOM(2009) 114 endg., S. 9. 21) Vgl. Kommission, Empfehlung 2009/384/EG v. 30.4.2009 zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor v. 30.4.2009, ABl. (EU) L 120/22 v. 15.5.2009. 22) Vgl. Kommission, Mitteilung zur Begleitung der Empfehlung der Kommission zur Ergänzung der Empfehlungen 2004/913/EG und 2005/162/EG zur Regelung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften und der Empfehlung der Kommission zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor, v. 30.4.2009, KOM(2009) 211 endg., S. 4. Erfasst werden nach Punkt 1.1 der Kommissionsempfehlung alle „Finanzinstitute“ mit Sitz in der EU, insb. Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, Pensionsfonds sowie Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW). 23) Vgl. FSF, Principles for Sound Compensation Practices, v. 2.4.2009 S. 1: „The FSF Principles for Sound Compensation Practices are intended to apply to significant financial institutions, but they are especially critical for large, systemically important firms.“ 24) Vgl. Kommission, Mitteilung zur Begleitung der Empfehlung der Kommission zur Ergänzung der Empfehlungen 2004/913/EG und 2005/162/EG zur Regelung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften und der Empfehlung der Kommission zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor, v. 30.4.2009, KOM(2009) 211 endg., S. 6.

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Vergütung

rung der Eigenkapitalrichtlinie (sog. Capitel Requirements Directive III – CRD III) vom 13.7.2009 lehnte die Kommission die Vergütungsregeln eng an die prinzipienhaften Grundsätze der Kommissionempfehlung an und betonte gleichzeitig den Spielraum, der den Kreditinstituten und Wertpapierfirmen bei der Anwendung der Vergütungsgrundsätze verbleiben sollte.25) Dies entsprach dem Ansatz der FSB-Prinzipien, wonach gerade keine bestimmte Ausgestaltung oder Höhe individueller Vergütungen vorgeschrieben werden sollte („one size does not fit all“).26) 14 Die am 24.11.2010 verabschiedete CRD III27) hat mit dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag nur noch das Grundprinzip gemein, wonach sich eine solide Unternehmenssteuerung durch eine Vergütungspolitik und -praxis auszeichnet, „die mit einem soliden und wirksamen Risikomanagement vereinbar und diesem förderlich ist“. Dieses Grundprinzip wird durch mehr als 20 in ihrem Detailgrad weit über die Kommissionsempfehlung hinausgehende Vergütungsgrundsätze konkretisiert. Insbesondere die Grundsätze zur Vergütungsstruktur, die zwingende Mindestvorgaben zur Zurückbehaltung variabler Vergütung und zur Vergütung in (u. a. aktienbasierten) Instrumenten vorsehen, gehen in ihrer Stringenz über die internationalen Vorgaben hinaus, genau wie über die Umsetzungsregeln anderer Länder, etwa der USA.28) Insofern wird die EU ihrem selbst proklamierten „Führungsanspruch“ bei der Beschränkung unsolider Vergütungspraktiken gerecht.29) Die CRD III enthält in der Tat eine der „weltweit strengsten Regelungen für Bonuszahlungen an Bankmanager“.30) 15 Um eine einheitliche Umsetzung dieser Vorgaben zu gewährleisten, erfolgte eine weitere Konkretisierung durch den Ausschuss der Europäischen Bankaufsichtsbehörden (CEBS). Die CEBS-Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik vom 10.12.201031) spezifizieren jeden einzelnen der durch die CRD III eingeführten Grundsätze in den drei Bereichen Governance, Risikoorientierung und Offenlegung der Vergütung und differenzieren dabei zwischen allgemeinen Anforderungen, die unternehmensweit für alle Mitarbeiter von Banken und Wertpapierfirmen gelten, sowie besonderen Anforderungen, die grundsätzlich nur solche Mitarbeiter betreffen, „deren Tätigkeiten einen wesentlichen Einfluss auf das Risikoprofil des Instituts haben“ („identified staff“, „material risk taker“ oder Risikoträger). 16 Mit Verabschiedung der CRD III und der CEBS-Leitlinien war die Umsetzung der FSBPrinzipien und -Standards zwar vollzogen, jedoch stellte dies für den Regulierungsprozess auf europäischer Ebene nur einen vorläufigen Schlusspunkt dar. Die Vergütungsthematik kam im Zuge der Arbeiten am sog. CRD IV-Paket wieder auf, welches in erster Linie der ___________ 25) Vgl. Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG im Hinblick auf die Eigenkapitalanforderungen für Handelsbuch und Weiterverbriefungen und im Hinblick auf die aufsichtliche Überprüfung der Vergütungspolitik, v. 13.7.2009, KOM(2009) 362 endg., S. 9. 26) Vgl. FSF, Principles for Sound Compensation Practices, v. 2.4.2009, S. 1: „The Principles are intended to reduce incentives towards excessive risk taking that may arise from the structure of compensation schemes. They are not intended to prescribe particular designs or levels of individual compensation. One size does not fit all.“ 27) Richtlinie 2010/76/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 – Capital Requirements Directive (CRD III), ABl. (EU) L 329/3 v. 14.12.2010. 28) Vgl. überblicksartig Ferrarini/Ungureanu, ZBB 2011, 418, 430. 29) So EU-Kommissar Michel Barnier: „The requirements on pay and bonuses send a strong political message: there will be no return to business as usual. The EU is leading the way in curbing unsound remuneration practices in banks“, vgl. Barnier, Pressemitteilung, v. 7.7.2010 (MEMO/10/304), abrufbar unter http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-10-304_de.htm?locale=en. 30) S. Europ. Parlament in einer Pressemitteilung v. 7.7.2010; vgl. Ferarrini/Ungurenau, ZBB 2011, 418, 425. 31) Vgl. CEBS, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, v. 10.12.2010.

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I. Überblick

Umsetzung der neuen internationalen Eigenkapital- und Liquiditätsstandards, dem sog. Basel III-Regime, diente.32) Während die ersten Vorschläge der Kommission für das neu zu schaffende einheitliche europäische Regelwerk (Single Rulebook) lediglich kleinere Ergänzungen der Vergütungsregeln vorsahen, entbrannte im weiteren Fortgang der Verhandlungen eine heftige Diskussion um das sog. „Bonus Cap“. Insbesondere das Europäische Parlament forderte mit Nachdruck die Einführung einer absoluten Obergrenze für die variable Vergütung im Verhältnis zum Festgehalt und setzte sich letztlich damit durch. Das am 26.6.2013 verabschiedete CRD IV-Paket, die CRD IV (Capitel Requirements Directive IV)33) und die CRR (Capital Requirements Regulation)34), sieht das „Bonus Cap“ genauso vor wie einige weitere Verschärfungen der Vergütungsregeln. Wie im Single-Rulebook-Ansatz generell angelegt, erfolgten auch im Vergütungsbereich 17 weitere Konkretisierungen der Regeln in Form technischer Regulierungsstandards und Leitlinien der neu geschaffenen Europäischen Bankaufsichtsbehörde (EBA). Die in Verordnungsform erlassenen und damit unmittelbar anwendbaren technischen Regulierungsstandards beinhalten Vorgaben für die Identifikation von Risikoträgern (Delegierte Verordnung (EU) Nr. 604/2014)35) und Anforderungen an sog. bail-in-fähige Instrumente (Delegierte Verordnung (EU) Nr. 527/2014).36) Die EBA erließ Leitlinien für den auf die variable Vergütung für Zwecke der Berechnung des Bonus Caps anzuwendenden Nominaldiskontsatz,37) daneben aber insbesondere die Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik vom 21.12.2015 (EBA-Leitlinien (EBA/GL/2015/22)),38) welche an die Stelle der CEBS-Leitlinien traten und die Vergütungsregeln des CRD IV-Pakets näher ausgestalten. Schließlich ergänzen zwei Leitlinien zu vergütungsbezogenen Meldepflichten39) den auf ein nicht unbeträchtliches Ausmaß angewachsenen europäischen Regulierungskorpus, welcher durch die Antworten der EBA im sog. Q&A-Verfahren40) zudem stetig weiterentwickelt wird. Die nächsten legislativen Änderungen zeichneten sich indes bereits am Horizont ab. 18 Ausgangspunkt war eine Kontroverse um die Umsetzung und Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. In Umsetzung der CRD III und im Einklang mit den CEBS___________ 32) Damals BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, v. 12/2010, Stand: 6/2011; nunmehr final BCBS, Basel III: Finalising post-crisis reforms, v. 12/2017. 33) Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013. 34) Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. 35) Delegierte Verordnung (EU) Nr. 604/2014 der Kommission v. 4.3.2014, ABl. (EU) L 167/30 v. 6.6.2014. 36) Delegierte Verordnung (EU) Nr. 527/2014 der Kommission v. 12.3.2014, ABl. (EU) L 148/21 v. 20.5.2014. 37) EBA, Leitlinien für den auf die variable Vergütung anzuwendenden Nominaldiskontsatz, v. 27.3.2014 (EBA/GL/2014/01). Nach Art. 94 Abs. 1 lit. g (iii) CRD können die Mitgliedstaaten Instituten gestatten, den Diskontsatz auf maximal 25 % des Gesamtwerts der variablen Vergütung anwenden, sofern sie in Instrumenten gezahlt wird, die für mindestens fünf Jahre zurückbehalten werden. Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Möglichkeit in § 6 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 InstitutsVergV Gebrauch gemacht. 38) EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22); vgl. dazu Löw/ Glück, BKR 2016, 265 ff. 39) EBA, Leitlinien zur Datenerfassung im Hinblick auf Personen mit hohem Einkommen, v. 16.7.2014 (EBA/ GL/2014/07), und EBA, Leitlinien für den Vergütungsvergleich, v. 16.7.2014 (EBA/GL/2014/08). 40) Das Q&A-Verfahren ist ein neuartiges Instrument zur Weiterentwicklung des Single Rulebook, das es jeder interessierten Partei ermöglicht, Fragen zur praktischen Anwendung und Durchführung des einheitlichen europäischen Regelwerks an die EBA zustellen. Die Antworten der EBA sind rechtlich nicht verbindlich, fließen jedoch in die Aufsichtspraxis ein. Für den Vergütungsbereich liegen derzeit 23 Fragen und Antworten vor (Stand: 29.5.2020).

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Vergütung

Leitlinien sahen (und sehen) nahezu alle mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen die Möglichkeit vor, von der Einhaltung besonders anspruchsvoller Vergütungsvorgaben etwa im Falle kleinerer Institute abzusehen (sog. Waiver-Regime). Die nationalen Umsetzungsregelungen waren (und sind) dabei jedoch sehr unterschiedlich ausgestaltet – in Deutschland etwa i. S. eines gestuften Systems für bedeutende und nicht bedeutende Institute.41) Um einer einheitlicheren Umsetzung in den Mitgliedstaaten Sorge zu tragen, sah der Entwurf der EBA-Leitlinien vom 4.3.201542) eine unterschiedslose Anwendung aller Vorgaben durch alle (CRR-)Institute vor. Dabei berief sich die EBA – nach Abstimmung mit der Kommission – auf eine Interpretation der CRD IV, welche eine solche unterschiedslose Anwendung (angeblich) vorschrieb. Dies war überraschend und letztlich auch nicht haltbar, zumal sich die relevanten Regelungen im Vergleich zur CRD III überhaupt nicht geändert hatten.43) 19 Auf heftigen (und berechtigten) Widerstand der Industrie und auch der Mitgliedstaaten hin, sah die EBA schließlich von ihrem Vorhaben ab und nahm in den finalen EBA-Leitlinien eine „neutrale Haltung“ im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip ein. Gleichzeitig mit den EBA-Leitlinien veröffentlichte die EBA am 21.12.2015 eine Stellungnahme zum Verhältnisprinzip, die Vorschläge für eine Änderung der CRD IV enthielt.44) Diese Vorschläge sahen v. a. ein einheitliches Waiver-Regime für kleine und nicht komplexe Institute sowie für Mitarbeiter mit einem nur geringen Anteil an variabler Vergütung vor und wurden durch die Kommission aufgegriffen. In ihrem Bericht zur Bewertung der Vergütungsbestimmungen des CRD IV-Pakets45) kam die Kommission zu dem Schluss, dass eine unterschiedslose Anwendung der Vergütungsanforderungen auf alle Institute und alle Mitarbeiter nicht effizient sei und schlug am 23.11.2016 eine entsprechende Änderung i. R. der Capitel Requirements Directive V (CRD V) vor.46) Über die konkrete Ausgestaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips wurde im Anschluss intensiv gerungen, bevor der Rat und das Europäische Parlament i. R. der Trilog-Verhandlungen zum sog. Bankenpaket im Frühjahr 2019 auch in diesem Punkt eine Einigung erzielten. Die am 20.5.2019 verabschiedete CRD V47) sieht nun neben einer Reihe weiterer Änderungen im

___________ 41) Für einen Überblick, vgl. EBA, Review of the application of the principle of proportionality to the remuneration provisions in Directive 2013/36/EU, v. 21.11.2016 (EBA-Op-2016-20). 42) EBA, Consultation Paper, Draft Guidelines on sound remuneration policies under Articles 74(3) and 75(2) of Directive 2013/36/EU and disclosures under Article 450 of Regulation (EU) No 575/2013, v. 4.3.2015 (EBA/CP/2015/03). 43) Vgl. dazu die Stellungnahme der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) zum Entwurf der EBA-Leitlinien (DK, Comments on Draft Guidelines on sound remuneration policies under Article 74(3) and 75(2) of Directive 2013/36/EU and disclosures under Article 450 of Regulation (EU) No 575/2013, v. 3.6.2015), samt Gutachten von Schuster/Glasow zur Reichweite des Verhältnismäßigkeitsprinzips vor dem Hintergrund der internationalen und europäischen Vergütungsregeln. 44) Dabei erkannte die EBA ausdrücklich an, dass ihr mit den (rechtlich nicht verbindlichen) Leitlinien kein geeignetes Mittel zur Verfügung steht, um mitgliedstaatliches Umsetzungsrecht außer Kraft zu setzen, vgl. EBA, Opinion of the EBA on the application of the principle of proportionality to the remuneration provisions in Directive 2013/36/EU, v. 21.12.2015 (EBA/Op/2015/25), Rz. 21. 45) Kommission, Bericht an das Europäische Parlament und den Rat, Bewertung der Vergütungsbestimmungen der Richtlinie 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 28.7.2016, COM(2016) 510 final. 46) Vgl. Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen, v. 23.11.2016, COM(2016) 854 final. 47) Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019.

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I. Überblick

Vergütungsbereich insbesondere ein weitgehend vereinheitlichtes europäisches WaiverRegime vor.48) Parallel zu den Arbeiten an der CRD V vollzog sich schließlich noch eine weitere, für die 20 europäische Vergütungsregulierung grundlegende Entwicklung, nämlich die Überarbeitung des aufsichtsrechtlichen Rahmens für Wertpapierfirmen. Hintergrund dieser Überarbeitung war die Überlegung, dass die vornehmlich für Banken entwickelten und im Laufe der Zeit immer komplexer gewordenen Vorschriften der CRD/CRR den unterschiedlichen Geschäftsprofilen und Risiken von Wertpapierfirmen nicht (mehr) in vollem Umfang Rechnung trugen. Auf der Basis von Vorarbeiten der EBA schlug die Kommission Ende 2017 entsprechend einen neuen, stärker auf die Risikoprofile und Geschäftsmodelle der Wertpapierfirmen ausgerichteten Aufsichtsrahmen vor, welcher Wertpapierfirmen in drei Klassen mit jeweils unterschiedlichen Risikoprofilen unterteilte, nämlich „bankähnliche“ systemrelevante Wertpapierfirmen (Klasse 1), kleine und nicht verflochtene Wertpapierfirmen (Klasse 3) und sonstige Wertpapierfirmen (Klasse 2).49) Diese Dreiteilung, welche mit unterschiedlichen aufsichtsrechtsrechtlichen Anforderungen einhergeht, liegt auch dem letztlich am 27.11.2019 verabschiedeten neuen Aufsichtsrahmen, bestehend aus der IFD (Investment Firms Directive)50) und IFR (Investment Firms Regulation)51), zugrunde. Was die einzuhaltenden Vergütungsvorgaben anbelangt, ist künftig für Wertpapierfirmen wie folgt zu differenzieren: x

Wertpapierfirmen der Klasse 1 werden wie Kreditinstitute behandelt und unterliegen wie diese den Vergütungsregeln der CRD/CRR;

x

Wertpapierfirmen der Klasse 2 unterliegen eigenen Vergütungsregeln nach IFD/IFR, welche sich zwar grundsätzlich eng an die Vorgaben nach CRD/CRR anlehnen, jedoch gewisse Erleichterungen vorsehen – insbesondere findet das Bonus Cap keine Anwendung (vgl. insbesondere Artt. 30 – 34 IFD und Art. 51 IFR);

x

Wertpapierfirmen der Klasse 3 sind von der Einhaltung prudentieller Vergütungsregeln (nach CRD/CRR oder IFD/IFR) komplett befreit und haben allein die verhaltensbezogenen Vergütungsregeln nach MiFID II52) zu erfüllen (siehe dazu unten Rz. 28).53)

b)

Deutsche Vergütungsregulierung

Der soeben beschriebene Prozess einer immer dichteren und strengeren Regulierung von 21 Vergütungsvorgaben im Bereich der Banken und Wertpapierfirmen findet auf Ebene der deutschen Umsetzung seine Entsprechung. In einigen Punkten ging Deutschland aber auch eigene Wege, in anderen sogar noch über die europäischen Vorgaben hinaus. Eigene ___________ 48) Vollständig vereinheitlicht wurde das Waiver-Regime indes auch durch CRD V nicht. Vielmehr können die Mitgliedstaaten von den auf Instituts- und Mitarbeiterebene festgelegten Schwellenwerten abweichen, um den Besonderheiten der nationalen Märkte Rechnung zu tragen, vgl. Art. 94 Abs. 4 und Abs. 5 CRD. Ein Abweichen ist jedoch im Vergleich zur CRD a. F. nur noch punktuell und in engeren Grenzen möglich. Die EBA ist zudem nach Art. 94 Abs. 7 CRD berufen, Leitlinien für eine kohärente Anwendung der Waiver-Regelungen zu erlassen. 49) Vgl. Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 2013/36/EU und 2014/65/ EU, v. 20.12.2017, COM(2017) 791 final. 50) Richtlinie (EU) 2019/2034 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 – Investment Firm Directive (IFD), ABl. (EU) L 314/64 v. 5.12.2019. 51) Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27.11.2019 – Investment Firms Regulation (IFR), ABl. (EU) L 314/1 v. 5.12.2019. 52) Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID II), ABl. (EU) L 173/349 v. 12.6.2014. 53) Vgl. hierzu im Detail (allerdings noch zur Entwurfsfassung) Döser, jurisPR-BKR 11/2018 Anm. 1.

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Vergütung

Wege ging Deutschland mit dem Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG).54) Das VorstAG, das mit „Lehren aus der Finanzmarktkrise“ begründet wurde, verfolgte den Zweck, Anreize in der Vergütungsstruktur für Vorstandsmitglieder von (börsennotierten) Aktiengesellschaften allgemein, also unabhängig von der Zugehörigkeit zum Finanzsektor, in Richtung einer nachhaltigen und auf Langfristigkeit ausgerichteten Unternehmensführung zu stärken.55) Entsprechend war die Vergütungsstruktur nach § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG a. F. auf eine „nachhaltige Unternehmensentwicklung“ auszurichten. Durch das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrichtlinie56) (ARUG II)57) wurde der Wortlaut angepasst. Nunmehr ist die Vergütungsstruktur nach § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG auf eine „nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft“ auszurichten, wodurch klargestellt werden soll, dass der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Vergütung, insbesondere der Wahl der Vergütungsanreize, auch soziale und ökologische Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen hat.58) 22 Besondere Vergütungsregeln für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute folgten schrittweise. Nachdem erste prinzipienorientierte Regelungen zunächst in die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) integriert worden waren,59) verfolgte die Bundesregierung zur schnellstmöglichen Umsetzung der internationalen (und europäischen) Vorgaben einen dreistufigen Ansatz. Dieser bestand aus einer Selbstverpflichtungserklärung der größten Banken und Versicherungen, einem separaten Vergütungs-Rundschreiben der BaFin60) und sodann aus dem Gesetz über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen (VergAnfG).61) Das VergAnfG ergänzte die von einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation umfassten Anforderungen an ein wirksames Risikomanagement von Instituten um „angemessene, transparente und auf eine nachhaltige Entwicklung des Instituts ausgerichtete Vergütungssysteme für Geschäftsleiter und Mitarbeiter“.62) Zur Konkretisierung dieser Generalklausel führte das VergAnfG eine Rechtsverordnungsermächtigung ein, auf deren Grundlage am 6.10.2010 die Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergü-

___________ 54) Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung – VorstAG, v. 31.7.2009, BGBl. I 2009, 2509. 55) Beschlussempfehlung und Bericht d. RA z. VorstAG, BT-Drucks. 16/13433, S. 1; vgl. zum Aspekt der Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang etwa Wagner, AG 2010, 774 ff.; daneben auch Röttgen/ Kluge, NJW 2013, 900 ff., und Louven/Ingwersen, BB 2013, 1219 ff., zu der schon seinerzeit diskutierten Frage, ob nachhaltige Vorstandsvergütung neben ökonomischen auch Aspekte ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit einbeziehen muss. 56) Richtlinie (EU) 2017/828 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.5.2017 – Aktionärsrechterichtlinie II (ARRL II), ABl. (EU) L 132/1 v. 20.5.2017. 57) Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie – ARUG II, v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2637. 58) Beschlussempfehlung und Bericht d. RA z. ARUG II, BT-Drucks. 19/15153, S. 62; vgl. dazu auch Velte, NZG 2020, 12 ff. Daneben sieht das ARUG II ein Votum der Hauptversammlung über das als Rahmenregelung für die zukünftige Vergütung angelegte Vergütungssystem vor, wie auch einen Vergütungsbericht mit dem vergangene Zahlungen offenzulegen sind, vgl. hierzu Habersack, NZG 2018, 127; Diekmann, WM 2018, 796. 59) BaFin, Rundschreiben 15/2009 (BA), MaRisk, v. 14.8.2009; vgl. dazu Langen/Schielke/Zöll, BB 2009, 2479 ff. 60) BaFin, Rundschreiben 22/2009 (BA), Aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten, v. 21.12.2009; vgl. speziell hierzu Leßmann/Hopfe, DB 2010, 54 ff. 61) Gesetz über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen – VergAnfG, v. 21.7.2010, BGBl. I 2010, 950. 62) Die Einordung der Vergütungsanforderungen als Bestandteil des Risikomanagements hat etwa zur Folge, dass das Vergütungssystem eines Instituts Gegenstand eines Prüfungsschwerpunkts gemäß § 30 KWG oder einer Sonderprüfung nach § 44 KWG sein kann.

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I. Überblick

tungssysteme von Instituten (InstitutsVergV)63) erging. Die InstitutsVergV bildet seitdem das Kernstück der deutschen Vergütungsregulierung im Bankbereich. Sie orientiert sich weitgehend an den europäischen Vorgaben64) und unterscheidet in ihrer Struktur zwischen für alle Institute geltenden und an alle Mitarbeiter gerichteten allgemeinen Vergütungsanforderungen und deutlich anspruchsvolleren besonderen Anforderungen, die nur für bedeutende Institute und die Vergütungssysteme von Geschäftsleitern und (sonstigen) Risikoträgern von Relevanz sind. Infolge des CRD IV-Pakets entstand erneuter Anpassungsbedarf. Diese Anpassung wur- 23 de durch das CRD IV-Umsetzungsgesetz vom 28.8.201365) vollzogen und betrifft insbesondere die Einführung des sog. „Bonus Cap“ in § 25a Abs. 5 KWG. Indem das „Bonus Cap“ für sämtliche Mitarbeiter gilt und nicht auf Risikoträger beschränkt wurde, ging der deutsche Gesetzgeber in diesem Punkt sogar über die europäischen Vorgaben hinaus. In der Folge wurde auch die InstitutsVergV neu gefasst (InstitutsVergV 2014, anwendbar ab 1.1.2014),66) in ihrem Umfang erheblich erweitert und durch die BaFin eigens mit einer Auslegungshilfe67) versehen. Nachdem die InstitutsVergV in Umsetzung der europäischen Wohnimmobilienkredit- 24 richtlinie bereits geringfügig ergänzt worden war,68) stand Mitte 2016 die Umsetzung der Vorgaben der EBA-Leitlinien an. Zu diesem Zweck stellte die BaFin am 10.8.2016 den Entwurf einer überarbeiteten InstitutsVergV samt überarbeiteter und erheblich erweiterter Auslegungshilfe zur Konsultation.69) In diesem Konsultationsentwurf folgte die BaFin weitgehend den EBA-Leitlinien, wich jedoch auch in einigen Punkten von diesen ab.70) Insbesondere aber nutzte die BaFin in noch stärkerem Maße die Spielräume aus, die das europäische Recht für eine verhältnismäßige Umsetzung der Vergütungsregeln belässt. So behielt sie nicht nur die bewährte Unterscheidung zwischen bedeutenden und nicht bedeutenden Instituten bei, sondern differenziert zudem zwischen CRR-Instituten nach europäischem Recht und Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten nach deutschem Recht. Für letztere Differenzierung wurde durch das FMSA-Neuordnungsgesetz vom 23.12.201671) ___________ 63) Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten – Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV), v. 6.10.2010, BGBl. I 2010, 1374; vgl. dazu Buscher, BaFin-Journal 1/2011, 13 ff.; Heuchemer/Kloft, WM 2010, 2241 ff.; zum Entwurf bereits MüllerBonanni/Mehrens, NZA 2010, 792 ff. 64) Unterschiede ergeben sich etwa daraus, dass den europäischen Vorgaben (zumindest implizit) das monistische und nicht das deutsche dualistische System des Leitungsorgans zugrunde liegt. 65) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen – CRD IV-Umsetzungsgesetz, v. 28.8.2013, BGBl. I 2013, 3395. 66) Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten – Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV 2014), v. 16.12.2013, BGBl. I 2013, 4270; vgl. dazu Insam/ Hinrichs/Hörtz, WM 2014, 1415 ff.; Merkelbach, WM 2014, 1990 ff.; s. a. die nachgereichte Begründung der BaFin zur InstitutsVergV, v. 7.3.2014. 67) BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2014, v. 1.1.2014. 68) Vgl. Art. 13 des Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften, v. 11.3.2016, BGBl. I 2016, 396. 69) Vgl. BaFin, Konsultation 8/2016, Änderung der InstitutsVergV, v. 10.8.2016. 70) Hervorzuheben ist die börsennotierten Instituten eingeräumte Möglichkeit, neben Aktien auch aktienbasierte Instrumente für Vergütungszwecke zu nutzen, vgl. allgemein zur Umsetzung der EBALeitlinien in den Mitgliedstaaten, EBA, Guidelines compliance table, v. 30.8.2016, Stand: 26.11.2018 (EBA/GL/2015/22 Appendix 1). 71) Gesetz zur Neuordnung der Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung – FMSANeuordnungsgesetz (FMSANeuOG), v. 23.12.2016, BGBl. I 2016, 3171.

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Vergütung

in § 25a Abs. 6 Satz 1 Nr. 6 KWG auch eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage geschaffen.72) 25 Die Verabschiedung der InstitutsVergV zog sich in der Folge hin. Hintergrund der Verzögerung war, dass die BaFin nach Auswertung der Stellungnahmen und insbesondere vor dem Hintergrund der sich bereits abzeichnenden CRD V von einigen im Konsultationsentwurf vorgesehenen Änderungen wieder Abstand nahm und zunächst die weitere Entwicklung auf europäischer Ebene abwarten wollte. Dies betraf v. a. die Pflicht zur Risikoträger-Identifizierung sowie die gruppenweite Anwendung der Vergütungsanforderungen.73) In der Folge legte die BaFin am 19.1.2017 noch einen überarbeiteten Entwurf vor, bevor die neue InstitutsVergV74) (InstitutsVergV 2017) schließlich am 25.7.2017 in nochmals geänderter Fassung erlassen wurde und am 4.8.2017 in Kraft trat. Mit nochmals beträchtlicher Verzögerung folgte am 15.2.2018 die aktualisierte Fassung der Auslegungshilfe,75) welche im Vergleich zur Konsultationsfassung nochmals erheblich an Umfang gewann und einige Änderungen bereithielt. Während die BaFin in vielen Fällen schlicht noch mehr Inhalt aus den EBA-Leitlinien in die Auslegungshilfe übertrug, setzte sie daneben aber auch eigene Akzente, vor allem in Bezug auf die Konkretisierung der Anforderungen an die sog. explizite Risikoadjustierung. 26 Eine rein technische Anpassung der Vergütungsvorgaben erfolgte zuletzt im Zuge des Brexit-Steuerbegleitgesetzes vom 25.3.2019,76) das in § 25a Abs. 5a KWG eine Lockerung des Kündigungsschutzes für Risikoträger bedeutender Institute einführte.77) Dies bedingte die (formal-) gesetzliche Definition bzw. Regelung der Ermittlung von Risikoträgern (vgl. § 1 Abs. 21, § 25a Abs. 5b KWG) und der Einstufung als bedeutendes Institut (vgl. § 25n KWG). Aufgrund der Verschiebung dieser Regelungsinhalte in das KWG, wurde die entsprechenden Regelungen in der InstitutsVergV (§§ 17 und 18 Abs. 2 InstitutsVergV) in der Folge aufgehoben.78)

___________ 72) Vgl. die Begr. RegE FMSANeuOG, BT-Drucks. 18/9530, S. 57: „Die Regelung wird eingefügt, um bei der anstehenden Überarbeitung der Institutsvergütungsverordnung zwischen CRR-Instituten, die alle unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf ihre Vergütungssysteme erfüllen müssen, und den sonstigen Instituten differenzieren zu können. Ziel einer solchen Differenzierung ist es, die Proportionalität der Anforderungen an die Vergütungssysteme stärker berücksichtigen zu können […]“. 73) Entgegen den Vorgaben der EBA-Leitlinien haben danach nicht alle (CRR-)Institute, sondern nur bedeutende Institute, Risikoträger zu identifizieren. Zudem sind nachgeordnete Unternehmen, die bereits unter die sektorspezifischen Vergütungsvorschriften der AIFM- bzw. UCITS-Richtlinie fallen, nicht in die gruppenweite Vergütungsstrategie miteinzubeziehen. 74) Verordnung zur Änderung der Institutsvergütungsverordnung – InstitutsVergV 2017, v. 25.7.2017, BGBl. I 2017, 3042; vgl. dazu Rubner/Raible, NZG 2017, 1052 ff.; Tusch/Schuster/Herzberg, WM 2017, 2289 ff.; Fischbach, WM 2018, 1491 ff.; Hinrichs/Tacou, BKR 2018, 313 ff.; sowie allgemein Buscher/ v. Harbou/Link/Weigl, InstitutsVergV. 75) BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018. 76) Gesetz über steuerliche und weitere Begleitregelungen zum Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union – Brexit-Steuerbegleitgesetz (BrexitStBG), v. 25.3.2019, BGBl. I 2019, 357. 77) Die Frage, ob ein Mitarbeiter zu Recht als Risikoträger eingestuft wurde, kann sich künftig vor Arbeitsgerichten zu einem Streitpunkt entwickeln. Ob ein Mitarbeiter tatsächlich Risikoträger ist, gehört nämlich zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 25a Abs. 5a KWG und ist deshalb durch die ArbG voll überprüfbar, vgl. hierzu Müller-Bonanni/Jenner, die bank 3/2019, 64 ff. 78) Zweite Verordnung zur Änderung der Institutsvergütungsverordnung, v. 15.4.2019, BGBl. I 2019, 486. Die bisherige Definition des Risikoträgerbegriffs in § 2 Abs. 8 Satz 1 InstitutsVergV blieb indes unverändert bestehen, um sicherzustellen, dass für Zwecke der InstitutsVergV auch die Geschäftsleiter bedeutender Institute von der Definition umfasst sind.

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§ 12

I. Überblick c)

Verhaltensbezogene Vergütungsregeln mit Fokus auf Kundenschutz

Neben die bislang dargestellten Vergütungsregeln, welche sich mit ihrem Fokus auf die 27 Stabilität des Einzelinstituts und des Finanzsystems als Ganzem in die klassische „prudentielle“ Bankenregulierung einfügen, tritt ein zweiter Strang an Vergütungsregeln. Dieser verfolgt eine andere Zielrichtung und adressiert Risiken, die für das Kundeninteresse bestehen. Diese verhaltensbezogenen Vergütungsregeln sind grundsätzlich neben den prudentiellen Regeln anwendbar und ergänzen diese um zusätzliche Anforderungen insbesondere für solche Mitarbeiter, die in den Vertrieb von Finanzprodukten an die Kunden involviert sind. Solche verhaltensbezogenen Vergütungsregeln bestehen zunächst im Bereich der Wert- 28 papierdienstleistungen. In Ausgestaltung der in der MiFID I79) enthaltenen Regelungen zu Interessenkonflikten und zur Verpflichtung von Wertpapierfirmen im besten Interesse ihrer Kunden zu handeln, erließ die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) am 11.6.2013 Leitlinien zu Vergütungsgrundsätzen und -verfahren, welche durch die BaFin in Modul BT 8 der MaComp80) in die deutsche Verwaltungspraxis umgesetzt wurden. Im Fokus dieser Regelungen, welche auch für Kreditinstitute gelten, die Wertpapierdienstleistungen erbringen, stehen Vorgaben zur Verwendung und Bemessung von variablen Vergütungskomponenten, insbesondere zu deren Angemessenheit sowie zur Nutzung geeigneter (qualitativer) Bemessungskriterien, um die Interessen relevanter Personen bzw. des Wertpapierdienstleistungsunternehmens mit den Kundeninteressen in Einklang zu bringen.81) Im Rahmen der MiFID II wurden vergütungsbezogene Vorgaben unmittelbar im Richtlinientext verankert82) und durch Regelungen in der Delegierten Verordnung (EU) 2017/56583) (insbesondere Art. 27) näher ausgestaltet. Genau wie das deutsche Umsetzungsrecht,84) finden diese neuen Regelungen, die im Wesentlichen den ESMA-Leitlinien nachgebildet sind, seit dem 3.1.2018 Anwendung.85) Komplementäre Vorgaben wurden zudem im Bereich des Privatkunden-Banking ge- 29 schaffen. Die diesbezüglichen EBA-Leitlinien86) enthalten Anforderungen an die Konzeption und Umsetzung der (Vertriebs-)Vergütung im Einlagen- und Kreditgeschäft sowie im Zahlungsverkehr, welche die Berücksichtigung der Verbraucherinteressen sicherstellen sollen. Die Leitlinien, die neben (CRR-)Kreditinstituten auch auf Zahlungs- und ___________ 79) Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID I), ABl. (EU) L 145/1 v. 30.4.3004. 80) BaFin, Rundschreiben 5/2018 (WA), MaComp, v. 19.4.2018, Stand: 29.4.2020 (WA 31-Wp 20022017/0011). 81) „Relevante Personen“ sind solche, die Wertpapier(neben)dienstleistungen oder das allgemeine Verhalten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens in Bezug auf Kundeninteressen maßgeblich beeinflussen und mitgestalten können, insb. Personen, die unmittelbar in Kundenkontakt stehen. Sofern auf diese Personen auch die prudentiellen Regeln, insb. der InstitutsVergV, Anwendung finden, gehen diese im Kollisionsfall vor, vgl. BT 8.1 Rz. 1 MaComp. 82) Vgl. insb. Art. 9 Abs. 3 und Artt. 16, 23 und 24 MiFID II. 83) Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission v. 25.4.2016, ABl. (EU) L 87/1 v. 31.3.2017. 84) Vgl. insb. §§ 63 Abs. 3, 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und § 81 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG i. d. F. des Zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte – Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz (2. FiMaNoG), v. 23.6.2017, BGBl. I 2017, 1693. 85) Eine Anpassung der MaComp an die MiFID II-Vorgaben ist noch nicht erfolgt. Das betreffende Modul BT 8 der MaComp soll im Anschluss an die Veröffentlichung der neu gefassten ESMA-Leitlinien überarbeitet werden, vgl. BaFin, BaFin, Rundschreiben 5/2018 (WA), MaComp, v. 19.4.2018, Stand: 29.4.2020 (WA 31-Wp 2002-2017/0011). 86) EBA, Final Report, Guidelines on remuneration policies and practices related to the sale and provision of retail banking products and services, v. 28.9.2016 (EBA/GL/2016/06). S. dazu Döser, jurisPR-BKR 3/2016 Anm. 1; Riesenfelder/Johler, ZFR 8/2016, 410.

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§ 12

Vergütung

E-Geld-Institute Anwendung finden, gelten seit dem 13.1.201887) und wurden durch die BaFin für (CRR-)Kreditinstitute in die InstitutsVergV 2017 integriert. d)

Vergütungsregeln für andere Sektoren der Finanzbranche

30 Entsprechend den ursprünglichen Planungen der Kommission wurden die in der Empfehlung 2009/384/EG enthaltenen Vergütungsgrundsätze auch in anderen Sektoren der Finanzbranche in verbindliche Rechtsakte überführt. Dies betrifft zunächst den Investmentbereich. Im Jahre 2011 wurden in Art. 13 i. V. m. Anhang II der AIFM-Richtlinie (Alternative Investment Fund Managers Directive)88) Vorgaben für die Vergütung von Managern alternativer Investmentfonds eingeführt, die den Vorgaben der CRD III textlich weitgehend entsprechen, jedoch insbesondere die Zielrichtung verfolgen, die Vergütungssysteme an den Anlegerinteressen auszurichten.89) Vergleichbare Anforderungen wurden im Jahre 2014 auch für Verwalter von OGAW-Publikumsfonds erlassen.90) Bei den Beratungen zur UCITS V-Richtlinie (Undertakings for Collective Investment in Transferable Securities Directive) hatte der Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments versucht, auch im Fondsbereich ein Bonus Cap einzuführen, scheiterte damit aber letztlich im Plenum.91) Wie im Bankensektor werden auch die Vergütungsvorgaben im Investmentbereich durch (ESMA-)Leitlinien weiter konkretisiert.92) Über den Investmentbereich hinaus von Interesse sind die Vorgaben der OGAW-Vergütungsleitlinien für das Zusammenspiel verschiedener sektorspezifischer Vergütungsregeln, insbesondere für den Fall, dass ein Mitarbeiter Dienstleistungen erbringt, die unterschiedlichen Vergütungsgrundsätzen (etwa des Bank- und des Investmentbereichs) unterliegen.93) In Deutschland wurden die europäischen Vorgaben durch § 37 KAGB umgesetzt.94) Eine der InstitutsVergV entsprechende Verordnung wurde für den Investmentbereich – trotz bestehender Verordnungsermächtigung – bislang nicht erlassen. Die BaFin richtet daher ihre Verwaltungspraxis einstweilen an den ESMA-Leitlinien aus.95) ___________ 87) Die EBA-Leitlinien gelten unbeschadet der Anwendung strengerer Anforderungen, die in den maßgeblichen sektoralen Rechtsvorschriften, insb. der InstitutsVergV, festgelegt sind, vgl. EBA, Final Report, Guidelines on remuneration policies and practices related to the sale and provision of retail banking products and services, v. 28.9.2016 (EBA/GL/2016/06), Rz. 9 und 14. 88) Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 8.6.2011 – AIFM-Richtlinie, ABl. (EU) L 174/1 v. 1.7.2011. 89) Krit. bzgl. dieser „Copy-paste-Gesetzgebung“ vor dem Hintergrund eines unterschiedlichen Regulierungsbedürfnisses für Investmentfonds und Banken, Engert, ZBB 2014, 108, 117 f. Aus der Ausrichtung der Vergütung an den Anlegerinteressen folgt etwa, dass variable Vergütung in Form von Instrumenten grundsätzlich in Anteilen des verwalteten Fonds zu zahlen ist. 90) Richtlinie 2014/91/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.7.2014 – OGAW V-Richtlinie, ABl. (EU) L 257/186 v. 28.8.2014; vgl. dazu Klebeck/Boxberger, GWR 2014, 253 ff. 91) Vgl. die Nachweise bei Engert, ZBB 2014, 108, 118. 92) Vgl. ESMA, Leitlinien für solide Vergütungspraktiken unter Berücksichtigung der AIFMD, v. 3.7.2013 (ESMA/2013/232), zul. geändert durch Leitlinien für solide Vergütungspraktiken unter Berücksichtigung der AIFMD, v. 14.10.2016 (ESMA/2016/579); ESMA, Leitlinien für solide Vergütungspolitiken unter Berücksichtigung der OGAW-Richtlinie, v. 14.10.2016 (ESMA/2016/575). Genau wie im Bankbereich war auch im Investmentbereich das Verhältnismäßigkeitsprinzip Gegenstand von Diskussionen, vgl. dazu das Schreiben der ESMA, Letter of Steven Maijoor, Proportionality principle and remuneration rules in the financial sector, v. 31.3.2016 (ESMA/2016/412). 93) Vgl. ESMA, Leitlinien für solide Vergütungspolitiken unter Berücksichtigung der OGAW-Richtlinie, v. 14.10.2016 (ESMA/2016/575), Rz. 30 – 35. 94) Vgl. zur deutschen Umsetzung Insam/Heisterhagen/Hinrichs, DStR 2014, 913 ff. 95) Vgl. BaFin, Schreiben zur Anwendung der „Leitlinien für solide Vergütungspolitiken unter Berücksichtigung der OGAW-Richtlinie und der AIFMD“ von ESMA, v. 22.7.2013, Stand: 1.11.2016 (WA 41-Wp 2137-2013/0037).

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§ 12

II. Institutsvergütungsverordnung

Im Versicherungssektor hatte die Vorgängerin der heutigen europäischen Versicherungs- 31 aufsichtsbehörde EIOPA (CEIOPS) bereits im Oktober 2009 sechs Vergütungsprinzipien zur Konkretisierung der Vorgaben der Solvency II-Richtlinie96) vorgeschlagen.97) Diese Vorgaben wurden durch Art. 275 Solvabilität II-VO98) in eine verbindliche Form überführt und weiter konkretisiert. Die Vergütungsvorgaben im Versicherungsbereich lehnen sich genau wie die im Investmentbereich an die Vorgaben im Bankensektor an, sind jedoch weniger streng. So wurde etwa auch im Versicherungsbereich kein Bonus Cap eingeführt.99) Im deutschen Recht fanden sich die Vergütungsanforderungen zunächst in § 64b VAG a. F., seit Umsetzung der Solvency II-Richtlinie sind sie in §§ 25, 34 Abs. 2 VAG geregelt. Wie im Bankbereich wurden die Vorgaben durch eine Verordnung, die Versicherungs-Vergütungsverordnung (VersVergV), näher konkretisiert,100) werden jedoch nach § 1 Abs. 2 Satz 1 VersVergV teilweise durch Art. 275 Solvabilität II-VO überlagert.101) II.

Institutsvergütungsverordnung

1.

Grundlagen, Auslegung und zeitliche Anwendung

In Umsetzung der Vorgaben der FSB-Prinzipien und –Standards und der in Art. 92 32 Abs. 2 lit. a und b der CRD a. F. festgelegten Grundprinzipien zielen die deutschen Vergütungsregeln auf eine stärkere Ausrichtung der Vergütungsstrukturen auf den längerfristigen Erfolg des Unternehmens und die angemessene Berücksichtigung eingegangener Risiken ab. Gesetzliche Grundlage ist § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 KWG, der die (Mindest-)Anforderungen an das Risikomanagement von Instituten um „angemessene, transparente und auf eine nachhaltige Entwicklung des Instituts ausgerichtete Vergütungssysteme“ ergänzt. § 25a Abs. 6 KWG ermächtigt die BaFin102) nähere Bestimmungen durch Rechtsverordnung zu erlassen, wobei sie dabei das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu berücksichtigen hat (Satz 2). Von dieser Ermächtigung hat die BaFin mit Erlass der InstitutsVergV Gebrauch gemacht. Die Regelungen der InstitutsVergV werden durch weitere Vergütungsvorgaben ergänzt. 33 Dies betrifft zum einen Vorgaben des KWG (insbesondere §§ 10i Abs. 3 Satz 3 Nr. 2, 24 Abs. 1 Nr. 14 bis 14b, Abs. 1a Nr. 6 bis 8 und Abs. 1c, 25a Abs. 5, 5b und 5c, 25d Abs. 5, 6, 7, 8 und 12, 25n und 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a und 6 KWG), zum anderen unmittelbar anwendbares Unionsrecht (insbesondere Art. 450 CRR und die den Delegierten Ver___________ 96) Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2009 – Solvabilität II, ABl. (EU) L 335/1 v. 17.12.2009. 97) CEIOPS, Advice for Level 2 Implementing Measures on Solvency II: Remuneration Issues, v. 10/2009 (CEIOPS-DOC-51/09). 98) Delegierte Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission v. 10.10.2014 – Solvabilität II, ABl. (EU) L 12/1 v. 17.1.2015. 99) Vertriebsbezogene Vergütungsregeln finden sich daneben in Artt. 17 Abs. 3, 19 und 29 der neugefassten Versicherungsvertriebs-Richtlinie (IDD), vgl. Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.1.2016, ABl. (EU) L 26/19 v. 2.2.2016; vgl. dazu Teichler, VersR 2016, 1088, 1089; Gruber/Baier, VersR 2018, 1093. Die deutsche Umsetzung erfolgte in § 48a VAG und §§ 14, 15 der Verordnung über die Versicherungsvermittlung und –beratung – Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV), v. 17.12.2018, BGBl. I 2018, 2483. 100) Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme im Versicherungsbereich – Versicherungs-Vergütungsverordnung (VersVergV), v. 6.10.2010, BGBl. I 2010, 1379; vgl. Annuß/ Sammet, BB 2011, 115 ff.; sowie Armbrüster, VersR 2011, 1 ff. Die Verordnung wurde am 18.4.2016, insb. unter Berücksichtigung der Vorgaben in Art. 275 Solvabilität II-VO, neu gefasst, s. BGBl. I 2016, 763. 101) S. a. die Auslegungsentscheidung der BaFin, Aspekte der Vergütung (Art. 275 DVO (EU) 2015/35), v. 20.12.2016 (VA 52-I 2510-2016/0006); vgl. hierzu Kruchen, VersR 2017, 198 ff.; daneben auch Dreher/ Gerigk, WM 2018, 1433 ff. 102) S. § 1 Satz 1 Nr. 5 Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFinBefugV, v. 13.12.2002, BGBl. I 2003, 3.

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§ 12

Vergütung

ordnungen (EU) Nr. 604/2014 sowie Nr. 527/2014103) zu entnehmenden technischen Regulierungsstandards zur Risikoträgeridentifikation bzw. zu bail-in-fähigen Instrumenten). Kreditinstitute, für die die Europäische Zentralbank (EZB) zuständige Aufsichtsbehörde nach § 1 Abs. 5 KWG ist, haben bei der Risikoträgeridentifikation zudem den Beschluss (EU) 2015/2218104) zu beachten. 34 Für die Auslegung der InstitutsVergV ist die Auslegungshilfe der BaFin von überragender Bedeutung. Daneben sind aber insbesondere auch die EBA-Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik zu berücksichtigen, welche durch die InstitutsVergV umgesetzt werden. Zu beachten ist dabei indes, dass sich die EBA-Leitlinien an die zuständigen Aufsichtsbehörden (EZB und BaFin) richten und für die Institute nicht unmittelbar verbindlich sind.105) In ihrer Aufsichtspraxis werden sich die EZB und die BaFin damit zwar an den EBA-Leitlinien orientieren, können daraus jedoch nur insofern (verbindliche) Anforderungen an die Institute herleiten, als diese im Einklang mit geltendem Gesetzesrecht, insbesondere dem KWG und der InstitutsVergV, stehen.106) Der Vorrang des Gesetzesrechts wird in Zukunft noch genauer zu beachten sein, da die InstitutsVergV in einigen Punkten von den EBA-Leitlinien abweicht.107) Dieselben Grundsätze gelten für die Antworten der EBA im sog. Q&A-Verfahren, daneben aber grundsätzlich auch für die Auslegungshilfe der BaFin.108) 35 Die InstitutsVergV 2017 trat am 4.8.2017 in Kraft. Ihre wesentlichen materiellen Neuerungen im Hinblick auf die Vergütungsausgestaltung waren jedoch erst mit Beginn des nach diesem Zeitpunkt liegenden Bemessungszeitraums anzuwenden, im Regelfall also ab 1.1.2018 (§ 28 Abs. 1 InstitutsVergV). Entsprechend galten auch die geänderten Offenlegungspflichten erstmals für den Bemessungszeitraum 2018 (§ 28 Abs. 3 InstitutsVergV). 2.

Anwendungsbereich, Zuständigkeit und Verfahren

a)

Anwendungsbereich (§§ 1 und 2 InstitutsVergV)

aa)

Institute

36 In Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und unter Verweis auf die heterogene Institutsstruktur in Deutschland109) verfolgt die InstitutsVergV ein gestuftes System hinsichtlich der Anwendung der Vergütungsanforderungen. Unterschieden wird zunächst grundlegend zwischen nicht bedeutenden und bedeutenden Instituten. ___________ 103) Delegierte Verordnung (EU) Nr. 527/2014 der Kommission v. 12.3.2014, ABl. (EU) L 148/21 v. 20.5.2014. 104) Beschluss (EU) 2015/2218 der Europäischen Zentralbank v. 20.11.2015 zum Verfahren bei Ausnahmen für Mitarbeiter von der Annahme ihres wesentlichen Einflusses auf das Risikoprofil eines beaufsichtigten Kreditinstituts (EZB/2015/38), ABl. (EU) L 314/66 v. 1.12.2015. 105) Vgl. Weber-Rey/Baltzer in: Hopt/Wohlmannstetter, Corporate Governance von Banken, S. 431, 447: Leitlinien der europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) haben keine rechtliche Verbindlichkeit, aber eine hohe faktische Bindungswirkung. 106) Nach europarechtlichen Grundsätzen gilt dies jedenfalls soweit das nationale Umsetzungsrecht (KWG und InstitutsVergV) selbst mit übergeordneten Unionsrecht (CRD) vereinbar und nicht seinerseits unionsrechtskonform auszulegen ist. Auch eine unionsrechtskonforme Auslegung findet indes ihre Grenze im Wortlaut des nationalen Umsetzungsrechts, vgl. zu diesen Grundsätzen etwa v. d. Groeben/Schwarze/ Hatje-Obwexer, Europäisches Unionsrechts, Art. 4 EUV Rz. 116 – 119. 107) Für diejenigen Bereiche, in denen keine Abweichung besteht, sind die EBA-Leitlinien dagegen wichtige Erkenntnisquellen. Dort finden sie auch Eingang in die Verwaltungspraxis und entfalten eine hohe faktische Bindungswirkung. 108) Die BaFin ist zwar gemäß § 25a Abs. 6 KWG i. V. m. § 1 Satz 1 Nr. 5 BaFinBefugV zum Erlass näherer Bestimmungen durch Rechtsverordnung ermächtigt, doch müssen sich diese i. R. der Ermächtigungsgrundlage halten. Zudem sind grundrechtsbeschränkende Regelungen – jedenfalls in ihrem wesentlichen Gehalt – in der Rechtsverordnung selbst zu treffen. Ungeachtet dessen bestimmt die Auslegungshilfe die Verwaltungspraxis. 109) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, Vorb., S. 4.

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§ 12

II. Institutsvergütungsverordnung

Die InstitutsVergV gilt gemäß § 1 Abs. 1 InstitutsVergV für alle Institute gemäß § 1 37 Abs. 1b KWG (Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute nach deutschem Recht) und § 53 Abs. 1 KWG,110) auf die § 25a KWG anzuwenden ist,111) und für die Vergütung sämtlicher Mitarbeiter dieser Institute. Für diese Institute gelten die allgemeinen Anforderungen an die Vergütungssysteme (§§ 3 – 16 InstitutsVergV). Die deutlich anspruchsvolleren besonderen Anforderungen (§§ 18 – 26 InstitutsVergV) finden nach § 1 Abs. 3 InstitutsVergV dagegen (zusätzlich) nur auf bedeutende Institute (§ 25n KWG) und die Vergütungssysteme von deren Risikoträgern Anwendung. Darüber hinaus differenziert die InstitutsVergV auch zwischen CRR-Instituten112) nach 38 europäischem Recht und Instituten nach deutschem Recht und macht damit von der in § 25a Abs. 6 Satz 1 Nr. 6 KWG eröffneten Möglichkeit Gebrauch, Institute, die keine CRR-Institute sind, vollständig oder teilweise aus dem Anwendungsbereich herauszunehmen.113) Entsprechend finden die Vorgaben zu Abfindungen und zur Offenlegung (§§ 5 Abs. 6 und 16 InstitutsVergV) keine Anwendung auf Institute, die weder ein CRRInstitut noch bedeutend gemäß § 25n KWG sind (vgl. § 1 Abs. 2 InstitutsVergV). Zu berücksichtigen sind schließlich Sonderregelungen für bestimmte Arten von Institu- 39 ten. So gilt zum einen für bestimmte Institute nach § 2 Abs. 7 bis 9h KWG das Bonus Cap gemäß § 25a Abs. 5 KWG nicht. Dies betrifft etwa Institute, welche ausschließlich Factoring oder Finanzierungsleasing betreiben. Zum anderen sieht die Auslegungshilfe zur InstitutsVergV die Möglichkeit vor, für sog. Förderinstitute – unter Berücksichtigung ihres besonderen Geschäftsmodells – von der Erfüllung bestimmter Anforderungen der InstitutsVergV abzusehen.114) bb)

Vergütung

Der Vergütungsbegriff gemäß § 2 Abs. 1 InstitutsVergV umfasst neben finanziellen Leis- 40 tungen und Sachbezügen jeder Art auch Leistungen von Dritten, die ein Mitarbeiter im Hinblick auf seine berufliche Tätigkeit für das Institut115) erhält. Zugrunde zu legen ist mit___________ 110) Unterhalten Drittstaatenunternehmen Zweigstellen in Deutschland gelten diese nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG per Fiktion als Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut i. S. des KWG (nicht hingegen als CRR-Institute i. S. des § 1 Abs. 3d Satz 3 KWG). Auf Zweigniederlassungen von EWR-Unternehmen nach § 53b Abs. 1 und 7 KWG findet die InstitutsVergV dagegen keine Anwendung. Nach den Grundsätzen des „Europäischen Passes“ (Herkunftslandprinzip) sind vielmehr die Vergütungsregeln im Heimatstaat maßgeblich. 111) § 25a KWG ist insb. dann nicht anzuwenden, wenn die BaFin Instituten eine Freistellung gemäß § 2 Abs. 4 KWG erteilt hat, vgl. dazu BaFin, Merkblatt zur Freistellung nach § 2 Abs. 4 für im Inland ansässige Institute, v. 26.2.2014, Stand: 26.11.2015. 112) CRR-Institute sind gemäß § 1 Abs. 3d Satz 1 – 3 KWG CRR-Kreditinstitute und CRR-Wertpapierfirmen nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 CRR. 113) Damit werden die Spielräume, die das europäische Recht für eine verhältnismäßige Umsetzung der Vergütungsregeln belässt, in noch stärkerem Maße ausgenutzt. Die Vorgaben der CRD gelten nur für CRR-Institute, vgl. Art. 1 lit. a CRD. Ob und welche Institute darüber hinaus von den Vergütungsregeln erfasst werden, ist Sache des nationalen Gesetzgebers. 114) „Förderinstitute“ sind Institute, die in den Geltungsbereich des Dritten Teils der zweiten Vereinbarung der Kommission mit der Bundesrepublik Deutschland über die Ausrichtung rechtlich selbständiger Förderinstitute in Deutschland (sog. „Verständigung II“) v. 1.3.2002 fallen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 6, S. 20, und § 19, S. 56. Durch die CRD V werden die deutschen Förderinstitute allgemein von der Anwendung der CRD ausgenommen, vgl. Art. 2 Abs. 5 Nr. 5 CRD, und unterfallen damit auch nicht mehr den CRD-Vergütungsanforderungen. 115) Hat ein Mitarbeiter neben der Tätigkeit für das Institut noch weitere Funktionen, etwa für andere Unternehmen derselben Gruppe, was in der Praxis nicht unüblich ist, ist die Vergütung nach objektiven Kriterien, etwa proportional zur tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung für das jeweilige Institut bzw. Unternehmen, aufzuteilen, vgl. zu diesem Grundgedanken ESMA, Leitlinien für solide Vergütungspolitiken unter Berücksichtigung der OGAW-Richtlinie, v. 14.10.2016 (ESMA/2016/575), Rz. 30 f. Für diesbezügliche Praxisfragen i. R. des Brexit, etwa zu Secondments, vgl. Devey/Grau/Ziefle, NZA 2019, 358.

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§ 12

Vergütung

hin ein weiter Vergütungsbegriff,116) der auch die Leistungen zur Altersversorgung117) ausdrücklich mit einschließt. Nicht zwingend als Vergütung zu berücksichtigen sind aber bestimmte Sachbezüge, die nach dem EStG nicht als Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit anzusehen sind oder gemäß § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG außer Ansatz bleiben. Vom Anwendungsbereich der InstitutsVergV grundsätzlich ausgenommen sind (aufgrund der Tarifautonomie) Tarifvergütungen. Dies gilt jedoch gemäß § 1 Abs. 4 InstitutsVergV (sowie § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 Halbs. 2 KWG) nicht für die Offenlegungspflichten nach § 16 InstitutsVergV.118) 41 Von grundlegender Bedeutung ist die Unterscheidung zwischen fixer und variabler Vergütung. Dies gilt umso mehr seit Einführung des Bonus Cap, welches eine eindeutige Zuordnung von Leistungen zu einer der beiden Vergütungskategorien erfordert. Entsprechend sieht die InstitutsVergV – im Gegensatz zur InstitutsVergV 2014 – keine dritte Vergütungskategorie mehr vor.119) Eine Vergütung ist also immer entweder fix oder variabel.120) Ebenfalls vor dem Hintergrund des Bonus Cap zu sehen, insbesondere angesichts diesbezüglicher Umgehungsversuche, ist das – im Vergleich zur InstitutsVergV 2014 – umgekehrte Regel-Ausnahme-Verhältnis. Variabel ist gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 InstitutsVergV der Teil der Vergütung, der nicht fix ist. Ist eine eindeutige Zuordnung eines Vergütungsbestandteils zur fixen Vergütung nicht möglich, gilt dieser Bestandteil im Zweifel als variable Vergütung (vgl. § 2 Abs. 3 Satz 2 InstitutsVergV). 42 Die fixe Vergütung soll in erster Linie die einschlägige Berufserfahrung und die organisatorische Verantwortung im Institut widerspiegeln und ist – entsprechend den in § 2 Abs. 6 Nr. 1 bis 7 InstitutsVergV (abschließend) genannten Kriterien – der Teil der Vergütung, dessen Gewährung und Höhe keinem Ermessen unterliegt, dauerhaft ist und dem Mitarbeiter keine Anreize für eine Risikoübernahme bietet, bei dem die Voraussetzungen für die Gewährung und Höhe vorher festgelegt wurden und transparent für den Mitarbeiter sind, der nicht einseitig vom Institut verringert, ausgesetzt oder aufgehoben

___________ 116) Mit Blick auf das Umgehungsverbot nach § 8 Abs. 1 InstitutsVergV können auch Leistungen, Instrumente oder Methoden als „Vergütung“ einzustufen sein, die nicht unmittelbar vom Vergütungsbegriff des § 2 Abs. 1 InstitutsVergV erfasst werden, etwa Kredite ohne Rückzahlungsverpflichtung, die Mitarbeitern vom Institut oder einem Unternehmen innerhalb des Konsolidierungskreises gewährt werden, vgl. BaFin, Auslegungshilfe InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 3, S. 11. 117) Je nach Ausgestaltung können Leistungen zur Altersversorgung der fixen Vergütung (nicht auf Leistung des Mitarbeiters beruhende Altersversorgungsleistungen, § 2 Abs. 6 Satz 2 InstitutsVergV) oder der variablen Vergütung („zusätzliche“ Leistungen zur Altersversorgung, vgl. § 2 Abs. 4 InstitutsVergV) zuzuordnen sein. Zur Bestimmung des Werts der Leistungen sind im Falle von Direktzusagen grundsätzlich die Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen anzusetzen, zumindest bei beitragsorientierten Zusagen erscheint jedoch die Heranziehung der Nominalbeiträge als gangbare Alternative; vgl. dazu BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 2, S. 5 und 7. 118) Erhalten Tarifbeschäftigte eine zusätzliche außertarifliche Vergütung, unterfällt diese aber den InstitutsVergV-Anforderungen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 1, S. 5. 119) Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 InstitutsVergV 2014 waren finanzielle Leistungen oder Sachbezüge, die von einem Institut aufgrund einer allgemeinen, ermessensunabhängigen und institutsweiten Regelung gewährt werden sowie Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung oder betrieblichen Altersversorgung vom Vergütungsbegriff ausgenommen. Nunmehr sind sie Teil der fixen Vergütung, vgl. § 2 Abs. 6 Satz 2 InstitutsVergV. Hierunter fallen institutsweite und ermessensunabhängig gewährte Sozial- und Versicherungsleistungen, daneben aber auch eine Dienstwagenstellung aufgrund einer allgemeinen Dienstwagenrichtlinie, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 2, S. 8. 120) Daher haben Institute die Vergütungskomponenten entweder einer fixen oder einer variablen Vergütung zuzuordnen und zu diesem Zweck in ihrer Vergütungspolitik vorab eindeutige, objektive und transparente Kriterien festzulegen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 2, S. 7.

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§ 12

II. Institutsvergütungsverordnung

werden kann und der nicht leistungsabhängig oder sonst vom Eintritt zuvor vereinbarter Bedingungen abhängig ausgestaltet ist. Als Ausnahme vom Kriterium der Dauerhaftigkeit gelten auch Zulagen (vgl. die in § 2 43 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 und 2 InstitutsVergV definierten Auslands- und Funktionszulagen) als fixe Vergütung, sofern sie die zusätzlichen Voraussetzungen nach Satz 4 erfüllen. Diese Voraussetzungen sind vor dem Hintergrund diverser Umgehungspraktiken nach Einführung des Bonus Cap zu sehen, die bereits Ende 2014 durch die EBA moniert wurden121) und durch die zusätzlichen Anforderungen (einheitliche institutsweite Regelung, vorbestimmte Kriterien und Anspruchsverlust bei Wegfall des Grundes) unterbunden werden sollen.122) Gleichzeitig werden aber berechtigte Auslands- und Funktionszulagen durch die Regelung auf eine rechtssichere Basis gestellt. cc)

Mitarbeiter

Der InstitutsVergV liegt ein weiter Mitarbeiterbegriff zugrunde.123) Umfasst werden 44 nach § 2 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 InstitutsVergV zunächst alle Arbeitnehmer des Instituts gemäß § 5 Abs. 1 ArbGG124) sowie alle natürlichen Personen, deren sich das Institut unmittelbar oder mittelbar125) beim Betreiben von Bankgeschäften oder bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen, insbesondere aufgrund eines Arbeits-, Geschäftsbesorgungs- oder Dienstverhältnisses, bedient. Während die Rechtsnatur des zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses unmaßgeblich ist, erfährt der Mitarbeiterbegriff aber durch die Bezugnahme auf (erlaubnispflichtige) Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen eine Einschränkung. Dies schließt jedenfalls solche Mitarbeiter aus, bei denen (überhaupt) kein solcher Bezug besteht.126) Das Bestehen eines formalen Beschäftigungsverhältnisses mit dem Institut ist keine zwin- 45 gende Voraussetzung für die Mitarbeitereigenschaft. Erfasst sind nach § 2 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 InstitutsVergV auch natürliche Personen, die i. R. einer Auslagerungsvereinbarung mit einem gruppenangehörigen Auslagerungsunternehmen unmittelbar an Dienstleistungen für das Institut beteiligt sind, um Bankgeschäfte zu betreiben oder Finanz___________ 121) Vgl. EBA, Opinion on the application of Directive 2013/36/EU (Capital Requirements Directive) regarding the principles on remuneration policies of credit institutions and investment firms and the use of allowances, v. 15.10.2014 (EBA/Op/2014/10). 122) Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Dokumentationspflichten nach § 11 Abs. 3 InstitutsVergV. Über den gesondert geregelten Fall der Zulagen hinaus, unterliegen sämtliche Fälle, in denen eine variable Vergütung zwar nach Wortlaut und Definition, nicht jedoch nach Sinn und Zweck der InstitutsVergV der fixen Vergütung entspricht, dem allgemeinen Umgehungsverbot des § 8 Abs. 1 InstitutsVergV, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 3, S. 10 f. 123) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 2, S. 9. „Um den Spielraum für mögliche Umgehungstatbestände einzuschränken“, enthielt die Vorgängerregelung zur InstitutsVergV, das BaFin, Rundschreiben 22/2009 (BA), Aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten, v. 21.12.2009, einen sogar noch weiteren Mitarbeiterbegriff, vgl. BaFin, Konsultation 14/2009, Entwurf eines Rundschreibens zu den Anforderungen an Vergütungssysteme (BA), v. 2.12.2009 (BA 54-AZB 2000-2009/0006), S. 4. 124) „Arbeitnehmer“ gemäß § 5 Abs. 1 ArbGG sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. 125) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 2, S. 9. 126) Dies betrifft etwa Mitarbeiter, die im Kantinenbetrieb, Reinigungsdienst oder Wachschutz tätig sind, vgl. Buscher/v. Harbou/Link/Weigl, InstitutsVergV, § 2 Rz. 77. Darüber hinaus ist unklar, wann von einem hinreichenden Bezug zu den regulierten Tätigkeiten auszugehen ist. Zur Orientierung kann auf die im Anhang der Auslegungshilfe zur InstitutsVergV enthaltene Vorlage zur Offenlegung Bezug genommen werden, die die erfassten Geschäftsbereiche auflistet.

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Vergütung

dienstleistungen zu erbringen. Dies betrifft etwa Mitarbeiter, die – wie in der Praxis nicht unüblich – bei (gruppeninternen) Service-Gesellschaften angestellt sind.127) Die Einhaltung der Anforderungen der InstitutsVergV ist dabei durch geeignete vertragliche Vereinbarungen mit dem Auslagerungsunternehmen sicherzustellen.128) Zur Vermeidung einer Umgehung der Vergütungsanforderungen, dehnt die BaFin den Mitarbeiterbegriff sogar auf Mitarbeiter nicht gruppenangehöriger Unternehmen aus, soweit ein hinreichender Bezug zu Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen besteht. Erfasst werden so etwa auch Zeitarbeitnehmer, die bei einer (externen) Zeitarbeitsfirma angestellt sind.129) 46 In Nachvollziehung der Regelungstechnik nach europäischem Recht sind nunmehr auch Geschäftsleiter gemäß § 1 Abs. 2 KWG als „Mitarbeiter“ i. S. der InstitutsVergV, anzusehen (vgl. § 2 Abs. 7 Satz 2 InstitutsVergV).130) Gelten bestimmte Anforderungen nur für „Mitarbeiter, die keine Geschäftsleiter sind“, hebt die InstitutsVergV dies entsprechend hervor. Umgekehrt unterliegen Geschäftsleiter nach wie vor spezifischen Vergütungsanforderungen (vgl. § 10, § 19 Abs. 1 Satz 3, jedoch auch § 5 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 InstitutsVergV speziell für „das für die Risikosteuerung zuständige Mitglied“ der Geschäftsleitung). Daneben bestehen teils auch besondere Anforderungen für Mitarbeiter der nachgelagerten Führungsebene131) (vgl. § 20 Abs. 2 InstitutsVergV). 47 Nicht vom Mitarbeiterbegriff erfasst werden dagegen gemäß § 2 Abs. 7 Satz 3 InstitutsVergV ausdrücklich Handelsvertreter gemäß § 84 Abs. 1 HGB.132) b)

Verantwortlichkeiten und Entscheidungsbefugnisse

48 Der InstitutsVergV liegt ein umfassendes Konzept für die Ausgestaltung und die Überwachung der Angemessenheit der Vergütungssysteme zugrunde. Die Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse der beteiligten Personen und Gremien sind dabei bis ins Einzelne festgelegt. Beteiligt sind die Geschäftsleitung, das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan, ggf. der Vergütungskontroll- und der Risikoausschuss sowie der Vergütungsbeauftragte, die Kontrolleinheiten sowie die übrigen Organisationseinheiten (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 2 InstitutsVergV). Im Vergleich zur InstitutsVergV 2014 wurde insbesondere die ___________ 127) Vgl. Buscher/v. Harbou/Link/Weigl, InstitutsVergV, § 2 Rz. 79. Selbiges gilt für Mitarbeiter, die auf Basis eines Secondment-Vertrages entsendet werden, vgl. EBA, Single Rulebook Q&A, Question ID 2013_577. 128) Das auslagernde Unternehmen hat also – soweit möglich – in der Auslagerungsvereinbarung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, dass ein möglicherweise variabel ausgestalteter Anteil der vom Auslagerungsunternehmen an diese Mitarbeiter gezahlten Vergütung den Anforderungen der InstitutsVergV nicht zuwiderläuft. Dabei kann von einer Anwendung des § 20 Abs. 5 InstitutsVergV abgesehen werden. Auch eine reine Fixvergütung ist möglich, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu 2, S. 9. 129) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, § 2, S. 9. Dies mag im Einzelfall gerechtfertigt sein, doch ist zu beachten, dass Mitarbeiter nicht gruppenangehöriger Auslagerungsunternehmen bewusst nicht von der Vorschrift erfasst werden sollten. Für die in diesem Zusammenhang bestehenden Probleme, insb. bzgl. des nur eingeschränkten Einflusses des Instituts auf die Vergütung gruppenexterner Arbeitnehmer oder bei Bestehen externer Mehrmandantenverhältnisse, vgl. Buscher/v. Harbou/ Link/Weigl, InstitutsVergV, § 2 Rz. 84. Vgl. hierzu auch Herz, BKR 2020, 61 ff. 130) Die InstitutsVergV 2014 hatte noch unter Verweis auf das in Deutschland vorherrschende dualistische System der Verwaltungsorgane strikt zwischen Mitarbeitern und Geschäftsleitern unterschieden, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2014, v. 1.1.2014, BT 1. 131) Das sind diejenigen Mitarbeiter, die Geschäftsführungs- und Leitungsaufgaben wahrnehmen, für das Tagesgeschäft des Instituts verantwortlich und gegenüber der Geschäftsleitung rechenschaftspflichtig sind, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 60. 132) Diese Ausnahme entbindet die Institute jedoch nicht davon, sich mit den Besonderheiten dieses Vertriebsweges (in der Regel vollständige variable Vergütung) insb. auch unter dem Gesichtspunkt des Reputations- und Haftungsrisikos zu befassen und geeignete Kontrollstrukturen einzurichten, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 2, S. 9.

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II. Institutsvergütungsverordnung

Rolle der Kontrolleinheiten geschärft. Die InstitutsVergV versteht die Einhaltung der Anforderungen als „gemeinsame Anstrengung“ und strebt mithin die Einbindung aller relevanten Funktionen an. aa)

Leitungsorgan

Gemäß dem Leitbild einer dualistischen Organisationsverfassung unterscheidet die In- 49 stitutsVergV auf Ebene des Leitungsorgans zwischen der Verantwortung der Geschäftsleitung und der des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans.133) Während der Geschäftsleitung nach § 3 Abs. 1 InstitutsVergV die Verantwortung für die angemessene Ausgestaltung der Vergütungssysteme der Mitarbeiter (ggf. einschließlich des Prozesses zur Ermittlung der Risikoträger) obliegt, ist das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan134) für die angemessene Ausgestaltung der Vergütungssysteme der Geschäftsleiter verantwortlich (§ 3 Abs. 2 InstitutsVergV). Der generellen Tendenz im europäisch geprägten Bankaufsichtsrecht entsprechend, kommt 50 dem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan – bezogen auf die deutsche Aktiengesellschaft, dem Aufsichtsrat – zudem auch in Vergütungsfragen eine erheblich gesteigerte Verantwortung gerade in seiner Überwachungsfunktion zu. So ist der Aufsichtsrat gemäß § 25d Abs. 6 KWG dazu berufen, die Geschäftsleiter auch hinsichtlich der Einhaltung der einschlägigen bankaufsichtsrechtlichen Regelungen zu überwachen. Dabei hat er der Erörterung von Strategien, Risiken und Vergütungssystemen für Geschäftsleiter und Mitarbeiter ausreichend Zeit zu widmen. Über seine Aufgabe der Ausgestaltung der Geschäftsleitervergütung hinaus kommt dem Aufsichtsrat mithin die Aufgabe zu, die angemessene Ausgestaltung der Vergütungssysteme der Mitarbeiter, die keine Geschäftsleiter sind, zu überwachen. Zur Unterstützung und Beratung bei Wahrnehmung seiner Aufgaben hat das Aufsichts- 51 oder Verwaltungsorgan eines CRR-Instituts, das von erheblicher Bedeutung i. S. des § 25d Abs. 3 Satz 8 KWG ist, aus seiner Mitte Ausschüsse einzurichten.135) Für Vergütungsfragen von Bedeutung ist der Risikoausschuss (§ 25d Abs. 8 KWG),136) v. a. aber der Vergütungskontrollausschuss (vgl. § 25d Abs. 12 KWG und § 15 InstitutsVergV). Beide ___________ 133) Die europäischen Vorgaben orientieren sich dagegen in ihrer Grundstruktur am innerhalb der EU auch stärker verbreiteten monistischen Modell, vgl. zu den Governance-Vorgaben allgemein Binder in: Grieser/Heemann, Europ. Bankaufsichtsrecht, S. 423, 431. 134) Soweit in Abhängigkeit von der Rechtsform kein Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan zu bilden oder dieses nicht zuständig ist, sollen die Anteilseigner für diese Aufgabe verantwortlich sein, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 15, S. 36. Keine klaren Vorgaben bestehen für den Fall, dass ein Aufsichtsorgan auf freiwilliger Basis besteht oder das Institut ein Aufsichtsorgan verpflichtend einzurichten hat, dieses jedoch nicht über die für die Ausgestaltung der Vergütungssysteme der Geschäftsleitung erforderlichen Kompetenzen verfügt, vgl. auch Buscher/v. Harbou/ Link/Weigl, InstitutsVergV, § 3 Rz. 28. 135) Darüber hinaus sollen gemäß § 25d Abs. 7 KWG auch die Verwaltungs- oder Aufsichtsorgane der übrigen Institute, abhängig von der Größe, der internen Organisation und der Art, des Umfangs, der Komplexität und dem Risikogehalt der Geschäfte des Unternehmens Ausschüsse bestellen. Im Übrigen können die Institute auch freiwillig Ausschüsse einrichten oder zu deren Bildung angehalten werden, wenn die BaFin dies für erforderlich hält. Sofern Institute von der Ausschussbildung absehen, obliegen die Kontrollfunktionen, die in § 25d Abs. 8 bis 12 KWG den Ausschüssen zugewiesen werden grundsätzlich dem Gesamtgremium, vgl. BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 47 – 49. 136) Gemäß § 25d Abs. 8 Satz 5 KWG hat der Risikoausschuss – entsprechend der Kompetenz seiner Mitglieder – zu prüfen, ob die durch das Vergütungssystem gesetzten Anreize die Risiko-, Kapital- und Liquiditätsstruktur des Unternehmens sowie die Wahrscheinlichkeit und Fälligkeit von Einnahmen berücksichtigen. Diese Anforderungen lassen sich bereits den FSB-Prinzipien und -Standards entnehmen, vgl. insb. FSB, Principles for Sound Compensation Practices – Implementation Standards, v. 25.9.2009, Nr. 4.

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Vergütung

Ausschüsse sollen mindestens aus drei Personen bestehen, eines ihrer Mitglieder zum Vorsitzenden ernennen und bei Erfüllung der ihnen jeweils zugewiesenen Aufgaben zusammenarbeiten.137) Dem Vergütungskontrollausschuss obliegt insbesondere die regelmäßige, mindestens jährliche Überprüfung der Ausgestaltung der Vergütungssysteme für Geschäftsleiter und für Mitarbeiter, die keine Geschäftsleiter sind (vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 2 InstitutsVergV). Im Vergleich zur InstitutsVergV 2014 wurden die Aufgaben des Vergütungskontrollausschusses nochmals deutlich erweitert, insbesondere um die zeitnahe Erstellung von Maßnahmenplänen bzw. von Empfehlungen im Falle festgestellter Mängel und die Überwachung des Prozesses zur Risikoträgerermittlung in bedeutenden Instituten.138) 52 Für eine ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben benötigt das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan (samt seiner Ausschüsse) Zugang zu einer Fülle an vergütungsrelevanten Informationen. Dieser wird zum einen durch die mindestens jährliche Berichterstattung durch die Geschäftsleitung gewährleistet,139) andererseits aber v. a. durch die Einräumung einschlägiger Auskunftsrechte.140) Neben der daneben bestehenden Möglichkeit der Hinzuziehung externer Berater, kommt in bedeutenden Instituten dem Vergütungsbeauftragten eine herausragende Rolle bei der Unterstützung des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans zu (siehe dazu Rz. 54 f.). bb)

Funktionen unterhalb des Leitungsorgans

53 Entsprechend ihrem Grundverständnis, dass sich angemessene Vergütungssysteme nur durch eine gemeinsame Anstrengung entwickeln, implementieren und überwachen lassen, bindet die InstitutsVergV auch Funktionen unterhalb der Leitungsebene in den Vergütungsprozess mit ein. Dies betrifft insbesondere die Kontrolleinheiten. Kontrolleinheiten i. S. der InstitutsVergV sind gemäß § 2 Abs. 11 InstitutsVergV diejenigen Organisationseinheiten, die die geschäftsinitiierenden Organisationseinheiten (insbesondere Markt und Handel) überwachen. Hierzu zählen die Bereiche Marktfolge und Risikocontrolling, die Compliance-Funktion, die Interne Revision sowie der Bereich Personal. Gemäß § 3 Abs. 3 ___________ 137) Die Mitglieder des Vergütungskontrollausschusses sollen kollektiv die für die vergütungsbezogenen Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen haben, wobei gemäß § 25d Abs. 12 Satz 3 KWG mindestens ein Mitglied über ausreichend Sachverstand und Berufserfahrung im Bereich Risikomanagement und Risikocontrolling verfügen muss. In Bezug auf alle Ausschüsse (einschließlich des Prüfungs- und Nominierungsausschusses) sieht § 25d Abs. 7 Satz 4 KWG zudem vor, dass mindestens ein Mitglied eines jeden Ausschusses einem weiteren Ausschuss angehören soll. 138) Nach der Auslegungshilfe umfasst die Unterstützung bei der Überwachung der Vergütungssysteme für die Mitarbeiter nach § 15 Abs. 3 InstitutsVergV auch eine Bewertung der implementierten Mechanismen und Systeme, einschließlich der Anwendung von Malus- und Rückforderungsvereinbarungen; die Bewertung nach § 15 Abs. 4 InstitutsVergV umfasst eine rückblickende Evaluierung der zugrunde gelegten Vergütungsparameter, vgl. dazu BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 15, S. 36 f. 139) Vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 InstitutsVergV. Hinsichtlich der Art und Weise sind pragmatische Lösungen denkbar, solange das berechtigte Informationsinteresse des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans nicht eingeschränkt wird, vgl. dazu näher BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 3, S. 10. 140) So kann etwa der Vorsitzende des Vergütungskontrollausschusses oder, falls ein solcher nicht eingerichtet ist, der Vorsitzende des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans, unmittelbar beim Leiter der Internen Revision und bei den Leitern der für die Ausgestaltung der Vergütungssysteme zuständigen Organisationseinheiten Auskünfte einholen, vgl. § 25d Abs. 12 Satz 7 KWG. Soweit ein Vergütungsbeauftragter bestellt wurde, ist auch dieser als Ansprechpartner heranzuziehen (vgl. § 24 Abs. 1 und 2 InstitutsVergV), auch über den Inhalt des jährlichen Vergütungskontrollberichts gemäß § 24 Abs. 3 InstitutsVergV hinaus. Ferner sind auch etwaig vorhandene Berichte der Internen Revision und der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers gemäß § 26 Abs. 1 KWG zu berücksichtigen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 15, S. 37.

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II. Institutsvergütungsverordnung

InstitutsVergV sind die Kontrolleinheiten i. R. ihrer Aufgaben bei der Ausgestaltung und der Überwachung der Vergütungssysteme angemessen zu beteiligen. In bedeutenden Instituten betrifft dies auch den Prozess zur Ermittlung der (Gruppen-)Risikoträger. Wie die Kontrolleinheiten i. E. einzubinden sind, wird in der Auslegungshilfe zur InstitutsVergV nun deutlich detaillierter in Form eines „Leitbilds“ beschrieben.141) Daneben kommen aber auch den übrigen Organisationeinheiten, wie etwa der Rechtsabteilung, dem Bereich strategische Planung oder der Finanzfunktion, Aufgaben i. R. der Ausgestaltung rechtskonformer und angemessener Vergütungssysteme zu.142) Zur Sicherstellung einer angemessenen, dauerhaften und wirksamen Kontrolle der Vergü- 54 tung der Mitarbeiter haben bedeutende Institute zudem nach § 23 Abs. 1 und 6 InstitutsVergV einen hinreichend qualifizierten Vergütungsbeauftragten samt eines Stellvertreters zu bestellen. Der Vergütungsbeauftragte dient in erster Linie als „verlängerter Arm“ oder „Auge und Ohr“ des Vergütungskontrollausschusses (ersatzweise des Plenums selbst) und hat im operativen Bereich des Instituts die Aufgabe, die Ausgestaltung der Vergütungssysteme aller Mitarbeiter mit Ausnahme der Geschäftsleiter sowie die Ausführung der Vergütungssysteme aller Mitarbeiter (ohne Geschäftsleiter) laufend zu überwachen.143) Um eine effektive Ausübung seiner Aufgaben zu gewährleisten, ist der Vergütungsbeauftragte aufbauorganisatorisch auf einer ausreichend hohen Führungsebene unterhalb der Geschäftsleitung anzusiedeln (§ 23 Abs. 5 InstitutsVergV),144) zudem genießt er einen besonderen Kündigungsschutz (§ 23 Abs. 2 InstitutsVergV). Nach § 25 InstitutsVergV ist ihm schließlich eine angemessene Personal- und Sachausstattung zur Verfügung zu stellen.145) Im Vergleich zur InstitutsVergV 2014 wurden insbesondere die Anforderungen an die Un- 55 abhängigkeit des Vergütungsbeauftragten geschärft. So verbietet § 23 Abs. 4 InstitutsVergV bestimmte Konstellationen von Doppelfunktionen und schließt nach Nr. 3 etwa solche Mitarbeiter aus, die auch für die Ausgestaltung der Vergütungssysteme verantwortlich sind oder waren und bei denen dadurch ein Interessenkonflikt vorliegt.146) Ebenfalls der ___________ 141) Dies betrifft insb. das Risikocontrolling (Unterstützung bei der Festlegung einer geeigneten risikobezogenen Ex-ante- und Ex-post-Erfolgsmessung), die Compliance-Funktion (Identifizierung von Compliance-Risiken) und die Personalabteilung (Einbindung in die Erstellung und Bewertung der Vergütungssysteme); die Interne Revision hat für die Überwachung der Vergütungssysteme der Mitarbeiter Sorge zu tragen, vgl. dazu i. E. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 3, S. 12. 142) Entsprechend dem „Three-Lines-of-Defence-Modell“ sind auch die geschäftsinitiierenden Organisationseinheiten an der Ausgestaltung angemessener Vergütungssysteme beteiligt, etwa i. R. der Festlegung geeigneter Zielparameter. Entsprechend sehen die EBA-Leitlinien die Beteiligung „aller zuständigen Funktionen, Stellen und Geschäftsbereiche“ vor, vgl. EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22), Rz. 32. 143) Der Vergütungsbeauftragte fungiert aufgrund seiner Expertise und Praxisnähe außerdem als erster Ansprechpartner der Aufsichtsbehörde in Vergütungsfragen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu §§ 23 – 26, S. 67. 144) Hierdurch soll der Vergütungsbeauftragte in die Lage versetzt werden, gegenüber den anderen Organisationseinheiten (z. B. Marktbereiche, Risikocontrolling, Personalbereich) „auf Augenhöhe“ und mit dem erforderlichen Durchsetzungsvermögen aufzutreten. 145) Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass die Tätigkeit des Vergütungsbeauftragten in ein anderes Unternehmen ausgelagert wird; hierbei sind insb. die entsprechenden Regelungen des AT 9 MaRisk 2017 zu berücksichtigen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu §§ 23 – 26, S. 68. 146) Mit der unvoreingenommenen Beobachterstellung des Vergütungsbeauftragen wäre es nicht zu vereinbaren, wenn ein aktuell oder vormals für die Ausgestaltung des betreffenden Vergütungssystems verantwortlicher Mitarbeiter gleichzeitig oder anschließend auch für die Kontrolle und Überwachung der Vergütungssysteme und damit seines eigenen Arbeitsergebnisses zuständig wäre, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu §§ 23 – 26, S. 68. Damit reagiert die BaFin auf die frühere Marktpraxis, wonach der Vergütungsbeauftragte in vielen Fällen aus der Personalabteilung stammte, Teil der Personalabteilung oder an diese organisatorisch angebunden war, vgl. Knab-Hägele/Roth, die bank 11/2015, 68, 71.

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Vergütung

Sicherstellung der unabhängigen Stellung des Vergütungsbeauftragten dient die aufsichtsseitige Vorgabe, dass die Funktion grundsätzlich exklusiv, also in ausschließlicher Befassung, und in Vollzeit auszuüben ist.147) Auf diese Weise soll auch sichergestellt werden, dass sich der Vergütungsbeauftragte voll und ganz auf die Erfüllung seiner Aufgaben nach § 24 InstitutsVergV konzentrieren kann: x

Absatz 1 betrifft die laufende Überwachung der Vergütungssysteme der Mitarbeiter, die keine Geschäftsleiter sind;

x

Absatz 2 die Unterstützung des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans und dessen Vergütungskontrollausschuss bei deren Überwachungs- und Ausgestaltungsaufgaben hinsichtlich aller Vergütungssysteme (einschließlich der Geschäftsleiter);

x

nach Absatz 3 hat der Vergütungsbeauftragte zudem mindestens einmal jährlich einen Vergütungskontrollbericht über die Angemessenheit der Ausgestaltung der Mitarbeitervergütungssysteme zu verfassen.148)

cc)

Anteilseigner

56 Schließlich kommt auch den Anteilseignern des Instituts, im Falle einer Aktiengesellschaft also dessen Aktionären, eine Rolle im Vergütungsprozess zu. Neben dem unverbindlichen Say-on-Pay-Votum nach § 120 Abs. 4 AktG betrifft dies insbesondere die Billigung einer höheren Obergrenze für die variable Vergütung (auf bis zu 200 % der fixen Vergütung) nach § 25a Abs. 5 Satz 5 KWG.149) Das diesbezüglich einzuhaltende Verfahren ist in § 25a Abs. 5 Satz 6 bis 9 KWG geregelt. Der Vorschlag zur Beschlussfassung über eine Erhöhung des Bonus Cap ist, genau wie der Beschluss der Anteilseigner selbst (einschließlich der gebilligten Höchstwerte), den Aufsichtsbehörden anzuzeigen (§ 24 Abs. 1 Nr. 14 und 14a KWG).150) Strebt ein Institut eine Bonus-Cap-Erhöhung an, muss es gemäß § 6 Abs. 4 InstitutsVergV in der Lage sein, der Aufsichtsbehörde nachzuweisen, dass die vorgeschlagene höhere Obergrenze die Einhaltung insbesondere der regulatori___________ 147) Ausnahmen von der Exklusivtätigkeit in Vollzeit sind denkbar, wenn sie restriktiv gehandhabt werden und ihre Angemessenheit anhand einer risikoorientierten Gesamtbetrachtung des tatsächlichen Verantwortungsbereichs geprüft wird, die nebst Ergebnis zu dokumentieren ist. Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung sind verschiedene Kriterien (etwa die Anzahl der Gesamtbelegschaft und der Risikoträger) zu berücksichtigen, insb. aber auch das Verhältnis zwischen variablem und fixem Vergütungsbestandteil. Als Grundregel geht die BaFin davon aus, dass eine Vollzeittätigkeit angezeigt ist, wenn die Vergütungssysteme von mehr als zehn Risikoträgern, die keine Geschäftsleiter sind, eine maximal erreichbare variable Vergütung vorsehen, die mehr als 50 % der jeweiligen Gesamtvergütung ausmacht, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu §§ 23 – 26, S. 67. 148) Zu Inhalt und Struktur des Vergütungskontrollberichts, vgl. Klein/Wilkens, Kreditwesen 2016, 594, 598; zum Vergütungsbeauftragen allgemein, vgl. auch Christoffer, BKR 2015, 14 ff. 149) Vgl. dazu Lackhoff/Kulenkamp, AG 2014, 770 ff. 150) Für die Anzeige nach § 24 Abs. 1 Nr. 14a KWG ist – bis zur Einfügung einer entsprechenden Regelung in der AnzV – die Vorlage in Anlage 1 der Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017 zu verwenden; zu den Einzelheiten der Anzeigen nach § 24 Abs. 1 Nr. 14 und 14a KWG, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 6, S. 24. Ebenfalls anzuzeigen ist nach § 24 Abs. 1 Nr. 14b KWG die Änderung des Beschlusses. Hierdurch wird Rz. 43 der EBA-Leitlinien umgesetzt, wonach Institute der Aufsichtsbehörde anzuzeigen haben, wenn es zu einem späteren (Widerruf) der Bonus-Cap-Erhöhung durch die Anteilseigner kommt, vgl. Begr. RegE FMSANeuOG, BT-Drucks. 18/9530, S. 56. Ein einmal gefasster Beschluss zur Erhöhung des Bonus Caps muss nicht jährlich bestätigt bzw. erneuert werden (eine solche Bestätigung war i. R. der EBA-Leitlinien zwar diskutiert, aber abgelehnt worden, vgl. die Kosten/Nutzen-Analyse im Abschlussbericht, EBA, Final Report, Guidelines on sound remuneration policies under Articles 74(3) and 75(2) of Directive 2013/36/EU and disclosures under Article 450 of Regulation (EU) No 575/2013, v. 21.12.2015 (EBA/GL/2015/22), S. 93). Eine Erneuerung des Beschlusses kann allenfalls dann angezeigt sein, wenn sich wesentliche Rahmenbedingungen (etwa hinsichtlich der vom Beschluss erfassten Mitarbeiter) geändert haben.

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II. Institutsvergütungsverordnung

schen Eigenmittelanforderungen nicht gefährdet.151) § 6 Abs. 5 InstitutsVergV regelt die Billigung einer Erhöhung des Bonus Cap im Gruppenkontext. Danach kann ein Institut als Anteilseigner seine Stimmrechte im Hinblick auf die Erhöhung des Bonus Cap für ein Tochterunternehmen nur dann wirksam ausüben, wenn die Anteilseigner des übergeordneten Unternehmens dies nach Maßgabe des § 25a Abs. 5 Satz 5 KWG oder i. R. der gruppenweiten Vergütungsstrategie gebilligt haben.152) c)

Verfahren

aa)

Jährliche Überprüfung und Anpassung

Gemäß § 12 InstitutsVergV sind die Vergütungssysteme und die zugrunde gelegten Ver- 57 gütungsparameter von dem Institut zumindest einmal jährlich auf ihre Angemessenheit, insbesondere auch ihre Vereinbarkeit mit den Geschäfts- und Risikostrategien, zu überprüfen. Dabei sind nach § 12 Abs. 1 Satz 2 InstitutsVergV zumindest die diesbezüglichen Berichte der Internen Revision, der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers (siehe § 26 Abs. 1 KWG) und in bedeutenden Instituten der Vergütungskontrollbericht des Vergütungsbeauftragten heranzuziehen. Im Rahmen der jährlichen Überprüfung ist zu beurteilen, ob die Vergütungssysteme wie vorgesehen funktionieren, den regulatorischen Anforderungen entsprechen und kohärent im Institut (bzw. ggf. in der Gruppe) umgesetzt werden.153) Werden bei der Überprüfung Mängel festgestellt, ist gemäß § 12 Abs. 2 InstitutsVergV zeitnah ein Maßnahmenplan zu erstellen und umzusetzen. Die zur Behebung der Mängel ergriffenen Maßnahmen sind zu dokumentieren. § 12 InstitutsVergV regelt nicht ausdrücklich, wer für die jährliche Überprüfung der Ver- 58 gütungssysteme verantwortlich ist. Mit Blick auf § 15 InstitutsVergV, der eine jährliche Überprüfung der Vergütungssysteme der Geschäftsleiter (Abs. 2 Nr. 2) und (sonstigen) Mitarbeiter (Abs. 3 Satz 2) durch den Vergütungskontrollausschuss (bzw. das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan) regelt, ist jedenfalls klar, dass die Prüfung nach § 12 InstitutsVergV in die Verantwortung der Geschäftsleitung fällt. Gleichfalls ist damit geklärt, dass sich die Prüfung nach § 12 InstitutsVergV nicht auf die Ausgestaltung der Vergütungssysteme für Geschäftsleiter bezieht.154) Während der Konsultationsentwurf zur InstitutsVergV 2017 noch ausdrücklich vorsah, dass die Interne Revision (unter Einbindung der übrigen Kon___________ 151) Zu den für einen solchen Nachweis den Aufsichtsbehörden vorzulegenden Informationen (einschließlich Prognosen zur Bonuspool-Entwicklung und zur Auswirkung auf die Eigenmittelsituation des Instituts), vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 6, S. 22. 152) Liegt eine solche Billigung der Anteilseigner des übergeordneten Unternehmens noch nicht vor, muss zunächst deren Billigung abgewartet werden, bevor das übergeordnete Unternehmen als Anteilseigner über eine Bonus Cap-Erhöhung entscheiden darf. Dies gilt auch, wenn das nachgeordnete Unternehmen im Ausland ansässig ist, sowie im umgekehrten Fall, wenn Drittstaatenunternehmen eine inländische Zweigstelle unterhalten, wobei die Billigung dann durch die Anteilseigner des ausländischen Instituts zu erfolgen hat, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 6, S. 22. 153) Dies beinhaltet insb. die Überprüfung, ob die gebilligten Grundsätze, Verfahren und internen Regelungen eingehalten werden, ob variable Vergütungen in Einklang mit der Geschäfts- und der Risikostrategie stehen, ob das Risikoprofil, die langfristigen Zielsetzungen und sonstige Ziele des Instituts angemessen widergespiegelt werden und ob die Fähigkeit des Instituts zur Aufrechterhaltung einer angemessen Eigenmittel- und Liquiditätsausstattung sowie der Kapitalpufferanforderungen gemäß § 10i KWG nicht beeinträchtigt wird. Ferner sollten Szenarien entworfen und überprüft werden, wie die Vergütungssysteme jeweils auf externe und interne Ereignisse reagieren, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 12, S. 33 f. 154) Spiegelbildlich hat der Vergütungskontrollausschuss gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 2 InstitutsVergV die Ausgestaltung der Vergütungssysteme für Geschäftsleiter zu überprüfen und im Falle festgestellter Mängel einen Maßnahmenplan zu erstellen, vgl. auch BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 12, S. 33.

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§ 12

Vergütung

trolleinheiten) zur Prüfung nach § 12 InstitutsVergV berufen ist,155) lässt die endgültige Fassung von § 12 InstitutsVergV dies offen. Insofern dürften bzgl. der internen Zuständigkeitsverteilung Spielräume bestehen.156) Unklar ist zudem, ob die Bezugnahme auf den Prüfungsbericht der Internen Revision bedeutet, dass die Vergütungssysteme durch die Interne Revision zwingend einem jährlichen Prüfungsturnus zu unterwerfen sind. Gerade für bedeutende Institute erscheint dies unangemessen, da dies eine jährliche Doppelprüfung durch die Interne Revision als auch durch den Vergütungsbeauftragten zur Folge hätte.157) 59 Fördert die jährliche Überprüfung einen Anpassungsbedarf der Vergütungssysteme zu Tage, oder ergibt sich ein solcher Anpassungsbedarf aus einer Änderung der regulatorischen Anforderungen, haben die Institute die Einhaltung der Vorgaben der InstitutsVergV sicherzustellen.158) Während diese Anpassungspflicht bei organisatorischen Anforderungen einschränkungslos gilt, stößt sie im Hinblick auf bestehende Vereinbarungen an (arbeits-)rechtliche Grenzen. Die InstitutsVergV setzt entgegenstehende vertragliche Vereinbarungen weder außer Kraft noch ändert sie diese ab.159) Entsprechend trifft das Institut gemäß § 14 InstitutsVergV lediglich eine Hinwirkungspflicht, d. h. es hat darauf hinzuwirken, dass bestehende Verträge mit Mitarbeitern, Dienst- und Betriebsvereinbarungen sowie betrieblichen Übungen i. R. des rechtlich Zulässigen, auf Grundlage einer für Dritte nachvollziehbaren fundierten juristischen Begutachtung der Rechtslage und unter Berücksichtigung der konkreten Erfolgsaussichten, angepasst werden. Die Reichweite der Hinwirkungspflicht ist nicht abschließend geklärt. Institute sollen jedenfalls nicht verpflichtet sein, Arbeitsverhältnisse als Ultima Ratio zu kündigen. Die BaFin erwartet jedoch, dass Institute „alle Anstrengungen“ unternehmen, eine einvernehmliche Anpassung der bestehenden Vereinbarungen herbeizuführen.160)

___________ 155) Dies entspricht dem Ansatz der EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22), vgl. Rz. 58. 156) Jedenfalls sind neben den Kontrolleinheiten auch die maßgeblichen internen Unternehmensfunktionen (Recht, strategische Planung usw.) in die Überprüfung einzubinden, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 12, S. 34. 157) Eine solche doppelte Prüfung ist auch durch die europäischen Vorgaben nicht angezeigt. Die Rolle des Vergütungsbeauftragten ist in den EBA-Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22), nicht vorgesehen. Vielmehr ist sie ein deutscher Sonderweg, der der dualistischen Verfassung des Leitungsorgans geschuldet ist. 158) Dabei ist eine Anpassung der Vergütungssysteme abgesehen von gravierenden Mängeln in der Regel mit Wirkung zum Beginn des nächsten Bemessungszeitraums vorzunehmen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 12, S. 34. 159) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 14, S. 35. Dies ergibt sich auch aus dem Gegenschluss zu § 45 Abs. 5 Satz 12 KWG, welcher einen Vorrang des Aufsichtsrechts gegenüber (entgegenstehenden) vertraglichen Vereinbarungen nur im Falle von Eingriffsmaßnahmen zur Sicherstellung der Einhaltung der regulatorischen Eigenmittelanforderungen statuiert. Freilich sollte die variable Vergütung der Mitarbeiter in den vertraglichen Vereinbarungen, nicht nur wegen § 45 Abs. 5 Satz 11 KWG, bereits unter einen entsprechenden Vorbehalt behördlicher Eingriffsmaßnahmen gestellt werden. 160) Durch ein einmaliges Bemühen wird dem nicht Genüge getan. In Fällen, in denen der oder die betroffenen Mitarbeiter zu einer Anpassung nicht bereit sind, sind vielmehr wiederkehrende Initiativen des Instituts erforderlich. Nach Ansicht der BaFin kann in jedem Fall erwartet werden, dass es spätestens bei einer Vertragsverlängerung zu einer Anpassung kommt, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 14, S. 33. Vor diesem Hintergrund sind Institute gut beraten, ihre derartigen Bemühungen zu dokumentieren, um sie der Aufsicht gegenüber im Bedarfsfall nachweisen zu können.

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§ 12

II. Institutsvergütungsverordnung bb)

Organisationsrichtlinien, Dokumentation und interne Transparenz

Im Vergleich zur InstitutsVergV 2014 wurden die Anforderungen an die institutsinternen 60 Organisationsrichtlinien (z. B. Handbücher) präzisiert und erweitert.161) So haben diese gemäß § 11 Abs. 1 InstitutsVergV Grundsätze zu den Vergütungssystemen zu enthalten, welche insbesondere Angaben zur Ausgestaltung und Anpassung der Vergütungssysteme und zur Zusammensetzung der Vergütung (Nr. 1), Regelungen der jeweiligen Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse (Nr. 2) und auch ein Rahmenkonzept zur Festlegung und Genehmigung von Abfindungen (Nr. 3) umfassen.162) Darüber hinaus haben bedeutende Institute in ihren Organisationsrichtlinien einen Schwellenwert gemäß § 20 Abs. 3 InstitutsVergV (Zurückbehaltungsanteil von 60 %) festzulegen sowie die Aufgaben und die organisatorische Einbindung des Vergütungsbeauftragten darzustellen (vgl. § 26 InstitutsVergV). Daneben treten nun ausdrücklich umfangreiche Dokumentationspflichten. Nach § 11 61 Abs. 2 InstitutsVergV haben Institute zunächst die Inhalte und Entscheidungsergebnisse im Hinblick auf die Festsetzung und Verteilung des Bonuspools fortlaufend zu dokumentieren. Dabei werden umso größere Anforderungen an die Dokumentation gestellt, je größer und je komplexer die Institute und/oder ihre Vergütungssysteme sind.163) Werden Zulagen als fixe Vergütung angesehen, sind in den in § 11 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 InstitutsVergV genannten Fällen zudem die Gründe jeweils besonders zu dokumentieren. Daneben treten noch weitere Dokumentationspflichten, etwa im Hinblick auf die jährliche Überprüfung der Vergütungssysteme (§ 12 InstitutsVergV), die Gewährung von Abfindungen (§ 5 Abs. 6 InstitutsVergV) oder, in bedeutenden Instituten, die Risikoanalyse zur Ermittlung der Risikoträger (§ 25a Abs. 5b KWG). Gemäß § 13 Abs. 1 InstitutsVergV sind die Mitarbeiter schließlich über die Ausgestaltung 62 der für sie maßgeblichen Vergütungssysteme und insbesondere über die Ausgestaltung der für sie relevanten Vergütungsparameter (einschließlich des Beurteilungsprozesses im Hinblick auf ihre individuelle Leistung) in Kenntnis zu setzen (z. B durch Informationsschreiben oder per E-Mail). Diese interne Transparenz ist erforderlich, damit die Mitarbeiter ihr Verhalten an dem Vergütungssystem ausrichten können.164) Daneben sind den Mitarbeitern auch die extern offengelegten Informationen (vgl. Art. 450 CRR, ergänzend § 16 InstitutsVergV) zugänglich zu machen (§ 13 Abs. 2 InstitutsVergV).165) ___________ 161) Zu den allgemeinen Anforderungen an Organisationsrichtlinien, vgl. AT 5 MaRisk 2017. 162) Gemäß den Verantwortlichkeiten nach § 3 InstitutsVergV hat das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan die Richtlinien hinsichtlich der Geschäftsleitervergütungssysteme festzulegen, die Richtlinien für die Mitarbeitervergütungssysteme sind ihm dagegen nur zur Kenntnis zu geben. Das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan und die Geschäftsleitung sollen möglichst einheitliche, konsistente Grundsätze zu den Vergütungssystemen für alle Mitarbeiter (einschließlich der Geschäftsleiter) anstreben und sich zu diesem Zweck auch abstimmen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 11, S. 32. 163) Um die geforderte Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Prozesses zu gewährleisten, müssen die Institute Aufzeichnungen über die Festlegung des Bonuspools und der Vergütung der Mitarbeiter führen, u. a. auch darüber, wie Schätzwerte, die aus unterschiedlichen Ansätzen resultieren, miteinander kombiniert wurden, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 11, S. 33. 164) Der der internen Transparenz innewohnende Zweck der Sicherung der Lenkungswirkung der variablen Vergütung bedingt auch, dass die Vergütungsparameter zu Beginn eines Bemessungszeitraums festgelegt sind und nicht nachträglich geändert werden dürfen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 13, S. 35. Nur von für die Mitarbeiter transparenten und jederzeit einfach zugänglichen Vergütungssystemen kann ein Anreiz- und Lenkungseffekt ausgehen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 3, S. 10. 165) Vertrauliche Aspekte der Vergütung eines einzelnen Mitarbeiters sind dagegen nicht Gegenstand der internen Transparenz. Gleiches gilt für die gemäß § 5 Abs. 6 Satz 2 InstitutsVergV festzulegenden Grundsätze für die Abfindungen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 11, S. 34, 35.

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§ 12 3.

Vergütung Allgemeine materielle Anforderungen an die Vergütungssysteme

63 Die allgemeinen materiellen Anforderungen an die Ausgestaltung der Vergütungssysteme sind §§ 4 bis 10 InstitutsVergV und § 25a Abs. 5 KWG zu entnehmen. Diese gelten für alle Institute und für die Vergütungssysteme sämtlicher Mitarbeiter. a)

Ausrichtung an den Geschäfts- und Risikostrategien

64 Zunächst sind die Vergütungssysteme (und die Vergütungsstrategie) nach § 4 InstitutsVergV allgemein auf die Erreichung der Ziele auszurichten, die in den Geschäfts- und Risikostrategien des Instituts niedergelegt sind. Angesprochen ist hier die Funktion von Vergütungssystemen als Unternehmenssteuerungsinstrument. Die Ausrichtung an den Strategien soll dazu beitragen, dass die vergütungsrelevanten Ziele hinreichend ambitioniert sind und die Vergütungssysteme einen effektiven Beitrag zur Erreichung der Ziele in den Unternehmensstrategien leisten können.166) Dies beinhaltet, dass sich die Vergütungsparameter, d. h. die für die variable Vergütung maßgeblichen Bestimmungsfaktoren, an den Geschäfts- und Risikostrategien ausrichten und das Erreichen der strategischen Ziele unterstützen.167) Um insgesamt als einheitliches Unternehmenssteuerungsinstrument wirken zu können, sollten die Vergütungssysteme der Geschäftsleiter und der sonstigen Mitarbeiter grundsätzlich konsistent sein und sich insoweit ergänzen.168) 65 Neu hinzu tritt die Vorgabe, dass bei der Ausrichtung der Vergütungsstrategie auch die Unternehmenskultur zu berücksichtigen ist (§ 4 Satz 2 InstitutsVergV). Hintergrund dessen ist das auch international intensiv diskutierte Erfordernis einer angemessenen Risikokultur. Adressiert wird damit der Vorwurf, dass bei einigen Akteuren der Finanzindustrie in der Vergangenheit eine Unternehmenskultur vorherrschte, die unehrliches Verhalten von Mitarbeitern begünstigt hat. Entsprechend wird eine starke Unternehmenskultur, die verantwortungsvolles und ethisches Verhalten fördert, als integraler Bestandteil „guter Governance“ angesehen und von den Instituten eingefordert.169) Bezweckt wird eine bewusste Auseinandersetzung mit Risiken im täglichen Geschäft, also die Schaffung eines Risikobewusstseins auf allen Ebenen des Instituts, das das tägliche Denken und Handeln prägt. Hierbei können materielle und immaterielle Anreize eine maßgebliche

___________ 166) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 4, S. 13. 167) Eine sich in der Praxis stellende Frage ist der Umgang mit unterjährigen Strategieänderungen. Der Ausgangspunkt der Aufsicht ist, dass unterjährige Anpassungen der Vergütungssysteme, insb. von Vergütungsparametern und Zielvereinbarungen, nur in Ausnahmefällen zulässig sind. Eine Ausnahme sei ausschließlich im Einklang mit § 4 InstitutsVergV bei einer Änderung der Geschäfts- und Risikostrategie und desto eher denkbar, je früher im Zielerreichungszeitraum eine Anpassung erforderlich wird und je mehr Zeit damit für die Zielerreichung verbleibt, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 12, S. 34. Dies ist folgerichtig, denn die Ausrichtung an der Geschäfts- und Risikostrategie erfordert gerade eine Anpassung der Vergütungsstrategie, sollten sich die Strategien, etwa aufgrund des Eintritts in neue Geschäftsfelder (bzw. eines Austritts) oder des Erwerbs von Unternehmen, unterjährig ändern. Eine unterjährige Änderung der Vergütungsstrategie ist mithin bei Vorliegen entsprechender Gründe ggf. sogar angezeigt. Sie ist zu begründen und angemessen zu dokumentieren. 168) Angesichts der divergierenden Verantwortlichkeiten nach § 3 Abs. 1 und 2 InstitutsVergV, erfordert dies eine Abstimmung zwischen der Geschäftsleitung und dem Aufsichts- oder Verwaltungsorgan, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 4, S. 13, und zu § 11, S. 32. 169) Vgl. FSB, Principles for an Effective Risk Appetite Framework, v. 18.11.2013; FSB, Guidance on Supervisory Interaction with Financial Institutions on Risk Culture – A Framework for Assessing Risk Culture, v. 7.4.2014; vgl. auch BaFin, Rundschreiben 9/2017 (BA), MaRisk 2017, v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002) (nach AT 3 Rz. 1 MaRisk 2017 ist eine angemessene Risikokultur innerhalb des Instituts und der Gruppe zu entwickeln, zu integrieren und zu fördern).

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§ 12

II. Institutsvergütungsverordnung

Rolle spielen.170) Entsprechend sind die Vergütungssysteme an dieser Risikokultur auszurichten und sollen diese fördern. b)

Angemessenheit der Vergütungssysteme

aa)

Differenzierte Anforderungen nach Mitarbeitergruppen

§ 5 InstitutsVergV regelt Grundanforderungen an eine angemessene Ausgestaltung der 66 Vergütung und der Vergütungssysteme. Dabei ist zwischen verschiedenen Mitarbeitergruppen zu differenzieren, insbesondere zwischen Mitarbeitern der geschäftsinitiierenden Organisationseinheiten (insbesondere Markt und Handel) und denen der Kontrolleinheiten i. S. des § 2 Abs. 11 InstitutsVergV. Für Erstere sind die Vergütungssysteme dann angemessen ausgestaltet, wenn Anreize, unverhältnismäßig hohe Risiken einzugehen, vermieden werden. Das bedeutet gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 InstitutsVergV insbesondere, dass keine signifikante Abhängigkeit des Mitarbeiters von der variablen Vergütung bestehen darf.171) Umgekehrt muss die variable Vergütung in ausreichendem Maße mit den tatsächlichen Leistungen und Erfolgen des Mitarbeiters (oder ggf. des Instituts) verknüpft sein.172) Vergütungssysteme sind entsprechend in der Regel auch dann unangemessen ausgestaltet, wenn ungeachtet negativer Erfolgsbeiträge des Mitarbeiters ein der Höhe nach unveränderter Anspruch auf die variable Vergütung besteht (§ 5 Abs. 2 InstitutsVergV).173) Nach dem Verständnis der BaFin muss der Betrag der variablen Vergütung daher angemessen auf Änderungen von Leistung und Verhalten des Mitarbeiters reagieren, wobei in Extremfällen auch die realistische Möglichkeit bestehen muss, dass die variable Vergütung vollständig

___________ 170) Neben der in Instituten gelebten Leistungsbewertung und Beförderung- und Einstellungspraxis betrifft dies insb. auch Vergütungsanreize, vgl. BCBS, Guidelines, Corporate governance principles for banks, v. 8.7.2015: „Remuneration systems form a key component of the governance and incentive structure through which the board and senior management promote good governance, convey acceptable risk-taking behaviour and reinforce the bank´s operating and risk culture.“ 171) Anderenfalls wäre es dem Institut unmöglich, eine in jeder Hinsicht flexible Vergütungspolitik zu betreiben und die variable Vergütung des Mitarbeiters vollständig abzuschmelzen, wenn dies angezeigt ist, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 5, S. 16. 172) Die Gewährung einer variablen Vergütung ohne Feststellung einer positiven Leistung (oder Zielerreichung) ist dagegen grundsätzlich eine Umgehung der Anforderungen an eine angemessene variable Vergütung, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 3, S. 10. Entsprechend haben die Institute sicherzustellen, dass die Methoden der Leistungs- und Erfolgsmessung einer angemessenen Kontrolle unterworfen sind, um zu gewährleisten, dass die Zuwendungskriterien nicht manipuliert werden können. Welche Art der Kontrolle im Einzelfall angemessen ist, ist risikoorientiert zu entscheiden und hängt von der Höhe der variablen Vergütung und der Bedeutung der Tätigkeit des jeweiligen Mitarbeiters für das Institut ab. Generell erforderlich ist jedoch ein strukturierter, dokumentierter und ggf. EDV-technisch unterstützter Beurteilungsprozess mit Zielvereinbarungsund Zielerreichungsgesprächen auf der Grundlage von klar definierten Maßstäben und Kriterien, dessen Einhaltung auch Gegenstand der Kontrolle gemäß § 12 InstitutsVergV ist, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 5, S. 15. 173) Diese Vorgabe erklärt sich vor dem Hintergrund der kritisierten asymmetrischen Ausgestaltung von Vergütungssystemen. Die Zielsetzung, dass sich schlechte Ergebnisse auch negativ auf die Bemessung der variablen Vergütung niederschlagen müssen, verfolgt auch das Verbot garantierter Boni gemäß § 5 Abs. 5 InstitutsVergV.

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Vergütung

abgeschmolzen wird.174) Dem ist durch Vereinbarung entsprechender (arbeits-)vertraglicher Regelungen mit den Mitarbeitern Rechnung zu tragen. 67 Zusätzliche Anforderungen gelten für Vertriebsmitarbeiter. In ihren Vergütungssystemen (insbesondere im Bereich des Privatkunden-Banking) sind gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 InstitutsVergV Verbraucherrechte und -interessen zu berücksichtigen; insbesondere dürfen hier nicht ausschließlich quantitative Vergütungsparameter verwendet werden.175) § 5 Abs. 1 Nr. 4 und 5 InstitutsVergV enthalten daneben Vergütungsvorgaben im Zusammenhang mit Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen gemäß § 491 Abs. 3 BGB.176) Über den unmittelbaren Anwendungsbereich der § 5 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 InstitutsVergV hinaus ist eine angemessene Ausgestaltung der Vergütungssysteme im Vertriebsbereich allgemein nicht gegeben, wenn dadurch operationelle Risiken begründet werden. Dies ist insbesondere bei einem Vergütungssystem der Fall, das unter Vernachlässigung qualitativer Kriterien wie Kundeninteresse oder –zufriedenheit ausschließlich Absatzziele oder die Zahl genehmigter Anträge in den Vordergrund der Zielerreichung stellt.177) 68 Für Mitarbeiter in Kontrolleinheiten gelten gesonderte Anforderungen. Dies erklärt sich vor dem Hintergrund der Anreizsteuerung. Während die vergütungsinduzierten Anreize bei Mitarbeitern in geschäftsinitiierenden Einheiten in erster Linie ein risikobewusstes Handeln hervorrufen sollen, zielen die Vergütungsregeln für Mitarbeiter in den Kontrolleinheiten auf die Vermittlung von Anreizen zu einer wirksamen Überwachung. Unangemessen sind gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 InstitutsVergV dementsprechend Anreize, die der Überwachungsfunktion zuwiderlaufen. Da ansonsten die Gefahr von Interessenkonflikten bestünde, darf sich die variable Vergütung der Mitarbeiter in Kontrolleinheiten nicht maßgeblich anhand derjenigen Vergütungsparameter bemessen, die auch für die Vergütung der Mitarbeiter in den von ihnen kontrollierten Organisationseinheiten maßgeblich sind (vgl. § 5 Abs. 4 InstitutsVergV). Stattdessen sind in erster Linie Vergütungsparameter zu wählen, die an die Qualität der Kontrolltätigkeit der Mitarbeiter bzw. der Kontrolleinheiten anknüpfen.178) ___________ 174) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 5, S. 16. § 5 Abs. 2 InstitutsVergV regelt für alle Mitarbeiter von Instituten prinzipienhaft, was die Vergütungsanforderungen unter einer Risikoorientierung der Vergütung verstehen. Im Vergleich zu den besonderen Anforderungen für die Vergütung von Risikoträgern in bedeutenden Instituten (§§ 18 Abs. 3 – 5, 19 und 20 InstitutsVergV), belassen die allgemeinen Anforderungen des § 5 InstitutsVergV den Instituten aber einen größeren Umsetzungsspielraum. Dies betrifft etwa den Umgang mit „negativen Erfolgsbeiträgen“, welche etwa im Fall von nachweisbar besonders schwerwiegenden persönlichen Verfehlungen oder für das Institut hinsichtlich des Ausmaßes ihrer Auswirkungen gravierender Fehlentscheidungen eines Mitarbeiters gegeben sein sollen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 2, S. 9. Während „negative Erfolgsbeiträge“ i. S. des § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV bei Risikoträgern bedeutender Institute zwingend den vollständigen Verlust einer variablen Vergütung zur Folge haben müssen, darf nach § 5 Abs. 2 InstitutsVergV bei Vorliegen „negativer Erfolgsbeiträge“ lediglich kein der Höhe nach unveränderter Anspruch auf die variable Vergütung bestehen – ein vollständiger Verlust der variablen Vergütung ist hier also nicht zwingend. 175) Hierdurch werden die EBA-Leitlinien zur Vergütung im Privatkundengeschäft umgesetzt, vgl. EBA, Final Report, Guidelines on remuneration policies and practices related to the sale and provision of retail banking products and services, v. 28.9.2016 (EBA/GL/2016/06); s. dazu bereits oben Rz. 29. Vgl. zu den Anforderungen i. E., BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 5, S. 14. 176) Hierdurch werden Vorgaben der europäischen Wohnimmobilienkreditrichtlinie (Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.2.2014, ABl. (EU) L 60/34 v. 28.2.2014) umgesetzt. 177) So noch ausdrücklich BaFin, Entwurf der Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 5. 178) Kontrollziele sind z. B. die Kernkapitalquote, die Quote (der Verwertung) notleidender Kredite oder Revisionsfeststellungen. Zum Teil darf die variable Vergütung der Mitarbeiter von Kontrolleinheiten aber auch auf dem Gesamterfolg des Instituts anknüpfen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 9, S. 30.

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§ 12

II. Institutsvergütungsverordnung

Zusätzliche Anforderungen gelten für die Vergütung von Geschäftsleitern. Deren Vergü- 69 tung muss gemäß § 10 Abs. 1 InstitutsVergV in einem jeweils angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des einzelnen Geschäftsleiters sowie zur Lage des Instituts stehen und darf die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen. Ihre variable Vergütung soll gemäß § 10 Abs. 2 InstitutsVergV zudem eine mehrjährige Bemessungsgrundlage (von mindestens drei Jahren) haben.179) Zudem soll eine Begrenzungsmöglichkeit für außerordentliche Entwicklungen vereinbart werden. Mit diesen Vorgaben bildet die InstitutsVergV die durch das VorstAG in § 87 Abs. 1 AktG eingefügten Regelungen nach und wendet sie unabhängig von der Rechtsform des Instituts auf alle Geschäftsleiter an.180) Durch die InstitutsVergV 2017 neu eingeführt wurde eine Sonderregelung für das für die 70 Risikosteuerung zuständige Mitglied der Geschäftsleitung. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 InstitutsVergV gelten die für Mitarbeiter der Kontrolleinheiten geltenden Anforderungen für das für die Risikosteuerung zuständige Mitglied der Geschäftsleitung entsprechend.181) Auch hier sind also in erster Linie Vergütungsparameter zu wählen, die an die Kontrollaufgaben und -ziele des betreffenden Geschäftsleiters anknüpfen. bb)

Verhältnis von variabler zu fixer Vergütung

Das Verhältnis von variabler zu fixer Vergütung ist für die Frage der Anreizsteuerung ele- 71 mentar. Dabei geht es im Kern um die Frage, inwieweit und in welchem Maße der Vergütung eine Verhaltenssteuerungsfunktion zukommen soll. Führt man sich die Vergütungsregeln – gerade im Verlauf ihrer Entstehungsgeschichte – vor Augen, scheint der Gesetzgeber in dieser Frage hin- und hergerissen.182) In ihrer Grundausrichtung setzt die Vergütungsregulierung (ausgehend von den FSB-Prinzipien und -Standards) auf eine positive Steuerungsfunktion der variablen Vergütung.183) Tendenziell gegenläufig ist das Bonus Cap, das auf europäischer Ebene „zwecks Vermeidung übermäßiger Risikobereit___________ 179) Während dieses Zeitraums muss gewährleistet sein, dass die variablen Vergütungsbestandteile an negativen Entwicklungen teilnehmen, d. h. die Auszahlung der variablen Vergütung darf nicht lediglich hinausgeschoben werden. Für die Umsetzung dieser „mittelfristigen Komponente“ des Vergütungssystems bestehen verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten, vgl. dazu BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 10, S. 31 f., sowie Herz, NZG 2018, 1050, 1055 ff. 180) Bei der Auslegung können daher auch Literatur und Rspr. zu § 87 AktG herangezogenen werden, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 10, S. 31. Entsprechend kann die mehrjährige Bemessungsgrundlage für die variable Vergütung auch retrospektiv ausgestaltet sein, d. h. sich nach in der Vergangenheit erreichten Zielen richten, vgl. Hüffer/Koch-Koch, AktG, § 87 Rz. 13 m. w. N. Zulässig ist auch eine – in der Praxis gebräuchliche – rückblickend vom Ende des Bemessungszeitraums gesehen (linear) abnehmende Gewichtung der einzelnen Bemessungsjahre, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 10, S. 31. 181) Hierdurch wird Rz. 213 der EBA-Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/ GL/2015/22), umgesetzt und klargestellt, dass Interessenkonflikte auch auf dieser Hierarchieebene auszuschließen sind, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 5, S. 13 f. Nicht abschließend geklärt ist, wie mit dieser Anforderung umzugehen ist, wenn ein Geschäftsleiter nicht ausschließlich für das Risikocontrolling verantwortlich ist, vgl. Herz, NZG 2018, 1050, 1053. 182) Einerseits besteht nämlich nur bei Existenz eines variablen Vergütungsanteils die Möglichkeit, das Verhalten von Mitarbeitern in Richtung einer umsichtigen Eingehung von Risiken positiv zu beeinflussen. Andererseits wachsen bei einem höheren Anteil der variablen Vergütung aber die Gefahr – und das Ausmaß – einer Fehlsteuerung. 183) Vgl. auch BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 6, S. 20: „Variable Vergütung bietet einen Anreiz für die Belegschaft die Ziele und Interessen des Instituts zu verfolgen, und ermöglicht ihnen, an dessen Erfolg teilzunehmen. Sie ist auch ein Element der Kostenflexibilität. Sofern die Interessen der Anteilseigner berücksichtigt sind und es keinen Anreiz dafür gibt, unangemessene oder übermäßige Risiken einzugehen, kann eine variable Vergütung in angemessener Höhe allen Interessengruppen in einem Institut zugutekommen.“

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Vergütung

schaft“ eingeführt wurde.184) Das Bonus Cap beschränkt nämlich gerade die Möglichkeit, sich die variable Vergütung für Zwecke einer positiven Verhaltenssteuerung nutzbar zu machen.185) 72 Der deutsche Gesetzgeber verfolgt in dieser Hinsicht einen differenzierten Ansatz. Dies betrifft zunächst die Frage, ob überhaupt ein variabler Vergütungsbestandteil vorzusehen bzw. umgekehrt eine reine Fixvergütung zulässig ist. Hierbei ist zwischen bedeutenden und nicht bedeutenden Instituten zu unterscheiden. Während für Mitarbeiter nicht bedeutender Institute gänzlich von variabler Vergütung abgesehen werden kann,186) fordert die BaFin jedenfalls im Hinblick auf die Vergütungssysteme der Risikoträger in bedeutenden Instituten grundsätzlich einen „angemessen hohen Anteil variabler Vergütung“, um die beabsichtigte Ausgestaltung der variablen Vergütung als Unternehmenssteuerungsinstrument zu gewährleisten.187) Dabei ist aber dem Geschäftsmodell des Instituts188) als auch der Position des Risikoträgers Rechnung zu tragen. Was Letzteres anbelangt, ist insbesondere für Mitarbeiter von Kontrolleinheiten auch eine ausschließlich fixe Vergütung zulässig.189) 73 Einen Schritt weiter geht der deutsche Gesetzgeber für die Mitglieder des Verwaltungsoder Aufsichtsorgans. Im Hinblick auf die wirksame Wahrnehmung ihrer Überwachungsfunktion und zur Vermeidung von Interessenkonflikten dürfen diese für ihre Tätigkeit im Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan gemäß § 25d Abs. 5 Satz 2 KWG überhaupt keine variablen Vergütungsbestandteile erhalten.190) 74 Auch hinsichtlich der Frage des Verhältnisses von variabler zu fixer Vergütung ist zu differenzieren. Die Grundregel stellt zunächst § 6 Abs. 1 InstitutsVergV auf. Wird Mitarbeitern (freiwillig oder zwingend) eine variable Vergütung gewährt, so muss sie in einem angemessenen Verhältnis zur fixen Vergütung stehen. Das Verhältnis ist dann angemessen, wenn einerseits keine signifikante Abhängigkeit des Mitarbeiters von der variablen Vergütung besteht, die variable Vergütung aber andererseits einen wirksamen Verhaltensanreiz setzen kann. Gemäß § 6 Abs. 2 InstitutsVergV hat das Institut zudem eine angemessene Obergrenze für die variable Vergütung im Verhältnis zur festen Vergütung fest___________ 184) Vgl. den ErwG 65 CRD IV. 185) Auch vor diesem Hintergrund wird das Bonus Cap international krit. betrachtet, vgl. IMF, Risk Taking, Liquidity, and Shadow Banking: Curbing Excess While Promoting Growth, GFSR v. 10/2014, 126; Murphy, European Financial Management 19 (2013), 631 ff. In ihrem Bericht zur Bewertung des CRD IV-Pakets kam die Kommission dagegen zu einer vorsichtig positiven Einschätzung, vgl. Kommission, Bericht an das Europäische Parlament und den Rat, Bewertung der Vergütungsbestimmungen der Richtlinie 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 28.7.2016, COM(2016) 510 final, S. 10 ff. 186) Dies dürfte auch für die Geschäftsleiter nicht bedeutender Institute gelten und entspräche auch der aktienrechtlichen Literatur, die für die Auslegung von § 10 InstitutsVergV heranzuziehen ist, vgl. Hüffer/Koch-Koch, AktG, § 87 Rz. 10 m. w. N. 187) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 6, S. 20. 188) Unter Berücksichtigung des besonderen Geschäftsmodells kann etwa in sog. Förderinstituten, deren Geschäftsausrichtung sich einer aktiven Steuerung entzieht, auf eine variable Vergütung verzichtet werden, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 6, S. 20. 189) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 9, S. 30. 190) Sitzungsentgelte sind dabei als fixe Vergütung einzuordnen, vgl. Begr. RegE FMSANeuOG, BTDrucks. 18/9530, S. 57. Damit geht der deutsche Gesetzgeber über die europäischen Vorgaben hinaus, welche zwar eine rein fixe Vergütung empfehlen, eine variable Vergütung aber auch nicht kategorisch ausschließen, vgl. EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22), Rz. 171 – 173. Für die Arbeitnehmervertreter finden die Anforderungen der InstitutsVergV im Hinblick auf die Vergütung für ihre sonstige Tätigkeit Anwendung. Die besonderen Anforderungen gemäß §§ 18 – 22 InstitutsVergV müssen aber nur dann erfüllt werden, wenn diese Mitarbeiter hinsichtlich ihrer sonstigen Tätigkeit als Risikoträger einzustufen sind, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 46.

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II. Institutsvergütungsverordnung

zulegen.191) Hierbei kann das Institut differenzieren und ggf. unterschiedliche Obergrenzen für verschiedene Rechtsordnungen, Standorte, Organisationseinheiten und Mitarbeiterkategorien festlegen. Die festgesetzten Obergrenzen sind durch das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan zu billigen und in den Verträgen und sonstigen Vereinbarungen mit den Mitarbeitern entsprechend zu implementieren.192) Soweit anwendbar, bildet das Bonus Cap nach § 25a Abs. 5 KWG jeweils die absolute 75 Obergrenze.193) Danach darf die variable Vergütung 100 % (bzw. bis zu 200 % nach entsprechender Billigung durch die Anteilseigner) der fixen Vergütung nicht übersteigen. In überschießender Umsetzung der europäischen Vorgaben gilt dies für alle Mitarbeiter (und nicht nur für Risikoträger). Im Einzelfall, gerade im Hinblick auf besondere Vergütungskomponenten (z. B. garantierte variable Vergütung, Abfindungen, Halteprämien) und deren Zuordnung zu einem bestimmten Bemessungszeitraum, kann die genaue Berechnung des Bonus Cap anspruchsvoll sein. Hierzu enthält die InstitutsVergV selbst, daneben aber auch die Auslegungshilfe (sowie die EBA-Leitlinien) Vorgaben.194) Eine Sonderregelung besteht schließlich für Mitarbeiter der Kontrolleinheiten. Bei deren Vergütung hat der Schwerpunkt gemäß § 9 Abs. 2 InstitutsVergV auf dem fixen Vergütungsbestandteil zu liegen. Hierfür erachtet die BaFin als Richtwert eine maximal erreichbare variable Vergütung von nicht mehr als einem Drittel der Gesamtvergütung als angemessen.195) Zusammenfassend gilt danach hinsichtlich der absoluten Obergrenze für die variable Vergütung im Verhältnis zur festen Vergütung folgende Abstufung: x

ein (Maximal-)Verhältnis von 2:1 für diejenigen Mitarbeiter, für die das Bonus Cap erhöht wurde,

x

ein (Maximal-)Verhältnis von 1:2 für die Mitarbeiter der Kontrolleinheiten und

x

ein (Maximal-)Verhältnis von 1:1 für alle sonstigen Mitarbeiter.

c)

Besondere Vergütungskomponenten

aa)

Garantierte variable Vergütung

Garantierte variable Vergütungen können unter verschiedenen Bezeichnungen auftreten196) 76 und in Barmitteln oder Instrumenten gewährt werden. Prägendes Merkmal einer garantier___________ 191) Die Obergrenze ist festzulegen als ein bestimmtes, nicht zu überschreitendes Verhältnis zwischen der Summe aller variablen Vergütungskomponenten, die für ein bestimmtes Leistungsjahr höchstens gewährt werden können, und der Summe aller fixen Vergütungselemente, die für dasselbe Leistungsjahr zugewendet werden, und zwar jeweils unabhängig vom Auszahlungszeitpunkt, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 6, S. 21. 192) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 6, S. 21. 193) Nicht anwendbar ist das Bonus Cap für solche Institute, die nach § 2 Abs. 7 bis 9h KWG von dieser Anforderung ausgenommen sind. Dies betrifft etwa Institute, die ausschließlich Factoring oder Finanzierungsleasing betreiben. 194) Vgl. etwa für garantierte variable Vergütung, Abfindungen und Halteprämien § 5 Abs. 5 Satz 3, Abs. 6 Satz 5 und Abs. 7 Satz 3 InstitutsVergV. Für Long Term Incentive Plans (LTIP), vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 47 f. 195) Ein Überschreiten dieses Richtwerts ist nach Ansicht der BaFin nur in besonders gerechtfertigten, absoluten Ausnahmefällen zulässig. Variable Vergütungsbestandteile i. H. von 50 % oder mehr sind mit dem Wortlaut von § 9 Abs. 2 InstitutsVergV nicht vereinbar, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 9, S. 30. Da das für die Risikosteuerung zuständige Mitglied der Geschäftsleitung hier – im Gegensatz zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 InstitutsVergV – nicht den Mitarbeitern der Kontrolleinheiten gleichgestellt wird, kann im Gegenschluss gefolgert werden, dass bei der Vergütung dieses Mitglieds der Geschäftsleitung der Schwerpunkt nicht auf dem fixen Vergütungsbestandteil liegen muss. 196) Etwa als „garantierter Bonus“, „Willkommensbonus“, „Anfangsbonus“ oder „Mindestbonus“, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 5, S. 16 f.

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Vergütung

ten variablen Vergütung ist, dass sie ganz oder teilweise leistungsunabhängig gewährt wird und nicht als fixe Vergütung qualifiziert. Sie steht grundsätzlich nicht im Einklang mit dem Prinzip einer leistungs- und risikoorientierten Vergütung und ist daher nur in Ausnahmefällen zulässig. Die ohnehin engen Voraussetzungen für eine garantierte variable Vergütung wurden in der InstitutsVergV 2017 nochmals verschärft. Eine variable Vergütung darf gemäß § 5 Abs. 5 InstitutsVergV nur i. R. der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses und längstens für die ersten zwölf Monate garantiert werden. Zudem dürfen solche Garantien nur ausgesprochen werden, wenn die „unmittelbar vorangegangene“ Tätigkeit des Mitarbeiters nicht in derselben Gruppe erfolgte.197) Schließlich steht die Gewährung unter der Bedingung, dass das Institut im Zeitpunkt der Auszahlung der garantierten variablen Vergütung die Anforderungen des § 7 Abs. 1 Satz 3 InstitutsVergV erfüllt, die Auszahlung also insbesondere nicht die Einhaltung der regulatorischen Eigenmittelanforderungen gefährdet. Für die Bonus-Cap-Berechnung stellt § 5 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV klar, dass eine garantierte variable Vergütung (nur) dann unberücksichtigt bleiben kann, wenn sie vor Beginn der Tätigkeit zugesagt wird.198) 77 Für Risikoträger bedeutender Institute sind die besonderen Anforderungen der §§ 20 und 22 InstitutsVergV auf garantierte variable Vergütungen grundsätzlich nicht anzuwenden (vgl. § 5 Abs. 5 Satz 2 InstitutsVergV).199) Anders ist dies aber bei Ausgleichszahlungen, die ein Mitarbeiter für entgangene Ansprüche aus vorangegangenen Beschäftigungsverhältnissen erhält. Solche Ausgleichzahlungen200) gelten zwar gemäß § 21 InstitutsVergV als garantierte variable Vergütung, unterliegen jedoch sämtlichen Anforderungen an die variable Vergütung, einschließlich Zurückbehaltung, Auszahlung in Instrumenten, Sperrfrist, Malus und Clawback. bb)

Abfindungen

78 Ein im Vergleich zur InstitutsVergV 2014 grundlegend neues Regime enthält die Regelung des § 5 Abs. 6 InstitutsVergV.201) Danach gelten Abfindungen,202) genau wie vertraglich festgelegte Karenzentschädigungen für die Dauer eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, als variable Vergütung (§ 5 Abs. 6 Satz 1 InstitutsVergV). Flankiert von § 11 Abs. 1 Nr. 3 InstitutsVergV, der ein gemäß § 5 Abs. 6 Satz 3 InstitutsVergV bei der ___________ 197) Unklar ist, wann von einer schädlichen „unmittelbaren“ Vorbeschäftigung auszugehen ist. In Anwendung arbeitsrechtlicher Grundsätze kann darauf abgestellt werden, ob es einen engen sachlichen Zusammenhang zwischen den Beschäftigungen gibt, wobei der Anlass, die Dauer der Unterbrechung und die Art der Weiterbeschäftigung zu berücksichtigen sind, vgl. Tusch/Schuster/Herzberg, WM 2017, 2289, 2293. 198) Die Anforderungen des § 25a Abs. 5 KWG können in diesem Fall nicht sinnvoll angewendet werden, da zum Zeitpunkt der Zusage noch keine fixe Vergütung vorliegt. 199) Die Institute können also den vollständigen Betrag in nicht zurückbehaltenen Barmitteln auszahlen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 5, S. 17. 200) Eine Vergütung gilt dann als Ausgleichzahlung i. S. des § 21 InstitutsVergV, wenn die zurückbehaltene variable Vergütung des Mitarbeiters allein aufgrund der Vertragsbeendigung bzw. des Endes des Beschäftigungsverhältnisses vom früheren Arbeitgeber verringert oder widerrufen wurde, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 21, S. 66. 201) Diese neue Regime ist jedoch gemäß § 1 Abs. 2 InstitutsVergV auf Institute, die weder CRR-Institute noch bedeutend sind, nicht anzuwenden. Vgl. noch zum alten Regime, Annuß, BKR 2016, 102 ff. 202) Abfindungen sind gemäß § 2 Abs. 5 InstitutsVergV Vergütungen, die ein Mitarbeiter im Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung des Arbeits-, Geschäftsbesorgungs- oder Dienstverhältnisses erhält. Dies umfasst insb. Zahlungen und Leistungen, die der Mitarbeiter als Entschädigung für den damit verbundenen Verlust der Verdienstmöglichkeiten erhält. Nicht als Abfindung gilt dagegen die Fortzahlung der regulären Vergütung während der Kündigungsfrist bis zum Wirksamwerden einer Kündigung, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 2, S. 7, und zu § 5, S. 17.

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II. Institutsvergütungsverordnung

Gewährung von Abfindungen in prozessualer Hinsicht einzuhaltendes Rahmenkonzept zur Festlegung und Genehmigung von Abfindungen als Bestandteil der Organisationsrichtlinien des Instituts verlangt (einschließlich der diesbezüglichen Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse), verpflichtet § 5 Abs. 6 Satz 2 InstitutsVergV die Institute in materieller Hinsicht zur Aufstellung von Grundsätzen in Bezug auf die Zusage von Abfindungen. In diesen Grundsätzen sind insbesondere ein Höchstbetrag oder die Kriterien für die Bestimmung der Abfindungsbeträge zu regeln.203) Einen materiellen Leitsatz für die Bemessung von Abfindungen enthält § 5 Abs. 6 Satz 4 InstitutsVergV. Danach müssen Abfindungen der Leistung des Mitarbeiters im Zeitverlauf Rechnung tragen und dürfen negative Erfolgsbeiträge oder Fehlverhalten nicht belohnen.204) Da Abfindungen als variable Vergütung gelten, sind im Grundsatz alle Anforderungen 79 der InstitutsVergV an variable Vergütungen auf diese anwendbar. Die Anwendung bestimmter Vorgaben, etwa des Bonus Cap, führen jedoch zu einer ganz erheblichen Einschränkung des Spielraums bei der Gewährung von Abfindungen. Deshalb ist die in § 5 Abs. 6 Satz 5 InstitutsVergV vorgesehene Privilegierung bestimmter Abfindungen und deren Ausnahme von §§ 7 und 20 InstitutsVergV sowie für Zwecke der Bonus-CapBerechnung von großer praktischer Bedeutung. Dies betrifft insbesondere Abfindungen, x

auf die ein gesetzlicher Anspruch besteht (Nr. 1 lit. a),

x

die aufgrund eines Sozialplans nach § 112 Abs. 1 BetrVG geleistet werden (Nr. 1 lit. b),205)

x

die aufgrund eines rechtskräftigen Urteils oder Prozessvergleichs zu leisten sind (Nr. 1 lit. c)206) oder

x

die im Fall einer einvernehmlichen oder institutsseitigen betriebsbedingten Vertragsbeendigung oder bei Anwendung eines unmittelbar drohenden gerichtlichen Verfahrens einen Betrag nicht überschreiten, der anhand einer in den Abfindungsgrundsätzen des Instituts festgelegten Formel berechnet wurde (Nr. 1 lit. d).207)

Sonstige Abfindungen sind nach Nr. 3 privilegiert, sofern das Institut der zuständigen 80 Aufsichtsbehörde die Gründe für deren Gewährung sowie die Angemessenheit des Betra___________ 203) Diese Grundsätze unterliegen ausdrücklich nicht den in den MaRisk behandelten Transparenzanforderungen an Organisationsrichtlinien, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 5, S. 17. 204) Das Vorliegen eines Fehlverhaltens des Mitarbeiters muss im Einzelfall geprüft werden. Die in der Auslegungshilfe beispielhaft genannten Fälle von relevantem Fehlverhalten entsprechen weitgehend den Kriterien des § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV. In diesen Fällen sollte eine Abfindung deutlich reduziert werden oder gänzlich ausbleiben. Liegt ein wichtiger Grund i. S. von § 626 BGB vor, sind Abfindungen in der Regel unzulässig. Wird im Einzelfall, trotz Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 626 BGB, eine Abfindung gewährt, so sind der Abwägungsprozess und die Gründe im Detail zu dokumentieren, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 5, S. 18. 205) Eine analoge Anwendung der Privilegierung auf andere Sozialpläne wie z. B freiwillige oder Rahmensozialpläne hält die BaFin für nicht zulässig. Für Vereinbarungen mit dem Sprecherausschuss, die einen Sozialplan nach § 112 Abs. 1 BetrVG mit zwingender Wirkung in Bezug nehmen, soll die Privilegierung aber entsprechend gelten, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitustVergV 2017, zu § 5, S. 18. 206) Für die Abfindung aufgrund rechtskräftigen Urteils ist die kündigungsschutzrechtliche Erleichterung des § 25a Abs. 5a KWG von Belang. Das ArbG setzt nämlich in diesem Fall die Abfindung durch Urteil fest, vgl. Müller-Bonanni/Jenner, die bank 3/2019, 64, 67. Die Privilegierung von Abfindungen nach Prozessvergleich wird in der Praxis dazu führen, dass Trennungssachverhalte regelmäßig nach § 278 Abs. 6 ZPO protokolliert werden, um auf der sicheren Seite zu sein, vgl. Freihube/Christoffer, DB 2018, 827, 829. 207) Mit Blick auf diese Ausnahmeregelung empfiehlt es sich für Institute in den Abfindungsgrundsätzen eine Formel festzulegen, mit der sich ein Maximalbetrag für Abfindungen errechnen lässt, vgl. dazu Fischbach, WM 2018, 1491, 1493; vgl. dazu auch Annuß/Sappa, BB 2017, 2612, 2614.

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ges schlüssig dargelegt hat.208) Im Sinne einer De-Minimis-Regelung gilt der Betrag als angemessen und es kann auf eine Darlegung verzichtet werden, wenn die Höhe der Abfindung 200.000 € nicht überschreitet und nicht mehr als 200 % der Fixvergütung des Mitarbeiters im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr entspricht. cc)

Halteprämien

81 Ebenfalls durch die InstitutsVergV 2017 neu eingeführt wurde die Regelung zu Halteprämien (Retention Bonus) nach § 5 Abs. 7 InstitutsVergV. Halteprämien sind zusätzliche variable Vergütungen, die zur Bindung des Mitarbeiters an das Institut gewährt werden. Ebenso wie garantierte variable Vergütungen knüpfen Halteprämien nicht an das Erreichen bestimmter Leistungs- oder Erfolgsziele, sondern an andere Bedingungen, insbesondere den Umstand, dass ein Mitarbeiter für einen vorab festgelegten Zeitraum oder bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses (weiter) für das Instituts tätig ist. Sie entsprechen daher im Grundsatz ebenfalls nicht dem Prinzip einer leistungs- und risikoorientierten Vergütung. Während deshalb in der Vergangenheit Abgrenzungsprobleme zu einer garantierten variablen Vergütung bestanden, erklärt § 5 Abs. 7 Satz 1 InstitutsVergV Halteprämien nun ausdrücklich für zulässig, sofern das Institut in der Lage ist, sein berechtigtes Interesse an deren Gewährung darzulegen. Ein berechtigtes Interesse ist in Restrukturierungsphasen, bei Abwicklungen oder Kontrollwechseln gegeben, jedoch auch in anderen Situationen, in denen das Institut auf den Erhalt bestimmter Schlüsselkräfte besonders angewiesen ist. Eine Halteprämie ist dagegen unzulässig, wenn sie ausschließlich Kompensationszwecke verfolgt, d. h. an die Stelle einer leistungsabhängigen Vergütung tritt, deren Gewährung aufgrund schlechter Leistung oder der schlechten finanziellen Situation des Instituts nicht gerechtfertigt ist.209) 82 Halteprämien müssen gemäß § 5 Abs. 7 Satz 2 InstitutsVergV insbesondere im Einklang mit der Geschäfts- und Risikostrategie des Instituts stehen und dürfen die Einhaltung der regulatorischen Eigenmittelanforderungen nicht gefährden. Sie sind bei der Bonus-CapBerechnung miteinzubeziehen, wobei es dem Institut freigestellt ist, die Halteprämien entweder zeitanteilig oder mit dem Gesamtbetrag zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu berücksichtigen.210) Bei Risikoträgern bedeutender Institute, sind zusätzlich auch die Anforderungen der §§ 20, 22 InstitutsVergV (Auszahlungssystematik, Ex-post-Risikoadjustierung) einzuhalten.211) d)

Umgehungsverbot

83 § 8 InstitutsVergV statuiert nunmehr ausdrücklich ein doppeltes Umgehungsverbot. Die Risikoadjustierung der variablen Vergütung darf danach weder seitens der Institute ___________ 208) Die Darlegungspflicht ist nicht als Zustimmungserfordernis zu verstehen. Insb. muss keine Rückmeldung oder gar Zustimmung der Aufsichtsbehörde abgewartet werden, bevor die Vereinbarung mit dem betroffenen Mitarbeiter geschlossen werden kann. Sinn und Zweck der Darlegungspflicht ist es vielmehr, der Aufsicht einen frühzeitigen Einblick in die Bemessungsgrundlage der Abfindungszahlungen zu geben, um so ggf. unangemessenen Praktiken gegensteuern zu können. Für die zu diesem Zweck der Aufsicht zu übermittelnden Informationen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 5, S. 18 f. 209) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 5, S. 19. Vgl. zur Rechtfertigung von Halteprämien auch EBA, Single Rulebook Q&A, Question ID 2017_3589. 210) Diese flexible Regelung soll Instituten die Möglichkeit erhalten, neben der Halteprämie auch noch eine (reguläre) leistungs- bzw. risikoorientierte variable Vergütung gewähren zu können, vgl. EBA, Final Report, Guidelines on sound remuneration policies under Articles 74(3) and 75(2) of Directive 2013/36/EU and disclosures under Article 450 of Regulation (EU) No 575/2013, v. 21.12.2015 (EBA/GL/2015/22), S. 104. 211) Wegen des mangelnden Leistungs- bzw. Erfolgsbezugs von Halteprämien, entfällt dagegen die Ex-anteRisikoadjustierung, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 5, S. 19.

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II. Institutsvergütungsverordnung

(Abs. 1) noch seitens der Mitarbeiter (Abs. 2) durch Absicherungs- oder sonstige Gegenmaßnahmen eingeschränkt oder aufgehoben werden. Insbesondere dürfen keine Instrumente oder Methoden angewendet werden, durch die die Anforderungen der InstitutsVergV umgangen werden. Auf Institutsebene betreffen mögliche Umgehungstatbestände zunächst die Ausgestaltung der Vergütung, etwa wenn Formen der Vergütung gewählt werden, die zwar dem Wortlaut der Definition der fixen Vergütung gemäß § 2 Abs. 6 InstitutsVergV entsprechen, nicht jedoch deren Sinn und Zweck. Daneben bestehen Umgehungstatbestände auch auf Durchführungsebene, etwa wenn die Methoden der Leistungs- und Erfolgsmessung keiner angemessen Kontrolle (Vier-Augen-Prinzip) und keinen objektiven Standards für den Entscheidungsprozess bzgl. des Erreichens von Zielen durch die Mitarbeiter unterliegen, um damit sicherzustellen, dass die Zuwendungskriterien nicht manipuliert werden können (etwa durch Gefälligkeitsentscheidungen im bilateralen Leistungsmessungsverfahren).212) Auf Mitarbeiterebene ist eine Umgehung insbesondere durch Abschluss von Absiche- 84 rungsgeschäften (Hedging) denkbar, etwa wenn sich ein in Form von Aktien vergüteter Mitarbeiter gegen den Kursverfall der Aktie absichert. Zur Verhinderung solcher Geschäfte haben Institute gemäß § 8 Abs. 2 InstitutsVergV angemessene ComplianceStrukturen einzurichten. Hierzu zählt insbesondere die Einholung einer entsprechenden Verpflichtungserklärung von den betreffenden Personen213) sowie, in bedeutenden Instituten, die Verpflichtung der Risikoträger private Depotkonten anzuzeigen. Beide Verpflichtungen sind durch eine entsprechende Vereinbarung im Arbeits- bzw. Dienstvertrag oder in einer Zusatzvereinbarung umzusetzen. Die Einhaltung der Verpflichtungen ist zudem risikoorientiert, zumindest stichprobenartig durch die Compliance-Funktion, bzw. bei bedeutenden Instituten, durch den Vergütungsbeauftragten, zu überprüfen.214) 4.

Besondere materielle Anforderungen an die Vergütungssysteme

a)

Anwendungsbereich

Die besonderen materiellen Anforderungen an die Ausgestaltung der Vergütungssysteme 85 sind § 18 Abs. 3 bis 5 und §§ 19 bis 22 InstitutsVergV zu entnehmen. Diese gelten zusätzlich zu den allgemeinen Anforderungen und nur für bedeutende Institute i. S. des § 25n KWG und für die Vergütungssysteme der nach Maßgabe von § 25a Abs. 5b KWG ermittelten (Gruppen-)Risikoträger. Für Risikoträger, die unter die sog. Freigrenze nach § 18 Abs. 1 InstitutsVergV fallen, gelten die besonderen materiellen Anforderungen dagegen nur teilweise. aa)

Bedeutende Institute

§ 25n KWG enthält ein gestuftes System zur Ermittlung, ob ein Institut als bedeutend 86 i. S. der Verordnung einzustufen ist. Nach der Grundregel des Absatzes 1 ist ein Institut bedeutend, wenn seine Bilanzsumme im Durchschnitt zu den jeweiligen Stichtagen der ___________ 212) Für weitere Umgehungsbeispiele (etwa Zahlungen durch Dritte), vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 3, S. 10 f., § 5, S. 15 und § 8, S. 28; s. a. die EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22), Rz. 162–169. 213) Hierzu zählt die BaFin jedenfalls die Risikoträger in bedeutenden Instituten sowie die Geschäftsleiter in nicht bedeutenden Instituten, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 8, S. 29. 214) Über die stichprobenhafte Kontrolle der hauseigenen Depotkonten hinaus, sollten Institute nach Ansicht der BaFin erwägen, ob sie sich zumindest für den Fall des Vorliegens konkreter Anhaltspunkte für die Existenz einer persönlichen Hedging-Strategie, Einsichtsrechte auch im Hinblick auf außerhalb des Instituts geführte Depotkonten vorbehalten, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 8, S. 29.

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Vergütung

letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre 15 Mrd. € erreicht oder überschritten hat. Dabei handelt es sich indes nur um eine Regelvermutung, die von Instituten, die den genannten Schwellenwert überschreiten, durch einen Gegennachweis auf der Grundlage einer Risikoanalyse nach Absatz 5 entkräftet werden kann.215) Ein solcher Nachweis ist jährlich zu erneuern, indem der Aufsichtsbehörde jeweils eine aktualisierte Risikoanalyse vorgelegt wird.216) 87 Unwiderlegbar als bedeutend gelten die in § 25n Abs. 2 Nr. 1–3 KWG genannten Institute. Dabei handelt es sich um Institute, die unter die EZB-Aufsicht fallen und auf Einzelinstitutsebene eines der in Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 der SSM-VO217) aufgeführten Kriterien erfüllen.218) Daneben sind stets als bedeutend anzusehen Institute, die als potenziell systemgefährdend gemäß § 20 Abs. 1 Satz 3 SAG219) eingestuft werden220) sowie Finanzhandelsinstitute gemäß § 25f Abs. 1 KWG, welche im Kontext des sog. Trennbankengesetzes zu verorten sind (siehe dazu § 20 Rz. 77 ff. [Glasow]). 88 Im Gruppenkontext ist die Sonderregelung des § 25n Abs. 4 KWG zu beachten. Wird ein gruppenangehöriges Institut (zumeist das Mutterunternehmen) als bedeutend eingestuft, so gelten zwingend auch alle anderen (Tochter-)Institute als bedeutend, sofern ihre Bilanzsummen den in Absatz 1 genannten Schwellenwert von 15 Mrd. € überschreiten. Solchen gruppenangehörigen Instituten ist also die Führung des Gegennachweises mittels Risikoanalyse nach Absatz 5 verwehrt.221) 89 Der zuständigen Aufsichtsbehörde ist gemäß § 25n Abs. 3 KWG schließlich die Möglichkeit eröffnet, auch Institute, deren Bilanzsumme den in Absatz 1 genannten Schwellenwert von 15 Mrd. € nicht erreicht, als bedeutend einzustufen, wenn dies nach Maßgabe der Kriterien in Satz 2 Nr. 1 bis 4 geboten ist.222)

___________ 215) Hierzu haben die Institute der zuständigen Aufsichtsbehörde nachzuweisen, dass eine Anwendung der besonders strengen Anforderungen der InstitutsVergV insb. gemessen an ihrer Größe, ihrer Vergütungsstruktur sowie an Art, Umfang, Komplexität, Risikogehalt und Internationalität ihrer Geschäftsaktivitäten unangemessen wäre. Vgl. dazu i. E. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 17, S. 42 f. 216) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 17, S. 43. S. i. Ü. auch § 24 Abs. 1a Nr. 6 KWG, wonach Institute der Aufsichtsbehörde jährlich die Einstufung als bedeutendes Institut sowie eine Änderung dieser Einstufung anzuzeigen haben. 217) Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013. 218) Damit wird ausdrücklich klargestellt, dass Tochterinstitute einer durch die EZB beaufsichtigten Gruppe nicht unwiderlegbar als bedeutende Institute einzustufen sind, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 17, S. 41. Dies war nach alter Rechtslage, insb. unter Berücksichtigung von Art. 40 SSM-RahmenVO, umstritten und ist bei der Ermittlung der Risikoträger (nur auf Gruppen- oder eben auf Solo-Ebene) von erheblicher Bedeutung. 219) Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen – Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG), v. 10.12.2014, BGBl. I 2014, 2091. 220) Dies betrifft insb. global oder anderweitig systemrelevante Institute nach §§ 10f, 10g KWG, die auch nach den EBA-Leitlinien als „Institute von erheblicher Bedeutung“ einzustufen sind. 221) Dies ist wiederum für die Risikoträgerermittlung von erheblicher Bedeutung. Ist das Tochterinstitut selbst als bedeutend einzustufen, sind die Risikoträger (auch) auf Solo-Ebene zu ermitteln. Tochterinstitute, deren Bilanzsumme 15 Mrd. € nicht erreicht, sind grundsätzlich als nicht bedeutend einzustufen, ungeachtet dessen, ob sie unter die Gruppenaufsicht durch die EZB fallen oder nicht, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 17, S. 41 f. 222) Dabei zieht die BaFin neben den in Satz 2 genannten Aspekten die Nähe der Bilanzsumme eines Instituts zum Schwellenwert nach Absatz 1 (15 Mrd. €) als weiteren Aspekt heran. Vgl. dazu i. E. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 17, S. 42.

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II. Institutsvergütungsverordnung bb)

Risikoträger

Bedeutende Institute haben gemäß § 25a Abs. 5b KWG auf Grundlage einer Risikoanaly- 90 se eigenverantwortlich die Risikoträger zu ermitteln. Risikoträger sind gemäß § 2 Abs. 8 InstitutsVergV jene Mitarbeiter des Instituts, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil des Instituts auswirkt. Die Risikoanalyse ist regelmäßig (mindestens jährlich) zu aktualisieren. Sie muss plausibel und für Dritte nachvollziehbar sein und ist angemessen zu dokumentieren. Dies betrifft insbesondere die relevanten Entscheidungsprozesse, die zur Einordnung bestimmter Mitarbeiter als Risikoträger bzw. als NichtRisikoträger geführt haben.223) Die Einstufung als Risikoträger ist dem betroffenen Mitarbeiter mitzuteilen. Entsprechendes gilt gemäß § 27 Abs. 2 InstitutsVergV im Gruppenkontext. Danach hat das 91 übergeordnete Unternehmen einer Gruppe gemäß § 2 Abs. 12 InstitutsVergV auf der Grundlage einer gruppenweiten Risikoanalyse die Gruppen-Risikoträger zu ermitteln. Dies sind solche Mitarbeiter, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Gesamtrisikoprofil der Gruppe auswirkt. Von maßgeblicher Bedeutung ist der unterschiedliche Bezugspunkt. Während für eine Identifizierung auf Solo-Ebene, ein wesentlicher Einfluss auf das Risikoprofil des Einzelinstituts erforderlich (und ausreichend) ist, erfordert eine Identifizierung auf Gruppen-Ebene einen wesentlichen Einfluss auf das Risikoprofil der gesamten Gruppe.224) In inhaltlicher Hinsicht ist die Risikoanalyse zur Ermittlung der Risikoträger (sowohl auf 92 Solo- wie auch auf Gruppenebene) mindestens anhand der qualitativen und quantitativen Kriterien nach Artt. 3 und 4 Delegierte VO (EU) Nr. 604/2014 vorzunehmen. Um sicherzustellen, dass tatsächlich alle Risikoträger i. R. der Risikoanalyse ermittelt werden, haben Institute ggf. zusätzlich noch geeignete (institutsspezifische) Kriterien festzulegen und anzuwenden, welche das Risikoniveau der unterschiedlichen Tätigkeiten innerhalb des Instituts (bzw. der Gruppe) und die Auswirkungen der Mitarbeiter auf das Risikoprofil widerspiegeln sollen.225) Die Risikoanalyse hat alle Organisationseinheiten des Instituts (bzw. der Gruppe) im In- und Ausland abzudecken. Die qualitativen Kriterien gemäß Art. 3 Delegierte VO (EU) Nr. 604/2014 stellen auf 93 die Befugnisse und die Verantwortung der betreffenden Personen sowie auf bestimmte Risiko- und Leistungsindikatoren des Instituts (bzw. der Gruppe) ab.226) Hierdurch erfasst werden etwa die Mitglieder der Leitungsorgane,227) der Geschäftsleitung und bestimmter Ausschüsse. Daneben betrifft dies insbesondere Leitungsfunktionen in wesent___________ 223) Dabei sind umso größere Anforderungen an die Risikoanalyse und die Dokumentation zu stellen, je größer und komplexer ein Institut ist. S. zu den Dokumentationsforderungen i. E., BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 44, sowie EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22), Rz. 90 – 93. 224) Entsprechend ist es für die Anzahl der ermittelten Risikoträger von entscheidender Bedeutung, ob ein Tochter-Institut selbst bedeutend ist oder nicht. Bedeutende Tochter-Institute haben eine eigene Risikoanalyse auf Solo-Ebene durchzuführen, was, bezogen auf die Gruppe insgesamt, regelmäßig zu einer größeren Anzahl von Risikoträgern führen wird. 225) Dies soll z. B der Fall sein, wenn die Wesentlichkeit eines Geschäftsbereichs trotz eines zugeteilten internen Kapitals von unter 2 % (vgl. Art. 3 Abs. 5 VO Nr. 604/2014) als gegeben anzusehen ist, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 44. 226) Bei der Anwendung auf Gruppen-Ebene ist zu beachten, dass Mitarbeiter eines Tochterunternehmens nur dann erfasst werden, wenn sie auf konsolidierter Basis für die Funktion verantwortlich sind, auf die in diesen Kriterien verwiesen wird, vgl. EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22), Rz. 103. 227) Erfasst werden auch die Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans. § 25d Abs. 5 Satz 3 KWG stellt entsprechend klar, dass Institute diese bei Erfüllung der Offenlegungspflichten nach Art. 450 CRR als Risikoträger zu behandeln haben, vgl. Begr. RegE FMSANeuOG, BT-Drucks. 18/9530, S. 58.

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Vergütung

lichen Geschäftsbereichen.228) Ist eines der qualitativen Kriterien erfüllt, gilt der betreffende Mitarbeiter (unwiderlegbar) als Risikoträger. Dabei reicht es bereits aus, wenn dies für mindestens drei Monate eines Geschäftsjahres zutrifft.229) 94 Für die quantitativen Kriterien gemäß Art. 4 Delegierte VO (EU) Nr. 604/2014 ist die absolute bzw. relative Höhe der Gesamtvergütung eines Mitarbeiters maßgeblich.230) Ihnen kommt eine Auffangfunktion zu. Entsprechend der Annahme, dass Mitarbeiter nicht ohne Grund eine besonders hohe Vergütung erhalten, wird bei Erreichen eines der in Abs. 1 genannten Schwellenwerte (widerlegbar) vermutet, dass es sich bei den betreffenden Mitarbeitern um Risikoträger handelt. Die Schwellenwerte richten sich jeweils nach der „Gesamtvergütung im vorangegangenen Geschäftsjahr“231) und betreffen: x

Diejenigen Mitarbeiter, die (absolut) eine Gesamtvergütung i. H. von mind. 500.000 € erhalten haben,

x

diejenigen Mitarbeiter, die (relativ) zu den 0,3 % der Mitarbeiter mit der höchsten Gesamtvergütung gehörten (Bestverdiener) sowie

x

diejenigen Mitarbeiter, die (relativ) derselben Einkommensstufe angehörten wie Mitarbeiter, die nach den qualitativen Kriterien (mit Ausnahme der Kontrollfunktionen) ermittelt wurden.232)

95 Instituten steht es nach Maßgabe der Art. 4 Abs. 2 bis 5 der Verordnung (EU) Nr. 604/ 2014 offen, die Vermutung zu widerlegen und den Nachweis zu erbringen, dass die anhand der quantitativen Kriterien ermittelten Mitarbeiter tatsächlich keinen wesentlichen Einfluss auf Risikoprofil des Instituts (bzw. der Gruppe) haben. Zu diesem Zweck ist nach Absatz 2 i. V. m. Absatz 3 zu belegen, dass der betreffende Mitarbeiter seine Tätigkeit entweder in einem nicht wesentlichen Geschäftsbereich ausübt oder dass die Tätigkeit keinen wesentlichen Einfluss auf das Risikoprofil eines wesentlichen Geschäftsbe-

___________ 228) Die maßgebliche Definition eines Geschäftsbereichs („getrennte organisatorische oder rechtliche Einheiten, Geschäftsfelder und geografische Standorte“, vgl. Art. 142 Abs. 1 Nr. 3 CRR) ist relativ unbestimmt. Ihrer Konkretisierung und Anwendung durch die Institute kommt daher in der Praxis eine entscheidende Bedeutung zu. Ein Geschäftsbereich ist „wesentlich“, wenn diesem mindestens 2 % des internen Kapitals des Instituts zugewiesen wird, vgl. Art. 3 Abs. 5 Delegierte VO (EU) Nr. 604/2014. 229) Dies ist insb. bei Neueinstellungen oder der Übernahme neuer Funktionen, relevant. Aus diesem Grund haben Institute die Risikoanalyse auch unterjährig zumindest im Hinblick auf die qualitativen Kriterien regelmäßig zu aktualisieren, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 44. 230) Bei der Anwendung auf Gruppen-Ebene ist dabei für die relativen quantitativen Kriterien eine gruppenweite Betrachtung anzustellen, vgl. EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22), Rz. 102 und 104. 231) Maßgeblich ist also nicht die „für“ das vorangegangene Geschäftsjahr gewährte Vergütung, sondern die „in“ diesem Geschäftsjahr gewährte Vergütung. Dies umfasst die gezahlte Fixvergütung im vorangegangenen Geschäftsjahr (z. B. 2019) sowie die variable Vergütung, die im Vorjahr (2019) für einen vorangegangenen Leistungszeitraum (2018) gewährt wurde, unabhängig davon, ob diese variable Vergütung sofort ausgezahlt oder zurückbehalten wird. Mithin fällt also der Bezugspunkt der fixen und der variablen Vergütung für Berechnungszwecke auseinander. Dies wirkt kontraintuitiv, ist aber der Notwendigkeit geschuldet, die Schwellenwerte möglichst früh im Jahr (regelmäßig nach der Bonusentscheidung im Frühjahr) berechnen zu können. Besondere Vorgaben gelten für den Umrechnungskurs, sollte die Vergütung nicht in Euro gewährt werden, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 45. 232) Gerade an diesem Kriterium wird die Auffangfunktion sowie das Bestreben, tatsächlich sämtliche Risikoträger zu erfassen, besonders deutlich. Nach Anwendung der qualitativen Kriterien ist eine Art „Rückvergleich“ anhand der Vergütung desjenigen qualitativen Risikoträgers vorzunehmen, der im letzten Geschäftsjahr die niedrigste Gesamtvergütung erhalten hat.

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II. Institutsvergütungsverordnung

reichs hat.233) Das dabei einzuhaltende Verfahren ist in Absatz 4 und 5 geregelt. Für Institute (bzw. Gruppen), die der Aufsicht durch die EZB unterliegen, ist zudem der Beschluss (EU) Nr. 2015/2218234) zu beachten. Zu differenzieren ist wiederum nach Kriterien und Schwellenwerten: x

Mitarbeiter mit einer Gesamtvergütung i. H. von mindestens 500.000 €, aber weniger als 750.000 €, sind der zuständigen Aufsichtsbehörde nach Absatz 4 anzuzeigen (ihre Herausnahme unterliegt einem sog. Non-Objection-Verfahren);

x

für eine Herausnahme von Mitarbeitern mit einer Gesamtvergütung, die 750.000 € oder mehr beträgt sowie für Mitarbeiter, die zu den 0,3 % der Bestverdiener gehören, ist dagegen nach Absatz 5 die vorherige Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde erforderlich; liegt die Gesamtvergütung des Mitarbeiters bei 1.000.000 € oder mehr, wird die Zustimmung nur „unter außergewöhnlichen Umständen“ sowie nach Unterrichtung der EBA erteilt.235)

Herausnahmen bedürfen gemäß § 25a Abs. 5b Satz 5 KWG der Zustimmung durch die 96 Geschäftsleitung und der Kenntnisnahme durch das Verwaltungs- und Aufsichtsorgan.236) Die entsprechenden Anzeigen und Anträge auf Zustimmung zur Herausnahme nach Art. 4 Abs. 4 bzw. 5 Delegierte VO (EU) Nr. 604/2014 hat das Institut unverzüglich, spätestens jedoch sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres bei der zuständigen Aufsichtsbehörde einzureichen.237) Institute, die von der EZB beaufsichtigt werden, haben dabei den EZB-Beschluss (EU) Nr. 2015/2218 zu beachten, der umfangreiche Vorgaben zu den vorzulegenden Informationen enthält.238) Während die Zustimmung zur Herausnahme nach Absatz 5 (auch für dieselben Mitarbeiter) jedes Jahr erneuert werden muss, ist keine neue Anzeige für solche Mitarbeiter erforderlich, die von einer Anzeige im vorangegangenen Meldezeitraum erfasst waren, soweit sich die der Herausnahme zugrunde liegenden Umstände nicht geändert haben. Da eine erteilte Zustimmung für das auf ___________ 233) Um diesen Gegennachweis nutzbar machen zu können, haben Institute also ihre Organisation zunächst in einzelne Geschäftsbereiche zu unterteilen. Sodann ist zu bestimmen, welche dieser Geschäftsbereiche „wesentlich“ i. S. des Art. 3 Abs. 5 Delegierten VO (EU) Nr. 604/2014 ist. 234) Beschluss (EU) 2015/2218 der Europäischen Zentralbank v. 20.11.2015 zum Verfahren bei Ausnahmen für Mitarbeiter von der Annahme ihres wesentlichen Einflusses auf das Risikoprofil eines beaufsichtigten Kreditinstituts (EZB/2015/38), ABl. (EU) L 314/66 v. 1.12.2015. 235) Anhaltspunkte dafür, wann „außergewöhnliche Umstände“ vorliegen, ergeben sich aus Art. 6 Beschluss (EU) 2015/2218 der Europäischen Zentralbank v. 20.11.2015 zum Verfahren bei Ausnahmen für Mitarbeiter von der Annahme ihres wesentlichen Einflusses auf das Risikoprofil eines beaufsichtigten Kreditinstituts (EZB/2015/38), ABl. (EU) L 314/66 v. 1.12.2015. Außergewöhnliche Umstände können sowohl mit der beruflichen Tätigkeit als auch mit der Vergütung des betreffenden Mitarbeiters verbunden sein. Ein starker Wettbewerbsdruck allein reicht jedenfalls nicht aus. 236) Die Geschäftsleitung hat auf der Grundlage der durchgeführten Risikoanalyse zu entscheiden, ob die Tätigkeit des Mitarbeiters keine wesentlichen Auswirkungen auf das Risikoprofil des Instituts hat, und das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan über die getroffene Entscheidung zu informieren. Das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan oder der Vergütungskontrollausschuss, sofern ein solcher eingerichtet ist, müssen die Kriterien und das Verfahren, nach dem die Entscheidungen getroffen wurden, überprüfen und Ausnahmen zur Kenntnis nehmen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 45. 237) Vgl. § 24 Abs. 1c KWG (für Anzeigen) und § 25a Abs. 5c KWG (für Anträge auf Zustimmung). Zu den zu übermittelnden Informationen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 46. 238) Vgl. i. E. die Anforderungen in Artt. 3 bis 6 des Beschlusses (EU) 2015/2218 der Europäischen Zentralbank v. 20.11.2015 zum Verfahren bei Ausnahmen für Mitarbeiter von der Annahme ihres wesentlichen Einflusses auf das Risikoprofil eines beaufsichtigten Kreditinstituts (EZB/2015/38), ABl. (EU) L 314/66 v. 1.12.2015. Dies beinhaltet neben zahlreichen numerischen Angaben insb. auch die Vorlage eines jährlichen externen oder internen Prüfberichts zur Ermittlung der ausgewiesenen Risikoträger und dessen Ergebnisse mit Angaben zu den beantragten Ausnahmen. Daneben finden sich auch Vorgaben in Rz. 98 EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22).

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Vergütung

den Antrag folgende Geschäftsjahr gilt,239) ergibt sich ein „rollierendes System“, das eine vorausschauende Ausgestaltung der Vergütungssysteme der betreffenden Mitarbeiter bzw. Risikoträger ermöglichen soll. cc)

Freigrenze

97 § 18 Abs. 1 Halbs. 2 InstitutsVergV statuiert eine Freigrenze. Danach sind für die Vergütungssysteme solcher Risikoträger, deren Gesamtbetrag der variablen Vergütung für ein Geschäftsjahr 50.000 € nicht übersteigt, die besonders aufwendigen Anforderungen der Ex-postRisikoadjustierung bei der Auszahlung der variablen Vergütung (§§ 20, 22 InstitutsVergV) nicht anzuwenden.240) Da der Wortlaut in dieser Hinsicht keine Einschränkung enthält, gilt die Freigrenze auch für Geschäftsleiter. Die Regelung beruht auf Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten. Die bei der Erfüllung der genannten Anforderungen entstehenden Kosten stünden außer Verhältnis zu dem dadurch erzielten Steuerungseffekt, zumal eine nur geringe variable Vergütung ohnehin nur begrenzte Verhaltensanreize vermittelt.241) Entsprechend dem Charakter einer Freigrenze, muss bei Erreichen bzw. Überschreiten des Schwellenwerts von 50.000 € aber die gesamte variable Vergütung nach den §§ 20 und 22 InstitutsVergV ex-post-risikoadjustiert werden. b)

Risikoorientierung der Vergütung („Risikoausrichtungsprozess“)

98 Während sich die allgemeinen Anforderungen an die Vergütungssysteme (insbesondere § 5 InstitutsVergV) in eher prinzipienhaften Vorgaben erschöpfen und den Instituten somit einen gewissen Umsetzungsspielraum belassen, ist dieser Spielraum bei den für Risikoträger geltenden besonderen Anforderungen deutlich eingeschränkt. Dies liegt daran, dass die besonderen Vergütungsanforderungen bereits auf europäischer Ebene – insbesondere hinsichtlich der Vergütungsstruktur – als numerische Mindestvorgaben ausgestaltet wurden. Während sie dies einerseits der Kritik mangelnder Flexibilität i. S. eines „one size does not fit all“ aussetzt,242) wird diese im internationalen Vergleich besonders strenge Umsetzungsform der FSB-Prinzipien und -Standards vor dem Hintergrund der europäischen Finanzmarktintegration und europaweit möglichst einheitlicher Regeln aber auch positiv gesehen.243) 99 Im Ergebnis schreiben die besonderen Vergütungsanforderungen damit eine ganz bestimmte Ausgestaltung der (variablen) Vergütung vor. Diese Vorgaben, die in §§ 18 Abs. 3 bis 5, 19 und 20 InstitutsVergV geregelt sind, stellen die gesetzgeberische Antwort auf die er___________ 239) Eine Ausnahme gilt für den erstmaligen Antrag, der zusätzlich für das Jahr gilt, in dem die Zustimmung erteilt wurde, vgl. Art. 10 des Beschlusses (EU) 2015/2218 der Europäischen Zentralbank v. 20.11.2015 zum Verfahren bei Ausnahmen für Mitarbeiter von der Annahme ihres wesentlichen Einflusses auf das Risikoprofil eines beaufsichtigten Kreditinstituts (EZB/2015/38), ABl. (EU) L 314/66 v. 1.12.2015; Rz. 95 der EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22). 240) Im Gegensatz zur InstitutsVergV 2014 wurde die Höhe der Freigrenze in der InstitutsVergV 2017 unmittelbar im Gesetz geregelt. Dies ist insofern von Belang, als sie dadurch nicht mehr einseitig durch die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde, BaFin oder EZB, abgeändert bzw. angepasst werden kann. 241) Die BaFin verweist auf die „Vermeidung eines unverhältnismäßig hohen administrativen Aufwandes“, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 43. Dies entspricht auch der Auffassung der Kommission, welche i. R. ihrer Bewertung der Vergütungsbestimmungen des CRD IVPakets zu dem Schluss kam, dass die Zurückbehaltung variabler Vergütung und ihre Auszahlung in Instrumenten im Falle von Mitarbeitern mit nur einem geringen Anteil an variabler Vergütung nicht effizient sei. Dem folgend sieht die CRD V eine vergleichbare Ausnahme vor, die in ihrer Höhe (50.000 €) der deutschen Regelung entspricht, jedoch zusätzlich erfordert, dass die variable Vergütung nicht mehr als ein Drittel der Gesamtvergütung des Mitarbeiters ausmacht (vgl. dort Art. 94 Abs. 3 lit. b CRD). 242) In diese Richtung etwa Ferrarini/Ungureanu, ZBB 2011, 418, 428. 243) Diesen Aspekt betont etwa Ferran, ECFR 2012, 1, 26.

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II. Institutsvergütungsverordnung

kannten Defizite in der Vergütungspraxis vor der Finanzkrise dar (siehe oben Rz. 5). Sie sind damit das Kernstück der gesetzgeberischen Vorstellung einer leistungsgerechten und v. a. risikoorientierten Vergütung. Die InstitutsVergV zieht in § 18 Abs. 3 bis 5 die wesentlichen Determinanten einer risikoori- 100 entierten Vergütung vor die Klammer. Das Ziel formuliert § 18 Abs. 3 Satz 1 InstitutsVergV. Danach ist die variable Vergütung an den eingegangenen gegenwärtigen und zukünftigen Risiken auszurichten, wobei sicherzustellen ist, dass Anreize, Risiken einzugehen durch Anreize zur Risikosteuerung ausgeglichen werden. Die Risikoorientierung muss dabei den gesamten Vergütungsprozess umfassen, einschließlich der Vereinbarung geeigneter Ziele (Vergütungsparameter i. S. des § 2 Abs. 9 InstitutsVergV), der Ermittlung der variablen Vergütung (Ex-ante-Risikoadjustierung, § 19 InstitutsVergV) und der Auszahlung der variablen Vergütung (Ex-post-Risikoadjustierung, § 20 InstitutsVergV).244) § 18 Abs. 4 InstitutsVergV betont den Aspekt, dass ein risikoorientierter Vergütungspro- 101 zess ganzheitlich zu betrachten245) und institutsspezifisch auszugestalten ist. Entsprechend ist der Zeitrahmen für die Leistungs- und Erfolgsmessung über mehrere Jahre anzulegen und an dem Geschäftszyklus des Instituts auszurichten. Dieser Zeitrahmen umfasst den Bemessungszeitraum (Accrual Period), die Zuwendung bzw. Gewährung der variablen Vergütung nach Maßgabe der Zielerreichung (Award) und den Auszahlungszeitraum, einschließlich des Zurückbehaltungszeitraums (Deferral Period) und der Sperrfrist (Retention Period). Bei der Festlegung der einzelnen Zeiträume hat das Institut seine Geschäftstätigkeit sowie die Stellung des jeweiligen Risikoträgers bzw. der jeweiligen Risikoträgerkategorie angemessen zu berücksichtigen. § 18 Abs. 5 InstitutsVergV beinhaltet die Grundanforderungen an die sog. explizite Risiko- 102 adjustierung der variablen Vergütung. Weichen die ermittelten tatsächlichen Leistungen und Erfolge (Erfolgsbeiträge, § 2 Abs. 10 InstitutsVergV) des Risikoträgers, seiner Organisationseinheit oder der Gesamterfolgs des Instituts (oder der Gruppe) von den vereinbarten Zielen negativ ab, so muss dies die Höhe der variablen Vergütung verringern und – in schwerwiegenden Fällen – auch zum vollständigen Verlust derselben führen können. Terminologisch ist für Zwecke der Risikoadjustierung zwischen negativen Abweichungen (vgl. § 18 Abs. 5 Satz 1, § 20 Abs. 4 Satz 3 InstitutsVergV) und negativen Erfolgsbeiträgen (vgl. § 20 Abs. 6 Satz 2, § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV) zu unterscheiden. x

Bei negativen Abweichungen i. R. der Leistungs-/Erfolgsmessung handelt es sich um den „Normalfall“ (i) des Nichterreichens der 100 %-Zielmarke (bei der ursprünglichen Ermittlung der variablen Vergütung, Ex-ante-Risikoadjustierung) bzw. (ii) des nachträglich festgestellten Zurückbleibens der Zielerreichung hinter der ursprünglich ermittelten Zielerreichung (bei der rückschauenden Prüfung [Backtesting], Ex-post-Risikoadjustierung), jeweils einschließlich der Berücksichtigung sitten- oder pflichtwidrigen Verhaltens. Negative Abweichungen müssen, insbesondere in den Fällen sitten- oder pflichtwidrigen Verhaltens (§ 19 Abs. 2 Satz 3 InstitutsVergV), zwingend zu einer Verringerung der zu ermittelnden (Ex-ante-Adjustierung bzw. In-Year-Adjustment)246) bzw. zu einer nachträglichen Abschmelzung der zurückbehaltenen variablen Vergü-

___________ 244) Entsprechend haben die Institute sicherzustellen, dass die variable Vergütung auf jeder Stufe des Risikoausrichtungsprozesses um die aktuellen und zukünftig eingegangenen Risiken bereinigt und an diese angepasst wird, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 47. 245) Die BaFin spricht insoweit von einer mehrjährigen Rahmenstruktur, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 48. 246) Der Begriff „In-Year-Adjustment“ ist in der internationalen Diskussion gebräuchlicher, vgl. FSB, Supplementary Guidance to the Principles and Standards on Sound Compensation Practices – The use of compensation tools to address misconduct risk, v. 9.3.2018, S. 7.

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tung (Malus) führen, lassen aber für den betreffenden Bemessungszeitraum bereits ausgezahlte oder erdiente variable Vergütung unangetastet. x

Negative Erfolgsbeiträge i. S. von § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV betreffen die „Sonderfälle“ besonders schwerwiegender persönlicher Verfehlungen oder (hinsichtlich des Ausmaßes ihrer Auswirkungen für das Institut) gravierender Fehlentscheidungen eines Mitarbeiters. Negative Erfolgsbeiträge müssen ungeachtet der Zielerreichung i. R. der regulären Leistungs- und Erfolgsmessung einen vollständigen Verlust der gesamten variablen Vergütung für den betreffenden Bemessungszeitraum zur Folge haben, was im Falle einer erst nachträglichen Aufdeckung des negativen Erfolgsbeitrags bedeutet, dass auch bereits ausgezahlte variable Vergütung zurückzufordern ist (sog. Clawback).

103 Die explizite Risikoadjustierung erfolgt dabei stets periodengerecht, d. h. negative Abweichungen und Erfolgsbeiträge sind nur für die Ermittlung (bzw. nachträgliche Abschmelzung) derjenigen variablen Vergütung relevant, deren Bemessungszeitraum sie zuzuordnen sind (bzw. gewesen wären, wenn man sie im Zeitpunkt der Ermittlung bereits gekannt hätte), vgl. § 18 Abs. 5 Satz 2 InstitutsVergV (Grundsatz der Periodengerechtigkeit).247) 104 Anhand von § 18 Abs. 4 und 5 InstitutsVergV lassen sich die wesentlichen Neuerungen der InstitutsVergV 2017 gut festmachen. Sie sind zum einen Reaktion auf die aufsichtsseitig festgestellte Tendenz, dass Institute in der Praxis lediglich die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllen und ihre Vergütungssysteme damit nicht ausreichend an ihrer spezifischen Geschäfts- und Risikostrategie ausrichten. Eingefordert werden mithin eine institutsspezifischere Ausgestaltung allgemein sowie insbesondere auch eine stärkere Differenzierung zwischen einzelnen Risikoträgerkategorien.248) Zum anderen entspricht die InstitutsVergV der in den EBA-Leitlinien angelegten Forderung einer Verlängerung des Bemessungs- und Zurückbehaltungszeitraums, also des der Risikoadjustierung zugrunde liegenden Zeitrahmens. Der Hintergrund dieser Änderung ist in den Fällen von Fehlverhalten (Misconduct)249) zu sehen, welche, wie etwa die LIBOR- und EURIBOR-Manipulationen, erst Jahre später aufgedeckt wurden.250) In diesen Kontext fällt auch die Einfüh-

___________ 247) Vgl. zu diesen Grundsätzen BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 48 f. 248) So müssen für verschiedene Risikoträgerkategorien erforderlichenfalls gesonderte Vergütungssysteme und Risikoausrichtungsmechanismen ins Werk gesetzt werden, um so sicherzustellen, dass die Bedeutung der jeweiligen Risikoträgerkategorie bzw. ihr jeweiliger Einfluss auf das Risikoprofil des Instituts angemessen mit ihrer Vergütung abgestimmt ist. Legt etwa ein Institut den Zurückbehaltungszeitraum und/oder den Anteil der zurückbehaltenen Vergütung entgegen dem Unterscheidungsgebot nach § 20 Abs. 1und 2 InstitutsVergV durchgehend und weit überwiegend in der Höhe der jeweiligen Untergrenze fest, ist die fehlende Differenzierung eingehend zu begründen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu §§ 18, S. 47 und § 20, S. 59. 249) Auf internationaler Ebene erfahren Risiken für Institute, die aus dem Fehlverhalten ihrer Mitarbeitern erwachsen (Misconduct Risk), eine hohe Aufmerksamkeit. Neben anderen Maßnahmen sollen auch gerade Vergütungsinstrumente helfen, diese Risiken einzudämmen. Zu diesem Zweck hat das FSB ergänzende Empfehlungen erlassen, vgl. FSB, Supplementary Guidance to the FSB, Principles and Standards on Sound Compensation Practices – The use of compensation tools to address misconduct risk, v. 9.3.2018. 250) Ohne dass dies in den EBA-Leitlinien kenntlich gemacht wird, spielte indirekt auch die letzte Vergütungsreform in Großbritannien eine Rolle. Diese Reform sah (Mindest-)Zurückbehaltungsfristen von bis zu sieben Jahren sowie Sonderregeln für den Clawback vor. Insb. in Fällen, in denen bereits aufsichtsbehördliche Ermittlungen zu einem möglichen Fehlverhalten, etwa zu Manipulationen, aufgenommen wurden, ist danach ein Clawback noch bis zu zehn Jahren nach dem Zeitpunkt möglich, in dem die Vergütung ursprünglich zugeteilt wurde, vgl. Prudential Regulation Authority and Financial Conduct Authority, Strengthening the alignment of risk and reward: new remuneration rules, Stand: 23.6.2015 (PRA PS 12/15/FCA PS 15/16), https://www.fca.org.uk/publications/policy-statements/ps15-16strengthening-alignment-risk-and-reward-new-remuneration (Abrufdatum: 9.6.2020).

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II. Institutsvergütungsverordnung

rung des sog. Clawback, also die Möglichkeit, eine bereits ausgezahlte variable Vergütung zurückzufordern (vgl. § 20 Abs. 6 i. V. m. § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV).251) Die Umsetzung der vorgehend umrissenen und nachfolgend i. E. behandelten besonderen 105 Vergütungsanforderungen nach §§ 18 Abs. 3 bis 5, 19 und 20 InstitutsVergV stellen die Institute vor eine anspruchsvolle Aufgabe. Dies gilt nicht zuletzt für die explizite Risikoadjustierung der variablen Vergütung, die zum einen in prozessualer Hinsicht die Einrichtung geeigneter Verfahren (samt Regelung von Verantwortlichkeiten und Kontrollen)252) erfordert, zum anderen in materieller Hinsicht die Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen (insbesondere der Vielzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen) durch Risikoadjustierungs-Leitlinien sowie die Schaffung entsprechender vertraglicher Grundlagen mit den Risikoträgern. Gerade letzterer Aspekt ist in der Praxis von großer Bedeutung. Die Risikoadjustierung variabler Vergütung muss nicht nur den aufsichtsrechtlichen Anforderungen entsprechen, sie muss auch arbeitsrechtlich durchsetzbar, d. h. gerichtsfest, sein. Anderenfalls würden auch die aufsichtsrechtlichen Ziele nicht erreicht. Aufsichts- und Arbeitsrecht gehen somit einerseits Hand in Hand, stehen aber andererseits, gerade wenn es z. B um die Möglichkeit der Rückforderung variabler Vergütung mittels Clawback geht, auch in einem gewissen Spannungsverhältnis, welches es durch die Institute aufzulösen gilt (siehe dazu Rz. 128).253) aa)

Ex-ante-Risikoadjustierung

Am Beginn des Vergütungsprozesses steht die Festlegung bzw. Vereinbarung geeigneter 106 Vergütungsparameter. Diese müssen zunächst verschiedene Ebenen umfassen. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 InstitutsVergV ist dabei ein dreistufiger Ansatz zu verfolgen. Bei der Ermittlung der variablen Vergütung sind neben dem individuellen Erfolgsbeitrag des jeweiligen Risikoträgers, auch der Erfolgsbeitrag seiner Organisationseinheit (d. h. der Einheit, der die betroffene Person unmittelbar zugeordnet ist wie z. B die operative Einheit oder der Geschäftsbereich) und der Gesamterfolg des Instituts oder, falls erforderlich, der Gruppe,254) angemessen, d. h. grundsätzlich annähernd gleichgewichtet (also jeweils zu einem Drittel),

___________ 251) Dabei dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass sich Deutschland mit seiner Ablehnung des Clawback aufgrund arbeitsrechtlicher Bedenken zunehmend international isoliert hatte. In einem EU-weiten Vergleich listete etwa die EBA Ende 2015 Deutschland als den einzigen Mitgliedstaat, in dem ein Clawback nicht angewendet werden muss, vgl. EBA, Opinion of the European Banking Authority on the application of the principle of proportionality to the remuneration provisions in Directive 2013/36/EU, v. 21.12.2015 (EBA/Op/2015/25), S. 24. Im internationalen Vergleich fand sich Deutschland mit dieser Haltung nur in Gesellschaft von Argentinien, Brasilien, Mexiko und Russland, vgl. FSB, Implementing the Principles for Sound Compensation Practices and their Implementation Standards, Fifth progress report, v. 4.7.2017, S. 55. 252) Vgl. dazu i. E. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 51. S. a. FSB, Supplementary Guidance to the Principles and Standards on Sound Compensation Practices – The use of compensation tools to address misconduct risk, v. 9.3.2018. 253) Zur arbeitsrechtlichen Diskussion um die Ausgestaltung und Durchsetzbarkeit von ClawbackRegelungen, vgl. etwa Fischbach, WM 2018, 1491; Johnson, CCZ 2018, 9; Löw, NZA 2017, 1365; Schirrmacher, ZBB 2017, 281; Thum, NZA 2017, 1577. 254) Ob als oberste Ebene der Instituts- oder der Gruppenerfolg zugrunde zu legen ist, hängt davon ab, ob der Mitarbeiter ausschließlich als Risikoträger eines Instituts (dann Institut als oberste Bemessungsebene) oder gemäß § 27 Abs. 2 InstitutsVergV in einem Gruppenkontext (ggf. auch) als GruppenRisikoträger (dann Gruppe als oberste Bemessungsebene) identifiziert worden ist, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 19, S. 52.

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Vergütung

zu berücksichtigen.255) Durch diese Verknüpfung verschiedener Ebenen i. S. einer „Schicksalsgemeinschaft“256) soll verhindert werden, dass die individuelle Vergütung des Risikoträgers vom Erfolg des Instituts (bzw. der Gruppe) und der jeweiligen Organisationseinheit entkoppelt wird.257) 107 Institute haben auf allen Bemessungsebenen geeignete Ziele festzulegen, anhand derer der Grad der Zielerreichung ermittelt werden kann.258) Diese Ziele oder Vergütungsparameter sind gemäß § 4 InstitutsVergV aus der Geschäfts- und Risikostrategie des Instituts abzuleiten und können unterschiedlicher Natur sind. In Betracht kommen insbesondere absolute und relative Parameter259) sowie quantitative (bzw. finanzielle) und qualitative (bzw. nicht-finanzielle) Parameter. Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InstitutsVergV sind zumindest auf der Ebene des individuellen Erfolgsbeitrags sowohl quantitative als auch qualitative Parameter angemessen, d. h. grundsätzlich gleichgewichtet, zu berücksichtigen.260) Beispiele für qualitative Parameter sind etwa das Erreichen strategischer Ziele, Kundenzufriedenheit, das Befolgen interner und externer Vorschriften oder die Kooperation mit anderen Organisationseinheiten und Innenrevisions- oder Unternehmensfunktionen.261) 108 Was die quantitativen Parameter betrifft, sind nach § 19 Abs. 3 InstitutsVergV vornehmlich solche Parameter zu verwenden, die dem Ziel eines nachhaltigen Erfolges Rechnung tragen, wobei v. a. die eingegangenen Risiken, deren Laufzeiten sowie Kapital- und

___________ 255) Abweichend hiervon gilt jedoch, dass die persönliche Komponente neben dem Beitrag der Organisationseinheit und dem Gesamterfolg des Instituts (bzw. der Gruppe) umso geringer ins Gewicht fallen sollte, je höher der jeweilige Risikoträger in der Hierarchie steht. Dies gilt insb. für Geschäftsleiter; speziell zur Abgrenzung (und möglichen Verschmelzung) von Individual- und Ressortbeitrag, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 19, S. 52 f. 256) Vgl. Buscher/Hannemann/Wagner/Weigl, InstitutsVergV, 2014, S. 211. 257) Dies ist vor dem Hintergrund der „heads I win, tails you lose“-Kritik zu sehen (s. oben Rz. 5). Hat die Gesamtbank bzw. der betreffende Geschäftsbereich schlechte Ergebnisse erzielt, soll sich dies auch in der variablen Vergütung des einzelnen Risikoträgers niederschlagen. 258) Die Institute haben insofern eine vollständig flexible Vergütungsstrategie vorzusehen. Der Betrag der zugewendeten variablen Vergütung muss angemessen mit den Schwankungen der Leistungen und Erfolge des Mitarbeiters, seiner Organisationseinheit und der Gesamtbank „atmen“. Entsprechend haben die Institute zu bestimmen, wie sich die variable Vergütung bei Leistungsschwankungen und verschiedenen Leistungsgraden verhalten soll, und Fälle vorzusehen, in denen die variable Vergütung auf null verringert wird, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 49, und zu § 19, S. 53. 259) Während absolute Zielgrößen vom Institut auf Grundlage seiner eigenen Strategie, einschließlich seines Risikoprofils und seiner Risikoneigung, festgelegt werden, richten sich die relativen Zielgrößen nach einem Vergleich der jeweiligen Leistung mit ähnlichen Bezugsgrößen (Peers), seien es interne (d. h. innerhalb der Organisation) oder externe (d. h. ähnliche Institute), vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 19, S. 54. 260) Dabei ist der konkreten Tätigkeit der Risikoträgerkategorie Rechnung zu tragen. Sollten quantitative und qualitative Parameter nicht gleichgewichtet werden, ist dies vom Institut substantiiert zu begründen und zu dokumentieren, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 19, S. 55. Eine Ausnahme hiervon statuiert die Auslegungshilfe für sog. Förderinstitute, die aufgrund ihres besonderen Geschäftsmodells von der Verwendung quantitativer Vergütungsparameter absehen können, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 19, S. 56. 261) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 19, S. 54. Solche nichtfinanziellen Parameter sind zwar schwer zu quantifizieren, jedoch wird Kriterien wie Kundenzufriedenheit oder der Reputation des Unternehmens auch in ökonomischer Hinsicht ein hoher prognostischer Wert für die zukünftige und nachhaltige Entwicklung eines Unternehmens beigemessen. Zum ökonomischen Nachhaltigkeitskonzept, vgl. Faber/v. Werder, AG 2014, 608, 611 ff.

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Liquiditätskosten zu berücksichtigen sind.262) Um alle wesentlichen Risiken263) auf Gesamtbank- und Organisationseinheitenebene angemessen zu berücksichtigen sind grundsätzlich dieselben Risikomessmethoden zu verwenden, wie sie das Institut für Zwecke der internen Risikomessung, etwa i. R. des Verfahrens zur Beurteilung der Angemessenheit der internen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), verwendet.264) Ein bloßes Abstellen auf Wirtschaftlichkeits- (z. B. Gewinn) oder Marktindikatoren (z. B. Aktienrendite) erfüllt die Anforderungen an die Risikoadjustierung alleine nicht. Erforderlich ist vielmehr die Verwendung von Kennziffern, die das zur Generierung von Erträgen notwendige Kapital bzw. die dafür eingegangenen Risiken bereits selbst berücksichtigen oder aber die Bereinigung der reinen Erfolgskennziffern (Gewinn etc.) um diese Faktoren.265) Die Ausgestaltung der für sie relevanten Vergütungsparameter, einschließlich aller Bewer- 109 tungselemente, muss für die Risikoträger transparent und nachvollziehbar sein, damit sie ihr Verhalten danach ausrichten können. Sie sind entsprechend vor Beginn des für die Leistungs- und Erfolgsmessung relevanten Betrachtungszeitraums schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen (vgl. § 13 InstitutsVergV). Der Bemessungszeitraum muss gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 InstitutsVergV mindestens ein Jahr betragen. Für Risikoträger, die Geschäftsleiter sind, gilt jedoch ein längerer Bemessungszeitraum von mindestens drei Jahren,266) wobei der Zurückbehaltungszeitraum auf den Bemessungszeitraum angerechnet werden kann, soweit dieser die Untergrenze von fünf Jahren (vgl. § 20 Abs. 2 InstitutsVergV) überschreitet (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 3 und 4 InstitutsVergV).267) ___________ 262) Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass vor und zu Beginn der Finanzkrise erhebliche variable Vergütungen auf Basis nur scheinbar nachhaltiger Erträge ausgezahlt wurden. Entsprechend soll diese Regelung gewährleisten, dass v. a. tatsächlich nachhaltige Erfolge vergütungsrelevant sind und Risiken angemessen berücksichtigt werden. Krit. betrachtet wird v. a. variable Vergütung, die auf Basis nur potentieller und zukünftiger Erträge gewährt wird, deren Eintrittswahrscheinlichkeit und -zeitpunkt aber noch unsicher ist, vgl. bereits FSB, Principles for Sound Compensation Practices – Implementation Standards, v. 25.9.2009, S. 2. 263) Dies umfasst alle derzeitigen und auf Basis einer Szenarioanalyse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintretenden zukünftigen Risiken, seien es bilanzielle oder außerbilanzielle, und schließt auch Risiken mit ein, die sich, wie etwa operationelle Risiken, nur schwer quantifizieren lassen, vgl. dazu näher BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 19, S. 56 f. 264) Zu berücksichtigen sind entsprechend die anhand der institutseigenen Risikomessverfahren ermittelten erwarteten und nicht erwarteten Verluste. Generell erwartet die BaFin, dass die Vergütungssysteme und insb. die Risikoadjustierung Umfang und Qualität der innerhalb der internen Risikomessmethoden verwendeten Methoden und Modelle wiederspiegeln, vgl. dazu näher BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 19, S. 57. 265) Beispiele für geeignete risikoadjustierte Kennziffern sind etwa die risikoadjustierte Kapitalrendite (RAROC), die Rendite auf risikoadjustiertes Kapital (RORAC) oder das interne ökonomische Risikokapital, vgl. näher BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § § 19, S. 54. 266) Dies kann entweder durch die Formulierung von Drei-Jahres-Zielen erfolgen oder alternativ – wie in der Praxis üblich – unter (retrospektiver) Berücksichtigung von drei Jahreszielen und -ergebnissen (d. h. das aktuelle Geschäftsjahr sowie die beiden vorangegangenen Geschäftsjahre), die dann gewichtet in das Gesamtergebnis einfließen. Dabei ist auch eine unterschiedliche Gewichtung vom jüngsten bis zum am weitesten zurückliegenden Geschäftsjahr möglich, wobei nach der Praxis der BaFin, die Gewichtung am unteren Ende 10 % nicht unterschreiten darf, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 19, S. 53. 267) An dieser Regelung wird deutlich, dass der Risikoausrichtungsprozess ganzheitlich (über den Bemessungs- und Auszahlungszeitraum hinweg) zu betrachten ist. Die Regelung hat praktische Relevanz insb. bei der Neubestellung von Geschäftsleitern, die noch nicht auf eine dreijährige Dienstzeit zurückblicken können, und ermöglicht ein „Hineingleiten“ in den dreijährigen Bemessungszeitraum. Praktisch geht damit im ersten Jahr ein einjähriger Bemessungszeitraum mit einem Zurückbehaltungszeitraum von (mindestens) sieben Jahren einher, im zweiten Jahr ein zweijähriger Bemessungszeitraum mit einem Zurückbehaltungszeitraum von (mindestens) sechs Jahren. Ab dem dritten Jahr gilt der „normale“ dreijährige Bemessungszeitraum.

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110 Nach Ablauf des Bemessungszeitraums ist der Grad der Zielerreichung auf allen Ebenen anhand der gemessenen Leistungs- und Erfolgsdaten zu bestimmen und die tatsächlich „verdiente“ variable Vergütung für die einzelnen Risikoträger zu ermitteln.268) Dabei kann die Bewertung der Zielerreichung sowohl der qualitativen als auch der quantitativen Parameter teilweise auf Ermessen beruhen, wobei die Institute ein hinreichendes Maß an Transparenz und Objektivität zu gewährleisten haben.269) Um sicherzustellen, dass die ermittelte variable Vergütung vollständig an den eingegangenen Risiken ausgerichtet ist, sind ggf. Risikoanpassungen vorzunehmen, d. h. die ermittelten Leistungen und Erfolge sind um eingegangene Risiken zu „bereinigen“ (Ex-ante-Risikoadjustierung).270) Dies gilt auch mit Blick auf mögliche negative Entwicklungen in der Zukunft.271) Eine solche Adjustierung von Erfolgsbeiträgen um alle gegenwärtigen und zukünftigen Risiken ist anspruchsvoll. Insofern überrascht es nicht, dass gerade in diesem Bereich in der Vergangenheit große Umsetzungsschwierigkeiten in der Praxis bestanden.272) 111 Ergeben sich aus der Leistungs- und Erfolgsmessung negative Abweichungen, hat der Risikoträger also seine vereinbarten Ziele (d. h. die quantitativen und qualitativen Ziele ___________ 268) Sonderprobleme ergeben sich bei einer unterjährigen Änderung der Risikoeinstufung. Wird ein Mitarbeiter unterjährig nicht mehr als Risikoträger eingestuft, sollte zum Zeitpunkt des Wegfalls der höheren Risikoeinstufung überprüft werden, welche Ziele der Mitarbeiter hätte erreichen können und welche davon tatsächlich erreicht wurden. Mit Wirkung für die Zeit nach dem Wegfall der höheren Risikoeinstufung kann von der Einhaltung der der § 18 Abs. 3 bis 5 und §§ 19 bis 21 InstitutsVergV abgesehen werden, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 46. Vergleichbare Probleme stellen sich im Fall einer vorzeitigen, unterjährigen Auflösung eines Arbeitsvertrages. In diesem Zusammenhang erkennt die BaFin an, dass sich vielfach im Zeitpunkt des Ausscheidens für die Ebene des Instituts bzw. der Gruppe sowie der Organisationseinheit nur vereinfachend annehmen lassen wird, dass der Erfolg auf diesen Ebenen bis zum Ende des Bemessungszeitraums absehbar eine bestimmte positive oder negative Entwicklung nehmen wird. In diesen Fällen sei daher der individuelle Erfolgsbeitrag stärker zu gewichten, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 66. 269) Die Auslegungshilfe enthält hierfür diverse Anforderungen, etwa zur Festlegung einschlägiger Richtlinien, zur vollständigen Dokumentation und zu angemessenen Kontrollen. Entsprechend sind auch sog. Modifier zu behandeln, durch welche dem Institut im Hinblick auf die Zielerreichung der quantitativen Parameter auf Instituts- und ggf. Gruppenebene ein (eng begrenztes) gebundenes Ermessen eingeräumt werden kann, den Wert der Zielerreichung im Falle des Eintritts außergewöhnlicher (außerhalb des Einflussbereichs des Instituts einschließlich seiner Mitarbeiter liegender) Rahmenbedingungen um bis zu 20 Prozentpunkte nach oben oder unten zu korrigieren, vgl. dazu näher BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 19, S. 54 – 56. 270) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 19, S. 52. 271) Um einer möglicherweise negativen Entwicklung in der Zukunft Rechnung zu tragen, sollen so bereits bei der Bemessung des aktuellen Erfolges, und damit vorab als sog. Risk Charge, die zur Erreichung dieses Erfolges eingegangenen Risiken sowie die damit verbundenen Kapital- und Liquiditätskosten berücksichtigt werden. Dieser Gedanke wird in den FSB-Prinzipien (FSB, Principles for Sound Compensation Practices – Implementation Standards, v. 25.9.2009, S. 8) anhand eines Beispiels veranschaulicht: „Imagine two employees whose activity generates the same short-run profit for the firm. One is a trader who ends each day with no positions and thus who exposes the firm to losses only during the trading day. Another is an originator of long-term, on balance-sheet assets that provide substantial fees at origination but that expose the firm to substantial risk of loss over the life of the asset. Many compensation systems would tend to reward the two employees similarly, other things being equal, because there would be no ‚risk charge‘ applied to the short term profits generated by the second employee. Though the need for risk adjustment may seem obvious, material risk adjustment of variable compensation grants was not widespread in the industry through 2008.“ 272) Vgl. dazu bereits EBA, Survey on the implementation of the CEBS Guidelines on Remuneration Policies and Practices, v. 12.4.2012, S. 17 f. In ihrer Bewertung der Vergütungsregelungen des CRD IVPakets kam die Kommission auch 2016 noch zu dem Schluss, dass „[…] weiterhin Raum für eine bessere Eingliederung von risikoadjustierten Kriterien bei der Leistungsbewertung besteht“, vgl. Kommission, Bericht an das Europäische Parlament und den Rat, Bewertung der Vergütungsbestimmungen der Richtlinie 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 28.7.2016, COM(2016) 510 final, S. 6.

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auf sämtlichen Bemessungsebenen) nicht zu 100 % erreicht, oder wurde ein sitten- oder pflichtwidriges Verhalten273) des Risikoträgers im Bemessungszeitraum festgestellt, ist die Höhe der variablen Vergütung gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 InstitutsVergV zu verringern oder ggf. ganz zu streichen. Insbesondere sitten- oder pflichtwidriges Verhalten des Risikoträgers muss zwingend zu einer Verringerung der variablen Vergütung führen und darf nicht durch positive Erfolgsbeiträge ausgeglichen werden (§ 19 Abs. 2 Satz 3 InstitutsVergV); eine Anrechnung oder Kompensation durch ggf. auch vorhandene außerordentliche positive, über die vereinbarten Ziele hinausgehende Erfolgsbeiträge ist also nicht zulässig.274) Zudem ist zu prüfen, ob in Bezug auf den Risikoträger ein negativer Erfolgsbeitrag i. S. von § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV vorliegt, welcher ungeachtet der Zielerreichung i. R. der Leistungs- und Erfolgsmessung zwingend einen vollständigen Verlust der variablen Vergütung für den Bemessungszeitraum zur Folge haben muss. Sowohl für die Frage, in welchen Fällen von einem sitten- oder pflichtwidrigen Verhalten oder von einem negativen Erfolgsbeitrag auszugehen ist, als auch für die Frage, in welchem Ausmaß die variable Vergütung im Falle des Vorliegens pflicht- oder sittenwidrigen Verhaltens zu verringern ist, haben die Instituten geeignete Kriterien und Leitlinien zu entwickeln, um ein ausreichendes Maß an Transparenz und Objektivität bei den Beurteilungen sicherzustellen (siehe dazu unten Rz. 128).275) Zu regeln sind außerdem in prozessualer Hinsicht die entsprechenden Verantwortlichkeiten für die Beurteilungen, einschließlich der Einrichtung geeigneter Kontrollmechanismen.276) Sowohl die Durchführung der Beurteilungen als auch deren Ergebnis sind schließlich vollständig und transparent zu dokumentieren und den betroffenen Risikoträgern (jedenfalls auf Anfrage) bereitzustellen. bb)

Ex-post-Risikoadjustierung

Eine Ex-ante-Risikoadjustierung ist für sich genommen jedoch nicht ausreichend, um ei- 112 ne angemessene Risikoorientierung der variablen Vergütung zu gewährleisten. Dies liegt daran, dass im Zeitpunkt der Leistungs- und Risikomessung – in der Regel zum Abschluss eines einjährigen Bemessungszeitraums – nicht feststeht, ob der Erfolg bzw. der Erfolgsbeitrag eines Mitarbeiters, seiner Organisationseinheit oder des Instituts (bzw. der Gruppe) tatsächlich nachhaltig ist. Die Adjustierung um Risiken und Kosten zu diesem frühen Zeitpunkt sensibilisiert zwar für diese Faktoren, und hat damit einen unmittelbaren Einfluss auf das Risikoverhalten, jedoch besteht weder eine Gewähr dafür, dass tat___________ 273) Nach der Auslegungshilfe ist ein Verhalten dann als sittenwidrig anzusehen, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Beispiele hierfür sind Verstöße gegen einen selbst auferlegten Ehren- und/oder Ethikkodex des Instituts für das Verhalten gegenüber Kunden und Geschäftspartnern oder schriftlich fixierte Verhaltensregeln für den Umgang der Mitarbeiter im Innenverhältnis. Unter pflichtwidrigem Verhalten versteht die Aufsicht u. a. Vertragsverstöße und Verletzungen gegen interne Organisationsrichtlinien, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu 19, S. 56. 274) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 19, S. 56. 275) Die Aufsicht gesteht zwar zu, dass nicht jeder Fall eines sitten- oder pflichtwidrigen Verhaltens antizipiert oder vorab geregelt werden kann. Jedoch muss die Ermessungsausübung soweit als möglich gebunden werden, indem die Institute klare schriftliche Bestimmungen festlegen, mit denen ein Raster geschaffen wird, in das sich neu auftretende Sachverhalte einsortieren lassen. Hierbei sind Schlüsselüberlegungen nebst der die Einordnung leitenden Erwägungen (z. B bei welcher Qualität eines bestimmten Verhaltens welcher Abschmelzungsgrad erfolgen soll) niederzulegen und anhand von Beispielen zu konkretisieren, vgl. dazu näher BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, zu § 18, S. 51. 276) Geeignete gegenseitige Kontrollen können etwa dadurch geschaffen werden, dass dem maßgeblichen Gremium Mitarbeiter unterschiedlicher Geschäftsbereiche, Unternehmens- und Kontrollfunktionen angehören. Zudem sollte die abschließende Beurteilung durch eine Kontrollfunktion oder eine hierarchisch übergeordnete Stelle, z. B das Geschäftsleitungs- oder das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan oder den Vergütungskontrollausschuss, genehmigt werden, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, zu § 18, S. 51.

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sächlich alle relevanten Risiken erkannt und richtig bemessen wurden, noch kann die erbrachte Leistung bzw. der nachhaltig erzielte Erfolg mit Sicherheit beurteilt werden.277) 113 Deshalb ist eine nachträgliche Überprüfung erforderlich, ob die ursprüngliche Ermittlung der variablen Vergütung gemäß § 19 InstitutsVergV auch rückblickend noch zutreffend erscheint. Diese rückschauende Überprüfung (Backtesting) der ursprünglichen Leistungs- und Erfolgsmessung wird Ex-post-Risikoadjustierung genannt. Ergeben sich bei der rückschauenden Überprüfung negative Abweichungen, d. h. haben sich auf Ebene des Instituts (bzw. der Gruppe), der Organisationseinheit oder auf individueller Ebene des Mitarbeiters nachträglich Risiken realisiert oder sind Misserfolge nachträglich offenbar geworden, oder trat nachträglich ein sitten- oder pflichtwidriges Verhalten oder gar ein negativer Erfolgsbeitrag des Risikoträgers zu Tage, muss dies die Höhe der variablen Vergütung verringern und ggf. (bzw. im Fall eines negativen Erfolgsbeitrags zwingend) auch zum vollständigen Verlust derselben führen. § 18 Abs. 5 Satz 2 InstitutsVergV betont insoweit den Grundsatz der Periodengerechtigkeit, d. h. negative Abweichungen und negative Erfolgsbeiträge sind nachträglich stets periodengerecht derjenigen variablen Vergütung zuzurechnen, für deren Ermittlung sie relevant gewesen wären, wenn man sie von vornherein gekannt hätte.278) 114 Die Verwirklichung einer Ex-post-Risikoadjustierung erfordert die Implementierung eines komplexen Systems von Anspruchs-, Auszahlungs- und Rückforderungsanforderungen. Dieses System ist in § 20 Abs. 1 bis 4 und 6 InstitutsVergV geregelt. § 20 Abs. 5 InstitutsVergV betrifft dagegen die Form der Vergütung in Instrumenten und verfolgt teils komplementäre, teils eigene Zielsetzungen.279) ___________ 277) Vgl. CEBS, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, v. 10.12.2010, S. 49 (Rz. 86): „This socalled ‚ex-ante risk adjustment‘ adjusts remuneration for potential adverse developments in the future. Because of their upfront application, ex-ante risk adjustments have an immediate effect on risk taking behaviour. But the consequence of this is also that not all risk and performance outcomes can be fully taken into account.“ 278) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 50. Stellt sich mithin z. B im Jahre 2021 nachträglich ein einmaliges Fehlverhalten eines Mitarbeiters aus dem Jahre 2018 heraus, so unterliegt (nur) die variable Vergütung, die dem betreffenden Mitarbeiter für das Jahr 2018 gewährt wurde, der Ex-post-Risikoadjustierung. Sonderfragen stellen sich im Fall überlappender mehrjähriger Bemessungszeiträume. Hier können Vergütungen von mehr als einem Jahr betroffen sein, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 50. Dies soll am folgenden Beispiel veranschaulicht werden: Bei einem Geschäftsleiter wird die variable Vergütung auf Grundlage der Zielerreichung im aktuellen Geschäftsjahr und in den beiden vorangegangenen Geschäftsjahren ermittelt, wobei alle drei Jahre gleichgewichtet in die Gesamtzielerreichung einfließen. Stellt sich nun im Jahre 2021 nachträglich ein einmaliges Fehlverhalten des Geschäftsleiters aus dem Jahre 2018 heraus, so unterliegt zunächst die für das Jahr 2018 gewährte variable Vergütung der Expost-Risikoadjustierung. Darüber hinaus muss jedoch auch die variable Vergütung für die Jahre 2019 und 2020 risikoadjustiert werden, und zwar jeweils hinsichtlich des Anteils, der die Zielerreichung im Jahr 2018 betrifft (jeweils ein Drittel). Um spätere Unklarheiten zu vermeiden, sind Institute gut beraten, die Auswirkung von negativen Abweichungen und insb. von negativen Erfolgsbeiträgen im Falle sich überlappender mehrjähriger Bemessungszeiträume im Arbeits- oder Dienstvertrag bzw. den Zielvereinbarungen mit den Risikoträgern explizit zu regeln. 279) Sämtliche Anforderungen des § 20 InstitutsVergV sind auch dann zu beachten, wenn ein Mitarbeiter unterjährig, etwa aufgrund eines Stellenwechsels, als Risikoträger eingestuft wird. Die BaFin verlangt in diesem Fall, das Auszahlungsregime auf die im gesamten Geschäftsjahr verdiente variable Vergütung anzuwenden, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 46. Umgekehrt unterliegt im Falle des vorzeitigen Ausscheidens eines Mitarbeiters dessen variable Vergütung weiterhin den Anforderungen des § 20 InstitutsVergV. Die variablen Vergütungsbestandteile sind also nicht ohne Zurückbehaltung, ggf. unter Umwandlung von Instrumenten, in bar auszubezahlen. Grundsätzlich muss in diesem Fall also sichergestellt sein, dass die Messung des nachhaltigen Erfolgs auch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus stattfindet, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 65 f.

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II. Institutsvergütungsverordnung (1)

Zurückbehaltung eines Anteils der variablen Vergütung

Voraussetzung für eine nachträgliche Risikobereinigung der variablen Vergütung ist zu- 115 nächst, dass zumindest ein Teil der variablen Vergütung für einen gewissen Zeitraum vom Institut zurückbehalten wird (Deferral) und damit für den Mitarbeiter gewissermaßen „im Risiko steht“. Für eine angemessene Ausgestaltung eines Zurückbehaltungssystems sind verschiedene Komponenten zu berücksichtigen, insbesondere die Länge des Zurückbehaltungszeitraums sowie der zurückzubehaltende Anteil der variablen Vergütung. Dabei gilt der Grundsatz: „Je höher die variable Vergütung, die Stellung des Begünstigten oder das begründbare Risiko, desto größer sollen der Zurückbehaltungszeitraum und der variable Vergütungsanteil sein, der zurückbehalten wird“.280)

Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 3 InstitutsVergV haben die Institute bei der Ausgestaltung ihres 116 Zurückbehaltungssystems281) den Geschäftszyklus, Art und Risikogehalt ihrer Geschäftstätigkeiten, die diesbezüglich erwarteten Schwankungen, die Möglichkeit der Einflussnahme der Risikoträger hierauf sowie ggf. eine erhöhtes Bonus Cap zu berücksichtigen. Die Länge des Zurückbehaltungszeitraums soll mithin im optimalen Falle dem Zeitraum entsprechen, in dem sich die von einem Risikoträger begründeten Risiken verwirklichen können. In ihrem Zurückbehaltungssystem haben die Institute auch der Form, in der die zurückbehaltene variable Vergütung gewährt wird, Rechnung zu tragen und zudem zwischen verschiedenen Risikoträgerkategorien (abhängig von Stellung, Aufgaben und Tätigkeit, Höhe der variablen Tätigkeit sowie Einfluss auf das Risikoprofil) zu differenzieren.282) Die InstitutsVergV stellt sowohl an die Länge des Zurückbehaltungszeitraums als auch an 117 den zurückzubehaltenden Anteil der variablen Vergütung Mindestanforderungen. Nach der Grundregel gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 InstitutsVergV sind mindestens 40 % der variablen Vergütung über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren zurückzubehalten.283) Die InstitutsVergV 2017 betont jedoch den Aspekt, dass es sich hierbei nur um Untergrenzen handelt und fordert, differenziert nach Risikoträgerkategorien, eine Erhöhung dieser Untergrenzen ein.284) Hierfür werden bestimmte Leitlinien vorgegeben. So sind zunächst gemäß § 20 Abs. 2 InstitutsVergV für die Geschäftsleiter und die nachgelagerte Führungsebene des Instituts zwingend mindestens 60 % der variablen Vergütung über ei-

___________ 280) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2014, v. 1.1.2014, zu § 20. 281) Die Auslegungshilfe spricht insoweit von einem „Zeitplan für den Zurückbehalt“, welcher neben dem (i) Zurückbehaltungszeitraum und dem (ii) zurückzubehaltenden Anteil auch (iii) die Geschwindigkeit, in dem zurückbehaltene variable Vergütung (ggf. zeitanteilig) erdient wird, einschließlich der Zeitspanne zwischen Gewährung und Erdienung des ersten zurückbehaltenen Betrages, umfasst, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 59. 282) Das Zurückbehaltungssystem muss im Ergebnis klare Anreize für eine langfristig ausgerichtete Risikoübernahme durch ein transparentes Risikoausrichtungsverfahren vermitteln, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 59. 283) In der CRD V wird der Mindestzurückbehaltungszeitraum – nach einem entsprechenden Kompromiss in den Trilog-Verhandlungen – von drei auf vier Jahre angehoben (vgl. dort Art. 94 Abs. 1 lit. m CRD). 284) Wählt ein Institut entgegen dem Unterscheidungsgebot nach § 20 Abs. 1 und 2 InstitutsVergV durchgehend oder weit überwiegend jeweils die Untergrenze für den Zurückbehaltungszeitraum und den Anteil der zurückzubehaltenden Vergütung, ist die fehlende Differenzierung eingehend zu begründen. Die Länge der Bemessungsperiode kann bei der Festlegung des Zurückbehaltungszeitraums berücksichtigt werden. Entsprechend kann bei einer längeren Bemessungsperiode ein kürzerer Zurückbehaltungszeitraum angemessen sein. Die Mindestanforderung von drei Jahren gilt jedoch auch hier als absolute Untergrenze, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 59 f.

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nen Zeitraum von mindestens fünf Jahren zurückzubehalten.285) Darüber hinaus soll der höhere Mindestanteil aber auch für sonstige Risikoträger mit einer „besonders hohen variablen Vergütung“ gelten. Zu diesem Zweck haben die Institute gemäß § 20 Abs. 3 InstitutsVergV einen Schwellenwert für die jährliche variable Vergütung festzulegen, ab dessen Erreichen sich der zurückzubehaltende Mindestanteil der variablen Vergütung auf 60 % erhöht. Dieser Schwellenwert darf gemäß § 20 Abs. 3 Satz 2 InstitutsVergV die Höhe von 500.000 € nicht überschreiten.286) 118 § 20 Abs. 4 InstitutsVergV enthält Regelungen zur zurückbehaltenen Vergütung während des Zurückbehaltungszeitraums. Dies betrifft zunächst die Erdienung (Vesting) der zurückbehaltenen variablen Vergütung. Diese kann entweder so ausgestaltet werden, dass erst am Ende des Zurückbehaltungszeitraums ein Anspruch oder eine Anwartschaft auf die (gesamte) zurückbehaltene Vergütung entsteht (Cliff Vesting), oder aber – wie in der Praxis üblich – der Anspruch bzw. die Anwartschaft auf einzelne Vergütungsbestanteile entsteht zeitanteilig (Pro Rata Vesting). Im letzteren Fall darf die Erdienung gemäß Absatz 4 Nr. 1 nicht schneller als zeitanteilig erfolgen, d. h. der erste zurückbehaltene Anteil darf frühestens zwölf Monate nach Beginn des Zurückbehaltungszeitraums zu einem Anspruch bzw. einer Anwartschaft erwachsen.287) Um eine Verringerung oder den Totalverlust der variablen Vergütung durch einen Malus nach Absatz 4 Nr. 3 zu ermöglichen, darf zudem nach Absatz 4 Nr. 2 während des Zurückbehaltungszeitraums lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Ermittlung bzgl. des noch nicht zu einer Anwartschaft oder einem Anspruch erwachsenen Teils der variablen Vergütung bestehen, nicht aber auf diesen Teil der variablen Vergütung selbst.288)

___________ 285) Bei den Mitarbeitern der nachgelagerten Führungsebene handelt es sich um diejenigen Mitarbeiter, die Geschäftsführungs- und Leitungsaufgaben wahrnehmen, für das Tagesgeschäft des Instituts verantwortlich und gegenüber der Geschäftsleitung rechenschaftspflichtig sind, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 60. 286) Bei der Festlegung des Schwellenwerts sind die innerhalb des Instituts gezahlte variable Durchschnittsvergütung der Risikoträger, die Ergebnisse des EBA-Vergütungsvergleichsberichts, sowie ggf. auch die Ergebnisse nationaler und sonstiger Vergütungsvergleiche zu berücksichtigen. Variable Vergütungen i. H. von 100.000 € pro Jahr werden von der BaFin in der Regel nicht als „besonders hoher Betrag“ angesehen. Insofern genügen Institute mit einer für gewöhnlich jährlichen variablen Vergütung von selbst in der Spitze bis zu 100.000 € den Anforderungen auch dann, wenn sie einen Betrag wählen, der von einzelnen Risikoträgern gar nicht oder nur in (extremen) Ausnahmefällen erreicht werden kann. Gleichwohl kann der Schwellenwert in diesen Fällen nicht auf 500.000 € festgelegt werden, sondern muss in realistischer Nähe zur üblichen variablen Vergütung im Institut liegen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 60. 287) Bei einer zeitanteiligen Erdienung wird z. B. bei einer dreijährigen Zurückbehaltungsfrist am Ende der Jahre n+1, n+2 und n+3 jeweils ein Drittel der zurückbehaltenen variablen Vergütung erdient, wobei „n“ den Zeitpunkt bezeichnet, in dem die variable Vergütung gewährt und der direkt auszuzahlende Anteil der variablen Vergütung (upfront) ausgezahlt wird. Um eine angemessene Ex-post-Risikoadjustierung sicherzustellen, darf eine Erdienung nicht häufiger als einmal pro Jahr erfolgen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 61. 288) Die zurückbehaltene Vergütung kann entsprechend als Merkposten in einem Konto oder Depot ausgewiesen werden. Da noch kein Anspruch auf die variable Vergütung selbst besteht, dürfen Institute während des Zurückbehaltungszeitraums weder Zinsen noch Dividenden auf die Barmittel oder Instrumente zahlen, die zurückbehalten werden. Während des Zurückbehaltungszeitraums fällig werdende Zinsen und Dividenden dürfen auch nicht (rückwirkend) nach Ablauf des Zurückbehaltungszeitraums ausgezahlt werden. Vielmehr sind derartige Zahlungen so zu behandeln, als hätte sie das Institut erhalten und stünden sie diesem zu, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 61. Institute sind nicht verpflichtet, zurückbehaltene Instrumente während des Zurückbehaltungszeitraums selbst zu halten, sondern können etwa Treuhanddepots nutzen, vgl. EBA, Single Rulebook Q&A, Question ID 2018_3815.

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II. Institutsvergütungsverordnung (2)

Vergütung in Form von Aktien und sonstigen Instrumenten

Nach § 20 Abs. 5 InstitutsVergV sind mindestens 50 % der zurückbehaltenen und min- 119 destens 50 % der nicht zurückbehaltenen variablen Vergütung in Form von Instrumenten zu gewähren.289) Diese Vorgabe ist vor dem Hintergrund der vor der Finanzkrise weit verbreiteten jährlichen Bonuszahlungen in bar (Cash Bonus) zu sehen, die in besonderem Maße dem Vorwurf kurzfristiger Anreize ausgesetzt waren. Legt man die Mindestvorgaben der Zurückbehaltungsregeln zugrunde, zeigt sich der angestrebte Effekt. Werden 40 % der variablen Vergütung zurückbehalten, unterliegen nur 60 % der sofortigen Auszahlung als Jahresbonus. Da mindestens die Hälfte dieser variablen Vergütung in Instrumenten zu gewähren ist, beschränkt sich der direkt (upfront) auszubezahlende „Cash Bonus“ auf maximal 30 % der variablen Vergütung. Aufgrund des höheren Anteils an zurückbehaltener variabler Vergütung, beträgt der „Upfront Cash Bonus“ für Geschäftsleiter, die nachgelagerte Führungsebene und sonstige Risikoträger mit einer „besonders hohen variablen Vergütung“ sogar nur maximal 20 %. Je nach Rechtsform und Verfügbarkeit kommen für Institute verschiedene Instrumente 120 für Vergütungszwecke in Betracht. Für Institute in der Rechtsform der Aktiengesellschaft sind dies gemäß § 20 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 InstitutsVergV insbesondere Aktien und aktienbasierte Instrumente (Phantom- oder synthetische Aktien). Durch eine Vergütung in solchen Instrumenten wird die letztendliche Höhe der variablen Vergütung an die Entwicklung des Aktienkurses gekoppelt, welcher die Veränderungen des Unternehmenserfolgs und -risikos unmittelbar nachvollzieht. Insbesondere ein fallender Aktienkurs hat damit eine nachträgliche Verringerung der variablen Vergütung zur Folge (sog. implizite Risikoadjustierung).290) Gleichzeitig bewirkt die aktienbasierte Vergütung, dass der Begünstigte in eine „eigentümergleiche Position“ versetzt wird, seine persönlichen Anreize also mit denen der Aktionäre gleichgerichtet und auf eine Steigerung des Unternehmenswertes ausgerichtet werden.291) Auch börsennotierte Institute dürfen zwischen der Verwendung von Aktien und aktienbasierten Instrumenten frei wählen, soweit letztere Instrumente in Bezug auf die Verlustausgleichsfähigkeit dieselben Eigenschaften aufweisen wie Aktien.292) ___________ 289) Der Anteil an Instrumenten ist für den zurückzubehaltenden Teil und den nicht zurückzubehaltenden Teil getrennt festzulegen. Gewähren Institute einen höheren Anteil als 50 % der variablen Vergütung in Instrumenten, ist dabei der zurückzubehaltende Anteil zu priorisieren, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 62 f. 290) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 62. 291) Vgl. CEBS, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, v. 10.12.2010, Rz. 123. Dieser in der allgemeinen Governance-Diskussion schon lange bekannte Ansatz, der in der Praxis in diversen Vorstandsvergütungssystemen seinen Niederschlag gefunden hat, wird damit auch für die Vergütungsregulierung im Bankensektor nutzbar gemacht. Allerdings erfasst er hier nicht nur die Geschäftsleiter, sondern auch die Risikoträger unterhalb der Leitungsebene. 292) In diesem Punkt weicht die InstitutsVergV 2017 bewusst von den europäischen Vorgaben bzw. jedenfalls von der Auslegung derselben durch die EBA ab, vgl. EBA, Guidelines compliance table, v. 30.8.2016, Stand: 26.11.2018 (EBA/GL/2015/22 Appendix 1), S. 3 f. In ihrer Stellungnahme zum Verhältnismäßigkeitsprinzip vertrat die EBA die Ansicht, dass börsennotierte Institute durch die CRD a. F. an einer Vergütung in aktienbasierten Instrumenten gehindert seien, befürwortete aber zugleich eine entsprechende Richtlinienänderung, da aktienbasierte Instrumente für Vergütungszwecke einerseits genauso geeignet wie Aktien, andererseits mit weniger Nachteilen verbunden sind, vgl. EBA, Opinion of the European Banking Authority on the application of the principle of proportionality to the remuneration provisions in Directive 2013/36/EU, v. 21.12.2015 (EBA/Op/2015/25), Rz. 20, 23, 31 – 35. In ihrer Bewertung des CRD IV-Pakets kam die Kommission zu demselben Schluss (vgl. Kommission, Bericht an das Europäische Parlament und den Rat, Bewertung der Vergütungsbestimmungen der Richtlinie 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 28.7.2016, COM(2016) 510 final, S. 9). Dem folgend sieht die CRD V nun auch für börsennotierte Institute die Möglichkeit vor, aktienbasierte Instrumente einzusetzen (vgl. den ErwG 11 CRD V).

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121 Daneben schreibt die InstitutsVergV die Verwendung einer zweiten Instrumentenart verpflichtend vor, allerdings nur soweit diese für Vergütungszwecke verfügbar ist. Gemeint sind sog. bail-in-fähige Instrumente (vgl. § 20 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 InstitutsVergV). Durch ihre Verwendung wird bezweckt, die Anreize des Begünstigten an den Interessen weiterer Stakeholder, insbesondere der Gläubiger des Instituts, auszurichten. Von einer Verfügbarkeit bail-in-fähiger Instrumente ist auszugehen, wenn das Institut oder auch ein anderes Institut innerhalb des Konsolidierungskreises bereits derartige Instrumente ausgegeben hat, diese in ausreichender Menge zur Verfügung stehen und sie den Anforderungen der Verordnung Nr. 527/2014293) entsprechen.294) Ist eine Verfügbarkeit gegeben, müssen bailin-fähige Instrumente einerseits, und Aktien bzw. aktienbasierte Instrumente andererseits, gewährt werden und in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.295) 122 Der Wert von Instrumenten wird im Zeitpunkt der Gewährung festgelegt. Hierfür sind die Instrumente mit ihrem Marktpreis (z. B. Aktienkurs) oder ihrem beizulegenden Zeitwert am Tag ihrer Gewährung zu versehen.296) Der so ermittelte Wert ist die Grundlage für die Festlegung der anfänglichen Anzahl an Instrumenten und für die spätere Ex-postRisikoadjustierung dieser Anzahl.297) Die Wertermittlung (Valuing) ist daneben insbesondere für die Berechnung des Bonus Cap von Belang. Werden die Instrumente bei Endfälligkeit ausbezahlt, kann ihr Wert durchaus den Wert im Zeitpunkt ihrer Gewährung übersteigen, wenn der Marktpreis oder der Marktwert des Instruments zwischenzeitlich gestiegen ist. Eine solche implizite Risikoadjustierung „nach oben“ ist für die Zwecke der Einhaltung des Bonus Cap (im Zeitpunkt der Gewährung) irrelevant und zulässig.298) 123 Gemäß § 20 Abs. 5 Satz 2 InstitutsVergV sind Instrumente mit einer angemessenen Sperrfrist (Retention Period) von in der Regel mindestens einem Jahr zu versehen, nach deren Ablauf frühestens über den jeweiligen Anteil der variablen Vergütung verfügt werden darf.299) Bei Festlegung der Sperrfrist ist ggf. zwischen nicht zurückbehaltenen (upfront) und zurückbehaltenen (deferred) Instrumenten zu unterscheiden. Auch hier ist ggf. zwischen verschiedenen Risikoträgerkategorien zu differenzieren. Institute haben dabei die Gesamtdauer von Zurückbehaltungszeitraum und Sperrfrist, den Einfluss der Risikoträ-

___________ 293) Delegierte Verordnung (EU) Nr. 527/2014 der Kommission vom 12.3.2014, ABl. (EU) L 148/21 v. 20.5.2014. 294) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 63 f. 295) Hierbei sollen die Institute die Interessen der Anteilseigner, Gläubiger, Inhaber von Schuldverschreibungen und anderer Interessengruppen berücksichtigen. Im Zweifel ist bail-in-fähigen Instrumenten gegenüber der Verwendung von wertorientierten Elementen wie aktienbasierten Instrumenten der Vorrang zu geben, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 63 f. 296) Der Tag der Gewährung (bzw. der Zuwendung) ist der Tag, an dem der Upfront-Baranteil an der variablen Vergütung ausbezahlt wird, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 64. Vgl. zur Bewertung von Instrumenten auch EBA, Single Rulebook Q&A, Question ID 2016_2806. 297) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 64. 298) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 62. 299) Institute haben sicherzustellen, dass mit der Auszahlung in Instrumenten verbundene potentielle Interessenkonflikte ermittelt und gesteuert werden. Dies schließt die Einhaltung der Regelungen über Insidergeschäfte sowie die Vermeidung von Maßnahmen, die sich kurzfristig auf Preise von Aktien oder anderen Instrumenten auswirken können, ein, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 5, S. 15.

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II. Institutsvergütungsverordnung

gerkategorie auf das Risikoprofil des Instituts sowie die Dauer des für die betreffende Risikoträgerkategorie relevanten Geschäftszyklus zu berücksichtigen.300) (3)

Explizite Ex-post-Risikoadjustierung: Malus und Clawback

Die eigentliche Ex-post-Risikoadjustierung ist in § 18 Abs. 5 i. V. m. § 20 Abs. 4 Nr. 3 124 und Abs. 6 InstitutsVergV geregelt. Ergibt sich bei der rückschauenden Überprüfung der ursprünglichen Leistungs- und Erfolgsmessung, dass sich auf Ebene des Instituts (bzw. der Gruppe), der Organisationseinheit oder auf individueller Ebene des Risikoträgers nachträglich Risiken realisiert haben oder Misserfolge nachträglich offenbar geworden sind, muss dies die Höhe der ursprünglich gewährten variablen Vergütung (periodengerecht) verringern oder sogar (insbesondere im Fall von negativen Erfolgsbeiträgen) zu deren vollständigen Verlust führen können. Zu diesem Zweck haben Institute durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen mit den Risikoträgern zwei Mechanismen bzw. „Werkzeuge“ zu implementieren: Malus und Clawback. Beide Mechanismen verfolgen denselben Zweck, unterscheiden sich jedoch in ihren Rechtsfolgen und in ihrer Eingriffsintensität. Sie stehen in einem Stufenverhältnis. Der Malus-Mechanismus greift während des Zurückbehaltungszeitraums. Bevor ein zu- 125 rückbehaltener variabler Vergütungsbestandteil zu einem Anspruch bzw. einer Anwartschaft, d. h. „erdient“, wird, haben die Institute eine Malus-Prüfung durchzuführen. Hierbei haben sie zumindest die ursprünglich verwendeten Leistungs-, Erfolgs- und Risikokriterien zugrunde zu legen, um eine Verbindung zwischen der ursprünglichen Leistungs- und Erfolgsmessung und der diesbezüglichen Rückschau (Backtesting) herzustellen.301) Im Fall einer negativen Abweichung des Überprüfungsergebnisses, einschließlich der Berücksichtigung von sitten- oder pflichtwidrigem Verhalten des Risikoträgers, ist die zurückbehaltene variable Vergütung im Einklang mit § 20 Abs. 4 Nr. 3 InstitutsVergV zu reduzieren. Das Ausmaß der vorzunehmenden Korrektur bestimmt sich nach dem Grad der Abweichung: Der zurückbehaltene Vergütungsbestandteil ist auf das Niveau abzuschmelzen, auf das er festgesetzt worden wäre, wenn bei der ursprünglichen Vergütungsermittlung der nachträglich bekannt gewordene Misserfolg bzw. das nachträglich realisierte Risiko bereits hätte berücksichtigt werden können.302) Nur in dem entsprechend verringerten Maße entsteht damit ein Anspruch auf diesen Vergütungsbestandteil.303) Ein nachträglich festgestelltes sittenoder pflichtwidrigen Verhalten des Risikoträgers muss zwingend zu einer Verringerung der ___________ 300) Eine längere Sperrfrist sollte zumindest für die Risikoträger mit dem höchsten Einfluss auf das Risikoprofil und in Fällen in Erwägung gezogenen werden, in denen sich das der Leistung bzw. dem Erfolg zugrunde liegende Risiko jenseits des Ablaufs der Zurückbehaltungsfrist und der Regelsperrfrist verwirklichen kann. Eine kürzere Sperrfrist von mindestens sechs Monaten darf dagegen grundsätzlich bei Risikoträgern festgelegt werden, deren Zurückbehaltungszeitraum mindestens fünf Jahre beträgt. Dies gilt allerdings nicht für Geschäftsleiter und die nachgelagerte Führungsebene, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 64. 301) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 61. 302) Dabei ist der zurückbehaltene Betrag nicht anteilig, sondern absolut um den Betrag zu kürzen, in dessen Höhe die variable Vergütung nach Ablauf und auf Grundlage des Bemessungszeitraums zu hoch festgelegt worden ist. Materialitätsschwellenwerte für die Auslösung einer Verringerung der zurückbehaltenen variablen Vergütung im Falle einer Malus-Anwendung sind, wenn überhaupt, nur unter gut begründeten Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zulässig, konservativ zu setzen und zu dokumentieren, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 62. 303) Umgekehrt darf die explizite Ex-post-Risikoadjustierung in keinem Fall zu einem Anstieg der ursprünglich ermittelten variablen Vergütung führen, etwa mit der Begründung, dass das (Risiko-)Ergebnis rückblickend besser ist, als erwartet. Auch darf, wenn ein Malus bereits in der Vergangenheit zur Anwendung gekommen ist, nicht die einmal verringerte variable Vergütung wieder erhöht werden, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 58.

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variablen Vergütung führen und darf nicht durch positive Erfolgsbeiträge ausgeglichen werden (vgl. § 20 Abs. 4 Nr. 3 i. V. m. § 19 Abs. 2 Satz 3 InstitutsVergV).304) 126 In besonders schwerwiegenden Fällen muss die Malus-Prüfung einen Totalverlust der zurückbehaltenen variablen Vergütung zur Folge haben. Hierfür haben die Institute, genau wie für eine (bloße) Reduzierung der variablen Vergütung (insbesondere für den Fall sitten- oder pflichtwidrigen Verhaltens),305) geeignete Auslöser (Trigger) festzulegen. Der vollständige Verlust muss gemäß § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV zwingend im Fall von negativen Erfolgsbeiträgen eintreten, d. h. wenn der Risikoträger x

entweder (Nr. 1) an einem Verhalten, das für das Institut zu „erheblichen Verlusten“306) oder einer „wesentlichen regulatorischen Sanktion“307) geführt hat, maßgeblich beteiligt308) oder dafür verantwortlich war oder

x

(Nr. 2) „relevante“309) externe und interne Regelungen in Bezug auf Eignung und Verhalten „in schwerwiegendem Maß“310) verletzt hat.

127 Einen Schritt weiter als der Malus geht der Clawback. Dieser hindert gemäß § 20 Abs. 6 Satz 1 InstitutsVergV nicht die Anspruchsentstehung, sondern soll den Instituten sogar die ___________ 304) Steht ex post das Vorliegen eines sitten- oder pflichtwidrigen Verhaltens fest, darf der für die Risikoadjustierung verantwortlichen Stelle also kein Ermessen über das „Ob“ einer nachträglichen Reduzierung einer festgelegten variablen Vergütung zukommen. Hinsichtlich des „Wie“, also des Umfangs der Reduzierung, ist eine Ermessensentscheidung möglich, jedoch muss die Ermessungsausübung soweit als möglich gebunden werden, indem die Institute klare schriftliche Bestimmungen festlegen, mit denen ein Raster geschaffen wird, in das sich neu auftretende Sachverhalte einsortieren lassen, nebst der für die Einordnung leitenden Erwägungen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 51 f. 305) Der Tatbestand des sitten- oder pflichtwidriges Verhaltens kann je nach Ausmaß und Schwere gleichzeitig auch eine Verletzung relevanter externer oder interner Regelungen in Bezug auf Eignung und Verhalten und damit einen negativen Erfolgsbeitrag i. S. von § 18 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 InstitutsVergV darstellen. Beide Tatbestände sind deshalb in den institutseigenen Leitlinien in geeigneter Weise voneinander abzugrenzen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 49 und 51 f. 306) Bei der Beurteilung, wann ein Verlust erheblich ist, kann u. a. auf die Eigenmittel des Instituts abgestellt werden. Ein Indiz für eine Erheblichkeit soll nach Ansicht der BaFin etwa gegeben sein, wenn der Verlust mind. 1 % des vom Institut tatsächlich vorgehaltenen Eigenkapitals entspricht, vgl. hierzu näher BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 50. Denkbar ist aber auch ein Anknüpfen an das Ergebnis des Geschäftsbereichs, in dem der Risikoträger tätig ist, vgl. Schirrmacher, ZBB 2017, 281, 289. 307) Hierfür verweist die BaFin beispielhaft auf eine Reihe von regulatorischen Maßnahmen, die sich jedoch in puncto Eingriffsvoraussetzungen und -intensität stark unterscheiden, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 50. Insb. die dort genannte „Anordnung einer Erhöhung der Eigenmittelanforderungen um mind. 0,5 Prozentpunkte i. S. von § 10 KWG“ eignet sich nicht (pauschal) als tauglicher Anknüpfungspunkt, da hierunter auch SREP-Kapitalzuschläge fallen, die in der Praxis nicht die Ausnahme, sondern vielmehr die Regel darstellen. Der Tatbestand bedarf mithin eines Korrektivs, etwa in Form einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls; vgl. auch Buscher/v. Harbou/Link/Weigl, InstitutsVergV, § 18 Rz. 115, wonach SREP-Zuschlägen nicht zwingend ein „Sanktionscharakter“ zukommt. 308) Bei der Bemessung der Maßgeblichkeit einer Beteiligung ist das tatsächliche Näheverhältnis des Risikoträgers (Kompetenz bzw. Entscheidungsgewalt) zum ausgelösten Schaden (erheblicher Verlust, wesentliche regulatorische Sanktion) zu berücksichtigen, sowie ob ihm dieser objektiv zuzurechnen ist. Ein Verschulden oder eine Pflichtverletzung sind nach Ansicht der Aufsicht nicht erforderlich, sondern lediglich Indiz für eine maßgebliche Beteiligung, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 50. 309) In Bezug auf Eignung und Verhalten „relevante“ Regelungen sollen nach der Aufsicht sämtliche an das Verhalten und die fachliche Eignung des Mitarbeiters anknüpfenden Regelungen sein, deren Einhaltung für das Aufrechterhalten einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation i. S. von § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG erforderlich ist, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 51. 310) Hier kann an Verschuldenskategorien angeknüpft werden, wobei das qualifizierende Merkmal bei einer grobfahrlässigen oder vorsätzlichen Begehung grundsätzlich erfüllt ist. Einschränkend ist eine Gesamtschau von Verschulden und Ausmaß des dadurch verursachten Schadens oder der sonstigen für das Institut nachteiligen Folgen anzustellen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 51.

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II. Institutsvergütungsverordnung

Möglichkeit eröffnen, im Falle von negativen Erfolgsbeiträgen i. S. von § 18 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und 2 InstitutsVergV (bereits entstandene) Ansprüche auf die Auszahlung variabler Vergütung zum Erlöschen zu bringen bzw. eine bereits ausgezahlte variable Vergütung vom Risikoträger zurückzufordern. Genau wie der Malus erfolgt der Clawback auf Basis einer periodengerechten Zuordnung des negativen Erfolgsbeitrags zu dem betreffenden Bemessungszeitraum. Durch geeignete vertragliche Vereinbarungen mit den Risikoträgern ist dabei sicherzustellen, dass eine Rückforderung der ursprünglich festgesetzten variablen Vergütung bis zwei Jahre nach Ablauf der Zurückbehaltungsfrist für den zuletzt erdienten (und für den maßgeblichen Bemessungszeitraum gewährten) Vergütungsbestandteil, möglich ist. Durch die Einführung des Clawback steht eine variable Vergütung damit noch erheblich länger „im Risiko“, als dies nach der InstitutsVergV 2014 der Fall war. Die Umsetzung dieser Vorgaben stellt die Institute in der Praxis vor eine anspruchsvolle 128 Aufgabe. In prozessualer Hinsicht haben die Institute zunächst geeignete Verfahren zu schaffen, einschließlich der Regelung von institutsinternen Verantwortlichkeiten für die Entscheidung über einen Malus bzw. Clawback und der Einrichtung geeigneter Kontrollen.311) In materieller Hinsicht sind insbesondere die für das Vorliegen negativer Erfolgsbeiträge i. S. von § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV relevanten, unbestimmten Rechtsbegriffe zu konkretisieren, damit sie für die Risikoträger transparent und nachvollziehbar sind und sie entsprechend ihr Verhalten danach ausrichten können. Dieser aufsichtsrechtlich intendierten Steuerungswirkung können die Institute durch Erstellung institutsinterner Risikoadjustierungs-Leitlinien nachkommen. Gleichzeitig müssen die entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen mit den Risikoträgern aber auch arbeitsrechtlich durchsetzbar sein. Gerade mit Blick auf den Clawback besteht hier ein Spannungsverhältnis. Während die Zulässigkeit von Clawback-Regelungen aus arbeitsrechtlicher Sicht in der Vergangenheit generell in Frage gestellt wurde,312) hat der Gesetzgeber mit § 20 Abs. 6 i. V. m. § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV nun eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für den Clawback geschaffen und damit das gesetzliche Leitbild modifiziert.313) Gleichwohl muss die vertragliche Ausgestaltung einer AGB-Kontrolle standhalten, insbesondere darf sie den Risikoträger nicht (entgegen den Geboten von Treu und Glauben) unangemessen benachteiligen und muss klar und verständlich sein (vgl. § 307 Abs. 1 und 2 BGB). Während das Verbot einer unangemessen Benachteiligung eine abstrakte Herangehensweise nahelegt, wonach in den Vertrag (nur) eine dem Wortlaut des § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV entsprechende Regelung aufgenommen wird,314) spricht das Transparenzgebot für eine konkreten Ansatz, wonach negative Erfolgsbeiträge i. S. des § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV im Wege der Bildung möglichst präziser und anschaulicher Fallgruppen konkretisiert werden. Beide Ansätze sind mit rechtlichen Risiken verbunden.315) Einstweilen, d. h. bis zum Vor___________ 311) Vgl. dazu i. E. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 18, S. 51. S. a. FSB, Supplementary Guidance to the Principles and Standards on Sound Compensation Practices – The use of compensation tools to address misconduct risk, v. 9.3.2018. 312) Insb. unter Verweis auf die im Zusammenhang mit sog. Stichtagsklauseln entwickelte Rspr. des BAG, wonach spätestens mit Auszahlung der variablen Vergütung der Entgeltbestandteil verdient und nach dem Grundsatz „verdient ist verdient“ nicht mehr entzogen werden kann, vgl. etwa Löw/Glück, NZA 2015, 137, 140; s. a. die Nachw. bei Fischbach, WM 2018, 1491, 1498; Thum, NZA 2017, 1577, 1579. 313) In diesem Sinne Johnson, CCZ 2018, 9, 12. Die gesetzliche Regelung selbst wird indes teilweise wegen ihrer vagen Formulierung und ihrem „Alles oder Nichts“-Prinzips für nicht justiziabel und unverhältnismäßig gehalten, vgl. Löw, NZA 2017, 1365, 1370 f. (der Clawback werde damit zu einem „Papiertiger“). 314) Nach § 307 Abs. 3 BGB ist der Anwendungsbereich einer (materiellen) AGB-Kontrolle nur dann und insoweit eröffnet, als dass vertragliche Regelungen von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen, vgl. zu diesem Gedanken Thum, NZA 2017, 1577, 1580. 315) Die abstrakte Herangehensweise birgt das Risiko mangelnder Transparenz, die konkrete Herangehensweise die Gefahr, dass ein Gericht von einer unangemessenen Benachteiligung ausgeht, wenn die Fallgruppen über die Fälle hinausgehen, in denen ein Clawback nach der InstitutsVergV zwingend erforderlich ist.

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Vergütung

liegen klärender gerichtlicher Entscheidungen, bietet sich eine Kombination beider Ansätze für die vertragliche Umsetzung an, nämlich eine abstrakte Beschreibung negativer Erfolgsbeiträge in Anlehnung an den Wortlaut von § 18 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und 2 InstitutsVergV, welche durch eine nähere Konkretisierung der einzelnen Tatbestandvoraussetzungen ergänzt wird – eine solche Konkretisierung sollte sich an den entsprechenden Ausführungen in der Auslegungshilfe der BaFin anlehnen, ist jedoch institutsspezifisch auszugestalten.316) Regelungstechnisch können hierzu die institutsinternen Risikoadjustierungs-Leitlinien vertraglich in Bezug genommen werden. Ein solches Vorgehen dürfte die aufsichts- und arbeitsrechtlichen Anforderungen bestmöglich in Einklang bringen. In der vertraglichen Vereinbarung mit dem Risikoträger sollte schließlich noch klar geregelt werden, ob sich die Verpflichtung zur Rückzahlung auf den Brutto- oder den Nettobetrag der variablen Vergütung bezieht und wie die Rückerstattung aktienbasierter variabler Vergütung (Rückübertragung oder Wertausgleich) zu erfolgen hat.317) 5.

Bonuspool und Erdienung zurückbehaltender Vergütung („§ 7-Prüfung“)

a)

Festsetzung des Bonuspools

129 Während die vorab dargestellten allgemeinen und besonderen materiellen Anforderungen an die Vergütungssysteme den Aspekt der Verhaltenssteuerung des Einzelnen im Blick haben, steht bei der Festsetzung des Bonuspools die zweite Zielrichtung der Vergütungsregeln im Vordergrund: nämlich der Gesamtbetrag der variablen Vergütungen, den ein Institut insgesamt für seine Mitarbeiter vorsieht, und dessen Auswirkung auf das einem Institut zur Verfügung stehende Kapital.318) Hier besteht ein unmittelbarer Anknüpfungspunkt zur traditionellen Bankenregulierung, nämlich der Grundanforderung, dass Institute den von ihnen eingegangenen Risiken ausreichend Eigenkapital entgegenhalten müssen. Gelder, die als variable Vergütung ausgeschüttet werden, mindern aber das vorhandene Eigenkapital. Deshalb soll – gerade in Krisenzeiten – sichergestellt sein, dass das für variable Vergütung vorgesehene Kapital im Institut verbleibt, um den Bestand des Instituts im Interesse der Finanzstabilität zu sichern. Hinzu tritt der komplementäre Aspekt einer vorausschauenden Kapitalplanung, um auch zukunftsgerichtet ausreichend Kapital vorzuhalten und so den Eintritt einer Krise von vornherein zu vermeiden. 130 § 7 Abs. 1 Satz 1, 2 InstitutsVergV regelt zunächst die Zuständigkeiten und das bei Festsetzung des Gesamtbetrages der variablen Vergütungen gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a KWG (Bonuspool) einzuhaltende Verfahren. In Bezug auf die Verantwortlichkeiten gilt § 3 InstitutsVergV entsprechend, das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan ist also für die Festsetzung des (Teil-)Bonuspools für die Geschäftsleiter, die Geschäftsleitung für die Festsetzung des (Teil-)Bonuspools für die Mitarbeiter verantwortlich.319) In Bezug auf das Verfahren belässt die InstitutsVergV den Instituten Spielräume und fordert nur die Einhaltung eines formalisierten, transparenten und nachvollziehbaren Prozesses, an dem ___________ 316) Für einen kombinierten Ansatz auch Fischbach, WM 2018, 1491, 1499. Zur Konkretisierung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen, vgl. eingehend Buscher/v. Harbou/Link/Weigl, InstitutsVergV, § 18 Rz. 105 ff.; s. a. Schirrmacher, ZBB 2017, 281, 288 ff. 317) Mittels des Clawbacks ist der betroffene Risikoträger nachträglich so zu stellen, als wäre ihm die zurückgeforderte variable Vergütung nie zugeflossen. Dies betrifft nach Ansicht der BaFin zumindest den tatsächlich gewährten Netto-Betrag, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 20, S. 65. Vgl. zu beiden Aspekten Fischbach, WM 2018, 1491, 1499 f. 318) S. zu den beiden Zielrichtungen der Vergütungsregeln oben unter Rz. 3 – 10. 319) Im Hinblick auf den Gesamtbonuspool erfordert dies eine Abstimmung zwischen dem Verwaltungsund Aufsichtsorgan und der Geschäftsleitung, etwa dergestalt, dass die Geschäftsleitung zunächst den Mitarbeiterbonuspool (unter Berücksichtigung von § 7 InstitutsVergV) festsetzt und das Verwaltungs- und Aufsichtsorgan nachgelagert über die Angemessenheit des Gesamtbonuspools entscheidet.

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II. Institutsvergütungsverordnung

die Kontrolleinheiten in angemessener und ihrem Aufgabenbereich entsprechender Weise zu beteiligen sind. Den Instituten ist es also etwa ausdrücklich freigestellt, ob sie den Bonuspool i. R. eines Top-down- oder eines Bottom-up-Ansatzes festlegen.320) In jedem Fall sind die Inhalte und Ergebnisse der Entscheidungsprozesse angemessen zu dokumentieren (vgl. § 11 Abs. 2 InstitutsVergV). § 7 Abs. 1 Satz 3 InstitutsVergV enthält die zentralen materiellen Anforderungen an die 131 Festsetzung des (Gesamt-)Bonuspools, d. h. des maximalen Betrages, der für variable Vergütungen durch ein Institut (bzw. eine Gruppe) für einen bestimmten Bemessungszeitraum verteilt werden kann. Bei der Festsetzung dieses Gesamtbetrages sind einerseits die Risikotragfähigkeit, die mehrjährige Kapitalplanung und die Ertragslage des Instituts (und der Gruppe) zu berücksichtigen („ökonomische Sichtweise“, Nr. 1), andererseits ist sicherzustellen, dass das Institut (und ggf. die Gruppe) in der Lage ist, eine angemessene Eigenmittel- und Liquiditätsausstattung sowie die kombinierten KapitalpufferAnforderungen (§ 10i KWG) dauerhaft aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen („regulatorische Sichtweise“, Nr. 2). Die ökonomische Sichtweise wurde durch die InstitutsVergV 2014 neu eingeführt. Der 132 Hintergrund dafür waren Umsetzungsdefizite, welche die BaFin im Zuge ihrer Sonderprüfungskampagne 2013 festgestellte hatte,321) sowie das gesetzgeberische Bestreben § 7 InstitutsVergV als zentralen Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des Gesamtbonuspools auszugestalten und dabei ausdrücklich alle wesentlichen Risiken zu berücksichtigen.322) Durch die Bezugnahme auf die Risikotragfähigkeit werden die Ergebnisse aus der institutsinternen Risikomessung (ICAAP) in die Betrachtung einbezogen.323) Was die Berücksichtigung der Ertragslage anbelangt, bestand unter der InstitutsVergV 2014 viel Unsicherheit, da die BaFin diese Vorgabe in dem Sinne interpretierte, dass die Festsetzung eines Bonuspools im Falle eines „negativen Gesamterfolgs“ des Instituts in der Regel unzulässig sei.324) Wann ein „negativer Gesamterfolg“ vorliegt, war aber vollkommen unklar. Zu Recht ist die BaFin daher in der InstitutsVergV 2017 von diesem Ansatz abgerückt, fordert aber stellvertretend, dass Institute, die trotz einer negativen Ertragslage variable Vergütungen gewähren (und entsprechend einen Bonuspool festsetzen) wollen, ihre diesbezügliche Absicht plausibel, umfassend und nachvollziehbar begründen und der Aufsichtsbehörde vorab zur Kenntnis geben.325) Im Rahmen der regulatorischen Sichtweise fordert die InstitutsVergV 2017 eine zu- 133 kunftsgerichtete Betrachtung ein. Dabei sind nicht nur die gegenwärtigen Kapitalanforderungen nach Säule 1 (vgl. Art. 92 CRR) und Säule 2 (vgl. § 10 Abs. 3 KWG, sog. SREP___________ 320) Vgl. dazu näher BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 7, S. 25. 321) So wurde etwa moniert, dass sich die Institute ausschließlich an den regulatorischen Kapitalanforderungen der Säule 1 orientieren, sich passiv verhalten und auf das rechtzeitige Eingreifen der Aufsicht abstellen und keine eigene Vorstellung von einer angemessenen Kapitalausstattung entwickeln, vgl. Insam/ Hinrichs/Hörtz, WM 2014, 1415, 1419. 322) Vgl. Begr. zur InstitutsVergV 2014, § 7. 323) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, § 7, S. 27. 324) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2014, v. 1.1.2014, § 7. 325) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu 7, S. 26. Nach wie vor besteht hier aber ein potentieller Konflikt mit der arbeitsgerichtlichen Rspr. Danach kann die Festsetzung eines Leistungsbonus auf „null“ trotz individueller Zielerreichung nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonders gewichtiger, außergewöhnlicher Umstände gerechtfertigt werden, so etwa bei massiven Verlusten der Bank im Zuge der Bankenkrise 2008/2009, die mit staatlichen Rettungsmaßnahmen einhergingen, vgl. BAG, Urt. v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, BAGE 147, 322 = NZA 2014, 595, 600. Erfolgt die Festsetzung des Bonusbudgets nach billigem Ermessen, sollten die Erwägungen des § 7 InstitutsVergV aber als eines der zu berücksichtigenden Kriterien in die Interessenabwägung des Instituts einbezogen werden, vgl. Löw, DB 2017, 1904, 1907.

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Vergütung

Zuschlag) sowie bereits umgesetzte Kapitalpufferanforderungen (vgl. § 64r Abs. 5 bis 9 KWG) zu beachten, sondern auch die mittel- und langfristige Kapitalplanung auf Basis sich abzeichnender steigender Kapitalanforderungen (einschließlich der möglichen Auswirkungen auf den Kapitalbedarf aufgrund zukünftiger Änderungen des Rechts-, Regulierungs- und Rechnungslegungsrahmens). Hierbei erwartet die Aufsicht von den Instituten einen Kurs, der im Einklang mit einem konservativen, mindestens aber linearen Pfad zur vollständigen Umsetzung der jeweiligen Kapitalanforderungen und den Ergebnissen des SREP steht.326) 134 Zur Beantwortung der Frage, ob und ggf. in welcher Höhe ein Bonuspool festgesetzt werden kann, hat ein Institut alle in § 7 Abs. 1 Satz 3 InstitutsVergV genannten Kriterien i. R. einer Gesamtschau zu prüfen.327) Dabei gilt es in der Sache zu bewerten, ob sich das Institut (bzw. die Gruppe) den Bonuspool in der geplanten bzw. ermittelten Höhe auch mit Blick auf die Zukunft „leisten kann“. Für die Frage, ob überhaupt ein Bonuspool festgesetzt werden kann, ist die Einhaltung der (harten) regulatorischen Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen maßgeblich. Nach der Auslegungshilfe darf grundsätzlich kein Bonuspool ermittelt und demzufolge auch keine für eine Zuteilung vorgesehenen Mittel bereitgestellt werden, wenn die Voraussetzungen der Eingriffsbefugnisse der BaFin gemäß § 45 KWG erfüllt sind und auch kein kurzfristiger positiver Umschwung in den maßgeblichen Kennzahlen des Instituts zu erwarten ist.328) Ein entsprechender Vorbehalt ist in die Arbeits- oder Dienstverträge bzw. die Bonuszusagen der Mitarbeiter aufzunehmen. Eine weitere absolute Beschränkung kann sich hinsichtlich der kombinierten Kapitalpuffer-Anforderungen nach § 10i KWG ergeben. Sind die Kapitalpuffer-Anforderungen nicht erfüllt, richtet sich die mögliche Höhe des Bonuspools nach dem maximal ausschüttungsfähigen Betrag (Maximum Distributable Amount), der dem Institut neben der Zahlung variabler Vergütungen etwa auch für die Zahlung von Dividenden (insgesamt) zur Verfügung steht (siehe dazu § 13 Rz. 107 ff. [Glos]).329) Sind die Kapitalpuffer-An-

___________ 326) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu 7, S. 25. Die BaFin macht sich damit die Erwartungshaltung der EZB zu eigen, vgl. EZB, Schreiben v. Danièle Nouy, Variable Vergütungspolitik, v. 4.1.2018 (SSM/2018/0011); vgl. auch EZB, Schreiben v. Andrea Enria, Variable Vergütungspolitik, v. 9.1.2019 (SSM/2019/010) sowie das EZB, Schreiben v. Andrea Enria, Variable Vergütungspolitik, v. 21.1.2020 (SSM/2020/016). Zum Verständnis des linearen Pfades wird auf die EZB, Empfehlung v. 28.12.2017 zur Dividenden-Ausschüttungspolitik (EZB/2017/44) verwiesen; vgl. auch die entsprechenden Empfehlungen der EZB, Empfehlung v. 7.1.2019 zur Dividenden-Ausschüttungspolitik (EZB/2019/1) und EZB, Empfehlung v. 17.1.2020 zur Dividenden-Ausschüttungspolitik (EZB/ 2020/1). 327) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, § 7, S. 26. 328) Die Eingriffsbefugnisse nach § 45 KWG knüpfen an die Einhaltung der harten regulatorischen Eigenkapitalanforderungen nach Säule 1 und 2 und die Mindestliquiditätsanforderungen nach § 11 KWG bzw. Teil 6 der CRR an. Die BaFin sieht den Sinn und Zweck des § 7 InstitutsVergV in einer „präventiven Sensibilisierung“. Die Institute werden schon im Vorfeld, also wenn die Entwicklung voraussichtlich auf ein Krisenszenario hinauslaufen wird, in dem die Anordnungsbefugnisse nach § 45 KWG gegeben sind, zum Ergreifen eigener Maßnahmen verpflichtet, um mittels einer Verringerung oder Streichung des Bonuspools die solide Eigenmittel- und Liquiditätsausstattung aufrechtzuerhalten oder wiederherstellen und so aufsichtlichen Anordnungen (also ultima ratio) vorzubeugen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, § 7, S. 26. In der Praxis sind Institute daher gut beraten, sich in Grenzfällen mit der Aufsicht im Vorfeld der Bonuspoolfeststellung abzustimmen, so auch Hinrichs/ Tacou, BKR 2018, 313, 317. 329) Vgl. § 10i Abs. 3 KWG i. V. m. § 37 SolvV.

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forderungen dagegen eingehalten, ist insbesondere die ökonomische Sichtweise i. R. der Gesamtschauprüfung zu würdigen.330) b)

Verteilung des Bonuspools

Die Verteilung eines festgesetzten Bonuspools auf die Ebenen der Organisationseinheiten 135 und der einzelnen Mitarbeiter kann auf Grundlage eines formelbasierten und/oder eines wertenden Ansatzes erfolgen.331) Gerade bei der Verteilungsfrage, insbesondere falls der Bonuspool etwa aufgrund der Nichteinhaltung der Kapitalpuffer-Anforderungen nicht in geplanter Höhe festgesetzt werden kann, zeigt sich das komplexe Zusammenspiel zwischen Bonuspool und der variablen Vergütung des einzelnen Mitarbeiters. Letztere kann mitunter aufgrund der Restriktionen auf Gesamtbankebene nicht in voller Höhe bedient werden. Diesbezüglich stellt die Auslegungshilfe klar, dass Faktoren wie die Bindung von Mitarbeitern oder Quersubventionen zwischen Organisationseinheiten zwar bei der Verteilung berücksichtigt, diese aber nicht beherrschen dürfen, da solche Faktoren die Beziehung zwischen Leistung bzw. Erfolg, Risiko und Vergütung schwächen.332) c)

Erdienung zurückbehaltener Vergütungsbestandteile

Durch die InstitutsVergV 2017 neu eingefügt wurde § 7 Abs. 2 InstitutsVergV. Danach darf 136 eine Ermittlung und eine Erdienung von variabler Vergütung nur erfolgen, wenn und soweit zu den jeweiligen Zeitpunkten die Voraussetzungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 InstitutsVergV erfüllt sind. Während die Ermittlung der variablen Vergütung nach Ablauf der Bemessungsperiode (§ 19 InstitutsVergV) in der Regel mit der Festsetzung des Bonuspools zeitlich zusammenfällt, stellt die Regelung die Erdienung zurückbehaltener variabler Vergütung (§ 20 Abs. 4 InstitutsVergV) unter den zusätzlichen Vorbehalt der Einhaltung der regulatorischen Anforderungen auf Gesamtbankebene. Entsprechend ist künftig eine § 7-Prüfung nicht nur für den jährlichen Bonuspool anzustellen, sondern zusätzlich auch für zurückbehaltene variable Vergütungsbestandteile, deren Zurückbehaltungszeitraum abgelaufen ist. Auch die Erdienung zurückbehaltener Vergütung ist damit unter einen entsprechenden (arbeits-)vertraglichen Vorbehalt zu stellen. 6.

Gruppenweite Regelung der Vergütung

a)

Grundlagen und Gruppenbegriff

§ 27 InstitutsVergV betrifft die gruppenweite Dimension der Vergütungsregeln. Im Ein- 137 klang mit § 25a Abs. 3 KWG hat das übergeordnete Unternehmen einer Gruppe eine ord___________ 330) Daneben ist denkbar, auch Indikatoren bzw. Frühwarnsignale aus der Sanierungsplanung in die Gesamtschauprüfung einzubeziehen. Sanierungspläne sind, genau wie Vergütungssysteme, ein Unternehmenssteuerungsinstrument, vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 BRRD (Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019). Die für Zwecke der Sanierungsplanung festzulegenden Indikatoren sollen es einem Institut ermöglichen, rechtzeitig geeignete Handlungsoptionen einzuleiten, um einen Krisenfall aus eigener Kraft und ohne außerordentliche Unterstützung aus öffentlichen Mitteln zu überwinden, vgl. § 7 Abs. 1 MaSanV (Verordnung zu den Mindestanforderungen an Sanierungspläne für Institute – Sanierungsplanmindestanforderungsverordnung [MaSanV], v. 12.3.2020, BGBl. I 2020, 644). Frühwarnsignale in Form von Indikatoren mit vorgelagerten Schwellenwerten (sog. Ampelsystem) sind ein wichtiger Bestandteil von Sanierungsplänen, um die Kohärenz zwischen dem Sanierungsplan und dem allgemeinen Rahmen für das Risikomanagement des Instituts bzw. der Gruppe herzustellen, vgl. BaFin, Merkblatt zur Sanierungsplanung, v. 31.3.2020, IV. Werden durch das Anknüpfen an die relevanten Indikatoren bzw. Frühwarnsignale beide Steuerungsinstrumente miteinander verzahnt, ist dies Ausdruck einer ganzheitlichen Banksteuerung. 331) Vgl. dazu näher BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, § 7, S. 26. 332) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, § 7, S. 26.

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Vergütung

nungsgemäße Geschäftsorganisation, insbesondere ein angemessenes und wirksames Risikomanagement, auch auf Gruppenebene sicherzustellen. Dies betrifft gemäß § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 KWG auch den Umgang mit Vergütungsrisiken. In der Sache geht es dabei darum, das „Durchschlagen“ von Risiken, die auf Ebene der Tochterunternehmen begründet werden, auf die gesamte Gruppe zu vermeiden. Die Vorgabe dient also in erster Linie der Finanzstabilität. Speziell für die Vergütungsregeln spielen zudem Umgehungsaspekte eine wesentliche Rolle.333) 138 Hinsichtlich des relevanten Gruppenbegriffs stellt § 2 Abs. 12 InstitutsVergV nun ausdrücklich auf den aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis ab (siehe dazu allgemein § 5 Rz. 102 ff. [Nemeczek/Pitz]).334) Gruppen, übergeordnete und nachgeordnete Unternehmen i. S. der InstitutsVergV, sind also solche gemäß § 10a Abs. 1 bis 3 KWG. Im Falle einer Institutsgruppe bedeutet dies, dass neben dem CRR-Institut (§ 1 Abs. 3d Satz 3 KWG) bzw. einem Institut, das nach § 1a KWG als CRR-Institut gilt, als übergeordnetem Unternehmen, sämtliche zu konsolidierende Tochterunternehmen im In- und Ausland erfasst werden, ebenso wie die (rechtlich unselbständigen) Zweigniederlassungen und Zweigstellen im Ausland. Die Vergütungsregeln finden also grundsätzlich auf globaler Ebene Anwendung. Nach § 10a KWG i. V. m. Art. 18 CRR umfassen die zu konsolidierenden Tochterunternehmen alle CRR-Institute (bzw. Institute, die nach § 1a KWG als solche gelten) und Finanzinstitute (Art. 4 Nr. 26 CRR) der Gruppe, einschließlich von Kapitalverwaltungsgesellschaften (§ 17 KAGB), sowie daneben ggf. Anbieter von Nebendienstleistungen (Art. 4 Nr. 18 CRR). Vom bankaufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis von vornherein nicht erfasst sind aber Versicherungsunternehmen i. S. des § 1 VAG.335) b)

Materielle Anforderungen

aa)

Gruppenweite Vergütungsstrategie

139 Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 InstitutsVergV hat das übergeordnete Unternehmen einer Gruppe eine gruppenweite Vergütungsstrategie festzulegen, die die Anforderungen des § 25a Abs. 5 KWG (Bonus Cap) und der §§ 4 bis 13 InstitutsVergV in Bezug auf alle Mitarbeiter der gruppenangehörigen Unternehmen umsetzt. Nach § 27 Abs. 3 Satz 1 InstitutsVergV hat es zudem auch die Einhaltung der gruppenweiten Vergütungsstrategie in den Tochterunternehmen sicherzustellen.336) Dies gilt grundsätzlich sowohl für inländische wie auch ausländische Tochterunternehmen. Unterliegt ein nachgeordnetes Unterneh___________ 333) Vgl. zu beiden Punkten ErwG 67 CRD IV. 334) Dies entspricht der bisherigen Auslegung der InstitutsVergV 2014 und der Vorgabe der EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22) – vgl. die entsprechende Definition in Rz. 6. Europaweit betrachtet ist bzw. war dies nicht selbstverständlich, stellten doch etliche andere Mitgliedstaaten noch Ende 2015 stattdessen auf den bilanziellen Gruppenbegriff ab, vgl. EBA, Opinion of the European Banking Authority on the application of the principle of proportionality to the remuneration provisions in Directive 2013/36/EU, v. 21.12.2015 (EBA/Op/2015/25), S. 17. 335) Vgl. EBA, Single Rulebook Q&A, Question ID 2013_383. 336) Die Implementierung der gruppenweiten Vergütungsstrategie kann jedoch an rechtliche und praktische Grenzen stoßen. Das übergeordnete Unternehmen kann seiner Verantwortung nur insoweit nachkommen, wie es auf die gruppenangehörigen Unternehmen einwirken kann (neben Informationsrechten sind insoweit insb. auch Durchgriffsrechte, etwa qua Beherrschungsvertrag, von Belang). § 27 Abs. 3 Satz 1 InstitutsVergV ist daher richtigerweise als Verpflichtung des übergeordneten Unternehmens zu verstehen, auf die Einhaltung der gruppenweiten Vergütungsstrategie in den Tochterunternehmen hinzuwirken, vgl. auch BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 27, S. 71. Praktisch kommen diesbezüglich etwa die Einforderung von Verpflichtungserklärungen und/oder die Implementierung von Berichtspflichten in Betracht; vgl. dazu auch Buscher/v. Harbou/Link/ Weigl, InstitutsVergV, § 27 Rz. 26 f., 40.

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§ 12

II. Institutsvergütungsverordnung

men mit Sitz im Ausland nach der dortigen Rechtsordnung aber strengeren Anforderungen als im Inland, ist dies bei der Festlegung der gruppenweiten Vergütungsstrategie zu berücksichtigen und darauf hinzuwirken, dass das nachgeordnete Unternehmen die strengeren Anforderungen einhält.337) Für Mitarbeiter von Kapitalverwaltungsgesellschaften (§ 17 KAGB) besteht eine Be- 140 reichsausnahme (vgl. 2. Halbsatz von § 27 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 InstitutsVergV). Diese Ausnahme von der gruppenweiten Geltung der Vorgaben der InstitutsVergV erklärt sich vor dem Hintergrund der sektorspezifischen Vergütungsregeln, die in Umsetzung der AIFM-Richtlinie und der UCITS-Richtlinie in § 37 KAGB für diese Mitarbeiter bestehen (siehe dazu bereits oben Rz. 30). Diese Vergütungsregeln sind auf die Besonderheiten des Investmentbereichs zugeschnitten und stellen die angemessene Ausgestaltung der Vergütungssysteme für die betreffenden Mitarbeiter sicher. Eine (zusätzliche) Anwendung der Vergütungsregeln für den Bankbereich ist daher weder erforderlich noch angemessen. Da die sektorspezifischen Vergütungsregeln im Investmentbereich auf europäischen Vorgaben beruhen, dürfte die Bereichsausnahme – über den Wortlaut des § 27 InstitutsVergV hinaus – auch für Mitarbeiter in AIFM- und UCITS-Tochterunternehmen in anderen Mitgliedstaaten gelten.338) Eine weitere Modifizierung der gruppenweiten Vergütungsstrategie enthält der aus sich 141 heraus schwer verständliche § 27 Abs. 1 Satz 2 InstitutsVergV. Danach gelten in nachgeordneten Unternehmen – vorbehaltlich der Regelung des § 27 Abs. 2 InstitutsVergV – sowohl § 1 InstitutsVergV als auch § 2 KWG (im Hinblick auf § 25a Abs. 5 KWG) entsprechend. Da die InstitutsVergV nach § 1 Abs. 1 nur für Institute gilt, auf die § 25a KWG (auf Solo-Ebene) anzuwenden ist, sind die in § 27 Abs. 1 Satz 1 InstitutsVergV genannten Vergütungsanforderungen auch im Gruppenkontext nur für Mitarbeiter solcher Tochterunternehmen umzusetzen, die auch auf Solo-Ebene der InstitutsVergV unterfallen. Im Gegenschluss finden also die bankaufsichtsrechtlichen Vergütungsregeln auch über die gruppenweite Regelung keine Anwendung auf Mitarbeiter in solchen Tochterunternehmen, die auf Solo-Basis der InstitutsVergV nicht unterfallen.339) Anders ist dies nur für solche Mitarbeiter, die als Gruppen-Risikoträger identifiziert werden (Vorbehalt in Bezug auf § 27 Abs. 2 InstitutsVergV).340) Die entsprechende Anwendung von ___________ 337) § 27 Abs. 1 Satz 4 InstitutsVergV. Für Tochterunternehmen in anderen Mitgliedstaaten muss die gruppenweite Vergütungsstrategie zudem festlegen, wie mit einer unterschiedlichen Umsetzung der CRD in den betreffendem Mitgliedstaat (etwa hinsichtlich des Bonus Cap) umgegangen wird, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 27, S. 70 f. 338) Darüber hinaus erscheint auch eine Anwendung der Bereichsausnahme auf in Drittstaaten ansässige Tochterunternehmen im Investmentbereich angemessen, soweit der betreffende Drittstaat Vergütungsregeln vorsieht, die denen der AIFM- bzw. UCITS-Richtlinie vergleichbar sind, oder aber die Einhaltung der sektorspezifischen Vergütungsvorgaben aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit den betreffenden Mitarbeitern sichergestellt wird, vgl. auch BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 27, S. 70. 339) Dies betrifft insb. Finanzinstitute und Anbieter von Nebendienstleistungen. In der Sache tritt § 27 Abs. 1 Satz 2 InstitutsVergV damit an die Stelle des § 27 Abs. 3 InstitutsVergV 2014, der es unter bestimmten Voraussetzungen gestattete, nachgeordnete Unternehmen, die keine Institute sind, von der gruppenweiten Vergütungsstrategie auszunehmen. 340) Dies steht im Einklang mit europäischen Vorgaben. Nach EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22), Rz. 68, haben übergeordnete Unternehmen dafür Sorge zu tragen, dass Tochterunternehmen, die in den Anwendungsbereich des aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreises fallen, selbst aber nicht der CRD unterliegen, über eine mit der gruppenweiten Vergütungsstrategie für alle Mitarbeiter kohärenten Vergütungspolitik verfügen und die Vergütungsanforderungen der Artt. 92 Abs. 2, 93 und 94 CRD a. F. wenigstens für die Mitarbeiter erfüllen, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Risikoprofil der Gruppe auswirkt. Die europäischen Vorgaben eröffnen also die Möglichkeit, für solche Mitarbeiter von der Anwendung der Vergütungsanforderungen abzusehen, die nicht als Gruppen-Risikoträger identifiziert wurden.

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§ 12

Vergütung

§ 2 KWG bedeutet, dass das Bonus Cap gemäß § 25a Abs. 5 KWG auch über die gruppenweite Regelung nicht für Mitarbeiter solcher Tochterunternehmen gilt, die auf SoloEbene dem Bonus Cap gemäß § 2 Abs. 7 bis 9h KWG nicht unterfallen.341) Beides (d. h. die entsprechende Anwendung von § 1 InstitutsVergV und § 2 KWG) gilt auch für Tochterunternehmen mit Sitz im Ausland, welche insofern so zu berücksichtigen sind, als fielen sie in den örtlichen Geltungsbereich des KWG.342) 142 Durch diese Modifizierung werden die Spielräume ausgenutzt, die das europäische Recht für eine verhältnismäßige Umsetzung der Vergütungsregeln belässt. Dies betrifft insbesondere das Bonus Cap. Mit der Anwendung des Bonus Cap nicht nur auf Risikoträger, sondern auf sämtliche Mitarbeiter, betrieb der deutsche Gesetzgeber ein beachtliches „Gold Plating“ der europäischen Vorgaben. Dies führte im Gruppenkontext gerade für Mitarbeiter in Auslandsgesellschaften zu erheblichen Friktionen, da die Rechtsordnungen außerhalb Europas regelmäßig kein Bonus Cap vorsehen. Das europäische Recht fordert die Anwendung des Bonus Cap dagegen nur für Gruppen-Risikoträger. Mit der Regelung des § 27 Abs. 1 Satz 2 InstitutsVergV wird dieses „Gold Plating“ jedenfalls ein Stückweit zurückgeschraubt. bb)

Ermittlung von Gruppen-Risikoträgern

143 Ist das übergeordnete Unternehmen der Gruppe ein bedeutendes Institut gemäß § 17 InstitutsVergV, hat es zusätzlich zur Ermittlung der Risikoträger auf Solo-Ebene nach § 27 Abs. 2 InstitutsVergV auf der Grundlage einer gruppenweiten Risikoanalyse (in entsprechender Anwendung des § 25a Abs. 5b KWG) auch die Gruppen-Risikoträger zu ermitteln (siehe zur diesbezüglichen Risikoanalyse oben Rz. 90 ff.). Gruppen-Risikoträger sind Mitarbeiter, deren berufliche Tätigkeit sich wesentlich auf das Gesamtrisikoprofil einer Gruppe auswirkt (vgl. § 2 Abs. 8 InstitutsVergV). Für sie gelten die besonderen materiellen Anforderungen an die Vergütungssysteme. Entsprechend sind nach § 27 Abs. 2 Satz 3 InstitutsVergV die Anforderungen des § 18 Abs. 1 und Abs. 3 bis 5 und der §§ 19 bis 22 InstitutsVergV bei der Festlegung der gruppenweiten Vergütungsstrategie in Bezug auf die ermittelten Gruppen-Risikoträger umzusetzen.343) 144 § 27 Abs. 2 Satz 2 InstitutsVergV statuiert wiederum eine Bereichsausnahme für Mitarbeiter in Kapitalverwaltungsgesellschaften, die bei der gruppenweiten Risikoanalyse unberücksichtigt bleiben können. Diese Bereichsausnahme wurde buchstäblich „in letzter Sekunde“ in die InstitutsVergV 2017 eingefügt und steht in Widerspruch zu den EBALeitlinien (EBA/GL/2015/22).344) Sie ist v. a. hinsichtlich der Anwendung (oder eben, wie nun nach deutschem Recht, Nicht-Anwendung) des Bonus Cap für Mitarbeiter von Kapi-

___________ 341) Dies betrifft etwa Institute, die ausschließlich Factoring oder Finanzierungsleasing betreiben. 342) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 27, S. 70. 343) Die Auslegungshilfe stellt insoweit klar, dass in Bezug auf Gruppen-Risikoträger in jedem Fall auch das Bonus Cap nach § 25a Abs. 5 KWG einzuhalten ist, und zwar auch dann, wenn das betreffende nachgeordnete Unternehmen auf Solo-Basis unter die Ausnahmevorschrift des § 2 KWG fällt, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 27, S. 71. 344) Nach EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22), Rz. 68, hat das übergeordnete Unternehmen für Mitarbeiter in AIFM- oder UCITS-Tochtergesellschaften, die Gruppen-Risikoträger sind, zumindest die Einhaltung des Bonus Cap sicherzustellen. Ansonsten genießen die sektorspezifischen Vergütungsregeln des Investmentbereichs Vorrang vor den bankaufsichtsrechtlichen Vergütungsregeln.

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II. Institutsvergütungsverordnung

talverwaltungsgesellschaften von Belang.345) Die Mitarbeiter aller sonstigen Tochterunternehmen im Konsolidierungskreis sind hingegen in die gruppenweite Risikoanalyse mit einzubeziehen. Dies wird durch § 27 Abs. 1 Satz 2 InstitutsVergV klargestellt. cc)

Zentrale Aufgabenerfüllung und Offenlegung

Aus Effizienzgründen, und letztlich als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips, kön- 145 nen bestimmte Aufgaben durch das übergeordnete Unternehmen zentral für die gesamte Gruppe erfüllt werden. Dies bedeutet umgekehrt, dass diese Aufgaben nicht auch auf Solo-Ebene eines Tochter-Instituts erfüllt werden müssen. Dies betrifft gemäß § 27 Abs. 4 InstitutsVergV die Aufgaben des Vergütungsbeauftragten, die zentral durch den Vergütungsbeauftragten des übergeordneten Unternehmens wahrgenommen werden können. Bei nachgeordneten Unternehmen, die keine bedeutenden Institute nach § 17 InstitutsVergV sind, kann auch die jährliche Überprüfung der Vergütungssysteme (§ 12 InstitutsVergV) zentral durch das übergeordnete Unternehmen durchgeführt werden. Ein Vergütungskontrollausschuss darf dagegen nicht für die gesamte Gruppe eingerich- 146 tet werden. Vielmehr hat das übergeordnete Unternehmen gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 InstitutsVergV auf die Einrichtung eines Vergütungskontrollausschusses in einem nachgeordneten Unternehmen hinzuwirken, wenn es sich dabei um ein Institut von erheblicher Bedeutung gemäß § 25d Abs. 3 Satz 8 KWG handelt oder die Einrichtung eines entsprechenden Gremiums nach der jeweils einschlägigen nationalen Rechtsordnung erforderlich ist.346) Das übergeordnete Unternehmen hat schließlich gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 InstitutsVergV 147 die Offenlegungsanforderungen (§ 16 InstitutsVergV) auf konsolidierter Ebene zu erfüllen. 7.

Offenlegung und Kontrolle

a)

Offenlegung

Die Offenlegung von Vergütungsinformationen dient der Schaffung angemessener Trans- 148 parenz dem Markt gegenüber. Hierdurch wird es interessierten Stakeholdern ermöglicht, die Vergütungsstrukturen eines Instituts, und insbesondere die daraus resultierenden Risiken, einzuschätzen und zu überwachen. Intendiert ist also letztlich eine Verbesserung der Marktdisziplin.347) Den Offenlegungsanforderungen im Vergütungsbereich liegt ein gestuftes System zu- 149 grunde. Dieses System ist komplex. Für das Verständnis der Anforderungen von wesentlicher Bedeutung ist zunächst, dass die Offenlegung auf europäischer Ebene nicht in der CRD, sondern in Art. 450 CRR geregelt sind.348) Die in Art. 450 CRR enthaltenen Vorgaben sind also für CRR-Institute gemäß § 1 Abs. 3d KWG (Institute nach europäischem

___________ 345) Nach Umsetzung der CRD V wird sich die Nichtberücksichtigung von Mitarbeiter in Kapitalverwaltungsgesellschaften in der gruppenweiten Risikoanalyse nicht aufrechterhalten lassen. Zwar statuiert die CRD V grundsätzlich einen Vorrang der sektorspezifischen Vergütungsregeln, jedoch findet dieser Vorrang seine Grenze bei den als Gruppen-Risikoträgern identifizierten Mitarbeitern (vgl. ErwG 10 CRD V, Art. 109 Abs. 4 und 5 CRD). 346) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 27, S. 71. 347) Vgl. ErwG 114 CRR sowie ErwG 21 CRD III. 348) Die CRD enthält mit Art. 96 lediglich eine Annexregelung, nach der Institute, die eine Webseite betreiben, auf dieser Webseite zu erläutern haben, wie sie die Vergütungsanforderungen nach Artt. 92 bis 95 der CRD erfüllen.

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§ 12

Vergütung

Recht) unmittelbar anwendbar.349) Daneben gilt Art. 450 CRR gemäß § 1a KWG auch für Institute, die keine CRR-Institute sind (Institute nach deutschem Recht), soweit nicht eine Rückausnahme gemäß § 2 Abs. 7 bis 9a KWG einschlägig ist. Inhaltlich betrifft die Offenlegung nach Art. 450 CRR nur Risikoträger und umfasst sowohl qualitative (erläuternde) und quantitative (im Wesentlichen zusammengefasste) Angaben zu deren Vergütung.350) § 25d Abs. 5 Satz 3 KWG stellt klar, dass Art. 450 CRR auch in Bezug auf die Vergütung der Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans anzuwenden ist.351) 150 Der InstitutsVergV verbleibt damit von vornherein lediglich ein begrenzter Regelungsbereich. Dieser Bereich betrifft zum einen die Offenlegung durch CRR-Institute (bzw. Institute, für die nach § 1a KWG Art. 450 CRR gilt) hinsichtlich der Mitarbeiter, die keine Risikoträger sind. Zum anderen betrifft dies die Offenlegung durch solche Institute, auf die Art. 450 CRR keine Anwendung findet.352) Das Auffüllen des verbleibenden Regelungsbereichs war in der InstitutsVergV 2014 missglückt und von diversen Unstimmigkeiten geprägt.353) Auch die Regelung der Offenlegung in der InstitutsVergV 2017 ist nicht unmittelbar eingängig, so dass sich auch hier in der Praxis Auslegungsfragen stellen. 151 Ausgangspunkt ist § 1 Abs. 2 InstitutsVergV. Danach sind die Offenlegungsanforderungen gemäß § 16 InstitutsVergV nicht anzuwenden auf Institute, die weder CRR-Institute gemäß § 1 Abs. 3d Satz 3 KWG noch bedeutend gemäß § 17 InstitutsVergV sind. Daraus folgt, dass nicht bedeutende Nicht-CRR-Institute keinen vergütungsbezogenen Offenlegungspflichten unterliegen, denn auf diese ist § 16 InstitutsVergV nicht anwendbar und Art. 450 CRR (soweit über § 1a KWG anwendbar) läuft (mangels Risikoträger) faktisch leer. Für bedeutende Nicht-CRR-Institute findet § 16 InstitutsVergV hingegen, jedenfalls dem Wortlaut nach, Anwendung. Ob jene Institute den Offenlegungspflichten nach Art. 450 CRR unterliegen, richtet sich indes nach § 1a KWG (i. V. m. § 2 Abs. 7 bis 9a KWG).354) 152 § 16 Abs. 1 und 2 InstitutsVergV enthält Offenlegungsanforderungen, welche (wohl) teils als Ergänzung (Abs. 1) und teils als Substitut (Abs. 2) zur Offenlegung nach Art. 450 CRR ausgestaltet sind und differenziert wiederum zwischen bedeutenden Instituten (Abs. 1) und nicht bedeutenden Instituten (Abs. 2). Aus dem Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 InstitutsVergV ergibt sich, dass § 16 Abs. 2 InstitutsVergV nur nicht bedeutende CRR-Institute betreffen kann. Unklar ist aber der Anwendungsbereich von § 16 Abs. 1 InstitutsVergV. Dieser gilt in jedem Fall für bedeutende CRR-Institute. Ob § 16 Abs. 1 InstitutsVergV daneben auch für bedeutende Nicht-CRR-Institute gilt, ist fraglich. Dem Wortlaut nach ist dies zwar der Fall, jedoch sind die Pflichten des Art. 450 ___________ 349) Auf welcher Ebene die Offenlegung im Gruppenkontext zu erfolgen hat, richtet sich nach Art. 6 Abs. 1 und 3 i. V. m. Art. 13 CRR. Vgl. dazu Rz. 290 der EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22). 350) Art. 450 CRR wird hier nicht i. E. kommentiert. Vgl. dazu die Ausführungen in den Rz. 286 bis 312 der EBA, Leitlinien für eine solide Vergütungspolitik, v. 27.6.2016 (EBA/GL/2015/22), sowie BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 16, S. 40 f. und Anlage 2 (Tabelle 2). S. auf internationaler Ebene auch BCBS, Standards, Pillar 3 disclosure requirements – consolidated and enhanced framework, v. 29.3.2017. Vgl. hierzu i. E. Buscher/v. Harbou/Link/Weigl, InstitutsVergV, § 16 Rz. 17 ff. 351) Dies bezieht sich indes ausschließlich auf deren Vergütung für die Tätigkeit im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan, vgl. Begr. RegE FMSANeuOG, BT-Drucks. 18/9530, S. 58. 352) Vgl. § 25a Abs. 6 Nr. 4 KWG. Daneben erfasst dieser Bereich auch die Ausgestaltung der Offenlegung nach Art. 450 CRR, vgl. § 25a Abs. 6 Nr. 5 KWG. 353) Vgl. nur Buscher/v. Harbou/Link/Weigl, InstitutsVergV, § 17 Rz. 9 ff. 354) Aus Gründen der Normenhierarchie kann durch die InstitutsVergV eine Offenlegung nach Art. 450 CRR nicht für solche Nicht-CRR-Institute verpflichtend vorgeschrieben werden, für die Art. 450 CRR nach Maßgabe von § 1a KWG i. V. m. § 2 Abs. Abs. 7 bis 9a KWG nicht gilt.

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§ 12

II. Institutsvergütungsverordnung

CRR aufgrund von (§ 1a KWG i. V. m.) § 2 Abs. 7 bis 9a KWG nicht für alle bedeutenden Nicht-CRR-Institute anwendbar. Eine „Ergänzung“ dieser Anforderungen kommt also teilweise nicht in Betracht. Jedenfalls bedeutende CRR-Institute haben gemäß § 16 Abs. 1 InstitutsVergV, unterteilt 153 nach Geschäftsbereichen, gewisse Informationen ergänzend zu den Angaben nach Art. 450 CRR offenzulegen. Diese Informationen umfassen qualitative und quantitative Angaben, nämlich x

eine Darstellung der Vergütungssysteme der Mitarbeiter, insbesondere hinsichtlich der Erfüllung der allgemeinen Anforderungen der §§ 4 bis 10 InstitutsVergV (Nr. 1),

x

Angaben zum Vergütungskontrollausschuss (Nr. 2) und

x

den Gesamtbetrag aller Vergütungen, unterteilt in fixe und variable Vergütung, sowie die Anzahl der Begünstigten der variablen Vergütung (Nr. 3).

Die nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 InstitutsVergV offenzulegenden Informationen be- 154 ziehen gemäß § 1 Abs. 4 InstitutsVergV auch solche zu Tarifvergütungen mit ein.355) Nach § 16 Abs. 2 InstitutsVergV haben nicht bedeutende CRR-Institute, deren Bilanz- 155 summe zu den jeweiligen Stichtagen im Durchschnitt der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre mindestens 3 Mrd. € erreicht hat, die Informationen gemäß Art. 450 CRR nicht in Bezug auf die Vergütungen der Risikoträger (solche haben diese Institute nämlich nicht zu ermitteln), sondern in Bezug auf die Vergütungen aller Mitarbeiter aufgeschlüsselt nach Geschäftsbereichen offenzulegen.356) Nicht bedeutende CRR-Institute mit einer durchschnittlichen Bilanzsumme unterhalb dieses Schwellenwerts treffen damit im Ergebnis keine vergütungsbezogenen Offenlegungspflichten, denn § 16 Abs. 2 InstitutsVergV ist auf diese Institute nicht anwendbar und Art. 450 CRR läuft (mangels Risikoträger) faktisch leer. § 16 Abs. 3 und 4 InstitutsVergV regeln schließlich die Art und Weise der Offenlegung. 156 Danach ist der Detaillierungsgrad der zu veröffentlichenden Informationen, dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechend, von der Größe und Vergütungsstruktur des Instituts sowie von Art, Umfang, Risikogehalt und Internationalität seiner Geschäftsaktivitäten abhängig. Im Grundsatz sind die Informationen aber jedenfalls so detailliert darzustellen, dass die Übereinstimmung der Vergütungssysteme mit den gesetzlichen Anforderungen nachvollziehbar ist. Die Informationen nach § 16 Abs. 1 und 2 InstitutsVergV sind zusammen mit den Angaben gemäß Art. 450 CRR in deutscher Sprache sowie verständlicher und transparenter Form offenzulegen.357) Speziell die quantitativen Informa___________ 355) Auf die tarifbedingten Vergütungssysteme von Tarifbeschäftigten muss aber im Hinblick auf die Anforderungen nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 InstitutsVergV nicht zwingend näher eingegangen werden, vielmehr reicht der Verweis auf bestehende Vereinbarungen. Jedoch sind sämtliche Vergütungen der tarifbeschäftigten, einschließlich der Tarifvergütungen, bei den quantitativen Angaben nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 InstitutsVergV zu berücksichtigen. Dieselben Grundsätze sollen laut BaFin auch für die nach § 16 Abs. 2 InstitutsVergV offenzulegenden Information gelten, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 16, S. 38. § 16 Abs. 2 InstitutsVergV ist jedoch in § 1 Abs. 4 InstitutsVergV überhaupt nicht in Bezug genommen. 356) Für nachgeordnete Unternehmen erfolgt die Offenlegung nach § 16 Abs. 2 InstitutsVergV grundsätzlich auf Einzelinstitutsebene, sofern nicht deren übergeordnetes Unternehmen entweder innerhalb des EWR oder in einem Drittstaat ansässig ist und von diesem gleichwertige Angaben auf konsolidierter Basis veröffentlicht werden, vgl. § 16 Abs. 5 InstitutsVergV. In diesen Ausschlussfällen wird die Offenlegung der Informationen vom übergeordneten Unternehmen auf konsolidierter Basis vorgenommen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 16, S. 40. 357) Sofern eine solche vorhanden ist, sind die Informationen nach § 16 Abs. 1 und 2 InstitutsVergV auf der eigenen Webseite des Instituts zu veröffentlichen. Erfolgt die Offenlegung der nach Art. 450 CRR geforderten Angaben nicht ebenfalls dort, so ist auf der Webseite zumindest anzugeben, wo die Informationen nach Art. 450 CRR offengelegt sind, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, v. 15.2.2018, zu § 16, S. 39.

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§ 12

Vergütung

tionen sind in tabellarischer, ggf. auch in grafischer Form darzustellen. Hierfür enthält die Auslegungshilfe in Anlage 2 entsprechende Vorlagen. b)

Prüfung und Kontrolle

aa)

Prüfung durch die Aufsicht

157 Wie die Einhaltung regulatorischer Vorgaben allgemein unterliegt auch die Vergütungspolitik und -praxis der Prüfung durch die Aufsichtsbehörden. Die Vergütungssysteme der Institute sind als Teil der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation (bzw. der internen Governance) zunächst Gegenstand des laufenden aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsverfahrens (Supervisory Review and Evaluation Process – SREP) (siehe dazu § 13 Rz. 71 ff. [Glos]).358) Außerdem kann die Aufsicht die Vergütungssysteme der Institute auch zum Gegenstand von Sonderprüfungen gemäß § 44 Abs. 1 KWG machen. Von dieser Möglichkeit hat die BaFin etwa im Jahre 2013 in größerem Umfang Gebrauch gemacht und 14 Institute im Hinblick auf die Qualität ihrer Vergütungssysteme untersucht.359) 158 Ergeben sich bei einer Prüfung Mängel, steht der Aufsicht ein gestuftes Eingriffsinstrumentarium zur Verfügung (siehe dazu § 13 Rz. 125 ff. [Glos]). Dies beinhaltet die Möglichkeit gegenüber dem Institut im Einzelfall Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation bzw. eine solide Regelung für die Unternehmensführung sicherzustellen.360) Daneben können Verstöße gegen die Vergütungsvorgaben zum Anlass für die Festlegung eines Prüfungsschwerpunkts oder für die Durchführung einer Sonderprüfung genommen werden.361) Weiter kann die Aufsicht im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation regulatorische Kapitalaufschläge (Capital-add-on) auferlegen.362) Verstöße gegen die interne Governance (einschließlich der Vergütungsregeln) können auch i. R. des SREP zu einer Erhöhung der Eigenmittelanforderungen führen.363) Werden die Mängel entgegen einer behördlichen Anordnung nicht abgestellt, kommt schließlich eine Verwarnung der Geschäftsleiter bzw. Aufsichtsräte in Betracht,364) sowie daneben auch die Verhängung eines Bußgelds.365) 159 Daneben treten Eingriffsrechte der Aufsicht zur Verbesserung der Eigenmittelausstattung und der Liquidität. So kann die Aufsicht im Falle einer (drohenden) Unterschreitung der Eigenmittelanforderungen gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 6 KWG die Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile untersagen oder auf einen bestimmten Anteil des Jahresergebnisses beschränken. Gemäß § 45 Abs. 2 Nr. 5a KWG kann die Aufsicht zudem bereits im Vorfeld der Planungen eines Instituts anordnen, den Bonuspool des Instituts auf einen bestimmten Anteil des Jahresergebnisses zu beschränken oder vollständig zu streichen.366) ___________ 358) Vgl. EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 95. 359) Dabei wiesen die Vergütungssysteme aller 14 untersuchten Institute Mängel auf, insb. auch im Hinblick auf drei Prüfungsschwerpunkte (Identifizierung der Risikoträger, Ermittlung von Mitarbeiterboni und Umgang mit Auszahlungsrestriktionen), vgl. Botterweck/Jaeger/Steinbrecher, BaFin-Journal 2/2014, 8 f. 360) Vgl. § 25a Abs. 2 Satz 2 KWG; Art. 16 Abs. 1, 2 lit. b SSM-VO. 361) Vgl. § 30 Satz 2 und § 44 KWG; Art. 12 SSM-VO. 362) Vgl. § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 10 KWG; Art. 16 Abs. 1, 2 lit. a SSM-VO. 363) Vgl. § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 KWG; Art. 16 Abs. 1, 2 lit. a SSM-VO. 364) Vgl. § 36 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 4 und 5 KWG; Art. 16 Abs. 1, 2 lit. m SSM-VO. 365) Vgl. § 56 Abs. 2 Nr. 3 lit. f KWG; Art. 18 Abs. 7 SSM-VO. 366) Hierdurch kann seitens der Aufsicht frühzeitig auf eine Gefährdungslage reagiert werden. Die Reduzierung des Bonuspools ist nämlich schon zu einem Zeitpunkt möglich, zu dem eine Verteilung auf verschiedene Unternehmensebenen und Mitarbeiter noch nicht stattgefunden hat. Außerdem sind zu diesem Zeitpunkt in der Regel noch keine individuellen Ansprüche auf eine variable Vergütung entstanden, so dass eine Reduzierung oder Streichung des Gesamtbetrages tatsächlich und rechtlich effektiver durchsetzbar ist, vgl. Begr. RegE CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/10974, S. 91.

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§ 12

III. Bewertung und Ausblick

Vergleichbare Eingriffsrechte stehen schließlich auch der Abwicklungsbehörde bei Vor- 160 liegen der Abwicklungsvoraussetzungen zu. Sie kann einerseits gemäß § 85 Abs. 1 SAG die Beschränkung oder Streichung des Bonuspools anordnen, zum anderen nach § 85 Abs. 2 SAG die Beschränkung oder Streichung zurückbehaltener variabler Vergütung von Geschäftsleitern und Risikoträgern. Schließlich unterliegen variable Vergütungsbestandteile gemäß § 91 Abs. 2 Nr. 7 lit. a SAG auch dem Instrument der Gläubigerbeteiligung (Bail-in) (siehe dazu § 18 Rz. 74 ff. [Binder]). bb)

Abschlussprüfung

Die Vergütungssysteme der Institute sind Gegenstand der Abschlussprüfung gemäß § 29 161 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a KWG. Die Prüfungsberichte sind für die Aufsicht von zentraler Bedeutung, um Informationen über die Geschäfts- und Risikolage des Instituts zu erhalten (siehe zur Rolle der Abschlussprüfung allgemein § 13 Rz. 60 ff. [Glos]). Die Anforderungen der Aufsicht an den Gegenstand der Prüfung, den Inhalt der Prüfungsberichte sowie Art und Umfang der Berichterstattung werden dabei durch die Prüfungsberichtsverordnung (PrüfbV)367) konkretisiert. Mit ihrer Überarbeitung im Jahre 2015 wurden in § 12 PrüfbV erstmals auch Anforderungen an die Prüfungshandlungen und -dokumentation des Abschlussprüfers zu den Vergütungssystemen eines Instituts definiert. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Aufsicht jährlich grundlegende Informationen über die Vergütungssysteme der Institute erhält.368) III.

Bewertung und Ausblick

Die Frage, ob die regulatorischen Vergütungsvorgaben und die damit einhergehende 162 „neue risikoorientierte Vergütungsphilosophie“369) einen wirksamen Beitrag zur Verbesserung der Stabilität und Robustheit des Finanzsystems leistet, lässt sich nicht abschließend beantworten. Bislang hat die Flut an immer neuen Vergütungsvorgaben, insbesondere auch angesichts der stetig zunehmenden Regulierungsdichte, in erster Linie einen fortwährenden Anpassungsbedarf in den Vergütungssystemen der Institute ausgelöst, deren Praxisbeweis noch aussteht. In ihrer Bewertung der Vergütungsbestimmungen des CRD IV-Pakets vom 28.7.2016 kam die Kommission zwar zu einem überwiegend positiven Fazit, jedoch verweist sie dabei auch auf die Schwierigkeit, die konkreten Auswirkungen der Vergütungsregeln auf das Verhalten von Einzelpersonen, und die Stabilität des Finanzsystems insgesamt, zu messen.370) Mit der Instrumentalisierung der Vergütung für Zwecke einer risikoorientierten Verhal- 163 tenssteuerung wurde aber jedenfalls ein grundlegend neuer Ansatz in der Finanzmarktregulierung gewählt. Während die Bankenregulierung traditionell die Geschäftsmöglichkeiten von Banken, und damit auch ihre Möglichkeiten Risiken einzugehen, indirekt durch die Vorgabe bestimmter Rahmenbedingungen, etwa Großkreditobergrenzen oder Eigenmittelanforderungen, beschränkt, setzt die Vergütungsregulierung in ihrer verhaltenssteuernden Dimension unmittelbar an den Anreizen der Entscheidungsträger an. Diese ___________ 367) Verordnung über die Prüfung der Jahresabschlüsse der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute sowie über die darüber zu erstellenden Berichte – Prüfungsberichtsverordnung (PrüfbV), v. 11.6.2015, BGBl. I 2015, 930. 368) Vgl. BaFin, Begründung zur Prüfungsberichtsverordnung (PrüfbV) v. 4.8.2015, zu § 12 (Vergütungssysteme), S. 11. 369) Vgl. CEBS, Guidelines on Remuneration Policies and Practices, v. 10.12.2010, Rz. 8. 370) Dies liegt zum einen in der Natur der Vergütungsregeln, zum anderen daran, dass die Vergütungsbestimmungen nur ein Element des gesamten Rechtsrahmens sind, vgl. Kommission, Bericht an das Europäische Parlament und den Rat, Bewertung der Vergütungsbestimmungen der Richtlinie 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, COM(2016) 510 final, S. 3.

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§ 12

Vergütung

direktere Einflussnahme auf Risikoentscheidungen innerhalb der Bank wird mit Hinweis auf eine zwischen Banken und Aufsichtsbehörden im Grundsatz bestehende Informationsasymmetrie positiv bewertet.371) Die zweite Dimension der Vergütungsregulierung, d. h. die Einhaltung der Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen im Hinblick auf die Gesamtvergütung, fügt sich dagegen nahtlos in die traditionelle Bankenregulierung ein. 164 Mit Blick auf die Zukunft zeichnen sich die nächsten Änderungen der deutschen Vergütungsvorgaben bereits ab. Dies betrifft allen voran die Umsetzung der CRD V, daneben aber auch die Umsetzung des neuen europäischen Aufsichtsrahmens für Wertpapierfirmen (IFD/IFR). Im Zentrum der Überarbeitung der deutschen Regelung wird dabei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stehen. Die Umsetzung des einheitlichen europäischen Waiver-Systems der CRD V sowie die in der IFD/IFR vorgesehene Unterscheidung zwischen drei Klassen von Wertpapierfirmen werden eine grundlegende Überarbeitung des in der InstitutsVergV bereits angelegten gestuften Systems erfordern. In der Zukunft wird somit hinsichtlich der jeweils einschlägigen Anforderungen noch stärker zwischen verschiedenen Typen von Instituten zu unterscheiden sein (etwa zwischen CRR-Kreditinstituten, Instituten, die als Wertpapierfirmen der Klasse 2 zu qualifizieren sind, (sonstigen) Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten nach deutschem Recht, bedeutenden und nicht bedeutenden Instituten etc.). Dies wird zum einen die Komplexität der gesetzlichen Regelung weiter erhöhen, zum anderen werden sich für einzelne Institutstypen aber auch inhaltlich die Anforderungen ändern. Während dies für bestimmte Institute mit Erleichterungen einhergehen kann (insbesondere für solche Institute, die als Wertpapierfirmen der Klassen 2 und 3 zu qualifizieren sind), werden andere Institute (insbesondere nicht bedeutende CRR-Kreditinstitute) künftig höheren Anforderungen unterliegen.372) Darüber hinaus bringt die Umsetzung der CRD V noch eine Reihe weiterer Änderungen mit sich, insbesondere was die Ermittlung von Risikoträgern373) und die gruppenweite Regelung der Vergütung374) anbelangt. Daneben verlängert sich der Mindestzurückbehaltungszeitraum von drei auf vier Jahre und die Institute werden ausdrücklich auf eine geschlechtsneutrale Vergütungspolitik375) verpflichtet. 165 Schließlich haben auch neuere Entwicklungen auf internationaler Ebene das Potenzial, weitere Änderungen der Vergütungsvorgaben nach sich zu ziehen oder zumindest die Anwendung der bestehenden Anforderungen in der Praxis zu beeinflussen. Dies betrifft ___________ 371) Vgl. Bebchuk/Spamann, GLJ 98 (2010), 247, 280 f. 372) Zwar können die Mitgliedstaaten den in der CRD V auf Institutsebene vorgesehen Bilanzsummenschwellenwert von 5 Mrd. € auf bis zu 15 Mrd. € erhöhen (vgl. dort Art. 94 Abs. 4 CRD), so dass an der in § 1 Abs. 3 InstitutsVergV angelegten Unterscheidung zwischen bedeutenden und nicht bedeutenden Instituten grundsätzlich festgehalten werden könnte. Jedoch wird es in Zukunft nicht mehr möglich sein, nicht bedeutende CRR-Kreditinstitute vollständig von der Anwendung der besonderen Anforderungen der InstitutsVergV auszunehmen. Insb. werden künftig auch nicht bedeutende CRRKreditinstitute verpflichtet sein, Risikoträger zu ermitteln. 373) Vgl. die diesbezüglichen neuen Vorgaben in Art. 92 Abs. 3 CRD sowie die von der EBA gemäß Art. 94 Abs. 2 CRD i. R. technischer Regulierungsstandards festzulegenden Kriterien (etwa „Managementverantwortung“, „Kontrollaufgaben und „wesentlicher Geschäftsbereich“). 374) Die CRD V statuiert zwar grundsätzlich einen Vorrang der sektorspezifischen Vergütungsregeln, jedoch findet dieser Vorrang seine Grenze bei den als Gruppen-Risikoträgern identifizierten Mitarbeitern (vgl. ErwG 10 CRD V, Art. 109 Abs. 4 und 5 CRD). Mit diesen Grundsätzen ist insb. die Nichtberücksichtigung von Mitarbeitern in Kapitalverwaltungsgesellschaften in Rahmen der gruppenweiten Risikoanalyse, so wie es aktuell in § 27 Abs. 2 InstitutsVergV vorgesehen ist, nicht vereinbar. 375) Die EBA ist berufen, Leitlinien für eine geschlechtsneutrale Vergütungspolitik, d. h. eine Vergütungspolitik, die auf dem Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit beruht, auszuarbeiten (vgl. Art. 74 Abs. 3 CRD). Die vergütungsbezogenen Meldepflichten werden zudem um Informationen zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle ergänzt (vgl. Art. 75 Abs. 1 CRD).

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III. Bewertung und Ausblick

insbesondere die Bestrebungen des FSB zur weiteren Eindämmung von Risiken, die den Instituten aus einem Fehlverhalten ihrer Mitarbeiter erwachsen können (sog. Misconduct Risk). Neben anderen Maßnahmen sollen insbesondere auch weitere Vorgaben im Vergütungsbereich helfen, diese Risiken zu adressieren. Zu diesem Zweck hat das FSB am 9.3.2018 ergänzende Leitlinien zu den FSB-Prinzipien und –Standards erlassen, die Empfehlungen für eine verbesserte Ex-ante- und Ex-post-Risikoadjustierung beinhalten.376) Daneben traten noch (an die Aufsichtsbehörden gerichtete) Empfehlungen für die Einrichtung eines entsprechenden Meldewesen, insbesondere hinsichtlich der im Zusammenhang mit der Beurteilung der Effektivität der Vergütungssysteme von den Instituten abzufragenden Informationen.377) In seinem jüngsten Fortschrittsbericht stellt das FSB die Beurteilung und Sicherstellung der Effektivität der Vergütungssysteme generell als die nächste Herausforderung (auch für die Institute selbst) heraus. Dabei soll nicht nur die Ausgestaltung der Vergütungssysteme im Fokus stehen, sondern vielmehr die Erreichung der mit den Vergütungssystemen verfolgten Ziele, insbesondere ihr Beitrag zu einem dauerhaften und nachhaltigen Kulturwandel.378)

___________ 376) Vgl. FSB, Supplementary Guidance to the Principles and Standards on Sound Compensation Practices – The use of compensation tools to address misconduct risk, v. 9.3.2018, S. 1: „Compensation tools, along with other measures, can play an important role in addressing misconduct risk by providing both ex ante incentives for good conduct and ex post adjustment mechanism for appropriate accountability when misconduct occurs.“ 377) Vgl. FSB, Recommendations for national supervisors: Reporting on the use of compensation tools to address potential misconduct risk, v. 23.11.2018, S. 4: „A framework is proposed for data gathering and reporting as a tool for supervisors to monitor and analyse the effectiveness of compensation frameworks in addressing misconduct risk“. 378) Vgl. FSB, Implementing the FSB Principles for Sound Compensation Practices and their Implementation Standards – Sixth progress report, v. 17.6.2019.

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§ 13 Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

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Übersicht I. Überblick...................................................... 1 II. Laufende Aufsicht und Meldepflichten ....................................................... 2 1. Laufende Aufsicht........................................ 2 a) Begriff .................................................... 2 b) Quantitative Anforderungen................ 4 c) Qualitative Anforderungen .................. 5 2. Melde- und Offenlegungspflichten........... 17 a) Periodische Meldungen....................... 21 aa) Eigenmittel ................................... 22 bb) Leverage Ratio .............................. 24 cc) TLAC/MREL............................... 26 dd) Liquidität ...................................... 27 ee) Groß- und Millionenkredite........ 30 ff) Statistische Meldungen und AnaCredit ..................................... 34 gg) Aufsichtliche Offenlegung .......... 37 b) Anlassbezogene Meldungen ............... 43 3. Verhältnis EZB/BaFin/Bundesbank bei der laufenden Aufsicht......................... 51 4. Die Rolle der Jahresabschlussprüfung ...... 60 III. Aufsichtlicher Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP)...................... 71 1. SREP-Leitlinien der EBA .......................... 74 a) Kategorisierung der Institute ............. 77 b) Überwachung der Schlüsselindikatoren..................................................... 80 aa) Geschäftsmodellanalyse............... 82 bb) Bewertung der internen Governance und der institutsweiten Kontrollen .................................... 84 cc) Bewertung der Kapitalrisiken ...... 85 dd) Bewertung der Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken.................... 87 c) Verwendetes Scoring-Modell i. R. des SREP.............................................. 90 d) SREP-Gesamtbewertung .................... 92 e) Aufsichtliche Maßnahmen.................. 94 2. Anwendung durch die EZB ....................... 96 a) Überblick............................................. 96

b) Stresstests .......................................... 101 c) Säule 2-Empfehlungen i. R. der SREP-Beschlüsse............................... 103 d) Veröffentlichungspflicht .................. 109 3. Anwendung durch die BaFin................... 112 IV. Eingriffsinstrumente und Sanktionen... 125 1. Maßnahmen gegen Geschäftsleiter ......... 127 2. Maßnahmen gegen die Bank.................... 133 a) Auskünfte und Prüfungen................ 134 aa) Auskünfte und Unterlagenvorlagerechte .............................. 135 bb) Prüfungen ................................... 139 b) Maßnahmen zur Verbesserung der Eigenmittelausstattung und Liquidität (§ 45 KWG) .............................. 140 aa) Eingriffsbefugnisse vor Unterschreitung der Mindestanforderungen ..................................... 143 bb) Eingriffsbefugnisse bei Unterschreitung der Mindestanforderungen ..................................... 148 cc) Eingriffsbefugnisse auf Gruppenebene ............................ 152 c) Maßnahmen bei organisatorischen Mängeln (§ 45b KWG) ..................... 154 aa) Einzelne Eingriffsbefugnisse ..... 155 bb) Eingriffsbefugnisse auf Gruppenebene ............................ 157 d) Weitere Eingriffsbefugnisse ............. 158 aa) Untersagung von bestimmten Arten der Werbung (§ 23 KWG)................................ 159 bb) Befugnisse nach § 6 KWG ......... 160 3. Bußgelder.................................................. 162 a) Zuwiderhandlung gegen Erlaubnisaufhebung oder Abberufungsanordnung.......................................... 165 b) Verstöße gegen weitere Bestimmungen des KWG............................. 167 c) Bußgeldrahmen ................................. 169

Literatur: Blömer/Lindemann, Auswirkungen des SREP auf die Banksteuerung – der Säule 1 + Ansatz, in: Reuse, Praktikerhdb. Risikotragfähigkeit, 2. Aufl. 2016, S. 81; Botterweck/Hanenberg/Kramer/ Petersen, Bankaufsichtlicher Überprüfungsprozess – Veränderungen durch die neuen EBA SREPLeitlinien, in: Hofmann, Basel III, Risikomanagement und neue Bankenaufsicht, 2015, S. 537; v. Buttlar, Bußgeld – Unternehmenspersönlichkeitsrechte bei der Veröffentlichung von Entscheidungen durch die Aufsicht, BaFin Journal 5/2015, S. 27; Grabbe/Stührk, Behandlung von Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch – SREP-Bescheid und Allgemeinverfügung im Vergleich, Kreditwesen 2017, 426, Kleinschmidt, Prüfungsverordnung: Neue Regeln für die Prüfung der Jahresabschlüsse von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten, v. 15.7.2015, https://www.bafin.de/SharedDocs/ Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/2015/fa_bj_1507_pruefungsberichtsverordnung.html (Abruf-

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

datum: 20.4.2020); Meissner, The Supervisory Review and Evaluation Process (SREP): ultimate test for the banking union?, JIBLR 2016, 331; Nartowska/Knierbein, Ausgewählte Aspekte des „Naming and Shaming“ nach § 40c WpHG, NZG 2016, 256; Reuse, Neue Allgemeinverfügung zum Zinsänderungsrisiko vom 23.12.2016, BP 2017, 23; Reuse, SREP-Schreiben der Aufsicht – Hinweise zur Systematik und weitere Vorgehensweise, RP 2016, 151; Schuster/Pitz, SREP capital ratios and due process, ZBB 2016, 342; Wieck, Deutsche Bundesbank, SREP-Kapitalfestsetzung – Methodik für weniger bedeutende Institute, Vortrag i. R. der Veranstaltung „Neues SREP Konzept der Aufsicht“, v. 4.5.2016. Verlautbarungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht/Basel Committee on Banking Supervision (BCBS): BCBS, Basel III: the net stable funding ratio, v. 10/2014, http://www.bis.org/ bcbs/publ/d295.pdf; BCBS, Basel III: Mindestliquiditätsquote und Instrumente zur Überwachung des Liquiditätsrisikos, 1/2013, http://www.bis.org/publ/bcbs238_de.pdf; BCBS, Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht, v. 9/2012, https://www.bis.org/publ/bcbs230_de.pdf; BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, v. 12/2010 (rev. 6/2011), http://www.bis.org/publ/bcbs189_de.pdf; BCBS, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen – Überarbeitete Rahmenvereinbarung, v. 6/2004, http://www.bis.org/publ/bcbs107ger.htm; (Abrufdatum jew. 20.4.2020). Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/ 25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2014/56/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, ABl. (EU) L 158/196 v. 27.5.2014; EP/Rat, Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. (EU) L 173/1, v. 12.6.2014; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission, ABl. (EU) L 158/77 v. 27.5.2014; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission – EBA-Verordnung, ABl. (EU) L 331/1 v. 15.12.2010; Rat, Verordnung (EG) Nr. 2533/98 des Rates v. 23.11.1998 über die Erfassung statistischer Daten durch die Europäische Zentralbank, ABl. (EG) L 318/8 v. 27.11.1998. Verordnungen der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2016/322 der Kommission v. 10.2.2016 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die aufsichtlichen

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Glos

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

§ 13

Meldungen der Institute in Bezug auf die Liquiditätsdeckungsanforderung, ABl. (EU) L 64/1 v. 10.3.2016; Kommission, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2015/1278 der Kommission v. 9.7.2015 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die aufsichtlichen Meldungen der Institute in Bezug auf die Erläuterungen, Meldebögen und Definitionen (Geänderte DVO 7/2015), ABl. (EU) L 205/1 v. 31.7.2015; Kommission, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2015/227 der Kommission v. 9.1.2015 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die aufsichtlichen Meldungen der Institute gemäß der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Geänderte DVO 1/2015), ABl. (EU) L 48/1 v. 20.2.2015; Kommission, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 der Kommission v. 16.4.2014 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die aufsichtlichen Meldungen der Institute gemäß der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. (EU) L 191/1 v. 28.6.2014. Verlautbarungen der European Banking Authority (EBA): EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/GL/2019/04), https://eba.europa.eu/sites/ default/documents/files/documents/10180/2522896/32a28233-12f5-49c8-9bb5-f8744ccb4e92/Final %20Guidelines%20on%20ICT%20and%20security%20risk%20management.pdf; EBA, 2018 EUwide stress test – Results, v. 2.11.2018, https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/ 10180/2419200/126521e6-613f-45e4-af84-cbd3b854afc5/2018-EU-wide-stress-test-Results.pdf; EBA, Guidelines on the management of interest rate risk arising from non-trading book activities v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/02), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/ 2282655/169993e1-ad7a-4d78-8a27-1975b4860da0/Guidelines%20on%20the%20management%20of %20interest%20rate%20risk%20arising%20from%20non-trading%20activities%20%28EBA-GL-201802%29.pdf?retry=1; EBA, Leitlinien zu den Stresstests der Institute, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/04), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/2537426/23bc3fd6-8e20-47458978-ef84927b9394/Guidelines%20on%20institutions%20stress%20testing%20%28EBA-GL-201804%29_COR_DE.pdf; EBA, Guidelines compliance table, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/04), https:// eba.europa.eu/sites/default/documents/files/document_library//EBA%20GL%202018%2004-CT%20 GLs%20on%20institutions%25u2019%20stress%20testing.pdf; EBA, Überarbeitete Leitlinien zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) sowie für die aufsichtlichen Stresstests, zur Änderung der EBA/GL/2014/13 vom 19.12.2014 – Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), https://eba.europa.eu/documents/10180/2535561/Revised+Guidelines+on+ SREP+%28EBA-GL-2018-03%29_DE.pdf/9ad309c8-e45c-469d-b293-e11267176bb3; EBA, Leitlinien für die IKT-Risikobewertung im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP), v. 11.9.2017 (EBA/GL/2017/05), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/ files/documents/10180/1954038/d1f46d49-6b93-4fc0-b789-839edcaafb9a/Guidelines%20on%20ICT %20Risk%20Assessment%20under%20SREP%20(EBA-GL-2017-05)_DE.pdf; EBA, 2018 EU-wide stress test – Draft Methodological Note, v. 31.1.2018, https://eba.europa.eu/sites/default/documents/ files/documents/10180/2106649/2ff7a78b-ffdc-4fb6-9244-8ec994928c96/2018%20EU-wide%20stress %20test%20-%20Methodological%20Note.pdf?retry=1; EBA, 2018 EU-wide stress test – Draft Templates, v. 7.6.2017, https://eba.europa.eu/eba-issues-2018-eu-wide-stress-test-methodology-fordiscussion; EBA, Pillar 2 Roadmap, v. 11.4.2017, https://www.eba.europa.eu/documents/10180/ 1814098/EBA+Pillar+2+roadmap.pdf; EBA, Information update on the 2016 EU-wide stress test – Using the 2016 EU-wide stress test results in the SREP process, v. 1.7.2016, https://www.eba.europa.eu/ documents/10180/1509035/Information+update+on+the+2016+EU-wide+stress+test.pdf; EBA, Opinion of the European Banking Authority on the interaction of Pillar 1, Pillar 2 and combined buffer requirements and restrictions on distributions, v. 16.12.2015 (EBA/Op/2015/24), https:// www.eba.europa.eu/documents/10180/983359/EBA-Op-2015-24+Opinion+on+MDA.pdf; EBA, Leitlinien zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess – SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), https://eba.europa.eu/sites/ default/documents/files/documents/10180/1051392/5d63aad3-5b03-4301-b1c9-174e3670ad66/EBAGL-2014-13%20GL%20on%20Pillar%202%20(SREP)%20-%20DE.pdf; (Abrufdatum jew. 20.4.2020). Verordnungen und Verlautbarungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ ECB): ECB, AnaCredit Reporting Manual, Part I – Part III v. 5.6.2019, https://www.bundesbank.de/ de/service/meldewesen/bankenstatistik/kreditdatenstatistik-anacredit--611424; EZB, SSM-LSI-SREPMethodik, Ausgabe 2019, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.srep_ methodology_booklet_lsi_2019~15ce18ff7f.de.pdf; ECB, SSM SREP Methodology Booklet, 2018 Edition, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.srep_methodology_booklet_ 2018~b0e30ced94.en.pdf; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.icaap_guide_201811.de.pdf; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Liquiditätsausstattung (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP), v. 9.11.2018, https://

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735

§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.ilaap_guide_201811.de.pdf; EZB, Fragen und Antworten zum EU-weiten Stresstest 2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/about/ ssmexplained/html/stress_test_2018_FAQ.de.html; ECB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law; EZB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, Schreiben an bedeutende Institute v. 31.3.2017 (SSM/2017/0140), https://www.bankingsupervision .europa.eu/press/letterstobanks/shared/pdf/2017/Letter_to_SI_Entry_point_information_letter.pdf ?cb0801df81ba2db9d450ce4fb53065c8; EZB, Broschüre zur SREP-Methodik des SSM, Ausgabe 2017, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.srep_methodology_booklet_2017.de.pdf; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2016, v. 3/2017 https://www.bankingsupervision.europa.eu/ ecb/pub/pdf/ssmar2016.de.pdf; EZB, Schreiben v. Danièle Nouy, Mehrjahresplan für die SSMLeitfäden zum ICAAP und zum ILAAP, v. 20.2.2017, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ ecb/pub/pdf/170220letter_nouy.de.pdf; EZB, Verordnung (EU) Nr. 2016/867 der Europäischen Zentralbank v. 18.5.2016 über die Erhebung granularer Kreditdaten und Kreditrisikodaten – AnaCredit (EZB/2016/13), ABl. (EU) L 144/44 v. 1.6.2016; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2015, v. 3/2016, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssmar2015.de.pdf; EZB, Fragen und Antworten zum EU-weiten Stresstest 2016, abrufbar unter https://www.bankingsupervision .europa.eu/about/ssmexplained/html/stress_test_FAQ.de.html; (Abrufdatum jew. 20.4.2020). Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): BaFin, Allgemeinverfügung, Geschäftsguthaben für Genossenschaften für 2019, v. 1.1.2019 (BA 44-FR 2161-2018/ 0001), https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Verfuegung/vf_ 190101_Geschaeftsguthaben_2019.html; BaFin, BaFin, Jahresbericht 2018, https://www.bafin.de/ DE/PublikationenDaten/Jahresbericht/jahresbericht_node.html; BaFin, Jahresbericht 2017, https:// www.bafin.de/DE/PublikationenDaten/Jahresbericht/jahresbericht_node.html; BaFin, Rundschreiben 10/2017 (BA) – Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT (BAIT), v. 6.11.2017, Stand: 14.9.2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Rundschreiben/dl_rs_1710_ba_BAIT .pdf?__blob=publicationFile&v=9; BaFin, Meldung, Groß- und Millionenkredite: BaFin schafft Länderrisikoverordnung ab, v. 29.12.2017, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/ DE/Meldung/2017/meldung_171229_AbschaffungLRV.html; BaFin, Konsultation 14/2017 (BA), Entwurf der Verordnung zur Änderung der Liquiditätsverordnung, v. 24.10.2017 (BA 55-K 21032017/0003), https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Konsultation/2017/kon_ 1417_liquiditaetsV.html; BaFin, Register zu den Maßnahmen der BaFin gegen Institute und Geschäftsleiter, Stand: 4.4.2017, https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/BankenFinanzdienstleister/ Massnahmen/Mitteilungen/mitteilungen_node.html; BaFin, Jahresbericht 2016, https://www.bafin.de/ DE/PublikationenDaten/Jahresbericht/jahresbericht_node.html; BaFin, Allgemeinverfügung, Anordnung von Eigenmittelanforderungen für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch, v. 23.12.2016 (BA 55-FR 2232-2016/0001), https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/ Verfuegung/vf_161223_allgvfg_zinsaenderungsrisiko.html; BaFin/Bundesbank, Gemeinsame Richtlinie der BaFin und der Bundesbank zur Durchführung und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute durch die Deutsche Bundesbank – Aufsichtsrichtlinie, v. 21.5.2013, Stand: 19.12.2016, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/ DE/Aufsichtsrecht/Richtlinie/rl_130521_aufsichtsrichtlinie.html; BaFin, BaFin Journal 6/2016, https://www.bafin.de/DE/PublikationenDaten/BaFinJournal/AlleAusgaben/bafinjournal_alle_node .html; BaFin, Jahresbericht 2015, https://www.bafin.de/DE/PublikationenDaten/Jahresbericht/ jahresbericht_node.html; BaFin, BaFin, Jahresbericht 2014, https://www.bafin.de/DE/PublikationenDaten/Jahresbericht/jahresbericht_node.html; BaFin, BaFin, Jahresbericht 2013, https://www.bafin.de/ DE/PublikationenDaten/Jahresbericht/jahresbericht_node.html; (Abrufdatum jew. 20.4.2020). Verlautbarungen der Deutschen Bundesbank (Bundesbank): Bundesbank, Das ESZB-Projekt „Analytical Credit Datasets“ (AnaCredit): Die wichtigsten Fragen und Antworten, v. 7/2016, https://www.bundesbank.de/resource/blob/611412/bd00dc6081620532fbf6e10ff281ca47/mL/anacreditfaq-data.pdf; Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 53, https://www.bundesbank.de/resource/blob/ 664766/2be5cbb4e92b69df93bbf2726000e1f6/mL/2016-01-monatsbericht-data.pdf; (Abrufdatum jew. 20.4.2020). Weitere Verlautbarungen: DK Aufsichtsdialog, Fachgremium Säule 3: Auslegungsfragen zur länderspezifischen Berichterstattung nach § 26a Absatz 1 Satz 2 KWG v. 16.12.2014, Stand: 2/2015, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Protokoll/dl_protokoll_141127_fg_offenlegung_ ba.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (Abrufdatum: 20.4.2020).

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§ 13

II. Laufende Aufsicht und Meldepflichten I.

Überblick )

Das vorliegende Kapitel beschäftigt sich mit der laufenden Aufsicht sowie den Eingriffs- 1 instrumenten und Sanktionsbefugnissen der Aufsichtsbehörden. Der erste Abschnitt widmet sich dabei der laufenden Aufsicht und den Meldepflichten, wobei der inhaltliche Schwerpunkt vor allem bei den Meldepflichten liegt, weil die wesentlichen sonstigen Elemente der laufenden Aufsicht bereits an anderen Stellen in diesem Handbuch ausführlicher beleuchtet werden. Zudem geht es in diesem Abschnitt um das Verhältnis der verschiedenen Aufsichtsbehörden untereinander i. R. der laufenden Aufsicht und die Rolle der Jahresabschlussprüfung i. R. der Überprüfung der Einhaltung von aufsichtsrechtlichen Anforderungen. Aufgrund seiner Bedeutung als Instrument der laufenden Aufsicht ist dem aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP) ein eigener Abschnitt gewidmet. Im letzten Abschnitt des Kapitels werden die Eingriffsinstrumente und Sanktionen behandelt. II.

Laufende Aufsicht und Meldepflichten

1.

Laufende Aufsicht

a)

Begriff

Es gibt keine allgemeingültige Definition des Begriffs „laufende Aufsicht“.1) Aus Sicht der 2 beaufsichtigten Bank kann man unter laufender Aufsicht im weiteren Sinne letztlich alle aufsichtsrechtlichen Anforderungen verstehen, die ab der Zulassung zu erfüllen sind. Im engeren Sinn fallen unter die laufende Aufsicht die regelmäßig bzw. dauerhaft zu erfüllenden Anforderungen, im Gegensatz zu den nur anlassbezogenen Pflichten. Die nachfolgende Darstellung unterscheidet zunächst zwischen den beiden wichtigsten 3 Kategorien der Anforderungen an Banken, nämlich x

den quantitativen (siehe nachfolgend Rz. 4) und

x

den qualitativen Anforderungen (siehe nachfolgend Rz. 5 ff.).

x

Ergänzt werden diese Anforderungen um die Melde- und Offenlegungspflichten von Banken (siehe nachfolgend Rz. 17 ff.).

x

Überwacht wird die Erfüllung der Anforderungen an Banken von den Aufsichtsbehörden; auf deren Verhältnis untereinander wird nachfolgend unter Rz. 51 ff. eingegangen.

x

Anschließend soll kurz die Jahresabschlussprüfung dargestellt werden, in deren Rahmen die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Pflichten der Bank ebenfalls einer Prüfung unterzogen wird (siehe nachfolgend Rz. 60 ff.).

b)

Quantitative Anforderungen

Zusammengefasst geht es bei den quantitativen Anforderungen darum, sicherzustellen, 4 dass eine Bank solvent und liquide bleibt. Die wesentlichen quantitativen Anforderungen an Banken werden in anderen Kapiteln dieses Handbuchs näher beschrieben: x

Eigenmittel (siehe § 7 [Riepe/u. a.])

x

Verschuldensquote (Leverage Ratio – LR) (siehe § 8 [Periškiü]),

___________

) 1)

Der Autor dankt Frau Rechtsreferendarin Elisabeth Schemmer und Herrn Rechtsreferendar Maximilian Finke für die wertvolle Mitwirkung an diesem Beitrag. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 7 KWG Rz. 19; Beck/Samm/KokemoorSchmieszek, KWG, § 7 Rz. 17.

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737

§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

x

Liquidität (siehe § 9 [Laufenberg]),

x

Großkredite (siehe § 10 [Lackhoff/Heinz]).

c)

Qualitative Anforderungen

5 Auch die wesentlichen qualitativen Anforderungen, d. h. vor allem die Anforderungen an Organe und die Organisation einer Bank, werden in anderen Kapiteln dieses Handbuchs ausführlicher dargestellt, insbesondere zu x

den organisatorischen Anforderungen (siehe § 11 [Benzler/Krieger]) und

x

der Vergütung (siehe § 12 [Glasow]).

x

Auch die Sanierungsplanung (siehe § 15 [Cichy]) und die Trennbankenregelungen (siehe § 20 [Glasow]) gehören letztlich hierher.

x

Hinzu kommen besondere Anforderungen für bestimmte Arten von Bankgeschäften, etwa für Wertpapierdienstleistungen gemäß den §§ 31 ff. WpHG, für Verbraucherdarlehen (und insbesondere Wohnimmobiliendarlehen) nach § 18a KWG, für das Pfandbriefgeschäft nach dem Pfandbriefgesetz und für das Bauspargeschäft nach dem Bausparkassengesetz, die nicht Gegenstand dieses Handbuchs sind.

6 Eine Besonderheit im deutschen Recht2) stellt die umfangreiche Regulierung sog. Organkredite dar. Diese ist primär qualitativer Natur und wird deshalb im vorliegenden Abschnitt und nicht i. R. der Ausführungen zu Großkrediten (siehe § 10 [Lackhoff/Heinz]) behandelt. 7 Organkredite sind Kredite an Personen oder Unternehmen, die in besonders enger Beziehung zum kreditgewährenden Institut stehen.3) Die zentrale Regelung ist § 15 KWG. Durch dessen Vorgaben soll Gefahren entgegengewirkt werden, die bei der Gewährung derartiger Kredite durch Missbräuche oder unsachgemäße Einflussnahme grundsätzlich bestehen, ohne dabei die Kreditvergabe von vorneherein zu verhindern.4) Die Organkreditvorschriften finden auf alle inländischen Institute i. S. des KWG Anwendung.5) 8 Der Kreditbegriff bestimmt sich nach § 21 Abs. 1 KWG (sog. „enger“ Kreditbegriff).6) Ausnahmen von der Geltung des § 15 KWG sehen § 21 Abs. 2 und 3 KWG für bestimmte Kredite vor, bei denen grundsätzlich keine Gefahr der missbräuchlichen Einflussnahme besteht. 9 Um Interessenkollisionen weitestgehend ausschließen zu können, wurde der Kreis der Organkreditnehmer in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 12 KWG weit gefasst7) und reicht von x

Personen, die in enger Verbindung zum kreditgewährenden Institut stehen (Nr. 1 – 5),

___________ 2)

3) 4) 5) 6) 7)

738

Mit dem durch die Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019, eingeführten neuen Unterabsatz 4 von Art. 88 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013, ist inzwischen eine, wenn auch eher rudimentäre, gemeinschaftsrechtliche Grundlage geschaffen worden, die jedoch nur eine angemessene Dokumentation von Organkrediten fordert. Hingegen findet sich auf internationaler Ebene in Grundsatz 20 der Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht des BCBS (BCBS, Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht, v. 9/2012) eine ähnlich ausführliche, wenn auch im Detail etwas abweichende, Regelung wie im KWG. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Groß, KWG/CRR-VO, § 15 KWG Rz. 1. Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 15 Rz. 1. Nach §§ 2 Abs. 4, Abs. 5, Abs. 7 Satz 2, 31 Abs. 2 KWG kann die BaFin in Einzelfällen Institute aus der Anwendung des § 15 KWG ausnehmen, vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Früh, KWG, § 15 Rz. 9b. Im Gegensatz zu § 19 KWG, der den weiten Kreditbegriff enthält, vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Früh, KWG, § 15 Rz. 10. Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 15 Rz. 3.

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§ 13

II. Laufende Aufsicht und Meldepflichten x

über Unternehmen, die personell oder gesellschaftsrechtlich mit dem Institut in Beziehung stehen (Nr. 6 – 11),

x

bis zu natürlichen Personen, die in enger Verbindung zu einem vom kreditgewährenden Institut abhängigen oder es beherrschenden Unternehmen stehen (Nr. 12).

Da bei Individuen eher die Gefahr einer missbräuchlichen Einflussnahme besteht, wurden 10 die Regelungen für Personalkredite strenger gefasst als die für Unternehmenskredite.8) In der Praxis haben Letztere jedoch die größere Bedeutung.9) Die Gewährung eines Organkredits ist nur mit einstimmiger Beschlussfassung sämt- 11 licher Geschäftsleiter sowie ausdrücklicher (jedoch nicht zwingend einstimmiger) Zustimmung des Aufsichtsorgans zulässig (§ 15 Abs. 1 Satz 1 KWG).10) Beschlussfassung und Zustimmung sind nur notwendig, wenn der Tatbestand eines Organkredits zum Zeitpunkt der Kreditgewährung vorliegt; wird das Organkreditverhältnis erst später begründet, sind diese grundsätzlich entbehrlich.11) Ziel dieser Regelung ist es, eine angemessene Transparenz bei der Vergabe derartiger Kredite zu schaffen und die gegenseitige Kontrolle der Geschäftsleiter untereinander und der Geschäftsleitung insgesamt durch das Aufsichtsorgan zu ermöglichen.12) Beschlussfassung und Zustimmung haben gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 KWG grundsätzlich 12 vor der Kreditgewährung zu erfolgen und müssen die Bedingungen über die Verzinsung und die Rückzahlungsmodalitäten (§ 15 Abs. 4 Satz 2 KWG) sowie die üblichen charakteristischen Merkmale eines Kredits enthalten.13) Wesentliche Änderungen der Kreditkonditionen gelten als erneute Kreditgewährung und erfordern eine erneute Beschlussfassung und Zustimmung.14) Zudem müssen beide Beschlüsse in den wesentlichen Punkten übereinstimmen. Bestehen beim Aufsichtsorgan Bedenken über wesentliche Aspekte, die geändert werden sollen, bedarf es einer erneuten Beschlussfassung der Geschäftsleiter über den geänderten Kreditvertrag.15) Die Beschlüsse können formlos erfolgen, sind jedoch aktenkundig zu machen (§ 15 Abs. 4 Satz 3 KWG). Die Kreditvergabe darf zudem nur zu marktmäßigen Konditionen erfolgen, es sei denn, 13 es handelt sich ausschließlich um Kredite, die i. R. eines Mitarbeiterprogramms vergeben werden (§ 15 Abs. 1 Satz 1 KWG).16) Kredite, die diese Vorgabe nicht erfüllen, sind auf Anordnung der BaFin gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 KWG vollständig mit hartem Kernkapital i. S. des Art. 26 CRR zu unterlegen.

___________ 8) Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Adelt, KWG, § 15 Rz. 8; insb. die Bagatellgrenze des § 15 Abs. 3 Nr. 2 KWG, die Möglichkeit einer nachträglichen Beschlussfassung nach § 15 Abs. 4 Satz 4 sowie die Freistellungen des § 21 Abs. 3 KWG gelten nur für Unternehmenskredite. 9) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Groß, KWG/CRR-VO, § 15 KWG Rz. 6. 10) Für die Zustimmung des Aufsichtsorgans genügt die in der Satzung vorgeschriebene Mehrheit, vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Groß, KWG/CRR-VO, § 15 KWG Rz. 36. 11) Außer die Entstehung des Organkreditverhältnisses steht zum Zeitpunkt der Kreditgewährung mit hinreichender Sicherheit fest Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Groß, KWG/CRR-VO, § 15 KWG Rz. 33. 12) Beck/Samm/Kokemoor-Früh, KWG, § 15 Rz. 86. 13) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Groß, KWG/CRR-VO, § 15 KWG Rz. 40. 14) Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 15 Rz. 2a, 2b. 15) Beck/Samm/Kokemoor-Früh, KWG, § 15 Rz. 93. 16) Die marktmäßigen Konditionen sind vom Institut anhand der Bedingungen zu ermitteln, die einem „normalen“ Kreditnehmer gewährt werden, vgl. Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 15 Rz. 15; Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Adelt, KWG, § 15 Rz. 54.

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

14 Um die Kreditvergabe nicht unverhältnismäßig zu erschweren und den Verwaltungsaufwand für das Institut möglichst gering zu halten, sieht § 15 KWG einige Erleichterungen vor: x

§ 15 Abs. 3 KWG statuiert Bagatellgrenzen, bis zu deren Überschreiten die Vorschriften, insbesondere die Beschlussfassungs- und Zustimmungspflicht, keine Anwendung finden.17)

x

Für Personenorgankredite sind in § 15 Abs. 4 Satz 6 KWG zudem sog. Vorratsbeschlüsse vorgesehen. Für einen Zeitraum von maximal einem Jahr können generelle, auf bestimmte Arten von Krediten bezogene Beschlüsse im Voraus gefasst werden, ohne dass konkrete Kreditanträge vorliegen müssen.18)

x

Darüber hinaus ist bei der eilbedürftigen Gewährung von Unternehmensorgankrediten auch die unverzügliche nachträgliche Zustimmung sämtlicher Geschäftsleiter und des Aufsichtsorgans ausreichend (§ 15 Abs. 4 Satz 4 KWG). Wird der Geschäftsleiterbeschluss oder die Zustimmung des Aufsichtsorgans nicht rechtzeitig (innerhalb von zwei bzw. vier Monaten nach der Kreditgewährung) nachgeholt, ist dies der BaFin gemäß § 15 Abs. 4 Satz 5 KWG unverzüglich anzuzeigen.19)

15 Verstöße gegen § 15 Abs. 1 – 4 KWG führen nicht zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts.20) Wird ein Personenorgankredit jedoch entgegen den in § 15 KWG aufgestellten Pflichten gewährt, so ist dieser ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen sofort zurückzuzahlen, sofern nicht sämtliche Geschäftsleiter und das Aufsichtsorgan der Kreditgewährung unverzüglich zustimmen (§ 15 Abs. 5 KWG). Der Gesetzesverstoß wird dadurch aber nicht geheilt.21) Darüber hinaus haften nach § 17 KWG die Geschäftsleiter und Mitglieder des Aufsichtsorgans, die ihre Pflichten verletzt haben, dem Institut für den entstandenen Schaden, wenn entgegen der Vorschriften des § 15 KWG ein Kredit gewährt wird. 16 Nach dem Wortlaut des § 15 KWG ist die „Bundesanstalt“ und nicht die „Aufsichtsbehörde“ für die Überwachung der Einhaltung der Vorschrift zuständig; nach der Systematik des KWG ist damit auch bei bedeutenden Instituten i. S. der SSM-VO die BaFin und nicht die EZB die zuständige Behörde. Hintergrund ist, dass die Regelung der Organkredite, wie erwähnt, eine Besonderheit des deutschen Rechts ist und gerade nicht auf der Umsetzung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe beruht.22) Die EZB steht allerdings dennoch auf dem Standpunkt, dass sie bei bedeutenden Instituten dafür zuständig ist, nationale Kompetenzen im Bereich u. a. von „limitations of credits to related parties“ auszuüben.23) Dies dürfte § 15 KWG einschließen. Die zugrunde liegende Problematik ist an anderer Stelle bereits ausführlich behandelt worden (siehe § 2 Rz. 56 ff. [Glos/Benzing]).

___________ 17) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Groß, KWG/CRR-VO, § 15 KWG Rz. 32. 18) Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Adelt, KWG, § 15 Rz. 71. 19) Wird die Anzeige nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erstattet, stellt dies eine bußgeldbewerte Ordnungswidrigkeit nach § 56 Abs. 2 Nr. 1 lit. e KWG dar. 20) Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Adelt, KWG, § 15 Rz. 82. 21) Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 15 Rz. 23. 22) Es bleibt abzuwarten, ob der deutsche Gesetzgeber die (rudimentäre) Verankerung der Organkreditthematik in Art. 88 CRD (vgl. Fn. 2) bei der Umsetzung von CRD V zum Anlass nehmen wird, auch bei § 15 KWG auf die zuständige Aufsichtsbehörde statt auf die BaFin abzustellen. 23) ECB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, Schreiben an bedeutende Institute v. 31.3.2017 (SSM/2017/0140), Annex I.

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§ 13

II. Laufende Aufsicht und Meldepflichten 2.

Melde- und Offenlegungspflichten

Banken unterliegen einer Vielzahl von Melde- und Offenlegungspflichten, die in den ver- 17 gangenen Jahren immer stärker ausgeweitet wurden. Der ständig wachsende Datenhunger der Aufsichtsbehörden gehört zu den häufigsten Klagen der Kreditwirtschaft, gerade auch seit der Übernahme der Aufsicht über die bedeutenden Institute durch die EZB.24) Erste gegenläufige Tendenzen gibt es mit CRR II (Capital Requirements Regulation).25) 18 Darin wird – unter dem Stichwort des Proportionalitätsgrundsatzes – der EBA im neuen Art. 430 Abs. 8 CRR ein Mandat erteilt, bis Mitte 2020 eine Kosten-Nutzen-Analyse des aktuellen europäischen bankaufsichtlichen Meldewesens durchzuführen und einen Bericht samt Empfehlungen auszuarbeiten, wie die Meldepflichten zumindest für kleine und nicht komplexe Institute verringert werden können. Das angestrebte Ziel ist eine durchschnittliche Kostensenkung im Meldewesen um mindestens 10 %, idealerweise um 20 %, um kleine und nicht komplexe Institute bürokratisch zu entlasten.26) Kleine und nicht komplexe Institute (die auch an anderer Stelle durch die CRR II punktuell entlastet werden) werden in Art. 4 Abs. 1 Nr. 145 CRR definiert. Wesentliche Merkmale sind eine Bilanzsumme von max. 5 Mrd. € sowie die Qualifizierung als Nichthandelsbuchinstitut. Zudem müssen mehr als 75 % der konsolidierten Gesamtaktiva und -passiva Tätigkeiten mit EWR-Gegenparteien betreffen. Es bleibt abzuwarten, welche Erleichterungen die EBA konkret vorschlagen wird. Zudem ist zweifelhaft, dass der Datenhunger der Behörden wirklich nachlassen wird. Erst Ende 2019 hat bspw. das BMF eine neue „Finanzstabilitätsdatenerhebungsverordnung“ zur Konsultation gestellt, die die Deutsche Bundesbank (Bundesbank) ermächtigen soll, zahlreiche Daten über Wohnimmobilienfinanzierungen zu erheben.27). Vorliegend sollen nur die Meldepflichten dargestellt werden, die im Kern prudentiell 19 sind. Kapitalmarktbezogene Transparenzpflichten (etwa nach dem WpHG, WpPG und BörsG), gesellschaftsrechtliche Meldepflichten (etwa nach dem AktG oder GmbHG) sowie bilanzielle Offenlegungspflichten (etwa nach dem HGB) sollen hingegen außer Betracht bleiben. Auch spezialgesetzliche Meldepflichten (etwa nach dem PfandBG, BausparkG oder Geldwäschegesetz) werden nicht behandelt. Im Wesentlichen geht es somit um Meldepflichten nach dem KWG (sowie darauf beruhenden Verordnungen) und der CRR28) (sowie den darauf beruhenden Regulatory Technical Standards – RTS und Implementing Technical Standards – ITS). Allerdings würde auch insoweit eine Auflistung sämtlicher Anzeigepflichten Dutzende Seiten füllen,29) so dass sich die nachfolgende Darstel___________ 24) Vgl. u. a. F.A.Z., Banken kritisieren Datenhunger der EZB-Aufsicht, Verband bemängelt Intransparenz und unklare Rechtslage, v. 13.10.2015, S. 19; Börsen-Zeitung, Regulierung – Europa braucht mehr Wachstum statt mehr Meldewesen, v. 30.1.2016, S. B1; Münchner Merkur, EZB erschafft neues Datenmonster v. 11.2.2016; Börsen-Zeitung, Die EZB darf in der Bankenaufsicht keine Superbehörde werden, v. 26.8.2017, S. 2: „Hinter dem Vorgehen der EZB steckt offenbar eine klare Vision: ein umfassendes europäisches Meldewesen unter der Kontrolle der Notenbank.“ 25) Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. 26) Vgl. ErwG 57 CRR II. 27) S. RefE des BMF, Verordnung zur Durchführung von Datenerhebungen durch Bundesbank zur Erfüllung der Aufgaben nach dem Finanzstabilitätsgesetz – Finanzstabilitätsdatenerhebungsverordnung (FinStabDEV), v. 20.12.2019, https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/ Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_VII/19_Legislaturperiode/2019-12-20-FinStabDEV/ 0-Gesetz.html (Abrufdatum: 20.4.2020). 28) Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. 29) Allein im KWG finden sich mehr als 120 einzelne Anzeigepflichten.

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

lung auf eine Systematisierung und Kategorisierung mit einer Kurzdarstellung der wichtigsten Meldepflichten beschränkt. 20 Ähnlich wie bei der laufenden Aufsicht generell kann auch bei den Meldepflichten grob zwischen anlassbezogenen und periodischen Meldungen unterschieden werden. a)

Periodische Meldungen

21 Die wichtigsten periodischen Meldungen folgen den oben erwähnten quantitativen Anforderungen der Banken. Hinzu kommen statistische Meldungen, deren Zweck oftmals weniger der Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse der konkreten Bank, sondern vielmehr die Sammlung aggregierter Daten für makroprudentielle Zwecke ist. aa)

Eigenmittel

22 Institute haben gemäß Art. 99 Abs. 1 CRR den zuständigen Behörden (BaFin und Bundesbank bzw. EZB) zumindest halbjährlich eine Meldung über die Einhaltung der Verpflichtungen i. R. der Eigenmittelanforderungen nach Art. 92 CRR vorzulegen. Diese Regelung wird weiter in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/201430) konkretisiert. Nach deren Art. 2 Abs. 1a hat die Meldung grundsätzlich monatlich zu erfolgen, Stichtag ist jeweils der letzte Tag des Monats. Der Einreichungstermin der monatlichen Meldungen wiederum ist gemäß Art. 2 Abs. 3 DVO (EU) Nr. 680/2014 der 15. Kalendertag (nicht Geschäftstag) nach dem Meldestichtag. Der Inhalt und das Format der Meldung bestimmt sich nach § 5 der DVO (EU) Nr. 680/2014 i. V. m. dem jeweiligen Anhang I der DVO (EU) 2015/22731) bzw. der DVO (EU) 2015/127832). 23 In Deutschland sind Institute, die ihre Eigenmittelanforderungen anhand interner Ansätze ermitteln, zudem nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SolvV verpflichtet, diese einmal jährlich für diejenigen (Risiko-)Positionen, die in diese internen Ansätze betreffenden Referenzportfolios der BaFin oder der EBA enthalten sind, zu berechnen und zu melden. Die Meldung der Ergebnisse dieser Berechnungen einschließlich einer Erläuterung der bei der Ermittlung der Ergebnisse angewandten Methoden muss jeweils bis zum 30. Geschäftstag nach Ablauf eines Kalenderjahres getrennt für Referenzportfolios der BaFin und der EBA bei der Bundesbank sowie bei der EBA erfolgen. bb)

Leverage Ratio

24 Gemäß Art. 430 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 CRR sind Institute zur Meldung aller erforderlichen Daten zur Verschuldungsquote und zu ihren Bestandteilen an die zuständigen Behörden verpflichtet. Art. 14 i. V. m. den Anhängen X und XI DVO (EU) Nr. 680/2014 konkretisiert die Anforderungen an die Meldung. Diese hat vierteljährlich an die BaFin und die Bundesbank bzw. an die EZB zu erfolgen. Stichtag ist jeweils das Quartalsende (d. h. 31.3., 30.6., 30.9., 31.12.), Einreichungstermin ist der 12.5., der 11.8., der 11.11. und der 11.2. Die Meldung besteht aus insgesamt sieben Meldebögen. Der erste Teil umfasst alle Daten, die in die Berechnung der Verschuldungsquote einfließen und die gemäß Art. 430 Abs. 1 Satz 1 CRR durch die Institute zu melden sind. Bis zum 31.12.2021 berechnen In___________ 30) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 der Kommission v. 16.4.2014, ABl. (EU) L 191/1 v. 28.6.2014; dort werden für verschiedene Meldetatbestände der CRR ein einheitliches Meldeformat, Anweisungen zur Verwendung des Formats, die Meldehäufigkeit sowie die zu meldenden Daten einschließlich der IT-Lösung festgelegt. 31) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2015/227 der Kommission v. 9.1.2015, ABl. (EU) L 48/1 v. 20.2.2015. 32) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2015/1278 der Kommission v. 9.7.2015, ABl. (EU) L 205/1 v. 31.7.2015.

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§ 13

II. Laufende Aufsicht und Meldepflichten

stitute die Verschuldensquote gemäß Art. 499 CRR jedoch abweichend von den Artt. 429 und 430 CRR und melden diese. Die zuständigen Behörden haben die Daten und insbesondere das Risiko einer übermä- 25 ßigen Verschuldung33) bei ihrer Bewertung der Institute i. R. des SREP (dazu im Folgenden Rz. 71 ff.) zu berücksichtigen. In Deutschland müssen BaFin und Bundesbank zudem gemäß § 6b Abs. 2 Satz 2 Nr. 13 KWG bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verschuldungsquote eines Instituts und der vom Institut zur Steuerung des Risikos einer übermäßigen Verschuldung eingeführten Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen das Geschäftsmodell des Instituts berücksichtigen. cc)

TLAC/MREL34)

Ab dem 28.6.2021 müssen global systemrelevante Institute (G-SRIs) nach Art. 430 Abs. 1 26 lit. b CRR Meldungen zu den TLAC-Mindestanforderungen abgeben. Institute, die den MREL-Mindestanforderungen unterliegen, müssen nach Art. 45i Abs. 1 lit. a i. V. m. Abs. 2 lit. a BRRD35) mindestens halbjährlich Informationen zu Eigenmitteln und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten melden. Dies gilt jedoch nicht für Institute, deren Abwicklungsplan vorsieht, dass das Unternehmen im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens zu liquidieren ist (Art. 45i Abs. 4 BRRD). Die Vorschriften der BRRD II sind bis zum 28.12.2020 von den Mitgliedstaaten umzusetzen. Die EBA erarbeitet noch technische Durchführungsstandards für diese zukünftigen Meldepflichten (Art. 430 Abs. 7 CRR, Art. 45i Abs. 5 BRRD). dd)

Liquidität36)

Seit der vollständigen Einführung der Liquidity Coverage Ratio (LCR) gilt die LiqV nur 27 noch für die Institute, die nicht die LCR einhalten müssen (vgl. § 1 Nr. 1 LiqV). Da der Schwerpunkt der Darstellung in diesem Handbuch auf „Banken“, d. h. CRR-Kreditinstituten, liegt, wird auf die Darstellung von Meldungen nach der LiqV daher verzichtet. Nach Art. 415 Abs. 1 Satz 4 CRR müssen Institute die LCR mindestens monatlich bis 28 zum 15. Kalendertag des Folgemonats an die zuständigen Behörden melden. Gemäß Art. 413 Abs. 2 i. V. m. Art. 415 Abs. 1 Satz 4 CRR haben Institute zudem die Angaben bezüglich ihrer stabilen Refinanzierung, die die Grundlage für die Berechnung der Net Stable Funding Ratio (NSFR) darstellen, mindestens quartalsweise zu melden. Die Artt. 427 ff. CRR treffen dazu genauere Regelungen. Die Details der Meldungen, insbesondere zu deren Format, bestimmen Art. 15 bzw. Art. 16 i. V. m. Anhang XII der DVO (EU) Nr. 680/ 201437). Diese Daten zur stabilen Refinanzierung sollten eine Einschätzung über die verbindliche 29 Einführung einer NSFR ermöglichen.38) Mit der CRR II wird die verbindliche NSFR nun in den Artt. 428a ff. CRR eingeführt, die ab dem 28.6.2021 anzuwenden sind. ___________ 33) Leverage Risk – dieses haben die Institute gemäß § 25a Abs. 1 KWG auch im Risikomanagement zu berücksichtigen. 34) S. zum Thema TLAC/MREL im Besonderen § 7 Rz. 503 ff. [Amann]. 35) Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019. 36) S. zum Thema Liquidität im Besonderen § 9 [Laufenberg]. 37) Für die Meldung der LCR von Kreditinstituten wurde mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2016/322 der Kommission v. 10.2.2016, ABl. (EU) L 64/1 v. 10.3.2016, die Anhänge XXII und XXIII in die DVO aufgenommen. Für alle anderen Institute bestimmt weiterhin Anhang XII der DVO das Meldeformat. 38) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Zeranski, KWG/CRR-VO, Art. 427 CRR Rz. 2.

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§ 13 ee)

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen Groß- und Millionenkredite

30 Die Meldepflichten für Großkredite werden im Grundsatz in Art. 394 CRR geregelt. Art. 394 Abs. 1 und 2 CRR definieren dabei den Inhalt der Meldungen. Nach Art. 394 Abs. 3 CRR hat die Meldung mindestens halbjährlich zu erfolgen. Grundsätzlich haben Institute nach Art. 394 Abs. 1 Satz 1 CRR sämtliche Großkredite den zuständigen Behörden zu melden. Institute, die ihre risikogewichteten Positionsbeiträge anhand des Internal Ratings Based Approach – IRBA (vgl. Art. 143 Abs. 1 CRR) berechnen und gemäß Artt. 11 ff. CRR verpflichtet sind, eine konsolidierte Großkreditmeldung einzureichen, müssen gemäß Art. 394 Abs. 1 Satz 2 CRR zusätzlich ihre 20 größten Kredite auf konsolidierter Basis melden. Eine Meldepflicht auf Ebene des Einzelinstituts besteht dahingegen nicht. 31 Darüber hinaus müssen auch Institute i. S. des Art. 391 CRR, die nach Artt. 11 ff. CRR verpflichtet sind, eine konsolidierte Großkreditmeldung einzureichen, gemäß Art. 394 Abs. 2 CRR zusätzlich zu der Meldung der Großkredite der zuständigen Behörde auf konsolidierter Basis ihre zehn größten Kredite an Institute und ihre zehn größten Kredite an nicht beaufsichtigte Unternehmen der Finanzbranche melden. Es besteht jedoch ebenfalls keine Meldepflicht auf Ebene des Einzelinstituts. 32 Die Anforderungen an die Meldung werden in Art. 13 DVO (EU) Nr. 680/2014 konkretisiert. Dessen Absatz 1 modifiziert den Meldeturnus und bestimmt, dass Großkredite quartalsweise zu melden sind. Die Meldepflicht besteht dabei ausschließlich für Risikopositionen, die an dem jeweiligen Meldestichtag (31.3., 30.6., 30.9., 31.12.) als Großkredit gelten. Die weiteren Details der Meldung bestimmen sich nach Art. 13 i. V. m. Anhang VIII DVO (EU) Nr. 680/201439). 33 Gemäß § 14 KWG haben Institute in Deutschland der bei der Bundesbank geführten Evidenzzentrale vierteljährlich zusätzlich die Kreditnehmer anzuzeigen, deren Kreditvolumen 1 Mio. € oder mehr beträgt. Dabei sind die Stammdaten der Millionenkreditnehmer und die Betragsdaten der Kredite mit Kreditnehmern oder Kreditnehmereinheiten, deren Volumen zu einem beliebigen Zeitpunkt während der dem Meldetermin vorhergehenden drei Kalendermonate die Grenze von 1 Mio. € erreicht oder überschritten hat, zu melden. Die weiteren Details der Meldung sind in §§ 15 ff. GroMiKV geregelt. Nach § 15 Abs. 2 GroMiKV hat die Meldung jeweils zum letzten Kalendertag der Monate März, Juni, September und Dezember zu erfolgen. Die ggf. einzureichenden Dokumente finden sich in den Anlagen 2, 4, 5, 7, 8 und 9 der GroMiKV. Die BaFin hat zum 1.1.2019 das Melderahmenwerk für Millionenkredite durch die Verordnung zur Änderung der GroMiKV vom 20.12.201740) wieder auf den originären bankaufsichtlichen Kern begrenzt.41) Dazu blieben die aktuell gültigen Meldeformate zu den Betragsdaten bestehen und wurden ergänzt. Anders als ursprünglich geplant traten keine neuen umfassenderen Meldeformate in Kraft. Grund hierfür war die anstehende Einführung des Kreditmeldesystems der EZB, das sog. AnaCredit (siehe nachfolgend Rz. 34 ff.), das – abgesehen von den bankaufsichtlichen Anforderungen – Daten für sämtliche weitere Nutzeranforderungen erfassen sollte.42)

___________ 39) Die Erläuterungen zu Anhang VIII (Anhang IX) wurden durch die geänderte DVO 7/2015 aktualisiert (Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2015/1278 der Kommission v. 9.7.2015, ABl. (EU) L 205/1 v. 31.7.2015). 40) Verordnung zur Änderung der Großkredit- und Millionenkreditverordnung und zur Aufhebung der Länderrisikoverordnung vom 20.12.2017, BGBl. I 2017, 4024. 41) BaFin, Meldung, Groß- und Millionenkredite: BaFin schafft Länderrisikoverordnung ab, v. 29.12.2017. 42) BaFin, Meldung, Groß- und Millionenkredite: BaFin schafft Länderrisikoverordnung ab, v. 29.12.2017.

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II. Laufende Aufsicht und Meldepflichten ff)

Statistische Meldungen und AnaCredit

Die Bundesbank ist gemäß § 18 BBankG berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Statis- 34 tiken auf dem Gebiet des Bank- und Geldwesens bei allen Kreditinstituten, Kapitalverwaltungsgesellschaften und extern verwalteten Investmentgesellschaften anzuordnen und durchzuführen. Auf dieser Grundlage erhebt die Bundesbank i. R. der bankstatistischen Meldungen eine Reihe weiterer Daten. Beispielsweise erstellt sie periodisch eine Kreditnehmerstatistik, Statistiken zu Wertpapieremissionen, dem Zahlungsverkehr, dem Auslandsstatus sowie zu Wertpapierbeständen. Bezüglich statistischer Erhebungen auf europäischer Ebene ist die EZB nach der VO (EG) 35 Nr. 2533/9843) – insbesondere Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 4 – befugt, Verordnungen zu erlassen, die statistische Berichtspflichten festlegen, die die nach der Verordnung Berichtspflichtigen zu erfüllen haben, oder die Bedingungen festlegen, unter denen die EZB ihr Recht zur Überprüfung statistischer Daten oder deren Zwangserhebung wahrnehmen kann. Auf dieser Grundlage erließ die EZB eine Verordnung zur Implementierung eines granularen statistischen Kreditmeldewesens (AnaCredit)44), die am 31.12.2017 in Kraft trat. Ziel war die Schaffung einer einheitlichen EU-Datenbank für die Inanspruchnahme und die Vergabe von Krediten. Verwendet wird dabei eine neuartige Methode zur Datenerhebung auf Einzelkreditebene (Loan-by-Loan) mit der in mehreren Phasen ein granularer Datensatz entstehen soll, der zeitnahe, flexible und bedarfsgerechte Auswertungen auf verschiedenen Aggregationsstufen ermöglicht. Der Datensatz soll dabei möglichst umfangreich sein, um eine multifunktionale Nutzung („collect data only once“) z. B. für verschiedene Politikfelder und Institutionen oder zur Verbesserung verschiedener Statistiken zu ermöglichen.45) Die EZB hat zur Umsetzung der AnaCredit-Berichtspflichten das aus drei Teilen bestehende AnaCredit Manual sowie dazugehörige Anhänge veröffentlicht, um eine einheitliche und effektive Anwendung des AnaCredit Meldewesens in der EU sicherzustellen.46) Die Berichtspflichtigen i. S. der AnaCredit47) sind verpflichtet, Kreditdaten auf Einzelbasis 36 an die zuständige nationale Zentralbank desjenigen Mitgliedstaates zu übermitteln, in dem sie ansässig sind. Wann und insbesondere im Hinblick auf welche Instrumente eine Berichtspflicht ausgelöst wird, bestimmt sich nach Art. 4 AnaCredit. Der genaue Inhalt der Meldung sowie die Meldevorlage ergibt sich aus Art. 6 i. V. m. Anhang I AnaCredit. gg)

Aufsichtliche Offenlegung

Im Gegensatz zu den Meldepflichten, die hauptsächlich der Information der Aufsichtsbe- 37 hörden dienen, soll mit der aufsichtlichen Offenlegung vornehmlich die Öffentlichkeit ___________ 43) Verordnung (EG) Nr. 2533/98 des Rates v. 23.11.1998 über die Erfassung statistischer Daten durch die Europäische Zentralbank, ABl. (EG) L 318/8 v. 27.11.1998. 44) Verordnung (EU) Nr. 2016/867 der Europäischen Zentralbank v. 18.5.2016 – AnaCredit (EZB/2016/13), ABl. (EU) L 144/44 v. 1.6.2016. 45) Bundesbank, Das ESZB-Projekt „Analytical Credit Datasets“ (AnaCredit), v. 7/2016. 46) ECB, AnaCredit Reporting Manual: Part I v. 5.6.2019 erklärt die allgemeine AnaCredit Methodik und stellt Informationen zu den Berichtspflichten zur Verfügung, Part II v. 5.6.2019 beschreibt die Datensätze und Datenattribute und Part III v. 5.6.2019 stellt ausgewählte Fallstudien und Szenarien dar. 47) Berichtspflichtig ist gemäß Art. 1 Nr. 8 AnaCredit ein Rechtsträger oder eine ausländische Niederlassung, die in einem Berichtsmitgliedstaat gebietsansässig ist und den Berichtspflichten der EZB gemäß dieser Verordnung unterliegt. Der tatsächliche Kreis der Berichtspflichtigen umfasst gemäß Art. 3 Abs. 1 AnaCredit gebietsansässige Kreditinstitute und gebietsansässige ausländische Niederlassungen von Kreditinstituten, unabhängig davon, ob es sich dabei gemäß der CRD um überwachte Kreditinstitute handelt.

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

informiert und so die Marktdisziplin gestärkt werden.48) Die Offenlegungspflichten stellen die dritte Säule des erstmalig mit der Rahmenvereinbarung Basel II49) eingeführten DreiSäulen-Modells zur Beaufsichtigung von Instituten dar, das auch in Basel III50) enthalten bleibt.51) Die Grundsätze der Offenlegung und die materiellen Offenlegungsanforderungen an Institute finden sich in Teil 8 der CRR (Artt. 431 – 455 CRR) und stellen somit unmittelbar geltendes Recht dar. 38 Die Offenlegungsanforderungen wurden i. R. der CRR II aus Gründen der Proportionalität nach Größe und Kapitalmarktorientierung der Banken abgestuft. Die Erleichterungen umfassen sowohl die Frequenz als auch den Umfang der Offenlegung. Während große, kapitalmarktorientierte Institute sämtliche Offenlegungsvorschriften erfüllen müssen (Art. 433a CRR), gibt es für die übrigen Institute Erleichterungen (Artt. 433b f. CRR). Insbesondere für kleine, nicht komplexe Institute reduzieren sich die Anforderungen auf die jährliche Offenlegung weniger regulatorischer Kennzahlen (wie bspw. Risikomanagementziele, Eigenmittelanforderungen, Gesamtbetrag der risikogewichteten Positionsbeträge, Vergütung) und die halbjährliche Offenlegung von Schlüsselparametern (wie bspw. Eigenmittelanforderungen, kombinierte Kapitalpuffer, LR, LCR), Art. 433b CRR. 39 Neben der Wesentlichkeit, der Frequenz und dem Medium der Veröffentlichung (Artt. 431 – 434a CRR) werden in Teil 8 der CRR allgemeingültige Kriterien für Transparenz und Offenlegung zu Risikomanagementzielen und -politik, zum Anwendungsbereich und Konsolidierungskreis, zu den externen und internen Eigenmitteln und Eigenmittelanforderungen, zum Gegenparteiausfallrisiko, zum antizyklischen Kapitalpuffer, zu den Indikatoren der globalen Systemrelevanz, zu den verschiedenen Risikoarten, zur Vergütungspolitik sowie zum Verschuldungsgrad (Artt. 435 – 451a CRR) festgelegt.52) § 26a KWG ergänzt diese unmittelbar geltenden Transparenzanforderungen und setzt zusätzlich einige, die Transparenz betreffende Bestimmungen der CRD53) in nationales Recht um. 40 Institute sind gemäß § 26a Abs. 1 Satz 1 KWG neben den Anforderungen der CRR verpflichtet, eine Beschreibung ihrer Rechtsstruktur sowie ihrer Governance- und Organisationsstruktur zu veröffentlichen. Die gemeinschaftsrechtliche Grundlage findet sich in Art. 106 Abs. 2 CRD. 41 In § 26a Abs. 1 Satz 2 – 4 KWG wurde zudem die durch Art. 89 Abs. 1 und Art. 90 CRD vorgeschriebene länderspezifische Offenlegung bestimmter Finanzinformationen des Unternehmens (Country-by-Country-Reporting) in deutsches Recht umgesetzt. CRR-In-

___________ 48) Botterweck/Hanenberg/Kramer/Petersen in: Hofmann, Basel III, Risikomanagement und neue Bankenaufsicht, Abschn. 2.1, S. 537, 540. 49) BCBS, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und der Eigenkapitalanforderungen – Überarbeitete Rahmenvereinbarung, v. 6/2004. 50) BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, v. 12/2010 (rev. 6/2011); BCBS, Basel III: Mindestliquiditätsquote und Instrumente zur Überwachung des Liquiditätsrisikos, v. 1/2013; BCBS, Basel III: the net stable funding ratio, v. 10/2014. 51) Botterweck/Hanenberg/Kramer/Petersen in: Hofmann, Basel III, Risikomanagement und neue Bankenaufsicht, Abschn. 2.1, S. 537, 540. 52) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Hillen, KWG/CRR-VO, Art. 431 CRR Rz. 1. 53) Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019.

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II. Laufende Aufsicht und Meldepflichten

stitute sind dazu verpflichtet, bestimmte Angaben54) von einem Anschlussprüfer nach Maßgabe des § 340k HGB prüfen zu lassen und gleichzeitig mit dem (Konzern-)Abschluss offenzulegen.55) Dabei liegt es grundsätzlich im Ermessen der Institute, in welchem Detaillierungsgrad sie die Angaben veröffentlichen. Das Ermessen soll jedoch nachvollziehbar ausgeübt und vom Jahresabschlussprüfer beurteilt werden.56) Seit dem 1.1.2015 sind die Informationen nach § 26a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 6 KWG einmal jährlich zu veröffentlichen (§ 64r Abs. 15 KWG). Nach § 26a Abs. 1 Satz 4 KWG haben die CRR-Institute in ihrem Jahresbericht zudem 42 ihre Kapitalrendite, berechnet als Quotient aus Nettogewinn und Bilanzsumme, offenzulegen. b)

Anlassbezogene Meldungen

Neben den periodischen Meldungen sehen CRR und KWG auch eine Reihe von Situationen 43 vor, in denen eine Ad hoc-Meldung der Institute nötig ist. Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich dabei aufgrund der bereits erwähnten Vielzahl von Meldepflichten auf eine Auswahl der wichtigsten Meldungen. Art. 54 Abs. 5 CRR schreibt eine unverzügliche Meldung an die zuständige Behörde vor, 44 wenn das harte Kernkapital unter einen bestimmten Wert – 5,125 % oder einen über 5,125 % liegenden Wert, der vom Institut festgelegt und in den für das Instrument geltenden Bestimmungen spezifiziert wurde – fällt (Auslöseereignis). Nichthandelsbuchinstitute müssen nach Art. 94 Abs. 3 CRR unverzüglich anzeigen, wenn 45 sie die Voraussetzungen der Ausnahme im Hinblick auf den Umfang der bilanz- und außerbilanzmäßigen Handelsbuchtätigkeit in Art. 94 CRR nicht mehr erfüllen.57) Auch i. R. des Großkreditregimes sieht die CRR verschiedene Ad hoc-Meldungen vor: 46 So ist in jedem Fall, in dem die Obergrenze für Großkredite überschritten worden ist, nach Art. 395 Abs. 5 Satz 2 CRR die Höhe der Überschreitung, der Name des betreffenden Kunden bzw. ggf. die Namen der betreffenden Gruppe verbundener Kunden sowie der Risikopositionswert (Art. 396 Abs. 1 CRR) der zuständigen Behörde unverzüglich anzuzeigen. Ebenso muss im Falle der Nichteinhaltung der Liquiditätsanforderungen unverzüglich 47 eine entsprechende Meldung sowie ein Plan für die rasche Wiedereinhaltung der Anforderungen nach Art. 414 Satz 1 CRR vorgelegt werden. Im KWG sind insbesondere in § 24 Abs. 1 KWG verschiedene unverzügliche Meldungen 48 vorgesehen, so z. B. die Absicht und der Vollzug, die Aufgabe oder Änderung der Geschäftsleiterbestellung und die Ermächtigung einer Person zur Einzelvertretung des Instituts in dessen gesamten Geschäftsbereich (Nr. 1) sowie ___________ x

54) Die Angaben umfassen die Firmenbezeichnung, die Art der Tätigkeiten und die geografische Lage der Niederlassungen, den Umsatz, die Anzahl der Lohn- und Gehaltsempfänger in Vollzeitäquivalenten, Gewinn oder Verlust vor Steuern, Steuern auf Gewinn oder Verlust sowie erhaltene öffentliche Beihilfen. 55) Vgl. DK Aufsichtsdialog, Fachgremium Säule 3: Auslegungsfragen zur länderspezifischen Berichterstattung nach § 26a Abs. 1 Satz 2 KWG, v. 16.12.2014; EBA, Single Rulebook Q&A, Question ID 2014_1250. 56) Vgl. DK Aufsichtsdialog, Fachgremium Säule 3: Auslegungsfragen zur länderspezifischen Berichterstattung nach § 26a Abs. 1 Satz 2 KWG, v. 16.12.2014; Single Rulebook Q&A, Question ID 2014_1250. 57) Ab dem 28.6.2021 (Inkrafttreten der entsprechenden Änderungen zur Handelsbuchausnahme durch die CRR II) wird sich die Anzeigepflicht in Art. 94 Abs. 6 CRR finden.

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

x

das Ausscheiden eines Geschäftsleiters bzw. die Entziehung der Befugnis zur Einzelvertretung des Instituts in dessen gesamten Geschäftsbereich (Nr. 2);

x

ein Verlust i. H. von 25 % des Eigenkapitals (Nr. 4),

x

die Verlegung der Niederlassung oder des Sitzes (Nr. 5) sowie

x

die Errichtung, Verlegung und Schließung einer Zweigstelle in einem Drittstaat (Nr. 6).

49 Des Weiteren sind i. R. eines Inhaberkontrollverfahrens nach § 2c KWG i. V. m. der Inhaberkontrollverordnung verschiedene unverzügliche Meldungen an die BaFin vorgesehen, so z. B. die Absicht des Erwerbs bedeutender Anteile an einem Institut oder der Erhöhung einer bedeutenden Beteiligung über 20, 30 oder 50 % sowie die Bestellung eines neuen gesetzlichen oder satzungsmäßigen Vertreters oder persönlich haftenden Gesellschafters beim Inhaber einer bedeutenden Beteiligung (siehe dazu § 4 [Steck]). 50 Weitere Anzeigepflichten bestehen u. a. in Bezug auf die Bestellung eines gemeinsamen Risiko- und Prüfungsausschusses durch das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan (§ 25d Abs. 10 Satz 2 KWG) sowie die Bestellung bzw. Entpflichtung eines Geldwäschebeauftragten (§ 25h Abs. 4 Satz 8 KWG) oder des Prüfers des Jahresabschlusses (§ 28 Abs. 1 Satz 1 KWG).58) 3.

Verhältnis EZB/BaFin/Bundesbank bei der laufenden Aufsicht

51 Die laufende Aufsicht über deutsche Kreditinstitute wird im Wesentlichen von drei Behörden vorgenommen, nämlich von der EZB, der BaFin und der Bundesbank. Die EZB ist zuständig für die direkte Aufsicht über bedeutende CRR-Kreditinstitute, wobei BaFin und Bundesbank insbesondere i. R. der gemeinsamen Aufsichtsteams an der Aufsicht beteiligt sind. Im Hinblick auf weniger bedeutende CRR-Kreditinstitute übt die EZB nur eine indirekte Aufsicht aus; diese unterliegen grundsätzlich der direkten Aufsicht von BaFin und Bundesbank. Kreditinstitute, die – insbesondere mangels einer Einlagenlizenz – keine CRR-Kreditinstitute sind, werden von der EZB weder direkt noch indirekt beaufsichtigt. Näheres zum Verhältnis von EZB und nationaler Aufsicht bei der Beaufsichtigung von bedeutenden und weniger bedeutenden Instituten ist in § 2 Rz. 80 ff. [Glos/Benzing] dargestellt. 52 Im Verhältnis von BaFin und Bundesbank werden die Zuständigkeiten, anders als im Verhältnis zur EZB, nicht nach der Größe bzw. Bedeutung der Kreditinstitute abgegrenzt. Vielmehr sieht insbesondere das KWG eine enge Zusammenarbeit von BaFin und Bundesbank vor. Daneben finden sich auch in weiteren Gesetzen, die die Aufsicht im Bereich des Finanzmarkts betreffen (insbesondere KAGB, ZAG, WpHG), Regelungen, die in vergleichbarer Weise die Zusammenarbeit zwischen BaFin und Bundesbank ausgestalten. Im Folgenden soll aber nur die Zusammenarbeit der BaFin und der Bundesbank nach dem KWG behandelt werden. 53 Zentrale Norm ist § 7 KWG.59) Dessen Absatz 1 Satz 1 bildet die Generalklausel und bestimmt, dass BaFin und Bundesbank nach Maßgabe des KWG zusammenarbeiten.60) Die ___________ 58) Das Gleiche gilt im Krisenfall gemäß § 46b Abs. 1 Satz 1 KWG; s. dazu ausf. § 17 Rz. 48 ff. [Binder]. 59) Konkretisiert wird die Aufgabenverteilung zwischen BaFin und Bundesbank nach § 7 KWG in der Aufsichtsrichtlinie v. 21.5.2013, Stand: 19.12.2016. Die Aufsichtsrichtlinie definiert bedeutende und weniger bedeutende Institute (Abschn. 1), trifft Regelungen über die Grundlagen der Zusammenarbeit von BaFin, Bundesbank und EZB (Abschn. 2), bestimmt Instrumente der Aufsicht zur Risikoerkennung (Abschn. 3), und enthält Bestimmungen zu Grundsatz- und Querschnittaufgaben (Abschn. 4) sowie zum Strategie und Risikoausschuss der BaFin und dem Gremium laufende Aufsicht (Abschn. 5). 60) Das BVerfG urteilte schon 1962, dass das Bundesaufsichtsamt die Kreditinstitute nicht ohne Mitwirkung der Bundesbank beaufsichtigen kann, vgl. BVerfG, Urt. v. 24.7.1962 – 2 BvF 4/61 u. a., NJW 1962, 1670.

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§ 13

II. Laufende Aufsicht und Meldepflichten

Zusammenarbeit ist hinsichtlich der laufenden Aufsicht durch die Bundesbank (§ 7 Abs. 1 Satz 2 – 4 und Abs. 2 KWG) und in Spezialvorschriften im KWG weiter ausdifferenziert: x

Absatz 1a erstreckt die Prinzipien der Zusammenarbeit auf den einheitlichen Aufsichtsmechanismus unter Leitung der EZB.

x

Absatz 2 stellt den zentralen Grundsatz auf, wonach die Bundesbank die Richtlinien der BaFin zu beachten hat und aufsichtsrechtliche Maßnahmen nur von der BaFin getroffen werden dürfen.

x

Absatz 3 regelt den Informationsaustausch zwischen BaFin und Bundesbank und verpflichtet diese zu gegenseitigem Beistand.

x

Absatz 4 gestattet beiden Stellen den Informationsaustausch personenbezogener Daten und den Datenabruf im automatisierten Verfahren.

x

Absatz 5 erlaubt die Einrichtung gemeinsamer Dateien.

Die Art und Weise der Zusammenarbeit ist weitgehend freigestellt, mit Ausnahme der 54 Vorgaben in Absatz 4 und 5. Die darin beschriebenen Vorgehensweisen sollen dem Datenschutz dienen,61) ohne jedoch den Informations- und Datenaustausch zwischen BaFin und Bundesbank zu erschweren. Darüber hinaus befreien Absatz 1 und Absätze 3 – 5 BaFin und Bundesbank im Verhältnis zueinander vom Amts- und Bankgeheimnis. Da jedoch § 9 KWG beide Institutionen zur Geheimhaltung verpflichtet, ist diese Durchbrechung der Geheimhaltungspflichten bei der Kommunikation zwischen beiden Stellen vertretbar. Während die Bankenaufsicht an sich als Aufgabe im Grundsatz der BaFin zugewiesen ist 55 (§ 6 Abs. 1, 1a KWG), ist für die laufende Überwachung grundsätzlich die Bundesbank zuständig (§ 7 Abs. 1 Satz 2 – 4 KWG). Die in Satz 3 (nicht abschließend) aufgezählten Aufgaben stellen die Kernaufgaben der laufenden Überwachung dar und umfassen insbesondere x

die Sachverhaltsaufklärung,

x

die Auswertung der eingehenden und zu erhebenden Informationen,

x

die darauf aufbauende Bewertung aktueller und potentieller Risiken sowie

x

die Bewertung von Prüfungsfeststellungen.62)

Die Ergebnisse und Bewertungen aus der laufenden Überwachung stellt die Bundesbank 56 der BaFin unverzüglich zur Verfügung, damit diese eine abschließende Beurteilung und Entscheidung über die Sachverhalte vornehmen kann (2.2.3 Abs. 2 der Aufsichtsrichtlinie)63). Da die BaFin, wie erwähnt, für alle hoheitlichen Maßnahmen gegenüber den Instituten ausschließlich zuständig ist (§ 7 Abs. 2 Satz 5 KWG) und ihr die abschließende Beurteilungs- und Entscheidungsbefugnis bei allen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen und Auslegungsfragen zukommt (2.2.2 Abs. 2 der Aufsichtsrichtlinie), muss sie auch befugt sein, die Tätigkeit der Institute im Vorfeld in qualitativer Hinsicht zu überwachen.64) Im Endeffekt bedeutet das, dass die BaFin von der laufenden Überwachungstätigkeit 57 nicht völlig ausgeschlossen wird, da das insbesondere mit § 6 KWG nicht vereinbar wäre. Die Bundesbank ist somit nicht ausschließlich für die laufende Überwachung der Institute nach dem KWG zuständig, sondern hat lediglich eine auf die Zusammenarbeit mit der ___________ 61) Begr. RegE Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, BT-Drucks. 14/7033, S. 40. 62) Begr. RegE Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, BT-Drucks. 14/7033, S. 39; BaFin/ Bundesbank, Aufsichtsrichtlinie, v. 21.5.2013, Stand: 19.12.2016, Abschn. 2.2.3 Abs. 1. 63) BaFin/Bundesbank, Aufsichtsrichtlinie, v. 21.5.2013, Stand: 19.12.2016. 64) Beck/Samm/Kokemoor-Schmieszek, KWG, § 7 Rz. 19.

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

BaFin beschränkte Zuständigkeit inne.65) Dafür spricht auch, dass die Bundesbank nach § 7 Abs. 2 Satz 1 KWG die Richtlinien der BaFin zur laufenden Aufsicht zu beachten hat, was bedeutet, dass sie rechtlich an die Vorgaben der Aufsichtsrichtlinien gebunden ist und von diesen folglich nicht abweichen darf. Diese Aufsichtsrichtlinien müssen jedoch im Einvernehmen mit der Bundesbank ergehen, d. h. die Bundesbank muss den Entwürfen der BaFin zustimmen (§ 7 Abs. 2 Satz 2 KWG). Faktisch bedeutet das, dass BaFin und Bundesbank i. R. ihrer Kooperation bei der Aufsicht gemeinsam an einer konsensfähigen Lösung arbeiten.66) 58 Nach § 7 Abs. 2 Satz 5, 6 KWG legt die BaFin ihren aufsichtsrechtlichen Maßnahmen in der Regel die Prüfungsfeststellungen und Bewertungen der Bundesbank zugrunde, ist jedoch alleine für den Erlass der Maßnahmen zuständig und somit ggf. verpflichtet, eigene Ermittlungen durchzuführen. Im Rahmen von Verwaltungsvereinbarungen zwischen Bundesbank und BaFin wird versucht, Doppelarbeit zu vermeiden und so die Verwaltungseffizienz zu optimieren. 59 Des Weiteren sind BaFin und Bundesbank grundsätzlich und von Amts wegen verpflichtet, sich untereinander alle Beobachtungen und Feststellungen mitzuteilen, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind (§ 7 Abs. 3 Satz 1 KWG). Dabei betrifft diese Pflicht auch Mitteilungen über Tatsachen und Rechtsverhältnisse, die außerhalb des KWG liegende Aufgaben der BaFin und der Bundesbank betreffen.67) Ob eine Beobachtung oder Feststellung erforderlich ist, muss nicht festgestellt werden. Vielmehr reicht es aus, wenn die jeweilige Stelle von der Notwendigkeit nach eigener Erfahrung und Einschätzung überzeugt ist.68) Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 KWG muss die Bundesbank der BaFin zudem die Angaben zur Verfügung stellen, die sie i. R. von statistischen Erhebungen nach § 18 BBankG erlangt hat. Damit sind sowohl die Statistikergebnisse, als auch Einzelangaben gemeint, soweit die Weitergabe von solchen an die BaFin bereits in der durch die Bundesbank erlassenen Anordnung über die jeweilige statistische Erhebung vorgesehen war.69) Insgesamt überwiegt somit deutlich der Informationsfluss von der Bundesbank zur BaFin. 4.

Die Rolle der Jahresabschlussprüfung

60 Eine wesentliche Rolle i. R. der laufenden Aufsicht in Deutschland spielt auch die Jahresabschlussprüfung. Die Grundlagen hierfür finden sich in den §§ 26, 28 – 30 KWG. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 KWG sind Institute verpflichtet, nach den handelsrechtlichen Regelungen des § 340a Abs. 1 i. V. m. § 264 HGB einen Jahresabschluss und einen Lagebericht aufzustellen und später festzustellen sowie diese jeweils bei der BaFin und der Bundesbank unverzüglich einzureichen. Nach § 53 Abs. 2 Nr. 2, 3 KWG gilt das entsprechend für Zweigstellen von Unternehmen mit Sitz in einem anderen Staat, die im Inland Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen, sofern es sich nicht um Unternehmen handelt, die den europäischen Pass nutzen (§ 53b KWG). Auf den Jahresabschluss finden unabhängig von der tatsächlichen Größe und der Rechtsform des Instituts ___________ 65) 66) 67) 68)

Schwennicke/Auerbach-Habetha, KWG, § 7 Rz. 11. Beck/Samm/Kokemoor-Schmieszek, KWG, § 7 Rz. 23. Schwennicke/Auerbach-Habetha, KWG, § 7 Rz. 23. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 7 KWG Rz. 8, mit Verweis auf Begr. zum RegE zur Sechsten KWG-Novelle, BT-Drucks. 13/7142 zu Nr. 10, wonach die Änderung des Wortlauts von „von Bedeutung sein können“ in „erforderlich sind“ an der bisherigen Zusammenarbeit zwischen den Stellen nichts ändern sollte. 69) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 7 KWG Rz. 58.

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II. Laufende Aufsicht und Meldepflichten

die Vorschriften des HGB für große Kapitalgesellschaften Anwendung (d. h. §§ 264 ff. HGB). Sind die Voraussetzungen des § 290 HGB (Mutterunternehmen mit Sitz im Inland übt 61 auf ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss aus) erfüllt, hat das Mutterunternehmen zudem nach den Regelungen des § 340i HGB i. V. m. §§ 290 HGB einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht innerhalb der ersten fünf Monate nach Abschluss des Konzerngeschäftsjahres aufzustellen und bei der BaFin sowie der Bundesbank einzureichen (§ 26 Abs. 3 Satz 1 KWG). Der aufgestellte Jahresabschluss bzw. Konzernabschluss und der (Konzern-)Lagebericht 62 müssen nach § 340k Abs. 1 Satz 1, 2 HGB unabhängig von der Größe und Rechtsform des Instituts spätestens vor Ablauf des fünften Monats des dem Abschlussstichtag folgenden Geschäftsjahres durch einen Abschlussprüfer geprüft werden. Einen Jahresabschluss hat der Prüfer zudem mit einem Bestätigungs- oder Versagungsvermerk versehen (§ 340k Abs. 1 Satz 2 HGB). Der jeweilige Prüfungsbericht ist nach Beendigung der Prüfung unverzüglich durch den Abschlussprüfer in einfacher Ausführung bei der BaFin und der Bundesbank einzureichen (§ 1 Abs. 1 AnzV i. V. m. § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Satz 3 KWG). Kreditinstitute, die einem genossenschaftlichen Prüfungsverband angehören oder durch die Prüfstelle eines Sparkassen- und Giroverbandes geprüft werden, werden im Grundsatz auch von diesen Regelung erfasst, haben die Prüfungsberichte jedoch nur auf Aufforderung der BaFin einzureichen (§ 26 Abs. 1 Satz 4, Abs. 3 Satz 4 KWG). Zudem kann das Institut nach § 26 Abs. 4 KWG freiwillig einen Einzelabschluss nach 63 IFRS vorlegen. Ein solcher befreit aber insbesondere nicht von der Pflicht einen Jahresabschluss aufzustellen. Die gemäß § 26 KWG einzureichenden Unterlagen sind ein wichtiger Teil der Instru- 64 mente der Bankenaufsicht, um sich einen Einblick in die Vermögens-, Finanz-, Ertragsund Risikolage der beaufsichtigten Institute zu verschaffen und etwaigen Fehlentwicklungen durch das Ergreifen geeigneter Gegenmaßnahmen entgegenzuwirken.70) Da der Einzel- bzw. Konzernabschluss ergänzt um den Lagebericht bzw. Konzernlagebericht durch einen unabhängigen und ggf. haftenden Dritten geprüft werden muss, sind diese Unterlagen von besonderer Qualität für die Aufsicht.71) Insbesondere der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers vermittelt einen vertieften Einblick in die Lage des Unternehmens und die Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen und ist somit eine wesentliche Erkenntnisquelle der Aufsicht.72) Entscheidend für die Rolle des Abschlussprüfers, dessen Bestellung nach § 28 KWG der 65 BaFin73) anzuzeigen ist, sind die Pflichten des § 29 KWG. Da die Bankenaufsicht sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu einem erheblichen Teil auf die Ergebnisse der Prüfung des Jahresabschlusses der Institute samt den bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnissen und Erfahrungen des Prüfers stützt, werden dem Abschlussprüfer in § 29 Abs. 1 – 2 KWG zusätzliche Prüfungs- und Berichtspflichten auferlegt, die über die gesetzliche ___________ 70) Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Klotzbach, KWG, § 26 Rz. 3. 71) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 26 KWG Rz. 4. 72) Kleinschmidt, Prüfungsverordnung: Neue Regeln für die Prüfung der Jahresabschlüsse von Kreditund Finanzdienstleistungsinstituten, S. 1. 73) Auch hier steht die EZB entgegen dem Wortlaut des § 28 KWG auf dem Standpunkt, dass sie bei bedeutenden Instituten hierfür die zuständige Behörde ist, vgl. ECB, Additional clarification regarding the ECB’s competence to exercise supervisory powers granted under national law, Schreiben an bedeutende Institute v. 31.3.2017 (SSM/2017/0140), Annex II, Fiche VI; s. a. die entsprechenden Ausführungen zu § 15 KWG unter Rz. 7 ff.

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Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

Pflichtprüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts nach dem HGB (§§ 316 ff. HGB) hinausgehen und bankaufsichtlichen Zwecken dienen.74) 66 Auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 29 Abs. 4 KWG hat die BaFin zudem die Prüfungsberichtsverordnung75) erlassen. Diese erweitert ebenfalls deutlich den Prüfungsumfang und die Berichterstattung für die dem KWG unterliegenden Institute.76) Der Prüfungsbericht enthält nicht nur die Buchführung und den Jahresabschluss bzw. Konzernabschluss entsprechend den handelsrechtlichen Anforderungen, sondern darüber hinaus auch eine Aussage über die wirtschaftliche Lage des Instituts sowie ein Urteil über seine Risikotragfähigkeit, die Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsorganisation einschließlich der Einrichtung eines angemessenen Risikomanagements sowie über die Einhaltung der weiteren aufsichtlichen Bestimmungen nach Maßgabe des § 29 KWG i. V. m. der PrüfbV.77) 67 Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 KWG hat der Prüfer zunächst die wirtschaftlichen Verhältnisse des Instituts zu prüfen. Außerdem ist er verpflichtet, in seine Prüfung auch die Erfüllung der in § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG vorgeschriebenen Meldungen und Anzeigen sowie der weiteren Anforderungen nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG einzubeziehen.78) 68 § 29 Abs. 2 Satz 1 KWG erweitert den Umfang der Prüfungspflichten dahingehend, dass der Abschlussprüfer zudem verpflichtet ist zu überprüfen, ob das Institut die Bestimmungen zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Betrug der §§ 24c und 25h – 25n KWG, des GwGs und der GeldtransferVO einhält. Insbesondere muss überprüft werden, ob das Institut angemessene interne Sicherungsmaßnahmen getroffen hat, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorzubeugen. Die Anforderungen an die Prüfung werden in §§ 27 ff. PrüfbV konkretisiert. 69 Ergänzend zu § 321 Abs. 1 HGB, der den Abschlussprüfer dazu verpflichtet, Vorstand und Aufsichtsrat des zu überprüfenden Instituts zu informieren, sobald ihm bestandsgefährdende Tatsachen bekannt werden, verpflichtet § 29 Abs. 3 KWG den Prüfer der BaFin und der Bundesbank schwerwiegende Prüfungsfeststellungen ebenso wie eine Bestandsgefährdung unverzüglich mitzuteilen (sog. Redepflicht). Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass BaFin und Bundesbank umgehend über Unregelmäßigkeiten informiert werden um ggf. eingreifen zu können.79) Die Anzeige hat gemäß § 1 AnzV schriftlich in einfacher Ausfertigung an die BaFin und die Bundesbank zu erfolgen. Auf Anfrage der BaFin oder der Bundesbank hat der Prüfer gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 KWG zudem den Aufsichtsbehörden den Prüfungsbericht zu erläutern und die Tatsachen mitzuteilen, die gegen eine ordnungsgemäße Geschäftsführung sprechen. Der Prüfer ist insoweit von seiner Verschwiegenheitspflicht nach § 323 HGB befreit.

___________ 74) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Winter, KWG/CRR-VO, § 29 KWG Rz. 1. 75) BaFin, Verordnung über die Prüfung der Jahresabschlüsse der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute sowie über die darüber zu erstellenden Berichte (Prüfungsberichtsverordnung – PrüfbV), v. 11.6.2015. 76) Eine Zusammenfassung der Regelungen der 2015 neugefassten PrüfbV findet sich bei Kleinschmidt, Prüfungsverordnung: Neue Regeln für die Prüfung der Jahresabschlüsse von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten. 77) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Wolfgarten, KWG/CRR-VO, § 26 KWG Rz. 5. 78) Für genaue Aufzählungen der Anzeigepflichten des KWG i. V. m. der LiqV, der GroMiKV, der AnzV und der CRR i. V. m. der Melde-VO sowie der weiteren Anforderungen s. Schwennicke/AuerbachAuerbach/Klotzbach, KWG, § 29 Rz. 15, 17. 79) Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Klotzbach, KWG, § 29 Rz. 57.

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III. Aufsichtlicher Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP)

§ 13

Auf europäischer Ebene ist die Rolle des Jahresabschlussprüfers i. R. der Aufsicht nicht 70 derart detailliert geregelt; auch die relativ neuen Vorschriften zur Abschlussprüfung,80) die in Deutschland mit dem Abschlussprüfungsreformgesetz81) umgesetzt wurden, ändern daran im Grundsatz nichts. III.

Aufsichtlicher Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP)

Der aufsichtliche Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evalu- 71 ation Process – SREP) ist von den zahlreichen regulatorischen Entwicklungen des letzten Jahrzehnts sicherlich eine der bedeutendsten. Als Hauptbestandteil der Säule 2 des DreiSäulen-Modells von Basel II bzw. Basel III ergänzt er die quantitativen Anforderungen, die in Säule 1 für bestimmte Risikoarten aufgestellt und von den Instituten einzuhalten sind, durch qualitative Vorgaben, die sich an die Aufsicht wenden.82) Die Ergebnisse des SREP bilden die zentrale Grundlage für die jährliche institutsspezifische operative Aufsichtsplanung sowie für die Festlegung von aufsichtlichen Maßnahmen.83) Im Unterschied zu vielen anderen regulatorischen Entwicklungen wurde der SREP dabei 72 im Ausgangspunkt nur sehr rudimentär von einer gesetzgeberischen Neuerung geprägt. Die materielle gemeinschaftsrechtliche Grundlage des SREP, nämlich Art. 97 CRD IV, war in ihren wesentlichen Teilen bereits in Art. 124 der Vorgängerrichtlinie 2006/48/EU enthalten. Wirklich neu war i. R. der CRD IV insoweit nur Art. 107 Abs. 3 CRD. Dieser schuf i. V. m. Art. 16 Abs. 3 der VO (EU) Nr. 1093/201084) die Rechtsgrundlage für den Erlass von SREP-Leitlinien durch die EBA. Diese Rechtsgrundlage hat die EBA vergleichsweise rasch genutzt und Ende 2014 die ent- 73 sprechenden Leitlinien85) erlassen (siehe nachfolgend unter Rz. 74 ff.), die sie 2018 überarbeitet hat.86) Prominent zur Anwendung gebracht wurden die SREP-Leitlinien dann von der EZB, die kurz vor der Veröffentlichung der finalen SREP-Leitlinien die Aufsicht über die bedeutenden CRR-Kreditinstitute in der Eurozone übernommen hatte (siehe nachfolgend unter Rz. 96 ff.). Für die weniger bedeutenden CRR-Kreditinstitute ist der SREP von der BaFin und der Bundesbank in Zusammenarbeit durchzuführen (siehe nachfolgend unter Rz. 112 ff.). 1.

SREP-Leitlinien der EBA

Die SREP-Leitlinien der EBA richten sich an alle zuständigen Aufsichtsbehörden in der 74 EU, insbesondere die EZB und die nationalen Aufsichtsbehörden. Als Umsetzung des Art. 107 Abs. 3 CRD stellen sie die Definition von Vorgaben für die Aufsichtsbehörden der jeweiligen EU-Länder für gemeinsame Verfahren und Methoden für die aufsichtliche ___________ 80) Richtlinie 2014/56/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014, ABl. (EU) L 158/196 v. 27.5.2014, und Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014, ABl. (EU) L 158/77 v. 27.5.2014. 81) Gesetz zur Umsetzung der prüfungsbezogenen Regelungen der Richtlinie 2014/56/EU sowie zur Ausführung der entsprechenden Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 im Hinblick auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse – Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG), v. 10.5.2016, BGBl. I 2016, 1142. 82) Botterweck/Hanenberg/Kramer/Petersen in: Hofmann, Basel III, Risikomanagement und neue Bankenaufsicht, S. 537, 540. 83) Bundesbank, Monatsbericht 1/2016, S. 53, 60. 84) Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 – EBAVerordnung, ABl. (EU) L 331/1 v. 15.12.2010. 85) EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13). 86) EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03).

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

Überprüfung und Bewertung dar.87) Ziel der Leitlinien ist es, ein einheitliches europäisches Rahmenwerk zu schaffen, in dem insbesondere die Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess geregelt sind. Da die Leitlinien jedoch nur Empfehlungen darstellen und somit gerade nicht unmittelbar bindend sind, müssen die Aufsichtsbehörden im sog. Comply-or-Explain-Verfahren erklären, ob sie diese vollständig, teilweise oder gar nicht umsetzen wollen.88) Dem EBA-Compliance Table lässt sich entnehmen, dass die BaFin die Leitlinien umgesetzt hat.89) 75 Der Ansatz der EBA sieht vor, die Institute zunächst in vier verschiedene Kategorien zu unterteilen und anhand dieser die notwendige Aufsichtsintensität zu bestimmen (siehe nachfolgend Rz. 77 ff.). Darüber hinaus sind ein Monitoring von Schlüsselindikatoren (siehe nachfolgend Rz. 80 ff.), spezielle Analysen mit einzelnen Bewertungen, die zwischen 1 („kein erkennbares Risiko“) und 4 („hochgradiges Risiko“) liegen (sog. Scoring, siehe nachfolgend Rz. 90 f.), sowie eine SREP-Gesamtbewertung (siehe nachfolgend Rz. 92 ff.) vorgesehen. Im Anschluss stellt die EBA in den SREP-Leitlinien beispielhaft dar, welche Sanktionsmaßnahmen (Aufsichts- oder Frühinterventionsmaßnahmen) die zuständigen Behörden auf Grundlage der Bewertung der einzelnen SREP-Elemente sowie der SREPGesamtbewertung ergreifen können, falls ihnen dies erforderlich erscheint (siehe nachfolgend Rz. 94 f.). 76 Die SREP-Leitlinien wurden inzwischen bereits überarbeitet. Im Kern ließ die EBA dabei das bestehende SREP-Rahmenwerk weitgehend unberührt und nahm lediglich Anpassungen vor, um das Regelwerk zu stärken, auf jüngste regulatorische Entwicklungen zu reagieren und die Konvergenzbemühungen auf europäischer Ebene voranzutreiben. Die finalen Versionen der überarbeiteten SREP-Leitlinien (einschließlich der Vorgaben für aufsichtliche Stresstests)90), der IRRB-Leitlinien91) und der Leitlinien für die institutsinternen Stresstests92) veröffentlichte die EBA am 19.7.2018.93) a)

Kategorisierung der Institute94)

77 Nach den SREP-Leitlinien werden die Institute zunächst durch die jeweils zuständigen Behörden auf Grundlage ihrer Größe, Struktur und der internen Organisation sowie der Art, des Umfangs und der Komplexität ihrer Geschäfte in vier verschiedene Kategorien eingeteilt: x

Kategorie 1: Insbesondere global und andere systemrelevante Institute nach Art. 131 CRD.

x

Kategorie 2: Mittlere bis große Institute, die nicht in den Geltungsbereich der Kategorie 1 fallen, z. B. Institute, die grenzüberschreitend und in mehreren Geschäftsbereichen tätig sind, insbesondere spezialisierte Institute mit erheblichen Marktanteilen.

___________ 87) Blömer/Lindemann in: Reuse, Praktikerhdb. Risikotragfähigkeit, S. 81, 88 Rz. 286. 88) EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), S. 7; Botterweck/Hanenberg/Kramer/Petersen in: Hofmann, Basel III, Risikomanagement und neue Bankenaufsicht, Abschn. 2.2, S. 537, 544. 89) EBA Guidelines compliance table, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/04). 90) EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03). 91) EBA, Guidelines on the management of interest rate risk arising from non-trading book activities v. 19.7.2018, EBA/GL/2018/02. 92) EBA, Leitlinien zu den Stresstests der Institute v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/04). 93) EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03). 94) S. zum gesamten Abschnitt: EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), 2.1.1 Kategorisierung von Instituten, S. 13 ff. und 2.4. Verhältnismäßigkeit der Aufsichtsintensität, S. 20 ff., insb. Tabelle 1, S. 23 f.; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), S. 8.

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III. Aufsichtlicher Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP)

§ 13

x

Kategorie 3: Kleine bis mittlere Institute, die nicht unter die Kategorie 1 oder 2 fallen, sowie im Inland und nicht grenzüberschreitend tätig sind.

x

Kategorie 4: Alle anderen kleinen inländischen Institute ohne komplexe Strukturen.

Grundlage der Kategorisierung sind die aufsichtlichen Meldedaten und die Ergebnisse der 78 vorläufigen Geschäftsmodellanalyse (siehe nachfolgend Rz. 82 f.). Die Behörden sind dazu angehalten, die Kategorisierung regelmäßig oder anlassbezogen zu überprüfen. Ausschlaggebend für die Kategorisierung ist primär das systemische Risiko, das das Institut 79 für das Finanzsystem darstellt, also gerade nicht eine qualitative Bewertung des Instituts.95) Durch die Einteilung der Institute in verschiedene Kategorien wird das Verhältnismäßigkeitsprinzip berücksichtigt.96) Anhand der Kategorien werden der erforderliche Umfang, die Häufigkeit und die Intensität der Aufsichtstätigkeit hinsichtlich der Überwachung der Schlüsselindikatoren, der Bewertung der einzelnen SREP-Elemente und der Zusammenfassung der SREP-Gesamtbewertung bestimmt.97) Die Überwachung der Schlüsselindikatoren erfolgt für Institute aller Kategorien vierteljährlich. Die Bewertung aller SREPElemente sowie die Kommunikation der SREP-Gesamtbewertung an die Institute erfolgt dahingegen für Kategorie 1-Institute mindestens jährlich, für Kategorie 2-Institute alle zwei und für Kategorie 3- bzw. 4-Institute alle drei Jahre. Die SREP-Gesamtbewertung erfolgt wiederum einheitlich jährlich für Institute aller Gruppen. b)

Überwachung der Schlüsselindikatoren98)

Die zuständigen Behörden haben die Schlüsselindikatoren mindestens vierteljährlich 80 zu überwachen, um mögliche Veränderungen der finanziellen Bedingungen und Risikoprofile der Institute verfolgen zu können. Die zu berücksichtigenden (finanziellen und nichtfinanziellen) Schlüsselindikatoren sind dabei primär institutsspezifisch zu ermitteln; ergänzend sind auch makroökonomische Indikatoren zu berücksichtigen. Zu den institutsspezifischen Indikatoren gehören u. a. alle Quoten, die sich aus der An- 81 wendung der CRR und nach nationalem Recht aus der Umsetzung der CRD IV für die Berechnung der aufsichtlichen Kapital- und Liquiditätsanforderungen ergeben (wie etwa die Harte Kernkapitalquote – CET1, die Mindestanforderungen in Bezug auf Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten – MREL, die LCR und die NSFR). Auch marktbasierte Indikatoren (z. B. Aktienkurs, Credit-Default-Swap [CDS]-Spreads und Anleihespreads etc.) und die im Sanierungsplan des jeweiligen Instituts verwendeten Indikatoren zählen zu den institutsspezifischen Indikatoren. Für den Fall, dass Unregelmäßigkeiten bei den Indikatoren oder wesentliche Veränderungen im Risikoprofil des Instituts auftreten, haben die zuständigen Behörden die Ursachen zu untersuchen und zu ermitteln, ob die Bewertung des betreffenden SREP-Elements aufgrund neuer wichtiger Informationen außerplanmäßig aktualisiert werden muss. Dazu richten die zuständigen Behörden Überwachungssysteme und -muster ein, um derartige Unregelmäßigkeiten und wesentliche Veränderungen ermitteln zu können. Wo nötig, werden entsprechende Schwellenwerte festgelegt. Außerdem werden Eskalationsverfahren für alle zu überwachenden maßgeblichen Indikatoren eingerichtet, um zu gewährleisten, dass Unregelmäßigkeiten und wesentliche Veränderungen unverzüglich untersucht werden können. Die Ergebnisse der ___________ 95) Blömer/Lindemann in: Reuse, Praktikerhdb. Risikotragfähigkeit, S. 81, 88 Rz. 288. 96) Blömer/Lindemann in: Reuse, Praktikerhdb. Risikotragfähigkeit, S. 81, 86 Rz. 283. 97) EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), 2.4 Verhältnismäßigkeit der Aufsichtsintensität, S. 20. 98) S. zum gesamten Abschn. EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), Titel 3, S. 25 ff.

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

Überwachung der Schlüsselindikatoren werden darüber hinaus für die Risikobewertung und die Definition der Peergruppen verwendet.99) aa)

Geschäftsmodellanalyse100)

82 Die Analyse des Geschäftsmodells dient der Bewertung der Risiken, die sich aus dem Geschäft und der Strategie eines Instituts ergeben. Sie soll dabei helfen i. R. einer Aufarbeitung der gesamten geschäftlichen Ausrichtung der Bank insbesondere die individuellen Risiken des jeweiligen Instituts zu identifizieren, die bereits materiell sind oder dies noch werden können.101) Die Aufsichtsbehörden sollen zum einen die Tragfähigkeit des aktuellen Geschäftsmodells (d. h. die Fähigkeit über die nächsten zwölf Monate eine akzeptable Rendite zu erzielen) und die Nachhaltigkeit der Strategie (d. h. die Fähigkeit eine akzeptable Rendite in den nächsten drei Jahren zu erzielen) des Instituts bewerten. Bei der Durchführung der Analyse sollen insbesondere quantitative und qualitative Anforderungen, wie die strategischen Pläne des Instituts mit Prognosen, die Rechnungslegung, das aufsichtsrechtliche Meldewesen, das interne Berichtswesen, Sanierungs- und Abwicklungspläne, Berichte Dritter oder sonstige relevante Studien und Untersuchungen, herangezogen werden. Die Geschäftsmodellanalyse umfasst in erster Linie folgende Schritte: x

Ermittlung der Schwerpunktbereiche (z. B. Haupttätigkeiten),

x

Bewertung des Geschäftsumfelds sowie

x

eine quantitative und eine qualitative Analyse des aktuellen Geschäftsmodells.102)

83 Die quantitative Analyse umfasst u. a. eine Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), die Bilanz und den Risikoappetit des Instituts, einschließlich der jeweils vermuteten zukünftigen Entwicklung. Die qualitative Analyse zielt dahingegen darauf ab, die Erfolgstreiber des Instituts und die wichtigsten Abhängigkeiten zu bestimmen. bb)

Bewertung der internen Governance und der institutsweiten Kontrollen103)

84 Im Rahmen der Bewertung der internen Governance und der institutsweiten Kontrollen bewerten die zuständigen Behörden, ob die Regelungen zur internen Governance im Hinblick auf das Risikoprofil, das Geschäftsmodell, die Art und die Komplexität des Instituts angemessen sind und im rechten Verhältnis zu diesen stehen. Dabei handelt es sich notwendigerweise um eine qualitative Bewertung.104) Die zuständigen Behörden evaluieren, ob die internen Kontrollen und die Governance sich im Einklang mit den geltenden EUAnforderungen befinden. Darüber hinaus sollen die zuständigen Behörden insbesondere bewerten, ob die Regelungen zur internen Governance ein solides Risikomanagement sicherstellen und angemessene interne Kontrollen umfassen. In die Bewertung werden insbesondere das umfassende Rahmenwerk für die interne Governance, die Zusammensetzung, Organisation und Funktion des Leitungsorgans sowie, sofern vorhanden, seiner Ausschüsse, Unternehmens- und Risikokultur, Vergütungspolitik und -praxis, der interne Kontrollrahmen, der eine klare Organisationsstruktur und ein gut funktionierendes, unabhängiges, internes Risikomanagement sowie eine Compliance-Funktion und eine Interne Revi___________ 99) Schuster/Pitz, ZBB 2016, 342, 344. 100) S. zum gesamten Abschn. EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), Titel 4, S. 27 ff. 101) Botterweck/Hanenberg/Kramer/Petersen in: Hofmann, Basel III, Risikomanagement und neue Bankenaufsicht, Abschn. 3.2, S. 537, 553. 102) EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), S. 27 f.; Meissner, JIBLR 2016, 331, 334. 103) S. zum gesamten Abschn.: EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), Titel 5, S. 39 ff.; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), S. 10 ff. 104) Schuster/Pitz, ZBB 2016, 342, 345.

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III. Aufsichtlicher Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP)

§ 13

sion umfassen sollte, das Rahmenwerk für das Risikomanagement, einschließlich Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP und Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP105) und Verfahren zur Genehmigung neuer Produkte (NeuProdukt-Prozess, NPP), administrative Verfahren und Verfahren der Rechnungslegung, Outsourcing-Regelungen, Informationssysteme und Betriebskontinuität sowie die Stimmigkeit und Zuverlässigkeit der Sanierungsplanung einbezogen. cc)

Bewertung der Kapitalrisiken106)

Im Rahmen der Bewertung der Kapitalrisiken sollen diejenigen Kapitalrisiken bewertet 85 und eingestuft werden, die als wesentlich für das Institut identifiziert wurden. Umfasst werden insbesondere das Kredit- und Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, operationelle Risiken und das Zinsänderungsrisiko bei Geschäften des Anlagebuchs (ZÄR). Ob ein Risiko als wesentlich für ein Institut einzustufen ist, liegt im Ermessen der zuständigen Behörden. Die Bewertung der Kapitalrisiken besteht aus zwei Hauptelementen: Zunächst werden die inhärenten Kapitalrisiken bewertet, danach bewerten die zuständigen Behörden für alle wesentlichen Risiken zudem die Qualität und Effektivität des Risikomanagements und der Risikokontrollen des Instituts. Zudem wurde auch das immer wichtiger werdende Thema des IT-Risikomanagements in 86 der Regulatorik und Aufsicht in den SREP integriert. Bereits im Mai 2017 wurden die SREP-Regelungen durch neue EBA-Leitlinien um den Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)-Risiken erweitert, welche von den nationalen Aufsichtsbehörden bis zum 1.1.2018 umzusetzen waren.107) Das IKT-Risiko wird in Anlehnung an die im SREP berücksichtigten operationellen Risiken als Kapitalrisiko klassifiziert.108) Am 28.11.2019 hat die EBA zudem die finalen Leitlinien zum IKT- und Sicherheitsrisikomanagement veröffentlicht, welche u. a. die genannten Leitlinien für die IKT-Risikobewertung i. R. des SREP ergänzen und in Verbindung mit diesen gelesen werden sollten.109) dd)

Bewertung der Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken110)

Die zuständigen Behörden bewerten zudem die Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken, die 87 als wesentlich für das Institut identifiziert wurden. Die Bewertungsmethodik der SREPLeitlinien umfasst dabei drei Hauptkomponenten. Bewertet werden x das inhärente Liquiditätsrisiko, ___________ 105) Im Februar 2017 gab die EZB das mehrjährige Projekt mit dem Namen „SSM-Leitfäden zum ICAAP und zum ILAAP“ bekannt, mit dem Ziel den bestehenden SREP im Hinblick auf die Themengebiete ICAAP und ILAAP zu überarbeiten und dazu umfassende SSM-Leitfäden für bedeutende Institute zu entwickeln. EZB, Schreiben v. Danièle Nouy, Mehrjahresplan für die SSM-Leitfäden zum ICAAP und zum ILAAP, v. 20.2.2017. Am 9.11.2018 veröffentlichte die EZB die Endfassung der Leitfäden für Banken zur Kapital- und Liquiditätssteuerung: EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), v. 9.11.2018; EZB, Leitfaden für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Liquiditätsausstattung (Internal Liquidity Adequacy Assessment Process – ILAAP), v. 9.11.2018. 106) S. zum gesamten Abschn.: EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), Titel 6, S. 56 ff.; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), S. 34 ff. 107) EBA, Leitlinien für die IKT-Risikobewertung im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP), v. 11.9.2017 (EBA/GL/2017/05), S. 5. 108) EBA, Leitlinien für die IKT-Risikobewertung im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP), v. 11.9.2017 (EBA/GL/2017/05), S. 7, Rz. 16. 109) EBA, Final Report, Guidelines on ICT and security risk management, v. 28.11.2019 (EBA/GL/2019/ 04), S. 5. Vgl. hierzu in Deutschland das BaFin, Rundschreiben 10/2017, Bankaufsichtliche Anforderungen an die IT (BAIT), v. 6.11.2017, Stand: 14.9.2018, s. hierzu näher § 11 Rz. 106 ff. [Benzler/Krieger]. 110) S. zum gesamten Abschnitt: EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), Titel 8, S. 141 ff. EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), S. 66 ff.

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

x

das inhärente Finanzierungsrisiko sowie

x

das Risikomanagement in Bezug auf Liquiditäts- und Finanzierungsrisiken.

88 Im Rahmen der Bewertung der Liquiditätsrisiken111) identifizieren die Aufsichtsbehörden zunächst den kurz- und mittelfristigen Liquiditätsbedarf der Bank, indem sie die Liquidität berechnen, die über drei verschiedene Zeiträume verfügbar ist, und untersuchen, ob die LCR angemessen ist. Daraufhin wird eine Bewertung des Liquiditätspuffers und des Liquiditätsdeckungspotenzials vorgenommen, gefolgt von Liquiditätsstresstests, um den ermittelten Liquiditätsbedarf und die Liquiditätspuffer zu bestätigen. 89 Die Bewertung des Finanzierungsrisikos umfasst die Bewertung des Finanzierungsprofils des Instituts sowie dessen Stabilität.112) Darüber hinaus werden der tatsächliche Marktzugang sowie die aktuellen und zukünftigen Bedrohungen bzgl. dieses Marktzugangs ermittelt. Darüber hinaus sollen die Behörden die aufgrund des Finanzierungsplans des Instituts zu erwartende Veränderung der Finanzierungsrisiken bewerten. c)

Verwendetes Scoring-Modell i. R. des SREP113)

90 Im Rahmen der Bewertung eines beaufsichtigten Kreditinstituts vergibt die zuständige Aufsichtsbehörde für jedes der vier SREP-Kernelemente sowie für die Angemessenheit der Eigenkapital- und der Liquiditätsausstattung114) individuell einen Scorewert. Die Bewertungsskala reicht von 1 (kein erkennbares Risiko), über 2 (niedriges Risiko) und 3 (mittleres Risiko) bis 4 (hohes Risiko). Wenn ein Institut ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt i. S. des Art. 32 BRRD115), sollen die zuständigen Behörden zudem den Scorewert „F“ vergeben. 91 Am Ende eines jeden Titels der SREP-Leitlinien erläutert die EBA zusammengefasst in einer Tabelle, welche aufsichtlichen Erwägungen für die Vergabe eines bestimmten Scorewerts sprechen. Die Vergabe der Scorewerte erfolgt aber nicht rein automatisch auf der Grundlage eines mathematischen Prozesses, sondern vielmehr aufgrund des Zusammenspiels einer automatisierten quantitativen Bewertung und einer aufsichtlichen Beurteilung.116) d)

SREP-Gesamtbewertung117)

92 Für die Ermittlung der SREP-Gesamtbewertung sollen die Behörden die Bewertungen der einzelnen SREP-Elemente, insbesondere der vier Kernelemente, berücksichtigen und auf Grundlage dieser Erwägungen die Überlebensfähigkeit des Instituts bestimmen. In diesem Zusammenhang müssen die Behörden auch feststellen, wie weit das Institut von dem Punkt entfernt ist, ab dem es nicht mehr überlebensfähig ist. Auf dieser Grundlage ergrei___________ 111) EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), 8.2 Bewertung des Liquiditätsrisikos, S. 143 ff. 112) EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), 8.3 Bewertung des inhärenten Finanzierungsrisikos, S. 148 ff. 113) EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), 2.2 Im Rahmen des SREP verwendetes Scoring-Modell, S. 17 ff.; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), S. 5 ff. 114) EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), Titel 7 und 9, S. 124 ff. bzw. S. 167 ff.; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), S. 54 ff. bzw. 69 ff. 115) Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014. 116) Die EZB spricht in diesem Zusammenhang von eingeschränktem Ermessen vgl. EZB, Broschüre zur SREP-Methodik des SSM, Ausgabe 2018, S. 16. 117) S. zum gesamten Abschnitt: EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), Titel 10, S. 180 ff.; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), S. 71 ff.

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III. Aufsichtlicher Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP)

§ 13

fen die zuständigen Behörden dann die Aufsichtsmaßnahmen, die zur Eindämmung der Probleme notwendig sind. Zudem bestimmen sie die künftigen Aufsichtsressourcen und die künftige Aufsichtsplanung für das Institut und entscheiden, ob das Institut in das aufsichtliche Prüfungsprogramm aufzunehmen ist. Durch die Bewertung der Gesamtlebensfähigkeit bestimmen sie darüber hinaus, ob das Ergreifen von Frühinterventionsmaßnahmen nach Art. 27 der BRRD notwendig ist oder ob das Institut als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend i. S. von Art. 32 der BRRD erachtet werden kann.118) Auch für die SREP-Gesamtbewertung wird ein Scorewert vergeben. Obwohl dieser auf 93 den Ergebnissen der Bewertung der vier SREP-Kernelemente basiert, ist der Scorewert für die SREP-Gesamtbewertung nicht notwendigerweise deren Durchschnittswert. Vielmehr hat die zuständige Aufsichtsbehörde ein Ermessen hinsichtlich möglicher Anpassungen bei der Bestimmung des Endwertes. Der Scorewert für die SREP-Gesamtbewertung dient insbesondere dazu, eine Angabe über die Gesamtlebensfähigkeit des Instituts und über die Wahrscheinlichkeit, dass Frühinterventionsmaßnahmen ergriffen werden müssen, zu machen und fungiert als deren Auslöser. e)

Aufsichtliche Maßnahmen119)

Falls die Überprüfung i. R. des SREP ergibt, dass die Regelungen, Strategien, Prozesse 94 und Mechanismen, die vom Institut implementiert wurden, oder die Eigenmittel oder Liquidität, die von diesem gehalten werden, eine ordnungsgemäße Verwaltung und die Deckung der Risiken nicht sicherstellen können, kann die zuständige Aufsichtsbehörde gegenüber dem Institut verschiedene Maßnahmen ergreifen. Dazu gehören gemäß Artt. 104 und 105 der CRD IV u. a. quantitative Kapital- oder Liquiditätsmaßnahmen, Maßnahmen nach nationalem Recht und, wenn nötig, Frühinterventionsmaßnahmen nach Art. 27 BRRD oder auch eine Kombination dieser Maßnahmen. Für Institute, die von der EZB direkt beaufsichtigt werden, sieht Art. 16 Abs. 2 der SSM-VO weitreichende Maßnahmen vor, die die EZB ergreifen kann. Bei der Auswahl der Aufsichtsmaßnahmen hat die zuständige Behörde verschiedene 95 Aspekte, wie die Wesentlichkeit der Mängel bzw. Anfälligkeiten und die potenziellen aufsichtlichen Auswirkungen, falls der Mangel/die Anfälligkeit nicht behoben wird, zu berücksichtigen. Darüber hinaus muss die Maßnahme erforderlich und angemessen sein. Wenn aus den Ergebnissen hervorgeht, dass sofort Aufsichtsmaßnahmen ergriffen werden müssen, um wesentlichen Mängeln entgegenzuwirken, können die zuständigen Behörden auch Aufsichtsmaßnahmen ergreifen, die direkt mit den Ergebnissen der Aufsichtstätigkeit in Verbindung stehen. 2.

Anwendung durch die EZB

a)

Überblick

Die EZB entwickelte in Zusammenarbeit mit den 19 nationalen Aufsichtsbehörden eine 96 SREP-Methodik im Einklang mit den SREP-Leitlinien der EBA, die zudem auf den von verschiedenen internationalen Gremien empfohlenen Best Practices basiert.120) Am 19.2.2016

___________ 118) Zu den Frühinterventionsmaßnahmen i. R. des SREP s. unten § 16 Rz. 33, 166 ff. [Struckmann/BauerWeiler]. 119) S. zum gesamten Abschn.: EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), 10.3 – 10.7, S. 184 ff. EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), S. 74 ff. 120) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtsstätigkeit 2015, v. 3/2016, S. 37.

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

veröffentlichte sie dann die Broschüre zur SREP-Methodik des SSM,121) in der sie erstmals ihre Herangehensweise an den SREP beschrieb. 97 Auch wenn die EZB sich bei der Entwicklung der SREP-Methodik des SSM grundsätzlich an den SREP-Leitlinien orientiert, weist diese doch einige Besonderheiten auf. Die Bewertung der vier SREP-Schlüsselindikatoren durch die EZB folgt einer einheitlichen Logik und vollzieht sich in drei Phasen: x

In der ersten Phase (Data Gathering) werden Informationen gesammelt und die Wesentlichkeit der Geschäftsbereiche verstanden;

x

in der zweiten Phase (Automated Score) wird anhand verschiedener finanzieller Indikatoren auf automatisierter Basis ein Anker-Scorewert ermittelt,

x

der in der dritten Phase (Risk Level Assessment) mit Berücksichtigung der Besonderheiten und der Komplexität des Instituts angepasst wird.122)

98 Im Rahmen der dritten Phase können so Experteneinschätzungen nach Maßgabe klar definierter Grundsätze (Constrained Judgement) in den Bewertungsprozess einbezogen, quantitative und qualitative Elemente kombiniert und daraus folgend der Scorewert aus Phase 2 nach aufsichtlicher Bewertung angepasst werden.123) 99 Darüber hinaus werden die Kapitalrisiken aus drei verschiedenen Perspektiven bewertet: x

Zum einen aus der aufsichtlichen Perspektive, in der das Kreditrisiko, das Marktrisiko, das operationelle Risiko und das ZÄR die wesentlichen Risiken darstellen (Block 1),

x

zum anderen aus der Perspektive der Bank, die vorwiegend auf dem Bericht zum internen Prozess zur Sicherung der Risikotragfähigkeit des Instituts (ICAAP) basiert (Block 2),

x

und zuletzt aus einer zukunftsgerichteten Perspektive, in deren Rahmen Informationen aus bankinternen und aufsichtsrechtlichen Stresstests erhoben werden (Block 3).124)

100 Im Rahmen der SREP-Gesamtbewertung geht die EZB ebenfalls davon aus, dass der Scorewert der SREP-Gesamtbewertung nicht der Durchschnitt der Scorewerte für die vier SREP-Kernelemente ist,125) sondern dass diese vielmehr nur den Ausgangspunkt der Gesamtbewertung darstellen. Diese werden deshalb alle gleich gewichtet, darüber hinaus jedoch auch die Kapital- und Liquiditätsplanung des Instituts berücksichtigt. Außerdem soll das zuständige Joint Supervisory Team (JST) Peergruppen-Vergleiche aufstellen und das makroökonomische Umfeld, in dem das Institut agiert, bedenken. Im Ergebnis erkennt die EZB an, dass das Risikoprofil eines Instituts i. R. der SREP-Gesamtbewertung vielschichtig ist und die vielfältigen Risikofaktoren korrelieren.126) Der Gesamt-SREP dient dann als Grundlage für die Bewertung der Angemessenheit der Kapital- und Liquiditätsausstattung eines Instituts sowie für erforderliche Aufsichtsmaßnahmen, mit denen Bedenken ausgeräumt werden sollen.127)

___________ 121) Diese wurde inzwischen für den SREP 2019 aktualisiert: ECB, SSM SREP Methodology Booklet, 2018 Edition. 122) ECB, SSM SREP Methodology Booklet, 2018 Edition, S. 15. 123) ECB, SSM SREP Methodology Booklet, 2018 Edition, S. 16. 124) ECB, SSM SREP Methodology Booklet, 2018 Edition, S. 21 ff. 125) ECB, SSM SREP Methodology Booklet, 2018 Edition, S. 32. 126) ECB, SSM SREP Methodology Booklet, 2018 Edition, S. 34. 127) ECB, SSM SREP Methodology Booklet, 2018 Edition, S. 36.

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III. Aufsichtlicher Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP) b)

§ 13

Stresstests

Im Rahmen des SREP untersuchen die Aufsichtsbehörden u. a., ob die Banken in der Lage 101 sind die relevanten Kapitalanforderungen auch unter widrigen ökonomischen Umständen zu erfüllen. Nach Rz. 339 der SREP-Leitlinien sind die zuständigen Behörden zudem dazu angehalten, die Ergebnisse EU-weiter Stresstests zusammen mit anderen Stresstests und Kapitalplanungsbewertungen in ihre Bewertung der Fähigkeit der Bank, anwendbare Eigenmittelanforderungen während eines Konjunkturzyklus erfüllen zu können, einzubeziehen.128) Stresstests und ihre Ergebnisse stellen somit eine zentrale Komponente dieser Bewertung dar129) und werden deshalb i. R. der dritten Phase der SREP-Bewertung der EZB berücksichtigt.130) Dabei können qualitative Ergebnisse der Stresstests, die insbesondere Themen betreffen, die bisher nicht in der SREP-Bewertung berücksichtigt wurden, dazu führen, dass die Schlussfolgerungen in Bezug auf die vier Schlüsselelemente des SREP revidiert werden. Außerdem können die quantitativen Ergebnisse der Stresstests darauf hinweisen, dass ein immanentes Risiko besteht, dass das Institut die Summe der SREP-Gesamtkapitalanforderungen (Total SREP Capital Requirement – TSCR) nicht erfüllen wird. Die Aufsichtsbehörden werden dann in Erwägung ziehen müssen, die SREP-Bewertung zu aktualisieren und die TSCR neu zu bewerten131) sowie zu beurteilen, ob zusätzlich zu den Mindestkapitalanforderungen die Festlegung einer Kapitalleitlinie der Säule 2 notwendig ist.132) Durch die am 19.7.2018 veröffentlichte finale Version der EBA-Leitlinien zu den Stress- 102 tests der Institute (EBA/GL/2018/04) werden gemeinsame organisatorische Anforderungen, Methoden und Verfahren für die Stresstests bereitgestellt.133) Diese sind seit dem 1.1.2019 anzuwenden und lösen die bisher geltenden CEBS-Leitlinien für Stresstests (GL32) ab.134) Die BaFin hat die Umsetzung der neuen Leitlinien bereits gemeldet.135) c)

Säule 2-Empfehlungen i. R. der SREP-Beschlüsse

Seit 2016 beinhalten die SREP-Beschlüsse der EZB neben den (bindenden) Säule 2-An- 103 forderungen (Pillar 2-Requirements – P2R) auch die sog. Säule 2-Empfehlungen (Pillar 2Guidance – P2G). Die P2G sollen etwaige Lücken bezüglich der Eigenmittel eines Instituts abdecken, die 104 sich anhand der Ergebnisse der aufsichtlichen Stresstests ergeben haben.136) Die Festlegung der P2G erfolgt i. R. einer ganzheitlichen Betrachtung unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren wie des Kapitalrückgangs i. R. des Stresstests im hypothetischen adversen Szenario, des spezifischen Risikoprofils des jeweiligen Instituts und seiner Sensitivität gegenüber den Stressszenarien sowie Änderungen im Risikoprofil des Instituts nach dem Stichtag und von diesem ergriffene Maßnahmen zur Minderung der Risikosensitivität.137) Sie werden über dem Niveau der verbindlichen Kapitalanforderungen sowie zusätzlich zu ___________ 128) 129) 130) 131) 132) 133) 134) 135) 136) 137)

EBA, Information update on the 2016 EU-wide stress, v. 1.7.2016, S. 1 Nr. 4. EBA, 2018 EU-wide stress test – Results, v. 2.11.2018, S. 11. ECB, SSM SREP Methodology Booklet, 2018 Edition, S. 27. EBA, Information update on the 2016 EU-wide stress, v. 1.7.2016, S. 2, 3 Nr. 7. EBA, 2018 EU-wide stress test – Results, v. 2.11.2018, S. 11. EBA, Leitlinien zu den Stresstests der Institute v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/04), S. 3. EBA, Leitlinien zu den Stresstests der Institute v. 19.7.2018, (EBA/GL/2018/04), S. 10. EBA, Guidelines compliance table, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/04). EZB, Fragen und Antworten zum EU-weiten Stresstest 2018, Nr. 68. EZB, Broschüre zur SREP-Methodik des SSM, Ausgabe 2017, S. 29.

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

den kombinierten Pufferanforderungen festgelegt und stellen somit – im Gegensatz zu den verbindlichen P2R – gerade keine Mindestkapitalanforderung dar.138) 105 Es ergibt sich somit folgende „Reihenfolge der Schichtung“ der verschiedenen Eigenmittelkomponenten. 106 Abb. 1: Schichtung der Eigenmittelkomponenten

P2G

MDA-Trigger Kombinierter Puffer

P2R

Säule 1 (Mindestanforderungen)

Quelle: In Anlehnung an EZB, Fragen und Antworten zum EU-weiten Stresstest 2016, Nr. 5.

107 Im Falle eines Kapitalverlusts erfüllt die betroffene Bank zuerst nicht mehr die Vorgaben der P2G, was jedoch nicht zwingend rechtliche Schritte nach sich zieht. Bei weiteren Verlusten würden dann die Anforderungen an die kombinierten Kapitalforderungen nicht mehr erfüllt und der sog. MDA-Trigger (Maximum Distributable Amount – MDA [maximal ausschüttungsfähiger Betrag]) ausgelöst mit der Folge, dass automatisch Maßnahmen zur Begrenzung der ausschüttungsfähigen Mittel der Bank aktiviert werden.139) Ein weiterer Kapitalschwund hätte dann die Verletzung der P2R und zuletzt eine Verletzung der Säule 1-Anforderungen zur Folge.140) 108 Von den Banken wird erwartet, dass sie die entsprechenden Vorgaben der P2G erfüllen und eine (drohende) Nichterfüllung unverzüglich dem zuständigen gemeinsamen Aufsichtsteam melden. Die Aufseher analysieren dann die Gründe und Umstände hierfür und legen ggf. spezifische aufsichtliche Maßnahmen fest.141) Außerdem soll die Nichteinhaltung der P2G als Frühwarnsignal bei der Sanierungsplanung dienen.142)

___________ 138) EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), S. 57. 139) Vgl. § 10i Abs. 3 KWG, s. hierzu § 12 Rz. 131, 134 [Glasow] sowie § 7 Rz. 41 ff. [Engelbach]. Durch eine mit CRD V erfolgte Änderung in Art. 141 Abs. 6 CRD ist nunmehr auch klargestellt, dass der MDA-Trigger neben der kombinierten Kapitalpufferanforderung auch die P2R (und nicht nur die Säule 1-Anforderungen) enthält. Das war zuvor unklar, vgl. hierzu die Vorauflage, Rz. 108 ff. 140) EZB, Fragen und Antworten zum EU-weiten Stresstest 2016, Nr. 5. 141) EZB, Fragen und Antworten zum EU-weiten Stresstest 2016, Nr. 5. 142) EBA, Pillar 2 Roadmap, v. 11.4.2017, S. 5.

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III. Aufsichtlicher Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP) d)

§ 13

Veröffentlichungspflicht

Gemäß Art. 438 lit. b CRR sind die Institute auf Verlangen der jeweils zuständigen Be- 109 hörde verpflichtet, die SREP-Ergebnisse sowie die Zusammensetzung der Anforderungen an die zusätzlichen Eigenmittel zu veröffentlichen. Aber auch wenn die Behörden keine Veröffentlichung verlangen, erscheint es für die transparente Anwendung des Art. 141 CRD auf den MDA erforderlich, dass die Eigenmittelanforderungen eines Instituts in angemessenem Rahmen offengelegt werden.143) Darüber hinaus wird gemäß der Marktmissbrauchsverordnung144) von Instituten mit börsengehandelten Wertpapieren erwartet, dass sie beurteilen, ob deren SREP-Ergebnisse und/oder die SREP-Kapitalaufschläge die Kriterien von Insiderinformation erfüllen und somit veröffentlicht werden sollten.145) Entgegen der Zielrichtung dieser Regelungen bat die EZB Institute, die an der umfassen- 110 den Bewertung im Jahr 2014 teilnahmen, eine Vertraulichkeitsvereinbarung bezüglich deren Ergebnisse zu unterschreiben, da eine Veröffentlichung ihrer Meinung nach die Märkte hätte irritieren können.146) Auch i. R. der SREP-Beschlüsse, die die EZB im IV. Quartal 2015 erlassen hat, war sie grundsätzlich der Meinung, dass eine offene Kommunikation der SREP Ergebnisse verschiedene und unvorhergesehene Nachteile mit sich bringen könnte. Insbesondere um einen offenen und produktiven Dialog zwischen der Aufsichtsbehörde und der Bank zu gewährleisten, müssten alle Informationen, die ausgetauscht werden, vertraulich bleiben. Inzwischen folgt die EZB jedoch der Empfehlung der EBA und hat entschieden, Banken 111 nicht länger davon abzuhalten, ihre SREP-Kapitalaufschläge zu veröffentlichen;147) von einer eigenen (individuellen) Veröffentlichung der SREP-Ergebnisse sieht die EZB aber weiterhin ab.148) Unter den großen SSM-Instituten zeichnet sich bisher ein klarer Trend dahingehend ab, die SREP-Kapitalanforderungen zu veröffentlichen,149) da eine solche Veröffentlichung insbesondere für Einleger, Investoren und auch die Märkte im Allgemeinen nützlich sein kann. 3.

Anwendung durch die BaFin

Die Umsetzung der SREP-Anforderungen aus Art. 97 CRD erfolgte in Deutschland in 112 § 6b KWG. BaFin und Bundesbank sind für die Durchführung des SREP bei den weniger bedeutenden Instituten zuständig. Der Turnus der SREP-Kapitalfestsetzung orientiert sich an der Kategorisierung der Institute in den SREP-Leitlinien (siehe oben Rz. 77 ff.). Da in Deutschland der Großteil der Institute des Sparkassen- und Genossenschaftssektors den Kategorien 3 und 4 zuzuordnen ist,150) erfolgt die Bewertung aller SREP-Elemente für diese ___________ 143) Schuster/Pitz, ZBB 2016, 353. 144) Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014, ABl. (EU) L 173/1, v. 12.6.2014. 145) EBA, Opinion of the European Banking Authority on the interaction of Pillar 1, Pillar 2 and combined buffer requirements and restrictions on distributions, v. 16.12.2015 (EBA/Op/2015/24), S. 6 Rz. 20. 146) Schuster/Pitz, ZBB 2016, 352. 147) Vgl. z. B. ECB, SSM SREP Methodology Booklet, 2018 Edition, S. 31. 148) Korbinian Ibel, nach Groendahl, Bloomberg, 19.2.2016, abrufbar unter https://www.bloomberg.com/ news/articles/2016-02-19/ecb-seeks-to-allow-dividend-coco-payouts-when-banks-lose-money (Abrufdatum: 20.4.2020). 149) Korbinian Ibel, nach Groendahl, Bloomberg, 19.2.2016, abrufbar unter https://www.bloomberg.com/ news/articles/2016-02-19/ecb-seeks-to-allow-dividend-coco-payouts-when-banks-lose-money (Abrufdatum: 20.4.2020); zu diesen Instituten gehörten u. a. BNP-Paribas, BPCE, Crédit Agricole, Société General, Deutsche Bank, DZ Bank, Intesa Sanpaolo, UniCredit, BBVA, Banco Santander, Caixa, ABN AMRO und ING. 150) Blömer/Lindemann in: Reuse, Praktikerhdb. Risikotragfähigkeit, S. 81, 88 Rz. 289.

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

somit nur (aber auch mindestens) alle drei Jahre.151) Im Jahr 2016 hat die BaFin mit dem SREP-Verfahren für die rund 1.600 Institute, die unter der direkten BaFin-Aufsicht stehen, begonnen.152) 113 Im Rahmen ihrer indirekten Aufsicht über weniger bedeutende Institute (siehe dazu § 2 Rz. 84 f. [Glos/Benzing]) hat die EZB in Zusammenarbeit mit BaFin und Bundesbank sowie weiteren nationalen Aufsichtsbehörden seit Ende 2015/Anfang 2016 eine harmonisierte SREP-Methodik für weniger bedeutende Institute entwickelt. Die Methodik orientiert sich zum einen an den SREP-Leitlinien der EBA und zum anderen an der SREPMethodik des SSM für bedeutende Institute und definiert Mindestanforderungen, welche die nationalen Aufsichtsbehörden bei der Durchführung des SREP künftig zugrunde legen werden. Dabei berücksichtigt sie die Besonderheiten der weniger bedeutenden Institute. Ziel ist es, einheitliche und hohe Aufsichtsstandards auch im Hinblick auf weniger systemrelevante Institute sowie ein konsistentes Vorgehen innerhalb des SSM sicherzustellen.153) 114 Die Umsetzung der SREP-Leitlinien durch die deutsche Aufsicht erfolgt zum einen unter Berücksichtigung der bisher mit den Vorgaben nach Säule 2 gemachten Erfahrungen, wozu insbesondere die starke Fokussierung auf die MaRisk gehört. Zum anderen ist aber auch die Aufnahme neuer Elemente enthalten.154) Für die deutsche Aufsicht sind die Analysen der internen Prozesse, der Governance oder des Risikomanagements bereits aufgrund der Vorgaben in der MaRisk langjährige Praxis, die nun durch eine angemessene Fixierung der Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung ergänzt wird.155) Das von der BaFin und der Bundesbank ausgearbeitete Konzept des SREP für weniger bedeutende Institute beruht auf den SREP-Leitlinien der EBA.156) Die methodische Grundlage für die Kapitalfestsetzung bildet, wie i. R. des EZB-SREP für bedeutende Institute, der Säule 1-plusAnsatz.157) BaFin und Bundesbank haben es sich zum Ziel gesetzt, dass die EBA-Leitlinien proportional umgesetzt und bei der Anwendung die individuellen Besonderheiten der deutschen Institute berücksichtigt werden.158) Darüber hinaus soll die Methodik transparenter ausgestaltet als der EZB-SREP und vergleichbar sowie konsistent für alle beaufsichtigten Institute sein.159) 115 Nach der Methodik der BaFin und der Bundesbank besteht die SREP-Kapitalfestsetzung aus zwei Komponenten: einem Risiko- und einem Stressteil.160) Die Festlegung beider Komponenten erfolgt anhand des sog. Bucket-Ansatzes. Die Ergebnisse werden einem durch Schwellenwerte definierten Segment einer Matrix zugeordnet, aus der der individuelle Kapitalzuschlag abzulesen ist.161) Auf diese Weise sollen mehrere Kriterien kombi___________ 151) 152) 153) 154) 155) 156) 157) 158) 159) 160) 161)

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Zu den deutschen Besonderheiten vgl. BaFin, Jahresbericht 2016, S. 92, 93. BaFin, Jahresbericht 2016, S. 20. ECB, SSM-LSI-SREP-Methodik, Ausgabe 2019, S. 5. Botterweck/Hanenberg/Kramer/Petersen in: Hofmann, Basel III, Risikomanagement und neue Bankenaufsicht, Abschn. 2.2, S. 537, 545. Botterweck/Hanenberg/Kramer/Petersen in: Hofmann, Basel III, Risikomanagement und neue Bankenaufsicht, Abschn. 4, S. 537, 567. Wieck, Deutsche Bundesbank, SREP-Kapitalfestsetzung, v. 4.5.2016, S. 3 ff. Wieck, Deutsche Bundesbank, SREP-Kapitalfestsetzung, v. 4.5.2016, S. 4 f., 9. Z. B. sollen bereits bestehende Kapitalzuschläge gemäß § 10 Abs. 3 KWG fallweise berücksichtigt werden, vgl. Wieck, Deutsche Bundesbank, SREP-Kapitalfestsetzung, v. 4.5.2016, S. 8. Wieck, Deutsche Bundesbank, SREP-Kapitalfestsetzung, v. 4.5.2016, S. 7. Zum Folgenden s. Schaubild bei Wieck, Deutsche Bundesbank, SREP-Kapitalfestsetzung, v. 4.5.2016, S. 10. BaFin, BaFin Journal 6/2016, S. 31, 32; s. a. Beispiel einer Matrix bei Wieck, Deutsche Bundesbank, SREP-Kapitalfestsetzung, v. 4.5.2016, S. 11.

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III. Aufsichtlicher Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP)

§ 13

niert und verdichtet, ein Level Playing Field geschaffen und so eine weitgehend automatisierte Berechnungsmethodik zur Festlegung des SREP-Zuschlags entwickelt werden.162) Der Risikoteil besteht aus dem Zinsänderungsrisiko (ZÄR) im Anlagebuch sowie aus 116 weiteren wesentlichen Risiken, die nicht in Säule 1 enthalten sind. Das ZÄR stellt aus Sicht der Aufsicht das nach dem Kreditrisiko wichtigste Risiko bei 117 weniger bedeutenden Instituten dar; angesichts des aktuellen Niedrigzinsumfelds und den daraus resultierenden Risiken bei einer Zinswende ist dieser Ansatz gut nachvollziehbar. Die BaFin verwendet für die Berechnung des ZÄR einen einheitlichen Ansatz, um eine gleichmäßige Berücksichtigung des ZÄR bei der Entscheidung über SREP-Zuschläge zu gewährleisten.163) Ausgangspunkt der Berechnung sind die Auswirkungen einer plötzlichen und unerwarteten Zinsänderung (+/– 200 Basispunkte [BPS], sog. Baseler Zinsschock) auf den Barwert der mit dem ZÄR behafteten Geschäfte, die sich zum Zeitpunkt der Berechnung im Bestand des Anlagebuchs des Kreditinstituts befinden. Die sich so ergebende höchste negative Barwertänderung wird in Relation zum Gesamtrisikobetrag nach Art. 92 Abs. 3 CRR gesetzt (RWA – Risk-weighted Assets [gewichtete Risikoaktiva]). Diese Relation wird dann um eine qualitative Bewertung des Risikomanagements eines 118 Instituts in Form der Risikoprofil(teil)note zum ZÄR ergänzt. Anhand dieser Kriterien werden die Institute i. R. des Bucket-Ansatzes in eine für alle Institute gleichermaßen geltende zweidimensionale Matrix eingeteilt, aus der sich dann für jedes Institut der individuelle Zuschlag für das ZÄR in Prozentpunkten ermitteln lässt.164) Dabei wird unterstellt, dass eine schlechtere Beurteilung des Risikomanagements (d. h. eine schlechtere Risikoprofilnote) auch ein Indikator für ein insoweit höheres Risiko ist, das durch höhere Zuschlagssätze abzudecken ist. Im Durchschnitt ist jedoch nur der Risikoanteil des Zinsschocks (ca. die Hälfe der negativen Barwertänderung) mit Kapital zu unterlegen.165) Zusammengefasst erfolgt somit eine aufsichtliche Beurteilung der Qualität der Methoden, Prozesse und Governance im Risikomanagement bezogen auf die jeweilige Risikoart. Ziel ist es, den Effekt aus dem ZÄR in einer vergleichbaren Weise zu berücksichtigen, ohne dass starke (zufällige) Schwankungen zu sehr ins Gewicht fallen, und so ein an dem aktuellen Zinsumfeld orientiertes Ergebnis zu erlangen. Zum anderen werden weitere wesentliche Risiken, die nicht in Säule 1 enthalten sind, 119 berücksichtigt. Grundlage der Bestimmung des Kapitalzuschlags ist der Anteil der Risiken (exkl. Säule 1- und ZÄR-Risiken) am Gesamtrisiko (Summe aller Risiken aus dem ICAAP). Die Qualität des ICAAP des einzelnen Instituts wird über die schlechtere der Risikoprofilnoten für die interne Governance und den ICAAP selbst berücksichtigt. Auch anhand dieser Kriterien, werden die Institute in eine für alle Institute gleichermaßen geltende zweidimensionale Matrix eingeteilt und so der individuelle Kapitalzuschlag bestimmt.166) Eine schlechtere Beurteilung des Risikomanagements stellt dabei ebenfalls einen Indikator für ein insoweit auch höheres Risiko dar, das durch höhere Zuschlagssätze abgebildet wird. Anhand dieses Vorgehens sollen spezifische Risiken, die von der Bank nach internen Verfahren selbst ermittelt werden, in vergleichbarer Weise in die Berechnung der aufsichtlich

___________ 162) Wieck, Deutsche Bundesbank, SREP-Kapitalfestsetzung, v. 4.5.2016, S. 11. 163) Insbesondere finden institutsindividuelle Lösungen zur Berücksichtigung des ZÄR i. R. des Risikotragfähigkeitskonzepts keine Berücksichtigung. 164) S. Wieck, Deutsche Bundesbank, SREP-Kapitalfestsetzung, v. 4.5.2016, S. 12. 165) S. Wieck, Deutsche Bundesbank, SREP-Kapitalfestsetzung, v. 4.5.2016, S. 12. 166) S. Wieck, Deutsche Bundesbank, SREP-Kapitalfestsetzung, v. 4.5.2016, S. 13.

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

angemessenen Eigenmittel einfließen. In Einzelfällen werden zudem individuelle Zuschläge, primär wegen Defiziten in der internen Organisation, festgesetzt.167) 120 Die so bestimmten Kapitalzuschläge stellen zusammen mit den Säule 1-Mindestkapitalanforderungen die sog. harte Kapitalanforderung dar, die jederzeit einzuhalten ist (§ 10 Abs. 3 KWG).168) Bei Unterschreitung sieht § 45 KWG einen konkreten Maßnahmenkatalog der BaFin vor (siehe dazu nachfolgend Rz. 140 ff.). 121 Der Stressteil ist im Gegensatz zum Risikoteil eine weiche Kapitalanforderung, die den Kapitalzuschlag um eine aufsichtsrechtliche Zielgröße ergänzt.169) Die sog. aufsichtliche Eigenmittelzielkennziffer stellt keine Kapitalanforderung nach § 10 KWG dar, sondern ist vielmehr eine (interne) aufsichtliche Kenngröße mit dem Charakter einer Orientierungsgröße oder Frühwarnschwelle. Sie soll darüber Auskunft geben, welche Eigenmittelausstattung aus Sicht der BaFin für ein Kreditinstitut sachgerecht ist, um langfristig sicherzustellen, dass eine Gefährdung der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte auch in Stresssituationen weitestgehend ausgeschlossen werden kann. 122 Die Berechnung erfolgt anhand der Ergebnisse der Stresstestteils der Niedrigzinsumfeldumfrage:170) Für drei ausgewählte Szenarien (Zinsänderungsrisiko [+200 BPS], Kreditrisiko, Marktrisiko) wird der GuV-Effekt bestimmt und die Summe ins Verhältnis zum Gesamtrisikobetrag des Instituts gesetzt. Der so ermittelte Koeffizient wird in eine von sechs Spalten eingeordnet und ein individueller Zuschlag ermittelt. Ergibt sich ein Zuschlag größer als Null, kann dieser zunächst mit den Kapitalanforderungen für den Kapitalerhaltungspuffer gemäß § 10c KWG verrechnet werden, da die aufsichtliche Zielkennziffer neben den Anforderungen des Kapitalerhaltungspuffers steht.171) Grundsätzlich ist eine Nicht-Einhaltung der aufsichtlichen Eigenmittelzielkennziffer nach dem zuvor Gesagten möglich, allerdings kann eine solche zu einer Erhöhung der Aufsichtsintensität und ggf. zur Prüfung der Anwendung aufsichtlicher Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 KWG führen.172) 123 Die Summe aus Risikoteil und Stresssteil bildet die SREP-Festsetzung.173) Um zu gewährleisten, dass das Wissen der Aufsicht zur individuellen Situation der Institute in den Prozess einfließen kann, greift diese in die mechanische Kapitalableitung ein und aktualisiert oder korrigiert die gemeldeten Zahlen (Expert Judgement). Damit außerdem sichergestellt ist, dass die Entscheidungen untereinander konsistent sind, vergleichen BaFin und Bundesbank die individuellen Zuschläge (Peer-Group-Vergleich).174) 124 Im Vorgriff auf die flächendeckende Durchführung des SREP hat die BaFin Ende 2016 eine Allgemeinverfügung im Hinblick auf die ihrer Aufsicht unterliegenden weniger bedeutenden CRR-Institute erlassen, um die oben erwähnten Zinsänderungsrisiken im ___________ 167) 168) 169) 170)

171)

172) 173) 174)

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BaFin, BaFin Journal 6/2016, S. 31, 32. Wieck, Deutsche Bundesbank, SREP-Kapitalfestsetzung, v. 4.5.2016, S. 15. BaFin, BaFin Journal 6/2016, S. 31, 32. Nach 2013 und 2015 wurde die Niedrigzinsumfrage zum dritten Mal im Jahr 2017 durch die BaFin und die Deutsche Bundesbank durchgeführt. Die Ergebnisse der Niedrigzinsumfrage 2017 sind veröffentlicht unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Pressemitteilung/2017/ pm_170830_niedrigzins_bafin_bundesbank.html (Abrufdatum: 20.4.2020). Ergibt sich ein Zuschlag von weniger als 0,625 %, sind die Vorgaben der aufsichtlichen Eigenmittelzielkennziffer aufgrund der aktuellen Höhe des Kapitalerhaltungspuffers somit bereits durch diesen erfüllt. Wieck, Deutsche Bundesbank, SREP-Kapitalfestsetzung, v. 4.5.2016, S. 15. Wieck, Deutsche Bundesbank, SREP-Kapitalfestsetzung, v. 4.5.2016, S. 10. BaFin, BaFin Journal 6/2016, S. 31, 33.

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§ 13

IV. Eingriffsinstrumente und Sanktionen

Anlagebuch zu adressieren.175) Die Allgemeinverfügung soll i. S. der Gleichbehandlung sicherstellen, dass auch die Institute, die noch keinen SREP-Beschluss erhalten haben, das Zinsänderungsrisiko in angemessener Weise mit Eigenmitteln unterlegen. Ab dem Zeitpunkt, indem eines dieser Institute einen bestandskräftigen SREP-Bescheid mit ihrer individuellen Kapitalfestsetzung erhält, wird die Allgemeinverfügung für dieses Institut gegenstandslos. Im Jahr 2016 hat die BaFin die ersten 319 Institute von insgesamt rund 1.600 zu prüfenden Instituten im SREP-Verfahren geprüft.176) Am 31.12.2018 lagen gültige SREPBescheide für rund 1.500 Institute vor.177) Damit dürften praktisch alle Institute erfasst sein. Sollte ausnahmsweise kein SREP-Bescheid vorliegen, gilt für das betreffende Institut die Allgemeinverfügung weiter.178) IV.

Eingriffsinstrumente und Sanktionen

Zur Durchsetzung des Aufsichtsrechts und Erfüllung ihrer Aufgaben ist die BaFin mit einem 125 umfangreichen Repertoire an Eingriffsinstrumenten ausgestattet. Die BaFin bedient sich dabei erstens der Handlungsform des Verwaltungsaktes i. S. des § 35 VwVfG, zweitens der Handlungsform von Richtlinien und drittens eines differenzierten Instrumentariums informellen Verwaltungshandelns.179) Zu letzterem gehört zum einen die Einwirkung der BaFin auf die Institute bereits schon vor dem Beginn eines Verwaltungsverfahrens durch Kommunikation wie z. B. Gespräche, Auskunftsschreiben und Gesuche. Zum anderen zählen hierzu die Publikationen der BaFin in Form von Merkblättern, Rundschreiben und Mitteilungen. Dem informellen Verwaltungshandeln kommt eine nicht zu unterschätzende Steuerungswirkung zu, da sich die Institute im Regelfall an diesem orientieren und auf ein entsprechendes Handeln der BaFin vertrauen.180) Im nachfolgenden Abschnitt werden zunächst die wichtigsten Maßnahmen der deut- 126 schen Aufsichtsbehörden gegenüber Geschäftsleitern und Banken beleuchtet sowie weitere wichtige Eingriffsinstrumente sowie die Bußgeldvorschriften dargestellt. Die entsprechenden Eingriffs- und Sanktionsbefugnisse der EZB wurden bereits in § 2 [Glos/Benzing] dargestellt. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Maßnahmen der Aufsichtsbehörden i. R. des frühzeitigen Eingreifens bzw. der Abwicklung in § 16 [BauerWeiler], § 17 [Binder] und § 18 [Binder] dieses Handbuchs dargestellt werden. Hinsichtlich der Maßnahmen gegenüber Inhabern bedeutender Beteiligungen kann auf das Kapitel zu Inhaberkontrollverfahren (siehe § 4 [Steck]) verwiesen werden. 1.

Maßnahmen gegen Geschäftsleiter

Die BaFin hat nach § 36 Abs. 1 KWG die Befugnis, die Abberufung von Geschäftsleitern 127 zu verlangen und/oder ihnen die Ausübung ihrer Tätigkeit zu untersagen, wenn eine Aufhebung der Erlaubnis gerechtfertigt wäre oder wenn ein Geschäftsleiter nachhaltig gegen aufsichtliche Bestimmungen verstoßen hat. Dies gilt gemäß § 36 Abs. 2 KWG auch dann, wenn der Geschäftsleiter vorsätzlich oder leichtfertig gegen Bestimmungen der in ___________ 175) BaFin, Allgemeinverfügung, Anordnung von Eigenmittelanforderungen für Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch, v. 23.12.2016 (BA 55-FR 2232-2016/0001); vgl. hierzu Reuse, BP 2017, 23. 176) BaFin, Jahresbericht 2016, S. 20, vgl. weiter zu den Einzelheiten dieser BaFin SREP-Schreiben Reuse, RP 2016, 151, sowie den Vergleich von SREP-Bescheid und Allgemeinverfügung bei Grabbe/Stührk, Kreditwesen 2017, 426. 177) BaFin, Jahresbericht 2018, S. 73, 74. 178) Vgl. auch BaFin, Allgemeinverfügung, Geschäftsguthaben für Genossenschaften für 2019, v. 1.1.2019 (BA 44-FR 2161-2018/0001). 179) Kümpel/Wittig-Schelm, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 2.276 f. 180) Kümpel/Wittig-Schelm, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 2.276.

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

§ 36 Abs. 2 KWG genannten aufsichtsrechtlichen Gesetze oder gegen Anordnungen der BaFin verstoßen hat und trotz Verwarnung der BaFin dieses Verhalten fortsetzt. Die implizit in § 36 Abs. 2 KWG geregelte Verwarnung ist ein in das Ermessen der BaFin gestellter belastender Verwaltungsakt gegenüber dem betroffenen Geschäftsleiter.181) Dieser soll Gelegenheit zur Bereinigung der Mängel erhalten und in hinreichender Deutlichkeit darauf hingewiesen werden, dass ein Abberufungsverlangen in Betracht kommt.182) 128 Daneben hat die BaFin die Befugnis, Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsorgans von CRR-Instituten sowie von (gemischten) Finanzholdinggesellschaften, die nach § 10 Abs. 2 Satz 2 oder 3 oder § 10b Abs. 3 Satz 8 KWG als übergeordnete Unternehmen bestimmt sind, abzuberufen und diesen die Ausübung ihrer Tätigkeit zu untersagen (§ 36 Abs. 3 KWG). 129 Zwischen den institutsbezogenen Befugnissen und den personenbezogenen Maßnahmen besteht kein grundsätzliches Rangverhältnis.183) Sie können also sowohl alternativ als auch kumulativ ergriffen werden. Eine Ausnahme gilt für die Erlaubnisaufhebung nach § 35 KWG184), die nur als ultima ratio in Betracht kommt. Liegen somit bestimmte Gründe für eine Erlaubnisaufhebung vor, kann bzw. muss die BaFin zunächst gegen die verantwortlichen Geschäftsleiter einschreiten, vorausgesetzt, dieses mildere Mittel ist zur Zielerreichung gleich geeignet.185) 130 Obwohl die Befugnisse der BaFin in § 36 KWG im Laufe der letzten Jahre erheblich erweitert wurden, ist die Anzahl der diesbezüglich in der Praxis tatsächlich ergangenen Maßnahmen in Form eines Verwaltungsaktes sehr gering (vgl. dazu Tabelle 1). 131 Überblick:186) Abberufungsverlangen und Verwarnungen von Geschäftsleitern und von Aufsichtsrats-/Verwaltungsratsmitgliedern 2015

2016

2017

2018

2019

0

5

2

0

2

0

0

1

0

0

Verwarnungen von Geschäftsleitern

1

2

2

3

1

Verwarnungen von Aufsichtsrats-/ Verwaltungsratsmitgliedern

0

0

0

0

0

Abberufungsverlangen von Geschäftsleitern

formell informell durch Dritte

Abberufungsverlangen von Aufsichtsrats-/Verwaltungsratsmitgliedern

formell informell durch Dritte

___________ 181) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 36 KWG Rz. 58; Geschwandtner in: Münch-AHB Bank- und Kapitalmarktrecht, § 2 Rz. 103. 182) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 36 KWG Rz. 33. 183) Reischauer/Kleinhans-Glawischnig-Quinke, KWG, § 36 Rz. 1. 184) Die Aufhebung der Erlaubnis i. S. des § 35 KWG bedeutet die Rücknahme einer rechtswidrig oder den Widerruf einer rechtmäßig erteilten Erlaubnis und steht damit in unmittelbarem Zusammenhang mit den allgemeinen materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung zum Geschäftsbetrieb nach § 32 KWG. In der Praxis stellt die Aufhebung der Erlaubnis lediglich den Abschluss einer Abwicklung dar. 185) Reischauer/Kleinhans-Glawischnig-Quinke, KWG, § 36 Rz. 1. 186) BaFin, Jahresbericht 2013, S. 93, 109; BaFin, Jahresbericht 2014, S. 123, 126; BaFin, Jahresbericht 2015, S. 152, 155; BaFin, Jahresbericht 2016, S. 106, 110; BaFin, Jahresbericht 2017, S. 82, 84; BaFin, Jahresbericht 2018, S. 73, 79; BaFin, Register zu den Maßnahmen der BaFin gegen Institute und Geschäftsleiter, Stand: 4.4.2017.

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§ 13

IV. Eingriffsinstrumente und Sanktionen

Insofern ist festzustellen, dass es in den Jahren 2013 bis 2018 lediglich in maximal fünf 132 Fällen zu formellen (d. h. durch Verwaltungsakt) Abberufungen von Geschäftsleitern oder von Aufsichtsrats-/Verwaltungsratsmitgliedern (alle im Jahr 2016) durch die BaFin kam. In dem gleichen Zeitraum wurden von der BaFin 31 Verwarnungen gegenüber Geschäftsleitern und Aufsichtsrats-/Verwaltungsratsmitgliedern ausgesprochen. Dies spiegelt den von der BaFin verfolgten Ansatz wieder, möglichst frühzeitig Kontakt mit den betroffenen Instituten aufzunehmen, wenn sie Schwächen und Mängel feststellt, um im Wege des informellen Aufsichtshandelns die Missstände beheben zu können, bevor sie als Aufsichtsbehörde formelle Maßnahmen gegen die Betroffenen ergreifen muss.187) Darüber hinaus zeigt dies, dass in der Praxis dem bloßen Hinweis bzw. der Drohung mit einer Sanktion nach § 36 KWG bereits ein erhebliches faktisches Gewicht zukommt. Da mit einer förmlichen Maßnahme nach § 36 KWG oftmals ein Reputationsrisiko und gravierende Auswirkungen auf die weitere berufliche Tätigkeit verbunden sind, erscheint es nicht verwunderlich, dass die betroffenen Institute bzw. Personen einem hoheitlichen Eingreifen zuvor kommen wollen.188) Da bestandskräftige Maßnahmen gegenüber Geschäftsleitern nach § 60b Abs. 1 KWG seit dem 1.1.2014189) unverzüglich auf der Internetseite der BaFin zu veröffentlichen sind (sog. „Naming and Shaming“190)), ist zu erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzt. 2.

Maßnahmen gegen die Bank

Den Aufsichtsbehörden steht gegenüber den Instituten eine Reihe von Maßnahmen zur 133 Verfügung, die sie bei Bedarf anwenden können. Abzugrenzen sind diese Maßnahmen von den laufenden Informationsrechten, die diese gegenüber den Instituten haben, wie die regelmäßig erforderlichen Anzeige-, Melde- und Berichtspflichten (siehe zu den Melde- und Offenlegungspflichten Rz. 17 ff.). Der Unterschied dieser beiden Rechte liegt darin, dass bei den zuletzt genannten Pflichten, die Institute von sich aus gesetzlich dazu verpflichtet sind, die Anzeigen oder Meldungen abzugeben, wohingegen es bei den übrigen Maßnahmen der Aufsichtsbehörden eines aktiven Handelns dieser bedarf.191) a)

Auskünfte und Prüfungen

Als Maßnahme gegenüber den Instituten verfügen die Aufsichtsbehörden über bestimmte 134 Auskunfts- und Prüfungsrechte. Diese sind in den §§ 44 – 44c KWG geregelt und ermöglichen den Aufsichtsbehörden eine umfassende Ermittlung, Aufklärung und Analyse von bestimmten Sachverhalten.192) aa)

Auskünfte und Unterlagenvorlagerechte

Die Auskunftsrechte der Aufsichtsbehörden betreffen das Recht, Auskünfte zu verlangen 135 (§ 44 Abs. 1 Satz 1 KWG), sich Unterlagen vorlegen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 KWG) sowie sich erforderliche Kopien anfertigen zu lassen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 KWG). Auskunftsbe___________ 187) BaFin, Jahresbericht 2015, S. 152, 154, BaFin, Jahresbericht 2016, S. 106, 110. 188) Reischauer/Kleinhans-Glawischnig-Quinke, KWG, § 36 Rz. 3. 189) Durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen – CRD IV-Umsetzungsgesetz, v. 28.8.2013, BGBl. I 2013, 3395. 190) S. zum „Naming and Shaming“ Nartowska/Knierbein, NZG 2016, 256; v. Buttlar, BaFin Journal 5/2015, S. 27. 191) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 44 KWG Rz. 1. 192) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 44 KWG Rz. 3.

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Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

rechtigte sind gemäß § 44 Abs. 1 KWG die BaFin und die Bundesbank. Auskunftsverpflichtete sind gemäß § 44 Abs. 1 KWG Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute sowie übergeordnete Unternehmen, Organmitglieder und Beschäftigte der Institute. 136 Unter dem Begriff der Auskunft wird primär die Mitteilung von Tatsachen verstanden. Der Begriff ist weit auszulegen, um sämtliche aufsichtlichen Ziele erfüllen zu können.193) 137 Das Auskunftsverlangen bedarf keiner besonderen Form, d. h. die BaFin kann die Institute z. B. mündlich – auch i. R. der regelmäßig stattfindenden Aufsichtsgespräche – dazu auffordern, bestimmte Auskünfte zu geben oder Unterlagen vorzulegen.194) In der Praxis gestaltet es sich häufig so, dass die Aufsichtsbehörden formlos Auskünfte einholen.195) 138 Anlass der Auskunftsanforderung kann das Bedürfnis zum einen nach allgemeinen Informationen, zum anderen aber auch nach Informationen, Einschätzungen oder Entwicklungen zu spezifischen Sachverhalten sein. Nicht zulässig dürfte die Erweiterung der Auskunftsund Unterlagenvorlagerechte auf regelmäßig wiederkehrende und langfristig andauernde Anforderungen sein.196) bb)

Prüfungen

139 Weiterhin hat die BaFin das Recht Sonderprüfungen vorzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 2 – 4 KWG). Dieses Prüfungsrecht steht der Bundesbank nicht zu, allerdings kann die BaFin die Durchführung der Prüfungen auf die Bundesbank übertragen (§ 44 Abs. 1 Satz 2 KWG). Grundsätzlich erfordern Prüfungen eine formelle Prüfungsanordnung.197) Die Prüfungen können aufgrund eines besonderen Anlasses durchgeführt werden (Anlassprüfung). Daneben bestimmt § 44 Abs. 1 Satz 2 KWG198) jedoch ausdrücklich, dass das Prüfungsrecht auch ohne besonderen Anlass zulässig ist, sog. Routineprüfungen. Indikatoren für die zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Prüfungen bei einem Institut sind die Größe, die Geschäftstätigkeit, die Risikolage des Instituts sowie ein möglicherweise aktueller Anlass.199) b)

Maßnahmen zur Verbesserung der Eigenmittelausstattung und Liquidität (§ 45 KWG)

140 § 45 KWG räumt der BaFin bestimmte Eingriffsmöglichkeiten ein, wenn die Eigenmittel oder die Liquidität eines Instituts nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen (Abs. 2). Er stellt der BaFin zudem ein abgestuftes Instrumentarium für Vorfeldmaßnahmen bei drohenden Verstößen zur Verfügung (Abs. 1).200) Verfügt eine Gruppe insgesamt nicht über angemessene Eigenmittel, können dieselben Befugnisse auch gegenüber einem übergeordneten Unternehmen einer Institutsgruppe oder Finanzholding-Gruppe ausgeübt werden (Abs. 3). 141 Ziel ist es, Entwicklungen in einem Institut frühzeitig entgegenwirken zu können, die die Erfüllung dessen Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern gefährden könnten.201) Zu ___________ 193) 194) 195) 196) 197) 198)

Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 44 KWG Rz. 34. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 44 KWG Rz. 38. So auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 44 KWG Rz. 38, 35. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 44 KWG Rz. 39. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 44 KWG Rz. 38. Eingefügt durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen – Zweite KWGNovelle, v. 24.3.1976, BGBl. I 1976, 725. 199) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 44 KWG Rz. 41. 200) Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 45 Rz. 1; zu Frühinterventionsmaßnahmen allgemein s. ausf. unten § 16 [Bauer-Weiler]. 201) Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 45 Rz. 1.

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IV. Eingriffsinstrumente und Sanktionen

Erfüllung dieses Ziels bildet der Maßnahmenkatalog der §§ 45 ff. KWG das Rahmenwerk für ein Eskalationsverfahren, in dem die einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen und aufeinander aufbauen.202) Die BaFin hat das Recht, gegenüber Instituten bestimmte Anordnungen zu treffen, wenn 142 sie nicht über angemessene Eigenmittel verfügen (d. h. die Anforderungen des 3. Teils der CRR bzw. § 10 Abs. 3 und 4 und § 51a KWG nicht erfüllen), wenn wegen der Anlage ihrer Mittel die Zahlungsbereitschaft nicht ausreicht (§§ 11, 51b KWG), oder wenn diese Tatbestände aufgrund der Vermögens-, Ertrags- oder Finanzentwicklung absehbar sind. Grundsätzlich liegt es im pflichtgemäßen Ermessen der BaFin, welche Maßnahme sie unter den jeweils definierten Voraussetzungen wählt. aa)

Eingriffsbefugnisse vor Unterschreitung der Mindestanforderungen

Nach § 45 Abs. 1 KWG kann die BaFin gegenüber einem Institut Maßnahmen zu Verbes- 143 serung der Eigenmittelausstattung und Liquidität anordnen, wenn die Vermögens-, Finanz- oder Ertragsentwicklung des Instituts oder andere Umstände203) darauf schließen lassen, dass es die Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen nicht dauerhaft erfüllen können wird, d. h. schon bevor die Mindestanforderungen tatsächlich unterschritten werden; es handelt sich also um eine präventive Maßnahme.204) Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass Informationen über die Vermögens-, Finanz- oder Ertragsentwicklung eines Institut i. R. der Prognoseentscheidung der BaFin, schon deutlich bevor sich diese Entwicklungen in den aufsichtlichen Kennzahlen niedergeschlagen haben, nahelegen können, dass sich die Eigenmittelausstattung und/oder die Liquidität verschlechtern werden.205) Damit tatsächlich Maßnahmen ergriffen werden können, müssen die Auswirkungen jedoch so gravierend sein, dass das Institut die Mindestanforderungen dauerhaft nicht erfüllen können wird. § 45 Abs. 1 KWG nennt vier Regelbeispiele für Maßnahmen, die die BaFin gegenüber einem 144 Institut anordnen kann: x

die Anfertigung und Vorlage einer begründeten Erläuterung der Entwicklung der wesentlichen Geschäftsaktivitäten über einen bestimmten Zeitraum (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1),

x

die Prüfung von möglichen risikoreduzierenden Maßnahmen sowie die Berichterstattung darüber (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2),

x

der Bericht über geeignete Maßnahmen zur Erhöhung der Eigenmittel bzw. der Liquidität (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) sowie

x

die Entwicklung und Vorlage eines Konzepts zur Gefahrenabwehr (Abs. 1 Satz 1 Nr. 4).

Diese genannten Maßnahmen sind jedoch nicht abschließend. Sie leiten sich von der ge- 145 nerellen Befugnis der BaFin ab, gegenüber dem Institut Maßnahmen zur Verbesserung seiner Eigenmittelausstattung und Liquidität anzuordnen. Im Kern handelt es sich bei diesen Vorfeldmaßnahmen um eine Erweiterung der aufsichtlichen Berichtspflichten.206) Sie zielen primär darauf ab, einen Dialog zwischen dem Institut und der Aufsicht über die Gründe und mögliche Auswirkungen der beobachteten Negativentwicklung zu begrün___________ 202) Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 45 Rz. 1. 203) Z. B. ein besonderes Länder- oder Branchenrisiko des Instituts oder drohende Sanktionen internationaler Organisationen, vgl. Begr. RegE Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht, BT-Drucks. 16/12783, Teil B, zu Nr. 68 lit. a. 204) RegE Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht, BT-Drucks. 16/12783, Teil B, zu Nr. 10. 205) Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 45 Rz. 5. 206) Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 45 Rz. 1.

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

den und diese möglichst abzuwenden oder zumindest abzuschwächen.207) In ihrer Wirkung auf das Institut stehen sie in einem Stufenverhältnis.208) Die Maßnahmen greifen zudem nicht in die laufende Geschäftstätigkeit des Instituts ein und haben für Dritte keine merkbare Außenwirkung. 146 Welche konkreten Maßnahmen geeignet und angemessen sind, prüft die BaFin auf der Basis des jeweiligen Einzelfalls. Sie berücksichtigt dabei sowohl einmalige wesentliche Verschlechterungen als auch negative Entwicklungstrends über einen bestimmten Zeitraum.209) Grundsätzlich kann es auch angebracht sein, mehrere Maßnahmen zu kombinieren. 147 In Ausnahmefällen hat die BaFin nach § 45 Abs. 1 Satz 3 KWG zudem die Befugnis, auch bereits Maßnahmen nach Absatz 2 (dazu sogleich im Folgenden) anordnen, wenn die Maßnahmen nach Absatz 1 keine Gewähr dafür bieten, die Einhaltung der Eigenmittelbzw. Liquiditätsanforderungen dauerhaft zu sichern. Voraussetzung ist jedoch grundsätzlich, dass die BaFin dem Institut zunächst eine angemessene Frist gesetzt hat und der Mangel nicht innerhalb dieser behoben wurde. bb)

Eingriffsbefugnisse bei Unterschreitung der Mindestanforderungen

148 Unterschreitet das Institut hingegen bereits die aufsichtsrechtlichen Schwellenwerte für Eigenkapital oder Liquidität, kann die BaFin gemäß § 45 KWG durch bestimmte Maßnahmen Entwicklungen entgegenwirken, die die Erfüllung der Verpflichtungen der Institute gegenüber ihren Gläubigern gefährden können (Abs. 2). Im Gegensatz zu den Maßnahmen nach Absatz 1 ist das Instrumentarium des Absatzes 2 deutlich repressiver und greift schwerwiegend in die Geschäftstätigkeit des Instituts ein.210) Zudem ist der Maßnahmenkatalog des Absatzes 2 abschließend. Er umfasst z. B. die Beschränkung der Geschäftstätigkeit, die Blockierung des Eigenkapitals im Unternehmen (Gewinnausschüttungsbeschränkung), das Verbot der Hebung stiller Reserven und die Beschränkung der Auszahlung von variablen Vergütungen der Beschäftigten. Die BaFin kann die Maßnahmen alternativ oder kumulativ anordnen. 149 Die Vorschrift enthält keine Vorgaben über die Geltungsdauer der Maßnahmen, sodass die BaFin getroffene Verfügungen über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten kann, vorausgesetzt, die gesetzlichen Voraussetzungen dauern ebenfalls an.211) Durch die gezielten Eingriffe soll eine Stabilisierung der Situation und, wenn möglich, eine Wiederherstellung der gesetzmäßigen Zustände erreicht werden.212) 150 Die BaFin kann von ihren Befugnissen aus § 45 Abs. 2 und Abs. 3 KWG grundsätzlich erst Gebrauch machen, nachdem sie das Institut verwarnt und ihm eine Frist zur Beseitigung des Mangels gesetzt hat und diese Frist verstrichen ist, ohne dass der Mangel behoben wurde (Abs. 5). Die Dauer der Frist steht im Ermessen der BaFin. Sie muss jedoch so bemessen sein, dass das betroffene Institut genügend Zeit hat, um in ernsthafte Verhandlungen zur Akquisition von Eigenmitteln zu treten oder Schritte zur Reduzierung von Krediten und zur Umschichtung angelegter Mittel einzuleiten.213) ___________ 207) 208) 209) 210) 211) 212) 213)

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Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 45 Rz. 6. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45 KWG Rz. 2. Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 45 Rz. 4. Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 45 Rz. 1. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45 KWG Rz. 51. Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 45 Rz. 12. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45 KWG Rz. 48.

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§ 13

IV. Eingriffsinstrumente und Sanktionen

Nach § 45 Abs. 5 Satz 2 KWG muss die BaFin außerdem in Fällen in denen Gefahr in 151 Verzug ist oder wenn Anordnungen nach den Absätzen 2 und 3 im Anschluss an eine Maßnahme nach Absatz 1 verhängt werden, keine Frist setzen. In beiden Fällen besteht keine erhöhte Schutzbedürftigkeit des Instituts.214) cc)

Eingriffsbefugnisse auf Gruppenebene

§ 45 Abs. 3 KWG erstreckt die Eingriffsbefugnisse der BaFin aus den Absätzen 1 und 2 152 Satz 1 Nr. 1 – 3 und 5 – 7 auf Institutsgruppen, Finanzholding-Gruppen und gemischte Finanzholding-Gruppen i. S. des § 10a KWG sowie auf Institute, die nach Art. 22 CRR zur Unterkonsolidierung verpflichtet sind.215) Adressat der Anordnungen nach § 45 Abs. 3 KWG, die die Eigenmittel der gruppenangehörigen Unternehmen insgesamt betreffen, kann nur das übergeordnete Unternehmen oder das Institut nach Art. 22 CRR sein. Gegenüber nachgeordneten Unternehmen kommen Maßnahmen nur dann in Betracht, wenn sie für sich allein betrachtet die Eigenmittel- oder Liquiditätsanforderungen (voraussichtlich) nicht erfüllen.216) Um überwachen zu können, wie sich die Solvenz und die Großkreditrisiken der einzelnen 153 Unternehmen in einer Gruppe entwickeln und bei Fehlentwicklungen rechtzeitig eingreifen zu können,217) hat die BaFin die Befugnis, von gruppenangehörigen Instituten, die auf Einzelinstitutsebene nach § 2a Abs. 1 KWG (sog. Waiver) freigestellt sind, zu verlangen, dass sie die Solvenz- und Großkreditvorschriften der CRR vorübergehend vollständig oder teilweise wieder anwenden. Dies hat zur Folge, dass die betroffenen gruppenangehörigen Institute die Solvabilitätskennziffern und Großkreditgrenzen einzeln einhalten müssen. Können sie dies nicht, liegt ein Tatbestand des § 45 KWG vor, welcher es der BaFin erlaubt, gegenüber dem Einzelinstitut einzuschreiten.218) c)

Maßnahmen bei organisatorischen Mängeln (§ 45b KWG)

Für verbleibende Probleme hinsichtlich einer nicht ordnungsgemäßen Geschäftsorganisa- 154 tion – außerhalb von Eigenkapital und Liquidität – hat die BaFin Befugnisse nach § 45b KWG und nach § 25c Abs. 4c KWG (Reaktion auf fortwirkende organisatorische Mängel i. S. von § 25a KWG). Das Instrumentarium ist dabei teilweise deckungsgleich, insbesondere was die Verringerung der Kreditgewährung und die Maßnahmen zur Reduzierung von geschäfts-, produkt- oder systemnutzungsbedingten Risiken betrifft. Während die BaFin Maßnahmen nach § 45 KWG nur ergreifen kann, wenn die erkannten Risiken in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Nichteinhaltung der Eigenkapitalkennziffern stehen, kann sie dieselben Maßnahmen nach § 45b KWG auch dann ergreifen, wenn die Eigenkapitalkennziffern eingehalten werden. Voraussetzung ist dann aber, dass die Risiken im direkten Zusammenhang mit einer nicht ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation nach § 25a KWG stehen. § 45b Abs. 1 KWG stellt nach seiner Neufassung nunmehr ausdrücklich fest, dass die BaFin „auch bereits vor oder gemeinsam“ mit einer Anordnung nach § 25a KWG Maßnahmen nach § 45b KWG anordnen kann. Ziel ist es u. a. durch z. B. zusätzliche Androhung einer Maßnahme nach § 45b KWG Druck auf das betroffene Institut ___________ 214) Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 45 Rz. 15. 215) Die Möglichkeit eines Kreditverbotes (§ 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KWG) wurde für Gruppen nicht übernommen, da die Gruppe selbst keine Rechtspersönlichkeit hat und somit kein Kreditgeber sein kann. Würde man ein Kreditverbot nur gegenüber dem übergeordneten Institut aussprechen, würde man dieses unbillig beschweren, vgl. Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 45 Rz. 26. 216) Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 45 Rz. 26. 217) Reischauer/Kleinhans-Bitterwolf, KWG, § 45 Rz. 26. 218) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45 KWG Rz. 132.

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

auszuüben, sodass die unzureichende Geschäftsorganisation schnell beseitigt wird und dem Institut keine großen Schäden entstehen.219) aa)

Einzelne Eingriffsbefugnisse

155 § 45b Abs. 1 KWG enthält einen nicht abschließend zu verstehenden („insbesondere“) Katalog an drei einzeln gruppierten Aufsichtsmaßnahmen. x

Nach Nr. 1 des Maßnahmenkatalogs kann die BaFin Maßnahmen zur Reduzierung von Risiken ergreifen. Voraussetzung ist, dass sich diese Risiken aus dem Betreiben bestimmter Arten von Geschäften und Produkten oder der Nutzung bestimmter Systeme oder dem Outsourcing ergeben.

x

Die Nr. 2 des Katalogs ermächtigt die BaFin dazu, die Errichtung von Zweigstellen durch ein Institut von ihrer Zustimmung abhängig zu machen.

x

Nach Nr. 3 des Katalogs kann die BaFin ein (partielles) Verbot für die Entgegennahme von Einlagen, Geldern oder Wertpapieren sowie für die Gewährung von Krediten aussprechen.

156 Neben dem Maßnahmenkatalog nach Absatz 1 kann die BaFin in den in Absatz 2 Satz 2 genannten Fällen auch die Schließung und Abwicklung sowie die Beschränkung der Geschäftstätigkeit von Zweigniederlassungen in Drittstaaten (Abs. 2 Satz 2) anordnen. bb)

Eingriffsbefugnisse auf Gruppenebene

157 § 45b Abs. 2 KWG erstreckt die Handlungsbefugnisse der BaFin aus Absatz 1 auf Institutsgruppen, Finanzholding-Gruppen und gemischte Finanzholding-Gruppen, wenn diese die nach § 25a Abs. 1a KWG jeweils auf Gruppenebene zu beachtende organisatorischen Mindestanforderungen nicht einhalten. Dabei ist das übergeordnete Unternehmen für die Einhaltung verantwortlich. d)

Weitere Eingriffsbefugnisse

158 Neben den oben genannten Maßnahmen hat die BaFin weitere Eingriffsbefugnisse. Erwähnt werden sollen hier nur die Befugnisse nach § 23 KWG und § 6 KWG. aa)

Untersagung von bestimmten Arten der Werbung (§ 23 KWG)

159 Nach § 23 Abs. 1 KWG kann die BaFin Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten (§ 1 Abs. 1b KWG) bestimmte Arten der Werbung untersagen. Diese Untersagungsverfügungen können in der Form der Einzelverfügung oder der Allgemeinverfügung nach § 35 Satz 2 VwVfG erfolgen, wobei Voraussetzung ist, dass die Verfügung erfolgen muss, um einen Missstand in der Werbung zu begegnen.220) Der Missstand definiert sich im Lichte der in § 6 Abs. 2 KWG vorausgesetzten Zwecke des KWG und kommt in Betracht, „wenn bestimmte Werbemaßnahmen Nachteile für das Vertrauen in die Kreditwirtschaft hervorrufen oder die ordnungsgemäße Geschäftsabwicklung oder Gesamtinteressen der Wirtschaft beeinträchtigen können“.221) Die Art der Werbung kann zum einen das Werbemedium wie z. B. Werbung per Telefon betreffen und zum anderen sich auf den Inhalt der Werbemaßnahme, also die Aussage der Werbung, beziehen.222) Bis heute hat die BaFin noch keine Untersagungsverfügung erlassen und auch das frühere BAKred hat seit Auf___________ 219) 220) 221) 222)

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Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45b KWG Rz. 12. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, KWG/CRR-VO, § 23 KWG Rz. 20. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, KWG/CRR-VO, § 23 KWG Rz. 8. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, KWG/CRR-VO, § 23 KWG Rz. 18.

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§ 13

IV. Eingriffsinstrumente und Sanktionen

hebung des Wettbewerbsabkommens nur zweimal Werbemaßnahmen untersagt, indem es jeweils eine Allgemeinverfügung wählte.223) bb)

Befugnisse nach § 6 KWG

In § 6 KWG sind neben den Aufgaben der BaFin auch Befugnisse geregelt. Die in § 6 160 Abs. 1 KWG enthaltene generalklauselartige Anordnungsbefugnis scheint heute aufgrund der ausdrücklichen Anordnungskompetenz in dem später eingefügten224) Absatz 3 als obsolet.225) § 6 Abs. 3 KWG räumt der BaFin die Kompetenz ein, bei Verstößen gegen sämtliche aufsichtsrechtliche Bestimmungen oder um einem Missstand zu verhindern/zu beseitigen, Anordnungen im Wege von Verwaltungsakten gegenüber Instituten und deren Geschäftsleitern sowie gegenüber (gemischten) Finanzholdinggesellschaften und deren Leitungspersonen zu erlassen. Zweck dieser Anordnungskompetenz ist, dass die BaFin nicht nur informelle Maßnahmen ergreifen, sondern ihre Vorstellungen auch durch eine Anordnung kurzfristig und effizient durchsetzen kann.226) Die Anordnungsbefugnis nach Absatz 3 ergänzt als Generalklausel die weiteren ausdrücklich geregelten Kompetenzen der BaFin.227) Greift Absatz 3 nicht ein, eröffnet Absatz 2 der BaFin die Möglichkeit, rechtlich unver- 161 bindliche, allgemeine Aufsichtshandlungen vorzunehmen um Missständen im gesamten228) Kredit- und Finanzdienstleistungsbereich entgegenzuwirken. 3.

Bußgelder

Das KWG unterscheidet zwischen strafwürdigen Gesetzesverstößen (§§ 54 – 55b KWG) 162 und bußgeldbewehrten Gesetzesverstößen (§§ 56, 59 KWG). In diesem Abschnitt werden allein diejenigen Verstöße behandelt, die mit einer Geldbuße geahndet werden und auf die in den obigen Ausführungen (siehe Rz. 127 ff. und Rz. 133 ff.) eingegangen wurde. Die zentrale Bußgeldnorm, § 56 KWG, enthält einen umfangreichen Bußgeldkatalog und 163 sieht nicht nur vorsätzliches, sondern auch fahrlässiges und leichtfertiges Handeln als ordnungswidrig an. § 56 KWG wurde in der Vergangenheit wiederholt grundlegend überarbeitet.229) Dabei wurde z. B. der Bußgeldrahmen erheblich erhöht sowie erstmals hinsichtlich der Höhe der Bußgelder gegen juristische Personen und Personenvereinigungen vom OWiG abgewichen. Grund für die Neuorganisation war zumeist die Umsetzung euro___________ 223) Vgl. weiter zu einzelnen Fallbeispielen Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, KWG/CRR-VO, § 23 KWG Rz. 10. 224) Die Anordnungskompetenz der BaFin wurde zunächst durch Einführung des § 6 Abs. 3 Alt. 2 KWG aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften – Sechste KWG-Novelle, v. 22.10.1997, BGBl. I 1997, 2518, in § 6 KWG aufgenommen. Durch das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland – Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, v. 21.6.2002, BGBl. I 2002, 2048, wurde in § 6 Abs. 3 Alt. 1 KWG der BaFin eine ausdrückliche Anordnungskompetenz eingeräumt. 225) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 6 KWG Rz. 7; so auch Erbs/KohlhaasHäberle, Strafrechtliche Nebengesetze, § 6 Rz. 2. 226) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 6 KWG Rz. 7; so auch Erbs/KohlhaasHäberle, Strafrechtliche Nebengesetze, § 6 Rz. 58. 227) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 6 KWG Rz. 61. 228) Zum Meinungsstreit, ob Absatz 2 die BaFin nur zum Entgegenwirken bei einem Missstand bei einer Vielzahl von Instituten berechtigt, vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 6 KWG Rz. 32. 229) Z. B. durch das CRD IV-Umsetzungsgesetz und zuletzt das Erste Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte – Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz (1. FiMaNoG), v. 30.6.2016, BGBl. I 2016, 1514.

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§ 13

Laufende Aufsicht, Eingriffsinstrumente und Sanktionen

päischer Vorgaben, sodass von einer „Tendenz der Europäisierung des Sanktionsrechts“230) gesprochen werden kann. 164 In den Ordnungswidrigkeitsverfahren verfolgt und ahndet die BaFin als Verwaltungsbehörde selbst die Tat (§ 60 KWG i. V. m. § 35 OWiG). Zur Ahndung der Ordnungswidrigkeit erlässt die BaFin einen Bußgeldbescheid, gegen den der Betroffene nach § 67 OWiG innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift bei der BaFin Einspruch einlegen kann. a)

Zuwiderhandlung gegen Erlaubnisaufhebung oder Abberufungsanordnung

165 In § 56 Abs. 1 KWG wird bestimmt, dass derjenige ordnungswidrig handelt, der entgegen einer vollziehbaren Anordnung der BaFin, einen Geschäftsleiter nicht abberuft oder der als Geschäftsleiter entgegen einer vollziehbaren Anordnung seine Tätigkeit fortsetzt (§ 36 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 KWG). Gleiches gilt für die Abberufung eines Mitglieds des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans (§ 36 Abs. 3 KWG). 166 Eine Anordnung auf Grundlage des § 36 KWG ist sofort vollziehbar, d. h. Anfechtungsklage und Widerspruch haben grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung (§ 49 KWG). Allerdings kann die BaFin von sich aus oder auf Antrag des Betroffenen die Vollziehung aussetzen (§ 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Das betroffene Institut hat zudem die Möglichkeit beim Gericht der Hauptsache zu beantragen, dass die aufschiebende Wirkung angeordnet wird (§ 80 Abs. 5 VwGO). Die Bedeutung der Vorschrift ergibt sich zum einen aus der Nennung dieser Ordnungswidrigkeit in einem eigenen Absatz zu Beginn des § 56 KWG und zum anderen aufgrund des herausgehobenen Bußgeldrahmens mit dem Höchstsatz von bis zu 500.000 €. b)

Verstöße gegen weitere Bestimmungen des KWG

167 § 56 Abs. 2 KWG listet in einem Katalog diejenigen Verstöße als strafbar auf, die ein vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln voraussetzen. Aufgeführt werden hier Pflichten, die sich aus dem KWG selbst oder einer Rechtsverordnung ergeben. Dabei handelt es sich zumeist um Anzeige- und Einreichungsvorschriften.231) Absatz 2 führt z. B. auch Verstöße gegen vollziehbare Anordnungen bei Maßnahmen zur Verbesserung der Eigenmittelausstattung und der Liquidität (§ 56 Abs. 2 Nr. 3 lit. j KWG i. V. m. § 45 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 3, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 Satz 5 KWG) und bei Maßnahmen zur Beseitigung von organisatorischen Mängeln (§ 56 Abs. 2 Nr. 3 lit. l KWG § 45b Abs. 1 KWG) auf. Das Bußgeld für die beiden zuvor genannten Verstöße beträgt maximal 200.000 € (§ 56 Abs. 6 Nr. 3 KWG). 168 Weiterhin wird i. R. von Absatz 2 z. B. derjenige als ordnungswidrig handelnd qualifiziert, der eine Maßnahme bei Auskünften und Prüfungen (§ 56 Abs. 2 Nr. 16 lit. a, b i. V. m. § 44 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 4, Abs. 4 Satz 3, Abs. 5 Satz 4 KWG) nicht duldet. Entsprechende Handlungen sind mit bis zu 100.000 € bußgeldbewehrt (§ 56 Abs. 6 Nr. 4 KWG). c)

Bußgeldrahmen

169 Die Höhe der Geldbuße ist in § 56 Abs. 6 KWG geregelt und sieht i. R. einer vierstufigen Kategorisierung Geldbußen zwischen 100.000 € und 5 Mio. € vor. Zum Beispiel kann die Zuwiderhandlung gegen eine Erlaubnisaufhebung oder eine Abberufungsanordnung mit ___________ 230) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 56 KWG Rz. 1. 231) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 56 KWG Rz. 6.

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§ 13

IV. Eingriffsinstrumente und Sanktionen

einer Geldbuße von bis zu 500.000 € geahndet werden. Ein Verstoß gegen § 25a Abs. 2 Satz 2 KWG (ordnungsgemäße Geschäftsorganisation) kann hingegen sogar mit dem Höchstsatz von bis zu 5 Mio. € belangt werden. Zudem ist aufgrund der in § 56 Abs. 6 KWG fehlenden Unterscheidung zwischen vorsätzlichem, leichtfertigem oder fahrlässigem Handeln bei der Bußgeldbemessung § 17 Abs. 2 OWiG ergänzend heranzuziehen. Dieser bestimmt, dass sich der Bußgeldrahmen einer fahrlässig begangenen Tat um die Hälfte reduziert.232) Daneben ist zu beachten, dass nach den § 56 Abs. 7 und 8 KWG der in Absatz 6 festgelegte Bußgeldrahmen auch überschritten werden kann, sofern die verhängte Geldbuße nicht ausreicht, um den wirtschaftlichen Vorteil, der aus der Tat gezogen wurde, abzuschöpfen.

___________ 232) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 56 KWG Rz. 13.

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Teil III Bankenrestrukturierung und Bankenabwicklung

§ 14 Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

Benzing

Übersicht I. II. 1. 2.

Einführung .................................................. 1 Der institutionelle Aufbau des SRM ........ 7 Grundlagen ................................................... 7 Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB) und interne Abwicklungsteams (IRTs) ......................................................... 10 a) Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB)........................................ 10 aa) Rechtsnatur und Zusammensetzung.......................................... 11 bb) Entscheidungsverfahren .............. 15 (1) Plenarsitzung................................ 16 (2) Präsidiumssitzung ........................ 20 b) Direktionen und interne Abwicklungsteams (Internal Resolution Teams – IRTs)..................................... 24 c) Beschwerdeausschuss (SRB Appeal Panel) ........................................... 27 3. Nationale Abwicklungsbehörden (NRAs)....................................................... 30 4. Einheitlicher Abwicklungsfonds (SRF).... 32 III. Zuständigkeitsverteilung und Verfahren im SRM.................................... 40 1. Persönliche, sachliche und räumliche Begrenzung der Zuständigkeiten im SRM ............................................................ 40 a) Persönliche Zuständigkeit .................. 41 b) Sachliche Zuständigkeit ...................... 42 c) Räumliche Zuständigkeit .................... 43 2. Direkte Zuständigkeit des SRB und Verfahren nach der SRM-VO.................... 44 a) Grundlagen: Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse des SRB ..... 44 b) Zuständigkeiten und Befugnisse im Bereich des frühzeitigen Eingreifens................................................. 53 c) Zuständigkeiten und Befugnisse in der Abwicklungsplanung .................... 55 aa) Abwicklungspläne ........................ 55 bb) Bewertung der Abwicklungsfähigkeit und Beseitigung von Abwicklungshindernissen............ 57

cc) M-MDA........................................ 61 dd) Festlegung der MREL-Quote ..... 62 ee) Informationsrechte ...................... 67 d) Zuständigkeiten und Befugnisse zur Herabschreibung und Umwandlung von Kapitalinstrumenten und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten................................ 68 e) Zuständigkeiten und Befugnisse in der Abwicklung ................................... 71 3. Direkte Zuständigkeit der NRAs und Steuerung durch das SRB........................... 89 a) Grundlagen: Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse der NRAs ................................................... 89 b) Zuständigkeiten und Befugnisse in der Abwicklungsplanung .................... 92 c) Zuständigkeiten und Befugnisse zur Herabschreibung und Umwandlung von Kapitalinstrumenten und in der Abwicklung ................. 95 d) Steuerungsmöglichkeiten des SRB..... 96 IV. Rechtsschutz im SRM ............................ 103 1. Beschwerdeausschuss (SRB Appeal Panel) ........................................................ 104 a) Zulässigkeit der Beschwerde ............ 104 b) Keine aufschiebende Wirkung.......... 109 c) Begründetheit der Beschwerde......... 110 d) Verfahren ........................................... 111 2. Gerichtlicher Rechtsschutz ..................... 115 a) Zulässigkeit – Rechtsschutzfragen im Mehrebenensystem des SRM ...... 116 aa) Mögliche Bestandskraft der SRB-Entscheidung ..................... 117 bb) Unmittelbare und individuelle Betroffenheit .............................. 119 cc) Klagefrist .................................... 121 dd) Verpflichtendes Vorverfahren... 125 b) Begründetheit .................................... 126 aa) Form und Zustandekommen des Rechtsakts ............................ 127 bb) Begründungspflicht.................... 128

Literatur: Adolff/Häller, Bail-in im Lichte des EU-Bankenpakets: Das Zusammenspiel von MREL, TLAC und TLOF, ZBB 2019, 369; Bauerschmidt, Der einheitliche Bankenabwicklungsmechanismus: Legalität und Legitimation einer neuartigen Konstruktion, in: Bauerschmidt/Fassbender/Müller/ Siehr/Unseld, Konstitutionalisierung in Zeiten globaler Krisen, 2015, S. 347; Binder, Wunderkind is Walking? The Resolution of Banco Popular as a First Test for the Single Resolution Mechanism, OBLB, v. 14.6.2017, https://www.law.ox.ac.uk/business-law-blog/blog/2017/06/wunderkind-walking-

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resolution-banco-popular-first-test-single (Abrufdatum: 10.5.2020); Busch, Governance of the Single Resolution Mechanism, in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, 2015, Kap. 9; Calliess/ Schoenfleisch, Die Bankenunion, der ESM und die Rekapitalisierung von Banken, JZ 2015, 113; Chirulli/ De Lucia, Specialised Adjudication in EU Administrative Law: The Boards of Appeal of EU Agencies, ELR 2015, 832; Fabbrini, On Banks, Courts and International Law. The Intergovernmental Agreement on the Single Resolution Fund in Context, MJ 2014, 444; de Gregorio Merino, Institutional Report, in: Bándi/Darák/Halustyik/Láncos, European Banking Union, XXVII. FIDE Congress Proceedings, Bd. 1, 2016, S. 151; Grünewald/Lackhoff, Die Bankenunion der EU und ihre Auswirkungen auf den Drittstaat Schweiz, 2. Teil: Der Einheitliche Abwicklungsmechanismus, GesKR 2016, 139; Herinckx, Judicial Protection in the Single Resolution Mechanism, in: Houben/Vandenbruwaene, The Single Resolution Mechanism, 2017, S. 77; Hübner/Leunert, Sanierung und Abwicklung von Banken nach SAG und SRM-VO, ZIP 2015, 2259; Kämmerer, Rechtsschutz in der Bankenunion (SSM, SRM), WM 2016, 1; Lackhoff/Yoo/Bauerfeind, Einführung in die Ratio und Funktionsweise der Abwicklungsregeln für Banken, WM 2019, 1677; Loosveld, Appeals Against Decisions of the European Supervisory Authorities, JIBLR 2013, 9; Ohler, Europäische Bankenunion. Deutscher Landesbericht, EuR 2016 (Beilage 2), S. 7; Schmitt/Bär, Rechtsschutz gegen Abwicklungsmaßnahmen, WM 2016, 493; Skauradszun, Europäisches Bankenabwicklungsrecht: Das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss nach Art. 85 SRM-VO (Teil I), WM 2017, 1041 und (Teil II), WM 2017, 1085; Steiblytơ, Delegation of tasks within Union institutions: scope for action for agencies in the light of the Meroni judgement, in: ESCB Legal Conference 2018, S. 66, https://www.ecb.europa.eu/pub/ pdf/other/ecb.escblegalconferenceproceedings201812.en.pdf (Abrufdatum: 21.4.2020); Teixeira, The Legal History of Banking Union, EBoR 2017, 535; Tridimas, General Report, in: Bándi/Darák/ Halustyik/Láncos, European Banking Union, XXVII. FIDE Congress Proceedings, Bd. 1, 2016, S. 67; Witte, Standing and Judicial Review in the New EU Financial Markets Architecture, JFR 2015, 226; Wojcik, Bail-in in the Banking Union, CMLR 2016, 91; Wojcik/Ceyssens, Der einheitliche EUBankenabwicklungsmechanismus: Vollendung der Bankenunion, Schutz des Steuerzahlers, EuZW 2014, 893; Yoo, Failing or likely to fail but no resolution, in: ESCB Legal Conference 2018, S. 139, https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/ecb.escblegalconferenceproceedings201812.en.pdf (Abrufdatum: 10.5.2020). Verlautbarungen des Financial Stability Board (FSB): FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 10/2011, Stand: 10/2014, www.financialstabilityboard.org/wpcontent/uploads/r_141015.pdf (Abrufdatum: 10.5.2020). Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/ 879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2017 über die Unionsmarke, ABl. (EU) L 154/1 v. 16.6.2017; Rat, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2015/81 des Rates v. 19.12.2014 zur Festlegung einheitlicher Modalitäten für die Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zum einheitlichen Abwicklungsfonds, ABl. (EU) L 15/1 v. 22.1.2015; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des

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Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

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Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (EBA-VO Nr. 1093/2010), ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010; EP/Rat, Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.2.2008 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Europäischen Agentur für Flugsicherheit, ABl. (EU) L 79/1 v. 19.3.2008. Verlautbarungen des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): Rat, Beschluss (EU) 2016/ 228 des Rates v. 14.7.2015 über das Abwicklungsverfahren, ABl. (EU) L 41/20 v. 18.2.2016; Rat (ECOFIN), Statement on Banking Union and bridge financing arrangements for the Single Resolution Fund, v. 8.12.2015, http://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2015/12/08-statementby-28-ministers-on-banking-union-and-bridge-financing-arrangements-to-srf/; EP, Entschließung mit Empfehlungen an die Kommission zu einem grenzübergreifenden Krisenmanagement im Bankensektor, v. 7.7.2010 (P7_TA(2010)0276), https://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-// EP//TEXT+TA+P7-TA-2010-0276+0+DOC+XML+V0//DE#BKMD-21; (Abrufdatum jew. 10.5.2020). Verlautbarungen des Europäischen Rates (Europ. Rat): Europ. Rat, Tagung des Euro-Gipfels v. 14.12.2018, Erklärung (EUCO 503/18), https://www.consilium.europa.eu/media/37599/14-eurosummitstatement-de.pdf; Europ. Rat, Tagung v. 13./14.12.2012, Schlussfolgerungen (EUCO 205/12), https:// www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/de/ec/134375.pdf; (Abrufdatum jew. 10.5.2020). Rechtsakte und Verlautbarungen der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Report from the Commission to the European Parliament and the Council on the application and review of Directive 2014/59/EU (Bank Recovery and Resolution Directive) and Regulation 806/2014 (Single Resolution Mechanism Regulation), v. 30.4.2019, COM(2019) 213 final, https://ec.europa.eu/ transparency/regdoc/rep/1/2019/EN/COM-2019-213-F1-EN-MAIN-PART-1.PDF; Kommission, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No. 1024/2013, v. 11.10.2017, COM(2017) 591 final, https:// ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2017/DE/COM-2017-591-F1-DE-MAIN-PART-1.PDF; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2016/1075 der Kommission v. 23.3.2016 zur Ergänzung der BRRD durch technische Regulierungsstandards, in denen der Inhalt von Sanierungsplänen, Abwicklungsplänen und Gruppenabwicklungsplänen, die Mindestkriterien, anhand deren die zuständige Behörde Sanierungs- und Gruppensanierungspläne zu bewerten hat, die Voraussetzungen für gruppeninterne finanzielle Unterstützung, die Anforderungen an die Unabhängigkeit der Bewerter, die vertragliche Anerkennung von Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnissen, die Verfahren und Inhalte von Mitteilungen und Aussetzungsbekanntmachungen und die konkrete Arbeitsweise der Abwicklungskollegien festgelegt wird, ABl. (EU) L 184/1 v. 8.7.2016; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2016/451 der Kommission v. 16.12.2015 zur Festlegung allgemeiner Grundsätze und Kriterien für die Anlagestrategie und von Regeln zur Verwaltung des einheitlichen Abwicklungsfonds, ABl. (EU) L 79/2 v. 30.3.2016; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2015/63 der Kommission v. 21.10.2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zu Abwicklungsfinanzierungsmechanismen, ABl. (EU) L 11/44 v. 17.1.2015; Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Bankenabwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates, v. 10.7.2013, COM(2013) 520 final, https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM: 2013:0520:FIN:DE:PDF; (Abrufdatum jew. 10.5.2020). Verlautbarungen der European Banking Authority (EBA): EBA, Leitlinien zur Festlegung von Maßnahmen zum Abbau und zur Beseitigung von Abwicklungshindernissen und den Umständen, unter denen die jeweiligen Maßnahmen gemäß Richtlinie 2014/59/EU ergriffen werden können, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/11), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/1110533/EBA-GL2014-11+GL+on+Powers+to+address+resolvability_DE.pdf/60f99759-ba25-4a98-8f891c942ebeb218 (Abrufdatum: 10.5.2020). Verlautbarungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ECB): ECB, „Failing or Likely to Fail“ Assessment of ABLV Bank Luxembourg, S. A., 23.2.2019, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.2019_FOLTF_assessment_ABLV_Bank_Lux_SA~665e 342603.en.pdf; ECB, „Failing or Likely to Fail“ Assessment of AS PNB Banka, v. 15.8.2019, https:// www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.FOLTF_assessment_for_AS_PNB_Banka~48 c61bec79.en.pdf; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, v. 3/2019, https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/publications/annual-report/html/ssm.ar2018~927cb99de4.de.html; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, v. 3/2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ press/publications/annual-report/pdf/ssm.ar2017.de.pdf; ECB, Opinion on revisions to the Union

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Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

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(EU) L 141/1 v. 14.5.2014; (Abrufdatum jew. 10.5.2020). Verlautbarungen des Single Resolution Board (SRB): SRB, Expectations for Banks 2020, https:// srb.europa.eu/sites/srbsite/files/efb_main_doc_final_web_0.pdf; SRB, Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities (MREL) – SRB Policy under the Banking Package, Stand: 2020, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/srb_mrel_policy_update_2020.pdf; SRB, Decision determining whether compensation needs to be granted to the shareholders and creditors in respect of which the resolution actions concerning Banco Popular Español S.A. have been effected, v. 17.3.2020, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/srb_ees_2020_52_final_decision_en.pdf; SRB, Expectations for Banks 2019, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/srb_expectations_for_banks_2019.pdf; SRB, Annual Report 2018, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/srb_annual_report_2018.pdf; SRB, Decision of the Plenary Session of the Board establishing the framework for the practical arrangements for the cooperation within the Single Resolution Mechaism between the Single Resolution Board an National Resolution Authorities – SRM-Rahmenbeschluss (SRM-RB), v. 17.12.2018 (SRB/PS/2018/15), https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/decision_of_the_srb_on_cofra.pdf; SRB, Annual Report 2017, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/srb_annual_report_2017_en_0.pdf; SRB, The SRB will not take resolution action in relation to Banca Popolare di Vicenza and Veneto Banca, Press release of 12.12.2017, https://srb.europa.eu/en/node/341; SRB, Decision concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Veneto Banca S.p.A., v. 23.6.2017, https://srb.europa.eu/sites/ srbsite/files/srb-ees-2017-11_non-confidential.pdf; SRB, Decision concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Banca Popolare di Vicenza S.p.A., v. 23.6.2017, https:// srb.europa.eu/sites/srbsite/files/srb-ees-2017-12_non-confidential.pdf; SRB, The Single Resolution Board adopts resolution decision for Banco Popular, Beschluss v. 7.6.2017, https://srb.europa.eu/ en/content/banco-popular; SRB-Beschwerdeausschuss, Geschäftsordnung – SRB-BA-GO, v. 10.4.2017 (Konsolidierte Fassung), https://srb.europa.eu/en/content/procedure; SRB, Annual Report 2016, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/srb_2017.2496_annual_report_2016_web.pdf; SRB, The Single Resolution Mechanism, Introduction to Resolution Planning, 2016, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/ files/intro_resplanning.pdf.pdf; SRB-Beschwerdeausschuss, Decision on Admissibility, Case 1/16, v. 23.9.2016, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/extract_apdecision-on-admissability_20160923.pdf; SRB, List of other cross-border groups, v. 6.6.2016, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/for_ publication_srb_website_list_of_other_cross_border_groups_6june2016_1.pdf; SRB, Beschluss der Plenarsitzung des Ausschusses zur Annahme der Geschäftsordnung des SRB in seiner Plenarsitzung – SRB-GO-PlenS, v. 29.4.2015 (SRB/PS/2015/9), https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/srb-rulesof-procedure-plenary-session_en.pdf; SRB, Beschluss der Plenarsitzung des Ausschusses zur Annahme der Geschäftsordnung des SRB in seiner Präsidiumssitzung – SRB-GO-PräsS, v. 29.4.2015 (SRB/PS/ 2015/8), https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/srb-rules-of-procedure-executive-session_en.pdf; (Abrufdatum jew. 10.5.2020). Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): BaFin, Jahresbericht 2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Jahresbericht/dl_jb_2018.pdf?__blob= publicationFile&v=6 (Abrufdatum: 21.4.2020). Verlautbarungen der Deutschen Bundesbank (Bundesbank): Bundesbank, Monatsbericht 6/2019, https://www.bundesbank.de/resource/blob/798776/3ce4971669883a1c2b58cfb4305a6f52/mL/2019-06monatsbericht-data.pdf; Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, https://www.bundesbank.de/resource/ blob/597960/dd83e26b 877c117f49541db06dda8aa1/mL/2014-06-europ-regeln-sanierung-ki-data.pdf; (Abrufdatum jew. 10.5.2020).

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Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

§ 14

Weitere Verlautbarungen: Eurogroup, Draft Board of Governors Resolution for Annulment of the Direct Recapitalisation Instrument, v. 4.12.2019, https://www.consilium.europa.eu/media/41671/ 20191206-draft-bog-resolution-3-annulment-of-the-dri.pdf; Eurogroup, Draft Board of Governors resolution for the nominal cap and the provisions on the procedure for the verification of compliance with the condition of the permanence of the legal framework for bank resolution, v. 4.12.2019, https://www.esm.europa.eu/sites/default/files/20191206_-_draft_bog_resolution_1_-_nominal_cap_-_ publication_version.pdf; Eurogroup, Draft Guideline on the Backstop Facility to the SRB for the SRF, v. 4.12.2019, https://www.consilium.europa.eu/media/41668/20191206-draft-backstop-guideline.pdf; Eurogroup, DRAFT revised text of the treaty establishing the European Stability Mechanism as agreed by the Eurogroup on 14.6.2019, https://www.consilium.europa.eu/media/39772/revised-esmtreaty-2.pdf; Eurogroup, Terms of reference of the common backstop to the Single Resolution Fund, v. 4.12.2018, https://www.consilium.europa.eu/media/37268/tor-backstop_041218_final_clean.pdf; Eurogroup, Term sheet on the European Stability Mechanism reform, v. 4.12.2018, https:// www.consilium.europa.eu/media/37267/esm-term-sheet-041218_final_clean.pdf; Fondo de Reestructuración Ordenada Bancaria (FROB), Resolution of the FROB Governing Committee adopting the measures required to implement the Decision of the Single Resolution Board in its Extended Executive Session of 7 June 2017 concerning the adoption of the resolution scheme in respectof Banco Popular Español, S.A., Umsetzungsbeschluss, v. 7.6.2017 abrufbar unter http://www.frob.es/en/Lists/ Contenidos/Attachments/419/ProyectodeAcuerdoreducido_EN_v1.pdf; (Abrufdatum jew. 10.5.2020).

I.

Einführung

Nachdem während der Finanzkrise verschiedene, in eine finanzielle Schieflage geratene 1 Banken von den jeweiligen Sitzstaaten unter Einsatz von Steuergeldern unterstützt werden mussten (sog. Bail-out), wurde zunächst auf internationaler1) und sodann auch auf europäischer Ebene gefordert, der (mit Risiken für die Systemstabilität verbundenen) Insolvenz und dem (u. U. mit Moral Hazard verbundenen) Bail-out ein drittes Regime zur Seite zu stellen. Dieses sollte die geordnete Abwicklung von Banken unter Vermeidung der Gefahren für die Finanzstabilität und ohne Einsatz von Steuergeldern ermöglichen. Im Gegensatz zum materiellen Bankaufsichtsrecht, das jeweils bereits seit Jahren auf der 2 Agenda des europäischen Gesetzgebers steht, ist das Recht der Bankensanierung und -abwicklung ein europäisches Novum. Anders als der SSM (Single Supervisory Mechanism), der materiell-rechtlich auf das bereits bestehende Aufsichtsrecht aufbauen konnte, wurde der Single Resolution Mechanism (SRM) als institutionelle Komponente und „zweite Säule“ der Bankenunion parallel zum materiellen Abwicklungsrecht entwickelt. Die das materielle Recht im Wesentlichen harmonisierende Bankensanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (Bank Recovery and Resolution Directive – BRRD) wurde am 15.5.2014 verabschiedet.2) Sie enthält zwar auch Vorgaben für die institutionelle und organisatorische Ausgestaltung des nationalen Abwicklungsrechts, indem sie etwa die Errichtung nationaler Abwicklungsbehörden und Mechanismen zur behördlichen Kooperation insbesondere im Fall grenzüberschreitender Abwicklungsszenarien vorsieht, eine Vergemeinschaftung der Zuständigkeit und Verfahren findet jedoch nicht statt.3) Erste Forderungen nach einer Zentralisierung der Abwicklungszuständigkeit auf euro- 3 päischer Ebene stellte das Europäische Parlament bereits 2010 mit der Empfehlung auf, eine europäische Abwicklungsstelle bei der EBA anzusiedeln (vgl. ErwG 6 SRM-VO).4) ___________ 1)

2) 3) 4)

Vgl. die Schlüsselmerkmale des FSB für ein effektives Sanierungs- und Abwicklungsregime für Finanzinstitute, FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 10/2011; die Schlüsselmerkmale wurden am 15.10.2014 aktualisiert. Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014. Vgl. Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, S. 31, 34; de Gregorio Merino in: Bándi/Darák/Halustyik/ Láncos, European Banking Union, Bd. 1, S. 151, 198. EP, Entschließung mit Empfehlungen an die Kommission zu einem grenzübergreifenden Krisenmanagement im Bankensektor, v. 7.7.2010 (P7_TA(2010)0276).

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§ 14

Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 13./14.12.2012 kamen die Staatsund Regierungschefs der EU überein, dass neben dem SSM „auch ein einheitlicher Abwicklungsmechanismus erforderlich ist, der mit den notwendigen Befugnissen ausgestattet ist, um sicherzustellen, dass jede Bank in den teilnehmenden Mitgliedstaaten mit geeigneten Instrumenten abgewickelt werden kann“.5) Der Vergemeinschaftung nicht nur der Aufsichts-, sondern auch der Abwicklungszuständigkeit zugrunde liegende Gedanke ist, dass die Zuständigkeiten für die prudenzielle Bankenaufsicht und für die Abwicklung nicht mehr überlebensfähiger Banken auf derselben Ebene liegen sollten, damit auf der Aufsichtsseite keine falschen Anreize gesetzt werden (vgl. ErwG 17 Satz 4 und 5 SRMVO).6) Darüber hinaus charakterisiert die SRM-VO die Ausübung der Aufsicht und der Abwicklung auf gleicher Ebene als sich ergänzende Aspekte der Schaffung des Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen (ErwG 11 Satz 5 SRM-VO) und betont, dass frühzeitiges Eingreifen und Abwicklung hierdurch schneller, kohärenter und wirkungsvoller werden (ErwG 16 Satz 2 SRM-VO). 4 Die Kommission veröffentlichte ihren Vorschlag für die SRM-VO am 10.7.2013.7) Nach der politischen Einigung zwischen Parlament und Rat im März 2014 wurde die SRM-VO am 15.7.2014 und damit nur wenige Wochen nach Verabschiedung der BRRD angenommen.8) Zu den Kernstreitpunkten in den Verhandlungen zählten neben der Rechtsgrundlage (Art. 114 AEUV)9) insbesondere die Einzelheiten zur Abwicklungsfinanzierung. 5 Am 20.5.2019 wurde – parallel zur Änderung der BRRD (BRRD II)10) – die Änderungsverordnung zur SRM-VO (SRM-VO II)11) verabschiedet. Wesentliche Inhalte der SRMVO II sind Anpassungen aufgrund des vom FSB im November 2015 verabschiedeten und nunmehr in Art. 92a und Art. 92b CRR i. d. F. CRR II12) umgesetzten internationalen Standards für die Gesamtverlustabsorptionsfähigkeit (Total Loss-Absorbing Capacity – TLAC), d. h. die Einführung einer gesetzlichen MREL-Mindestanforderung für global systemrelevante Institute (G-SRIs), die Änderung der Bemessungsgrundlagen der MRELQuote13) und die Einführung eines Nachrangerfordernisses für berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten.14) Darüber hinaus führt die SRM-VO II eine MREL-Mindestanforderung ___________ 5) Europ. Rat, Tagung v. 13./14.12.2012, Schlussfolgerungen (EUCO 205/12). 6) Vgl. auch Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, S. 31, 46 f.: „Gleichlauf von Haftung und Kontrolle“; Wojcik/Ceyssens, EuZW 2014, 893, 894; Busch in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, Rz. 9.07; Grünewald/Lackhoff, GesKR 2016, 139, 141. 7) Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates, v. 10.7.2013, COM(2013) 520 final. 8) Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014. 9) Dazu: Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, S. 31, 49 f.; Bauerschmidt in: Bauerschmidt/Fassbender/ Müller/Siehr/Unseld, Konstitutionalisierung in Zeiten globaler Krisen, S. 347, 353 ff.; de Gregorio Merino in: Bándi/Darák/Halustyik/Láncos, European Banking Union, Bd. 1, S. 151, 203 ff. 10) Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019. 11) Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019. 12) Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. 13) Die MREL-Quote wird nunmehr als prozentuales Verhältnis der Eigenmittel und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten zum Gesamtrisikopositionsbetrag (Total Risk Exposure Amount – TREA) gemäß Art. 92 Abs. 3 CRR einerseits (risikobasiert) und der für die Verschuldungsquote (Leverage Ratio) relevanten Gesamtrisikopositionsmessgröße (Total Exposure Measure oder Leverage Ratio Exposure – LRE) gemäß Artt. 429 und 429a CRR andererseits (nicht-risikobasiert) ermittelt (vgl. Art. 92a Abs. 1 CRR und Art. 12a Abs. 2 SRM-VO). 14) Zum Ganzen vgl. Bundesbank, Monatsbericht 6/2019, S. 31, insb. 43 ff., und Adolff/Häller, ZBB 2019, 369 ff.

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§ 14

II. Der institutionelle Aufbau des SRM

auch für sog. „Top-Tier-Banken“15) ein und ermöglicht es, auch kleinere Banken denselben Anforderungen zu unterwerfen (sog. „Fishing Option“).16) Letztere werden in der Diktion des SRB „Andere-Säule 1-Banken“ genannt (Other Pillar 1 Banks),17) hier aber den Top-Tier-Banken zugerechnet. Schließlich wird für G-SRIs und Top-Tier-Banken eine weitere gesetzliche Mindestquote i. H. von grundsätzlich 8 % der gesamten Verbindlichkeiten einschließlich Eigenmittel (Total Liabilities and Own Funds – TLOF) eingeführt, die mit Eigenmitteln und nachrangigen Verbindlichkeiten zu erfüllen ist,18) und klar zwischen externem und internem MREL unterschieden (siehe dazu auch § 18 Rz. 100 [Binder]). Mit Urteil vom 30.7.2019 entschied das BVerfG – trotz „nicht unerheblicher Bedenken“ 6 hinsichtlich der Errichtung einer unionalen Eigenverwaltung mit direkten Vollzugskompetenzen auf der Grundlage von Art. 114 AEUV –, dass die Errichtung des SRB bei strikter Auslegung der ihm zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse im Bereich der Bankenabwicklung jedenfalls nicht als „qualifizierte Kompetenzüberschreitung“ der EU zu qualifizieren ist.19) Der SRM ist daher aus deutscher Sicht verfassungskonform. II.

Der institutionelle Aufbau des SRM

1.

Grundlagen

Der SRM hat – ebenso wie der SSM (siehe dazu § 2 Rz. 10 [Glos/Benzing]) – keine 7 Rechtspersönlichkeit. Die Bezeichnung „einheitlicher Abwicklungsmechanismus“ ist lediglich ein Begriff, der den mit der SRM-VO errichteten hoch verdichteten Verwaltungsverbund20) beschreiben soll. Anders als die SSM-VO (vgl. die Begriffsbestimmung des „SSM“ in Art. 2 Abs. 9 SSM-VO und Art. 6 Abs. 1 Satz 2 SSM-VO) definiert die SRM-VO den Begriff „SRM“ nicht. Ist der SSM nach der SSM-VO ein „Finanzaufsichtssystem“, kann der SRM aber entsprechend als „Abwicklungssystem“ bzw. als einheitlicher europäischer Rahmen für die Abwicklung von Unternehmen21) (vgl. ErwG 122 SRM-VO) beschrieben werden. Aus ErwG 120 Satz 1 und Art. 1 Abs. 2 Satz 1 SRM-VO folgt, dass der SRM aus dem Einheitlichen Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board – SRB), dem Rat, der Kommission und den nationalen Abwicklungsbehörden (National Resolution Authorities – NRAs) der teilnehmenden Mitgliedstaaten besteht. Obgleich nicht Teil des SRM, sind an den Aufgaben im SRM die EZB22) und die nationa- 8 len zuständigen Behörden (National Competent Authorities – NCAs) jeweils in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsbehörden beteiligt. Der SRM wird durch den einheitlichen Ab___________ 15) Als „Top-Tier-Banken“ gelten gemäß Art. 12d Abs. 4 SRM-VO i. d. F. SRM-VO II Abwicklungseinheiten, die keine G-SRIs, aber Teil einer Abwicklungsgruppe mit einer Bilanzsumme von über 100 Mrd. € sind. 16) Die Voraussetzungen der Fishing Option werden in Art. 12d Abs. 5 SRM-VO festgelegt. Systemwidrig wird die Heraufstufung einer sonstigen Bank zu einer Top-Tier-Bank i. R. der Fishing Option nicht durch das SRB, sondern die NRA beschlossen. 17) Vgl. SRB, Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities (MREL) – SRB Policy under the Banking Package, Stand: 2020, S. 7. 18) Vgl. Art. 12c Abs. 4 SRM-VO i. d. F. SRM-VO II. 19) BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 231 ff., insb. Rz. 240 ff., NJW 2019, 3204. 20) Vgl. Begr. RegE AbwMechG, BT-Drucks. 18/5009, S. 43. 21) Vgl. auch Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, S. 31, 46: „gemeinsamer institutioneller Rahmen zur Entscheidungsfindung“, und de Gregorio Merino in: Bándi/Darák/Halustyik/Láncos, European Banking Union, Bd. 1, S. 151, 198: „EU system for the orderly resolution of failing banks“. 22) Hierzu auch: Manger-Nestler in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. II Rz. 82 ff.

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§ 14

Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

wicklungsfonds (Single Resolution Fund – SRF) unterstützt (Art. 1 Abs. 2 Satz 2 SRM-VO), den die SRM-VO als notwendige Ergänzung zum SRM bezeichnet (ErwG 19 SRM-VO). 9 Gemäß Art. 31 Abs. 1 SRM-VO hat das SRB in Zusammenarbeit mit den NRAs ein Rahmenwerk für die Gestaltung der praktischen Vereinbarungen zur Zusammenarbeit im SRM zu verabschieden und zu veröffentlichen. Dem ist das SRB mit dem SRM-Rahmenbeschluss (SRM-RB) vom 28.6.2016, der zwischenzeitlich durch den Beschluss vom 17.12.2018 ersetzt wurde – wenn auch soweit ersichtlich ausschließlich in englischer Sprache und durch Veröffentlichung auf der Webseite des SRB und nicht im Amtsblatt – nachgekommen.23) Funktional ist der SRM-RB der SSM-RahmenVO24) vergleichbar. 2.

Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB) und interne Abwicklungsteams (IRTs)

a)

Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB)

10 Beim SRB (Single Resolution Board) handelt es sich um den zentralen Akteur im SRM. In vielerlei Hinsicht ist seine Stellung und Funktion der des Aufsichtsgremiums der EZB im SSM vergleichbar.25) Das SRB nahm seine Tätigkeit am 1.1.2015 auf (Art. 98 Abs. 1 SRM-VO). Seine Kompetenzen i. R. der Abwicklung von Unternehmen stehen ihm seit dem 1.1.2016 zur Verfügung. aa)

Rechtsnatur und Zusammensetzung

11 Das SRB ist eine Agentur der EU mit eigener Rechtspersönlichkeit (Art. 42 Abs. 1 Satz 2 und 3 SRM-VO). Es ist rechtsfähig und wird von seinem Vorsitzenden vertreten (Art. 42 Abs. 2 und 3 SRM-VO). Sein Sitz ist Brüssel (Art. 48 SRM-VO). 12 Das SRB hat gegenwärtig insgesamt 24 stimmberechtigte Mitglieder, nämlich neben dem Vorsitzenden vier weitere ständige Mitglieder sowie 19 Vertreter der NRAs (Art. 43 Abs. 1 SRM-VO und Art. 3 Abs. 1 SRB-GO-PlenS26)). Der Vorsitzende wird von einem stellvertretenden Vorsitzenden unterstützt. Dieser nimmt zwar an allen Sitzungen des SRB teil (vgl. Art. 3 Abs. 3 SRB-GO-PlenS und Art. 3 Abs. 3 SRB-GO-PräsS27)), hat indes nur dann ein Stimmrecht, wenn der Vorsitzende abwesend oder verhindert ist und er daher den Vorsitzenden vertritt (Art. 56 Abs. 3 Unterabs. 2 SRM-VO). Der Vorsitzende, der stellvertretende Vorsitzende und die vier weiteren ständigen Mitglieder werden vom Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments ernannt (Art. 56 Abs. 6 SRM-VO). 13 Die fünf ständigen Mitglieder des SRB (die oftmals verkürzend mit dem SRB gleichgesetzt werden) handeln unabhängig und objektiv im Interesse der Union als Ganzes und dürfen Weisungen weder entgegennehmen noch anfordern (Art. 47 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 SRM-VO). Dies soll zu einer „Entpolitisierung“ der Entscheidungsprozesse beitra___________ 23) SRB, Decision of the Plenary Session of the Board establishing the framework for the practical arrangements for the cooperation within the Single Resolution Mechaism between the Single Resolution Board an national resolution authorities – SRM-Rahmenbeschluss (SRM-RB), v. 17.12.2018 (SRB/PS/ 2018/15). Der Rahmenbeschluss wird auch als „Cooperation Framework“, kurz COFRA, bezeichnet. 24) Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank v. 16.4.2014 – SSM-RahmenVO (EZB/ 2014/17), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014. 25) Vgl. Wojcik/Ceyssens, EuZW 2014, 893, 895; Grünewald/Lackhoff, GesKR 2016, 139, 148; MangerNestler in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. II Rz. 34. 26) SRB, Beschluss der Plenarsitzung des Ausschusses zur Annahme der Geschäftsordnung des SRB in seiner Plenarsitzung, v. 29.4.2015 (SRB/PS/2015/9). 27) SRB, Beschluss der Plenarsitzung des Ausschusses zur Annahme der Geschäftsordnung des SRB in seiner Präsidiumssitzung, v. 29.4.2015 (SRB/PS/2015/8).

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§ 14

II. Der institutionelle Aufbau des SRM

gen.28) An den Sitzungen des SRB nehmen zudem je ein Vertreter der EZB und der Kommission als Beobachter ohne Stimmrecht, jedoch mit vollem Recht zum Zugang zu Dokumenten teil (Art. 43 Abs. 3 SRM-VO).29) Gemäß Art. 56 Abs. 1 SRM-VO leitet der Vorsitzende das SRB, bereitet die Arbeiten des 14 SRB vor, beruft die Sitzungen des SRB ein und übernimmt den Vorsitz. Er regelt darüber hinaus alle Personalangelegenheiten und besorgt die laufende Verwaltung. Ein Sekretariat leistet dem SRB administrative und technische Unterstützung bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben (Art. 43 Abs. 5 lit. d SRM-VO). bb)

Entscheidungsverfahren

Das SRB tagt und entscheidet je nach Kontext in zwei Zusammensetzungen: x

der Plenarsitzung (Plenary Session, Artt. 49 ff. SRM-VO) und

x

der Präsidiumssitzung (Executive Session, Artt. 53 ff. SRM-VO).

(1)

15

Plenarsitzung

An der mindestens zweimal jährlich (Art. 51 Abs. 2 Satz 1 SRM-VO), sonst anlassbezogen 16 stattfindenden30) Plenarsitzung nehmen alle Mitglieder des SRB teil, d. h. die 24 stimmberechtigten Mitglieder sowie die Kommission und die EZB als Beobachter (Art. 49 SRM-VO und Art. 3 Abs. 1 und 4 SRB-GO-PlenS). Art. 2 lit. o SRM-RB definiert dies als das „SRB in seiner Plenarsitzung“. Der stellvertretende Vorsitzende nimmt stets teil, ist jedoch nur dann stimmberechtigt, wenn er den Vorsitzenden vertritt (vgl. Art. 3 Abs. 3 SRB-GO-PlenS). Weitere Beobachter können gemäß Art. 53 Abs. 1 Unterabs. 3 SRM-VO und Art. 3 Abs. 5 und 6 SRB-GO-PlenS zur Teilnahme eingeladen werden. Die Angelegenheiten, über die das SRB in seiner Plenarsitzung entscheidet, sind in 17 Art. 50 Abs. 1 SRM-VO aufgezählt. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Grundsatzangelegenheiten strategischer, organisatorischer, haushaltsrechtlicher, dienstrechtlicher und verfahrensrechtlicher Natur. So fallen hierunter die Verabschiedung des Jahresarbeitsprogramms, des Haushalts, des jährlichen Tätigkeitsberichts, der Geschäftsordnung des SRB, die Schaffung interner Strukturen des SRB sowie die Entscheidung über Personalangelegenheiten. Für Entscheidungen i. R. der Abwicklung ist hingegen in aller Regel das SRB in seiner 18 erweiterten Präsidiumssitzung zuständig (siehe ErwG 33 Satz 1 SRM-VO und Rz. 22). Allein in Fällen, in denen der SRF (Single Resolution Fund) zum Einsatz kommt und darüber hinaus der Schwellenwert von 5 Mrd. € überschritten wird (in Fällen von Liquiditätshilfen 10 Mrd. €), entscheidet das SRB in seiner Plenarsitzung auch über Abwicklungsfragen (Art. 50 Abs. 1 lit. c SRM-VO). Hier kommt ihm gemäß Art. 50 Abs. 2 Unterabs. 2 SRM-VO indes nur eine Residualkompetenz zu, d. h. die Plenarsitzung entscheidet nur dann, wenn mindestens ein Mitglied der Plenarsitzung eine Befassung mit dem vom SRB in seiner Präsidiumssitzung ausgearbeiteten Abwicklungskonzept durch das SRB in seiner Plenarsitzung beantragt; die Frist hierfür beträgt drei Stunden. Seine Beschlüsse fasst das SRB in seiner Plenarsitzung grundsätzlich mit der einfachen 19 Mehrheit seiner Mitglieder; jedes stimmberechtigte Mitglied hat eine Stimme, wobei bei ___________ 28) Manger-Nestler in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. II Rz. 34. 29) Dies war z. B. für die Jahre 2017 und 2018 für die EZB durchgehend der Fall, vgl. EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 57; EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 50. 30) Tatsächlich finden jährlich ca. sechs Plenarsitzungen des SRB statt, vgl. SRB, Annual Report 2016, S. 54 f.; SRB, Annual Report 2017, S. 49.

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Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden doppelt gewichtet wird (Art. 52 Abs. 1 SRM-VO).31) (2)

Präsidiumssitzung

20 Tagt das SRB – jeweils nach Bedarf32) (Art. 53 Abs. 1 Satz 2 SRM-VO) – in der Präsidiumssitzung, nehmen gemäß Art. 53 Abs. 1 SRM-VO der Vorsitzende und die vier weiteren ständigen Mitglieder teil. Der stellvertretende Vorsitzende nimmt an allen Sitzungen als nicht-stimmberechtigtes Mitglied und bei Verhinderung des Vorsitzenden als stimmberechtigtes Mitglied teil (Art. 3 Abs. 3 SRB-GO-PräsS).33) Die Kommission und die EZB sind als ständige Beobachter vertreten. Dies entspricht der in Art. 2 lit. m SRM-RB normierten Zusammensetzung des „SRB in seiner beschränkten Präsidiumssitzung“. 21 Am „SRB in seiner erweiterten Präsidiumssitzung“ (Art. 2 lit. n SRM-RB) nehmen neben den soeben genannten Mitgliedern auch Vertreter der betroffenen NRAs gemäß Art. 53 Abs. 2 bis 4 SRM-VO (vgl. auch Art. 3 Abs. 1 lit. c und lit. d SRB-GO-PräsS) und ggf. weitere Beobachter gemäß Art. 53 Abs. 1 Unterabs. 3 SRM-VO teil (vgl. Art. 3 Abs. 5 bis 7 SRB-GO-PräsS). Ein Vertreter der EBA ist im Zweifel als Beobachter einzuladen, wenn Angelegenheiten erörtert werden, für die die EBA technische Standards entwickeln oder Leitlinien herausgeben muss (ErwG 35 SRM-VO und Art. 3 Abs. 5 lit. a SRB-GO-PräsS). Daneben können als Beobachter auch IRT-Koordinatoren, Vertreter der NRAs nicht teilnehmender Mitgliedstaaten, Vertreter anderer Behörden als Sachverständige sowie Vertreter des Rats34) auf Einladung des SRB teilnehmen. Die Mitglieder des SRB in seiner erweiterten Präsidiumssitzung wechseln daher je nach Kontext. Angesichts dessen ist es Aufgabe der ständigen SRB-Mitglieder, die Kohärenz, Sachgerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit der Beschlüsse des SRB sicherzustellen (ErwG 34 SRM-VO). 22 Im Wesentlichen werden die Entscheidungen des SRB i. R. der Abwicklungsplanung und Abwicklung vom SRB in der Präsidiumssitzung getroffen (siehe dazu i. E. Rz. 55 ff., zu Ausnahmen von dieser Regel oben Rz. 18). Hierdurch wird sichergestellt, dass das SRB zügig entscheiden kann.35) Entsprechend ist die Präsidiumssitzung das zentrale Entscheidungsgremium des SRB.36) Das SRB in seiner Präsidiumssitzung hat die Plenarsitzung über die i. R. der Abwicklung gefassten Beschlüsse zu unterrichten. Zudem bereitet das SRB in seiner Präsidiumssitzung die Beschlüsse des SRB in seiner Plenarsitzung vor (Art. 54 Abs. 1 lit. a SRM-VO). 23 Die Beschlüsse des SRB in seiner Präsidiumssitzung sollen grundsätzlich im Konsens aller Mitglieder getroffen werden. Lässt sich ein solcher Konsens nicht herstellen, entscheiden nur der Vorsitzende und die vier weiteren ständigen Mitglieder mit einfacher Mehrheit, wobei bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden doppelt gewichtet wird (Art. 55 SRM-VO). Entsprechend hat das von der NRA in das „SRB in seiner erweiterten Präsidiumssitzung“ entsandte Mitglied im Falle einer streitigen Abstimmung kein Stimm___________ 31) Zu Modifikationen dieser Mehrheitserfordernisse vgl. Art. 52 Abs. 2 und 3 SRM-VO und Busch in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, Rz. 9.36 f. 32) Tatsächlich finden Präsidiumssitzungen im Wesentlichen im Monatsrhythmus statt, vgl. SRB, Annual Report 2016, S. 55; SRB, Annual Report 2017, S. 49. 33) SRB, Beschluss der Plenarsitzung des Ausschusses zur Annahme der Geschäftsordnung des SRB in seiner Plenarsitzung, v. 29.4.2015 (SRB/PS/2015/8). 34) Busch in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, Rz. 9.23. 35) Grünewald/Lackhoff, GesKR 2016, 139, 148. 36) Vgl. auch Manger-Nestler in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. II Rz. 61.

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II. Der institutionelle Aufbau des SRM

recht, auch wenn über die Abwicklung eines Instituts entschieden wird, dessen Hauptsitz im Mitgliedstaat der NRA liegt.37) b)

Direktionen und interne Abwicklungsteams (Internal Resolution Teams – IRTs)

Das SRB ist intern in fünf Direktionen (Directorates) organisiert. Direktion A (Abwick- 24 lungsstrategie und Kooperation) ist für strategische Fragen zuständig. Die Direktionen B bis D sind für die Erstellung von Abwicklungsplänen und die Vorbereitung, Durchführung und Überwachung der Abwicklung von Unternehmen zuständig; zwischen den Direktionen ist die Zuständigkeit nach den teilnehmenden Mitgliedstaaten aufgeteilt. Die Direktion E, die vom stellvertretenden Vorsitzenden geleitet wird, bündelt die Zuständigkeit für den SRF und gemeinsame Dienste (Corporate Services) wie Personalwesen und EDV. Neben den fünf Direktionen berichten mehrere Einheiten (insbesondere das Sekretariat, die Stelle für politische Koordinierung und internationale Beziehungen, die interne Revision und die Rechtsabteilung) direkt an den SRB-Vorsitzenden. Gemäß Art. 83 Abs. 3 SRM-VO (vgl. auch ErwG 37 SRM-VO) kann das SRB sog. „in- 25 terne Abwicklungsteams“ (Internal Resolution Teams – IRTs) einrichten, die sich aus Mitarbeitern des SRB und Mitarbeitern der NRAs sowie falls erforderlich Beobachtern der NRAs nicht teilnehmender Mitgliedstaaten zusammensetzen. IRTs unterstützen das SRB bei der Ausführung seiner Aufgaben in Bezug auf Unternehmen und Gruppen unter seiner direkten Zuständigkeit (Art. 24 Abs. 1 SRM-RB), dies insbesondere in Bezug auf die Abwicklungsplanung und die Vorbereitung von Abwicklungskonzepten (vgl. Art. 27 SRM-RB). Sie sind das Hauptforum für die tägliche Zusammenarbeit (Art. 24 Abs. 3 SRM-RB). Die Aufgaben der IRTs werden i. E. in Art. 24 Abs. 4 SRM-RB konkretisiert. IRTs werden von IRT-Koordinatoren geleitet, bei denen es sich um einen leitenden Mit- 26 arbeiter des SRB handeln muss (Art. 83 Abs. 3 Satz 1 SRM-VO und Art. 25 Abs. 1 Satz 2 SRM-RB). Die Mitglieder der IRTs haben den Anweisungen des IRT-Koordinators Folge zu leisten (Art. 26 Abs. 2 Satz 2 SRM-RB). Darüber hinaus soll jede im IRT vertretene NRA grundsätzlich einen Sub-Koordinator bestimmen (Art. 26 Abs. 1 Satz 1 SRM-RB). Insgesamt ist die Struktur der IRTs erkennbar den JSTs (Joint Supervisory Teams – JSTs) im SSM (siehe hierzu § 2 Rz. 152 ff. [Glos/Benzing]) nachgebildet. c)

Beschwerdeausschuss (SRB Appeal Panel)

Beim SRB-Beschwerdeausschuss handelt es sich um ein vom SRB gemäß Art. 85 Abs. 1 27 SRM-VO eingerichtetes Gremium, das in bestimmten, in der SRM-VO abschließend aufgezählten Fällen i. R. eines Widerspruchsverfahrens über gegen SRB-Beschlüsse eingereichte Beschwerden entscheidet. Insoweit fungiert es als erste, verwaltungsinterne Stufe des Rechtsschutzes gegen SRB-Beschlüsse (siehe dazu noch Rz. 104 ff.). Der SRB-Beschwerdeausschuss hat sich auf der Grundlage vom Art. 85 Abs. 10 SRM-VO 28 eine Geschäftsordnung38) (SRB-BA-GO) gegeben. Er besteht aus fünf vom SRB ernannten Mitgliedern (sowie zwei stellvertretenden Mitgliedern), die weisungsunabhängig und im öffentlichen Interesse handeln (Art. 85 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 5 Satz 1 SRM-VO sowie Art. 3 Abs. 1 SRB-BA-GO), und entscheidet mit einer Mehrheit von mindestens drei seiner fünf Mitglieder (Art. 85 Abs. 4 Unterabs. 2 SRM-VO). Der SRB-Beschwerdeausschuss ist mit den Mitteln und dem Fachwissen auszustatten, 29 die zur sachkundigen rechtlichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausübung der Be___________ 37) Busch in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, Rz. 9.32. 38) SRB Beschwerdeausschuss, Geschäftsordnung – SRB-BA-GO, v. 10.4.2017 (Konsolidierte Fassung).

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§ 14

Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

fugnisse durch das SRB notwendig sind (Art. 85 Abs. 2 Satz 3 SRM-VO).39) Gemäß Art. 4 Abs. 1 SRB-BA-GO hat das SRB dem SRB-Beschwerdeausschuss daher angemessene Unterstützung für die Abwicklung der „Betriebs- und Sekretariatsgeschäfte“ zur Verfügung zu stellen, dies allerdings unter strikter Beachtung der Trennung der Aufgaben und Funktionen des Beschwerdeausschusses von allen anderen Tätigkeiten des SRB. Das vom SRB gestellte Sekretariat des SRB-Beschwerdeausschusses darf daher keinerlei Weisungen des SRB entgegennehmen oder sonstige Vorgaben von ihm erhalten und unterliegt hinsichtlich der Angelegenheiten des SRB-Beschwerdeausschusses einer gesonderten Vertraulichkeitspflicht.40) Diese Regeln stärken die Unabhängigkeit des SRB-Beschwerdeausschusses und gehen jedenfalls in der öffentlich verfügbaren Dokumentation deutlich über das hinaus, was für den ABoR (Administrative Board of Review – ABoR = Administrativer Überprüfungsausschuss) i. R. des SSM gilt (siehe dazu § 2 Rz. 165 f. [Glos/Benzing]). 3.

Nationale Abwicklungsbehörden (NRAs)

30 Die NRAs (National Resolution Authorities) sind die gemäß Art. 3 BRRD von einem teilnehmenden Mitgliedstaat benannten Behörden (Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 SRM-VO). Gemäß § 3 Abs. 1 SAG ist deutsche NRA die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die die Aufgabe am 1.1.2018 von der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA), übernommen hat.41) Soweit die NRAs Aufgaben nach der SRM-VO wahrnehmen, handeln sie unabhängig und im Allgemeininteresse (Art. 47 Abs. 1 SRM-VO). 31 Die NRAs unterstützen das SRB bei der Abwicklungsplanung sowie der Vorbereitung und Durchführung von Beschlüssen zur Abwicklung von Instituten und Gruppen, die unter seine direkte Zuständigkeit fallen (ErwG 28) und nehmen (ohne Stimmrecht) an den Sitzungen des SRB in seiner erweiterten Präsidiumssitzung teil, soweit in ihrem Mitgliedstaat ansässige Institute betroffen sind (siehe oben Rz. 21). Im Übrigen bleiben sie für die Abwicklungsplanung und Abwicklungsmaßnahmen zuständig (siehe noch Rz. 89 ff.). 4.

Einheitlicher Abwicklungsfonds (SRF)

32 Die Abwicklungsfinanzierung war während der Verhandlungen zur SRM-VO politisch hoch umstritten.42) Insbesondere Deutschland bezweifelte, dass eine Pflicht der Mitgliedstaaten zur Übertragung der national erhobenen Beiträge auf den SRF nach Art. 114 AEUV begründet werden konnte (siehe § 21 Rz. 27 [Wolfers/Voland]).43) Im Wege des Kompromisses einigten sich die Mitgliedstaaten (mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs und Schweden) auf den Abschluss eines zusätzlichen internationalen Abkommens (Intergovernmental Agreement – IGA).44) Entsprechend ist Rechtsgrundlage des SRF ___________ 39) Die deutsche Fassung der SRM-VO spricht in diesem Zusammenhang verzerrend von „rechtlicher Beratung des SRB [durch den Beschwerdeausschuss] bei der Ausübung seiner Befugnisse“. 40) So wurden besondere Vertraulichkeitsbereiche eingerichtet, die durch virtuelle „Chinesische Mauern“ getrennt sind, SRB, Annual Report 2016, S. 57. 41) Vgl. auch RegE FMSANeuOG, BT-Drucks. 18/9530, S. 1. 42) Tridimas in: Bándi/Darák/Halustyik/Láncos, European Banking Union, Bd. 1, S. 67, 131; Teixeira, EBoR 2017, 535, 555 f. 43) BT, Schriftliche Fragen/Antworten, BT-Drucks. 18/298, S. 16 f.; Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, S. 31, 34; Busch in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, Rz. 9.58; de Gregorio Merino in: Bándi/ Darák/Halustyik/Láncos, European Banking Union, Bd. 1, S. 151, 207 ff. 44) Übereinkommen über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge – Intergovernmental Agreement (IGA), s. Gesetz zu dem Übereinkommen v. 21.5.2014 über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge, v. 17.12.2014, BGBl. II 2014, 1298. Vgl. hierzu Fabbrini, MJ 2014, 444; Calliess/Schoenfleisch, JZ 2015, 113, 119 ff. und Ohler, EuR 2016 (Beilage 2), S. 7, 17 f.

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§ 14

II. Der institutionelle Aufbau des SRM

nicht allein die SRM-VO, sondern auch das IGA.45) Während die SRM-VO im Wesentlichen die Errichtung, Verwaltung und die Inanspruchnahme des SRF regelt, betrifft das IGA die Finanzierung des Fonds, deren Regelung im Kommissionsvorschlag noch der SRM-VO vorbehalten war. Kernpunkte des IGA sind die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die nach nationalem Recht erhobenen Beiträge auf den SRF (Single Resolution Fund – SRF = Einheitlicher Abwicklungsfonds) zu übertragen (vgl. ErwG 7 und Art. 3 IGA sowie ErwG 20 SRM-VO), sowie die sukzessive Vergemeinschaftung der Beiträge bei Inanspruchnahme des SRF während des Übergangszeitraums von höchstens acht Jahren (bis 2023, Art. 5 IGA).46) Eigentümer des SRF ist das SRB (Art. 67 Abs. 3 SRM-VO), das den Fonds auch verwal- 33 tet und die Fondsmittel anlegt (Art. 75 Abs. 1 SRM-VO). Hierbei hat das SRB die Vorgaben der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 2016/45147) zu beachten.48) Der SRF wird primär aus Beiträgen der betroffenen Institute finanziert. Zielausstattung 34 ist mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller in den teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Kreditinstitute und damit ca. 60 Mrd. €49) (Art. 69 Abs. 1 SRM-VO). Beiträge zum SRF werden von den NRAs oder von nationalen Finanzierungsmechanismen erhoben und dem SRF gemäß den Bestimmungen des IGA übertragen (Art. 67 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SRM-VO und Art. 42 Abs. 1 und 6 SRM-RB). Dabei handelt es sich in der Regel um regulär und im Voraus erhobene Beiträge (sog. Ex-ante-Contributions), Art. 70 SRM-VO, die nach den Vorschriften der Delegierten Verordnung Nr. 2015/63 der Kommission50) und der Durchführungsverordnung Nr. 2015/81 des Rats51) berechnet und erhoben werden. Im Ausnahmefall kann das SRB aber auch nachträglich Beiträge (sog. Ex-post-Contributions) erheben, wenn andernfalls Verluste, Kosten und sonstige Aufwendungen nicht gedeckt werden können (Art. 71 SRM-VO). Die Berechnung der im Voraus und nachträglich erhobenen Beiträge erfolgt durch das 35 SRB (Art. 42 Abs. 3 SRM-RB). Sodann übermittelt das SRB die Beitragsbeschlüsse an die zuständigen NRAs (Art. 5 Abs. 1 DVO (EU) Nr. 2015/81 und Art. 42 Abs. 4 SRM-RB). Die NRAs wiederum unterrichten die Institute über die Beitragsbeschlüsse (Art. 5 Abs. 2 DVO (EU) Nr. 2015/81 und Art. 42 Abs. 5 SRM-RB). Das SRB kann für den SRF aber insbesondere für den Übergangszeitraum auch „alterna- 36 tive Finanzierungsmöglichkeiten“ in Betracht ziehen (vgl. ErwG 107 Satz 2 SRM-VO). Entsprechend kann es Darlehen bei Instituten und anderen privaten Dritten aufnehmen oder andere Finanzierungsarten für den Fall vereinbaren, dass die Mittel des Fonds im Einzelfall nicht ausreichen (Art. 73 SRM-VO). Zudem kann das SRB für den SRF auch „öffentliche Finanzierungskonstruktionen“ abschließen (Art. 74 SRM-VO). Dies liegt indes im Ermessen der Mitgliedstaaten, d. h. entsprechende Vereinbarungen müssen nicht abgeschlossen werden.52) Schließlich besteht die Möglichkeit, Darlehen mit den gemäß der BRRD eingerichteten Abwicklungsfinanzierungsmechanismen nicht teilnehmender ___________ 45) Calliess/Schoenfleisch, JZ 2015, 113, 119; Tridimas in: Bándi/Darák/Halustyik/Láncos, European Banking Union, Bd. 1, S. 67, 132. 46) Dazu Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, S. 31, 52 f. 47) Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2016/451 der Kommission v. 16.12.2015, ABl. (EU) L 79/2 v. 30.3.2016. 48) Die Anlagestrategie des SRB wurde am 15.9.2016 beschlossen (vgl. SRB, Annual Report 2016, S. 44) und im Jahr 2018 aktualisiert (vgl. SRB, Annual Report 2018, S. 37). 49) 55 Mrd. € geschätzt auf Basis der Daten von 2011, vgl. die Begr. der Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates v. 10.7.2013, COM(2013) 520 final, S. 17. 50) Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2015/63 der Kommission v. 21.10.2014 ABl. (EU) L 11/44 v. 17.1.2015. 51) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2015/81 des Rates v. 19.12.2014, ABl. (EU) L 15/1 v. 22.1.2015. 52) Busch in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, Rz. 9.67.

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Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

Mitgliedstaaten abzuschließen (Art. 72 SRM-VO), wobei gemäß Art. 106 Abs. 3 BRRD wiederum keine Verpflichtung besteht, solche Darlehen zu gewähren.53) Das SRB hat auf Grundlage dieser Bestimmungen (sowie des Art. 5 Abs. 1 lit. e IGA) im Jahr 2017 Kreditlinien zur Brückenfinanzierung des SRF in einer Gesamthöhe von 55 Mrd. € vereinbart.54) 37 Das SRB darf die Mittel des SRF ausschließlich für Zwecke der Sicherstellung der effizienten Ausübung der Abwicklungsbefugnisse und gemäß den in Artt. 14 und 15 SRMVO genannten Abwicklungszielen und -grundsätzen einsetzen (Art. 67 Abs. 2 Satz 1 SRM-VO). Einzelheiten der Nutzung des SRF durch das SRB i. R. der Abwicklungsinstrumente sind in Art. 76 SRM-VO festgelegt. Hierzu gehören insbesondere die Besicherung von Vermögenswerten oder Verbindlichkeiten, die Gewährung von Darlehen, der Erwerb von Vermögenswerten des in Abwicklung befindlichen Instituts, die Bereitstellung von Kapital für ein Brückeninstitut sowie Beitragsleistungen an das in Abwicklung befindliche Institut zur Kompensation des Ausschlusses von Gläubigern vom Anwendungsbereich des Bail-in-Instruments gemäß Art. 27 Abs. 5 SRM-VO. Vor einer Inanspruchnahme des SRF müssen indes grundsätzlich Verluste i. H. von mindestens 8 % der TLOF bereits von Eigentümern und Gläubigern absorbiert worden sein (Art. 27 Abs. 6 und 7 lit. a SRM-VO i. V. m. Art. 76 Abs. 1 lit. f SRM-VO). Zudem sind die durch den SRF bereitgestellten Mittel auf 5 % der TLOF des Instituts beschränkt (Art. 27 Abs. 7 lit. b SRM-VO). 38 Da es der SRF gerade verhindern soll, dass für die Finanzierung der Abwicklung von Instituten auf Steuergelder zurückgegriffen werden muss (ErwG 100 SRM-VO), haften die Haushalte der Union oder der Mitgliedstaaten für Aufwendungen oder Verluste des SRF nicht (Art. 67 Abs. 2 Satz 2 SRM-VO). 39 Am 14.12.2018 stimmte der Euro-Gipfel den Terms of Reference55) und dem Termsheet56) (beide vom 4.12.2018) für die Einführung einer Letztsicherung (sog. Common Backstop) für den SRF zu.57) Zu wesentlichen Schritten auf dem Weg der Umsetzung dieses Vorhabens gehörten bislang die Einigung über eine Änderung des ESMV (ESMV-E)58) am 14.6.2019 und die Erarbeitung einer Leitlinie zur Letztsicherung59) am 4.12.2019.60) Wesentliche Punkte der Einigung umfassen die Stellung einer Letztsicherungs-Fazilität für das SRB in Form einer revolvierenden Kreditlinie (vgl. Art. 18a Abs. 1 und 2 ESMV-E). Die Fazilität kann für alle Verwendungsarten des SRF i. S. des Art. 76 SRM-VO herangezogen werden. Sie soll spätestens ab dem Jahr 2024 (dem Ablauf des Übergangszeitraums) zur Verfügung stehen und zunächst auf 68 Mrd. € begrenzt sein.61) Im Gegenzug

___________ 53) Krit.: Ohler, EuR 2016 (Beilage 2), S. 7, 28. 54) Vgl. SRB, PM v. 8.2.2017 und PM v. 8.12.2015; SRB, Annual Report 2016, S. 46, und Rat (ECOFIN), Statement on Banking Union and bridge financing arrangements for the Single Resolution Fund, v. 8.12.2015. 55) Eurogroup, Terms of reference of the common backstop to the Single Resolution Fund, v. 4.12.2018. 56) Eurogroup, Term sheet on the European Stability Mechanism reform, v. 4.12.2018. 57) Europ. Rat, Tagung des Euro-Gipfels v. 14.12.2018, Erklärung (EUCO 503/18). 58) Eurogroup, DRAFT revised text of the treaty establishing the European Stability Mechanism as agreed by the Eurogroup on 14.6.2019. 59) Eurogroup, Draft Guideline on the Backstop Facility to the SRB for the SRF, v. 4.12.2019. 60) Eine Sammlung der weiteren Unterlagen findet sich unter https://www.esm.europa.eu/about-esm/ esm-reform-documents (Abrufdatum: 21.4.2020). 61) Vgl. Eurogroup, Draft Board of Governors resolution for the nominal cap and the provisions on the procedure for the verification of compliance with the condition of the permanence of the legal framework for bank resolution, v. 4.12.2019.

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III. Zuständigkeitsverteilung und Verfahren im SRM

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soll das nach Art. 19 ESMV im Jahr 2014 eingeführte, aber bislang nicht genutzte Instrument zur direkten Rekapitalisierung von Instituten abgeschafft werden.62) III.

Zuständigkeitsverteilung und Verfahren im SRM

1.

Persönliche, sachliche und räumliche Begrenzung der Zuständigkeiten im SRM

Im Einklang mit dem Ziel, Aufsicht und Abwicklung auf derselben Ebene anzusiedeln 40 (siehe Rz. 3) sind Anwendungsbereich des SRM und die Zuständigkeiten der Akteure im SRM jeweils weitgehend an den SSM angeglichen (vgl. ErwG 15 Satz 2 und 22 Satz 1 SRM-VO).63) a)

Persönliche Zuständigkeit

Persönlich gilt die SRM-VO gemäß Art. 2 SRM-VO einerseits für Kreditinstitute sowie 41 andererseits für Mutterunternehmen, Wertpapierfirmen und Finanzinstitute, soweit sie von der EZB auf konsolidierter Basis beaufsichtigt werden. Innerhalb dieser Gruppe von Unternehmen differenziert die SRM-VO zwischen unter der direkten Aufsicht der EZB stehenden bedeutenden Unternehmen und Gruppen sowie grenzüberschreitenden Gruppen, für die jeweils das SRB zuständig ist, einerseits (siehe Rz. 44 ff.) sowie anderen Unternehmen und Gruppen, für die die NRAs ihre Zuständigkeit behalten, andererseits (siehe Rz. 89 ff.), Art. 7 Abs. 2 und 3 SRM-VO. b)

Sachliche Zuständigkeit

In sachlicher Hinsicht umfasst die SRM-VO die Abwicklungsplanung (einschließlich der 42 Bewertung der Abwicklungsfähigkeit, der Beseitigung von Abwicklungshindernissen und der Festlegung der MREL-Quote) sowie die Abwicklung selbst. Die Mittel des frühzeitigen Eingreifens touchiert die SRM-VO lediglich am Rande. Hier sind primär die EZB als zuständige Aufsichtsbehörde für bedeutende Institute (vgl. ErwG 35 und Art. 4 Abs. 1 lit. i SSM-VO) bzw. die NCAs für weniger bedeutende Institute zuständig und gelten nicht die Abwicklungs-, sondern die aufsichtlichen Regelwerke. Von der SRM-VO nicht geregelt wird schließlich die Sanierungsplanung.64) c)

Räumliche Zuständigkeit

Räumlich erstreckt sich die SRM-VO auf Kreditinstitute sowie auf in die konsolidierte 43 Aufsicht der EZB einbezogene Mutterunternehmen, Wertpapierfirmen und Finanzinstitute, soweit diese in den teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassen sind. Die teilnehmenden Mitgliedstaaten des SRM sind gemäß Art. 4 Abs. 1 SRM-VO diejenigen, die auch gemäß Art. 2 SSM-VO am SSM teilnehmen. Eine Teilnahme am SSM zieht somit automatisch auch die Teilnahme am SRM nach sich (vgl. ErwG 17 Satz 7 SRM-VO).65) Dies trägt insbesondere der Einsicht Rechnung, dass die EZB umfassende Kenntnis von den Risiken der Gruppe besitzt (vgl. ErwG 22 Satz 3 bis 5 SRM-VO).

___________ 62) Vgl. Eurogroup, Draft Board of Governors Resolution for Annulment of the Direct Recapitalisation Instrument, v. 4.12.2019. 63) Manger-Nestler in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. II Rz. 25. 64) Hierzu: Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2264, sowie § 15 [Cichy]. 65) Vgl. Grünewald/Lackhoff, GesKR 2016, 139, 141.

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§ 14

Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

2.

Direkte Zuständigkeit des SRB und Verfahren nach der SRM-VO

a)

Grundlagen: Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse des SRB

44 Das SRB ist direkt zuständig (vgl. ErwG 28 SRM-VO und Art. 16 Abs. 1 SRM-RB) für die Erstellung der Abwicklungspläne und für die Annahme aller Beschlüsse im Zusammenhang mit der Abwicklung von x

durch die EZB direkt beaufsichtigten bedeutenden Instituten und Gruppen (Art. 7 Abs. 2 lit. a SRM-VO) sowie – insoweit über die Zuständigkeit der EZB im SSM hinausgehend –

x

„anderen grenzüberschreitenden Gruppen“ (Art. 7 Abs. 2 lit. b SRM-VO).

45 Zur letztgenannten Kategorie zählen derzeit 15 Gruppen.66) Die Zuständigkeit des SRB wird daher von der EZB einerseits durch die Einstufung eines Instituts als bedeutend, andererseits durch die Zulassung von Instituten selbst beeinflusst.67) Mitgliedstaaten können dem SRB zudem die Zuständigkeit für alle Institute und Gruppen übertragen (Art. 7 Abs. 5 SRM-VO)68) und das SRB kann im Einzelfall im Wege des sog. „Selbsteintritts“ Abwicklungsbefugnisse auch gegenüber Instituten ausüben, die in die Zuständigkeit der NRAs fallen (Art. 7 Abs. 4 lit. b SRM-VO, siehe dazu Rz. 101). In allen Fällen tritt das SRB i. R. seiner direkten Zuständigkeit an die Stelle der NRAs oder der für die Gruppenabwicklung zuständigen nationalen Behörde (ErwG 42 und 91 SRM-VO sowie Art. 5 Abs. 1 SRM-VO). 46 Die Übernahme der direkten Zuständigkeit erfolgt bei von der EZB direkt beaufsichtigten bedeutenden Instituten und Gruppen automatisch aufgrund des EZB-Beschlusses gemäß Art. 39 SSM-RahmenVO und zum im EZB-Beschluss genannten Datum (Art. 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 SRB-RB); die betroffene NRA und das Institut oder die Gruppe werden hiervon unverzüglich durch das SRB in Kenntnis gesetzt (Art. 18 Abs. 1 Satz 3 SRMRB). Im Falle von grenzüberschreitenden Gruppen legt das SRB die Übernahme der direkten Zuständigkeit samt ihrem Beginn in einem an das Unternehmen oder die Gruppe gerichteten Beschluss fest (Art. 18 Abs. 2 SRM-RB). Gleiches gilt für die Übernahme der Zuständigkeit im Wege des Selbsteintritts (Art. 18 Abs. 3 SRM-RB). Für das Ende der direkten Zuständigkeit des SRB gilt im Wesentlichen Spiegelbildliches (Art. 19 SRM-RB). 47 Ist das SRB die für die Gruppenabwicklung zuständige Behörde, richtet es das Abwicklungskollegium ein und übernimmt dessen Vorsitz (vgl. ErwG 91 SRM-VO, Art. 32 Abs. 1 Unterabs. 1 SRM-VO und Art. 36a SRM-RB).69) Sind jedoch Unternehmen einer Gruppe ausschließlich in den teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassen, wird kein Abwicklungskollegium eingerichtet (Art. 31 Abs. 2 SRM-VO i. V. m. Artt. 88 bis 92 BRRD). 48 Das SRB wendet bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben und Befugnisse das für es geltende EU-Recht an (Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 und Art. 44 SRM-VO; vgl. auch ErwG 18 Satz 3 SRM-VO). Hierzu gehören neben der SRM-VO insbesondere auch die von der EBA erarbeiteten und von der Kommission mittels Durchführungsverordnungen erlassenen Regulierungs- und Durchführungsstandards (Regulatory Technical Standards – RTS ___________ 66) SRB, List of other cross-border groups, v. 6.6.2016. 67) Vgl. ErwG 4 des Memorandum of Understanding v. 22.12.2015 zwischen dem SRB und der EZB bezüglich Kooperation und Informationsaustausch. 68) Zum „Selbsteintrittsrecht“ des SRB gemäß Art. 7 Abs. 4 lit. b SRM-VO s. Rz. 90. 69) Ist weder das SRB noch eine NRA, sondern eine Behörde aus einem nicht teilnehmenden Mitgliedstaat zuständige Gruppenabwicklungsbehörde, richtet sich die Teilnahme an den von dieser Behörde einzurichtenden Abwicklungskollegien nach Art. 37 SRM-RB. Zu europäischen Abwicklungskollegien vgl. Art. 38 SRM-RB.

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III. Zuständigkeitsverteilung und Verfahren im SRM

§ 14

und Implementing Technical Standards – ITS) zur BRRD70) sowie die von der EBA gemäß Art. 16 der EBA-VO Nr. 1093/201071) herausgegebenen Leitlinien und Empfehlungen (soweit das SRB eine Befolgung nicht gemäß Art. 16 Abs. 3 EBA-VO Nr. 1093/2010 ablehnt). Die Anwendung nationalen Richtlinienumsetzungsrechts (etwa der Umsetzungsrechts- 49 akte der BRRD) ist dem SRB – im Unterschied zur EZB i. R. des SSM (siehe Art. 4 Abs. 3 SSM-VO und § 2 Rz. 179 ff. [Glos/Benzing]) – hingegen verwehrt. Allerdings wertet die SRM-VO einerseits Bestimmungen der BRRD durch Bezugnahme (vgl. z. B. Art. 10 Abs. 6, Art. 12 Abs. 10, Art. 13 Abs. 3 SRM-VO) zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht auf, das das SRB ohne Weiteres anzuwenden hat. Andererseits nimmt die SRM-VO selbst viele Bestimmungen der BRRD (etwa zu den Abwicklungsinstrumenten) auf und überführt sie daher in unmittelbar anwendbares Recht (vgl. ErwG 21 SRM-VO).72) Dabei werden die Regeln der BRRD „an die Besonderheiten des [SRM] angepasst“ (ErwG 18 Satz 2 SRM-VO). Im Einzelfall können sich daher Abweichungen zur BRRD und folglich auch zum nationalen Umsetzungsrecht der BRRD ergeben. Schon aufgrund dieser Regelungstechnik ist die Anwendung nationalen Rechts durch das SRB nicht notwendig. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass das SRB im Wesentlichen durch an die NRAs, nicht aber an einzelne Institute gerichtete Beschlüsse handelt (siehe noch Rz. 51). Setzen die NRAs die Beschlüsse des SRB im nationalen Kontext um, wenden sie nationales BRRD-Umsetzungsrecht an (Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 4 und Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 2 SRM-VO). Auch aufgrund dieser zweistufigen Vorgehensweise ist eine Anwendung nationalen Rechts durch das SRB nicht angezeigt. Das Verfahren des SRB wird von den Grundsätzen der Effektivität der Bankenabwick- 50 lung (vgl. insbesondere ErwG 31) und der wirkungsvollen und einheitlichen Funktionsweise des SRM (Art. 7 Abs. 1 SRM-VO) geprägt. Die Regeln der SRM-VO sollen die Abwicklung eines Instituts innerhalb eines Wochenendes ermöglichen; die Akteure im SRM unterliegen daher strengen Fristen.73) Gleichwohl ist das Verfahren, insbesondere das Abwicklungsverfahren, aufgrund der Einbindung verschiedenster Akteure äußerst komplex, so dass Zweifel an der Wirksamkeit in Krisensituation geäußert wurden.74) Während der Beweis der Funktionsfähigkeit in komplexen Abwicklungssituationen noch aussteht, ist festzustellen, dass das Verfahren im – vergleichsweise wenig komplexen75) – Fall der Banco Popular Español S. A. offenbar im Wesentlichen reibungslos ablief. Das SRB handelt in der Regel auch i. R. seiner direkten Zuständigkeit nicht unmittelbar 51 gegenüber juristischen oder natürlichen Personen in den teilnehmenden Mitgliedstaaten, sondern gegenüber den NRAs.76) Dies erfolgt durch Beschluss, der die NRA zu einer bestimmten Handlung unter Angabe der maßgeblichen Frist anweist (vgl. Art. 11 Abs. 2 SRM-RB). Diese Anweisungen im Einzelfall beziehen sich stets auf ein bestimmtes, der direkten Zuständigkeit des SRB unterstehendes Unternehmen bzw. eine in diese ___________ 70) Z. B. Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2016/1075 der Kommission v. 23.3.2016, ABl. (EU) L 184/1 v. 8.7.2016. 71) Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010. 72) Zum Hintergrund auch Wojcik/Ceyssens, EuZW 2014, 893, 895, und Wojcik, CMLR 2016, 91, 101. 73) Ohler, EuR 2016 (Beilage 2), S. 7, 27. 74) Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, S. 31, 54; Tridimas in: Bándi/Darák/Halustyik/Láncos, European Banking Union, Bd. 1, S. 67, 123: „resolution procedure is of bewildering complexity“. 75) Vgl. dazu Binder, Wunderkind is Walking? The Resolution of Banco Popular as a First Test for the Single Resolution Mechanism, OBLB, v. 14.6.2017. 76) Vgl. RegE AbwMechG, BT-Drucks. 18/5009, S. 2; Ohler, EuR 2016 (Beilage 2), S. 7, 27; Tridimas in: Bándi/Darák/Halustyik/Láncos, European Banking Union, Bd. 1, S. 67, 123.

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Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

Zuständigkeit fallende Gruppe und werden an die NRA gerichtet (Art. 6 Abs. 1 und 2 Satz 1 SRM-RB). Sie sind zu begründen und mit den Begleitunterlagen und anderen zur Umsetzung der Anweisung durch die NRA erforderlichen Informationen an die NRA zu übermitteln (Art. 6 Abs. 2 SRM-RB). Die NRAs haben die Weisungen des SRB umzusetzen (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 SRM-VO und Art. 11 Abs. 1 SRM-RB), können dabei aber – unter Beachtung der Vorgaben der Weisung – die näheren Einzelheiten der zu ergreifenden Maßnahmen festlegen (Art. 6 Abs. 7 SRM-VO und Art. 10 Abs. 2 Satz 1 SRM-RB), wobei bei Zweifeln an der Vereinbarkeit mit dem SRB-Beschluss die Spezifikationen dem SRB vorab vorzulegen sind (Art. 10 Abs. 2 Satz 2 SRM-RB). Bei der Umsetzung greifen sie auf die Befugnisse des nationalen Umsetzungsrechts zur BRRD zurück (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 SRM-VO). 52 Nur soweit die NRA einen an sie gerichteten Beschluss i. R. der Abwicklung nicht oder fehlerhaft umsetzt, kann das SRB unmittelbar gegenüber einem in Abwicklung befindlichen Institut handeln (Art. 29 Abs. 2 Unterabs. 1 SRM-VO und Art. 11 Abs. 3 SRMRB). Das SRB (handelnd in seiner erweiterten Präsidiumssitzung) darf in diesem Fall ein in Abwicklung befindliches Institut anweisen, Rechte, Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten auf eine andere Person zu übertragen, die Umwandlung etwaiger Schuldtitel zu verlangen oder andere Maßnahmen vorzunehmen, die für die Umsetzung des Beschlusses notwendig sind. Daneben hat das SRB nach der SRM-VO vereinzelt die Befugnis, Beschlüsse unmittelbar an Unternehmen unter seiner direkten Zuständigkeit sowie an andere juristische und natürliche Personen zu richten. Dies betrifft die Untersuchungsbefugnisse der Artt. 34 bis 37 SRM-VO (siehe dazu Rz. 67 ff.) sowie die Befugnisse zur Verhängung von Sanktionen (Geldbußen und Zwangsgelder, Artt. 38 ff. SRM-VO). b)

Zuständigkeiten und Befugnisse im Bereich des frühzeitigen Eingreifens

53 Das frühzeitige Eingreifen soll eine Sanierung durch behördliche Maßnahmen ermöglichen, wenn sich die Wirtschafts- und Finanzlage eines Instituts verschlechtert, die Schwelle zur Abwicklung aber noch nicht erreicht ist (vgl. ErwG 40 BRRD sowie § 16 Rz. 5 [Bauer-Weiler/Struckmann]). Für Frühinterventionsmaßnahmen sind die Aufsichtsbehörden, nicht die Abwicklungsbehörden zuständig.77) Für die in die direkte Zuständigkeit des SRB fallenden Banken ist dies regelmäßig die EZB (Art. 4 Abs. 1 lit. f SSM-VO). Entsprechend beschränkt auch die SRM-VO die Rolle des SRB i. R. des frühzeitigen Eingreifens primär auf die eines Informationsempfängers (Art. 13 Abs. 1 SRM-VO). 54 Allerdings kann das SRB ab dem Zeitpunkt des Ergreifens von Frühinterventionsmaßnahmen parallel mit der Vorbereitung der Abwicklung beginnen (Art. 13 Abs. 2 SRM-VO, siehe § 16 Rz. 143 ff. [Bauer-Weiler/Struckmann]). In diesem Rahmen kann es das Institut oder das Mutterunternehmen verpflichten, potenzielle Erwerber zu kontaktieren (Art. 13 Abs. 3 Unterabs. 1 SRM-VO) sowie die zuständige NRA anweisen, ein vorläufiges Abwicklungskonzept vorzulegen (Art. 13 Abs. 3 Unterabs. 2 SRM-VO und Art. 31 Abs. 2 SRM-RB). c)

Zuständigkeiten und Befugnisse in der Abwicklungsplanung

aa)

Abwicklungspläne

55 Das SRB ist gemäß Art. 8 Abs. 1 SRM-VO für die Erstellung von Abwicklungsplänen für bedeutende Institute und Gruppen sowie für grenzüberschreitende Gruppen zuständig. Es kann die NRAs auffordern, Entwürfe von Abwicklungsplänen zu erstellen (Art. 8 ___________ 77) Zu möglichen Konflikten zwischen den Aufsichts- und Abwicklungsbehörden vgl. z. B. Grünewald/ Lackhoff, GesKR 2016, 139, 143.

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III. Zuständigkeitsverteilung und Verfahren im SRM

§ 14

Abs. 2 Satz 2 SRM-VO), wobei die NRAs den Leitlinien und (Einzel-)Anweisungen des SRB Folge zu leisten haben (Art. 8 Abs. 3 SRM-VO und Art. 6 Abs. 2 Satz 2 lit. a SRMRB). Die Entwürfe dienen auch der Bewertung der Abwicklungsfähigkeit gemäß Art. 10 Abs. 1 SRM-VO (Art. 28 Abs. 1 SRM-RB). Abwicklungspläne werden von den IRTs vorbereitet (Art. 24 Abs. 3 lit. b und Art. 27 SRM- 56 RB) und vom SRB in seiner erweiterten Präsidiumssitzung verabschiedet (Art. 54 Abs. 2 lit. a SRM-VO). Die EZB wird insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen der Abwicklungspläne auf die Geschäftstätigkeit der Institute und die laufende Aufsicht durch das SRB konsultiert.78) Das SRB kann auch über die Festlegung vereinfachter Anforderungen an die Abwicklungsplanung entscheiden (Art. 11 SRM-VO und Art. 29 SRM-RB). bb)

Bewertung der Abwicklungsfähigkeit und Beseitigung von Abwicklungshindernissen

Im Rahmen der erstmaligen Erstellung und der Aktualisierung von Abwicklungsplänen 57 hat das SRB – unterstützt vom IRT (Artt. 24 Abs. 4 lit. c und 27 SRM-RB) – auch die Abwicklungsfähigkeit von Instituten und Gruppen in seiner direkten Zuständigkeit zu bewerten (Art. 10 Abs. 1 SRM-VO). Abwicklungsfähig ist ein Unternehmen oder eine Gruppe, wenn eine Liquidation i. R. eines regulären Insolvenzverfahrens oder eine Abwicklung durch die Anwendung von Abwicklungsinstrumenten und die Ausübung von Abwicklungsbefugnissen durch das SRB durchführbar und glaubwürdig ist (Art. 10 Abs. 3 Satz 2 und Art. 10 Abs. 4 SRM-VO). Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob i. R. der Abwicklung erhebliche negative Auswirkungen auf die Finanzsysteme des Sitzmitgliedstaats, anderer Mitgliedstaaten oder der Union vermieden (dazu Art. 10 Abs. 5 SRM-VO) und die Fortführung kritischer Funktionen des Unternehmens sichergestellt werden können. Die Bewertung richtet sich i. Ü. nach Abschnitt C des Anhangs zur BRRD (Art. 10 Abs. 6 SRM-VO). Kommt das SRB zur Einschätzung, dass wesentliche Abwicklungshindernisse beste- 58 hen,79) erstellt es einen an das Institut oder das Mutterunternehmen gerichteten Bericht, in dem es Empfehlungen für verhältnismäßige und zielgerichtete Maßnahmen zur Beseitigung der Abwicklungshindernisse ausspricht (Art. 10 Abs. 7 SRM-VO). Das Unternehmen hat sodann innerhalb von vier Monaten dem SRB Maßnahmen zur Beseitigung der Abwicklungshindernisse vorzuschlagen (Art. 10 Abs. 9 SRM-VO). Nach Art. 10 Abs. 9 Unterabs. 2 und 3 SRM-VO sind bereits innerhalb von zwei Wochen Maßnahmen inklusive eines Zeitplans zur Durchführung vorzuschlagen, wenn das wesentliche Abwicklungshindernis darin besteht, dass das Institut nicht gleichzeitig die kombinierte Kapitalpufferanforderung gemäß Art. 128 Abs. 6 CRD und die (risikobasierte) MRELQuote erfüllt oder das Institut die TLAC- bzw. MREL-Anforderungen nicht erfüllt. Werden die Hindernisse durch die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht wirkungsvoll be- 59 hoben, fasst das SRB unter Berücksichtigung der EBA-Leitlinien zur Festlegung von Maßnahmen zum Abbau und zur Beseitigung von Abwicklungshindernissen80) einen Beschluss, mit dem es der NRA mittels Einzelweisung aufgibt, das Institut, das Mutterun___________ 78) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 51. 79) In der Praxis wird dem Institut regelmäßig zunächst auf informellem Wege die Möglichkeit gegeben, die Abwicklungshindernisse selbst zu beseitigen. Erst wenn dies scheitert, wird das Abwicklungshindernis als wesentlich eingestuft, vgl. SRB, The Single Resolution Mechanism, Introduction to Resolution Planning, 2016, Nr. 2.6.3. Vgl. auch SRB, Expectations for Banks 2020, S. 48 ff. 80) EBA, Leitlinien zur Festlegung von Maßnahmen zum Abbau und zur Beseitigung von Abwicklungshindernissen und den Umständen, unter denen die jeweiligen Maßnahmen gemäß Richtlinie 2014/59/EU ergriffen werden können, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/11).

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ternehmen oder ein Tochterunternehmen der betroffenen Gruppe zur Umsetzung einer der in Art. 10 Abs. 11 SRM-VO genannten Maßnahmen zu verpflichten (Art. 10 Abs. 10 Satz 2 und Abs. 12 SRM-VO sowie Art. 6 Abs. 2 Satz 2 lit. b und Art. 28 Abs. 4 SRM-RB). 60 Zur Sicherstellung der Transparenz seiner Verwaltungspraxis hinsichtlich der Herstellung der Abwicklungsfähigkeit hat das SRB zuerst im Jahr 2019 sog. „Erwartungen an Banken“ (Expectations for Banks – EfB) veröffentlicht und im Jahr 2020 aktualisiert.81) Die sieben wesentlichen Aspekte zur Bewertung der Abwicklungsfähigkeit sind den EfB zufolge die Governance, die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungsfähigkeit, Liquidität und Finanzierung, operationelle Kontinuität und Zugang zu Finanzmarktinfrastrukturen, Informationssysteme und Datenanforderungen, Kommunikation sowie Trennbarkeit und Restrukturierung. cc)

M-MDA

61 Gemäß Art. 10a SRM-VO kann das SRB Instituten untersagen, Ausschüttungen auf CET1Instrumente oder Zahlungen auf AT 1-Instrumente vorzunehmen sowie variable Vergütungen zu zahlen oder Verpflichtungen hierzu einzugehen, wenn das Institut nicht gleichzeitig die kombinierte Kapitalpufferanforderung gemäß Art. 128 Abs. 6 CRD und die (risikobasierte) MREL-Quote erfüllt (vgl. auch ErwG 21 SRM-VO II) und die Ausschüttungen bzw. Zahlungen den gemäß Art. 10a Abs. 4 SRM-VO berechneten ausschüttungsfähigen Höchstbetrag (sog. MREL Maximum Distributable Amount – M-MDA) überschreiten. Ein Automatismus wie beim MDA gemäß Art. 141 Abs. 2 CRD indes nicht vorgesehen; stattdessen prüft das SRB unverzüglich anhand der in Art. 10a Abs. 2 SRM-VO niedergelegten Kriterien, ob Ausschüttungen und Zahlungen untersagt werden sollen. Erst nach neun Monaten besteht eine Pflicht zur Untersagung vorbehaltlich bestimmter Ausnahmegründe (Art. 10a Abs. 3 SRM-VO). Unklar ist, ob das SRB diese Kompetenz unmittelbar gegenüber Instituten wahrnehmen kann oder ob es auch hier nach Art. 29 SRMVO mittels Anweisung an die NRA vorgehen muss. dd)

Festlegung der MREL-Quote

62 Unterstützt vom IRT (Art. 24 Abs. 3 lit. g SRM-RB) setzt das SRB in seiner erweiterten Präsidiumssitzung (Art. 54 Abs. 2 lit. c SRM-VO) gemäß Art. 12 Abs. 1 SRM-VO die Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities – MREL) fest. Dabei unterscheidet die SRM-VO II – ebenso wie die BRRD II – zwischen von Abwicklungseinheiten (Resolution Entities) vorzuhaltendem externem MREL und von anderen Instituten zu begebendem internem MREL. Die externe MREL-Anforderung ist auf Gruppenebene zu erfüllen (vgl. Art. 12f SRM-VO) und setzt grundsätzlich voraus, dass die berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten an Unternehmen außerhalb der Abwicklungsgruppe begeben werden (vgl. Art. 12c Abs. 1 SRM-VO i. V. m. Art. 72b Abs. 2 lit. b CRR). Anforderungen an internes MREL werden auf individueller Basis festgesetzt (Art. 12g Abs. 1 SRM-VO).82) 63 Im Falle von G-SRIs und Top-Tier-Banken bezieht sich die individuelle Festsetzung des SRB nach der SRM-VO II lediglich auf den institutsspezifischen MREL-Zuschlag (Säule 2MREL), während sich die gesetzliche MREL-Mindestanforderung für G-SRIs (Säule 1MREL) nach den Art. 92a und 92b CRR richtet (Art. 12e Abs. 1 und 2 SRM-VO), für ___________ 81) SRB, Expectations for Banks 2019 und SRB, Expectations for Banks 2020. 82) Vgl. hierzu SRB, Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities (MREL) – SRB Policy under the Banking Package, Stand: 2020, Rz. 89 ff.

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III. Zuständigkeitsverteilung und Verfahren im SRM

§ 14

Top-Tier-Banken nach Art. Art. 12d Abs. 4 und 5 SRM-VO. Für alle sonstigen Banken bleibt es dabei, dass die MREL-Quote insgesamt individuell für die Institute festgelegt wird.83) Für Institute, die nach dem Abwicklungsplan abgewickelt werden sollen, ist dabei ein Verlustabsorptionsbetrag (Loss-Absorption Amount – LAA) und ein Rekapitalisierungsbetrag (Recapitalisation Amount – RCA) zu berücksichtigen (Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a und b SRM-VO). Zudem kann ein sogenannter Marktvertrauenspuffer (Market Confidence Charge – MCC) auf den nach dem TREA berechneten RCA aufgeschlagen werden (Art. 12d Abs. 3 Unterabs. 6 SRM-VO). Ist nach dem Abwicklungsplan ein Insolvenzverfahren vorgesehen, soll Maßstab für die MREL-Quote grundsätzlich nur der Verlustabsorptionsbetrag sein (Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 2 SRM-VO). Schließlich kann das SRB auch für sonstige Banken festlegen, dass diese MREL i. H. von (mindestens) 8 % TLOF vorhalten (Art. 12c Abs. 5 SRM-VO). Soweit das SRB die NRA bereits zur Erstellung eines Entwurfs des Abwicklungsplans 64 gemäß Art. 8 Abs. 2 Satz 2 SRM-VO verpflichtet hat, kann es sie auch auffordern, einen Beschlussentwurf für die Festlegung der MREL-Quote vorzulegen (Art. 30 Abs. 1 lit. b SRM-RB). Nach Festlegung der MREL-Quote richtet das SRB eine Einzelweisung an die NRA, die 65 diese gemäß Art. 29 SRM-VO, d. h. mittels der Befugnisse der BRRD-Umsetzungsgesetzgebung, umzusetzen hat (Art. 12 Abs. 14 Satz 1 und 2 SRM-VO (nach der SRM-VO II ab dem 28.12.2020: Art. 12 Abs. 5 SRM-VO) sowie Art. 6 Abs. 2 Satz 2 lit. c und Art. 30 Abs. 2 Satz 1 und 2 SRM-RB). Die BaFin muss die MREL-Quote daher gesondert durch Verwaltungsakt gegenüber dem betroffenen Institut festsetzen. Zudem weist das SRB die NRA an, zu prüfen und sicherzustellen, dass Institute und Mut- 66 terunternehmen die MREL-Quote stets erfüllen (Art. 12 Abs. 14 Satz 2 SRM-VO). Soweit eine Verbindlichkeit dem Recht eines Drittstaats unterliegt, kann das SRB die NRA schließlich verpflichten, von dem Institut den Nachweis zu verlangen, dass ein Beschluss des SRB über die Herabschreibung oder die Umwandlung der Verbindlichkeit i. R. eines Bail-in auch tatsächlich nach dem Recht des Drittstaats durchgesetzt würde (Art. 12 Abs. 17 Satz 1 SRM-VO und Art. 6 Abs. 2 Satz 2 lit. d SRM-RB). ee)

Informationsrechte

Das SRB hat i. R. seiner Aufgaben weitreichende Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung 67 (vgl. Artt. 34 bis 37 SRM-VO). Dazu zählen Auskunftsersuchen, allgemeine Untersuchungen sowie Prüfungen vor Ort. Ebenso wie die EZB im SSM (vgl. Artt. 10 bis 13 SSM-VO) kann auch das SRB diese Befugnisse in Bezug auf alle Unternehmen (sowie auf dessen Mitarbeitern und Auslagerungsunternehmen) wahrnehmen, auch wenn es nicht direkt zuständig ist.84) Für Auskunftsersuchen fungiert das IRT als zentraler Ansprechpartner (Art. 39 Abs. 1 SRM-RB). Allgemeine Untersuchungen werden vom SRB entweder unmittelbar oder über die NRAs ausgeführt (Art. 40 Abs. 1 Satz 2 SRM-RB). Vor-OrtPrüfungen finden unter der Leitung des SRB statt (Art. 41 Abs. 2 SRM-VO). d)

Zuständigkeiten und Befugnisse zur Herabschreibung und Umwandlung von Kapitalinstrumenten und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten

Die Herabschreibung und Umwandlung von Kapitalinstrumenten wird regelmäßig im 68 Zusammenhang mit einer Abwicklung des Instituts angeordnet werden (vgl. ErwG 86 ___________ 83) Bundesbank, Monatsbericht 6/2019, S. 31, 45. 84) Grünewald/Lackhoff, GesKR 2016, 139, 147.

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Satz 2 SRM-VO);85) es ist aber auch denkbar, diese nicht den Abwicklungsinstrumenten i. e. S. zuzuordnende Möglichkeit (siehe § 18 Rz. 75, 78 ff. [Binder]) außerhalb eines Abwicklungsszenarios einzusetzen, etwa wenn bereits die Herabschreibung und Umwandlung geeignet ist, den Ausfall abzuwenden (vgl. Art. 18 Abs. 1 lit. b SRM-VO). 69 Gemäß Art. 21 Abs. 8 Unterabs. 1 SRM-VO und Art. 6 Abs. 2 Satz 2 lit. e SRM-RB weist das SRB die NRA an, die Herabschreibungs- bzw. Umwandlungsbefugnisse des nationalen Umsetzungsrechts zur BRRD auszuüben, wenn zwar die Voraussetzungen für eine Herabschreibung und Umwandlung von Kapitalinstrumenten gemäß Art. 21 Abs. 1 SRM-VO, nicht aber die Abwicklungsvoraussetzungen gemäß Art. 18 Abs. 2 SRM-VO vorliegen. Bei Erfüllung der Abwicklungsvoraussetzungen findet das in Art. 18 SRM-VO niedergelegte Verfahren Anwendung (Art. 21 Abs. 9 SRM-VO). Die Anweisung der NRA zur Herabschreibung und Umwandlung ist dann Teil des Beschlusses des SRB zum Abwicklungskonzept. 70 Die SRM-VO II weitet die Befugnis auf berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten aus, sofern diese die Voraussetzungen des Art. 12g Abs. 2 lit a SRM-VO erfüllen (Art. 21 Abs. 7a SRM-VO i. d. F. SRM-VO II). e)

Zuständigkeiten und Befugnisse in der Abwicklung

71 Das SRB entscheidet – gemeinsam mit Kommission und Rat – über die Abwicklung eines Unternehmens oder einer Gruppe unter seiner direkten Zuständigkeit (siehe Rz. 44 ff.) einschließlich des einer konsolidierten Beaufsichtigung der EZB unterliegenden Mutterunternehmens (Art. 16 Abs. 1 SRM-VO) sowie dann, wenn der SRF in Anspruch genommen werden soll (Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 SRM-VO). 72 Dazu prüft das SRB zunächst, ob die in Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 SRM-VO genannten Abwicklungsvoraussetzungen vorliegen: x

Das Unternehmen muss ausfallen oder wahrscheinlich ausfallen (Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a und Abs. 4 SRM-VO, sog. Failing or Likely to Fail (FOLTF)Assessment),

x

es darf keine Aussicht bestehen, dass der Ausfall durch andere Maßnahmen des privaten Sektors abgewendet werden kann (Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b SRM-VO), und

x

die Abwicklung muss im öffentlichen Interesse liegen (Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. c und Abs. 5 SRM-VO).

73 Die Prüfung des (wahrscheinlichen) Ausfalls (das sog. Failing or Likely to Fail (FOLTF)Assessment; zu diesem Kriterium siehe § 18 Rz. 36 ff. [Binder]) – und damit auch die Initiative zur Einleitung des Abwicklungsverfahrens – obliegt für die der direkten Zuständigkeit des SRB unterstehenden Institute gemäß Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 SRM-VO

___________ 85) Vgl. etwa SRB, The Single Resolution Board adopts resolution decision for Banco Popular, Beschluss v. 7.6.2017, Artt. 6.1 bis 6.4, sowie den Umsetzungsbeschluss der spanischen NRA: FROB, Resolution of the FROB Governing Committee adopting the measures required to implement the Decision of the Single Resolution Board in its Extended Executive Session of 7 June 2017 concerning the adoption of the resolution scheme in respectof Banco Popular Español, S.A., Umsetzungsbeschluss, v. 7.6.2017.

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III. Zuständigkeitsverteilung und Verfahren im SRM

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primär der EZB nach Anhörung des SRB.86) In diesem Sinn führt die FOLTF-Entscheidung der EZB zu einem „Zuständigkeitstransfer“ zum SRB.87) Die EZB wendet für die FOLTFEntscheidung das Verfahren der impliziten Zustimmung (Non-Objection Procedure) an (dazu § 2 Rz. 141 ff. [Glos/Benzing]).88) Allerdings kann das SRB die EZB über seine Absicht informieren, ein Institut als (wahrscheinlich) ausfallend zu betrachten. Nimmt die EZB innerhalb von drei Kalendertagen hierzu keine Stellung, kann das SRB die Bewertung selbst vornehmen (Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 SRM-VO); (nur) über dieses Verfahren kann das SRB die Zuständigkeit für die FOLTF-Entscheidung an sich ziehen. Über eine den (wahrscheinlichen) Ausfall ausdrücklich verneinende (oder bejahende) EZB-Entscheidung (die ggf. in der Stellungnahmefrist von drei Kalendertagen ergehen kann) kann sich das SRB allerdings nicht hinwegsetzen.89) Das EuG hat sich dieser – in der Literatur soweit ersichtlich einhellig vertretenen und 74 auch vom Bundesverfassungsgericht ratifizierten90) – Auffassung unter Verweis auf den Wortlaut des ErwG 26 und des Art. 18 Abs. 1 SRM-VO indes nicht angeschlossen. Nach seiner Lesart der Vorschriften ist das SRB allein und ausschließlich für die Prüfung der drei Abwicklungsvoraussetzungen zuständig und insbesondere nicht an die Feststellung des Ausfalls (also das FOLTF-Assessment) durch die EZB gebunden.91) Bei der FOLTFFeststellung handele es sich daher um einen lediglich vorbereitenden Akt der EZB, der nicht gesondert mit der Nichtigkeitsklage angegriffen werden kann. Hingegen prüft und beurteilt das SRB in seiner erweiterten Präsidiumssitzung die weiteren 75 Voraussetzungen der Abwicklung (keine alternativen Maßnahmen (vgl. § 18 Rz. 50 ff. [Binder]), öffentliches Interesse (vgl. § 18 Rz. 46 ff. [Binder])) grundsätzlich in einem ersten Schritt selbst (Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 4 SRM-VO).92) Abschließend entscheiden kann es indes nur, falls es zumindest eine der weiteren Abwicklungsvoraussetzungen verneint,93) andernfalls werden Kommission und ggf. Rat eingebunden (siehe dazu Rz. 80 ff.). Kommt das SRB zu dem Ergebnis, dass nicht alle Voraussetzungen für eine Abwicklung vorliegen, stellt es in einem an die NRA gerichteten Beschluss ausdrücklich fest, welche Voraussetzungen des Art. 18 SRM-VO vorliegen und an welchen es mangelt, und ___________ 86) Zum Hintergrund vgl. Busch in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, Rz. 9.103. Dies gilt nicht nur für der direkten EZB-Aufsicht unterstehende Institute, sondern dem Wortlaut nach auch für „grenzüberschreitende Gruppen“ gemäß Art. 7 Abs. 2 lit. b SRM-VO. Vgl. hierzu ECB, Opinion on revisions to the Union crisis management framework, v. 8.11.2017 (CON/2017/47), S. 9, wonach die Prüfung in Bezug auf diese Gruppen zukünftig den NCAs obliegen soll. Vgl. auch Lackhoff/Yoo/ Bauerfeind, WM 2019, 1677, 1684 (m. Fn. 114), die insofern eine teleologische Reduktion befürworten. Die EZB hat in den folgenden Fällen nicht-vertrauliche Fassungen der Ergebnisse ihrer Prüfungen auf ihrer Internetseite veröffentlicht: ECB, „Failing or Likely to Fail“ Assessment of Banco Popular Español S. A.; ECB, „Failing or Likely to Fail“ Assessment of Veneto Banca S.p.A.; ECB, „Failing or Likely to Fail“ Assessment of Banca Popolare di Vicenza S.p.A.; ECB, „Failing or Likely to Fail“ Assessment of ABLV Bank, AS; ECB, „Failing or Likely to Fail“ Assessment of ABLV Bank Luxembourg, S. A., sowie ECB, „Failing or Likely to Fail“ Assessment of AS PNB Banka. 87) So: Kommission, Report to the European Parliament and the Council on the Single Supervisory Mechanism established pursuant to Regulation (EU) No. 1024/2013, v. 11.10.2017, COM(2017) 591 final, S. 53. 88) EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2017, S. 48. 89) Grünewald/Lackhoff, GesKR 2016, 139, 143; Lackhoff/Yoo/Bauerfeind, WM 2019, 1677, 1684. 90) BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 256, NJW 2019, 3204. 91) EuG, Beschl. v. 6.5.2019 – Rs. T-281/18 (ABLV Bank AS/EZB), Rz. 34. Krit.: Lackhoff/Yoo/Bauerfeind, WM 2019, 1677, 1684 (m. Fn. 115a). 92) Vgl. Grünewald/Lackhoff, GesKR 2016, 139, 143; Manger-Nestler in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. II Rz. 76. 93) Vgl. den jeweiligen Art. 1 der Beschlüsse des SRB v. 23.6.2016: SRB, Decision concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Veneto Banca S.p.A. und SRB, Decision concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Banca Popolare di Vicenza S.p.A.

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Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

beschließt, dass das Institut nicht nach der SRM-VO abgewickelt wird.94) Im Grundsatz folgt daraus, dass das Institut nach den Vorschriften des nationalen Insolvenzrechts (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 47 BRRD) abgewickelt werden muss (vgl. Art. 18 Abs. 8 SRMVO).95) Da das nationale Insolvenzrecht und das europäische Abwicklungsrecht bislang jedoch nicht aufeinander abgestimmt waren, kam es durchaus in Betracht, dass EZB und SRB ein Institut als (wahrscheinlich) ausfallend bewerten, das Institut mangels öffentlichen Interesses nicht nach der SRM-VO abgewickelt wird und gleichwohl ein Insolvenzgrund nach nationalem Recht nicht vorliegt.96) Um dies zu verhindern, ist nach Art. 32b BRRD nunmehr vorgesehen, dass in diesem Fall das Institut verpflichtend nach nationalem Recht geordnet abzuwickeln ist. 76 Bejaht das SRB hingegen die übrigen Abwicklungsvoraussetzungen, legt es ein Abwicklungskonzept fest. Hierüber entscheidet es üblicherweise in seiner erweiterten Präsidiumssitzung (vgl. Art. 54 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 lit. d SRM-VO). Werden indes Mittel des SRF i. H. von mehr als 5 Mrd. € (im Falle von Liquiditätshilfen, vgl. Art. 76 Abs. 1 lit. b SRM-VO und ErwG 33 Satz 5 SRM-VO, 10 Mrd. €) eingesetzt,97) kann ein Mitglied des SRB in seiner Plenarsitzung innerhalb von drei Stunden nach Übermittlung eine Befassung des SRB in seiner Plenarsitzung verlangen (Art. 50 Abs. 1 lit. c und Abs. 2 Unterabs. 2 SRM-VO). 77 Inhalt des Abwicklungskonzepts ist die Abwicklungsanordnung, die Festlegung der anzuwendenden Abwicklungsinstrumente und ggf. die Inanspruchnahme des SRF (Art. 18 Abs. 6 SRM-VO). Unter Berücksichtigung des Abwicklungsplans (vgl. Art. 23 Abs. 3 SRM-VO) legt das Konzept gemäß Art. 23 Abs. 1 SRM-VO die Einzelheiten der anzuwendenden Abwicklungsinstrumente (siehe dazu i. E. § 18 Rz. 53 ff. [Binder]) im Einklang mit den für die Instrumente geltenden Bestimmungen (Art. 24 Abs. 2 SRM-VO für das Instrument der Unternehmensveräußerung, Art. 25 Abs. 2 SRM-VO für das Instrument des Brückeninstituts, Art. 26 Abs. 2 SRM-VO für das Instrument der Ausgliederung von Vermögenswerten und Art. 27 Abs. 1 Unterabs. 2 SRM-VO für das Bail-inInstrument) sowie die Beträge und Zwecke fest, für die der SRF verwendet werden soll. 78 Umfasst die Abwicklungsmaßnahme die Gewährung staatlicher Beihilfen i. S. des Art. 107 Abs. 1 AEUV oder eine Unterstützung aus dem SRF,98) muss die Kommission zunächst entscheiden, ob der Einsatz der Beihilfen oder des SRF – ggf. unter Auflagen – mit dem Binnenmarkt vereinbar ist (Art. 19 Abs. 1 SRM-VO).99) Eine zeitliche Begren___________ 94) Vgl. die ausführliche Diskussion und Verneinung der Voraussetzung des öffentlichen Interesses (Art. 18 Abs. 1 lit. c und Abs. 5 SRM-VO) in den jeweiligen Art. 4 der Beschlüsse des SRB v. 23.6.2016: SRB, Decision concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Veneto Banca S.p.A. und SRB, Decision concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Banca Popolare di Vicenza S.p.A. Vgl. ebenso: EZB, ECB deemed Veneto Banca and Banca Popolare di Vicenza failing or likely to fail, PM v. 23.6.2017; SRB, The SRB will not take resolution action in relation to Banca Popolare di Vicenza and Veneto Banca, Press Release of 12.12.2017. 95) Kommission, Report from the Commission to the European Parliament and the Council on the application and review of Directive 2014/59/EU (Bank Recovery and Resolution Directive) and Regulation 806/2014 (Single Resolution Mechanism Regulation), v. 30.4.2019, COM(2019) 213 final, S. 1; Yoo in: ESCB Legal Conference 2018, S. 139, 144. 96) So z. B. im Fall des luxemburgischen Instituts ABLV Bank, S. A., vgl. EZB, Jahresbericht zur Aufsichtstätigkeit 2018, S. 45 f. Vgl. auch Yoo in: ESCB Legal Conference 2018, S. 139, und Lackhoff/Yoo/ Bauerfeind, WM 2019, 1677, 1865. 97) Zum Hintergrund vgl. Busch in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, Rz. 9.100. 98) Eine Unterstützung aus dem SRF qualifiziert selbst nicht als staatliche Beihilfe, wird aber identisch behandelt, vgl. de Gregorio Merino in: Bándi/Darák/Halustyik/Láncos, European Banking Union, Bd. 1, S. 151, 220. 99) Mögliche Auflagen der Kommission zählt ErwG 30 Satz 2 SRM-VO beispielhaft auf.

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III. Zuständigkeitsverteilung und Verfahren im SRM

§ 14

zung für diese Prüfung enthält die SRM-VO nicht. Allerdings kann der Rat im Ausnahmefall auf Antrag eines Mitgliedstaats in Abweichung von einer negativen Kommissionsentscheidung einstimmig beschließen, dass die Inanspruchnahme des SRF mit dem Binnenmarkt zu vereinbaren und daher nach beihilferechtlichen Grundsätzen unbedenklich ist (Art. 19 Abs. 10 SRM-VO). Da es das Primärrecht vor dem Hintergrund der Meroni-Doktrin nicht erlaubt, umfassende 79 Entscheidungsbefugnisse auf eine Agentur wie den SRB zu übertragen (vgl. ErwG 24 und ErwG 26 Abs. 1 Satz 3 und 4 SRM-VO),100) ist das SRB für die Entscheidung über das Abwicklungskonzept nicht abschließend zuständig. Ähnlich wie im SSM besteht insoweit vielmehr auch im SRM ein „Verfahren der impliziten Zustimmung“ (Non-Objection Procedure), das die Kommission und ggf. den Rat101) einbezieht, wobei die Kommission das Abwicklungskonzept vor Ablauf der Frist auch ausdrücklich billigen kann. Das SRB hat das Abwicklungskonzept unmittelbar nach dessen Annahme der Kom- 80 mission zu übermitteln (Art. 18 Abs. 7 Unterabs. 1 SRM-VO). Die Kommission102) hat das Konzept innerhalb von 24 Stunden zu billigen (in diesem Fall wird der Rat nicht weiter involviert und das Abwicklungskonzept tritt in Kraft [ErwG 26 Satz 4 SRM-VO])103) oder Einwände in Bezug auf Aspekte des Konzepts zu erheben, bezüglich derer ein Ermessenspielraum besteht.104) Ist die Kommission der Auffassung, dass die Voraussetzung des öffentlichen Interesses nicht erfüllt ist, kann sie nicht selbst abschließend entscheiden. Vielmehr muss sie das Konzept an den Rat weiterleiten und die Erhebung eines Einwands vorschlagen (Art. 18 Abs. 7 Unterabs. 3 lit. a SRM-VO). Hält es die Kommission zudem für notwendig, die im Abwicklungskonzept vorgeschlagene Beteiligung des SRF wesentlich zu ändern,105) unterbreitet sie auch diesen Vorschlag dem Rat zur Billigung oder zur Erhebung von Einwänden (Art. 18 Abs. 7 Unterabs. 3 lit. b SRM-VO).106) Der Rat kann dem Vorschlag der Kommission insoweit nur zustimmen oder ihn ablehnen, ___________ 100) Vgl. Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, S. 31, 48 ff.; Wojcik/Ceyssens, EuZW 2014, 893, 895 f.; Ohler, EuR 2016 (Beilage 2), S. 7, 26; Manger-Nestler in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. II Rz. 72 und 78; Teixeira, EBoR 2017, 535, 553 f., und Steiblytơ in: ESCB Legal Conference 2018, S. 66, 74. Zur Meroni-Doktrin allgemein: Hofmann/Rowe/Türk, Administrative Law and Policy of the European Union, S. 241 ff. 101) Der Rat soll indes im Interesse der raschen Beschlussfassung die von der Kommission bereits geleisteten Vorarbeiten nicht duplizieren, ErwG 26 Abs. 2 Satz 4 SRM-VO. 102) Der Kommission kommt bereits in ihrer Funktion als ständigem Beobachter in den Sitzungen des SRB eine besondere Rolle zu. Sie soll sich vergewissern, dass das vom SRB festgelegte Abwicklungskonzept im Einklang mit der SRM-VO steht, für einen angemessenen Interessenausgleich sorgt, dem öffentlichen Interesse entspricht und die Integrität des Binnenmarkts wahrt, ErwG 26 Abs. 2 Satz 3 SRM-VO. 103) Vgl. auch Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, S. 31, 48; Manger-Nestler in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. II Rz. 80, Steiblytơ in: ESCB Legal Conference 2018, S. 66, 75 sowie SRB, Beschluss in Bezug auf die Banco Popular Español S. A., v. 7.6.2017, ErwG 39 und 40. 104) Ermessen besteht z. B. hinsichtlich der Wahl des Abwicklungsinstruments und des Umfangs eines Bail-ins, vgl. Grünewald/Lackhoff, GesKR 2016, 139, 149. Ob die Kommission darüber hinaus auch Einwände gegen die Bewertung des SRB bzw. der EZB, das Institut falle (wahrscheinlich) aus und es stünden keine privaten Alternativmaßnahmen zur Verfügung (so: Busch in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, Rz. 9.114), erheben kann, ist ungewiss. In diesen Fällen müsste das Institut nach dem nationalen Insolvenzrecht abgewickelt werden, eine Änderung des Abwicklungskonzepts (Art. 18 Abs. 7 Unterabs. 7 SRM-VO) wäre müßig. Eine solche Rechtsfolge ordnet Art. 18 Abs. 8 SRM-VO aber nur für den Fall an, dass der Rat Einwände aufgrund des fehlenden öffentlichen Interesses erhebt. Daher ist davon auszugehen, dass die Bewertung des Ausfalls und der fehlenden Alternativmaßnahmen durch EZB und SRB für die Kommission wie für den Rat abschließend ist. 105) Gemäß ErwG 26 Abs. 2 Satz 1 SRM-VO sollte eine Änderung des Betrags von mindestens 5 % als erheblich gelten. 106) Zur Beschlussfassung des Rats vgl. den Beschluss (EU) 2016/228 des Rates v. 14.7.2015, ABl. (EU) L 41/20 v. 18.2.2016.

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§ 14

Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

nicht aber verändern (ErwG 26 Abs. 2 Satz 2 SRM-VO). Die Erhebung von Einwänden aus anderen Gründen als den in Art. 18 Abs. 7 Unterabs. 3 lit. a und b SRM-VO vorgesehenen durch den Rat ist ausgeschlossen (ErwG 26 Abs. 1 Satz 5 SRM-VO). Einwände sind von der Kommission und dem Rat zu begründen (Art. 18 Abs. 7 Unterabs. 6 SRM-VO). 81 Erheben weder Kommission noch Rat innerhalb von 24 Stunden nach Übermittlung an die Kommission Einwände gegen das Abwicklungskonzept, tritt es in Kraft (Art. 18 Abs. 7 Unterabs. 5 SRM-VO). 82 Erheben Kommission oder Rat hingegen Einwände (oder billigt der Rat den Vorschlag der Kommission zur Änderung des Abwicklungskonzepts mit Hinblick auf die Inanspruchnahme des SRF), ändert das SRB das Konzept innerhalb von acht Stunden, wobei es die von den Organen gemäß Art. 18 Abs. 7 Unterabs. 6 SRM-VO angegebenen Gründe für die Einwände berücksichtigt (Art. 18 Abs. 7 Unterabs. 7 SRM-VO). 83 Erhebt der Rat hingegen auf Vorschlag der Kommission den Einwand, dass das Kriterium des öffentlichen Interesses nicht erfüllt ist, ist das Institut nach dem nationalen Insolvenzrecht zu liquidieren (Art. 18 Abs. 8 SRM-VO). Lehnt der Rat die Vorschläge der Kommission gemäß Art. 18 Abs. 7 Unterabs. 3 lit. b SRM-VO zur Änderung des Abwicklungskonzepts in Bezug auf die Nutzung des SRF ab, so tritt das Konzept unverändert in Kraft. 84 Das Abwicklungskonzept wird sodann vom SRB als Beschluss an die NRA gerichtet und weist diese an, alle zur Umsetzung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen und dazu Abwicklungsbefugnisse auszuüben (Art. 18 Abs. 9 SRM-VO).107) Hierbei greift die NRA auf das nationale Umsetzungsrecht der BRRD zurück (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 2 SRMVO), in Deutschland also das SAG, soweit nicht die SRM-VO vorrangig anzuwendende Bestimmungen enthält. 85 Das Abwicklungskonzept oder eine Zusammenfassung der Auswirkungen der Abwicklungsmaßnahme ist auf der Webseite des SRB zu veröffentlichen (Art. 29 Abs. 5 SRMVO). Das SRB hat zu den bisherigen Abwicklungsentscheidungen nicht-vertrauliche Fassungen der Beschlüsse auf der Webseite zur Verfügung gestellt.108) 86 Das SRB überwacht die Umsetzung des Abwicklungskonzepts durch die NRAs gemäß Art. 28 Abs. 1 SRM-VO. Die NRAs sind verpflichtet, dem SRB regelmäßig Informationen zur Umsetzung des Abwicklungskonzepts, zur Anwendung der Abwicklungsinstrumente und zur Ausübung der Abwicklungsbefugnisse vorzulegen (Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 SRM-VO und Art. 15 Abs. 3 SRM-RB). Soweit erforderlich kann das SRB den NRAs i. R. der laufenden Abwicklung Anweisungen zu allen Aspekten der Umsetzung des Abwicklungskonzepts erteilen (Art. 28 Abs. 2 SRM-VO). 87 Schließlich kann das Abwicklungskonzept auch nach begonnener Abwicklung vom SRB jederzeit nach dem Verfahren des Art. 18 SRM-VO geändert werden, soweit dies für die Erreichung der Abwicklungsziele erforderlich ist (Art. 23 Abs. 4 und Art. 28 Abs. 3 SRM-VO). 88 Nach Beendigung der Abwicklung legen die NRAs dem SRB schließlich einen Abschlussbericht über die Umsetzung des Abwicklungskonzeptes vor (Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 SRM-VO und Art. 15 Abs. 4 SRM-RB). ___________ 107) Vgl. SRB, The Single Resolution Board adopts resolution decision for Banco Popular, Beschluss v. 7.6.2017, Art. 6.2. 108) SRB, Decision determining whether compensation needs to be granted to the shareholders and creditors in respect of which the resolution actions concerning Banco Popular Español S.A. have been effected, v. 17.3.2020, und SRB, Decision concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Veneto Banca S.p.A., v. 23.6.2017; SRB, Decision concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Banca Popolare di Vicenza S.p.A., v. 23.6.2017.

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III. Zuständigkeitsverteilung und Verfahren im SRM 3.

Direkte Zuständigkeit der NRAs und Steuerung durch das SRB

a)

Grundlagen: Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse der NRAs

§ 14

Die NRAs bleiben grundsätzlich gemäß Art. 7 Abs. 2 lit. b SRM-VO für die Abwick- 89 lungsplanung und Abwicklung aller weniger bedeutenden Institute und Gruppen mit Ausnahme der anderen grenzüberschreitenden Gruppen zuständig (Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 1 SRM-VO und Art. 32 SRM-RB; vgl. auch ErwG 28 Satz 3 SRM-VO).109) Ist eine NRA die für die Gruppenabwicklung zuständige Behörde, richtet sie das Abwicklungskollegium ein und übernimmt dessen Vorsitz (Art. 36b Abs. 1 SRM-RB). Das SRB hat das Recht, als Beobachter teilzunehmen (Art. 36b Abs. 2 Satz 1 SRM-RB). Das von den NRAs anzuwendende Recht und das Verfahren richten sich im SRM pri- 90 mär nach der SRM-VO (Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 4 i. V. m. Art. 5 Abs. 2 SRM-VO) und erst in zweiter Linie nach nationalem Umsetzungsrecht der BRRD (vgl. Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 4 SRM-VO und § 1 SAG).110) Aufgrund des Vorrangs der SRM-VO ist im Kollisionsfall die relevante Bestimmung der SRM-VO anzuwenden.111) Die NRAs haben sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben eng mit dem SRB abzu- 91 stimmen und den Ausschuss über die zu treffenden Maßnahmen vorab zu unterrichten (Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 5 und Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 2 lit. d SRM-VO). Das SRB hat die Einzelheiten zur Vorabunterrichtung in Art. 33 Abs. 1 SRM-RB112) festgelegt. Art. 34 Abs. 2 Satz 1 SRM-RB bestimmt, dass das SRB die Prüfung von Beschlussentwürfen grundsätzlich innerhalb von 20 Arbeitstagen ab Unterrichtung durch die NRA vornimmt. Lediglich im Fall von Abwicklungsplänen, die die Anwendung von Abwicklungsmaßnahmen (und nicht eine Insolvenz) vorsehen, und damit zusammenhängende MRELBeschlüsse sowie die Festlegung vereinfachter Anforderungen an die Abwicklungsplanung beträgt die Frist 40 Arbeitstage. In dringenden Fällen können diese Fristen verkürzt werden (Art. 34 Abs. 3 SRM-RB). b)

Zuständigkeiten und Befugnisse in der Abwicklungsplanung

Gemäß Art. 9 Abs. 1 SRM-VO erstellen die NRAs Abwicklungspläne für Unternehmen und 92 Gruppen unter ihrer direkten Zuständigkeit und nehmen diese an. Art. 9 Abs. 1 SRM-VO verweist dabei auf die Regelungen zu den inhaltlichen Anforderungen des Abwicklungsplans in Art. 8 Abs. 5 bis 13 SRM-VO. Darüber hinaus normiert Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 4 SRM-VO, dass Bezugnahmen auf das SRB in Art. 8 Abs. 6, 8, 12 und 13 SRM-VO als Bezugnahmen auf die NRAs gelten. Gemäß Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 5 SRM-VO und Art. 33 Abs. 1 lit. a SRM-RB haben die 93 NRAs vor Annahme und vor Aktualisierungen des Abwicklungsplan das SRB zu informieren und diesem Entwürfe des Abwicklungsplans zur Verfügung zu stellen (Art. 31 Abs. 1 lit. d SRM-VO i. V. m. Art. 34 Abs. 1 SRM-RB). Ist der Abwicklungsplan angenommen, stellen die NRAs diesen dem SRB innerhalb von zehn Arbeitstagen zur Verfügung (Art. 34 Abs. 4 SRM-RB, vgl. auch Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 6 SRM-VO). ___________ 109) Manger-Nestler in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. II Rz. 11, 28 und 87. 110) Vgl. Busch in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, Rz. 9.12. 111) Vgl. RegE AbwMechG, BT-Drucks. 18/5009, S. 2, mit dem wenig hilfreichen Hinweis, dass „[v]on den rechtsanwendenden Behörden wie den betroffenen Instituten … danach jeweils zu prüfen [ist], ob nationales oder europäisches Recht anzuwenden ist“. S. a. Begr. RegE AbwMechG, BT-Drucks. 18/5009, S. 62. 112) Art. 33 SRM-RB umfasst nur einen Absatz. Gleichwohl wird die Benennung hier wie im SRM-RB einschließlich des Absatzes 1 beibehalten.

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§ 14

Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

94 Die Bewertung der Abwicklungsfähigkeit durch die NRA richtet sich nach Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 4 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 bis 10 SRM-VO, die MREL-Quote ist gemäß Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 4 i. V. m. Art. 12 SRM-VO festzusetzen. Auch hier besteht die Pflicht der NRAs, dem SRB vorab Beschlussentwürfe zur Verfügung zu stellen (Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 5 SRM-VO und Art. 33 Abs. 1 lit. a und lit. c SRM-RB). c)

Zuständigkeiten und Befugnisse zur Herabschreibung und Umwandlung von Kapitalinstrumenten und in der Abwicklung

95 Die Zuständigkeiten der NRAs mit Blick auf die Herabschreibung und Umwandlung von Kapitalinstrumenten und im Abwicklungsverfahren folgen aus Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 4 SRM-VO, der die maßgeblichen, auf das SRB bezogenen Vorschriften der SRM-VO für anwendbar erklärt. Kommission und Rat spielen keine Rolle im Abwicklungsverfahren der NRAs.113) Erfordert die Abwicklungsmaßnahme die Inanspruchnahme des SRF, ist indes auch für weniger bedeutende Unternehmen das SRB für die Annahme des Abwicklungskonzepts zuständig (Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 2 SRM-VO). d)

Steuerungsmöglichkeiten des SRB

96 Gemäß Art. 7 Abs. 1 SRM-VO ist das SRB dafür verantwortlich, dass der SRM wirkungsvoll und einheitlich funktioniert. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, gibt Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 2 SRM-VO dem SRB – ähnlich wie der EZB i. R. der indirekten Aufsicht über die NCAs gemäß Art. 6 Abs. 5 SSM-VO – Steuerungsinstrumente gegenüber den NRAs zur Hand. Hierbei handelt es sich vornehmlich um Leitlinien und allgemeine Weisungen (Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 2 lit. a SRM-VO). Der Erlass von Verordnungen ist ihm indes verwehrt. 97 Über Leitlinien und allgemeine Weisungen entscheidet das SRB in seiner beschränkten Präsidiumssitzung (Art. 5a Abs. 1 SRM-RB). Bei Leitlinien ist das SRB in seiner erweiterten Präsidiumssitzung zu konsultieren (Art. 5a Abs. 4 SRM-RB), bei allgemeinen Weisungen bedarf es der Zustimmung des SRB in seiner erweiterten Präsidiumssitzung (Art. 5a Abs. 5 SRM-RB). Leitlinien und allgemeine Weisungen betreffen nicht ein spezifisches Unternehmen oder eine einzelne Gruppe und werden auch nicht an eine einzelne NRA gerichtet (Art. 5a Abs. 2 SRM-RB). Die Leitlinien und allgemeinen Weisungen sind für die NRAs verbindlich (vgl. Art. 5a Abs. 7 und Art. 12 Abs. 1 SRM-RB). 98 Anders als im SSM (vgl. Art. 6 Abs. 5 lit. a SSM-VO) beschränkt sich der Anwendungsbereich dieser Instrumente indes nicht auf die Fälle der direkten Zuständigkeit der NRAs; vielmehr können sie gemäß Art. 5a Abs. 3 SRM-RB auch i. R. der direkten Zuständigkeit des SRB eingesetzt werden, um den NRAs weitere Hinweise zu Aufgaben zu geben, die sie in Bezug auf unter der direkten Zuständigkeit des SRB stehende Institute und Gruppen wahrnehmen. Dies ist konsequent, da einerseits Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 2 lit. a SRM-VO keine dem Art. 6 Abs. 5 lit. a SSM-VO vergleichbare Beschränkung auf weniger bedeutende Institute enthält, andererseits die NRAs auch im Bereich der direkten Zuständigkeit des SRB – anders als im SSM – regelmäßig gegenüber den betroffenen bedeutenden Unternehmen direkt handeln (siehe oben Rz. 51). Förmliche Hinweise zur Arbeitsweise im Hinblick auf die der direkten Zuständigkeit des SRB unterstehenden Institute und Gruppen kann das SRB darüber hinaus auch den IRTs in Form sog. Auslegungshilfen (Guidance Notes) geben.114) Hierbei handelt es sich um SRB-interne Dokumente, die an die IRTs adressiert werden (Art. 5b SRM-RB). ___________ 113) Vgl. Busch in: Busch/Ferrarini, European Banking Union, Rz. 9.108 m. Fn. 323. 114) Vgl. BaFin, Jahresbericht 2018, S. 92.

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§ 14

IV. Rechtsschutz im SRM

Das SRB kann des Weiteren anlassbezogen oder auf kontinuierlicher Basis Informatio- 99 nen von den NRAs anfordern (Artt. 30 Abs. 2 Satz 2, 31 Abs. 1 Unterabs. 2 lit. c SRMVO und Art. 35 Satz 1 SRM-RB). Die Anforderung von Informationen soll im Lichte der Art, Größe und finanziellen Situation der betroffenen Unternehmen und der getroffenen Maßnahmen verhältnismäßig sein (Art. 35 Satz 2 SRM-RB). Entwürfe von Entscheidungen der NRAs erhält das SRB vorab zur Stellungnahme (Art. 31 Abs. 1 Unterabs. 2 lit. d SRM-VO), siehe dazu oben Rz. 91. Darüber hinaus kann das SRB Empfehlungen an die NRA richten (vgl. z. B. Art. 10 Abs. 2 100 Satz 2, Art. 33 Abs. 2 und Art. 38 Abs. 8 SRM-VO, vgl. auch Art. 8 SRM-RB). Empfehlungen sind nicht verbindlich; indes müssen die NRAs die Nichtbefolgung gegenüber dem SRB begründen (Art. 13 Satz 2 SRM-RB). Ebenso wie die EZB hat auch das SRB das Recht, die Abwicklungsplanungs- und Abwick- 101 lungsbefugnisse unter der SRM-VO im Wege des sog. „Selbsteintritts“ jederzeit von sich aus oder auf Antrag einer NRA auch gegenüber einem Unternehmen oder einer Gruppe unmittelbar auszuüben, das bzw. die gemäß Art. 7 Abs. 3 SRM-VO in die Zuständigkeit der NRAs fällt (Art. 7 Abs. 4 lit. b SRM-VO und Art. 21 SRM-RB). Hierzu bedarf es im Regelfall einer vorherigen Warnung der NRA gemäß Art. 7 Abs. 4 lit. a SRM-VO und Art. 7 SRM-RB. Die Warnung bezieht sich auf einzelne Unternehmen oder Gruppen unter direkter Zuständigkeit der NRAs und wird an die NRA gerichtet (Art. 7 Abs. 1 SRMRB). Sie ergeht insbesondere dann, wenn ein dem SRB von der NRA übermittelter Beschlussentwurf gegen die SRM-VO oder vom SRB an die NRA gerichtete allgemeine Anweisungen verstößt (Art. 7 Abs. 2 Satz 2 und Art. 12 Abs. 3 SRM-RB). Ein solches Vorgehen ist nur zulässig, wenn es für die „kohärente Anwendung hoher Abwicklungsstandards“ notwendig ist. Indessen hat das SRB keine Befugnis, die direkte Zuständigkeit für ein bedeutendes In- 102 stitut oder eine bedeutende Gruppe aufgrund besonderer Umstände an die NRAs abzugeben (vgl. für die EZB Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 und 5 SSM-VO). Vielmehr bewirkt (nur) ein entsprechender Beschluss der EZB (wie auch ein sonstiger EZB-Beschluss gemäß Art. 46 SSM-RahmenVO zur Beendigung der direkten Aufsicht) einen Zuständigkeitswechsel im SRM (Art. 19 Abs. 1 SRM-RB). IV.

Rechtsschutz im SRM

Rechtsschutz gegen Beschlüsse des SRB kann zum einen in den in Art. 85 Abs. 3 SRM-VO 103 genannten Fällen vor dem SRB-Beschwerdeausschuss und im Nachgang vor den europäischen Gerichten, in allen anderen Fällen direkt vor den europäischen Gerichten erlangt werden.115) 1.

Beschwerdeausschuss (SRB Appeal Panel)

a)

Zulässigkeit der Beschwerde

Gemäß Art. 85 Abs. 3 SRM-VO kann eine natürliche oder juristische Person einschließ- 104 lich der NRAs vor dem Beschwerdeausschuss (zum Beschwerdeausschuss als Gremium siehe bereits oben Rz. 27 ff.) Beschwerde gegen bestimmte Beschlüsse des SRB einlegen. Der SRB-Beschwerdeausschuss hat eine beschränkte Zuständigkeit. Diejenigen Beschlüsse des SRB, gegen die Beschwerde eingelegt werden kann (aber vor Erhebung einer Nichtigkeitsklage vor dem EuG auch muss, vgl. Art. 86 Abs. 1 SRM-VO i. V. m. Art. 263 ___________ 115) Rechtsschutz gegen Akte der NRAs bleiben im Folgenden außer Betracht. Vgl. hierzu Schmitt/Bär, WM 2016, 493.

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§ 14

Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

Abs. 5 AEUV), sind abschließend in Art. 85 Abs. 3 SRM-VO aufgezählt. Danach ist der SRB-Beschwerdeausschuss zuständig für Beschwerden gegen Beschlüsse des SRB x

zur Anweisung der NRA zur Beseitigung von Abwicklungshindernissen (Art. 10 Abs. 10 SRM-VO),

x

zur Erstellung vereinfachter Abwicklungspläne oder Verzicht auf die Erstellung (Art. 11 SRM-VO),

x

zur Festlegung der MREL-Quote (Art. 12 SRM-VO),

x

zur Verlängerung von Sanktionen (Artt. 38 bis 41 SRM-VO),

x

zur Festlegung der Beiträge zu den Verwaltungsausgaben des SRB (Art. 65 Abs. 3 SRM-VO),

x

zur Erhebung außerordentlicher Nachtragsbeiträge (sog. Ex-post-Contributions) zum SRF (Art. 71 SRM-VO, siehe auch § 21 Rz. 124 ff. [Wolfers/Voland])116) und

x

zum Zugang zu SRB-Dokumenten (Art. 90 Abs. 3 SRM-VO).

105 Gegen i. R. der Abwicklung gefasste Beschlüsse des SRB kann eine Beschwerde vor dem SRB-Beschwerdeausschuss daher nicht eingelegt werden.117) 106 Beschwerdebefugt ist eine Person (einschließlich der NRAs)118) nur dann, wenn der Beschluss an die Person gerichtet ist oder die Person von ihm unmittelbar und individuell betroffen ist. Hier kann auf die Rechtsprechung der europäischen Gerichte zu Art. 263 Abs. 4 AEUV zurückgegriffen werden (siehe dazu § 2 Rz. 268 [Glos/Benzing]). 107 Die Beschwerde ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen119) nach dem Tag der Bekanntgabe oder Kenntnisnahme beim SRB-Beschwerdeausschuss grundsätzlich in der Sprache des angefochtenen Beschlusses (Art. 5 Abs. 2 SRB-BA-GO) einzureichen und zu begründen (Art. 85 Abs. 3 Unterabs. 2 SRM-VO). Anträge sind im Lichte des Rechtsschutzziels des Klägers so auszulegen, dass der Beschwerdeführer ein Höchstmaß an Rechtsschutz erhält.120) 108 Weitere formale Anforderungen ergeben sich aus der SRB-BA-GO. Der Beschwerdeschrift ist der angegriffene Beschluss beizufügen. Besonders zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die Präklusionsvorschrift des Art. 16 Abs. 3 SRB-BA-GO, wonach die Erhebung neuer Rechtsrügen („pleas in law“) während des Beschwerdeverfahrens unzulässig ist, wenn sie nicht auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt sind, die erst im Verlauf des Verfahrens zu Tage getreten sind. b)

Keine aufschiebende Wirkung

109 Gemäß Art. 85 Abs. 6 Unterabs. 1 SRM-VO hat die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung. Indes kann der SRB-Beschwerdeausschuss den Vollzug des angefochtenen Be___________ 116) Der SRB-Beschwerdeausschuss ist hingegen nicht zuständig für Beschwerden gegen gemäß Art. 70 SRM-VO im Voraus erhobene Beiträge (s. a. § 21 Rz. 119 [Wolfers/Voland]. Zahlreiche Beschwerden wurden daher vom SRB-Beschwerdeausschuss als unzulässig zurückgewiesen, vgl. https://srb.europa.eu/ en/content/cases (Abrufdatum: 21.4.2020). 117) Vgl. auch hier die zahlreichen Beschlüsse des SRB-Beschwerdeausschusses aus dem Jahr 2017, mit denen Beschwerden gegen den Beschluss zur Abwicklung der Banco Popular Español S. A. als unzulässig zurückgewiesen wurden, abrufbar unter https://srb.europa.eu/en/content/cases (Abrufdatum: 21.4.2020). 118) Skauradszun, WM 2017, 1041, 1045 f. 119) Die Fristberechnung richtet sich nach der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates v. 3.6.1971, ABl. (EU) L 124/1 v. 8.6.1971 (vgl. Art. 8 Abs. 2 SRB-BA-GO). 120) SRB-Beschwerdeausschuss, Decision on Admissibility, Case 1/16, v. 23.9.2016, Nr. 18.

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IV. Rechtsschutz im SRM

schlusses aussetzen, wenn dies nach seiner Auffassung angesichts der Umstände erforderlich ist (Art. 85 Abs. 6 Unterabs. 2 SRM-VO und Art. 10 Abs. 1 SRB-BA-GO). c)

Begründetheit der Beschwerde

Im Gegensatz zu Art. 24 Abs. 1 Satz 2 SSM-VO, wonach Maßstab der Überprüfung des 110 EZB-Beschlusses durch den ABoR das gesamte Verfahrens- und materielle Recht der SSM-VO ist, legt die SRM-VO den Maßstab für die Begründetheitsprüfung durch den SRB-Überprüfungsausschuss nicht fest.121) Indes lässt sich aus der Tatsache, dass der SRB-Beschwerdeausschuss den Beschluss des SRB nur bestätigen oder aber an das SRB zurückverweisen kann, zumindest schließen, dass der SRB-Beschwerdeausschuss über die Sache nicht selbst neu entscheiden darf, wie dies etwa bei der Beschwerdekammer des Amts der EU für geistiges Eigentum (EUIPO, ehemals Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt [Marken, Muster und Modelle] – OHIM) gemäß Art. 71 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) 2017/1001122) und bei der Beschwerdekammer der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) gemäß Art. 49 VO (EU) Nr. 216/2008123) der Fall ist (sog. „funktionale Kontinuität“).124) Vielmehr entspricht sein Prüfungsmaßstab dem des gemeinsamen Beschwerdeausschusses der ESAs (European Supervisory Authority – ESA), vgl. etwa Art. 60 Abs. 4 VO Nr. 1093/2010. Auch hier beschränkt sich die Prüfung auf die Rechtmäßigkeit des Beschlusses der ESAs.125) Dem entspricht auch die Regelung zur Sachkunde des SRB-Beschwerdeausschusses in Art. 85 Abs. 2 Satz 2 SRM-VO, die für eine sachkundige rechtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausübung der Befugnisse durch das SRB gefordert wird. Prüfungsmaßstab ist daher das gesamte vom SRB anzuwendende (europäische) Recht gemäß Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 1 und Art. 44 SRM-VO, wozu sowohl das Verfahrens- als auch das materielle Recht gehört. d)

Verfahren

Nach Einreichung wird die Beschwerdeschrift dem SRB zur Erwiderung zugeleitet (vgl. 111 Art. 85 Abs. 7 Satz 2 SRM-VO). Das Verfahren vor dem SRB-Beschwerdeausschuss ist daher im Gegensatz zum administrativen Überprüfungsverfahren vor dem ABoR (siehe § 2 Rz. 249 [Glos/Benzing]) ein kontradiktorisches. Die Frist für die Erwiderung beträgt grundsätzlich zwei Wochen, kann jedoch vom SRB-Beschwerdeausschuss auf vier Wochen verlängert werden (Art. 6 Abs. 4 SRB-BA-GO). Das SRB kann der Beschwerde auch selbst abhelfen und den Beschluss entweder aufheben oder dem Antrag des Beschwerdeführers gemäß abändern. In diesem Fall wird der SRB-Beschwerdeausschuss die Beschwerde für erledigt erklären (Art. 6 Abs. 5 SRB-BA-GO). Der Vorsitzende des SRB-Beschwerdeausschusses hat weitreichende verfahrensleitende 112 Befugnisse und kann etwa Voranhörungskonferenzen anberaumen (Art. 11 Abs. 3 und 4 SRB-BA-GO). Eine mündliche Anhörung ist durchzuführen, wenn die Parteien nicht verzichten (Art. 85 Abs. 7 Satz 3 SRM-VO und Art. 18 Abs. 1 SRB-BA-GO). Sie ist grundsätzlich nicht öffentlich (Art. 18 Abs. 5 SRB-BA-GO). ___________ 121) Skauradszun, WM 2017, 1085, 1087. 122) Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2017, ABl. (EU) L 154/1 v. 16.6.2017. 123) Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.2.2008, ABl. (EU) L 79/1 v. 19.3.2008. 124) Vgl. zum OHIM nur EuG, Urt. v. 8.7.1999 – Rs. T-163/98 (Procter & Gamble/OHIM (BABYDRY)), Rz. 38, ECLI:EU:T:1999:145, und zur EASA EuG, Urt. v. 11.12.2014 – Rs. T-102/13 (HeliFlight/EASA), Rz. 27, ECLI:EU:T:2014:1064. Vgl. auch Chirulli/De Lucia, ELR 2015, 832, 837. 125) Witte, JFR 2015, 226, 245; Loosveld, JIBLR 2013, 9, 12.

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§ 14

Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

113 Erst wenn der Vorsitzende bestätigt, dass die Beweismittel vollständig sind, gilt die Beschwerde als eingereicht i. S. von Art. 85 Abs. 4 Abs. 1 SRM-VO und beginnt die einmonatige Entscheidungsfrist des SRB-Beschwerdeausschusses (Art. 20 SRB-BA-GO). Auf Rüge des SRB oder von Amts wegen entscheidet der SRB-Beschwerdeausschuss zunächst über die Zulässigkeit (Art. 9 SRB-BA-GO).126) Ist die Beschwerde begründet, verweist der SRB-Beschwerdeausschuss den Fall an den Ausschuss zurück, andernfalls bestätigt er den Beschluss des SRB (Art. 85 Abs. 8 Satz 1 SRM-VO und Art. 21 Abs. 4 SRB-BA-GO). Bei Zurückverweisung ist das SRB an den Beschluss des SRB-Beschwerdeausschusses gebunden und erlässt einen geänderten Beschluss (Art. 85 Abs. 8 Satz 2 SRM-VO). 114 Der Beschluss des SRB-Beschwerdeausschusses ist schriftlich zu fassen und zu begründen (Art. 85 Abs. 9 SRM-VO). Er wird den Parteien vom Sekretariat zugestellt, das auch auf die Rechtsbehelfe gemäß Art. 86 Abs. 1 SRM-VO hinzuweisen hat (Art. 22 Abs. 2 Satz 2 SRB-BA-GO). Ein Auszug aus dem Beschluss wird in anonymisierter und den Schutz vertraulicher Information sicherstellender Form auf der Webseite des SRB veröffentlicht, es sei denn, die Vertraulichkeit lässt sich auch durch Anonymisierung nicht sicherstellen (Art. 24 SRB-BA-GO). 2.

Gerichtlicher Rechtsschutz

115 Beschlüsse des SRB und des SRB-Beschwerdeausschusses können grundsätzlich mit der Nichtigkeitsklage (Art. 263 AEUV) vor dem EuG (Art. 256 Abs. 1 Satz 1 AEUV i. V. m. Art. 51 EuGH-Satzung) angefochten werden (Art. 86 Abs. 1 SRM-VO). Zu den Grundsätzen zu Zulässigkeit und Begründetheit der Nichtigkeitsklage vgl. zunächst § 2 Rz. 263 [Glos/Benzing]. a)

Zulässigkeit – Rechtsschutzfragen im Mehrebenensystem des SRM

116 Anders als im SSM, in dessen Rahmen die EZB ganz überwiegend unmittelbar gegenüber bedeutenden Instituten handelt und bei dem aus diesem Grund über Klagebefugnis und Klagefrist selten Zweifel bestehen, ist das Verwaltungsverfahren im SRM regelmäßig zweistufig ausgestaltet. Das SRB handelt grundsätzlich nur gegenüber den NRAs, die den Beschluss des SRB wiederum mit den Mitteln des nationalen Rechts gegenüber den Betroffenen umsetzen (siehe Rz. 51). Während ein gerichtliches Vorgehen gegen den Verwaltungsakt der NRA daher stets notwendig sein wird, ist fraglich, ob in diesen Fällen auch der Beschluss des SRB mit der Nichtigkeitsklage vor den europäischen Gerichten angreifbar ist und ggf. auch angegriffen werden muss. aa)

Mögliche Bestandskraft der SRB-Entscheidung

117 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann sich ein Kläger im Verfahren vor nationalen Gerichten gegen eine ihm gegenüber ergangene mitgliedstaatliche Entscheidung nur dann auf die Ungültigkeit eines Unionsrechtsakts berufen, der Grundlage für die nationale Entscheidung ist, wenn er entweder auch nach Art. 263 Abs. 4 AEUV fristgerecht eine Nichtigkeitsklage gegen den Unionsrechtsakt erhoben hat oder dies deshalb nicht getan hat, weil er nicht ohne jeden Zweifel dazu befugt war.127) Unterlässt der Kläger das (zulässige und fristgemäße) Vorgehen vor den europäischen Gerichten, so wird der europäische Rechtsakt bestandskräftig und ist das nationale Gericht bei seiner Entscheidung an die-

___________ 126) Vgl. SRB-Beschwerdeausschuss, Decision on Admissibility, Case 1/16, v. 23.9.2016. 127) EuGH, Urt. v. 25.7.2018 – Rs. C-135/16 (Georgsmarienhütte u. a.), Rz. 17, ECLI:EU:C:2018:582.

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§ 14

IV. Rechtsschutz im SRM

sen gebunden. Auch i. R. eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV kann die europäische Entscheidung dann nicht mehr nachgeprüft werden.128) Dies gilt unter den genannten Voraussetzungen auch für Beschlüsse des SRB, die an die 118 NRA gerichtet sind und von diesen gemäß Art. 29 SRM-VO umzusetzen sind.129) Entsprechend ist vom Kläger stets zu prüfen, ob er vom SRB-Beschluss, den die Handlung der NRA umsetzt, unmittelbar und individuell betroffen ist. Auch wenn die Bestandskraft und damit die Ausschlusswirkung für das Vorabentscheidungsverfahren nur dann eintreten soll, wenn eine Klage vor den europäischen Gerichten „ohne jeden Zweifel“ zulässig wäre, in Zweifelsfällen also ein Vorabentscheidungsverfahren zulässig bleiben soll, kann eine parallele Klage vor den europäischen Gerichten aus Vorsichtsgründen letztlich nur dann unterbleiben, wenn eine Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage sicher auszuschließen ist. bb)

Unmittelbare und individuelle Betroffenheit

Unmittelbar betroffen ist eine Person, wenn die Handlung sich auf ihre Rechtsstellung 119 unmittelbar auswirkt und wenn die Handlung den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt. Eine individuelle Betroffenheit liegt schließlich vor, wenn die Handlung die Person aufgrund bestimmter persönlicher Eigenschaften oder anderer Umstände berührt, die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisierten wie einen Adressaten (zu allem siehe § 2 Rz. 268 [Glos/Benzing]). Ein Institut wird von einem Beschluss des SRB jedenfalls dann individuell betroffen sein, 120 wenn es im Beschluss namentlich genannt ist.130) Dies wird bei vielen an die NRA gerichteten SRB-Beschlüssen, die sich in der Sache auf einzelne Institute beziehen, der Fall sein. Ob eine unmittelbare Betroffenheit vorliegt, wird sich nur im Einzelfall feststellen lassen und im Wesentlichen davon abhängen, ob und inwieweit der Beschluss der NRA als Adressat Umsetzungsspielraum einräumt. Die europäischen Gerichte haben eine unmittelbare Betroffenheit im Fall von SRB-Beschlüssen zur Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge zum SRF ohne Weiteres bejaht, da den mit der Durchführung betrauten NRA kein Ermessenspielraum hinsichtlich der Höhe der Beiträge verbleibt.131) Bei Abwicklungskonzepten des SRB wird die unmittelbare Betroffenheit ebenfalls schon deshalb vorliegen, weil allein hierdurch abschließend entschieden wird, dass das Institut abgewickelt wird (Art. 18 Abs. 6 lit. a SRM-VO).132) Der NRA kommt insoweit keinerlei Entscheidungsspielraum zu. Entsprechend erwähnt die Rechtsbehelfsbelehrung der FROB im Fall Banco Popular auch die Klage gegen das Abwicklungskonzept des SRB neben der Klage gegen den Umsetzungsbeschluss der FROB selbst.133) ___________ 128) Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim-Dörr, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 140. 129) EuGH, Urt. v. 3.12.2019 – Rs. C-414/18 (Iccrea Banca), Rz. 63 ff., ECLI:EU:C:2019:1036. 130) EuG, Urt. v. 28.11.2019 – Rs. T-365/16 (Portigon/SRB), Rz. 77, ECLI:EU:T:2019:824; EuGH, Urt. v. 3.12.2019 – Rs. C-414/18 (Iccrea Banca), Rz. 69, ECLI:EU:C:2019:1036. Die unmittelbare und individuelle Betroffenheit von Aktionären und Gläubigern des betroffenen Instituts wird im Folgenden nicht behandelt. Vgl. hierzu Herinckx in: Houben/Vandenbruwaene, The Single Resolution Mechanism, S. 77 ff. 131) EuG, Urt. v. 28.11.2019 – Rs. T-365/16 (Portigon/SRB), Rz. 78, ECLI:EU:T:2019:824; EuGH, Urt. v. 3.12.2019 – Rs. C-414/18 (Iccrea Banca), Rz. 67, ECLI:EU:C:2019:1036. 132) Skeptisch aber: de Gregorio Merino in: Bándi/Darák/Halustyik/Láncos, European Banking Union, Bd. 1, S. 151, 221. 133) Vgl. Fn 85.

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§ 14 cc)

Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden Klagefrist

121 Die Klage gegen den SRB ist innerhalb von zwei Monaten ab Bekanntgabe der Handlung zu erheben (Art. 263 Abs. 6 AEUV). Hinzu kommt eine pauschale Entfernungsfrist von 10 Tagen (Art. 45 Abs. 1 EuGH-Satzung i. V. m. Art. 60 EuG-VerfO). Die Frist gilt gleichermaßen für ein unmittelbares Vorgehen gegenüber SRB-Beschlüssen wie für eine Klage gegen Entscheidungen des SRB-Beschwerdeausschusses. 122 Ist der Fristlauf in den Fällen, in denen der SRB-Beschluss bzw. die Entscheidung des SRB-Beschwerdeausschusses dem Institut bekannt gegeben oder mitgeteilt wird, üblicherweise einfach zu bestimmen, birgt die Fristberechnung Risiken, wenn Adressat allein die NRA ist. Gemäß Art. 263 Abs. 6 AEUV kommt es für den Fristbeginn auf den Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von der Handlung Kenntnis erlangt. Nach ständiger Rechtsprechung ist dies erst dann der Fall, wenn der Betroffene genaue Kenntnis vom Inhalt und von der Begründung der Handlung hat.134) 123 Dies gilt indes nur dann, wenn der Kläger, der zumindest grundsätzliche Kenntnis von der Existenz des Rechtsakts hat, dessen vollständigen Text innerhalb einer angemessenen Frist anfordert, sich die für den Fristbeginn des Art. 263 Abs. 6 AEUV verlangte „genaue Kenntnis“ also selbst verschafft. Mit anderen Worten kann die Klage auch dann verfristen, wenn der Kläger zwar keine Kenntnis von Inhalt und Begründung des SRBBeschlusses hat, wohl aber von dessen Existenz, und gleichwohl keine (oder nicht rechtzeitige) Schritte unternimmt, um Kenntnis von Inhalt und Begründung zu erhalten. Genügt er dieser Obliegenheit nicht, muss er die Kenntnis von der Existenz der Handlung gegen sich gelten lassen.135) Hat er Kenntnis von der Existenz des Beschlusses, muss er daher zur Vermeidung von prozessualen Nachteilen innerhalb einer „angemessenen Frist“ den Beschluss beim SRB anfordern. An die Kenntnis sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dabei keine allzu hohen Anforderungen zu stellen; insbesondere ist die Kenntnis des genauen Datums und der relevanten Rechtsgrundlagen nicht erforderlich.136) 124 Dabei handelt es sich nicht um eine starre, sondern um eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Frist. Während das EuG eine Frist von ca. drei Wochen zwischen Kenntniserlangung und Anforderung der Entscheidung für angemessen hielt,137) hat der Gerichtshof bereits einen Zeitraum von zwei Monaten als nicht angemessen angesehen.138) Entsprechend hat das EuG bei Klagen gegen im Voraus erhobene Beiträge zum SRF einen Zeitraum von ca. dreieinhalb Monaten139) bzw. ca. vier Monaten140) für nicht mehr

___________ 134) EuGH, Urt. v. 6.7.1988 – Rs. 236/86 (Dillinger Hüttenwerke/Kommission), Rz. 14, ECLI:EU:C:1988:367; ECLI:EU:C:1993:86; EuGH, Urt. v. 19.2.1998 – Rs. C-309/95 (Kommission/Rat), Rz. 18, EU:C:1998:66; EuGH, Urt. v. 14.5.1998, Rs. C-48/96 P (Windpark Groothusen/Kommission), Rz. 25, EU:C:1998:223. Vgl. auch Dervisopoulos in: Rengeling/Middeke/Gellermann, Hdb. des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rz. 94, sowie Grabitz/Hilf/Nettesheim-Dörr, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 125. 135) Grabitz/Hilf/Nettesheim-Dörr, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 126. 136) EuGH, Urt. v. 5.3.2020 – Rs. C-69/19 P (Credito Fondiario/SRB), Rz. 37, ECLI:EU:C:2020:178. 137) EuG, Urt. v. 19.5.1994 – Rs. T-465/93 (Consorzio gruppo di azione locale „Murgia Messapica“/ Kommission), Rz. 32, ECLI:EU:T:1994:56. Vgl. auch EuG, Urt. v. 28.11.2019 – verb. Rs. T-377/16, T-645/16 und T-809/16 (Hypo Vorarlberg Bank/SRB), Rz. 93, ECLI:EU:T:2019:823. 138) EuGH, Beschl. v. 5.3.1993 – Rs. C-102/92 (Ferriere Acciaierie Sarde/Kommission), Rz. 19, ECLI:EU:C:1993:86; EuGH, Beschl. v. 10.11.2011 – Rs. C-626/10 P (Agapiou Joséphidès/Kommission und EACEA), Rz. 131; ECLI:EU:C:2011:726. 139) EuG, Beschl. v. 19.11.2918 – Rs. T-14/17 (Landesbank Baden-Württemberg/SRB), Rz. 48 f., ECLI:EU:T:2018:812. 140) EuG, Beschl. v. 19.11.2018 – Rs. T-42/17 (VR-Bank Rhein-Sieg/SRB), Rz. 48 f., ECLI:EU:T:2018:813; EuG, Urt. v. 26.6.2019 – Rs. T-466/16 – (NRW.Bank/SRB), Rz. 59, ECLI:EU:T:2019:445.

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§ 14

IV. Rechtsschutz im SRM

angemessen und die Klage daher für verfristet gehalten. Beantragt der Kläger überhaupt keine Übersendung des Beschlusses, gilt offensichtlich dasselbe.141) dd)

Verpflichtendes Vorverfahren

Gemäß Art. 86 Abs. 1 SRM-VO i. V. m. Art. 263 Abs. 5 AEUV ist die Durchführung des 125 Beschwerdeverfahrens in den Fällen, in denen die Beschwerde zum SRB-Beschwerdeausschuss gemäß Art. 85 Abs. 3 SRM-VO zulässig ist, Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage vor dem EuG.142) Das Beschwerdeverfahren ist insoweit – anders als das administrative Überprüfungsverfahren im SSM vor dem ABoR (siehe § 2 Rz. 240 [Glos/Benzing]) – verpflichtendes Vorverfahren. Wird die sechswöchige Beschwerdefrist des Art. 85 Abs. 2 SRMVO versäumt und die Beschwerde daher unzulässig, wird der Beschluss des SRB bestandskräftig und kann nicht mehr vor dem EuG mit der Nichtigkeitsklage angefochten werden. b)

Begründetheit

Die Nichtigkeitsklage ist begründet, wenn die angefochtene Handlung an einem der in 126 Art. 263 Abs. 2 AEUV abschließend genannten Mängel leidet. Die Klage kann daher nur auf die Unzuständigkeit der EZB, die Verletzung wesentlicher Formvorschriften, die Verletzung der Verträge oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder auf Ermessensmissbrauch gestützt werden (siehe dazu i. E. § 2 Rz. 271 ff. [Glos/Benzing]). Im Folgenden wird nur auf Verletzungen wesentlicher Formvorschriften eingegangen, die in der Rechtsprechung der europäischen Gerichte zu SRB-Beschlüssen bislang eine Rolle gespielt haben. aa)

Form und Zustandekommen des Rechtsakts

Zu den wesentlichen – und von Amts wegen zu prüfenden – wesentlichen Formvorschrif- 127 ten i. S. des Art. 263 Abs. 2 AEUV gehören die Regeln zur ordnungsgemäßen Beschlussfassung und förmlichen Feststellung des Rechtsakts.143) Das EuG hat in drei Urteilen vom 28.11.2016 nach bemerkenswert minutiöser Prüfung Beschlüsse des SRB über im Voraus erhobene Beiträge zum SRF – offenbar amtswegig, d. h. ohne diesbezügliche Rüge – maßgeblich deswegen für nichtig erklärt, weil dem SRB insbesondere bei der Unterzeichnung der relevanten Beschlüsse Fehler unterliefen.144) Zudem hatte das SRB die in Art. 9 SRB-GO-PräsS niedergelegten Regelungen zur Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren missachtet.145) bb)

Begründungspflicht

Gemäß Art. 296 Abs. 2 AEUV und Art. 41 Abs. 2 EU-GRCh sind Beschlüsse des SRB zu 128 begründen (zu den diesbezüglichen Grundsätzen vgl. § 2 Rz. 200 ff. [Glos/Benzing]). Der ___________ 141) EuG, Beschl. v. 19.11.2018 – Rs. T-494/17 (Iccrea Banca/Kommission u. a.), Rz. 43, ECLI:EU:T:2018:804; EuG, Beschl. v. 19.11.2018 – Rs. T-661/16 (Credito Fondiario/SRB), Rz. 47, ECLI:EU:T:2018:806. 142) Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim-Dörr, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 113; Kämmerer, WM 2016, 1, 9. 143) Grabitz/Hilf/Nettesheim-Dörr, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 168. 144) EuG, Urt. v. 28.11.2019 – Rs. T-323/16 (Banco Cooperativo Español/SRB), Rz. 70 ff., ECLI:EU:T:2019:822; EuG, Urt. v. 28.11.2019 – Rs. T-365/16 (Portigon/SRB), Rz. 85 ff., ECLI:EU:T:2019:824; EuG, Urt. v. 28.11.2019 – verb. Rs. T-377/16, T-645/16 und T-809/16 (Hypo Vorarlberg Bank/SRB), Rz. 107 ff., ECLI:EU:T:2019:823. 145) EuG, Urt. v. 28.11.2019 – Rs. T-323/16 (Banco Cooperativo Español/SRB), Rz. 96 ff., ECLI:EU:T:2019:822; EuG, Urt. v. 28.11.2019 – Rs. T-365/16 (Portigon/SRB), Rz. 120 ff., ECLI:EU:T:2019:824; EuG, Urt. v. 28.11.2019 – verb. Rs. T-377/16, T-645/16 und T-809/16 (Hypo Vorarlberg Bank/SRB), Rz. 135 ff., ECLI:EU:T:2019:823.

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§ 14

Institutioneller Rahmen: SRM, SRB und nationale Abwicklungsbehörden

Umfang der Begründungspflicht richtet sich dabei auch nach dem Interesse von Personen, die nicht Adressaten der Beschlüsse sind, aber durch sie individuell und unmittelbar betroffen werden.146) In Bezug auf Beschlüsse des SRB zu im Voraus erhobenen Beiträgen hat das EuG betont, dass die zur Festlegung der Beitragshöhe vorgenommenen Berechnungsschritte und für das Berechnungsverfahren relevante Zwischenbeschlüsse wie z. B. zur Zielausstattung des SRF zum erforderlichen Begründungsumfang gehören.147)

___________ 146) EuG, Urt. v. 28.11.2019 – Rs. T-365/16 (Portigon/SRB), Rz. 161 und 164, ECLI:EU:T:2019:824. 147) EuG, Urt. v. 28.11.2019 – Rs. T-365/16 (Portigon/SRB), Rz. 160 ff., ECLI:EU:T:2019:824; EuG, Urt. v. 28.11.2019 – verb. Rs. T-377/16, T-645/16 und T-809/16 (Hypo Vorarlberg Bank/SRB), Rz. 177 ff., ECLI:EU:T:2019:823.

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§ 15 Sanierungs- und Abwicklungsplanung

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Übersicht I. 1. 2. 3. II. 1. 2. 3.

4.

Überblick ..................................................... 1 Lehren aus der Finanzmarktkrise................ 2 Dynamische Rechtsentwicklung ................. 4 Sanierungsplan und Abwicklungsplan ........ 8 Sanierungsplanung ..................................... 9 Rechtsgrundlagen....................................... 12 Zuständige Aufsichtsbehörde.................... 19 Aufstellung des Sanierungsplans ............... 20 a) Adressatenkreis der Aufstellungspflicht................................................... 22 b) Aufforderung durch Verwaltungsakt......................................................... 23 c) Aktualisierung des Sanierungsplans ..................................................... 24 d) Befreiung von der Aufstellungspflicht................................................... 25 Inhalt des Sanierungsplans......................... 27 a) Allgemeine Anforderungen ................ 28 aa) Keine Unterstützung aus öffentlichen Mitteln ............................... 29 bb) Grundsatz der Proportionalität... 30 cc) Schnelle und effektive Umsetzbarkeit ........................................... 31 dd) Nachhaltige Überwindung des Krisenfalls............................... 33 b) Konkrete Inhaltsbestandteile ............. 34 aa) Erster Abschnitt: Zusammenfassung .......................................... 36 bb) Zweiter Abschnitt: Unternehmensführung .......................... 39 cc) Dritter Abschnitt: Strategische Analyse ......................................... 40 (1) Erster Teilabschnitt: Institutsbeschreibung................................. 41 (2) Zweiter Teilabschnitt: Handlungsoptionen............................... 42 (a) Zuschnitt einzelner Handlungsoptionen........................................ 43 (b) Folgenabschätzung ...................... 45 (c) Bewertung der Durchführbarkeit ........................................... 46 (d) Kontinuität der Geschäftstätigkeiten..................................... 47

dd) Vierter Abschnitt: Kommunikations- und Informationsplan ....... 48 ee) Fünfter Abschnitt: Vorbereitungsmaßnahmen..................... 49 c) Bankpraktische Umsetzung ............... 50 5. Prüfung des Sanierungsplans ..................... 52 a) Richtigkeit und Vollständigkeit ......... 53 b) Verfahren bei Mängeln ....................... 56 6. Gruppensanierungsplan ............................. 60 a) Inhalt des Gruppensanierungsplans ..................................................... 61 b) Zuständige Aufsichtsbehörde ............ 64 7. Vereinfachte Anforderungen..................... 67 III. Abwicklungsplanung................................ 69 1. Rechtsgrundlagen....................................... 71 2. Zuständige Abwicklungsbehörde.............. 75 3. Aufstellung des Abwicklungsplans ........... 76 a) Aufstellung durch die Abwicklungsbehörde ....................................... 77 b) Mitwirkungspflichten des Instituts.... 78 4. Abwicklungsfähigkeit ................................ 79 a) Prüfung der Abwicklungsfähigkeit .... 80 b) Herstellung der Abwicklungsfähigkeit ............................................... 81 5. Inhalt des Abwicklungsplans..................... 83 a) Allgemeine Anforderungen................ 84 b) Konkrete Inhaltsbestandteile ............. 85 aa) Zusammenfassung........................ 86 bb) Abwicklungsstrategie................... 87 cc) Kriseninformationssystem .......... 88 dd) Aufrechterhaltung der kritischen Funktionen ................. 89 ee) Finanzierung im Abwicklungsfall......................................... 90 ff) Kommunikationskonzept............ 91 gg) Ergebnis der Bewertung der Abwicklungsfähigkeit .................. 92 hh) Stellungnahme des Kreditinstituts ......................................... 93 6. Gruppenabwicklungsplan .......................... 94 7. Vereinfachte Anforderungen..................... 95 8. Praktische Anwendung des geltenden Rechtsrahmens ........................................... 97

Literatur: Adolff/Eschwey, Lastenverteilung bei der Finanzmarktstabilisierung, ZHR 177 (2013), 902; Andrae, Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten im Rahmen der europäischen Bankenunion, in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, 2015, S. 17; Bauer/Hildner, Die Sanierung, Abwicklung und Insolvenz von Banken – Ein vollendeter Dreiklang?, DZWiR 2015, 251; Beinhauer, Abwicklungs- und Sanierungsplanung: Ein Lösungsszenario für das Kreditgeschäft, Kreditwesen 2013, S. 393; Berger/ Buchmüller/Suerland, Indikatorensystem und Governance, in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, 2015, S. 97; Best/Read, Theorie und Praxis der europäischen Bankenabwicklung, Risiko Manager 8/2017,

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§ 15

Sanierungs- und Abwicklungsplanung

40; Binder, Kap. 8, Anreizwirkungen und Abwicklungsfähigkeit nach der BRRD, in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, 2016, S. 165; Binder, Gleichung mit (zu?) vielen Unbekannten: Nachhaltige Bankenstrukturen durch Sanierungs- und Abwicklungsplanung?, ZBB 2015, 153; Binder, Komplexitätsbewältigung durch Verwaltungsverfahren?, ZHR 179 (2015), 83; Binder, Effektive Aufsicht nach der Bankenkrise – einige Anmerkungen, ZVglRWiss 2014, 570; Brandi/Gieseler, Entwurf des Trennbankengesetzes – Sanierungs- und Abwicklungsplanung, Risikoabschirmung des Kundengeschäfts, Verschärfung von Geschäftsleiterpflichten, DB 2013, 741; Buchmüller/Lindenau/Noss, Sanierungsplanung: Neue Vorgaben auf EU-Ebene, Die Bank 2017, 48; Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), Sanierungsplanung in Deutschland, 2015; Buscher/Link, Sanierung und Abwicklung – Umsetzungsgesetz zur europäischen Richtlinie in Kraft, BaFin Journal 1/2015, 16, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/BaFinJournal/2015/bj_1501.pdf?__blob=public ationFile&v=2 (Abrufdatum: 14.4.2020); Chattopadhyay, Der Vorschlag für eine Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten, WM 2013, 405; Cichy, Überblick über die aufsichtlichen Anforderungen (International, EU, D), speziell SI, in: Igl, Sanierungsplanung in Kreditinstituten, 2019, S. 11; Cichy/Behrens, Sanierungspläne als zentrales Element zur Verhinderung künftiger Bankenkrisen, WM 2014, 438; Cichy/Schönen, Kap. 9, Das neue Sonderrecht für die Sanierung und Abwicklung von (Groß-)Banken: Der Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Bankensektor, in: Bauer/ Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, 2016, S. 199; Duwe/Igl, Strategische Analyse, in: Igl/ Heuter, Sanierungsplanung, 2015, S. 79; Ebke, Insolvenz, in: Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/u. a., Leitgedanken des Rechts, Festschrift für Paul Kirchhof zum 70. Geburtstag, 2013, S. 1247; Eichensehr, Belastungsszenarien und -analysen, in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, 2015, S. 147; Engelbach/Friedrich, Die Umsetzung der BRRD in Deutschland, WM 2015, 662; Franke/Krahnen/v. Lüpke, Effective Resolution of Banks: Problems and Solutions, ZVglRWiss 2014, 556; Garten, Herstellung der Abwicklungsfähigkeit, in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, 2016, Kap. B. VII; Geier, Überblick Abwicklung unter besonderer Berücksichtigung der Abwicklung nicht systemrelevanter Institute, in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, 2016, Kap. B. I; Greiner/Igl, Die Bedeutung von Change Management und Kommunikation als erfolgskritischer Faktor, in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, 2015, S. 169; Grieser, Abwicklungsvoraussetzungen, Abwicklungsplanung und -fähigkeit, inklusive Gruppenabwicklung und MREL, in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, 2016, Kap. B. III; Hinrichs/Fischer/Daferner, Die Erstellung eines Sanierungsplans gemäß MaSan, Die Bank 2014, 43; Hitzer/Hauser, ESMA – Ein Statusbericht, BKR 2015, 52; Hübner/Leunert, Sanierung und Abwicklung von Banken nach SAG und SRM-VO, ZIP 2015, 2259; Igl/Krüger, Allgemeine Handlungsoptionen, in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, 2015, S. 131; Madaus, Das Insolvenzverfahren der Lehman Brothers Holdings Inc. – ein in jeder Hinsicht besonderes Reorganisationsverfahren, NZI 2008, 715; Manger-Nestler, Rechtsschutz in der europäischen Bankenaufsicht, Kreditwesen 2012, 38; Märker, Fehlerhafte Anlageberatung beim Vertrieb von Lehman-Zertifikaten – eine Zwischenbilanz, NJOZ 2010, 524; Philipp, Systemänderung: Amputiertes Aktienrecht für Banken, Das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG), AG 2015, 77; Ruzik, Bankenkrisen und -insolvenzen – Ein besonderes Phänomen, BKR 2009, 133; Schabert/Schneider/ Purkott, Überblick über die nationalen aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Sanierungsplanung, in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, 2015, S. 39; Schabert/Schramm/Wiechens, Sanierungsplanung und Prüfung von Sanierungsplänen, in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, 2016, Kap. A. III; Schelo/Steck, Das Trennbankengesetz: Prävention durch Bankentestamente und Risikoabschirmung, ZBB 2013, 227; Schmitt/Bär, Rechtsschutz gegen Abwicklungsmaßnahmen, WM 2016, 493; Sonder, Rechtsschutz gegen Maßnahmen der neuen europäischen Finanzaufsichtsagenturen, BKR 2012, 8; Steck/Petrowsky, Neue Voraussetzungen für die Abwicklung von Banken – Die Bestandsgefährdung als Ausgangspunkt für Abwicklungsmaßnahmen unter dem neuen Bankenabwicklungsrecht, DB 2015, 1391; Thole, Bankenabwicklung nach dem SAG, ZBB 2016, 57; Wellerdt, Auf dem Weg zur Vollendung der Bankenunion – Vorschlag eines Legislativpakets zur Reform des Regulierungsrahmens für die Finanzmärkte, EuZW 2017, 172; Wojcik/Ceyssens, Der einheitliche EUBankenabwicklungsmechanismus: Vollendung der Bankenunion, Schutz des Steuerzahlers, EuZW 2014, 893. Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014; EP/Rat, Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG

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Sanierungs- und Abwicklungsplanung

des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen – Single Resolution Mechanism (SRMVO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019; Rat, Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013. Verlautbarungen des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): Rat, Bankenunion: Rat nimmt Maßnahmen zur Risikoverringerung im Bankensektor an, Pressemitteilung v. 14.5.2019, https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2019/05/14/banking-union-council-adoptsmeasures-to-reduce-risk-in-the-banking-system/ (Abrufdatum: 16.4.2020). Rechtsakte und Verlautbarungen der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2019/348 der Kommission v. 25.10.2018 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung der Kriterien, anhand deren die Auswirkungen eines Institutsausfalls auf die Finanzmärkte, auf andere Institute und auf die Finanzierungsbedingungen zu bewerten sind, ABl. (EU) L 63/1 v. 4.3.2019; Kommission, Durchführungsverordnung (EU) 2018/1624 der Kommission v. 23.10.2018 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards in Bezug auf Verfahren, Standardformulare und Meldebögen für die Bereitstellung von Informationen für die Erstellung von Abwicklungsplänen für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen gemäß der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1066 der Kommission, ABl. (EU) L 277/1 v. 7.11.2018; Kommission, Staatliche Beihilfen: Kommission genehmigt Beihilfe für den Marktaustritt der Banca Popolare di Vicenza und der Veneto Banca gemäß dem italienischen Insolvenzrecht, einschließlich des Verkaufs einiger Teile von Intesa Sanpaolo, Pressemitteilung v. 25.6.2017, http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-1791_de.htm; Kommission, Staatliche Beihilfen: Kommission genehmigt vorsorgliche Rekapitalisierung der italienischen Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS), Pressemitteilung v. 4.7.2017, http://europa.eu/rapid/press-release_IP17-1905_de.htm; Kommission, Europäische Kommission genehmigt Abwicklung der Banco Popular Español, S. A., Pressemitteilung v. 7.6.2017, http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-1556_de.htm; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2016/1075 der Kommission v. 23.3.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards, in denen der Inhalt von Sanierungsplänen, Abwicklungsplänen und Gruppenabwicklungsplänen, die Mindestkriterien, anhand deren die zuständige Behörde Sanierungs- und Gruppensanierungspläne zu bewerten hat, die Voraussetzungen für gruppeninterne finanzielle Unterstützung, die Anforderungen an die Unabhängigkeit der Bewerter, die vertragliche Anerkennung von Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnissen, die Verfahren und Inhalte von Mitteilungen und Aussetzungsbekanntmachungen und die konkrete Arbeitsweise der Abwicklungskollegien festgelegt wird, ABl. (EU) L 184/1 v. 8.7.2016; Kommission, Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften für staatliche Beihilfen ab dem 1.8.2013 auf Maßnahmen zur Stützung von Banken im Kontext der Finanzkrise („Bankenmitteilung“), ABl. (EU) C 216/1 v. 30.7.2013; (Abrufdatum jew. 16.4.2020). Verlautbarungen der European Banking Authority (EBA): EBA, Draft final Report, Draft implementing standards on the provision of information for the purpose on resolution plans under Art. 11(3) of Directive 2014/59/EU, v. 17.4.2018 (EBA/ITS/2018/02), https://eba.europa.eu/documents/10180/ 2186621/Draft+ITS+on+the+provision+of+information+for+the+purpose+of+resolution+plans +%28EBA-ITS-2018-02%29.pdf; EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on simplified obligations under Art. 4(6) of Directive 2014/59/EU, v. 19.12.2017 (EBA/RTS/2017/11), https:// eba.europa.eu/documents/10180/2067437/Final+draft+RTS+on+simplified+obligations+under+ BRRD+%28EBA-RTS-2017-11%29.pdf; EBA, Final Report on Recommendation on the coverage of entities in a group recovery plan, v. 1.11.2017 (EBA/Rec/2017/02), https://eba.europa.eu/documents/ 10180/1770344/EBA-Rec-2017-02+%28Recommendation+on+coverage+of+entities+in+group+ recovery+plans%29.pdf; EBA, Consultation Paper, Recommendations on the coverage of entities in a group recovery plan, v. 2.3.2017 (EBA/CP/2017/03), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/ files/documents/10180/1770344/d3406909-65a3-431d-9340-ad772a954a84/Consultation%20Paper %20on%20recommendation%20on%20coverage%20of%20entities%20in%20group%20recovery%20 plans.pdf; EBA, Recovery planning, Comparative Report on Recovery Options, v. 1.3.2017, http://

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Sanierungs- und Abwicklungsplanung

www.eba.europa.eu/documents/10180/1720738/EBA+Comparative+report+on+recovery+option s+-+March+2017.pdf; EBA, Recovery planning, Comparative Report on Governance Arrangements and Recovery Indicators, v. 5.7.2016, https://www.eba.europa.eu/documents/10180/1360107/ EBA+BS+2016+Comparative+report+on+RP+governance+and+indicators_July+2016.pdf; EBA, Recovery planning, Comparative report on the approach taken on recovery plan scenarios, v. 8.12.2015, https://www.eba.europa.eu/documents/10180/950548/Report+on+benchmarking+ scenarios+in+recovery+plans.pdf; EBA, Recovery planning, Comparative report on the approach to determining critical functions and core business lines in recovery plans, v. 6.3.2015, https:// www.eba.europa.eu/documents/10180/950548/EBA+Report+-+CFs+and+CBLs+benchmarking.pdf; EBA, Leitlinien zur Mindestliste der qualitativen und quantitativen Indikatoren des Sanierungsplans, v. 23.7.2015 (EBA/GL/2015/02), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/1147256/EBA-GL2015-02_DE_Guidelines+on+recovery+plans+indicators.pdf/ae02a1ab-53fa-44d9-81d7-1cd8aa89398a; EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on the content of resolution plans and the assessment of resolvability, v. 19.12.2014 (EBA/RTS/2014/15), https://www.fitd.it/Normative/Download/389; EBA, Guidelines on the specification of measures to reduce or remove impediments to resolvability and the circumstances in which each measure may be applied under Directive 2014/59/EU, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/11), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/933988/EBA-GL2014-11+%28Guidelines+on+Impediments+to+Resolvability%29.pdf; EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on the assessment of recovery plans under Art. 6(8) of Directive 2014/ 59/EU – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD), v. 18.7.2014 (EBA/RTS/2014/12), https:// www.eba.europa.eu/documents/10180/760181/EBA-RTS-2014-12+Draft+RTS+on+assessment+ of+recovery+plans.pdf; EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on the content of recovery plans under Art. 5(10) of Directive 2014/59/EU establishing a framework for the recovery and resolution of credit institutions and investment firms, v. 18.7.2014 (EBA/RTS/2014/11), https:// www.eba.europa.eu/documents/10180/760167/Draft+RTS+on+content+of+recovery+plans.pdf; EBA, Leitlinien über die bei Sanierungsplänen zugrunde zu legende Bandbreite an Szenarien, v. 18.7.2014 (EBA/GL/2014/06), https://www.fma.gv.at/eu/eba-leitlinien; (Abrufdatum jew.16.4.2020). Leitlinien und weitere Verlautbarungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ECB): ECB, Assessment of „Failing or Likely to Fail“ for Banco Popular Español, v. 14.8.2017, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.2017_FOLTF_ESPOP.en.pdf; ECB, Assessment of „Failing or Likely to Fail“ for Veneto Banca Società per Azioni, v. 14.8.2017, https:// www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.2017_FOLTF_ITPVI.en.pdf; ECB, Assessment of Banca Popolare di Vicenza Società per Azioni, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/ pub/pdf/ssm.2017_FOLTF_ITPVI.en.pdf; ECB, ECB deemed Veneto Banca and Banca Popolare di Vicenza failing or likely to fail, Pressmitteilung v. 23.6.2017, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ press/pr/date/2017/html/ssm.pr170623.en.html; EZB, Verfahren für die Gewährung von NotfallLiquiditätshilfe (Emergency Liquidity Assistance – ELA), v. 20.6.2017, https://www.ecb.europa.eu/pub/ pdf/other/201402_elaprocedures.de.pdf?1d27f62d7c0f2824d59d593f9c758604; ECB, ECB determined Banco Popular Español S.A. was failing or likely to fail, Pressemitteilung v. 7.6.2017, https:// www.bankingsupervision.europa.eu/press/pr/date/2017/html/ssm.pr170607.en.html; EZB, Jahresbericht 2016, S. 6, https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/annrep/ar2016de.pdf; (Abrufdatum jew.16.4.2020). Verlautbarungen des Single Resolution Board (SRB): SRB, The SRM – Introduction to Resolution Planning, v. 22.9.2016, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/intro_resplanning.pdf.pdf; SRB, The SRB will not take resolution action in relation to Banca Popolare di Vicenza and Veneto Banca, Pressemitteilung v. 23.6.2017, https://srb.europa.eu/en/node/341; SRB, The SRB adopts resolution decision for Banco Popular, Pressemitteilung v. 7.6.2017, https://srb.europa.eu/en/node/315; (Abrufdatum jew.16.4.2020). Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): BaFin, Konsultation 9/2019, Entwurf einer Rechtsverordnung zu den Mindestanforderungen an Sanierungspläne für Institute und Wertpapierfirmen – MaSanV-E 2019 – und Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019 https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Konsultation/ 2019/kon_09_19_MaSanV_Rundschreiben.html?nn=9021442; BaFin, Konsultation 9/2017, Verordnung zu den Mindestanforderungen an Sanierungspläne für Institute und Wertpapierfirmen – MaSanV, Entwurf, v. 8.8.2017, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Konsultation/ 2017/dl_kon-0917_RV_MasanV_.pdf; BaFin, Merkblatt zur Sanierungsplanung, v. 9/2017, https:// www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Konsultation/2017/dl_kon-0917_Merkblatt.pdf;jsessionid= D3A754D928746B6156F0E77711E79CFF.1_cid390?__blob=publicationFile&v=2; BaFin, Jahresbericht 2016, S. 101, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Jahresbericht/dl_jb_2016.pdf?__ blob=publicationFile&v=9; BaFin, Jahresbericht 2015, S. 103, https://www.bafin.de/SharedDocs/ Downloads/DE/Jahresbericht/dl_jb_2015.pdf?__blob=publicationFile&v=13; BaFin, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des nationales Bankenabwicklungsrechts an den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus und die europäischen Vorgaben zur Bankenabgabe – Abwicklungsmechanismusgesetz (AbwMechG), v. 26.6.2015 (R-FR 2320-2015/0001), https://www.bundestag.de/ blob/380710/f939b214d1198f7330e665f116bb400f/01-data.pdf; BaFin, Rundschreiben 3/2014 (BA),

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§ 15

I. Überblick

Mindestanforderungen an die Ausgestaltung von Sanierungsplänen – MaSan, v. 25.4.2014, https:// www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/rs_1403_masan_ba.html; BaFin, BaFin Journal 11/2015, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/BaFinJournal/2015/ bj_1511.pdf?__blob=publicationFile&v=2; (Abrufdatum jew. 16.4.2020). Verlautbarungen der Deutschen Bundesbank (Bundesbank): Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, S. 34, https://www.bundesbank.de/resource/blob/652134/f9108ad039dbeec1d0aa30db7717eb48/mL/ 2014-06-monatsbericht-data.pdf (Abrufdatum: 16.4.2020).

I.

Überblick )

Die Sanierungs- und Abwicklungsplanung stellt ein präventives Instrument der Bankenre- 1 strukturierung und Bankenabwicklung dar, welches der Gesetzgeber als Reaktion auf die letzte Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise geschaffen hat.1) Sowohl Banken (im Folgenden wird der Begriff des „Instituts“2) verwendet) als auch Aufsichtsbehörden sind heute verpflichtet, in detaillierten Plänen den Umgang mit zukünftigen Krisenfällen vorzubereiten. 1.

Lehren aus der Finanzmarktkrise

Zu den wesentlichen Lehren aus der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise zählt, dass das 2 allgemeine Insolvenzrecht kein ausreichendes Instrumentarium für die Sanierung und Abwicklung systemrelevanter Institute bereithält.3) Denn das herkömmliche Insolvenzverfahren ist auf eine Verwertung des Vermögens des Insolvenzschuldners gerichtet, um eine möglichst weitgehende Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu erreichen (§ 1 Satz 1 InsO).4) Bei der Sanierung und Abwicklung systemrelevanter Institute steht jedoch die Sicherung und Fortführung der von dem Institut ausgeübten und für das Finanzsystem „kritischen Funktionen“5) im Vordergrund.6) Diese Aufgabe lässt sich mit dem allgemeinen Insolvenzrecht kaum erreichen, weil die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Instituts in der Regel erhebliche Einschränkungen (z. B. Stopp des Zahlungsverkehrs, Einschränkungen beim Zugriff auf Kundeneinlagen usw.) bis hin zur vollständigen Einstellung des Geschäftsbetriebs nach sich zieht.7) Stellt ein systemrelevantes Institut seinen Geschäftsbetrieb (teilweise) ein und muss es 3 den Finanzmarkt ungeordnet verlassen, ruft dies aufgrund der vielfältigen Verflechtungen typischerweise systemweite Folgewirkungen und erhebliche Ansteckungsgefahren für andere Institute hervor.8) Vor dem Hintergrund dieser Systemgefahren und ohne einen geeigneten Rechtsrahmen für die Sanierung und Abwicklung systemrelevanter Institute bestand während der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise lediglich die Möglichkeit, die als ___________

) 1) 2)

3) 4)

5) 6) 7)

8)

Der Verfasser dankt Jan Biermann und Thore Feil, die den Autor bei der Vorbereitung des Beitrags unterstützt haben. Zu den Hintergründen Cichy/Behrens, WM 2014, 438 f. Dies entspricht der Terminologie des deutschen SAG, welches gemäß § 2 Abs. 1 SAG unter „Instituten“ CRR-Kreditinstitute i. S. des § 1 Nr. 1 SAG und CRR-Wertpapierfirmen i. S. des § 1 Nr. 2 SAG versteht. Buscher/Link, BaFin Journal 1/2015, S. 16, 18; RegE BRRD-UmsG, BT-Drucks. 18/2575, S. 1; Cichy/ Schönen in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 199, 202. Inwieweit daneben die Erhaltung des Unternehmens Ziel des Insolvenzverfahrens sein kann, wird unterschiedlich gesehen; s. dazu Ganter/Lohmann in: MünchKomm-InsO, § 1 Rz. 85 ff.; sowie zum „Sanierungsgedanken“ des heutigen Insolvenzrechts Ebke in: FS Kirchhof, S. 1247 ff. Zum Begriff s. § 2 Abs. 3 Nr. 38 SAG. Franke/Krahnen/v. Lüpke, ZVglRWiss 2014, 556, 557; Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2260. Cichy/Schönen in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 199, 204. Eindrucksvoll ließen sich diese Probleme etwa im Fall der Investmentbank Lehman Brothers beobachten, deren Ausfall und Abwicklung auch das U.S.-amerikanische Insolvenzrecht vor einige Herausforderungen stellte; s. dazu Madaus, NZI 2008, 715 ff. Marinþ/Vlahu, The Economics of Bank Bankruptcy Law, S. 23 ff.; Ruzik, BKR 2009, 133, 135.

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§ 15

Sanierungs- und Abwicklungsplanung

too big to fail9) eingestuften Institute mittels umfangreicher Stützungsmaßnahmen aus Steuergeldern am Leben zu halten.10) Der massive Einsatz öffentlicher Mittel zur Rettung angeschlagener Institute (Bail-out) hat jedoch dazu geführt, dass sich die Finanzmarktund Wirtschaftskrise schließlich noch in einer Staatsschuldenkrise fortgesetzt hat.11) Für die Zukunft bestand damit die Aufgabe, einen spezifischen Rechtsrahmen für die Sanierung und Abwicklung von Instituten zu schaffen, der einerseits die „Kontinuität kritischer Funktionen“ ermöglicht, andererseits aber den „Schutz öffentlicher Mittel“ sicherstellt.12) 2.

Dynamische Rechtsentwicklung

4 Im Zuge der dynamischen Rechtsentwicklung auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene sind eine Vielzahl neuer Regelungen zur Sanierung und Abwicklung von Instituten hervorgebracht worden, die sich vereinfachend drei unterschiedlichen Blöcken zuordnen lassen: x

die Schaffung eines besonderen, neben das allgemeine Insolvenzrecht tretenden Instrumentariums für die Abwicklung bestandsgefährdeter Institute,13)

x

die institutionelle Stärkung der Aufsichtsbehörden durch erweiterte Kriseninterventionsbefugnisse und die Schaffung spezieller Abwicklungsbehörden,

x

die Erstellung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen sowie deren Integration in den Geschäftsbetrieb der Institute.

5 In diesem dreiteiligen Regelungsgefüge dient die Sanierungs- und Abwicklungsplanung der präventiven Vorbereitung auf zukünftige Krisenfälle. Zu einem Zeitpunkt, in dem noch kein akuter Handlungsbedarf besteht, soll aus einem vorbereitenden Blickwinkel analysiert und in Plänen niedergelegt werden, welche Maßnahmen ergriffen werden können, falls künftig ein erneuter Krisenfall entsteht.14) Denn nach Eintritt eines Krisenfalls besteht in aller Regel ein solcher Zeit- und Handlungsdruck, dass für eine erst dann einsetzende Planung der Sanierung bzw. Abwicklung eines Instituts keine ausreichende Zeit mehr besteht.15) 6 Aus der Perspektive des nationalen Rechtsanwenders lassen sich die entstandenen Rechtsakte (siehe i. E. noch unten Rz. 12 ff. bzw. Rz. 71 ff.) entsprechend ihrem jeweiligen Konkretisierungsgrad drei unterschiedlichen Stufen zuordnen: x

Auf der ersten Stufe ist die europäische Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD)16) angesiedelt, die einen allgemeinen Rahmen für die Sanierungs- und Abwicklungsplanung vorgibt.

___________ 9)

10)

11) 12) 13) 14)

15) 16)

822

Da die Beurteilung der Systemrelevanz nicht alleine von der Institutsgröße abhängt, werden zuweilen auch die Schlagworte too complex to fail oder too connected to fail verwendet; vgl. dazu Binder, ZHR 179 (2015), 83, 86; Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 923. Den europäischen Banken sollen während der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise etwa 4 Bill. € an staatlichen Garantien und Beihilfen gewährt worden sein; so Andrae in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, S. 17, sowie Chattopadhyay, WM 2013, 405. Zu den vielfältigen wirtschaftspolitischen Problemen staatlicher Rettungsmaßnahmen auch Adolff/ Eschwey, ZHR 177 (2013), 902 ff.; ferner Binder, ZVglRWiss 2014, 570 ff. So die in § 67 SAG niedergelegten Abwicklungsziele; s. ebenfalls Art. 31 Abs. 2 BRRD; Art. 14 Abs. 2 SRM-VO. Zum Verhältnis dieser speziellen Vorschriften zum allgemeinen Insolvenzrecht Bauer/Hildner, DZWiR 2015, 251 ff.; auch Cichy/Schönen in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 199, 203 ff. Cichy/Behrens, WM 2014, 438; Cichy/Schönen in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 199, 212 f.; nach Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, zählen die Sanierungs- und Abwicklungspläne daher zu den sog. „vorbeugenden Instrumenten“. Dazu Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 228. Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014.

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§ 15

II. Sanierungsplanung

Auf der zweiten Stufe befinden sich das nationale Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG)17) sowie die europäische Single Resolution Mechanism Regulation (SRM-VO)18), welche auf der BRRD aufsetzen und für den Rechtsanwender unmittelbar anwendbare Vorschriften enthalten. x Diese Vorschriften werden schließlich auf einer dritten Stufe weiter konkretisiert, und zwar vor allem in Form von delegierten Verordnungen bzw. Durchführungsverordnungen der Kommission, Leitlinien der European Banking Authority (EBA)19) sowie zukünftig auch nationalen Rechtsverordnungen des BMF bzw. der BaFin. Dass der nach der Finanzmarktkrise eingesetzte Reformprozess bis heute ungebrochen 7 ist, zeigt u. a. die auf europäischer Ebene jüngst abgeschlossene Überarbeitung sowohl der BRRD20) als auch der SRM-VO21) i. R. des „Bankenpakets“ aus Mai 2019. Die neuen Regelungen werden nun schrittweise über die nächsten Jahre in Kraft treten, allerdings ohne gravierende Änderungen für den Bereich der Sanierungs- und Abwicklungsplanung.22) x

3. Sanierungsplan und Abwicklungsplan Der Prozess der Sanierungs- und Abwicklungsplanung bringt als Ergebnis zwei konzepti- 8 onell unterschiedliche Pläne hervor, den Sanierungsplan (Recovery Plan) einerseits sowie den Abwicklungsplan (Resolution Plan) andererseits: x Sanierungsplan: Der Sanierungsplan wird von dem Institut selbst erstellt und legt diejenigen Maßnahmen dar, welche das Institut u. a. in organisatorischer und geschäftspolitischer Hinsicht ergreifen kann, um zukünftige Krisenfälle schnell, effektiv und aus eigener Kraft zu überwinden.23) Zweck des Sanierungsplans ist es zum einen, das laufende Risikomanagement des Instituts zu verbessern, zum anderen die Widerstandsfähigkeit und Krisenfestigkeit des Instituts gegenüber zukünftigen Krisenfällen zu stärken.24) x Abwicklungsplan: Demgegenüber wird der Abwicklungsplan von der zuständigen Abwicklungsbehörde erstellt und hat zum Gegenstand, wie die Behörde ihre gesetzlichen Abwicklungsinstrumente gegenüber einem bestandsgefährdeten Institut zum Einsatz bringen kann. Der Abwicklungsplan ist dem Sanierungsplan damit konzeptionell nachgeordnet, indem er von der Notwendigkeit einer Abwicklung ausgeht und aufzeigen soll, wie eine solche auf möglichst systemverträgliche Weise erfolgen kann.25) II. Sanierungsplanung Der Sanierungsplan stellt seiner Konzeption nach ein bankspezifisches Instrument des in- 9 stitutsinternen Risikomanagements dar.26) Der Plan ist an die Geschäftsleitung des Insti___________ 17) Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen – Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG), v. 10.12.2014, BGBl. I 2014, 2091, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes v. 23.12.2016, BGBl. I 2016, 3171. 18) Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014. 19) S. zur Funktion der EBA im Zusammenhang mit der Sanierungsplanung sowie ihren Leitlinien und Regulierungsstandards Cichy in: Igl, Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 11, 14 f. 20) Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019. 21) Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019. 22) Vgl. Rat, Bankenunion: Rat nimmt Maßnahmen zur Risikoverringerung im Bankensektor an, PM v. 14.5.2019; sowie allgemein aus dem Frühstadium der Reform Wellerdt, EuZW 2017, 172. 23) Begr. RegE SAG, BT-Drucks. 18/2575, S. 147. 24) Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662 f.; Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2260. 25) Vgl. Thole, ZBB 2016, 57, 58; ferner Beinhauer, Kreditwesen 2013, 393. 26) Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 BRRD sind Sanierungspläne als Instrument der internen Unternehmenssteuerung i. S. des Art. 74 CRD (Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019 anzusehen.

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Sanierungs- und Abwicklungsplanung

tuts gerichtet und soll dieser die Sanierungsmaßnahmen (auch: Handlungsoptionen) aufzeigen, welche sie bei Eintritt eines Krisenfalls ergreifen kann und sollte, jedoch nicht zwingend muss.27) Der Sanierungsplan reagiert damit auf den Umstand, dass ohne eine vorherige Identifikation den verantwortlichen Personen häufig der erforderliche Informations- und Kenntnisstand fehlt, um in einem Krisenfall unmittelbar geeignete Maßnahmen einleiten zu können.28) 10 Andererseits hat der Sanierungsplan auch eine institutsübergreifende Bedeutung, welche sich daraus rechtfertigt, dass die Sanierung und Bestandssicherung eines Instituts auch im Interesse des Finanzsystems insgesamt erfolgt.29) Spiegelbild dieser Systembedeutung ist nicht nur eine hohe Regulierungsdichte in Bezug auf den Sanierungsplan, sondern auch umfangreiche „Mitspracherechte“ der Aufsichtsbehörde.30) Die Aufsichtsbehörde prüft und bewertet den vom Institut erstellten Sanierungsplan und kann i. R. einer Frühintervention sogar dazu berechtigt sein, die Umsetzung bestimmter in dem Plan enthaltener Maßnahmen anzuordnen.31) 11 Im Folgenden sollen die den Sanierungsplan betreffenden Rechtsvorschriften näher dargestellt und dabei auf folgende Gesichtspunkte eingegangen werden: x

Rechtsgrundlagen des Sanierungsplans,

x

zuständige Aufsichtsbehörde,

x

Pflicht zur Aufstellung des Sanierungsplans,

x

Inhalt des Sanierungsplans,

x

bankpraktische Umsetzung und Herausforderungen,

x

behördliche Prüfung des Sanierungsplans,

x

Gruppensanierungspläne,

x

Sanierungspläne nach vereinfachten Anforderungen.

1.

Rechtsgrundlagen

12 Die aus Sicht eines Instituts bei der Erstellung des Sanierungsplans zur Anwendung gelangenden Rechtsvorschriften sind nicht in einer einheitlichen Rechtsnorm niedergelegt, sondern verteilen sich über unterschiedliche Rechtsakte (siehe zum Bankenaufsichtsrecht als Mehrebenensystem oben § 1 Rz. 9 ff. [Binder]). Den gemeinsamen Ausgangspunkt bildet die europäische BRRD aus dem Jahre 2014, welche in den Artt. 5 bis 9 sowie in Abschnitt A des Anhangs Vorgaben für das nationale Recht in Bezug auf die Aufstellung, den Inhalt und die behördliche Prüfung von Sanierungsplänen enthält.32) Zwar ist die Richtlinie aus Sicht eines Instituts nicht unmittelbar anwendbar, sie muss aber bei der Auslegung des sie umsetzenden nationalen Rechts beachtet werden. Die nationale Umsetzung der BRRD ist durch das am ___________ 27) 28) 29) 30)

ErwG 22 BRRD. S. dazu Binder, ZBB 2015, 153, 159. Zu dieser Systemdimension Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 914 ff. Sehr krit. Philipp, AG 2015, 77, 80 f., der annimmt, dass die Eigentümer weitgehend der über Aufsichtsrat und Vorstand auszuübenden Leitungsrechte beraubt werden und die Aufsichtsbehörde in „eine Art eigene Vorstandsposition“ einrückt; differenzierter Binder, ZBB 2015, 153, 164. 31) S. bspw. § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 KWG. 32) Bei der Schaffung der europäischen Richtlinie hat sich der europäische Gesetzgeber auch an Vorarbeiten auf internationaler Ebene anlehnen können, welche zuvor in Form der „Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions“ von dem internationalen „Financial Stability Board“ erarbeitet und von den Staats- und Regierungschefs der G20 gebilligt worden waren; hierzu Cichy/ Behrens, WM 2014, 438, 439, und Brandi/Gieseler, DB 2013, 741.

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II. Sanierungsplanung

1.1.2015 in Kraft getretene SAG erfolgt.33) Darin befinden sich die Vorschriften über den Sanierungsplan in den §§ 12 bis 21a. Diese Vorschriften bilden aus der Perspektive des nationalen Rechtsanwenders das maßgebliche Regelungsgerüst für die Aufstellung, den Inhalt und die behördliche Prüfung von Sanierungsplänen. Darüber hinaus sind die Technischen Standards34) (Technical Standards) zu berücksichti- 13 gen, welche von der Kommission in Form von delegierten Verordnungen (Art. 290 AEUV) bzw. Durchführungsverordnungen (Art. 291 AEUV) erlassen werden und inhaltlich auf Vorschlägen der EBA beruhen. Eine erste solche Delegierte Verordnung (EU) 2016/1075 hat die Kommission im Jahre 2016 erlassen35) und darin (neben Vorschriften, die den Abwicklungsplan betreffen) auch konkretisierende Vorschriften über den Inhalt des Sanierungsplans (Artt. 3 bis 15 Delegierte VO (EU) 2016/1075) sowie dessen Prüfung durch die Aufsichtsbehörde (Artt. 16 bis 21 Delegierte VO (EU) 2016/1075) festgelegt. Die Verordnung der Kommission beruht u. a. auf den beiden EBA-Entwürfen EBA/RTS/ 2014/1136) (betreffend den Inhalt des Sanierungsplans) und EBA/RTS/2014/1237) (betreffend die behördliche Prüfung). Neu hinzugekommen ist nunmehr die auf dem EBA-Entwurf EBA/RTS/2017/1138) beruhende Delegierte Verordnung (EU) 2019/348,39) die die Festlegung der Kriterien, anhand derer die zuständigen Behörden und Abwicklungsbehörden bewerten, ob Instituten vereinfachte Anforderungen gestattet werden sollten, betrifft. Als praktische Orientierungshilfe sind zudem die von der EBA erlassenen Leitlinien (Guide- 14 lines) und Empfehlungen (Recommendations)40) heranzuziehen, welche an die Aufsichtsbehörden und Institute gerichtet sind und eine einheitliche und kohärente Anwendung des Unionsrechts sicherstellen sollen, allerdings ohne eine strenge Bindungswirkung41) zu entfalten: x

EBA/GL/2015/0242) (betreffend die Indikatoren),

x

EBA/GL/2014/0643) (betreffend die Szenarien),

x

EBA/Rec/2017/0244) (betreffend die Gruppensanierung).

Darüber hinaus sollten die diversen Äußerungen der Aufsicht zur Qualität der Sanierungs- 15 pläne herangezogen werden. Dies betrifft einerseits direkte Rückmeldungen der zuständigen ___________ 33) Schon vor Erlass der BRRD hatte der deutsche Gesetzgeber – damals noch auf Grundlage der Entwurfsfassung der BRRD – einige Teile „vorumgesetzt“ und durch das Trennbankengesetz in den §§ 47 bis 47i KWG a. F. Vorschriften über die Sanierungs- und Abwicklungsplanung geschaffen, hierzu Cichy/ Behrens, WM 2014, 438, 440 ff.; Brandi/Gieseler, DB 2013, 741, 742 ff.; Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 228 ff. Nach Erlass der BRRD wurden diese Regelungen in das SAG überführt. 34) S. Artt. 10 bis 15 VO (EU) Nr. 1093/2010. 35) Delegierte Verordnung (EU) 2016/1075 der Kommission v. 23.3.2016, ABl. (EU) L 184/1 v. 8.7.2016. 36) EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on the content of recovery plans under Art. 5(10) of Directive 2014/59/EU establishing a framework for the recovery and resolution of credit institutions and investment firms, v. 18.7.2014 (EBA/RTS/2014/11). 37) EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on the assessment of recovery plans under Art. 6(8) of Directive 2014/59/EU – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD), v. 18.7.2014 (EBA/ RTS/2014/12). 38) EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on simplified obligations under Art. 4(6) of Directive 2014/59/EU, v. 19.12.2017 (EBA/RTS/2017/11). 39) Delegierte Verordnung (EU) 2019/348 der Kommission v. 25.10.2018, ABl. (EU) L 63/1 v. 4.3.2019. 40) S. Art. 16 VO (EU) Nr. 1093/2010. 41) Zur Rechtsnatur und Bindungswirkung der Leitlinien und Empfehlungen s. Sonder, BKR 2012, 8, 9; Manger-Nestler, Kreditwesen 2012, 38, 39; sowie zu der ähnlichen Situation bei den Leitlinien der ESMA Hitzer/Hauser, BKR 2015, 52, 55 f. 42) EBA, Leitlinien zur Mindestliste der qualitativen und quantitativen Indikatoren des Sanierungsplans, v. 23.7.2015 (EBA/GL/2015/02). 43) EBA, Leitlinien über die bei Sanierungsplänen zugrunde zu legende Bandbreite an Szenarien, v. 18.7.2014 (EBA/GL/2014/06). 44) EBA, Final Report on Recommendation on the coverage of entities in a group recovery plan, v. 1.11.2017.

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Sanierungs- und Abwicklungsplanung

Aufsichts- oder Abwicklungsbehörden an das den Sanierungsplan erstellende Institut. Andererseits sollten auch strukturiert die veröffentlichten Auswertungen zu den durchgeführten Quervergleichen der Sanierungspläne berücksichtigt werden. Hierunter fallen bisher insbesondere die einschlägigen Veröffentlichungen der BaFin und Reports der EBA.45) 16 Schließlich besteht mit dem nachträglich ins SAG eingefügten § 21a SAG auch eine Grundlage für eine nationale Rechtsverordnung, in welcher künftig bestimmte Einzelaspekte des Sanierungsplans geregelt werden können.46) Ein von der BaFin und der Deutschen Bundesbank (Bundesbank) gemeinsam erarbeiteter Konsultationsentwurf einer entsprechenden Verordnung (MaSanV-E) wurde im August 2017 veröffentlicht.47) Im April 2019 hat die BaFin sodann einen überarbeiteten RefE veröffentlicht und ein weiteres Konsultationsverfahren durchgeführt.48) Nach dem RefE wird die Möglichkeit der Verordnungsermächtigung zu einer detaillierten Neufassung des von der BaFin im Jahre 2014 veröffentlichten MaSan-Rundschreibens genutzt werden.49) Dieses bereits vor Inkrafttreten der BRRD und des SAG erlassene Rundschreiben enthielt hilfreiche und auch praxistaugliche Vorgaben für die Erstellung von Sanierungsplänen,50) ist – nach eigener Aussage der BaFin – aber heute „nicht mehr aktuell“.51) Darüber hinaus sieht der Entwurf – entsprechend der mit der Einfügung des § 21a SAG verbundenen gesetzgeberischen Intention52) – die rechtsverbindliche Umsetzung der soeben genannten Leitlinien der EBA zu Szenarien und zu Indikatoren in Sanierungsplänen vor. Schließlich enthält der Entwurf auch ergänzende Regelungen zu Sanierungsplänen, die vereinfachten Anforderungen unterliegen und zur Erstellung von Sanierungsplänen durch institutsbezogene Sicherungssysteme. 17 Zukünftig werden sich die von den Instituten einzuhaltenden Vorgaben also insbesondere aus einer Gesamtschau der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1075, des SAG und der MaSanV ergeben. Nachfolgend wird daher – insbesondere in den Fußnoten – auch auf die einschlägigen Vorschriften des Verordnungsentwurfs hingewiesen. 18 Das Zusammenspiel und Konkurrenzverhältnis zwischen den verschiedenen Rechtsakten wird einerseits in der Verordnungsbegründung, andererseits aber auch in einem zusätzlichen Merkblatt erläutert, welches die BaFin ebenfalls zur Konsultation veröffentlicht hat.53) ___________ 45) S. hierzu EBA, Recovery planning, Comparative Report on Recovery Options, v. 1.3.2017; EBA, Recovery planning, Comparative Report on Governance Arrangements and Recovery Indicators, v. 5.7.2016; EBA, Recovery planning, Comparative report on the approach taken on recovery plan scenarios, v. 8.12.2015; EBA, Recovery planning, Comparative report on the approach to determining critical functions and core business lines in recovery plans, v. 6.3.2015, sowie die Kurzzusammenfassung der Ergebnisse des 2015 durchgeführten Quervergleichs im BaFin-Jahresbericht, vgl. BaFin, Jahresbericht 2015, S. 103, 110 f. Zu den in 2016 von BaFin und EZB durchgeführten Quervergleichen und Benchmark-Analysen, s. BaFin, Jahresbericht 2016, S. 101, 103 f., und EZB, Jahresbericht 2016, S. 6, 51. 46) Die Verordnungsermächtigung ist nachträglich durch das Gesetz zur Anpassung des nationalen Bankenabwicklungsrechts an den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus und die europäischen Vorgaben zur Bankenabgabe – Abwicklungsmechanismusgesetz (AbwMechG), v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1864, ins SAG eingefügt worden; s. dazu Begr. RegE AbwMechG, BR-Drucks. 193/15, S. 69. 47) BaFin, Konsultation 9/2017, MaSanV, Entwurf, v. 8.8.2017. Im Einklang mit § 21a Abs. 1 Satz 2 SAG beabsichtigt das BMF, die Verordnungsermächtigung mit der Maßgabe auf die BaFin zu übertragen, dass die Rechtsverordnung im Einvernehmen mit der Bundesbank ergeht. 48) BaFin, Konsultation 9/2019, Entwurf einer MaSanV und Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019. 49) BaFin, Rundschreiben 3/2014 (BA), MaSan, v. 25.4.2014. Einen Entwurf des Schreibens hat die BaFin bereits im November 2012 veröffentlicht, vgl. Brandi/Gieseler, DB 2013, 741, 744. S. zu der Möglichkeit einer Neufassung des Rundschreibens auf Grundlage von § 21a SAG auch BaFin, Sanierung und Abwicklung, BaFin, BaFin Journal 11/2015, S. 5, sowie Steck/Petrowsky, DB 2015, 1391, 1392. 50) Dazu Igl/Heuter, Sanierungsplanung. 51) So die BaFin, Stellungnahme zum Entwurf eines AbwMechG, v. 26.6.2015 (R-FR 2320-2015/0001). 52) Begr. RegE AbwMechG, BR-Drucks. 193/15, S. 69; vgl. auch Steck/Petrowsky, DB 2015, 1391, 1392. 53) BaFin, Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019.

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§ 15

II. Sanierungsplanung

In Fällen inhaltlicher Überschneidung soll die MaSanV danach eine aufgrund von Art. 5 Abs. 5 Satz 2 BRRD europarechtlich zulässige Konkretisierung der grundsätzlich vorrangigen Delegierten Verordnung (EU) 2016/1075 darstellen.54) 2.

Zuständige Aufsichtsbehörde

Der Sanierungsplan wird von dem Institut in eigener Verantwortung, aber innerhalb eines 19 aufsichtsrechtlich vorgegebenen Verfahrens erstellt, für welches behördenseitig die Aufsichtsbehörde zuständig ist. Mit dem Begriff „Aufsichtsbehörde“ ist gemäß § 3 Abs. 3 SAG die jeweils für das Institut zuständige nationale bzw. europäische Aufsichtsbehörde i. S. des § 1 Abs. 5 KWG gemeint. Für „bedeutende“ Institute (Art. 6 Abs. 4 SSM-VO55)) liegt die Aufsicht bei der EZB. Zwar beschränkt sich die Zuständigkeit der EZB auch bei bedeutenden Instituten prinzipiell auf die der EZB konkret übertragenen Aufgaben; für die Sanierungsplanung ist eine solche Übertragung aber in Art. 4 Abs. 1 lit. i SSM-VO erfolgt. Soweit nicht die EZB zuständig ist, liegt die Aufsicht weiterhin bei den nationalen Aufsichtsbehörden, in Deutschland also bei der BaFin (siehe dazu oben § 2 Rz. 10 ff. [Glos/Benzing]). Neben der Aufsichtsbehörde sind an dem Verfahren noch weitere Behörden beteiligt. Sowohl die Bundesbank als auch die Abwicklungsbehörde erhalten Kenntnis von dem Sanierungsplan und genießen ebenfalls ein gewisses Mitspracherecht in dem behördlichen Prüfungsverfahren. Allerdings sind ihre Aufgaben im Vergleich zur Aufsichtsbehörde von untergeordneter Natur. 3.

Aufstellung des Sanierungsplans

Nach der gesetzlichen Systematik stellt der „Einzelsanierungsplan“56) auf Basis nicht ver- 20 einfachter Anforderungen den Regelfall dar.57) Dieser Systematik folgend wird den weiteren Ausführungen zunächst der Fall des Einzelsanierungsplans nach nicht vereinfachten Anforderungen zugrunde gelegt, bevor im Anschluss auf die besonderen Regelungen für den Gruppensanierungsplan bzw. den Sanierungsplan nach vereinfachten Anforderungen eingegangen wird. Gemäß § 12 Abs. 2 SAG hat grundsätzlich allein das übergeordnete Unternehmen einer 21 Institutsgruppe einen Sanierungsplan zu erstellen.58) Dabei sind neben dem übergeordneten Unternehmen selbst allerdings auch die wesentlichen gruppenangehörigen Unternehmen und Zweigstellen einzubeziehen.59) Eine rechtliche Verpflichtung nachgeordneter Unter___________ 54) 55) 56) 57)

Vgl. § 27 MaSanV-E 2019; BaFin, Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019, S. 1. Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 – SSM-VO, ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013. Art. 2 Abs. 1 Delegierte VO (EU) 2016/1075. In tatsächlicher Hinsicht wird man hingegen die „Gruppensanierung“ als den Regelfall ansehen müssen, dazu Binder, ZBB 2015, 153, 155 ff. 58) Eine Ausnahme hiervon besteht lediglich nach § 14 Abs. 3 SAG, wonach die Aufsichtsbehörde die Erstellung eines Einzelsanierungsplans in Bezug auf ein inländisches Institut verlangen kann, das nachgeordnetes Unternehmen eines EU-Mutterunternehmens in einem anderen Mitgliedstaat ist. Die EBA hat bereits Anfang März 2017 mit den Draft EBA Recommendations (EBA, Consultation Paper, Recommendations on the coverage of entities in a group recovery plan, v. 2.3.2017 [EBA/CP/2017/03]) bekräftigt, dass eigene Sanierungspläne auf Tochterebene grundsätzlich nicht vorgesehen sind, vgl. Buchmüller/Lindenau/Noss, Die Bank 2017, 48. Diese Aussage ist auch in den finalen Empfehlungen v. 1.11.2017 enthalten, die ab 1.1.2018 im „Comply-or-Explain“-Verfahren Gültigkeit erhalten hat, vgl. EBA, Final Report on Recommendation on the coverage of entities in a group recovery plan, v. 1.11.2017 (EBA/Rec/2017/02), S. 4. 59) So auch ausdrücklich § 4 Satz 1 MaSanV-E 2019. § 14 SAG gibt dabei vor, dass der Gruppensanierungsplan Handlungsoptionen enthalten muss, die sowohl auf Ebene des übergeordneten Unternehmens als auch auf Ebene von nachgeordneten Unternehmen umgesetzt werden können, und dass die zu ergreifenden Handlungsoptionen auf den unterschiedlichen Ebenen/rechtlichen Einheiten der Institutsgruppe miteinander in Einklang stehen müssen. Zudem müssen im Gruppensanierungsplan Regelungen für mögliche gruppeninterne Unterstützungen enthalten sein, sofern Vereinbarungen über solche gruppeninternen Unterstützungen nach § 22 SAG vorliegen.

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Sanierungs- und Abwicklungsplanung

nehmen einer Institutsgruppe, eigenständige Sanierungspläne aufzustellen, besteht somit nicht, selbst wenn die nachgeordneten Unternehmen vom Umfang und Risikogehalt ihrer Geschäftstätigkeit als systemrelevant einzustufen wären (siehe hierzu unten Rz. 60). a)

Adressatenkreis der Aufstellungspflicht

22 Nach heutiger Rechtslage ist im Grundsatz jedes Institut, das dem Anwendungsbereich des SAG unterliegt, gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 SAG verpflichtet, einen Sanierungsplan aufzustellen. Dem Anwendungsbereich des SAG unterliegende Institute sind gemäß § 2 Abs. 1 SAG die in § 1 Nr. 1 SAG genannten CRR-Kreditinstitute sowie die in § 1 Nr. 2 SAG genannten CRR-Wertpapierfirmen.60) Nach früherer Rechtslage war ein Sanierungsplan hingegen nur dann zu erstellen, wenn das Institut von der BaFin zuvor als potentiell systemgefährdend eingestuft worden war (§ 47 Abs. 1 Satz 1 KWG a. F.).61) Die erfolgte Einschränkung des Adressatenkreises war jedoch auf Grundlage der späteren BRRD nicht mehr aufrechtzuerhalten und musste dementsprechend bei der Schaffung des SAG aufgegeben werden.62) Die Erweiterung des Adressatenkreises verdeutlicht, dass Sanierungspläne heute nicht mehr nur als Instrument zur Krisenbewältigung bei systemrelevanten Instituten, sondern allgemein als ein bankspezifisches Instrument des Risikomanagements zu verstehen sind.63) Im Hinblick auf die Binnenzuständigkeit innerhalb des Instituts ordnet § 13 Abs. 5 SAG eine Verantwortlichkeit sämtlicher Geschäftsleiter an. Unabhängig von der sonst bestehenden Zuständigkeitsregelung ist für die Erstellung, Implementierung und Aktualisierung des Sanierungsplans sowie im Krisenfall für dessen Umsetzung jeder Geschäftsleiter verantwortlich. b)

Aufforderung durch Verwaltungsakt

23 Eine gewisse Einschränkung erhält die nach § 12 Abs. 1 Satz 1 SAG an sich kraft Gesetzes bestehende Pflicht zur Aufstellung des Sanierungsplans jedoch dadurch, dass die Pflicht „faktisch“ erst dann wirksam wird, wenn das Institut von der Aufsichtsbehörde gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 SAG individuell aufgefordert wird, einen Sanierungsplan zu erstellen.64) Zwar ist diese Einschränkung in dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 1 SAG nicht angelegt, sie ergibt sich aber daraus, dass erst mit der Aufforderung durch die Aufsichtsbehörde klar wird, in welchem Zeitrahmen und nach welchen Anforderungen das Institut den Sanierungsplan zu erstellen hat. Denn in dem Aufforderungsschreiben setzt die Aufsichtsbehörde zum einen die Frist für die Aufstellung des Sanierungsplans fest, welche sechs Monate nicht überschreiten darf, auf Antrag des Instituts jedoch um bis zu sechs weitere Monate verlängert werden kann (§ 12 Abs. 3 Satz 1 SAG). Zum anderen legt sie fest, ob für das Institut vereinfachte Anforderungen gelten (§ 12 Abs. 3 Satz 2 SAG). Die Aufforderung der Aufsichtsbehörde besitzt insoweit eine ins Außenverhältnis reichende Regelungswirkung und ist daher als Verwaltungsakt zu qualifizieren.65) ___________ 60) Vgl. auch § 1 Abs. 1 MaSanV-E 2019 sowie Cichy/Schönen in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 199, 212. 61) Steck/Petrowsky, DB 2015, 1391, 1392. In den vom Financial Stability Board erlassenen „Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions“ war der Kreis der verpflichteten Institute ähnlich gefasst; dazu Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 439. 62) In Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BRRD wird die Pflicht zur Aufstellung eines Sanierungsplans an „jedes Institut“ gerichtet, ohne dass es auf eine (potentielle) Systemgefahr ankäme. 63) Vgl. Cichy/Schönen in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 199, 212. 64) Buscher/Link, BaFin Journal 1/2015, S. 16, 17; vgl. auch Schabert/Schramm/Wiechens in: Jahn/Schmitt/ Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rz. 8. 65) Dies hat u. a. Auswirkungen auf den Rechtsschutz. Zum Rechtsschutz gegenüber Maßnahmen der Abwicklungsbehörde im Single Resolution Mechanism s. § 14 Rz. 103 ff. [Benzing].

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§ 15

II. Sanierungsplanung c)

Aktualisierung des Sanierungsplans

Der Sanierungsplan muss regelmäßig – ohne gesonderte Aufforderung durch die Auf- 24 sichtsbehörde – mindestens einmal jährlich aktualisiert werden (§ 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SAG). Darüber hinaus muss der Plan außerordentlich nach jeder Änderung der Rechtsbzw. Organisationsstruktur des Instituts, seiner Geschäftstätigkeit oder Finanzlage sowie jeder Änderung der allgemeinen Risikosituation, die sich wesentlich auf den Sanierungsplan des Instituts auswirken könnte oder aus anderen Gründen dessen Änderung erforderlich macht, aktualisiert werden (§ 12 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SAG). Diese Pflicht zur außerordentlichen Aktualisierung macht ein Monitoring auf Seiten des Instituts erforderlich.66) d)

Befreiung von der Aufstellungspflicht

Die Aufsichtsbehörde kann ein Institut, welches einem institutsbezogenen Sicherungs- 25 system angehört, im Einvernehmen mit der Bundesbank auf Antrag von der Pflicht zur Aufstellung eines Sanierungsplans befreien (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SAG). Der Befreiungsantrag kann sowohl als Einzelantrag für ein einzelnes Institut als auch als Sammelantrag für mehrere Institute (dann durch das institutsbezogene Sicherungssystem) gestellt werden (§ 20 Abs. 2 Satz 3 SAG).67) Im Falle einer Befreiung muss der Sanierungsplan dann durch das institutsbezogene Sicherungssystem in Bezug auf das befreite Institut bzw. die befreiten Institute angefertigt werden (§ 20 Abs. 4 SAG). Wie mit der Formulierung „gegebenenfalls nach Maßgabe des § 19 [SAG]“ angedeutet, werden insoweit regelmäßig die Voraussetzungen für den Sanierungsplan nach vereinfachten Anforderungen i. S. des § 19 SAG erfüllt sein (siehe dazu unten Rz. 67 f.).68) Eine Befreiung ist ausgeschlossen, wenn einer der in § 20 Abs. 1 Satz 2 SAG genannten 26 Ausschlussgründe vorliegt, d. h. wenn das Institut potentiell systemgefährdend ist, wenn es der Aufsicht der EZB unterliegt oder wenn seine Aktiva bestimmte Schwellenwerte überschreiten. Ob eine Befreiung erteilt wird, liegt grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Aufsichtsbehörde, denn nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SAG „kann“ die Befreiung erfolgen. Allerdings soll die Behörde dann, wenn keiner der vorgenannten Versagungsgründe vorliegt und wenn eine Befreiung auch die Abwicklungsziele i. S. des § 67 SAG nicht gefährdet, die Befreiung im Wege einer gebundenen Entscheidung ohne Ermessen zu erteilen haben.69) Handelt es sich um ein nicht potentiell systemgefährdendes Institut, soll des Weiteren eine widerlegliche Vermutung dafür gelten, dass durch eine Befreiung die Abwicklungsziele nicht gefährdet werden.70)

___________ 66) Vgl. Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 441. 67) Vgl. auch §§ 18, 19 MaSanV-E 2019, die detaillierte Regelungen zum Befreiungsantrag enthalten. 68) Spezifische Anforderungen an die durch das institutsbezogene Sicherungssystem in Bezug auf die befreiten Institute aufzustellenden Sanierungspläne sieht der 4. Abschn. des MaSanV-E 2019 vor. Sofern keine abweichende Anordnung erfolgt, soll das institutsbezogene Sicherungssystem die Anforderungen gemäß der §§ 12 bis 18 SAG nach Maßgabe der §§ 22 bis 29 MaSanV-E 2019 zu erfüllen haben (§ 21 Abs. 1, Abs. 3 MaSanV-E 2019). Die dort abschließend (vgl. MaSanV-E 2019, S. 50) festgelegten Anforderungen der Sanierungsplanung beziehen sich teilweise auf das institutsbezogene Sicherungssystem, teilweise auf das Institut und teilweise auf Institut und institutsbezogenes Sicherungssystem gemeinsam. Durch verschiedene inhaltliche Vereinfachungen wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die befreiten Institute keine Systemrelevanz aufweisen. Aus diesem Grund sind auch Erleichterungen hinsichtlich der Erstellungsfrist (§ 20 i. V. m. § 17 MaSanV-E 2019) und des Aktualisierungsturnus (§ 29 MaSanV-E 2019) vorgesehen (vgl. auch MaSanV-E 2019, S. 56). 69) Begr. RegE SAG, BT-Drucks. 18/2575, S. 151. 70) Begr. RegE SAG, BT-Drucks. 18/2575, S. 151.

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§ 15 4.

Sanierungs- und Abwicklungsplanung Inhalt des Sanierungsplans

27 Wie die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, können Sanierungspläne einen recht unterschiedlichen Detaillierungsgrad aufweisen. Während sie im angelsächsischen Raum teilweise mehrere tausend Seiten umfassen, „beschränkt“ sich ihr Umfang in Deutschland zumeist auf mehrere hundert Seiten.71) Ausgangspunkt für die Erstellung des Plans bildet die Generalklausel des § 12 Abs. 1 Satz 2 SAG, wonach das Institut in dem Sanierungsplan darzulegen hat, „mit welchen von dem Institut zu treffenden Maßnahmen die finanzielle Stabilität gesichert oder wiederhergestellt werden kann, falls sich seine Finanzlage wesentlich verschlechtert und diese Verschlechterung zu einer Bestandsgefährdung führen kann (Krisenfall).“ a)

Allgemeine Anforderungen

28 Der konkrete Inhalt des Sanierungsplans wird in § 13 SAG72) geregelt, wobei dieser Vorschrift neben spezifischen Einzelinhalten (siehe dazu sogleich Rz. 34 ff.) auch eine Reihe allgemeiner Anforderungen entnommen werden kann: aa)

Keine Unterstützung aus öffentlichen Mitteln

29 Weil der Sanierungsplan aufzeigen soll, wie das Institut einen Krisenfall aus eigener Kraft überwinden kann, darf in dem Plan nicht von der Möglichkeit einer außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln ausgegangen werden (§ 13 Abs. 3 Satz 1 SAG).73) Damit sind staatliche Beihilfen i. S. des Art. 107 Abs. 1 AEUV sowie vergleichbare finanzielle Unterstützungen aus öffentlichen Mitteln auf supranationaler Ebene gemeint, die jeweils zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Existenzfähigkeit, Liquidität oder Solvenz eines Instituts gewährt werden (§ 2 Abs. 3 Nr. 9 SAG). Die entsprechende Einordnung einer konkreten Maßnahme kann im Einzelfall durchaus Schwierigkeiten bereiten: x

Zentralbankfazilitäten: Keine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln, sondern ordentliches Refinanzierungsgeschäft, das auch in einem Krisenfall weiterhin möglich sein muss, ist jedenfalls die Nutzung von Zentralbankfazilitäten. Im Sanierungsplan ist deshalb ausdrücklich auch zu analysieren, unter welchen Voraussetzungen das Institut die Nutzung von Zentralbankfazilitäten beantragen kann und welche Vermögenspositionen als Sicherheiten herangezogen werden können (§ 13 Abs. 3 Satz 2 SAG).

x

Emergency Liquidity Assistance (ELA): Nicht eindeutig ist dagegen die von den nationalen Notenbanken unter Aufsicht der EZB gewährte ELA zu beurteilen.74) Sie ist nicht Teil der einheitlichen Geldpolitik der EZB und kann daher als Beihilfe i. S. des Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft werden, wenn nicht sämtliche der in Nr. 62 der Bankenmitteilung der Kommission75) aufgeführten Ausnahmevoraussetzungen erfüllt sind. Insofern ist es denkbar, sie als eine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mittel anzusehen, von welcher der Sanierungsplan nicht ausgehen

___________ 71) Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 445. 72) Vgl. hierzu Luz/Neus/Schaber/Schneider/Weber-Buchmüller, KWG und CRR, § 13 SAG. 73) Wird in einem Krisenfall eine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln gewährt, wird dies nach § 63 Abs. 2 Satz 1 SAG einer Bestandsgefährdung gleichgesetzt, womit es prinzipiell zur Abwicklung des Instituts kommen kann. 74) S. dazu die Bekanntmachung der EZB über das Verfahren für die Gewährung von Notfall-Liquiditätshilfe (Emergency Liquidity Assistance – ELA), v. 20.6.2017. 75) Kommission, Bankenmitteilung 2013, ABl. (EU) C 216/1 v. 30.7.2013.

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§ 15

II. Sanierungsplanung

darf. Andererseits wird in der den Abwicklungsplan betreffenden Vorschrift des § 40 Abs. 2 Nr. 3 SAG sprachlich gerade zwischen einer „außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln“ und der „Gewährung einer Notfallliquiditätshilfe durch eine Zentralbank“ unterschieden. bb)

Grundsatz der Proportionalität

Anders als nach früherer Rechtslage besteht die Pflicht zur Erstellung eines Sanierungs- 30 plans heute grundsätzlich für jedes Institut bzw. jede Institutsgruppe, unabhängig von dem Vorliegen einer (potentiellen) Systemgefahr (siehe bereits oben Rz. 22). Ein gewisses praktisches Korrektiv hat der Gesetzgeber jedoch dadurch geschaffen, dass die Ausgestaltung des Sanierungsplans mit Rücksicht auf die Größe, die Komplexität und die Vernetzung des Instituts sowie die Art, den Umfang und die Komplexität seines Geschäftsmodells und des damit einhergehenden Risikos zu erfolgen hat (§ 13 Abs. 1 SAG).76) Diese Vorschrift ermöglicht es (insbesondere kleineren Instituten), ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Umfang bzw. dem Detaillierungsgrad des Sanierungsplans und der von dem Institut tatsächlich ausgehenden Systemgefahr zu wählen.77) cc)

Schnelle und effektive Umsetzbarkeit

Ein Sanierungsplan weist notwendig einen gewissen Abstraktionsgrad auf, weil jeder Kri- 31 senfall anders ist.78) Andererseits kann der Sanierungsplan nur dann zur Bewältigung eines Krisenfalls beitragen, wenn er soweit konkretisiert ist, dass er ohne zeitlichen Verzug umgesetzt werden kann.79) Entstehen bei der Umsetzung des Plans hingegen Verzögerungen, wird dadurch das Ausmaß einer Krise typischerweise noch verstärkt. Aus diesem Grunde bestimmt das Gesetz, dass der Sanierungsplan in einem Krisenfall mit überwiegender Wahrscheinlichkeit schnell und wirksam umsetzbar sein muss, so dass wesentliche negative Auswirkungen auf das Finanzsystem, auch in Fällen, in denen andere Institute im selben Zeitraum Sanierungspläne umsetzen, so weit wie möglich vermieden werden (§ 13 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SAG). Darüber hinaus muss in dem Plan nachvollziehbar dargelegt werden, dass der Plan diesem Kriterium gerecht wird (§ 13 Abs. 4 Satz 2 SAG). Art. 5 Abs. 5 Delegierte VO (EU) 2016/1075 enthält die ergänzende Anforderung, dass 32 im Sanierungsplan die Management-Informationssysteme sowie entsprechende Regelungen beschrieben werden müssen, die gewährleisten, dass die zur Umsetzung der Handlungsoptionen erforderlichen Informationen für die Entscheidungsfindung zeitnah und zuverlässig auch unter Stressbedingungen vorliegen. § 6 Abs. 2 MaSanV-E 2019 enthält ähnliche Vorgaben.

___________ 76) Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 441. § 3 MaSanV-E 2019 sieht vor, dass der Proportionalitätsgrundsatz gemäß § 13 Abs. 1 SAG in allen Abschnitten der Sanierungspläne zu wahren ist. 77) Vgl. in diesem Zusammenhang auch Hinrichs/Fischer/Daferner, Die Bank 2014, 43, 44 f., die insgesamt eine weitgehende Anlehnung des Sanierungsplans an bereits bestehende Planungen bzw. Dokumentationen fordern. 78) Dazu auch Binder in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 165, 180, der aus diesem Grund sogar für ein „prozedurales“ (anstelle eines „finalen“) Funktionsverständnis der Sanierungsund Abwicklungsplanung plädiert. Dem liegt die Idee zugrunde, dass die Erstellung eines Sanierungsplans – auch jenseits seines späteren Inhalts – für das Institut einen Lernprozess darstellt, durch welchen die bestehenden Strukturen überprüft und verbessert werden können; vgl. auch Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 449. 79) S. Schabert/Schneider/Purkott in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, S. 39, 49.

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§ 15 dd)

Sanierungs- und Abwicklungsplanung Nachhaltige Überwindung des Krisenfalls

33 Sowohl dem Institut selbst als auch dem Finanzsystem ist am ehesten gedient, wenn die Bestandsfähigkeit eines Instituts langfristig gesichert wird. Deshalb müssen die in dem Sanierungsplan vorgesehenen Handlungsoptionen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geeignet sein, die Überlebensfähigkeit und finanzielle Solidität des Instituts nicht nur kurzfristig, sondern nachhaltig zu sichern bzw. wiederherzustellen (§ 13 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SAG), d. h. einen nachhaltigen Sanierungsbeitrag aufweisen.80) Bei dieser in die Zukunft gerichteten Prüfung sind auch die vorbereitenden Maßnahmen i. S. des § 13 Abs. 2 Nr. 10 SAG zu berücksichtigen, welche das Institut bereits getroffen hat bzw. noch treffen wird, um die Umsetzung des Sanierungsplans zu erleichtern. Auch hier muss der Sanierungsplan die Erfüllung dieses Kriteriums nachvollziehbar darstellen (§ 13 Abs. 4 Satz 2 SAG). Damit verdeutlicht das Gesetz einmal mehr, dass sich ein Institut nicht darauf beschränken kann, in dem Sanierungsplan den status quo der bestehenden Sanierungsoptionen darzustellen, sondern auch neue Sanierungskonzepte entwickeln muss, welche inhaltlich (mit überwiegender Wahrscheinlichkeit) tatsächlich geeignet sind, einen Krisenfall nachhaltig zu überwinden.81) Als Referenz für die Nachhaltigkeit von Sanierungskonzepten können die Vorgaben aus der Geschäftsmodellanalyse dienen, die mit dem neuen, europaweit vereinheitlichten aufsichtlichen Bewertungs- und Überprüfungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process – SREP) eingeführt worden sind. b)

Konkrete Inhaltsbestandteile

34 Aufbauend auf den vorgenannten allgemeinen Anforderungen sieht das Gesetz in § 13 Abs. 2 SAG eine zehn Punkte umfassende, nicht abschließende Liste konkreter Einzelinhalte („wesentliche Bestandteile“) vor.82) Neben § 13 Abs. 2 SAG sind mittlerweile jedoch auch die Vorgaben der Artt. 3 bis 15 Delegierte VO (EU) 2016/1075 zu beachten, in denen die Kommission den EBA-Entwurf EBA/RTS/2014/1183) (betreffend den Inhalt des Sanierungsplans) umgesetzt und konkretisierende Anforderungen an den Inhalt des Sanierungsplans festgelegt hat. Schließlich enthalten auch die §§ 4 bis 9 MaSanV-E 2019 detaillierte Bestimmungen, die zukünftig bei der Ausgestaltung von Sanierungsplänen berücksichtigt werden müssen. Die europäische Verordnung, welche aus nationaler normenhierarchischer Sicht die vorrangig anzuwendenden Vorgaben enthält, wird den folgenden Ausführungen primär zugrunde gelegt (wobei in den Fn. jedoch auch auf die entsprechenden Vorschriften des SAG sowie des MaSanV-E 2019 – soweit bestehend – hingewiesen wird). Nach Art. 3 Delegierte VO (EU) 2016/1075 hat der Plan folgende Abschnitte zu enthalten: x

Zusammenfassung (erster Abschnitt),

x

Unternehmensführung (zweiter Abschnitt),

x

strategische Analyse (dritter Abschnitt),

___________ 80) Dies wird sichergestellt, indem im Sanierungsplan die Auswirkungen der Handlungsoptionen auf die relevanten Kapital- und Liquiditätskennzahlen dargestellt werden. Generell müssen die Handlungsoptionen sicherstellen, dass die aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen in Säule I und Säule II nach dem Krisenfall mittel- und langfristig wieder eingehalten werden. Dazu Cichy in: Igl, Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 11, 22. 81) Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 441. 82) Die Auflistung des § 13 Abs. 2 SAG beruht auf den Vorgaben der BRRD, welche ihrerseits in dem Abschn. A des Anhangs eine noch weiter ausdifferenzierte Mindestliste enthält. 83) EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on the content of recovery plans under Art. 5(10) of Directive 2014/59/EU establishing a framework for the recovery and resolution of credit institutions and investment firms, v. 18.7.2014 (EBA/RTS/2014/11).

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§ 15

II. Sanierungsplanung x

Kommunikations- und Informationsplan (vierter Abschnitt),

x

Vorbereitungsmaßnahmen (fünfter Abschnitt).

Ziel dieser Gliederung in fünf Abschnitte war es, die Strukturierung des Sanierungsplans 35 zu erleichtern.84) Dies ist grundsätzlich insofern sinnvoll, als dass durch ein einheitliches Muster die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Sanierungspläne verbessert wird, was wiederum der Aufsichtsbehörde die Prüfung der Pläne erheblich erleichtert. Allerdings kann die in der EU-Verordnung vorgenommene Zuordnung der Informationsbestandteile zu den jeweiligen Abschnitten nicht immer überzeugen. Vor diesem Hintergrund sieht der von der BaFin und der Bundesbank erarbeitete Verordnungsentwurf auch eine teilweise abweichende Struktur vor, die sich in der Praxis bewährt haben soll.85) Da sich die nachfolgenden Ausführungen primär auf die Vorgaben der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1075 beziehen, wird hier jedoch prinzipiell auch der durch diese Verordnung vorgegebenen Grobstruktur gefolgt.86) aa)

Erster Abschnitt: Zusammenfassung

Der Sanierungsplan beginnt gemäß Art. 4 Delegierte VO (EU) 2016/1075 mit einer Zu- 36 sammenfassung.87) In dieser Zusammenfassung sind die wesentlichen Inhalte der darauffolgenden Hauptabschnitte des Sanierungsplans widerzugeben, d. h. die wesentlichen Inhalte der Abschnitte: x

Unternehmensführung,

x

strategische Analyse,

x

Kommunikations- und Informationsplan sowie

x

Vorbereitungsmaßnahmen.

In dem Teil der Zusammenfassung, welcher die strategische Analyse betrifft, muss auch 37 die Sanierungsgesamtkapazität des Instituts i. S. des Art. 12 Abs. 3 Verordnung (EU) Nr. 2016/1075 angegeben werden. Bei dieser Angabe handelt es sich um eine der Kernaussagen des Sanierungsplans, denn die Sanierungskapazität beschreibt, inwieweit das Institut dank der in dem Plan aufgeführten Handlungsoptionen in der Lage ist, sich in verschiedenen Szenarien erheblicher makroökonomischer und finanzieller Stresssituationen aus eigener Kraft zu sanieren. Handelt es sich um eine Aktualisierung des Sanierungsplans, müssen im Anschluss an die 38 Angaben zur strategischen Analyse auch sämtliche seit der Einreichung des letzten Plans bei der Aufsichtsbehörde eingetretenen wesentlichen Änderungen dargestellt werden.88) Mit dem Begriff „wesentliche Änderung“ ist jede Änderung gemeint, welche das Institut oder den Sanierungsplan betrifft und sich möglicherweise auf die Umsetzbarkeit des Sanierungsplans bzw. der in dem Sanierungsplan enthaltenen Handlungsoptionen auswirkt.89) ___________ 84) ErwG 6 Delegierte VO (EU) 2016/1075. 85) MaSanV-E 2019, S. 19; BaFin, Entwurf eines Merkblatt zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019, S. 1 f. Im Hinblick auf das im Jahre 2014 veröffentlichte MaSan-Rundschreiben hatte die BaFin besonderen Wert darauf gelegt, dass die vorgegebene Struktur auch übernommen wird, vgl. Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 446. 86) Im Detail können sich jedoch – auch weil die inhaltlichen Anforderungen nur in zusammengefasster Form wiedergegeben werden können – Abweichungen ergeben. 87) Vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 1 SAG. 88) Art. 4 Abs. 1 lit. c Delegierte VO (EU) 2016/1075. Vgl. für eine Beispielliste möglicher Änderungen BaFin, Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019, S. 2. 89) Art. 4 Abs. 2 Delegierte VO (EU) 2016/1075.

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§ 15 bb)

Sanierungs- und Abwicklungsplanung Zweiter Abschnitt: Unternehmensführung

39 Auf die Zusammenfassung folgt gemäß Art. 5 Delegierte VO (EU) 2016/1075 der Abschnitt zur Unternehmensführung. In diesem Abschnitt ist darzustellen, wie sich der Sanierungsplan in die Unternehmensführung des Instituts eingliedert: x

Interne Zuständigkeiten: Zunächst sind diejenigen Personen zu benennen, die für die Erstellung, Durchführung und ordentliche Aktualisierung des Plans zuständig sind, und das Verfahren zu beschreiben, das eingeleitet werden muss, wenn der Sanierungsplan aufgrund einer wesentlichen Veränderung außerordentlich aktualisiert werden muss.90) Im Anschluss ist anzugeben, ob der Sanierungsplan i. R. der internen Revision von einem externen Rechnungsprüfer oder einem internen Risikoausschuss geprüft worden ist, und zu bestätigen, dass der Sanierungsplan durch das zuständige Leitungsorgan des Instituts bewertet und genehmigt wurde.91) Als zuständiges Leitungsorgan sind jedenfalls sämtliche Geschäftsleiter anzusehen, weil sie unabhängig von der internen Zuständigkeitsregelung jeweils für die Erstellung, Implementierung und Aktualisierung des Plans verantwortlich sind (§ 13 Abs. 5 SAG).92)

x

Rahmenwerk von Indikatoren: Als einer der maßgeblichen Bestandteile des Sanierungsplans ist sodann ein Rahmenwerk von Indikatoren vorzusehen, durch welches zukünftige Krisenfälle möglichst frühzeitig erkannt werden sollen.93) Denn nur wenn eine bevorstehende Krise rechtzeitig erkannt wird, besteht noch die Möglichkeit, sie aus eigener Kraft zu überwinden. Eine Mindestliste an geeigneten Indikatoren lässt sich den EBA-Leitlinien EBA/GL/2015/0294) entnehmen.95) Es müssen sowohl quantitative als auch qualitative Indikatoren verwendet werden, die sich mindestens auf die Kategorien Kapital, Liquidität, Ertragskraft und Qualität der Vermögensgegenstände beziehen. Zusätzlich müssen die Kategorien marktbasierte Indikatoren und makroökonomische Indikatoren abgedeckt werden, es sei denn, das Institut kann im Sanierungsplan nachvollziehbar begründen, dass die entsprechende Kategorie aufgrund seiner Rechtsform, seines Risikoprofils, seiner Größe oder seiner Komplexität nicht relevant ist.96) Die quantitativen Indikatoren müssen jeweils mit bestimmten Schwellenwerten versehen werden. Die Schwellenwerte sind so festzulegen, dass sie es dem Institut ermöglichen, rechtzeitig die geeigneten Handlungsoptionen einzuleiten, um einen Krisenfall i. S. des § 12 Abs. 1 Satz 2 SAG aus eigener Kraft und ohne Stabilisierungsmaßnahmen der öffentlichen Hand überwinden zu können. Beim Festlegen von Schwellen-

___________ 90) Art. 5 Abs. 1 lit. a, lit. b Delegierte VO (EU) 2016/1075. Vgl. auch BaFin, Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019, S. 5. 91) Art. 5 Abs. 2 Delegierte VO (EU) 2016/1075. 92) Zur Frage, ob darüber hinaus auch der Aufsichtsrat bzw. die Hauptversammlung des Instituts zustimmen muss, s. Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 446 f. 93) Art. 5 Abs. 3 lit. b Delegierte VO (EU) 2016/1075; § 13 Abs. 2 Nr. 6 SAG. S. allg. auch Berger/ Buchmüller/Suerland in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, S. 97 ff. 94) EBA, Leitlinien zur Mindestliste der qualitativen und quantitativen Indikatoren des Sanierungsplans, v. 23.7.2015 (EBA/GL/2015/02). 95) Zukünftig ist insoweit die MaSanV zu beachten, welche die EBA-Leitlinien rechtsverbindlich umsetzt: In zwei Anhängen enthält die MaSanV dabei eine Mindestliste von Indikatoren sowie eine Liste möglicher zusätzlicher Indikatoren. Vgl. zu der nach Art. 5 Abs. 3 lit. b Delegierte VO (EU) 2016/1075 erforderlichen detaillierten Beschreibung der Indikatoren insb. § 7 MaSanV-E 2019. Zur aktuellen Institutspraxis s. a. BaFin, Jahresbericht 2016, S. 101, 103. 96) Für sämtliche der genannten Kategorien werden in dem Anhang der Leitlinien konkrete Indikatoren bzw. Kennzahlen aufgelistet. Über die genannten Kategorien hinaus sind gemäß EBA, Leitlinien zur Mindestliste der qualitativen und quantitativen Indikatoren des Sanierungsplans, v. 23.7.2015 (EBA/ GL/2015/02), Nr. 12 ggf. noch marktbasierte Indikatoren sowie makroökonomische Indikatoren aufzunehmen. Vgl. dazu auch § 7 Abs. 3, § 8 MaSanV-E 2019 sowie Anh. 1 und 2 MaSanV-E 2019.

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§ 15

II. Sanierungsplanung

werten ist die Umsetzungsdauer von Handlungsoptionen zu berücksichtigen. Das Institut hat die Angemessenheit der festgelegten Schwellenwerte im Sanierungsplan zu begründen. Zudem können Frühwarnsignale eingerichtet werden. Frühwarnsignale i. S. von § 7 Abs. 2 MaSanV-E 2019 sind qualitative und quantitative Größen, die darauf hinweisen, dass in der näheren Zukunft Schwellenwerte eines oder mehrerer Indikatoren erreicht werden können. Frühwarnsignale in diesem Sinne können Indikatoren mit vorgelagerten Schwellenwerten oder zusätzliche qualitative oder quantitative Größen sein, die von dem Institut nicht als Indikatoren verwendet werden. Verwendet das Institut Frühwarnsignale als vorgelagerte Schwellenwerte von Indikatoren, kann die Darstellung im Sanierungsplan als Ampelsystem erfolgen. Die Farbe „gelb“ bezeichnet das Erreichen dieses vorgelagerten Schwellenwertes, die Farbe „rot“ das Erreichen des Schwellenwertes eines Indikators.97) Auf diese Weise entsteht im Ergebnis ein flexibles Sanierungssystem, das je nach Erreichungsgrad der Schwellenwerte (grün/gelb/rot) unterschiedliche Maßnahmen vorsieht.98) Die Indikatoren bzw. Schwellenwerte sind durch das Institut mindestens einmal jährlich neu zu kalibrieren.99) x

Eskalations- und Entscheidungsverfahren: An das Rahmenwerk von Indikatoren hat ein Eskalations- und Entscheidungsverfahren anzusetzen, in welchem bei einem Anschlagen der Indikatoren zu prüfen ist, ob bzw. welche Handlungsoptionen einzuleiten sind.100) Als zwingende Folge des Erreichens eines Indikators hat der Sanierungsplan also nur die Durchführung eines Eskalations- und Entscheidungsprozesses vorzusehen und keinen Automatismus in dem Sinne, dass eine oder mehrere Handlungsoptionen unmittelbar ausgeübt werden müssten. In der Praxis hat es sich als sinnvoll erwiesen, dieses Verfahren in drei Phasen zu untergliedern, in denen jeweils unterschiedliche Entscheidungswege bestehen: laufender Geschäftsbetrieb, Frühwarnphase sowie Sanierungsphase.101) Dabei ist das System aus Indikatoren und Frühwarnsignalen auch mittels des Ampelsystems in der Regel so ausgerichtet, dass der Eintritt eines Krisenfalls i. S. des § 12 Abs. 1 Satz 2 SAG möglichst vermieden wird und allenfalls als worst case-Szenario eintritt, indem das Institut bereits beim Anschlagen von Frühwarnsignalen Maßnahmen ergreift. Weiterhin muss in diesem Zusammenhang auch ein Management-Informationssystem vorgehalten werden, um die zeitnahe und zuverlässige Verfügbarkeit der Informationen zu gewährleisten, die für eine Entscheidungsfindung im Krisenfall notwendig sind.102) § 6 Abs. 1 MaSanV-E 2019 gibt in Präzisierung des Eskalations- und Entscheidungsprozesses nach § 13 Abs. 2 Nr. 6 SAG zudem vor, dass die Aufsichtsbehörde unverzüglich und umfassend über das Erreichen des Schwellenwerts des Indikators und die von der Geschäftsleitung getroffene Entscheidung über das Feststellen des Krisenfalls/Sanierungsfalls zu informieren ist.

___________ 97) EBA, Leitlinien zur Mindestliste der qualitativen und quantitativen Indikatoren des Sanierungsplans, v. 23.7.2015 (EBA/GL/2015/02), Nr. 16; MaSanV-E 2019, S. 31. 98) In der Praxis hat sich diesbezüglich bewährt, auch zwischen zeitlich vorgelagerten Frühwarnindikatoren (hier Frühwarnsignale) und zeitlich nachgelagerten Sanierungsindikatoren (hier Indikatoren) zu unterscheiden. S. Schabert/Schneider/Purkott in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, S. 39, 46; Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 444. 99) EBA, Leitlinien zur Mindestliste der qualitativen und quantitativen Indikatoren des Sanierungsplans, v. 23.7.2015 (EBA/GL/2015/02), Nr. 17. Vgl. auch § 7 Abs. 3 MaSanV-E 2019. 100) Art. 5 Abs. 3 lit. a Delegierte VO (EU) 2016/1075; § 13 Abs. 2 Nr. 6 SAG; vgl. auch § 6 MaSanVE 2019 sowie Schabert/Schramm/Wiechens in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rz. 86 ff. 101) Schabert/Schneider/Purkott in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, S. 39, 48. 102) Art. 5 Abs. 5 Delegierte VO (EU) 2016/1075; vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 6 SAG.

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§ 15 x

cc)

Sanierungs- und Abwicklungsplanung

Allgemeines Risikomanagement: Der Sanierungsplan ist letztlich eine Weiterentwicklung des bestehenden Risikomanagements.103) Insofern ist abschließend darzustellen, dass der Plan im Allgemeinen kohärent in die Unternehmensführung und das Risikomanagement des Instituts eingebettet ist.104) Darüber hinaus sind bestimmte Referenzgrößen zu bestimmen, welche das Institut i. R. seines allgemeinen Risikomanagements beobachtet und welche sich als geeignete Frühwarnsignale verwenden lassen, um dem Institut ein möglicherweise bevorstehendes Anschlagen der Indikatoren anzuzeigen.105) Dritter Abschnitt: Strategische Analyse

40 Den Hauptbestandteil des Sanierungsplans bildet der Abschnitt zur strategischen Analyse gemäß Artt. 6 bis 13 Delegierte VO (EU) 2016/1075.106) Hinter dem durchaus unscharfen Begriff der „strategischen Analyse“107) verbirgt sich eine umfassende Begutachtung des Instituts und seiner Sanierungsmöglichkeiten aus einer Binnen- sowie Außenperspektive, welche sich in zwei Teilabschnitte gliedert: x

Beschreibung des vom Sanierungsplan erfassten Instituts,

x

Beschreibung der Handlungsoptionen.

(1)

Erster Teilabschnitt: Institutsbeschreibung

41 Die Beschreibung des von dem Sanierungsplan erfassten Instituts richtet sich nach Art. 7 Delegierte VO (EU) 2016/1075.108) Sie soll die informatorische und konzeptionelle Grundlage für die im darauffolgenden Teilabschnitt darzustellenden Handlungsoptionen bilden.109) Im Rahmen der Institutsbeschreibung sind insbesondere folgende Gesichtspunkte darzustellen: x

Darstellung der Unternehmensstruktur und des Geschäftsmodells:110) Darunter fällt die allgemeine Beschreibung des übergeordneten Unternehmens und der wesentlichen gruppenangehörigen Unternehmen und Zweigstellen. Letztere müssen entsprechend definiert werden. Nach Art. 7 Delegierte VO (EU) 2016/1075 muss die Darstellung auch die Geschäfts- und Gesamtrisikostrategie und den „Geschäftsplan“ der vom Sanierungsplan umfassten Unternehmen enthalten, ebenso wie eine Liste der Jurisdiktionen, in denen das Institut selbst oder durch wesentliche gruppenangehörige Gesellschaften oder Zweigstellen tätig ist.

___________ 103) Schabert/Schneider/Purkott in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, S. 39, 42 f. 104) Art. 5 Abs. 1 lit. c, Abs. 4 Delegierte VO (EU) 2016/1075. S. a. § 25a KWG sowie BaFin, Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019, S. 6. 105) Art. 5 Abs. 4 Delegierte VO (EU) 2016/1075. Vgl. auch § 7 Abs. 2 MaSanV-E 2019. 106) Vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 2 SAG. 107) Die „strategische Analyse“ i. S. der Artt. 6 bis 13 Delegierte VO (EU) 2016/1075 ist erheblich weiter gefasst als die nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 SAG vorgesehene „strategische Analyse“, denn in ersterer werden eine Reihe von in § 13 Abs. 2 SAG selbstständig aufgeführten Punkten zusammengefasst. Allgemein zur strategischen Analyse (nach engerem Zuschnitt) Duwe/Igl in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, S. 79 ff. 108) Vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 2 lit. a SAG. 109) Darüber hinaus bildet die strategische Analyse auch das Informationsgerüst, von welchem die Abwicklungsbehörde bei der Erstellung des Abwicklungsplans ausgeht. 110) Vgl. Art. 7 Abs. 1 lit. a (i), (ii) Delegierte VO (EU) 2016/1075 sowie § 13 Abs. 2 Nr. 2 SAG. § 5 MaSanVE 2019 sieht zudem vor, dass ein Organigramm, das die gesamte Gruppe umfasst, in den Sanierungsplan aufzunehmen ist und auf bestehende Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge hingewiesen werden muss; Cichy in: Igl, Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 11, 27 f.

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§ 15

II. Sanierungsplanung x

Wesentliche Geschäftsaktivitäten/kritische Funktionen:111) Zu den wesentlichen Geschäftsaktivitäten gehören diejenigen Geschäftsbereiche, die in einem Krisenfall die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Instituts erheblich negativ beeinflussen können (§ 2 Abs. 3 Nr. 45 SAG). Für ihre Identifikation werden in der Praxis sowohl quantitative als auch qualitative Kriterien verwendet, so dass neben Ergebnis-, Liquiditäts- und Risikogrößen bspw. auch die strategische Bedeutung einer Geschäftsaktivität berücksichtigt werden kann.112) Während die wesentlichen Geschäftsaktivitäten aus der Innenperspektive des Instituts ermittelt werden, bestimmen sich die kritischen aus der Außenperspektive der Finanz- und Realwirtschaft.113) Zu den kritischen Funktionen gehören diejenigen Tätigkeiten, Dienstleistungen und Geschäfte, deren Einstellung zu einer Störung der Realwirtschaft oder der Finanzmarktstabilität führen würde (§ 2 Abs. 3 Nr. 38 SAG). Hier kann es sich empfehlen, zunächst die Kritikalität einzelner Produkte und Dienstleistungen zu ermitteln, um diese danach zu einem Gesamtbild zusammenzufügen.114) Kriterien können etwa die Vernetzung, Größe, Substituierbarkeit und Konzentration der Funktionen sein.115) Schließlich ist auch das Verfahren der Ermittlung der wesentlichen Geschäftsaktivitäten und kritischen Funktionen anzugeben sowie eine Zuordnung (Mapping) auf die wesentlichen Gesellschaften und Zweigstellen vorzunehmen.116)

x

Interne und externe Vernetzung:117) In einer internen Vernetzungsanalyse hat das Institut zu ermitteln, wie die von dem Sanierungsplan erfassten Unternehmen in rechtlicher, finanzieller und operativer Hinsicht untereinander verflochten sind.118) Solche Vernetzungen bestehen vornehmlich bei Gruppenstrukturen, so dass eine interne Vernetzungsanalyse vor allem bei Gruppensanierungsplänen von Relevanz ist (siehe dazu unten Rz. 60 ff.) Im Rahmen einer externen Vernetzungsanalyse sind sodann die Verflechtungen mit den Vertragsparteien (in Form von Forderungen und Verbindlichkeiten), anderen Finanzmarktteilnehmern (in Form von Finanzprodukten und -dienstleistungen) und übrigen Dritten (in Form von Dienstleistungen) zu bestimmen.119) Ziel dieser Analyse ist es, die Transmissionsmechanismen zukünftiger Krisen offenzulegen, die nach außen hin von dem Institut gegenüber anderen Marktteilnehmern sowie von außen her von anderen Marktteilnehmern gegenüber dem Institut bestehen.120)

___________ 111) Art. 7 Abs. 1 lit. a (iii) Delegierte VO (EU) 2016/1075; § 13 Abs. 2 Nr. 2 lit. a, lit. b SAG; vgl. auch BaFin, Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019, S. 3. 112) Schabert/Schneider/Purkott in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, S. 39, 44; ausführlich auch Duwe/Igl in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, S. 79, 86 f. 113) Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 443. 114) Duwe/Igl in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, S. 79, 87 f. 115) Schabert/Schneider/Purkott in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, S. 39, 44. 116) Welche Gesellschaften und Zweigstellen für das Mapping berücksichtigt werden müssen, wird in Art. 7 Abs. 2 Delegierte VO (EU) 2016/1075 geregelt. 117) Art. 7 Abs. 1 lit. c, lit. d Delegierte VO (EU) 2016/1075; vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 2 lit. c SAG. 118) Art. 7 Abs. 1 lit. c Delegierte VO (EU) 2016/1075. S. a. BaFin, Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019, S. 4. 119) Art. 7 Abs. 1 lit. d Delegierte VO (EU) 2016/1075. Unter die Vertragsparteien fallen bspw. auch sog. Finanzmarktinfrastrukturen, gemäß Definition in § 2 Abs. 3 Nr. 22 SAG also insb. zentrale Gegenparteien und Börsen. 120) S. dazu Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 915 ff. sowie BaFin, Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019, S. 4 f.

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§ 15 (2)

Sanierungs- und Abwicklungsplanung Zweiter Teilabschnitt: Handlungsoptionen

42 Sodann ist gemäß Artt. 8 bis 12 Delegierte VO (EU) 2016/1075 ein breites Spektrum an Handlungsoptionen (Recovery Options) darzustellen.121) In der Praxis beinhalten Sanierungspläne mitunter Spektren von bis zu 50 unterschiedlichen Handlungsoptionen, wobei die Anzahl allerdings von dem Detaillierungsgrad des Sanierungsplans sowie dem Zuschnitt einzelner Optionen abhängt.122) Unter „Handlungsoptionen“ sind diejenigen Maßnahmen zu verstehen, welche das Institut in einem Krisenfall ergreifen kann, um seine finanzielle Stabilität zu sichern bzw. wiederherzustellen.123) Sie umfassen sowohl ordentliche als auch außerordentliche Maßnahmen und müssen von dem Institut aus eigener Kraft umgesetzt werden können, d. h. sie dürfen insbesondere nicht von dem Einschreiten einer Aufsichtsbehörde oder in sonstiger Weise von hoheitlichen Befugnissen abhängig sein.124) (a)

Zuschnitt einzelner Handlungsoptionen

43 Ab wann eine Maßnahme bzw. ein Katalog an Maßnahmen in einem Sanierungsplan als eigenständige Handlungsoption dargestellt werden kann, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen.125) Nach bisherigem Verständnis war es möglich, dass sich einzelne Handlungsoptionen lediglich auf einen abgegrenzten Themenbereich beschränken, indem sie bspw. entweder eine Kapital-, eine Liquiditäts-, eine Risiko- oder eine Kostenmaßnahme beschrieben.126) Nunmehr scheint Art. 9 Abs. 1 Delegierte VO (EU) 2016/1075 von einem erheblich erweiterten Begriffsverständnis auszugehen. Denn nach dieser Norm soll jede einzelne Handlungsoption Schritte, Regelungen und Maßnahmen in Bezug auf jedes der dort aufgeführten Themenfelder beinhalten müssen (d. h. sowohl in Bezug auf die Kapital- und Liquiditätssituation, die Eigenmittel, die Finanzierungsquellen, das Risiko sowie den Fremdfinanzierungsanteil als auch die Verbindlichkeiten des Instituts). Allerdings erscheint es sinnvoll, die Regelung des Art. 9 Abs. 1 Delegierte VO (EU) 2016/1075 so zu reduzieren, dass die Handlungsoptionen lediglich in ihrer Gesamtheit sämtliche der aufgeführten Themenbereiche abzudecken haben:127) x

Denn zum einen war in Art. 6 Abs. 5 lit. b EBA/RTS/2014/11128), welcher als EBAEntwurf der späteren Verordnung zugrunde lag, lediglich vorgesehen, dass die Handlungsoptionen in ihrer Gesamtheit die aufgelisteten Themenfelder abzudecken haben, nicht aber jede einzelne Handlungsoption. Es muss insofern zumindest fraglich erscheinen, ob die Kommission – trotz der redaktionellen Änderung – von diesem Verständnis abrücken wollte.

x

Zum anderen würde ansonsten auch die Praktikabilität des Sanierungsplans erheblich leiden. Denn vor dem Hintergrund, dass nach Art. 8 Abs. 2 Verordnung (EU)

___________ 121) Vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 3 SAG. Vgl. für eine Beispielliste in Betracht kommender Handlungsoptionen BaFin, Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019, S. 9. 122) Hinrichs/Fischer/Daferner, Die Bank 2014, 43, 44; sowie allg. Igl/Krüger in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, S. 131 ff. Zur aktuellen Institutspraxis hinsichtlich der Handlungsoptionen s. a. Buchmüller/ Lindenau/Noss, Die Bank 2017, 48, sowie EBA, Recovery planning, Comparative Report on Recovery Options, v. 1.3.2017, und BaFin, Jahresbericht 2016, S. 101, 103. 123) Art. 8 Abs. 2 Delegierte VO (EU) 2016/1075; § 13 Abs. 2 Nr. 3 SAG. 124) Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, S. 34, 35. 125) Dazu bereits Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 443 mit Fn. 68. 126) Schabert/Schneider/Purkott in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, S. 39, 49; s. a. Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 443 f. 127) So auch ausdrücklich BaFin, Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019, S. 9. 128) EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on the content of recovery plans under Art. 5(10) of Directive 2014/59/EU establishing a framework for the recovery and resolution of credit institutions and investment firms, v. 18.7.2014 (EBA/RTS/2014/11).

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§ 15

II. Sanierungsplanung

Nr. 2016/1075 ein breites Spektrum an Handlungsoptionen in den Plan aufzunehmen ist und einzelne Handlungsoptionen selbstverständlich auch miteinander kombiniert werden können, erscheint es geboten, die einzelnen Handlungsoptionen tendenziell auf Einzelmaßnahmen zuzuschneiden.129) Unabhängig davon sind Handlungsoptionen jedoch unter den verschiedenen Perspektiven 44 einer Bank, d. h. Kapital, Risiko, Liquidität, Profitabilität oder Qualität der Aktiva (quantitativ) zu bewerten, da keine Handlungsoption ausschließlich positive Beiträge zur Sanierungskapazität umfasst. Beispielsweise wird eine kurzfristige Verbesserung der Liquiditätssituation häufig durch eine mittel- bis langfristige Verschlechterung der Profitabilität erwirkt. (b)

Folgenabschätzung

Für jede Handlungsoption müssen gemäß Art. 10 Delegierte VO (EU) 2016/1075 die 45 Folgen abgeschätzt werden, welche mit deren Umsetzung verbunden sind.130) Dafür sind einerseits die internen Auswirkungen auf das Institut in finanzieller und operationeller Hinsicht zu ermitteln.131) Andererseits ist darzustellen, welche externen Auswirkungen der Sanierungsvorgang auf die von dem Institut ausgeübten kritischen Funktionen sowie auf seine Anteilseigner, Kunden (insbesondere Einleger und Kleineinleger) und Vertragspartner hat.132) Darüber hinaus muss das Institut im Zusammenhang mit jeder Handlungsoption auch den Wert und die Marktfähigkeit der wesentlichen Geschäftsaktivitäten, der sonstigen Tätigkeiten und der Vermögenswerte des Instituts bestimmen.133) Damit die Analyseergebnisse des Instituts nachvollziehbar sind, müssen in dem Plan sämtliche Annahmen offengelegt werden, welche das Institut der Folgenabschätzung zugrunde gelegt hat.134) (c)

Bewertung der Durchführbarkeit

Des Weiteren muss gemäß Art. 11 Delegierte VO (EU) 2016/1075 für jede Handlungs- 46 option analysiert werden, ob sie in einem Krisenfall tatsächlich reibungslos durchgeführt werden kann.135) Dabei ist auf die verbundenen Risiken und auf die wesentlichen Hindernisse einzugehen, welche einer wirksamen und zeitnahen Umsetzung der Handlungsoption im Wege stehen können.136) Solche Hindernisse können sich einerseits aus rechtlichen, andererseits aber auch aus tatsächlichen (bspw. politischen) Zwängen ergeben.137) Ferner sind die Erfahrungen zu berücksichtigen, welche das Institut in vergangenen Krisenfällen ___________ 129) Als ein gewisses praktisches Korrektiv lässt sich auch Art. 9 Abs. 2 Delegierte VO (EU) 2016/1075 fruchtbar machen, wonach eine Handlungsoption dann nicht Schritte, Regelungen und Maßnahmen zu sämtlichen in Art. 9 Abs. 1 Delegierte VO (EU) 2016/1075 aufgelisteten Themenfeldern beinhalten muss, wenn sie auf ein Institut nicht sinnvoll zutreffen und das Institut in dem Sanierungsplan jedenfalls darlegt, dass es die nicht aufgeführten Schritte, Regelungen und Maßnahmen in Erwägung gezogen und angemessen geprüft hat. 130) Vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 4 SAG. S. zu dieser „Auswirkungsanalyse“ auch BaFin, Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019, S. 10 f. 131) Art. 10 Abs. 1 Delegierte VO (EU) 2016/1075. 132) Art. 10 Abs. 2 Delegierte VO (EU) 2016/1075. 133) Art. 10 Delegierte VO (EU) 2016/1075. 134) Art. 10 Abs. 3 Delegierte VO (EU) 2016/1075. 135) Vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 5 SAG. Die Bewertung der Erfolgsaussichten einer Handlungsoption kann etwa auf Basis einer dreistufigen Skala (hoch, mittel, niedrig) erfolgen; so BaFin, Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019, S. 11. 136) Art. 11 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 Delegierte VO (EU) 2016/1075. 137) Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 444 mit Fn. 74.

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§ 15

Sanierungs- und Abwicklungsplanung

gesammelt hat, und Lösungswege aufzuzeigen, wie die erkannten Hindernisse in einem zukünftigen Krisenfall überwunden werden können.138) Kommt das Institut zu dem Ergebnis, dass einer Handlungsoption erhebliche Hindernisse im Wege stehen, die sich voraussichtlich auch nicht beseitigen lassen, hat dies Rückwirkung auf die Handlungsoption selbst; sie kann in dem Plan dann gekürzt dargestellt werden.139) (d)

Kontinuität der Geschäftstätigkeiten

47 Des Weiteren muss der Sanierungsplan gemäß Art. 12 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 2016/ 1075 einen operativen Notfallplan beinhalten, in dem neben einem Zeitplan für die Umsetzung der Handlungsoptionen auch dargelegt wird, wie der Geschäftsbetrieb des Instituts und sein Zugang zu den Einrichtungen des Finanzmarkts auch während des Sanierungsvorgangs aufrechterhalten werden kann. x

Als Bestandteil dieser Planung muss das Institut die Wirksamkeit der vorgesehenen Handlungsoptionen und die Zweckmäßigkeit der gewählten Indikatoren in einer Reihe von Belastungsszenarien testen, um aufzuzeigen, welche Handlungsoptionen in welchen Krisenszenarien zur Anwendung gelangen können.140) Im Hinblick auf die Bandbreite dieser Szenarien können die EBA-Leitlinien EBA/GL/2014/06141) herangezogen werden,142) wonach das Institut mindestens drei Arten von Szenarien zu verwenden hat: systemweite Ereignisse, idiosynkratische Ereignisse und eine Kombination aus systemweiten und idiosynkratischen Ereignissen.143) Bei einem systemweiten Ereignis geht es um nachteilige Auswirkungen auf das Finanzsystem und die Realwirtschaft insgesamt (bspw. Ausfall eines wichtigen Marktteilnehmers, marktweiter Liquiditätsrückgang, erhöhtes Länderrisiko, negative Preisentwicklung oder genereller Konjunkturabschwung).144) Bei einem idiosynkratischen Ereignis geht es hingegen um nachteilige Auswirkungen auf das Institut selbst (bspw. Ausfall eines Vertragspartners, Schädigung der Reputation, erhebliche Liquiditätsabflüsse, nachteilige Preisentwicklungen bei Vermögenspositionen, Zahlungsausfälle oder operationelle Risiken).145)

x

Als Ergebnis dieser Belastungsanalyse ergibt sich die Sanierungskapazität des Instituts.146) Die Sanierungskapazität beschreibt, inwieweit das Institut dank der vorgesehenen Handlungsoptionen in der Lage ist, sich in den verschiedenen Krisenszenarien

___________ 138) Art. 11 Abs. 1 lit. a, lit. d Delegierte VO (EU) 2016/1075. 139) Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 444. 140) Art. 12 Abs. 2 lit. d Delegierte VO (EU) 2016/1075; § 13 Abs. 2 Nr. 7 und 8 SAG. S. dazu allg. Eichensehr in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, S. 147 ff.; vgl. auch Schabert/Schramm/Wiechens in: Jahn/Schmitt/ Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rz. 99 ff. 141) EBA, Leitlinien über die bei Sanierungsplänen zugrunde zu legende Bandbreite an Szenarien, v. 18.7.2014 (EBA/GL/2014/06). 142) Zukünftig ist insoweit die MaSanV zu beachten, welche die EBA-Leitlinien rechtsverbindlich umsetzt. Vgl. für die Anforderungen an die Anzahl, Auswahl und Beschreibung der Belastungsszenarien § 9 MaSanV-E 2019. 143) Systemrelevante Institute i. S. des Art. 131 CRD haben gemäß EBA, Leitlinien über die bei Sanierungsplänen zugrunde zu legende Bandbreite an Szenarien, v. 18.7.2014 (EBA/GL/2014/06), Nr. 14, darüber hinaus noch weitere Szenarien zu berücksichtigen. 144) EBA, Leitlinien über die bei Sanierungsplänen zugrunde zu legende Bandbreite an Szenarien, v. 18.7.2014 (EBA/GL/2014/06), Nr. 13 lit. a. Vgl. auch § 9 Abs. 6 Satz 2 MaSanV-E 2019. 145) EBA, Leitlinien über die bei Sanierungsplänen zugrunde zu legende Bandbreite an Szenarien, v. 18.7.2014 (EBA/GL/2014/06), Nr. 13 lit. b. Vgl. auch § 9 Abs. 6 Satz 1 MaSanV-E 2019; vgl. auch Cichy in: Igl, Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 11, 32. 146) Art. 12 Abs. 3 Unterabs. 2 Delegierte VO (EU) 2016/1075. Vgl. auch Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019, S. 12.

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II. Sanierungsplanung

aus eigener Kraft zu sanieren.147) Obwohl es sich hierbei um eine der Kernaussagen des Sanierungsplans handelt – welche deshalb auch in der vorangestellten Zusammenfassung wiederzugeben ist (siehe oben Rz. 37), wird die Ermittlungsmethodik nicht näher vorgegeben. Man wird jedoch von einer vornehmlich qualitativen Analyse ausgehen können, zumal die Sanierungskapazität in dem Plan „beschrieben“ werden soll.148) dd)

Vierter Abschnitt: Kommunikations- und Informationsplan

Gemäß Art. 14 Delegierte VO (EU) 2016/1075 ist ein Kommunikations- und Informati- 48 onskonzept zu entwickeln, welches sich auf die einzelnen Handlungsoptionen bezieht und bei deren Umsetzung zur Anwendung gelangt.149) Dies hat den Hintergrund, dass in einer Krisensituation eine aktive Kommunikation und Information durch das betroffene Institut erforderlich ist, um möglichst wenig unkontrollierte „Marktgerüchte“ entstehen zu lassen, welche die eingetretene Krise lediglich verstärken. Das Institut hat deshalb explizit auch negative Reaktionen zu antizipieren und wirksame Möglichkeiten zu entwickeln, wie diesen begegnet werden kann.150) Insgesamt hat das Konzept neben Vorkehrungen für die interne Kommunikation (insbesondere gegenüber dem Personal und den Betriebsräten) auch Maßnahmen der externen Kommunikation vorzusehen (insbesondere gegenüber Investoren, Einlegern, sonstigen Kunden und Kontrahenten, wie bspw. Finanzmarktinfrastrukturen, Einlagensicherungssystemen, Aufsichtsbehörden sowie allgemein gegenüber dem Finanzmarkt und der Öffentlichkeit).151) Im Hinblick auf die Aufsichtsbehörden soll das Konzept zudem sicherstellen, dass das Institut die erforderlichen bzw. geforderten Informationen zeitnah zur Verfügung stellen kann; ein Umstand, der sich in der Vergangenheit teilweise als Problem erwiesen hatte.152) ee)

Fünfter Abschnitt: Vorbereitungsmaßnahmen

Abschließend sind gemäß Art. 15 Delegierte VO (EU) 2016/1075 sämtliche Vorberei- 49 tungsmaßnahmen darzustellen, welche das Institut entweder bereits getroffen hat oder aber zukünftig noch ergreifen wird, um die Umsetzung des Sanierungsplans zu erleichtern.153) Dies umfasst insbesondere auch die Maßnahmen zum Abbau der zuvor identifizierten Sanierungshindernisse.154) c)

Bankpraktische Umsetzung

Die Erstellung, Aktualisierung und gegebenenfalls Umsetzung des Sanierungsplans for- 50 dert in der Praxis von den betroffenen Instituten aufgrund des dafür erforderlichen koordinierten Zusammenwirkens der unterschiedlichen Organisationseinheiten und des hohen Informationsermittlungsbedarfs einen nicht unerheblichen operativen Aufwand. Um die Prozesse möglichst effizient zu gestalten, bietet es sich an, für die Sanierungsplanung möglichst weitgehend auf im Unternehmen ohnehin bereits vorhandene Informationen und Strukturen aufzusetzen bzw. auf diese zurückzugreifen. Eine wichtige Informations___________ 147) Zudem soll die Belastungsanalyse das institutsspezifische Zusammenwirken von Unternehmensführung (Governance), Indikatorensystem und Handlungsoptionen überprüfen. 148) So der Wortlaut des Art. 12 Abs. 3 Unterabs. 2 Delegierte VO (EU) 2016/1075. 149) Vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 9 SAG; sowie allg. Greiner/Igl in: Igl/Heuter, Sanierungsplanung, S. 169 ff. 150) Art. 14 Abs. 1 lit. c Delegierte VO (EU) 2016/1075. 151) Art. 14 Abs. 1 lit. a, lit. b Delegierte VO (EU) 2016/1075. 152) S. Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 445; Cichy in: Igl, Sanierungsplanung in Kreditinstituten, S. 11, 26. 153) Vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 10 SAG. S. a. BaFin, Entwurf eines Merkblatts zur Sanierungsplanung, v. 25.4.2019, S. 12. 154) Art. 15 Abs. 2 Delegierte VO (EU) 2016/1075.

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Sanierungs- und Abwicklungsplanung

quelle können bspw. die Geschäfts- und Offenlegungsberichte des Instituts, seine Publikationen im Bereich Investor Relations, aber auch institutsinterne Vorarbeiten zu den Geschäfts- und Risikomodellen sowie Informationen aus dem laufenden Controlling und Risikomanagement sein. 51 Auch in prozessualer Hinsicht empfiehlt es sich, die Sanierungsplanung möglichst weitgehend in das bestehende Risikomanagement des Instituts zu integrieren und dort bspw. mit ähnlich gelagerten Prozessen nach den MaRisk zu verbinden. Während die operative Arbeit der laufenden Sanierungsplanung (insbesondere die erstmalige Aufstellung des Sanierungsplans, dessen laufende Aktualisierung sowie gegebenenfalls die Umsetzung von Änderungsverlangen der Aufsichtsbehörde) vornehmlich in einem Kernteam aus Mitarbeitern er betroffenen Unternehmensbereiche zentralisiert werden kann, empfiehlt sich für den Fall der Umsetzung des Sanierungsplans in einem Krisenfall die Bildung eines operativ tätigen Vorstandsausschusses, der dem Gesamtvorstand kaufend berichtet und dem als Krisenstab auch die notwendigen Experten der Fachbereiche des Instituts angehören. 5.

Prüfung des Sanierungsplans

52 An die Fertigstellung des Sanierungsplans durch das Institut schließt sich das aufsichtsrechtliche Prüfungs- und Bewertungsverfahren an, welches mit der Einreichung des Sanierungsplans bei der Aufsichtsbehörde (und der Bundesbank) beginnt (§ 12 Abs. 3 Satz 3 SAG).155) Nach einer Weitergabe des Plans an die Abwicklungsbehörde, welche die Auswirkungen der darin enthaltenen Maßnahmen auf die Abwicklungsfähigkeit des Instituts prüft und der Aufsichtsbehörde diesbezügliche Empfehlungen erteilt (§ 15 Abs. 1 SAG),156) wird die maßgebliche und umfassende Prüfung des Plans von der Aufsichtsbehörde im Einvernehmen mit der Bundesbank vorgenommen (§ 15 Abs. 2 SAG). a)

Richtigkeit und Vollständigkeit

53 Die Aufsichtsbehörde prüft, ob der Sanierungsplan den inhaltlichen Anforderungen der §§ 13, 14 SAG gerecht wird (§ 15 Abs. 2 Satz 1 SAG). Dies erfordert neben einer formalen Prüfung der Vollständigkeit auch eine materielle Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit des Plans. Letztere ist für die Aufsichtsbehörde mit einem nicht zu unterschätzenden analytischen Aufwand verbunden, bspw. wenn sie zu prüfen hat, ob die Handlungsoptionen tatsächlich gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SAG mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geeignet sind, die Überlebensfähigkeit und finanzielle Solidität des Instituts nachhaltig zu sichern bzw. wiederherzustellen. Dennoch hat die BaFin angekündigt, Sanierungspläne „intensiv“ zu prüfen und deren qualitative Weiterentwicklung „aktiv vorantreiben“ zu wollen.157) Mittlerweile wird der Umfang der von der Aufsichtsbehörde vorzunehmenden Prüfung noch durch die Artt. 16 bis 21 Delegierte VO (EU) 2016/1075 ergänzt, in denen die Kommission den EBA-Entwurf EBA/RTS/2014/12158) (betreffend die behördliche ___________ 155) Der Sanierungsplan ist i. Ü. auch durch den Abschlussprüfer des Instituts i. R. der Jahresabschlussprüfung zu prüfen (§ 29 Abs. 1 Satz 7 KWG i. V. m. § 15 PrüfbV); vgl. dazu ausführlich Schabert/Schramm/ Wiechens in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, A. III. Rz. 18 ff. 156) Die Prüfung durch die Abwicklungsbehörde geschieht vor dem Hintergrund, dass das Institut keine umfassende Kenntnis von dem Inhalt des durch die Abwicklungsbehörde erstellten Abwicklungsplans hat und seinen Sanierungsplan daher nicht auf die darin vorgesehene Abwicklungsstrategie abstimmen kann; s. Steck/Petrowsky, DB 2015, 1391, 1392. 157) Buscher/Link, BaFin Journal 1/2015, S. 16, 17. 158) EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on the assessment of recovery plans under Art. 6(8) of Directive 2014/59/EU – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD), v. 18.7.2014 (EBA/ RTS/2014/12).

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II. Sanierungsplanung

Prüfung) umgesetzt hat. Danach wird verlangt, dass sich die behördliche Prüfung des Sanierungsplans auf folgende Punkte bezieht: x

Vollständigkeit des Sanierungsplans (Art. 16 Delegierte VO (EU) 2016/1075),

x

Qualität des Sanierungsplans, insbesondere Klarheit, Relevanz und Stimmigkeit der Angaben des Sanierungsplans (Art. 17 Delegierte VO (EU) 2016/1075),

x

Eignung der Handlungsoptionen zur nachhaltigen Überwindung des Krisenfalls (Art. 18 Delegierte VO (EU) 2016/1075),

x

schnelle und effektive Umsetzbarkeit des Sanierungsplans in finanziellen Stresssituationen (Art. 19 Delegierte VO (EU) 2016/1075).

Eine gewisse systematische Unstimmigkeit ergibt sich allerdings daraus, dass in den Artt. 16 54 bis 21 Delegierte VO (EU) 2016/1075 als Prüfungsmaßstab nicht auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten (in Deutschland das SAG), sondern auf die für Institute nicht unmittelbar anwendbare BRRD abgestellt wird.159) Allerdings dürfte der dadurch geschaffene Unterschied zwischen Erstellungsmaßstab einerseits und Prüfungsmaßstab andererseits vornehmlich formaler Natur sein, denn das unmittelbar anwendbare Recht der Mitgliedstaaten beruht wiederum auf der BRRD. Darüber hinaus ist der Sanierungsplan durch die interne Revision regelmäßig begleitend 55 zu prüfen und muss sich die gesetzliche Prüfung des Jahresabschlusses durch den Abschlussprüfer nach § 29 Abs. 1 Satz 7 KWG auch auf den Sanierungsplan erstrecken. b)

Verfahren bei Mängeln

Stellt die Aufsichtsbehörde fest, dass der Sanierungsplan nicht den gesetzlichen Anforde- 56 rungen entspricht oder dass Sanierungshindernisse bestehen (etwa da die Aufsichtsbehörde zu der Einschätzung gelangt, dass die in dem Sanierungsplan enthaltenen Handlungsoptionen unzureichend sind, um in bestimmten Belastungsszenarien die wirtschaftliche Situation des Instituts nachhaltig zu verbessern), schließt sich ein zweistufiges Verfahren an, das auf die Beseitigung der Mängel bzw. die Überwindung der Sanierungshindernisse gerichtet ist: x

Zunächst verlangt die Aufsichtsbehörde eine Überarbeitung des Sanierungsplans. Dazu teilt sie dem Institut ihre Bewertungsergebnisse mit und setzt eine Überarbeitungsfrist von zwei Monaten, welche auf Antrag des Instituts um bis zu einen Monat verlängert werden kann (§ 16 Abs. 1 SAG). Ist die Aufsichtsbehörde der Auffassung, dass die festgestellten Mängel auch in dem überarbeiteten Sanierungsplan nicht angemessen beseitigt wurden, kann sie das Institut anweisen, konkrete Änderungen vorzunehmen (§ 16 Abs. 2 Satz 3 SAG).

x

Lassen sich die Mängel durch die Überarbeitung des Sanierungsplans nicht beheben, hat das Institut sodann bestimmte Strukturveränderungen vorzunehmen, um die bestehenden Sanierungshindernisse auf diese Art zu überwinden. Dazu fordert die Aufsichtsbehörde das Institut zunächst auf, innerhalb angemessener Frist mitzuteilen, durch welche Änderungen an seiner Geschäftstätigkeit das Institut die Sanierungshindernisse beheben will (§ 16 Abs. 3 SAG). Sind die vorgeschlagenen Änderungen nach Auffassung der Aufsichtsbehörde ungeeignet, kann sie schließlich selbst diejenigen Maßnahmen festsetzen, welche aus ihrer Sicht erforderlich und verhältnismäßig sind,

___________ 159) So hat – um ein Beispiel zu nennen – die Aufsichtsbehörde gemäß Art. 16 Abs. 1 Delegierte VO (EU) 2016/1075 zu prüfen, ob der Plan alle in Abschn. A des Anhangs der BRRD aufgeführten Angaben enthält (Prüfungsmaßstab), wobei das Institut den Plan nach Maßgabe des § 13 Abs. 2 SAG i. V. m. Art. 3 bis 15 Delegierte VO (EU) 2016/1075 erstellt (Erstellungsmaßstab).

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§ 15

Sanierungs- und Abwicklungsplanung

um die Sanierungshindernisse zu beseitigen (§ 16 Abs. 4, Abs. 7 Satz 2 SAG).160) Nach der nicht abschließenden Liste des § 16 Abs. 5 Satz 1 SAG kann es sich dabei u. a. um eine Verringerung des Risikoprofils (Nr. 1), eine Anpassung der Refinanzierungsstrategie (Nr. 4) oder die Änderung der Organisation der Unternehmensführung (Nr. 5) handeln.161) Dies unterstreicht nochmals, dass die Sanierungsplanung keine rein abstrakte Zukunftsplanung ist, sondern schon während der Planungsphase erhebliche Strukturveränderungen mit sich bringen kann.162) 57 Die der Aufsicht daneben (vgl. § 16 Abs. 5 Satz 2 SAG) zur Verfügung stehenden sonstigen Eingriffsbefugnisse (z. B. Frühinterventionsmaßnahmen nach §§ 36 ff. SAG oder Maßnahmen gemäß §§ 45 ff. KWG) knüpfen tatbestandlich nicht an Mängel des Sanierungsplans, sondern an eine verschlechterte Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage der Bank an. Es erscheint daher sehr fraglich, ob bspw. Frühinterventionsmaßnahmen allein wegen Mängeln des Sanierungsplans erlassen werden dürfen. 58 Mängel im Sanierungsplan führen für sich genommen auch nicht zu einer Bestandsgefährdung des Instituts. Allerdings könnten nicht behebbare Mängel des Sanierungsplans – zusammen mit anderen Umständen – als „objektiver Anhaltspunkt“ dafür gewertet werden, dass das Institut in naher Zukunft überschuldet oder zahlungsunfähig sein wird (Bestandsgefährdung gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2, 3 SAG). 59 Sollte sich die Aufsichtsbehörde zu Maßnahmen nach § 16 SAG veranlasst sehen, hat sie das Single Resolution Board – SRB (zum SRB siehe unten Rz. 75) hierüber gemäß Art. 13 Abs. 1 SRM-VO zu unterrichten. Gemäß Art. 13 Abs. 2 SRM-VO „kann“ das SRB ab dem Datum, an dem es diese Information erhält, die Abwicklung des betroffenen Instituts „vorbereiten“. Die tatsächliche Durchführung einer aufsichtsrechtlichen Abwicklung kommt aber auch in diesem Fall nur bei Vorliegen der gesetzlichen Abwicklungsvoraussetzungen in Betracht (siehe hierzu unten Rz. 79). 6.

Gruppensanierungsplan

60 Die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass die Schieflage eines gruppenangehörigen Instituts typischerweise auch die wirtschaftliche Situation der gesamten Gruppe beeinträchtigt, wodurch nicht nur das Einzelinstitut, sondern die Gruppe insgesamt einer Sanierung bedarf.163) Eine solche Gruppensanierung setzt gruppenweit abgestimmte Maßnahmen voraus, welche sich nur schwer durch individuelle Einzelsanierungspläne sämtlicher Gruppenmitglieder vorbereiten lassen. Das Gesetz sieht deshalb im Falle einer Gruppe vor, dass ein Gruppensanierungsplan aufzustellen ist, der sich auf die gesamte Gruppe bezieht (§ 12 Abs. 2 SAG). In der Terminologie des SAG besteht eine „Gruppe“ aus einem übergeordneten Unternehmen und seinen nachgeordneten Unternehmen (§ 2 Abs. 3 Nr. 28 SAG). Die Pflicht zur Aufstellung des Gruppensanierungsplans trifft nach § 14 Abs. 1 SAG das übergeordnete Unternehmen (das zugleich EU-Mutterunternehmen164) ist und für das die Aufsichtsbehörde gleichzeitig die konsolidierende Aufsichts___________ 160) Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist nach § 16 Abs. 6 Nr. 2 SAG insb. auch zu berücksichtigen, inwieweit von einer Bestandsgefährdung auch eine Systemgefährdung ausgeht; vgl. dazu auch Steck/ Petrowsky, DB 2015, 1391, 1392. 161) Der Wortlaut der englischen Fassung der BRRD liest sich teilweise sogar noch einschneidender; dazu Binder in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 165, 188. 162) S. a. Cichy/Behrens, WM 2014, 438, 442, sowie Binder, ZBB 2015, 153, 155. 163) So löste bspw. im Fall Lehman Brothers die Insolvenz der U.S.-amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. auch die Insolvenz der niederländischen Tochtergesellschaft Lehman Brothers Treasury Co. B. V. aus, welche überwiegend die am deutschen Markt vertriebenen Lehman-Zertifikate emittiert hatte; vgl. dazu Märker, NJOZ 2010, 524, 528. 164) § 2 Abs. 3 Nr. 19 SAG.

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§ 15

II. Sanierungsplanung

behörde165) ist). Zugleich entfällt die Pflicht der nachgeordneten Gruppenunternehmen, jeweils Einzelsanierungspläne aufzustellen (§ 12 Abs. 2 SAG).166) a)

Inhalt des Gruppensanierungsplans

Für den Inhalt des Gruppensanierungsplans gelten im Grundsatz die allgemeinen Anfor- 61 derungen, wie sie auch im Falle des Einzelsanierungsplans Anwendung finden. Die Vorschriften über den notwendigen Planinhalt in § 13 Abs. 2 SAG sowie Artt. 3 bis 15 Delegierte VO (EU) 2016/1075 beziehen sich nämlich von vornherein jeweils auf „das Institut oder die Gruppe“ bzw. die „vom Sanierungsplan erfassten Unternehmen“, so dass sie gleichermaßen für beide Arten des Sanierungsplans gelten. Ein Unterschied besteht jedoch insoweit, als dass der Bezugspunkt des Gruppensanierungsplans nicht die jeweiligen gruppenangehörigen Einzelinstitute, sondern die Gruppe als Ganzes ist (§ 12 Abs. 2 SAG). Der Ausrichtung des Plans auf die Sanierung der Gruppe als Ganzes trägt § 14 Abs. 2 SAG Rechnung: x

Gruppenweite Handlungsoptionen: Danach muss der Gruppensanierungsplan Handlungsoptionen enthalten, die sowohl auf Ebene des übergeordneten Unternehmens als auch auf Ebene der nachgeordneten Unternehmen umsetzbar sind. Außerdem muss der Plan gewährleisten, dass die auf den unterschiedlichen Ebenen ansetzenden Handlungsoptionen miteinander in Einklang stehen.

x

Gruppeninterne Unterstützung: Des Weiteren muss der Gruppensanierungsplan Regelungen für eine mögliche gruppeninterne Unterstützung (§§ 22 bis 35 SAG) enthalten, falls eine Vereinbarung über eine gruppeninterne finanzielle Unterstützung (§ 22 SAG) getroffen worden ist.

Ergänzend sind in der Praxis die EBA-Empfehlungen zur Erfassung von Unternehmen im 62 Gruppensanierungsplan (EBA/Rec/2017/02)167) heranzuziehen. Rein faktisch wird in einem Gruppensanierungsplan typischerweise eine im Vergleich 63 zum Einzelsanierungsplan umfangreichere Darstellung notwendig sein, welche der höheren Komplexität von Gruppenstrukturen geschuldet ist. Dies gilt zum einen etwa für die gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. c Delegierte VO (EU) 2016/1075 vorzunehmende Analyse der internen Vernetzung, bei welcher die rechtliche und finanzielle Struktur der gesamten Gruppe sowie die gruppeninterne Verflechtung in Bezug auf sämtliche juristische Personen und Zweigstellen der Gruppe darzustellen ist. Zum anderen gilt dies für das Mapping der wesentlichen Geschäftsaktivitäten und kritischen Funktionen gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. b VO (EU) Nr. 2016/1075, das sich ebenso über sämtliche juristischen Personen und Zweigstellen erstreckt. b)

Zuständige Aufsichtsbehörde

Gruppenstrukturen erstrecken sich häufig über unterschiedliche Hoheitsgebiete, in denen 64 jeweils unterschiedliche Aufsichtsbehörden tätig sind, was im Ergebnis dazu führen kann, dass für unterschiedliche Gruppenmitglieder unterschiedliche Aufsichtsbehörden zuständig sind.168) Um auch in einem solchen Falle eine sinnvolle und gruppenweit einheitliche Sanierungsplanung zu ermöglichen, ist ein interbehördlicher Abstimmungsprozess erfor___________ 165) § 2 Abs. 3 Nr. 35 SAG. 166) S. aber auch § 14 Abs. 3 SAG. 167) EBA, Final Report on Recommendation on the coverage of entities in a group recovery plan, v. 1.11.2017 (EBA/Rec/2017/02). 168) Zu den besonderen Problemen bei der Sanierung und Abwicklung in „Gruppenlagen“ s. Binder, ZHR 179 (2015), 83, 122 ff.; sowie Binder, ZBB 2015, 153, 155 ff.; vgl. ferner Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 235.

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Sanierungs- und Abwicklungsplanung

derlich, der sich gemäß § 17 Abs. 2 bzw. § 18 Abs. 1 SAG auf folgende Aspekte zu beziehen hat: x

die Bewertung des eingereichten Gruppensanierungsplans (§ 15 SAG),

x

die Notwendigkeit der Erstellung von Einzelsanierungsplänen durch Unternehmen, die Teil der Gruppe sind (§ 14 Abs. 3 SAG) und

x

die Anwendung von Maßnahmen zur Behebung von Planmängeln und Beseitigung von Sanierungshindernissen (§ 16 SAG).

65 Welche Rolle einer Aufsichtsbehörde in diesem interbehördlichen Abstimmungsprozess zukommt, richtet sich danach, ob sie die für das übergeordnete Gruppenunternehmen zuständige konsolidierende Aufsichtsbehörde ist oder ob sich ihre Zuständigkeit auf ein nachgeordnetes Unternehmen der Gruppe bezieht. Die konsolidierende Aufsichtsbehörde besitzt eine umfassende Zuständigkeit für den Gruppensanierungsplan. Kommt zwischen den unterschiedlichen Aufsichtsbehörden keine Abstimmung zustande, ist sie deshalb gemäß § 17 Abs. 3 SAG berechtigt, aus eigener Kraft nicht nur x

für die in ihre Zuständigkeit fallenden gruppenangehörigen Institute über die Notwendigkeit von Einzelsanierungsplänen sowie Maßnahmen nach § 16 SAG, sondern auch

x

über die Bewertung des Gruppensanierungsplans zu entscheiden.

66 Die für nachgeordnete Gruppenunternehmen zuständige nicht konsolidierende Aufsichtsbehörde besitzt hingegen eine eingeschränkte Zuständigkeit. Kommt zwischen den unterschiedlichen Aufsichtsbehörden keine Abstimmung zustande, kann sie gemäß § 18 Abs. 2 SAG aus eigener Kraft zwar x

für die in ihre Zuständigkeit fallenden gruppenangehörigen Institute über die Notwendigkeit von Einzelsanierungsplänen und Maßnahmen nach § 16 SAG, nicht aber

x

über die Bewertung des Gruppensanierungsplans entscheiden.

7.

Vereinfachte Anforderungen

67 Die Aufsichtsbehörde kann im Einvernehmen mit der Bundesbank zugunsten eines Instituts vereinfachte Anforderungen festsetzen (§ 19 SAG). In dem festgesetzten Umfang werden die gesetzlichen Regelungen durch die behördlich vorgegebenen, vereinfachten Anforderungen ersetzt.169) Diese vereinfachten Anforderungen können sich gemäß § 19 Abs. 1 SAG beziehen auf: x

den Inhalt und Detaillierungsgrad des Sanierungsplans,

x

die Aufstellungs- und Aktualisierungsfrist170) oder

x

den Inhalt und den Detaillierungsgrad der von den Instituten i. R. der Sanierungsplanung (und Abwicklungsplanung) gegenüber der Aufsichtsbehörde zur Verfügung zu stellenden Informationen.

___________ 169) Detaillierte Regelungen zur Aufstellung eines Sanierungsplans nach vereinfachten Anforderungen enthalten die §§ 10 bis 17 (Abschn. 3) MaSanV-E 2019. § 10 MaSanV-E 2019 sieht vor, dass im Fall der Festlegung vereinfachter Anforderungen grundsätzlich alle in den nachfolgenden Vorschriften aufgeführten, teils erheblichen Vereinfachungen gelten. Sollen einzelne Vereinfachungen keine Anwendung finden, muss dies von der Aufsichtsbehörde ausdrücklich angeordnet werden. 170) Für die erstmalige Erstellung eines Sanierungsplans nach vereinfachten Anforderungen sieht § 17 Abs. 1 MaSanV-E 2019 eine (nicht verlängerbare) Frist von zwölf Monaten vor. Eine Aktualisierung ist nach § 17 Abs. 2 MaSanV-E 2019 nach jeder Änderung der Rechts- oder Organisationsstruktur des Instituts, seiner Geschäftstätigkeit oder Finanzlage oder nach jeder Änderung der allgemeinen Risikosituation, die sich wesentlich auf den Sanierungsplan des Instituts auswirken könnte oder die aus anderen Gründen dessen Änderung erforderlich macht.

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§ 15

III. Abwicklungsplanung

Den Umstand, ob für das Institut vereinfachte Anforderungen in Bezug auf den Inhalt 68 und Detaillierungsgrad des Sanierungsplans oder die Aufstellungs- und Aktualisierungsfrist gelten, teilt die Aufsichtsbehörde dem Institut gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 SAG bereits in ihrem anfänglichen Aufforderungsschreiben mit (siehe oben Rz. 23). Die Vereinfachungen in Bezug auf den Inhalt und Detaillierungsgrad des Sanierungsplans können sich bspw. auf die Anzahl der darzustellenden Krisenszenarien oder auf die Anzahl der in dem Plan vorzusehenden Indikatoren beziehen.171) Bei ihrer Entscheidung, vereinfachte Anforderungen festzusetzen, muss die Behörde gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 SAG zum einen die Auswirkungen berücksichtigen, die der Ausfall eines Instituts hätte (in Abhängigkeit von: der Größe des Instituts, der Art, dem Umfang und der Komplexität der Geschäftsaktivitäten, der Eigentümerstruktur, der Rechtsform, dem Risikoprofil, der Vernetztheit sowie der Mitgliedschaft in einem institutsbezogenen Sicherungssystem). Zum anderen muss sie gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 2 SAG berücksichtigen, ob ein reguläres Insolvenzverfahren negative Auswirkungen auf die Finanzmärkte, andere Unternehmen der Finanzbranche (und deren Refinanzierung) oder auf die Realwirtschaft haben kann. Bei dieser Analyse kommt die Delegierte Verordnung (EU) 2019/348 zur Anwendung, in der konkretere Kriterien enthalten sind, anhand welcher die Aufsichtsbehörde die Ermittlung der Auswirkungen des Ausfalls des Instituts bzw. der Abwicklung in einem regulären Insolvenzverfahren vornehmen kann. In der Praxis werden vereinfachte Anforderungen insbesondere zugunsten der Sparkassen- und Genossenschaftsbanken festgesetzt werden können, die einem institutsbezogenen Sicherungssystem angeschlossen sind.172) Dagegen sollen jene Institute, die der Aufsicht der EZB unterliegen, nach Auffassung der BaFin keine vereinfachten Anforderungen erhalten können.173) III.

Abwicklungsplanung

Der Abwicklungsplan wird – anders als der Sanierungsplan – nicht von dem Institut selbst, 69 sondern von der Abwicklungsbehörde erstellt. Er soll aufzeigen, wie eine möglichst systemverträgliche Abwicklung des Instituts erfolgen kann. Damit kommt dem Abwicklungsplan vornehmlich die innerbehördliche Funktion zu, die von der Abwicklungsbehörde im Fall einer Abwicklung zu erlassene Abwicklungsanordnung vorzubereiten.174) Ziel ist es, den zwischen Eintreten der Abwicklungsvoraussetzungen und Erlass der Abwicklungsanordnung liegenden Zeitraum möglichst kurz zu halten, ihn idealerweise sogar auf ein „Abwicklungswochenende“ zu verkürzen.175) Auf diese Weise soll negativen Marktreaktionen, welche die finanzielle Lage weiter verschlechtern und eine systemverträgliche Abwicklung unmöglich machen können, möglichst zuvorgekommen werden.176) Weil die kurzfristige Abwicklung eines bestandsgefährdeten Instituts jedoch eine umfangreiche Vorbereitung voraussetzt, legt die Abwicklungsbehörde in dem Abwicklungsplan dar, welche Maßnahmen und Abwicklungsinstrumente sie ergreifen kann, falls das Institut die Abwicklungsvoraussetzungen erfüllt. Dem Institut selbst kommt in dem Prozess der Abwicklungsplanung hingegen vornehmlich die Rolle eines Informationslieferanten zu, ___________ 171) Der MaSanV-E 2019 enthält inhaltliche Vereinfachungen insb. in Bezug auf die Institutsbeschreibung (§ 13), die aufzunehmenden Indikatoren (§ 14) und die Handlungsoptionen (§ 15). Ferner ist gemäß § 16 MaSanV-E 2019 eine Belastungsanalyse entbehrlich. 172) Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, S. 34, 35. 173) VÖB, Sanierungsplanung in Deutschland, S. 18. 174) Vgl. Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2260; Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 234; Grieser in: Jahn/ Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, B. III. Rz. 42. 175) Wojcik/Ceyssens, EuZW 2014, 893. 176) Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 228.

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§ 15

Sanierungs- und Abwicklungsplanung

welcher der Abwicklungsbehörde sämtliche für die Erstellung des Abwicklungsplans erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen muss. 70 Im Folgenden sollen die den Abwicklungsplan betreffenden Rechtsvorschriften näher dargestellt und dabei auf folgende Gesichtspunkte eingegangen werden: x

Rechtsgrundlagen des Abwicklungsplans,

x

zuständige Abwicklungsbehörde,

x

Pflicht zur Aufstellung des Abwicklungsplans,

x

Prüfung der Abwicklungsfähigkeit,

x

Inhalt des Abwicklungsplans,

x

Gruppenabwicklungspläne,

x

Abwicklungspläne nach vereinfachten Anforderungen.

1.

Rechtsgrundlagen

71 Die aus Sicht der Abwicklungsbehörde bei der Erstellung des Abwicklungsplans anzuwendenden Rechtsvorschriften verteilen sich – wie schon im Falle des Sanierungsplans – über unterschiedliche Rechtsakte. Ausgangspunkt bildet erneut die europäische BRRD, welche in ihren Artt. 10 bis 14 und Abschnitt B ihres Anhangs Vorgaben für das nationale Recht in Bezug auf die Aufstellung und den Inhalt des Abwicklungsplans sowie die Mitwirkungspflichten des Instituts enthält. In ihren Artt. 15 bis 18 sowie Abschnitt C ihres Anhangs enthält sie zudem Vorgaben für die Prüfung der Abwicklungsfähigkeit. Auch diese europäischen Vorgaben hat der deutsche Gesetzgeber in dem am 1.1.2015 in Kraft getretenen SAG umgesetzt. Darin befinden sich x

die Regelungen in Bezug auf die Aufstellung und den Inhalt des Abwicklungsplans sowie die Mitwirkungspflichten des Instituts in den §§ 40 bis 48 und

x

die Regelungen in Bezug auf die Bewertung der Abwicklungsfähigkeit in den §§ 57 bis 60a.

72 Während das nationale SAG bis zu Beginn des Jahres 2016 noch das maßgebliche Regelungsgerüst für die Abwicklungsplanung dargestellt hatte, ist es mittlerweile weitgehend durch europäische Rechtsakte verdrängt worden, insbesondere durch die europäische SRM-VO177), in welcher er die europäische Abwicklungsbehörde, das Single Resolution Board (SRB) mit Sitz in Brüssel, geschaffen hat (siehe dazu ausführlich § 14 Rz. 7 ff. [Benzing]). Neben den Vorschriften zur Errichtung und Zuständigkeit des SRB befinden sich in dieser Verordnung auch sämtliche vom SRB anzuwendenden Vorschriften in Bezug auf den Abwicklungsplan. Die Vorschriften über die Aufstellung und den Inhalt des Abwicklungsplans sowie die Mitwirkungspflichten des Instituts sind in Artt. 8, 11 SRM-VO geregelt, diejenigen über die Bewertung der Abwicklungsfähigkeit in Art. 10 SRM-VO. Im Ergebnis wurde damit ein europäisches Parallelregime geschaffen,178) was schwierige Abgrenzungs- und Konkurrenzfragen zum nationalen SAG aufwirft.179)

___________ 177) Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019. 178) Hintergrund dieses europäischen Parallelsystems war es wohl, dem SRB die Anwendung nationalen Rechts zu ersparen; s. Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662, 669. 179) Hilfreich dazu Begr. RegE AbwMechG, BR-Drucks. 193/15, S. 67.

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§ 15

III. Abwicklungsplanung

In ihrem Anwendungsbereich genießt die europäische SRM-VO Anwendungsvorrang vor 73 dem nationalen SAG (vgl. auch § 1 SAG). Der Anwendungsbereich der SRM-VO ist weit gefasst worden und erstreckt sich gemäß Art. 2 lit. a SRM-VO u. a. auf sämtliche in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassenen Kreditinstitute.180) Andererseits gelten die speziellen Vorschriften über den Abwicklungsplan zunächst lediglich für Abwicklungspläne für „bedeutende“ Institute, die der Aufsicht der EZB unterliegen (so jedenfalls Artt. 8 Abs. 1, 7 Abs. 2 SRM-VO). Dies könnte den Schluss nahelegen, dass Abwicklungspläne für weniger bedeutende Institute weiterhin nach dem nationalen SAG zu erstellen sind. Allerdings muss den Regelungen der Artt. 9 Abs. 1, 7 Abs. 3 SRM-VO entnommen werden, dass auch für diese Abwicklungspläne letztlich die Vorschriften der SRM-VO gelten sollen.181) Im Ergebnis wird dadurch für den Bereich der Abwicklungsplanung das nationale SAG weitgehend durch die SRM-VO überlagert; lediglich für die von der SRM-VO nicht abgedeckten Fragen bleibt das SAG anwendbar.182) Darüber hinaus gelten auch für den Abwicklungsplan Technische Standards183) (Regulato- 74 ry Standards), welche von der Kommission in der Form von delegierten Verordnungen (Art. 290 AEUV) bzw. Durchführungsverordnungen (Art. 291 AEUV) erlassen werden und inhaltlich auf Vorschlägen der EBA beruhen. In der im Jahre 2016 erlassenen delegierten Delegierte VO (EU) 2016/1075 hat die Kommission (neben den bereits dargestellten Vorschriften, die den Sanierungsplan betreffen) auch den für den Abwicklungsplan geltenden EBA-Entwurf EBA/RTS/2014/15184) (betreffend den Inhalt des Abwicklungsplans und die Bewertung der Abwicklungsfähigkeit) umgesetzt. Die Verordnung enthält damit konkretisierende Vorschriften über den Inhalt des Abwicklungsplans (Art. 22 Delegierte VO (EU) 2016/1075) und die Bewertung der Abwicklungsfähigkeit (Artt. 23 bis 32 Delegierte VO (EU) 2016/1075). Im Verhältnis zum SAG enthält sie die vorrangigen, im Verhältnis zur SRM-VO die konkreteren Vorschriften, so dass sie praktisch den Ausgangspunkt für die Erstellung des Abwicklungsplans bildet. Weitere Vorgaben finden sich in der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1624185) betreffend das Verfahren, Standardformulare und Meldebögen für die Informationsübermittlung. Diese Verordnung regelt den Umfang und die Form der Informationen, welche die Institute den Abwicklungsbehörden für die Erstellung der Abwicklungspläne zur Verfügung zu stellen haben. Eine praktische Orientierungshilfe bietet schließlich die EBA-Leitlinie EBA/GL/2014/11186), die den Abbau von Abwicklungshindernissen betrifft, und die Einführung in die Abwicklungsplanung des SRB187) als europäische Abwicklungsbehörde.

___________ 180) Vgl. auch Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2264. 181) Eine gewisse Einschränkung erfährt dieser Grundsatz dadurch, dass für Abwicklungspläne in Bezug auf minder bedeutende Institute, welche von der nationalen Abwicklungsbehörde erstellt werden (s. dazu unten Rz. 75), die Abwicklungsbehörde ihre Eingriffsbefugnisse gemäß Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 4 Satz 3 SRM-VO auf Grundlage des nationalen, zur Umsetzung der BRRD erlassenen Rechts ausübt. 182) Begr. RegE AbwMechG BR-Drucks. 193/15, S. 67. 183) S. Artt. 10 bis 15 VO (EU) Nr. 1093/2010. 184) EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on the content of resolution plans and the assessment of resolvability, v. 19.12.2014 (EBA/RTS/2014/15). 185) Durchführungsverordnung (EU) 2018/1624 der Kommission v. 23.10.2018, ABl. (EU) L 277/1 v. 7.11.2018. 186) EBA, Guidelines on the specification of measures to reduce or remove impediments to resolvability and the circumstances in which each measure may be applied under Directive 2014/59/EU, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/11). 187) SRB, The SRM – Introduction to Resolution Planning, v. 22.9.2016.

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§ 15 2.

Sanierungs- und Abwicklungsplanung Zuständige Abwicklungsbehörde

75 Für den Abwicklungsplan ist nicht die Aufsichtsbehörde, sondern die Abwicklungsbehörde zuständig. Diese besondere Behördenform ist im Nachgang zur Finanzmarktkrise geschaffen worden und besteht mittlerweile sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Seit dem vollständigen Inkrafttreten der SRM-VO zum 1.1.2016 ist das SRB die europäische Abwicklungsbehörde.188) Das SRB hat den Status einer europäischen Behörde mit eigener Rechtspersönlichkeit und ist gemäß Artt. 8 Abs. 1, 7 Abs. 2 SRM-VO für die Abwicklungspläne der „bedeutenden“ Institute zuständig, die unter der Aufsicht der EZB stehen.189) Für die Abwicklungspläne aller übrigen Institute sind gemäß Art. 9 Abs. 1 SRM-VO hingegen die nationalen Abwicklungsbehörden zuständig. Seit dem 1.1.2018 übernimmt diese Aufgabe in Deutschland gemäß § 3 Abs. 1 SAG die BaFin.190) Die europäische und die nationalen Abwicklungsbehörden sind zu einer engen Zusammenarbeit verpflichtet (zu ihrem Zusammenwirken siehe ausführlich § 14 Rz. 40 ff. [Benzing]). Eine Folge dessen ist, dass das SRB nationale Abwicklungsbehörden auffordern kann, für ein an sich in die Zuständigkeit des SRB fallendes Institut einen Entwurf eines Abwicklungsplans auszuarbeiten und dem SRB vorzulegen (Art. 8 Abs. 2 Satz 2 SRM-VO). Ergeht eine solche Aufforderung, tritt – trotz prinzipieller Zuständigkeit des SRB – letztlich die nationale Abwicklungsbehörde gegenüber dem Institut auf und erstellt den Abwicklungsplan.191) Neben der Abwicklungsbehörde hat auch die Aufsichtsbehörde ein Mitspracherecht bei der Planerstellung (Artt. 8 Abs. 2 Satz 1, 9 Abs. 2 SRM-VO).192) 3.

Aufstellung des Abwicklungsplans

76 Nach der gesetzlichen Systematik besteht der Grundfall darin, dass die Abwicklungsbehörde einen Einzelabwicklungsplan nach nicht vereinfachten Anforderungen aufstellt. Dieser Systematik folgend wird im Folgenden zunächst der Fall des Einzelabwicklungsplans (Stand-alone Resolution Plan) zugrunde gelegt, bevor im Anschluss auf die besonderen Regelungen für den Gruppenabwicklungsplan bzw. den Abwicklungsplan nach vereinfachten Anforderungen eingegangen wird. Grundlage der folgenden Ausführungen ist die europäische SRM-VO (wobei zum besseren Verständnis in den Fußnoten auch auf die Regeln des SAG hingewiesen wird). a)

Aufstellung durch die Abwicklungsbehörde

77 Der Abwicklungsplan wird nicht von dem Institut selbst, sondern von der zuständigen Abwicklungsbehörde (in Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde) erstellt (Artt. 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 SRM-VO).193) Damit unterscheidet sich das Aufstellungsverfahren erheblich von dem des Sanierungsplans, welcher durch das Institut selbst erstellt und durch die zuständige Aufsichtsbehörde lediglich geprüft wird (§§ 12 Abs. 1, 15 Abs. 2 SAG). Die Abwicklungsbehörde ist verpflichtet, für jedes Institut einen Abwicklungsplan zu erstellen, unabhängig von dem Vorliegen einer (potentiellen) Systemgefahr (Artt. 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 SRM-VO).194) Der Abwicklungsplan ist mindestens einmal im Kalenderjahr durch die ___________ 188) Zum SRB als europäische Abwicklungsbehörde Wojcik/Ceyssens, EuZW 2014, 893, 894 f. 189) S. insgesamt Art. 7 Abs. 2, Abs. 4 lit. b, Abs. 5 SRM-VO. 190) Von 2015 bis 2017 hatte die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) die Funktion der nationalen Abwicklungsbehörde inne. 191) S. Wojcik/Ceyssens, EuZW 2014, 893, 896; Binder, ZBB 2015, 153, 162; Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, B. I. Rz. 93. 192) Vgl. § 40 Abs. 1 Satz 2 SAG. 193) Vgl. § 40 Abs. 1 SAG; s. a. Binder, ZBB 2015, 153, 162. 194) Vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 SAG.

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§ 15

III. Abwicklungsplanung

Abwicklungsbehörde zu prüfen und zu aktualisieren; darüber hinaus muss eine Aktualisierung auch nach jeder wesentlichen Änderung der Rechts- oder Organisationsstruktur des Instituts, seiner Geschäftstätigkeit oder seiner Finanzlage, die sich wesentlich auf die Effektivität des Abwicklungsplans auswirken könnte oder anderweitig eine Überarbeitung erforderlich macht, erfolgen (Art. 8 Abs. 12 Unterabs. 1 Satz 2 SRM-VO).195) b)

Mitwirkungspflichten des Instituts

Das Institut hat in dem Verfahren der Abwicklungsplanung eine vergleichsweise schwa- 78 che Rechtsposition.196) Es ist verpflichtet, die Abwicklungsbehörde umfangreich zu unterstützen (Art. 8 Abs. 8 SRM-VO).197) Insbesondere können von dem Institut nach Art. 34 Abs. 1 SRM-VO sämtliche Informationen angefordert werden, welche für die Erstellung und Umsetzung des Abwicklungsplans benötigt werden.198) In der Praxis kann dies dazu führen, dass das Institut von der Abwicklungsbehörde aufgefordert wird, selbst einzelne Bestandteile des Abwicklungsplans zu entwerfen und binnen vorgegebener Frist bei der Abwicklungsbehörde einzureichen.199) Dabei kann es sich bspw. um die Erstellung eines Abwicklungskonzepts handeln, welches von der Abwicklungsbehörde sodann weiter ausarbeitet wird. Bei einem solchen Vorgehen unterscheidet sich die Erstellung des Abwicklungsplans im Ergebnis nicht mehr erheblich von der des Sanierungsplans, welche bereits von Gesetzes wegen dem Institut obliegt (§ 12 Abs. 1 SAG).200) Das Verfahren der Informationsübermittlung zwischen Behörde und Institut ist mittlerweile in der Verordnung (EU) 2018/1624 geregelt, in welcher die Kommission den EBA-Entwurf EBA/ ITS/2018/02201) (betreffend das Verfahren, Standardformulare und Dokumentvorlagen für die Informationsübermittlung) umgesetzt hat:202) x

Erforderlichkeit: Danach muss zunächst geprüft werden, ob eine Inanspruchnahme des Instituts erforderlich ist, d. h. ob die jeweiligen Informationen behördenintern nicht bereits vorhanden sind (Art. 8 Abs. 1 DVO (EU) 2018/1624). Diese Prüfung erstreckt sich nicht lediglich auf die Abwicklungsbehörde, sondern schließt auch die Aufsichtsbehörde mit ein. Liegen der Aufsichtsbehörde oder der Bundesbank entsprechende Informationen vor, sind sie verpflichtet, diese der Abwicklungsbehörde zur Verfügung zu stellen (Art. 8 Abs. 2 DVO (EU) 2018/1624).

Informationsbereitstellung: Die Institute übermitteln den Abwicklungsbehörden entweder direkt oder über die zuständige Behörde die in den Meldebögen in Anhang I der Durchführungsverordnung angeführten wichtigsten Informationen für die Erstel___________ x

195) Vgl. § 40 Abs. 4 Satz 1, 2 SAG. Nach Chattopadhyay, WM 2013, 405, 407, bietet sich ein Turnus an, der dem jeweils aktualisierten Sanierungsplan folgt. 196) Dies spiegelt sich u. a. in den begrenzten Rechtsschutzmöglichkeiten des Instituts wider. Denn gegen den Abwicklungsplan selbst soll dem Institut mangels „unmittelbarer Betroffenheit“ noch kein Rechtsschutz offenstehen; dazu Schmitt/Bär, WM 2016, 493, 497. 197) Vgl. § 42 Abs. 1 SAG; s. a. Grieser in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, B. III. Rz. 42. 198) Vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 SAG. Das SRB kann diese Informationen sowohl direkt als auch über die nationalen Abwicklungsbehörden von den Instituten anfordern. 199) Vgl. Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 234 f. Demgegenüber wollen Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662, 663, die Mitwirkungspflicht der Institute auf die Übermittlung bereits vorliegender Informationen und Analysen begrenzen. 200) I. Ü. erfolgt auf diese Weise auch eine Annäherung an das US-amerikanische System, nach welchem die Banken ihre Abwicklungspläne selbst zu erstellen haben; s. Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 235. 201) EBA, Draft final Report, Draft implementing standards on the provision of information for the purpose on resolution plans under Art. 11(3) of Directive 2014/59/EU, v. 17.4.2018 (EBA/ITS/2018/02). 202) Praktische Relevanz haben vor allem auch die im Anhang der Verordnung befindlichen Standardformulare und Dokumentvorlagen, welche für die Datenübermittlung vorgesehen sind.

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§ 15

Sanierungs- und Abwicklungsplanung

lung der Abwicklungspläne (Art. 3 Abs. 1 DVO (EU) 2018/1624). Stichtag für die bis spätestens am 30. April jedes Jahres zu übermittelnden Informationen ist der letzte Tag des vorangegangenen Kalender- bzw. des maßgeblichen Geschäftsjahres (Art. 5 Abs. 1 DVO (EU) 2018/1624). x

4.

Informationsanforderung: Liegen die Informationen den Behörden nicht bzw. nur in ungeeigneter Form vor, fordert die Abwicklungsbehörde diese weiteren Informationen bei dem Institut an (Art. 7 Abs. 1 DVO (EU) 2018/1624). Art. 7 Abs. 1 DVO (EU) 2018/1624 bestimmt das insoweit von der Abwicklungsbehörde einzuhaltende Verfahren. Abwicklungsfähigkeit

79 Im Zuge der Abwicklungsplanung (und vor Anfertigung des eigentlichen Abwicklungsplans) ermittelt die Abwicklungsbehörde die Abwicklungsfähigkeit (Resolvability) des Instituts (Art. 10 Abs. 1 und 3 Unterabs. 1 Satz 1 SRM-VO).203) Denn die Bewertung der Abwicklungsfähigkeit schafft einerseits die informationelle Basis für den darauf aufsetzenden Abwicklungsplan und ist andererseits eine Voraussetzung dafür, dass eine spätere Abwicklung tatsächlich gelingen kann.204) Ein Institut ist abwicklungsfähig, wenn es aus Sicht der Abwicklungsbehörde möglich ist, über das Vermögen des Instituts ein Insolvenzverfahren zu eröffnen und durchzuführen oder aber das Institut durch Anwendung von Abwicklungsinstrumenten abzuwickeln (Vgl. Art. 10 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 SRMVO) (siehe dazu unten §§ 17, 18 [Binder]).205) Dabei kommt es allerdings nicht auf die rechtliche Zulässigkeit dieser Maßnahmen an; entscheidend ist alleine, inwieweit ihre Durchführung erhebliche negative Auswirkungen auf das Finanzsystem i. S. des Art. 10 Abs. 5 SRM-VO hätte.206) a)

Prüfung der Abwicklungsfähigkeit

80 Das konkrete Verfahren zur Bestimmung der Abwicklungsfähigkeit ist mittlerweile in den Artt. 23 bis 32 Delegierte VO (EU) 2016/1075 geregelt.207) Danach ist die Abwicklungsfähigkeit in einem vierschrittigen Prozess zu bestimmen: x

Möglichkeit eines Insolvenzverfahrens: In einem ersten Schritt sind die Auswirkungen der Durchführung eines regulären Insolvenzverfahrens zu analysieren und zu bewerten (Art. 24 Delegierte VO (EU) 2016/1075). Die Abwicklungsbehörde hat zu bestimmen, welche Auswirkungen ein solches Verfahren auf den Finanz- und Kapitalmarkt, die Finanzmarktinfrastrukturen, andere Finanzinstitute und die Realwirtschaft hätte sowie ob das Institut auf finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln angewiesen wäre, um diese Auswirkungen abzufedern.

x

Bevorzugte Abwicklungsstrategie: In einem zweiten Schritt hat die Abwicklungsbehörde hypothetisch eine bevorzugte Abwicklungsstrategie zu entwickeln (Art. 25 Delegierte VO (EU) 2016/1075). Denn die Abwicklungsfähigkeit eines Instituts lässt sich nur im Hinblick auf konkrete Abwicklungsszenarien prüfen. Unter der „bevorzugten

___________ 203) Vgl. §§ 57 Abs. 4, 59 Abs. 9 SAG. Schon diese vorab vorgenommene Beurteilung stellt ein „sehr komplexes Unterfangen“ dar; so Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 233. 204) Vgl. Binder in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 165, 190. 205) Vgl. § 57 Abs. 2 SAG. 206) S. a. Steck/Petrowsky, DB 2015, 1391, 1393. 207) Die Regelungen gehen zurück auf die Artt. 4 bis 13 des Entwurfs der EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on the content of resolution plans and the assessment of resolvability, v. 19.12.2014 (EBA/RTS/2014/15).

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§ 15

III. Abwicklungsplanung

Abwicklungsstrategie“ ist das Paket an Abwicklungsmaßnahmen/-instrumenten zu verstehen, mit denen das Institut nach Auffassung der Abwicklungsbehörde am systemverträglichsten abgewickelt werden kann (Art. 2 Abs. 2 und 3 Delegierte VO (EU) 2016/1075). Neben der bevorzugten Strategie hat die Abwicklungsbehörde von vornherein auch Strategievarianten zu ermitteln (Art. 23 Abs. 3 Satz 2 Delegierte VO (EU) 2016/1075). x

Durchführbarkeit der Abwicklungsstrategie: In einem dritten Schritt ist sodann die Durchführbarkeit der bevorzugten Abwicklungsstrategie zu prüfen und zu bewerten (Art. 26 Delegierte VO (EU) 2016/1075). Dabei geht es um die Frage, ob der Abwicklung bestimmte Hindernisse entgegenstehen, und zwar aufgrund der Struktur und Tätigkeit des Instituts,208) der Finanzmittel des Instituts,209) der Verfügbarkeit von Informationen,210) grenzübergreifender Aspekte211) sowie sonstiger juristischer Fragen.212) Diese Wechselbezüglichkeit zwischen Abwicklungsstrategie und Abwicklungshindernissen zeigt, dass beide Aspekte bei der Erstellung des Abwicklungsplans iterativ ineinandergreifen, um eine Abwicklungsstrategie herauszuarbeiten, der keine Abwicklungshindernisse mehr gegenüberstehen.

x

„Glaubwürdigkeit“ der Strategie: Im vierten und letzten Schritt ist zu prüfen, wie aussichtsreich eine erfolgreiche Abwicklung nach der bevorzugten Abwicklungsstrategie ist (Art. 32 Delegierte VO (EU) 2016/1075).213) Dabei sind die Auswirkungen zu ermitteln, welche die Abwicklung des Instituts voraussichtlich hat, und zwar auf den Finanz- und Kapitalmarkt, die Finanzmarktinfrastrukturen, andere Finanzinstitute sowie die Realwirtschaft.

b)

Herstellung der Abwicklungsfähigkeit

Stellt die Abwicklungsbehörde fest, dass wesentliche Abwicklungshindernisse bestehen, 81 schließt – ähnlich wie bei dem Sanierungsplan – ein zweistufiges Verfahren an, das auf die Beseitigung der Abwicklungshindernisse gerichtet ist: x

Vorschläge des Instituts: Zunächst teilt die Abwicklungsbehörde dem Institut in einem Schreiben die festgestellten Abwicklungshindernisse mit (Artt. 8 Abs. 6 Unterabs. 3, 10 Abs. 7 und 8 SRM-VO).214) Nach Erhalt des Schreibens hat das Institut der Abwicklungsbehörde innerhalb von vier Monaten geeignete Maßnahmen vorzuschlagen, mit denen die festgestellten Hindernisse beseitigt oder zumindest abgebaut werden sollen (Art. 10 Abs. 9 SRM-VO).215) Die Behörde bewertet die vorgeschlagenen Maßnahmen und ordnet sie ggf. gegenüber dem Institut an (Art. 10 Abs. 10 Unterabs. 1 Satz 1 SRM-VO).216)

x

Maßnahmen der Abwicklungsbehörde: Ist die Abwicklungsbehörde hingegen der Auffassung, dass die Maßnahmen nicht geeignet sind, die bestehenden Abwicklungs-

___________ 208) 209) 210) 211) 212) 213)

Art. 27 Delegierte VO (EU) 2016/1075. Art. 28 Delegierte VO (EU) 2016/1075. Art. 29 Delegierte VO (EU) 2016/1075. Art. 30 Delegierte VO (EU) 2016/1075. Art. 31 Delegierte VO (EU) 2016/1075. Die Verordnung spricht von einer Prüfung der „Glaubwürdigkeit“ (bzw. in der englischen Sprachfassung von einer Prüfung der „credibility“). 214) Vgl. § 59 Abs. 1 Satz 1 SAG. 215) Vgl. § 59 Abs. 2 SAG. 216) Vgl. § 59 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 SAG.

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Sanierungs- und Abwicklungsplanung

hindernisse zu beseitigen, ordnet sie – als ultima ratio217) – gegenüber dem Institut von ihr selbst festgelegte Alternativmaßnahmen an (Art. 10 Abs. 10 Unterabs. 1 Satz 2, Unterabs. 2, Unterabs. 3 SRM-VO).218) Eine Auflistung von Maßnahmen, welche die Abwicklungsbehörde anordnen kann, ist in Art. 10 Abs. 11 SRM-VO enthalten.219) Dabei handelt es sich um durchaus einschneidende Maßnahmen, die etwa die Veräußerung bestimmter Vermögensgegenstände (Art. 10 Abs. 11 lit. d SRM-VO),220) die Einschränkung oder Einstellung von Geschäftsaktivitäten (Art. 10 Abs. 11 lit. e SRMVO)221) oder die Änderung der rechtlichen oder operativen Struktur des Instituts (Art. 10 Abs. 11 lit. g SRM-VO)222) umfassen. Die Voraussetzungen, unter denen diese Maßnahmen ergriffen werden können, hat die EBA in ihren Leitlinien EBA/GL/ 2014/11223) näher spezifiziert. 82 Die Anordnungsbefugnisse der Abwicklungsbehörde zur Beseitigung von Abwicklungshindernissen verdeutlichen, dass bereits die Abwicklungsplanung (nicht erst eine tatsächliche Abwicklung) zu erheblichen Eingriffen in die Struktur und Organisation des Instituts führen kann.224) Zumal wenn man bedenkt, dass die Abwicklungsbehörde von diesen Befugnissen Gebrauch machen kann, ohne dass ein gegenwärtiger Rechtsverstoß vorliegt (bspw. gegen das Aufsichtsrecht).225) 5.

Inhalt des Abwicklungsplans

83 Nach der generalklauselartigen Vorschrift des Art. 8 Abs. 5 SRM-VO sind in dem Abwicklungsplan diejenigen Abwicklungsmaßnahmen aufzuführen, welche die Abwicklungsbehörde gegenüber dem Institut anordnen kann, sofern das Institut die Voraussetzungen für eine Abwicklung erfüllt, d. h. insbesondere in seinem Bestand gefährdet ist.226) Ähnlich wie bei dem Sanierungsplan lassen sich auch die inhaltlichen Vorgaben, welche für den Abwicklungsplan gelten, in allgemeine Anforderungen einerseits und konkrete Inhaltsbestandteile andererseits unterteilen. a)

Allgemeine Anforderungen

84 Der Abwicklungsplan hat relevante Szenarien zu berücksichtigen, und zwar insbesondere die Fälle, dass eine Bestandsgefährdung idiosynkratischer Natur ist oder in Zeiten allgemeiner finanzieller Instabilität oder systemweiter Ereignisse eintritt (Art. 8 Abs. 6 Unterabs. 4 SRM-VO).227) Der Abwicklungsplan darf nicht von der Annahme staatlicher Un___________ 217) Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662, 663; Grieser in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und abwicklung, B. III. Rz. 43. 218) Vgl. § 59 Abs. 4 Satz 2 SAG. 219) Vgl. § 59 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 bis 10 SAG; ausführlich zur Herstellung der Abwicklungsfähigkeit Garten in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, B. VII. 220) Vgl. § 59 Abs. 6 Satz 1 Nr. 5 SAG. 221) Vgl. § 59 Abs. 6 Satz 1 Nr. 6 SAG. 222) Vgl. § 59 Abs. 6 Satz 1 Nr. 7 SAG. 223) EBA, Guidelines on the specification of measures to reduce or remove impediments to resolvability and the circumstances in which each measure may be applied under Directive 2014/59/EU, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/11). 224) Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 234; Grieser in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, B. III. Rz. 24; krit. Chattopadhyay, WM 2013, 405, 408, der neben verfassungsrechtlichen Bedenken auch an der Umsetzbarkeit einzelner Maßnahmen zweifelt. 225) So ausdrücklich EBA, Guidelines on the specification of measures to reduce or remove impediments to resolvability and the circumstances in which each measure may be applied under Directive 2014/59/EU, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/11), Nr. 4 lit. b. 226) Vgl. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SAG. 227) Vgl. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SAG.

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III. Abwicklungsplanung

terstützungen ausgehen (Art. 8 Abs. 6 Unterabs. 5 SRM-VO).228) Hierzu zählen die Gewährung einer außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln, die über die Gewährung von Mitteln aus dem Restrukturierungsfonds nach § 1 RStruktFG hinausgeht, die Gewährung einer Notfallliquiditätshilfe durch eine Zentralbank sowie die Gewährung einer Liquiditätshilfe durch eine Zentralbank auf Grundlage nicht standardisierter Besicherungen, Laufzeiten oder Zinssätze. Schließlich sollen, sofern möglich und angezeigt, die Angaben des Abwicklungsplans nicht nur qualitativer Natur sein, sondern „quantifiziert“ werden (Art. 8 Abs. 9 SRM-VO).229) b)

Konkrete Inhaltsbestandteile

Die konkreten Inhaltsbestandteile des Abwicklungsplans werden in Art. 8 Abs. 9 SRM- 85 VO geregelt.230) Allerdings sind die dort enthaltenen Vorgaben mittlerweile durch Art. 22 Delegierte VO (EU) 2016/1075 konkretisiert worden, in welcher die Kommission den EBA-Entwurf EBA/RTS/2014/15231) (betreffend den Inhalt des Abwicklungsplans) umgesetzt hat. Nach Art. 22 Delegierte VO (EU) 2016/1075 besteht ein Abwicklungsplan aus acht unterschiedlichen Abschnitten: x

Zusammenfassung,

x

Abwicklungsstrategie,

x

Kriseninformationssystem,

x

Aufrechterhaltung der kritischen Funktionen,

x

Finanzierung im Abwicklungsfall,

x

Kommunikationskonzept,

x

Abwicklungsfähigkeit,

x

Stellungnahme des Instituts.

aa)

Zusammenfassung

Der Abwicklungsplan beginnt mit einer Zusammenfassung (Art. 22 Abs. 1 Delegierte VO 86 (EU) 2016/1075).232) Darin sind die Hauptbestandteile des Plans in zusammengefasster Form wiederzugeben und das von dem Abwicklungsplan betroffene Institut zu beschreiben. Bei der Beschreibung des Instituts kann die Abwicklungsbehörde auf den Inhalt des Sanierungsplans zurückgreifen, in dem gemäß Art. 7 Delegierte VO (EU) 2016/1075 ebenfalls eine Beschreibung des Instituts zu erfolgen hat.233) Handelt es sich um die Aktualisierung des Abwicklungsplans, muss die Abwicklungsbehörde in der Zusammenfassung auch die wesentlichen Veränderungen seit der letzten Erstellung bzw. Aktualisierung des Plans darstellen.234)

___________ 228) 229) 230) 231)

Vgl. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SAG. Vgl. § 40 Abs. 2 Satz 2 SAG. Vgl. § 40 Abs. 3 SAG. EBA, Final Draft Regulatory Technical Standards on the content of resolution plans and the assessment of resolvability, v. 19.12.2014 (EBA/RTS/2014/15). 232) Vgl. Art. 8 Abs. 9 lit. a SRM-VO; § 40 Abs. 3 Nr. 1 SAG. 233) S. a. Chattopadhyay, WM 2013, 405, 407, der aufgrund der vornehmlich deskriptiven Prägung beider Pläne von weiten inhaltlichen Überschneidungen ausgeht sowie Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 234. 234) Zwar folgt dies nicht aus Art. 22 Delegierte VO (EU) 2016/1075, insoweit ist aber auf Art. 8 Abs. 9 lit. b SRM-VO zurückzugreifen; vgl. auch § 40 Abs. 3 Nr. 2 SAG.

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§ 15 bb)

Sanierungs- und Abwicklungsplanung Abwicklungsstrategie

87 Den Hauptbestandteil235) des Abwicklungsplans bildet die Beschreibung der Abwicklungsstrategie (Art. 22 Abs. 2 Delegierte VO (EU) 2016/1075).236) Die Abwicklungsstrategie wird von der Abwicklungsbehörde wie folgt herausgearbeitet: x

Abwicklungsmaßnahmen: Zunächst sind die verschiedenen Abwicklungsmaßnahmen zu identifizieren sowie die konkreten juristischen Personen zu benennen, auf welche die Abwicklungsmaßnahmen angewendet werden sollen.237) Dieser Schritt ist für die Abwicklungsbehörde mit einem nicht zu unterschätzenden analytischen Aufwand verbunden. Denn die Identifizierung geeigneter Abwicklungsmaßnahmen verlangt eine in die Zukunft gerichtete Prüfung, ob bzw. inwieweit die gesetzlich vorgesehenen Abwicklungsinstrumente im Falle einer Bestandsgefährdung in zulässiger und zweckmäßiger Weise auf das Institut angewendet werden können. Dies bedeutet u. a., dass sämtliche Rechtsprobleme im Zusammenhang mit der Anwendung der Abwicklungsinstrumente auf das konkrete Institut bereits im Zeitpunkt der Planerstellung antizipiert und bewertet werden müssen. Die nach Auffassung der Abwicklungsbehörde am besten geeigneten Maßnahmen bilden die bevorzugte Abwicklungsstrategie, die übrigen Maßnahmen werden hingegen zu Alternativstrategien.238)

x

Kritische Funktionen/wesentliche Geschäftsaktivitäten: Des Weiteren hat der Abwicklungsplan die kritischen Funktionen und wesentlichen Geschäftsaktivitäten des Instituts zu benennen und diese den jeweiligen juristischen Personen zuzuordnen.239) Hierzu kann erneut auf die Inhalte des Sanierungsplans zurückgegriffen werden, in welchem ebenfalls die kritischen Funktionen sowie die wesentlichen Geschäftsaktivitäten des Instituts darzustellen sind (Art. 7 Abs. 1 lit. a (iii) Delegierte VO (EU) 2016/ 1075). Sodann muss die Abwicklungsbehörde in dem Plan darlegen, wie die kritischen Funktionen und wesentlichen Geschäftsaktivitäten rechtlich und wirtschaftlich von den anderen Funktionen und Aktivitäten des Instituts getrennt werden können, so dass sie trotz der Abwicklung des Instituts fortgeführt bzw. abgetrennt werden können.

x

Zeitrahmen/Entscheidungsprozess: Schließlich muss die Abwicklungsbehörde den Zeitaufwand abschätzen, welcher mit der Durchführung des Plans verbunden ist, sowie den erforderlichen Entscheidungsprozess für die Anordnung von Abwicklungsmaßnahmen darlegen und angeben, in welcher Zeit die dabei notwendigen Entscheidungen eingeholt werden können.240)

cc)

Kriseninformationssystem

88 Die Abwicklungsbehörde muss durch ein Kriseninformationssystem sicherstellen, dass ihr stets sämtliche Informationen zur Verfügung stehen, welche sie für eine wirksame Umsetzung von Abwicklungsmaßnahmen benötigt (Art. 22 Abs. 3 Delegierte VO (EU) 2016/1075).241) Dafür hat sie zum einen zu gewährleisten, dass die von dem Institut für die Erstellung des Abwicklungsplans übermittelten Informationen (Art. 8 Abs. 8 SRMVO; § 42 Abs. 1 SAG) auf dem aktuellen Stand sind bzw. jederzeit von dem Institut an___________ 235) 236) 237) 238) 239) 240) 241)

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Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 234, sprechen auch vom „Schlüsselabschnitt“. Vgl. Art. 8 Abs. 9 lit. c, lit. d, lit. j SRM-VO; § 40 Abs. 3 Nr. 3, 5, 11 SAG. Art. 22 Abs. 2 lit. a, lit. b Delegierte VO (EU) 2016/1075. Art. 22 Abs. 2 lit. e Delegierte VO (EU) 2016/1075. Art. 22 Abs. 2 lit. c, Abs. 3 lit. b Delegierte VO (EU) 2016/1075. Art. 22 Abs. 2 lit. d, lit. f Delegierte VO (EU) 2016/1075. Art. 8 Abs. 9 lit. g, lit. h SRM-VO; § 40 Abs. 3 Nr. 8, 9 SAG.

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§ 15

III. Abwicklungsplanung

gefordert werden können.242) Zum anderen hat die Abwicklungsbehörde die Verfügbarkeit derjenigen Informationen sicherzustellen, welche sie für die im Zusammenhang mit einer Abwicklung vorzunehmenden Bewertungen benötigt (vgl. Art. 20 SRM-VO). Dies gilt zudem für diejenigen Informationen, die sie für die Beschreibung der Marktfähigkeit der Übertragungsgegenstände im Falle einer Unternehmensveräußerung (Art. 24 SRMVO) bzw. einer Übertragung auf ein Brückeninstitut (Art. 25 SRM-VO) benötigt.243) Abschließend sind Vorkehrungen für den Informationsaustausch zwischen den Abwicklungsbehörden sowie anderen zuständigen Behörden (ggf. in anderen Mitgliedstaaten oder Drittstaaten) zu treffen.244) dd)

Aufrechterhaltung der kritischen Funktionen

Einen weiteren Kernbestandteil des Abwicklungsplans bildet die Darstellung der Vorkeh- 89 rungen, durch welche gewährleistet werden soll, dass auch während einer Abwicklung weiterhin Zugang zu den vom Institut ausgeübten und für den Finanzmarkt kritischen Funktionen besteht (Art. 22 Abs. 4 Delegierte VO (EU) 2016/1075).245) Bei der „Sicherstellung der Kontinuität kritischer Funktionen“ handelt es sich explizit um eines der gesetzlichen Abwicklungsziele (Art. 14 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a SRM-VO).246) Hierzu ist in dem Plan zu beschreiben, welche Systeme und Prozesse im Fall der Abwicklung aufrechterhalten bleiben müssen, welche internen und externen Verflechtungen Auswirkungen auf die kritischen Funktionen haben, wie der Zugang zu Finanzmarktinfrastrukturen aufrechterhalten bleiben kann und wie Kundenpositionen ggf. übertragen werden können. ee)

Finanzierung im Abwicklungsfall

Bei der Abwicklung eines Instituts entsteht typischerweise ein erheblicher Finanzierungs- 90 bedarf (bspw. aufgrund fristeninkongruenter Refinanzierung oder dem Wegfall bestehender Finanzierungsquellen). Aus diesem Grunde muss der Abwicklungsplan auch ein Finanzierungskonzept umfassen, in dem neben dem im Abwicklungsfall entstehenden Finanzierungsbedarf auch mögliche Finanzierungsquellen dargestellt werden (Art. 22 Abs. 5 Delegierte VO (EU) 2016/1075).247) Dabei gilt jedoch, dass der Abwicklungsplan nicht von der Gewährung einer außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln, der Gewährung einer Notfallliquiditätshilfe durch eine Zentralbank oder der Gewährung einer Liquiditätshilfe durch eine Zentralbank auf der Basis nicht standardisierter Bedingungen ausgehen darf (Art. 8 Abs. 6 Unterabs. 5 SRM-VO).248) Auf der anderen Seite muss der Abwicklungsplan jedoch angeben, unter welchen Voraussetzungen das Institut während der Abwicklung Zentralbankfazilitäten in Anspruch nehmen kann und welche Vermögensgegenstände dafür als Sicherheiten in Frage kommen.249)

___________ 242) Art. 22 Abs. 3 lit. d Delegierte VO (EU) 2016/1075. Institute erweitern derzeit ihre im Zuge der Sanierungsplanung etablierten Systeme, um auch die Anforderungen aus der Abwicklungsplanung über einen SPOT-Datenhaushalt (= „single point of truth“) bedienen zu können. 243) Art. 22 Abs. 3 lit. a Delegierte VO (EU) 2016/1075. 244) Art. 22 Abs. 3 lit. c Delegierte VO (EU) 2016/1075. 245) Vgl. Art. 8 Abs. 9 lit. k, lit. l, lit. q SRM-VO; § 40 Abs. 3 Nr. 12, 13, 17 SAG. 246) Vgl. § 67 Abs. 1 Nr. 1 SAG. 247) Vgl. Art. 8 Abs. 7, Abs. 9 lit. i SRM-VO; § 40 Abs. 3 Nr. 4, 10 SAG. 248) Vgl. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SAG. 249) Art. 22 Abs. 5 lit. c Delegierte VO (EU) 2016/1075.

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§ 15 ff)

Sanierungs- und Abwicklungsplanung Kommunikationskonzept

91 Darüber hinaus ist ein Kommunikationskonzept zu entwickeln, welches die Kommunikation mit den wesentlichen Interessengruppen des Instituts zum Gegenstand hat (Art. 22 Abs. 6 Delegierte VO (EU) 2016/1075).250) Zu diesen Interessengruppen werden in der Verordnung etwa die Arbeitnehmer, Manager, Berater sowie Anteilseigner, die Einleger und andere Gläubiger, der Finanzmarkt und letztlich auch die Öffentlichkeit insgesamt gezählt. Neben diesen privaten Institutionen sind aber auch Behörden, Gerichte und andere öffentliche Einrichtungen zu berücksichtigen, die von der Abwicklung des Instituts ebenfalls betroffen sein können. Auch an dieser Stelle kann wiederum auf die Vorarbeiten des Sanierungsplans zurückgegriffen werden.251) gg)

Ergebnis der Bewertung der Abwicklungsfähigkeit

92 Schließlich muss der Abwicklungsplan die Ergebnisse der vorgenommenen Bewertung der Abwicklungsfähigkeit wiedergeben (Art. 22 Abs. 7 Delegierte VO (EU) 2016/1075).252) Dafür ist zunächst der status quo der Abwicklungsfähigkeit sowie die Auswirkung eines regulären Insolvenzverfahrens zu beschreiben.253) Sodann sind die wesentlichen Abwicklungshindernisse zu beschreiben und die vom Institut vorgeschlagenen bzw. von der Abwicklungsbehörde angeordneten Maßnahmen zu deren Beseitigung darzustellen.254) Abschließend sind auch die nach Art. 12 SRM-VO vorzuhaltenden Eigenmittel und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten anzugeben (sofern die Werte nicht die Vorgaben erreichen, auch eine Frist, bis wann diese Mindestanforderungen durch das Institut erfüllt werden müssen).255) hh) Stellungnahme des Kreditinstituts 93 In dem Verfahren der Abwicklungsplanung genießt das Institut eine vergleichsweise schwach ausgestaltete Rechtsposition. Allerdings hat das Institut das Recht, zu dem von der Abwicklungsbehörde erstellten Abwicklungsplan eine Stellungnahme abzugeben, welche sodann abschließend in den Abwicklungsplan aufzunehmen ist (Art. 22 Abs. 8 Delegierte VO (EU) 2016/1075).256) 6.

Gruppenabwicklungsplan

94 Gehört ein Institut einer Gruppe an, welche einer Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis unterliegt, wird ein Gruppenabwicklungsplan erstellt, der an die Stelle der jeweiligen Einzelabwicklungspläne tritt (Art. 8 Abs. 10 und 11 SRM-VO).257) Zieht man Art. 22 Delegierte VO (EU) 2016/1075 heran, hat der Gruppenabwicklungsplan im Grundsatz die gleichen Inhaltsbestandteile zu enthalten wie auch der Einzelabwicklungsplan. Ein konzeptioneller Unterschied besteht allerdings darin, dass der Gruppenabwicklungsplan „ein Plan für die Abwicklung der Gruppe als Ganzes“ ist (Art. 8 Abs. 10 Satz 1 SRM-VO).258) ___________ 250) 251) 252) 253) 254) 255) 256) 257)

Vgl. Art. 8 Abs. 9 lit. m, lit. n SRM-VO; § 40 Abs. 3 Nr. 14, 15 SAG. Vgl. Art. 14 Delegierte VO (EU) 2016/1075. Vgl. Art. 8 Abs. 9 lit. e, lit. f, lit. o, lit. p SRM-VO; § 40 Abs. 3 Nr. 6, 7 SAG. Art. 22 Abs. 7 lit. a, lit. b Delegierte VO (EU) 2016/1075. Art. 22 Abs. 7 lit. c Delegierte VO (EU) 2016/1075. Art. 22 Abs. 7 lit. d Delegierte VO (EU) 2016/1075. Vgl. Art. 8 Abs. 9 lit. r SRM-VO; § 40 Abs. 3 Nr. 18 SAG. Vgl. §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 46 Abs. 2 Satz 2 SAG, aber auch § 48 Abs. 3 Satz 1 SAG. S. zu Gruppenabwicklungsplänen auch Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 235, sowie Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, B. I. Rz. 92 f. 258) Vgl. § 46 Abs. 2 Satz 2 SAG.

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§ 15

III. Abwicklungsplanung

Aus diesem Grund bestehen für den Gruppenabwicklungsplan bestimmte zusätzliche Anforderungen: x

Gruppenabwicklung: Die in dem Plan darzustellende Gruppenabwicklung kann entweder durch Maßnahmen auf der Ebene des Mutterunternehmens oder durch eine Abspaltung und Abwicklung der Tochterunternehmen erfolgen (Art. 8 Abs. 10 Satz 1 SRM-VO).259) Der erste Ansatz wird als „single point of entry“, der zweite als „multiple point of entry“ bezeichnet.260) Vor diesem Hintergrund hat der Gruppenabwicklungsplan Abwicklungsmaßnahmen zu enthalten, welche sich sowohl auf das Mutterunternehmen als auch auf die Tochterunternehmen beziehen (Art. 8 Abs. 10 Satz 2, Abs. 11 Unterabs. 1 lit. a SRM-VO).261) Zudem sind Maßnahmen vorzusehen, welche die Abwicklung auf Gruppenebene erleichtern (Art. 8 Abs. 11 Unterabs. 1 lit. e SRM-VO).262)

x

Koordination: Weiterhin muss in dem Gruppenabwicklungsplan analysiert werden, wie in Bezug auf die in der Europäischen Union ansässigen Gruppenunternehmen ein koordinierter Einsatz von Abwicklungsmaßnahmen möglich ist bzw. welche Hindernisse hierfür bestehen (Art. 8 Abs. 11 Unterabs. 1 lit. b SRM-VO).263) Gehören der Gruppe auch Unternehmen an, die in Drittstaaten ansässig sind, muss zusätzlich in dem Plan berücksichtigt werden, wie mit den Drittstaatsbehörden zusammengearbeitet werden kann und welche Auswirkungen eine von diesen Behörden eingeleitete Abwicklung auf den europäischen Teil der Gruppe hat (Art. 8 Abs. 11 lit. d SRM-VO).264)

7.

Vereinfachte Anforderungen

Ähnlich wie bei dem Sanierungsplan kann die Abwicklungsbehörde nach Maßgabe des 95 Art. 11 Abs. 1 SRM-VO auch für den Abwicklungsplan vereinfachte Anforderungen festsetzen.265) Diese vereinfachten Anforderungen können sich gemäß Art. 11 Abs. 4 SRMVO266) auf folgende Gesichtspunkte beziehen: x

den Inhalt und den Detaillierungsgrad des zu erstellenden Abwicklungsplans,

x

die Frist, innerhalb derer der Abwicklungsplan zu erstellen und zu aktualisieren ist,

x

den Inhalt und den Detaillierungsgrad der von den Instituten im Zusammenhang mit der Abwicklungsplanung zu übermittelnden Informationen oder

x

den Detaillierungsgrad der Bewertung der Abwicklungsfähigkeit.

Anders als im Falle des Sanierungsplans ist die Entscheidung über die Anwendung verein- 96 fachter Anforderungen kein in das Außenverhältnis wirkender Verwaltungsakt, sondern eine behördeninterne Entscheidung. Für die Entscheidung gelten gemäß Art. 11 Abs. 3 SRM-VO267) jedoch ähnliche Kriterien wie für die Festsetzung vereinfachter Anforderungen bei dem Sanierungsplan (siehe oben Rz. 67 f.). Ergänzend gelangt auch hier die Delegierte ___________ 259) Vgl. § 46 Abs. 2 Satz 2 SAG. 260) S. dazu Binder, ZHR 179 (2015), 83, 123 ff.; Binder in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 165, 176 ff. 261) Vgl. § 46 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SAG. 262) Vgl. § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 SAG. 263) Vgl. § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 SAG. 264) Vgl. § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SAG. S. zu der Notwendigkeit einer grenzüberschreitenden Verfahrenskoordination auch Binder, ZBB 2015, 153, 156 ff. 265) Die Möglichkeit einer vollständigen Befreiung besteht beim Abwicklungsplan allerdings nicht; vgl. auch Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662, 663. 266) Vgl. § 41 Abs. 1 SAG. 267) Vgl. § 41 Abs. 2 SAG.

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§ 15

Sanierungs- und Abwicklungsplanung

Verordnung (EU) 2019/348 (betreffend die vereinfachten Anforderungen) zur Anwendung. 8.

Praktische Anwendung des geltenden Rechtsrahmens

97 Während der europäische Rechtsrahmen zur Abwicklungsplanung in der Theorie gewährleistet, dass eine kurzfristige Abwicklung bestandsgefährdeter Institute in systemverträglicher und öffentliche Mittel schonender Art und Weise ausreichend vorbereitet ist, nähren vergangene europäische Rettungsfälle Zweifel an der Bereitschaft zur praktischen Umsetzung der erstellten Abwicklungspläne. 98 So kam das SRB bei den am 23.6.2017 von der ECB als „ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend“ eingestuften268) italienischen Instituten Banca Popolare di Vicenza und Veneto Banca zu dem Schluss, dass Abwicklungsmaßnahmen nach europäischen Regeln nicht im öffentlichen Interesse liegen.269) Um vorhandene Liquiditätslücken zu schließen und eine Veräußerung von Sparten der beiden Institute an die Intesa Sanpaolo zu ermöglichen, kam es i. R. der sodann nach nationalem Insolvenzrecht durchgeführten Liquidation zu staatlichen Stützungen in Form einer Kapitalzufuhr i. H. von rund 4,8 Mrd. € und Staatsgarantien i. H. von rund 12 Mrd. €. Diese Maßnahmen wurden von der Kommission am 25.6.2017 als mit der Bankenmitteilung 2013 vereinbar bewertet und genehmigt.270) Nur wenige Tage später, am 4.7.2017, hat die Kommission noch eine weitere staatliche Beihilfe zugunsten eines italienischen Instituts endgültig genehmigt. Der Weg für eine vorsorgliche Rekapitalisierung der Monte dei Paschi di Siena im Umfang von 5,4 Mrd. € war frei geworden, nachdem die EZB i. R. ihrer Aufsichtsfunktion bestätigt hatte, dass das Institut solvent ist und die Mindestkapitalanforderungen erfüllt.271) Dieser erneute Einsatz von Steuergeldern in erheblichem Umfang bei gleichzeitiger (wesentlicher) Verschonung der Gläubiger hat eine Kontroverse über die Glaubwürdigkeit des europäischen Regelwerks zur Bankenabwicklung bzw. dessen konsequenter Durchsetzung durch die zuständigen EU-Institutionen ausgelöst.272) 99 Demgegenüber ist es in der Praxis aber auch bereits zu einem erstmaligen Rückgriff auf einen Abwicklungsplan und zur Anwendung von Abwicklungsmaßnahmen nach der SRMVO gekommen. Nachdem die EZB die spanische Banco Popular am 6.6.2017 als „ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend“ eingestuft hatte,273) beschloss das SRB bereits am 7.6.2017 ein Abwicklungskonzept, welches noch am selben Tag von der Kommission ge-

___________ 268) ECB, ECB deemed Veneto Banca and Banca Popolare di Vicenza failing or likely to fail, PM v. 23.6.2017. 269) SRB, The SRB will not take resolution action in relation to Banca Popolare di Vicenza and Veneto Banca, PM v. 23.6.2017. 270) Kommission, Staatliche Beihilfen: Kommission genehmigt Beihilfe für den Marktaustritt der Banca Popolare di Vicenza und der Veneto Banca gemäß dem italienischen Insolvenzrecht, einschließlich des Verkaufs einiger Teile von Intesa Sanpaolo, PM v. 25.6.2017. 271) Kommission, Staatliche Beihilfen: Kommission genehmigt vorsorgliche Rekapitalisierung der italienischen Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS), PM v. 4.7.2017. 272) S. dazu Best/Read, Risiko Manager 8/2017, S. 40 ff. und bereits zum Fall Monte dei Paschi di Siena s. Binder, ZBB 2017, 57. 273) ECB, ECB determined Banco Popular Español S.A. was failing or likely to fail, PM v. 7.6.2017. Mittlerweile hat die EZB auf ihrer Internetseite auch Auszüge ihrer „Failing or likely to Fail Assessments“ bzgl. Banco Popular, Banca Popolare di Vicenza sowie Veneto Banca veröffentlicht, in denen die Gründe für die Einstufungen näher erläutert werden, s. entsprechende EZB-Veröffentlichungen: ECB, Assessment of „Failing or Likely to Fail“ for Banco Popular Español, v. 14.8.2017, und ECB, Assessment of „Failing or Likely to Fail“ for Banca Popolare di Vicenza Società per Azioni, v. 14.8.2017.

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§ 15

III. Abwicklungsplanung

nehmigt274) und im Folgenden von der spanischen Abwicklungsbehörde FROB umgesetzt wurde.275) Das Konzept beinhaltet das Instrument der Unternehmensveräußerung nach Art. 24 Abs. 1 SRM-VO und sieht eine Übernahme der Banco Popular für den symbolischen Kaufpreis von 1 € durch die Banco Santander vor. Möglich wurde diese Übernahme im Unterschied zu den venezianischen Instituten nicht durch die Gewährung staatlicher Stützungsmaßnahmen, sondern durch die Herabschreibung bzw. Umwandlung von Aktien sowie eigenkapitalnahen Instrumenten nach Art. 21 SRM-VO. Ein Blick auf die bisherigen Bewährungsproben des neuen europäischen Regelwerks er- 100 gibt folglich ein ambivalentes Bild. Während der Fall der spanischen Banco Popular zeigt, dass den zuständigen Institutionen mittlerweile ein durchaus effektives Abwicklungsregime zur Verfügung steht und eine hinreichende Abwicklungsplanung auch eine kurzfristige Bewältigung von Krisenfällen sicherstellen kann, legen die jüngsten staatlichen Rettungsmaßnahmen in Italien nahe, dass der Umgang mit notleidenden Instituten offenbar auch weiterhin stark von ihrem politischen Rückhalt im Heimatland abhängt. Inwieweit damit Präzedenzfälle geschaffen wurden, die zukünftig eine konsequente Anwendung des geltenden europäischen Rechtsrahmens erschweren, bleibt abzuwarten.

___________ 274) Kommission, Europäische Kommission genehmigt Abwicklung der Banco Popular Español, S. A., PM v. 7.6.2017. 275) SRB, The SRB adopts resolution decision for Banco Popular, PM v. 7.6.2017.

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§ 16 Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

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Übersicht I. 1.

Überblick...................................................... 1 Eckpunkte der Entwicklung von Frühinterventionsmaßnahmen ............................ 8 2. Regelung der Zuständigkeiten................... 20 3. Vollstreckung von Frühinterventionsmaßnahmen ................................................ 22 4. Veröffentlichung von Frühinterventionsmaßnahmen .................................. 25 II. Maßnahmen der EZB nach Art. 16 Abs. 2 SSM-VO ......................................... 28 1. Voraussetzungen der Norm ..................... 29 2. Maßnahmenkatalog.................................... 34 3. Rechtsschutz gegen Maßnahmen der EZB ............................................................. 36 4. Verhältnis zu Maßnahmen nach nationalem Recht ................................................ 38 III. Der Sonderbeauftragte nach § 45c KWG ................................................. 40 1. Einführung.................................................. 42 a) Historie und Anwendungsbereich ..... 42 b) Abgrenzung zu anderen Drittpersonen (Sanierungs- und Reorganisationsberater, vorläufiger Verwalter) ..... 45 aa) Der Sonderbeauftragte als milderes Mittel ............................. 46 bb) Der Sanierungs- und Reorganisationsberater ............................... 51 cc) Der vorläufige Verwalter und der Sonderverwalter ..................... 56 2. Bestellung des Sonderbeauftragten ........... 58 a) Voraussetzungen für die Bestellung des Sonderbeauftragten....................... 58 b) Persönliche Anforderungen an den Sonderbeauftragten ............................. 63 c) Befugnisse und Pflichten nach § 45c Abs. 1, Abs. 3 KWG.................. 68 d) Haftung................................................ 71 e) Vergütung ............................................ 75 3. Aufgaben des Sonderbeauftragten ............ 76 a) Katalogmaßnahmen nach § 45c Abs. 2 KWG ........................................ 80 aa) Übernahme von Organbefugnissen (§ 45c Abs. 2 Nr. 1 – 4 KWG) ............................ 81 bb) Übernahme und Abhilfe bei Gesetzesverstößen oder aufsichtlichen Anordnungen (§ 45c Abs. 2 Nr. 5 – 6 KWG)................. 84 cc) Unterstützung in Krisen (§ 45c Abs. 2 Nr. 7 – 9 KWG)................. 86

dd) Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen Organmitglieder (§ 45c Abs. 2 Nr. 10 KWG) .... 90 b) Weitere Maßnahmen........................... 92 4. Stellung des suspendierten Organmitglieds ..................................................... 93 5. Aufhebung und Abberufung des Sonderbeauftragten .......................................... 98 IV. Maßnahmen bei Gefahr nach § 46 KWG......................................................... 102 1. Einführung................................................ 102 2. Abgrenzung zu anderen Vorschriften .... 106 3. Eingriffsgrundlage.................................... 112 a) Gläubigergefährdung ........................ 112 b) Gefährdung einer wirksamen Aufsicht ............................................. 116 4. Einstweilige Maßnahmen......................... 117 a) Maßnahmenkatalog........................... 117 aa) Anweisungen für die Geschäftsführung ....................................... 118 bb) Verbot von Einlagen- und Kreditgeschäft ............................ 119 cc) Tätigkeitsuntersagung/-beschränkung für Inhaber und Geschäftsleiter............................ 123 b) Weitere Maßnahmen i. R. von § 46 KWG.......................................... 125 c) Einstweiligkeit................................... 126 5. Sonstige Regelungen in § 46 Abs. 1 Satz 3 – 9 KWG ......................................... 127 6. Rechtschutz .............................................. 130 V. Maßnahmen nach den §§ 36 ff. SAG.... 131 1. Einführung................................................ 131 2. Abgrenzung zu anderen Vorschriften .... 133 a) KWG.................................................. 133 b) KredReorG ........................................ 137 3. Abgrenzung zur SRM-VO ...................... 140 a) Anwendungsbereich.......................... 140 b) Rolle der Abwicklungsbehörden in der Frühintervention .................... 143 4. Frühinterventionsmaßnahmen nach § 36 SAG................................................... 147 a) Eingriffsgrundlage............................. 148 aa) Signifikante Verschlechterung der Finanzlage ............................ 154 bb) Organisatorische Mängel .......... 160 cc) Transparenz- und Meldepflichten...................................... 162 b) Konkretisierung durch Berücksichtigung der EBA-Leitlinien ......... 163

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

aa) Bindungswirkung von EBALeitlinien..................................... 164 bb) Festlegung von Auslösebedingungen ............................... 166 c) Maßnahmenkatalog gegenüber der Geschäftsleitung ......................... 172 aa) Aktualisierung und Umsetzung des Sanierungsplans (§ 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. a und lit. b SAG)........................................... 174 bb) Erstellung einer Analyse mit Lösungsvorschlägen bzw. eines Plans zur Umschuldung (§ 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. c und lit. d SAG) .................................. 176 cc) Änderung der Geschäftsstrategie (§ 36 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 lit. e SAG)........................................... 177

5. 6. 7.

dd) Zugangsgewährung für Behörden (§ 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. f SAG)................................... 180 ee) Einberufung der Anteilsinhaberversammlung (§ 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. g SAG)........................................... 184 d) Maßnahmen gegenüber dem Institut (§ 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SAG).................................................. 193 e) Weitere Maßnahmen......................... 198 Abberufung der Geschäftsleitung nach § 37 SAG.......................................... 199 Bestellung eines vorläufigen Verwalters nach § 38 SAG .................................. 203 Koordinierung der Frühinterventionsmaßnahmen (§ 39 SAG).......................... 211

Literatur: Auerbach/Donner, Änderungen der aufsichtsrechtlichen Eingriffsinstrumenten des KWG nach dem Restrukturierungsgesetz, DB 2011, 17; Bauer/Hildner, Die Sanierung, Abwicklung und Insolvenz von Banken – Ein vollendeter Dreiklang?, DZWIR 2015, 251; Baumgartner, Wenn der Vorstand gehen muss, BaFin-Journal 1/2019, 10; Binder, Die Auswirkungen der Basel II – Umsetzung auf die aufsichtsrechtlichen Eingriffskompetenzen nach dem Kreditwesengesetz, WM 2006, 2114; Berger, Rechtsanwendung durch die EZB im Single Supervisory Mechanism (SSM), WM 2016, 2325; Bitz/Matzke, Bankenaufsicht in Deutschland – Entwicklungslinien und -tendenzen, in: Mensch und Markt – Die ethische Dimension wirtschaftlichen Handelns, Festschrift für Volker Arnold, 2011, S. 3; Bürkle, Mehr Regulierung, mehr Fehler, mehr Eingriffe der Aufsichtsbehörde, VW 2014, 60; Bürkle, Der Sonderbeauftragte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Versicherungssektor, 2013; Bürkle, Die Suspendierung von Unternehmensorganen durch die Einsetzung von Sonderbeauftragten der Versicherungsaufsicht, Versicherungsrecht, VersR 2006, 302; Grundmann, Das grundlegend reformierte Wertpapierhandelsgesetz – Umsetzung von MiFID II (Conduct of Business im Kundenverhältnis), ZBB 2018, 1; Grünewald/Lackhoff, Die Bankenunion der EU und ihre Auswirkungen auf den Drittstaat Schweiz, GesKR 2016, 139; Hanten, Der Sonderbeauftragte nach § 45c KWG – Ein Platz zwischen allen Stühlen (Teil I), BKR 2019, 157; Hanten, Der Sonderbeauftragte nach § 45c KWG – Ein Platz zwischen allen Stühlen (Teil II), BKR 2019, 218; Herring/Fiedler, Der Sonderbeauftragte in der Bankenaufsicht, § 45c KWG (Neuregelung durch das Restrukturierungsgesetz), WM 2011, 1311; Hübner/Leunert, Die Sanierung von Banken nach dem SAG und SRM-VO, ZIP 2015, 2259; Kerjean, The Single Supervisory Mechanism and the oversight function of the ECB, Journal of International Banking Law & Regulation (JIBLR) (2018) 37; Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 2018; Lehmann/Manger-Nestler, Einheitlicher Europäischer Aufsichtsmechanismus: Bankenaufsicht durch die EZB, ZBB 2014, 2; Lutz, Aufsichtliche Überprüfung von Geschäftsmodellen der Kreditinstitute – Status quo und zukünftige Entwicklungen, ZKredW 2014, 168; Lutz/Röhl/ Schneider, Bankenaufsicht und unternehmerische Entscheidungen, ZBB 2012, 342; Peuker, Die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften durch Unionsorgane – ein Konstruktionsfehler der europäischen Bankenaufsicht, JZ 2014, 764; Philipp, Systemänderung: Amputiertes Aktienrecht für Banken, Das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG), AG 2015, 77; Schoenmaker/Véron, European Banking Supervision: The First Eighteen Months, 2016, https://www.bruegel.org/wp-content/uploads/2016/06/ Blueprint-XXV-web.pdf (Abrufdatum jew. 7.5.2020); Schulenburg/Brosius, Die cooling-off Periode bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften in der Umwandlung, BB 2010, 3039; Schuster, The banking supervisory competences and powers of the ECB, EuZW-Beilage 2014, 3: Schuster/Pitz, SREP capital rations and due process, ZBB 2016, 343; Sedlak, Maßnahmen des frühzeitigen Eingreifens, in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, 2016, S. 84; Struckmann, Reichweite der Frühinterventionsbefugnisse der Aufsichtsbehörden nach § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. e SAG, ZBB 2019, 26; Struckmann, Kurze Einberufungsfrist mit hoher Relevanz – zur zehntägigen Einberufungsfrist zu Hauptversammlungen nach § 36 Abs. 5 SAG, BKR 2019, 393; Unkel, Die Rechtsfigur des Sonderbeauftragten als öffentlich-rechtlich bestellter Verwaltungsmittler, 2011; Uwer/Radermacher, Das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot bei der Bekanntmachung bankaufsichtlicher Maßnahmen nach § 60b KWG, BKR 2015, 145; Wimmer, Das Restrukturierungsgesetz, jurisPR-InsR 6/2011 Anm. 1. Verlautbarungen des International Monetary Fund (IMF): IMF, Euro Area Policies: Financial Sector Assessment Program-Technical Note-Bank Resolution and Crisis Management, v. 19.7.2018, https://

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Bauer-Weiler/Struckmann

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

§ 16

www.imf.org/en/Publications/CR/Issues/2018/07/19/Euro-Area-Policies-Financial-Sector-Assessment-Program-Technical-Note-Bank-Resolution-and-46106 (Abrufdatum: 7.5.2020). Verlautbarungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht/Basel Committee on Banking Supervision (BCBS): BCBS, Core Principles for Effective Banking Supervision, v. 9/2012, http:// www.bis.org/publ/bcbs230.pdf; BCBS, Frameworks for early supervisory intervention, v. 3/2018, https://www.bis.org/bcbs/publ/d439.pdf; (Abrufdatum jew. 7.5.2020). Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie 2014/59/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/ 2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EG – MiFID II, ABl. (EU) L 173/349 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013; EP/Rat, Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung) – Capital Requirements Directive (CRD I), ABl. (EG) L 177/1 v. 30.6.2006. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; Rat, Verordnung (EU) 2015/159 des Rates v. 27.1.2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2532/98 über das Recht der Europäischen Zentralbank, Sanktionen zu verhängen, ABl. (EU) L 27/1 v. 3.2.2015; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Markets in Financial Instruments Regulation (MiFIR), ABl. (EU) L 173/84 v. 12.6.2014; Rat, Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010. Verlautbarungen der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungsfähigkeit von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG, 2002/47/EG, 2012/30/EU, 2011/35/EU,

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

2005/56/EG, 2004/25/EG und 2007/36/EG, v. 23.11.2016, COM(2016) 852 final – 2016/0362 (COD), https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=COM:2016:0852:FIN; Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 77/91/EWG und 82/891/EG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG und 2011/35/EG sowie der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, v. 6.6.2012, COM(2012) 280 – 2012/0150 (COD), https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=COM %3A2012%3A0280%3AFIN; (Abrufdatum jew. 7.5.2020). Verlautbarungen des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA): EWSA, Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 77/91/EWG, 82/891/EG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG und 2011/35/EG sowie der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010“ – BRRD-Richtlinienvorschlag, COM(2012) 280 final – 2012/0150 (COD), ABl. (EU) C 44/68 v. 15.2.2013. Verlautbarungen der European Banking Authority (EBA): EBA, Single Rulebook Q&A, https:// eba.europa.eu/single-rule-book-qa; EBA, Überarbeitete Leitlinien zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) sowie für die aufsichtlichen Stresstests, zur Änderung der EBA/GL/ 2014/13 v. 19.12.2014 – Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), https:// eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/2535561/9ad309c8-e45c-469d-b293e11267176bb3/Revised%20Guidelines%20on%20SREP%20%28EBA-GL-2018-03%29_DE.pdf; EBA, Guidelines compliance table, v. 29.9.2015, Stand: 5.10.2018 (EBA/GL/2015/03 Appendix 1), https:// eba.europa.eu/documents/10180/1067473/EBA+Guideline+2015+03-Compliance+Table-GLs+ on+Triggers+for+use+of+Early+Intervention+Measures.pdf/f33a4579-3247-432a-867e-0fd3008 615f6; EBA, Leitlinien zu den Bedingungen für die Prüfung der Anwendung von Frühinterventionsmaßnahmen gemäß Art. 27 Abs. 4 der Richtlinie2014/59/EU, v. 8.5.2015 (EBA/GL/2015/03), https:// eba.europa.eu/documents/10180/1151520/EBA-GL-2015-03_DE+_GL+on+early+intervention+ measures.pdf/642bf2ca-4f53-4d72-9bf0-9c0c5a139c00; EBA, Guidelines on early intervention triggers, Pressemitteilung v. 8.5.2015, https://eba.europa.eu/regulation-and-policy/recovery-and-resolution/ guidelines-on-early-intervention-triggers#pane-289; EBA, Leitlinien zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess – SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/ 10180/1051392/5d63aad3-5b03-4301-b1c9-174e3670ad66/EBA-GL-2014-13%20GL%20on%20Pillar %202%20(SREP)%20-%20DE.pdf; (Abrufdatum jew. 7.5.2020). Rechtsakte und Verlautbarungen der Europäischen Zentralbank (EZB/ECB): ECB, List of supervised entities, Stand: 1.1.2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.list_of_supervised_entities_201802.en.pdf; ECB, Annual Report on supervisory activities, 2017, https://www. bankingsupervision.europa.eu/press/publications/annual-report/pdf/ssm.ar2017.en.pdf?63a120afab 30be18171c083089709229; ECB, SSM SREP Methodology Booklet, 2017, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.srep_methodology_booklet_2017.en.pdf; EZB, Stellungnahme zu Änderungen des Unionsrahmens für das Krisenmanagement, v. 8.11.2017 (CON/2017/47), https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A52017AB0047; ECB, Letter of Danièle Nouy to the European Parliament, v. 18.8.2017, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ ecb/pub/pdf/ssm.mepletter170818_Lamberts.en.pdf; EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 5/2017, https://www.bankingsupervision. europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.fap_guide_201705.de.pdf?de3bbbd9ecadd9cd2d75889d39effaaf; EZB, Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank v. 16.4.2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus – SSM-RahmenVO (EZB/2014/17), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014; (Abrufdatum jew. 7.5.2020). Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): BaFin, Deutsche Bank AG: BaFin ordnet Präventionsmaßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung an, Pressemitteilung v. 24.9.2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Massnahmen/60b_KWG/meldung_180924_60b_deutsche_bank.html; BaFin, Auslegungshilfe zur Institutsvergütungsverordnung – Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, Stand: 15.2.2018, https:// www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Auslegungsentscheidung/BA/ae_180216_instit utsvergv.html; BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_ 170131_GL_KWG_ZAG_KAGB.pdf?__blob=publicationFile&v=8; BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand:

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§ 16

I. Überblick

12.11.2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_170131_AR_ KWG_KAGB.pdf?__blob=publicationFile&v=10; (Abrufdatum jew. 7.5.2020).

I.

Überblick )

Der Begriff der Frühinterventionsmaßnahmen ist am treffendsten über seine Zielrichtung 1 definiert. Frühinterventionsmaßnahmen zielen darauf ab, bereits zu einem frühen Zeitpunkt Schwächen bei einem Institut zu identifizieren und auf diese zu reagieren, bevor diese zu einer Gefahr für das einzelne Institut oder das gesamte System werden können.1) Damit unterscheiden sich Frühinterventionsmaßnahmen von der klassischen Bankenaufsicht, die im Allgemeinen darauf gerichtet ist, im Nachhinein auf eingetretene Gesetzesverstöße oder sonstige Missstände zu reagieren und damit einen eher repressiven Charakter hat.2) Umgesetzt wird diese Zielrichtung durch die Verwendung des Begriffs der „Gefahr“ (z. B. in 2 § 46 Abs. 1 KWG), der auch Dreh- und Angelpunkt des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts ist. Dies verdeutlicht, dass Frühinterventionsmaßnahmen rechtsdogmatisch dem großen Bereich des Gefahrenabwehrrechts zuzuordnen sind, so dass im Hinblick auf Eingriffsvoraussetzungen, Ermessensentscheidungen und Rechtsschutzmöglichkeiten altbewährte Grundsätze gelten, auf die im Folgenden u. a. eingegangen werden soll. Im Rahmen der Frühintervention können die zuständigen Aufsichtsbehörden eine Vielzahl 3 an Maßnahmen mit und ohne Regelungscharakter treffen, von der unverbindlichen Verhaltensbeeinflussung der Geschäftsleitung bis hin zu Verwaltungsakten mit weitreichenden Rechtsfolgen für das Institut.3) Die einschlägigen Rechtsgrundlagen gestatten den Behörden zur Frühintervention mehr oder weniger tiefgreifend auf die Geschäftsleitung, die Organisation und die Tätigkeit der Institute einzuwirken. Dabei müssen die zuständigen Behörden i. R. des Verhältnismäßigkeitsprinzips unter Zugrundelegung einer zukunftsgerichteten wirtschaftlichen Bewertung auch die am besten geeignete(n) Frühinterventionsmaßnahme(n) wählen, um eine den speziellen Umständen angemessene Wirkung zu erzielen.4) Maßgebend für diese Befugnisse sind auf nationaler Ebene v. a. die §§ 45c f. KWG, das 4 KredReorgG5) und die §§ 36 ff. SAG6). Auf europäischer Ebene werden Frühinterventionsmaßnahmen im Bankensektor v. a. durch die Richtlinie 2014/59/EU (Banking Recovery and Resolution Directive – BRRD)7), die Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 (Single Supervisory Mechanism – SSM-VO)8) sowie die Verordnung (EU) Nr. 806/2014 (Single Reso___________

) 1) 2) 3) 4) 5) 6)

7)

8)

Die Inhalte dieses Beitrags stellen die persönlichen Ansichten der Autoren dar. Die Beiträge von Dr. Denise Bauer-Weiler sind insb. nicht als Standpunkte der UBS zu verstehen. Vgl. BCBS, Core Principles for Effective Banking Supervision, v. 9/2012, S. 4; vgl. auch ErwG 40 BRRD. Höpfner in: Brogl, Hdb. Banken-Restrukturierung, S. 29 Rz. 1. BCBS, Frameworks for early supervisory intervention, v. 3/2018, S. 5. EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), S. 194 Rz. 501. Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten – Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz (KredReorgG), v. 9.12.2014, BGBl. I 2010, 1900. Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen – Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG), v. 10.12.2014, BGBl. I 2014, 2091, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 19.3.2020, BGBl. I 2020, 529. Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019. Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates v. 15.10.2013 – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

lution Mechanism – SRM-VO)9) determiniert. Sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen dieser Handlungsbefugnisse als auch im Hinblick auf die möglichen Rechtsfolgen bestehen zum Teil große Schnittmengen, die in der Praxis die Anwendung der Frühinterventionsmaßnahmen nicht unerheblich erschweren.10) Daher soll im Folgenden u. a. die Abgrenzung der einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen im Vordergrund stehen. 5 Frühinterventionsmaßnahmen der Aufsichtsbehörden sind systematisch eingebettet zwischen Maßnahmen der laufenden Aufsicht und Maßnahmen in der Abwicklung von Instituten und sind damit kein in sich geschlossenes System.11) Vielmehr bestehen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Bereichen. So können Frühinterventionsmaßnahmen z. B. einerseits Auslöser für den Clawback von Bonuszahlungen sein12) (umfassend zum Clawback siehe § 12 Rz. 124 ff. [Glasow]) und andererseits gemäß Art. 13 Abs. 2 SRM-VO für das Single Resolution Board (SRB) als „Startschuss“ für die Vorbereitung von Abwicklungsmaßnahmen für das betroffene Institut dienen (zur Abwicklung systemrelevanter Institute siehe § 18 [Binder]). 6 Trotz der umfangreichen Handlungsbefugnisse der Aufsichtsbehörden i. R. der Frühintervention, fristeten die einschlägigen Maßnahmen des KWG und SAG in der Aufsichtspraxis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) lange Zeit eher ein Schattendasein. Wenn Frühinterventionsmaßnahmen zum Einsatz kamen, dann geschah dies abseits der Öffentlichkeit. Auch der europäische Vergleich zeigt, dass Frühinterventionsmaßnahmen bisher nur selten zum Einsatz kamen.13) So hat z. B. die Europäische Zentralbank (EZB) im Fall der Banco Popular Español keine Frühinterventionsmaßnahmen angeordnet, obwohl diese später als „failing or likely to fail“ eingestuft wurde; gleiches gilt für die Banca Popolare di Vicenza und die Veneto Banca.14) 7 In den Jahren 2017 und 2018 zeigte sich jedoch ein gewisser Wandel. Die BaFin erließ mehrere Frühinterventionsmaßnahmen. Sie bestellte Sonderbeauftragte nach § 45c Abs. 1 KWG (siehe hierzu unten Rz. 40 ff.) bspw. bei der bayerischen Dero Bank AG im Zusammenhang mit einem erlassenen Moratorium und bei der Deutsche Bank AG wurde der Sonderbeauftragte eingesetzt um die Umsetzung von Maßnahmen im Bereich der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu überwachen.15) Beide Fälle sind Indizien für die zunehmende praktische Bedeutung von Frühinterventionsmaßnahmen. Auch die Rufe der ___________ 9) Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019. 10) EZB, Stellungnahme zu Änderungen des Unionsrahmens für das Krisenmanagement, v. 8.11.2017 (CON/ 2017/47), Rz. 4.1. 11) Gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 SAG ist die vorhergehende Anwendung von Maßnahmen der Frühintervention (§§ 36 – 38 SAG oder §§ 45 – 46 KWG) indes keine Voraussetzung für den Erlass von Abwicklungsmaßnahmen. Auch im ersten Abwicklungsfall auf europäischer Ebene, der Banco Popular Español, kamen keine Frühinterventionsmaßnahmen zur Anwendung. 12) BaFin, Auslegungshilfe zur InstitutsVergV 2017, Stand: 15.2.2018, S. 50. 13) So äußerte z. B. Danièle Nouy, gegenüber Mitgliedern des Europäischen Parlaments, dass die EZB zwar häufig Aufsichtsmaßnahmen nach Art. 16 SSM-VO erließe, die Umsetzung von Frühinterventionsmaßnahmen sich jedoch schwierig gestalte, vgl. EZB, Letter of Danièle Nouy to the European Parliament, v. 18.8.2017. 14) ECB, Annual Report on supervisory activities, 2017, S. 47 ff.; s. zur Chronologie der Ereignisse im Jahr 2017: IMF, Euro Area Policies: Financial Sector Assessment Program-Technical Note-Bank Resolution and Crisis Management, v. 19.7.2018, S. 12 – 13. 15) BaFin, Deutsche Bank AG: BaFin ordnet Präventionsmaßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung an, PM v. 24.9.2018. Auch wenn die Deutsche Bank AG von der EZB beaufsichtigt wird, war hier aufgrund des geldwäscherechtlichen Hintergrunds der Maßnahme originär die BaFin zuständig (s. hierzu § 2 Rz. 17 [Glos/Benzing]).

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§ 16

I. Überblick

EZB nach Reformen in diesem Bereich16) kündigen eine zunehmende Relevanz des Themas an. 1.

Eckpunkte der Entwicklung von Frühinterventionsmaßnahmen

Frühinterventionsmaßnahmen sind keine neuen Instrumente und haben auch nicht erst 8 im Zuge der letzten großen Finanzkrise Einzug in das Bankaufsichtsrecht gefunden. Gleichwohl zeigt die Geschichte, dass die verschiedenen Finanzkrisen für eine Weiterentwicklung der Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörden notwendig waren. Bereits 1934 regelte § 32 KWG die präventiven Befugnisse des damaligen Aufsichtsamtes 9 für Kreditwesen. Hiernach war dieses befugt, „geeignete Maßnahmen“ zu ergreifen, sobald ein Institut in Schwierigkeiten gerät oder zu geraten droht.17) Auch wenn hier der Begriff der „Gefahr“ noch nicht ausdrücklich verwendet wurde, so zeigt der Wortlaut der Norm, dass diese auch präventiven Charakter hat, indem sie auf drohende Schwierigkeiten abstellt. Die Regelung des § 32 KWG a. F. wurde auch in die erste KWG-Novelle übernommen 10 und ausgeweitet. Nach § 46 Abs. 1 KWG i. d. F. v. 196218) konnte das damalige Bundesamt für Kreditwesen (BAKred) einstweilige Maßnahmen zur Abwendung einer Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Kreditinstituts treffen. Im Zuge der Insolvenz der damaligen Kölner Privatbank Herstatt KGaA wurde 1976 die 11 zweite KWG-Novelle verabschiedet, die u. a. die Befugnisse der Aufsicht um den damaligen § 46a a. F. KWG erheblich erweiterte.19) So war die Bankenaufsicht nach der 2. Novelle, die am 1.5.1976 in Kraft trat, schon berechtigt, über eine Not leidende Bank ein vorübergehendes Moratorium zu verhängen (§ 46a a. F. KWG). Mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz von 200220) wurde die Figur des Sonder- 12 beauftragten in das KWG implementiert (§ 36 KWG a. F.). Dadurch sollte neben der repressiven Abberufung der Geschäftsleiter ein weiteres Instrument zugunsten der Aufsicht geschaffen werden. Allerdings wurde diese Maßnahme erst mit dem Restrukturierungsgesetz (RestruktG)21) systematisch als Frühinterventionsmaßnahme eingeordnet. Auf europäischer Ebene wurden Frühinterventionsmaßnahmen erstmalig in der Richtlinie 13 2006/48/EG vom 14.6.2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (CRD I)22) erfasst. So hieß es, dass die national zuständigen Behörden verpflichtet seien, Maßnahmen frühzeitig zu treffen, wenn ein Kreditinstitut den Anforderungen der CRD I nicht genüge. Als Maßnahmen standen bereit, mehr Eigenmittel zu verlangen bzw. Vergütungsparameter einzurichten, Nettogewinne zur Stärkung der Eigenkapitalausstattung zu verwenden, Regelungen, Prozesse, Mechanismen und Strategien zu stärken, aber eben auch die Geschäftsbereiche, Tätigkeiten oder das Netzwerk von Kreditinstituten ein___________ 16) EZB, Stellungnahme zu Änderungen des Unionsrahmens für das Krisenmanagement, v. 8.11.2017 (CON/2017/47), Rz. 4.1. 17) Reichsgesetz über das Kreditwesen v. 5.12.1934, RGBl. I 1934, 1203. 18) Gesetz über das Kreditwesen – Kreditwesengesetz (KWG), v. 15.7.1961, BGBl. I 1961, 831. 19) Bitz/Matzke in: FS Arnold, S. 3, 12. 20) Gesetz zur weiteren Förderung des Finanzplatzes Deutschland – Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, v. 21.6.2002, BGBl. I 2002, 2010. 21) Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist für die aktienrechtliche Organhaftung – Restrukturierungsgesetz (RestruktG), v. 9.10.2010, BGBl. I 2010, 1900. 22) Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2006 – Capital Requirements Directive (CRD I), ABl. (EG) L 177/1 v. 30.6.2006.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

zuschränken und die Herabsetzung des mit den Tätigkeiten, Produkten und Systemen von Kreditinstituten verbundenen Risikos zu verlangen. 14 Die insoweit maßgebliche Bestimmung der CRD I, Art. 136, wurde in § 45b KWG a. F. umgesetzt. Nach der Gesetzesbegründung sollte dies der Aufsicht die Möglichkeit geben, organisatorischen Mängeln eines Instituts bzw. einer Instituts- oder Finanzholding-Gruppe, von denen sie aufgrund der Berichte über die Jahresabschlussprüfung oder i. R. der laufenden Aufsicht Kenntnis erlangt hat, frühzeitig entgegenzuwirken und v. a. gezielter als zuvor auf die Bereinigung der Schwachstellen eines Instituts hinwirken zu können.23) 15 Die Weiterentwicklung der Frühinterventionsmaßnahmen lässt sich wiederum auf Finanzkrise 2007/2008 zurückführen. Nach der Insolvenz der Lehman Brothers Investmentbank im Jahr 2008 war man zu der Erkenntnis gelangt, dass die bisher vorhandenen bankaufsichtsrechtlichen Instrumente zur Insolvenzbewältigung für die Sanierung von systemrelevanten Banken nicht mehr ausreichend waren.24) Mit dem RestruktG aus dem Jahr 2010 rückten insbesondere die Frühinterventionsmaßnahmen weiter in den Fokus des Gesetzgebers. Das RestruktG ist ein deutsches Artikelgesetz, welches die eigenständige Bedeutung von Frühinterventionsmaßnahmen stärkt, indem es dazu beitragen soll, die Schieflage einer systemrelevanten Bank ohne Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems bewältigen zu können. Dazu wurde das Sanierungs- und Reorganisationsverfahren implementiert und im Bereich der Frühintervention im KWG wurden die bis dato getrennten Ermächtigungsgrundlagen § 46 und § 46a a. F. KWG in einer Norm zusammengefasst. Zusätzlich wurde die Funktion des Sonderbeauftragten in § 45c KWG überführt und mit detaillierteren Befugnissen als in der Vorgängerregelung in § 36 KWG a. F. ausgestattet. Ziel der Neuregelung im KWG war es insbesondere, die Frühintervention als eigenständiges Aufsichtsinstrument mit überwiegend präventivem Charakter zu etablieren.25) 16 Die Jahre 2013 bis 2016 brachten dann durch die BRRD, die SSM-VO sowie die SRM-VO eine weitere Europäisierung der Frühinterventionsmaßnahmen mit sich. Die BRRD dient der Harmonisierung von Sanierungs- und Abwicklungsinstrumenten zur Rettung von Instituten und sieht eine dreistufige Struktur vor: x

Prävention (insb. durch die Erstellung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen, siehe hierzu umfassend § 15 [Cichy]);

x

Frühintervention und

x

Abwicklung (siehe hierzu umfassend § 18 [Binder]).

17 Für das Stadium der Frühintervention sieht die BRRD vor, dass die Aufsichtsbehörden mit neuen Befugnissen ausgestattet werden sollten. Diese wurden in Deutschland in den §§ 36 ff. SAG umgesetzt, das zum 1.1.2015 in Kraft trat.26) 18 Daneben steht die SSM-VO, welche am 3.11.2013 in Kraft trat. Mit der Verordnung erhielt die EZB eine Reihe von Aufsichtskompetenzen, die gemäß Art. 16 Abs. 2 SSM-VO auch Frühinterventionsbefugnisse umfassen. Aber auch die Verordnung zum einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism – SRM-VO) ist i. R. der Frühintervention relevant. Zwar enthält die SRM-VO insoweit keine materiellen Ermächtigungsgrundlagen. Jedoch regelt sie das Verhältnis zwischen Frühintervention und Abwick___________ 23) Begr. RegE Gesetz zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie, BT-Drucks. 16/1335, S. 66. 24) RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3024, S. 1. 25) Begr. RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3024, S. 42, 60. 26) Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen – Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG), v. 10.12.2014, BGBl. I 2014, 2091, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes v. 23.12.2016, BGBl. I 2016, 3171.

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§ 16

I. Überblick

lung und die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichts- und Abwicklungsbehörden in diesem Stadium, also zwischen der EZB, dem SRB und der BaFin als einheitliche Aufsichtsund Abwicklungsbehörde.27) Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass der Bereich der Frühinterventionsmaß- 19 nahmen geprägt wird durch originär deutsche Vorschriften und Bestimmungen, die auf europäischem Recht beruhen. Die vielfachen Überschneidungen auf Tatbestands- und Rechtsfolgenebene sorgen auch in der Praxis für Rechtsunsicherheit.28) Die wesentlichen Ermächtigungsgrundlagen finden sich insoweit in den x

Art. 16 Abs. 2 SSM-VO (siehe hierzu unten Rz. 28 ff.),

x

§ 45c KWG (siehe hierzu unten Rz. 40 ff.),

x

§ 46 KWG (siehe hierzu unten Rz. 102 ff.),

x

§§ 36 ff. SAG (siehe hierzu unten Rz. 131 ff.).

2.

Regelung der Zuständigkeiten

Zuständig für Maßnahmen der Frühintervention ist grundsätzlich die jeweilige Aufsichts- 20 behörde. Soweit es sich bei einem Institut um ein bedeutendes Institut i. S. von Art. 6 Abs. 4 SSM-VO handelt, das der unmittelbaren Aufsicht der EZB unterliegt (siehe hierzu umfassend § 2 Rz. 21 ff. [Glos/Benzing]), ist die EZB die zuständige Aufsichtsbehörde i. R. der Frühintervention.29) Bei weniger bedeutenden Instituten ist dagegen die BaFin zuständig. Soweit die EZB i. R. der Frühintervention tätig wird, kann dies entweder auf Grundlage 21 von Art. 16 Abs. 2 SSM-VO (siehe hierzu unten Rz. 28) geschehen oder gemäß Art. 4 Abs. 3 SSM-VO auf Basis von deutschem Recht, das die einschlägigen Richtlinien – die CRD30) und BRRD – umsetzt.31) Auch die EZB kann damit i. R. der Frühintervention die §§ 36 ff. SAG, nicht aber die §§ 45c, 46 KWG anwenden, da es sich hierbei um originär nationales Recht handelt.32) Insoweit sieht die SSM-VO in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 3 allerdings ein Weisungsrecht der EZB gegenüber der nationalen Aufsichtsbehörde zur Ausübung ihrer Befugnisse gegenüber den Instituten vor (siehe hierzu umfassend § 2 Rz. 227 [Glos/ Benzing]). Nach Umsetzung des Risikoreduzierungsgesetzes (RiG) wird der Umweg über das Weisungsrecht nicht länger notwendig sein. In §§ 45c, 46 KWG soll die Terminologie

___________ 27) Die Abwicklungsbehörde in Deutschland war ursprünglich die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA). Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung der Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung – FMSA-Neuordnungsgesetz (FMSANeuOG), v. 23.12.2016, BGBl. I 2016, 3171, wurde die FMSA als operativ eigenständige Einheit in die BaFin – Geschäftsbereich Abwicklung – eingegliedert. Das ehemals vorgesehene Modell von der „Anstalt in der Anstalt“ wurde damit aufgegeben. 28) Vgl. EZB, Stellungnahme zu Änderungen des Unionsrahmens für das Krisenmanagement, v. 8.11.2017 (CON/2017/47), Rz. 4.1. 29) Grünewald/Lackhoff, GesKR 2016, 139, 142; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 140. 30) Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019. 31) Die Anwendung deutschen Rechts durch EU-Behörden ist vor dem Hintergrund der demokratischen Legitimation des Verwaltungshandelns und Gesetzgebungskompetenzen nicht unproblematisch, sodass die Rechtmäßigkeit derartiger Maßnahmen teilweise in der Literatur angezweifelt wird (vgl. z. B. Peuker, Die Anwendung nationaler Rechtsvorschriften durch Unionsorgane – ein Konstruktionsfehler der europäischen Bankenaufsicht, JZ 2014, 764, 767 ff.). Überwiegend wird diese Auffassung jedoch nicht geteilt, insb. da sie die Funktionsfähigkeit des SSM in Frage stellt (vgl. Berger, WM 2016, 2325, 2329 m. w. N.). 32) Reischauer/Kleinhans-Geier, KWG, § 46 Rz. 5; Struckmann, ZBB 2019, 26, 27.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

jeweils an die des SSM angepasst werden, sodass die EZB erstmals auch unmittelbar zur Bestellung eines Sonderbeauftragten und Erlass eines Moratoriums befugt sein soll.33) 3.

Vollstreckung von Frühinterventionsmaßnahmen

22 Aufgrund der zum Teil weitreichenden Befugnisse der Aufsichtsbehörden i. R. der Frühintervention stellt sich hier im besonderen Maße die Frage, wie die Behörden im Fall der unterlassenen Umsetzung der angeordneten Maßnahme reagieren können. Maßnahmen der Frühintervention sind vollstreckbare Verwaltungsakte. Für die BaFin ist insoweit gemäß § 17 Abs. 1 FinDAG34) das Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) des Bundes relevant, das als Zwangsmittel die Ersatzvornahme (§ 10 VwVG), das Zwangsgeld (§ 11 VwVG)35) und den unmittelbaren Zwang (§ 12 VwVG) vorsieht. Das Zwangsmittel muss gemäß § 9 Abs. 2 VwVG in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck stehen. Dabei ist das Zwangsmittel möglichst so zu bestimmen, dass der Betroffene und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt werden. Bei der Auswahl des Zwangsmittels ist zudem zu berücksichtigen, ob eine zu vollstreckende Handlung vertretbar ist, oder nicht. 23 Das SAG sieht in § 36 SAG für die Vollstreckung eine Sonderregelung vor. Die Aufsichtsbehörde kann i. R. von § 36 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 lit. g SAG die zu vollstreckende Maßnahme – hier die Einberufung der Anteilseignerversammlung – auch selbst anordnen, soweit die Geschäftsleitung der Anordnung nicht nachkommt (siehe hierzu unten Rz. 188 ff.). Rechtsdogmatisch handelt es sich insoweit also um eine spezialgesetzlich geregelte Vollstreckungsbefugnis, die der Ersatzvornahme bzw. dem unmittelbaren Zwang ähnelt.36) 24 Die Vollstreckung von Maßnahmen der EZB richtet sich primär nach der SSM-VO und der SSM-RahmenVO37) (siehe hierzu auch § 2 Rz. 63 ff. [Glos/Benzing]). Das europäische Recht sieht insoweit die Möglichkeit vor, zur Sanktionierung und zum Beenden von andauernden Verstößen gegen EZB-Beschlüsse eine Art Zwangsgeld zu erlassen.38) Soweit diese Maßnahmen nicht ausreichen und andere Zwangsmittel eingesetzt werden sollen, kann die EZB die nationale Aufsichtsbehörde verpflichten, Amtshilfe im Einklang mit dem nationalen Recht zu leisten.39)

___________ 33) Art. 1 Nr. 54 lit. a, Nr. 55 des RefE eines Gesetzes zur Reduzierung von Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Bankensektor – Risikoreduzierungsgesetz (RiG), https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_VII/ 19_Legislaturperiode/2020-04-22-Risikoreduzierungsgesetz/0-Gesetz.html (Abrufdatum: 7.5.2020). 34) Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG), v. 22.4.2002, BGBl. I 2002, 1310, zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2602. 35) Gemäß § 17 Abs. 1 S. 3 FinDAG kann die Höhe des Zwangsgeldes bis zu 2.500.000 € betragen. 36) Das Bundesrecht kennt nur die Ersatzvornahme in Form der Fremdvornahme durch einen Dritten. Die Selbstvornahme der geschuldeten Handlung durch die Behörde selbst ist im Bundesrecht nur unter den Voraussetzungen des unmittelbaren Zwangs möglich (§ 12 VwVG). In vielen Bundesländern kann die Behörde dagegen auch i. R. der Ersatzvornahme selbst tätig werden (vgl. z. B. § 59 Abs. 1 VwVG NRW). 37) Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank v. 16.4.2014 – SSM-RahmenVO (EZB/2014/17), ABl. (EU) L 141/1 v. 14.5.2014. 38) Art. 18 Abs. 7 SSM-VO i. V. m. der Verordnung (EU) 2015/159 des Rates v. 27.1.2015, ABl. (EU) L 27/1 v. 3.2.2015. Aus Art. 1 Abs. 1 Nr. 6 der VO(EG) Nr. 2532/98 folgt, dass die „Strafgelder“ auch einen Beugecharakter haben sollen; s. hierzu auch umfassend: Gortsos, The Single Supervisory Mechanism, S. 232 ff.; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 237 ff. 39) Die Pflicht der nationalen Aufsichtsbehörde, die EZB bei der Durchsetzung ihrer Maßnahme zu unterstützen folgt insoweit aus Artt. 6 Abs. 2, 9 Abs. 1 Unterabs. 3 SSM-VO sowie Art. 90 Abs. 1 lit. c SSM-Rahmen-VO; s. hierzu umfassend: Lehmann/Manger-Nestler, ZBB 2014, 2, 17; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 67.

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II. Maßnahmen der EZB nach Art. 16 Abs. 2 SSM-VO 4.

§ 16

Veröffentlichung von Frühinterventionsmaßnahmen

Maßnahmen der Frühintervention sind besonders effektiv, wenn sie unbemerkt von der 25 Öffentlichkeit angeordnet und umgesetzt werden. Institut und Aufsicht haben dann die Möglichkeit, ohne äußeren Druck auf Missstände zu reagieren und einen Reputationsschaden beim Institut oder eine Beeinflussung des Finanzmarkts zu verhindern. Für die Frühinterventionsmaßnahmen des KWG, sieht § 60b Abs. 1 KWG jedoch vor, dass 26 die BaFin diese grundsätzlich unter Nennung des Instituts bekannt machen soll, sobald die Maßnahmen bestandskräftig geworden sind. Die Bekanntmachung kann aber nach § 60b Abs. 4 Satz 2 KWG zugunsten der Stabilität der Finanzmärkte oder zum Schutz der beteiligten Institute unterblieben. Die Praxis der BaFin zeigt, dass nach ihrer Ansicht die Bedingungen des § 60b Abs. 4 Satz 2 KWG im Regelfall vorliegen, sodass eine Veröffentlichung von Maßnahmen nach §§ 45c, 46 KWG selten erfolgt.40) Eine vergleichbare Bestimmung zur Veröffentlichung bestandskräftiger Frühinterventions- 27 maßnahmen enthält das SAG hingegen nicht. § 174 Abs. 2 SAG erfasst insoweit nur Maßnahmen der Abwicklungsbehörden.41) (Frühinterventions-)Maßnahmen der EZB aufgrund der SSM-VO werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Insoweit sehen Art. 132 Abs. 1 i. V. m. Art. 120 SSM-RahmenVO lediglich die Veröffentlichung von Bußgeldtatbeständen vor.42) II.

Maßnahmen der EZB nach Art. 16 Abs. 2 SSM-VO

Soweit ein Institut als bedeutend eingestuft wird, unterliegt es der direkten Beaufsichti- 28 gung durch die EZB (siehe hierzu § 2 Rz. 25 ff. [Glos/Benzing]).43) In diesem Rahmen verfügt die Aufsichtsbehörde über eine Reihe von Eingriffsbefugnissen gegenüber den direkt von ihr beaufsichtigten Instituten (siehe hierzu umfassend § 2 Rz. 35 ff. [Glos/Benzing]). Im Bereich der Frühintervention beruhen die Befugnisse der EZB u. a. auf Art. 16 Abs. 2 SSM-VO.44) Die Zugehörigkeit der Norm zu den Frühinterventionsmaßnahmen folgt bereits aus den Erwägungsgründen der Verordnung, die ausdrücklich das Recht der EZB zum frühzeitigen Eingreifen erwähnen.45) 1.

Voraussetzungen der Norm

Die Voraussetzungen eines Frühinterventionseingriffs der EZB ergeben sich aus Art. 16 29 Abs. 1 SSM-VO. Hiernach kann die EZB Maßnahmen treffen, wenn ein Kreditinstitut die Anforderungen der Rechtsakte nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 SSM-VO nicht erfüllt oder ___________ x

40) Soweit ersichtlich ist die Bestellung eines Sonderbeauftragten bei der Deutsche Bank AG der bisher einzig veröffentlichte Fall der Anwendung von Frühinterventionsmaßnahmen (vgl. BaFin, Deutsche Bank AG: BaFin ordnet Präventionsmaßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung an, PM v. 24.9.2018). 41) Czaja geht hingegen davon aus, dass die Norm auch auf Maßnahmen der Aufsichtsbehörden anzuwenden ist (vgl. Luz/Neus/Schaber/u. a.-Czaja, KWG und CRR, Ergänzungsband, SAG § 174 Rz. 6). Hierfür spricht zwar, dass die zugrunde liegenden Bestimmungen – Art. 111, 112 – der BRRD auch Aufsichtsbehörden erfassen. Gegen eine Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 174 Abs. 2 SAG auf Frühinterventionsmaßnahmen spricht jedoch, dass nach Art. 112 BRRD nur „Verwaltungssanktionen“ erfasst sein sollen. 42) Uwer/Rademacher, BKR 2015, 145, 146. 43) Gegenwärtig werden 115 Institute direkt von der EZB beaufsichtigt, vgl. ECB, List of supervised entities, Stand: 1.3.2020. 44) So auch: Berger in: Münch-Hdb. GesR § 64 Rz. 107; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/ CRR-VO, § 45 KWG Rz. 25; Gortsos, The Single Supervisory Mechanism, S. 222; Zagouras in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 124b Rz. 81. 45) ErwG 27, 35 SSM-VO; nach a. A. folgt aus ErwG 27 SSM-VO jedoch gerade, dass die EZB Frühinterventionsmaßnahmen nur i. R. des „einschlägigen Unionsrechts”, also den Artt. 27 ff. BRRD, umgesetzt durch die §§ 36 ff. SAG, treffen könne, vgl. Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 140.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

x

der Aufsichtsbehörde nachweislich bekannt ist, dass das Kreditinstitut innerhalb der nächsten zwölf Monate voraussichtlich gegen diesen Anforderungen verstoßen wird oder

x

die EZB i. R. einer aufsichtlichen Überprüfung festgestellt hat, dass die vom Institut angewandten Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen sowie seine Eigenmittelausstattung und Liquidität kein solides Risikomanagement und keine solide Risikoabdeckung gewährleisten.

30 Damit enthält die Norm sehr weite Voraussetzungen. Grundsätzlich ist jeder Verstoß bzw. voraussichtliche Verstoß gegen Bestimmungen der Capital Requirements Regulation (CRR)46), nationales Umsetzungsrecht oder andere aufsichtsrechtliche Bestimmungen geeignet, eine Maßnahme nach Art. 16 Abs. 2 SSM-VO auszulösen.47) Im Rahmen der Frühintervention ist insoweit insbesondere die Befugnis relevant, bereits dann eingreifen zu können, wenn der EZB nachweislich bekannt ist, dass ein Institut voraussichtlich innerhalb der nächsten zwölf Monate gegen die genannten Bestimmungen verstoßen wird. 31 Das Tatbestandsmerkmal „voraussichtlich“ bringt zum Ausdruck, dass es sich bei der Einschätzung der EZB um eine Prognoseentscheidung handelt. Darüber hinaus bleibt aber unklar, wie das Merkmal zu verstehen ist. Auch ein Blick auf die anderen Sprachfassungen der Norm kann nicht zur Aufklärung beitragen. Im Englischen muss eine Verletzung der genannten Anforderungen „likely“ sein, in der spanischen Fassung dagegen nur „propable“, also wahrscheinlich oder möglich. Das deutsche „voraussichtlich“ ist demgegenüber nach allgemeinem Sprachverständnis eine Steigerung. Die Festlegung auf einen bestimmten Grad der Wahrscheinlichkeit erscheint damit nicht möglich, wäre allerdings auch nicht sachgerecht. Das Merkmal ist vielmehr – ähnlich wie der allgemeine Gefahrenbegriff im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht48) – situativ auszulegen. Die Anforderungen an die Auslegung des Begriffs steigen daher mit der Eingriffsintensität der Maßnahme, also bereits auf der Ebene des Tatbestands. Bei besonders tiefgreifenden Eingriffen ist daher ein besonders hoher Grad der Wahrscheinlichkeit zu fordern.49) 32 Soweit noch kein Verstoß gegen eine aufsichtsrechtliche Bestimmung vorliegt, muss die EZB ihre Prognoseentscheidung auf eine nachweisbare Faktengrundlage stützen. Die bloße Vermutung, dass es zu einem Verstoß kommen wird, ist damit nicht ausreichend. Auch insoweit ist es sachgerecht, die Anforderungen an die Faktengrundlage von der zeitlichen Entfernung bis zum wahrscheinlichen Eintritt einer Verletzung abhängig zu machen. Je entfernter der voraussichtliche Verstoß liegt, desto konkreter muss die Faktengrundlage der EZB sein. 33 Daneben sieht Art. 16 Abs. 1 SSM-VO ein Handeln der EZB vor, wenn diese i. R. einer aufsichtlichen Überprüfung festgestellt hat, dass die vom Institut angewandten Regelungen, Strategien, Verfahren und Mechanismen sowie seine Eigenmittelausstattung und Liquidität kein solides Risikomanagement und keine solide Risikoabdeckung gewährleisten. Eine solche aufsichtliche Überprüfung ist insbesondere der SREP.50) Die Leitlinien der ___________ 46) Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. 47) Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 879. 48) S. hierzu: Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rz. 7. 49) Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 879; Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rz. 231. 50) Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 880. Aber auch die Ergebnisse einer Untersuchung nach Art. 11 SSM-VO oder einer Vor-Ort-Kontrolle gemäß Art. 12 SSM-VO können Anlass für eine Maßnahme nach Art. 16 SSM-VO sein.

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II. Maßnahmen der EZB nach Art. 16 Abs. 2 SSM-VO

§ 16

EBA, nach denen bestimmte SREP-Ergebnisse als Auslöser für Frühinterventionsmaßnahmen dienen sollen (siehe hierzu unten Rz. 163 ff.) können hier jedoch allenfalls als Indiz berücksichtigt werden, da die SSM-VO insoweit keine Ermächtigungsgrundlage für EBA-Leitlinien vorsieht.51) 2.

Maßnahmenkatalog

Art. 16 Abs. 2 SSM-VO stellt der EZB einen Maßnahmenkatalog nicht abschließender 34 Natur zur Verfügung, der sich mit dem des Art. 104 CRD deckt, der in Deutschland insbesondere durch § 45 KWG umgesetzt ist (zu § 45 KWG siehe § 13 Rz. 140 ff. [Glos]). Insoweit hat die EZB auf Rechtsfolgenebene dieselben Handlungsbefugnisse wie die nationalen Aufseher. Zusätzlich zu dem Maßnahmenkatalog des Art. 104 CRD sieht Art. 16 Abs. 2 SSM-VO 35 die Abberufung von Mitgliedern des Leitungsorgans vor. Daher kommt auch eine Abberufung aufgrund der Nichterfüllung von Fit-and-Proper-Kriterien (siehe hierzu § 11 Rz. 159 ff. [Benzler/Krieger]) in Betracht.52) Art. 16 Abs. 1 SSM-VO erfordert eine Verletzung unionsrechtlicher Bestimmungen des Aufsichtsrechts, sodass Art. 91 CRD, der die Fit-and-Proper-Kriterien grundlegend regelt, von diesem Verweis umfasst ist. Hierbei ist die EZB allerdings an die Ausgestaltung dieser Kriterien durch den jeweiligen Sitz-Mitgliedstaat des Instituts gebunden. Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 SSM-VO sieht nämlich vor, dass die EZB das nationale Umsetzungsrecht anwenden muss, hier also die §§ 25c, 25d KWG. Die Merkblätter der BaFin zu Geschäftsleitern und Mitgliedern des Verwaltungsoder Aufsichtsorgans, die diese Fit-and-Proper-Kriterien konkretisieren,53) sind allerdings nicht anzuwenden (zur Reichweite der Anwendung nationalen Rechts durch die EZB siehe § 2 Rz. 179 ff. [Glos/Benzing]).54) Eine unmittelbare Anwendung der Fit-and-ProperKriterien der CRD kommt damit nicht in Betracht. 3.

Rechtsschutz gegen Maßnahmen der EZB

Anders als bei Maßnahmen der nationalen Aufsichtsbehörden, kann ein betroffenes Insti- 36 tut gegen Beschlüsse der EZB nicht vor den nationalen Verwaltungsgerichten klagen (zum Rechtsschutz gegen Maßnahmen der EZB siehe § 2 Rz. 233 ff. [Glos/Benzing]). Stattdessen ist der Weg zu den Unionsgerichten eröffnet. Nach Art. 263 AEUV obliegt es dem EuGH, die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen der EZB zu überwachen.55) Der Anrufung eines Unionsgerichts vorgelagert kann eine Beschwerde zum administrati- 37 ven Überprüfungsausschuss der EZB gemäß Art. 24 Abs. 5 der SSM-VO erfolgen. Hierbei handelt es sich um eine Art freiwilliges Vorverfahren.56) Beschwerdegegenstand ist jeder Beschluss, den die EZB auf Grundlage der Verordnung erlässt.57) Der Antrag kann inner___________ 51) Anders ist dies gemäß Art. 27 Abs. 4 BRRD bei den Frühinterventionsmaßnahmen nach §§ 36 ff. SAG (s. hierzu unten Rz. 131). Hiernach soll die EBA nämlich Leitlinien herausgeben, um eine kohärente Anwendung der Auslösebedingungen für den Rückgriff auf die Maßnahmen nach Art. 27 Abs. 1 BRRD zu fördern. 52) Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 877. 53) BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018; BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018. 54) EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 5/2017, S. 6; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 893, lässt die Frage offen und nennt zumindest auch die Vorzüge einer unionsweiten Fit-and-Proper-Regelung. 55) ErwG 60 SSM-VO. 56) Lehmann/Manger-Nestler, ZBB 2014, 2, 19. 57) Lehmann/Manger-Nestler, ZBB 2014, 2, 19.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

halb eines Monats nach Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht werden, entfaltet aber keine aufschiebende Wirkung.58) 4.

Verhältnis zu Maßnahmen nach nationalem Recht

38 Die EZB kann i. R. der Frühintervention grundsätzlich auf Maßnahmen des nationalen Rechts und auf Art. 16 SSM-VO zurückgreifen. Da es sich bei den §§ 45c, 46 KWG um originär deutsches Recht handelt mit der Folge, dass die EZB diese Maßnahmen nicht selbst anwenden kann, ergibt sich ein Abgrenzungsproblem insbesondere zu den Maßnahmen nach §§ 36 ff. SAG (siehe hierzu unten Rz. 131 ff.). 39 Das europäische Recht macht der EZB grundsätzlich keine Vorgaben, welches Regelungssystem primär von ihr angewandt werden soll. In der Praxis lässt sich daher feststellen, dass die EZB Bestimmungen des nationalen Rechts eher zurückhaltend und nur dort anwendet, wo dies aufgrund der konkreten Umsetzung durch den Mitgliedstaat geboten erscheint oder für die Aufsichtsbehörde nützlich ist.59) Allerdings ist die EZB gehalten, basierend auf den SREP-Ergebnissen Maßnahmen nach §§ 36 ff. SAG zu ergreifen (siehe hierzu umfassend unten Rz. 131 ff.), sodass insoweit Maßnahmen nach Art. 16 Abs. 2 SSM-VO allenfalls ergänzend angewendet werden sollten. III.

Der Sonderbeauftragte nach § 45c KWG

40 § 45c KWG sieht die Möglichkeit der Bestellung eines Sonderbeauftragten vor, welcher mit der Wahrnehmung von unterschiedlich weitreichenden Aufgaben bei einem Institut betraut werden kann.60) Zweck der Norm ist die Schaffung eines Eingriffsinstruments, das in höchstem Maße flexibel an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden kann.61) Vor diesem Hintergrund ist der Sonderbeauftragte auch nicht bloß ein Instrument der Frühintervention, das der Sanierung von Banken dient, sondern kann zu verschiedenen Zwecken eingesetzt werden.62) 41 Aufgrund der versicherungsaufsichtsrechtlichen Historie der Figur des Sonderbeauftragten bestehen bisher überwiegend Erfahrungen mit dem Einsatz von Sonderbeauftragten bei Versicherungen. Soweit ersichtlich, hat die BaFin bisher lediglich die Bestellung des Sonderbeauftragten bei der Deutsche Bank AG Jahr 2018 öffentlich bekannt gemacht.63) Zudem sind Sonderbeauftragte häufiger bei Auslandsbanken und Spezialinstituten im Zusammenhang mit Feststellungen i. R. von Untersuchungen nach § 44 KWG eingesetzt worden.64) ___________ 58) Art. 24 Abs. 8 SSM-VO. 59) Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 877. 60) Die dogmatische Einordnung der Figur des Sonderbeauftragten ist bis heute in der Literatur nicht abschließend geklärt. Hanten, BKR 2019, 157, 161, unterscheidet je nach Aufgabenzuweisung zwischen der Einstufung als Verwaltungshelfer, Beliehener oder eine Organstellung des Sonderbeauftragten. Herring/ Fiedler, WM 2011, 1311, 1315, nennen den Sonderbeauftragten dagegen „obligatorisches Drittorgan“. Auch im Recht der Versicherungsaufsicht ist die Einordnung umstritten, vgl.: Bürkle, Der Sonderbeauftragte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Versicherungssektor, S. 170; Unkel, Die Rechtsfigur des Sonderbeauftragten als öffentlich-rechtlich bestellter Verwaltungsmittler, S. 254 ff.; Baumgartner, BaFin-Journal 1/2019, 10, 11. Auch wenn es sich hierbei um eine überwiegend dogmatische Diskussion handelt, kann die Einordnung z. B. für staatshaftungsrechtliche Fragen relevant werden. 61) Reischauer/Kleinhans-Höpfner, KWG, § 45c Rz. 2, 5. 62) Hanten, BKR 2019, 157, 161. 63) Die Bestellung erfolgte, um die Anordnung zu Ergreifung angemessener Sicherungsmaßnahmen zur Prävention von Geldwäsche und Terrorismusbekämpfung zu überwachen. Der Sonderbeauftragte soll über den Umsetzungsfortschritt berichten und diesen bewerten (vgl. BaFin, Deutsche Bank AG: BaFin ordnet Präventionsmaßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung an, PM v. 24.9.2018). 64) Hanten, BKR 2019, 157, 159.

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III. Der Sonderbeauftragte nach § 45c KWG 1.

Einführung

a)

Historie und Anwendungsbereich

§ 16

Die Figur des Sonderbeauftragten wurde mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz von 42 2002 als § 36 Abs. 1a KWG a. F. in das KWG implementiert. Vorbild für die Vorschrift war § 81 Abs. 2a a. F. VAG,65) welche ihrerseits auf eine Verordnung aus dem Jahr 1936 zurückgeht.66) § 36 Abs. 1a KWG a. F. sah als Sanktionsinstrument bereits vor, dass die BaFin Organmitgliedern eines Instituts die Kompetenzen entziehen und auf einen sog. Sonderbeauftragten übertragen kann. Mit dem RestruktG vom 9.12.2010 wurde die Ermächtigungsgrundlage für die Bestellung des Sonderbeauftragten in § 45c KWG überführt und damit systematisch als Instrument der Frühintervention eingeordnet. Diese Überführung zeigt, dass die Bestellung eines Sonderbeauftragten nicht mehr primär ein Instrument der Sanktionierung von Geschäftsleitern ist, sondern nunmehr in erster Linie der präventiven Gefahrenabwehr dient.67) Daher wurden auch die Befugnisse der Aufsicht erweitert und dem Sonderbeauftragten für spezielle Sonderaufgaben relevante Kompetenzen übertragen, die allgemein der Verbesserung der mangelhaften Geschäftsorganisation in bestimmten Geschäftsbereichen dienen sollen.68) Diese national geprägte Historie der Vorschrift hat auch praktische Auswirkungen: Da 43 § 45c KWG nicht Unionsrecht umsetzt, ist es der EZB verwehrt i. R. der unmittelbaren Beaufsichtigung von Instituten einen Sonderbeauftragten nach § 45c KWG selbst zu bestellen. Demnach kann nur die BaFin einen Sonderbeauftragten bestellen.69) Die EZB kann die BaFin allerdings gemäß Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 3 SSM-VO anweisen, einen Sonderbeauftragten zu bestellen (zum Anweisungsrecht siehe auch § 2 Rz. 227 ff. [Glos/Benzing]). Demgegenüber sieht der RefE des Risikoreduzierungsgesetzes (RiG) vor, dass zukünftig die „Aufsichtsbehörde“ ermächtigt sein soll, den Sonderbeauftragten zu bestellen, sodass die EZB als Aufsichtsbehörde gemäß § 1 Abs. 5 KWG auch unmittelbar gegenüber den Instituten tätig werden könnte.70) Der Einsatz des Sonderbeauftragten kommt in Betracht bei Kredit- und Finanzdienstleis- 44 tungsinstituten. Zudem erweitert § 45c Abs. 8 den Anwendungsbereich der Norm auf Finanzholding-Gesellschaften und gemischte Finanzholding-Gesellschaften, die nach § 10a als übergeordnetes Unternehmen gelten (siehe hierzu § 5 Rz. 21 ff. [Nemeczek/Pitz]). Zudem gilt § 45c KWG entsprechend für die in § 2 Abs. 12 KWG aufgeführten Unternehmen.71) Für Zahlungsdienstleister72) und Kapitalverwaltungsgesellschaften73) bestehen dage___________ 65) Heute § 307 VAG. 66) Art. 3 der VO zur Durchführung des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen v. 21.4.1936, RGBl. I 1936, 376. S. hierzu auch Hanten, BKR 2019, 218, der aufgrund der Entstehungsgeschichte der Norm auch von der Möglichkeit einer „NS-Kontaminierung“ der Norm ausgeht. 67) Begr. RegE RestrukG, BR-Drucks. 534/10, S. 91; Begr. RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3024, S. 60; Bürkle, VW 2014, 60. 68) Begr. RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3024, S. 60. 69) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45c KWG Rz. 8. 70) Art. 1 Nr. 54 lit. a des RefE eines Gesetzes zur Reduzierung von Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Bankensektor – Risikoreduzierungsgesetz (RiG), https://www.bundesfinanzministerium.de/ Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_VII/19_Legislaturperiode/2020-04-22-Risikoreduzierungsgesetz/0-Gesetz.html (Abrufdatum: 7.5.2020). 71) Erfasst sind Betreiber organisierter Märkte mit Sitz im Ausland, die als einzige Finanzdienstleistung ein multilaterales oder organisiertes Handelssystem im Inland betreiben sowie Träger einer inländischen Börse, die außer dem Freiverkehr nach § 48 BörsG oder einem organisierten Handelssystem nach § 48b BörsG als einzige Finanzdienstleistung ein multilaterales oder organisiertes Handelssystem im Inland betreiben. 72) Zur Bestellung von Sonderbeauftragten nach § 20 Abs. 2 ZAG s. Casper/Terlau-Terlau, ZAG, § 20 Rz. 16 ff. 73) Zur Bestellung von Sonderbeauftragten nach § 40 Abs. 2 KAGB s. Assmann/Wallach/ZetzscheHanten, KAGB, § 40 Rz. 17 ff.; Weitnauer/Boxberger/Anders-Weitnauer, KAGB, § 40 Rz. 11.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

gen eigenständige Vorschriften, die lediglich im Hinblick auf Kosten- und Haftungsfragen auf § 45c KWG verweisen. b)

Abgrenzung zu anderen Drittpersonen (Sanierungs- und Reorganisationsberater, vorläufiger Verwalter)

45 Fraglich ist, in welchem Verhältnis die Maßnahme nach § 45c KWG zu den sonstigen Möglichkeiten des aufsichtsrechtlichen Eingreifens nach dem KWG steht. Die Abgrenzung zu anderen Vorschriften erfolgt zum einen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Danach entscheidet sich, welche Maßnahmen insbesondere mildere Mittel zum Einsatz eines Sonderbeauftragten darstellen. Zum anderen muss aber auch eine Abgrenzung zu anderen Drittpersonen erfolgen, die ebenfalls in einer Situation der Frühintervention, Reorganisation oder Insolvenz tätig werden, wie der Sanierungs- und Reorganisationsberater nach dem KredReorgG oder der vorläufige Verwalter nach § 38 SAG bzw. der Sonderverwalter gemäß §§ 87 ff. SAG. aa)

Der Sonderbeauftragte als milderes Mittel

46 Eine konkrete, immer gleich bestehende Rangordnung zwischen § 45c und § 46 KWG oder sonstigen Maßnahmen des KWG gibt es grundsätzlich nicht (siehe zur Abgrenzung auch unten Rz. 110 ff.). Bis zum RestruktG war der Einsatz einer Aufsichtsperson (Verweis bezog sich wohl auf den Sonderbeauftragten nach § 36 a. F. KWG) sogar in § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG a. F. geregelt und damit den anderen Frühinterventionsmaßnahmen nach § 46 KWG systematisch gleichgestellt. 47 Zudem lässt der Gesetzgeber bspw. offen, ob die Maßnahmen zur Verbesserung der Eigenmittelausstattung und der Liquidität nach § 45 KWG als mildere Aufsichtsinstrumente zu bewerten sind und daher vorrangig zum Einsatz kommen sollten, oder ob diese Maßnahmen gleichzeitig mit der Bestellung des Sonderbeauftragten erfolgen. Eine parallele Durchführung erscheint i. R. von § 45c Abs. 2 Nr. 7 KWG bspw. sinnvoll, da die Aufsicht einen Sonderbeauftragten zur Erstellung einer Vorlage eines Restrukturierungsplans bestellen kann.74) 48 Der Sonderbeauftragte ist jedoch dann nicht das mildeste Mittel, wenn bspw. die Anordnung der Aufstellung eines Restrukturierungsplans nach § 45 KWG ausreicht oder wenn die Geschäftsleiter erfahren und aufsichtsrechtlich nicht negativ in Erscheinung getreten sind. Erst wenn – um bei dem Beispiel zu bleiben – der Restrukturierungsplan unzureichend, verspätet oder gar nicht umgesetzt wird, kommt die Bestellung eines Sonderbeauftragten als erforderliches Mittel der Gefahrenabwehr in Betracht. 49 Ansonsten, insbesondere im Vergleich zu einem Moratorium nach § 46 KWG (zum Moratorium siehe § 17 Rz. 12 ff. [Binder]) oder aber der Abberufung oder Tätigkeitsuntersagung von Geschäftsleitern nach § 36 KWG, stellt der Einsatz eines Sonderbeauftragten das mildere Mittel dar. Es ist jedoch auch stets im Einzelfall zu prüfen, ob die Bestellung eines Sonderbeauftragten auch gleich geeignet ist. Das Moratorium nach § 46 KWG sollte daher nur angewandt werden, soweit der Sonderbeauftragte nicht den bankaufsichtlichen Zweck der Maßnahme erfüllen kann.75) 50 Bei mehrfachen Gesetzesverstößen der Geschäftsleiter und der daraus resultierenden Unzuverlässigkeit kann die Bestellung des Sonderbeauftragten als milderes Mittel als die Abberufung nach § 36 Abs. 1 KWG eingesetzt werden. Wird von der Aufsicht ein Sonderbe___________ 74) Luz/Neus/Schaber/u. a.-Willemsen/Rechel, KWG und CRR, § 45c KWG Rz. 5. 75) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45c KWG Rz. 13.

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III. Der Sonderbeauftragte nach § 45c KWG

§ 16

auftragter zur Überwachung der Umsetzung einer aufsichtlichen Anordnung bestellt, muss diese Bestellung auch verhältnismäßig zu der Anordnung sein.76) bb)

Der Sanierungs- und Reorganisationsberater

Wie der Sonderbeauftragte dient auch der Sanierungsberater der Hinzuziehung unterneh- 51 merischen Könnens.77) Sowohl der Sonderbeauftragte als auch der Sanierungsberater können zur Ausarbeitung und Durchführung eines Restrukturierungsplans eingesetzt werden oder punktuelle Schwachstellen in der Geschäftsorganisation aufdecken und vermeiden.78) Der Sanierungsberater ist eine Figur aus dem KredReorgG und hat damit die Aufgabe, in 52 einem Sanierungsverfahren (siehe zu diesem Verfahren unten § 17 Rz. 10 [Binder]) neben der Geschäftsleitung eingesetzt zu werden und den vom Institut bei Gericht vorgelegten Sanierungsplan umzusetzen. Das Sanierungsverfahren wird auf Initiative des Kreditinstituts selbst eingeleitet und soll Schieflagen weit im Vorfeld einer Insolvenz durch frühes und entschiedenes Eingreifen auf der Ebene der Geschäftsführung verhindern soll, neben der Geschäftsleitung eingesetzt zu werden und den vom Institut bei Gericht vorgelegten Sanierungsplan umzusetzen. Der Sanierungsberater wird vom Institut benannt und qua Gesetz nach Prüfung seiner Eignung durch die Aufsicht und Bestellung des OLG (§ 3 Abs. 1 Satz 2 KredReorgG) mit bestimmten Rechten ausgestattet, die zudem mit Einsetzungsbeschluss oder nachfolgenden Beschlüssen durch das OLG erweitert werden können. Zum Sanierungsberater kann grundsätzlich auch ein Mitglied eines Organs oder ein sonstiger Angehöriger des Instituts bestellt werden.79) Die Kompetenzen des Sanierungsberaters ergeben sich aus § 4 Abs. 1 KredReorgG, wozu auch die Informationsgewinnung, das Betreiben von Nachforschungen, Auskunftsverlangen und die Teilnahme an Sitzungen und Versammlungen sämtlicher Organe und Gremien in beratender Funktion gehören. Zudem kann der Sanierungsberater Anweisungen an den Geschäftsleiter sowie Ge- und Verbote für sämtliche Geschäftsfelder und die Geschäftsorganisation erlassen (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 KredReorgG). Der Reorganisationsberater wird dann auf der zweiten Stufe, dem sog. Reorganisations- 53 verfahren eingesetzt (siehe zu diesem Verfahren unten § 17 Rz. 10 [Binder]), das sich grundsätzlich am Insolvenzplanverfahren orientiert und zudem z. B. Eingriffe in Rechte der Gläubiger und auch eine Einbeziehung der Anteilsinhaber ermöglicht. Hier wird der Reorganisationsberater ernannt, der die Kompetenzen des Sanierungsberaters im Sanierungsverfahren und darüber hinaus weitere Kompetenzen erhält. Damit ähneln sich die Kompetenzen von Sanierungs- und Reorganisationsberater einer- 54 seits und Sonderbeauftragtem andererseits.80) Beide haben eine Funktion in einem konsensorientierten Verfahren.81) Auch der Gesetzgeber hat die Figur des Sanierungsberaters an den Sonderbeauftragten angelehnt.82) Manifestiert wird die Gleichartigkeit der Funktionen in § 45c Abs. 2 Nr. 7 KWG, nach dem für die Erstellung und Umsetzung eines Restrukturierungsplans beide Figuren eingesetzt werden können. Sowohl bei dem Sanierungs- und Reorganisationsberater als auch bei dem Sonderbeauftragten geht es zudem ___________ 76) 77) 78) 79) 80) 81) 82)

Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45c KWG Rz. 13. Schipke, Die Weiterentwicklung des Bankeninsolvenzrechts, S. 96. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45c KWG Rz. 2. S. dazu auch umfassend Grieser/Heemann, Bankaufsicht nach der Finanzkrise, S. 274. S. dazu im Vergleich § 45 Abs. 1 Satz 3 KWG und § 4 Abs. 1 Nr. 1, 2 KredReorgG. Schipke, Die Weiterentwicklung des Bankeninsolvenzrechts, S. 96. Schipke, Die Weiterentwicklung des Bankeninsolvenzrechts, S. 96.

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Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

darum, zunächst in Eigeninitiative das Institut zu retten und dadurch ein (weiteres) hoheitliches Eingreifen abzuwehren. 55 Unterschiede bestehen aber in der Ernennung. Zudem müssen die Sanierungs- und Reorganisationsberater nicht zwingend unabhängig sein und können vom Institut selbst vorgeschlagen werden. cc)

Der vorläufige Verwalter und der Sonderverwalter

56 Der vorläufige Verwalter ist in § 38 SAG geregelt und damit neu in das Instrumentarium des Einsatzes von privaten Dritten aufgenommen worden. In Abgrenzung zum Sanierungs- und Reorganisationsberater kann dieser die Geschäftsleitung ersetzen und nicht nur ergänzen. In Abgrenzung zum Sonderbeauftragten sieht das SAG für den vorläufigen Verwalter keinen beispielhaften Befugniskatalog vor. Die Befugnisse des vorläufigen Verwalters sind vielmehr im Einzelfall von der Aufsichtsbehörde festzulegen. Denkbar ist daher auch, den vorläufigen Verwalter mit denselben Kompetenzen auszustatten wie den Sonderbeauftragten. Im Unterschied zu § 45c KWG kann der vorläufige Verwalter auch von der EZB selbst bestellt werden (siehe umfassend zum vorläufigen Verwalter Rz. 203 ff.). 57 Zudem sehen die §§ 87 ff. SAG die Möglichkeit der Bestellung eines Sonderverwalters durch die Abwicklungsbehörde vor. Der Sonderverwalter kann nach der Abwicklungsanordnung bestellt werden. Er ersetzt die Geschäftsleitung und das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr, in Einzelfällen auch länger. Die Abwicklungsbehörde kann dem Sonderverwalter die Befugnisse nach § 45c Abs. 2 KWG übertragen, sodass im Hinblick auf die Kompetenzen beide Eingriffsinstrumente vergleichbar sind.83) 2.

Bestellung des Sonderbeauftragten

a)

Voraussetzungen für die Bestellung des Sonderbeauftragten

58 Die Bestellung des Sonderbeauftragten ist nur durch die BaFin möglich. Die EZB kann die BaFin dagegen allenfalls gemäß Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 3 SSM-VO anweisen, einen Sonderbeauftragten zu bestellen. Im Verhältnis zu dem betroffenen Institut handelt es sich bei der Bestellung um einen Verwaltungsakt nach § 35 VwVfG. 59 Allein nach dem Wortlaut von § 45c Abs. 1 KWG müssen keine besonderen Voraussetzungen für die Bestellung vorliegen.84) Denn nach dem Wortlaut der Norm selbst regelt § 45c Abs. 1 KWG allein die Anforderungen an einen Sonderbeauftragten. § 45c Abs. 2 KWG stellt zwar Voraussetzungen zum Einsatz auf, aber nur für den Fall, dass der Sonderbeauftragte die ausdrücklich geregelten Befugnisse in Absatz 2 bekommen soll. Damit räumt die § 45c Abs. 1 KWG der BaFin eine auf den ersten Blick sehr weitreichende Eingriffsgrundlage ein.85) Hintergrund dieser weiten Formulierung ist wohl, dass der Gesetzgeber nicht alle denkbaren Einsatzsituationen regeln kann und der BaFin größtmögliche Flexibilität gewähren wollte.86) 60 Die Einräumung einer Eingriffsbefugnis ohne Voraussetzung würde jedoch einen erheblichen Grundrechtseingriff in die Berufsfreiheit des Instituts aus Artt. 12, 19 Abs. 3 GG ___________ 83) Luz/Neus/Schaber/u. a.-Willemsen/Rechel, KWG und CRR, Ergänzungsband, § 88 SAG Rz. 7. 84) Reischauer/Kleinhans-Höpfner, KWG, § 45c Rz. 6; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 45c Rz. 3; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Willemsen/Rechel, KWG und CRR, § 45c KWG Rz. 4. Gleiches gilt gemäß § 307 Abs. 1 VAG für das Recht der Versicherungsaufsicht, vgl. hierzu: Brand/Baroch CastellviGrote, VAG, § 307 Rz. 12; Kaulbach/Bähr/Pohlmann-Bähr, VAG, § 307 Rz. 5. 85) Reischauer/Kleinhans-Höpfner, KWG, § 45c Rz. 6. 86) Reischauer/Kleinhans-Höpfner, KWG, § 45c Rz. 6.

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III. Der Sonderbeauftragte nach § 45c KWG

§ 16

bedeuten. Zudem ist auffällig, dass die Gesetzesbegründung zu den Voraussetzungen der Bestellung schweigt, obwohl im Gesetzgebungsverfahren Stellungnahmen mit dem Ruf nach determinierten Eingriffsvoraussetzungen abgegeben worden sind.87) Auch die Systematik des KWG insgesamt und die Einbettung der Norm weisen darauf hin, dass der Einsatz eines Sonderbeauftragten gleichwohl nur in besonderen Fällen zulässig sein kann, da er, wie die anderen Maßnahmen ab den §§ 45 ff. KWG unter den Vierten Abschnitt des KWG „Maßnahmen in besonderen Fällen“ fällt. Insofern ist auf der Ebene der Eingriffsvoraussetzungen von einer gesetzgeberischen Lücke auszugehen, die es zu schließen gilt. Insoweit spricht die von dem Gesetzgeber explizit erfolgte Einordnung der Norm in den 61 Bereich der Frühinterventionsmaßnahmen dafür, dass die Gefahr einer Krise oder Pflichtverletzung bestehen muss.88) Denn die Idee des Einsatzes des Sonderbeauftragten beruht gerade darauf, dass die Aufsicht ein Eingriffsinstrument zur Hand hat, um sicherzustellen, dass ein Institut die aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfüllt. Der Einsatz eines Sonderbeauftragten macht daher nur dann Sinn, wenn gerade an der Erfüllung der aufsichtlichen Pflichten des Instituts begründete Zweifel bestehen. Nach dieser Maßgabe beinhaltet § 45c Abs. 1 Satz 1 KWG also die alleinige Ermächtigungsgrundlage für die Bestellung des Sonderbeauftragten.89) Hierfür spricht auch die Systematik der Norm. Wäre § 45c Abs. 1 Satz 1 KWG keine Ermächtigungsgrundlage für die Bestellung des Sonderbeauftragten, würde § 45c KWG erst die Anforderungen an seine Qualifikation und anschließend die Voraussetzungen für die Bestellung regeln und damit der üblichen Reihenfolge zuwiderlaufen. Die Unbestimmtheit des Tatbestands ist nach der Regierungsbegründung erst auf der Ebene 62 der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Die Eingriffsschwelle der Aufsichtsbehörde und die Zulässigkeit der jeweiligen Befugnisse sind damit im Einzelfall zu bestimmen.90) Daneben kann § 45c Abs. 1 KWG aber auch im Zusammenhang mit Absatz 2 gelesen werden, denn sofern der Sonderbeauftragte die Befugnisse nach Absatz 2 übertragen bekommt, müssen die jeweiligen zusätzlichen Eingriffsvoraussetzungen des Absatzes 2 zusätzlich vorliegen.91) In Fällen, in denen in § 45c Abs. 2 KWG keine weiteren Voraussetzungen genannt sind, also § 45c Abs. 2 Nr. 6, 8, 9 KWG, müssen zumindest Anhaltspunkte dafür gegeben sein, dass ohne Übertragung der Befugnisse auf den Sonderbeauftragten im Fall des § 45c Abs. 2 Nr. 6 KWG die Anforderungen nicht beachtet werden oder im Fall des § 45c Abs. 2 Nr. 9 KWG die Abwicklungsanordnung nach § 77 SAG nicht vorbereitet werden kann.92) b)

Persönliche Anforderungen an den Sonderbeauftragten

Nach § 45c Abs. 1 KWG muss der Sonderbeauftragte bei der Übernahme von Aufgaben 63 und Befugnissen unabhängig, zuverlässig und zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben i. S. einer nachhaltigen Geschäftspolitik des Instituts unter der Wahrung der Finanzmarktstabilität geeignet sein. Ein Sonderbeauftragter, der Organkompetenzen übernimmt, muss zudem die erforderliche fachliche Eignung bieten. ___________ 87) Stellungnahmen von Binder/Lüthje und dem Bundesverband deutscher Banken zur Expertenanhörung im FA des BT am 30.9.2010 zu BT-Drucks. 17/3024. 88) Ähnlich hat dies auch der FA des BRat in der Empfehlung der Ausschüsse z. RegE RestruktG gesehen, der insoweit davon ausging, dass die „Schieflage“ des Instituts erforderlich ist, vgl. BR-Drucks. 534/1/10, S. 16. 89) Anders Hanten, BKR 2019, 218, der in § 45c Abs. 1 Satz 1 KWG gerade keine Ermächtigungsgrundlage sieht, sondern davon ausgeht, dass die Befugnisse des Absatz 2 jeweils eigenständige Ermächtigungsgrundlagen sind. 90) Begr. RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3024, S. 60; Reischauer/Kleinhans-Höpfner, KWG, § 45c Rz. 6. 91) Vgl. hierzu auch Reischauer/Kleinhans-Höpfner, KWG, § 45c Rz. 6. 92) So explizit auch Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 45c Rz. 5.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

64 Hinsichtlich dieser Eignung ist zu differenzieren, welches Organ der Sonderbeauftragte ersetzen soll und in welchem Umfang ihm Aufgaben übertragen werden sollen. Maßstab für die Beurteilung sind hierbei die Anforderungen, die das KWG an die jeweiligen Organe richtet.93) Insofern kann auf die Anforderungen nach den §§ 2d, 32 und 36 Abs. 3 KWG verwiesen werden. Weitere Kriterien zur genaueren Determinierung der Zuverlässigkeit und fachlichen Eignung können auch aus dem Merkblättern der BaFin zur Prüfung der fachlichen Eignung und Zuverlässigkeit von Geschäftsleitern und Aufsichtsräten gelesen werden. Eine Hinzuziehung der Details aus den Merkblättern erscheint sinnvoll, soweit der Sonderbeauftragte Geschäftsführungskompetenzen94) übertragen bekommen oder Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans95) ersetzen soll. Insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftlich angeschlagene Situation des Instituts sollten diese Anforderungen auch die Mindestanforderungen an den Sonderbeauftragten darstellen. In der Praxis werden sich zumeist sowieso gerade ehemalige Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats von Banken für die Tätigkeit als Sonderbeauftragter als geeignet erweisen. Bei Hinzuziehung der Anforderungen aus den Merkblättern wird ein Sonderbeauftragter künftig auch die ausreichende zeitliche Verfügbarkeit nachweisen müssen. 65 Die erforderliche Unabhängigkeit eines Sonderbeauftragten setzt voraus, dass der Sonderbeauftragte allein im Interesse des Instituts seine Aufgaben erfüllt.96) Dazu gehört auch, dass der Sonderbeauftragte – im Zeitpunkt seiner Bestellung – in der Regel nicht mit dem Institut in einem Dienst- oder Ruhestandsverhältnis steht und auch nicht freiberuflich von Aufträgen des Instituts abhängt. Zudem wird, für den Fall, dass zuvor eine derartige Verbindung bestand, eine gewisse zeitliche Distanz gefordert, wobei hinsichtlich der Dauer die zweijährige Cooling-off-Periode für Aufsichtsratsmitglieder (vgl. § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG) als Leitlinie gelten kann.97) Auch zwischen dem Sonderbeauftragten und der Behörde soll kein Abhängigkeitsverhältnis und mithin auch kein Arbeitsverhältnis bestehen. Der Sonderbeauftragte wird mit seiner Bestellung vielmehr selbst zum Subjekt der Überwachung durch die Aufsichtsbehörde.98) 66 Grundsätzlich kommen für die Wahrnehmung von Organbefugnissen nur natürliche Personen in Betracht. Für inhaltlich begrenzte Aufgaben mit beratender Funktion, die vom Arbeitsaufwand her aber sehr umfangreich sein können, wie die Erstellung eines Restrukturierungsplans99), kann auch eine juristische Person (wie z. B. eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) bestellt werden.100) 67 Darüber hinaus sind die Voraussetzungen an den Sonderbeauftragten nicht näher bestimmt, so dass der Aufsicht ein Beurteilungsspielraum in Form eines Auswahlermessens zukommt.101)

___________ 93) Bürkle, VersR 2006, 302, 304; Wimmer, jurisPR-InsR 6/2011 Anm. 1. 94) Vgl. zu den Anforderungen für Geschäftsleiter im Einzelnen: BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018. 95) Vgl. zu den Anforderungen für Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans im Einzelnen: BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018. 96) Bericht d. FA z. RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3547, S. 10 und Nr. 9 (§ 45c). 97) Schulenburg/Brosius, BB 2010, 3039 ff.; Herring/Fiedler, WM 2011, 1311, 1312. 98) Herring/Fiedler, WM 2011, 1311, 1312. 99) Reischauer/Kleinhans-Höpfner, KWG, § 45c Rz. 6; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/ CRR-VO, § 45c KWG Rz. 9; Schipke, Die Weiterentwicklung des Bankeninsolvenzrechts, S. 84. 100) Begr. RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3024, S. 60. 101) S. a. Luz/Neus/Schaber/u. a.-Willemsen/Rechel, KWG und CRR, § 45c KWG Rz. 19.

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III. Der Sonderbeauftragte nach § 45c KWG c)

§ 16

Befugnisse und Pflichten nach § 45c Abs. 1, Abs. 3 KWG

Die Aufsicht überwacht den Sonderbeauftragten bankaufsichtlich ebenso wie andere Or- 68 gane und ist nicht befugt, Einzelanweisungen zu geben.102) Ansonsten würde sie das Institut selbst lenken, was grundsätzlich unzulässig ist. Damit der Sonderbeauftragte seine Aufgabe erfüllen kann, hat er das Recht, die Geschäfts- 69 räume des Instituts zu betreten, von den Organen und den Beschäftigten des Instituts Auskünfte und Unterlagen zu verlangen, Nachforschungen anzustellen und an Sitzungen und Versammlungen sowie sonstigen Gremien der Organe teilzunehmen. § 45c Abs. 3 Satz 6 KWG regelt daneben die Pflicht des Sonderbeauftragten, der Aufsicht 70 über alle Erkenntnisse i. R. seiner Tätigkeit Auskunft zu erteilen. Der Sonderbeauftragte unterliegt zudem gemäß § 9 Abs. 1 KWG derselben Verschwiegenheitspflicht, die auch für Mitarbeiter der BaFin und der Deutschen Bundesbank (Bundesbank) gilt. d)

Haftung

Der Sonderbeauftragte kann grundsätzlich gegenüber der BaFin und gegenüber dem je- 71 weiligen Institut für Pflichtverletzungen haften. Gegenüber der BaFin kommt eine Haftung jedoch nur dann in Betracht, wenn der Sonderbeauftragte die Organbefugnisse gar nicht übernimmt.103) Gemäß § 45c Abs. 7 KWG haftet der Sonderbeauftragte für Vorsatz und Fahrlässigkeit. 72 Diese Regelung zeigt, dass den Sonderbeauftragten bei Übernahme von Organfunktionen grundsätzlich die normale Organhaftung gegenüber dem Institut trifft (gemäß §§ 93, 116 AktG).104) Diese Haftung unterliegt allerdings betragsmäßigen Beschränkungen. Ohne eine entsprechende Haftungsprivilegierung wäre es in der Praxis nicht möglich, einen Sonderbeauftragten zu finden.105) Bei fahrlässigem Handeln beschränkt sich die Ersatzpflicht des Sonderbeauftragten auf 1 Mio. €.106) Auch die Haftung des Sonderbeauftragten soll durch das Risikoreduzierungsgesetz (RiG) 73 neu geregelt werden. Der RefE sieht insoweit eine differenzierte Regelung vor: Bei Handlungen i. R. des § 45c Abs. 2 Nr. 1 bis 5, 7, 7a, 9, 10 und Nr. 8, soll der Sonderbeauftragte für Vorsatz und Fahrlässigkeit haften, sofern er selbst Maßnahmen zur Abwendung einer Gefahr ergreift. Bei Maßnahmen nach § 45c Abs. 2 Nr. 6 oder Nr. 8 soll der Sonderbeauftragte dagegen nur für Vorsatz haften. Hierbei handelt es sich um reine Überwachungstä___________ 102) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45c KWG Rz. 57; Hanten, BKR 2019, 157, 162; Herring/Fiedler, WM 2011, 1311, 1312. 103) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45c KWG Rz. 66; insoweit ist davon auszugehen, dass zwischen dem Sonderbeauftragten und der BaFin ein privatrechtlicher Geschäftsbesorgungsvertrag besteht. 104) Bürkle, VersR 2006, 302, 304. Daneben ist die Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch allerdings unklar und hängt insb. mit der dogmatischen Einordnung dieser Rechtsfigur zusammen (s. hierzu oben Fn. 60). § 45c Abs. 7 Satz 1 KWG selbst kommt nicht als Anspruchsgrundlage in Betracht, da die Norm lediglich die Haftung beschränken sollte, also gerade voraussetzt, dass anderweitig ein Anspruch besteht (vgl. Begr. RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3024, S. 60). Ob eine Haftung aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 Satz 1 GG in Betracht kommt, ist umstritten (teilweise bejahend: Hanten, BKR 2019, 157, 164 m. w. N.). 105) Begr. RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3024, S. 60. 106) Mit dem RestruktG wurde die Höchstgrenze der Ersatzpflicht des Sonderbeauftragten auf 1 Mio. € bei Instituten und für börsennotierte AGs auf 50 Mio. € beschränkt. Für börsennotierte AGs gilt eine Beschränkung der Ersatzpflicht i. H. von 50 Mio. € beschränkt. Auch wenn der Wortlaut der Norm sich auf die AG beschränkt, ist gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. c (ii) SE-VO von einer entsprechenden Anwendung der Norm bei der börsennotierten SE auszugehen. Auch hier muss die Aufsichtsbehörde in der Lage sein, einen Sonderbeauftragten zu bestellen; eine fehlende Haftungsprivilegierung stünde dem entgegen.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

tigkeiten. Die Privilegierung des Sonderbeauftragten soll auch dann gelten, wenn der Sonderbeauftragte nach § 46 Abs. 2 Satz 5 i. R. einer von der Bundesanstalt107) festgelegten Betragsgrenze Ausnahmen vom Veräußerungs- und Zahlungsverbot genehmigt.108) Durch diese Änderungen sollen reine Überwachungstätigkeiten des Sonderbeauftragten privilegiert werden.109) 74 Sollte der Sonderbeauftragte die erforderlichen persönlichen Vorrausetzungen nicht mitbringen, haftet die Aufsicht zudem selbst gegenüber dem Institut, bei dem sie den Sonderbeauftragten einsetzt. Die Anspruchsgrundlage für den Schadensersatzanspruch ergibt sich aus § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG wegen Amtspflichtverletzung. Diese Haftungsgrundlage findet auch bei Klagen wegen Nichtabberufung Anwendung.110) Da die Aufsicht gegenüber dem Sonderbeauftragten nicht einzelweisungsbefugt ist, ergibt sich nur in Ausnahmefällen ein Haftungsgrund wegen ungenügender Beaufsichtigung des Sonderbeauftragten. e)

Vergütung

75 Nach § 45c Abs. 6 KWG muss das Institut für alle durch die Bestellung entstandenen Kosten, einschließlich der zu gewährenden angemessenen Auslagen111) und der Vergütung aufkommen. Die Höhe der Vergütung des Sonderbeauftragten wird gemäß § 45c Abs. 6 Satz 2 KWG durch die BaFin festgesetzt.112) Sie richtet sich dabei zum einen nach dem Umfang, der Komplexität und der Schwierigkeit der übertragenen Aufgabe sowie der Größe und Komplexität des Instituts.113) Zum anderen betrachtet die Aufsicht aber auch die wirtschaftliche Situation des Instituts und die Vergütungssituation am Markt im Allgemeinen bei der Festsetzung einer angemessenen Vergütung. Sollte der Sonderbeauftragte mehrere Organmitglieder vertreten, kann eine Kumulation der entsprechenden Einzelsummen erfolgen.114) Es gibt keine Vorgabe dahingehend, dass Haftungsprivilegien bei der Höhe der Vergütung berücksichtigt werden müssen.

___________ 107) Da der RefE vorsieht, dass auch i. R. von § 46 KWG „Bundesanstalt“ durch das Wort „Aufsichtsbehörde“ ersetzt werden soll, ist davon auszugehen, dass es sich bei der Nennung der „Bundesanstalt“ in § 46c Abs. 7 Satz 3 KWG-E um ein Redaktionsversehen handelt. 108) Vgl. Art. 1 Nr. 54 lit. c des RefE eines Gesetzes zur Reduzierung von Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Bankensektor – Risikoreduzierungsgesetz (RiG), https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_VII/ 19_Legislaturperiode/2020-04-22-Risikoreduzierungsgesetz/0-Gesetz.html (Abrufdatum: 7.5.2020). 109) Vgl. Begr. RefE RiG, S. 188, https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/ Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_VII/19_Legislaturperiode/2020-04-22-Risikoreduzierungsgesetz/0-Gesetz.html (Abrufdatum: 7.5.2020). 110) Vgl. § 45c Abs. 5 KWG. 111) Zu der Frage, ob die Kosten einer Haftpflichtversicherung erstattungsfähige Auslagen i. S. von § 45c Abs. 6 KWG sind, s. Hanten, BKR 2019, 218, der die Erstattungsfähigkeit ablehnt. Hierfür spricht, dass i. R. von § 670 BGB die allgemeinen Geschäftsunkosten, zu denen die Kosten einer Haftpflichtversicherung wohl zu zählen sind, nicht vom Aufwendungsersatzanspruch erfasst sind. Bei einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung sind die allgemeinen Geschäftsunkosten vielmehr Teil der Vergütung (vgl. Schäfer in: MünchKomm-BGB, § 670, Rz. 10). Auch unter Zugrundelegung eines öffentlichrechtlichen Auslagenbegriffs sind die Kosten der Haftpflichtversicherung nicht ersatzfähig, da insoweit der Katalog des § 19 Abs. 1 VwVG i. V. m. §§ 337 Abs. 1, 344 AO als abschließend zu erachten ist. 112) Begr. RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3024, S. 60; Reischauer/Kleinhans-Höpfner, KWG, § 45c Rz. 27; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45c KWG Rz. 58. 113) Reischauer/Kleinhans-Höpfner, KWG, § 45c Rz. 27; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/ CRR-VO, § 45c KWG Rz. 53. 114) Fiedler, Der Sonderbeauftragte als Eingriffsinstrument der Banken- und Versicherungsaufsicht, S. 156 ff.

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III. Der Sonderbeauftragte nach § 45c KWG 3.

§ 16

Aufgaben des Sonderbeauftragten

Gemäß § 45c Abs. 1 Satz 1 KWG kann die Aufsichtsbehörde einen Sonderbeauftragten 76 bestellen und mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben betrauen. Im Unterschied zur Vorgängernorm enthält § 45c Abs. 2 KWG eine umfangreiche Liste mit typischen Anwendungsfällen für das Instrument des Sonderbeauftragten, ohne dass es sich dabei um eine abschließende Aufzählung handelt.115) Die Bestellung eines Sonderbeauftragten ist demnach auch ohne Übertragung der Befugnisse nach § 45c Abs. 2 KWG möglich.116) Hintergrund dieses weiten Einsatzbereichs ist auch hier, dass die BaFin die Möglichkeit haben soll, die Figur des Sonderbeauftragten hochflexibel an den Einzelfall anzupassen.117) Bei Bestellung des Sonderbeauftragten ist besonderes Gewicht auf die Beachtung des all- 77 gemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu legen.118) Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass in der Praxis über die explizit geregelten Anwendungsfälle hinaus der Einsatz eines Sonderbeauftragten allenfalls in Ausnahmefällen in Betracht kommen wird.119) Daneben darf die besonders weitgehende Übertragung der gesamten Aufgaben und Be- 78 fugnisse eines einzelnen oder mehrerer Geschäftsleiter oder auch der gesamten Geschäftsleitung auf einen Sonderbeauftragten nur bei Vorliegen entsprechend schwerwiegender Eingriffsvoraussetzungen erfolgen und ist daher ausdrücklich auf einzelne, in § 45c Abs. 2 KWG geregelte Anwendungsfälle beschränkt.120) Im Übrigen manifestiert sich die Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips auch 79 bei der Abwägung zur Anwendung weiterer Maßnahmen nach den §§ 45 ff. KWG und des KredReorgG. a)

Katalogmaßnahmen nach § 45c Abs. 2 KWG

In § 45c Abs. 2 KWG findet sich ein nicht abschließender Maßnahmenkatalog mit typi- 80 schen Anwendungsfällen für das Einsetzen eines Sonderbeauftragten. aa)

Übernahme von Organbefugnissen (§ 45c Abs. 2 Nr. 1 – 4 KWG)

Sofern ein Geschäftsleiter des Instituts nicht zuverlässig ist oder nicht über die erforder- 81 liche fachliche Eignung verfügt, kann die Aufsicht nach § 45c Abs. 2 Nr. 1 KWG die Geschäftsleitungsbefugnisse auf einen Sonderbeauftragten übertragen. Zudem kann der Sonderbeauftragte Geschäftsleiterbefugnisse gemäß § 45c Abs. 2 Nr. 2 KWG übernehmen, sollte die bankaufsichtliche Mindestanzahl der Geschäftsleiter nach § 33 Abs. 1 Nr. 5 KWG unterschritten werden und das Institut nicht in der Lage sein, einen neuen Geschäftsleiter zu ernennen. Organbefugnisse der Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan können nach § 45c Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 KWG übertragen werden, wenn die Voraussetzun___________ 115) Das Adverb „insbesondere“ soll nach BMJV, Hdb. der Rechtsförmlichkeit, 2008, S. 43, http:// www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF/Themenseiten/RechtssetzungBuerokratieabbau/ HandbuchDerRechtsfoermlichkeit_deu.pdf?__blob=publicationFile (Abrufdatum: 7.5.2020), verwendet werden, wenn „auch andere gleichartige Fälle, die im Zusatz nicht ausdrücklich genannt werden, von der Vorschrift erfasst werden sollen.“ Dementsprechend geht die Gesetzesbegründung auch davon aus, dass der Maßnahmenkatalog des § 45c Abs. 2 KWG nicht abschließender Natur ist, vgl. Begr. RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3024, S. 60; hierzu auch: Reischauer/Kleinhans-Höpfner, KWG, § 45c Rz. 7; krit.: Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 45c Rz. 15; abl.: Hanten, BKR 2019, 218. 116) Krit.: Hanten, BKR 2019, 218; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 45c Rz. 15. 117) Reischauer/Kleinhans-Höpfner, KWG, § 45c Rz. 2. 118) Begr. RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3024, S. 60. 119) So auch Auerbach/Donner, DB 2011, 17, 18. Hanten, BKR 2019, 218, geht dagegen entsprechend seines Verständnisses von § 45c Abs. 1 KWG davon aus, dass die Liste des § 45c Abs. 2 KWG abschließend ist und es damit aus rechtlicher Sicht nicht zu weiteren Anwendungsfällen kommen kann. 120) Begr. RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3024, S. 60.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

gen nach § 36 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 10 KWG vorliegen oder wenn die Aufsicht über das Institut i. S. des § 33 Abs. 2 KWG durch strukturelle Umstände erschwert ist.121) Dem Sonderbeauftragten ist es jedoch verwehrt, gleichzeitig Befugnisse und Aufgaben des Geschäftsleitungs- und des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans zu erfüllen. Dies widerspräche dem gesetzlichen Leitbild eines Kontrollorgans und der vorgesehenen Funktionentrennung.122) 82 Soweit der Sonderbeauftragte Aufgaben und Befugnisse eines Geschäftsleiters wahrnimmt, hat gemäß § 45c Abs. 4 KWG eine Eintragung in das öffentliche Register von Amts wegen zu erfolgen. Die Eintragung soll verhindern, dass ein Institut handlungsunfähig wird, wenn gegenüber den verantwortlichen Geschäftsleitern ein Tätigkeitsverbot ausgesprochen wurde und das Institut, das möglicherweise nicht zur Zusammenarbeit mit der Aufsicht bereit ist, nicht die erforderlichen Anträge zur Eintragung der vertretungsbefugten Personen in das jeweilige öffentliche Register stellt.123) Die Eintragung ist nicht erforderlich, sollte der Sonderbeauftragte ein anderes Organ als die Geschäftsleitung vertreten. 83 Fraglich ist allerdings, ob der Sonderbeauftragte auch die Befugnisse der Hauptversammlung übertragen bekommen kann. Während § 45c Abs. 2 Nr. 1 und 2 KWG insbesondere auf die Befugnisse der Geschäftsleitung (Vorstand) abstellen, enthält der Wortlaut in den § 45c Abs. 2 Nr. 3 und 4 KWG die allgemein weitergefasste Begrifflichkeit „Organe“ des Instituts. Weder der Wortlaut der Norm124), noch Sinn und Zweck125) der Regelung stehen einer Anwendung auf die Hauptversammlung damit entgegen. Auch im Recht der Versicherungsaufsicht ist zudem die Ersetzung der Hauptversammlung durch einen Sonderbeauftragten möglich.126) Bei Übernahme der Kompetenzen der Hauptversammlung kann der Sonderbeauftragte damit über die Katalogmaßnahmen des § 119 AktG entscheiden, also weitreichend auf die Struktur und Ausrichtung des Instituts einwirken. Vor dem Hintergrund des tiefgreifenden Eingriffs in die Eigentumsrechte der Aktionäre aus Art. 14 GG sind bei Ersetzung der Hauptversammlung durch einen Sonderbeauftragten besonders strenge Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme zu stellen. bb)

Übernahme und Abhilfe bei Gesetzesverstößen oder aufsichtlichen Anordnungen (§ 45c Abs. 2 Nr. 5 – 6 KWG)

84 Nach § 45c Abs. 2 Nr. 5 KWG kann die Aufsicht einen Sonderbeauftragten auch zur Herstellung und Sicherung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation einschließlich eines angemessenen Risikomanagements einsetzen. Voraussetzung dafür ist, dass das Institut ___________ 121) Reischauer/Kleinhans-Höpfner, KWG, § 45c Rz. 11, 12; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45c KWG Rz. 15 f. 122) Begr. RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3024, S. 60. 123) Begr. RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3024, S. 60. 124) Die Regelung in § 45c Abs. 3 Satz 2 KWG zeigt explizit, dass der Sonderbeauftragte auch die Aufgaben des Aufsichtsrates wahrnehmen kann. Die Hauptversammlung als ein weiteres Organ der AG wird indes nicht ausdrücklich genannt und auch die Gesetzesbegründung schweigt dazu. Allerdings ist dies auch nicht erforderlich, da die Hauptversammlung als Organ des Instituts nach dem Wortlaut von der Regelung umfasst ist und gegenteilige Anhaltspunkte auch nicht ersichtlich sind. 125) Während in der Vorgängerregelung § 36 Abs. 1a KWG a. F. die Übernahme der Organtätigkeit noch an den unzuverlässigen oder fachlich ungeeigneten Organmitgliedern anknüpfte und hier als Gegenargument angebracht werden konnte, dass sich dies nur schwerlich auf die Hauptversammlung beziehen kann, existiert mit § 45c Abs. 2 Nr. 4 KWG nunmehr eine Ermächtigungsgrundlage, die an diese Unzuverlässigkeit und fehlende fachliche Eignung des Organs eben nicht ansetzt. 126) Bürkle, Der Sonderbeauftragte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Versicherungssektor, S. 194; Gebert/Erdmann/Schradin-Kaulbert in: BeckOK-VAG, § 307 VAG Rz. 2; Kaulbach in: Bähr, VAG-Hdb, § 8 Rz. 52.

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III. Der Sonderbeauftragte nach § 45c KWG

§ 16

nachhaltig127) gegen das KWG, das BauSparkG, das DepotG, das GwG, das KAGB, das PfandBG, das ZAG oder das WpHG oder zugehörige Verordnungen oder gegen Anordnungen der Aufsicht verstoßen hat. Vor dem Hintergrund der unterlassenen Anpassung der §§ 36 ff. SAG an die Umsetzung der MiFID II (siehe hierzu unten Rz. 152), ist der Sonderbeauftragte damit insbesondere besser geeignet als der vorläufige Verwalter i. S. von § 38 SAG, um die Einhaltung der Organisations- und Verhaltenspflichten des WpHG wiederherzustellen und zu sichern. Des Weiteren kann die Aufsicht nach § 45c Abs. 2 Nr. 6 KWG einen Sonderbeauftragten 85 zur Überwachung der von ihr getroffenen Anordnungen beauftragen. Anknüpfungspunkt für diese Eingriffsgrundlage können z. B. Anordnungen nach §§ 25a Abs. 2 Satz 2, 45b Abs. 1 KWG oder § 51 Abs. 2 Satz 1 GwG sein.128) Da § 45c Abs. 2 Nr. 6 KWG neben der Anordnung keine weitergehenden Eingriffsvoraussetzungen enthält, ist hier im besonderen Maße die Verhältnismäßigkeit der Bestellung zu beachten, sodass im Regelfall die Maßnahme nur verhältnismäßig ist, wenn das Institut die Anordnung anderenfalls nicht erfüllen wird.129) cc)

Unterstützung in Krisen (§ 45c Abs. 2 Nr. 7 – 9 KWG)

Bei einer zukünftigen oder bereits eingetretenen wirtschaftlichen Krise des Instituts greift 86 § 45c Abs. 2 Nr. 7 bis 9 KWG. So kann der Sonderbeauftragte nach § 45c Abs. 2 Nr. 7 KWG mit der Erstellung eines Restrukturierungsplans beauftragt werden, sollten die Eigenmittelanforderungen nach § 45 Abs. 1 Satz 3 oder Abs. 2 KWG nicht nachhaltig gesichert bzw. die Eigenmittelanforderungen oder Liquiditätsanforderungen nicht erreicht werden. Der Restrukturierungsplan, auf den hier verweisen wird, ist jedoch sowohl von dem Sanie- 87 rungs- und Reorganisationsplan nach dem KredReorgG als auch von dem Sanierungsplans nach §§ 12 ff. SAG130) zu unterscheiden. Der Begriff des Restrukturierungsplans ist in § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 legaldefiniert. Hiernach legt ein Institut im Restrukturierungsplan dar, wie und in welchem Zeitraum die Eigenmittelausstattung oder Liquidität des Instituts nachhaltig wiederhergestellt werden soll. § 45 Abs. 2 Satz 2 KWG regelt zudem die Anforderungen, die an diesen Plan zu stellen sind. Daneben wird in § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 KWG auf den Sanierungsplan nach § 13 SAG verwiesen, was zeigt, dass der Gesetzgeber auch i. R. von § 45 KWG zwischen dem Restrukturierungs- und Sanierungsplan trennt und daher nicht gewollt ist, dass der Restrukturierungsplan dem Sanierungsplan entspricht (zum Sanierungsplan nach §§ 12 ff. SAG siehe § 15 Rz. 9 ff. [Cichy]). Nach § 45c Abs. 2 Nr. 7a KWG kann der Sonderbeauftragte auch bestellt werden, wenn 88 trotz der erhöhten Eigenmittelanforderungen nur eine unzureichende Nachbesserung der Kapitalausstattung erfolgt ist und das Institut innerhalb einer festgelegten Frist keinen angemessenen Plan zur Erreichung der erforderlichen Kapitalausstattung vorgelegt hat.131) Des Weiteren kann die Aufsicht nach § 45c Abs. 2 Nr. 8 KWG einen Sonderbeauftragten einsetzen, um selbstständig Maßnahmen zur Abwendung einer Gefahr i. S. des § 35 Abs. 2 ___________ 127) Ein nachhaltiger Verstoß liegt vor, wenn das Institut wiederholt und entgegen aufsichtlicher Abmahnung gehandelt hat. 128) So geschehen bei der Deutsche Bank AG im Jahr 2018, wo der Sonderbeauftragte bestellt wurde um die Umsetzung einer Anordnung nach § 51 Absatz 2 Satz 1 GwG zu überwachen (vgl. BaFin, Deutsche Bank AG: BaFin ordnet Präventionsmaßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung an, PM v. 24.9.2018). 129) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45c KWG Rz. 33; Reischauer/KleinhansHöpfner, KWG, § 45c Rz. 14. 130) Luz/Neus/Schaber/u. a.-Willemsen/Rechel, KWG und CRR, § 45c KWG Rz. 10. 131) Luz/Neus/Schaber/u. a.-Willemsen/Rechel, KWG und CRR, § 45c KWG Rz. 13.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

Nr. 4 KWG oder des § 46 Abs. 1 Satz 1 KWG zu ergreifen oder die Einhaltung von Maßnahmen der Aufsicht nach § 46 KWG zu beaufsichtigen. 89 Nach § 45c Abs. 2 Nr. 9 KWG kann ein Sonderbeauftragter zudem zur Vorbereitung einer Abwicklungsanordnung gemäß § 77 SAG bestellt werden. Hierbei soll der Sonderbeauftragte v. a. die Koordinationsfunktion für die Übertragung von funktionsfähigen Bestandteilen des Instituts auf eine Brückenbank übernehmen. dd)

Prüfung von Schadensersatzansprüchen gegen Organmitglieder (§ 45c Abs. 2 Nr. 10 KWG)

90 Schließlich ist eine Bestellung eines Sonderbeauftragten nach § 45c Abs. 2 Nr. 10 KWG möglich um Schadensersatzansprüche gegenüber Organmitgliedern oder ehemalige Organmitgliedern zu prüfen, vorausgesetzt es liegen Anhaltspunkte für einen Schaden vor. Dadurch erlangt die Aufsicht zum einen Erkenntnisse über die Eignung und Handlungen der Organmitglieder und kann zugleich auch die Wiedergutmachung des Schadens vorbereiten, der durch die Pflichtverletzung des Organmitglieds entstanden ist. Denn neben den Anteilseignern hat auch die Aufsicht ein Interesse an der Verbesserung der wirtschaftlichen Situation eines Instituts.132) 91 Ein Institut, das die Bestellung eines Sonderbeauftragten aus diesem Grund verhindern möchte, sollte externe unabhängige Prüfer mit einer Untersuchung beauftragen. Dadurch wäre die Bestellung eines Sonderbeauftragten seitens der Aufsicht in der Regel nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig.133) b)

Weitere Maßnahmen

92 Neben den Maßnahmen nach § 45c KWG kann der Sonderbeauftragte i. R. des Zahlungsund Veräußerungsverbots nach § 46 Abs. 1 KWG (siehe hierzu nachfolgend Rz. 102 ff.) im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen. Hierzu regelt § 46 Abs. 2 Satz 5 KWG, dass die Aufsicht für den Sonderbeauftragten eine Betragsgrenze festsetzen kann, bis zu welcher er von seiner Befugnis Gebrauch machen kann. 4.

Stellung des suspendierten Organmitglieds

93 Nach § 45c Abs. 3 Satz 1 KWG ruhen die Befugnisse des Organs oder Organmitglieds, das insgesamt durch einen Sonderbeauftragten ersetzt wird. Dementsprechend lebt die Stellung des suspendierten Organmitglieds nach der Abberufung des Sonderbeauftragten wieder auf. 94 Erhält der Sonderbeauftragte zur Wahrnehmung einer inhaltlich begrenzten Aufgabe mit beratender und unterstützender Funktion nur teilweise die Befugnisse eines Organs oder Organmitglieds, bleiben die übrigen Befugnisse der Organe und Organmitglieder des Instituts unangetastet, damit die reibungslose Fortführung des laufenden Geschäftsbetriebs durch die vom Institut bestellten Organe und Organmitglieder gewährleistet ist. 95 Dies zeigt, dass die Bestellung eines Sonderbeauftragten nicht die Abberufung oder Untersagung der Tätigkeit eines Geschäftsleiters voraussetzt oder mit ihr automatisch zusammenfällt.134) Gleichwohl ist insbesondere i. R. des § 45c Abs. 2 Nr. 1 KWG wohl kein Fall vorstellbar, bei dem eine solche Untersagung nach § 36 Abs. 1 und 2 KWG nicht erfolgt. Daneben ist aber auch das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan eines Instituts über § 25d Abs. 6 ___________ 132) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45c KWG Rz. 45. 133) Anders bei der Bestellung eines internen Prüfers, der in der Regel einen geringeren Grad an Unabhängigkeit aufweist. 134) Begr. RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3024, S. 60.

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III. Der Sonderbeauftragte nach § 45c KWG

§ 16

Satz 1 KWG – bzw. der Nominierungsausschuss gemäß § 25d Abs. 11 Nr. 4 KWG – gehalten, die entsprechenden Maßnahmen zu treffen, sollte ein Mitglied der Geschäftsleitung die erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung nicht mehr besitzen.135) § 45c Abs. 3 Satz 6 KWG stellt in den Fällen, in denen der Sonderbeauftragte einen Ge- 96 schäftsleiter ersetzt, zudem sicher, dass seine Funktion nicht im Wege der zusätzlichen Bestellung weiterer Geschäftsleiter durch das Institut ausgehebelt wird.136) Auch wenn die Befugnisse des betroffenen Organmitglieds durch die Bestellung des Son- 97 derbeauftragten (teilweise) ruhen, sollte dies den Anstellungsvertrag und seine Vergütungsansprüche gegenüber dem Institut grundsätzlich unberührt lassen. Hierfür spricht, dass bei der Bestellung des Sonderbeauftragten die Befugnisse der Geschäftsleitung nur temporär ruhen und bei der Abberufung des Sonderbeauftragten wiederaufleben. Zudem ist selbst die Abberufung der Geschäftsleitung nach § 36 KWG nicht zwingend mit dienst- oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen verbunden;137) dies gilt demnach umso mehr für das mildere Mittel des Einsatzes eines Sonderbeauftragten. 5.

Aufhebung und Abberufung des Sonderbeauftragten

Da es sich bei der Bestellung des Sonderbeauftragten um einen Verwaltungsakt handelt, kann 98 das Institut oder sein betroffener Organwalter gegen diesen Widerspruch einlegen und sodann Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO erheben. Zudem hat der Sonderbeauftragte die Möglichkeit seiner Abberufung zu widersprechen. Damit ist allen Beteiligten der Verwaltungsrechtsweg gegen Entscheidungen der zuständigen Behörde eröffnet. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 49 KWG hat ein Widerspruch gegen die Bestellung oder Abberufung des Sonderbeauftragten keine aufschiebende Wirkung. Eine automatische Beendigung der Tätigkeit des Sonderbeauftragten ist nach § 45c KWG 99 grundsätzlich nicht vorgesehen. Allerdings gebietet das Verhältnismäßigkeitsprinzip die Beendigung der Maßnahme und damit die Abberufung des Sonderbeauftragten, sobald die Ursache für seine Bestellung behoben ist. Darüber hinaus endet die Bestellung des Sonderbeauftragten gemäß § 87 Abs. 3 SAG automatisch mit der Bestellung eines Sonderverwalters durch die Abwicklungsbehörde (zur Figur des Sonderverwalters siehe § 18 Rz. 55 ff. [Binder]). Weiterhin kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes das Institut gemäß § 45c Abs. 5 100 KWG bei der BaFin beantragen, die Übertragung der Funktion eines Geschäftsleiters auf den Sonderbeauftragten aufzuheben. Das Antragsrecht greift damit nur in den Fällen des § 45c Abs. 2 Nr. 1 – 4 KWG. Antragsberechtigt ist in diesem Zusammenhang zudem nur das für den Ausschluss von Gesellschaftern von der Geschäftsführung und Vertretung oder die Abberufung geschäftsführungs- oder vertretungsbefugter Personen zuständige Organ, also je nach Rechtsform der Aufsichtsrat oder die Gesellschaftsversammlung. Wann ein wichtiger Grund i. S. von § 45c Abs. 5 KWG vorliegt, ist im Gesetz nicht weiter definiert. Da § 45c Abs. 5 KWG die Abberufung eines Sonderbeauftragten regelt, der die Funktion des Geschäftsleiters wahrnimmt, liegt jedoch eine Orientierung an den Grundsätzen zu § 84 Abs. 3 AktG nahe, der ebenfalls einen wichtigen Grund für die Abberufung des Vorstands fordert. ___________ 135) Nach § 25d Abs. 6 Satz 1 KWG ist die Überwachung der Geschäftsleiter die zentrale Aufgabe des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans, insb. im Hinblick auf die einschlägigen bankaufsichtsrechtlichen Regelungen. Dies ermöglicht dem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan kontinuierlich die nach § 25a KWG vorgeschriebene Eignung der Geschäftsleitung zu überprüfen und – soweit notwendig – auf negative Prüfungsergebnisse zu reagieren. 136) Begr. RegE RestruktG, BT-Drucks. 17/3024, S. 60. 137) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 36 KWG Rz. 76.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

101 Die Verweigerung des Abberufungsverlangens nach § 45c Abs. 5 KWG stellt einen Verwaltungsakt dar, sodass das Institut Widerspruch gegen eine Verweigerung einlegen kann. IV.

Maßnahmen bei Gefahr nach § 46 KWG

1.

Einführung

102 § 46 KWG verfolgt zwei Zielrichtungen: x

Zum einen ermöglicht er der Aufsicht Maßnahmen zu ergreifen, sofern eine Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Instituts gegenüber seinen Gläubigern besteht.

x

Zum anderen ermöglicht § 46 KWG aber auch, die Effektivität der Bankenaufsicht selbst sicherzustellen, denn ist eine wirksame Aufsicht über ein Institut aufgrund seiner Einbindung in eine übergeordnete Unternehmensstruktur nicht mehr möglich, kann die Aufsicht im Vorfeld (d. h. vor Aufhebung der Erlaubnis) in das Verhalten des Instituts steuernd eingreifen.138)

103 Maßnahmen nach § 46 KWG wurden in der Praxis bereits mehrfach erlassen. So verhängte die BaFin bspw. im Jahr 2008 ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot gegenüber der Lehmann Brothers Bankhaus AG sowie der deutschen Niederlassung der Kaupthing Bank oder der Maple Bank im Februar 2016. Zuletzt erfolgte die Verhängung eines Moratoriums im Februar 2018 bei der Dero Bank AG.139) 104 Mit dem RestruktG erlangte § 46 KWG seine aktuelle Form, denn der damalige § 46a KWG a. F. wurde aufgehoben und die Befugnisse in § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 – 6 KWG überführt. Eine Eingriffsgrundlage zur Abwendung einer Insolvenzgefahr wie bei § 46a KWG a. F. gibt es seither nicht mehr. Zu diesen Maßnahmen außerhalb der für die echten Frühinterventionsmaßnahmen relevanten Teile des § 46 KWG siehe § 17 Rz. 12 ff. [Binder]. 105 Die Maßnahmen nach § 46 KWG können grundsätzlich gegenüber allen Kredit und Finanzdienstleistungsinstituten getroffen werden, mit Ausnahme der Institute, die nach § 2 KWG vom Anwendungsbereich ausgenommen wurden (siehe zur Anwendbarkeit der § 46 Abs. 1 Nr. 4 – 6 unten § 17 Rz. 3 ff, 22 ff. [Binder]).140) Zudem findet § 46 KWG Anwendung auf inländische Börsen und Betreiber organisierter Märkte.141) 2.

Abgrenzung zu anderen Vorschriften

106 § 46 KWG steht grundsätzlich selbstständig und ist in seiner Anwendung zunächst unabhängig von den anderen Eingriffsbefugnissen des vierten Abschnitts des KWG („Maßnahmen in besonderen Fällen“). Im Vergleich zu § 45 KWG ist das Eingriffsinstrumentarium der Aufsicht bei § 46 KWG jedoch erheblich verschärft und es zeigt sich die Systematik des Gesetzes, die der wachsenden Schieflage des Instituts und der damit verbundenen Gefahren Rechnung trägt, indem sie der Behörde ein immer breiter und schärfer werdendes Aufsichtsinstrumentarium zur Verfügung stellt. 107 Während nach § 45 KWG die Aufsicht Maßnahmen treffen kann, sobald ein Institut die Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen nach den §§ 10, 10a, 11 KWG unterschreitet ___________ 138) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 1; Schwennicke/AuerbachSchwennicke/Haß/Herweg, KWG, § 46 Rz. 1. 139) Eine umfassende Auflistung verhängter Moratorien ist verfügbar auf der Internetseite der BaFin, https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/BankenFinanzdienstleister/Massnahmen/Moratorium/moratorium_ node.html (Abrufdatum: 7.5.2020). 140) Ausf. dazu Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 3. 141) Gilt für die in § 2 Abs. 12 KWG näher beschriebenen Betreiber inländischer Börsen und organisierter Märkte. Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs folgt aus § 2 Abs. 12 Satz 4 KWG.

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IV. Maßnahmen bei Gefahr nach § 46 KWG

§ 16

und damit eine abstrakte Gefahr der weiteren Verschlechterungen droht, muss bei § 46 Abs. 1 Alt. 1 KWG schon das Erfordernis einer konkreten Gefahr vorliegen, mit Konsequenzen – wie die Untersagung Einlagen anzunehmen oder Kredite zu gewähren –, die allerdings nur einstweilig getroffen werden können.142) Systematisch nachgeordnet sind dann weitere Aufsichtsmaßnahmen wie das Moratorium oder die Einstellung des Bankund Börsenverkehrs nach § 46g KWG bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Instituten, die zu schwerwiegenden Gefahren für die Gesamtwirtschaft führen können. Realisiert wird diese Abstufung in der Praxis durch die strikte Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Wenn Maßnahmen nach § 46 KWG getroffen werden, kann das Sanierungs- und Reorga- 108 nisationsverfahren nach dem KredReorgG grundsätzlich nicht mehr durchgeführt werden, da zumeist das Institut dann nicht mehr die Möglichkeit hat, aus eigener Kraft den Gefahren zu begegnen. Etwas anderes gilt allerdings, wenn die Aufsicht dies anordnet;143) so können z. B. Geschäftsleiter einstweilige Anweisungen erhalten, während eine mögliche Verbesserung der Eigenmittelsituation aufgrund der ermittelten Handlungsoption aus dem Plan verfolgt wird. Wenn das Sanierungs- und Reorganisationsverfahren eröffnet ist, treten die Maßnahmen nach § 46 KWG grundsätzlich zurück, jedenfalls solange sie vom Plan gedeckt sind.144) Diese Exklusivität ist im Gesetz nicht explizit angelegt, ergibt sich aber aus dem Sinn und Zweck des Sanierungs- und Reorganisationsverfahrens, bei dem das Institut mit Hilfe eines gerichtlichen Verfahrens „Herr über die Maßnahmen“ bleiben soll und Eingriffe seitens der Aufsicht zumeist nicht verhältnismäßig sind. Sobald allerdings weitere Zweckrichtungen verfolgt werden, wie z. B. die geordnete Insolvenzabwicklung, kann die Aufsicht diese Maßnahmen ergreifen.145) Gegenüber endgültigen Maßnahmen wie der Aufhebung der Erlaubnis nach § 35 KWG ist 109 § 46 KWG aufgrund der nicht auf Dauer angelegten Eingriffsmaßnahme als Vorstufe zu begreifen. Im Verhältnis zwischen der Gefahrenabwehr nach § 46 KWG und dem Einsatz eines Sonder- 110 beauftragten nach § 45c KWG gibt es gleich mehrere Anknüpfungspunkte für eine Abgrenzung (siehe zur Abgrenzung auch schon oben bei § 45c KWG unter Rz. 46): x

Zum einen kann der Sonderbeauftragte Maßnahmen, die das Institut selbst ergreift und die der Abwendung von Gefahren für Gläubigerinteressen oder der Wiederherstellung der wirksamen Aufsicht i. S. von § 46 KWG dienen, überwachen. Dies setzt voraus, dass das Institut gegenüber der Aufsicht zuvor ein derartiges Committment abgegeben hat.

x

Zum anderen kann der Sonderbeauftragte Maßnahmen, die die Aufsicht nach § 46 KWG ergreift, überwachen, um die Durchsetzung zu vereinfachen.

x

Zuletzt kann auch der Sonderbeauftragte selbst Maßnahmen zur Gefahrenabwehr treffen. Es läge allerdings eine Umgehung der aufsichtsrechtlichen Verpflichtung vor, wenn die Aufsicht ihre polizeilichen Eingriffsbefugnisse auf einen privaten Dritten übertrüge.146) Zwar sind auch dem Bankaufsichtsrecht der Einsatz von Verwaltungshelfern147) und

___________ 142) 143) 144) 145) 146) 147)

Reischauer/Kleinhans-Höpfner, KWG, § 45c Rz. 11. §§ 2 Abs. 4 Satz 1, 7 Abs. 5 Satz 1 KredReorgG. Zu alldem auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 10 ff. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 13. So Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 21. So regelt z. B. § 4 Abs. 3 FinDAG, dass sich die BaFin bei Sonderprüfungen nach § 44 KWG der Hilfe anderer Personen und Einrichtungen bedienen darf, also insb. Wirtschaftsprüfer. Diese haben keine eigenen Rechte gegenüber den Instituten, sondern eine von der BaFin abgeleitete Kompetenz (vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Braun, KWG/CRR-VO, § 44 KWG Rz. 46).

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

die Auslagerung auf Dritte nicht fremd, diese sind jedoch explizit im Gesetz verankert.148) Im Fall der Auslagerung an den Sonderbeauftragten könnte die Aufsicht ansonsten den Sonderbeauftragten einsetzen, um geeignete Anweisungen an die Geschäftsleitung zu erlassen und dann zugleich von dem Haftungsprivileg des § 45c Abs. 7 profitieren.149) Daher knüpft diese Variante an dem Umstand an, dass das Institut selbst Handlungen zur Gefahrenabwehr ergreift und die Aufsicht den Sonderbeauftragten mit gesellschaftsrechtlichen Befugnissen ausstattet, um das Institut dabei zu begleiten (wie etwa bei der Ausrichtung der Geschäftspolitik zur Vermeidung der Gefährdung von Gläubigerinteressen).150) 111 Im Verhältnis zum Insolvenzrecht und besonderen Insolvenzantragsrecht nach § 46b KWG gilt Folgendes: Zunächst verlieren die nach § 46 KWG bereits angeordneten Maßnahmen mit Stellung des Insolvenzantrags durch die Aufsichtsbehörde nach § 46b KWG nicht ihre Wirksamkeit. Zum anderen verdrängt im Zeitraum zwischen Antragsstellung und Eröffnungsentscheidung § 46 KWG als speziellere Norm die Befugnis des Insolvenzgerichts zur Anordnung einstweiliger Maßnahmen nach § 21 InsO (siehe zum Verhältnis Moratorium und Insolvenzverfahren auch § 17 Rz. 18 ff. [Binder]).151) 3.

Eingriffsgrundlage

a)

Gläubigergefährdung

112 Voraussetzung für Maßnahmen nach § 46 Abs. 1 Alt. 1 KWG ist das Vorliegen einer konkreten Gefahr, so dass die Norm insoweit Bezug auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht nimmt.152) In beiden Fällen ist unter einer konkreten Gefahr ein Lebenssachverhalt zu verstehen, der bei ungehindertem Ablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an den geschützten Rechtsgütern führen wird.153) Im Fall des § 46 Abs. 1 Alt. 1 KWG betrifft dies zunächst die Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern des Instituts. Nach umstrittener Auffassung besteht diese Gefahr unabhängig vom Vorliegen eines Insolvenzgrunds bereits dann, wenn das Institut nicht mehr in der Lage ist, seine Zahlungsverpflichtungen jederzeit und vollständig zu erfüllen.154) Demnach genügen Tatsachen, die die Besorgnis begründen, dass das Institut sich in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet.155) 113 Eine konkrete Gefahr liegt demnach bspw. vor, wenn die Aufsicht nach eigener Beurteilung erkennt, dass das Institut in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist, dass es fällige Verpflichtungen nicht mehr jederzeit und vollständig erfüllen kann oder dass schwer___________ 148) S. z. B. in § 4 Abs. 3 FinDAG. Herring/Fiedler, WM 2011, 1311, 1314, gehen davon aus, dass der Sonderbeauftragte hier Verwaltungshelfer wird. 149) Eher mit Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 21; a. A. Herring/ Fiedler, WM 2011, 1311, 1314. 150) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 21. 151) Dazu ausführlicher Schwennicke/Auerbach-Schwennicke/Haß/Herweg, KWG, § 46 Rz. 15 ff. 152) Binder, WM 2006, 2114, 2116; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Willemsen/Rechel, KWG und CRR, § 46 KWG Rz. 8. 153) Vgl. zum allgemeinen Gefahrenbegriff: Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rz. 1 ff. 154) Vgl. zur Diskussion in der Literatur, ob das Vorliegen einer Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen des Instituts sogar gleichzusetzen ist mit dem Vorliegen von Insolvenzgründen nach §§ 17 ff. InsO: Binder, Bankeninsolvenzen, S. 135 f.; Binder, WM 2006, 2114, 2116; a. A. VG Frankfurt/M., Beschl. v. 22.2.2018 – 7 L 662/18.F, Rz. 5, WM 2018, 1214; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 56; Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, § 46 Rz. 22; Pannen, Krise und Insolvenz, S. 102; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Willemsen/Rechel, KWG und CRR, § 46 KWG Rz. 9. 155) VG Frankfurt/M., Beschl. v. 22.2.2018 – 7 L 662/18.F, Rz. 7, WM 2018, 1214.

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IV. Maßnahmen bei Gefahr nach § 46 KWG

§ 16

wiegende organisatorische Mängel bestehen, die auch nicht nach § 45 KWG abgestellt werden können.156) Die konkrete Gefahr kann insbesondere für dem Institut anvertraute Vermögenswerte be- 114 stehen, was bedeutet, dass Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder, zur Verwahrung oder Verwaltung anvertraute Wertpapiere, der Inhalt von Schließfächern oder auf Geldkarten gespeicherte Werte oder andere finanzielle Verpflichtungen, die das Institut i. R. seiner typischen geschäftlichen Tätigkeit eingegangen ist, betroffen sein müssen. Weitere Verpflichtungen aus bankfremden Geschäften können ebenfalls betroffen sein, wenn die Bank diese Tätigkeit den Gläubigern anbietet und deren Erfüllung gefährdet ist. Eine wichtige Konkretisierung des Gefahrenbegriffs erfolgt durch § 35 Abs. 2 Nr. 4 KWG, 115 welcher die Aufhebung der Bankerlaubnis bei einer Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen des Instituts, insbesondere für die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte, regelt. Aufgrund des identischen Wortlauts dieser Eingriffsvoraussetzung sind die Wertungen des § 35 auf § 46 übertragbar.157) Hiernach besteht eine Gefahr für die Vermögenswerte u. a. bei einem Verlust i. H. der Hälfte der gemäß Art. 72 CRR maßgebenden Eigenmittel sowie einem 10 %igen Verlust der nach Art. 72 CRR maßgeblichen Eigenmittel in drei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren. Wenn dieser Eigenmittelverlust sogar zur Aufhebung der Bankerlaubnis berechtigt, dann kann die Behörde erst recht Maßnahmen nach § 46 Abs. 1 KWG erlassen, soweit sie nicht sogar i. R. der Verhältnismäßigkeit dazu verpflichtet ist.158) b)

Gefährdung einer wirksamen Aufsicht

Die Aufsicht kann auch Maßnahmen nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 KWG ergreifen, wenn 116 keine konkrete Gläubigergefährdung vorliegt, aber ein begründeter Verdacht besteht, dass eine wirksame und effektive Aufsicht über das Institut nicht mehr möglich ist.159) Der Verweis im Tatbestand auf § 33 Abs. 2 KWG zeigt, dass die bereits im Erlaubnisverfahren relevanten Prüfungsgegenstände wie die Frage der wirtschaftlichen Transparenz und Struktur der Beteiligungsgeflechte, die Geltung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften von Drittstaaten und die mangelnde Zusammenarbeit der Heimataufsichtsbehörden der Muttergesellschaft besondere Berücksichtigung bei der Frage finden, ob eine wirksame Aufsicht beeinträchtigt ist. Der Klammerverweis bringt zum Ausdruck, dass insoweit nur auf diese Umstände abzustellen ist.160) Voraussetzung für ein Eingreifen der Aufsicht ist jedoch auch hier, dass die Aufsicht konkrete Anhaltspunkte für eine wesentliche Erschwerung einer wirksamen Aufsicht hat. Eine tatsächliche Beeinträchtigung der Aufsicht muss noch nicht stattgefunden haben.161) 4.

Einstweilige Maßnahmen

a)

Maßnahmenkatalog

Auch hier gibt der Gesetzgeber der Aufsicht einen Maßnahmenkatalog vor, der nicht ab- 117 schließend ist, um der Aufsicht die Möglichkeit zu geben in nicht voraussehbaren Situa___________ 156) VG Frankfurt/M., Beschl. v. 22.2.2018 – 7 L 662/18.F, Rz. 7, WM 2018, 1214; eine Auflistung findet sich u. a. bei Schwennicke/Auerbach-Schwennicke/Haß/Herweg, KWG, § 46 Rz. 7 sowie Beck/Samm/ Kokemoor-Skauradszun, KWG, § 46 Rz. 26. 157) Binder, Bankeninsolvenzen, S. 145; so auch: VG Frankfurt/M., Beschl. v. 22.2.2018 – 7 L 662/18.F, Rz. 7, WM 2018, 1214. 158) Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, § 46 Rz. 27. 159) Reischauer/Kleinhans-Geier, KWG, § 46 Rz. 32. 160) Schelm in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011, Rz. 2.293; Boos/Fischer/SchulteMattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 57. 161) Reischauer/Kleinhans-Geier, KWG, § 46 Rz. 34.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

tionen auf die Generalklausel des § 46 Abs. 1 Satz 1 KWG zurückzugreifen.162) All diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass sich die Kapitalsituation der betroffenen Bank nicht noch weiter zu Lasten ihrer Gläubiger verschlechtert.163) Bei der Abwägung i. R. des Verhältnismäßigkeitsprinzips müssen auch die Sanierungs- und Abwicklungspläne nach den §§ 12 ff., 40 ff. SAG (siehe zur Sanierungsplanung § 15 Rz. 9 ff. [Cichy] und zur Abwicklungsplanung § 15 Rz. 69 ff. [Cichy]) eine Rolle spielen.164) Dazu gehört auch, die vom Institut und der Aufsicht bereits vorab identifizierten Handlungsoptionen in den unterschiedlichen Szenarien im Sanierungsplan mit in die Bewertung der Situation des Instituts einzubeziehen und überdies die Effektivität der Pläne sicherzustellen. Ebenfalls zu berücksichtigen i. R. der Abwägung sind die wirtschaftlichen Folgen der Maßnahme für das Institut; insoweit steht jedoch das Interesse des Instituts an der Verhinderung einer Insolvenz regelmäßig gegenüber der Sicherung noch bestehender Vermögenswerte zugunsten der Gläubiger zurück.165) aa)

Anweisungen für die Geschäftsführung

118 Zu den Katalogmaßnahmen gehören nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG Anweisungen für die Geschäftsführung mit Blick auf die Geschäftspolitik und Organisation des Instituts. Dabei kann es sich z. B. um die Anweisung der Aufstockung von Sicherheiten, der Restrukturierung des Instituts, der Unterlassung risikoreicher Geschäfte oder der Abstellung organisatorischer Mängel, aber auch der Rückführung von Krediten handeln.166) bb)

Verbot von Einlagen- und Kreditgeschäft

119 Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG kann die Aufsicht die Annahme von Einlagen, Geldern und Wertpapieren von Kunden oder die Gewährung von Krediten verbieten. Das Annahmeverbot von Einlagen kann sich auf alle Einlagen beziehen; es kann aber auch eingeschränkt werden, z. B. auf bestimmte Einlagearten. Ziel dieser Maßnahme ist es, die Gefahr, dass das Institut die Verbindlichkeiten gegenüber seinen Gläubigern nicht mehr erfüllen kann, durch die Unterbindung der Hereinnahme von weiteren Verbindlichkeiten und die Verhinderung des Ausbaus von Risiken und Liquiditätsabflüssen durch eine weitere Kreditvergabe zu verhindern.167) 120 Die Möglichkeit eines Regressanspruchs seitens der Gläubiger hebelt die Gefahr für Gläubigerinteressen nicht aus. Streit besteht allerdings darüber, ob eine garantierte Rückzahlung über eine Entschädigungseinrichtung unberücksichtigt bleiben kann168) oder die Maßnahme unverhältnismäßig macht.169) Letzteres ist mit Blick auf die vergleichbare Regelung in § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 KWG und die strenge Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips der Fall. Bietet die Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungseinrichtung (siehe umfassend § 19 [Biermann/Lütgerath]) eine solche garantierte Rückzahlung auch für den ___________ 162) Reischauer/Kleinhans-Geier, KWG, § 46 Rz. 40; Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, § 46 Rz. 38. 163) VG Frankfurt/M., Beschl. v. 22.2.2018 – 7 L 662/18.F, Rz. 17, WM 2018, 1214. 164) S. für § 46b KWG auch schon Luz/Neus/Schaber/u. a.-Willemsen/Rechel, KWG und CRR, § 46b KWG Rz. 14. 165) VG Frankfurt/M., Beschl. v. 22.2.2018 – 7 L 662/18.F, Rz. 17, WM 2018, 1214; im konkreten Fall drohte die Insolvenz allerdings ohnehin schon aufgrund eines Nachforderungsbescheides des Finanzamtes. 166) Luz/Neus/Schaber/u. a.-Willemsen/Rechel, KWG und CRR, § 46 KWG Rz. 17; zu einer kurzen Übersicht auch Schwennicke/Auerbach-Schwennicke/Haß/Herweg, KWG, § 46 Rz. 24 oder Beck/Samm/ Kokemoor-Skauradszun, KWG, § 46 Rz. 39. 167) Höpfner in: Brogl, Hdb. Banken-Restrukturierung, S. 59 Rz. 75. 168) Schwennicke/Auerbach-Schwennicke/Haß/Herweg, KWG, § 46 Rz. 25. 169) Beck/Samm/Kokemoor-Samm, KWG, § 46 Rz. 53; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/ CRR-VO, § 46 KWG Rz. 58.

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IV. Maßnahmen bei Gefahr nach § 46 KWG

§ 16

Fall einer Maßnahme nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 KWG an, so wäre es unverhältnismäßig, trotzdem ein allgemeines Annahmeverbot zu erlassen (siehe dazu auch § 17 Rz. 33 [Binder]).170) Da die Maßnahme nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG eine unumgängliche Öffentlich- 121 keitswirkung mit sich bringt, wird zudem immer wieder darauf hingewiesen, dass weniger belastende Maßnahmen umfassend zu prüfen sind,171) was angesichts der Prüfung der Erforderlichkeit allerdings bei jeder Maßnahme auf der Hand liegen sollte. Sollte das Institut i. Ü. unter Verstoß gegen die Anordnung Kredite gewähren oder Einlagen 122 annehmen, sind diese Geschäfte gleichwohl zivilrechtlich wirksam, da sich das Gewährungs- bzw. Annahmeverbot nur gegen das Institut richtet und für den Kunden als andere Vertragspartei nicht erkennbar ist.172) cc)

Tätigkeitsuntersagung/–beschränkung für Inhaber und Geschäftsleiter

Die Aufsicht kann nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KWG die Ausübung der Tätigkeiten der 123 Inhaber und Geschäftsleiter insgesamt als ultima ratio untersagen oder eine Beschränkung173) anordnen. Diese Maßnahme darf nur ergriffen werden, wenn die Gefährdung der Gläubigerinteressen von den handelnden Personen ausgeht. § 46 Abs. 1 Satz 7 KWG stellt klar, dass Geschäftsführer, denen die Ausübung ihrer Tä- 124 tigkeit untersagt worden ist, für die Dauer der Untersagung von der Geschäftsführung und Vertretung des Instituts ausgeschlossen sind.174) Diese Klarstellung hat insbesondere handelsrechtliche Bedeutung. Für die Dauer der Untersagung ist der betroffene Geschäftsleiter auch im Außenverhältnis nicht mehr für das Institut vertretungsbefugt. Zum Schutz des Rechtsverkehrs gilt der betroffene Geschäftsleiter unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 HGB aber solange als vertretungsbefugt, bis das Erlöschen der Vertretungsbefugnis im Handelsregister eingetragen ist. Unabhängig davon darf der Geschäftsleiter aber auch noch Handlungen durchführen, die zur Aufrechterhaltung des Instituts notwendig sind und z. B. noch einen Vertreter bestellen.175) Er darf aber nicht mehr an Entscheidungen über Geschäftsführungsmaßnahmen des Instituts mitwirken. Nach § 46 Abs. 1 Satz 8 KWG bleibt das Anstellungsverhältnis des Geschäftsleiters grundsätzlich nach bankaufsichtsrechtlichen Vorgaben unberührt. b)

Weitere Maßnahmen i. R. von § 46 KWG

Mit dem RestruktG wurden die Maßnahmen des § 46 und 46a KWG zusammengelegt. 125 Die Maßnahmen nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 – 6 KWG (sog. Moratorium) entsprechen den früheren Maßnahmen gemäß § 46a KWG. Systematisch handelt es sich hierbei allerdings nicht mehr um Frühinterventionsmaßnahmen, sodass insoweit auf § 17 Rz. 12 ff. [Binder] zu verweisen ist. ___________ 170) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 58. 171) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 58; Schwennicke/AuerbachSchwennicke/Haß/Herweg, KWG, § 46 Rz. 26. 172) BGH, Urt. v. 5.10.1989 – III ZR 34/88, WM 1990, 54 = NJW 1990, 1356; diese Ansicht entspricht auch der allgemein vorherrschenden Auffassung, dass die Bankgeschäfte mit dem Kunden grundsätzlich wirksam sind, selbst wenn das Institut nicht über die entsprechende bankaufsichtsrechtliche Erlaubnis verfügt, vgl. Luz/Neus/Schaber/u. a.-v. Goldbeck, KWG und CRR, § 32 KWG Rz. 7. 173) Z. B. darf der Inhaber oder Geschäftsleiter nicht mehr alleine, sondern nur mit anderen Geschäftsleitern, Prokuristen, oder Sonderbeauftragten das Institut vertreten. 174) Reischauer/Kleinhans-Geier, KWG, § 46 Rz. 56; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Willemsen/Rechel, KWG und CRR, § 46 KWG Rz. 21. 175) Schwennicke/Auerbach-Schwennicke/Haß/Herweg, KWG, § 46 Rz. 65.

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§ 16 c)

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen Einstweiligkeit

126 Die Maßnahmen nach § 46 KWG können nur einstweilig sein. Das bedeutet, sie haben vorübergehenden Charakter und dürfen keinen irreversiblen, endgültigen Zustand herbeiführen.176) Insofern kann ein Vergleich zum Charakter von einstweiligen Anordnungen nach § 123 VwGO gezogen werden. Die Maßnahmen müssen daher dann abgestellt werden, wenn die Gefahr abgewendet ist oder feststeht, dass die Gefahr auf diese Weise nicht abgewendet werden kann.177) Sollte die Einstweiligkeit einer Maßnahme nicht möglich sein, bleiben der Aufsicht Maßnahmen mit Sanktionscharakter wie z. B. die Abberufung der Geschäftsleiter nach § 36 Abs. 1 KWG. 5.

Sonstige Regelungen in § 46 Abs. 1 Satz 3 – 9 KWG

127 Die Aufsicht kann zudem Zahlungen an konzernangehörige Unternehmen untersagen oder beschränken, wenn die Geschäfte für das Institut nachteilig sind. Dem Gesetzgeber ging es hier darum, dass insbesondere inländische Tochterunternehmen durch Zahlungen an ausländische Konzerngesellschaften trotz bestehender wirtschaftlicher Gefahrenlage i. S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 KWG ihren Kapital- und Liquiditätsbedarf weiter erhöhen würden (Ringfencing). Konzernangehörige Unternehmen sind dabei solche, die nach § 290 HGB Konzernunternehmen sind, unabhängig von der Einordnung als Instituts- oder FinanzholdingGruppe nach dem KWG.178) 128 In der Praxis bedeutsam ist das Ring-fencing auch für die Beschränkung der Dividendenausschüttung an Konzernunternehmen. Sofern ein Gesellschafter eine Gewinnausschüttung erhalten hat, entfällt der Rechtsgrund und er ist grundsätzlich zur Rückerstattung verpflichtet.179) 129 Im Sinne eines einheitlichen europäischen Sanierungs- und Abwicklungsregimes bedarf es auch schon im Vorfeld der entsprechenden Unterrichtungspflichten, um im Falle einer Schieflage koordiniert handlungsfähig zu sein. Entsprechend hat auch die BaFin, die Bundesbank, die EZB wie auch die betroffenen Aufsichtsbehörden anderer Mitgliedstaaten, d. h. diejenigen, in denen ein Konzernunternehmen Tochtergesellschaften und Niederlassungen hat, aber auch grenzüberschreitendes Geschäft betreibt, über Maßnahmen nach § 46 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 KWG zu unterrichten (§§ 46 Abs. 1 Satz 5, 46d KWG). 6.

Rechtschutz

130 Zuwiderhandlungen der Geschäftsleiter oder Mitarbeiter des Instituts gegen die Maßnahmen des § 46 Abs. 1 KWG sind Ordnungswidrigkeiten und mit einem persönlichen Bußgeld bis 100.000 € bedroht, § 56 Abs. 2 Nr. 3 lit. m, Abs. 6 Nr. 4 KWG. Das Institut und auch die betroffenen Geschäftsleiter können Widerspruch einlegen und Anfechtungsklagen gegen die Anordnung der Aufsicht nach § 46 KWG erheben. Da diese nach § 49 KWG keine aufschiebende Wirkung haben, kann ein Antrag als Eilmaßnahme gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellt werden. ___________ 176) VG Frankfurt/M., Urt. v. 22.6.2006 – 1 G 1738/06, juris; Reischauer/Kleinhans-Geier, KWG, § 46 Rz. 38; Beck/Samm/Kokemoor-Samm, KWG, § 46 Rz. 36. 177) Beck/Samm/Kokemoor-Samm, KWG, § 46 Rz. 43. 178) Begr. RegE Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht, BT-Drucks. 16/ 12783, S. 17. 179) Nach h. M. sind Verfügungen, die einem Veräußerungs- und Zahlungsverbot widersprechen nur gegenüber den Gläubigern, also relativ, gemäß §§ 135, 136 BGB unwirksam, nicht aber absolut. Demnach können sich Zahlungsempfänger auf die Gutglaubensvorschriften der §§ 135 Abs. 2, 932 ff. BGB berufen (vgl. Luz/Neus/Schaber/u. a.-Willemsen/Rechel, KWG und CRR, § 46 KWG Rz. 87).

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V. Maßnahmen nach den §§ 36 ff. SAG V.

Maßnahmen nach den §§ 36 ff. SAG

1.

Einführung

§ 16

Mit der nationalen Umsetzung der BRRD wurden Frühinterventionsmaßnahmen zudem 131 auch im SAG geschaffen. Der Gesetzesbegründung des SAG ist zu entnehmen, dass das SAG und damit auch die Frühinterventionsmaßnahmen eine Ergänzung zu den Maßnahmen nach dem KredReorgG darstellen sollen.180) Zudem stehen sie grundsätzlich auch in Ergänzung zu den Frühinterventionsmaßnahmen nach den §§ 45c und 46 KWG, wie es der Gesetzeswortlaut in den §§ 36 ff. SAG zum Teil vorgibt und wie es im Folgenden zu zeigen sein wird. Die Frühinterventionsmaßnahmen des SAG sind in den §§ 36 ff. SAG geregelt und setzen 132 die Artt. 27 ff. BRRD um. Sie bauen aufeinander auf und stellen einen Eskalationsprozess dar.181) Eine Maßnahme nach §§ 37, 38 SAG ist grundsätzlich erst dann zulässig, wenn die Maßnahme auf der niedrigeren Stufe als nicht ausreichend erachtet wird. In Ausnahmefällen kommt jedoch auch eine direkte Anwendung von §§ 37, 38 SAG in Betracht, wenn die Aufsichtsbehörde aufgrund einer hinreichend fundierten Prognosebasis Maßnahmen auf der niedrigeren Stufe für nicht ausreichend erachtet.182) 2.

Abgrenzung zu anderen Vorschriften

a)

KWG

Die §§ 36 ff. SAG und die Frühinterventionsmaßnahmen des KWG verfolgen vergleich- 133 bare Zwecke. Ziel der Maßnahmen nach §§ 45c f. KWG ist es, eine weitere Verschärfung der Situation zu verhindern und wenn möglich zu ihrer Bereinigung beizutragen.183) Die Maßnahmen des SAG sollen dagegen sicherstellen, dass die Aufsichtsbehörde über ein zuverlässiges Instrumentarium verfügt, das eine rechtzeitige und rasche Intervention bei einem unsoliden oder ausfallenden Institut ermöglicht.184) Sie wurden zudem mit Blick darauf geschaffen, dass eine Bankenrettung mit öffentlichen Geldern grundsätzlich nicht mehr erforderlich sein soll, weil andere ausreichende Instrumente der Aufsicht zur Rettung zur Verfügung stehen. Dieses Nebeneinander ähnlicher bzw. identischer Zielrichtungen ist dem Umstand ge- 134 schuldet, dass die Regelungen des KWG originär deutsches Recht sind und die auf europäischem Recht basierenden §§ 36 ff. SAG erst nachträglich eingefügt wurden. Da die §§ 36 ff. SAG die BRRD umsetzen sollten, kam auch eine einheitliche Regelung sämtlicher Frühinterventionsmaßnahmen nicht in Betracht.185) Der Gesetzgeber war sich dieses Nebeneinanders jedoch bewusst. So regeln z. B. §§ 36 Abs. 1, 37 Abs. 2 und 38 Abs. 5 SAG ausdrücklich, dass die Befugnisse der Aufsichtsbehörde nach dem KWG unberührt bleiben sollen. Das Verhältnis der Normen zueinander wird hierdurch jedoch nicht vorgegeben, was eine Abgrenzung der einschlägigen Normen notwendig macht.

___________ 180) Begr. RegE BRRD-UmsG, BT-Drucks. 18/2575, S. 141. 181) Grünewald/Lackhoff, GesKR 2016, 139, 142; Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2260; Luz/Neus/ Schaber/u. a.-Müller-Feyen, KWG und CRR, Ergänzungsband, § 36 SAG Rz. 1; Struckmann, ZBB 2019, 26, 27. 182) Grünewald/Lackhoff, GesKR 2016, 139, 142; EWSA, Stellungnahme zum BRRD-Richtlinienvorschlag, ABl. (EU) C 44/68 v. 15.2.2013, Rz. 4.3.2. 183) Höpfner in: Brogl, Hdb. Banken-Restrukturierung, S. 58 Rz. 72. 184) ErwG 5 BRRD. 185) Bauer/Hildner, DZWIR 2015, 251, 254.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

135 Eine Abgrenzung der Normen kann auf der Ebene der Verhältnismäßigkeit erfolgen.186) Insoweit sprechen mehrere Erwägungen dafür, dass die §§ 36 ff. SAG grundsätzlich vorrangig zur Anwendung kommen sollen. Zunächst ist die Eingriffsintensität geringer, da die Aufsichtsbehörden i. R. des SAG die Rechte der Anteilsinhaber des Instituts umfassend zu berücksichtigen haben (siehe hierzu unten Rz. 178 ff.). Weiterhin sieht das SAG keine Ermächtigungsgrundlage für die generelle Bekanntmachung einer Frühinterventionsmaßnahme vor, sodass der Reputationsschaden für das Institut geringer ist. Zudem zeigen die EBA-Leitlinien zu Auslöseereignissen für Frühinterventionsmaßnahmen, dass die §§ 36 ff. SAG vorrangig zur Anwendung kommen sollen (siehe hierzu unten Rz. 163 ff.). Angesichts des weiten Ermessensspielraums der Aufsichtsbehörden bei der Anwendung der Frühinterventionsmaßnahmen wäre hier jedoch eine deutlichere Abgrenzung des Gesetzgebers zur Stärkung der Rechtssicherheit wünschenswert.187) 136 Ein vergleichbares Abgrenzungsproblem besteht auch zwischen den §§ 36 ff. SAG und den allgemeinen Aufsichtsmaßnahmen nach Art. 104 CRD – umgesetzt durch § 45 KWG – bzw. den Regelungen der SSM-VO. Auch wenn nach Ansicht der Aufsichtsbehörde das Stadium der Frühintervention erreicht ist, wird ihr hierdurch der Rückgriff auf § 45 KWG und Art. 16 SSM-VO nicht verwehrt.188) Auch die SREP-Guidelines sehen die Möglichkeit einer entsprechenden Kombination von Maßnahmen vor.189) In der Praxis wird es eine derartige Parallelität indes regelmäßig nicht geben. Sofern nämlich der aufsichtsrechtliche Überprüfungsprozess190) Defizite i. S. eines schlechten SREP-Scores beim Institut aufzeigt, sollen hier unmittelbar Interventionsmaßnahmen der Aufsicht anknüpfen, die auf den §§ 36 ff. SAG beruhen. Insofern wird hier kein echter weiterer eigenständiger Fall der Ausübung von Interventionsmaßnahmen durch die Aufsichtsbehörde begründet, als vielmehr die natürliche Kombination von Aufsichtsmaßnahmen und Frühinterventionsmaßnahmen determiniert. b)

KredReorgG

137 Hinsichtlich des Verhältnisses zu den Vorschriften des KredReorgG stellt § 1 Abs. 5 KredReorgG zunächst fest, dass die Befugnisse der Anstalt nach anderen Gesetzen unberührt bleiben sollen. Grundsätzlich können die Bestimmungen des SAG und des KredReorgG damit nebeneinander bestehen. 138 Im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen lässt sich dennoch eine Reihenfolge der Anwendbarkeit feststellen. Denn Voraussetzung für die Einleitung des Sanierungsverfahrens nach KredReorgG ist nach § 2 Abs. 1 KredReorgG, dass die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1 und 2 KWG vorliegen. Hierzu ist erforderlich, dass die Behörde zukunftsgerichtet die Annahme trifft, dass das Institut die Eigenmittel und Liquiditätsanforderungen dauerhaft nicht erfüllen kann. 139 § 36 Abs. 1 Satz 1 SAG stellt hingegen auf den status quo ab und fordert bereits eine signifikante Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation des Instituts und kumulativ Ver___________ 186) So auch Bauer/Hildner, DZWIR 2015, 251, 254. Die Verhältnismäßigkeit als Abgrenzungskriterium spielt insb. eine Rolle bei § 45c KWG, der keine ausdrücklichen Voraussetzungen für den Einsatz des Sonderbeauftragten enthält (s. hierzu oben Rz. 58 ff.), sodass nur die Rechtsfolgenebene als Differenzierungskriterium übrig bleibt. 187) S. hierzu auch EZB, Stellungnahme zu Änderungen des Unionsrahmens für das Krisenmanagement, v. 8.11.2017 (CON/2017/47), Rz. 4.2. 188) Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2260; EBA, Single Rulebook Q&A, Question ID 2015_2107. 189) EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), Rz. 406 ff. 190) Durch den Verweis in Art. 104 Abs. 1 CRD auf Art. 97 CRD wird der aufsichtliche Überprüfungsprozess auch unmittelbar Gegenstand der Regelungen in Art. 104 CRD.

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V. Maßnahmen nach den §§ 36 ff. SAG

§ 16

stöße gegen die Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen nach der CRR bzw. dem KWG.191) Zwar zeigt § 36 Abs. 1 Satz 2 SAG, dass auch im Falle einer in naher Zukunft drohenden Verschlechterung der Finanzlage ebenfalls die Behörde eingreifen kann. Diese Bewertung beruht allerdings auf einer konkret quantitativen Einschätzung, bei der zwingend die Eigenmittelanforderungen bereits „nur“ um weniger als 1,5 Prozentpunkte höher sein dürfen als gesetzlich vorgeschrieben. Mithin liegen die Voraussetzungen des KredReorgG regelmäßig früher vor als die für das frühzeitige Eingreifen nach §§ 36 ff. SAG. 3.

Abgrenzung zur SRM-VO

a)

Anwendungsbereich

Frühinterventionsmaßnahmen sind schließlich auch Gegenstand der SRM-VO, die sich in 140 Art. 13 mit dem Thema befasst. Damit treffen insoweit die SRM-VO und das SAG aufeinander. Durch den allgemeinen Vorrang der europäischen Verordnung vor dem deutschen Gesetz wird das SAG prinzipiell von der SRM-VO verdrängt. Lediglich klarstellend ist somit § 1 SAG aufzufassen, wonach das SAG nur insoweit gilt, als die SRM-VO nicht maßgeblich ist. Eine Verdrängung wird jedoch nur dort relevant, wo die Verordnung auch eigenständige 141 Regelungen trifft.192) Zwar befasst sich Art. 13 SRM-VO mit Frühinterventionsmaßnahmen, trifft jedoch insoweit keine materiellen Regelungen. Die Norm regelt grundsätzlich nämlich nur das Verhältnis zwischen den zuständigen Behörden i. R. der Frühintervention. Relevant ist insoweit insbesondere Art. 13 Abs. 1 SRM-VO, der eine Unterrichtungspflicht der EZB bzw. der BaFin gegenüber dem SRB über alle Maßnahmen nach Art. 16 SSM-VO, Art. 104 CRD oder Artt. 27 ff. BRRD statuiert.193) Nur Art. 13 Abs. 3 SRM-VO enthält eine Ermächtigungsgrundlage des SRB gegenüber dem betroffenen Institut. Hiernach kann der SRB das Institut verpflichten, an potentielle Erwerber heranzutreten. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Maßnahme, die ausdrücklich der Vorbereitung der Abwicklung dienen muss. Eine eigenständige Kompetenz des SRB aus dem Bereich der Frühinterventionsmaßnahmen wird hierdurch nicht begründet. Da die SRM-VO insoweit also keine eigenen materiellen Grundlagen für den Bereich der 142 Frühintervention enthält, können die §§ 36 ff. SAG auch nicht durch die SRM-VO verdrängt werden. Die deutschen Vorschriften des SAG finden folglich insbesondere unabhängig davon Anwendung, ob der SRB für die Abwicklung des Instituts zuständig ist (zur Zuständigkeitsverteilung i. R. der Abwicklung siehe § 14 Rz. 40 ff. [Benzing]). b)

Rolle der Abwicklungsbehörden in der Frühintervention

Zuständig für Maßnahmen der Frühintervention nach dem SAG ist die jeweilige Aufsichts- 143 behörde, so dass je nach Bedeutung des Instituts die EZB oder die BaFin als zuständige Behörde anzusehen ist (siehe zur allgemeinen Behördenzuständigkeit im SSM § 2 Rz. 12 ff. [Glos/Benzing]). Im Rahmen der Maßnahmen nach §§ 36 ff. SAG wird allerdings eine Abgrenzung zu den 144 Abwicklungsbehörden notwendig. Auf nationaler Ebene ist die Abwicklung bei der BaFin ___________ 191) Bauer/Hildner, DZWIR 2015, 251, 253 f. 192) Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2264. 193) Grünewald/Lackhoff gehen davon aus, dass diese Vorschrift teleologisch zu reduzieren und nur auf „echte“ Frühinterventionsmaßnahmen anzuwenden ist. Daher sollen nur solche Maßnahmen erfasst sein, die objektiv zum Zwecke eines frühzeitigen Eingreifens in einer sich substantiell verschlechternden und auf eine mögliche Abwicklung hinauslaufenden Situation ergriffen werden, vgl. Grünewald/Lackhoff, GesKR 2016, 139, 144.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

im Geschäftsbereich Abwicklung angesiedelt.194) Soweit ein Institut von der EZB unmittelbar beaufsichtigt wird, ist dagegen der SRB die zuständige Abwicklungsbehörde. 145 Für die Phase der Frühintervention sieht Art. 7 Abs. 3 lit. b SRM-VO vor, dass die nationalen Abwicklungsbehörden auch zur Wahrnehmung der Maßnahmen während der Frühintervention nach Art. 13 Abs. 3 SRM-VO verantwortlich sind. Dies ist jedoch nicht so zu verstehen, dass hierdurch den nationalen Abwicklungsbehörden eigenstände Kompetenzen i. R. der Frühintervention übertragen werden. Die Maßnahme nach Art. 13 Abs. 3 SRM-VO wird im Zusammenhang mit Frühinterventionsmaßnahmen getroffen, ist aber selbst ausdrücklich keine Frühinterventionsmaßnahme. 146 In der Phase der Frühintervention beschränkt sich die Rolle der Abwicklungsbehörden damit auf die eines „Informationsempfängers“. Die Unterrichtungspflicht der Aufsichtsbehörden nach Art. 13 Abs. 1 SRM-VO kann dem SRB gemäß Art. 13 Abs. 2 SRM-VO nämlich als „Startschuss“ für die Vorbereitung der Abwicklung des betroffenen Instituts dienen (siehe hierzu auch § 14 Rz. 53 ff. [Benzing]).195) 4.

Frühinterventionsmaßnahmen nach § 36 SAG

147 § 36 SAG bildet den Grundbaustein des Eskalationsprozesses der Frühinterventionsmaßnahmen des SAG und ist damit systematisch – ebenso wie die Frühinterventionsmaßnahmen des KWG – dem Bereich der präventiven Aufsicht zuzuordnen.196) Die Norm knüpft an eine Verletzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen an und ermächtigt die Aufsichtsbehörde zu weitreichenden Maßnahmen. a)

Eingriffsgrundlage

148 Der Tatbestand von § 36 SAG ist missverständlich und bedarf in mehrfacher Hinsicht einer Korrektur. Dem Wortlaut der Norm lassen sich zwei Voraussetzungen entnehmen:197) x

Erstens soll eine signifikante Verschlechterung der Finanzlage des Instituts erforderlich sein;

x

zweitens muss es hierdurch zu einer Verletzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen – erfasst sind Normen der CRR, des KWG und die Artt. 3 bis 7, 14 bis 17 und 24 bis 26 der MiFIR198) – kommen.

149 Durch die Verwendung des Adverbs „hierdurch“ bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die Verschlechterung der Finanzlage kausal für die Verletzung der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen sein soll. 150 Diese Umsetzung des Art. 27 BRRD ist auf den ersten Blick nicht in Einklang zu bringen mit den europäischen Vorgaben, für die es insoweit nur auf die Verletzung der genannten aufsichtsrechtlichen Bestimmungen ankommt. § 36 Abs. 1 SAG erscheint auch in sich widersprüchlich zu sein. Denn der Verweis auf die Bestimmungen der MiFIR umfasst z. B. Transparenzvorschriften für Handelsplätze und systemische Internalisierer sowie die Pflicht zum Führen von Aufzeichnungen über Wertgeschäfte. In dieser Variante sollen Frühinter___________ 194) Mit dem FMSANeuOG wurde die ehemalige Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung in die BaFin integriert. Das ursprünglich vorgesehene Modell von der „Anstalt in der Anstalt“ wurde damit aufgegeben. 195) Binder/Gortsos-Gortsos, The European Banking Union, S. 58; Struckmann, ZBB 2019, 26, 28. 196) Beck/Samm/Kokemoor-Bornemann, KWG, § 36 SAG Rz. 44. 197) So jedenfalls die h. M. hierzu, vgl. Luz/Neus/Schaber/u. a.-Müller-Feyen, KWG und CRR, Ergänzungsband, § 36 SAG Rz. 2; Sedlak in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 89. A. A. Struckmann, ZBB 2019, 26, 30. 198) Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Markets in Financial Instruments Regulation (MiFIR), ABl. (EU) L 173/84 v. 12.6.2014.

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V. Maßnahmen nach den §§ 36 ff. SAG

§ 16

ventionsmaßnahmen nach § 36 SAG demnach möglich sein, wenn sich die Finanzlage eines Instituts verschlechtert und es hierdurch zu einem kausalen Verstoß gegen die Transparenzvorschriften oder Meldepflichten der MiFIR kommt.199) In dieser Variante hätte die Norm daher wohl nur einen theoretischen Anwendungsfall, sodass die Vorgaben des Art. 27 BRRD unzulässiger Weise stark eingeschränkt werden. Da § 36 Abs. 1 SAG einheitlich auszulegen ist und für die Verletzung der Bestimmungen der MiFIR nichts anderes gelten kann als für die Verletzung der CRR oder des KWG, kann die Norm demnach nicht so zu verstehen sein, dass zwei Voraussetzungen erforderlich sind, die kausal miteinander verknüpft sind. § 36 Abs. 1 SAG ist aber deshalb wohl nicht europarechtswidrig, sondern gerade noch ei- 151 ner richtlinienkonformen Auslegung zugänglich und lässt zu, die „Verschlechterung der Finanzlage“ inklusive ihrer Beispiele als Konkretisierung der Anforderungen der CRR und des KWG zu verstehen.200) Die Verschlechterung der Finanzlage wird damit zwar im Regelfall Auslöser für Frühinterventionsmaßnahmen sein, ist aber keine notwendige Voraussetzung für die §§ 36 ff. SAG. Erforderlich ist vielmehr die (drohende) Verletzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen der CRR, des KWG und bestimmter Artikel der MiFIR. Neben den genannten aufsichtsrechtlichen Bestimmungen sieht Art. 27 Abs. 1 BRRD 152 darüber hinaus vor, dass auch eine Verletzung der Bestimmungen des Zweiten Titels der MiFID II201) Frühinterventionsmaßnahmen auslösen soll. Der Zweite Titel der Richtlinie umfasst im Wesentlichen organisatorische Anforderungen und Wohlverhaltenspflichten für CRR-Wertpapierfirmen. Auf die Umsetzung dieses Zusatzes hatte der deutsche Gesetzgeber bis zur Umsetzung der MiFID II zunächst verzichtet.202) Diese Lücke wurde seit dem Inkrafttreten der MiFID II aber nicht geschlossen, sodass die BRRD nur unvollständig umgesetzt wurde. Insoweit kommt auch keine unmittelbare Anwendung des Art. 27 BRRD in Betracht. Der Sanktionscharakter dieser Rechtsfigur verbietet die unmittelbare Anwendung von Richtlinien gegenüber den betroffenen natürlichen und juristischen Personen (siehe zur unmittelbaren Anwendung von Richtlinien durch die EZB auch § 2 Rz. 57 [Glos/Benzing]).203) Unter Berücksichtigung der richtlinienkonformen Auslegung lässt sich der Tatbestand von 153 § 36 Abs. 1 SAG wie folgt kategorisieren: aa)

Signifikante Verschlechterung der Finanzlage

Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 SAG können Frühinterventionsmaßnahmen angewandt werden, 154 wenn sich die Finanzlage des Instituts, insbesondere aufgrund seiner Liquiditätssituation, aufgrund seiner Fremdkapitalquote oder aufgrund von Kreditausfällen oder von Klumpenrisiken, signifikant verschlechtert. Die maßgeblichen Vorgaben hierzu sind in der CRR (z. B. Artt. 25 ff. CRR [Kernkapital] oder Artt. 429 ff. CRR [Verschuldungsquoten]) geregelt und werden zum Teil auch durch das KWG – in Umsetzung der CRD – präzisiert. ___________ 199) Im Hinblick auf eine Verletzung der Bestimmungen des Zweiten Titels der MiFID II würde sich derselbe Widerspruch feststellen lassen, wenn der deutsche Gesetzgeber das SAG an die seit 2018 geltende MiFID II angepasst hätte (hierzu sogleich). 200) Struckmann, ZBB 2019, 26, 30; diesem Verständnis entspricht z. B. auch die Umsetzung von Art. 27 Abs. 1 BRRD in Österreich (§ 44 Abs. 2 und 3 SAG) und Irland (vgl. Sec. 39 Abs. 1 und 2 S. I. No. 289/ 2015 – European Union (Bank Recovery and Resolution) Regulations 2015, http://www.irishstatutebook.ie/eli/2015/si/289/made/en/pdf [Abrufdatum: 7.5.2020]). 201) Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – MiFID II, ABl. (EU) L 173/349 v. 12.6.2014. 202) Begr. RegE BRRD-UmsG, BT-Drucks. 18/2575, S. 154; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Müller-Feyen, KWG und CRR, Ergänzungsband, § 36 SAG Rz. 2; Struckmann, ZBB 2019, 26, 29. 203) Struckmann, ZBB 2019, 26, 29; s. umfassend zur Rechtsfigur der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien und ihren Voraussetzungen: Grabitz/Hilf/Nettesheim-Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 288 AEUV Rz. 133 ff.; Calliess/Ruffert-Ruffert, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV, Rz. 47 ff.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

155 Die Verschlechterung der Finanzlage muss signifikant sein. Auch hier ist zur Auslegung der Norm ein Blick auf Art. 27 Abs. 1 BRRD geboten. Art. 27 BRRD setzt in der deutschen Sprachfassung voraus, dass sich die Finanzlage des Instituts „dramatisch verschlechtert“, was im Vergleich zu der Fassung von § 36 Abs. 1 SAG sicherlich noch einmal als Steigerung zu bewerten ist. In der englischen Fassung der BRRD ist hingegen eine „rapidly deteriorating financial condition“ erforderlich. Auch bei den übrigen Amtssprachen der Union scheint dies der Konsens zu sein.204) Im Gegensatz zur deutschen Fassung legen diese Fassungen damit nahe, dass es nicht nur auf eine bestimmte quantitative oder qualitative Verschlechterung ankommt, sondern vielmehr die zeitliche Komponente ausschlaggebend ist. Zwar ist jede Sprachfassung einer Richtlinie für sich selbst verbindlich, ohne dass einer bestimmten Sprache Vorrang zu gewähren wäre,205) jedoch lässt der Vergleich mit den anderen Sprachfassungen der BRRD den Schluss zu, dass auch in der deutschen Sprachfassung „dramatisch“ als „dramatisch schnell“ zu lesen ist. Dieses Auslegungsergebnis ist auch noch mit dem Wortlaut der deutschen Fassung vereinbar und im Wege der richtlinienkonformen Auslegung auf § 36 Abs. 1 SAG zu übertragen. 156 Eine zeitliche Komponente als Auslöser für Frühinterventionsmaßnahmen steht zudem im Einklang mit dem Sinn und Zweck der BRRD, die auf eine „rasche Intervention“206) ausgerichtet ist. Vor diesem Hintergrund können insbesondere kurzfristig auftretende Verschlechterungen der Finanzlage des Instituts auch von § 36 Abs. 1 Satz 1 SAG erfasst sein; eine Nachhaltigkeit der Verschlechterung ist damit auf Tatbestandsebene nicht erforderlich, auch wenn diese i. R. der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme zu berücksichtigen sein kann. 157 Während § 36 Abs. 1 Satz 1 SAG eine konkrete und bereits eingetretene Verschlechterung fordert, können Frühinterventionsmaßnahmen nach § 36 Abs. 1 Satz 2 SAG bereits dann ergriffen werden, wenn eine Verschlechterung der Finanzlage nach einer Bewertung der maßgeblichen Umstände, einschließlich der Eigenmittelanforderungen des Instituts zzgl. 1,5 Prozentpunkten, in naher Zukunft droht. Als maßgeblich gelten für die Bewertung dabei – wie in Satz 1 auch – die Liquiditätssituation, Fremdkapitalquote, Kreditausfälle oder Klumpenrisiken. Als zusätzliches Kriterium stellt Satz 2 jedoch auch auf die Eigenmittelanforderungen zzgl. 1,5 Prozentpunkten ab. 158 Auch i. R. des § 36 Abs. 1 Satz 2 SAG wird im besonderen Maße der Handlungsspielraum der Aufsicht durch die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen gestärkt. Aufgrund der Zugehörigkeit der Norm zum allgemeinen Gefahrenabwehrrecht bietet es sich jedoch auch hier an, zur näheren Ausfüllung dieses Tatbestandsmerkmals auf den allgemeinen Gefahrenbegriff zurückzugreifen. Eine drohende Verschlechterung liegt demnach bei einem Sachverhalt vor, der bei ungehindertem Ablauf des zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Verstoß gegen die Anforderungen der CRR oder die Vorschriften des KWG führt. Die Aufsichtsbehörde entscheidet demnach aus einer ex-ante Perspektive, ob die Voraussetzungen der Norm vorliegen.207) 159 Zur näheren Konkretisierung der Umstände nach § 36 Abs. 1 Satz 2 SAG wird dem BMF eine Verordnungsermächtigung in § 36 Abs. 4 SAG eingeräumt. Von dieser Ermächtigung hat das BMF allerdings noch keinen Gebrauch gemacht. ___________ 204) Auch die französische Fassung spricht insoweit von einer „dégradation rapide“. Gleiches gilt für die niederländische („snel verslechterende financiële toestand“) und spanische („deterioro rápido de la situación financiera“) Fassung. 205) Vgl. nur EuGH, Urt. v. 6.10.1982 – Rs. C-283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257. 206) ErwG 4 BRRD. 207) So auch Sedlak in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 84, 90.

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V. Maßnahmen nach den §§ 36 ff. SAG bb)

§ 16

Organisatorische Mängel

Neben den Bestimmungen des CRR zur Finanzlage des Instituts, kann auch eine Verlet- 160 zung der Vorgaben des KWG Frühinterventionsmaßnahmen auslösen. Dieser ebenfalls sehr weit gefasste Verweis bezieht sich jedenfalls auf die Normen, die die Vorgaben der CRD IV umsetzen.208) Neben den Bestimmungen, die die Anforderungen der CRR konkretisieren, enthält die CRD insbesondere Vorgaben zur Organisation der Institute, welche in Deutschland durch die §§ 25a ff. KWG und die InstitutsVergV209) umgesetzt worden sind (zu den Vorgaben des KWG zur Organisation siehe umfassend § 11 [Benzler/Krieger]). Die Frühinterventionsmaßnahmen des SAG sollen daher z. B. bei Verstößen gegen die Vorgaben zur Geschäftsorganisation, Vergütungsbestimmungen und die Fit-and-Proper-Anforderungen an die Mitglieder der Geschäftsleitung und des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans möglich sein. Hintergrund dieser Bestimmungen ist, dass nach der Finanzkrise in Regulierungskreisen Einigkeit darüber bestand, dass Schwächen in der Unternehmensführung und -kontrolle von Finanzinstituten, darunter das Fehlen wirksamer institutsinterner Kontrollen, einer der Faktoren waren, die zur Finanzkrise beigetragen haben.210) Eng mit der Geschäftsorganisation verknüpft sind aber auch die Vorgaben zur Verhinderung 161 von Fehlverhalten. Individuelles und kollektives Fehlverhalten können zu Nachteilen für Anleger und einem Vertrauensverlust in den Finanzmarkt führen.211) In diesem Zusammenhang stehen z. B. die Verhaltens- und Organisationspflichten der MiFID II, umgesetzt insb. durch die §§ 63 ff. WpHG.212) Infolge der unvollständigen Umsetzung der BRRD durch den deutschen Gesetzgeber, kann eine Verletzung dieser Bestimmungen derzeit allerdings nicht Gegenstand von Frühinterventionsmaßnahmen sein (siehe hierzu auch oben Rz. 152). cc)

Transparenz- und Meldepflichten

Als weitere Kategorie von Verstößen sind in diesem Rahmen die Transparenzbestimmungen 162 und Meldepflichten der Artt. 3 bis 7, Artt. 14 bis 17 und Artt. 24, 25 und 26 der MiFIR zu nennen. Auch diese Vorgaben sind das Resultat von Lehren aus der Finanzkrise, die Defizite in der Transparenz der Finanzmärkte hat zutage treten lassen.213) Nach Ansicht des europäischen Gesetzgebers sind Vorgaben zur Transparenz und zum Berichts- bzw. Meldewesen wichtige Elemente eines funktionierenden Marktes, die die „Verantwortung der Institute gegenüber den Interessenträgern und der Gesellschaft“ widerspiegeln.214) Zum Schutz der Anleger und zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Finanzmärkte sollen die Aufsichtsbehörden daher auch i. R. der Frühintervention Maßnahmen zur Behebung von Verstößen im Bereich des Transparenz- und Meldewesens erlassen können. b)

Konkretisierung durch Berücksichtigung der EBA-Leitlinien

Nicht nur im Hinblick auf die nicht ausgeübte Verordnungsermächtigung nach § 36 Abs. 4 163 SAG ist die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 36 Abs. 1 SAG damit insgesamt ___________ 208) Nach der Gesetzesbegründung zum BRRD-UmsG wollte der Gesetzgeber Art. 27 Abs. 1 BRRD umsetzen, also nicht den Anwendungsbereich der Norm erweitern (vgl. Begr. RegE BRRD-UmsG, BTDrucks. 18/2575, S. 154). Dies spricht dafür, den Verweis auf die Bestimmungen des KWG einschränkend auszulegen ist und nur die Bestimmungen als erfasst anzusehen sind, die tatsächlich die CRD umsetzen. 209) Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten – Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV), 16.12.2013, BGBl. I 2013, 4270. 210) ErwG 5 MiFID II. 211) ErwG 5 MiFID II. 212) Zur Umsetzung der Conduct of Business-Regeln im WpHG s. Grundmann, ZBB 2018, 1, 9 ff. 213) ErwG 1 MiFIR. 214) ErwG 52 CRD IV.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

mit einiger Rechtsunsicherheit verbunden. Dies ist aber nicht allein der deutschen Umsetzung der BRRD geschuldet. Bereits der Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU kritisierte diesbezüglich den Richtlinienentwurf der Kommission und sprach sich für eine ausdrückliche und klare Regelung aus, um die drohende Rechtsunsicherheit für die Institute zu verringern.215) Um die Voraussetzungen der Norm zu konkretisieren, hat die EBA im Umsetzung von Art. 27 Abs. 4 BRRD Leitlinien „zu den Bedingungen für die Prüfung der Anwendung von Frühinterventionsmaßnahmen gemäß Art. 27 Abs. 4 der Richtlinie 2014/59/EU“ (EBA-Trigger-Guidelines)216) erlassen, die am 1.1.2016 in Kraft getreten sind. Ziel dieser Leitlinien ist es, eine weitere Vereinheitlichung der Aufsichtspraxis der nationalen Aufsichtsbehörden von Mitgliedstaaten der Union zu erreichen.217) aa)

Bindungswirkung von EBA-Leitlinien

164 EBA-Leitlinien haben keine rechtliche Bindungswirkung und richten sich auch nur an Aufsichtsbehörden und nicht an die Institute selbst. Gleichwohl kommt den Leitlinien der EBA in der Beratungs- und Aufsichtspraxis eine herausragende Bedeutung zu, da sie letztlich die Verwaltungspraxis etablieren. Dies liegt nicht zuletzt an § 7b Abs. 1 Satz 4 KWG, der der BaFin vorgibt, die Leitlinien und Empfehlungen der EBA anzuwenden. Weicht sie von den Leitlinien und Empfehlungen ab, muss sie dies gegenüber der EBA begründen (Comply or Explain). Ebenso ist auch die EZB nicht unmittelbar an die Leitlinien der EBA gebunden.218) Beide Aufsichtsbehörden haben jedoch der EBA mitgeteilt, dass sie die Trigger-Guidelines befolgen werden.219) 165 In den EBA-Trigger-Guidelines stellt die EBA eingangs zudem klar, dass die Leitlinien nicht darauf abzielen, die zuständigen Behörden zu verpflichten sondern lediglich eine Auslegungshilfe darstellen.220) Die nationale Aufsichtsbehörde soll weder davon abgehalten werden, Frühinterventionsmaßnahmen anzuwenden, wenn noch keine Auslösebedingung der EBA erfüllt ist, noch soll sie umgekehrt dazu angehalten werden, diese stets anzuwenden, wenn eine Auslösebedingung erfüllt ist. bb)

Festlegung von Auslösebedingungen

166 Die Leitlinien legen konkrete Trigger-Ereignisse innerhalb des gemeinsamen Europäischen SREP-Rahmenwerks fest und beschreiben unabhängig von den Ergebnissen des SREP weitere Umstände und Kriterien, die ein mögliches Auslöseereignis für Frühinterventionsmaßnahmen darstellen können. Die Auslösebedingungen lassen sich in drei verschiedene Gruppen einordnen: x

Das SREP-Gesamtergebnis und vordefinierte Kombinationen des SREP-Gesamtergebnisses und der Ergebnisse für einzelne SREP-Elemente;

x

wesentliche Veränderungen oder Anomalien, die in der Überwachung der finanziellen und nicht-finanziellen Schlüsselindikatoren gemäß des SREP identifiziert werden und

___________ 215) EWSA, Stellungnahme zum BRRD-Richtlinienvorschlag, ABl. (EU) C 44/68 v. 15.2.2013, Rz. 4.3.1. 216) EBA, Leitlinien zu den Bedingungen für die Prüfung der Anwendung von Frühinterventionsmaßnahmen – Trigger-Guidelines, v. 8.5.2015 (EBA/GL/2015/03). 217) EBA, Guidelines on early intervention triggers, PM v. 8.5.2015. 218) Kerjean, JIBLR 2018, 37, 42; Lackhoff, Single Supervisory Mechanism, Rz. 428; Schuster, EuZW-Beilage 2014, 3, 8. 219) EBA, Guidelines compliance table, v. 5.10.2018 (EBA/GL/2015/03 Appendix 1). 220) EBA, Leitlinien zu den Bedingungen für die Prüfung der Anwendung von Frühinterventionsmaßnahmen – Trigger-Guidelines, v. 8.5.2015 (EBA/GL/2015/03), Rz. 11.

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V. Maßnahmen nach den §§ 36 ff. SAG

§ 16

aus denen ersichtlich wird, dass die Voraussetzungen für ein frühzeitiges Eingreifen erfüllt sind; x

wesentliche Ereignisse die anzeigen, dass die Voraussetzungen für ein frühzeitiges Eingreifen erfüllt sind.

Die Auslösebedingungen der ersten Gruppe stehen in engem Zusammenhang mit den 167 SREP-Ergebnissen eines Instituts (siehe umfassend zum SREP § 13 Rz. 71 ff. [Glos]). Einerseits wird hier der SREP-Gesamtscore berücksichtigt, welcher die Überlebensfähigkeit eines Instituts widerspiegelt.221) Hiernach soll eine Bewertung von „4“, wonach ein hohes Risiko für die Überlebensfähigkeit besteht, als Auslöser für Frühinterventionsmaßnahmen ausreichen. Ebenso soll eine Gesamtbewertung von „3“ eine Frühinterventionsmaßnahme auslösen, sobald eine Teilbewertung von „4“ in den Teilbereichen „interne Steuerung und institutionsweite Kontrollen“, „Geschäftsmodell und Strategie“, „angemessene Kapitalausstattung“ oder „angemessene Liquiditätsausstattung“ vorliegt.222) Die Anknüpfung von Frühinterventionsmaßnahmen an die SREP-Ergebnisse und Teiler- 168 gebnisse ist aus Sicht der Aufsicht zu begrüßen. Die abstrakten Voraussetzungen des § 36 SAG werden durch konkrete Bewertungen ersetzt, die das Ergebnis einer umfassenden Überprüfung der Überlebensfähigkeit des Instituts sind. Eine konsequente Umsetzung der EBA-Leitlinien ist indes aus der Sicht der Institute nicht unproblematisch. Soweit ersichtlich, teilen nämlich weder die EZB noch die BaFin den Instituten die SREP-Teilergebnisse mit.223) Einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer nach §§ 36 ff. SAG erlassenen Frühinterventionsmaßnahme sind damit von vornherein Schranken gesetzt, soweit ein Antrag auf Akteneinsicht nicht in Betracht kommt. Daneben werden wesentliche Änderungen oder Unregelmäßigkeiten der SREP-Schlüs- 169 selindikatoren als weitere Gruppe von Auslösebedingungen genannt. Zur Überwachung der Schlüsselindikatoren sollen die Aufsichtsbehörden nach den SREP-Guidelines geeignete Schwellenwerte festlegen.224) Für die angemessene Kapitalausstattung kann dieser Schwellenwert gemäß Art. 27 Abs. 1 BRRD auf ein Niveau zuzüglich 1,5 Prozentpunkten über den Eigenmittelanforderungen des Instituts festgelegt werden.225) Die Identifizierung wesentlicher Veränderungen oder die Verletzung der Schwellenwerte soll die zuständige Behörde veranlassen, die Ursache hierfür zu bestimmen, das SREP-Ergebnis erforderlichenfalls zu überprüfen und in Situationen, in denen sich die Finanzlage des Instituts drastisch verschlechtern, Frühinterventionsmaßnahmen anzuwenden.226)

___________ 221) Sedlak in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 84, 92. 222) EBA, Leitlinien zu den Bedingungen für die Prüfung der Anwendung von Frühinterventionsmaßnahmen – Trigger-Guidelines, v. 8.5.2015 (EBA/GL/2015/03), Rz. 15. Beim SREP 2017 für die bedeutenden Institute durch die EZB erhielten 12 % aller Institute die Teilbewertung „4“ für das Geschäftsmodell, 10 % in der Kategorie „interne Governance und institutsweite Kontrollen”, 5 % bei Kapitelrisiken und 7 % bei Liquiditätsrisiken. Zudem erhielten 11,6 % der Institute die SREP-Gesamtnote „4” (vgl. ECB, SSM SREP Methodology Booklet, 2017, S. 6, 9, 10). Damit bestand im Jahr 2017 bei vielen Instituten die Möglichkeit, Frühinterventionsmaßnahmen zu erlassen. 223) Schoenmaker/Véron-Schoenmaker/Véron, European Banking Supervision: The First Eighteen Months, S. 5 – 6; Schuster/Pitz, ZBB 2016, 343, 348; Schoenmaker/Véron-Steffen, European Banking Supervision: The First Eighteen Months, S. 94, 95. 224) EBA, SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), Rz. 46; EBA, Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03). 225) EBA, Leitlinien zu den Bedingungen für die Prüfung der Anwendung von Frühinterventionsmaßnahmen – Trigger-Guidelines, v. 8.5.2015 (EBA/GL/2015/03), Rz. 19. 226) EBA, Leitlinien zu den Bedingungen für die Prüfung der Anwendung von Frühinterventionsmaßnahmen – Trigger-Guidelines, v. 8.5.2015 (EBA/GL/2015/03), Rz. 20, 21.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

170 Schließlich sollen Frühinterventionsmaßnahmen bei wesentlichen Ereignissen angewandt werden, die darauf hindeuten, dass die Voraussetzungen der Frühintervention vorliegen.227) Letzteres kann als Auffangklausel verstanden werden. Im Gegensatz zu den Auslösebedingungen der ersten beiden Gruppen knüpft dieser Auslöser an besondere Ereignisse im Geschäftsbetrieb und in der Organisation des Instituts an. Die EBA stuft die von diesen Ereignissen resultierende Gefahr für die Finanzlage eines Instituts demnach derart hoch ein, dass es auf eine unmittelbare Veränderung der SREP Werte noch nicht ankommt. Ausreichend soll es vielmehr sein, dass eine derartige Veränderung unmittelbar bevorstehen kann.228) Als derartige Ereignisse werden u. a. bezeichnet: x

Wesentliche Ereignisse mit großem operationellen Risiko (fragwürdige Geschäftspraktiken, Betrug, Naturkatastrophen, schwerwiegende IT-Probleme, beträchtliche Geldbußen, die den Instituten von öffentlichen Behörden auferlegt wurden);

x

wesentliche Verringerung der Menge an berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten und Eigenmitteln, die von dem Institut zum Zwecke der Erfüllung der Mindestanforderungen für Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten (Minimum Requirement for Own Funds and Eligible Liabilities – MREL) gehalten werden;

x

bedeutende Mittelabflüsse, einschließlich Privatkundeneinlagen, die z. B. durch die Rufschädigung des Instituts entstehen;

x

unerwartete Abgänge von Führungs- oder Schlüsselpersonal, das nicht ersetzt wurde;

x

Herabstufung durch Ratingagenturen.229)

171 Sobald die zuständige Aufsichtsbehörde von einem dieser Ereignisse erfährt, soll sie die Ursachen hierfür und die wahrscheinlichen Folgen für das Institut ermitteln. Je nach Bedeutung des eingetretenen Ereignisses kann dieses selbst dann schon als Auslösebedingung für Frühinterventionsmaßnahmen dienen.230) Im Regelfall sollen Frühinterventionsmaßnahmen jedoch erst nach einer Aktualisierung der SREP-Werte in Erwägung gezogen werden. c)

Maßnahmenkatalog gegenüber der Geschäftsleitung

172 Soweit die Voraussetzungen von § 36 SAG erfüllt sind, liegt es im Ermessen der Behörde zu entscheiden, ob und inwieweit Maßnahmen der Frühintervention implementiert werden. Diese Entscheidung unterliegt den allgemeinen Grundsätzen zur pflichtgemäßen Ermessensausübung nach § 40 VwVfG und muss damit insbesondere verhältnismäßig sein. 173 Der nicht abschließende Maßnahmenkatalog231) nach § 36 Abs. 2 SAG unterscheidet zwischen Maßnahmen, die sich an die Geschäftsleitung eines Instituts richten und solchen, die das Institut selbst betreffen. Bei allen Maßnahmen in der Frühinterventionsphase des ___________ 227) EBA, Leitlinien zu den Bedingungen für die Prüfung der Anwendung von Frühinterventionsmaßnahmen – Trigger-Guidelines, v. 8.5.2015 (EBA/GL/2015/03), Rz. 7. 228) EBA, Leitlinien zu den Bedingungen für die Prüfung der Anwendung von Frühinterventionsmaßnahmen – Trigger-Guidelines, v. 8.5.2015 (EBA/GL/2015/03), Rz. 7. 229) Anzumerken ist allerdings, dass diese Kategorie fragwürdig erscheint, ist die Richtung der aufsichtsrechtlichen Architektur doch, die Unabhängigkeit von externen Ratingagenturen zu stärken (vgl. ErwG 70, 72 CRD IV). Auch aus Gründen der demokratischen Legitimation erscheint es befremdlich, die Bewertung einer privaten Ratingagentur unmittelbar für staatliche Zwecke heranzuziehen. Da EBA Guidelines aber ohnehin keine rechtliche Verbindlichkeit haben und die EBA selbst klarstellt, dass das Vorliegen einer Auslösebedingung nicht unmittelbar in einer Aufsichtsmaßnahme resultieren muss (s. o. Rz. 17), ist diese Auslösebedingung im Ergebnis wohl legitim. 230) EBA, Leitlinien zu den Bedingungen für die Prüfung der Anwendung von Frühinterventionsmaßnahmen – Trigger-Guidelines, v. 8.5.2015 (EBA/GL/2015/03), Rz. 27. 231) Begr. RegE BRRD-UmsG, BT-Drucks. 18/2575, S. 154.

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V. Maßnahmen nach den §§ 36 ff. SAG

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SAG ist jedoch zu beachten, dass die „Anteilseigner die volle Verantwortung und Kontrolle über das Institut behalten sollen“.232) Erst in der Abwicklungsphase tritt diese in den Hintergrund.233) aa)

Aktualisierung und Umsetzung des Sanierungsplans (§ 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. a und lit. b SAG)

Als mögliche Maßnahme sieht § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. a SAG zunächst vor, dass die 174 Aufsichtsbehörde von der Geschäftsleitung verlangen kann, den Sanierungsplan (siehe zur Sanierungsplanung § 15 Rz. 9 ff. [Cichy]) gemäß § 12 Abs. 4 SAG zu aktualisieren, wenn sich die Umstände, die zur Erfüllung oder zur drohenden Erfüllung der in § 36 Abs. 1 Satz 1 SAG genannten Voraussetzungen geführt haben, von den Annahmen im bisherigen Sanierungsplan unterscheiden. Nach § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. b SAG kann die Behörde zudem von der Geschäftslei- 175 tung verlangen, eine oder mehrere der im Sanierungsplan genannten Handlungsoptionen umzusetzen (zu den Handlungsoptionen siehe § 15 Rz. 42 ff. [Cichy]). Die Umsetzung der Option muss bei vernünftiger ex-ante Betrachtung geeignet sein, die Ursache für die verschlechterte Finanzlage bzw. die drohende Verschlechterung zu beseitigen. Im Vergleich zu dem Verlangen, den Sanierungsplan zu aktualisieren, stellt das Verlangen, eine Option umzusetzen, einen tiefergreifenden Eingriff dar, was auf der Ebene der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen ist. bb)

Erstellung einer Analyse mit Lösungsvorschlägen bzw. eines Plans zur Umschuldung (§ 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. c und lit. d SAG)

Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. c und lit. d SAG kann die Behörde von der Geschäfts- 176 leitung jeweils verlangen, selbst zur Verbesserung der Finanzlage des Instituts tätig zu werden. Im Fall des § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. c SAG kann die Behörde verlangen, eine Analyse der Situation vorzunehmen und einen Plan zur Überwindung bestehender Probleme einschließlich eines Zeitplans zu erstellen. In ähnlicher Weise kann die Behörde gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. d SAG fordern, einen Plan für Verhandlungen über eine Umschuldung mit Gläubigern zu erstellen z. B. durch einen Debt-Equity Swap.234) Der Vergleich mit § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. b SAG zeigt allerdings, dass die Behörde dem Institut ex-ante keine Vorgaben zum Inhalt des Plans machen kann. Die Norm räumt der Behörde gerade nicht die Befugnis ein, eine bestimmte Umschuldungsmaßnahme auszuwählen. In der Praxis ist indes davon auszugehen, dass die konkreten Maßnahmen in enger Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde ausgewählt werden. cc)

Änderung der Geschäftsstrategie (§ 36 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 lit. e SAG)

Als weitere Maßnahme sieht § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. e SAG vor, dass die Aufsichtsbehör- 177 de die Geschäftsleitung verpflichten kann, die Geschäftsstrategie sowie die rechtlichen und operativen Strukturen des Instituts zu ändern.235) Unter dem Begriff der Geschäftsstrategie ist der „konkrete Ausfluss des Geschäftsmodells [zu verstehen], in dem beschrieben wird, in welchen Märkten mit welchen Produkten ein Institut am Markt auftreten und sich im Wett___________ 232) ErwG 39 BRRD. 233) Zu den Eingriffen in das Gesellschaftsrecht im Stadium der Abwicklung, z. B. durch eine Kapitalherabsetzung des Instituts, s. Philipp, AG 2015, 77, 78. 234) Vgl. DeNederlandscheBank, From supervision to resolution, https://www.dnb.nl/en/resolution/vantoezicht-naar-resolutie/index.jsp (Abrufdatum: 7.5.2020); für die Umsetzung dieses Swaps ist aber im Regelfall ein Beschluss der Hauptversammlung gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 6 AktG erforderlich. 235) Zu Eingriffen der Aufsichtsbehörden in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit und Eingriffsmöglichkeiten neben § 36 SAG s. Lutz/Röhl/Schneider, ZBB 2012, 342, 347.

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Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

bewerb positionieren möchte“.236) Eine klare Umschreibung der „rechtlichen und operativen Strukturen“ des Instituts ist dagegen nicht möglich; sie umfassen jedoch z. B. Gruppen- und Konzernaspekte, das Bestehen von Filialen und Zweigniederlassungen, das Verhältnis des Instituts zu seinen Organen sowie die institutsinternen Kontrollen und Prozesse.237) 178 Allerdings ist die Norm unter Beachtung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung einschränkend auszulegen. Hierfür spricht zum einen die Entstehungsgeschichte der BRRD. In der Begründung zum Richtlinienentwurf führte die Kommission aus, dass „gemäß dem Gesellschaftsrecht bestehende Rechte oder Verfahrenspflichten […] davon [gemeint sind die Frühinterventionsbefugnisse] unberührt“ bleiben soll.238) Auch die Erwägungsgründe der BRRD stellen klar, dass „während der in dieser Richtlinie geregelten Sanierungs- und Frühinterventionsphasen […] die Anteilseigner die volle Verantwortung und Kontrolle über das Institut behalten“ sollten.239) Auch die systematische Stellung der Norm deutet auf diese einschränkende Auslegung hin. § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. g SAG (siehe hierzu unten Rz. 184 ff.) wäre überflüssig, wenn die Aufsichtsbehörde Maßnahmen, für die gesellschaftsrechtlich die Zustimmung der Anteilseigner erforderlich wäre, bereits i. R. von § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. e SAG anordnen könnte.240) 179 Nach dieser Maßgabe sind z. B. Anordnungen zum Verkauf von Tochtergesellschaften, zur Einstellung der Geschäftstätigkeit in bestimmten Bereichen oder Ländern oder zur Einführung nachhaltiger Prozesse im Institut (etwa die Implementierung des Three-Lines-of-Defence-Modells)241) möglich. Nicht möglich sind i. R. von § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. e SAG dagegen Maßnahmen, die nach dem einschlägigen Gesellschaftsrecht einen Beschluss der Anteilseigner des Instituts erfordern.242) Für diese Maßnahmen muss die Aufsichtsbehörde einen Beschluss der Anteilseigner über § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. g SAG herbeiführen. dd)

Zugangsgewährung für Behörden (§ 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. f SAG)

180 Zur Vorbereitung der Abwicklung eines Instituts sieht § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. f SAG schließlich vor, die Geschäftsleitung zu verpflichten, ihren Mitarbeitern und denen der Abwicklungsbehörde – auch i. R. einer Prüfung vor Ort – Zugang zu allen Informationen zu gewähren, die zur Aktualisierung des Abwicklungsplans, zur Vorbereitung der Abwicklung des Instituts und zur Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Instituts für Abwicklungszwecke erforderlich sind. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich aus praktischer Sicht, jederzeit die nötigen Zutritts- und IT-Rechte (z. B. Keycards) in ausreichender Anzahl für den Fall einer Vor-Ort-Kontrolle vorrätig zu haben und frühzeitig interne Richtlinien für den Ablauf derartiger Maßnahmen zu erarbeiten. Von wesentlicher Bedeutung ist insoweit auch der Zugriff auf das Policy-Framework des Instituts.243) ___________ Vgl. hierzu: Lutz, ZKredW 2014, 168; Struckmann, ZBB 2019, 26, 33. S. weitergehend zu den „rechtlichen und operativen Strukturen“: Struckmann, ZBB 2019, 26, 32. EWSA, Stellungnahme zum BRRD-Richtlinienvorschlag, ABl. (EU) C 44/68 v. 15.2.2013; Rz. 4.4.6. ErwG 39 BRRD. S. umfassend zur einschränkenden Auslegung der Norm: Struckmann, ZBB 2019, 26, 34 ff. Vgl. zur Bedeutung nachhaltiger Prozesse im Institut: Weber-Rey/Gissing in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 78 ff. 242) Bei einem als AG organisierten Institut sind dies z. B. Maßnahmen, die über die Verwendung des Bilanzgewinns entscheiden (§ 119 Abs. 1 Nr. 2 AktG) oder der Kapitalbeschaffung dienen sollen (§ 119 Abs. 1 Nr. 6 AktG). Auch eine Änderung der Rechtsform des Instituts kommt insoweit nicht in Betracht (§ 226 UmwG i. V. m. § 193 Abs. 1 UmwG). 243) Insbesondere beim Policy-Framework empfiehlt es sich i. R. von § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. f SAG sowie anderen Vor-Ort-Kontrollen der Aufsichtsbehörde vor Beginn der Kontrolle die Funktionsweise des jeweiligen Policy-Frameworks einleitend darzustellen und zu erläutern, soweit dieses noch nicht bekannt sein sollte. 236) 237) 238) 239) 240) 241)

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V. Maßnahmen nach den §§ 36 ff. SAG

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Obwohl § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. f SAG die Abwicklungsbehörde erwähnt, werden ihr 181 keine originären Kompetenzen i. R. der Frühintervention eingeräumt. Es bleibt vielmehr dabei, dass nur die Aufsichtsbehörde i. R. der Frühintervention zuständig ist. Dies folgt aus § 36 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1, wonach lediglich die Aufsichtsbehörde die Zutrittsgewährung von der Geschäftsleitung verlangen kann.244) Insoweit kann die Abwicklungsbehörde die Aufsichtsbehörde also nur begleiten. Folglich ist die Norm eine besondere Ausformung der Informationspflichten der Aufsichts- gegenüber der Abwicklungsbehörde.245) Die Zweckbindung der Zugangsgewährung bringt den systematischen Zusammenhang zu 182 den Regeln, die unmittelbar die Abwicklung eines Instituts selbst betreffen gemäß §§ 62 ff. SAG zum Ausdruck. Eine Verpflichtung zur Zugangsgewährung aus anderen Gründen ist i. R. von § 36 SAG damit nicht zulässig. Dieser enge Zusammenhang wird auch deutlich durch einen Verweis in § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. f Halbs. 2 auf § 78 Abs. 2 SAG, der den zuständigen Behörden ein Sonderprüfungsrecht vor Ort in den Geschäftsräumen des Instituts einräumt. Die genaue Ausgestaltung der Vor-Ort-Prüfung richtet sich damit nach den Vorgaben 183 des § 78 Abs. 2 SAG und ist zugleich an Art. 13 GG zu messen. Gleichwohl ist das mit den Vor-Ort-Prüfungen verbundene Betretensrecht nicht vollständig auf die üblichen Geschäftszeiten beschränkt. Über Art. 13 Abs. 7 GG kann es auch hier zur Vorbereitung unaufschiebbarer Maßnahmen ausnahmsweise erforderlich sein, Geschäftsräume etwa auch am Wochenende zu betreten, wenn es zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.246) Im Falle einer Durchsuchung der Aufsicht greift nach Art. 13 Abs. 2 GG ein Richtervorbehalt ein.247) ee)

Einberufung der Anteilsinhaberversammlung (§ 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. g SAG)

Weiterhin kann die Aufsichtsbehörde gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. g SAG von der 184 Geschäftsleitung verlangen, eine Versammlung der Anteilsinhaber mit einer von ihr vorgegebenen Tagesordnung einzuberufen und – kommt die Geschäftsleitung dem Verlangen nicht nach – die Einberufung anstelle der Geschäftsleitung mit gleicher Wirkung selbst vornehmen. Die Aufsichtsbehörde erhält durch die Norm also weitgehende Rechte, die es ihr ermöglichen, auf die Grundfragen der Ausrichtung und des Fortbestands des Instituts einwirken zu können. Auf Basis der Norm ist es der Aufsichtsbehörde möglich, insbesondere die Maßnahmen 185 zur Abstimmung durch die Versammlung der Anteilseigner zu stellen, die nicht mehr von dem Verlangen, die Geschäftsstrategie sowie die rechtlichen und operativen Strukturen zu ändern, gedeckt sind. Wie aus § 36 Abs. 5 SAG folgt, kommt insoweit regelmäßig die Durchführung von Kapitalmaßnahmen in Betracht. Die Einberufung der Anteilseignerversammlung richtet sich nach den einschlägigen ge- 186 sellschaftsrechtlichen Vorschriften. Soweit es sich bei dem Institut um eine AG oder SE handelt, ist die Einberufungsfrist von mindestens 30 Tagen gemäß § 123 Abs. 1 AktG ___________ 244) RefE z. SRM-AnpG, S. 57, http://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Bibliothek/ Gesetzesmaterialien/18_wp/AbwicklungsmechanismusG/refe.pdf?__blob=publicationFile (Abrufdatum: 7.5.2020). 245) Weitere Beispiele für diese Informationspflicht finden sich in § 36 Abs. 2 SAG und Art. 13 Abs. 1 SRM-VO. 246) RefE z. SRM-AnpG, S. 57, http://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Bibliothek/ Gesetzesmaterialien/18_wp/AbwicklungsmechanismusG/refe.pdf?__blob=publicationFile (Abrufdatum: 7.5.2020). 247) RefE z. SRM-AnpG, S. 57, http://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Bibliothek/ Gesetzesmaterialien/18_wp/AbwicklungsmechanismusG/refe.pdf?__blob=publicationFile (Abrufdatum: 7.5.2020).

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Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

zu beachten.248) Hierfür spricht zunächst der bereits geschilderte Vorrang des Gesellschaftsrechts. Bei der Auslegung der Bestimmungen der BRRD sind gesellschaftsrechtliche Rechte und Verfahrenspflichten zu beachten.249) Zudem zeigt der Vergleich mit § 36 Abs. 5 SAG,250) der eine Einberufungsfrist von zehn Tagen vorsieht, dass eine Verkürzung der gesellschaftsrechtlichen Einberufungsfrist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein soll. 187 Unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 5 SAG kommt allerdings eine Verkürzung der Einberufungsfrist auf mind. zehn Tage in Betracht. Hierfür kann ein Institut in der Rechtsform einer AG oder SE251) – bereits vor der Maßnahme nach § 36 SAG – eine entsprechende Regelung in seiner Satzung treffen. Auch wenn eine Umsetzungspflicht nicht besteht, wird die Aufsichtsbehörde i. S. eines guten Aufsichtsverhältnisses regelmäßig davon ausgehen, dass die Geschäftsleitung eine entsprechende Satzungsänderung in die Tagesordnung der Hauptversammlung mitaufnimmt.252) 188 Soweit die Geschäftsleitung die Hauptversammlung trotz entsprechender Anordnung nicht einberuft, ermächtigt § 36 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 lit. g Halbs. 2 SAG die Aufsichtsbehörde, die Hauptversammlung selbst einzuberufen. Dieses – auch aus dem allgemeinen Gefahrenabwehrrecht bekannte253) – Recht zur Ersatzvornahme verdeutlicht, dass die Aufsichtsbehörde insoweit nicht auf die Kooperation der Geschäftsleitung angewiesen ist. 189 Dass i. R. vom § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. g SAG ausnahmsweise ein Recht zur Ersatzvornahme geregelt ist, veranschaulicht die besondere Relevanz der Einberufung der Anteilseignerversammlung für den Erfolg von Frühinterventionsmaßnahmen. Vergleichbare Befugnisse der Aufsichtsbehörde im SAG, KWG und VAG254) enthalten eine derartige Kompetenz nämlich nicht. 190 Nach dem Wortlaut der Norm ist die Einberufung der Anteilseignerversammlung durch die Aufsichtsbehörde subsidiär gegenüber der Einberufung durch die Geschäftsleitung; erst wenn diese sich weigert bzw. die Einberufung aus sonstigen Gründen nicht erfolgt, darf die Behörde insoweit selbst tätig werden.255) Da die primäre Einberufungskompetenz ___________ 248) Struckmann, BKR 2019, 393; Für die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung der SE gelten gemäß Art. 54 Abs. 2 SE-VO die mitgliedstaatlichen Vorschriften entsprechend, sodass auch hier von einer mindestens 30-tägigen Einberufungsfrist auszugehen ist. 249) ErwG 39, 40 BRRD. 250) Die Verkürzung der Einberufungsfrist im Namen der Finanzmarktstabilität erinnert an § 7 Abs. 1 Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (FMStBG), der eine Verkürzung der Einberufungsfrist auf 21 Tage vorsieht. Aufgrund des europarechtlichen Hintergrunds von § 36 Abs. 1 SAG eignet sich die Norm des FMStBG aber nicht zur systematischen Auslegung der Norm. S. umfassend zur Einberufungsfrist nach § 7 Abs. 1 FMStBG: Jaletzke/Veranneman-Veranneman/Hofmeister, FMStG, § 7 FMStBG Rz. 4 ff. 251) Der Wortlaut von § 36 Abs. 5 SAG sieht die Satzungsregelung ausdrücklich zwar nur für eine deutsche AG vor. Da für die SE aber die mitgliedsstaatlichen Vorschriften entsprechend gelten, kommt auch eine Anwendung bei der Europäischen AG in Betracht, vgl. Struckmann, BKR 2019, 393. 252) Struckmann, BKR 2019, 393. 253) Vgl. z. B. § 10 VwVG. 254) Vgl. § 44 Abs. 5 KWG und § 306 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VAG; eine vergleichbare Ersatzvornahmeregelung besteht indes in Art. 54 Abs. 2 SE-VO für die Einberufung der Hauptversammlung der SE, wobei die Norm derzeit in Deutschland mangels Bestehen einer zuständigen Behörde folgenlos ist, vgl. hierzu: Lutter/Hommelhoff/Teichmann-Spindler, SE Kommentar, Art. 54 SE-VO Rz. 14. 255) Die Einberufungskompetenz der Geschäftsleitung gilt damit auch bei besonderer Eilbedürftigkeit. Die Norm stellt ausdrücklich auf die unterlassene Einberufung durch die Geschäftsleitung ab und nicht auf die fehlende rechtzeitige Möglichkeit der Einberufung durch die Geschäftsleitung. Anders als beim Stufenverhältnis der §§ 36 ff. SAG, wonach in Ausnahmefällen auch das „Überspringen“ einer Stufe möglich ist (s. hierzu oben Rz. 132), bleibt die primäre Einberufungskompetenz der Geschäftsleitung auch in Eilfällen damit bestehen. Hierfür spricht auch der in den ErwG der BRRD zum Ausdruck kommende Vorrang gesellschaftsrechtlicher Rechte und Verfahrensweisen (s. hierzu oben Rz. 177 ff.).

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V. Maßnahmen nach den §§ 36 ff. SAG

§ 16

bei der Geschäftsleitung verbleibt, muss dieser auch eine angemessene Frist zur Einberufung der Versammlung gewährt werden. Anders als die übrigen Maßnahmen nach § 36 SAG, ist die Einberufung der Versammlung 191 der Anteilseigner besonders öffentlichkeitswirksam, sodass dem betroffenen Institut ein Reputationsschaden droht, welcher ebenfalls in besonderem Maße i. R. der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen ist.256) Mit dem Risikoreduzierungsgesetz (RiG) sollen die Kompetenzen der Aufsichtsbehörde 192 i. R. von § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. g SAG weiter gestärkt werden. Der RefE sieht vor, dass die Aufsichtsbehörde berechtigt sein soll, „[…] die erforderlichen Bekanntmachungen, Einladungen, Veröffentlichungen [Hervorh. durch d. Verf.] und sonstige erforderliche Handlungen selbst vorzunehmen.“257) Mit der Einfügung soll sichergestellt werden, dass die Aufsichtsbehörde im Falle einer Selbstvornahme der Einberufung einer Versammlung der Anteilsinhaber über alle erforderlichen Kompetenzen verfügt.258) Trotz dieser Kompetenzerweiterung gelten allerdings auch für die Aufsichtsbehörde die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen zu Form und Inhalt der Bekanntmachungen, Einladungen und Veröffentlichungen. Bei einem Institut in der Rechtsform einer AG ist die Einberufung daher insbesondere gemäß § 121 Abs. 4 Satz 1 AktG in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen. d)

Maßnahmen gegenüber dem Institut (§ 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SAG)

Darüber hinaus kann die Aufsicht gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SAG vom Institut ver- 193 langen, dass einer oder mehrere der Geschäftsleiter bzw. des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans259) des Instituts abberufen werden, sofern sie nach den Vorschriften des KWG für die Erfüllung ihrer Aufgaben nicht geeignet sind.260) Dies bedeutet, dass eine Entscheidung der Aufsicht anhand der üblichen Fit-and-Proper-Kriterien (siehe dazu auch oben § 11 Rz. 174 ff. [Benzler/Krieger]) zu treffen ist, die auf Basis des §§ 25c, 25d KWG erfolgt. Zur Konkretisierung dieser Anforderungen verwendet die BaFin die Merkblätter zur Geschäftsleitern261) bzw. Mitgliedern des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans262). Soweit die EZB i. R. der unmittelbaren Beaufsichtigung tätig wird, ist hingegen ihr eigener Leitfaden maßgeblich.263) ___________ 256) Zur Rolle des Reputationsschadens und des damit verbundenen Vertrauensverlustes insb. im Bankensektor s. Kumpan in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 325 ff. 257) Vgl. Art. 2 Nr. 11 lit. a des RefE eines Gesetzes zur Reduzierung von Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Bankensektor – Risikoreduzierungsgesetz (RiG), https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_ VII/19_Legislaturperiode/2020-04-22-Risikoreduzierungsgesetz/0-Gesetz.html (Abrufdatum: 7.5.2020). 258) Vgl. Begr. RefE RiG, S. 199, https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/ Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_VII/19_Legislaturperiode/2020-04-22-Risikoreduzierungsgesetz/0-Gesetz.html (Abrufdatum: 7.5.2020). 259) Die Möglichkeit der Abberufung von Mitgliedern des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans wurde i. R. des FMSANeuOG neu eingeführt und dient der Umsetzung von Art. 27 Abs. 1 lit. b BRRD, vgl. Begr. RegE FMSANeuOG, BT-Drucks. 18/9530, S. 51. 260) Art. 27 BRRD verweist weitergehend auch auf Art. 9 MiFID II, der die Fit-and-Proper-Anforderungen an Mitglieder des Leitungsorgans von Wertpapierfirmen regelt. Infolge der bislang unterlassenen Anpassung des SAG an die nunmehr erfolgte Umsetzung der MiFID II in Deutschland enthält § 36 SAG diese Bestimmungen bisher nicht. Eine unmittelbare Anwendung von Art. 27 BRRD ist insoweit nicht möglich (s. hierzu oben Rz. 152). 261) BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018. 262) BaFin, Merkblatt zu den Mitgliedern von Verwaltungs- und Aufsichtsorganen gemäß KWG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018. 263) EZB, Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit, v. 5/2017.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

194 Aufgrund des systematischen Zusammenhangs wird eine derartige Abberufung insbesondere erfolgen, wenn ein Geschäftsleiter oder Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans für die geänderte finanzielle Situation des Instituts und die erforderlichen Korrekturen nicht die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten oder die Unterstützung von Belegschaft und Aufsichtsrat mitbringt. Ein Geschäftsleiter, der keine Erfahrung im Umgang mit Krisensituationen hat, läuft daher Gefahr, gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SAG abberufen zu werden. 195 Im Fall des § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SAG richtet sich die Maßnahme an das Organ, das nach den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften für die Bestellung und Abberufung zuständig ist.264) Gegenstand des Verwaltungsaktes ist nämlich nicht die Abberufung selbst, sondern ein Abberufungsverlangen, das noch eines Umsetzungsaktes des jeweiligen Organs bedarf.265) Zuständig für die Umsetzung des Verlangens ist der Aufsichtsrat, soweit ein Mitglied der Geschäftsleitung betroffen ist und die Hauptversammlung, soweit das Verlangen ein Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans zum Gegenstand hat.266) 196 Vor dem Hintergrund ähnlicher Rechtsfolgen ist hier insbesondere eine Abgrenzung zu § 36 KWG notwendig. Gemäß § 36 Abs. 1 KWG kann die BaFin, statt die Erlaubnis eines Instituts aufzuheben, die Abberufung der verantwortlichen Geschäftsleiter verlangen und diesen Geschäftsleitern die Ausübung ihrer Tätigkeit untersagen. Anders als § 36 SAG, stellt die Abberufung nach § 36 KWG keine Frühinterventionsmaßnahme dar. Vielmehr hat die Abberufung hier ausschließlich repressiven Charakter. Anknüpfungspunkt für die Abberufung nach § 36 KWG können auch persönliche Verfehlungen des Geschäftsleiters oder organisatorische Mängel des Instituts sein, sodass die Norm einen deutlich weiteren Anwendungsbereich hat. 197 Weiterhin sieht § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SAG kein Tätigkeitsverbot für das abberufene Mitglied der Geschäftsleitung vor.267) Die Abberufung nach § 36 SAG hat damit auch keinen Eintrag im Gewerbezentralregister zur Folge.268) Ein Tätigkeitsverbot kann die Aufsichtsbehörde daher nur unter den Voraussetzungen der §§ 36, 46 KWG aussprechen. Da ein Tätigkeitsverbot sich auch auf gegenwärtige oder künftige Positionen als Geschäftsleiter bzw. Mitglied des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans bezieht, geht es über das bloße Abberufungsverlangen hinaus.269) ___________ 264) So wohl auch Bähre/Schneider, KWG, 3. Aufl., 1986, § 36 Anm. 2, zu dem insoweit identischen § 36 KWG a. F. 265) Hierfür spricht nicht nur das systematische Verhältnis der Norm zu § 37 SAG (s. hierzu unten Rz. 200), sondern auch die gemäß ErwG 39 BRRD in der Frühinterventionsphase zu berücksichtigenden gesellschaftsrechtlichen Verfahrensweisen. 266) Vgl. §§ 84 Abs. 3, 103 AktG; zum Abberufungsverfahren nach § 36 KWG s. Boos/Fischer/SchulteMattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 36 KWG Rz. 68, 139 ff.; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Schmitz, KWG und CRR, § 36 KWG Rz. 101 ff. 267) Die Abberufung entfaltet jedoch faktisch dieselben Wirkungen wie ein Tätigkeitsverbot. Entsprechend den Bestimmungen des BaFin-Merkblatts zu Geschäftsleitern stellen aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen das Institut regelmäßig ein Indiz für mangelnde Zuverlässigkeit dar (BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 21). Diese steht sodann einer Neubestellung entgegen. 268) Vgl. § 149 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 lit. b GewO, der nur das Tätigkeitsverbot nennt; ein Auszug aus dem Gewerbezentralregister ist i. R. des Anzeigeverfahrens bei Absicht der Bestellung eines Geschäftsleiters einzureichen (BaFin, Merkblatt zu den Geschäftsleitern gemäß KWG, ZAG und KAGB, v. 4.1.2016, Stand: 12.11.2018, S. 9). 269) Zum umstrittenen Verhältnis zwischen Abberufungsverlangen und Tätigkeitsverbot s. Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Fischer/Müller, KWG/CRR-VO, § 36 KWG Rz. 5; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Schmitz, KWG und CRR, § 36 KWG Rz. 14 ff.; Bähre/Schneider, KWG, 3. Aufl., 1986, § 36 Anm. 3.

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V. Maßnahmen nach den §§ 36 ff. SAG e)

§ 16

Weitere Maßnahmen

Durch die Verwendung von „insbesondere“ in § 36 Abs. 1 Satz 3 SAG bringt der Gesetz- 198 geber zum Ausdruck, dass die aufgelisteten Maßnahmen bewusst nicht abschließend sein sollen. Eine derartige Einschränkung würde die Aufsicht in ihren Befugnissen auch wesentlich einschränken, da die verschiedenen Anwendungsfälle von § 36 Abs. 1 SAG nicht voraussehbar sind.270) Hierdurch wird der Behörde allerdings kein beliebiger Handlungsspielraum eröffnet, vielmehr muss die konkrete Maßnahme nach Art und Intensität mit denen des Katalogs vergleichbar sein. Auch in diesem Rahmen ist also zu berücksichtigen, dass die Maßnahme ihrer Natur nach eine Frühinterventionsmaßnahme bleiben muss und die Anteilseigner des Instituts die volle Kontrolle und Verantwortung behalten sollen.271) 5.

Abberufung der Geschäftsleitung nach § 37 SAG

Sollte die wirtschaftliche Situation des Instituts mit den Maßnahmen nach § 36 SAG nicht 199 ausreichend verbessert werden oder die Verstöße gegen die in § 36 Abs. 1 Satz 1 SAG genannten Vorschiften nicht beseitigt werden, dann hat die Aufsicht gemäß § 37 SAG die Möglichkeit, einzelne oder alle Geschäftsführer abzuberufen. Durch das FMSA-Neuordnungsgesetz (FMSANeuOG) wurde auch § 37 SAG dahingehend erweitert, dass die Aufsichtsbehörde einzelne oder alle Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans abberufen kann. Sowohl auf Tatbestands- als auch auf Rechtsfolgenebene ist eine Abgrenzung zu § 36 Abs. 1 200 Satz 3 Nr. 2 SAG notwendig (siehe hierzu oben Rz. 93 ff.). Hierzu führt eine EBA Q&A aus, dass eine Abberufung nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 SAG nach den nationalen Geeignetheitskriterien erfolgen soll. § 37 SAG ermöglicht dagegen die Anordnung der Abberufung, selbst wenn das jeweilige Organmitglied noch formal die Geeignetheitsanforderungen erfüllt. Der Blick wird hier alleine auf das Institut gewendet und ist zunächst unabhängig von der betroffenen Person.272) Auf Rechtsfolgenebene nimmt die Aufsicht im Unterschied zu § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 201 SAG originäre organschaftliche Rechte wahr. Die Regelung geht somit über § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SAG hinaus, wo das Institut lediglich angewiesen wird, Mitglieder der Geschäftsleitung oder des Verwaltungs- und Aufsichtsorgans abzuberufen. Insoweit kann § 37 SAG auch dazu dienen, die Anordnung nach § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SAG zu vollstrecken, sollte z. B. die Hauptversammlung sich weigern, Mitglieder des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans abzuberufen. Darüber hinaus muss das Institut die beabsichtigte Bestellung eines neuen Geschäftsleiters nicht nur bei der Aufsicht anzeigen (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 KWG), sondern hier bedarf es der expliziten Zustimmung durch die Aufsicht. Im Gegensatz zu §§ 36, 46 Abs. 1 Nr. 3 KWG wiegt diese Maßnahme für den Geschäftsführer in formeller Hinsicht indes weniger schwer, da auch i. R. von § 37 SAG kein Tätigkeitsverbot angeordnet werden kann. Dies ist nur unter den Voraussetzungen der §§ 36, 46 KWG möglich. Dies ist auch insofern konsequent, als das die Abberufung nach § 37 SAG gerade nicht an Geeignetheitsanforderungen anknüpft. ___________ 270) Schriftlicher Bericht d. WA z. RegE KWG, BT-Drucks. 3/2563, S. 16. 271) Anders als im ursprünglichen Kommissionsvorschlag zur Änderung der BRRD vorgesehen, hat sich ein Frühinterventions-Moratorium nicht durchgesetzt (vgl. Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates, v. 23.11.2016, COM(2016) 852 final – 2016/0362 (COD), Art. 33a; s. hierzu auch noch die 1. Auflage dieses Handbuchs, § 16 Rz. 169). Insbesondere die EZB war insoweit der Ansicht, dass ein Moratorium keine Frühinterventionsmaßnahme sein sollte (vgl. EZB, Stellungnahme zu Änderungen des Unionsrahmens für das Krisenmanagement, v. 8.11.2017 (CON/2017/47), Rz. 5.2). 272) S. EBA, Single Rulebook Q&A.

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§ 16

Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

202 Bei Ausübung der Befugnis das gesamte Geschäftsleiterorgan abzuberufen, sollte im Interesse der wirtschaftlichen Situation des Instituts eine längere Vakanz so weit wie möglich vermieden werden.273) Ob geeignete Nachfolger zur Verfügung stehen, wird die Aufsicht mit dem Institut in der Praxis daher vorab erörtern, bzw. die Abberufung der Geschäftsleiter in einem Aufsichtsgespräch unter Umständen erst einmal informell „androhen“, bevor sie die entsprechende Anordnung erlässt. 6.

Bestellung eines vorläufigen Verwalters nach § 38 SAG

203 In der Systematik der §§ 36 ff. SAG stellt § 38 SAG eine weitere Stufe des Eskalationsprozesses dar. Ist die Abberufung der Geschäftsleitung nach § 37 SAG nicht ausreichend, kann die Aufsichtsbehörde einen vorläufigen Verwalter für das Institut bestellen. Der vorläufige Verwalter soll die Geschäftsleitung oder das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan des Instituts ablösen oder mit ihnen zusammenarbeiten.274) Dem Wortlaut nach kann der vorläufige Verwalter ebenfalls nur dann eingesetzt werden, wenn die signifikant verschlechterte wirtschaftliche Situation dies erfordert, sodass der deutsche Gesetzgeber auch § 38 SAG zu eng umgesetzt hat. Auch hier ist damit eine Korrektur der Vorschrift in Form einer richtlinienkonformen Auslegung erforderlich, die auch eine schwere Verletzung von Bestimmungen der MiFIR und der Organisationsanforderungen des KWG berücksichtigt (siehe hierzu bereits oben Rz. 151). 204 Bei der Bestellung des vorläufigen Verwalters handelt es sich um einen tiefgehenden Eingriff275) in die Rechte des Instituts und seiner Anteilseigner, so dass das Versagen anderer Maßnahmen nicht nur i. R. der Verhältnismäßigkeit, sondern bereits auf der Ebene des Tatbestands zu berücksichtigen ist. Nur in Ausnahmefällen, in denen ein Abwarten auf den Erfolg von milderen Maßnahmen aufgrund der Schieflage des Instituts ausgeschlossen erscheint, dürfte ein unmittelbarer Rückgriff auf die Bestellung eines vorläufigen Verwalters nach § 38 SAG möglich sein.276) 205 Als primäre Aufgabe des vorläufigen Verwalters werden die finanzielle Wiederherstellung des Instituts und die Wiederherstellung einer soliden und vorsichtigen Unternehmensführung angesehen. Das erklärte Ziel dieses Aufsichtsinstrumentariums war es, eine disziplinierende Wirkung auf die Geschäftsleitung auszuüben und dazu beizutragen, dass für Probleme, die anderenfalls zum Ausfall eines Instituts führen könnten, privatwirtschaftliche Lösungen gefunden werden.277) Wie auch beim Sonderbeauftragten nach § 45c KWG, aber auch bei der Abberufung und Neuberufung der Geschäftsleiter nach § 37 SAG ist hier fraglich, wie praxistauglich diese Regelungen sind. Zunächst müssen sich diese Personen in die „Themen“ des Instituts einarbeiten. Zudem erfolgt die Abberufung der vorangegangenen Geschäftsleiter eben nicht, jedenfalls nicht primär, wegen persönlicher Ungeeignetheit, so dass offensichtlich ein Defizit seitens des Verwalters ausgeglichen werden könnte. Allerdings kann die Aufsicht nach § 37 Abs. 2 SAG auch mehrere vorläufige Verwalter bestimmen, was die Einarbeitungszeit aufgrund möglicher Aufgabenteilung unter ___________ 273) Begr. RegE BRRD-UmsG, BT-Drucks. 18/2575, S. 155; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Müller-Feyen, KWG und CRR, Ergänzungsband, § 37 SAG Rz. 2. 274) Eine Ablösung von Führungsebenen unterhalb der Geschäftsleitung kommt indes nicht in Betracht (vgl. EBA, Single Rulebook Q&A, Question ID 2015_1771). Der vorläufige Verwalter soll vielmehr mit der Führungsebene unterhalb der Geschäftsleitung kooperativ zusammenarbeiten. 275) Vgl. insoweit: EWSA, Stellungnahme zum BRRD-Richtlinienvorschlag, ABl. (EU) C 44/68 v. 15.2.2013, Rz. 1.5. 276) Vgl. insoweit: EWSA, Stellungnahme zum BRRD-Richtlinienvorschlag, ABl. (EU) C 44/68 v. 15.2.2013, Rz. 1.6. 277) Vgl. Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates, v. 6.6.2012, COM(2012) 280, Rz. 4.4.6.

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V. Maßnahmen nach den §§ 36 ff. SAG

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Umständen verkürzen wird. Zudem hat der vorläufige Verwalter wie auch der Sanierungsberater hier nicht weisungsgebunden zugunsten der Aufsicht zu agieren. Das Spannungsverhältnis zwischen dem gesellschaftsrechtlichen Schutz der Aktionäre und 206 dem aufsichtsrechtlichen Bedürfnis, Schaden vom Finanzsystem abzuwenden, kommt i. R. von § 38 SAG besonders zur Geltung. Die BRRD sieht nämlich die Möglichkeit der Einschränkung der Kontrolle der Anteilseigner über das Institut vor, sobald ein vorläufiger Verwalter eingesetzt wird.278) Andererseits darf aber die Bestellung nicht „ungebührlich“ in die Rechte der Anteilseigner des Instituts eingreifen.279) Der vorläufige Verwalter kann daher die Befugnisse der Geschäftsleitung bzw. des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans wahrnehmen, also alle Handlungen vornehmen, die das jeweilige Organ vornehmen könnte, allerdings auch nicht mehr. Somit sind auch die Befugnisse des vorläufigen Verwalters beschränkt durch die Rechte der Hauptversammlung (siehe oben Rz. 178).280) Unter Beachtung dieser Einschränkung ist die Aufsicht ist frei in der Definition der Aufgaben und Befugnisse, die dem vorläufigen Verwalter übertragen werden. Katalogmaßnahmen werden hier nicht aufgeführt. Sofern der vorläufige Verwalter allerdings die Befugnis zur Einberufung einer Versammlung der Anteilsinhaber und die Festlegung der Tagesordnung ausüben möchte, bedarf es zuvor der Zustimmung durch die Aufsichtsbehörde. Hintergrund dieser Regelung ist wohl, dass eine solche Befugnis aufgrund der Bedeutung der Hauptversammlung und möglicher Beschlüsse sowie der hiermit verbundenen Öffentlichkeitswirkung so weitgehend ist, dass diese eines zusätzlichen Vorbehalts bedarf. Entscheidend ist bei der Bestellung des vorläufigen Verwalters auch hier wieder, dass die 207 Aufsicht aufgrund eines Informationsaustausches mit dem Verwalter Einblick in das Institut erhält. Wie auch beim Sonderbeauftragten muss auch die Übertragung von Aufgaben und Befugnisse eines Geschäftsleiters auf den vorläufigen Verwalter nach § 38 Abs. 1 Satz 3 SAG von Amts wegen in das Handelsregisters eingetragen werden. Anders als Art. 29 Abs. 1 BRRD es vorsieht, stellt § 38 SAG keine Anforderungen an die 208 Person des vorläufigen Verwalters (anders als § 45c KWG, siehe oben Rz. 63 ff.), allerdings sollte selbstredend davon ausgegangen werden, dass dieser die Geeignetheitsanforderungen nach §§ 25c Abs. 1, 25d KWG erfüllt, wenn die Aufsicht den vorläufigen Verwalter bestellt. Mit dem Risikoreduzierungsgesetz (RiG) soll § 38 SAG aber an Art. 29 Abs. 1 BRRD angeglichen werden. Der RefE sieht vor, dass der vorläufige Verwalter über die für die Ausübung seiner Funktionen erforderlichen Qualifikationen, Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen muss und bei ihm keine Interessenkonflikte gegeben sein dürfen, insbesondere muss er von Gläubigern und dem Institut unabhängig sein.281) Im Hinblick auf die erforderlichen Kenntnisse und Qualifikationen ist – ebenso wie beim Sonderbeauftragten nach § 45c KWG (siehe oben, Rz. 63 ff.) – eine Orientierung an den Vorgaben für die Geschäftsleiter des Instituts nach § 25c Abs. 1 KWG oder die Mitglieder des Verwaltungs- und Aufsichtsorgans nach § 25d Abs. 1 KWG jedenfalls dann naheliegend, wenn der vorläufige Verwalter das jeweilige Organ ersetzen soll. Die Betonung der Vorläufigkeit des Einsatzes erfolgt auch über die zwingende zeitliche 209 Begrenzung der Bestellung, denn der vorläufige Verwalter wird nach § 38 Abs. 4 SAG zunächst für ein Jahr bestellt, wobei eine jederzeitige Abberufung durch die Aufsichtsbe___________ 278) 279) 280) 281)

ErwG 39 BRRD. ErwG 40 BRRD. Vgl. Art. 29 Abs. 2 Satz 3 BRRD; EBA, Single Rulebook Q&A, Question ID 2015_2109. Vgl. Art. 2 Nr. 12 des RefE eines Gesetzes zur Reduzierung von Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Bankensektor – Risikoreduzierungsgesetz (RiG), https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_VII/ 19_Legislaturperiode/2020-04-22-Risikoreduzierungsgesetz/0-Gesetz.html (Abrufdatum: 7.5.2020).

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Frühzeitiges aufsichtsrechtliches Eingreifen

hörde möglich ist. Eine Verlängerung ist zudem ausnahmsweise möglich, aber nur, wenn die Voraussetzungen und damit weiterhin eine signifikant verschlechterte wirtschaftliche Situation des Instituts besteht und zudem erneut eruiert wird, ob die Maßnahmen nach § §§ 36, 37 SAG nicht genügen. Die Bestellung des vorläufigen Verwalters endet gemäß § 87 Abs. 3 SAG zudem kraft Gesetzes, sobald die Abwicklungsbehörde für das Institut einen Sonderverwalter bestellt.282) 210 Schließlich regelt § 38 Abs. 5 SAG, dass § 45c KWG (zum Sonderbeauftragten siehe oben Rz. 40 ff.) unberührt bleibt. Allerdings stellt sich hier die Frage, ob die Aufsichtsbehörde parallel einen Sonderbeauftragten und einen vorläufigen Verwalter bestellen kann. Dies wäre de lege lata der Fall, erscheint aber in der Praxis vor dem Hintergrund der vergleichbaren Befugnisse fraglich.283) 7.

Koordinierung der Frühinterventionsmaßnahmen (§ 39 SAG)

211 Die Regelung in § 39 SAG zur Koordinierung der Frühinterventionsmaßnahmen und Bestellung eines vorläufigen Verwalters bei Gruppen setzt Art. 30 BBRD um.284) 212 Hintergrund der Regelung ist der Bedarf eines gesteigerten Informationsaustauschs der beteiligten Behörden im Falle der Anordnung von Frühinterventionsmaßnahmen. Die Regelung findet keine Anwendung auf Drittstaatenunternehmen, sondern soll koordiniertes Ergreifen von Frühinterventionsmaßnahmen bei EU-Mutter- und –Tochterunternehmen regeln. Ebenso sollen nicht nur die Aufsichtsbehörden konsultiert, sondern es soll auch die EBA über die Entscheidungen informiert werden. Bei bestimmten Themenkomplexen kann auch die EBA nach § 39 Abs. 4 SAG angerufen werden, um einen Beschluss der EBA zu erwirken, z. B. im Falle der fehlenden Einigung der Behörden untereinander. 213 Wenn mehr als eine zuständige Behörde eine Frühinterventionsmaßnahme plant, sollte, wenn möglich, zudem eine gemeinsame Entscheidung gefunden werden. Um im Falle einer fehlenden Einigung keine Lähmung des Prozesses zu schaffen, regelt die Vorschrift jedoch zugleich einen Fristablauf, nach dem die zuständigen Behörden eine eigne Entscheidung in Bezug auf die Institute treffen, für die sie zuständig sind.

___________ 282) Die Bestellung des vorläufigen Verwalters endet damit nicht automatisch mit der Abwicklung des Instituts. Sobald sich das Institut in der Abwicklungsbehörde befindet, steht es vielmehr im Ermessen der Abwicklungsbehörde gemäß § 87 Abs. 1 SAG, einen Sonderverwalter zu bestellen und damit die Rechtsfolge des § 87 Abs. 3 SAG herbeizuführen (vgl. auch: Luz/Neus/Schaber/u. a.-Müller-Feyen, KWG und CRR, Ergänzungsband, § 38 SAG Rz. 2). 283) Ähnlich auch: Luz/Neus/Schaber/u. a.-Müller-Feyen, KWG und CRR, Ergänzungsband, § 38 SAG Rz. 4. 284) Begr. RegE BRRD-UmsG, BT-Drucks. 18/2575, S. 156.

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§ 17 Insolvenzbewältigung bei nicht systemrelevanten Banken

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Übersicht I. 1. 2.

Überblick und Einordnung ....................... 1 Rechtsgrundlagen......................................... 1 Systematische Einordnung .......................... 3 a) Überblick............................................... 3 b) Aufsichtsrechtliche Vorfeldkompetenzen nach dem KWG..................... 4 c) Abwicklungsmaßnahmen und Frühintervention nach dem SAG......... 6 d) Sanierungs- und Reorganisationsverfahren nach dem KredReorgG ...... 10 II. Das aufsichtsrechtliche Moratorium und flankierende Maßnahmen gegen Inhaber und Geschäftsleiter .................... 12 1. Grundlagen und Problemüberblick........... 12 2. Der Eingriffstatbestand ............................. 18 a) Tatbestandliche Unschärfen und Überschneidungen zwischen Insolvenzbewältigungs- und Vorfeldmaßnahmen................................... 18 b) Folgerungen für den Anwendungsbereich des aufsichtsrechtlichen Moratoriums............................... 22 3. Bestandteile des Moratoriums und Rechtswirkungen........................................ 24 a) Problemüberblick................................ 24 b) Veräußerungs- und Zahlungsverbot (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG) .................................................. 26 aa) Grundlagen ................................... 26

bb) Auswirkungen auf einzelne Bankgeschäfte (Überblick).......... 31 (1) Kreditgeschäft .............................. 31 (2) Einlagengeschäft .......................... 32 (3) Zahlungsverkehr........................... 34 (4) Finanztermingeschäfte ................ 37 (5) Wertpapiergeschäfte .................... 39 c) Schließung des Instituts für den Verkehr mit der Kundschaft (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG) ........ 42 d) Verbot der Entgegennahme von Zahlungen, die nicht zur Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Institut bestimmt sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 KWG) ........ 43 4. Flankierende Maßnahmen gegen Inhaber bzw. Geschäftsleiter......................... 47 III. Eröffnung des Insolvenzverfahrens........ 48 1. Verfahrenseinleitung.................................. 48 2. Verfahrenskoordination zwischen Moratorium und Insolvenzverfahren ............. 53 3. Liquidation im eröffneten Insolvenzverfahren ..................................................... 55 IV. Fälle mit Auslandsberührung.................. 56 1. Überblick.................................................... 56 2. Unionsrechtliche Vorgaben nach der EG-Sanierungsrichtlinie ............................ 58 3. Deutsches Internationales Bankeninsolvenzrecht ............................................ 64

Literatur: Bachmann, Das neue Restrukturierungsrecht der Kreditinstitute, ZBB 2010, 459; Bauer/ Hildner, Die Sanierung, Abwicklung und Insolvenz von Banken – Ein vollendeter Dreiklang?, DZWiR 2015, 251; Beck, Gläubigerrechte und „Moratorium“ nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG, WM 2013, 301; Binder, Ring-Fencing: An Integrated Approach with Many Unknowns, EBOR 16 (2015), 97; Binder, An den Leistungsgrenzen des Insolvenzrechts: Systemische Bankeninsolvenz und verfahrensförmige Sanierung, KTS 2013, 277; Binder, Ausgestaltung und Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Restrukturierung, ZBB 2012, 417; Binder, Bankensanierung: Perspektiven für die anreizkompatible Restrukturierung systemrelevanter Kreditinstitute, in: Allmendinger/u. a., Corporate Governance nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, 2011, S. 239; Binder, Bankenintervention und Bankenabwicklung in Deutschland: Reformnotwendigkeiten und Grundzüge eines verbesserten Rechtsrahmens, Arbeitspapier Nr. 5/2009 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung; Binder, Die Auswirkungen der Basel II-Umsetzung auf die aufsichtsrechtlichen Eingriffskompetenzen nach dem Kreditwesengesetz, WM 2006, 2114; Eidenmüller, Restrukturierung systemrelevanter Kreditinstitute, in: Festschrift für Klaus J. Hopt, 2010, S. 1713; Fried, Finanzderivate in der Insolvenz – Grundlagen, in: Zerey, Finanzderivate – Rechtshandbuch, 4. Aufl., 2016, § 16; Fried, Finanzderivate vor der Insolvenz – Besonderheiten bei Instituten in der Krise, in: Zerey, Finanzderivate – Rechtshandbuch, 4. Aufl., 2016, § 17; Geier, Überblick Abwicklung unter besonderer Berücksichtigung der Abwicklung nicht systemrelevanter Institute, in: Jahn/Schmitt/Geier, Handbuch Bankensanierung und -abwicklung, 2016, S. 147; Geier, Die Regelungen des Depotvertrags im Moratorium, ZBB 2010, 289; Geier, Das Moratorium über die Depotbank, BKR 2010, 144; Geier/ Schmitt, Ablauf der Krise eines Kreditinstituts unter Berücksichtigung des Restrukturierungs- und Zweiten Finanzmarktstabilisierungsgesetzes sowie der Entwürfe des CRD IV-Umsetzungsgesetzes und der Crisis Management Directive (CMD), BKR Sonderheft 2012, 1; Geier/Schmitt/Petrowsky, Der

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§ 17

Insolvenzbewältigung bei nicht systemrelevanten Banken

Anwendungsbereich des „Moratoriums“ nach Inkrafttreten des Restrukturierungsgesetzes, BKR 2011, 497; Helm/Keller, Das Veräußerungs- und Zahlungsverbot nach § 46 Abs. 1 Nr. 4 KWG: Absolutes bzw. relatives Verfügungsverbot oder rein interne Maßnahme ohne Drittwirkung?, BKR 2016, 59; Höher, Das Reorganisationsverfahren – Work-Out für Kreditinstitute, in: Brogl, Handbuch BankenRestrukturierung, 2012, S. 151; Keller, Die EG-Richtlinie 98/26 vom 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- und Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen und ihre Umsetzung in Deutschland, WM 2000, 1269; Kokemoor, Das internationale Sonderinsolvenz- und -sanierungsrecht der Einlagenkreditinstitute und E-Geld-Institute gemäß den §§ 46d, 46e und 46f KWG, WM 2005, 1881; Kuder, Neues Recht der Restrukturierung von Kreditinstituten, in: Bankrechtstag 2011, S. 59; Lehmann/Flöther/Gurlit, Die Wirksamkeit von Close-out-netting-Klauseln in Finanzderivaten nach § 104 InsO n. F., WM 2017, 597; Lorenz, Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten – Überblick und erste Einordnung, NZG 2010, 1046; Müller, Reorganisation systemrelevanter Banken, KTS 2011, 1; Obermüller, Das Bankenrestrukturierungsgesetz – ein kurzer Überblick über ein langes Gesetz, NZI 2011, 81; Obermüller/ Kuder, Die Entwicklung der Gesetzgebung zu Bankeninsolvenzen, ZInsO 2010, 2016; Pannen, Abwicklung eines Kreditinstitutes aus Sicht eines Insolvenzverwalters, in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, 2016, S. 480; Pannen, Das geplante Restrukturierungsgesetz für Kreditinstitute, ZInsO 2010, 2026; Riethmüller, Das Restrukturierungsgesetz im ökonomischen und internationalen Kontext, WM 2010, 2295; Schelo, Neue Restrukturierungsregeln für Banken, NJW 2011, 186; Schuster/Westpfahl, Neue Wege zur Bankensanierung – Ein Beitrag zum Restrukturierungsgesetz (Teil I), DB 2011, 221; Spetzler, Insolvenzrechtsreform und Bankenreorganisation, KTS 2010, 433; Webers, Das Sanierungsverfahren nach dem Restrukturierungsgesetz – Lösung zwischen rein internen Bemühungen der Bank und förmlichem Planverfahren, in: Brogl, Handbuch BankenRestrukturierung, 2012, S. 133; Wolfers/Voland, Der Weg aus der Krise?, WM 2011, 1159; Zietsch, Zur Frage der Zulässigkeit von Aufrechnungen während eines Moratoriums nach §§ 46, 46a KWG, WM 1997, 954. Verlautbarungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht/Basel Committee on Banking Supervision (BCBS): BCBS, Methodik der Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht, v. 10/2006, http://www.bis.org/publ/bcbs129ger.pdf (Abrufdatum: 7.5.2020). Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über Einlagensicherungssysteme (Neufassung) – Deposit Guarantee Scheme Directive (DGSD), ABl. (EU) L 173/149 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.6.2002 über Finanzsicherheiten – Finanzsicherheitenrichtlinie, ABl. (EG) L 168/43 v. 27.6.2002; EP/Rat, Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.4.2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten – EG-Sanierungsrichtlinie, ABl. (EU) L 125/15 v. 5.5.2001; EP/Rat, Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen – EG-Abrechnungswirksamkeitsrichtlinie (Finalitätsrichtlinie), ABl. (EG) L 166/45 v. 11.6.1998; EP/Rat, Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 3.3.1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger – Anlegerentschädigungsrichtlinie (AnlERL), ABl. (EU) L 84/22 v. 26.3.1997; EP/Rat, Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 30.5.1994 über Einlagensicherungssysteme – Einlagensicherungsrichtlinie (ESRL), ABl. (EG) L 135/5 v. 3.6.2003. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2015 über Insolvenzverfahren – EuInsVO, ABl. (EU) L 141/19 v. 5.6.2015.

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§ 17

I. Überblick und Einordnung I.

Überblick und Einordnung

1.

Rechtsgrundlagen

Der rechtliche Rahmen für die Bewältigung von Bankeninsolvenzen hat zwar infolge der 1 globalen Finanzkrise grundlegende Änderungen erfahren. Er entspricht aber für diejenigen Institute, deren Ausfall nicht mit Blick auf ihre Größe, ihre Komplexität und das Ausmaß ihrer Vernetzung mit anderen Marktteilnehmern, Gegenparteien und Anbietern der Finanzmarktinfrastruktur systemische Ansteckungsgefahren birgt, im Kern nach wie vor dem bereits seit Mitte der 1970er Jahre geltenden Recht. Der Regelfall ist hier die Anordnung eines aufsichtsrechtlichen Moratoriums, d. h. der Kombination aus einem Veräußerungsund Zahlungsverbot, der Schließung des Instituts für den Verkehr mit der Kundschaft und einem Verbot der Entgegennahme von Zahlungen, die nicht zur Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Institut bestimmt sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 bis 6 KWG, siehe unten Rz. 12 ff.).1) Dies kann und wird vielfach mit Tätigkeitsverboten oder -beschränkungen für Inhaber bzw. Geschäftsleiter nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KWG und der Bestellung eines Sonderbeauftragten nach § 45c KWG einhergehen (siehe unten Rz. 47). Auf das aufsichtsrechtliche Moratorium folgt in der Praxis regelmäßig die Auszahlung der gesicherten Einlagen durch das jeweilige Einlagensicherungssystem (siehe Rz. 33) sowie die Stellung eines Insolvenzantrags durch die BaFin (vgl. § 46b Abs. 1 Satz 4 KWG). Das aufsichtsrechtliche Moratorium entspricht damit funktional der Einleitung eines Insolvenzeröffnungsverfahrens und geht mit diesem vergleichbaren Sicherungswirkungen einher. Die eigentliche Abwicklung vollzieht sich dann nach allgemeinem Insolvenzrecht im ordentlichen Insolvenzverfahren, was hier nicht im Detail nachzuzeichnen ist (siehe unten Rz. 48 ff.). Im Ergebnis verknüpft der Rechtsrahmen damit spezifisch aufsichtsrechtliche mit allgemeinen insolvenzrechtlichen Elementen. Die Zuständigkeit für die Anordnung des Moratoriums liegt bei der BaFin, hinsichtlich 2 der (sachlichen und örtlichen) Zuständigkeit der Insolvenzgerichte für die Entscheidung über die Insolvenzeröffnung sowie die Durchführung des Insolvenzverfahrens gilt allgemeines Insolvenzrecht (vgl. §§ 2 und 3 InsO). Sowohl die Anordnung eines Moratoriums als auch die Verfahrenseinleitung genießen automatische Wirkungserstreckung im EU/EWRAusland und unterliegen hinsichtlich der Rechtswirkungen weitgehend deutschem Recht (siehe Rz. 56 ff.). 2.

Systematische Einordnung

a)

Überblick

Der Anwendungsbereich des Moratoriums nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 bis 6 KWG und 3 seine Bedeutung als „Vorinsolvenzverfahren“ für nicht systemrelevante Institute ergeben sich zunächst aus dem systematischen Zusammenhang mit und der Abgrenzung gegenüber zwei Normkomplexen: den aufsichtsrechtlichen Vorfeldmaßnahmen (siehe Rz. 4 f.) einerseits und dem nach der Finanzkrise geschaffenen Rechtsrahmen für die Abwicklung systemrelevanter Institute (siehe Rz. 6 ff.) andererseits. Ergänzend treten die – praktisch allerdings bedeutungslosen – Möglichkeiten der Einleitung eines Sanierungs- bzw. eines Restrukturierungsverfahrens nach dem Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz (siehe Rz. 10 f.) hinzu. ___________ 1)

Zum Begriff etwa Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 2, 12; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 18; Geier/Schmitt/Petrowsky, BKR 2011, 497; ungenau Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 56, der den Begriff im Kern lediglich auf das in § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG geregelte Veräußerungs- und Zahlungsverbot bezieht und lediglich darauf hinweist, die Maßnahme werde „im Regelfall“ zusammen mit den weiteren Maßnahmen nach Nr. 5 und 6 der Bestimmung angewendet.

Binder

919

§ 17 b)

Insolvenzbewältigung bei nicht systemrelevanten Banken Aufsichtsrechtliche Vorfeldkompetenzen nach dem KWG

4 Systematisch eng verzahnt ist das aufsichtsrechtliche Moratorium mit den in §§ 45, 45c und § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 3 KWG geregelten Eingriffskompetenzen, die vor der Insolvenzreife, nämlich bereits bei einfacher Unterschreitung der materiellen Anforderungen an den Geschäftsbetrieb (insbesondere § 45 KWG) bzw. bei Vorliegen einer qualifizierten Gefahrenlage (insbesondere § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 3 KWG) eingreifen und die Stabilisierung des betreffenden Instituts ermöglichen sollen. Die Anordnung eines Moratoriums ist insoweit der letzte Schritt in einem System abgestufter aufsichtsrechtlicher Eingriffsbefugnisse, in dessen Rahmen die Aufsichtsbehörde – im Einklang mit internationalen Standards2) – bei fortschreitender finanzieller Krise eines Instituts zu gesteigerten Eingriffen in dessen Geschäfte ermächtigt wird.3) Der Anwendungsbereich des aufsichtsrechtlichen Moratoriums als letzte Eskalationsstufe ist damit „nach unten“ gegenüber diesen Vorfeldkompetenzen begrenzt, auf die im Folgenden nicht im Detail eingegangen wird (siehe dazu § 16 Rz. 40 ff., 102 ff. [Bauer-Weiler/Struckmann]). 5 Dieses System wird allerdings in den einschlägigen Tatbestandsvoraussetzungen nur teilweise abgebildet und erschließt sich erst mit Blick auf den historischen Hintergrund und die sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Schranken (siehe dazu Rz. 18 ff.). Die Bestellung eines Sonderbeauftragten (§ 45c KWG) liegt systematisch quer zu diesen Eingriffskompetenzen und ergänzt sie. In der finanziellen Schieflage eines Instituts verdrängen die genannten Bestimmungen als leges speciales jedenfalls die allgemeinen aufsichtsrechtlichen Eingriffskompetenzen nach §§ 35 – 37 KWG.4) Ebenfalls ohne Belang in der Krise sind die allgemeinen Eingriffsmöglichkeiten auf der Grundlage der Generalklausel des § 6 Abs. 3 Satz 1 KWG, der zu „Anordnungen“ ermächtigt, „die geeignet und erforderlich sind, um Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen zu verhindern oder zu unterbinden oder um Missstände in einem Institut zu verhindern oder zu beseitigen, welche die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte gefährden können“ (siehe dazu auch § 13 Rz. 160 f. [Glos]). Gegenüber den hier zu behandelnden spezielleren Eingriffstatbeständen tritt die Norm zurück und spielt daher praktisch keine Rolle.5) Im Wesentlichen entsprechen die im hiesigen Kontext relevanten Bestimmungen dem mit der 2. KWG-Novelle 19766) in Reaktion auf die Herstatt-Insolvenz 1974 eingeführten System aufsichtsrechtlicher Eingriffskompetenzen, mit dem die Kontrolle über die Insolvenzbewältigung in der Frühphase der Krisenbewältigung bei der Aufsichtsbehörde monopolisiert und mit der Einlagensicherung abgestimmt wurde.7) c)

Abwicklungsmaßnahmen und Frühintervention nach dem SAG

6 „Nach oben“ begrenzt wird der Anwendungsbereich des Moratoriums durch jene nach der globalen Finanzkrise europaweit neu eingeführten Abwicklungsinstrumente und Abwicklungsmaßnahmen. Die Rechtsgrundlage dafür ist – in Umsetzung der EU-Banken-

___________ 2) 3) 4)

5) 6) 7)

920

Vgl. BCBS, Methodik der Grundsätze für eine wirksame Bankenaufsicht, v. 10/2006, Grundsatz 23, S. 42 f. Vgl. Binder, WM 2006, 2114, 2115; Pannen, Krise und Insolvenz, Kap. 1 Rz. 1; vgl. auch Geier/Schmitt, BKR Sonderheft 2012, S. 1, 2 ff. Binder, WM 2006, 2114, 2115 m. w. N.; vgl. für § 35 KWG auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, KWG/CRR-VO, § 35 KWG Rz. 44; im Ergebnis ebenso, aber mit angreifbarer Begr. (§§ 45 ff. KWG als mildere Mittel) Schwennicke/Auerbach-Schwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 17. Dazu im hiesigen Zusammenhang nur Geier/Schmitt, BKR Sonderheft 2012, S. 1, 5. Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen, v. 24.3.1976, BGBl. I 1976, 725. Dazu näher Binder, Bankeninsolvenzen, S. 58 f. und S. 87.

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§ 17

I. Überblick und Einordnung

sanierungs- und -abwicklungsrichtlinie,8) auch in Deutschland unter dem Akronym BRRD, für Bank Recovery and Resolution Directive, bekannt – im deutschen Recht mit Teil 4 des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes (SAG) von 20149) geschaffen worden, der ggf. durch die Verordnung zur Errichtung eines Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism – SRM) überlagert wird.10) Beide Regelungskomplexe sind Gegenstand eines eigenen Kapitels des vorliegenden Handbuchs (siehe § 18 [Binder]). Die Abgrenzung zum Rechtsrahmen für die Insolvenzbewältigung bei nicht systemrele- 7 vanten Instituten beruht nicht auf einer eindeutigen, trennscharfen Abschichtung i. R. der Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung der Abwicklungsmaßnahmen (vgl. § 62 SAG: „Abwicklungsvoraussetzungen in Bezug auf Institute“). Diese ist vielmehr in bestimmten Grenzen in das Ermessen der Abwicklungsbehörde gestellt; Anwendungsvoraussetzung ist allerdings, dass „[…] die Durchführung einer Abwicklungsmaßnahme zur Erreichung eines oder mehrerer Abwicklungsziele erforderlich und verhältnismäßig ist und […] dies bei einer Liquidation des Instituts im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens nicht im selben Umfang der Fall wäre.“ (§ 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SAG; vgl. entspr. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 lit. c und Abs. 5 SRM-VO).

Sind diese Voraussetzungen nach Einschätzung der Abwicklungsbehörde erfüllt, wird die 8 Anordnung eines Moratoriums schon aufgrund der damit verbundenen Ansteckungsrisiken praktisch ausscheiden.11) Sind sie dagegen nicht erfüllt, drohen also mit Blick auf Größe, Komplexität und Vernetzung des betroffenen Instituts bei seinem Ausfall keine Systemrisiken, bleibt es im deutschen Recht bei der Kombination aus aufsichtsrechtlichem Moratorium und nachfolgender Eröffnung eines ordentlichen Insolvenzverfahrens (siehe dazu noch § 18 Rz. 46 ff. [Binder]). Das systematische Verhältnis des aufsichtsrechtlichen Moratoriums einerseits zum speziellen Abwicklungsregime des SAG andererseits ergibt sich somit aus den ermessensbeschränkenden Anforderungen des Abwicklungsregimes, die dessen Charakter als Sonderregime für die Insolvenz systemrelevanter Banken eindeutig erkennen lassen. Von den Abwicklungsmaßnahmen nach dem SAG sind die Frühinterventionsmaßnah- 9 men nach §§ 36 ff. SAG zu unterscheiden, welche auf die Artt. 27 ff. BRRD zurückgehen (siehe näher § 16 Rz. 131 ff. [Bauer-Weiler/Struckmann]). Sie sind zwar tatbestandlich gerade nicht an das Vorliegen der Abwicklungsvoraussetzungen nach § 62 SAG geknüpft, so dass sie jedenfalls dem Wortlaut nach nicht auf systemrelevante Kreditinstitute beschränkt sind. Zudem bestehen sie nach § 36 Abs. 1 Satz 1 SAG ausdrücklich „unbeschadet“ der aufsichtsrechtlichen Kompetenzen nach §§ 45 ff. KWG. Dennoch dürfte schon aufgrund des unionsrechtlichen Hintergrunds und mit Blick auf die Verteilung der Aufsichtszuständigkeiten im Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) anzunehmen sein, dass von den Kompetenzen nach §§ 36 ff. SAG tendenziell eher in Szenarien Gebrauch gemacht werden dürfte, in denen ggf. auch eine Abwicklung nach diesem Ge___________ 8) Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019. 9) Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen – Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG), v. 10.12.2014, BGBl. I 2014, 2091. 10) Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019. 11) Vgl. dazu Binder, Bankenintervention, S. 29 f.; Binder, KTS 2013, 277, 300 f.; vgl. auch Boos/Fischer/ Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 12.

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921

§ 17

Insolvenzbewältigung bei nicht systemrelevanten Banken

setz in Betracht kommt.12) Gleichwohl ist völlig zu Recht kritisiert worden, dass eine trennscharfe Abgrenzung – und damit eine rechtssichere Handhabung auch aus Sicht der ggf. betroffenen Institute – angesichts der Überschneidungen im Tatbestand nicht möglich ist.13) d)

Sanierungs- und Reorganisationsverfahren nach dem KredReorgG

10 Systematisch unabhängig sowohl vom aufsichtsrechtlichen Moratorium als auch vom Abwicklungsregime nach dem SAG und nicht damit abgestimmt sind demgegenüber die verfahrensförmigen Möglichkeiten zur Sanierung und Restrukturierung insolvenzbedrohter Kreditinstitute, die mit dem Restrukturierungsgesetz von 201014) als Teil der deutschen Reaktionen auf die Erfahrungen aus der globalen Finanzkrise eingeführt worden sind. Das als Art. 1 dieses Gesetzes erlassene Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten (KredReorgG)15) gilt auch nach der Einführung des SAG bzw. der SRM-VO im Kern unverändert für alle Kreditinstitute unabhängig von ihrer Rechtsform (vgl. § 1 Abs. 1 KredReorgG). Es stellt den Instituten zum einen ein auf freiwilliger Basis allein auf Initiative eines Kreditinstituts einzuleitendes Sanierungsverfahren für die eigenverantwortliche Sanierung auf der Grundlage eines mit den Gläubigern abgestimmten Sanierungsplans zur Verfügung (vgl. §§ 2 – 6 KredReorgG). Zum anderen sieht das Gesetz für qualifizierte Fälle insolvenzreifer Institute, in denen systemische Auswirkungen zu befürchten sind (vgl. § 7 Abs. 2 KredReorgG), ein konzeptionell an das Insolvenzplanverfahren nach §§ 217 ff. InsO angelehntes kollektives sog. Reorganisationsverfahren vor, das ebenfalls allein auf Initiative des betroffenen Instituts eingeleitet werden kann (vgl. §§ 7 – 23 KredReorgG). 11 Beide Verfahrensarten sind schon im Gesetzgebungsverfahren16) und nachfolgend auch in der Literatur auf erhebliche Skepsis gestoßen. Zweifelhaft ist ihre Praxistauglichkeit insbesondere deshalb, weil die Verfahren jedenfalls faktisch kaum geheim zu halten sind, was einen Vertrauensverlust und damit einen massiven Liquiditätsabfluss auslösen dürfte; der jeweils für die Verfahrensdurchführung erforderliche Zeitaufwand lässt kurzfristige Lösungen nicht zu.17) Mit Blick darauf wird nachfolgend auf eine eingehende Darstellung verzichtet.18) ___________ 12) Vgl. auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45 KWG Rz. 31 (Frühintervention nach §§ 36 ff. SAG als Vorstufe einer Abwicklung). 13) Zutr. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 45 KWG Rz. 26; unklar insoweit Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46b Rz. 10. 14) Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist für die aktienrechtliche Organhaftung – Restrukturierungsgesetz, v. 9.10.2010, BGBl. I 2010, 1900. 15) Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten – Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz (KredReorgG), v. 9.12.2010, BGBl. I 2010, 1900. 16) S. dazu die Nachw. bei Bachmann, ZBB 2010, 459, 460. 17) S. dazu etwa Binder in: Allmendinger/u. a., Corporate Governance nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, S. 239, 253 f.; Binder, ZBB 2012, 417, 422 f.; Binder, KTS 2013, 277, 287; Eidenmüller in: FS Hopt, S. 1713, 1724 ff.; Wolfers/Voland, WM 2011, 1159, 1168; zurückhaltend auch Bachmann, ZBB 2010, 459, 462 f., 465; Kuder in: Bankrechtstag 2011, S. 95, 104 ff. (Sanierungsverfahren), S. 117 ff. (Reorganisationsverfahren); Schuster/Westpfahl, DB 2011, 221, 222 f.; optimistischer, aber nicht überzeugend insoweit Müller, KTS 2011, 1, 18; Obermüller/Kuder, ZInsO 2010, 2016, 2018; Pannen, ZInsO 2010, 2026 ff.; Riethmüller, WM 2010, 2295, 2304. 18) S. dazu – neben den Nachw. soeben Fn. 17 – näher etwa Lorenz, NZG 2010, 1046 ff.; Spetzler, KTS 2010, 433, 453 ff.; Obermüller, NZI 2011, 81 ff.; Schelo, NJW 2011, 186 ff.; vgl. zur geltenden Rechtslage auch Bauer/Hildner, DZWiR 2015, 251, 252 f.; monographisch mit Vergleich zum Schweizer Recht Schipke, Die Weiterentwicklung des Bankeninsolvenzrechts, S. 61 ff. und passim; s. a. die Handbuchbeiträge von Pannen in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 480 Rz. 5 ff.; Webers in: Brogl, Hdb. Banken-Restrukturierung, S. 133 ff.; Höher in: Brogl, Hdb. Banken-Restrukturierung, S. 151 ff. Im Übrigen ist auf die Kommentarliteratur zu verweisen.

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II. Das aufsichtsrechtliche Moratorium und flankierende Maßnahmen II.

Das aufsichtsrechtliche Moratorium und flankierende Maßnahmen gegen Inhaber und Geschäftsleiter

1.

Grundlagen und Problemüberblick

§ 17

Die drei Elemente des aufsichtsrechtlichen Moratoriums – das vorübergehende Veräuße- 12 rungs- und Zahlungsverbot (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG), die Schließung des Instituts für den Verkehr mit der Kundschaft (Nr. 5) sowie das Verbot der Entgegennahme von Zahlungen, die nicht zur Erfüllung von Verbindlichkeiten bestimmt sind (Nr. 6) – zielen auf die Sicherung des Vermögens und zugleich den Schutz der Einleger des betreffenden Instituts ab (siehe dazu Rz. 14 ff.). Diese Maßnahmen treten neben die in § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 3 KWG geregelten Eingriffskompetenzen x

zum Erlass von Anweisungen für die Geschäftsführung (Nr. 1),

x

zur Anordnung eines Verbots der Annahme von Einlagen, Geldern oder Wertpapieren bzw. der Gewährung von Krediten (Nr. 2) sowie

x

von Maßnahmen gegen Inhaber und Geschäftsleiter (Nr. 3).

Es handelt sich jeweils um belastende Verwaltungsakte, die nach § 49 KWG sofort voll- 13 ziehbar sind und nach allgemeinen Regeln im Wege des Widerspruchs (§§ 68 ff. VwGO) und der Anfechtungsklage (§ 42 VwGO) vor dem VG Frankfurt/M. angegriffen werden können;19) Dritte, insbesondere betroffene Kunden, haben insoweit nach richtigem Verständnis de lege lata keine Rechtsschutzmöglichkeiten.20) Der Regelungszweck bestand ursprünglich darin, einen sicheren Raum für Sanierungs- 14 verhandlungen zwischen der Geschäftsleitung und den Inhabern der betroffenen Bank einerseits und ihren Gläubigern andererseits zu schaffen, um eine insolvenzförmige Liquidation nach Möglichkeit zu vermeiden.21) Dieser Zweck wurde im Wortlaut des früheren § 46a Abs. 1 Satz 1 KWG insofern abgebildet, als das Moratorium danach bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 46 Abs. 1 Satz 1 KWG „zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens“ (bzw. zuvor „des Konkursverfahrens“) angeordnet werden durfte. In der Literatur wurde kontrovers beurteilt, ob dies als über die Anforderungen nach § 46 15 Abs. 1 Satz 1 KWG („Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Instituts gegenüber seinen Gläubigern“) hinausgehendes Tatbestandsmerkmal (i. S. des Vorliegens einer Insolvenzgefahr)22) oder als Ermessensbeschränkung hinsichtlich des Anwendungszwecks der Maßnahmen23) zu qualifizieren war. Näher lag an sich letzteres, da bereits der Tatbestand der „Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen“ nach § 46 Abs. 1 KWG die Insolvenznähe an sich vollständig erfasste und insoweit mit dem Vorliegen der Insolvenzgründe nach §§ 17 – 19 InsO (einschließlich der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO) deckungsgleich war.24) Dennoch ging die Diskussion letztlich an der Realität vorbei, weil Moratorien von An- 16 fang an in der Praxis vor allem die unmittelbar nachfolgende Überleitung in ein förmliches Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren vorbereiteten; zur beabsichtigten Insolvenzvermeidung durch Sanierungsvergleiche innerhalb der Geltungsdauer der Maßnahmen ist es ___________ 19) Näher Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 154 ff.; Schwennicke/ Auerbach-Schwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 73 ff.; Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 117 ff. 20) Eingehend Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 158 ff. 21) Vgl. den Bericht des Finanzausschusses zu § 46a KWG-E, BT-Drucks. 7/4631, S. 8. 22) So die seinerzeit wohl h. M., vgl. etwa Pannen, Krise und Insolvenz, Kap. 1 Rz. 97 ff. m. w. N.; s. in jüngerer Zeit auch noch Geier/Schmitt/Petrowsky, BKR 2011, 497 f. 23) So Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, 3. Aufl., 2008, § 46a KWG Rz. 7. 24) Dazu eingehend Binder, Bankeninsolvenzen, S. 131 ff. und S. 149 ff.

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§ 17

Insolvenzbewältigung bei nicht systemrelevanten Banken

kaum je gekommen.25) Angesichts der damit verbundenen Zäsurwirkungen für die rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des betroffenen Instituts mit seinen Kunden und Gegenparteien (siehe noch Rz. 24 f.) ist dies kaum verwunderlich.26) Legt man die praktischen Erfahrungen mit Moratorien in der Vergangenheit zugrunde, ging – und geht – es in den Anwendungsfällen nahezu durchweg allein um die Vermögenssicherung im Vorfeld der Insolvenzeröffnung im Interesse des Masseerhalts und des Schutzes der Gläubigergleichbehandlung; das Moratorium erfüllt damit einen Zweck, der funktional der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO entspricht.27) 17 Die Anordnung eines Moratoriums ist damit der erste Schritt zur insolvenzförmigen Liquidation; dies gilt auch mit Blick auf die enge Abstimmung mit dem Eingreifen der Einlagensicherung (siehe dazu Rz. 33). Die – systematisch im Ausgangspunkt zu begrüßende – Integration der betreffenden Kompetenzen in die Vorschrift des § 46 Abs. 1 KWG durch Art. 2 des Restrukturierungsgesetzes 2010 (siehe Rz. 10 f.), die im Übrigen der ursprünglichen Konzeption des RegE zur Zweiten KWG-Novelle 1976 entspricht,28) hat die Kontroverse um die Einordnung der Tatbestandsvoraussetzungen zwar gegenstandslos werden lassen. Die Abgrenzungsprobleme zwischen dem Anwendungsbereich des Moratoriums und dem der weiteren Eingriffskompetenzen setzen sich dennoch (in begrenztem Umfang) auch im neuen Recht fort (siehe noch Rz. 22 f.). 2.

Der Eingriffstatbestand

a)

Tatbestandliche Unschärfen und Überschneidungen zwischen Insolvenzbewältigungs- und Vorfeldmaßnahmen

18 Nicht anders als die Maßnahmen nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 3 KWG setzt die Anordnung eines aufsichtsrechtlichen Moratoriums voraus, dass eine „Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Instituts gegenüber seinen Gläubigern, insbesondere für die Sicherheit der ihm anvertrauten Vermögenswerte“ besteht (§ 46 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 KWG). Als zweite Tatbestandsalternative kommt hinzu der „begründete Verdacht, dass eine wirksame Aufsicht über das Institut nicht möglich ist“. Zumindest mit der zweiten Tatbestandsalternative geht die Vorschrift über eine an finanzielle Parameter (Solvenz, Liquidität) anknüpfende Notsituation erheblich hinaus und eröffnet die in Satz 2 der Bestimmung i. E. aufgeführten Eingriffsermächtigungen auch ungeachtet der Insolvenznähe. Dies gilt nach dem Wortlaut auch für die in § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 bis 6 KWG genannten Elemente des aufsichtsrechtlichen Moratoriums, das damit in tatbestandlicher Hinsicht den Maßnahmen des frühzeitigen aufsichtsrechtlichen Eingreifens, insbesondere einfachen Anweisungen an die Geschäftsführung des Instituts und Beschränkungen des Einlageund des Kreditgeschäfts nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 KWG, gleichgestellt ist (siehe dazu auch § 16 Rz. 102 ff. [Bauer-Weiler/Struckmann]).

___________ 25) Insoweit übereinstimmend auch Pannen, Krise und Insolvenz, Kap. 1 Rz. 89 m. Fn. 197; dazu Binder, Bankeninsolvenzen, S. 152; Binder, WM 2006, 2114, 2117 f.; zu neueren Fällen Boos/Fischer/SchulteMattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 63 m. Fn. 50; Geier/Schmitt/Petrowsky, BKR 2011, 497, 498 m. Fn. 14. 26) Dazu eingehend Binder, Bankeninsolvenzen, S. 528 ff.; s. a. Binder, Bankenintervention, S. 26 f.; Binder, KTS 2013, 277, 299 f.; ebenso auch Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 147 Rz. 230 (der sich dann allerdings, insoweit widersprüchlich, in Rz. 239 dennoch auf den Zweck der Insolvenzvermeidung beruft). 27) Dazu und zum Verhältnis beider Regimes zueinander Binder, Bankeninsolvenzen, S. 255 ff. 28) Vgl. Begr. RegE 2. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen, BT-Drucks. 7/3657, S. 7.

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II. Das aufsichtsrechtliche Moratorium und flankierende Maßnahmen

§ 17

So verstanden, erfassen die Tatbestandsmerkmale des § 46 Abs. 1 Satz 1 KWG sowohl Sach- 19 verhalte, x

in denen noch präventiv auf die Schieflage eines Instituts reagiert und eine Insolvenz abgewendet werden kann, als auch Fälle,

x

in denen nach allgemeinen Regeln bereits einer der Insolvenzgründe nach §§ 17 – 19 InsO (Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung) vorliegt und damit die Geschäftsleiter29) gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 KWG verpflichtet sind, dies gegenüber der BaFin anzuzeigen.

Legt man dies zugrunde, deckt § 46 Abs. 1 KWG, mit anderen Worten, sowohl Vorfeld- 20 maßnahmen als auch Maßnahmen zur Insolvenzbewältigung i. e. S. Dies soll nicht nur im Hinblick auf die zweite Tatbestandsalternative der Gefährdung einer wirksamen Aufsicht, sondern auch isoliert für die Annahme einer „Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen“ gelten, die nach traditionell überwiegender Ansicht unabhängig vom Vorliegen eines Insolvenzgrunds autonom aufsichtsrechtlich auszulegen sein soll.30) Insofern trifft zwar zu, dass die Norm tatbestandlich auf Grundsätzen des allgemeinen Polizeirechts aufbaut, die daher zur Konkretisierung des Gefahrenbegriffs und zur praktischen Operationalisierung der somit erforderlichen Ex-ante-Prognose zu berücksichtigen sind.31) Dies ändert allerdings nichts daran, dass jedenfalls in der wirtschaftlichen Krise eines Instituts der damit verbundene Erkenntnisgewinn bescheiden ausfällt.32) Für ein autonomes, über die insolvenzrechtlichen Kategorien hinausgehendes Begriffsverständnis ist auch darauf hingewiesen worden, dass eine konkrete „Gefahr“ i. S. des § 46 Abs. 1 KWG in einer ganzen Reihe von Sachverhaltskonstellationen angenommen worden ist, in denen keine Insolvenzgefahr, sondern lediglich Gefährdungen aufgrund von rechtswidrigen oder als inadäquat befundenen Geschäftspraktiken vorlagen (siehe dazu § 16 Rz. 112 ff. [Bauer-Weiler/Struckmann]).33) Überzeugend war und ist diese Auslegung allerdings mit Blick auf das erhebliche Un- 21 gleichgewicht in diesen Fallgruppen nicht.34) Schon de lege lata erscheint eine Eingrenzung des Tatbestandsmerkmals der „Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen“ auf eigenmittel- bzw. liquiditätsinduzierte Krisenlagen systematisch stimmiger.35) Dies ließe sich auch im geltenden Recht sachgerecht ohne weiteres durch Anknüpfung an die Insolvenz-

___________ 29) Bzw. bei in der Rechtsform des Einzelkaufmanns betriebenen Instituten die Inhaber bzw. die Personen, die die Geschäfte der betreffenden Finanzholding-Gesellschaft oder der gemischten Finanzholding-Gesellschaft tatsächlich führen. 30) In diesem Sinne denn auch seit jeher die überwiegend vertretene Ansicht, vgl. zum geltenden Recht ausdrücklich etwa auch Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 147 Rz. 238 ff. (aber einschränkend Rz. 244 f.); Geier/Schmitt, BKR Sonderheft 2012, S. 1, 13; Geier/ Schmitt/Petrowsky, BKR 2011, 497, 499; im Anschluss daran auch Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 22; abweichend schon Binder, Bankeninsolvenzen, S. 146 f.; Binder, WM 2008, 2340, 2342; Binder, WM 2006, 2114, 2116; ebenso auch Luz/Neus/Schaber/u. a.-Willemsen/ Rechel, KWG und CRR, § 46 KWG Rz. 9. 31) Vgl. im hiesigen Zusammenhang stellvertretend Geier/Schmitt, BKR-Sonderheft 2012, S. 1, 13; s. a. schon Binder, Bankeninsolvenzen, S. 134 f. 32) Binder, Bankeninsolvenzen, S. 135. 33) Daneben etwa die Zusammenstellungen bei Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 147 Rz. 236; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 7; Beck/Samm/ Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 22 ff., insb. Rz. 26; grundsätzlich krit. bereits Binder, Bankeninsolvenzen, S. 131 ff.; abweichend offenbar auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 47 ff., der überzeugend allein auf finanzielle Gesichtspunkte abstellt. 34) Eingehend schon zu § 46a KWG a. F. Binder, Bankeninsolvenzen, S. 136 ff., insb. S. 138 ff. 35) Insoweit übereinstimmend auch Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 147 Rz. 236.

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§ 17

Insolvenzbewältigung bei nicht systemrelevanten Banken

gründe der §§ 17 – 19 InsO erreichen.36) Insoweit ist zwar zu berücksichtigen, dass i. R. der Anknüpfung an die „Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen“ als Voraussetzung für die Aufhebung der Erlaubnis nach § 35 Abs. 2 Nr. 4 KWG ausdrücklich auf das Vorliegen schwerer Verluste abgestellt wird, die an sich noch keine Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung i. S. der §§ 17, 19 InsO begründen.37) Doch dürfte man in diesen Fällen jedenfalls bei der gebotenen Berücksichtigung der Besonderheiten des Bankgeschäfts bereits eine drohende Zahlungsunfähigkeit i. S. des § 18 InsO annehmen können,38) so dass dieser Umstand in der Sache nicht zwingend gegen die hier vertretene Auslegung spricht. Ob damit wirklich eine nennenswerte Einschränkung gegenüber der bisherigen Aufsichtspraxis in Fällen finanzieller Schieflagen39) verbunden wäre, ist nach wie vor zweifelhaft; dass es in derartigen Fällen je zu Eingriffen nach § 46a KWG a. F. gekommen wäre, ist jedenfalls nicht ersichtlich.40) Auch unabhängig davon wäre indessen – auch nach der Integration des § 46a KWG a. F. in den Tatbestand des § 46 Abs. 1 KWG – weiterhin eine Neuregelung sinnvoll und wünschenswert, die tatbestandlich schärfer zwischen dem präventiven Vorfeldszenario – einschließlich der Gefährdung einer wirksamen Aufsicht – einerseits und dem Eintritt der Insolvenzreife andererseits unterscheiden und damit zugleich eine wesentlich konsistentere Abstimmung mit dem Eingriffstatbestand des § 45 KWG ermöglichen würde. b)

Folgerungen für den Anwendungsbereich des aufsichtsrechtlichen Moratoriums

22 Jedenfalls für den Anwendungsbereich des aufsichtsrechtlichen Moratoriums, also die Eingriffskompetenzen nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 bis 6 KWG, lässt sich aus historischen und teleologischen Gesichtspunkten ableiten, dass diese allein im Falle der Insolvenzreife – bei Vorliegen eines Insolvenzgrunds i. S. der §§ 17 – 19 InsO – angewendet werden dürfen.41) Stellt man auf den Wortlaut des § 46 Abs. 1 Satz 1 KWG ab, lässt sich die Anwendung allein bei Vorliegen einer „Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen“ (Alt. 1), nicht dagegen bei einer bloßen Gefährdung der wirksamen Aufsicht (Alt. 2) begründen. Insoweit ist nochmals zu berücksichtigen, dass schon die Einführung des § 46a KWG a. F. von vornherein ausschließlich darauf abzielte, die Handlungsmöglichkeiten der Aufsicht bei Insolvenzreife zu erweitern.42) In teleologischer Hinsicht spricht für die___________ 36) Insoweit ist nach wie vor an der in Binder, Bankeninsolvenzen, S. 141 ff., entwickelten Auslegung festzuhalten. 37) Darauf verweisend Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 147 Rz. 241; s. nunmehr auch VG Frankfurt/M., Beschl. v. 22.2.2018 – 7 L 662/18.F, WM 2018, 1214 ff. 38) So schon Binder, Bankeninsolvenzen, S. 143. 39) So offenbar die Einschätzung von Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 147 Rz. 238 ff.; inwieweit der vom allgemeinen Insolvenzrecht (vermeintlich) abweichende Aussagegehalt der dort vertretenen „autonom aufsichtsrechtlichen Auslegung“ des Gefahrenbegriffs tatsächlich zu anderen Ergebnissen gelangen würde als die hier vertretene Auslegung, bleibt dort gerade deshalb unklar, weil eine Auseinandersetzung mit der Reichweite der §§ 17 – 19 InsO unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Bankgeschäfts und der Bankbilanz unterbleibt. Demgegenüber gehen Geier/ Schmitt/Petrowsky, BKR 2011, 497, 500, zwar auf die insolvenzrechtlichen Anforderungen an das Vorliegen einer „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ i. S. des § 18 InsO ein, übersehen dabei aber ebenfalls, dass dieser bei der Anwendung auf das Bankgeschäft der Anpassung bedarf. Auch hier wird die Kernthese, dass der Anwendungsbereich des aufsichtsrechtlichen Moratoriums mit der Überführung in den Tatbestand des § 46 Abs. 1 KWG „erheblich zeitlich vorverlagert“ worden sei (ebenda, S. 501), letztlich nicht überzeugend begründet. 40) S. nochmals Binder, Bankeninsolvenzen, S. 136 ff. 41) Im Ergebnis ähnlich insoweit auch Schwennicke/Auerbach-Schwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 33; ausdrücklich a. A., aber lediglich auf den Wortlaut gestützt und ohne hinreichende Berücksichtigung des historischen und systematischen Zusammenhangs dagegen Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 1; ohne Differenzierung auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 61; Geier/Schmitt/Petrowsky, BKR 2011, 497, 499 f. 42) Vgl. nochmals Bericht des Finanzausschusses zu § 46a KWG-E, BT-Drucks. 7/4631, S. 8.

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II. Das aufsichtsrechtliche Moratorium und flankierende Maßnahmen

§ 17

se Beschränkung, dass es sich um Maßnahmen handelt, die – wie ausgeführt (siehe schon Rz. 16 f. und dazu auch noch unten Rz. 32 f.) – auf die Vermögenssicherung abzielen, Gefährdungen für die wirksame Aufsicht dagegen nicht entgegenwirken können. Gegen dieses Auslegungsergebnis lässt sich nicht einwenden, dass nach dem Wortlaut von 23 § 46a KWG die einzelnen Bestandteile des Moratoriums lediglich zur „Vermeidung des Konkurses“ bzw. zur „Vermeidung eines Insolvenzverfahrens“ zulässig sein sollte (siehe schon oben Rz. 12 f.).43) Diese Argumentation verkennt bereits grundsätzlich, dass der Gesetzgeber der Zweiten KWG-Novelle von 1976 die genannte Formulierung nicht i. S. einer qualitativen Abgrenzung des Anwendungsbereichs (unter Vorverlagerung der aufsichtsrechtlichen Handlungsmöglichkeiten vor das Eingreifen eines Konkurs- bzw. Insolvenzgrundes) verstanden wissen wollte. Vielmehr war § 46a KWG a. F. von vornherein (allerdings unter unrealistischen Annahmen bezüglich der Erfolgsaussichten, siehe bereits Rz. 19 ff.) als Instrument konzipiert, das auf „vor dem Konkurs stehende […] Kreditinstitut[e]“ Anwendung finden und hier die konkursförmige Liquidation durch Sanierungsvergleiche vermeiden helfen sollte.44) Zudem ist zu berücksichtigen, dass das frühere Konkursrecht noch keinen Aufgreiftatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit kannte, so dass auch insoweit die Berufung auf den früheren Gesetzeswortlaut nicht verfängt. Geht man mit der traditionell überwiegenden Ansicht davon aus, dass der Gefahrenbegriff nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 KWG weiter zu ziehen ist als der Anwendungsbereich der §§ 17–19 InsO (siehe Rz. 19 ff.), so spricht dies – insoweit mit der zu § 46a Abs. 1 KWG a. F. überwiegend vertretenen Ansicht – für die Annahme eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der Insolvenzreife zusätzlich zur Anknüpfung an die „Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen“. Legt man dagegen die hier vertretene Auslegung zugrunde, erübrigt sich diese Erwägung, weil zwischen der aufsichtsrechtlichen Kategorie der „Gefahr“ einerseits und dem Anwendungsbereich der Insolvenzgründe der §§ 17–19 InsO andererseits Gleichlauf anzunehmen ist. 3.

Bestandteile des Moratoriums und Rechtswirkungen

a)

Problemüberblick

Die einzelnen Elemente des aufsichtsrechtlichen Moratoriums,

24

x

das vorübergehende Veräußerungs- und Zahlungsverbot (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG, siehe dazu Rz. 26 ff.),

x

die Schließung des Instituts für den Verkehr mit der Kundschaft (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, siehe Rz. 42) sowie

x

das Verbot der Entgegennahme von Zahlungen, die nicht zur Erfüllung von Verbindlichkeiten bestimmt sind § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, siehe Rz. 43 ff.),

bereiten in der Praxis, wie ausgeführt, die nachfolgende Einleitung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des betreffenden Instituts vor.45) Dem Institut ist es nur mehr erlaubt, laufende Geschäfte abzuwickeln und neue Geschäfte einzugehen, wenn diese zur Abwicklung erforderlich sind, und auch dies nur, wenn die Sicherungseinrichtung die zur Durchführung erforderlichen Mittel bereitstellt oder sich verpflichtet, die daraus entstehende Vermögensminderung dem Institut zu erstatten (§ 46 Abs. 2 Satz 2 KWG, siehe dazu ___________ 43) So aber auch Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 147 Rz. 239; Geier/Schmitt/Petrowsky, BKR 2011, 497, 499. 44) Vgl. nochmals den Bericht des Finanzausschusses zu § 46a KWG-E, BT-Drucks. 7/4631, S. 8; die Berufung darauf bei auch Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 147 Rz. 239, und Geier/Schmitt/Petrowsky, BKR 2011, 497, 499, verkennt diesen Zusammenhang. 45) Insoweit übereinstimmend auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 63; Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 1 („Vorschaltmaßnahme“).

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Rz. 27). Während der Dauer des Moratoriums sind Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Instituts untersagt (§ 46 Abs. 2 Satz 6 Var. 1 KWG). 25 Die praktische Bedeutung des Moratoriums und sein eigentlicher Wert liegen damit in der effektiven Sicherstellung des Geschäftsbetriebs und des Vermögens des Instituts allein durch Verwaltungsakt in Szenarien, in denen sich dessen finanzielle Lage dynamisch verschlechtert und vor allem im Falle des Bekanntwerdens der Probleme ein unkontrollierter Abzug von Kundengeldern und entsprechende Reaktionen professioneller Gegenparteien drohen, weshalb die sofortige Befassung eines Insolvenzgerichts im Wege des Insolvenzantrags hier inopportun erscheinen mag.46) Vor diesem Hintergrund führt es nicht weiter, wenn in der Literatur – unter Berufung auf den Wortlaut des § 46 Abs. 1 Satz 1 KWG („zur Abwendung dieser Gefahr“) – teilweise auch weiterhin betont wird, die zu treffenden Maßnahmen seien allein „zur Beseitigung der […] Gefahrenquelle“ zulässig.47) Dies kann und darf schon mit Blick auf die mit dem Instrument bislang gewonnenen praktischen Erfahrungen nicht i. S. einer Festlegung auf das Anordnungsziel der Beseitigung der finanziellen Schieflage verstanden werden, denn dazu sind die Maßnahmen – wie ausgeführt (siehe Rz. 14) – regelmäßig nicht in der Lage. Vielmehr ist es ohne weiteres legitim, wenn sich der Anordnungszweck allein auf die Vermögenssicherung (und damit zugleich den Schutz der aktuellen und ggf. potentieller künftiger Kunden und sonstigen Gegenparteien des Instituts) beschränkt.48) Dies ist bei sachgemäßer Auslegung auch mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar: Berücksichtigt man, dass die „Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen des Instituts“ ohne entsprechende Sicherungsmaßnahmen bei Insolvenzreife zunehmen würde, während deren Anordnung zumindest die Gläubigergleichbehandlung im (Regel-)Falle der nachfolgenden insolvenzförmigen Liquidation gewährleisten kann, ist auch der bloße Sicherungszweck ohne weiteres davon abgedeckt. Mit der gesetzlichen Aufgabe der Finanzdienstleistungsaufsicht ergeben sich – selbstverständlich – ohnehin keine Kollisionen.49) b)

Veräußerungs- und Zahlungsverbot (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG)

aa)

Grundlagen

26 Das Veräußerungs- und Zahlungsverbot nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG soll verhindern, dass einzelne Gläubiger zulasten der übrigen in der Krise eines Kreditinstituts Befriedigung erhalten oder dass Vermögensgegenstände des Instituts während der Krise veräußert werden.50) Funktional ist die Anordnung damit der Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO vergleichbar, das während des Insolvenzeröffnungsverfahrens einen entsprechenden Sicherungszweck erfüllt.51) 27 Ausnahmen können zunächst zugelassen werden, soweit die betreffenden Zahlungen i. R. der Abwicklung der laufenden und neuer, zum Ziel der Abwicklung eingegangener Geschäfte erfolgen und die für das betreffende Institut zuständige Entschädigungseinrich___________ 46) S. schon Binder, Bankeninsolvenzen, S. 564 ff. 47) So ausdrücklich Schwennicke/Auerbach-Schwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 19. 48) Zutr. Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 8, der allerdings in Rz. 56 seinerseits auf den Zweck der Prüfung von Sanierungsaussichten abhebt. 49) Auch insoweit übereinstimmend Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 8. 50) Unstr., vgl. etwa BGH, Urt. v. 12.3.2013 – XI ZR 227/12, Rz. 42, BGHZ 197, 21, 37 = ZIP 2013, 766, 771, dazu EWiR 2013, 423 (Pannen); Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 85; zum früheren Recht schon Binder, Bankeninsolvenzen, S. 232 f.; Pannen, Krise und Insolvenz, Kap. 1 Rz. 109; vgl. auch schon Bericht des Finanzausschusses zu § 46a KWG-E, BT-Drucks. 7/4631, S. 8. 51) Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 58; Luz/Neus/Schaber/ u. a.-Willemsen/Rechel, KWG und CRR, § 46 KWG Rz. 25; Beck, WM 2013, 301, 302; vgl. zum früheren Recht auch bereits Binder, Bankeninsolvenzen, S. 237; Pannen, Krise und Insolvenz, Kap. 1 Rz. 136.

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tung oder Sicherungseinrichtung die dafür erforderlichen Mittel vorab erstattet oder sich zu deren Erstattung verpflichtet (§ 46 Abs. 2 Satz 2 KWG). Zudem kann die BaFin nach § 46 Abs. 2 Satz 3 KWG Ausnahmen zulassen, soweit diese „für die Durchführung der Geschäfte oder die Verwaltung des Instituts sachgerecht ist“. Nach § 46 Abs. 2 Satz 5 KWG kann das Verbot zudem insofern eingeschränkt werden, als die BaFin eine Betragsgrenze festlegen kann, bis zu der ein Sonderbeauftragter Ausnahmen zulassen kann. Sämtliche Ausnahmetatbestände verschaffen eine gewisse – sinnvolle und ggf. im Hinblick auf bestehende Abhängigkeiten von bestimmten Leistungen erforderliche – Flexibilität für die Durchführung der Sicherungsmaßnahmen während der Dauer des Moratoriums.52) Sie sollten aber mit Blick auf den damit verfolgten Sicherungszweck und angesichts der Bedeutung des Moratoriums als Vorstufe für die spätere insolvenzförmige Liquidation restriktiv gehandhabt werden, um nicht zulasten der möglichst gleichmäßigen Befriedigung der Gläubigergesamtheit Vermögensabflüsse mit präjudizieller Wirkung zu schaffen.53) Ein spezieller Fall des Zahlungsverbots ist die in § 46 Abs. 1 Satz 3 – 5 KWG geregelte Va- 28 riante eines auf Konzernunternehmen beschränkten Zahlungsverbots. Die Kompetenz hierzu ist mit dem Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht54) eingeführt worden. Im Unterschied zu den Maßnahmen nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG geht es hierbei nicht um die Vermögenssicherung in Insolvenznähe allgemein. Vielmehr soll verhindert werden, dass in der Krise eines gruppenzugehörigen Instituts Vermögenswerte in andere Teile der Gruppe abgezogen werden; die Maßnahmen orientieren sich damit an dem insbesondere in der US-amerikanischen Aufsichtspraxis seit langem etablierten „ring-fencing“ – der finanziellen Abschirmung – von Instituten gegen die jeweilige Konzernmutter und andere Gruppenunternehmen in der Insolvenz.55) Im Unterschied zur insolvenzrechtlichen Regelung, für die das Gesetz selbst entspre- 29 chende Festlegungen trifft (vgl. § 24 Abs. 1 i. V. m. §§ 81, 82 InsO) sind die zivilrechtlichen Konsequenzen des Veräußerungs- und Zahlungsverbots nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG nicht gesetzlich geregelt und seit jeher umstritten, was mit erheblichen Implikationen für die Auswirkungen des Moratoriums auf banktypische Austauschgeschäfte verbunden ist (siehe dazu Rz. 31 ff.). Nach überwiegender, aber nicht zweifelsfreier Ansicht sollen verbotswidrige Verfügungen bzw. Zahlungen nach §§ 135, 136 BGB relativ unwirksam sein.56) Höchstrichterlich geklärt ist zwischenzeitlich, dass das Verbot – entgegen der ___________ 52) Zu möglichen Anwendungsfällen Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 99; Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 102. 53) Sehr weitgehend und zweifelhaft angesichts der in diesem Stadium de facto kaum realistischen Restrukturierungsaussichten insoweit Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 102, der die Genehmigung von Honoraren für Beratungsleistungen erwägt, um damit „komplexe Restrukturierungen“ vorbereiten zu helfen. 54) Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht, v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, 2305. 55) Vgl. dazu Reischauer/Kleinhans-Geier, KWG, Lfg. 9/16, § 46 Rz. 77; Boos/Fischer/Schulte-MattlerLindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 94 f.; s. a. Begr. RegE Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht, BT-Drucks. 16/12783, S. 17; zur Bedeutung des „ring-fencing“ i. R. der Insolvenzbewältigung von Kreditinstituten allgemein Binder, EBOR 16 (2015), 97, 98 ff. 56) So für das geltende Recht etwa Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 85 m. Fn. 75; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 41 (unter insoweit unzutr. Berufung auf BGH, Urt. v. 5.10.1989 – III ZR 34/08, WM 1990, 54, 55; die Entscheidung lehnt lediglich für das Kreditgewährungsverbot nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG die Qualifikation als Fall des § 134 BGB ab); Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 63; zum früheren Recht stellvertretend Pannen, Krise und Insolvenz, Kap. 1 Rz. 135 f.; Geier, ZBB 2010, 289, 290, jeweils m. w. N.; differenzierend Canaris, Bankvertragsrecht, Rz. 518a; zweifelnd Binder, Bankeninsolvenzen, S. 237 f.; grundsätzlich a. A. einerseits mit guten Gründen zuletzt Helm/Keller, BKR 2016, 59, 62 (keine Drittwirkung des Verbots); andererseits (nicht überzeugend) Neeff, Einlagensicherung bei Bankinsolvenzen, S. 146 ff.; offenlassend nunmehr BGH, Urt. v. 12.3.2013 – XI ZR 227/12, Rz. 26, BGHZ 197, 21, 31 = ZIP 2013, 766, 769.

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Insolvenzbewältigung bei nicht systemrelevanten Banken

schon zum früheren Recht entwickelten h. M.57) – zivilrechtlich keine Stundungswirkung auslöst.58) Nach wie vor nicht entschieden ist demgegenüber, ob während der Geltungsdauer des Veräußerungs- und Zahlungsverbots Aufrechnungen durch Gläubiger zulässig sind. Dafür kann indessen nichts anderes gelten als für die vermeintliche Stundungswirkung; schon der Vergleich mit dem Insolvenzeröffnungsverfahren, in dem Aufrechnungen nicht gesperrt sind, spricht eindeutig für die Zulässigkeit.59) Im Ergebnis sind dem betreffenden Institut während der Dauer des Moratoriums somit zwar Verfügungen über Rechte und Zahlungen verboten. § 46 Abs. 2 Satz 6 KWG stellt ausdrücklich klar, dass währenddessen auch Zwangsvollstreckungen, Arreste und einstweilige Verfügungen in das Vermögen des Instituts unzulässig sind; auch insoweit stellt das Gesetz Gleichlauf mit den im Insolvenzeröffnungsverfahren möglichen Sicherungsmaßnahmen her (vgl. § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO). 30 Auf die Wirksamkeit und Fälligkeit von Forderungen gegen das betreffende Institut haben diese Maßnahmen indessen nach dem Gesagten keine Auswirkungen; die Nichtleistung durch das Institut stellt nach allgemeinen Regeln eine Pflichtverletzung dar, die Leistungsstörungsrechte des Gläubigers, insbesondere einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB bzw. – eher ferner liegend – § 280 Abs. 1 BGB, auslösen kann.60) Auch Kündigungsrechte, insbesondere aus § 490 BGB, wird man als vom Moratorium nicht berührt anzusehen haben, sofern sich nicht aus dem jeweiligen Vertragsverhältnis Gegenteiliges ergibt.61) Die Auswirkungen des Moratoriums auf banktypische Austauschgeschäfte und Rechtsverhältnisse (siehe sogleich Rz. 31 ff.) ergeben sich unmittelbar aus den oben skizzierten allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. bb)

Auswirkungen auf einzelne Bankgeschäfte (Überblick)

(1)

Kreditgeschäft

31 Für das Kreditgeschäft ergeben sich aus der Anordnung eines Moratoriums nur insofern Konsequenzen, als bereits gewährte, aber noch nicht valutierte Darlehen nicht mehr valutiert werden dürfen;62) auch insoweit gilt, dass die damit ggf. verbundene Verletzung der Vertragspflichten Schadensersatzansprüche der betroffenen Darlehensnehmer auslösen kann ___________ 57) Zum früheren Recht etwa Pannen, Krise und Insolvenz, Kap. 1 Rz. 83 ff.; Zietsch, WM 1997, 954, 956 f., jeweils m. w. N.; s. zum geltenden Recht auch noch Luz/Neus/Schaber/u. a.-Willemsen/Rechel, KWG und CRR, § 46 KWG Rz. 25. 58) So ausdrücklich BGH, Urt. v. 12.3.2013 – XI ZR 227/12, Rz. 13 ff., BGHZ 197, 21, 25 ff. m. w. N. zum Streitstand = ZIP 2013, 766, 767, m. zust. Anm. Binder, NZI 2013, 459 f.; Reischauer/KleinhansGeier, KWG, Lfg. 9/16, § 46 Rz. 64; Obermüller, LMK 2013, 346873; Pannen, EWiR 2013, 423 f.; Schwennicke, WuB I L 1 § 46 KWG 1.14; gegen die Annahme einer Stundungswirkung zuvor bereits Binder, Bankeninsolvenzen, S. 314 ff.; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, 3. Aufl., 2008, § 46a Rz. 45; Geier, ZBB 2010, 289, 290; ausdrücklich ebenso nunmehr Schwennicke/ Auerbach-Schwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 39; mit abweichender, teilweise unklarer Begr., aber im Ergebnis gleichsinnig auch Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 60. 59) Dazu Binder, NZI 2013, 463, 464 und bereits Binder, Bankeninsolvenzen, S. 315 f.; entsprechend auch Beck, WM 2013, 301, 302 f.; dagegen aber z. B. Pannen, Krise und Insolvenz, Kap. 1 Rz. 144; Zietsch, WM 1997, 954, 956 f., jeweils m. w. N. zur (früher) h. M.; offenlassend, aber deutlich zur hier vertretenen Auffassung tendierend nunmehr BGH, Urt. v. 12.3.2013 – XI ZR 227/12, Rz. 45 f., BGHZ 197, 21, 38 f. = ZIP 2013, 766, 771. 60) Dazu BGH, Urt. v. 12.3.2013 – XI ZR 227/12, Rz. 52, BGHZ 197, 21, 41 f. = ZIP 2013, 766, 772 m. w. N. zur kontrovers beurteilten Rechtsgrundlage; s. a. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/ CRR-VO, § 46 KWG Rz. 104 f.; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 40; Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, Rz. 16. A. A. die früher h. M., die Stundungswirkung annahm, vgl. dazu stellvertretend Pannen, Krise und Insolvenz, Kap. 1 Rz. 84 f. und Rz. 139 f. 61) Vgl. entspr. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 111; skeptisch Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, Rz. 62. 62) Binder in: BeckOGK-BGB, Stand: 1.11.2019, § 488 Rz. 202; Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 85; Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, Rz. 9.

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II. Das aufsichtsrechtliche Moratorium und flankierende Maßnahmen

§ 17

(siehe Rz. 29 f.). Weiter gehende, rechtsgestaltende Wirkungen für bestehende Kreditverhältnisse, insbesondere Darlehensverträge, sind mit dem Moratorium nicht verbunden, sondern treten erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein (siehe noch unten Rz. 48 ff.). (2)

Einlagengeschäft

Einlagen aller Art (zur Rechtslage bei Kontokorrentkonten siehe sogleich Rz. 34 ff.) dürfen 32 während der Dauer des Veräußerungs- und Zahlungsverbots nicht zurückgezahlt werden. Dies entspricht dem zivilrechtlichen Charakter der Einlagen als Forderungen gegen die Bank aus Darlehensverträgen (Termin- und Spareinlagen) bzw. unregelmäßigen Verwahrungsverhältnissen (Sichteinlagen):63) Weil es sich – im Unterschied zu Wertpapierdepots – nicht um aussonderungsfähige und damit wirtschaftlich den Einlegern zugeordnete Gelder handelt, würden sowohl Auszahlungen an die eigenen Kunden als auch die Ausführung von Überweisungsaufträgen auf Konten Dritter bei anderen Instituten zu einer Vermögensverringerung führen. Auch insoweit greift mithin der Sicherungszweck des Moratoriums ein, das damit – funktional wiederum entsprechend den Sicherungsmaßnahmen im Insolvenzeröffnungsverfahren – den Grundsatz der anteiligen Gläubigerbefriedigung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens schützen hilft.64) Auch für das Einlagengeschäft lässt das Veräußerungs- und Zahlungsverbot das vertragliche 33 Pflichtenprogramm i. Ü. unberührt, so dass betroffene Einleger ggf. Schadensersatz wegen der Nichtverfügbarkeit ihrer Einlagen beanspruchen können (siehe Rz. 29 f.). Dennoch löst die Anordnung faktisch regelmäßig das vollständige Ende der Bank-Kunden-Beziehung im Einlagengeschäft aus und nimmt damit die wirtschaftlichen Konsequenzen der nachfolgenden Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des kontoführenden Instituts vorweg. Der Grund liegt in der Verknüpfung mit dem Eingreifen der gesetzlichen Einlagensicherung und Anlegerentschädigung, die ihrerseits auf die unionsrechtlichen Vorgaben der Einlagensicherungsrichtlinie65) bzw. der Anlegerentschädigungsrichtlinie66) zurückgeht. Sowohl für die Einlagensicherung als auch für die Anlegerentschädigung ist der Entschädigungsfall, der die Auszahlung der gesicherten Ansprüche auslöst, zwingend unverzüglich festzustellen, wenn die BaFin davon Kenntnis hat, dass ein Institut nicht in der Lage ist, fällige Einlagen zurückzuzahlen bzw. Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften zu erfüllen. Nach dem Einlagensicherungsgesetz hat dies spätestens innerhalb von fünf Werktagen nach Kenntnis (§ 10 Abs. 2 Satz 1 EinSiG), nach dem Anlegerentschädigungsgesetz dagegen spätestens innerhalb von 21 Werktagen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 AnlEntG) stattzufinden. Nach beiden Gesetzen muss der Entschädigungsfall festgestellt werden, wenn ein Moratorium länger als sechs Wochen andauert (§ 10 Abs. 2 Satz 2 EinSiG, § 5 Abs. 1 Satz 2 AnlEntG). Typischerweise werden (spätestens) mit der Feststellung des Entschädigungsfalls auch die spezifischen freiwilligen Einlagensicherungs- bzw. Institutssicherungsmechanismen der privaten, öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Institute eingreifen, deren Schutzumfang über den gesetzlichen Mindestschutz deutlich hinausgeht (dazu § 19 Rz. 57 ff. [Biermann/ Lütgerath]). Kommt es im Zusammenhang mit der Anordnung eines Moratoriums zur Feststellung des Entschädigungsfalls, werden damit für einen erheblichen Teil der Einlagen des ___________ 63) Zur zivilrechtlichen Qualifikation stellvertretend Binder in: BeckOGK-BGB, Stand: 1.11.2019, § 488 Rz. 24 m. w. N. 64) Vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 85. 65) Zunächst Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 30.5.1994 – Einlagensicherungsrichtlinie (ESRL), ABl. (EG) L 135/5 v. 3.6.2003; nunmehr Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 – Deposit Guarantee Scheme Directive (DGSD), ABl. (EU) L 173/149 v. 12.6.2014. 66) Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 3.3.1997 – Anlegerentschädigungsrichtlinie (AnlERL), ABl. (EU) L 84/22 v. 26.3.1997.

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Insolvenzbewältigung bei nicht systemrelevanten Banken

betroffenen Instituts die Rechtsbeziehungen mit den jeweiligen Einlegern bereits unmittelbar im Zusammenhang damit endgültig abgewickelt. (3)

Zahlungsverkehr

34 Weder die Anordnung des Moratoriums noch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Bank beenden bestehende Zahlungsdiensterahmenverträge (§ 675f Abs. 2 BGB), Einzelzahlungsverträge oder Giroverträge;67) insbesondere bleibt die Kontokorrentabrede unberührt.68) Doch erfasst das Veräußerungs- und Zahlungsverbot an sich Zahlungen aller Art und hindert das betreffende Institut so an der Ausführung. Dies gilt – wie soeben dargelegt – auch für die Ausführung unbarer Zahlungsverkehrsaufträge zugunsten Dritter, und zwar unabhängig von der vertraglichen Grundlage im Einzelfall.69) 35 Insoweit sind allerdings Sonderregeln zum Schutz von Zahlungs- sowie Wertpapierlieferund -abrechnungssystemen sowie von dinglichen Sicherheiten der Zentralbanken zu beachten, deren Einführung auf unionsrechtliche Vorgaben zurückgeht und die den Schutz wichtiger Aspekte der Marktinfrastruktur in der Insolvenz von Finanzintermediären sicherstellen sollen.70) Die einschlägigen Bestimmungen sind nicht im KWG selbst geregelt, sondern in der InsO, auf die in § 46 Abs. 2 Satz 7 KWG insoweit pauschal verwiesen wird. Dies ist schon deshalb misslich, weil damit zum Teil auf Vorschriften über das eröffnete Insolvenzverfahren verwiesen wird, obwohl das Moratorium – wie ausgeführt – funktional an sich den Sicherungsmaßnahmen nach §§ 21, 22 InsO und damit dem Insolvenzeröffnungsverfahren entspricht; auch darüber hinaus wird das deutsche Umsetzungsrecht den Vorgaben der Richtlinien nur eingeschränkt überzeugend gerecht, was hier nicht im Detail zu untersuchen ist.71) 36 Die wesentlichen Bestimmungen und die damit verbundenen Konsequenzen lassen sich wie folgt zusammenfassen:72) x Verrechnungen von Ansprüchen und bei Wirksamwerden der Anordnung bereits eingeleitete Leistungen i. R. von Zahlungssystemen sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen bleiben von den Rechtswirkungen des Moratoriums unberührt (vgl. § 46 Abs. 2 Satz 7 KWG i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 2 InsO).73) ___________ 67) Zusammenfassend z. B. Kalomiris in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 9 Rz. 3. 68) Dazu eingehend Binder, Bankeninsolvenzen, S. 414 ff. 69) S. auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 85. 70) Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.5.1998 – EG-Abrechnungswirksamkeitsrichtlinie (Finalitätsrichtlinie), ABl. (EG) L 166/45 v. 11.6.1998; Art. 2 Abs. 7 der Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.6.2002 – Finanzsicherheitenrichtlinie, ABl. (EG) L 168/43 v. 27.6.2002. S. dazu allgemein Binder, Bankeninsolvenzen, S. 352 ff. (Finalitätsrichtlinie) und S. 357 ff. (Finanzsicherheitenrichtlinie), S. 370 ff. (Rechtslage in Deutschland nach Umsetzung); Ruzik, Finanzmarktintegration, S. 150 ff. (Finalitätsrichtlinie) und S. 298 ff. (Finanzsicherheitenrichtlinie). Durch Art. 2 Nr. 10 des Restrukturierungsgesetzes von 2010 (Rz. 6) sind auch sog. interoperable Systeme i. S. des § 1 Abs. 16 Satz 3 KWG in den Schutz nach § 46 Abs. 2 Satz 7 KWG einbezogen worden. 71) Eingehend und krit. Binder, Bankeninsolvenzen, S. 352 ff., 371 ff.; s. im Anschluss daran auch Boos/ Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 118 ff. 72) Anschaulich Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 120; vgl. auch Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, Rz. 112 ff. 73) Vgl. den Wortlaut von § 21 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsO: „Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen berührt nicht die Wirksamkeit von Verfügungen über Finanzsicherheiten nach § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes und die Wirksamkeit der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren, die in Systeme nach § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden. Dies gilt auch dann, wenn ein solches Rechtsgeschäft des Schuldners am Tag der Anordnung getätigt und verrechnet oder eine Finanzsicherheit bestellt wird und der andere Teil nachweist, dass er die Anordnung weder kannte noch hätte kennen müssen; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Anordnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.“

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II. Das aufsichtsrechtliche Moratorium und flankierende Maßnahmen

§ 17

x

Bereits erteilte Zahlungsaufträge i. S. des § 675f Abs. 3 Satz 2 BGB können trotz Wirksamwerdens des Moratoriums weiter ausgeführt werden (vgl. § 46 Abs. 2 Satz 7 KWG i. V. m. § 116 Satz 3 KWG). Richtigerweise ist ggf. zugunsten des jeweiligen Zahlungssystems § 115 Abs. 3 InsO anzuwenden, so dass unmittelbar nach Eintreten der Rechtswirkungen des Moratoriums noch erteilte Zahlungsaufträge durch das System ausgeführt werden dürfen.74)

x

Soweit das betreffende Zahlungssystem erteilte Aufträge periodisch verrechnet (sog. Netting), bleibt auch dies von den Rechtswirkungen unberührt (§ 46 Abs. 2 Satz 7 KWG i. V. m. § 96 Abs. 2 InsO).75)

x

Ebenso wirksam bleiben die von dem betreffenden Institut gegenüber dem Zahlungssystem bzw. einer Zentralbank des EWR zur Absicherung ihrer Nettoverbindlichkeiten geleisteten Sicherheiten (§ 46 Abs. 2 Satz 7 KWG i. V. m. §§ 166 Abs. 3 Nr. 1 und 2, 223 Abs. 1 Satz 2 InsO).76)

(4)

Finanztermingeschäfte

Auch Verbindlichkeiten aus Derivatepositionen dürfen während der Dauer des Moratoriums 37 nicht bedient werden; insofern gilt zunächst das oben Gesagte zu dessen Rechtswirkungen im Allgemeinen (siehe Rz. 29 f.). Von praktischer Bedeutung ist vor allem die Frage, ob die Anordnung die in den marktüblichen Rahmenverträgen für Finanztermingeschäfte in Beendigungsklauseln für den Insolvenzfall vereinbarte Kündigung und Abrechnung der zwischen den betreffenden Parteien auslöst. Ziel des sog. Close-out Netting ist es, sämtliche zwischen den betreffenden Parteien bestehenden Vereinbarungen zum jeweils aktuellen Marktwert fällig zu stellen, die dadurch ermittelten Einzelverbindlichkeiten zu saldieren und dann nur mehr eine einzige verbleibende (in vielen Fällen besicherte) Nettoforderung zum Ausgleich zu bringen – je nach dem wirtschaftlichen Wert als Forderung gegen die insolvente Partei oder gegen die solvente Partei, die in beiden Konstellationen im Insolvenzverfahren geltend zu machen ist.77) Eine ausdrückliche Anknüpfung an Maßnahmen, deren Rechtswirkungen denen des Moratoriums entsprechen, findet sich nur vereinzelt, nämlich in Nr. 6(1)(a)(viii) des von der European Banking Federation veröffentlichten European Master Agreement (EMA).78) Auch das für internationale Termingeschäfte übliche ISDA Master Agreement 1992/2002 der International Swap Dealers Association79) enthält in Section 5(a)(vii)(4) weit gefasste Beendigungsgründe, die grundsätzlich auch die Auflösung für ___________ 74) Zutr. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 120. 75) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 121; s. dazu eingehend bereits Binder, Bankeninsolvenzen, S. 379 ff. 76) Dazu Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 122; s. a. Keller, WM 2000, 1269, 1280, und Binder, Bankeninsolvenzen, S. 381 ff. 77) Dazu stellvertretend Binder in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 37 Rz. 52; Fried in: Zerey, Finanzderivate, § 16; Jahn/Reiner in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 114 Rz. 173 ff.; monographisch Fuchs, Close-out Netting, S. 45 ff. 78) Im Wortlaut: „eine Zuständige Behörde trifft aufgrund konkurs- oder insolvenzrechtlicher oder ähnlicher oder für die Geschäftstätigkeit der Partei maßgeblicher bank- oder versicherungsrechtlicher oder ähnlicher Vorschriften eine Maßnahme, die die Partei voraussichtlich daran hindert, ihre Zahlungs- oder Lieferpflichten aus dem Vertrag bei Fälligkeit zu erfüllen“. Abdruck des Rahmenvertrags bei Jahn in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., Anh. 114, nebst Anhängen abrufbar unter http:// www.ebf-fbe.eu/index.php?page=ema (Abrufdatum: 7.5.2020); s. allgemein stellvertretend Binder in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 37 Rz. 9 m. w. N.; dazu im hiesigen Zusammenhang Fried in: Zerey, Finanzderivate, § 16 Rz. 68. 79) S. allgemein stellvertretend Binder in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 37 Rz. 10.

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Insolvenzbewältigung bei nicht systemrelevanten Banken

den Fall einer Nichterfüllung von Verbindlichkeiten aufgrund behördlicher Anordnungen mit insolvenzähnlichen Rechtswirkungen erfassen.80) 38 Weniger eindeutig ist dies indessen für die korrespondierenden Regelungen im Deutschen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte (DRV 2018),81) die für den Insolvenzfall eine automatische Beendigung (Nr. 7 Abs. 2 DRV), ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund dagegen für Fälle der Nichterfüllung fälliger Zahlungen in einem Zeitraum von mehr als fünf Bankarbeitstagen vorsehen (Nr. 7 Abs. 1 DRV).82) Lehnt man im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung richtigerweise eine mit dem Moratorium verbundene Stundungswirkung ab (siehe Rz. 29 f.) und geht somit davon aus, dass die Anordnung des Moratoriums die Fälligkeit vertraglich begründeter Forderungen nicht ändert, muss die Nichterfüllung der Zahlungspflichten infolge des Veräußerungs- und Zahlungsverbots allerdings auch hiernach ein Kündigungsrecht der jeweiligen Gegenpartei begründen.83) Auch insoweit nimmt mithin im Ergebnis bereits die Anordnung des Veräußerungs- und Zahlungsverbots diejenigen Rechtswirkungen vorweg, die nach allgemeinen Regeln an sich erst mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des betroffenen Instituts verbunden wären (vgl. § 104 Abs. 3 InsO). Diese Regelungen sind, wie der Gesetzgeber erst 2016 in Reaktion auf Entscheidungen des IX. Zivilsenats des BGH, die Zweifel an der Wirksamkeit hervorgerufen hatten, durch Einführung des § 104 Abs. 4 InsO84) ausdrücklich klargestellt hat,85) insolvenzfest. Insolvenzfest sind, wie sich aus der Verweisungsvorschrift in § 46 Abs. 2 Satz 7 KWG ergibt, auch die in diesem Zusammenhang bestellten Finanzsicherheiten i. S. des § 1 Abs. 17 KWG.86) (5)

Wertpapiergeschäfte

39 Wertpapiergeschäfte mit dem eigenen Bestand, etwa Pensionsgeschäfte, sind dem betroffenen Institut während der Dauer des Moratoriums – naturgemäß – nicht erlaubt; schwebende Geschäfte zugunsten des Instituts können beendet werden, sofern nicht zugleich ein Verbot der Annahme von Einlagen, Geldern oder Wertpapieren nach § 46 Abs. 1 Satz 2 ___________ 80) Vgl. den Wortlaut: „[…] has instituted against it a proceeding seeking a judgment of insolvency or bankruptcy or any other relief under any bankruptcy or insolvency law or other similar law affecting creditors’ rights […]“ (Hervorhebung durch d. Verf.); s. dazu im hiesigen Zusammenhang Fried in: Zerey, Finanzderivate, § 16 Rz. 68; ebenso Pannen, Krise und Insolvenz, Kap. 1 Rz. 146. 81) Dazu allgemein stellvertretend Binder in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 37 Rz. 9 m. w. N.; der Rahmenvertrag ist abrufbar unter https://bankenverband.de/service/ rahmenvertraege-fuer-finanzgeschaefte/deutscher-rahmenvertrag-fuer-finanztermingeschaefte (Abrufdatum: 7.5.2020). 82) Im Wortlaut: „Sofern Einzelabschlüsse getätigt und noch nicht vollständig abgewickelt sind, ist der Vertrag nur aus wichtigem Grund kündbar. Ein solcher liegt auch dann vor, wenn eine fällige Zahlung oder sonstige Leistung – aus welchem Grund auch immer – nicht innerhalb von fünf Bankarbeitstagen nach Benachrichtigung des Zahlungs- oder Leistungspflichtigen vom Ausbleiben des Eingangs der Zahlung oder sonstigen Leistung beim Empfänger eingegangen ist.“ S. dazu wiederum Fried in: Zerey, Finanzderivate, § 16 Rz. 68. 83) So im Ergebnis wohl auch Fried in: Zerey, Finanzderivate, § 16 Rz. 68 ff.; vgl. auch Pannen, Krise und Insolvenz, Kap. 1 Rz. 146 f., der die Nichterfüllung von Zahlungspflichten aufgrund eines Moratoriums zwar an sich als „wichtigen Grund“ i. S. des § 7 Abs. 2 DRV qualifiziert, das Kündigungsrecht dann allerdings auf der Basis der tradierten Annahme einer Stundungswirkung des Moratoriums konsequent gleichwohl ablehnt. 84) I. d. F. des Gesetzes zur Änderung der InsO und zur Änderung des Gesetzes, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung, v. 22.12.2016, BGBl. I 2016, 3147. 85) Zum Hintergrund Begr. RegE 3. Gesetz zur Änderung der InsO, BT-Drucks. 18/9983, S. 13 ff.; s. dazu auch Lehmann/Flöther/Gurlit, WM 2017, 597 ff. 86) S. dazu i. E. Binder in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 37 Rz. 59 ff.; Fried in: Zerey, Finanzderivate, § 17 Rz. 78 ff.; knapp auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 122 ff.

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II. Das aufsichtsrechtliche Moratorium und flankierende Maßnahmen

§ 17

Nr. 2 KWG erlassen wurde.87) Ebenso wenig ausgeführt werden dürfen Wertpapierkäufe im Kundenauftrag, wenn diese zulasten von bei dem Institut geführten Kontoguthaben ausgeführt werden sollen.88) Umstritten ist dagegen, ob Wertpapierverkäufe im Kundenauftrag gegen Gutschrift des Erlösbetrags auf dem bei dem betroffenen Institut geführten Konto weiter ausgeführt werden dürfen.89) Dafür spricht, dass der Sicherungszweck des Moratoriums hier nicht berührt ist;90) dies 40 gilt zumal dann, wenn es sich bei den Verwahrungspositionen um Miteigentumsanteilen an girosammelverwahrten Wertpapieren handelt, die nach der Insolvenzeröffnung aussonderungsfähig (vgl. § 47 InsO) und damit der Verwertung für die spätere Insolvenzmasse entzogen sind.91) Die Gegenauffassung, die sich auf den Sicherungszweck des Moratoriums beruft,92) übersieht letztlich, dass dessen Rechtswirkungen im Falle der Erstreckung auf Wertpapierdepots sogar noch über diejenigen eines allgemeinen Verfügungsverbots im Insolvenzeröffnungsverfahren nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO hinausgingen. Auch dessen Wirkungen bleiben auf diejenigen Vermögensgegenstände beschränkt, die im Falle der späteren Verfahrenseröffnung zur Insolvenzmasse gehören würden.93) Weshalb das Moratorium seinen Zweck nur erreichen können soll, wenn darüber hinaus auch das nicht zur späteren Insolvenzmasse gehörende Kundenvermögen übergangsweise „eingefroren“ wird (das im späteren Insolvenzverfahren gar nicht zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung steht), erschließt sich jedenfalls nicht ohne nähere Begründung. Insoweit hilft auch ein Hinweis darauf nicht weiter, dass das Moratorium weder ein eigenes Aussonderungsrecht kennt noch auf § 47 InsO verweist.94) Dies verkennt letztlich den systematischen Unterschied zwischen dem eröffneten Insolvenzverfahren, in dessen Rahmen das Aussonderungsrecht als Kernbestandteil der Grundsätze über die insolvenzförmige Gesamtvollstreckung angeordnet ist, und den bloßen Sicherungsmaßnahmen im Insolvenzeröffnungsverfahren, die lediglich der Vorbereitung der späteren Gesamtvollstreckung dienen. Letztere – die Sicherungsmaßnahmen nach §§ 21, 22 InsO, nicht das eröffnete Insolvenzverfahren – sind das insolvenzrechtliche Funktionsäquivalent des aufsichtsrechtlichen Moratoriums; versteht man die Maßnahmen nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 bis 6 KWG als spezielle vorinsolvenzliche Sicherungsmaßnahmen (siehe bereits Rz. 3 ff., 16 f., 24 f.), ist klar, dass es auch hier nur um eine vorläufige Vermögenssicherung zugunsten der späteren Insolvenzmasse gehen kann. Einer eigenständigen Regelung über die Aussonderung schuldnerfremder Vermögensge- 41 genstände bedarf es in dieser Verfahrensstufe nicht, weil es dazu – nach allgemeinem Insolvenzrecht – erst im späteren eröffneten Insolvenzverfahren kommt. Aus entsprechenden Gründen muss auch die Übertragung des Kundendepots auf ein anderes Kreditinstitut während der Dauer des Moratoriums als zulässig eingestuft werden.95) ___________ 87) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 89. 88) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 90; Schwennicke/AuerbachSchwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 36. 89) Dafür Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 91; Schwennicke/ Auerbach-Schwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 37; dagegen Geier, BKR 2010, 144 ff.; Geier, ZBB 2010, 289, 292; Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 147 Rz. 263. 90) Überzeugend Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 91. 91) Zu Letzterem stellvertretend Binder in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 38 Rz. 40. 92) Besonders deutlich Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 147 Rz. 263. 93) Vgl. stellvertretend Uhlenbruck-Vallender, InsO, § 21 Rz. 17a. 94) So aber Geier in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 147 Rz. 263. 95) Auch insofern überzeugend Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 93.

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§ 17 c)

Insolvenzbewältigung bei nicht systemrelevanten Banken Schließung des Instituts für den Verkehr mit der Kundschaft (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG)

42 Die nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG zulässige Schließung des Instituts für den Verkehr mit der Kundschaft, die als typischer Bestandteil eines Moratoriums regelmäßig zusammen mit dem Veräußerungs- und Zahlungsverbot angeordnet wird, ergänzt die damit verbundene rechtliche Vermögenssicherung um Maßnahmen mit faktischer Sicherungswirkung. Indem aufgrund der Schließungsanordnung nicht nur die für den Kundenverkehr bestimmten Räumlichkeiten, sondern auch der Zugang zu Nachttresoren und Briefkästen, der Betrieb von Geldautomaten sowie die technischen Vorkehrungen zum Kundenzugriff auf das Online-Banking blockiert werden,96) wird nicht nur das Risiko verbotswidriger Vermögensabflüsse verringert, sondern auch die Möglichkeiten zu Einzahlungen durch Kunden eingedämmt und damit deren Vermögen geschützt.97) Nach h. M. ist dabei auch eine teilweise Schließung mit dem Ziel, die Abwicklung laufender Geschäfte und des Eingreifens der Einlagensicherung zu ermöglichen, durch die Kompetenz nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG gedeckt.98) d)

Verbot der Entgegennahme von Zahlungen, die nicht zur Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Institut bestimmt sind (§ 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 KWG)

43 Das Verbot der Entgegennahme von Zahlungen, die nicht zur Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Institut bestimmt sind, nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 dient dem Schutz der Kunden des vom Moratorium betroffenen Instituts. Es soll verhindern, dass nach dessen Wirksamwerden eingehende Gelder sofort durch das Veräußerungs- und -zahlungsverbot blockiert werden.99) Ratio und Verbotsinhalt weichen kaum von jener des Verbots der Annahme von „Einlagen, Geldern oder Wertpapieren von Kunden“ nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG ab, das bereits seit dem Inkrafttreten des KWG 1961 als Vorfeldmaßnahme vorgesehen war.100) Die Aufnahme des damit partiell deckungsgleichen Verbots der Entgegennahme von Zahlungen als Bestandteil des aufsichtsrechtlichen Moratoriums ist vor allem mit der Absicht des Gesetzgebers zu erklären, dessen Auswirkungen mit dem Eingreifen der Einlagensicherung abzustimmen (siehe unten Rz. 46).101) Systematisch befriedigend ist die damit angelegte Dopplung zwischen beiden Tatbeständen zumal nach der Integration des früheren § 46a KWG in den Tatbestand des § 46 KWG (siehe Rz. 19 ff.) aber nicht. ___________ 96) S. zur Reichweite Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 132; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 54 f.; Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 69; Luz/Neus/Schaber/u. a.-Willemsen/Rechel, KWG und CRR, § 46 KWG Rz. 28. 97) Vgl. schon Binder, Bankeninsolvenzen, S. 238 f.; Bericht des Finanzausschusses zu § 46a KWG a. F., BT-Drucks. 7/4631, S. 9. 98) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 131; Schwennicke/ Auerbach-Schwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 55; Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 71; s. a. bereits Bericht des Finanzausschusses zu § 46a KWG a. F., BT-Drucks. 7/4631, S. 9; zum Ganzen Binder, Bankeninsolvenzen, S. 239 f. 99) Vgl. den Bericht des Finanzausschusses zu § 46a KWG a. F., BT-Drucks. 7/4631, S. 9; entsprechend Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 134; Schwennicke/AuerbachSchwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 56. 100) Entsprechend auch Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 134; Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 72. 101) Näher Binder, Bankeninsolvenzen, S. 240 f.; vgl. auch Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 72.

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Binder

II. Das aufsichtsrechtliche Moratorium und flankierende Maßnahmen

§ 17

Neu gegenüber der früheren Rechtslage nach § 46a KWG a. F. ist die in § 46 Abs. 2 Satz 4 44 KWG geregelte Kompetenz der BaFin, die Rückerstattung verbotswidrig angenommener Zahlungen anzuordnen. Die Vorschrift geht auf das CRD IV-Umsetzungsgesetz von 2013102) zurück und soll sich nach der Regierungsbegründung auf Zahlungseingänge i. R. von Zahlungs- und Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen nach § 1 Abs. 16 KWG beschränken.103) Dies entspricht der Absicherung durch § 46 Abs. 2 Satz 8 KWG, wonach die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 InsO in einem nachfolgend eingeleiteten Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen des betreffenden Instituts eine nach Satz 4 der Vorschrift vorgenommene Rückerstattung unberührt lässt. Im Ergebnis kann die BaFin auf diese Weise die Zahlenden so stellen, wie sie stünden, wenn das Annahmeverbot vollständig beachtet worden wäre,104) was naturgemäß gerade für Zahlungsvorgänge interessengerecht sein kann, die beim Wirksamwerden des Moratoriums bereits eingeleitet worden sind. Gleichwohl erscheint die damit verbundene Beschränkung der Privilegierung auf unbare Zahlungen nicht ganz zweifelsfrei. Allerdings dürften sich die praktisch bedeutsamen Fälle regelmäßig auf diese reduzieren, nachdem Bareinzahlungen nach Anordnung eines Moratoriums typischerweise schon aufgrund der Schließung des Instituts nach § 46 Abs. 1 Nr. 5 KWG (siehe Rz. 42) kaum mehr vorkommen dürften. Mit der soeben diskutierten Rückerstattungsregelung nach § 46 Abs. 2 Satz 4 KWG hat 45 der Gesetzgeber implizit zugleich anerkannt, dass zivilrechtliche Konsequenzen mit dem Annahmeverbot nicht verbunden sind. Die verbotswidrige Annahme von Zahlungen zieht daher nicht die zivilrechtliche Unwirksamkeit nach sich;105) wäre dies anders, bedürfte es einer Regelung zur Rückerstattung nicht. Vor diesem Hintergrund wird zu Recht angenommen, dass das mit dem jeweiligen Zahlungsvorgang erstbeauftragte Institut, sofern ihm das Moratorium bekannt ist, i. R. seiner vertraglichen Schutzpflichten gehalten ist, den Zahlungsvorgang nicht ohne weiteres abzuwickeln. Vielmehr muss es vor der Ausführung den Zahlenden über das Moratorium informieren und mit ihm das weitere Vorgehen besprechen.106) Das Verbot der Entgegennahme von Zahlungen greift nach dem ausdrücklichen Wortlaut 46 nicht ein, wenn die für das betreffende Institut zuständige Entschädigungseinrichtung oder sonstige Sicherungseinrichtung die Befriedigung der Berechtigten in vollem Umfang sicherstellt (§ 46 Abs. 1 Nr. 6 KWG a. E.). Die damit verbundene Absicherung ist vom Eintritt des Entschädigungsfalls (siehe Rz. 33) zu unterscheiden. Welche Einrichtung i. S. der Bestimmung „zuständig“ ist, ergibt sich dabei nicht aus den für die Institute bindenden Vorgaben nach §§ 24 und 34 EinSiG, sondern aus den durch die jeweilige Organisationsstruktur geprägten Zugehörigkeiten zu Einlagen- bzw. Institutssicherungssystemen.107) Die jeweilige Einrichtung kann die erforderliche Verpflichtungserklärung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 KWG davon abhängig machen, dass die eingehenden Zahlungen, soweit sie nicht zur Er___________ 102) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen – CRD IV-Umsetzungsgesetz, v. 28.8.2013, BGBl. I 2013, 3395. 103) Vgl. Begr. RegE CRD IV-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 17/19974, S. 92. 104) Zutr. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 100. 105) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 137; Schwennicke/AuerbachSchwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 59; Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 76; s. a. bereits Binder, Bankeninsolvenzen, S. 242. 106) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 135 f.; Schwennicke/ Auerbach-Schwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 59; vgl. zur Einordnung auch Binder, Bankeninsolvenzen, S. 425 f. 107) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 139.

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Insolvenzbewältigung bei nicht systemrelevanten Banken

füllung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Institut bestimmt sind, vom Vermögen des Instituts separiert werden. Hinsichtlich der Einzelheiten der Abstimmung des Verbots mit dem Eingreifen der Einlagensicherung ist auf § 19 [Biermann/Lütgerath] zu verweisen. 4.

Flankierende Maßnahmen gegen Inhaber bzw. Geschäftsleiter

47 Bereits § 46a Abs. 2 bis 6 KWG a. F. sahen Regelungen zur Bestellung geschäftsführungsberechtigter Personen anstelle der eigentlich geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Organwalter für den Fall vor, dass diesen nach § 46 Abs. 1 Satz 2 KWG a. F. bzw. nach § 36 Abs. 1 KWG a. F. die Ausübung ihrer Tätigkeit untersagt war. Schon auf dieser Grundlage hatte die Aufsicht die Möglichkeit, ergänzend zur Anordnung eines Moratoriums den Geschäftsbetrieb des betroffenen Instituts effektiv kontrollieren und gegen missbräuchliche Eingriffe der bisherigen Geschäftsleitung absichern zu können.108) Die damit einhergehenden Kompetenzen sind im geltenden Recht teilweise in den § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 sowie Satz 7 – 9 KWG geregelt (siehe dazu § 16 Rz. 117 ff. [Bauer-Weiler/Struckmann]), die allerdings nur mehr die Untersagung oder Beschränkung der Ausübung der Tätigkeit, nicht aber die ersatzweise Bestellung von Personen mit entsprechenden Kompetenzen ermöglichen. Ergänzend können Organkompetenzen jedoch heute nach § 45c Abs. 3 KWG auf einen Sonderbeauftragten übertragen werden (siehe dazu § 16 Rz. 40 ff. [Bauer-Weiler/ Struckmann]), was an die Stelle der früher in § 46a Abs. 2 bis 6 KWG a. F. geregelten Maßnahmen tritt.109) Die Erweiterung der mit dem Moratorium ausgelösten Vermögenssicherung um eine effektive Kontrolle über Geschäftsleitungsentscheidungen unter Ausschluss der bisher zuständigen Organe bleibt der Aufsicht damit auch nach neuem Recht erhalten. III.

Eröffnung des Insolvenzverfahrens

1.

Verfahrenseinleitung

48 Ein Insolvenzantrag der BaFin ist, wie bereits erläutert (siehe Rz. 17), nach wie vor praktisch als Regelfolge der Anordnung eines aufsichtsrechtlichen Moratoriums zu erwarten. Im Unterschied zum allgemeinen Insolvenzrecht liegt das Antragsrecht nicht bei Gläubigern und Organen (vgl. § 15 InsO), sondern nach § 46b Abs. 1 Satz 4 KWG ausschließlich bei der BaFin; die ggf. bestehende Antragspflicht der Organe (vgl. § 15a InsO) wandelt sich in eine – nach § 55 KWG strafbewehrte – Anzeigepflicht gegenüber der BaFin um (§ 46b Abs. 1 Satz 1 und 2 KWG). 49 Insolvenzgründe sind gemäß § 46b Abs. 1 Satz 3 KWG die auch nach allgemeinem Insolvenzrecht maßgeblichen Tatbestände x

der Zahlungsunfähigkeit (vgl. § 17 InsO),

x

der drohenden Zahlungsunfähigkeit (vgl. § 18 InsO) sowie

x

der Überschuldung (vgl. § 19 InsO).

___________ 108) Zum früheren Recht eingehend Binder, Bankeninsolvenzen, S. 243 ff. 109) Die zuvor in § 36 Abs. 1a KWG a. F. geregelte Kompetenz zur Bestellung von Sonderbeauftragten geht zurück auf das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz (Gesetz zur weiteren Förderung des Finanzplatzes Deutschland – Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, v. 21.6.2002, BGBl. I 2002, 2010), das sich insoweit an § 81 Abs. 2a VAG a. F. anlehnte, vgl. Begr. RegE 4. Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 14/ 8017, S. 126. Den Grund für die ersatzlose Streichung des § 46a Abs. 2 – 6 KWG a. F. mit dem Restrukturierungsgesetz 2010 (Rz. 10) erwähnt die Gesetzesbegründung zwar nicht (vgl. Begr. RegE Restrukturierungsgesetz, BT-Drucks. 17/3024, S. 60), doch wird anzunehmen sein, dass eine Überführung der Vorschriften in den neu gefassten § 46 KWG angesichts der Verselbständigung des Instituts des Sonderbeauftragten (dazu ebenda) nicht als notwendig erachtet wurde.

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§ 17

III. Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Ein Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit ist dabei allerdings gemäß 50 § 46b Abs. 1 Satz 5 KWG – unter teleologischen Gesichtspunkten zweifelhaft110) – nur mit Zustimmung „des Instituts“ zulässig, ohne dass deutlich würde, auf wessen Zustimmung konkret (Anteilseigner? Geschäftsleiter?) es ankommen soll. Insoweit liegt es zwar nahe, auf die jeweils vertretungsbefugten Organe abzustellen;111) bei wertender Betrachtung überzeugt auch dies indessen allenfalls eingeschränkt und schränkt die Möglichkeiten der BaFin, möglichst frühzeitig eine Verfahrenseinleitung vorzunehmen, unnötig ein. Hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen für die Einleitung des Insolvenzverfahrens 51 gelten im Übrigen die Grundsätze des allgemeinen Insolvenzrechts, wobei diese mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Bankgeschäfts und die Verzahnung mit dem aufsichtsrechtlichen Moratorium unter teleologischen und systematischen Gesichtspunkten teilweise anzupassen sind. Dies betrifft insbesondere den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit, für dessen Feststellung aus zwei Gründen nicht – wie ansonsten üblich – lediglich auf die Fälligkeit der Verbindlichkeiten abgestellt werden darf: x

Einerseits ist zu berücksichtigen, dass ohne Differenzierung nach lediglich abstrakt bereits fälligen Verbindlichkeiten zum einen und konkret eingeforderten Verbindlichkeiten zum anderen alle Sichteinlagen in die Feststellung einzubeziehen wären, was im tradierten Einlagengeschäft nicht selten auch dann formal die Annahme der Zahlungsunfähigkeit begründen würde, wenn an sich keinerlei Insolvenzgefahr besteht.112)

x

Andererseits ist zu beachten, dass unabhängig von der Annahme einer Stundungswirkung des Moratoriums (siehe Rz. 29 f.) jedenfalls die Durchsetzbarkeit der Forderungen gegen das von einem Moratorium betroffene Institut nach § 46 Abs. 2 Satz 6 KWG ausgeschlossen ist, weshalb nach allgemeinen Grundsätzen an sich auch die Zahlungsunfähigkeit während dieses Zeitraums nicht einträte.

Richtigerweise ist deshalb in allen Fällen, in denen die Insolvenzeröffnung aus dem Mora- 52 torium heraus beantragt wird, darauf abzustellen, ob die Voraussetzungen für die Annahme einer Zahlungsunfähigkeit i. S. des § 17 InsO vorlagen.113) Anzupassen sind somit richtigerweise die bei der Aufstellung der Liquiditätsbilanz zu berücksichtigenden prognostischen Elemente.114) 2.

Verfahrenskoordination zwischen Moratorium und Insolvenzverfahren

Mit der Stellung des Insolvenzantrags – und nicht erst mit der Eröffnung des Insolvenz- 53 verfahrens nach § 27 InsO115) – durch die BaFin geht die Verfahrensherrschaft auf das AG als Insolvenzgericht über,116) dem mangels abweichender gesetzlicher Vorgaben nach allgemeinen Regeln ein umfassendes Prüfungsrecht hinsichtlich der Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags zukommt.117) Das AG hat nach allgemeinen Regeln grundsätzlich ___________ 110) S. dazu schon Binder, Bankeninsolvenzen, S. 158 ff. 111) Zutr. Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46b Rz. 45 f. 112) Vgl. dazu Binder, Bankeninsolvenzen, S. 157 f.; im Ergebnis wohl auch Pannen, Krise und Insolvenz, Kap. 3 Rz. 6. 113) Überzeugend Pannen in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 480 Rz. 35. 114) A. A. offenbar Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46b Rz. 18 ff., der die im Text diskutierten Besonderheiten freilich nicht berücksichtigt. 115) So aber – ohne Begr. und ohne Berücksichtigung des Umstands, dass die BaFin lediglich den Antrag auf Verfahrenseröffnung stellt – Schwennicke/Auerbach-Schwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 16. 116) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 37; Beck/Samm/KokemoorSkauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 15. 117) Richtig Pannen in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 480 Rz. 39, 40; Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 15.

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§ 17

Insolvenzbewältigung bei nicht systemrelevanten Banken

auch über die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO zu entscheiden.118) Dabei kann und wird es berücksichtigen, dass der damit verbundene Zweck einer effektiven Absicherung der künftigen Masse bereits durch die Anordnung des aufsichtsrechtlichen Moratoriums erreicht wurde, das funktional den Maßnahmen nach § 21 InsO entspricht (siehe Rz. 14). 54 Ordnet das Insolvenzgericht gleichwohl derartige Maßnahmen an, sprechen gute Gründe für die Annahme, dass die BaFin das Moratorium aufzuheben hat und jedenfalls Erledigung i. S. des § 43 Abs. 2 VwVfG eintritt.119) Nicht überzeugend ist demgegenüber die gelegentlich vertretene Annahme, während des Zeitraums zwischen Antragstellung und Verfahrenseröffnung verdrängten die aufsichtsrechtlichen Kompetenzen als speziellere Vorschriften die insolvenzrechtlichen Befugnisse.120) Dies bestätigt auch die Ausnahmeregelung des § 46 Abs. 2 Satz 8 KWG, die einen Vorrang der aufsichtsrechtlichen Anordnungen nur ausnahmsweise anordnet.121) In geeigneten Fällen kommt allerdings auch eine – ansonsten kaum praktisch relevante – sofortige Insolvenzeröffnung ohne vorheriges Eröffnungsverfahren in Betracht, wenn das AG den Antrag der BaFin auf der Grundlage der vorgelegten Begründung für entscheidungsreif erachtet.122) 3.

Liquidation im eröffneten Insolvenzverfahren

55 Das eröffnete Insolvenzverfahren ist, nachdem das Moratorium bereits faktisch die völlige Stilllegung des Geschäftsbetriebs ausgelöst und die wirtschaftlichen Austauschbeziehungen zwischen dem betroffenen Institut und seinen Geschäftspartnern beendet hat, praktisch auf die Liquidationsfunktion festgelegt; eine insolvenzförmige Restrukturierung kommt nach dem vorgeschalteten Moratorium kaum mehr in Betracht (siehe schon Rz. 17). Die Abwicklung des Verfahrens richtet sich ohne wesentliche Abweichungen nach den allgemeinen Vorschriften über das Regelinsolvenzverfahren.123) Als Besonderheiten zu beachten sind lediglich die Vorverlegung einzelner insolvenzrechtlicher Fristen durch § 46c Abs. 1 KWG, die in § 46c Abs. 2 KWG angeordnete Haftungsprivilegierung im Hinblick auf nach § 46 KWG zulässige Leistungen des Instituts bis zum Insolvenzantrag sowie die in § 46b Abs. 3 KWG angeordnete Informationspflicht des Insolvenzverwalters gegenüber der BaFin (Satz 1) und das darüber hinausgehende Informationsrecht der BaFin im eröffneten Verfahren (Satz 2). Hinsichtlich der Einzelheiten ist auf die einschlägige insolvenzrechtliche Literatur zu verweisen.

___________ 118) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 37; Pannen in: Jahn/ Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 480 Rz. 41; eingehend bereits Binder, Bankeninsolvenzen, S. 255 ff. 119) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 43 und 45; Beck/Samm/ Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 16. 120) So aber Schwennicke/Auerbach-Schwennicke/Herweg, KWG, § 46 Rz. 15; ebenso im Anschluss daran auch § 16 Rz. 111 [Bauer-Weiler/Struckmann]. Die dafür angeführte These, anderenfalls liefe die grenzüberschreitende Wirkungserstreckung der Sicherungsmaßnahmen leer, trifft nicht zu, da diese gleichermaßen auch für Sicherungsmaßnahmen im Insolvenzeröffnungsverfahren und für sonstige Verfahrenswirkungen nach allgemeinem Insolvenzrecht gilt; s. dazu noch unten Rz. 56 ff. 121) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 44; Beck/Samm/KokemoorSkauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 15. 122) Vgl. dazu Beck/Samm/Kokemoor-Skauradszun, KWG, 187. Lfg. 2016, § 46 Rz. 15 am Beispiel des Falles Maple Bank. 123) S. dazu Binder, Bankeninsolvenzen, S. 568 ff.; Pannen in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, S. 480 Rz. 42; zu den Auswirkungen auf einzelne Bankgeschäfte Pannen, Krise und Insolvenz, Kap. 5.

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IV. Fälle mit Auslandsberührung IV.

Fälle mit Auslandsberührung

1.

Überblick

Hinsichtlich der grenzüberschreitenden Wirkung der aufsichts- und der insolvenzrechtli- 56 chen Maßnahmen zur Insolvenzbewältigung bei in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen und hier beaufsichtigten Kreditinstituten ist grundlegend zwischen Sachverhalten mit Berührungen zu EU/EWR-Mitgliedstaaten und solchen mit (Nicht-EU/EWR-)Drittstaatenberührung zu unterscheiden. Für erstere ist bereits 2001 mit der Richtlinie 2001/ 24/EG über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (EG-Sanierungsrichtlinie)124) ein selbständiges Internationales Insolvenzrecht geschaffen worden, das die grenzüberschreitende Wirkungserstreckung für Sanierungs- und Liquidationsmaßnahmen regelt (siehe dazu Rz. 58 ff.). Im deutschen Recht sind diese Vorgaben, soweit sie nicht mit den Vorschriften des all- 57 gemeinen Internationalen Insolvenzrechts ohnehin deckungsgleich sind, 2003 in den §§ 46d bis 46f KWG umgesetzt worden.125) Hiernach entfalten sowohl das aufsichtsrechtliche Moratorium und die in diesem Zusammenhang getroffenen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen als auch die Rechtsfolgen im Insolvenzeröffnungsverfahren sowie im eröffneten Insolvenzverfahren unmittelbar grenzüberschreitende Wirkungen in allen EU/EWR-Staaten (siehe Rz. 62). Für Sachverhalte, in denen das betroffene Kreditinstitut über Zweigstellen und/ oder Vermögen im Nicht-EU/EWR-Ausland verfügt, beschränken sich die aufsichtsrechtlichen Kompetenzen nach dem verwaltungsrechtlichen Territorialitätsprinzip126) in ihrem Geltungsbereich dagegen von vornherein auf deutsches Hoheitsgebiet; ihre internationale Anerkennungsfähigkeit hängt ebenso wie die Anerkennungsfähigkeit insolvenzrechtlicher Verfahrenswirkungen vom Internationalen Verwaltungs- bzw. Insolvenzrecht des jeweils berührten Staates ab. Insofern gilt nichts anderes als für sonstige verwaltungsrechtliche Maßnahmen sowie für das Internationale Insolvenzrecht allgemein, weshalb hinsichtlich der Einzelheiten auf die jeweilige Spezialliteratur zu verweisen ist. 2.

Unionsrechtliche Vorgaben nach der EG-Sanierungsrichtlinie

Die EG-Sanierungsrichtlinie gilt nach Art. 1 Abs. 1 für in einem EU/EWR-Mitgliedstaat 58 zugelassene Kreditinstitute und deren in anderen Mitgliedstaaten errichteten Zweigstellen; auf Drittstaateninstitute ist sie nach Art. 1 Abs. 2 nur anwendbar, wenn diese in mehr als einem Mitgliedstaat Zweigstellen haben. Der Rechtsakt tritt damit funktional an die Stelle der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO),127) die in Art. 1 Abs. 2 lit. b Kreditinstitute ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich ausschließt. In sachlicher Hinsicht erfasst die Richtlinie (heute)128) ohne Differenzierung nach der systematischen Einbettung in ___________ 124) Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.4.2001 – EG-Sanierungsrichtlinie, ABl. (EG) L 125/15 v. 18.5.2005; s. dazu allgemein eingehend Binder, Bankeninsolvenzen, S. 683 ff.; Maucher, Die Europäisierung des Internationalen Bankeninsolvenzrechts, S. 111 ff., 151 ff. und passim; Ruzik, Finanzmarktintegration, S. 725 ff., insb. S. 773 ff. 125) Durch das Gesetz zur Umsetzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen zur Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen und Kreditinstituten, v. 10.12.2003, BGBl. I 2003, 2478; Teile der Richtlinienvorgaben waren bereits mit dem Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts, v. 14.3.2003, BGBl. I 2003, 345, umgesetzt worden; vgl. dazu mit knappem Überblick Schwennicke/ Auerbach-Herweg/Willemer, KWG, Vor §§ 46d – f Rz. 1; näher Maucher, Die Europäisierung des Internationalen Bankeninsolvenzrechts, S. 276 ff.; Kokemoor, WM 2005, 1881 ff. 126) Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, S. 74 ff.; s. a. Stelkens/Bonk/Sachs-Stelkens, VwVfG, Europäisches VerwR Rz. 246. 127) Verordnung (EU) Nr. 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2015 – EuInsVO, ABl. (EU) L 141/19 v. 5.6.2015. 128) Zur Erweiterung des Anwendungsbereichs durch Art. 117 BRRD s. § 18 Rz. 134 [Binder].

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§ 17

Insolvenzbewältigung bei nicht systemrelevanten Banken

das Aufsichts- oder das Insolvenzrecht Maßnahmen zur Insolvenzbewältigung bei Kreditinstituten, wobei an zwei jeweils funktional definierte Tatbestände angeknüpft wird: x

Sanierungsmaßnahmen (Art. 2, 7. Spiegelstrich, Artt. 3 ff. EG-Sanierungsrichtlinie) sowie

x

Liquidationsverfahren (Art. 2, 9. Spiegelstrich, Artt. 9 ff. EG-Sanierungsrichtlinie).

59 Der Begriff der Sanierungsmaßnahmen wird in Art. 2 Spiegelstrich 7 EG-Sanierungsrichtlinie definiert als „Maßnahmen, mit denen die finanzielle Lage eines Kreditinstituts gesichert oder wiederhergestellt werden soll und die die bestehenden Rechte Dritter beeinträchtigen könnten, einschließlich der Maßnahmen, die eine Aussetzung der Zahlungen, eine Aussetzung der Vollstreckungsmaßnahmen oder eine Kürzung der Forderungen erlauben.“

60 Die Regelung setzt damit zunächst das Vorliegen einer finanziellen Krise des betreffenden Kreditinstituts voraus, indem auf das Ziel der Sicherung bzw. – besonders deutlich – der Wiederherstellung der „finanziellen Lage“ als Merkmal der Sanierungsmaßnahmen abgestellt wird. Entscheidend ist nach dem Wortlaut der jeweilige Verfahrenszweck. Für Maßnahmen, deren alleiniger Zweck die Zerschlagung des jeweiligen Instituts als aufsichtsrechtlich regulierter Rechtsträger ist, kann von vornherein nicht von einer Sicherung bzw. Wiederherstellung der finanziellen Lage gesprochen werden; hierin liegt die Abgrenzung zur Kategorie des „Liquidationsverfahrens“.129) Dieser Begriff ist in Art. 2 Spiegelstrich 9 der Richtlinie definiert als „[…] ein von einer Behörde oder einem Gericht eines Mitgliedstaats eröffnetes und unter deren bzw. dessen Aufsicht durchgeführtes Gesamtverfahren mit dem Ziel, die Vermögenswerte unter Aufsicht der genannten Behörde oder Gerichte zu verwerten; dazu zählen auch Verfahren, die durch einen Vergleich oder eine ähnliche Maßnahme abgeschlossen werden.“

61 Charakteristisch für das in der Richtlinie zugrunde gelegte Begriffsverständnis ist damit insbesondere die Eigenschaft als „Gesamtverfahren“, die das klassische Bild eines unter Beteiligung der Gläubiger stattfindenden kollektiven Verfahrens zur Verwertung der Vermögenswerte der insolventen Gesellschaft widerspiegelt. In deutlichem Unterschied zur Definition der „Sanierungsmaßnahme“ liegt der Akzent hier weniger auf dem Verfahrenszweck. Dies belegt der Hinweis auch auf „Vergleich[e] oder eine ähnliche Maßnahme“ als denkbare Verfahrensergebnisse, so dass auch solche Verfahren erfasst sind, die nicht ausschließlich auf eine unmittelbare Zerschlagung des betreffenden Instituts unter Auflösung aller seiner Geschäftsaktivitäten hinauslaufen. Entscheidend sind vor allem die mit dem Verfahren einhergehenden materiellen Konsequenzen für das Vermögen des insolvenzreifen Instituts und die damit verbundenen Auswirkungen für die Gläubiger. 62 Inhaltlich folgt die Richtlinie sowohl für die Zuständigkeitsregeln als auch für das jeweils anwendbare Sachrecht dem Universalitätsprinzip, das allerdings durch einige Sonderanknüpfungen modifiziert wird.130) Das für die Aufsichtszuständigkeit bei grenzüberschreitenden Sachverhalten geltende Herkunftslandprinzip (siehe dazu § 3 Rz. 84 ff. [Binder]) wird damit auch auf die Abwicklungsebene übertragen. Die ausschließliche Zuständigkeit für die Einleitung bzw. Anordnung von Sanierungsmaßnahmen (dazu Art. 3 Abs. 1 EG-Sanierungsrichtlinie) sowie von Liquidationsverfahren (dazu Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 EGSanierungsrichtlinie) liegt bei den Behörden bzw. Gerichten des jeweiligen Herkunftsmitgliedstaats; Sekundärverfahren sind nicht vorgesehen. Die Behörden der jeweiligen Auf___________ 129) Vgl. zur Abgrenzung auch EuGH, Urt. v. 24.10.2013 – Rs. C-85/12 (LBI hf vs. Kepler Capital Markets SA und Frédéric Giraux), Rz. 28, ZIP 2013, A 87 = NZI 2013, 1062; das Urteil erkennt zwar einen weiten Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung der nationalen Bankeninsolvenzrechte an, legt aber seinerseits klar erkennbar die Abgrenzung nach Verfahrenszwecken zugrunde. 130) Näher z. B. Binder, Bankeninsolvenzen, S. 685 ff.; Ruzik, Finanzmarktintegration, S. 785 ff.; s. a. Maucher, Die Europäisierung des Internationalen Bankeninsolvenzrechts, S. 151 ff.

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§ 17

IV. Fälle mit Auslandsberührung

nahmemitgliedstaaten haben insoweit lediglich Informationsrechte (Art. 4 bzw. Art. 9 Abs. 2 EG-Sanierungsrichtlinie). Für beide Regimes wird unmittelbare Wirkungserstreckung innerhalb der EU bzw. des EWR angeordnet; eines Anerkennungsverfahrens oder sonstiger förmlicher Anerkennungsvoraussetzungen bedarf es damit nicht (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 bzw. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 EG-Sanierungsrichtlinie). Das auf die Maßnahmen bzw. Verfahren anwendbare Recht ist ebenfalls das Recht des jeweiligen Herkunftsmitgliedstaats (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 bzw. Art. 10 EG-Sanierungsrichtlinie). Sonderanknüpfungen, die im Wesentlichen darauf abzielen, die Wirksamkeit von Rechts- 63 verhältnissen nach dem jeweils nach allgemeinen kollisionsrechtlichen Grundsätzen anwendbaren Sachrecht zu schützen,131) sind u. a. vorgesehen für Arbeitsverträge (Art. 20 lit. a EG-Sanierungsrichtlinie), dingliche Rechte Dritter (Art. 21 EG-Sanierungsrichtlinie), Eigentumsvorbehalte (Art. 22 EG-Sanierungsrichtlinie), die Aufrechnung (Art. 24 EG-Sanierungsrichtlinie), Registerrechte (Art. 24 EG-Sanierungsrichtlinie), Aufrechnungs- und Schuldumwandlungsvereinbarungen (Art. 25 EG-Sanierungsrichtlinie), Pensionsgeschäfte (Art. 26 EG-Sanierungsrichtlinie) sowie für Transaktionen i. R. „geregelter Märkte“ (Art. 27 EG-Sanierungsrichtlinie). Sowohl für Sanierungsmaßnahmen als auch für Liquidationsverfahren sind darüber hinaus Mindestanforderungen an die Unterrichtung der Gläubiger vorgesehen (Artt. 6 und 7 bzw. Artt. 13 ff. EG-Sanierungsrichtlinie). 3.

Deutsches Internationales Bankeninsolvenzrecht

Im deutschen Recht sind die durch die Richtlinie geregelten Zuständigkeitsgrundsätze 64 sowie die grenzüberschreitende Wirkungserstreckung in den §§ 46d-f KWG umgesetzt worden; die kollisionsrechtlichen Vorgaben dagegen in den allgemeinen Vorschriften der §§ 335 ff. InsO,132) auf die in § 46d Abs. 3 Satz 3 KWG für aufsichtsrechtliche „Sanierungsmaßnahmen“ verwiesen wird. Als Sanierungsmaßnahmen definiert sind insoweit insbesondere Maßnahmen nach § 46 KWG (§ 46d Abs. 3 Satz 1 KWG). Für diese Maßnahmen, die von der BaFin als zuständige Behörde im Hinblick auf im Inland zugelassene Kreditinstitute angeordnet werden, schreibt § 46d KWG die unionsrechtlich geforderten Benachrichtungspflichten gegenüber den Behörden der jeweiligen Mitgliedstaaten (§ 46d Abs. 1 KWG) sowie Bekanntmachungs- und Unterrichtungspflichten zum Schutz der Gläubiger (§ 46d Abs. 2 KWG) vor. § 46e Abs. 1 Satz 1 KWG regelt sodann die internationale Zuständigkeit, dies allerdings dem Wortlaut nach ausschließlich für „Insolvenzverfahren“; Satz 2 der Vorschrift legt die unmittelbare Wirkungserstreckung für im EU/ EWR-Ausland eingeleitete Insolvenzverfahren fest. § 46e Abs. 2 KWG schließt Sekundärinsolvenzverfahren ausdrücklich aus. Während Abs. 6 der Vorschrift die genannten Regelungen auch auf Abwicklungsmaßnahmen nach dem SAG für anwendbar erklärt), ist angesichts der lückenhaften Umsetzungslösung nicht vollständig klar, worauf die unionsrechtlich in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 EG-Sanierungsrichtlinie angeordnete unmittelbare Wirkungserstreckung für Sanierungsmaßnahmen i. S. des § 46d KWG gestützt werden muss. Jedenfalls unter teleologischen Gesichtspunkten spricht zwar für die Annahme, dass sich dies zumindest mittelbar aus den Zuständigkeitsregeln des § 46d KWG ergibt;133) eindeutig ist dies indessen nicht. Ebenso ließe sich an eine Analogie zu § 46e Abs. 1 Satz 2 InsO denken.

___________ 131) Dazu näher Binder, Bankeninsolvenzen, S. 687 ff.; Maucher, Die Europäisierung des Internationalen Bankeninsolvenzrechts, S. 213 ff., 233 ff.; Ruzik, Finanzmarktintegration, S. 791 ff. 132) Dazu besonders Maucher, Die Europäisierung des Internationalen Bankeninsolvenzrechts, S. 276 ff. 133) In diese Richtung LG Frankfurt/M., Urt. v. 7.5.2010 – 2-27 O 231/09, WM 2010, 1651, 1652.

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§ 18 Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Banken

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Übersicht I. 1. 2.

Überblick und Einordnung ....................... 1 Grundkonzeption und Regelungsziele ....... 1 Maßgebliche Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten............................................ 7 a) Rechtsgrundlagen und systematischer Zusammenhang ......................... 7 b) Zuständigkeitsverteilung in der Bankenunion.......................................... 9 3. Praktische Anwendungsperspektiven ....... 11 II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente ............................................... 16 1. Überblick .................................................... 16 2. Abwicklungsziele, Voraussetzungen und allgemeine Grundsätze ....................... 22 a) Überblick und systematischer Zusammenhang ................................... 22 b) Abwicklungsziele (Art. 14 SRMVO, vgl. § 67 SAG)............................. 24 c) Allgemeine Grundsätze für eine Abwicklung (Art. 15 SRM-VO, vgl. § 68 SAG) ..................................... 29 3. Abwicklungsvoraussetzungen (Art. 18 Abs. 1, 4 und 5 SRM-VO, vgl. §§ 62 – 64 SAG) .......................................... 36 a) Überblick............................................. 36 b) Ausfall bzw. wahrscheinlicher Ausfall, Bestandsgefährdung (Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 lit. a, Abs. 4 SRM-VO, vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 63 SAG) .......... 38 aa) Grundlagen ................................... 38 bb) Einzelheiten.................................. 40 c) Erforderlichkeit im Vergleich mit der insolvenzförmigen Liquidation (Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. c, Abs. 5 SRM-VO, vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SAG) ............................... 46 d) Verhältnismäßigkeit im Vergleich mit Maßnahmen geringerer Eingriffsintensität (Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b, vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SAG) ............................... 50 e) Besonderheiten in Gruppenlagen (Art. 16 SRM-VO, § 64 SAG) ........... 52 4. Abwicklungsbefugnisse und Abwicklungsinstrumente........................................ 53 a) Abwicklungsbefugnisse ...................... 53 aa) Systematik .................................... 53 bb) Einzelheiten.................................. 55

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b) Übertragung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten auf einen privaten Erwerber bzw. ein Brückeninstitut (Artt. 22 Abs. 2 lit. a und b, 24 und 25 SRM-VO, vgl. §§ 107 ff. SAG) ................................... 59 aa) Systematik und wesentliche Bestimmungen.............................. 59 bb) Gestaltungsmöglichkeiten ........... 65 cc) Leistungsgrenzen ......................... 68 c) „Ausgliederung“ von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten auf eine Vermögensverwertungsgesellschaft (Artt. 22 Abs. 2 lit. c, 26 SRM-VO, §§ 107 ff., 132 ff. SAG) .... 71 d) Finanzielle Beteiligung von Anteilseignern und Gläubigern (Artt. 17, 21, 22 Abs. 1 lit. d und 27 SRM-VO, §§ 89 ff. SAG) ..................................... 74 aa) Grundlagen ................................... 74 (1) Grundkonzept und Regelungsziele ............................................... 74 (2) Systematische Einbettung ........... 78 (a) Unionsrechtliche Vorgaben ........ 78 (b) Deutsche Umsetzung .................. 82 bb) Verlusttragung entsprechend allgemeinem Insolvenzrecht – Einzelheiten.................................. 83 (1) Anwendungsszenarien und -probleme ..................................... 83 (2) Einbezogene Rechtspositionen ... 86 (a) Grundlagen .................................. 86 (b) Gesetzlich ausgenommene Verbindlichkeiten (Art. 27 Abs. 3 SRM-VO, § 91 Abs. 2 SAG) ....... 88 (c) Ausnahmen im Ermessen der Abwicklungsbehörde (Art. 27 Abs. 5 SRM-VO, § 92 SAG) ....... 91 (d) Sonderfall: Verbindlichkeiten aus Derivatepositionen ................ 99 (3) Mindestanforderungen an Eigenmittel und bail-in-fähige Verbindlichkeiten, TLAC (Artt. 12 – 12k SRM-VO, §§ 49 ff. SAG) .......... 100 (4) Die „Haftungskaskade“ ............. 103 cc) Verfahren, einschließlich Bewertungsfragen........................... 106 (1) Feststellung des Vorliegens der Abwicklungsvoraussetzungen, weitere Anforderungen.............. 106

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5.

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(2) Festlegung des Umwandlungssatzes........................................... 107 (3) Bewertung vor und im Zusammenhang mit der Verfahrenseinleitung .................................... 108 (4) Umsetzung des Bail-in, Rechtswirkungen................................... 113 dd) Leistungsgrenzen ....................... 116 Allgemeine verfahrensrechtliche Vorgaben, Rechtsschutz, Rechtsposition der Gläubiger in der Abwicklung ................................................... 119 a) Allgemeine Regeln ............................ 119

b) Rechtsposition der Gläubiger und Inhaber relevanter Kapitalinstrumente ................................................. 121 III. Sonderprobleme bei grenzüberschreitenden Gruppen ........................... 126 1. Problemaufriss ......................................... 126 2. Rechtsträgerbezogene vs. gruppendimensionale Abwicklungsstrategien......... 129 3. Zentralisierung und Dezentralisierung bei der grenzüberschreitenden Gruppenabwicklung ......................................... 134 a) EU-Sachverhalte .............................. 134 b) Drittstaatensachverhalte................... 137

Literatur: Adolff/Eschwey, Lastenverteilung bei der Finanzmarktstabilisierung, ZHR 177 (2013), 902; Adolff/Häller, Bail-in im Lichte des EU-Bankenpakets: Das Zusammenspiel von MREL, TLAC und TLOF, ZBB 2019, 369; Amend, Das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz oder der Bedeutungsverlust des Insolvenzrechts, ZIP 2009, 589; Avgouleas/Goodhart, Critical Reflections on Bank Bail-ins, J.Fin.Reg. 1 (2015), 3; Babis, European Bank Recovery and Resolution Directive: Recovery Proceedings for Cross-Border Banking Groups, EBLR 25 (2014), 459; Bachmann, Das neue Restrukturierungsrecht der Kreditinstitute, ZBB 2010, 459; Bauer/Hildner, Die Sanierung, Abwicklung und Insolvenz von Banken – Ein vollendeter Dreiklang?, DZWiR 2015, 251; Bauer/Werner, TLAC – Neue Herausforderungen für die Kapitalstruktur?, WM 2015, 1135; Benzler/Hissnauer, Derivatives and Bail-in Under the EU Bank Recovery and Resolution Directive, in: Binder/Singh, Bank Resolution – The European Regime, 2016, S. 77; Binder, The Relevance of the Resolution Tools Within the Single Resolution Mechanism, in: Chiti/Santoro, The Palgrave Handbook of European Banking Union Law, 2019, S. 299; Binder, Die Rechtsstellung der Gläubiger nach der BRRD und der SRM-VO, in: Nichts ist beständiger als der Wandel, Festschrift für Klaus Pannen, 2017, S. 21; Binder, Systemkrisenbewältigung durch Bankenabwicklung? Aktuelle Bemerkungen zu unrealistischen Erwartungen, ZBB 2017, 57; Binder, Cross-border coordination of bank resolution in the EU: All problems resolved?, ECFR 2016, 575; Binder, Durchsetzung von Marktdisziplin mittels zwangsweiser Übertragung systemrelevanter Teile von Banken?, in: ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft 64 (2013), 377; Binder, An den Leistungsgrenzen des Insolvenzrechts: Systemische Bankeninsolvenz und verfahrensförmige Sanierung, KTS 2013, 277; Binder, Ausgestaltung und Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Restrukturierung, ZBB 2012, 417; Binder, Bankensanierung: Perspektiven für die anreizkompatible Restrukturierung systemrelevanter Kreditinstitute, in: Allmendinger/u. a., Corporate Governance nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, 2011, S. 239; Binder, Institutionalisierte Krisenbewältigung bei Kreditinstituten, ZBB 2009, 19; Binder, Bankenintervention und Bankenabwicklung in Deutschland: Reformnotwendigkeiten und Grundzüge eines verbesserten Rechtsrahmens, Arbeitspapier Nr. 05/2009 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung; Bliesener, Legal Problems of Bail-ins Under the EU’s Proposed Recovery and Resolution Directive, in: Dombret/Kenadjian, The Bank Recovery and Resolution Directive, 2013, S. 189; Bliesener, Interventionsmechanismen nach dem deutschen Restrukturierungsgesetz, in: Kenadjian, Too Big to Fail – Brauchen wir ein Sonderinsolvenzrecht für Banken?, 2012, S. 129; Böckli, P./Böckli, M., „Bail-in”: Bankenrettung durch Gläubigeropfer, in: Law & Economics, Festschrift für Peter Nobel, 2015, S. 321; de Bandt/Hartmann/Peydró, Systemic Risk in Banking: An Update, in: Berger/Molyneux/ Wilson, Oxford Handbook of Banking, S. 633; Centre for Economic Policy Research (CEPR), A Safer World Financial System: Improving the Resolution of Systemic Institutions, Geneva Reports on the World Economy No. 12, 2012; Dijkman, A Framework for Assessing Systemic Risk, World Bank Policy Research Working Paper 5282/2010; Eidenmüller, Restrukturierung systemrelevanter Kreditinstitute, in: Unternehmen – Staat – Verantwortung, Festschrift für Klaus J. Hopt, 2010, S. 1710; Engelbach/Friedrich, Die Umsetzung der BRRD in Deutschland, WM 2015, 662; Fellner, Erfahrungen aus der Anwendung des Bail-in in Österreich, in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, 2016, Teil B Kap. XI; Fest, Abwicklung der Hypo Alpe-Adria-Bank: Keine Anerkennung der Maßnahmen außerhalb des Herkunftsstaates auf Grundlage der Sanierungs-RL und der BRRD, NZG 2015, 1108; Fleming/Sarkar, The Failure Resolution of Lehman Brothers, in: Federal Reserve Bank of New York (FRBNY), Economic Policy Review 12/2014, Vol. 20 No. 2, Special Issue: Large and Complex Banks, S. 175; Flessner, Das Insolvenzrecht für Banken, ÖBA 2010, 655; Friedrich/ Skorobogatov, Vorschläge der EU-Kommission zur Harmonisierung der Bail-in-Haftungskaskade sowie der MREL- und TLAC-Anforderungen, WM 2017, 840; Frind, Restrukturierungsgesetz-Entwurf: Weniger wäre manchmal mehr, ZInsO 2010, 1921; Geier/Schmitt, Ablauf der Krise eines Kreditinstituts unter Berücksichtigung des Restrukturierungs- und Zweiten Finanzmarktstabilisierungsgesetzes sowie der Entwürfe des CRD IV-Umsetzungsgesetzes und der Crisis Management Directive (CMD),

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BKR Sonderheft 2012, 1; Gleeson, The Importance of Group Resolution, in: Dombret/Kenadjian, The Bank Recovery and Resolution Directive, 2013, S. 25; Gordon/Ringe, Bank Resolution in the European Banking Union: A Transatlantic Perspective on What it Would Take, ColumLRev 115 (2015), 1297; Günther, Systemrelevanz von Finanzinstituten, WM 2010, 825; Hadjiemmanuil, Special Resolution Regimes for Banking Institutions: Objectives and Limitations, in: Ringe/Huber, Legal Challenges in the Global Financial Crisis: Bail-outs, the Euro and Regulation, 2014, S. 209; Hadjiemmanuil, Bank Resolution Policy and the Organization of Bank Insolvency Proceedings: Critical Dilemmas, in: Mayes/Liuksila, Who Pays for Bank Insolvency?, 2004, S. 272; Hebertinger/Hoppenburg/Schuck, Bewertung und Prüfung im Rahmen der Abwicklung, in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, 2016, Teil B Kap. VIII; Hellwig, The Problem of Bank Resolution Remains Unsolved: A Critique of the German Bank Restructuring Law, in: Kenadjian, Too Big To Fail – Brauchen wir ein Sonderinsolvenzrecht für Banken?, 2012, S. 35; Höche, Reorganisation systemrelevanter Banken, in: Unternehmen – Staat – Verantwortung, Festschrift für Klaus J. Hopt, 2010, S. 2001; Hübner/Leunert, Sanierung und Abwicklung von Banken nach SAG und SRM-VO, ZIP 2015, 2259; Huertas, Too big to fail: A policy’s beginning, middle and end (?), in: Haentjens/Wessels, Research Handbook on Crisis Management in the Banking Sector, 2015, S. 3; Huertas, Resolution Requires Reform, in: Kenadjian, Too Big to Fail – Brauchen wir ein Sonderinsolvenzrecht für Banken, 2012, S. 63; Hüpkes, Adequate Loss-absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution, in: ECB, Legal Conference 2015, 2016, S. 199; Hüpkes, The Legal Aspect of Bank Insolvency, 2000; IMF and the World Bank, An Overview of the Legal, Institutional, and Regulatory Framework for Bank Insolvency, final report, 2009; Joosen, Regulatory Capital Requirements and Bail in Mechanisms, in: Haentjens/Wessels, Research Handbook on Crisis Management in the Banking Sector, 2015, S. 175; Karmel, An Orderly Resolution Authority is Not the Solution to Too-Big-to-Fail, Brook. J. Corp. Fin. & Com. 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XII; Sjöberg, Banking Special Resolution Regimes as a Governance Tool, in: Ringe/ Huber, Legal Challenges in the Global Financial Crisis: Bail-outs, the Euro and Regulation, 2014, S. 187; Steck/Petrowsky, Neue Voraussetzungen für die Abwicklung von Banken, DB 2015, 1391; Thole, Bankenabwicklung nach dem SAG, ZBB 2016, 57; Tröger, Zu kompliziert, um zu funktionieren – Eine kritische Bewertung des Bail-in-Instruments im europäischen Recht der Bankenabwicklung, ZBB 2018, 20; Tröger, Verbesserungen des Bail-in-Instruments – Beobachtungen aus der europäischen Perspektive, in: Festschrift für Helmut Siekmann, 2019, S. 313; Wojcik, Bail-in in the Banking Union, CMLR 53 (2016), 91; Wojcik/Ceyssens, Der einheitliche EU-Bankenabwicklungsmechanismus: Vollendung der Bankenunion, Schutz des Steuerzahlers, EuZW 2014, 893; Wolfers/Rau, Finanzmarktstabilisierung, 3. Akt: „Bad Banks” zur Entlastung der Bilanzen, NJW 2009, 2401; Wolfers/ Voland, Der Weg aus der Krise? Ein Überblick über das Restrukturierungsgesetz, WM 2011, 1159; Zavvos/Kaltsouni, The Single Resolution Mechanism in the European Banking Union: Legal foundation, governance structure and financing, in: Haentjens/Wessels, Research Handbook on Crisis Management in the Banking Sector, 2015, S. 117; Zimmer/Fuchs, Die Bank in Krise und Insolvenz: Ansätze zur Minderung des systemischen Risikos, ZGR 2010, 597. Verlautbarungen des Financial Stability Board (FSB): FSB, Principles on Loss-Absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution, Total Loss-absorbing Capacity (TLAC) Term Sheet, v. 9.11.2015, http://www.fsb.org/wp-content/uploads/TLAC-Principles-and-Term-Sheet-for-publication-final.pdf; FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 10/2014, www.financialstabilityboard.org/wp-content/uploads/r_141015.pdf (vorgehend v. 10/2011,

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www.financialstabilityboard.org/publications/r_111104cc.pdf); FSB, Recovery and Resolution Planning for Systemically Important Financial Institutions: Guidance on Developing Effective Resolution Strategies, v. 16.7.2013, http://www.fsb.org/wp-content/uploads/r_130716a.pdf; FSB, Reducing the Moral Hazard Posed by Systemically Important Financial Institutions, v. 20.10.2010, http:// www.fsb.org/wp-content/uploads/r_101111a.pdf?page_moved=1; (Abrufdatum jew. 7.5.2020). Verlautbarungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht/Basel Committee on Banking Supervision (BCBS): BCBS, Guidelines for identifying and dealing with weak banks, v. 7/2015, https:// www.bis.org/bcbs/publ/d330.pdf; BCBS, Global Systemically Important Banks: Updated Assessment Methodology and the Higher Loss Absorbency Requirement, v. 7/2013, https://www.bis.org/ publ/bcbs255.htm; BCBS, Report and Recommendations of the Cross-border Bank Resolution Group, v. 3/2010, www.bis.org/publ/bcbs169.pdf; BCBS, Supervisory Guidance on Dealing with Weak Banks, v. 3/2002, https://www.bis.org/publ/bcbs88.htm; (Abrufdatum jew. 7.5.2020). Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/ 878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2017/2399 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2017 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU im Hinblick auf den Rang unbesicherter Schuldtitel in der Insolvenzrangfolge, ABl. (EU) L 345/96 v. 27.12.2017; EP/Rat, Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über Einlagensicherungssysteme (Neufassung) – Deposit Guarantee Scheme Directive (DGSD), ABl. (EU) L 173/149 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 3.3.1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger – Anlegerentschädigungsrichtlinie (AnlERL), ABl. (EU) L 84/22 v. 26.3.1997. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 806/ 2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen i. R. eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014. Verordnungen und Verlautbarungen der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2018/345 der Kommission v. 14.11.2017 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung der Kriterien im Zusammenhang mit der Methode zur Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von Instituten oder Unternehmen, ABl. (EU) L 67/8 v. 9.3.2018; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2017/867 der Kommission v. 7.2.2017 über die bei partiellen Vermögensübertragungen nach Art. 76 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zu schützenden Kategorien von Vereinbarungen, ABl. (EU) L 131/15 v. 20.5.2017; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2016/1450 der Kommission v. 23.5.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung der Kriterien im Zusammenhang mit der Methode zur Festlegung der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, ABl. (EU) L 237/1 v. 3.9.2016; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2016/1401 der Kommission v. 23.5.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung

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eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für Methoden und Grundsätze der Bewertung von aus Derivaten entstandenen Verbindlichkeiten, ABl. (EU) L 228/7 v. 23.8.2016; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2016/1400 der Kommission v. 10.5.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung der Mindestbestandteile eines Reorganisationsplans und des Mindestinhalts der Berichte über die Fortschritte bei der Durchführung eines Reorganisationsplans, ABl. (EU) L 228/1 v. 23.8.2016; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2016/1075 der Kommission v. 23.3.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards, in denen der Inhalt von Sanierungsplänen, Abwicklungsplänen und Gruppenabwicklungsplänen, die Mindestkriterien, anhand deren die zuständige Behörde Sanierungs- und Gruppensanierungspläne zu bewerten hat, die Voraussetzungen für gruppeninterne finanzielle Unterstützung, die Anforderungen an die Unabhängigkeit der Bewerter, die vertragliche Anerkennung von Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnissen, die Verfahren und Inhalte von Mitteilungen und Aussetzungsbekanntmachungen und die konkrete Arbeitsweise der Abwicklungskollegien festgelegt wird, ABl. (EU) L 184/1 v. 8.7.2016; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2016/860 der Kommission v. 4.2.2016 zur Präzisierung der Umstände, unter denen ein Ausschluss aus dem Anwendungsbereich der Herabschreibungs- oder Umwandlungsbefugnisse gemäß Art. 44 Abs. 3 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen erforderlich ist, ABl. (EU) L 144/11 v. 1.6.2016. Verlautbarungen der European Banking Authority (EBA): EBA, Final Guidelines on the rate of conversion of debt to equity in bail-in, v. 5.4.2017 (EBA/GL/2017/03), https://eba.europa.eu/sites/default/ documents/files/documents/10180/1807514/c9f9a3e2-37d0-4643-a1ad-8503d827a3bd/Guidelines% 20on%20the%20rate%20of%20conversion%20of%20debt%20to%20equity%20in%20bail-in%20 (EBA-GL-2017-03).pdf; EBA, Leitlinien zu den Mindestkriterien für einen Reorganisationsplan, v. 19.5.2016 (EBA/GL/2015/21), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/1468967/EBA-GL2015-21+GLs+on+Business+Reorganisation+Plans_DE.pdf/dc49878e-7db0-4b34-9c41-fb5543cd 26c4; EBA, Leitlinien zur Festlegung, wann eine Liquidation der Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten i. R. eines regulären Insolvenzverfahrens negative Auswirkungen auf einen oder mehrere Finanzmärkte gemäß Art. 42 Absatz 14 der Richtlinie 2014/59/EU haben könnte, v. 7.8.2015 (EBA/ GL/2015/05), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/1156565/EBA-GL-2015-05_DE_GL+ on+asset+separation+tool.pdf/f7be7f08-bc5e-4f45-ae22-c2ef9ca314c4; EBA, Leitlinien zu den konkreten Umständen, die zu einer wesentlichen Bedrohung der Finanzstabilität führen, sowie zu den Aspekten hinsichtlich der Effektivität des Instruments der Unternehmensveräußerung nach Art. 39 Absatz 4 der Richtlinie 2014/59/EU, v. 7.8.2015 (EBA/GL/2015/04), https://www.eba.europa.eu/ documents/10180/1156647/EBA-GL-2015-04_DE_GL+sale+of+business+tool.pdf/cf7af1f9-c3de46c1-9d26-f1984bb05a85; EBA, Leitlinien zur Interpretation der Umstände, unter denen ein Institut gemäß Art. 32 Abs. 6 der Richtlinie 2014/59/EU als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist, v. 6.8.2015 (EBA/GL/2015/07), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/1156219/ EBA-GL-2015-07_DE_GL+on+failing+or+likely+to+fail.pdf/7e430d63-8d83-470b-a15f-33e4d43 7dd3f; EBA, Consultation Paper, Draft Regulatory Technical Standards on criteria for determining the minimum requirement for own funds and eligible liabilities under Directive 2014/59/EU, v. 28.11.2014 (EBA/CP/2014/41), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/911034/EBA+CP+2014+41+ %28CP+on+draft+RTS+on+MREL%29.pdf; EBA, Consultation Paper, Draft Guidelines concerning the interrelationship between the BRRD sequence of writedown and conversion and CRR/ CRD IV, v. 1.10.2014 (EBA/CP/2014/29), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/833064/ EBA-CP-2014-29+%28CP+on+GL+on+Interrelationship+BRRD+and+CRR-CRD%29.pdf; (Abrufdatum jew. 7.5.2020). Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): BaFin, Merkblatt zur externen Bail-in-Implementierung, v. 9/2019, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/ DE/Merkblatt/A/dl_merkblatt_externe_Bail_in_Implementierung.html (Abrufdatum: 7.5.2020). Weitere Verlautbarungen: SRB, Framework for Valuation, v. 2/2019, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/ files/framework_for_valuation_feb_2019_web_0.pdf; SRB, The Single Resolution Board adopts resolution decision for Banco Popular, Pressemitteilung v. 7.6.2017, https://srb.europa.eu/en/node/315; FSMA/BaFin/BBK, Gemeinsame Auslegungshilfe zur insolvenzrechtlichen Behandlung bestimmter Verbindlichkeiten von CRR-Instituten nach § 46f Abs. 5 – 7 KWG n. F., v. 16.6.2016, https:// www.fmsa.de/export/sites/standard/downloads/20161101_Auslegungshilfe_46fKWG_final.pdf; US Federal Deposit Insurance Corporation/Bank of England, Resolving Globally Active, Systemically Important Financial Institutions, Joint Paper, v. 10.12.2012, https://www.fdic.gov/about/srac/2012/ gsifi.pdf; High-level Expert Group on Bank Structural Reform (Hochrangige Expertengruppe), Final Report – Liikanen-Bericht, v. 2.10.2012, https://web.archive.org/web/20121003231405/http:// ec.europa.eu/internal_market/bank/docs/high-level_expert_group/report_en.pdf (Abrufdatum jew. 7.5.2020).

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§ 18

Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Banken

I.

Überblick und Einordnung1)

1.

Grundkonzeption und Regelungsziele

1 Mit dem Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen, dem Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG)2), hat der deutsche Gesetzgeber den erst mit dem Restrukturierungsgesetz von 20103) geschaffenen, noch gar nicht zur Anwendung gelangten Rechtsrahmen für die Abwicklung systemrelevanter Banken abgelöst (siehe dazu bereits § 17 Rz. 6 [Binder]). Das Gesetz wurde als Art. 1 des deutschen Gesetzes zur Umsetzung der EU-Bankenabwicklungsrichtlinie von 2014 (BRRD)4) erlassen.5) Es ist nicht nur die Grundlage für autonom in Deutschland eingeleitete Maßnahmen zur Abwicklung systemrelevanter insolvenzbedrohter Kreditinstitute, sondern zugleich eingebunden in den Rechtsrahmen für die Abwicklung in der Bankenunion. Für diese legt die SRM-Verordnung6) (SRM-VO) die institutionellen Grundlagen und regelt dabei insbesondere die Zuständigkeit des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (Single Resolution Board, SRB), sieht aber auch ein Instrumentarium an Eingriffskompetenzen vor, das der BRRD nachempfunden ist und teilweise auf diese verweist. Bei Konkurrenzen zwischen dem nationalen Umsetzungsrecht zur BRRD einerseits und der SRM-VO andererseits wird ersteres durch die Vorschriften der SRM-VO verdrängt; Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 4 SRM-VO regelt dies ausdrücklich. Soweit die SRM-VO Regelungen der BRRD aufnimmt und wiederholt, tritt daher das nationale Umsetzungsrecht – und treten mithin die Bestimmungen des SAG – zurück. Von praktischer Bedeutung ist das SAG daher vor allem im Hinblick auf die Durchführungskompetenzen der BaFin als nationaler Abwicklungsbehörde (siehe dazu noch Rz. 10). 2 Der sachliche Anwendungsbereich des Abwicklungsrechts – faktisch: Abwicklungsmaßnahmen für „systemrelevante“ Institute – ist dabei weder im SAG in der maßgeblichen Rechtsgrundlage des nationalen Rechts noch in der SRM-VO unter Rückgriff auf einen so bezeichneten, klar definierten Tatbestand vorgegeben. Sowohl das SAG (vgl. § 1 SAG) als auch die unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. auch Art. 1 Abs. 1 BRRD) sind vielmehr ausdrücklich ohne Differenzierung nach Größenordnung, Komplexität oder Grad der Vernetzung mit Gegenparteien oder Finanzmarktinfrastruktur auf Kreditinstitute (und weitere Intermediäre) aller Art bezogen. Die sachliche Beschränkung des neuen Abwicklungsrechts auf Fälle insolvenzbedrohter Institute ergibt sich jedoch aus einer Zusammenschau einer Reihe einzelner Tatbestandsvoraussetzungen (siehe dazu unten Rz. 36 ff.). 3 Als solcher hat der Begriff der „Systemrelevanz“ in diesem Sinne allerdings keine Verwendung in der Definition des Anwendungsbereichs und der Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung des Abwicklungsinstrumentariums gefunden, auch wenn er sich ___________ 1)

2) 3)

4) 5) 6)

950

Das vorliegende Kapitel geht im Kern zurück auf Binder, Komplexitätsbewältigung durch Verwaltungsverfahren, ZHR 179 (2015), 83, wurde aber grundlegend überarbeitet, erheblich erweitert und aktualisiert. Der vorgenannte Beitrag wird gleichwohl im Folgenden nicht mehr gesondert nachgewiesen. Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen – Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG), v. 10.12.2014, BGBl. I 2014, 2091. Gesetz zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist für die aktienrechtliche Organhaftung – Restrukturierungsgesetz, v. 9.12.2010, BGBl. I 2010, 1900. Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – BRRD-Umsetzungsgesetz, v. 10.12.2014, BGBl. I 2014, 2091. Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014.

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§ 18

I. Überblick und Einordnung

inzwischen in internationalen Standards für die Systematisierung besonders regulierungsbedürftiger Banken und Bankengruppen etabliert hat.7) Ungeachtet aller Schwierigkeiten, die damit angesprochene Problemgruppe tatbestandlich 4 – insbesondere quantitativ – präziser zu definieren, zeigen naturgemäß gerade Insolvenzszenarien, worum es inhaltlich geht: um Institute, die aufgrund ihrer Größe, ihrer Komplexität und/oder ihrer Vernetzung mit Gegenparteien, der Finanzmarktinfrastruktur sowie der Realwirtschaft für eine Insolvenzbewältigung durch die tradierte Kombination aus aufsichtsrechtlichem Moratorium und nachfolgender insolvenzförmiger Liquidation (siehe hierzu § 17 [Binder]) nicht geeignet sind.8) Ein wesentlicher Grund dafür ist die mit der Verfahrenseinleitung typischerweise verbundene Zäsurwirkung für die Austauschbeziehungen mit Kunden, professionellen Marktteilnehmern und Anbietern der Marktinfrastruktur (insbesondere Börsen, Zahlungs-, Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme), die im allgemeinen Insolvenzrecht ebenso eintritt wie bei besonderen aufsichtsrechtlichen Eingriffskompetenzen in Anlehnung an Instrumente des allgemeinen Insolvenzrechts.9) Auch der Zeitaufwand für verfahrensförmige Liquidations- und Sanierungsmaßnahmen macht tradierte Kollektivverfahren für die Bewältigung der besonderen Probleme der Bankeninsolvenz ungeeignet. Zugespitzt lässt sich die Bewältigung der Insolvenz großer, international aktiver Banken und Bankengruppen in mehrfacher Hinsicht als Komplexitätsproblem charakterisieren: als Problem der systemschonenden Auflösung bzw. Umgestaltung komplexer Rechtsbeziehungen zwischen – in rechtlicher, organisatorischer und geographischer Hinsicht – hochkomplexen Unternehmen und Dritten in volatilen Märkten. Dieses Komplexitätsproblem hat seine Ursachen zunächst in unternehmensendogenen 5 Faktoren, z. B. organisatorischen und finanziellen Interdependenzen zwischen Gruppenunternehmen oder komplexen rechtlichen Strukturen der Unternehmensgruppe (oft zusammengefasst unter dem Schlagwort „too-complex-to-fail“). Hinzu kommt die durch die Zusammensetzung und das Volumen der wirtschaftlichen Austauschbeziehungen zu Kunden und Marktteilnehmern – einschließlich der Investoren in die von der jeweiligen Bank emittierten Eigen- und Fremdfinanzierungsinstrumente – induzierte Komplexität („too-big-to-fail“ und „too-interconnected-to-fail“).10) Um Verwerfungen in den Märkten zu vermeiden, die in der Krise allenthalben zu beobachten waren, bedarf es bei Insolvenznähe einer Bank schneller, effektiver Lösungen, die aufgrund der skizzierten Komplexitätsprobleme auf größte Schwierigkeiten stoßen.11) Diese werden dadurch verschärft, ___________ 7) Dazu z. B. FSB, Reducing the Moral Hazard Posed by Systemically Important Financial Institutions, v. 20.10.2010; BCBS, Global Systemically Important Banks, v. 7/2013; Dijkman, World Bank Policy Research Working Paper 5282/2010; im Überblick de Bandt/Hartmann/Peydró in: Berger/Molyneux/ Wilson, Oxford Handbook of Banking, S. 633 ff.; aus juristischer Sicht Schwarcz, GLJ 97 (2008) 193 ff.; für das deutsche Recht Günther, WM 2010, 825 ff.; Mülbert in: FS Schneider, S. 855 ff.; s. a. Zimmer/ Fuchs, ZGR 2010, 597, 600 ff. 8) Vgl. etwa ErwG 1, 2 und 4 BRRD; Begr. RegE BRRD-Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 357/14, S. 1, 183. 9) Vgl. dazu stellvertretend Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902 ff., zusammenfassend 973 f.; Binder, KTS 2013, 277, 292 ff. m. w. N.; s. a. bereits Binder, Bankeninsolvenzen, S. 717 ff.; Binder, Bankenintervention und Bankenabwicklung, passim; abweichend, aber ohne hinreichende Auseinandersetzung mit den bankspezifischen Besonderheiten dagegen exemplarisch Amend, ZIP 2009, 589 ff., insb. 595 ff.; Flessner, ÖBA 2010, 655 ff.; Frind, ZInsO 2010, 1921 ff. 10) Eingehend zum Ganzen stellvertretend Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 910 ff.; Binder, KTS 2013, 277, 298 ff.; Binder, ORDO 64 (2013), 377, 383 ff.; Schillig, EBLR 24 (2013), 751 753, 754 ff., jeweils m. w. N.; s. a. Bauer/Hildner, DZWiR 2015, 25 ff. 11) Zum „Anforderungsprofil“ insoweit schon Binder in: Allmendinger/u. a., Corporate Governance nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, S. 247 ff.; Binder, KTS 2013, 277, 292 ff.; Sjöberg in: Ringe/Huber, Legal Challenges in the Global Financial Crisis: Bail-outs, the Euro and Regulation, S. 187 ff.; dazu Hadjiemmanuil in: Ringe/Huber, Legal Challenges in the Global Financial Crisis: Bail-outs, the Euro and Regulation, S. 209, 220 ff.

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§ 18

Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Banken

dass die betreffenden Maßnahmen ihrerseits in einem Geflecht konfligierender internationaler Zuständigkeiten und der damit korrespondierenden wirtschaftlichen Sonderinteressen implementiert werden müssen12) – den Komplexitätsproblemen im Hinblick auf Größe und Vernetzung der Banken stehen somit auf der Ebene der aufsichtlichen und/ oder gerichtlichen Bewältigung weitere, unternehmensexogene Komplexitätsprobleme gegenüber. In Deutschland sind diese Probleme nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Einführung der an die insolvenzrechtliche Eigenverwaltung bzw. das Insolvenzplanverfahren angelehnten Verfahren nach §§ 2 ff. bzw. §§ 7 ff. des Kreditinstitute-Reorganisationsgesetzes (KredReorgG)13) diskutiert worden.14) 6 Auch das neue Abwicklungsrecht zielt darauf ab, diese Zäsurwirkung und damit die mit der Einleitung tradierter Insolvenzverfahren verbundenen Ansteckungsrisiken für Gegenparteien, Finanzmarktinfrastruktur und Realwirtschaft zu vermeiden. Zugleich soll – durch Vermeidung außerordentlicher staatlicher Rettungsbeihilfen – die insolvenzrechtsspezifische Anreizstruktur für Bankeigentümer, Geschäftsleiter und Gläubiger erhalten bleiben, die maßgeblich durch die im Falle des wirtschaftlichen Scheiterns drohenden Verlustrisiken geprägt wird.15) Das neue europäische Bankenabwicklungsrecht geht mit alledem zurück auf Vorarbeiten internationaler Standardsetzer,16) die in Reaktion auf die globale Finanzkrise aufgenommen wurden.17) 2.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten

a)

Rechtsgrundlagen und systematischer Zusammenhang

7 Die für die Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Instituten maßgeblichen Eingriffskompetenzen finden sich zuvörderst in Teil II Titel I Kapitel 3 (Artt. 14 – 29) SRM-VO, ergänzend in Teil 4 des SAG („Abwicklung“). Die jeweiligen Zuständigkeiten ergeben sich einerseits aus §§ 1 und 3 SAG, andererseits aus Artt. 1, 4, 5 und 7 SRM-VO (siehe dazu sogleich Rz. 9 f.). Das damit in institutioneller, verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Hinsicht festgelegte Abwicklungsregime bildet allerdings nur einen Teilausschnitt aus dem Gesamtspektrum an Regelungen, die – überwiegend ebenfalls nach der globalen Finanzkrise neu eingeführt – die Insolvenzbewältigung bei Kreditinstituten ermöglichen bzw. erleichtern sollen. Eine Abgrenzung ist insoweit zunächst zu den tradierten aufsichtsrechtlichen Eingriffskompetenzen, insbesondere zu den Einzelmaßnahmen i. R. des sog. aufsichtsrechtlichen Moratoriums nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 – 6 KWG (siehe § 17 Rz. 12 ___________ 12) S. allgemein etwa die Fallstudien in BCBS, Report and Recommendations of the Cross-border Bank Resolution Group, v. 3/2010, Rz. 33 (Fortis), Rz. 33 (Dexia), Rz. 48 (Kaupthing), Rz. 53 (Lehman Brothers); allgemein zu den Problemen der grenzüberschreitenden Bewältigung insolventer Bankengruppen auch Babis, 25 (2014), 459 ff.; speziell zu den kollisionsrechtlichen Aspekten nach geltendem Recht Lehmann/ Hoffmann, WM 2013, 1389 ff. 13) Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten – Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz (KredReorgG), v. 9.12.2010, BGBl. I 2010, 1900. 14) Skeptisch etwa Binder in: Allmendinger/u. a., Corporate Governance nach der Wirtschafts- und Finanzkrise, S. 239, 253 f.; Binder, ZBB 2012, 417, 422 f.; Eidenmüller in: FS Hopt, S. 1713, 1724 ff.; Hellwig in: Kenadjian, Too Big To Fail, S. 35, 44 f.; Wolfers/Voland, WM 2011, 1159, 1168. 15) Exemplarisch ErwG 5 BRRD; vgl. auch Begr. RegE BRRD-Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 357/14, S. 1. 16) Dazu Binder, ZBB 2012, 417, 419 f.; Höche in: FS Hopt, S. 2001, 2006 ff.; eingehend Sester, ECFR 2010, 512 ff. Vgl. insb. BCBS, Report and Recommendations of the Cross-border Bank Resolution Group, v. 3/2010; FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 10/2011, sowie die aktualisierte Version unter Einbeziehung der Insolvenzbewältigung bei Nichtbanken-Finanzintermediären von 2014. 17) Zum Hintergrund etwa Fleming/Sarkar in: FRBNY, Economic Policy Review 12/2014, S. 175 ff.; Lubben/ Woo, Tex. Int’l LJ 49 (2014), 297. S. a. BCBS, Report and Recommendations of the Cross-border Bank Resolution Group, v. 3/2010, Rz. 49 f.; CEPR, Geneva Reports on the World Economy No. 12/2012, S. 42 ff.

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§ 18

I. Überblick und Einordnung

[Binder]) erforderlich, die an sich mit dem neu geschaffenen Abwicklungsregime konkurrieren, allerdings faktisch aufgrund der bereits eingangs (siehe Rz. 4) konstatierten fehlenden Eignung des Moratoriums für die besonderen wirtschaftlichen Herausforderungen der systemischen Bankeninsolvenz hinter die Abwicklung nach Maßgabe des SAG bzw. der SRM-VO zurücktreten werden.18) Ist eine insolvenzförmige Liquidation des insolvenzgefährdeten Instituts aufgrund seiner Größe, seiner Komplexität, seiner Marktposition und/oder seiner Vernetzung mit anderen Marktteilnehmern mit Ansteckungsrisiken und einer Gefährdung der Finanzmarktstabilität verbunden, so greifen vorrangig die Bestimmungen der SRM-VO bzw. des SAG ein. Abzugrenzen ist der Rechtsrahmen für die Abwicklung i. e. S., der Gegenstand des vorlie- 8 genden Kapitels ist, aber auch gegenüber den präventiven Anforderungen an die Sanierungs- und Abwicklungsplanung nach §§ 12 ff. bzw. §§ 40 ff. SAG (Artt. 8 ff. SRM-VO), die in § 15 [Cichy] des Handbuchs behandelt werden, sowie gegenüber den Regelungen zum frühzeitigen Eingreifen, die in § 16 Rz. 102 ff. [Bauer-Weiler/Struckmann] dargestellt sind. Neben die damit umrissenen Bestimmungen treten die Vorgaben für die internationale Verfahrenskoordinierung, die sich teilweise aus den allgemeinen Regeln der §§ 46d und 46e KWG, teilweise aus den §§ 154 ff. SAG und teilweise aus Artt. 30 bis 33 SRM-VO ergeben. b)

Zuständigkeitsverteilung in der Bankenunion

Die deutsche Abwicklungsbehörde i. S. des SAG ist gemäß § 3 Abs. 1 SAG seit 1.1.2018 9 die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).19) Ihre Zuständigkeit bezieht sich zunächst auf den in § 1 SAG näher geregelten persönlichen Anwendungsbereich und somit insbesondere auf im Inland zugelassene Institute und die im Inland überwachten Gruppen.20) § 1 Halbs. 1 SAG stellt dabei ausdrücklich klar, dass die Regelungen der SRM-VO Anwendungsvorrang genießen, deren persönlicher Anwendungsbereich in Art. 2 SRM-VO an sich praktisch deckungsgleich definiert wird.21) Aus Art. 7 Abs. 2 und 3 SRM-VO ergibt sich indessen insofern eine wichtige Beschränkung, 10 als der Einheitliche Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board – SRB) – entsprechend der Zuständigkeitsverteilung zwischen nationalen zuständigen Behörden und der EZB im Einheitlichen Aufsichtsmechanismus – unmittelbar nur für Abwicklungsentscheidungen hinsichtlich derjenigen Institute und Gruppen zuständig ist, die der direkten Aufsicht durch die EZB unterworfen sind (Art. 7 Abs. 2 SRM-VO). Für diese Institute ___________ 18) Entsprechend Geier/Schmitt, BKR Sonderheft 2012, 1, 20; im Ergebnis auch Boos/Fischer/SchulteMattler-Lindemann, KWG/CRR-VO, § 46 KWG Rz. 14. 19) § 3 Abs. 1 SAG i. d. F. nach Artt. 3 Nr. 3, 11 Abs. 6 des Gesetzes zur Neuordnung der Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung – FMSA-Neuordnungsgesetz (FMSANeuOG), v. 23.12.2016, BGBl. I 2016, 3171. 20) I. E. – Nr. 1: CRR-Kreditinstitute i. S. des § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG (mit Ausnahme der Unternehmen i. S. des Art. 2 Abs. 5 CRD IV), Nr. 2: CRR-Wertpapierfirmen i. S. des § 1 Abs. 3d Satz 2 KWG, die gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. c KWG mit einem Anfangskapital im Gegenwert von min. 730.000 € auszustatten sind, Nr. 3: überordnete Unternehmen einer Institutsgruppe, einer Finanzholding-Gruppe oder einer gemischten Finanzholding-Gruppe gemäß § 10a Abs. 1 KWG und deren nachgeordnete Unternehmen gemäß § 10a Abs. 1 KWG mit Sitz im Inland, und Nr. 4: inländische Unionszweigstellen. 21) I. E. – lit. a: in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassene Kreditinstitute, lit. b: Mutterunternehmen, einschließlich Finanzholdinggesellschaften und gemischter Finanzholdinggesellschaften, die in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassen sind, wenn sie gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. g der SSM-VO auf konsolidierter Basis von der EZB beaufsichtigt werden, sowie lit. c: in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassene Wertpapierfirmen und Finanzinstitute, wenn sie gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. g der SSM-VO in die Beaufsichtigung ihres Mutterunternehmens auf konsolidierter Basis durch die EZB einbezogen sind. Einführend zum Ganzen Wojcik, CMLR 53 (2016), 91, 100 ff.; Wojcik/Ceyssens, EuZW 2014, 893 ff.; Zavvos/Kaltsouni in: Haentjens/Wessels, Research Handbook, S. 117, 125 ff.

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§ 18

Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Banken

schreibt Art. 18 SRM-VO das einzuhaltende Verfahren vor. Grundlage für die Einleitung der Abwicklung und die i. E. angeordneten Maßnahmen ist hiernach ein nach Art. 18 Abs. 6 SRM-VO durch das SRB festzulegendes Abwicklungskonzept, das sodann gemäß Art. 18 Abs. 9 SRM-VO durch die nationalen Abwicklungsbehörden durchzuführen ist. Im Übrigen verbleibt es grundsätzlich bei der Zuständigkeit der nationalen Abwicklungsbehörden, die hierbei, soweit nicht die SRM-VO unmittelbar gilt, die im jeweiligen nationalen Recht erlassenen Umsetzungsvorschriften zur BRRD anzuwenden haben (Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 1, 3 und 4 SRM-VO). Von größter Bedeutung ist insoweit die in Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 4 SRM-VO geregelte Vorgabe, wonach die nationalen Abwicklungsbehörden bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben innerhalb des Single Resolution Mechanism (SRM) – und damit praktisch in den meisten potentiellen Anwendungsfällen22) – anstelle des nationalen Umsetzungsrechts unmittelbar die Bestimmungen der SRM-VO anzuwenden haben. Soweit die Verordnung selbst einschlägige Bestimmungen enthält, überlagern diese daher die nationalen Umsetzungsvorschriften, aus deren Kreis vor allem die in der Verordnung nicht selbst enthaltenen Durchführungsbestimmungen (im deutschen Recht insbesondere §§ 78 ff. SAG) eine eigenständige Bedeutung behalten. Dies führt gerade in Deutschland, wo das Umsetzungsrecht zur BRRD deren Systematik nicht durchgängig übernommen hat, zu einer komplexen Gemengelage unmittelbar anwendbaren Unionsrechts und autonomen Durchführungsvorschriften. Die nationalen Abwicklungsbehörden haben das SRB über die von ihnen beabsichtigten Maßnahmen zu informieren und sich mit ihm abzustimmen (Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 5 SRM-VO). Dem SRB kommt auch insoweit eine Überwachungsfunktion zum Zweck der Rechtmäßigkeitskontrolle zu; ggf. kann es Warnungen aussprechen und im Extremfall die Entscheidungskompetenzen an sich ziehen (Art. 7 Abs. 4 SRM-VO). Weiter reichende Koordinationsaufgaben nimmt das SRB nach Maßgabe der Artt. 31 ff. SRM-VO wahr (siehe zum Ganzen auch § 14 Rz. 40 ff. [Benzing]). 3.

Praktische Anwendungsperspektiven

11 Die Praxistauglichkeit des neuen Abwicklungsregimes ist – ungeachtet vereinzelter größerer Insolvenzfälle, in denen Mitgliedstaaten bereits im Vorgriff auf die spätere Umsetzung der BRRD Maßnahmen in Anlehnung an das darin vorgesehene Instrumentarium getroffen haben23) – angesichts der sehr beschränkten Erfahrungen mit der Anwendung im SRM gegenwärtig noch nicht abschließend zu beurteilen.24) ___________ 22) Ein autonomer, uneingeschränkter Anwendungsbereich für das nationale Umsetzungsrecht (und damit das deutsche SAG) bleibt vor allem für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die nicht in die konsolidierte Aufsicht einer von der EZB beaufsichtigten Mutter einbezogen sind und daher nicht in den Anwendungsbereich der SRM-VO fallen; vgl. dazu Binder/Gortsos/Lackhoff/Ohler-Wojcik, Brussels Commentary on the European Banking Union, Art. 7 SRMR Rz. 34. 23) Exemplarisch nicht zuletzt der Fall der österreichischen Hypo-Alpe-Adria Bank (nachmals HETA Asset Resolution), in dem nach Verstaatlichung des Instituts eine Abwicklung unter Kombination von Instrumenten vorgenommen wurde, die einem Bail-in und Übertragungsanordnungen nachempfunden waren; s. zum Hintergrund stellvertretend Fellner in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. XI Rz. 1 ff.; zu den Implikationen der Abweichung von den Richtlinienvorgaben für die grenzüberschreitende Anerkennung der Maßnahmen eingehend LG München I, Urt. v. 8.5.2015 – 32 O 26502/12, NZG 2015, 1119; dazu Fest, NZG 2015, 1108 ff.; Lürken, EWiR 2015, 659 f. Das in einem Parallelverfahren (vgl. LG Frankfurt/M., Beschl. v. 21.6.2016 – 2-12 O 114/15, ZIP 2016, 1275 ff.) gestellte Vorabentscheidungsersuchen zur Vereinbarkeit der in Österreich getroffenen Maßnahmen mit dem europäischen Sekundärrecht wurde zurückgenommen; desgleichen ein Vorabentscheidungsersuchen mit ähnlicher Fragestellung aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Handelsgerichts Wien v. 20.5.2016 – Rs. C-282/16 (RMF Financial Holdings Sàrl vs. Heta Asset Resolution AG), ABl. (EU) C 314/9 v. 29.8.2016. 24) Dazu und zum Folgenden näher Binder in: Chiti/Santoro, The Palgrave Handbook of European Banking Union Law, S. 299 ff.

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§ 18

I. Überblick und Einordnung

Theoretisch steht das neue Instrumentarium nach vollständiger Umsetzung durch die na- 12 tionalen Mitgliedstaaten und nach vollständigem Wirksamwerden des institutionellen Rahmens für die Bankenabwicklung innerhalb des Einheitlichen Abwicklungsmechanismus sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene uneingeschränkt zur Verfügung. Praktisch ist schon mit Blick darauf, dass die zur Erleichterung künftiger Bail-ins vorge- 13 sehenen aufsichtsrechtlichen Mindestvorgaben an die Finanzierungsstruktur der Institute noch nicht in vollem Umfang implementiert sind (siehe dazu Rz. 100), zweifelhaft, ob jedenfalls die Anwendung der Vorschriften über den Bail-in gegenwärtig ohne Risiken für die Systemstabilität möglich wäre. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass sich die Arrangements zur Finanzierung von Abwicklungsmaßnahmen auf nationaler und europäischer Ebene (dazu § 21 [Wolfers/Voland]) erst in der Aufbauphase befinden. Ganz unabhängig davon ist die Tauglichkeit der einzelnen Abwicklungsinstrumente zumal für Fälle außerordentlich großer Einzelinsolvenzen und systemischer Krisen – und also gerade diejenigen Anwendungsszenarien, in denen die tradierte Kombination aus aufsichtsrechtlichem Moratorium und Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens praktisch ausscheidet – erheblichen Zweifeln ausgesetzt, die nachfolgend jeweils im konkreten Sachzusammenhang zu diskutieren sind.25) Insofern verwundert kaum, dass sich der erste i. R. des SRB erfolgreich bewältigte Abwicklungsfall der spanischen Banco Popular S. A. im Juni 201726) auf ein Institut mit sehr überschaubarer Struktur bezog, das zwar einen erheblichen Marktanteil hatte, aber in seiner Dimension mit international aktiven Bankengruppen nicht vergleichbar war; auffällig ist zudem, dass in diesem Fall von einem Bail-in abgesehen wurde, der in der Abwicklungsplanung an sich vorgesehen war.27) Insgesamt steht das neue Regelwerk vor dem Dilemma, dass sich erst durch seine konkre- 14 te Anwendung in einer Reihe von Fällen hinreichende Erfahrungen werden gewinnen lassen, die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit hinsichtlich der rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen allgemein und für die einzelnen Gruppen von Betroffenen gewährleisten können, während die Perspektiven für die tatsächliche Anwendung in aussagekräftigen Fällen, d. h. bei hinreichend großen, komplexen und international aktiven Instituten und Institutsgruppen, aber gering bleiben. Grund hierfür ist nicht allein der Umstand, dass derartige Krisenfälle insgesamt jedenfalls in ansonsten stabilem Marktumfeld eher die Ausnahme als die Regel bleiben. Vielmehr dürften gerade die in Ermangelung hinreichender praktischer Erfahrungen bestehenden Unsicherheiten im Hinblick auf die wirtschaftlichen Konsequenzen einer Abwicklung nicht nur für die unmittelbar betroffenen Gläubiger, sondern auch für die Refinanzierungskonditionen von Banken im jeweiligen Markt allgemein und für die Realwirtschaft spürbare Abschreckungsanreize entfalten. Die in der italienischen Bankenkrise seit 2017 eingeleiteten außerordentlichen Stützungs- 15 maßnahmen28) belegen deutlich, dass diese Überlegungen nicht lediglich theoretischer Natur sind, sondern durchaus greifbare Konsequenzen für die Anwendungsperspektiven des neuen Rechts haben. In der Konsequenz zwingt dies die Abwicklungsbehörden und die potentiell betroffenen Institute, aber auch die wissenschaftliche Aufarbeitung dazu, die nachfolgend darzustellenden normativen Grundlagen im Wege der Auslegung und praktischen Umsetzung, soweit präventiv realisierbar, zu konkretisieren, ohne dabei die Anwendungsprobleme und die damit eingehenden Leistungsgrenzen des neuen Rechts aus dem Blick zu verlieren. ___________ 25) Näher dazu Binder, ZBB 2017, 57 ff. 26) Dazu SRB, The Single Resolution Board adopts resolution decision for Banco Popular, PM v. 7.6.2017. 27) Vgl. allgemein nochmals Binder in: Chiti/Santoro, The Palgrave Handbook of European Banking Union Law, S. 299, 301 ff. 28) S. nochmals Binder, ZBB 2017, 57 ff., insb. 67 ff.

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II.

Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente

1.

Überblick

16 Der Rechtsbegriff der Abwicklung ist in § 1 Abs. 3 Nr. 1 SAG (entsprechend den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 BRRD) legaldefiniert als die „Anwendung eines Abwicklungsinstruments zur Erreichung eines oder mehrerer Abwicklungsziele“; die SRM-VO enthält keine eigenständige, hiervon abweichende Definition. Die Abwicklungsinstrumente werden i. E. in Art. 22 Abs. 2 sowie den Artt. 24 – 27 SRM-VO geregelt; die korrespondierenden Vorschriften finden sich in Teil 4 Kap. 2 SAG (§§ 89 ff. SAG, entsprechend Artt. 37 Abs. 3, 38 ff. BRRD). Die Abwicklungsziele definiert Art. 14 SRM-VO, im deutschen Recht § 67 SAG (entsprechend Art. 31 BRRD). Zentrale Tatbestandsvoraussetzung für das Eingreifen des Instrumentariums ist das Vorliegen der in Art. 18 Abs. 1, 4 und 5 SRM-VO definierten Voraussetzungen für die Abwicklung (nachfolgend entsprechend der deutschen Terminologie als „Abwicklungsvoraussetzungen“ bezeichnet); im deutschen Recht sind die entsprechenden Regelungen in § 62 SAG für Institute i. S. des § 1 Abs. 1b KWG (Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute) sowie in § 64 SAG für Finanzinstitute und Holdinggesellschaften enthalten. 17 Mit diesen drei Begriffen – Abwicklungsvoraussetzungen, Abwicklungsziele und Abwicklungsinstrumente – sind die Schlüsselbegriffe des neuen Abwicklungsrechts angesprochen, mit welchen das deutsche Umsetzungsrecht ebenso wie die unionsrechtlichen Vorgaben Tatbestandsvoraussetzungen sowie ermessensleitende Zielvorgaben (siehe dazu unten Rz. 24 ff.) und behördliche Eingriffskompetenzen (siehe Rz. 53 ff.) formulieren. Ergänzend hinzu treten die in Art. 22 SRM-VO geregelten „allgemeinen Grundsätze für Abwicklungsinstrumente“ (vgl. im deutschen Recht § 68 SAG, entsprechend Art. 34 BRRD), die ebenfalls die Ermessensspielräume der Abwicklungsbehörde weiter einschränken und eng mit den Abwicklungszielen verknüpft sind (siehe Rz. 29 ff.), sowie die in den §§ 77 ff. SAG (entsprechend Artt. 63 ff. BRRD) quasi als „allgemeiner Teil“ des Abwicklungsrechts für alle Arten geregelten (Durchführungs-)„Befugnisse“ der Abwicklungsbehörden, die hier im jeweiligen Sachzusammenhang darzustellen sind. 18 Mit der damit umrissenen Konzeption liegt das Abwicklungsrecht ganz auf der Linie der bereits angesprochenen internationalen Standards (siehe oben Rz. 6). Den Abwicklungsbehörden soll nicht eine bestimmte Vorgehensweise für den Krisenfall vorgegeben werden. Vielmehr erhalten sie eine Reihe von „Abwicklungsinstrumenten“ zur Auswahl, die im Insolvenzfall grundsätzlich alternativ oder kumulativ zur Anwendung kommen können. Zwar suggeriert die aus dem englischen Begriff „resolution“ abgeleitete Terminologie im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch, dass sich die Verfahren in der Sache nur auf eine Liquidation i. S. einer Vollabwicklung richten könnten. Tatsächlich handelt es sich jedoch, was das rechtliche Schicksal des insolvenzbedrohten Rechtsträgers betrifft, um eine Palette unterschiedlicher ergebnisoffener Handlungsoptionen, die lediglich im Hinblick auf das Ziel der Abwendung der Systemgefährdung gesetzlich determiniert ist.29) 19 Das damit geschaffene Instrumentarium geht zurück auf die bereits 2010 veröffentlichten Standards des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS) und des Financial Stability Board (FSB):30) die Übertragung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten vom in___________ 29) Richtig Thole, ZBB 2016, 57, 58. 30) Vgl. BCBS, Report and Recommendations of the Cross-border Bank Resolution Group, v. 3/2010, Rz. 74 ff., 115 ff.; FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 10/2011, Rz. 3.1 ff.; dazu und zum Hintergrund stellvertretend etwa Binder in: Binder/Singh, Bank Resolution, Rz. 2.05 ff.; Huertas in: Haentjens/Wessels, Research Handbook, S. 3, 9 ff.

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 solvenzreifen Institut auf private Erwerber,31) eine durch staatliche Stellen errichtete Brückenbank32) oder eine Vermögensverwertungsgesellschaft33) sowie der sog. Bail-in, d. h. die zwangsweise Umwandlung von Forderungen in Eigenmittel einer Bank bei gleichzeitigem Rechtsverlust für die Altanteilseigner.34) Die gesetzlichen Vorgaben werden auf der Grundlage einer Reihe von Kompetenznormen in der BRRD durch Technische Regulierungsstandards bzw. Leitlinien der EBA konkretisiert.35) Inhaltlich handelt es sich bei dem harmonisierten Instrumentenmix keineswegs durchweg 20 um Neuschöpfungen. Vielmehr konnten bereits die 2010 veröffentlichten internationalen Standards des BCBS und des FSB (siehe Rz. 6) auf einen schon seit den 2000er Jahren sowohl wissenschaftlich36) als auch in Studien internationaler Einrichtungen37) umfassend aufbereiteten Bestand von Regelungsvorbildern zurückgreifen. Die Übertragung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten auf private Erwerber oder Brückenbanken, die insbesondere auf das US-amerikanische Aufsichtsrecht zurückgeht,38) ist im Vorgriff auf die BRRD nicht nur in Deutschland (mit den §§ 48a ff. KWG i. d. F. des KreditinstituteRestrukturierungsgesetzes von 2010, siehe oben Rz. 945), sondern bspw. auch in Großbritannien39) und in Dänemark40) bereits während der Krise eingeführt worden. ___________ 31) „Instrument der Unternehmensveräußerung“, vgl. Artt. 3 Abs. 1 Nr. 30, 22 Abs. 2 lit. a, 24 SRM-VO (Artt. 2 Abs. 1 Nr. 38, 37 Abs. 3 lit. a, 38 f. BRRD). 32) „Instrument des Brückeninstituts“ bzw. im deutschen Umsetzungsrecht „Instrument der Übertragung auf ein Brückeninstitut“, vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 31, 22 Abs. 2 lit. c, 25 SRM-VO (Artt. 2 Abs. 1 Nr. 59 und 60, 37 Abs. 3 lit. b und 40 f. BRRD). 33) „Ausgliederung von Vermögenswerten“ bzw., im deutschen Umsetzungsrecht, „Instrument der Übertragung auf eine Vermögensverwaltungsgesellschaft, vgl. Artt. 3 Abs. 1 Nr. 32, 22 Abs. 2 lit. d, 26 SRM-VO (Artt. 2 Abs. 1 Nr. 55 und 56, 37 Abs. 3 lit. c, 42 BRRD). Im deutschen Umsetzungsrecht zur BRRD sind die drei Alternativen – systematisch stimmig, aber angesichts der Überlagerung durch die SRM-VO (s. oben Rz. 10) praktisch bedeutungslos – im Ausgangspunkt einheitlich in §§ 107 ff. SAG geregelt. 34) „Bail-in-Instrument“ bzw. im deutschen Recht „Beteiligung der Anteilsinhaber und Gläubiger, vgl. Artt. 3 Abs. 1 Nr. 33, 22 Abs. 2 lit. d, 27 SRM-VO Artt. 2 Abs. 1 Nr. 57, 37 Abs. 3 lit. d, 43 – 55 BRRD). 35) S. insb, Art. 39 Abs. 4 BRRD (Leitlinien zur Unternehmensveräußerung), Art. 42 Abs. 14 (Leitlinien zu den Voraussetzungen für eine Vermögensübertragung auf Vermögensverwertungsgesellschaften), Artt. 45c Abs. 4 und 45f Abs. 6 (Technische Regulierungsstandards zur Festlegung von Mindestanforderungen an Eigenmittel und für den Bail-in berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten), Art. 47 Abs. 6 (Leitlinien zur Konkretisierung der Behandlung der Anteilseigner beim Bail-in), Art. 48 Abs. 6 (Leitlinien zur Konkretisierung des Verhältnisses zwischen Bail-in und Eigenmittelregulierung), Art. 49 Abs. 5 (Technische Regulierungsstandards zur Behandlung von Derivaten beim Bail-in), Art. 50 Abs. 4 (Leitlinien für die Festlegung von Quoten für die Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenmittel), Art. 52 Abs. 12 – 14 (Technische Regulierungsstandards sowie Leitlinien für die Anforderungen an Reorganisationspläne beim Bail-in zur Rekapitalisierung von Instituten). 36) Z. B. Campbell/Cartwright, Banks in Crisis; Hüpkes, The Legal Aspect of Bank Insolvency; Mayes/ Liuksila, Who Pays for Bank Insolvency?, jeweils passim. 37) Z. B. BCBS, Supervisory Guidance on Dealing with Weak Banks, Neufassung v. 7/2015 unter dem Titel Guidelines for identifying and dealing with weak banks; IMF and the World Bank, An Overview of the Legal, Institutional, and Regulatory Framework for Bank Insolvency, final report, v. 3/2002 (dazu Leckow in: Hoelscher, Bank Restructuring and Resolution, S. 184 ff.); Asser, Legal Aspects of Regulatory Treatment, passim. 38) Schon früh § 12 U.S. Code § 1823(c)(2)(A) und (B) und nunmehr auch der Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act, Public Law 111–203–July 21, 2010, s. Title II – Orderly Liquidation Authority (https://www.treasury.gov/about/organizational-structure/offices/Documents/Dodd %20Frank%20Act.pdf (Abrufdatum: 7.5.2020), und zur Entwicklung Binder, ZBB 2009, 19, 23 f. m. w. N. 39) Zunächst als Teil des in der Krise als Notfallgesetz erlassenen Banking (Special Provisions) Act 2008, sodann mit der umfassenden Reform des Bankeninsolvenzrechts in secs. 11 – 75 Banking Act 2009, hierzu etwa Binder, ZBB 2009, 19, 28 ff. 40) Zu den Rechtsgrundlagen (in dänischer Sprache) und der institutionellen Umsetzung s. die Internetpräsentation der Abwicklungsbehörde Finansiel Stabilitet, www.finansielstabilitet.dk.

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21 Die Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben der BRRD im deutschen Recht spiegelt besonders deutlich die rechtspolitische Grundannahme wider, mit Hilfe des neuen Instrumentariums lasse sich die Notwendigkeit von Rettungsbeihilfen für insolvenzbedrohte Institute faktisch ausschließen.41) Nach den unionsrechtlichen Vorgaben sind außerordentliche staatliche Unterstützungsmaßnahmen in der Form einer Eigenmittelbeteiligung oder der Verstaatlichung (vgl. Artt. 56 – 58c BRRD) explizit auf Fälle der „sehr außergewöhnlichen Situation einer Systemkrise“ beschränkt, an die Beihilfenkontrolle gebunden und auch insoweit nur zulässig, nachdem zuvor Anteilseigner und Gläubiger bis zur Höhe von mindestens 8 % der gesamten Verbindlichkeiten des betreffenden Instituts zu dessen Rekapitalisierung herangezogen wurden.42) Eine – i. R. der Abwicklungsvoraussetzungen und damit systematisch etwas versteckt geregelte – weitere Ausnahme bilden Maßnahmen zur präventiven Rekapitalisierung an sich solventer Institute.43) Der deutsche Umsetzungsgesetzgeber hat davon abgesehen, im SAG Rechtsgrundlagen für außerordentliche staatliche Unterstützungsmaßnahmen und die damit geregelten Ausnahmen vom allgemeinen Prinzip der Abwicklung allein auf der Grundlage der „Abwicklungsinstrumente“ – unter weitestgehendem Ausschluss staatlicher Finanzierungsmittel – zu schaffen.44) Auch wenn diese Grundentscheidung mit Blick auf die bereits angedeuteten Vorbehalte gegenüber der Praxistauglichkeit des neuen Abwicklungsrechts (siehe oben Rz. 13) alles andere als zweifelsfrei ist, gilt die nachfolgende Darstellung mit Blick darauf allein dem eingangs umrissenen regulären Eingriffsinstrumentarium. Für außerordentliche staatliche Unterstützungsmaßnahmen und die entsprechenden Rahmenbedingungen im Abwicklungs- sowie im europäischen Beihilfenrecht ist auf die beihilfenrechtliche Spezialliteratur zu verweisen.45) 2.

Abwicklungsziele, Voraussetzungen und allgemeine Grundsätze

a)

Überblick und systematischer Zusammenhang

22 Eine Abwicklung mittels des neuen Instrumentariums soll, wie ausgeführt (siehe oben Rz. 16 ff.), das wirtschaftliche Ergebnis der insolvenzförmigen Vermögensabwicklung simulieren und dessen Ordnungsfunktion (Disziplinierung von Anteilseignern, Geschäftsleitern und Gläubigern) wahren, ohne die damit verbundenen Zäsurwirkungen für die systemrelevanten Austauschbeziehungen zu Kunden, anderen Marktteilnehmern und der Marktinfrastruktur auszulösen. Das damit zusammengefasste Funktionsverständnis der Abwicklung als Alternative zum tradierten Insolvenzverfahren tritt im Zusammenspiel von Abwicklungszielen, Abwicklungsvoraussetzungen und allgemeinen Grundsätzen für eine Abwicklung besonders deutlich zutage: Während die in Art. 14 SRM-VO (vgl. § 67 SAG) geregelten Abwicklungsziele die damit umrissenen Schutzzwecke näher konkretisieren, gestalten die in Art. 15 SRM-VO (vgl. § 68 SAG) formulierten „allgemeinen Grundsätze“ ___________ 41) Deutlich in diesem Sinne auch Begr. RegE BRRD-Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 357/14, S. 1, wonach „künftig sichergestellt [werde], dass im Falle einer Krise vor allem Eigentümer und Gläubiger und nicht die Steuerzahler zur Lösung der Krise beitragen“. 42) S. i. E. Art. 27 Abs. 7 lit. a SRM-VO (Art. 37 Abs. 10 BRRD), dazu Binder, ZBB 2017, 57, 68 f. 43) S. i. E. Art. 18 Abs. 4 lit. d SRM-VO (Art. 32 Abs. 4 lit. d BRRD), dazu Binder, ZBB 2017, 57, 69 f. 44) § 63 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SAG sieht zwar – insofern im Einklang mit Art. 32 Abs. 4 lit. d BRRD – Sonderregeln für die Behandlung außerordentlicher Unterstützungsmaßnahmen zugunsten an sich solventer Institute i. R. der Beurteilung der Abwicklungsvoraussetzungen vor; eine Rechtsgrundlage für die Gewährung derartiger Unterstützung ist demgegenüber nach Auslaufen der Maßnahmen nach dem Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (vgl. § 13 Abs. 1 FMStFG) nicht mehr vorhanden. 45) S. dazu stellvertretend Immenga/Mestmäcker-Binder, EU-Wettbewerbsrecht, Bd. 5: Beihilfenrecht (im Erscheinen).

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 als ermessensleitende Bestimmungen46) vor allem das ordnungspolitische Ziel der Simulierung der Anreizstruktur tradierter Insolvenzverfahren aus. Die Abwicklungsvoraussetzungen formulieren die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ab- 23 wicklung. Diese werden systematisch insofern mit dem Zielprogramm verknüpft, als Abwicklungsmaßnahmen nach Art. 18 Abs. 1 lit. c i. V. m. Abs. 5 SRM-VO (vgl. gleichsinnig § 62 Abs. 1 Nr. 2 SAG, Art. 32 Abs. 5 BRRD) von vornherein nur dann zulässig sind, wenn sie „zur Erreichung eines oder mehrerer […] Abwicklungsziele notwendig und mit Blick auf diese Ziele verhältnismäßig“ sind. Zur Ermittlung der Tatbestandsvoraussetzungen gehört somit zwingend eine Prognose, ob und inwieweit der bevorstehende Ausfall eines Instituts nach Lage der Dinge Schutzzweckrelevanz entfalten kann. Die Abwicklungsvoraussetzungen werden auf diese Weise von vornherein auf die Abwicklungsziele bezogen, die daher – zusammen mit den „allgemeinen Grundsätzen“ – nachfolgend zunächst in den Blick zu nehmen sind (siehe Rz. 24 ff.). Erst auf dieser Grundlage können dann die Abwicklungsvoraussetzungen dargestellt werden (siehe Rz. 36 ff.). b)

Abwicklungsziele (Art. 14 SRM-VO, vgl. § 67 SAG)

Die Abwicklungsziele in § 67 Abs. 1 SAG und die Ergänzung zur Gleichrangigkeit der- 24 selben in Absatz 2 der Vorschrift sind in Formulierung und Systematik heute praktisch deckungsgleich mit den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 14 SRM-VO (Art. 31 Abs. 2 Unterabs. 1 und Abs. 3 BRRD). Der ursprüngliche Wortlaut des § 67 SAG nach dem BRRD-Umsetzungsgesetz hatte die Abwicklungsziele insoweit noch eigenständig formuliert und in § 67 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SAG allein auf die Abwendung einer „Systemgefährdung“ sowie den Schutz öffentlicher Mittel abgestellt; erstere war dann in § 67 Abs. 2 SAG unter Bezugnahme auf die unterschiedlichen Ursachen systemischer Risiken konkretisiert worden. Die Neufassung und damit die heutige, wortlautgetreue Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben beruhen auf dem Abwicklungsmechanismusgesetz von 201547) und waren als Klarstellung beabsichtigt.48) Die Abwicklungsziele sind auch nach geltendem Recht erkennbar auf die unterschiedlichen Dimensionen der wirtschaftlichen Konsequenzen systemischer Bankeninsolvenzen bezogen, auf deren Vermeidung das Instrumentarium abzielt.49) Überschneidungen zwischen einzelnen Zielen liegen damit in der Natur der Sache, weshalb sich die gesetzliche Ausgestaltung der Einzelziele von vornherein nicht als Versuch einer trennscharfen Systematisierung interpretieren lässt. Nachdem die durch die Eröffnung tradierter Insolvenzverfahren ausgelöste Zäsurwirkung 25 für die relevanten Austauschbeziehungen zwischen dem betroffenen Institut und seinen Gegenparteien als zentrales Problem der systemischen Bankeninsolvenz identifiziert wurde (siehe oben Rz. 4 ff.), verwundert nicht, dass Art. 14 Abs. 2 lit. a SRM-VO (vgl. § 67 Abs. 1 Nr. 1 SAG) die „Sicherstellung der Kontinuität kritischer Funktionen“ insoweit als erstes Schutzziel aufführt. Der Begriff der „kritischen Funktionen“ wird in Art. 2 Abs. 1 Nr. 35 BRRD, auf den Art. 3 Abs. 2 SRM-VO verweist (vgl. im Wesentlichen gleichsinnig § 2 Abs. 3 Nr. 38 SAG), legaldefiniert als „Tätigkeiten, Dienstleistungen oder Geschäfte, deren Einstellung aufgrund der Größe, des Marktanteils, der externen und internen Verflechtungen, der Komplexität oder der grenzüberschreitenden Tätigkeiten eines Instituts oder einer Gruppe wahrscheinlich in einem oder mehreren Mitgliedstaaten die ___________ 46) Für das deutsche Umsetzungsrecht Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2260; Thole, ZBB 2016, 57, 60. 47) Gesetz zur Anpassung des nationalen Bankenabwicklungsrechts an den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus und die europäischen Vorgaben zur Bankenabgabe – Abwicklungsmechanismusgesetz (AbwMechG), v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1864. 48) Begr. RegE AbwMechG, BT-Drucks. 18/5009, S. 67. 49) Deutlich insoweit auch ErwG 45 BRRD.

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Unterbrechung von für die Realwirtschaft wesentlichen Dienstleistungen oder eine Störung der Finanzstabilität zur Folge hat, besonders mit Blick auf die Substituierbarkeit dieser Tätigkeiten, Dienstleistungen oder Geschäfte“. Bereits damit sind wesentliche Aspekte der „Systemrelevanz“ angesprochen, wobei die Regelung vor allem auf die Bedeutung einzelner Geschäftsaktivitäten des betroffenen Instituts selbst abstellt. 26 Auch das in Art. 14 Abs. 2 lit. b SRM-VO (vgl. § 67 Abs. 1 Nr. 2 SAG) formulierte Ziel der „Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität“ bezieht sich auf die erwartbaren wirtschaftlichen Konsequenzen eines Ausfalls des betroffenen Instituts und dabei – systematisch wenig überzeugend – auf zwei ausgesprochen unterschiedlich gelagerte Aspekte, indem zum einen durch Vernetzungsrisiken induzierte Ansteckungsgefahren u. a. für die Finanzmarktinfrastruktur, zum anderen aber auch Risiken für die Marktdisziplin erfasst werden. Während sich die Ansteckungsrisiken auf der Grundlage der vorfindlichen, quantifizierbaren Geschäftsaktivitäten und -volumina des betroffenen Instituts nicht selten durchaus konkret werden ermitteln lassen, ist mit dem Aspekt der Marktdisziplin ein eher abstraktes Risiko angesprochen, das mit dem konkreten Ausfall als solchem nichts zu tun hat, sondern vielmehr die unerwünschten Konsequenzen staatlicher Rettungsmaßnahmen für die Anreizstruktur von Anteilsinhabern, Geschäftsleitern und Gläubigern umschreibt. 27 Systematisch sinnvoller wäre die Stärkung der Marktdisziplin im Zusammenhang mit dem dritten Abwicklungsziel des „Schutzes öffentlicher Mittel“ (Art. 14 Abs. 2 lit. c SRM-VO, vgl. § 67 Abs. 1 Nr. 3 SAG) unterzubringen gewesen, das explizit auf eine „geringere Inanspruchnahme außerordentlicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln“ abzielt. Der Hintergrund dieser Zielvorgabe liegt angesichts der Auswirkungen außerordentlicher Rettungsbeihilfen während der globalen Finanzmarktkrise auf der Hand und muss hier nicht weiter erörtert werden. Beachtlich ist allerdings die bereits im wortlautidentischen unionsrechtlichen Regelungsvorbild (vgl. auch Art. 31 Abs. 2 lit. d BRRD) angelegte Relativierung („geringere“ Inanspruchnahme, keineswegs völliger Ausschluss derselben), die für das deutsche Recht letztlich nicht konsequent ist, nachdem der Gesetzgeber die in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmekompetenzen für staatliche Unterstützungsmaßnahmen – wie ausgeführt (siehe Rz. 21) – gerade nicht umgesetzt hat. Angesichts der absehbaren Praktikabilitätsgrenzen des Abwicklungsinstrumentariums zumal bei außerordentlich großen Ausfällen und Insolvenzszenarien in strukturellen Systemkrisen50) sprechen gewichtige Gründe für die Annahme, dass die Relativierung durchaus von Realismus hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des neuen Rechts geprägt ist und dass auch künftig Staatsbeihilfen zur Bewältigung außerordentlicher Krisenszenarien nicht gänzlich ausgeschlossen werden können. 28 Auf den ersten Blick kaum unterscheidbar sind schließlich die Abwicklungsziele des Schutzes der unter die gesetzlichen Entschädigungsmechanismen fallenden Einleger und Anleger (Art. 14 Abs. 2 lit. d SRM-VO, vgl. § 67 Abs. 1 Nr. 4 SAG) einerseits und des Schutzes der Gelder und Vermögenswerte der Kunden (Art. 14 Abs. 2 lit. e SRM-VO, vgl. § 67 Abs. 1 Nr. 5 SAG) andererseits. Tatsächlich hat die Differenzierung insofern Bedeutung, als sie bereits andeutet, dass der unionsrechtlich durch die Einlagensicherungsrichtlinie51) und die Anlegerentschädigungsrichtlinie52) vorgegebene und im nationalen Recht in den beiden Gesetzen umgesetzte Schutzumfang für den Ausfall eines Kreditinstituts (siehe dazu ___________ 50) S. nochmals Binder, ZBB 2017, 57 ff. 51) Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 – Deposit Guarantee Scheme Directive (DGSD), ABl. (EU) L 173/149 v. 12.6.2014, Artt. 5 und 6 (im Wesentlichen Einlagen bis zu einer Deckungssumme von 100.000 € pro Einleger). 52) Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 3.3.1997 – Anlegerentschädigungsrichtlinie (AnlERL), ABl. (EU) L 84/22 v. 26.3.1997, Art. 4 (Mindestschutz i. H. von 20.000 € pro Anleger).

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 § 19 [Biermann/Lüthgerath]) von der Anordnung von Abwicklungsmaßnahmen jedenfalls unberührt bleibt und somit unbedingt gewährt wird. In der Konsequenz sind insbesondere die gesicherten Einlagen ausdrücklich vom Anwendungsbereich eines Bail-in ausgenommen (Art. 27 Abs. 3 lit. a SRM-VO, vgl. § 91 Abs. 2 Nr. 1 SAG, siehe noch unten Rz. 88 f.). Die sonstigen, nicht in dieser Form gedeckten „Gelder und Vermögenswerte der Kunden“ sind demgegenüber lediglich ein Schutzgut unter mehreren und genießen keine vergleichbare absolute Sicherung; dies zeigt sich insbesondere daran, dass sie durchaus in einen Bail-in einbezogen werden können. c)

Allgemeine Grundsätze für eine Abwicklung (Art. 15 SRM-VO, vgl. § 68 SAG)

Die in Art. 15 SRM-VO (vgl. § 68 SAG, Art. 34 BRRD) geregelten „allgemeinen Grund- 29 sätze“ treten neben die Abwicklungsziele und sind schon dem Wortlaut nach erkennbar darauf angelegt, die Ermessensausübung der Abwicklungsbehörden auf bestimmte Grundsätze festzulegen („treffen sie alle geeigneten Maßnahmen, damit die Abwicklung im Einklang mit nachstehenden Grundsätzen erfolgt“). Dabei wird das Ziel des Abwicklungsrechts besonders deutlich, möglichst weitgehend, aber mit anderen Mitteln die Anreizstruktur des tradierten Insolvenzrechts für Anteilseigner und Gläubiger quasi nachzubilden (siehe Rz. 6). So statuieren Art. 15 Abs. 1 lit. a und b SRM-VO (vgl. § 68 Abs. 1 Nr. 1 SAG) zunächst das Grundprinzip der vorrangigen Verlusttragung durch Anteilsinhaber und Gläubiger in Anlehnung an die insolvenzrechtliche Verteilungsordnung. Ebenso deutlich in diese Richtung weisen das Prinzip der Gleichbehandlung von Gläubi- 30 gern derselben „Klasse“ (vgl. im deutschen Recht wiederum § 68 Abs. 1 Nr. 1 SAG, Art. 34 Abs. 1 lit. f BRRD) sowie das Verbot der Schlechterstellung von Gläubigern im Vergleich mit dem Ausgang eines allgemeinen Insolvenzverfahrens (vgl. nochmals § 68 Abs. 1 Nr. 1 SAG, Art. 34 Abs. 1 lit. g BRRD, sog. No-Creditor-worse-off-Regel). Damit soll keineswegs sichergestellt werden, dass die am Ende des Abwicklungsverfahrens von den Anteilseignern und Gläubigern zu tragenden Verluste stets denen einer insolvenzförmigen Liquidation entsprechen. Vielmehr werden ausschließlich die Gläubiger (und nicht auch die Anteilsinhaber), und zwar i. S. eines Schlechterstellungsverbots, nicht eines Gleichstellungsgebots, geschützt.53) Auffällig ist, dass die deutsche Umsetzungslösung in § 68 Abs. 1 Nr. 1 SAG von dieser 31 Konzeption abweicht. Gründe dafür sind den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen, die vielmehr indizieren, dass ursprünglich eigentlich eine in Wortlaut und Systematik mit Art. 34 Abs. 1 BRRD identische Umsetzung geplant war.54) Zumindest das Verbot der Schlechterstellung von Gläubigern wird damit in einer Weise umgesetzt, die seiner – zentralen – Bedeutung als wesentliches Instrument zum Gläubigerschutz i. R. des neuen Abwicklungsrechts55) nicht voll gerecht wird. Im Unterschied zum unionsrechtlichen Regelungsverbot schließt die deutsche Regelung jedenfalls dem Wortlaut nach eine Besserstellung von Gläubigern als Konsequenz einer Abwicklungsmaßnahme im Vergleich mit dem wirtschaftlichen Ergebnis einer insolvenzförmigen Liquidation aus. Dies ist nicht zuletzt aus zwei Gründen problematisch: x

Erstens sind Besserstellungen von Gläubigern stets unvermeidlich, wenn und soweit die relevanten Austauschbeziehungen wertmäßig zwischen ihnen und dem betroffenen

___________ 53) Ungenau insoweit zum deutschen Umsetzungsrecht Thole, ZBB 2016, 57, 60, der übersieht, dass dem Wortlaut des § 68 Abs. 1 SAG eine Festlegung auf die „höchstens“ zu erwartenden Verluste an sich gar nicht zu entnehmen ist und der zudem nicht zwischen Anteilsinhabern und Gläubigern differenziert. 54) Vgl. Begr. RegE BRRD-Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 357/14, S. 216, die unter Abweichung vom zuvor (S. 69 f.) formulierten, der später verabschiedeten Fassung entsprechenden Entwurfswortlaut zu § 68 SAG-E von einer anderen, der Systematik des Art. 34 Abs. 1 BRRD entsprechenden Zählung ausgehen. 55) Vgl. Binder in: FS Pannen, S. 21, 25 ff.; s. noch unten Rz. 121 ff.

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Institut i. R. der Abwicklungsmaßnahme nicht geändert werden, wie dies insbesondere bei der Übertragung auf einen privaten Erwerber oder ein Brückeninstitut der Fall ist. x

Zweitens ist auch bei einem Bail-in nicht ausgeschlossen, dass i. R. einer Abwicklung mittel- bis langfristig Sanierungsgewinne erzielt werden, die im Falle einer insolvenzförmigen Liquidation nicht zu erreichen gewesen wären und die den Gläubigern (z. B. als neuen Anteilsinhabern nach Umwandlung ihrer Verbindlichkeiten in Eigenkapitalpositionen) zufließen.

32 Nimmt man die deutsche Umsetzung in § 68 Abs. 1 Nr. 1 SAG beim Wort, ist sie vor diesem Hintergrund kaum sinnvoll operationalisierbar. Sie sollte daher (soweit überhaupt von eigenständiger Bedeutung, vgl. Rz. 10) unionsrechtskonform so ausgelegt werden, dass Gläubiger höchstens in dem Maße mit Verlusten belastet werden dürfen, wie sie in der insolvenzförmigen Liquidation zu tragen gewesen wären. 33 Ebenfalls im Einklang mit den Verteilungsregeln des allgemeinen Insolvenzrechts wiederholt Art. 15 Abs. 1 lit. h SRM-VO (vgl. § 68 Abs. 1 Nr. 2 SAG, Art. 34 Abs. 1 lit. h BRRD) nochmals den – bereits i. R. der Abwicklungsziele akzentuierten (siehe Rz. 28) – Grundsatz, dass gedeckte Einlagen vollständig zu schützen sind. 34 In dieselbe Richtung wie der Grundsatz der vorrangigen Verlusttragung durch Anteilsinhaber und Gläubiger weisen der in Art. 15 Abs. 1 lit. c SRM-VO (vgl. § 68 Abs. 1 Nr. 4 SAG) statuierte Grundsatz, dass die Geschäftsleiter, Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsorgans sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der nachgelagerten Führungsebene des in Abwicklung befindlichen Instituts grundsätzlich zu ersetzen sind, sowie die ausdrückliche Klarstellung in Art. 15 Abs. 1 lit. e SRM-VO (vgl. § 68 Abs. 1 Nr. 6 SAG), dass die straf- oder zivilrechtliche Verantwortung für die Bestandsgefährdung des Instituts von den im Zusammenhang mit der Abwicklung getroffenen Maßnahmen unberührt bleibt. Damit verknüpft, sieht § 143 SAG – als Sollvorschrift – die Einsetzung eines Sonderprüfers zur Prüfung möglicher haftungsrelevanter Verantwortlichkeiten vor. 35 In der SRM-VO systematisch nicht überzeugend als Bestandteil der Abwicklungsziele (Art. 14 Abs. 2 Unterabs. 2 SRM-VO), im deutschen Umsetzungsrecht dagegen sinnvoll als Abwicklungsgrundsatz eingeordnet (§ 68 Abs. 1 Nr. 3 SAG) wird die Maßgabe, dass die Kosten der Abwicklung gering zu halten sind und eine unnötige Wertvernichtung zu vermeiden ist. Nach Art. 15 Abs. 1 lit. d SRM-VO (vgl. § 68 Abs. 1 Nr. 5 SAG) schließlich bleibt der in Art. 15 Abs. 1 lit. c SRM-VO (bzw. § 68 Abs. 1 Nr. 4 SAG) genannte Personenkreis zur Unterstützung der Abwicklungsmaßnahmen verpflichtet. Für grenzüberschreitende Insolvenzen in Gruppenlagen von Bedeutung ist Art. 15 Abs. 2 SRM-VO (vgl. § 68 Abs. 2 SAG), der die Abwicklungsbehörde in derartigen Konstellationen darauf verpflichtet, bei der Entscheidung über Abwicklungsmaßnahmen die Auswirkungen auf die Gruppe insgesamt, gruppenangehörige Unternehmen und die jeweils berührten Mitgliedstaaten möglichst gering zu halten. Art. 15 Abs. 4 SRM-VO (vgl. § 68 Abs. 3 SAG) schließlich regelt eine Informationspflicht gegenüber dem Betriebsrat des Unternehmens. 3.

Abwicklungsvoraussetzungen (Art. 18 Abs. 1, 4 und 5 SRM-VO, vgl. §§ 62 – 64 SAG)

a)

Überblick

36 Die Eingriffsvoraussetzungen für die Einleitung von Abwicklungsmaßnahmen werden im Unionsrecht ebenso wie im deutschen Umsetzungsrecht in recht komplexer Weise, nämlich unter Anknüpfung an drei nur eingeschränkt näher konkretisierte Rechtsbegriffe ausgestaltet: x

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den Ausfall bzw. wahrscheinlichen Ausfall des Instituts (Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 lit. a i. V. m. Abs. 4 SRM-VO, im deutschen Recht anschaulich als „Bestandsge-

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 fährdung“ bezeichnet, vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 63 SAG, siehe dazu Rz. 38 ff.), x

die Erforderlichkeit der Einleitung einer Abwicklungsmaßnahme anstelle eines insolvenzförmigen Liquidationsverfahrens (Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. c SRM-VO, vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SAG, siehe dazu Rz. 46 ff.) sowie

x

die Verhältnismäßigkeit in dem Sinne, dass die Bestandsgefährdung nicht durch andere Maßnahmen abgewendet werden kann (Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b SRMVO, vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SAG, siehe dazu Rz. 50 f.).

Die beiden letztgenannten Voraussetzungen sind dabei im deutschen Umsetzungsrecht – 37 entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der Verfassungs- und Verwaltungsrechtsdogmatik zur Verhältnismäßigkeitsprüfung – anders gereiht als im Unionsrecht; diese Systematik wird nachfolgend zugrunde gelegt. Das System der Eingriffsvoraussetzungen weicht konzeptionell grundsätzlich von den Insolvenzgründen in §§ 17 bis 19 InsO56) und vom Eingriffstatbestand des § 46 Abs. 1 KWG (siehe dazu § 17 Rz. 12 ff. [Binder]) ab. Neben dem Gesetzestext von praktischer Bedeutung sind die auf Art. 32 Abs. 6 BRRD gestützten EBA-Leitlinien zur Konkretisierung der Tatbestandsvoraussetzungen eines Ausfalls oder wahrscheinlichen Ausfalls.57) b)

Ausfall bzw. wahrscheinlicher Ausfall, Bestandsgefährdung (Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 lit. a, Abs. 4 SRM-VO, vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 63 SAG)

aa)

Grundlagen

Erste Voraussetzung für die Einleitung von Abwicklungsmaßnahmen ist nach Art. 18 38 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 lit. a SRM-VO, dass das betreffende Unternehmen „ausfällt oder wahrscheinlich ausfällt“; im deutschen Umsetzungsrecht wird dies (wie bereits in §§ 48a und 48b KWG i. d. F. des Restrukturierungsgesetzes von 2010)58) anschaulich mit dem Begriff der „Bestandsgefährdung“ zusammengefasst. In Art. 18 Abs. 4 Unterabs. 1 SRM-VO (vgl. § 63 SAG) werden diese Anforderungen unter Bezugnahme auf vier unterschiedliche, aber potentiell teilweise deckungsgleiche Kategorien näher ausdifferenziert. Insbesondere zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang die auf der Grundlage 39 des Art. 32 Abs. 6 BRRD erlassenen EBA-Leitlinien zur weiteren Konkretisierung der Begriffe des „Ausfalls“ bzw. des „wahrscheinlichen Ausfalls“ (siehe soeben Rz. 36), die von einem umfassenden Beurteilungsspielraum der Abwicklungsbehörden ausgehen und dabei neben Aspekten der Kapitalausstattung59) und der Liquiditätsposition60) auch sonstige zulassungsrelevante Aspekte, insbesondere organisatorische Mängel in die Betrachtung ein-

___________ 56) Richtig Thole, ZBB 2016, 57, 58. 57) EBA, Leitlinien zur Interpretation der Umstände, unter denen ein Institut gemäß Art. 32 Abs. 6 der Richtlinie 2014/59/EU als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist, v. 6.8.2015 (EBA/GL/2015/07). 58) Zu Einzelheiten insoweit näher Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 936 f.; Geier/Schmitt, BKR Sonderheft 2012, 1, 14 f.; Wolfers/Voland, WM 2011, 1159, 1164; ferner Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282. 59) Vgl. EBA, Leitlinien zur Interpretation der Umstände, unter denen ein Institut gemäß Art. 32 Abs. 6 der Richtlinie 2014/59/EU als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist, v. 6.8.2015 (EBA/GL/2015/07), Rz. 10, 15 ff. 60) Vgl. EBA, Leitlinien zur Interpretation der Umstände, unter denen ein Institut gemäß Art. 32 Abs. 6 der Richtlinie 2014/59/EU als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist, v. 6.8.2015 (EBA/GL/2015/07), Rz. 10, 19 ff.

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Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Banken

beziehen.61) Dies ist aus der Perspektive des deutschen Insolvenzrechts kritisiert worden,62) wobei allerdings nicht hinreichend gewürdigt wird, dass die in den Leitlinien63) akzentuierte Bedeutung der Ergebnisse des Supervisory Review and Evaluation Process (SREP, zu diesem näher § 13 Rz. 71 ff. [Glos]) die Rechtssicherheit tendenziell erhöht. Überdies entspricht die tatbestandliche Anknüpfung nicht lediglich an bilanzielle Überschuldung und an die Liquiditätsposition des betroffenen Unternehmens ganz der bisherigen Konzeption der aufsichtsrechtlichen Eingriffstatbestände in der finanziellen Krise nach § 46 Abs. 1 KWG (siehe dazu § 17 Rz. 18 ff. [Binder]). Dass die EBA-Leitlinien die Voraussetzungen ganzheitlich unter Einschluss auch organisatorischer Mängel definieren, mag aus insolvenzrechtlicher Sicht als Fremdkörper empfunden werden, ist aber nach alledem aus der Perspektive des deutschen Aufsichtsrechts kein konzeptioneller Bruch mit überkommenen Grundprinzipien. bb)

Einzelheiten

40 Ein Ausfall oder wahrscheinlicher Ausfall liegt nach Art. 18 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a SRMVO (vgl. § 63 Abs. 1 Nr. 1 SAG, Art. 32 Abs. 4 lit. a BRRD) zunächst im Falle des qualifizierten Verstoßes gegen die aufsichtsrechtlichen Voraussetzungen für die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb nach § 32 KWG (zu diesen im Überblick siehe § 3 Rz. 65 ff. [Binder]) vor. Konkret muss der Verstoß „in einer Weise“ vorliegen, „die den Entzug der Zulassung […] rechtfertigen würde“; mindestens müssen „objektive Anhaltspunkte dafür vor[liegen], dass dies in naher Zukunft der Fall sein wird“. Als besonders relevanten praktischen Anwendungsfall erwähnt der Wortlaut insoweit qualifizierte Verluste, die die Eigenmittelausstattung bedrohen. 41 Ebenso in Betracht kommen aber im Ausgangspunkt auch sonstige Fälle qualifizierter Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Anforderungen, etwa bei gravierenden organisatorischen Mängeln. Dies ist durchaus konsistent mit dem in den EBA-Leitlinien (siehe Rz. 36) zugrunde gelegten, auch organisatorische und operationelle Aspekte einbeziehenden Ansatz. Doch wird gerade bei Berücksichtigung anderer als „harter“ finanzieller Parameter besonders sorgfältig zu prüfen sein, ob der jeweilige Verstoß wirklich bereits die Aufhebung der Erlaubnis rechtfertigt, oder ob er – wie vielfach anzunehmen – durch mildere Maßnahmen, d. h. im Wege des frühzeitigen aufsichtsrechtlichen Eingreifens (siehe § 16 Rz. 20 ff., 102 ff., 131 ff. [Bauer-Weiler/Struckmann]) beseitigt werden kann.64) Dessen ungeachtet zeichnet sich der erste Auslösetatbestand im Vergleich mit dem allgemeinen Insolvenzrecht durch eine erhebliche Vorverlagerung der Eingriffsmöglichkeiten aus, die, wenn sich entsprechende gravierende Defizite tatsächlich hinreichend früh erkennen lassen, bereits die Einleitung idealtypisch systemschonender Abwicklungsmaßnahmen zu einem Zeitpunkt ermöglichen sollten, in dem das Institut noch nicht zahlungsunfähig bzw. überschuldet ist. 42 Eher auf dem Boden der tradierten Insolvenzgründe bewegen sich demgegenüber die weiteren Auslösetatbestände der zweiten und dritten Gruppe, die an die bereits eingetretene oder in naher Zukunft zu erwartende Überschuldung des betreffenden Instituts (Art. 18 ___________ 61) Vgl. EBA, Leitlinien zur Interpretation der Umstände, unter denen ein Institut gemäß Art. 32 Abs. 6 der Richtlinie 2014/59/EU als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist, v. 6.8.2015 (EBA/GL/2015/07), Rz. 10, 24 ff. 62) Deutlich Thole, ZBB 2016, 57, 59 („beinahe ungefiltertes Ermessen“). 63) Vgl. insb. EBA, Leitlinien zur Interpretation der Umstände, unter denen ein Institut gemäß Art. 32 Abs. 6 der Richtlinie 2014/59/EU als ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend zu betrachten ist, v. 6.8.2015 (EBA/GL/2015/07), Rz. 27 ff. 64) Steck/Petrowsky, DB 2015, 1391, 1394.

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. b SRM-VO, vgl. § 63 Abs. 1 Nr. 2 SAG) sowie an die eingetretene oder bevorstehende Zahlungsunfähigkeit (Art. 18 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. c SRM-VO, vgl. § 63 Abs. 1 Nr. 2 SAG) anknüpfen. Auch hier zeigt allerdings schon die Erstreckung auf Fälle der bevorstehenden Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit, dass die Abwicklung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt – und das heißt vor dem Eintritt der Insolvenzreife i. e. S. – ermöglicht werden soll.65) Akzeptiert man dies, verschwimmen zwangsläufig die Grenzen zwischen beiden Tatbeständen und sind erhebliche Prognose- und Bewertungsspielräume zugunsten der Abwicklungsbehörden anzuerkennen. Dies erklärt, warum die EBA-Leitlinien (siehe Rz. 36) ein sehr breites Spektrum relevanter Parameter identifizieren, ohne deutlich zwischen der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit zu differenzieren.66) Aus der Perspektive des deutschen Rechts ist eine Anlehnung an die zu den Insolvenzgründen – einschließlich der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) – entwickelten Auslegungsgrundsätze des deutschen Insolvenzrechts schon deshalb nur eingeschränkt möglich. Sie ist auch deshalb nicht sinnvoll, weil die Ausgangslage eine gänzlich andere ist: Im Gegensatz zu ggf. antragsbefugten Gläubigern im Insolvenzverfahren (vgl. § 14 Abs. 1 InsO) verfügen Aufsichts- und Abwicklungsbehörden jedenfalls potentiell über eingehende Detailinformationen nicht nur zur finanziellen Position der Institute, sondern auch über ggf. sonst bewertungsrelevante Parameter.67) Ebenfalls im Unterschied zur Funktion der Insolvenzgründe68) geht es bei den Auslösetatbeständen für Abwicklungsmaßnahmen auch nicht nur darum, den Zeitpunkt möglichst genau einzustellen, in dem das Unternehmensvermögen im Interesse der Gläubigergesamtheit beschlagnahmt und der Gesamtverwertung zugeführt werden soll. Weil das Abwicklungsrecht als Alternative zum tradierten Insolvenzrecht in allererster Linie dem Schutz der Systemstabilität und somit öffentlichen Schutzgütern verpflichtet ist, ist es gerechtfertigt, bereits frühzeitig und auf der Basis aller den Behörden verfügbaren Informationen Abwicklungsmaßnahmen zu ermöglichen, auch wenn dies für die Geschäftsleiter ebenso wie die Anteilseigner ggf. mit größerer Rechtsunsicherheit einhergeht.69) Ohnedies lassen sich die für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Nichtbankge- 43 schäft entwickelten allgemeinen Kriterien nicht ohne Berücksichtigung der banktypischen Fristentransformation auf Kreditinstitute übertragen. Ein Abstellen auf die Fälligkeit der Verbindlichkeiten als solche verbietet sich daher im Kontext der Bankeninsolvenz von vornherein; vielmehr ist auf eine Prognose der voraussichtlich zu erwartenden Geltendmachung von (Rück-)Zahlungsansprüchen abzustellen.70) Der damit umrissene, von erheblichen Beurteilungsspielräumen der Aufsichts- und Abwicklungsbehörden gekennzeichnete Auslegungsansatz entspricht schon vor der Krise international etablierten Standards;71) er prägt erkennbar auch die EBA-Leitlinien, an denen sich nicht nur die deutschen, sondern auch die Behörden in anderen Mitgliedstaaten sowie das SRB orientieren werden. Eine erhebliche Ausdehnung der Eingriffstatbestände regelt Art. 18 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. d 44 SRM-VO (entsprechend § 63 Abs. 2 Satz 1 SAG, Art. 32 Abs. 4 lit. d BRRD), wonach ___________ 65) Deutlich in diesem Sinne ErwG 41 BRRD (gleichsinnig ErwG 59 SRM-VO); vgl. auch ErwG 53 BRRD, der die Bedeutung „rasche[r] […] Maßnahmen“ betont, „um das Marktvertrauen zu erhalten und die Ansteckung so gering wie möglich zu halten“. 66) Insofern zutr. Thole, ZBB 2016, 57, 59. 67) Vgl. allgemein auch bereits Hadjiemmanuil in: Mayes/Liuksila, Who Pays for Bank Insolvency?, S. 272, 298. 68) Vgl. bündig Uhlenbruck-Mock, InsO, § 16 Rz. 1 ff. 69) Zu krit. daher – aus insolvenzrechtlicher Perspektive – Thole, ZBB 2016, 57, 59. 70) Binder, Bankeninsolvenzen, S. 157 f. 71) S. nochmals auch bereits Hadjiemmanuil in: Mayes/Liuksila, Who Pays for Bank Insolvency?, S. 272, 297 f.

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auch die Notwendigkeit einer „außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln“ als Fall des Ausfalls eingeordnet wird. Davon ausdrücklich ausgenommen sind allerdings gemäß Art. 18 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. d (i – iii) SRM-VO (vgl. § 63 Abs. 2 Satz 2 SAG) Zuwendungen in Form x

„einer staatlichen Garantie für Liquiditätsfazilitäten, die von Zentralbanken zu deren Bedingungen bereitgestellt werden,

x

einer staatlichen Garantie aus neu emittierten Verbindlichkeiten oder

x

einer Zufuhr von Eigenmitteln oder des Kaufs von Kapitalinstrumenten zu das Unternehmen nicht begünstigenden Preisen und Bedingungen“, wenn das betreffende Unternehmen im fraglichen Zeitpunkt nicht anderweitig als „ausfallend“ oder „wahrscheinlich ausfallend“ zu qualifizieren ist.

45 Insbesondere mit der letzten Variante (Zuführung von Eigenkapital oder Kauf von Kapitalinstrumenten, sog. präventive Rekapitalisierung) werden dabei Unterstützungsmaßnahmen in den Blick genommen, für die das deutsche Recht – nach Auslaufen der einschlägigen Kompetenzen nach dem Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (vgl. § 13 Abs. 1 FMStFG) – gegenwärtig keine ausdrückliche Rechtsgrundlage mehr kennt. Die Unterstützung wird dabei in Art. 18 Abs. 4 Unterabs. 2 SRM-VO (vgl. § 63 Abs. 2 Nr. 3 SAG) an konkrete Zulässigkeitsschranken gebunden, die die korrespondierenden unionsrechtlichen Vorgaben umsetzen.72) c)

Erforderlichkeit im Vergleich mit der insolvenzförmigen Liquidation (Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. c, Abs. 5 SRM-VO, vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SAG)

46 Der Anwendungsbereich der „Abwicklung“ i. S. der BRRD – und folglich auch des SAG – ist konzeptionell von vornherein auf Fälle beschränkt, in denen tradierte Verfahren und Maßnahmen zur Insolvenzbewältigung aufgrund der ihnen eigenen Schwächen und Leistungsgrenzen die Abwicklungsziele nicht in gleicher Weise erreichen können. Der Charakter des neuen Abwicklungsregimes als ultima ratio zur Anwendung bei systemrelevanten Banken (siehe schon Rz. 2 ff.) gelangt besonders deutlich bereits in den Erwägungsgründen der BRRD zum Ausdruck, die explizit klarstellen, dass die Liquidation eines insolvenzreifen Kreditinstituts die Regel bleiben und die Alternative einer „Abwicklung“ als Ausnahme (nur) dann in Betracht gezogen werden soll, wenn anderenfalls systemische Ansteckungsrisiken drohen.73) Tatbestandlich umgesetzt wird dies mit dem Erfordernis, dass Abwicklungsmaßnahmen „im öffentlichen Interesse erforderlich“ sein müssen. Gemäß Art. 18 Abs. 5 SRM-VO (gleichsinnig § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SAG, entsprechend Art. 32 Abs. 5 BRRD) ist dies nur dann zu bejahen, wenn die betreffende Maßnahme „für das Erreichen eines oder mehrerer der in Art. 14 SRM-VO genannten Abwicklungsziele notwendig und mit Blick auf diese Ziele verhältnismäßig ist und wenn dies bei einer Liquidation des Unternehmens im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens nicht im selben Umfang der Fall wäre“ (sog. Public-Interest-Test). 47 Der damit begründete Vorrang tradierter Verfahren zur Insolvenzbewältigung bei Kreditinstituten – im deutschen Recht: der Kombination aus aufsichtsrechtlichem Moratorium gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 – 6 KWG und nachfolgender Einleitung eines Regelin___________ 72) S. dazu auch Binder, ZBB 2017, 57, 69 f.; zu den beihilferechtlichen Vorgaben näher Immenga/ Mestmäcker-Binder, EU-Wettbewerbsrecht, Bd. 5: Beihilfenrecht, Rz. 70 (im Erscheinen). 73) Unmissverständlich insoweit ErwG 45 Satz 2 BRRD: „Ein ausfallendes Institut sollte in der Regel nach den regulären Insolvenzverfahren abgewickelt werden“. Vgl. auch ErwG 46 Satz 1 BRRD: „Die Liquidation eines ausfallenden Instituts i. R. eines regulären Insolvenzverfahrens sollte stets ins Auge gefasst werden, bevor Abwicklungsinstrumente angewendet werden.“

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 solvenzverfahrens (siehe dazu § 17 Rz. 12 ff., 48 ff. [Binder]) – lässt sich nicht zuletzt auch mit den drastischen Auswirkungen des Abwicklungsrechts auf die Rechtsposition der Gläubiger rechtfertigen. Diese fällt ungeachtet aller Schutzinstrumente schon im Hinblick auf den Ausschluss von jeder Art der Mitwirkung bei der Entscheidungsfindung über die Abwicklungsstrategie deutlich schwächer aus als im tradierten Insolvenzrecht, was im Interesse der Abwendung von Systemrisiken gerechtfertigt erscheinen mag, aber der Rechtfertigung entbehrt, wenn dieses Ziel – mangels Systemrelevanz des betroffenen Instituts – auch im tradierten Verfahren erreicht werden kann.74) Die Regelung dient damit inhaltlich nicht zuletzt der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf den Gläubigerschutz, denn für Anteilsinhaber oder Geschäftsleiter werden die Folgen eines regulären Insolvenzverfahrens in aller Regel kaum anders ausfallen als in einer Abwicklung nach dem SAG. Die Einschätzung, dass eine insolvenzförmige Liquidation des betreffenden Instituts auf- 48 grund seiner Größe, seiner Komplexität und/oder seiner Vernetzung mit systemischen Ansteckungsrisiken verbunden wäre, ist damit ein zentraler Bestandteil der Abwicklungsvoraussetzungen; hier tritt die faktische Beschränkung des Anwendungsbereichs des Abwicklungsregimes auf Fälle systemrelevanter Institute am deutlichsten zutage. Wenn derartige Gefahren nicht bestehen (insbesondere in Fällen kleinerer oder mittlerer Institute in ansonsten ruhigem Marktumfeld), soll es bei der Anwendung autonomen (Banken-)Insolvenzrechts bleiben, das lediglich insoweit harmonisiert wird, als die BRRD einheitliche Grundsätze für aufsichtsrechtliche Vorfeldmaßnahmen vor der eigentlichen Verfahrenseinleitung aufstellt.75) Bereits die BRRD gibt bei alledem – nicht anders als der Wortlaut des deutschen Umset- 49 zungsrechts („bei einer Liquidation im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens“) – deutlich zu erkennen, dass die (verbleibende) Funktion des allgemeinen Insolvenzrechts allein in der verfahrensförmigen Liquidation gesehen wird,76) obwohl der jeweils in Bezug genommene Rechtsbegriff des „regulären Insolvenzverfahrens“ offen definiert ist.77) Die Möglichkeit der verfahrensförmigen Sanierung, in Deutschland etwa im Insolvenzplanverfahren nach §§ 217 ff. InsO oder gar der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO, wird von vornherein ausgeblendet. Dies mag aus insolvenzrechtlicher Perspektive verwundern.78) Eben weil allerdings bereits mit der Eröffnung dieser Verfahren systemische Verwerfungen drohen, ist diese Konzeption plausibel. Zu berücksichtigen, wenn auch für die Praxis in Deutschland bislang ohne Belang, ist allerdings, dass der „Public-Interest-Test“ in den bislang im SRM entschiedenen Fällen wiederholt dazu genutzt worden ist, den Weg in eine Liquidation nach mitgliedstaatlichem Sonderrecht zu eröffnen, in dessen Rahmen dann auch staatliche Abwicklungsbeihilfen gewährt worden sind.79) Faktisch ist ___________ 74) Dazu näher Binder in: FS Pannen, S. 21 ff., zusammenfassend S. 40. 75) S. zu diesem – hier nicht näher zu verfolgenden – Aspekt i. E. Artt. 27 – 30 BRRD („frühzeitiges Eingreifen“), Art. 13 SRM-VO („Frühintervention“) und dazu näher § 16 Rz. 102 ff. [Bauer-Weiler/ Struckmann]. Das deutsche Umsetzungsrecht enthält deckungsgleiche Regelungen in §§ 36 ff. SAG; eine Konsolidierung mit den Eingriffsinstrumenten nach §§ 45, 45c, 46 KWG ist damit misslicherweise unterblieben. 76) Deutlich nochmals ErwG 45, 46 und 49 sowie Art. 32 Abs. 1 lit. c i. V. m. Abs. 5, vgl. ferner ErwG 14, 50, 71; Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1; Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1; Art. 34 Abs. 1 lit. g; Art. 37 Abs. 6; Art. 41 Abs. 8 BRRD. Unklar insoweit Thole, ZBB 2016, 57, 60, der – ohne Diskussion der Richtlinienvorgaben – ausdrücklich auf andere Verfahrensergebnisse als die Liquidation hinweist. 77) Vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 47 BRRD. 78) In diese Richtung etwa die rechtspolitischen Bedenken gegenüber der Sonderbehandlung der Insolvenz im deutschen Recht vor dem Inkrafttreten der BRRD bei Amend, ZIP 2009, 589 ff., insb. 595 ff.; Flessner, ÖBA 2010, 655 ff.; Frind, ZInsO 2010, 1921 ff. 79) U. a. in den italienischen Fällen Banca Popolare di Vicenza und Veneto Banca; s. dazu näher Binder in: Chiti/Santoro, The Palgrave Handbook of European Banking Union Law, S. 299, 305 ff. m. w. N.

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das Erfordernis damit bislang (auch) als Instrument einzuordnen, das Eingreifen von Abwicklungsmaßnahmen – und damit insbesondere auch der restriktiven Vorgaben des Abwicklungsrechts für die Verlusttragung durch Gläubiger – zu vermeiden. d)

Verhältnismäßigkeit im Vergleich mit Maßnahmen geringerer Eingriffsintensität (Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b, vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SAG)

50 Im Unterschied zum „Public-Interest-Test“ geht es bei der weiteren Einschränkung in Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b (gleichsinnig § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SAG, vgl. Art. 32 Abs. 1 lit. b BRRD) nicht um die funktionale Abgrenzung zwischen der Abwicklung nach dem SAG einerseits und der insolvenzförmigen Liquidation andererseits.80) Indem hier die Zulässigkeit von Abwicklungsmaßnahmen an die zusätzliche Voraussetzung geknüpft wird, dass sich die Bestandsgefährdung nicht ebenso sicher durch andere Maßnahmen als durch Abwicklungsmaßnahmen beseitigen lässt, soll erkennbar sichergestellt werden, dass auch bei als systemrelevant einzustufenden Instituten vor der Abwicklung geprüft wird, ob sich das Schutzziel der Abwendung einer Systemgefährdung auf andere Weise erreichen lässt. Konkret werden dabei sowohl Maßnahmen „des privaten Sektors, einschließlich Maßnahmen durch ein institutsbezogenes Sicherungssystem“, als auch „Maßnahmen der Aufsichtsbehörden (einschließlich Frühinterventionsmaßnahmen oder Herabschreibung oder Umwandlung von relevanten Kapitalinstrumenten)“ erwähnt. Auch hier geht es inhaltlich um einen Verhältnismäßigkeitstest. Damit lenkt das Abwicklungsrecht den Blick auf Maßnahmen geringerer Eingriffsintensität, die potentiell für die Anteilsinhaber ebenso wie für alle betroffenen Stakeholder – Gläubiger, Finanzmarktinfrastruktur, indirekt betroffene Marktteilnehmer, Realwirtschaft – mit weniger einschneidenden Konsequenzen verbunden sind. 51 Die Regelung stellt damit ausdrücklich klar, dass legitimer- und sinnvollerweise zunächst (wie in der Vergangenheit mehrfach geschehen) privatwirtschaftliche Auffanglösungen ausgelotet werden können (und gerade angesichts der oben dargestellten Unwägbarkeiten werden sollten, siehe Rz. 11 ff.), bevor mit Maßnahmen des frühzeitigen Eingreifens oder schlussendlich im Wege der Abwicklung reagiert wird. Der Hinweis in Art. 18 Abs. 3 SRM-VO (gleichsinnig § 62 Abs. 1 Satz 2 SAG), dass die vorhergehende Anwendung von Maßnahmen des frühzeitigen Eingreifens keine Anwendungsvoraussetzung für Abwicklungsmaßnahmen ist, steht dazu nicht im Widerspruch, sondern stellt bei sachgerechter Auslegung lediglich klar, dass dann, wenn die Schieflage eines systemrelevanten Instituts überraschend eintritt oder erst spät diagnostiziert wird, nicht zwingend zunächst mildere Mittel erprobt werden müssen, wenn bereits absehbar ist, dass diese nicht mehr ausreichen, um die eingetretene Gefahrenlage zu beseitigen. e)

Besonderheiten in Gruppenlagen (Art. 16 SRM-VO, § 64 SAG)

52 Art. 16 SRM-VO (vgl. § 64 SAG, Art. 33 BRRD) modifiziert die Abwicklungsvoraussetzungen für die Anwendung in Gruppenlagen. Art. 16 Abs. 1 SRM-VO stellt für die Abwicklung von gruppenzugehörigen Finanzinstituten darauf ab, ob die Abwicklungsvoraussetzungen sowohl in Bezug auf das Finanzinstitut als auch beim Mutterunternehmen erfüllt sind.81) Für die Abwicklung von Mutterunternehmen kommt es nach Absatz 2 darauf an, ob die Abwicklungsvoraussetzungen sowohl beim Mutterunternehmen als auch ___________ 80) Diesen Zusammenhang zu wenig berücksichtigend Thole, ZBB 2016, 57, 60, der – systematisch letztlich nicht überzeugend – erwägt, auch das reguläre Insolvenzverfahren als „milderes Mittel“ i. S. des § 62 Abs. 1 Satz 2 SAG einzustufen und dies nur im Ergebnis zutr. unter Hinweis auf § 62 Abs. 1 Nr. 2 SAG ablehnt. 81) Zur Terminologie und zu den zugrunde liegenden Regelungskonzepten § 5 Rz. 6 ff. [Nemeczek/Pitz].

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 bei einem oder mehreren gruppenzugehörigen Instituten erfüllt sind. Absatz 3 erweitert dies auf Fälle, in denen zwar das Mutterunternehmen die Abwicklungsvoraussetzungen nicht erfüllt, aber von der Insolvenz eines oder mehrerer Tochterinstitute eine Gefahr für ein gruppenzugehöriges Institut oder die Gruppe als Ganzes ausgeht. Insgesamt können damit auch die Holdinggesellschaften in Abwicklungsmaßnahmen einbezogen werden, so dass der das Aufsichtsrecht prägende Konsolidierungsansatz auch auf der Abwicklungsebene nachvollzogen und eine Gruppenabwicklung ermöglicht wird. 4.

Abwicklungsbefugnisse und Abwicklungsinstrumente

a)

Abwicklungsbefugnisse

aa)

Systematik

Die unionsrechtlichen Vorgaben der BRRD spezifizieren – im Unterschied zur SRM-VO82) 53 – in den Artt. 38 ff. für die einzelnen Abwicklungsinstrumente die im jeweiligen Zusammenhang zulässigen hoheitlichen Maßnahmen zunächst nur in Grundzügen. Die korrespondierenden Eingriffsbefugnisse sind als sog. „Abwicklungsbefugnisse“ – in der Richtlinie gewissermaßen „hinter die Klammer gezogen“ – in einem eigenständigen Kapitel V i. R. des Titels IV der Richtlinie („Abwicklung“) geregelt. Die darin enthaltenen, äußerst detaillierten Vorgaben reichen von „allgemeinen Befugnissen“ (Art. 63 BRRD, vgl. auch Art. 72 zu allgemeinen Vorgaben über die „Wahrnehmung der Abwicklungsbefugnisse“) über „zusätzliche Befugnisse“ (Art. 64 BRRD), die „Befugnis, die Bereitstellung von Diensten und Einrichtungen [scil. durch den übertragenden Rechtsträger] zu verlangen“ (Art. 65 BRRD), Befugnisse im Zusammenhang mit der Koordination grenzüberschreitender Abwicklungsmaßnahmen (Artt. 66 und 67 BRRD) bis hin zur Befugnis zu Eingriffen in bestimmte Rechtsverhältnisse (Artt. 69 – 71 BRRD), die teils für mehrere Abwicklungsinstrumente, teilweise aber auch nur für einzelne von Bedeutung sind. Inhaltlich handelt es sich dabei insgesamt um einen heterogenen Katalog von Einzelmaßnahmen, der sich zum Teil in der Vorgabe erschöpft, die zuständigen Behörden seien mit denjenigen Befugnissen auszustatten, die für die Durchsetzung der zuvor geregelten Abwicklungserfordernisse notwendig sind.83) Der deutsche Umsetzungsgesetzgeber hat die vorgenannten Eingriffskompetenzen im SAG 54 demgegenüber in weiterem Umfang unmittelbar in die einzelnen Vorschriften zu den Abwicklungsinstrumenten integriert und i. Ü. vor die Klammer gezogen und vor den Abwicklungsinstrumenten geregelt (vgl. i. E. §§ 78 ff. SAG). Ungeachtet des anderen systematischen Ansatzes handelt es sich auch hier nicht um eigenständige Kompetenzen, die neben der Anwendung der eigentlichen Abwicklungsinstrumente zur Anwendung gelangen können, sondern um darauf bezogene Eingriffskompetenzen, die zu deren Durchsetzung geschaffen wurden.84) Nach den allgemeinen Grundsätzen über die Kompetenzverteilung und die Bewältigung von Normkonkurrenzen zwischen SRM-VO und nationalem Umsetzungsrecht zur BRRD im SRM (siehe oben Rz. 9 f.) machen diese Vorschriften den Hauptanwendungsbereich des SAG aus. ___________ 82) Vgl. demgegenüber knapp Art. 29 SRM-VO, der lediglich auf die in Umsetzung der Richtlinie eingeräumten Kompetenzen der nationalen Abwicklungsbehörden verweist. 83) Besonders deutlich insoweit Art. 63 Abs. 1 BRRD. 84) Dies ergibt sich im deutschen Umsetzungsrecht eindeutig aus einer Gesamtschau der §§ 1, 2 Abs. 3 Nr. 1, 77 Abs. 1 Nr. 2 SAG; vgl. für das Unionsrecht nochmals Art. 63 Abs. 1 („Befugnisse, um die Abwicklungsinstrumente […] anzuwenden“). Irrig daher Thole, ZBB 2016, 57, 61, der – ohne Auseinandersetzung mit dem systematischen Zusammenhang und den unionsrechtlichen Vorgaben – von selbständigen Kompetenzen ausgeht.

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§ 18 bb)

Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Banken Einzelheiten

55 Besonders zu erwähnen sind zunächst umfassende Informations- und Kooperationspflichten des betroffenen Unternehmens (vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie § 78 SAG), die das in Abwicklung befindliche Unternehmen in die Durchführung der Abwicklungsmaßnahmen einbeziehen. Damit kann die Abwicklungsbehörde insbesondere auf dessen organisatorische Ressourcen zugreifen. Als besonders bedeutsam gerade auch in diesem Zusammenhang dürften sich die in § 86 SAG (entsprechend Art. 72 BRRD) geregelten besonderen Kontrollbefugnisse der Abwicklungsbehörde und insbesondere das Institut der Sonderverwaltung erweisen. Ein Sonderverwalter kann nach § 87 SAG (entsprechend Art. 35 BRRD) zur Ersetzung der Geschäftsleitung und des Aufsichts- und Verwaltungsorgans des betroffenen Instituts sowie gruppenangehöriger Unternehmen bestellt werden und ermöglicht der Abwicklungsbehörde die effektive Kontrolle über den (restlichen) Geschäftsbetrieb desselben. Mit der Bestellung eines Sonderverwalters endet die ggf. bestehende Bestellung eines vorläufigen Verwalters nach § 38 SAG (siehe § 16 Rz. 203 ff. [Bauer-Weiler/Struckmann]) oder eines Sonderverwalters nach § 45c KWG (siehe § 16 Rz. 40 ff. [Bauer-Weiler/Struckmann]). 56 Dazu kommen eine Befugnis zur Umgestaltung privatrechtlicher Rechtsverhältnisse zwischen dem betroffenen Unternehmen und seinen Gegenparteien zwecks Erleichterung der Abwicklungsanordnungen (§ 79 SAG, entsprechend Art. 65 BRRD) sowie detaillierte Kompetenzen zur Aussetzung bzw. Beschränkung von vertraglichen Pflichten und Sicherungsarrangements mit den Gegenparteien des betroffenen Unternehmens. In deren Rahmen kann die Abwicklungsbehörde eine Aussetzung für alle oder für einzelne Zahlungs- und Lieferverpflichtungen des betroffenen Unternehmens ab der Bekanntgabe der Aussetzung bis zum Ablauf des darauffolgenden Geschäftstages anordnen (§ 82 Abs. 1 Satz 1 SAG). Dabei sind allerdings gemäß Satz 2 der Vorschrift „die möglichen Auswirkungen auf das ordnungsgemäße Funktionieren des Finanzmarktes zu berücksichtigen“; von vornherein von der Aussetzung ausgenommen sind gemäß § 82 Abs. 2 SAG entschädigungsfähige Einlagen (Nr. 1), Zahlungs- und Lieferverpflichtungen gegenüber Betreibern von Finanzmarktinfrastruktur und Zentralbanken (Nr. 2) sowie entschädigungspflichtige Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften i. S. des § 4 des Anlegerentschädigungsgesetzes (Nr. 3). 57 Sowohl die Pflicht zur „Berücksichtigung“ möglicher Auswirkungen auf die Finanzstabilität als auch die Ausnahmen nach § 82 Abs. 2 SAG zeigen bereits deutlich, dass die Aussetzung von Pflichten auch nur für kurze Zeiträume außerordentlich sensibel ist. Mit ihr rücken die Wirkungen von Abwicklungsmaßnahmen an die mit der Eröffnung tradierter Insolvenzverfahren sowie mit dem aufsichtsrechtlichen Moratorium einhergehenden Effekte und mithin an die damit verbundene Zäsurwirkung der Verfahrenseinleitung heran, die oben (siehe Rz. 4) als zentrales Funktionsdefizit der tradierten Insolvenzbewältigung für die Bewältigung der Insolvenz systemrelevanter Banken identifiziert wurde. Die Abwicklungsbehörden sind gut beraten, im Interesse der Vermeidung adverser Marktreaktionen und einer Auslösung von Cross-default-Klauseln die möglichen Auswirkungen einer Aussetzung sorgfältig zu prüfen und davon zurückhaltend Gebrauch zu machen. In erster Linie wird eine Aussetzung in Betracht kommen, wenn sich – etwa bei abgeschlossenen Vorbereitungen für eine Übertragung der betreffenden Rechtsverhältnisse auf einen privatwirtschaftlichen Erwerber oder ein Brückeninstitut (siehe dazu Rz. 59 ff.) – für die betroffenen Gegenparteien sehr zeitnah Rechtssicherheit hinsichtlich ihrer Positionen herstellen lässt. Entsprechende Überlegungen gelten auch für die in § 83 SAG (entsprechend Art. 70 BRRD) geregelte Befugnis zur – wiederum auf einen Geschäftstag beschränkten – Aussetzung von Sicherungsrechten für Forderungen Dritter, die in § 83 Abs. 2 SAG eben-

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 falls privilegierte Gegenparteien (Finanzmarktinfrastruktur und Zentralbanken) von vornherein ausnimmt. Auch und besonders auf die in § 84 SAG (entsprechend Art. 71 BRRD) geregelte Befugnis 58 zur Aussetzung vertraglicher Beendigungsklauseln – insbesondere des vertraglich vereinbarten Close-out-Nettings in Rahmenverträgen85) – lassen sich die vorstehenden Überlegungen übertragen. Auch hier gilt eine Bereichsausnahme für die genannten Gegenparteien (§ 84 Abs. 4 SAG); zudem ist hier die Aussetzung nur dann zulässig, wenn die betreffenden Positionen nicht auf einen übernehmenden Rechtsträger übergehen (und damit Verlustrisiken ausgeschlossen sind) oder wenn sie in einen Bail-in einbezogen werden (§ 84 Abs. 5 SAG). Das Aussetzungsrecht wird hier auch auf Positionen gegenüber gruppenangehörigen Unternehmen erstreckt (zu Einzelheiten: § 84 Abs. 2 SAG). Die genannten Regelungen stehen im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 144 SAG, die auf die Einleitung von Abwicklungsmaßnahmen bezogene „Kündigungs-, Aussetzungs-, Änderungs-, Zurückbehaltungs-, Verrechnungs- oder Aufrechnungsrechte“ gegenüber dem betroffenen Institut ausschließt, soweit dieses seine Pflichten aus dem Vertrag, einschließlich Zahlungs- und Leistungspflichten sowie die Pflicht zur Stellung von Sicherheiten, weiter erfüllt. Insgesamt soll damit sichergestellt werden, dass es nur dann zur Beendigung der Kontrakte kommt, wenn die Abwicklung tatsächlich mit Verlusten für die Gegenpartei verbunden ist, jedoch nicht bereits mit Blick auf das mit der Einleitung verbundene, nur abstrakte Risiko.86) b)

Übertragung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten auf einen privaten Erwerber bzw. ein Brückeninstitut (Artt. 22 Abs. 2 lit. a und b, 24 und 25 SRM-VO, vgl. §§ 107 ff. SAG)

aa)

Systematik und wesentliche Bestimmungen

Im Unterschied zum erst 2010 eingeführten früheren deutschen Recht, das die Übertragung 59 von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten auf einen privaten Erwerber ebenso als Fall der Übertragungsanordnung (§§ 48a ff. KWG) regelte wie die Übertragung auf ein Brückeninstitut i. S. von § 5 des Restrukturierungsfondsgesetzes,87) differenzieren die SRM-VO und die BRRD zwischen den beiden Alternativen. Die Übertragung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten vom insolvenzreifen Institut auf einen privaten Erwerber – grundsätzlich gegen eine am Marktwert der übertragenen Vermögenspositionen orientierte Vergütung88) – ist als „Instrument der Unternehmensveräußerung“ definiert in Art. 3 Abs. 1 Nr. 30 SRM-VO (Art. 2 Abs. 1 Nr. 58 BRRD) und wird i. E. in Artt. 22 Abs. 2 lit. a, 24 ___________ 85) Näher zu diesem Problemkreis Binder in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Rz. 52, 56 ff.; besonders eingehend Benzler/Hissnauer in: Binder/Singh, Bank Resolution, S. 77 ff.; Fried in: Zerey, Finanzderivate, §§ 16 – 18; Köhling in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. VI; zur Neuregelung der insolvenzrechtlichen Rahmenbedingungen in diesem Zusammenhang auch Lehmann/Flöther/Gurlit, WM 2017, 597 ff. 86) S. zu Einzelheiten Binder in: Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Rz. 58; Fried in: Zerey, Finanzderivate, § 17; Köhling in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. VI Rz. 31 ff. 87) Gesetz zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute -Restrukturierungsfondsgesetz (RStruktFG), v. 9.12.2010, BGBl. I 2010, 1900, 1921. 88) „Kommerzielle Bedingungen“, vgl. für die Veräußerung an private Erwerber Art. 24 Abs. 2 lit. b SRM-VO, §§ 111, 112, 126 Abs. 2 SAG. Zu Ausnahmen insoweit: § 126 Abs. 3 SAG (entsprechend Art. 39 Abs. 3 BRRD); s. hierzu EBA, Leitlinien zu den konkreten Umständen, die zu einer wesentlichen Bedrohung der Finanzstabilität führen, sowie zu den Aspekten hinsichtlich der Effektivität des Instruments der Unternehmensveräußerung nach Art. 39 Absatz 4 der Richtlinie 2014/59/EU, v. 7.8.2015 (EBA/GL/ 2015/04).

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§ 18

Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Banken

SRM-VO ausgestaltet, wobei hinsichtlich der Einzelheiten auf die BRRD und das nationale Umsetzungsrecht verwiesen wird.89) 60 Das „Instrument des Brückeninstituts“ – im deutschen Recht: „Instrument der Übertragung auf ein Brückeninstitut“ – wird sodann in Artt. 3 Abs. 1 Nr. 31, 22 Abs. 2 lit. b, 25 SRM-VO90) eigenständig erfasst. Ein wesentlicher Unterschied zur früheren Rechtslage in Deutschland liegt darin, dass sich beide Instrumente nicht nur für die Übertragung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten, sondern auch für die Übertragung von „Anteilen oder anderen Eigentumstiteln“ einsetzen lassen (vgl. § 107 Abs. 2 SAG).91) Die deutsche Umsetzung trägt dieser Erweiterung des Anwendungsbereichs naturgemäß Rechnung, behält i. Ü. aber den für die –wieder abgeschafften92) – §§ 48a ff. KWG i. d. F. von 2010 charakteristischen Regelungsansatz eines weitestmöglichen Gleichlaufs zwischen der Übertragung an Private und auf Brückenbanken bei. Angesichts der Parallelen zwischen den Übertragungsmechanismen93) ist das an sich sinnvoll und der Übersichtlichkeit dienlich, doch schlagen diese Vorteile angesichts des Anwendungsvorrangs der Vorschriften der SRM-VO (siehe oben Rz. 10) für die Praxis ins Gegenteil um. 61 Die Regelungssystematik des deutschen Rechts stellt sich zusammenfassend wie folgt dar: Das SAG sieht zunächst, quasi als „Allgemeinen Teil“, in Kap. 2, Abschnitt 2, Unterabschnitt 1 (§§ 107 – 125 SAG) für alle Übertragungsvorgänge gleichermaßen anwendbare Vorschriften vor. In zwei Unterabschnitten werden sodann zunächst Sonderregeln für die „Unternehmensveräußerung“ an einen privaten Erwerber (§§ 126 – 127 SAG) und für die Übertragung auf ein „Brückeninstitut“ (§§ 128 – 131 SAG) vorgesehen. Ebenfalls einbezogen, aber mit Rücksicht auf die konzeptionellen Besonderheiten hier zunächst zurückzustellen ist der Fall der Übertragung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten auf eine „Vermögensverwertungsgesellschaft“ (§§ 132 – 135 SAG, siehe dazu noch unten Rz. 71 ff.). 62 Im Mittelpunkt der unionsrechtlichen Regelungen und der Umsetzungsgesetzgebung stehen insoweit Regeln für das Verfahren der Übertragung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten und deren materielle Wirkungen.94) In jedem Fall erforderlich ist – wie bereits nach § 48c Abs. 3 und 4 KWG – die Einwilligung des übernehmenden Rechtsträgers (vgl. § 109 SAG). Wie schon im bisherigen deutschen Recht (vgl. § 48j und § 48k KWG) sind in beiden Fällen sowohl eine partielle und sukzessiv gestaffelte Übertragung95) als auch eine spätere Rückübertragung ursprünglich übertragener Vermögenswerte ___________ 89) Vgl. i. E. Artt. 37 Abs. 3 lit. a, 38 und 39 BRRD; im deutschen Recht s. die allgemeinen Vorgaben der § 107 Abs. 1 lit. a SAG, §§ 108 ff. SAG (zur Bewertung und zur Festlegung der Gegenleistung insoweit §§ 111 und 112 SAG) sowie die speziellen Vorgaben zum „Vermarktungsprozess“ sowie zu Rückübertragungen in § 127 SAG. 90) Art. 2 Abs. 1 Nr. 59 und 60 sowie Artt. 37 Abs. 3 lit. b, 40 und 41 BRRD; s. im deutschen Recht § 107 Abs. 1 lit. b, §§ 108 ff. SAG sowie die speziellen Vorschriften in § 128 (zur Verfassung des Brückeninstituts), § 129 (Vorgaben für die Verwertung des Brückeninstituts), § 130 (Pflicht zur Wahrung einer ausgeglichenen Vermögenslage des Brückeninstituts bei der Übertragung), § 131 (zu Rück- und Weiterübertragungen). 91) Entsprechend Art. 38 Abs. 1 lit. a sowie Art. 40 Abs. 1 lit. a BRRD. 92) Vgl. Art. 2 Nr. 27 BRRD-Umsetzungsgesetz. 93) Hierzu auch bereits Binder, ORDO 64 (2013), 377, 391 ff.; vgl. auch Begr. RegE BRRD-Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 357/14, S. 233. 94) I. E.: für die Unternehmensveräußerung Art. 24 Abs. 2 und 3 SRM-VO, Art. 38 Abs. 1, 8 und 9 sowie Art. 39 BRRD; für Brückeninstitute Art. 25 Abs. 2 und 3 SRM-VO (teilweise unter Verweis auf die BRRD), Art. 40 Abs. 4 – 7 BRRD; vgl. im deutschen Recht §§ 113, 120 SAG. 95) Artt. 38 Abs. 5 bzw. Art. 40 Abs. 5 BRRD; entsprechend unter Verweis darauf Art. 24 Abs. 2 lit. a und c sowie Art. 25 lit. a und c SRM-VO; im deutschen Recht §§ 108, 110 SAG (mehrfache Anwendung, Auswahl der Übertragungsgegenstände).

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 und Verbindlichkeiten96) möglich. Stets ist sicherzustellen, dass der Zugang zur Marktinfrastruktur, insbesondere zu Zahlungssystemen, Börsen und Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen, auch für die übertragenen Geschäftsteile grundsätzlich fortgesetzt werden kann.97) Soweit zwischen der betroffenen Bank und Gegenparteien (Finanz-)Sicherheiten, Auf- 63 rechnungs- oder Saldierungsvereinbarungen bestehen und soweit gedeckte Schuldverschreibungen und „strukturierte Finanzierungsvereinbarungen“ von der Übertragung betroffen sind, sind die betreffenden Gegenparteien „angemessen“ zu schützen und ihre jeweiligen Rechtspositionen zu respektieren. Dies schließt insbesondere ein Verbot der Trennung wirtschaftlich und rechtlich verknüpfter Rechtspositionen durch partielle Übertragung ein.98) Für partielle Übertragungen werden diese Schranken – mit unmittelbarer Wirkung in den 64 Mitgliedstaaten und damit für die Auslegung der korrespondierenden Bestimmungen des SAG – in einer auf Art. 76 Abs. 4 BRRD gestützten Delegierten Verordnung konkretisiert.99) Für die „Unternehmensveräußerung“ an einen privaten Erwerber treten Anforderungen an die „Vermarktung“ der zu übertragenden Teile zu marktüblichen Konditionen hinzu,100) für das Instrument des „Brückeninstituts“ Anforderungen an Rechtsnatur, Organisation, Betrieb und Verwertung desselben innerhalb einer bestimmten Frist.101) bb)

Gestaltungsmöglichkeiten

Mit Ausnahme der oben angesprochenen Erweiterung des Anwendungsbereichs auch auf 65 Anteile und andere Eigenmittelinstrumente der betroffenen Bank ist die Übertragung auf private Erwerber und Brückeninstitute mit dem bisherigen deutschen Recht (§§ 48a ff. KWG) sowohl konzeptionell als auch in technischen Einzelheiten weitgehend kompatibel. Nach wie vor102) besteht der Regelungszweck im Wesentlichen darin, bei Insolvenzreife eine Herauslösung derjenigen Geschäftsbereiche und der damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Austauschbeziehungen aus der Vermögensmasse des jeweiligen Instituts zu ermöglichen, deren unterbrechungsfreie Weiterführung geboten ist, um systemische Ansteckungsrisiken zu vermeiden. Der beim insolvenzreifen Rechtsträger ggf. ver___________ 96) Artt. 38 Abs. 6 bzw. Art. 40 Abs. 6 und 7 BRRD; entsprechend wiederum Art. 24 Abs. 2 lit. a und c sowie Art. 25 lit. a und c SRM-VO; s. im deutschen Recht § 127 (Unternehmensveräußerung) und § 131 (Brückeninstitut) SAG. 97) Zu Einzelheiten Art. 38 Abs. 12 bzw. Art. 40 Abs. 10 BRRD; im deutschen Recht § 118 SAG. 98) Artt. 76 (allgemeine Regeln, zu konkretisieren durch delegierte Rechtsakte nach Abs. 4 der Vorschrift), Art. 77 (Schutz von Vereinbarungen über Finanzsicherheiten, Aufrechnungs- und Saldierungsvereinbarungen), Art. 78 (Schutz von Sicherungsvereinbarungen), Art. 79 (Schutz „strukturierter Finanzierungsmechanismen und gedeckter Schuldverschreibungen“) BRRD; im deutschen Recht § 79 Abs. 6 sowie § 110 SAG. 99) Delegierte Verordnung (EU) 2017/867 der Kommission v. 7.2.2017, ABl. (EU) L 131/15 v. 20.5.2017; s. i. E. Art. 2 (Sicherungsvereinbarungen, einschließlich Wertpapierfinanzierungsgeschäfte), Art. 3 (Aufrechnungsvereinbarungen), Art. 4 (Nettingvereinbarungen), Art. 5 (Sicherungsvereinbarungen, Aufrechnungs- und Nettingvereinbarungen sowie strukturierte Finanzierungsvereinbarungen), Art. 6 (strukturierte Finanzierungsvereinbarungen, einschließlich Verbriefungen und Instrumente, die zu Absicherungszwecken verwendet werden). 100) S. i. E. Art. 39 BRRD; darauf verweisend Art. 24 Abs. 2 lit. d SRM-VO; für das deutsche Recht – unter unschöner wortlautgetreuer Adaption des Begriffs der „Vermarktung“ – § 129 SAG. 101) I. E. Artt. 40 Abs. 2, 41 BRRD; darauf verweisend Art. 25 Abs. 2 SRM-VO; im deutschen Recht §§ 128 – 130 SAG. 102) Beachte, dass § 107 Abs. 1 SAG im Unterschied zum bisherigen Recht (§ 48a Abs. 1 i. V. m. §§ 48e, 48k KWG) nicht mehr die Übertragung des gesamten Vermögens als Regelfall und die partielle Übertragung als Ausnahme vorsieht – dies ist folgerichtig, auch wenn sich für die „Gesamtlösung“ als Regelfall Praktikabilitätserwägungen anführen lassen, vgl. Wolfers/Voland, WM 2011, 1159, 1165.

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Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Banken

bleibende Rest an Austauschbeziehungen und Vermögenswerten kann sodann im allgemeinen Insolvenzverfahren liquidiert werden, und zwar unter voller Verlusttragung der Anteilseigner und der verbleibenden Gläubiger. Die systemisch relevanten Austauschbeziehungen werden damit vom auf die Verwertung des schuldnerischen Verfahrens gerichteten Insolvenzverfahren entkoppelt und einem spezifisch aufsichtsrechtlichen Instrumentarium unterworfen, das gerade der Aufrechterhaltung der systemrelevanten Funktionen und Rechtsverhältnisse dient, während der Rechtsträger selbst mit den nicht übertragenen Funktionen abgewickelt werden kann. Im Ergebnis läuft dies auf umfassende Ausnahmen von den Rechtsfolgen eines Insolvenzverfahrens – Beendigung, Fälligstellung, Anfechtung und ggf. Verwertung bzw. Einbettung in kollektive Vergleichslösungen – hinaus.103) 66 Die Neuregelung durch das BRRD-Umsetzungsgesetz flexibilisiert das Instrumentarium allerdings gegenüber dem bisherigen Recht in mehrfacher Hinsicht. Zum einen eröffnet die Erstreckung auch auf Anteile des insolvenzreifen Instituts als mögliche Übertragungsgegenstände eine Alternative für diejenigen Fälle, in denen die Auswahl und Festlegung der zu übertragenden Gegenstände selbst in der zur Verfügung stehenden Zeit angesichts der Komplexität der Vermögenslage nicht effektiv möglich ist. Zum anderen ist nunmehr – anders als nach bisherigem deutschem Recht (vgl. § 48g Abs. 5 KWG i. d. F. von 2010) – vorbehaltlich ihrer grundsätzlichen Eignung zur Weiterführung des übertragenen Geschäfts104) eine Übertragung auch auf ausländische Erwerber möglich. Dies überzeugt nicht nur, weil mit dem potentiell zur Verfügung stehenden größeren „Bieterkreis“ die Chancen auf privat finanzierte Übernahmen der systemrelevanten Teile steigen, sondern auch mit Blick auf Zweifel an der Europarechtskonformität der bisherigen Lösung.105) 67 Die durch die Abschichtung (vermeintlich oder tatsächlich) schützenswerter Geschäftsbereiche einerseits von nicht systemrelevanten Rechtsverhältnissen anderseits ausgelöste Ungleichbehandlung der Gläubiger und die damit verknüpfte Rechtsunsicherheit haben zwar Anlass zu Grundsatzkritik gegeben.106) Das neue Recht nimmt diese Konsequenzen im Interesse der Vermeidung von Ansteckungsrisiken und zum Schutz der Systemstabilität jedoch hin. Konzeptionell ist das auch dann nicht unplausibel, wenn man bezweifelt, dass die zugunsten der übrigen Gläubiger vorgesehenen Sicherungsmechanismen, insbesondere die Gebote der Gläubigergleichbehandlung und das Verbot der Benachteiligung gegenüber dem allgemeinen Insolvenzverfahren (siehe oben Rz. 31), ihren Zweck in der Praxis werden erreichen können.107) In jedem Fall ist die Ratio konsistent mit dem Ziel, anstelle einer Anteilseigner wie Gläubiger pauschal vor den Insolvenzfolgen bewahrenden Rettung des insolvenzreifen Rechtsträgers nur diejenigen Austauschbeziehungen zu privilegieren, die Ansteckungsrisiken bergen. Mit anderen Worten: Gerade die Übertragungsmechanismen entsprechen dem oben ermittelten Zielprogramm einer Alternative zum tradierten Insolvenzrecht, die dessen Ordnungsfunktion möglichst unberührt lässt, ohne die damit verbundenen Ansteckungsrisiken auszulösen. Allerdings stellt die Einhaltung ___________ 103) In diesem Sinne ausdrücklich ErwG 50 und Art. 37 Abs. 6 BRRD; vgl. im deutschen Recht § 116 SAG. Allgemein zur Konzeption eingehend Binder, ORDO 64 (2013), 377, 391 f.; vgl. – zu §§ 48a ff. KWG a. F., aber verallgemeinerungsfähig – besonders auch Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282, 283 f. 104) Zu den insoweit einzuhaltenden Anforderungen Art. 38 Abs. 6 und 7 BRRD. 105) Dazu Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282, 283. 106) Ebenso deutlich wie fundiert etwa – zum bisherigen Recht, aber verallgemeinerungsfähig – Adolff/ Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 951 f.; vgl. insoweit auch Binder, ORDO 64 (2013), 377, 395. 107) Entsprechende Zweifel (zum bisherigen Recht, aber verallgemeinerungsfähig) etwa bei Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 945; Bachmann, ZBB 2010, 459, 468; Bliesener in: Kenadjian, Too Big to Fail, S. 129, 142; Lorenz, NZG 2010, 1046, 1051.

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 der Richtlinienbestimmungen für den Gläubigerschutz in dieser Hinsicht eine besondere Herausforderung dar. cc)

Leistungsgrenzen

Zweifel an der Tauglichkeit der Übertragung von Vermögenswerten und Verbindlichkei- 68 ten auf privatwirtschaftliche Erwerber oder Brückenbanken drängen sich gerade für die Insolvenz systemrelevanter Banken und Bankengruppen – und damit für den eigentlichen Anwendungsbereich des neuen Abwicklungsrechts (siehe Rz. 2 f.) – auf. Schon die Festlegung der einzubeziehenden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten und die dafür erforderliche Prognose möglicher Insolvenzwirkungen dürften sich bei großen, komplexen und international vernetzten Instituten als ebenso schwierig wie risikobehaftet erweisen, zumal Planung und Umsetzung häufig kurzfristig und in volatilen Märkten stattfinden müssen.108) Gerade in Gruppenlagen werden jedenfalls bei Gruppen mit voll integriertem Geschäftsmodell, d. h. ohne interne Segregation von Geschäftsaktivitäten und organisatorischen Arrangements zwischen den einzelnen Rechtsträgern, mit derartigen Eingriffen die vorfindlichen finanziellen und organisatorischen wechselseitigen Abhängigkeiten aufgelöst oder zumindest beeinträchtigt, was sich als kontraproduktiv für die Aufrechterhaltung der jeweils übertragenen Funktionen erweisen kann.109) Zudem wird gerade bei derartigen Instituten ein privater Bieter, auf den Teile des Geschäftsbetriebs im Wege der „Unternehmensveräußerung“ übertragen werden könnten, schwer zu finden sein.110) Die US-amerikanische Erfahrung indiziert, dass privatwirtschaftliche Bieter – zumal in unruhigem Marktumfeld – häufig nur unter Absicherung gegen Risiken im übernommenen Geschäft zum Erwerb bereit sind.111) Mit der im Juni 2017 durch den SRB angeordneten Abwicklung der – vergleichsweise unkomplexen – spanischen Banco Popular S. A. liegt zwar bereits ein im Ausgangspunkt erfolgreich vollzogener Referenzfall für eine Übertragung auf ein anderes Kreditinstitut vor; die in diesem Fall nach wie vor anhängige Klagewelle von Gläubigern relativiert die positive Einschätzung indessen nicht unerheblich.112) Gerade für Fälle, in denen ein privater Erwerber ad hoc nicht gefunden werden kann, 69 können Brückeninstitute in der Tat eine Alternative bieten. Doch ist kaum zu verkennen, dass die für die Aufrechterhaltung der auf sie übertragenen Geschäftsteile benötigten Finanzmittel – Eigenkapital und Liquidität – mit zunehmendem Umfang der Übertragungsgegenstände eine Dimension erreichen können, welche die dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen an die Grenze der Leistungsfähigkeit bringen.113) Das seit 2010 geltende deutsche Recht begriff insoweit die Finanzierung der Brückenbank als hoheitliche Aufgabe und zwang damit solange zur (Vor-)Finanzierung durch den Fiskus, wie kein hinreichend leistungsfähiger Fonds aus Umlagen zur Verfügung stand (vgl. § 5 RStruktFG). Vor allem bei grenzüberschreitend tätigen Banken und Bankengruppen ist indessen eher unwahrscheinlich, dass die Behörden im jeweiligen Herkunftsland (ggf. der Mutter) bereit wären, die zur Abwendung global wirkender Ansteckungsrisiken erforderliche Übertragung aller relevanten Austauschbeziehungen auf eine allein im Herkunftsland errichtete ___________ 108) Vgl. allgemein für das bisherige deutsche Recht deutlich auch Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 951 f.; entsprechend Schelo, NJW 2011, 186, 190. 109) Avgouleas, Governance of Global Financial Markets, S. 412; Schillig, EBLR 25 (2014), 67, 80. 110) Vgl. für das frühere deutsche Recht entsprechend bereits Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 938; Schuster/Westpfahl, DB 2011, 282, 283. 111) S. bereits Olson in: Lastra/Schiffman, Bank Failures and Bank Insolvency Law, S. 107, 145 ff. 112) S. dazu auch Binder in: Chiti/Santoro, The Palgrave Handbook of European Banking Union Law, S. 299, 303, 311. 113) S. bereits Binder, KTS 2013, 277, 305 f.; Binder, ORDO 64 (2013), 377, 397.

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und finanzierte Brückenbank zu finanzieren. Die Anreize für globale Lösungen sind angesichts der damit einhergehenden Finanzierungsrisiken eher gering.114) Im Vergleich damit schafft das neue Recht insofern Erleichterungen, als die Umwandlung von Verbindlichkeiten der insolvenzreifen Bank i. R. des Bail-in-Instruments nach Art. 27 Satz 1 lit. b Ziff. i SRM-VO (§ 90 Nr. 2 SAG) auch zum Zweck der Kapitalisierung eines Brückeninstituts sowie zur Erleichterung der Übertragung auf einen privaten Erwerber zugelassen wird (siehe noch Rz. 76).115) 70 Auch damit verbinden sich jedoch enorme Komplexitätsprobleme, da die erforderliche Kapitalisierung bzw. die Reduktion der Verbindlichkeiten im Interesse eines Erwerbers in einer volatilen Krisensituation nur schwer ex ante zu kalibrieren sein werden. Die praktischen Hürden für effektive Lösungen sind nach alledem beträchtlich. Damit sind indessen nur kurzfristige Anwendungshindernisse angesprochen. Problematisch sind aber auch die mittel- bis längerfristigen Implikationen. Gerade die Übertragung auf private Erwerber, aber auch die Verwertung systemrelevanter Geschäftsaktivitäten durch Brückeninstitute, die eine profitable Veräußerung an private Erwerber anstreben sollte,116) führt kaum vermeidlich zur größeren Konzentration im jeweiligen Markt. Selbst wenn sich kurzfristige effektive Abwicklungslösungen erreichen lassen, könnten sich somit langfristig die mit größeninduzierten Verfahrenshindernissen verbundenen Probleme noch verschärfen.117) In sektorweiten Krisenszenarien, die typischerweise mit gesamtwirtschaftlichen Störungen einhergehen, lässt sich das Instrumentarium ebenfalls nur begrenzt sinnvoll einsetzen, weil es eine nachhaltige Restrukturierung des Sektors insgesamt kaum ermöglicht.118) Dass sich die bisherige Anwendungspraxis in Rechtsordnungen, die entsprechende Übertragungsmechanismen bereits vor oder während der globalen Finanzkrise eingeführt haben, auf Institute ohne Einbindung in komplexe Gruppenlagen beschränkt,119) ist deshalb kein Zufall. Für die Abwicklung im SRM kommen potentielle Abstimmungsprobleme zwischen dem SRB und den für die Errichtung und den Betrieb von Brückeninstituten verantwortlichen mitgliedstaatlichen Stellen hinzu, deren praktische Bewältigung einstweilen abzuwarten bleibt.120) c)

„Ausgliederung“ von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten auf eine Vermögensverwertungsgesellschaft (Artt. 22 Abs. 2 lit. c, 26 SRM-VO, §§ 107 ff., 132 ff. SAG)

71 Die Übertragung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten auf Vermögensverwertungsgesellschaften121) spielt im System des Unionsrechts eine untergeordnete Rolle. Diese Variante ist im deutschen Umsetzungsrecht zwar der Übertragung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten auf private Erwerber bzw. Brückeninstitute systematisch gleichgestellt; die §§ 132 ff. SAG regeln lediglich ergänzende, zu den allgemeinen Regeln nach §§ 107 ff. ___________ 114) In eine ähnliche Richtung bereits Huertas in: Kenadjian, Too Big to Fail, S. 63, 75. 115) Entsprechend Art. 43 Abs. 2 lit. b BRRD = Art. 27 Abs. 1 lit. b SRM-VO. 116) Vgl. zu den Optionen für eine Verwertung von Geschäftsteilen durch das Brückeninstitut insoweit Art. 41 Abs. 3 lit. a BRRD (Verschmelzung mit anderen Unternehmen) und lit. c (Veräußerung von Vermögenswerten, Rechten und Verbindlichkeiten an Dritte); im deutschen Recht § 129 SAG. 117) Dazu bereits Binder, ORDO 64 (2013), 377, 396; instruktiv zum Zusammenhang zwischen Sanierung und Konsolidierung sowie den entsprechenden langfristigen Konsequenzen für die Systemstabilität aus US-amerikanischer Sicht Karmel, Brook. J. Corp. Fin. & Com. L. 6 (2011), 1 ff. 118) Dazu näher Binder, ZBB 2017, 57, 62 f.; Binder in: Chiti/Santoro, The Palgrave Handbook of European Banking Union Law, S. 299, 315 f. 119) Dazu etwa Huertas in: Kenadjian, Too Big to Fail, S. 63, 77; umfassende Übersichten über die USamerikanischen Fälle www.fdic.gov/bank/individual/failed (Abrufdatum: 7.5.2020). 120) Dazu Binder in: Chiti/Santoro, The Palgrave Handbook of European Banking Union Law, S. 299, 312. 121) In der Terminologie des deutschen Rechts – etwas schief – „Vermögensverwaltungsgesellschaft“.

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 SAG hinzutretende Vorschriften. Das ist mit Blick auf den strukturell vergleichbaren Übertragungsmechanismus122) konzeptionell gut vertretbar, sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Anwendungsbereich des Instruments auch tatbestandlich von vornherein auf Ausnahmefälle ausgerichtet ist. Diese Einschränkungen reflektieren den Stellenwert in der internationalen Reformdiskussion.123) Die insoweit in Art. 26 SRM-VO weitgehend ohne eigenen Regelungsgehalt in Bezug ge- 72 nommene BRRD selbst setzt insoweit zwei Grenzen: x

Zum einen ist, wie ausgeführt, die Anwendung des Instruments nur zusammen mit anderen Abwicklungsinstrumenten zulässig124), was einer Wettbewerbsverzerrung zulasten von Mitbewerbern infolge der damit für das betreffende Institut bewirkten Bilanzentlastung entgegenwirken soll.125)

x

Zum anderen ist sie an alternative zusätzliche Voraussetzungen geknüpft, die jeweils besondere Umstände im Blick haben: Das Instrument muss notwendig sein, um negative Auswirkungen einer sofortigen Liquidation der übertragenen Vermögenswerte auf die betroffenen Märkte zu vermeiden (§ 132 Abs. 1 Nr. 1 SAG), um „das ordnungsgemäße Funktionieren des in Abwicklung befindlichen Instituts oder des Brückeninstituts sicherzustellen“ (§ 132 Abs. 1 Nr. 2 SAG) oder um „die entsprechenden Verwertungserlöse zu maximieren“ (§ 132 Abs. 1 Nr. 3 SAG).126)

Insgesamt bietet das Instrument durchaus Potential für die Bewältigung komplexer Ab- 73 wicklungsprobleme. Zur Lösung der bei unmittelbarer Insolvenzgefahr drohenden Ansteckungsrisiken kann es zwar kaum beitragen, wohl aber innerhalb seines Anwendungsbereichs zur mittel- bis längerfristigen Marktbereinigung. Legt man die bisherige Praxis in einer Reihe von Rechtsordnungen zugrunde,127) könnte das Instrument vor allem in systemischen Krisen zur Anwendung gelangen, in denen einerseits die normalerweise möglichen Verwertungsverfahren infolge gestörter Marktpreise für bestimmte Vermögenswerte nicht realisierbar sind und andererseits – bspw. zur Absicherung der Kreditversorgung des Realsektors – eine effektive bilanzielle Bereinigung bei in die Krise geratenen Instituten sinnvoll erscheint. Dabei ließen sich u. U. die in der Bewältigung der skandinavischen Bankenkrise Anfang der 1990er Jahre sowie die in der US-amerikanischen Savings & Loans-Krise Ende der 1980er Jahre gewonnenen Erfahrungen fruchtbar machen.128) Insofern unterscheidet sich der Zweck der Regelungen im Prinzip nicht wesentlich von den mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung 2009129) jeweils befristet130) eingeführten ___________ 122) Vgl. zu den Parallelen einerseits („Brückeninstitut“) Art. 40 Abs. 2, 4 ff. BRRD, andererseits („Ausgliederung von Vermögenswerten“) Art. 42 Abs. 2 – 4, 6 ff. BRRD. 123) Vermögensverwertungsgesellschaften finden keine Erwähnung in BCBS, Report and Recommendations of the Cross-border Bank Resolution Group, v. 3/2010, und nur knapp in FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 10/2011, S. 8; s. zum Ganzen auch Binder, ZBB 2017, 57, 64. 124) Art. 37 Abs. 5 BRRD, entsprechend Art. 22 Abs. 4 SRM-VO. 125) ErwG 66 BRRD. 126) Art. 42 Abs. 5 lit. a – c BRRD. Diese Anforderungen werden gemäß Art. 42 Abs. 14 der Richtlinie durch EBA-Leitlinien konkretisiert; s. EBA, Leitlinien zur Festlegung, wann eine Liquidation der Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten i. R. eines regulären Insolvenzverfahrens negative Auswirkungen auf einen oder mehrere Finanzmärkte gemäß Art. 42 Absatz 14 der Richtlinie 2014/59/EU haben könnte, v. 7.8.2015 (EBA/GL/2015/05). Im deutschen Recht korrespondiert damit eine – bislang noch nicht genutzte – Verordnungsermächtigung zugunsten des Bundesfinanzministeriums bzw. der Abwicklungsbehörde (§ 132 Abs. 2 SAG). 127) Vgl. stellvertretend Binder, ZBB 2017, 57, 64 m. w. N. 128) Vgl. dazu stellvertretend Binder, ZBB 2009, 19, 23, 27 f. m. w. N. 129) Gesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung, v. 17.7.2009, BGBl. I 2009, 1980. 130) Zur Verlängerung der jeweiligen Fristen s. Art. 5 Nr. 8 ff. des BRRD-Umsetzungsgesetzes.

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§ 18

Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Banken

„Bad Bank“-Modellen nach §§ 6a – 6c (Zweckgesellschaften), §§ 8a und 8b (bundes- bzw. landesrechtliche Abwicklungsanstalten) FMStFG,131) doch sind gemäß § 133 Abs. 1 SAG (vgl. Art. 42 Abs. 5 lit. a BRRD) nur mehr hoheitlich gegründete bzw. gehaltene Rechtsträger als Verwertungsgesellschaften zugelassen. Gerade der systematische Einsatz von Verwertungsgesellschaften zur Bewältigung von Bankenkrisen wirft zahlreiche beihilferechtliche Fragen auf, auf die hier nur hingewiesen werden kann.132) d)

Finanzielle Beteiligung von Anteilseignern und Gläubigern (Artt. 17, 21, 22 Abs. 1 lit. d und 27 SRM-VO, §§ 89 ff. SAG)

aa)

Grundlagen

(1)

Grundkonzept und Regelungsziele

74 Die Vorschriften der BRRD zum sog. Bail-in-Instrument (Artt. 43 – 55) und zu den teilweise damit verknüpften Kompetenzen zur „Herabschreibung von Kapitalinstrumenten“ (Artt. 59 – 62) und die korrespondierenden Regelungen in Artt. 17, 21, 22 Abs. 1 lit. d und 27 SRM-VO bilden den Schwerpunkt des neuen Abwicklungsinstrumentariums. Im deutschen Recht finden sich die betreffenden Regelungen in den §§ 89 – 106 SAG, deren Systematik von den unionsrechtlichen Vorgaben nicht unerheblich abweicht (siehe Rz. 78 ff.). Dabei macht schon die Bezeichnung des einschlägigen Abschnitts („Beteiligung der Anteilseigner und Gläubiger“) hier besonders deutlich, worum es konzeptionell geht: um die (vor allem im Verhältnis zum Fiskus, aber auch zu marktteilnehmerseitig finanzierten Abwicklungsfonds) vorrangige finanzielle Verlusttragung durch Anteilseigner und Gläubiger, und zwar nicht allein im Hinblick auf die bereits aufgetretenen Verluste, sondern auch bezüglich des finanziellen Sanierungsaufwands.133) 75 In der bisherigen Diskussion werden beide Aspekte häufig nicht unterschieden und – entgegen der Systematik des Unionsrechts – beide einheitlich als „Bail-in“ bezeichnet.134) Im deutschen Umsetzungsrecht wird der „Bail-in“ im engeren Sinne als „Instrument der Gläubigerbeteiligung“ bezeichnet (vgl. § 90 SAG), die „Herabschreibung von Kapitalinstrumenten“, die in der Systematik nicht als eigenständiges Abwicklungsinstrument qualifiziert wird, dagegen als „Instrument der Beteiligung der Inhaber relevanter Kapitalinstrumente“ (vgl. § 89 SAG). Herzstück der Vorschriften ist die an die insolvenzrechtliche Verteilungsordnung angelehnte „Haftungskaskade“ (vgl. Art. 17 SRM-VO, § 97 SAG, siehe unten Rz. 103 ff.)135), welche die maßgeblichen Rangverhältnisse festlegt. 76 Die Einbeziehung von Eigen- und Fremdkapitalgebern in die Verlusttragung ist besonders deutlicher Ausdruck der Grundkonzeption der „Abwicklung“ als Alternative zum Insolvenzverfahrensrecht (siehe Rz. 4): Gerade hierin wird das Ziel, die wirtschaftlichen Ergebnisse eines Insolvenzverfahrens und damit dessen disziplinierende Wirkung für Anteilseigner und Gläubiger mittels alternativer Verfahrensformen quasi zu simulieren, besonders deutlich. Dies findet sich bereits in der Definition der zulässigen Zwecke eines Bail-in nach Art. 27 Abs. 1 SRM-VO (vgl. § 90 SAG) abgebildet, die schon im ursprünglichen Kommissionsvorschlag angelegt waren, aber im Vergleich dazu erheblich präzisiert

___________ 131) Dazu Karpenstein, ZBB 2009, 413 ff.; Wolfers/Rau, NJW 2009, 2401 ff. 132) Näher Immenga/Mestmäcker-Binder, EU-Wettbewerbsrecht, Bd. 5: Beihilfenrecht, Rz. 79 m. w. N. (im Erscheinen). 133) Vgl. dazu ErwG 67 BRRD; s. a. Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662, 666. 134) Vgl. zur Terminologie Wojcik, CMLR 53 (2016), 91, 106 f. 135) Vgl. Artt. 47 und 48 BRRD und dazu ErwG 77.

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 wurden.136) Danach darf das Bail-in-Instrument zunächst zur Rekapitalisierung eines Instituts mit dem Ziel der nachhaltigen finanziellen Stabilisierung eingesetzt werden, wenn und soweit „die begründete Aussicht“ besteht, dass dieses Ziel tatsächlich erreicht werden kann.137) In dieser Variante ist die Anwendung zwingend mit der Auflage zu verbinden, dass die Geschäftsleiter des Instituts oder ein von der Aufsicht bestellter Verwalter138) innerhalb eines Monats nach Anwendung des Instruments einen „Restrukturierungsplan“ (§§ 102 ff. SAG) als Grundlage für die weitere Stabilisierung vorlegen.139) Die insoweit zu beachtenden Anforderungen an Reorganisationspläne werden durch Technische Regulierungsstandards140) sowie EBA-Leitlinien141) auf der Grundlage von Art. 52 Abs. 12 und 13 BRRD näher ausgestaltet. Alternativ hierzu kann der Bail-in zur Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital oder zur Herabsetzung des Nennwerts von Forderungen oder Schuldtiteln in zwei wiederum zu unterscheidenden Konstellationen eingesetzt werden: x

zum einen zum Zweck der Kapitalisierung eines Brückeninstituts142) und

x

zum anderen zur Begleitung des Instruments der Unternehmensveräußerung oder des Instruments der Ausgliederung von Vermögenswerten.143)

Auch die Vorschriften zur „Herabschreibung von Kapitalinstrumenten“ (Artt. 59 ff. 77 BRRD) ordnen sich in das rechtspolitische Ziel ein, die vorrangige Haftung von Anteilseignern und Gläubigern (hier: Investoren in bestimmte hybride Finanzierungsinstrumente) für die bereits aufgetretenen Verluste und ggf. den Sanierungsaufwand zu sichern. (2)

Systematische Einbettung

(a)

Unionsrechtliche Vorgaben

In der Konzeption der BRRD sind die Kompetenzen zur Herabschreibung bzw. Umwand- 78 lung relevanter Kapitalinstrumente (Art. 21 SRM-VO, Artt. 59 ff. BRRD) dem Bail-inInstrument (Art. 27 SRM-VO, Artt. 43 ff. BRRD) weder systematisch noch funktional gleichgestellt, sondern werden – ausdrücklich nicht als „Abwicklungsinstrument“, sondern als aliud (vgl. Art. 37 Abs. 2 und 3 BRRD) – eigenständig (in der BRRD i. R. eines eigenen Kapitels V in Titel IV) erfasst. Die damit zugrunde gelegte Systematik ist schon deshalb (unnötig) verwirrend, weil sich der jeweilige Anwendungsbereich kontraintuitiv nicht an den Kategorien Eigen- und Fremdkapital orientiert und zudem hybride Finanzierungsinstrumente je nach ihrer Qualifikation i. R. der aufsichtsrechtlichen Eigenmittelanforderungen unterschiedlich erfasst. Vielmehr werden i. R. des Bail-in-Instruments sowohl die Rechtsposition der „Anteilseigner“ (insbesondere Artt. 47 und 48 BRRD) als auch die der Inhaber von „Forderungen und Schuldtiteln“ (übrige Vorschriften) geregelt. Dem entspricht ___________ 136) Vgl. Kommission, Vorschlag für Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 77/91/EWG und 82/891/EG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG und 2011/35/EG sowie der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, COM(2012) 280, v. 6.6.2012, http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/HIS/?uri= celex:32014L0059 (Abrufdatum: 7.5.2020), Artt. 37–E ff. 137) Vgl. i. E. Art. 43 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BRRD; entsprechend Art. 27 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 SRMVO; im deutschen Recht § 95 Abs. 1 lit. a und b SAG. 138) Dazu Art. 72 BRRD; im deutschen Recht: Sonderverwalter i. S. des § 87 SAG (s. oben Rz. 55). 139) Entsprechend Artt. 51 und 52 BRRD; Art. 27 i. V. m. Art. 16 SRM-VO. 140) Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2016/1400 der Kommission v. 10.5.2016, ABl. (EU) L 228/1 v. 23.8.2016. 141) EBA, Leitlinien zu den Mindestkriterien für einen Reorganisationsplan, v. 19.5.2016 (EBA/GL/2015/21). 142) Art. 43 Abs. 2 lit. b (i) BRRD; entsprechend Art. 27 Abs. 1 lit. b (i) SRM-VO; im deutschen Recht § 95 Nr. 2 lit. a SAG. 143) Art. 43 Abs. 2 lit. b (ii) BRRD; entsprechend Art. 27 Abs. 1 lit. b (ii) SRM-VO; im deutschen Recht § 95 Nr. 2 lit. b SAG.

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Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Banken

die gleichrangige Erwähnung von Anteilen und Verbindlichkeiten als Gegenstände eines Bail-in in den Erwägungsgründen,144) die zugleich die Vorarbeiten in der internationalen Standardsetzung reflektieren.145) Doch findet dies keinen Niederschlag in der Legaldefinition des Bail-in-Instruments in Art. 2 Abs. 1 Nr. 57 BRRD, deren Wortlaut sich ausschließlich auf Verbindlichkeiten des Instituts bezieht und damit die Anteile gerade ausblendet.146) Wiederum kurioserweise werden insoweit die von Artt. 47 und 48 BRRD erfassten „Anteilseigner“ definiert als „Anteilseigner oder Inhaber anderer Eigentumstitel“,147) was an sich auch hybride, eigenkapitalnahe Finanzierungstitel einschließt.148) Die Artt. 59 ff. BRRD sind dagegen beschränkt auf bestimmte nachrangige, als „zusätzliches Kernkapital“ bzw. „Ergänzungskapital“ anerkannte Finanzierungsinstrumente, welche unter dem Begriff der sog. relevanten Kapitalinstrumente zusammengefasst werden.149) 79 Die systematische Grenze zwischen dem Anwendungsbereich der Artt. 43 ff. BRRD und demjenigen der Artt. 59 ff. BRRD verläuft somit quer durch die unterschiedlichen Kategorien hybrider Finanzierungsinstrumente. Dabei verschleiert die für die Regelungen in Kapitel V gewählte, unvollständige Bezeichnung („Herabschreibung von Kapitalinstrumenten“) die weitgehende inhaltliche Übereinstimmung mit dem Bail-in-Instrument im Hinblick auf die jeweils zulässigen Maßnahmen. Denn in der Sache geht es auch für „relevante Kapitalinstrumente“, wie bereits Art. 59 BRRD als erste Vorschrift dieses Titels zeigt, keineswegs allein um die „Herabschreibung“, also die anteilige Verringerung des Nominalwerts der erfassten Instrumente zum Zweck der Verlusttragung, sondern vielmehr auch um die Möglichkeit ihrer Umwandlung, und zwar konkret in „Anteile oder andere Eigentumstitel“ (Art. 59 Abs. 1 und 2 BRRD). 80 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Richtlinie die „Herabschreibung“ bzw. Umwandlung von Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals und des Ergänzungskapitals als Maßnahmen ausgestaltet, die – im Unterschied zu den Abwicklungsinstrumenten, einschließlich des Bail-in – nicht erst bei Vorliegen der „Abwicklungsvoraussetzungen“ nach Art. 32 Abs. 1 BRRD (siehe oben Rz. 36 ff.) ergriffen werden können. Vielmehr kommt es für die nach dieser Norm erforderliche Feststellung der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes von Abwicklungsinstrumenten i. S. der Richtlinie – wie ausgeführt (siehe Rz. 50 f.) – gerade darauf an, ob die Schieflage durch mildere Mittel abgewendet werden kann, zu denen ausdrücklich auch Maßnahmen nach Artt. 59 ff. BRRD gezählt werden. Korrespondierend damit führt Art. 59 Abs. 4 BRRD eigenständige Anwendungsvoraussetzungen für Maßnahmen nach den Artt. 59 ff. BRRD ein, die zunächst – insofern deckungsgleich mit den allgemeinen Abwicklungsvoraussetzungen – an einen „Ausfall“ oder „wahrscheinlichen Ausfall“ des Instituts bzw. der Gruppe anknüpfen (lit. a) und sodann verlangen, dass die Schieflage nur mittels „Herabschreibung“ oder Umwandlung der relevanten Kapitalinstrumente beseitigt werden kann (lit. b). Nach der Richtlinie sind damit Investoren in Instrumente des zusätzlichen Kernkapi___________ 144) Vgl. ErwG 67 BRRD: „Ein wirksames Abwicklungsregelwerk […] sollte sicherstellen, dass systemrelevante Institute ohne Gefährdung der Finanzstabilität abgewickelt werden können. Das Bail-in-Instrument dient eben diesem Ziel, indem es sicherstellt, dass die Anteilseigner und Gläubiger des ausfallenden Instituts Verluste in angemessenem Umfang tragen und einen angemessenen Teil dieser Kosten, die durch den Ausfall des Instituts entstehen, übernehmen […]“. 145) Vgl. FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 10/2011, Rz. 3.5. 146) Entsprechend Art. 3 Abs. 1 Nr. 33 SRM-VO. 147) Art. 2 Abs. 1 Nr. 62 BRRD. 148) Vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 63 BRRD („Eigentumstitel“): „Anteile, andere Instrumente zur Übertragung von Eigentumsrechten, Instrumente, die in Anteile oder Eigentumstitel umgewandelt werden können oder ein Recht auf den Erwerb von Anteilen oder anderen Eigentumstiteln begründen, und Instrumente, die einen Rechtsanspruch auf Anteile oder andere Eigentumstitel darstellen“. 149) Vgl. Art. 59 i. V. m. der Legaldefinition in Art. 2 Abs. 1 Nr. 74 BRRD: „Instrumente des zusätzlichen Kernkapital sowie des Ergänzungskapitals“, vgl. hierzu wiederum Art. 2 Abs. 1 Nr. 69 und 74 BRRD.

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 tals und des Ergänzungskapitals bereits bei bloßer Bestandsgefährdung noch vor der Anwendung von „Abwicklungsinstrumenten“ auf jeden Fall voll in die Verluste einzubeziehen;150) hierin wird das Hauptmotiv für die unterschiedliche systematische Erfassung zu erblicken sein. Weshalb es dafür der komplizierten Verknüpfung mit dem Bail-in-Instrument bedurfte, 81 ist gleichwohl nicht einsichtig, zumal die Parallelregelung in Art. 21 SRM-VO sowohl im Aufbau als auch in den Formulierungen stringenter ausfällt.151) Insgesamt können damit sowohl die Bail-in-Befugnisse als auch die Befugnisse zur Herabschreibung und Umwandlung von Kapitalinstrumenten nach Artt. 59 ff. BRRD alternativ oder kumulativ sowohl zur Herabsetzung der jeweiligen Rechtspositionen als auch zur Umwandlung in eine auf einem niedrigeren Rang haftende und daher zunächst heranzuziehende Kategorie genutzt werden. Insofern ist es zwar terminologisch inkonsequent, aus funktionaler Hinsicht aber stimmig, wenn der Richtlinientext im definitorischen Teil die Begriffe „Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnisse“ im Zusammenhang sowohl mit den Artt. 43 ff. als auch mit den Artt. 59 ff. BRRD erwähnt.152) Den Instrumenten des zusätzlichen Kernkapitals und des Ergänzungskapitals wird – konsistent mit ihrer ökonomischen Funktion zwischen Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung – auch insofern eine besondere „Pufferfunktion“ zugewiesen, als sie bereits vor der Anwendung aller übrigen Abwicklungsinstrumente zur Verlusttragung herangezogen werden können und müssen. (b)

Deutsche Umsetzung

An sich sinnvollerweise ist der deutsche Gesetzgeber der in der Richtlinie zugrunde ge- 82 legten Einteilung nicht gefolgt, sondern hat beide Regelungskomplexe unter dem treffenden gemeinsamen Oberbegriff der „Beteiligung“ von Anteilsinhabern und Gläubigern in Kapitel 2 Abschnitt 1 des 4. Teils des SAG von vornherein als einheitliche Regelungsmaterie ausgestaltet (siehe schon Rz. 74). Damit wird die in der BRRD sog. „Herabschreibung von Kapitalinstrumenten“ als „Instrument der Beteiligung der Inhaber relevanter Kapitalinstrumente“ im deutschen Recht unter Abweichung von der Konzeption der Richtlinie ausdrücklich als „Abwicklungsinstrument“ im Rechtssinne eingestuft (vgl. nochmals § 2 Abs. 3 Nr. 4 i. V. m. § 89 SAG). Eigenkapital- und (alle) hybriden Finanzierungsinstrumente werden sinnvollerweise grundsätzlich einheitlich erfasst. Die Behandlung der „Anteilsinhaber“153) in diesem Zusammenhang ist geregelt in §§ 100 und 101 Abs. 1 SAG, was systematisch stimmiger ist als die Konzeption der Richtlinie. Inhaltlich wäre an sich noch größere Genauigkeit zu erzielen gewesen, wenn man sich – auch terminologisch – noch stärker von der Richtlinie gelöst hätte.154) Die von der Systematik der Richtlinie abweichende Um___________ 150) Vgl. auch ErwG 81 BRRD. 151) Konterkariert wird dieser Gewinn an Übersichtlichkeit freilich durch die unklare Formulierung des Art. 17 SRM-VO. 152) Vgl. einerseits Art. 2 Abs. 1 Nr. 57 (für den Bail-in), andererseits Art. 2 Abs. 1 Nr. 66 BRRD (für die Befugnisse nach Artt. 59 ff.). 153) Im deutschen Umsetzungsgesetz ähnlich terminologisch misslich erfasst wie in der Richtlinie, vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 6 SAG: „Anteilsinhaber oder Gesellschafter“. 154) Ein besonders anschauliches Beispiel bietet die neue Regelung des § 100 Abs. 1 Satz 1 SAG, wonach die „Beteiligung der Anteilsinhaber durch die Anwendung des Instruments der Beteiligung der Inhaber relevanter Kapitalinstrumente oder des Instruments der Gläubigerbeteiligung entsprechend dem Umwandlungssatz verwässert [wird]“. Nachdem einerseits § 96 Abs. 2 SAG Voraussetzungen zur Umwandlung in Eigenmittel und andererseits § 101 Abs. 1 SAG die damit einhergehenden Kompetenzen zur Veränderung des (Nominal-) Werts der betreffenden Verbindlichkeiten sowie zur Veränderung der Eigenmittelpositionen regelt, enthält die zitierte Vorschrift letztlich eine rein deskriptive Zusammenfassung der wirtschaftlichen Konsequenzen für die Gesellschafter ohne eigenen normativen Gehalt. Dies entspricht zwar der Verwendung des Begriffs der „Verwässerung“ in der Richtlinie (vgl. insb. Art. 47 Abs. 1 sowie ErwG 77 BRRD), ist aber in der gewählten Form redundant und wenig verständnisfördernd.

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§ 18

Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Banken

setzung im deutschen Recht erhöht allerdings aufgrund des Anwendungsvorrangs der Vorschriften in Artt. 21, 27 SRM-VO, die dem nationalen Umsetzungsrecht nur eingeschränkte Bedeutung belässt (siehe oben Rz. 10), die Unübersichtlichkeit der Materie erheblich. bb)

Verlusttragung entsprechend allgemeinem Insolvenzrecht – Einzelheiten

(1)

Anwendungsszenarien und -probleme

83 Wie schon die oben wiedergegebenen Anwendungszwecke (siehe Rz. 74 ff.) für den Bailin nach § 90 SAG (Art. 43 Abs. 2 BRRD) zeigen, sind für den praktischen Einsatz des Instrumentariums unterschiedliche Strategien realisierbar. Die Wahl zwischen diesen Alternativen steht daher zwangsläufig am Beginn der Gestaltungsentscheidungen der Abwicklungsbehörde in diesem Zusammenhang. Zu unterscheiden sind einerseits Bail-ins mit dem Ziel der Wiederherstellung der finanziellen Stabilität unter Wahrung der Integrität des insolvenzbedrohten Rechtsträgers (vgl. nochmals Art. 27 Abs. 1 lit. a SRM-VO, § 90 Nr. 1 i. V. m. §§ 102 ff. SAG) und andererseits Bail-ins im Zusammenhang mit anderen Abwicklungsmaßnahmen, die auf die Zerschlagung des Rechtsträgers unter Aufrechterhaltung seiner systemrelevanten Funktionen abzielen (z. B. Übertragung auf private Erwerber oder Brückeninstitut, vgl. Art. 27 Abs. 1 lit. b SRM-VO, § 90 Nr. 2 SAG).155) In der Literatur wird die erstgenannte Variante auch als Going-Concern-156) oder Open Bank Bail-in,157) die zweitgenannte Variante als Gone-Concern-Bail-in158) (zum Teil – missverständlich – auch als Closed-Bank-Lösung)159) bezeichnet. In beiden Konstellationen dienen Herabschreibungs- und Umwandlungskompetenzen gleichermaßen der Verlustzuweisung und der Kapitalbeschaffung.160) Aufschlussreich für die Praxis ist ein im September 2019 veröffentlichtes BaFin-Merkblatt zur externen Bail-in-Implementierung,161) das die Perspektive der nationalen Abwicklungsbehörde nicht nur auf die Prozessabläufe, sondern auch auf die jeweils zu verfolgenden Ziele dokumentiert. 84 Besonders die Rekapitalisierung eines Instituts mittels Bail-in ist dabei ein voraussetzungsreiches Wagnis, das die Abwicklungsbehörden vor komplexe Bewertungs- und Gestaltungsprobleme stellt (siehe auch noch Rz. 106 ff.). Ihnen wird insbesondere die schwierige Prognose abverlangt, ob tatsächlich eine baldige Sanierung des Instituts möglich ist und, noch problematischer, welche Kapitalausstattung angesichts der aufgetretenen Verluste erforderlich sein wird, um dies den übrigen Marktteilnehmern (insbesondere Investoren, Gegenparteien in Finanzmarktkontrakten) hinreichend glaubwürdig zu signalisieren.162) Die damit verbundenen Probleme dürften schon deshalb schwerer zu bewältigen sein als in Gone-Concern-Fällen, weil die Marktteilnehmer bei einer hoheitlich veranlassten und durchgeführten Rekapitalisierung unter Beibehaltung des Rechtsträgers länger in Unsicherheit hinsichtlich der Erfolgsaussichten gehalten werden als bei sofortiger Um___________ 155) Zum Ganzen auch Wojcik, CMLR 53 (2016), 91, 107 f. Insoweit unzutr. Avgouleas/Goodhart, J.Fin.Reg. 1 (2015), 3, 14, die von einer Festlegung der BRRD auf einen Bail-in allein zugunsten des insolvenzreifen Instituts ausgehen. 156) Gordon/Ringe, ColumLRev 115 (2015), 1297, 1352, vgl. auch Joosen in: Haentjens/Wessels, Research Handbook, S. 175, 222 ff. 157) Vgl. etwa Avgouleas/Goodhart, J.Fin.Reg. 1 (2015), 3, 6 und passim. 158) Gordon/Ringe, ColumLRev 115 (2015), 1297, 1352; Joosen in: Haentjens/Wessels, Research Handbook, S. 175, 222 ff. 159) So Avgouleas/Goodhart, J.Fin.Reg. 1 (2015), 3, 6 und passim. Dies ist deshalb unpräzise, weil sich die darin angesprochene „Schließung“ – entsprechend der US-amerikanischen Praxis – gerade nicht auf eine operativ tätige „Bank“ (i. S. eines Kreditinstituts mit operativem Geschäft), sondern auf eine Holdinggesellschaft bezieht, bei der das im Kundengeschäft engagierte Bankinstitut als Tochter als solches erhalten bleibt. 160) Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662, 666. 161) BaFin, Merkblatt zur externen Bail-in-Implementierung, v. 9/2019. 162) Zutr. Avgouleas/Goodhart, J.Fin.Reg. 1 (2015), 3, 15 ff.

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 gestaltung der Bilanzpositionen des insolvenzreifen Rechtsträgers unter Verlagerung von Rechtsbeziehungen auf einen solventen dritten Erwerber oder ein Brückeninstitut. Ob sich Going-Concern-Lösungen angesichts dessen in der Praxis werden umsetzen lassen, ist schon mit Blick auf diese Schwierigkeiten nicht zweifelsfrei. Bei alledem ist mit den beiden Grundkonzepten (Going Concern, Gone Concern) das Feld 85 der unterschiedlichen Anwendungsszenarien als solchen und damit auch der jeweiligen Folgeprobleme nur unzureichend ausgeleuchtet. Die Zahl der Gestaltungsmöglichkeiten, damit aber auch die der Folgeprobleme und die Verantwortung der jeweiligen Behörde potenzieren sich, wenn die Anwendungsmöglichkeiten in Gruppenlagen in den Blick genommen werden. In dieser Hinsicht ergeben sich bedeutende Unterschiede je nachdem, ob das Bail-in-Instrument lediglich bei einem Rechtsträger (z. B. der Muttergesellschaft) oder bei mehreren Gruppenunternehmen angewendet werden soll (siehe auch unten Rz. 129 ff.). (2)

Einbezogene Rechtspositionen

(a)

Grundlagen

Die in Art. 21 SRM-VO geregelten Kompetenzen zur „Herabschreibung und Umwandlung 86 von Kapitalinstrumenten“ beziehen sich auf „relevante Kapitalinstrumente“ und damit nach der Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 Nr. 51 SRM-VO auf Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals sowie des Ergänzungskapitals.163) Entsprechend definiert werden die Gegenstände des „Instruments der Beteiligung der Inhaber relevanter Kapitalinstrumente“ in § 89 i. V. m. § 2 Abs. 2 SAG (vgl. Artt. 59 ff. BRRD). Die Positionen der „Anteilsinhaber“ bzw. Gesellschafter (vgl. zur Terminologie Art. 3 Abs. 1 Nr. 45 SRM-VO, § 2 Abs. 3 Nr. 6 SAG) und mithin die Instrumente des harten Kernkapitals werden demgegenüber in Art. 21 Abs. 10 lit. a SRM-VO (vgl. § 100 SAG, entsprechend Artt. 47 und 48 BRRD) gesondert erfasst. Die in den Bail-in (die „Gläubigerbeteiligung“) nach Art. 27 SRM-VO, § 90 SAG einbezogenen Verbindlichkeiten ergeben sich aus Art. 27 Abs. 3 – 5 SRM-VO (vgl. § 91 SAG, Art. 44 BRRD). Auch dieses System reflektiert das Ziel, einerseits die wirtschaftlichen Konsequenzen eines tradierten Insolvenzverfahrens nach Möglichkeit zu simulieren, andererseits systemische Ansteckungsrisiken möglichst zu vermeiden. In den Bail-in einbezogen sind grundsätzlich alle Verbindlichkeiten des betreffenden In- 87 stituts oder gruppenangehörigen Unternehmens, soweit sie nicht nach Maßgabe des Art. 27 Abs. 3 SRM-VO (vgl. § 91 Abs. 2 SAG, entsprechend Art. 44 Abs. 2 BRRD) ausgeschlossen sind oder durch die Abwicklungsbehörde im Einzelfall nach Art. 27 Abs. 4 und 5 SRM-VO (vgl. § 92 SAG, entsprechend Art. 44 Abs. 3 BRRD) ausgenommen werden. Dabei orientiert sich das Abwicklungsrecht auch insoweit konzeptionell am allgemeinen Insolvenzrecht, das – im deutschen Recht – in § 38 InsO zunächst die Insolvenzgläubiger allgemein definiert, um dann in den §§ 39 ff. und §§ 47 ff. InsO Rangverhältnisse bzw. Aussonderungsrechte festzulegen und damit zu regeln, inwieweit die einzelnen Rechtspositionen in die insolvenzförmige Vermögensverwertung einbezogen werden. (b)

Gesetzlich ausgenommene Verbindlichkeiten (Art. 27 Abs. 3 SRM-VO, § 91 Abs. 2 SAG)

Nach Art. 27 Abs. 3 SRM-VO (entsprechend § 91 Abs. 2 SAG) ausgenommen sind zu- 88 nächst gedeckte Einlagen bis zur Höhe des Deckungsniveaus nach § 8 EinSiG, wobei der Einleger hinsichtlich der in § 8 EinSiG geregelten Sonderfälle (zu diesen siehe § 19 Rz. 42 [Biermann/Lütgerath]) diese binnen einer von der Abwicklungsbehörde zu setzenden Frist glaubhaft zu machen hat (§ 91 Abs. 2 Nr. 1 SAG). ___________ 163) Vgl. dazu weiter die Definitionen in Art. 3 Abs. 1 Nr. 46 („zusätzliches Kernkapital“) sowie Nr. 47 („Ergänzungskapital“) SRM-VO (unter Verweis auf Art. 52 Abs. 1 bzw. Art. 63 CRR).

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§ 18

Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Banken

89 Ausgenommen sind weiterhin insbesondere x besicherte Verbindlichkeiten, einschließlich Verbindlichkeiten aus gedeckten Schuldverschreibungen und Derivategeschäften i. S. des § 4 Abs. 3 Satz 2 PfandBG (Art. 27 Abs. 3 lit. b SRM-VO, § 91 Abs. 2 Nr. 2 SAG),164) x Verbindlichkeiten aus der Verwahrung von Kundenvermögen oder Kundengeldern, die in der Insolvenz ein Aus- oder Absonderungsrecht begründen würden (Art. 27 Abs. 3 lit. c SRM-VO, § 91 Abs. 2 Nr. 3 SAG), x Verbindlichkeiten aus einem Treuhandverhältnis, die in der Insolvenz ein Aussonderungsrecht begründen würden (Art. 27 Abs. 3 lit. d SRM-VO, § 91 Abs. 2 Nr. 4 SAG), x kurzfristige Interbankenverbindlichkeiten (Art. 27 Abs. 3 lit. e SRM-VO, § 91 Abs. 2 Nr. 5 SAG) und x Verbindlichkeiten aus der Teilnahme an Zahlungs- und Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (Art. 27 Abs. 3 lit. f SRM-VO, § 91 Abs. 2 Nr. 6 SAG) sowie x Verbindlichkeiten gegenüber Arbeitnehmern, operativen Geschäftspartnern (Art. 27 Abs. 3 lit. g Ziff. i und ii SRM-VO, § 91 Abs. 2 Nr. 7 lit. a und b SAG) und x Beiträge zu Einlagensicherungssystemen (§ 91 Abs. 2 Nr. 7c SAG). 90 Auch in diesen Ausnahmeregelungen ist das Bestreben unverkennbar, die insolvenzrechtliche Rangfolge weitestmöglich abzubilden und nur dort davon abzuweichen, wo dies im Interesse der Systemstabilität geboten erscheint.165) Ersteres belegen besonders deutlich die an insolvenzrechtliche Aus- und Absonderungsrechte anknüpfenden Regelungen in § 91 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 SAG, letzteres dagegen die Privilegierung bestimmter Gegenparteien in Nr. 5 und 6 der Vorschrift. (c)

Ausnahmen im Ermessen der Abwicklungsbehörde (Art. 27 Abs. 5 SRM-VO, § 92 SAG)

91 Die in Art. 27 Abs. 5 SRM-VO (§ 92 SAG, entsprechend Art. 44 Abs. 3 BRRD) eingeräumte Befugnis zur Festlegung weiterer Ausnahmen im Ermessen der Abwicklungsbehörde flexibilisiert deren Handlungsspielräume erheblich. Sie beruht letztlich auf der Einsicht des Verordnungs- bzw. Richtliniengebers in die Leistungsgrenzen des Bail-inInstruments und in die mit seiner Anwendung verbundenen Unwägbarkeiten im Hinblick auf mögliche Ansteckungsrisiken.166) ___________ 164) Krit. insoweit mit guten Gründen Thole, ZBB 2016, 57, 62. 165) Eindeutig in diesem Sinne auch ErwG 77 Satz 1 BRRD: „Soweit in dieser Richtlinie nichts anderes bestimmt ist, sollten die Abwicklungsbehörden das Bail-in-Instrument auf eine Art und Weise anwenden, die die Pari-Passu-Behandlung der Gläubiger und die gesetzliche Rangfolge der Forderungen i. R. des gültigen Insolvenzrechts respektiert.“ Vgl. auch Bliesener in: Dombret/Kenadjian, The Bank Recovery and Resolution Directive, S. 189, 199; Wojcik, CMLR 53 (2016), 91, 109. 166) Vgl. bereits ErwG 72 BRRD: „Die Abwicklungsbehörden sollten unter bestimmten Umständen Verbindlichkeiten vollständig oder teilweise vom Bail-in ausschließen können, u. a. wenn ein Bail-in dieser Verbindlichkeiten innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens nicht möglich ist, wenn der Ausschluss unbedingt erforderlich und verhältnismäßig ist, um für die Kontinuität der krit. Funktionen und Kerngeschäftsbereiche des Instituts zu sorgen, oder wenn die Anwendung des Bail-in-Instruments auf die Verbindlichkeiten eine Wertvernichtung verursachen würde, bei der die von anderen Gläubigern zu tragenden Verluste höher wären, als wenn diese Verbindlichkeiten nicht vom Bail-in ausgeschlossen würden. Die Abwicklungsbehörden sollten unter bestimmten Umständen Verbindlichkeiten vollständig oder teilweise ausschließen können, wenn es erforderlich ist, um Ansteckung und finanzieller Instabilität vorzubeugen, die die Wirtschaft eines Mitgliedstaats erheblich beeinträchtigen könnten. Bei der Durchführung dieser Bewertungen sollten die Abwicklungsbehörden die Folgen eines potenziellen Bail-in von Verbindlichkeiten berücksichtigen, die aus erstattungsfähigen Einlagen stammen, die von natürlichen Personen, Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen oberhalb der durch die Richtlinie 2014/49/EU festgelegten Deckungssumme gehalten werden.“

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 Mit der Zulassung weiterer, über die in Art. 27 Abs. 3 SRM-VO (§ 91 Abs. 2 SAG) gere- 92 gelten Fälle hinausgehender Ausnahmen sind allerdings zwangsläufig Kollisionen mit dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung ebenso verbunden wie Implikationen für das Verbot der Schlechterstellung von Gläubigern im Vergleich mit dem wirtschaftlichen Ergebnis einer insolvenzförmigen Liquidation (zu beidem siehe oben Rz. 29 f.): Wenn und soweit Verbindlichkeiten aus dem Bail-in ausgenommen werden, werden damit naturgemäß nicht nur die jeweiligen Gläubiger gegenüber den übrigen bessergestellt. Vielmehr wird zugleich der Umfang der insgesamt für die Zwecke des Bail-in zur Verfügung stehenden potentiellen Verlustdeckungs- bzw. Sanierungsbeiträge verringert, was die Spielräume für eine am wirtschaftlichen Ergebnis einer insolvenzförmigen Liquidation orientierte Ausgestaltung einschränkt.167) Insofern ist der Bail-in mit dem gleichen Problem konfrontiert, das sich bei der Anerkennung von Insolvenzprivilegien, insbesondere Absonderungsrechten, in der Insolvenz stellt.168) Damit besteht ein Zielkonflikt zwischen Gläubiger- und Systemschutz, der zum einen durch restriktive Voraussetzungen für die Anerkennung von Ausnahmen im Einzelfall (siehe sogleich Rz. 93 f.) und zum zweiten durch Entschädigungsleistungen durch den Restrukturierungsfonds (siehe Rz. 124) abgefedert wird.169) Nach Art. 27 Abs. 5 SRM-VO (§ 92 Abs. 1 SAG) darf die Abwicklungsbehörde weitere, 93 über Art. 27 Abs. 3 SRM-VO (§ 91 SAG) hinausgehende Ausnahmen vom Bail-in nur unter bestimmten Voraussetzungen zulassen, die erkennbar vor allem Missbräuche zu anderen Zwecken als zur Abwehr systemischer Ansteckungsrisiken vermeiden sollen: x

Gerade mit Blick darauf recht weit gefasst ist die erste Ausnahmeregelung (Unmöglichkeit der Einbeziehung trotz angemessener Bemühungen der Abwicklungsbehörde, Art. 27 Abs. 5 lit. a SRM-VO = § 92 Abs. 1 Nr. 1 SAG).

x

Ausnahmeregelungen sind sodann zulässig, wenn sie „zwingend notwendig und verhältnismäßig sind“, um die Fortführung kritischer Funktionen (zu diesen siehe oben Rz. 25) zu sichern (Art. 27 Abs. 5 lit. b SRM-VO = § 92 Abs. 1 Nr. 2 SAG) oder

x

um Ansteckungsgefahren für die Stabilität der Finanzmärkte, einschließlich der Finanzmarktinfrastruktur, zu vermeiden (Art. 27 Abs. 5 lit. c SRM-VO = § 91 Abs. 1 Nr. 3 SAG).

x

Schließlich können Ausnahmen zugelassen werden, wenn die Einbeziehung zu einer Wertvernichtung führen würde, bei der die von anderen Gläubigern zu tragenden Verluste höher als im Falle des Ausschlusses der Verbindlichkeiten ausfallen würden (Art. 27 Abs. 5 lit. d SRM-VO = § 92 Abs. 1 Nr. 4 SAG).

Für die praktische Handhabung zu beachten sind die auf der Grundlage des Art. 44 Abs. 11 94 BRRD erlassenen Technischen Regulierungsstandards,170) die allerdings über die Vorgaben der Richtlinienbestimmungen in Art. 27 Abs. 5 SRM-VO (Art. 44 Abs. 3 BRRD) nicht wesentlich hinausgehen und zur Konkretisierung der eher vage formulierten Vorschriften wenig beitragen.

___________ 167) Anschaulich Wojcik, CMLR 53 (2016), 91, 109. 168) Vgl. dazu allgemein für das deutsche Insolvenzrecht stellvertretend Ganter in: MünchKomm-InsO, Vor §§ 49 bis 52 Rz. 6 ff. m. w. N. 169) Vgl. entsprechend einerseits Art. 44 Abs. 3 Unterabs. 2 BRRD bzw. Art. 5 Unterabs. 2 SRM-VO, andererseits Art. 44 Abs. 4 bis 8 BRRD bzw. Art. 27 Abs. 6 bis 11 SRM-VO. 170) Delegierte Verordnung (EU) 2016/860 der Kommission v. 4.2.2016, ABl. (EU) L 144/11 v. 1.6.2016.

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§ 18

Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Banken

95 Weitere Einschränkungen für die Ermessensausübung – von eher unklarem tatsächlichen Wert – sieht Art. 27 Abs. 12 SRM-VO (§ 92 Abs. 2 SAG) vor:171) x Danach muss die Abwicklungsbehörde bei ihrer Entscheidung zunächst „berücksichtigen“, dass Verluste nach der Grundkonzeption der Richtlinie grundsätzlich vorrangig von den Anteilsinhabern und erst dann von den Gläubigern entsprechend dem Rang ihrer Verbindlichkeiten zu tragen sind (Art. 27 Abs. 12 lit. a SRM-VO = § 92 Abs. 2 Nr. 1 SAG). x Ebenfalls zu „berücksichtigen“ sind die Höhe der nach Ausschluss der betreffenden Verbindlichkeit(en) noch verbleibenden Verlustabsorptionskapazität (Art. 27 Abs. 12 lit. b SRM-VO = § 92 Abs. 2 Nr. 2 SAG) sowie das „Vorhandensein ausreichender Mittel zur Finanzierung der Abwicklungsmaßnahmen“ (Art. 27 Abs. 12 lit. c SRMVO = § 92 Abs. 2 Nr. 3 SAG). Vor allem die beiden letztgenannten Einschränkungen indizieren, dass die Kompetenzen 96 zur Zulassung von Ausnahmen die oben (siehe Rz. 92) angesprochenen Spannungen zwischen Systemschutz und möglichst weitgehender Simulation der wirtschaftlichen Ergebnisse eher konturiert denn auflöst. 97 Umso wichtiger ist die Frage, wie der durch die Zulassung von Ausnahmen nach Art. 27 Abs. 5 SRM-VO (§ 92 SAG) verursachte wertmäßige Ausfall im Hinblick auf die Zwecke des Bail-in kompensiert werden kann. Die unionsrechtlichen Vorgaben gehen als Regelfall davon aus, dass der Ausfallbetrag durch stärkere Heranziehung der Inhaber relevanter Kapitalinstrumente und anderer Gläubiger kompensiert wird, dies aber nur, soweit das Verbot der Schlechterstellung gegenüber dem wirtschaftlichen Ergebnis einer insolvenzförmigen Liquidation gewahrt bleibt.172) Im deutschen Recht stellt dies § 96 Abs. 6 SAG ausdrücklich klar. Sollte dies nicht möglich sein,173) können Ausgleichsbeiträge gemäß Art. 27 Abs. 6 bis 8 SRM-VO bzw. nach § 94 SAG i. V. m. § 7a RStFG in Anspruch genommen werden, sofern Anteilsinhaber, Inhaber relevanter Kapitalinstrumente bzw. Inhaber anderer berücksichtigungsfähiger Kapitalinstrumente einen Verlustausgleich i. H. von mindestens 8 % der gesamten Verbindlichkeiten einschließlich Eigenmittel des betroffenen Unternehmens geleistet haben und sofern der Beitrag des Fonds 5 % der gesamten Verbindlichkeiten einschließlich Eigenmittel nicht übersteigt. 98 Unter – nicht näher spezifizierten – „außergewöhnlichen Umständen“ können darüber hinaus „alternative Finanzierungsquellen“ in Anspruch genommen werden, wenn die vorgenannte Obergrenze i. H. von 5 % eingehalten wird und alle nicht ausgenommenen unbesicherten berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten vollständig abgeschrieben oder umgewandelt worden sind, Art. 27 Abs. 9 SRM-VO (§ 94 Abs. 2 SAG). Als Anwendungsszenario hierfür wird man an Systemkrisen zu denken haben, in deren Verlauf die Mittel aus den zur Verfügung stehenden Fonds (Restrukturierungsfonds bzw. Single Resolution Fund) bereits aufgezehrt worden sind. Dies erweitert zwar die Handlungsmöglichkeiten für die Abwicklungsbehörde in derartigen Krisenszenarien, weil damit Ausnahmen vom Bail-in im Interesse des Systemschutzes auch ohne Rücksicht auf die begrenzten Ressourcen der Finanzierungsmechanismen möglich bleiben; die mit der Anordnung von Bail-ins gerade in derartigen Konstellationen verbundenen Unwägbarkeiten174) bleiben allerdings dennoch unberührt. ___________ 171) Entsprechend Art. 44 Abs. 3 Unterabs. 2 a. E. bzw. Abs. 9 BRRD; entsprechend Art. 27 Abs. 5 Unterabs. 2 a. E. SRM-VO. 172) ErwG 73 Satz 1 BRRD; vgl. Art. 27 Abs. 4 BRRD = Art. 27 Abs. 6 SRM-VO. 173) Vgl. nochmals ErwG 73 Satz 2 BRRD: „Können die Verluste nicht an andere Gläubiger weitergegeben werden, kann der Abwicklungsfinanzierungsmechanismus einen Beitrag zu dem in Abwicklung befindlichen Institut leisten […]“. 174) Vgl. dazu Binder, ZBB 2017, 57, 64 ff.

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 (d)

Sonderfall: Verbindlichkeiten aus Derivatepositionen

Verbindlichkeiten aus Derivatepositionen werden in den Bail-in zwar einbezogen, doch 99 muss die Anwendung die – in der Regel in marktüblichen Rahmenverträgen175) – vereinbarten Beendigungs- und Saldierungsrechte der Gegenparteien respektieren, wobei die Abwicklungsbehörde selbst das Recht hat, die Verträge zu kündigen und glattzustellen (vgl. § 93 Abs. 1 und 2 SAG).176) Eine Einbeziehung in den Bail-in ist bei Vorliegen entsprechender Rahmenvereinbarungen lediglich i. H. des zum jeweiligen Zeitpunkt zu ermittelnden Nettowertes der Derivatepositionen zulässig; dieser ist nach Maßgabe des § 93 Abs. 4 SAG durch die Abwicklungsbehörde oder durch unabhängige Sachverständige festzustellen (§ 93 Abs. 3 SAG).177) Die Vorgaben für die Berechnungsmethoden werden durch Technische Regulierungsstandards auf der Grundlage des Art. 49 Abs. 5 BRRD weiter konkretisiert.178) Auf die in diesem Zusammenhang zu beachtenden allgemeinen Vorschriften des § 84 SAG ist bereits oben (siehe Rz. 58) eingegangen worden. (3)

Mindestanforderungen an Eigenmittel und bail-in-fähige Verbindlichkeiten, TLAC (Artt. 12 – 12k SRM-VO, §§ 49 ff. SAG)

Die Regelungen zum Bail-in werden flankiert durch – präventiv wirkende, im laufenden 100 Geschäftsbetrieb jederzeit einzuhaltende – „Mindestanforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten“, deren Umsetzung die Verfügbarkeit hinreichender Mittel für die Durchführung von Bail-ins sicherstellen und damit die effektive und rechtssichere Anwendung erst ermöglichen soll.179) Die einschlägigen Rechtsgrundlagen sind soeben mit dem Bankenpaket 2019180) (siehe bereits § 1 Rz. 10 [Binder]) umfassend überarbeitet worden. Sie finden sich nunmehr in Artt. 12 – 12k SRM-VO; die Vorgaben in den §§ 49 – 55 SAG sind an die neu gefassten Anforderungen in den Artt. 45 – 45m BRRD n. F. noch nicht angepasst worden. Ergänzend hinzu treten die bisher auf der Grundlage des Art. 45 Abs. 2 und 17 BRRD erlassenen Technischen Regulierungsstandards.181) Die damit skizzierten Vorgaben setzen bereits vor dem Eintritt einer finanziellen Schieflage an und wirken präventiv; ihre Festlegung ist auf das Engste mit der Abwicklungsplanung nach §§ 40 ff. SAG verknüpft (zu dieser siehe § 15 Rz. 69 ff. [Cichy]).182) Das Konzept der „Mindestanforderungen“ (auch in der deutschsprachigen Diskussion bekannt unter dem englischen Akronym MREL, für Minimum Requirements on Own Funds and Eligible Liabilities) geht damit in eine ähnliche Richtung wie Arbeiten zur Entwicklung in___________ 175) Vgl. z. B. Nr. 7 – 9 des Deutschen Rahmenvertrags für Finanztermingeschäfte (DRV 2018), https:// bankenverband.de/service/rahmenvertraege-fuer-finanzgeschaefte/deutscher-rahmenvertrag-fuerfinanztermingeschaefte (Abrufdatum: 7.5.2020); ISDA Master Agreement 2002 (abgedruckt bei Reiner, ISDA Master Agreement, S. 1), Nr. 5 und 6; s. nochmals bereits oben Rz. 58. 176) Entsprechend Art. 49 Abs. 1 bis 3 BRRD; Art. 12 Abs. 4 Unterabs. 2 SRM-VO. 177) Vgl. Art. 49 Abs. 3 und 4 BRRD. 178) Delegierte Verordnung (EU) 2016/1401 der Kommission v. 23.5.2016, ABl. (EU) L 228/7 v. 23.8.2016. 179) Dazu und zum Folgenden eingehend Wojcik, CMLR 53 (2016), 91, 113. 180) S. Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019; Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019. 181) Vgl. derzeit Delegierte Verordnung (EU) 2016/1450 der Kommission v. 23.5.2016, ABl. (EU) L 237/1 v. 3.9.2016. 182) Vgl. hierzu Art. 10 Abs. 7 lit. o, Art. 13 Abs. 10, Art. 17 Abs. 5 lit. i und j sowie Art. 45 Abs. 6 lit. c BRRD; Art. 7 Abs. 3 lit. d, Art. 8 Abs. 9 lit. o, Art. 10 Abs. 11 lit. i und j sowie Art. 12 Abs. 6 Unterabs. 2 SRMVO; im deutschen Recht §§ 40 Abs. 3 Nr. 16, 49 Abs. 6 SAG; s. a. Friedrich/Skorobogatov, WM 2017, 840.

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ternational einheitlicher Grundsätze für die Anforderungen an die Verlustabsorptionsfähigkeit von Banken zur Vorbereitung von Bail-ins. Die diesbezüglichen Standards des FSB sehen die Festsetzung eines Werts zwischen 16 und 20 % der risikogewichteten Aktiva für global systemrelevante Banken vor (sog. Total Loss Absorbing Capacity – TLAC).183) Konzeptionell unterscheiden sich die Mindestanforderungen nach der Richtlinie von diesem Ansatz allerdings nicht nur im Hinblick auf die Bezugsgrößen, sondern auch durch den individuellen, auf die Verhältnisse jedes Einzelfalls anzupassenden Bewertungsansatz.184) Auf die Neuregelungen wird auch an anderer Stelle im vorliegenden Handbuch eingegangen (siehe § 7 Rz. 503 ff. [Amann]).185) 101 Im derzeit noch geltenden Recht sieht zunächst Art. 12 Abs. 1 und 4 SRM-VO (§ 49 SAG) die Festlegung eines institutsspezifischen Mindestbetrags berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten vor. Dieser ist gemäß Art. 12 Abs. 4 SRM-VO auszudrücken als „Betrag an Eigenmitteln und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten, ausgedrückt als Prozentanteil der gesamten Verbindlichkeiten und Eigenmittel des Instituts“.186) Die Zielvorgaben für die Festlegung des Betrags werden in Art. 12 Abs. 6 SRM-VO noch geltender Fassung (vgl. § 92 Abs. 4 SAG, Art. 45 Abs. 6 BRRD) definiert. Danach ist sicherzustellen, dass das betreffende Institut unter Berücksichtigung seiner Größe, seines Geschäftsmodells, seiner Refinanzierungsstruktur und seines Risikoprofils sowie der erwartbaren Auswirkungen eines Ausfalls auf die Finanzstabilität tatsächlich über eine für unterschiedliche Abwicklungsstrategien erforderliche Verlustabsorptionskapazität verfügt. Die Kriterien werden bislang in den auf Art. 45 Abs. 2 BRRD geltender Fassung gestützten Technischen Regulierungsstandards in der VO (EU) 2016/1450 weiter konkretisiert. In Gruppenlagen sind die Mindestanforderungen grundsätzlich187) sowohl auf konsolidierter Ebene188) als auch für jedes Tochterunternehmen der Gruppe separat festzulegen,189) um ggf. jedes Gruppenunternehmen abwickeln zu können.190) ___________ 183) FSB, Principles on Loss-Absorbing and Recapitalisation Capacity of G-SIBs in Resolution – TLAC Term Sheet, v. 9.11.2015, und dazu näher Bauer/Werner, WM 2015, 1135 ff.; Hüpkes in: ECB, Legal Conference 2015, S. 199, 200 ff. 184) Vgl. dazu EBA, Consultation Paper: Draft Regulatory Technical Standards on criteria for determining the minimum requirement for own funds and eligible liabilities under Directive 2014/59/EU, v. 28.11.2014 (EBA/CP/2014/41), S. 13 f. 185) Umfassende Einführung zudem bei Adolff/Häller, ZBB 2019, 369. 186) Vgl. auch § 49 Abs. 1 Satz 2 SAG: „Quote bestehend aus der Summe der Eigenmittel und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten einerseits und der Summe der Gesamtverbindlichkeiten und Eigenmittel des Instituts andererseits“, wobei Verbindlichkeiten aus Derivaten gemäß § 49 Abs. 1 Satz 3 SAG bei der Berechnung der Gesamtverbindlichkeiten mit der „Maßgabe berücksichtigt [werden], dass Saldierungsvereinbarungen der Vertragspartner in voller Höhe anerkannt werden“. 187) Zu Ausnahmen insoweit Art. 45 Abs. 11 (Ausnahme für Anforderungen an Unionsmutterinstitut) und Art. 12 (Ausnahmen für Anforderungen an Tochterunternehmen) BRRD; entsprechend Art. 12 Abs. 10 und 11 SRM-VO; im deutschen Recht § 52 SAG. 188) Art. 45 Abs. 8 und – zum Verfahren der Festlegung – Abs. 9 BRRD; entsprechend Art. 12 Abs. 8 SRM-VO; im deutschen Recht § 50 SAG. 189) Art. 45 Abs. 10 BRRD; Art. 12 Abs. 9 und 10 SRM-VO; im deutschen Recht § 51 SAG. 190) Vgl. ErwG 80 BRRD = ErwG 84 SRM-VO: Es sollte „der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Abwicklungsmaßnahmen auf der Ebene der einzelnen juristischen Personen angewandt werden und dass es unabdingbar ist, dass die Verlustabsorptionskapazität bei dem Rechtsträger innerhalb der Gruppe vorhanden oder für diesen erschließbar ist, bei dem Verluste entstehen. Zu diesem Zweck sollte sichergestellt werden, dass die Verlustabsorptionskapazität innerhalb einer Gruppe gemäß dem in ihren einzelnen juristischen Personen gegebenen Risikograd über die Gruppe verteilt wird. Die erforderliche Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten an jedes einzelne Tochterunternehmen sollte gesondert beurteilt werden. Darüber hinaus sollte sichergestellt werden, dass das gesamte Kapital und alle Verbindlichkeiten, die auf die konsolidierte Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten angerechnet werden, in den Rechtsträgern belegen sind, in denen Verluste auftreten können, oder in anderer Weise zur Absorption der Verluste zur Verfügung stehen.“

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 Die Anforderungen an berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten sind bislang geregelt 102 in § 49 Abs. 2 und 3 SAG (vgl. Art. 12 Abs. 16 SRM-VO; künftig insbesondere Art. 12a, 12c SRM-VO); sie sollen sicherstellen, dass die betreffenden Fremdkapitalpositionen effektiv für die Durchführung eines Bail-in zur Verfügung stehen.191) Zwar ist darauf verzichtet worden, Bail-ins auf ausdrücklich zu diesem Zweck zu emittierende Schuldverschreibungen (Designated-Bail-inable-Debt-Instruments) zu beschränken, wie dies etwa im Bericht der Liikanen-Kommission zu „Strukturreformen im EU-Bankensektor“ vorgeschlagen worden war.192) Der Kreis der berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten ist vielmehr bewusst offen gehalten. Bei der Festlegung kann verlangt werden, dass die Institute die Mindestanforderungen teilweise durch Instrumente mit einer vertraglichen Gläubigerbenachteiligungsklausel erfüllen (Art. 12 Abs. 11 und 12 SRM-VO, § 53 SAG, entsprechend Art. 45 Abs. 13 und 14 BRRD). Für berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, die dem Recht eines Drittstaates unterliegen, ist verpflichtend vertraglich zu vereinbaren, dass die jeweiligen Gläubiger den Nachrang anerkennen und sich der Einbeziehung in den Bail-in unterwerfen; die Wirksamkeit der Verpflichtung ist nachzuweisen (Einzelheiten: § 55 SAG, vgl. Art. 55 BRRD).193) Für das neue Recht zu beachten sind die in Art. 44a BRRD geregelten, in Deutschland noch nicht umgesetzten Vorgaben für die Beschränkung des Vertriebs Bail-in-fähiger Schuldtitel gegenüber privaten Anlegern. (4)

Die „Haftungskaskade“

Die für die Verlusttragung maßgebliche „Haftungskaskade“, die zutreffend als „modifizierte 103 Insolvenzrangfolge“ charakterisiert worden ist,194) ergibt sich aus § 97 SAG (vgl. Art. 48 BRRD, ggf. i. V. m. Art. 17 SRM-VO) sowie Art. 21 Abs. 10 SRM-VO (vgl. § 100 SAG, Art. 47 BRRD). Danach werden zunächst Anteile und andere Instrumente des harten Kernkapitals, nachfolgend Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals, danach Instrumente des Ergänzungskapitals und schließlich die für den Bail-in berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten durch Herabschreibung bzw. Umwandlung in die nächstfolgende Kategorie herangezogen.195) Dabei ist die in dieser Reihenfolge jeweils vorhergehende (d. h. die im Rang nachfolgen- 104 de) Kategorie grundsätzlich erst heranzuziehen, wenn in der zuvor herangezogenen Gruppe der durch die Abwicklungsbehörde festzulegende, zur Deckung der aufgetretenen Verluste erforderliche Gesamtbetrag196) nicht erreicht worden ist.197) Innerhalb der einzelnen Gruppen ___________ 191) I. E. müssen die Verbindlichkeiten tatsächlich gegenüber Dritten entstanden sein und dürfen nicht vom Institut garantiert oder durch das Institut finanziert sein (Nr. 1, 2 und 3) und eine Restlaufzeit von mindestens einem Jahr aufweisen (Nr. 4); sie dürfen nicht aus Derivaten (Nr. 5) und aus vorrangig zu befriedigenden Einlagen (Nr. 6) stammen. Nach § 92 Abs. 3 SAG kann die Abwicklungsbehörde bei Verbindlichkeiten, die dem Recht eines Drittstaats unterliegen, den Nachweis verlangen, dass die jeweilige Rechtsordnung die Anordnung des Bail-in anerkennen würde. 192) Vgl. High-level Expert Group on Bank Structural Reform, Final Report – Liikanen-Bericht, v. 2.10.2012, S. 103 f.; zurückhaltend befürwortend wohl auch Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 965 f. 193) Dazu näher die auf Art. 55 Abs. 3 BRRD gestützte Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2016/1075 der Kommission v. 23.3.2016, ABl. (EU) L 184/1 v. 8.7.2016. 194) Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 963; s. – mit Diskussion der Parallelen und Unterschiede im Vergleich mit allgemeinem Insolvenzrecht – auch Thole, ZBB 2016, 57, 62. 195) Vgl. Art. 48 Abs. 1 BRRD; vgl. Art. 21 Abs. 10 SRM-VO; § 97 Abs. 1 Satz 1 SAG. 196) Vgl. i. E. Art. 46 Abs. 1, Art. 47 (Bail-in) und Art. 60 (Herabschreibung „relevanter Kapitalinstrumente“) BRRD; darauf verweisend Art. 17 Abs. 1 SRM-VO; § 96 SAG. 197) S. zu weiteren Einzelheiten EBA, Consultation Paper: Draft Guidelines concerning the interrelationship between the BRRD sequence of writedown and conversion and CRR/CRD IV, v. 1.10.2014 (EBA/CP/ 2014/29).

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sind die Verluste proportional zu verteilen.198) Für Verbindlichkeiten aus Schuldtiteln sind die zunächst mit dem Abwicklungsmechanismusgesetz 2015 (siehe Rz. 24) eingeführten, sodann mit dem FMSA-Neuordnungsgesetz 2016 (siehe Rz. 9) sowie aufgrund einer EURichtlinie zur Anpassung der BRRD-Vorschriften über eine Harmonisierung der Rangposition unbesicherter Schuldtitel199) nochmals modifizierten Sonderregeln in § 46f Abs. 5 bis 7 KWG zur Rangfolge in der Insolvenz zu beachten. Im Rang nach den übrigen ungesicherten Verbindlichkeiten zu befriedigen – und dementsprechend vor diesen in den Bailin einzubeziehen – sind danach bestimmte Schuldtitel, die damit praktisch eine eigene Ranggruppe in der Insolvenz bilden. 105 Besonderheiten ergeben sich für Forderungen von Einlegern und Einlagensicherungssystemen: Zwar unterliegen Einlagen oberhalb des EU-weit garantierten Mindestschutzes grundsätzlich als berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten der Einbeziehung in den Bail-in. Einlagensicherungssysteme werden nach Maßgabe des § 145 SAG (Art. 109 BRRD, ggf. i. V. m. Art. 79 SRM-VO) in dem Umfang in den Bail-in einbezogen, in dem sie beteiligt würden, wenn die gedeckten Einlagen ihrerseits herabgeschrieben würden. Nach § 46f Abs. 4 Nr. 1 KWG, der Art. 108 Abs. 1 BRRD umsetzt, haben gedeckte Einlagen, die aufgrund der Erfüllung eines Entschädigungsanspruchs nach § 16 EinSiG auf das jeweilige Einlagensicherungssystem übergegangen sind, in der Insolvenz Vorrang vor sonstigen ungesicherten Forderungen; im Rang danach und wiederum mit Vorrang vor sonstigen ungesicherten Forderungen sind die über den mindestens geschützten Betrag von 100.000 € hinausgehenden Einlagen natürlicher Personen, Kleinstunternehmen sowie kleinerer und mittlerer Unternehmen zu befriedigen. In beiden Fällen führt dies – spiegelbildlich – zur nachrangigen Einbeziehung in einen Bail-in. Die damit verbundene Privilegierung dient zum einen sozialpolitischen Zielen und soll zum anderen die Funktionsfähigkeit der Einlagensicherungssysteme gewährleisten helfen.200) Damit ergibt sich innerhalb der Gruppe der für den Bail-in „berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten“ eine deutliche Abschichtung zwischen Einlegern und den übrigen Verbindlichkeiten – einschließlich derjenigen Forderungen, die aus den Mindestanforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten resultieren. Mit Blick auf den Insolvenzvorrang für Einlagenforderungen dürfte die Verlusttragung durch Einlagensicherungssysteme kaum jemals praktische Bedeutung erlangen. cc)

Verfahren, einschließlich Bewertungsfragen

(1)

Feststellung des Vorliegens der Abwicklungsvoraussetzungen, weitere Anforderungen

106 Für die Anwendung des Bail-in-Instruments müssen zunächst die allgemeinen Abwicklungsvoraussetzungen festgestellt werden (siehe oben Rz. 36 ff.). Diese werden allerdings in § 65 SAG dahingehend erweitert, dass eine „Beteiligung der Inhaber relevanter Kapitalinstrumente“ i. S. des § 89 SAG (zur Terminologie siehe Rz. 78, 86 f.) in Gruppenlagen bei qualifizierten Verstößen gegen die Aufsichtsanforderungen auf konsolidierter Ebene auch im Hinblick auf solche Schuldtitel angewendet werden kann, die von anderen Unternehmen als dem in Abwicklung befindlichen Institut selbst ausgegeben werden (Art. 21 Abs. 3 und 5 SRM-VO, vgl. § 65 Abs. 1 Nr. 1 und 2 i. V. m. Abs. 2 SAG). Nach § 65 Abs. 1 Nr. 3 SAG kann das Instrument zudem in Fällen der präventiven Rekapitalisierung an___________ 198) Vgl. auch Begr. RegE BRRD-Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 357/14, S. 227. 199) Richtlinie (EU) 2017/2399 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2017, ABl. (EU) L 345/ 96 v. 27.12.2017, in Deutschland umgesetzt durch Gesetz zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze, v. 10.7.2018, BGBl. I 2018, 1102. 200) Vgl. ErwG 111 BRRD.

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 gewendet werden (siehe aber bereits oben Rz. 44). Die Regelungen setzen die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 59 BRRD um (vgl. entsprechend Art. 21 Abs. 1, 3 und 4 SRM-VO). Vor der Anwendung auf gruppenangehörige Unternehmen hat die Abwicklungsbehörde nach § 66 SAG Informations- und Kooperationspflichten gegenüber den für die jeweiligen gruppenangehörigen Unternehmen zuständigen Aufsichtsbehörden sowie gegenüber der konsolidierenden Aufsichtsbehörde; für die Anwendung auf Tochterebene ist eine gemeinsame Entscheidung der Abwicklungs- und der zuständigen Aufsichtsbehörden erforderlich. Die Regelung setzt die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 62 BRRD um. Soweit das SRB zuständig ist, bestehen Informations- und Kooperationspflichten gegenüber der EZB (Einzelheiten: Art. 21 Abs. 2 und 5 SRM-VO). Hinsichtlich der praktischen Abläufe bei der Implementierung von Bail-ins ist hinzuweisen auf ein 2019 veröffentlichtes BaFin-Merkblatt,201) das die Perspektive der nationalen Abwicklungsbehörde dokumentiert. (2)

Festlegung des Umwandlungssatzes

Ausgangspunkt für die Festlegung des Umwandlungssatzes, zu dem relevante Kapitalin- 107 strumente und/oder berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten nach Maßgabe der vorgeschriebenen „Haftungskaskade“ (siehe Rz. 103 ff.) umgewandelt werden, ist zunächst die allgemeine Vorgabe, dass der zugrunde zu legende Faktor „wertangemessen“ sein muss (§ 98 Abs. 1 SAG); dabei ist zu „berücksichtigen“, welchen Nennwert und welchen Rang die betreffenden Positionen in einem hypothetischen Insolvenzverfahren einnehmen würden (§ 98 Abs. 2 SAG). Die Regelungen beruhen auf Art. 50 BRRD, der in Absatz 4 die Konkretisierung durch EBA-Leitlinien202) ermöglicht, die ihrerseits Grundlage für die weitere Konkretisierung durch eine Rechtsverordnung nach § 98 Abs. 3 SAG sein sollen. Bezugspunkte für die Festlegung des Umwandlungssatzes – und damit für die Kalibrierung des Bail-ins im Einzelfall – sind damit einerseits der tatsächliche Wert der einzelnen Verbindlichkeiten unter Berücksichtigung des Umfangs der aufgetretenen und durch den Bail-in zu kompensierenden Verluste des betreffenden Unternehmens, zum anderen das wirtschaftliche Ergebnis einer hypothetischen insolvenzförmigen Liquidation. Dies ist im konzeptionellen Ausgangspunkt konsequent und sachgerecht, aber schon deshalb allenfalls näherungsweise operationalisierbar, weil eine verlässliche Prognose der hypothetischen Entwicklung einer insolvenzförmigen Liquidation angesichts der Wechselwirkungen zwischen den damit ausgelösten Systemrisiken einerseits und dem Residualwert des betroffenen Unternehmens andererseits von vornherein kaum sicher möglich ist. (3)

Bewertung vor und im Zusammenhang mit der Verfahrenseinleitung

Umso größere Bedeutung kommt angesichts der oben konstatierten Unsicherheiten den 108 gesetzlichen Anforderungen an die Bewertung des betroffenen Unternehmens als Ausgangspunkt für die Festlegung des Umwandlungssatzes zu.203) Die unionsrechtlichen Vorgaben insoweit ergeben sich aus Art. 36 BRRD bzw. Art. 20 SRM-VO; auf der Grundlage des Art. 36 Abs. 15 BRRD werden die Anforderungen in Technischen Regulierungsstan___________ 201) BaFin, Merkblatt zur externen Bail-in-Implementierung, v. 9/2019. 202) EBA, Final Guidelines on the rate of conversion of debt to equity in bail-in, v. 5.4.2017 (EBA/GL/ 2017/03). 203) Richtig Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662, 668. Vgl. dazu und zum Folgenden eingehend Hebertinger/ Hoppenburg/Schuck in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. VIII S. 431 ff.; zu einzelnen Problemen insoweit auf der Basis des Richtlinienentwurfs, aber vielfach nach wie vor gültig Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 967 ff.; Bliesener in: Kenadjian, Too Big to Fail, S. 129, 217 ff.; Bliesener in: Dombret/Kenadjian, The Bank Recovery and Resolution Directive, S. 189, 217 ff.

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dards204) näher konkretisiert. Die Vorschriften gelten nicht allein für die Vorbereitung und Durchführung eines Bail-in, sondern allgemein für die Feststellung der Abwicklungsvoraussetzung und Vorbereitung von Abwicklungsmaßnahmen. Sie sind für den Bail-in aber naturgemäß schon mit Blick auf die soeben angesprochenen Vorgaben für die Kalibrierung im Einzelfall von zentraler Bedeutung, weshalb sie im hiesigen Zusammenhang pars pro toto dargestellt werden. Von großer praktischer Bedeutung ist zudem der vom SRB im Frühjahr 2019 vorgelegte Framework for Valuation, der die Anforderungen des Ausschusses an die Bewertung insolvenzreifer Institute dokumentiert.205) 109 Für den SRM legt zunächst Art. 20 Abs. 1 SRM-VO (gleichsinnig § 69 Abs. 1 Nr. 1 SAG) das Erfordernis einer „faire[n], vorsichtige[n] und realistische[n] Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten“ des abzuwickelnden Instituts als Voraussetzung für die Einleitung von Abwicklungsmaßnahmen fest. Die verfahrensvorbereitende Bewertung auf der Grundlage der genannten Vorschriften ist zu unterscheiden von der Bewertung zur Bestimmung der Höhe etwaiger Kompensationszahlungen nach Art. 20 Abs. 16 bis 18 SRM-VO (§ 146 SAG, Art. 74 BRRD, siehe noch unten Rz. 123 f.). Im deutschen Recht werden die Anforderungen an die Unabhängigkeit des – auf Antrag der Abwicklungsbehörde gerichtlich zu bestellenden – Prüfers in § 70 SAG in Anlehnung an die Regelung des § 48d Abs. 3 KWG a. F.206) weiter konkretisiert; daneben treten auf Art. 36 Abs. 14 BRRD zu stützende Technische Regulierungsstandards.207) Bewertungsvorgang und Bewertungsergebnis können nicht unmittelbar (z. B. durch das betroffene Institut, seine Anteilseigner oder Gläubiger) angegriffen werden, sind aber i. R. von Rechtsmitteln Betroffener gegen Abwicklungsmaßnahmen einer richterlichen Überprüfung zugänglich.208) 110 Art. 20 Abs. 5 SRM-VO (§ 71 SAG, vgl. Art. 36 Abs. 4 BRRD) legt die Zwecke der Bewertung i. E. fest, die sich auf die jeweils einzuhaltenden gesetzlichen Anforderungen an die Vorbereitung und Durchführung von Abwicklungsmaßnahmen beziehen. In konzeptioneller Hinsicht ist dabei insbesondere zwischen der Bewertung zur Feststellung der Abwicklungsvoraussetzungen (Art. 20 Abs. 1 lit. a SRM-VO, vgl. § 71 Nr. 1 SAG) sowie der Bewertung zur Auswahl und Ausgestaltung der Abwicklungsmaßnahmen (Art. 20 Abs. 1 lit. b – g SRM-VO, vgl. § 71 Nr. 2 SAG) zu unterscheiden.209) 111 Art. 20 Abs. 6 SRM-VO (§ 72 Abs. 1 SAG, vgl. Art. 36 Abs. 5 BRRD) legt die allgemeinen Bewertungsgrundsätze fest und verpflichtet zu „vorsichtigen Annahmen“.210) Die Einbeziehung außerordentlicher finanzieller Unterstützungsmaßnahmen hat dabei ausdrücklich außer Betracht zu bleiben; in die Bewertung einzustellen sind allerdings Gebühren- sowie Auslagen- und Kostenerstattungsforderungen der Abwicklungsbehörde sowie Zins- und Gebührenansprüche des Restrukturierungsfonds. Der maßgebliche Stichtag ist gesetzlich nicht eindeutig vorgegeben, doch wird davon auszugehen sein, dass insoweit auf den Zeit___________ 204) Delegierte Verordnung (EU) 2018/345 der Kommission v. 14.11.2017, ABl. (EU) L 67/8 v. 9.3.2018. Zur Entwurfsfassung näher Hebertinger/Hoppenburg/Schuck in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. VIII Rz. 38 ff. 205) SRB, Framework for Valuation, v. 2/2019. 206) Vgl. Begr. RegE BRRD-Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 357/14, S. 216. 207) Delegierte Verordnung (EU) 2016/1075 der Kommission vom 23.3.2016, ABl. (EU) L 184/1 v. 8.7.2016. 208) Art. 36 Abs. 13 S. 2 i. V. m. Art. 85 BRRD; Art. 20 Abs. 15 Satz 2 SRM-VO; im deutschen Recht § 69 Abs. 2 SAG. 209) Vgl. Hebertinger/Hoppenburg/Schuck in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. VIII Rz. 11 ff. („Level 1-Bewertung“, vgl. Art. 36 Abs. 4 lit. a BRRD, und „Level 2-Bewertung“, vgl. Art. 36 Abs. 4 lit. b – g BRRD). 210) Vgl. auch Begr. RegE BRRD-Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 357/14, S. 216; dazu näher Hebertinger/ Hoppenburg/Schuck in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. VIII Rz. 32 ff.

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 punkt unmittelbar vor der jeweiligen Entscheidung der Abwicklungsbehörde abzustellen sein wird.211) Die Anforderungen an den Umfang der Bewertung sowie an den Prüfungsbericht einschließlich der ihn ergänzenden Bestandteile ergeben sich aus Art. 20 Abs. 7 bis 9 SRM-VO (vgl. § 73 SAG, Art. 36 Abs. 6 bis 8 BRRD). Nach Art. 20 Abs. 10 und 11 SRM-VO (vgl. § 69 Abs. 1 Nr. 2 SAG, Art. 36 Abs. 9 und 12 112 BRRD) reicht eine vorläufige Bewertung aus, wenn die Durchführung einer Bewertung unter Einhaltung dieser Anforderungen nicht oder nicht rechtzeitig vor der Anwendung einer Abwicklungsanordnung möglich ist. Praktisch dürfte dies den Regelfall darstellen.212) Sobald die Hindernisse für die Erstellung einer abschließenden Bewertung ausgeräumt sind, welche die Anforderungen der §§ 70 bis 73 SAG in vollem Umfang erfüllen kann, hat die Abwicklungsbehörde eine solche zu veranlassen (Art. 20 Abs. 11 und 12 SRM-VO, vgl. § 75 Abs. 1 SAG, Art. 36 Abs. 10 und 11 BRRD).213) In der Praxis wird zumal die – ja typischerweise in einem engen Zeitfenster vorzunehmende – erste Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten eines ausfallbedrohten Instituts regelmäßig mit erheblichen Problemen und Unsicherheiten behaftet sein, die vielfach auch auf die Kalibrierung der jeweiligen Abwicklungsmaßnahmen durchschlagen werden. Exemplarisch auch dafür steht der Fall der Abwicklung der spanischen Banco Popular S. A., in der die veröffentlichte vorläufige Bewertung lediglich eine erhebliche Bandbreite für die Vermögenslage angab.214) (4)

Umsetzung des Bail-in, Rechtswirkungen

Die Modalitäten für die Umsetzung des Bail-ins ergeben sich im – auch insoweit maßgeb- 113 lichen – deutschen Recht zunächst aus den allgemeinen Abwicklungsbefugnissen nach §§ 78 ff. SAG (siehe bereits oben Rz. 53 ff.), die in § 101 SAG, der auf Teile des Art. 63 BRRD zurückgeht, um spezifische Kompetenzen zur Umgestaltung der zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse – einschließlich der zur Durchführung gesellschaftsrechtlicher Kapitalmaßnahmen – ergänzt werden. Sofern der Bail-in mit dem Ziel der Rekapitalisierung des betroffenen Unternehmens vorgenommen wird, muss in diesem Zusammenhang der nach § 102 SAG erforderliche Restrukturierungsplan geprüft und umgesetzt werden (siehe bereits oben Rz. 76, zu Einzelheiten: §§ 103 bis 105 SAG). Die privatrechtlichen Wirkungen des Bail-in ergeben sich insbesondere aus § 99 SAG, der in Teilen die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 53 Abs. 3 und 4, Art. 59 Abs. 4 BRRD umsetzt. Nach § 99 Abs. 1 bis 3 SAG gelten Verbindlichkeiten des Instituts bzw. Unternehmens, soweit sie herabgeschrieben wurden und vorbehaltlich einer Anpassung nach § 75 Abs. 4 SAG (siehe Rz. 112), als „beglichen“, so dass Erfüllungswirkung eintritt.215) Etwa zu beachtende gesellschaftsrechtliche Beschluss- oder Zustimmungserfordernisse 114 werden nach § 99 Abs. 4 SAG durch die Abwicklungsanordnung ersetzt. Die einzelnen gesellschaftsrechtlichen Wirkungen – wie die Einziehung von Anteilen, die Löschung von sonstigen Kapitalinstrumenten, Kapitalherabsetzungen und Kapitalerhöhungen, die Fest___________ 211) Vgl. Hebertinger/Hoppenburg/Schuck in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. VIII Rz. 19, unter Hinweis auf die Entwurfsfassung des EBA-Konsultationspapiers; ob eine Bewertung wirklich präzise zum Tag der Entscheidungsfindung hin realistisch möglich ist, erscheint allerdings nicht zweifelsfrei. 212) Ebenso Hebertinger/Hoppenburg/Schuck in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. VIII Rz. 22; wohl auch Hübner/Leunert, ZIP 2015, 2259, 2262. 213) S. zu Einzelheiten insoweit Hebertinger/Hoppenburg/Schuck in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. VIII Rz. 21 ff. 214) S. Binder in: Chiti/Santoro, The Palgrave Handbook of European Banking Union Law, S. 299, 311 m. w. N. 215) Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662, 667.

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legung von Sacheinlagen oder der Ausschluss von Bezugsrechten – sind dabei, wie sich aus § 101 SAG ergibt, in der Abwicklungsanordnung konkret festzulegen.216) Daraus folgt, dass die materiellen Anforderungen des allgemeinen Gesellschaftsrechts an die jeweils angeordneten Maßnahmen i. Ü. grundsätzlich anwendbar bleiben.217) Sofern Gläubiger aufgrund der Ausübung der Umwandlungsbefugnisse in die Stellung eines Gesellschafters bzw. in eine vergleichbare Position geraten, kommt es nicht allein deshalb zur Anwendbarkeit der Vorschriften über Gesellschafterdarlehen und wirtschaftlich vergleichbare Forderungen auf die betroffenen Verbindlichkeiten, wie § 99 Abs. 6 SAG klarstellt. § 99 Abs. 7 SAG stellt klar, dass Anteilsinhaber, die aufgrund des Bail-in die Kontrolle i. S. des § 29 Abs. 2 WpÜG an dem betroffenen Unternehmen erwerben, von der Veröffentlichungspflicht nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG sowie vom Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zu befreien sind.218) Nach § 99 Abs. 8 SAG schließlich bleiben die Rechte der erfassten Inhaber von Kapitalinstrumenten bzw. der einbezogenen Gläubiger zum Regress gegen etwaige Sicherungsgeber unberührt.219) 115 Einen Sonderfall innerhalb der zur Umsetzung von Bail-ins ergriffenen Maßnahmen bildet die in § 77 Abs. 3 SAG vorgesehene und in § 149 SAG näher ausgestaltete Möglichkeit zur Anordnung eines Rechtsformwechsels, insbesondere zur Umwandlung des betroffenen Instituts in eine AG (vgl. auch Art. 43 Abs. 4 BRRD). Diese Kompetenz besteht zwar zur Erleichterung von Abwicklungsmaßnahmen aller Art, dürfte aber – wenn überhaupt – in erster Linie zum Ziel der Durchführung eines Bail-in Bedeutung erlangen, weil hier vom Typ der AG abweichende organisations- und finanzverfassungsrechtliche Grundsätze in besonderem Maße Hindernisse bereiten können. Dies betrifft insbesondere Institute in der Rechtsform der Körperschaft oder Anstalt öffentlichen Rechts.220) Unabhängig von der Existenz der Rechtsgrundlagen wird man die damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten indessen als enorm zu bewerten haben, so dass die Praktikabilität eines Rechtsformwechsels alles andere als zweifelsfrei ist.221) dd)

Leistungsgrenzen

116 Der Bail-in wird zwar durchaus zu Recht als das „innovative Herzstück“222) des neuen Abwicklungsrechts bezeichnet; in der Tat handelt es sich um einen höchst ambitionierten Versuch, die vorrangige Verlusttragung durch Anteilseigner und Gläubiger auch und gerade dann zu realisieren, wenn mit Rücksicht auf die Größe, Komplexität und Vernetzung des insolvenzreifen Rechtsträgers weder eine insolvenzförmige Liquidation noch eine Übertragung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten auf private Erwerber oder Brückeninstitute realisierbar erscheint. Die obige Darstellung illustriert allerdings auch die mit dem neuen Recht wiederum verbundene Komplexität: Komplex ist bereits das in den Blick genommene Bewertungsproblem, das sich auf den Beginn jedes Einsatzes des Instrumentariums auswirken wird; komplex ist die Entscheidung über etwaige Ausnahmen von der Einbeziehung einzelner Rechtsverhältnisse im Interesse der Systemstabilität, und als hochkomplex dürfte sich die Notwendigkeit der Prognose der jeweiligen wirtschaftli___________ 216) Vgl. auch Begr. RegE BRRD-Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 357/14, S. 228 f.; Lütgerath, BKR 2016, 279, 282; Thole, ZBB 2016, 57, 63. 217) Richtig Thole, ZBB 2016, 57, 63. 218) S. dazu auch Lütgerath, BKR 2016, 279, 281. 219) S. dazu auch Thole, ZBB 2016, 57, 63. 220) Vgl. Begr. RegE BRRD-Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 357/14. 221) Vgl. dazu auch Engelbach/Friedrich, WM 2015, 662, 667 f. 222) Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 962.

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II. Abwicklung nach SRM-VO und SAG: Grundlagen, Voraussetzungen, Instrumente § 18 chen Auswirkungen in den dann betroffenen Märkten – nicht nur, aber gerade auch mit Blick auf Derivateverträge – erweisen.223) Die Gefahr einer Ansteckung weiterer Teile des Finanzsektors aufgrund der mit Bail-ins 117 verbundenen Signalwirkungen für Gläubiger und Investoren ist genauso wenig von der Hand zu weisen wie die offene Frage, ob die Zuweisung von Verlusten an Gläubiger (z. B. institutionelle Anleger) ihrerseits mit Dominoeffekten unter den Betroffenen verbunden sein könnte.224) Ob sich das Instrumentarium für die Bewältigung des oben identifizierten Komplexitätsproblems wirklich bewähren kann, ist daher nicht zweifelsfrei.225) Die hoheitliche Restrukturierung entweder der Gesamtheit der Bilanzpositionen des betroffenen, zu rekapitalisierenden Instituts selbst oder der auf einen privaten Erwerber bzw. ein Brückeninstitut zu übertragenden Vermögenswerte und Verbindlichkeiten im Wege des Bail-in ist eine herkulische Aufgabe, die den Abwicklungsbehörden Entscheidungen von enormer Tragweite für Gläubiger und betroffene Märkte abnötigt. Dies dürfte die Anreize für eine Anwendung in entsprechenden Fällen nicht eben erhöhen. Verschärfend tritt hinzu, dass die an sich eröffneten Möglichkeiten zur flexiblen Kalibrie- 118 rung zwangsläufig mit erheblichem Potential zur Benachteiligung einzelner Gläubigergruppen einhergehen,226) was gerade die politisch Letztverantwortlichen in besonders dramatischen, großvolumigen Anwendungsfällen auf erheblichen Druck der betroffenen Marktteilnehmer und ggf. der Öffentlichkeit wird stoßen lassen. Wiederholt ist zudem auf mögliche negative Implikationen für die Refinanzierungsmöglichkeiten von Banken sowie für die Marktpreise für einbezogene Rechtspositionen und damit verbundene gesamtwirtschaftliche Risiken aufmerksam gemacht worden.227) Auch insofern sind die Leistungsgrenzen des Bail-in-Regimes – nicht nur – in systemischen Bankenkrisen unverkennbar.228) Die Implementierung der MREL- und TLAC-Standards dürfte zwar die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit der wirtschaftlichen Ergebnisse von Bail-ins stärken und ihre Auswirkungen auf professionelle Investoren konzentrieren; auch insoweit bleibt allerdings abzuwarten, ob ein wirklich nachhaltiger Markt für entsprechende Instrumente etabliert werden kann.229) 5.

Allgemeine verfahrensrechtliche Vorgaben, Rechtsschutz, Rechtsposition der Gläubiger in der Abwicklung

a)

Allgemeine Regeln

Die allgemeinen Regeln für das Abwicklungsverfahren ergeben sich im deutschen Recht aus 119 den §§ 136 ff. SAG. § 136 SAG gibt dabei – in Anlehnung an § 48e KWG a. F.230) – i. E. den Inhalt der Abwicklungsanordnung vor; § 137 SAG regelt deren Rechtsnatur (Allgemeinverfügung). Die Abwicklungsanordnung ist unverzüglich zu veröffentlichen, § 137 Abs. 2 und 3 i. V. m. § 140 SAG. Vor und nach der Vornahme von Abwicklungsmaßnahmen sind Informationspflichten gegenüber den in § 140 SAG genannten Stellen einzuhalten. ___________ 223) Vgl. auch schon Schillig, EBLR 25 (2014), 67, 98. 224) Anschaulich aus Schweizer Perspektive, aber in Vielem verallgemeinerungsfähig P. Böckli/M. Böckli in: FS Nobel, S. 321 ff.; s. zudem allgemein Tröger, ZBB 2018, 20, 27 ff.; Tröger in: FS Siekmann, S. 313 ff. 225) Zu Recht skeptisch auch Thole, ZBB 2016, 57, 64. 226) S. nochmals Adolff/Eschwey, ZHR 177 (2013), 902, 964 f.; Tröger, ZBB 2018, 20, 27 ff. 227) Mit deutlicher Kritik z. B. Avgouleas/Goodhart, J.Fin.Reg. 1 (2015), 3 ff.; vgl. zu den Risiken auch Wojcik, CMLR 53 (2016), 93, 126 ff. 228) Zur Tauglichkeit des Instruments in derartigen Konstellationen Binder, ZBB 2017, 57, 64 ff. 229) Zu Zweifeln insoweit Binder, ZBB 2017, 57, 66 mit Fn. 79. 230) Vgl. Begr. RegE BRRD-Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 357/14, S. 241.

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120 Rechtsschutz gegen Abwicklungsmaßnahmen steht – mit Blick auf das Ziel des Systemschutzes, das effektive, rasche und rechtssichere Maßnahmen erfordert231) – von vornherein nur eingeschränkt zur Verfügung. Nach § 150 SAG, der auf Art. 85 BRRD zurückgeht, findet ein Widerspruchsverfahren gegen Abwicklungsmaßnahmen nicht statt (§ 150 Abs. 1 Satz 1 SAG) und haben Anfechtungsklagen keine aufschiebende Wirkung (§ 150 Abs. 1 Satz 2 SAG, § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Nach § 150 Abs. 2 SAG können Abwicklungsmaßnahmen ausschließlich binnen eines Monats nach Bekanntgabe durch Anfechtungsklage vor dem für den Sitz der Abwicklungsbehörde zuständigen Oberverwaltungsgericht angefochten werden. Nach Absatz 3 der Vorschrift bleiben die die Rechtslage gestaltenden Wirkungen – und damit letztlich die Rechtswirkung aller Übertragungsmaßnahmen und des Bail-in in allen Teilaspekten – auch im Falle der Aufhebung der Abwicklungsmaßnahme grundsätzlich unberührt, es sei denn, die Folgenbeseitigung ist ohne negative Auswirkungen für die Abwicklungsziele und schutzwürdige Interessen Dritter möglich. § 150 Abs. 4 SAG sieht in diesen Fällen statt einer Rückabwicklung der Maßnahmen einen Ausgleichsanspruch der Betroffenen für die infolge der Abwicklungsmaßnahme entstandenen Nachteile vor. Die damit umrissenen Grundsätze gelten allerdings ausschließlich für im nationalen Kontext eingeleitete Abwicklungsmaßnahmen; der Rechtsschutz gegen Maßnahmen des SRB richtet sich demgegenüber nach den Artt. 85 und 86 SRM-VO (siehe dazu näher § 14 Rz. 103 ff. [Benzing]). b)

Rechtsposition der Gläubiger und Inhaber relevanter Kapitalinstrumente

121 Mit den soeben dargestellten Bestimmungen sind zugleich wesentliche Aspekte der Rechtsposition der Gläubiger und Inhaber relevanter, in den Bail-in einbezogener Kapitalinstrumente in der Abwicklung angesprochen. In materiell-rechtlicher Hinsicht wird diese, wie ausgeführt, vor allem durch das Grundprinzip des – eingeschränkten, nämlich hinter den Schutz der Systemstabilität zurücktretenden – Gläubigerschutzes sowie durch die materiellen Schutzgarantien des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Verbots der Schlechterstellung gegenüber dem wirtschaftlichen Ergebnis einer hypothetischen insolvenzförmigen Liquidation geprägt (siehe oben Rz. 29 ff.). 122 Verfahrensrechtlich gilt auch für die Gläubiger grundsätzlich zunächst § 150 SAG (siehe soeben Rz. 120), der die Möglichkeiten für ein Vorgehen gegen die in die Rechte der Gläubiger eingreifenden Abwicklungsanordnung im Wege der Anfechtungsklage einschränkt. Zivilrechtliche Klagen auf Erfüllung der jeweiligen Forderung bleiben möglich; zu beachten ist allerdings, dass nach § 151 SAG anhängige Verfahren in Zivilsachen gegen das betroffene Institut bzw. Unternehmen bis zur Beendigung der Abwicklungsmaßnahmen unterbrochen werden. Die damit verbundene Unterbrechungswirkung wird auch auf solche Verfahren erstreckt werden müssen, die nach dem Erlass der Abwicklungsanordnung anhängig werden.232) Mit diesen Regeln weicht der deutsche Gesetzgeber ohne ersichtlichen Grund von der unionsrechtlichen Vorgabe aus Art. 86 Abs. 3 BRRD ab, die im Unterschied zum deutschen Umsetzungsrecht gerade keine Unterbrechungswirkung ipso iure, sondern lediglich die Aussetzung anhängiger Rechtsstreitigkeiten auf Antrag der Abwicklungsbehörde zur Absicherung eines reibungslosen, effektiven Abwicklungsverfahrens vorsieht. Die überschießende Umsetzung in § 151 SAG ist gerade im Hinblick auf diesen Zweck als problematisch zu bewerten. Der Absicherungszweck gebietet keineswegs eine vollständige ___________ 231) Vgl. ErwG 90 und 91 BRRD; Begr. RegE zu § 150 SAG, BR-Drucks. 357/14, S. 245; dazu und zum Folgenden auch Schmitt in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. XII Rz. 7 ff. 232) A. A., aber ohne Auseinandersetzung mit § 151 SAG, wohl Thole, ZBB 2016, 57, 65, der für den Regelfall von der Klagabweisung als unbegründet ausgeht.

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III. Sonderprobleme bei grenzüberschreitenden Gruppen

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Unterbrechung aller anhängigen Rechtsstreitigkeiten. Vielmehr kann es sinnvoll und geradezu geboten sein, dass ein in Abwicklung befindliches Institut mit Billigung und unter Aufsicht der Abwicklungsbehörde einen Rechtsstreit auch nach der Abwicklungsanordnung weiterführt. Dies gilt etwa und besonders bei bestrittenen Forderungen, die in einen Bail-in einbezogen, aber dafür sinnvollerweise erst rechtskräftig festgestellt werden sollen, um die Notwendigkeit einer nachträglichen Anpassung der Bail-in-Beträge zu vermeiden. Angesichts der damit verbundenen Einschränkungen für einen präventiv angelegten Rechts- 123 schutz gewinnen die in §§ 146 und 147 SAG geregelten Grundsätze für die ex-post-Kompensation besondere Bedeutung. Diese greifen als speziellere Regelungen für den Fall ein, dass die Anteilsinhaber, Inhaber relevanter Kapitalinstrumente und/oder Gläubiger infolge der Abwicklungsmaßnahme – entgegen der Vorgabe des § 68 Abs. 1 Nr. 1 SAG (vgl. Art. 15 Abs. 1 lit. g SRM-VO, siehe oben Rz. 29) – schlechtergestellt sind, als sie im Falle einer hypothetischen insolvenzförmigen Liquidation des betreffenden Instituts oder Unternehmens wären. Im deutschen Recht wird die Kompensation durch einen Ausgleichsanspruch gegen den 124 Restrukturierungsfonds realisiert (§ 147 SAG). Für Abwicklungsmaßnahmen innerhalb des SRM ergibt sich ein korrespondierendes Recht gegen den SRF (Single Resolution Fund) aus Art. 76 Abs. 1 lit. e i. V. m. Art. 20 Abs. 16 bis 18 SRM-VO. Von zentraler Bedeutung in diesem Zusammenhang – und letztlich entscheidend für die effektive Sicherstellung des Schlechterstellungsverbots233) – ist die in Art. 20 Abs. 16 bis 18 SRM-VO (§ 146 SAG, entsprechend Art. 74 BRRD) vorgeschriebene ex post-Bewertung der Abwicklungsmaßnahme mit dem Ziel der Feststellung möglicher Nachteile gegenüber dem Ergebnis eines hypothetischen Insolvenzverfahrens. Die Bewertung soll die in einem derartigen Alternativszenario ohne Eingreifen von Abwicklungsmaßnahmen und ohne außerordentliche finanzielle Unterstützung voraussichtlich zu erreichenden Befriedigungsquoten ermitteln (vgl. Art. 20 Abs. 17 und 18 SRM-VO, § 146 Abs. 3 und 4 SAG).234) Die Anforderungen an den insoweit zu bestellenden Prüfer entsprechen im Wesentlichen 125 denen aus § 70 Abs. 1 SAG (siehe oben Rz. 109), vgl. § 146 Abs. 1 und 2 SAG. Nähere Regelungen zur Konkretisierung der dabei zu beachtenden Bewertungsmethode sollen durch Technische Regulierungsstandards auf der Grundlage des Art. 74 Abs. 4 BRRD geschaffen werden, die allerdings gegenwärtig noch nicht vorliegen; bis dahin gilt für das deutsche Recht die in § 146 Abs. 6 SAG vorgesehene Verordnungsermächtigung. III.

Sonderprobleme bei grenzüberschreitenden Gruppen

1.

Problemaufriss

In der grenzüberschreitenden Insolvenz systemrelevanter Banken verschärfen sich die oben 126 analysierten Probleme durch weitere Erschwernisse, die sich nach unternehmensendogenen, in der Natur der betreffenden Institute und Gruppen angelegten, und unternehmensexogenen, in der jeweiligen Marktposition und im Gefüge der Abwicklungszuständigkeiten und korrespondierenden Handlungsmöglichkeiten wurzelnden, Gesichtspunkten unterscheiden lassen. In der erstgenannten Gruppe werden die zu bewältigenden Komplexitätsprobleme vor allem durch den Umstand verschärft, dass hier die Insolvenz des einzelnen Rechtsträgers typischerweise in komplexe Gruppenkonstellationen eingebettet sein wird. Diese werden aufgrund der wechselseitigen Abhängigkeit der gruppenzuge___________ 233) Richtig Hebertinger/Hoppenburg/Schuck in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. VIII Rz. 51. 234) S. dazu auch Hebertinger/Hoppenburg/Schuck in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil B Kap. VIII Rz. 10 ff., 15, 25.

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hörigen Unternehmen im Hinblick auf die Eigen- und Fremdkapitalaufnahme, aber auch im Hinblick auf die organisatorische Kooperation, z. B. i. R. gruppenweit zentralisierter Datenvereinbarung, Abwicklungsstrategien erfordern, die die wirtschaftliche Lage mehrerer Rechtsträger in der Gruppe berücksichtigen und möglicherweise von vornherein gruppendimensional angelegt sein müssen. Hinzu kommt, dass hier die Behörden unterschiedlicher Staaten mit heterogenen und potentiell konfligierenden Zielvorstellungen involviert sind.235) 127 Vor diesem Hintergrund müssen auf zwei Ebenen – miteinander verknüpfte – Grundsatzentscheidungen zwischen Zentralisierung und Dezentralisierung getroffen werden: x

Erstens für die materielle Behandlung von Gruppen und gruppenangehörigen Unternehmen und

x

zweitens für die Verteilung von Abwicklungszuständigkeiten.

128 Unabhängig vom jeweiligen Entscheidungsergebnis von Bedeutung, aber vor allem für zentralisierte Abwicklungslösungen absolut unentbehrlich ist dabei, dass die getroffenen Abwicklungsmaßnahmen in allen betroffenen Rechtsordnungen anerkannt und durchgesetzt werden können. Die Grundentscheidung auf der ersten Ebene (rechtsträgerbezogene oder gruppendimensionale Abwicklungsstrategien) ist im neuen Recht offengelassen worden (siehe unten Rz. 129 ff.). Im Hinblick auf die zweite Ebene (Allokation von Abwicklungsverantwortung) ist zu unterscheiden zwischen der Rechtslage innerhalb der EU, einschließlich der Besonderheiten in der Bankenunion sowie im Verhältnis zu Drittstaaten (siehe unten Rz. 134 ff.). 2.

Rechtsträgerbezogene vs. gruppendimensionale Abwicklungsstrategien

129 Der Grundentscheidung zwischen zentralisierten und dezentralisierten Ansätzen in der Abwicklung grenzüberschreitend aktiver Gruppen wird in den einschlägigen internationalen Standards zunehmende Bedeutung beigemessen. Unterschieden wird zwischen Ansätzen, die die Restrukturierungs- bzw. Abwicklungsbemühungen lediglich auf das Mutterbzw. Holdingunternehmen konzentrieren (sog. Single Point of Entry oder SPOE-Ansatz), und solchen, bei denen unmittelbar auf die jeweils in die Krise geratenen Gruppenunternehmen zugegriffen wird (sog. Multiple Point of Entry oder MPOE-Ansatz).236) Vorbild für SPOE-Ansätze sind die in den USA für Gruppen mit einer „bank holding company“ an der Spitze etablierten und mit dem Dodd-Frank Act von 2010237) weiterentwickelten Verfahren. Sie sind für Gruppen entwickelt worden, in denen sich das operative Geschäft auf Töchter mit unterschiedlichem Geschäftsprofil verteilt. Dabei werden die Holding unter Verlusttragung der Anteilseigner und Fremdkapitalgeber abgewickelt und die Anteile an den Tochtergesellschaften auf eine Brückenbank übergeleitet, so dass das operative Geschäft (idealiter) von Insolvenzen unberührt bleibt. Die Brückenbank wird durch einen Bail-in rekapitalisiert und dient sodann privatisiert als neue Holding.238) Um sicher___________ 235) Vgl. z. B. die Analyse der einschlägigen Problemkonstellationen bei BCBS, Report and Recommendations of the Cross-border Bank Resolution Group, v. 3/2010, Rz. 27 ff. (Fallstudien), Rz. 77 ff. (Folgerungen für die Ausgestaltung des Rechtsrahmens); vgl. auch Binder, ECFR 2016, 575, 576 ff.; Gleeson in: Dombret/Kenadjian, Bank Recovery and Resolution Directive, S. 25 f.; Randell in: Dombret/ Kenadjian, Bank Recovery and Resolution Directive, S. 39 ff. 236) Überblick über die Grundsätze bei FSB, Recovery and Resolution Planning for Systemically Important Financial Institutions: Guidance on Developing Effective Resolution Strategies, v. 16.7.2013, S. 12 ff. 237) Vgl. i. E. Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act, Public Law 111–203–July 21, 2010, s. Title II – Orderly Liquidation Authority. 238) Vgl. stellvertretend etwa Gordon/Ringe, ColumLRev 115 (2015), 1297, 1320 ff.; zusammenfassend Binder, ECFR 2016, 575, 583 f., jeweils m. w. N.

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zustellen, dass die aufgetretenen Verluste tatsächlich allein von den Anteilseignern und Fremdkapitalgebern der Holding getragen werden, müssen zwei – miteinander verzahnte – Voraussetzungen erfüllt sein: x

Zum einen muss die Finanzierung der Gruppe insgesamt in der Holdinggesellschaft zentralisiert und

x

zum zweiten muss sichergestellt sein, dass die im operativen Geschäft in den Tochtergesellschaften entstehenden Verluste rechtssicher auf die Holdinggesellschaft übergeleitet werden können.239)

SPOE-Ansätze führen damit in grenzüberschreitenden Gruppen zugleich zur Verfahrens- 130 konzentration bei den für die Mutter- bzw. Holdinggesellschaft zuständigen Abwicklungsbehörden, während die für die jeweiligen Tochtergesellschaften verantwortlichen Behörden im Idealfall unbehelligt bleiben, weil (und soweit) die Gläubiger der in ihrem Kompetenzbereich angesiedelten Institute und die (ggf. für die jeweils betroffenen Märkte oder überregional) systemrelevanten Austauschbeziehungen nicht von den Maßnahmen berührt werden. Sind die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, werden dezentralisierte MPOE-Lö- 131 sungen unvermeidlich, die dann naturgemäß mit höherem Koordinierungsaufwand zwischen den beteiligten Rechtsordnungen und Behörden und ggf. mit Schwierigkeiten bei der finanziellen und organisatorischen Herauslösung der einzelnen Rechtsträger aus dem Gruppenverbund konfrontiert sein werden.240) Während SPOE-Ansätze in den USA241) und im transatlantischen Rechtsverkehr zwischen den USA und Großbritannien242) als vorzugswürdige Alternative bewertet werden, sind die unionsrechtlichen Vorgaben in BRRD und SRM-VO insoweit neutral gehalten; alle Abwicklungsinstrumente und insbesondere die Bail-in-Bestimmungen sollen sowohl SPOE- als auch MPOE-Ansätze ermöglichen.243) Für beide Ansätze spielt die Verteilung der „Verlustabsorptionskapazität“ in der Gruppe 132 eine zentrale Rolle, die künftig – wie ausgeführt – mit den in der Richtlinie vorgesehenen Mindestanforderungen an Eigenmittel und für den Bail-in berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten gestärkt werden soll. Insbesondere der TLAC-Standard (Total Loss Absorbing Capacity-Standard) des FSB (siehe oben Rz. 100, 118) verfolgt insoweit einen differenzierenden Ansatz. Danach sollen in Gruppen künftig diejenigen Institute und Unternehmen, die nach der präventiven Abwicklungsplanung der Abwicklungsbehörde(n) selbst Adressaten von Abwicklungsmaßnahmen werden können, zur Emission und Platzierung geeigneter Finanzierungsinstrumente an dritte Investoren angehalten werden (sog. „external TLAC“). Bei SPOE-Ansätzen ist dies die jeweilige Mutter- bzw. Holdinggesellschaft, bei MPOE-Ansätzen sind dagegen auch sonstige Gruppenunternehmen betroffen. Gruppenunternehmen, die nicht unmittelbar Adressaten von Abwicklungsmaßnahmen, sondern mittelbar über die jeweilige Obergesellschaft restrukturiert werden sollen, sollen dagegen Finanzierungsinstrumente emittieren, die von der Obergesellschaft gehalten wer___________ 239) Eingehend und weiter differenzierend FSB, Recovery and Resolution Planning for Systemically Important Financial Institutions: Guidance on Developing Effective Resolution Strategies, v. 16.7.2013, S. 16. 240) Dazu FSB, Recovery and Resolution Planning for Systemically Important Financial Institutions: Guidance on Developing Effective Resolution Strategies, v. 16.7.2013, S. 17 ff. 241) Dazu nochmals etwa Gordon/Ringe, ColumLRev 115 (2015), 1297 ff. 242) Vgl. dazu US Federal Deposit Insurance Corporation/Bank of England, Resolving Globally Active, Systemically Important Financial Institutions, Joint Paper, v. 10.12.2012. 243) So ausdrücklich ErwG 80 BRRD, speziell zum SPOE-Ansatz ErwG 100; vgl. auch ErwG 84 SRM-VO („multipler“ und „singulärer Abwicklungsansatz“).

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Insolvenzbewältigung bei systemrelevanten Banken

den und deren Herabschreibung im Falle eines Bail-in die im operativen Geschäft aufgetretenen Verluste bilanziell auf die Obergesellschaft überträgt (sog. „internal TLAC“). 133 Auch wenn damit die Realisierung von SPOE-Ansätzen erleichtert wird, bleibt zweifelhaft, ob einheitliche Strategien nach diesem Modell wirklich für alle Gruppenstrukturen praktisch durchführbar sind. Die Übertragbarkeit auch auf die in Kontinentaleuropa vorherrschenden, integrierten Gruppen, in denen operatives Geschäft auf allen Ebenen angesiedelt und nicht auf Tochterunternehmen einer selbst nicht operativ engagierten Holding konzentriert ist, ist jedenfalls deshalb nicht ohne weiteres möglich, weil hier die für den US-amerikanischen Ansatz charakteristische, vereinfachte Weiterführung des operativen Geschäfts durch Abtrennung von der Mutter nicht durch einfache Übertragung der Anteile an den Töchtern auf einen anderen Rechtsträger gewährleistet werden kann. Ohne substantielle, ggf. aufsichtsseitig zu erzwingende Änderungen in den hiesigen Gruppenstrukturen bis hin zur Umstrukturierung der Gruppe unter Hinwendung zum Holdingmodell, sind SPOE-Ansätze schwer vorstellbar.244) 3.

Zentralisierung und Dezentralisierung bei der grenzüberschreitenden Gruppenabwicklung

a)

EU-Sachverhalte

134 Für die Bewältigung der bei der grenzüberschreitenden Abwicklung auftretenden Komplexitätsprobleme innerhalb der EU, aber außerhalb der Eurozone – in der die Zentralisierung der Abwicklungskompetenzen beim Einheitlichen Abwicklungsausschuss die nachfolgend skizzierten Koordinationsprobleme ausgleichen soll (siehe bereits § 14 Rz. 1 ff. [Benzing]) – hat sich der Richtliniengeber für einen dezentralisierten Grundansatz entschieden. Danach ist die Kooperation zwischen den Behörden der beteiligten Rechtsordnungen engmaschigen prozeduralen Anforderungen unterworfen. Als Grundvoraussetzung für konsistente Abwicklungsstrategien wird die unmittelbare Wirkung aller Abwicklungsmaßnahmen gesichert, indem diese gemäß Art. 117 BRRD in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/24/EG über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (zu dieser siehe i. E. § 17 Rz. 58 ff. [Binder]) einbezogen werden.245) Die inhaltliche Ausgestaltung der Maßnahmen ist an – allerdings nur vage – materiell-rechtliche Anforderungen geknüpft, die auf die angemessene Berücksichtigung auch der Interessen der nicht unmittelbar zuständigen Mitgliedstaaten abzielen.246) 135 Die darüber hinaus vorgesehenen Kooperationsmechanismen für den Abwicklungsfall setzen die bereits für die Erstellung präventiver Gruppenabwicklungspläne etablierten Arrangements (zu diesen siehe § 15 Rz. 94 [Cichy]) fort. Nicht als „Entscheidungsgremium“, sondern als „Plattform, die die Entscheidungsfindung der nationalen Behörden erleichtern soll“,247) sind sog. Abwicklungskollegien vorgesehen, die sowohl für reine EUSachverhalte als auch für die Abwicklung von gruppenangehörigen Unternehmen einer in Drittstaaten auf konsolidierter Basis beaufsichtigten Gruppe zu bilden sind.248) Für reine ___________ 244) Insoweit übereinstimmend auch bereits Gordon/Ringe, ColumLRev 115 (2015), 1297, insb. 1350 ff. (mit Vorschlägen für die Umsetzung). 245) Vgl. i. E. Art. 117 Nr. 2 BRRD i. V. m. Artt. 2 und 3 ff. der RL 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.4.2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, ABl. (EG) L 125/15 v. 5.5.2001. S. im deutschen Recht darüber hinaus § 153 SAG. 246) Art. 87 BRRD; s. im deutschen Recht § 154 SAG. 247) So ausdrücklich ErwG 98 BRRD. 248) Vgl. Art. 88 („Abwicklungskollegien“ für reine EU-Sachverhalte) und Art. 89 („europäische Abwicklungskollegien“ für gruppenangehörige Unternehmen von Drittstaaten-Gruppen) BRRD; s. im deutschen Recht §§ 156 und 159 SAG.

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§ 18

EU-Sachverhalte übernimmt die für die Gruppenabwicklung zuständige Abwicklungsbehörde – ggf. das SRB (siehe § 14 Rz. 40 ff. [Benzing]) – dabei den Vorsitz und erfüllt Koordinationsaufgaben.249) Kommt es im Abwicklungskollegium nicht zu einer Einigung über das Gruppenabwicklungskonzept nach Art. 91 BRRD (für Tochterunternehmen) bzw. Art. 92 BRRD (für Mutterunternehmen), bleibt es den für die gruppenangehörigen Unternehmen zuständigen Abwicklungsbehörden unbenommen, abweichende Maßnahmen zu treffen.250) Insgesamt entspricht der innerhalb der EU für die Gruppenabwicklung eingeführte recht- 136 liche und institutionelle Rahmen dem in der internationalen Standardsetzung vorgesehenen Modell, das sich insbesondere auf Abwicklungskollegien als Instrument zur Verbesserung des Informationsflusses und der Zusammenarbeit schon vor dem eigentlichen Krisenfall stützt251) und zudem bei global als systemrelevant eingestuften Instituten den Abschluss institutionsspezifischer Vereinbarungen empfiehlt.252) Letzteres wird auf europäischer Ebene bereits durch die gemeinsame Abwicklungsplanung erreicht. Das neue Recht schafft damit prozedurale Erleichterungen für die Organisation der grenzüberschreitenden Koordination, balanciert divergierende Anreize der betroffenen Mitgliedstaaten aber bestenfalls unvollkommen aus; die in der Richtlinie verschiedentlich betonte Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen anderer Mitgliedstaaten253) ist letztlich kaum durchsetzbar. b)

Drittstaatensachverhalte

Auch für Sachverhalte mit Drittstaatenbezug legt die BRRD die Basis für Kooperations- 137 verhältnisse mit den für ausländische (Mutter- bzw. Tochter-)Unternehmen jeweils zuständigen Abwicklungsbehörden. Anders als im Verhältnis zu den Behörden in EU-Mitgliedstaaten ist hier allerdings – mangels Eröffnung des territorialen Anwendungsbereichs des EU-Rechts einleuchtend – kein bestimmter institutioneller Rahmen vorgegeben. Vielmehr werden die Festlegung der Kooperationsmechanismen sowie der Informationsaustausch Kooperationsvereinbarungen zugewiesen,254) während die Anerkennung ausländischer Abwicklungsmaßnahmen letztlich eine – ggf. durch ein „europäisches Abwicklungskollegium“ zu treffende255) – Einzelfallentscheidung ist256) und den Mitgliedstaaten jedenfalls volle Handlungsmöglichkeiten für in der Union tätige Niederlassungen von Drittstaateninstituten (sog. Unionszweigstellen) verbleiben.257) Auch und erst recht für Drittstaatenfälle hängt das Gelingen effektiver Gruppenabwicklungsstrategien damit im Ergebnis von den Anreizen der teilnehmenden Staaten im jeweiligen Einzelfall ab. ___________ 249) Art. 88 Abs. 5 BRRD. 250) Vgl. Art. 91 Abs. 8 bzw. Art. 92 Abs. 4 BRRD und dazu im deutschen Recht § 162 Abs. 2 und § 163 Abs. 3 SAG. 251) Vgl. FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 10/2014, Rz. 8. 252) FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 10/2014, Rz. 9. 253) Vgl. insb. Art. 87 lit. e – h (allgemeine Grundsätze) sowie Artt. 91 Abs. 8 a. E. und 92 Abs. 4 a. E. BRRD. 254) S. Art. 93 (Vorschlagsrecht der Kommission zum Abschluss von Übereinkünften mit Drittstaaten) und Art. 97 (Rahmenkooperationsvereinbarungen zwischen der EBA und Drittstaaten sowie bilaterale Kooperationsvereinbarungen) BRRD; zum Informationsaustausch i. Ü. Art. 98 BRRD. S. dazu im deutschen Recht §§ 167 f. SAG. 255) S. nochmals Art. 89 BRRD. 256) S. i. E. Art. 94 („Anerkennung und Durchsetzung der Abwicklungsverfahren von Drittländern“) und Art. 95 BRRD („Recht auf Verweigerung der Anerkennung oder Durchsetzung der Abwicklungsverfahren von Drittländern“); im deutschen Recht entsprechend §§ 169 f. SAG. 257) Art. 96 BRRD; im deutschen Recht entsprechend § 170 SAG.

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§ 19 Einlagensicherung

Biermann/Lütgerath

Übersicht I. Einleitung .................................................... 1 II. Europäischer Hintergrund und Rahmen ........................................................ 6 1. Einlagensicherungsrichtlinie aus dem Jahre 1994 ..................................................... 7 2. Neugefasste Einlagensicherungsrichtlinie aus dem Jahre 2014............................. 10 3. Derzeitige Diskussion um eine europäische Einlagensicherung ......................... 13 III. Geltende gesetzliche Einlagensicherung in Deutschland ........................ 18 1. Grundlagen ................................................. 19 a) Erfasste Kreditinstitute (§ 1 Satz 1 EinSiG) ................................................ 19 b) Formen der Einlagensicherungssysteme (§ 2 Abs. 1 EinSiG)............... 21 aa) Gesetzliche Entschädigungseinrichtungen (§ 22 Abs. 2 EinSiG) ......................................... 22 bb) Institutsbezogene Sicherungssysteme ......................................... 25 (1) Funktion der Institutssicherung (§ 2 Abs. 2 EinSiG i. V. m. Art. 113 Abs. 7 CCR).................. 25 (2) Anerkennung als Einlagensicherungssystem (§ 43 EinSiG).......... 28 2. Einlegerentschädigung ............................... 31 a) Begriff der Einlage (§ 2 Abs. 3 Satz 1 EinSiG) ..................................... 32 b) Nicht entschädigungsfähige Einlagen (§ 6 EinSiG) ............................... 35 c) Entschädigungsfall (§ 10 EinSiG) ...... 36 d) Entschädigungsverfahren (§§ 12, 14 EinSiG) ........................................... 39 e) Deckungssumme (§ 7 EinSiG)........... 41

3.

Finanzierung der Einlagensicherungssysteme ....................................................... 44 a) Zielausstattung .................................... 44 b) Jährliche Beiträge (§ 19 EinSiG) ........ 45 c) Sonderbeiträge (§§ 27 Abs. 1, 48 Abs. 2 Nr. 2 EinSiG)........................... 47 d) Zahlungsverpflichtungen (§ 18 EinSiG) ................................................ 48 4. Prüfung und Risikomonitoring................. 49 5. Aufsicht über die Einlagensicherungssysteme (§ 50 EinSiG) ............................... 51 IV. Ausgestaltung der Einlagensicherungssysteme in Deutschland.................. 52 1. Private Banken............................................ 53 a) Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB) ............................ 54 b) Einlagensicherungsfonds (ESF) ......... 57 aa) Sicherungsgrenze ......................... 59 bb) Mögliche Hilfsmaßnahmen (§ 2 Abs. 2 ESF-Statut) ............... 60 cc) Entschädigungsfähige Einlagen nach dem ESF-Statut ................... 62 dd) Entschädigungsverfahren ............ 63 ee) Finanzierung des Einlagensicherungsfonds .................................... 65 ff) Mitwirkungsvoraussetzungen ..... 67 gg) Freistellungserklärung ................. 71 c) Prüfungsverband deutscher Banken e. V. (PdB) ............................. 74 2. Sparkassen-Finanzgruppe .......................... 77 a) Aufbau des Sicherungssystems .......... 78 b) Institutssicherung ............................... 81 c) Privatisierung von Mitgliedsinstituten.............................................. 84 3. Kreditgenossenschaften............................. 87

Literatur: Bauerschmidt, Finanzstabilität als Ziel der Bankenunion, ZHR (183) 2019, 476; Berger, Die neue Einlagensicherung, BKR 2016, 144; Dreher, Die neue deutsche Einlagensicherung im Bereich der privaten Banken und das Europarecht, ZIP 1998, 1777; Fuchs, Unzureichende Einlagensicherung und Staatshaftung im Europäischen Wirtschaftsraum, EWS 2010, 516; Herdegen, Der Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur Schaffung eines Europäischen Einlagenversicherungssystems: Würdigung aus europa- und staatsrechtlicher Sicht (Teil II), WM 2016, 1905; Herdegen, Der Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur Schaffung eines Europäischen Einlagenversicherungssystems: Würdigung aus europa- und staatsrechtlicher Sicht (Teil I), WM 2016, 1857; Hoeren, Einlagensicherung in Europa, EuZW 1994, 750; Meister, The European Banking Union, ECFR 2015, 115; Meixner, Novellierung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsrechts durch das DGSDUmsetzungsgesetz, ZAP 2015, 711; Podporowski/Reichelt/Bretschneider, Die deutsche Einlagensicherung im Kontext der Bankenunion – Umsetzung europäischer Vorgaben zur Einlagensicherung, WPg 2016, 152; Schindler, Brüssel aktuell, WM 2017, 501; Tusch/Herz, Die Entwicklung des europäischen Bankaufsichtsrechts in den Jahren 2014/2015, EuZW 2015, 814; Wojcik, Bericht aus Brüssel: Inhalt und Verfahrensstand anhängiger Gesetzgebungsvorhaben im Bankrecht/Kapitalmarktrecht auf

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§ 19

Einlagensicherung

EU-Ebene (Teil 1), ZBB 2018, 250; Zetzsche/Grünewald, Staatsgarantie für die Einlagensicherung, Icesave und der Weg zur grenzüberschreitenden Einlagensolidarität, WM 2013, 1337. Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 in Bezug auf die Verlustabsorptionsund Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014; EP/Rat, Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über Einlagensicherungssysteme (Neufassung) – Deposit Guarantee Scheme Directive (DGSD), ABl. (EU) L 173/149 v. 12.6.2014; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013; EP/Rat, Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 30.5.1994 über Einlagensicherungssysteme – Einlagensicherungsrichtlinie (ESRL), ABl. (EG) L 135/5 v. 31.5.1994. Rechtsakte und Verlautbarungen der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zur Vollendung der Bankenunion, v. 11.10.2017, COM(2017) 592 final, https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2017/DE/ COM-2017-592-F1-DE-MAIN-PART-1.PDF; Kommission, The Five Presidents’ Report: Completing Europe’s Economic and Monetary Union, v. 22.6.2015, https://ec.europa.eu/commission/sites/ beta-political/files/5-presidents-report_en.pdf; Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 im Hinblick auf die Schaffung eines europäischen Einlagenversicherungssystems – Einlagensicherungs-VO-Entwurf, v. 24.11.2015, COM(2015) 586 final, https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2015/ DE/1-2015-586-DE-F1-1.PDF; Kommission, Empfehlung v. 22.12.1986 zur Einführung von Einlagensicherungssystemen in der Gemeinschaft (87/63/EWG), ABl. (EG) L 33/16 v. 4.2.1987; (Abrufdatum jew. 14.4.2020). Verlautbarungen der European Banking Authority (EBA): EBA, Leitlinien zu den Methoden für die Berechnung von Beiträgen an Einlagensicherungssysteme, v. 22.9.2015 (EBA/GL/2015/10), https://www.fma.gv.at/download.php?d=32; EBA, Leitlinien zu Zahlungsverpflichtungen gemäß der Richtlinie 2014/49/EU über Einlagensicherungssysteme, v. 11.9.2015 (EBA/GL/2015/09), https:// www.fma.gv.at/download.php?d=372; (Abrufdatum jew. 14.4.2020). Verlautbarungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ECB): ECB, Occasional Paper Series, Completing the Banking Union with a European Deposit Insurance Scheme: who is afraid of cross-subsidisation?, v. 4/2018 (No. 208), https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/scpops/ ecb.op208.en.pdf (Abrufdatum: 14.4.2020). Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): BaFin, Fragen & Antworten zur Einlagensicherung und Anlegerentschädigung, https://www.bafin.de/DE/Verbraucher/ BaFinVerbraucherschutz/Schieflage/Einlagensicherung/einlagensicherung_node.html (Abrufdatum: 14.4.2020). Verlautbarungen der Deutschen Bundesbank (Bundesbank): Bundesbank, Monatsbericht 7/1992, S. 30, https://www.bundesbank.de/resource/blob/691252/4cd753e5620e313ac52d3773a9e48b21/mL/ 1992-07-monatsbericht-data.pdf (Abrufdatum: 14.4.2020). Weitere Verlautbarungen: Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH (EdB), Kurzinformation und Verzeichnis der zugehörigen Institute, v. 7/2015, https://bankenverband.de/media/publikationen/ 02072015_Entschaedigung_V2.pdf; Einlagensicherungsfonds (ESF), Statut des Einlagensicherungsfonds – ESF-Statut, v. 1.12.2018, https://bankenverband.de/media/publikationen/190507_BDB_Statut_web_ Einzelseiten_X2XGneH.pdf; Einlagensicherungsfonds (ESF), Einlagensicherung der privaten Banken – Kurzinformation und Verzeichnis der mitwirkenden Institute, v. 10/2017, https://bankenverband.de/ media/publikationen/112017_Kurzinfo_ELS_web_final.pdf; (Abrufdatum jew. 14.4.2020).

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§ 19

I. Einleitung I.

Einleitung )

Die Einlagensicherung ist einer der Regulierungsbereiche, denen aktuell besondere politi- 1 sche und öffentliche Aufmerksamkeit zukommt. Eindrücklich zeigen dies die schwierigen Diskussionen um eine weitere Harmonisierung und künftig auch Etablierung der Einlagensicherung auf Ebene der Europäischen Union. Die besondere Aufmerksamkeit ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass bei der Einlagensicherung der Schutz der individuellen Einleger (und damit regelmäßig der Verbraucherschutz) und der Schutz von Banken und des Finanzmarkts insgesamt zusammenfallen und sich ergänzen. Gleichwohl ist die öffentliche und politische Aufmerksamkeit für die Einlagensicherung jüngerer Natur – über viele Jahre fand die Entwicklung der Einlagensicherung ohne größere öffentliche Debatten oder gesetzgeberische Initiativen statt: Die Entwicklung der Institutssicherung der Genossenschaftsbanken (siehe dazu unter 2 Rz. 87 f.) fällt zeitlich mit der Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929 und ihren Folgen zusammen; der Gesetzgeber enthielt sich, trotz einer Vielzahl von bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen im Nachgang zur Krise insbesondere im Kreditwesengesetz von 1934, jedoch einer Regelung der Einlagensicherung.1) Auch nach der Gründung des Gemeinschaftsfonds des privaten Bankgewerbes im Jahre 1966 und des Sparkassenstützungsfonds des Deutschen Sparkassen- und Giroverband e. V. (DSGV) 1969,2) sowie nach der Insolvenz des Bankhauses I. D. Herstatt KGaA im Jahre 1974, als die Einlagensicherung erstmalig in den Fokus der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit geriet, und bis in das Jahr 1994 vermochte die Ausgestaltung der freiwilligen Einlagensicherung in Deutschland den Gesetzgeber von gesetzlichen Vorgaben abzuhalten.3) Erst mit der Einlagensicherungsrichtlinie (ESRL) des Jahres 19944) übernahm der (europäische) Gesetzgeber die Regelungshoheit über die Ausgestaltung der Einlagensicherung (siehe dazu unten Rz. 7 ff.). Anders als nach den Diskussionen über die Einführung einer gesetzlichen Einlagensiche- 3 rung im Nachgang zur Herstatt-Insolvenz folgte die Einlagensicherungsrichtlinie nicht auf eine Bankenkrise, sondern war Gegenstand vorheriger politischer Diskussionen seit den 1980er Jahren (siehe dazu unten Rz. 7 ff.). Folglich standen auch nicht ökonomische Aspekte der Einlagensicherung im Vordergrund der Richtlinienerwägungen, sondern der Wunsch einer Harmonisierung des Binnenmarktes im Bankensektor und die Eliminierung von Wettbewerbsungleichheiten durch unterschiedliche Einlagensicherungssysteme.5) Dass eine funktionierende Einlagensicherung für Vertrauens- und Verbraucherschutz im Bankwesen für Einleger und Banken gleichermaßen erforderlich war, hatte die Kreditwirtschaft in Deutschland ohnehin schon verinnerlicht und durch die konkrete Ausgestaltung der Einlagensicherung, welche die weitestgehende aller EG-Mitgliedstaaten war,6) gezeigt. Ökonomisch also folgt die Notwendigkeit einer funktionierenden Einlagensicherung seit 4 jeher zwei Kerngedanken: Zunächst ist eine funktionierende Einlagensicherung aus Gründen des Gläubigerschutzes angezeigt, um im Insolvenzfall Einleger entschädigen zu ___________

) 1) 2) 3) 4) 5) 6)

Die Verfasser danken Rechtsreferendar Dr. Daniel Jarzembowski für seine vorbereitende Unterstützung bei der Anfertigung dieses Beitrags. Zu den gesetzgeberischen Reaktionen auf die Weltwirtschaftskrise 1929 im Bankenaufsichtsrecht: Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, KWG/CRR-VO, Einf. A. II. Rz. 4 ff. Bundesbank, Monatsbericht 7/1992, S. 30 ff. Hellner/Steuer-Müller-Feyen, BuB, Rz. 1/611. Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 30.5.1994 – ESRL, ABl. (EG) L 135/5 v. 31.5.1994. Vgl. die ErwG der ESRL. Bunte in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 25 Rz. 6.

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§ 19

Einlagensicherung

können.7) Im Übrigen vermag eine funktionierende Einlagensicherung das Vertrauen in die Sicherheit der Einlagen zu schützen und auf diese Weise Bank-Runs im Krisenfalle und eine Kettenreaktion des Einlagenabzugs mit der Folge systemischer Krisen verhindern.8) Schutzzweck der Einlagensicherung ist damit vordergründig und insbesondere der Einleger selbst, doch schützt eine funktionierende Einlagensicherung zugleich auch die Kreditinstitute und sorgt für Stabilität im Bankensektor. 5 Diese ökonomischen Erwägungen einer Einlagensicherung sind, trotz aller gesetzgeberischen und politischen Entwicklungen, im Grundsatz unverändert und ihre Notwendigkeit hat sich durch die jüngsten Bankenkrisen bewahrheitet. Vor diesem Hintergrund betrachtet dieser Beitrag die in Deutschland bestehenden Einlagensicherungssysteme im Kontext der gesetzgeberischen Entwicklungen und beleuchtet die Ausgestaltung in verschiedenen Bereichen des Bankgewerbes im Lichte aktueller Rechtsfragen. II.

Europäischer Hintergrund und Rahmen

6 Die gesetzliche Ausgestaltung der Einlagensicherung ist in ganz wesentlichem Umfang durch Rechtsakte der Europäischen Union geprägt. Hervorzuheben sind der Erlass der ESRL im Jahre 1994 (siehe dazu Rz. 7 ff.), die Überarbeitung und Neufassung dieser Richtlinie im Jahre 2014 (siehe dazu Rz. 10 ff.) sowie die derzeitigen Diskussionen um eine europäische Einlagensicherung i. R. der Bankenunion (siehe dazu Rz. 13 ff.). 1.

Einlagensicherungsrichtlinie aus dem Jahre 1994

7 Im Jahre 1994 schuf der Europäische Gesetzgeber mit der Richtlinie 94/19/EG (Einlagensicherungsrichtlinie – ESRL) erstmalig eine zwingende Regelung zur Einführung von Einlagensicherungssystemen zum Schutz der Kundeneinlagen im Falle der Zahlungsunfähigkeit eines Kreditinstituts.9) Die Richtlinie folgte auf eine Empfehlung der Kommission aus dem Jahre 1986, in welcher – damals noch in unverbindlicher Form – die flächendeckende Einführung gesetzlich zwingender Einlagensicherungssysteme nahegelegt worden war.10) Nachdem eine Vielzahl der Mitgliedstaaten, u. a. auch die Bundesrepublik Deutschland, dieser Empfehlung jedoch nicht nachgekommen war, sah sich der europäische Gesetzgeber im Jahre 1994 veranlasst, die Einlagensicherung in Form einer für die Mitgliedstaaten verbindlichen Richtlinie zu regeln.11) In der Bundesrepublik Deutschland wurde die ESRL in dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG) aus dem Jahre 1998 umgesetzt.12) 8 Wenngleich die damals geschaffenen Rechtsakte heute nicht mehr in Kraft sind, besitzen sie nach wie vor prägenden Charakter für das heute geltende Recht. Dies betrifft etwa den Begriff der Einlage, die Festlegung, welche dieser Einlagen geschützt werden, sowie die grundsätzliche Beibehaltung der freiwilligen Einlagensicherungssysteme, welche die gesetzlichen Systeme komplementieren und ergänzen.13) Aus dem Blickwinkel des heutigen ___________ 7) 8) 9) 10)

Bundesbank, Monatsbericht 7/1992, S. 30. Bundesbank, Monatsbericht 7/1992, S. 30. S. hierzu Hoeren, EuZW 1994, 750, sowie zu den damaligen Bedenken Dreher, ZIP 1998, 1777. Kommission, Empfehlung v. 22.12.1986 zur Einführung von Einlagensicherungssystemen in der Gemeinschaft (87/63/EWG), ABl. (EG) L 33/16 v. 4.2.1987. 11) ErwG 5 ESRL. 12) S. hierzu v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Wojcik, Europäisches Unionsrecht, Art. 63 AEUV Rz. 100. In Deutschland erfolgte die Umsetzung der Richtlinie erst mit Wirkung zum 1.8.1998 und damit nach Ablauf der Umsetzungsfrist. 13) S. a. v. d. Groeben/Schwarze/Hatje-Wojcik, Europäisches Unionsrecht, Art. 63 AEUV Rz. 100; Dreher, ZIP 1998, 1777, 1780 ff.

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II. Europäischer Hintergrund und Rahmen

§ 19

Rechts hatten die Regelungen der ESRL, mit denen der europäische Gesetzgeber damals neues Terrain betrat, gleichwohl eher anfänglichen Charakter. Zum einen beschränkte sich die vorgeschriebene Deckungssumme, also derjenige Betrag, bis zu dem die Einlagen eines Einlegers bei einem Kreditinstitut abgesichert sein mussten, auf lediglich 20.000 €, was weit unterhalb des heute vorgeschriebenen Niveaus liegt (zum heute geltenden Schutzniveau siehe unten Rz. 41 ff.).14) Zum anderen legte die ESRL insgesamt lediglich einen Mindestrahmen für die Harmonisierung der Einlagensicherung fest, zumal sie bestimmte, unter den Mitgliedstaaten strittige Themen bewusst aussparte.15) Im Zuge der vergangenen Finanzmarktkrise aus dem Jahre 2007 sah sich der Europäische 9 Gesetzgeber dann veranlasst, die Vorgaben der ESRL zu verschärfen. Dies führte insbesondere zu einer schrittweisen Anhebung der vorgeschriebenen Deckungssumme auf zunächst 50.000 € und später auf 100.000 €. Ziel dieser Anhebung war es, das beschädigte Vertrauen der Einleger in die Sicherheit ihrer Einlagen wiederaufzubauen und dadurch die Stabilität der Finanzmärkte weiter abzusichern. Die vorgeschriebene Deckungssumme hat sich seitdem nicht weiter erhöht und liegt auch nach der Neufassung der Einlagensicherungsrichtlinie im Jahre 2014 weiterhin bei 100.000 €. 2.

Neugefasste Einlagensicherungsrichtlinie aus dem Jahre 2014

Nachdem die bisherigen Änderungen durch Anpassung der bestehenden Richtlinie umge- 10 setzt worden waren, entschloss sich der europäische Gesetzgeber im Jahre 2014 dann zu einer umfassenden Überarbeitung und ersetzte die bestehende Regelung durch die neue Richtlinie 2014/49/EU (Deposit Guarantee Scheme Directive – DGSD).16) Diese Richtlinie ist in der Bundesrepublik Deutschland durch das in Art. 1 DGSD-Umsetzungsgesetz17) verankerten Einlagensicherungsgesetz (EinSiG)18) aus dem Jahre 2015 umgesetzt worden, dessen Regelungen im weiteren Verlauf noch gesondert dargestellt werden (siehe unten Rz. 18 ff.). Die erfolgte Überarbeitung führte insbesondere zu einer Abkehr vom Ansatz der Mindestharmonisierung, der noch das frühere Recht geprägt hatte, und schuf eine sehr weitgehende Harmonisierung des Einlagensicherungsrechts auf europäischer Ebene.19) Mit dem Ziel, ein einheitliches Schutzniveau für Einleger in der gesamten Union zu schaffen 11 und gleichzeitig die Stabilität der Einlagensicherungssysteme europaweit sicherzustellen, macht die DGSD nun wesentlich detailliertere Vorgaben und überlässt dem nationalen Gesetzgeber insgesamt weniger Umsetzungsspielraum als dies in der Vergangenheit der Fall war.20) Durch diese weitreichende Harmonisierung der gesetzlichen Einlagensicherung wurde nicht zuletzt auch der zuvor bestehenden Möglichkeit eines Wettbewerbs der nationalen Einlagesicherungen und einem Forum Shopping der Einleger weiter entgegengewirkt.21) Der Schritt zu einem eigenständigen europäischen Einlagensicherungssys___________ 14) Art. 7 Abs. 1 ESRL. 15) Vgl. dazu Dreher, ZIP 1998, 1777, 1779 f.; Fuchs, EWS 2010, 516, 517 ff. 16) Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 – Deposit Guarantee Scheme Directive (DGSD), ABl. (EU) L 173/149 v. 12.6.2014. 17) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über Einlagensicherungssysteme – DGSD-Umsetzungsgesetz, v. 28.5.2015, BGBl. I 2015, 786. 18) Einlagensicherungsgesetz – EinSiG, v. 28.5.2015, BGBl. I 2015, 786. 19) S. dazu Berger, BKR 2016, 144; Fischer/Boegel in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133 Rz. 77 f. 20) S. Tusch/Herz, EuZW 2015, 814, 820 f. 21) Zuvor war die innerstaatliche Einstandspflicht für ein Einlagensicherungssystem bei Auslandsbezug nicht hinreichend geklärt. S. hierzu Zetzsche/Grünewald, WM 2013, 1337.

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§ 19

Einlagensicherung

tem, welches neben die jeweiligen nationalen Systeme tritt, wurde im Jahre 2014 allerdings bewusst nicht vorgenommen (zu der gegenwärtigen Diskussion hierzu siehe noch Rz. 44 ff.).22) 12 Neben weiteren Regelungen, die etwa den Ablauf und die Dauer des Entschädigungsverfahrens oder die Behandlung von Einlagen bei Zweigstellen von Kreditinstituten aus anderen Mitgliedstaaten betreffen, wurde auch die Finanzierung der Einlagensicherungssysteme auf neue Beine geregelt.23) Während zuvor in den Mitgliedstaaten noch eine ex postFinanzierung im Nachgang zu einem Entschädigungsfall vorherrschend war, führte die DGSD die Pflicht zu einer ex ante-Finanzierung vor und damit auch unabhängig von einem Entschädigungsfall ein.24) Seither erheben die nationalen Einlagensicherungssysteme von den ihnen angeschlossenen Kreditinstituten laufende jährliche Beiträge und bauen dadurch ein eigenes Mindestvermögen auf (siehe i. E. noch unten Rz. 44 ff.). Dabei wird die Höhe des von einem Kreditinstitut zu entrichtenden Beitrags risikoproportional unter Berücksichtigung des jeweiligen Geschäftsmodells und Risikoprofils bestimmt. 3.

Derzeitige Diskussion um eine europäische Einlagensicherung

13 Dass die Europäische Union der Einlagensicherung auch weiterhin eine erhebliche Bedeutung für die Stabilität des Finanzsystems zumisst, zeigt der in Diskussion befindliche, bereits aus dem Jahre 2015 stammende Vorschlag der Kommission für eine neue Verordnung (Einlagensicherungs-VO-Entwurf)25), mit welcher eine eigenständige europäische Einlagensicherung geschaffen werden soll. Dieser Plan ist Baustein des aus drei Regelungssäulen bestehenden Leitbilds der europäischen Bankenunion, in dessen Umsetzung der europäische Gesetzgeber bereits weitreichende Regelungen für eine europäische Bankenaufsicht (erste Säule) und ein europäisches Sanierungs- und Abwicklungsregime für Banken (zweite Säule) geschaffen hat, deren Komplettierung durch eine eigenständige europäische Einlagensicherung (dritte Säule) jedoch noch unvollendet ist.26) 14 Die Verwirklichung einer europäischen Einlagensicherung nach dem Muster des Einlagensicherungs-VO-Entwurf würde jedoch gravierende Auswirkungen auf die Einlagensicherung in der Bundesrepublik Deutschland sowie in den übrigen Euro-WährungsraumMitgliedstaaten haben.27) Im Gegensatz zu der derzeit gültigen DGSD, welche den Mitgliedstaaten zwar enge Vorgaben für die Ausgestaltung ihrer Einlagensicherungssysteme macht, die Einlagensicherungssysteme als solche aber in nationaler Hand belässt, zielt der neue Vorschlag auf eine europäische Vergemeinschaftung der Einlagensicherung ab.28) Dies spiegelt sich nicht zuletzt auch in der vorgeschlagenen Regelungsform einer europäischen Verordnung wider, welche die angestrebte Regelung unmittelbar auf europäischer Ebene herbeiführen würde, ohne den Mitgliedstaaten die Möglichkeit bzw. den Gestaltungsspielraum einer Umsetzung zu belassen. 15 Der Einlagensicherungs-VO-Entwurf sieht vor, dass die nationalen Einlagensicherungssysteme durch einen europäischen Einlagensicherungsfonds ergänzt werden, der auf europäischer Ebene verwaltet und durch unmittelbare Beitragszahlungen der nationalen ___________ Meister, ECFR 2015, 115, 118; Tusch/Herz, EuZW 2015, 814, 820. Vgl. auch Podporowski/Reichelt/Bretschneider, WPg 2016, 152, 153. S. a. Fischer/Boegel in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133 Rz. 79. Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates – Einlagensicherungs-VO-Entwurf, v. 24.11.2015, COM(2015) 586 final. 26) S. zur Bedeutung der Einlagensicherung i. R. der Bankenunion Kommission, The Five Presidents’ Report: Completing Europe’s Economic and Monetary Union, v. 22.6.2015, S. 11 ff. 27) Dazu auch Wojcik, ZBB 2018, 250, 254 f.; Schindler, WM 2017, 501, 502. 28) S. Herdegen, WM 2016, 1857, 1858; ferner Ziff. 5.2 der Begr. z. Einlagensicherungs-VO-Entwurf. 22) 23) 24) 25)

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II. Europäischer Hintergrund und Rahmen

§ 19

Kreditinstitute finanziert wird.29) Der Aufbau des neuen Systems soll dabei in drei Phasen erfolgen: x

Für die erste Phase (Rückversicherungsphase), die sich über einen Zeitraum von drei Jahren erstrecken soll, sieht der Vorschlag vor, dass Mittel aus dem Europäischen Einlagensicherungsfonds nur in einem sehr begrenzten Umfang zur Verfügung gestellt werden und dass das europäische System nur bei der Überforderung eines nationalen Einlagensicherungssystems einspringt, wobei die geleisteten Mittel größtenteils an den europäischen Einlagensicherungsfonds zurückzuzahlen sind.30)

x

In der zweiten Phase (Mitversicherungsphase), die auf einen Zeitraum von vier Jahren angelegt ist, sollen die teilnehmenden Einlagensicherungssysteme im europäischen Einlagenversicherungsfonds direkt mitversichert sein.31) Wesentlicher Unterschied zur ersten Phase ist, dass bereits ab dem „ersten Euro“ Mittel des europäischen Einlagensicherungsfonds bereitgestellt werden können, deren Anteil im Laufe der vierjährigen Mitversicherungsphase schrittweise von zunächst 20 % auf später 80 % ansteigen soll.

x

Die dritte und letzte Phase (Vollversicherungsphase) sieht vor, dass die teilnehmenden Einlagensicherungssysteme in dem europäischen Einlagensicherungsfonds voll versichert sind.32) Dies bedeutet, dass der Verlust, der sich aus dem Eintritt eines Entschädigungsfalls (oder der Inanspruchnahme im Falle einer Abwicklung eines Kreditinstituts) ergibt, vollständig vom Europäischen Einlagensicherungsfonds finanziert und getragen wird und sich der Haftungsanteil somit auf 100 % erhöht.

Aufgrund der weitreichenden Folgen, die die Einführung einer europäischen Einlagensi- 16 cherung in der vorgeschlagenen Form mit sich bringen würde, ist vielfach deutliche Kritik an dem neuen Konzept geübt worden,33) wobei der politisch ambitionierte Vorschlag gerade auch in der Bundesrepublik Deutschland kritisch gesehen wird.34) Die deutsche Kreditwirtschaft sieht insbesondere die Gefahr einer Quersubventionierung der finanziell schlechter ausgestatteten durch die finanziell besser ausgestatteten Einlagensicherungssysteme und damit eine Vergemeinschaftung der Ausfallrisiken zum Nachteil des Standorts Deutschland.35) Die Kritik geht letztlich so weit, dass bereits die Gesetzgebungskompetenz der EU für die Schaffung eines europäischen Einlagensicherungsfonds in Zweifel gezogen wird.36) Nachdem auch das begonnene Gesetzgebungsverfahren im Europäischen Parlament und 17 im Rat sehr schleppend vorangegangen war, veröffentlichte die Kommission Ende des Jahres 2017 in einer Mitteilung einen Kompromissvorschlag,37) der ihren bisherigen Vorschlag in wesentlichen Punkten abschwächt und darüber hinaus vorsieht, dass vor der ___________ 29) 30) 31) 32) 33) 34) 35) 36)

37)

Art. 74a Einlagensicherungs-VO-Entwurf; ferner Herdegen, WM 2016, 1905, 1907. Ziff. 5.2.1. der Begr. z. Einlagensicherungs-VO-Entwurf. Ziff. 5.2.2. der Begr. z. Einlagensicherungs-VO-Entwurf. Ziff. 5.2.3. der Begr. z. Einlagensicherungs-VO-Entwurf. S. hierzu beispielhaft ECB, Occasional Paper Series, Completing the Banking Union with a European Deposit Insurance Scheme: who is afraid of cross-subsidisation?, v. 4/2018 (No. 208). S. etwa Bauerschmidt, ZHR (183) 2019, 476, 498; Herdegen, WM 2016, 1905, 1911. Kolassa in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 138 Rz. 14. Ausweislich der Ziff. 2.1 der Begr. z. Einlagensicherungs-VO-Entwurf soll sich die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 114 AEUV (Binnenmarkt) ergeben, was jedoch in Zweifel gezogen worden ist. S. dazu etwa Herdegen, WM 2016, 1905, 1911; ferner Wojcik, ZBB 2018, 250, 255. Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zur Vollendung der Bankenunion, v. 11.10.2017, COM(2017) 592 final; dazu auch Wojcik, ZBB 2018, 250, 255; Bauerschmidt, ZHR (183) 2019, 476, 498.

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§ 19

Einlagensicherung

Schaffung einer europäischen Einlagensicherung zunächst bestimmte Vorbereitungsmaßnahmen zur Risikoreduzierung im europäischen Bankensektor ergriffen werden sollen. Nichtdestotrotz ist zurzeit nicht absehbar, ob, wann und in welcher (abgeänderten) Form eine europäische Einlagensicherung tatsächlich legislative Wirklichkeit werden wird.38) Eine Einigung der Euro-Finanzminister auf einen Fahrplan zur Realisierung der europäischen Einlagensicherung ist Ende des Jahres 2019 gescheitert, wodurch das Vorhaben derzeit wieder auf Eis liegt.39) III.

Geltende gesetzliche Einlagensicherung in Deutschland

18 Seit seinem Inkrafttreten im Jahre 2015 regelt das EinSiG, welches die DGSD in nationales Recht umsetzt, die Einlagensicherung in der Bundesrepublik Deutschland. Dabei löste das EinSiG für seinen Regelungsbereich auch das zuvor bestehende Einlagensicherungsund Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG)40) ab, welches nunmehr als Anlegerentschädigungsgesetz (AnlEntG)41) fortbesteht und lediglich noch die – auf unterschiedlicher europäischer Grundlage beruhende – Anlegerentschädigung regelt.42) Als umfassende gesetzliche Regelung enthält das EinSiG insbesondere Vorschriften zu den erfassten Kreditinstituten und den zulässigen Formen der Einlagensicherungssystemen (siehe dazu Rz. 19 ff.), zu den geschützten Einlagen sowie den Voraussetzungen und dem Verfahren der Entschädigung (siehe dazu Rz. 31 ff.), zu der Institutssicherung und ihrem Verhältnis zur Einlagensicherung (siehe dazu Rz. 25 ff.), zu der Finanzierung der Einlagensicherungssysteme (siehe dazu Rz. 44 ff.) und zu der Prüfung und Beaufsichtigung der Einlagensicherungssysteme (siehe dazu Rz. 49 ff.). 1.

Grundlagen

a)

Erfasste Kreditinstitute (§ 1 Satz 1 EinSiG)

19 Nach § 1 Satz 1 EinSiG zählen zu den von der Einlagensicherungspflicht erfassten Instituten alle CRR-Kreditinstitute i. S. des § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG, wobei diese Regelung zur näheren Bestimmung ihrerseits auf die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (CRR)43) verweist. Nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 CRR i. d. F. CRR II ist von dem Begriff des Kreditinstituts letztlich jedes Unternehmen umfasst, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren. Dies bedeutet zum einen, dass das Einlagen- und Kreditgeschäft kumulativ betrieben werden muss, und zum anderen, dass auch eine tatsächliche Ausübung dieser Tätigkeiten erforderlich ist.44) Durch § 1 Satz 2 EinSiG wird der Anwendungsbereich noch in der Weise erweitert, dass auch Zweigstellen im Inland, die von Unternehmen mit Sitz im Ausland unterhalten werden und die zumindest das Einlagengeschäft ___________ 38) S. a. schon Bauerschmidt, ZHR (183) 2019, 476, 498; Wojcik, ZBB 2018, 250, 255. 39) S. dazu etwa den Bericht „EU-Einlagensicherung kommt vorerst nicht“, FAZ v. 6.12.2019, Nr. 284, S. 15. 40) Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, v. 16.7.1998, BGBl. I 1998, 1842, zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes v. 15.7.2014, BGBl. I 2014, 934. 41) Anlegerentschädigungsgesetz – AnlEntG, v. 16.7.1998, BGBl. I 1998, 1842, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2602. 42) S. dazu das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über Einlagensicherungssysteme – DGSD-Umsetzungsgesetz, v. 28.5.2015, BGBl. I 2015, 786. 43) Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. 44) S. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 1 KWG Rz. 14.

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III. Geltende gesetzliche Einlagensicherung in Deutschland

§ 19

nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG und das Kreditgeschäft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG betreiben, zu den CRR-Kreditinstituten gezählt werden und damit dem EinSiG unterfallen. Für die erfassten Kreditinstitute gilt nach § 1 EinSiG eine generelle Einlagensicherungs- 20 pflicht. Die früher nach § 12 EAEG vorgesehene Befreiungsmöglichkeit für bestimmte Kreditinstitute gilt heute nicht mehr.45) Die Einlagensicherungspflicht nach § 1 EinSiG wird rechtlich dadurch abgesichert, dass nach § 35 Abs. 1 Satz 2 KWG i. V. m. § 41 EinSiG ein Kreditinstitut bei Missachtung seiner Beitrags-, Zahlungs- oder Mitwirkungspflichten von dem jeweiligen Sicherungssystem ausgeschlossen werden und in Folge dessen seine Bankerlaubnis verlieren kann. b)

Formen der Einlagensicherungssysteme (§ 2 Abs. 1 EinSiG)

Einlagensicherungssysteme können nach § 2 Abs. 1 EinSiG in zwei Formen bestehen: 21 Zum einen in der Form einer gesetzlichen Entschädigungseinrichtung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 EinSiG) und zum anderen in der Form eines institutsbezogenen Sicherungssystems (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 EinSiG). Nicht dem Anwendungsbereich des EinSiG unterliegen die verschiedenen freiwilligen Sicherungseinrichtungen, die bei den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft eingerichtet worden sind (siehe dazu i. E. noch unten Rz. 52 ff.). Die in der Bundesrepublik Deutschland in gewachsener Historie schon lange vor Einführung der gesetzlichen Einlagensicherungspflicht bestehenden freiwilligen Sicherungseinrichtungen hat der Gesetzgeber auch nach Einführung der gesetzlichen Einlagensicherung nicht zurückgedrängt, so dass sie heute ergänzend neben den gesetzlichen Einlagensicherungssystemen stehen. In der Bundesrepublik Deutschland hat sich insofern eine Doppelstruktur aus gesetzlicher und freiwilliger Einlagensicherung herausgebildet.46) aa)

Gesetzliche Entschädigungseinrichtungen (§ 22 Abs. 2 EinSiG)

Gesetzliche Entschädigungseinrichtungen können nach § 22 Abs. 2 EinSiG ihrerseits in 22 zwei Formen bestehen: Zum einen können juristischen Personen des Privatrechts im Wege der Beleihung die Aufgaben und Befugnisse einer gesetzlichen Entschädigungseinrichtung übertragen bekommen (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 EinSiG). Die Beleihung erfolgt nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EinSiG durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Finanzen und setzt voraus, dass einerseits die juristische Person des Privatrechts bereit ist, die Aufgaben der Entschädigungseinrichtung zu übernehmen, und dass andererseits hinreichende Gewähr für die Erfüllung der Ansprüche der Entschädigungsberechtigten geboten ist. Für Letzteres kommt es nach § 23 Abs. 1 Satz 2 EinSiG maßgeblich auf die Zuverlässigkeit und Qualifikation der Geschäftsleitung sowie auf das Vorhalten der für die Ausübung der Aufgaben notwendigen Ausstattung und Organisation an, wobei hierfür jedenfalls eigene Mittel im Gegenwert von mindestens 1. Mio. € vorausgesetzt werden. Zum anderen können gesetzliche Entschädigungseinrichtungen – wiederum durch Rechtsverordnung des BMF nach § 23 Abs. 2 EinSiG – bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) errichtet werden, wenn beliehene Entschädigungseinrichtungen nicht zur Verfügung stehen (§ 22 Abs. 2 Nr. 2 EinSiG). Die Zuordnung eines Kreditinstituts zu einer bestimmten gesetzlichen Entschädigungs- 23 einrichtung wird durch Verwaltungsakt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nach § 24 EinSiG bewirkt. Für die Zuordnung kommt es nach § 24 Abs. 1 ___________ 45) S. a. Meixner, ZAP 2015, 711 f. 46) S. etwa Fischer/Boegel in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133 Rz. 101; Freis-Janik in: Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 2.293.

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§ 19

Einlagensicherung

EinSiG darauf an, welcher Institutsgruppe das Kreditinstitut angehörig ist, also entweder der Institutsgruppe der privatrechtlichen Kreditinstitute (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 EinSiG) oder der Institutsgruppe der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 EinSiG). Ein Kreditinstitut hat zudem die Möglichkeit, nach § 24 Abs. 2 EinSiG bei der BaFin einen Antrag auf die Zuordnung zu einer anderen gesetzlichen Entschädigungseinrichtung zu stellen.47) 24 Nach dem RefE eines Gesetzes zur Reduzierung von Risiken und Stärkung der Proportionalität im Bankensektor, der auch Änderungen am EinSiG vorsieht, soll es zukünftig nur noch eine gesetzliche Entschädigungseinrichtung geben.48) Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die Trennung der gesetzlichen Entschädigungseinrichtungen der öffentlichen und privaten Banken aufgelöst werden. Hintergrund ist, dass die rechtlich selbstständigen Förderbanken aus dem Anwendungsbereich von CRD und CRR ausgenommen worden sind und damit keine Zuordnung zu einem Einlagensicherungssystem mehr erfolgt. Folglich ist die Rücknahme der Beleihung der Entschädigungseinrichtung des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands GmbH (EdÖ) geplant. Auch wenn die Regelungen derzeit nur im RefE vorliegen, ist ihre Umsetzung zu erwarten, da der EdÖ nur noch fünf Institute zugeordnet sind (Stand: 1.5.2020),49) was ausweislich der Entwurfsbegründung nicht als ausreichend angesehen werden kann, um die Risiken aus einem Entschädigungsfall zu tragen. bb)

Institutsbezogene Sicherungssysteme

(1)

Funktion der Institutssicherung (§ 2 Abs. 2 EinSiG i. V. m. Art. 113 Abs. 7 CCR)

25 Indem das EinSiG auch die Form der institutsbezogenen Sicherungssysteme zulässt, bleibt das in der Bundesrepublik Deutschland gewachsene Nebeneinander von gesetzlichen Entschädigungseinrichtungen und institutsbezogenen Sicherungssystemen auch nach der jetzigen Rechtslage möglich und bestehen. Unter einem institutsbezogenen Sicherungssystem ist nach § 2 Abs. 2 EinSiG i. V. m. Art. 113 Abs. 7 CCR eine vertragliche oder satzungsmäßige Haftungsvereinbarung zu verstehen, die Institute absichert und insbesondere bei Bedarf ihre Liquidität und Solvenz sicherstellt, um eine Insolvenz zu vermeiden. Das wesentliche Merkmal eines institutsbezogenen Sicherungssystems ist mit anderen Worten, dass es nicht primär die Einleger im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Kreditinstituts, sondern in erster Linie das Kreditinstitut selbst und dessen Überleben schützen will.50) 26 Von einer solchen Institutssicherung geht freilich auch eine mittelbare Schutzwirkung für die Einleger und ihre Einlagen aus, weil ein Entschädigungsfall von vornherein vermieden werden soll. Diese lediglich mittelbare Schutzwirkung genügt allerdings nicht der durch das EinSiG vorgeschriebenen Einlagensicherungspflicht. Anders als nach früherer Rechtslage befreit die Zugehörigkeit zu einem institutsbezogenen Sicherungssystem das Kreditinstitut dementsprechend nicht mehr von der Einlagensicherungspflicht.51) Vielmehr müssen ___________ 47) Hiervon hat etwa die Bausparkasse Schwäbisch Hall AG Gebrauch gemacht, die als private Bausparkasse der Einlagensicherung des genossenschaftlichen Bankensystems zugeordnet ist. 48) Begr. RefE des BMF z. Art. 15 Nr. 7 Gesetz zur Reduzierung von Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Bankensektor – Risikoreduzierungsgesetz (RiG), Bearbeitungsstand: 17.4.2020, abrufbar unter https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/ Abteilungen/Abteilung_VII/19_Legislaturperiode/2020-04-22-Risikoreduzierungsgesetz/1-Referentenentwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=4 (Abrufdatum: 5.5.2020). 49) Der Stand kann unter https://www.voeb-edoe.de/startseite/ (Abrufdatum: 5.5.2020) abgerufen werden. 50) S. a. Fischer/Boegel in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133 Rz. 87. 51) S. a. Fandrich in: Münch-AHB Bank- und Kapitalmarktrecht, § 1 Rz. 35; Berger, BKR 2016, 144, 145.

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III. Geltende gesetzliche Einlagensicherung in Deutschland

§ 19

die institutsbezogenen Sicherungssysteme sich nach § 43 EinSiG von der BaFin als Einlagensicherungssystem anerkennen lassen und in der Folge – neben ihrer institutssichernden Funktion – auch die gesetzliche Einlagensicherungsfunktion übernehmen. Im Ergebnis wurde damit erreicht, dass die (primäre) institutssichernde Funktion im Kern unberührt geblieben ist und lediglich die (sekundäre) Entschädigungsfunktion ergänzend ausgeübt werden muss.52) Gehört ein Kreditinstitut einem von der BaFin anerkannten institutsbezogenen Sicherungs- 27 system an und erfüllt dadurch seine Einlagensicherungspflicht, entfällt nach § 24 Abs. 5 EinSiG die Notwendigkeit einer Zuordnung zu einer gesetzlichen Entschädigungseinrichtung. Welche Kreditinstitute einem bestimmten institutsbezogenen Sicherungssystem zugehören, kann das Sicherungssystem grundsätzlich selbst durch seine Satzung regeln, wobei die Satzung eines institutsbezogenen Sicherungssystems insgesamt den gesetzlichen Anforderungen in § 47 Abs. 1 und 2 EinSiG entsprechen muss. (2)

Anerkennung als Einlagensicherungssystem (§ 43 EinSiG)

Die Anerkennung eines institutsbezogenen Sicherungssystems als Einlagensicherungs- 28 system scheint nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 EinSiG im Ermessen der BaFin, wenn es darin heißt, auf Antrag „kann“ eine Anerkennung erfolgen. Soweit das institutsbezogene Sicherungssystem die für eine Anerkennung als Einlagensicherungssystem geforderten Voraussetzungen erfüllt, erscheint es jedoch fraglich, ob die BaFin tatsächlich einen Ermessensspielraum haben soll.53) Nach § 43 Abs. 1 EinSiG kann ein institutsbezogenes Sicherungssystem als Einlagensi- 29 cherungssystem anerkannt werden, wenn es die Entschädigung der Einleger der dem System angehörenden Kreditinstitute – mit anderen Worten die gesetzliche Einlagensicherung – nach Maßgabe der §§ 5 bis 16 EinSiG übernimmt (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 EinSiG), die Begriffsvoraussetzungen eines institutsbezogenen Sicherungssystems nach Art. 113 Abs. 7 CRR erfüllt (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 EinSiG) und hinreichende Gewähr für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben nach dem EinSiG bietet (§ 43 Abs. 1 Nr. 3 EinSiG). Eine hinreichende Gewähr für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung soll nach § 43 Abs. 2 EinSiG dann vorliegen, wenn geeignete Personen mit der Geschäftsführung betraut sind (§ 43 Abs. 2 Nr. 1 EinSiG), die Geschäftsführung durch ein Kontrollorgan überwacht wird (§ 43 Abs. 2 Nr. 2 EinSiG), auch i. Ü. die notwenige Ausstattung, Organisation und Entscheidungsstruktur gegeben ist (§ 43 Abs. 2 Nr. 3 EinSiG), die Sicherungsmittel vom sonstigen Vermögen getrennt werden (§ 43 Abs. 2 Nr. 4 EinSiG) und die Satzung den Vorgaben des § 47 Abs. 1 und 2 EinSiG entspricht (§ 43 Abs. 2 Nr. 5 EinSiG). Die formalen Anforderungen an den Anerkennungsantrag, insbesondere die mit dem An- 30 trag einzureichenden Unterlagen und weiteren Angaben, regelt § 44 EinSiG. Eine einmal erteilte Anerkennung als Einlagensicherungssystem kann die BaFin nach § 46 Abs. 1 Satz 1 EinSiG jederzeit widerrufen, sofern das institutsbezogene Sicherungssystem die Anerkennungsvoraussetzungen nach § 43 EinSiG nicht mehr erfüllt. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Widerruf haben nach § 46 Abs. 1 Satz 2 EinSiG keine aufschiebende Wirkung. Diese Widerrufsmöglichkeit hat sicherlich den Charakter einer ultima ratio, sie kann (gerade auch verbunden mit dem Umstand, dass bei einem Widerruf das „Nullanrechnungsprivileg“ nach Art. 113 Abs. 7 CRR entfallen würde) der BaFin prak___________ 52) S. a. Begr. RegE Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über Einlagensicherungssysteme – DGSD-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 18/3786, S. 49. 53) Vgl. auch Meixner, ZAP 2015, 711, 718 ff.

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§ 19

Einlagensicherung

tisch jedoch ein erhebliches Druckmittel im Verhältnis zu den institutsbezogenen Sicherungssystemen verschaffen, Anforderungen der Aufsicht, gerade auch in Krisensituationen von Mitgliedsinstituten, nachzukommen. 2.

Einlegerentschädigung

31 Um in einem Entschädigungsfall durch die gesetzliche Einlagensicherung entschädigt zu werden, müssen die in Rede stehenden Geldmittel des Einlegers zum einen die Begriffsmerkmale der Einlage nach § 3 EinSiG erfüllen, zum anderen dürfen sie nicht zu den nicht entschädigungsfähigen Einlagen nach § 6 EinSiG zählen. a)

Begriff der Einlage (§ 2 Abs. 3 Satz 1 EinSiG)

32 Der Begriff der Einlage wird in § 2 Abs. 3 Satz 1 EinSiG gesetzlich definiert, wobei sich der deutsche Gesetzgeber fast wortgetreu an der Vorgabe der DGSD orientiert hat. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 EinSiG zählen zu den Einlagen alle „Guthaben, einschließlich Festgeld und Spareinlagen, die 1. sich aus Beträgen, die auf einem Konto verblieben sind oder sich aus Zwischenpositionen im Rahmen von Bankgeschäften ergeben und 2. vom Kreditinstitut nach den geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen zurückzuzahlen sind.“

33 Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich also um alle rückzahlbaren Guthaben. Der Begriff der Einlage wird schließlich noch dadurch erweitert, dass nach § 2 Abs. 3 Satz 3 EinSiG auch Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften eines Kreditinstituts, welches auch eine Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 und 10 KWG oder zur Erbringung von Finanzdienstleistungen i. S. des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 bis 4 KWG besitzt, zu den Einlagen zu zählen sind, sofern diese Verbindlichkeiten darin bestehen, den Kunden Besitz oder Eigentum an Geld zu verschaffen. 34 Allerdings enthält das Gesetz in § 2 Abs. 3 Satz 2 EinSiG eine Negativdefinition, welche bestimmte rückzahlbare Guthaben doch wieder vom gesetzlichen Einlagenbegriff ausnimmt. Nach der Liste des § 2 Abs. 3 Satz 2 EinSiG zählen zu den geschützten Einlagen solche Guthaben nicht, deren Existenz nur durch ein Finanzinstrument i. S. des § 2 Abs. 4 WpHG nachgewiesen werden kann (es sei denn, es handelt sich um ein Sparprodukt, das durch ein auf eine benannte Person lautendes Einlagenzertifikat verbrieft ist und bereits zum 2.7.2014 bestand) (§ 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EinSiG), die nicht zum Nennwert rückzahlbar sind (§ 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 EinSiG) oder die nur i. R. einer bestimmten vom Kreditinstitut oder einem Dritten gestellten Garantie oder Vereinbarung rückzahlbar sind (§ 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 EinSiG). b)

Nicht entschädigungsfähige Einlagen (§ 6 EinSiG)

35 Im Sinne einer weiteren Einschränkung enthält § 6 EinSiG einen Katalog an Positionen, die keiner Entschädigung unterliegen. Zwar kennt das EinSiG keine allgemeine Beschränkung auf natürliche Personen oder auf Privatkunden, so dass im Ausgangspunkt auch Personengesellschaften und juristische Personen zu den Entschädigungsberechtigten zählen. Der Katalog nicht entschädigungsfähiger Einlagen in § 6 EinSiG schließt jedoch Einlagen von bestimmten Personen vom Schutzbereich des EinSiG aus, namentlich Einlagen von anderen Kreditinstituten (§ 6 Nr. 1 EinSiG), Finanzinstituten (§ 6 Nr. 4 EinSiG), Wertpapierfirmen (§ 6 Nr. 5 EinSiG ), Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen (§ 6 Nr. 7 EinSiG), Organismen für gemeinsame Anlage (§ 6 Nr. 8 EinSiG), Pensionsund Rentenfonds (§ 6 Nr. 9 EinSiG) und staatlichen Stellen (§ 6 Nr. 10 EinSiG). Von besonderer Bedeutung ist auch § 6 Nr. 11 EinSiG, wonach Schuldverschreibungen nicht zu 1014

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III. Geltende gesetzliche Einlagensicherung in Deutschland

§ 19

den entschädigungsfähigen Einlagen zählen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Schutz der gesetzlichen Einlagensicherung vor allem Guthaben auf laufenden Konten, Tages-, Termin- und Spareinlagen umfasst, wohingegen etwa Inhaberschuldverschreibungen ausgenommen sind.54) c)

Entschädigungsfall (§ 10 EinSiG)

Weitere Voraussetzung für eine Entschädigung ist, dass ein Entschädigungsfall gegeben 36 ist. Nach § 10 EinSiG liegt ein Entschädigungsfall i. S. der gesetzlichen Einlagensicherung vor, soweit ein Kreditinstitut aus Gründen, die mit seiner Finanzlage unmittelbar zusammenhängen, vorerst nicht in der Lage ist, fällige Einlagen zurückzuzahlen, und zudem gegenwärtig auch keine Aussicht besteht, dass das Kreditinstitut zur Rückzahlung künftig in der Lage sein wird. Das Vorliegen eines Entschädigungsfalls setzt sich also aus zwei unterschiedlichen Elementen zusammen, nämlich aus einer gegenwärtigen Bestandsaufnahme einerseits und einer prognostischen Zukunftsanalyse andererseits.55) Das Vorliegen der Voraussetzungen muss in formaler Hinsicht durch die BaFin festge- 37 stellt werden, wonach sie gemäß § 10 Abs. 2 EinSiG unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von fünf Arbeitstagen, nach materiellem Eintritt des Entschädigungsfalls verpflichtet ist. Dabei wird eine Feststellungspflicht nicht nur angenommen, wenn die BaFin Kenntnis davon erlangt hat, dass ein Kreditinstitut nicht in der Lage ist, fällige Einlagen zurückzuzahlen, sondern auch dann, wenn die BaFin gegenüber dem Kreditinstitut Maßnahmen nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 – 6 KWG – also ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot (Nr. 4), eine Schließung des Instituts (Nr. 5) oder ein Verbot der Entgegennahme bestimmter Zahlungen (Nr. 6) – angeordnet hat und diese Maßnahmen länger als sechs Wochen andauern. Die Feststellung des Entschädigungsfalls ist ein (feststellender) Verwaltungsakt i. S. des 38 § 35 Satz 1 VwVfG, gegen welchen Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 10 Abs. 3 EinSiG allerdings keine aufschiebende Wirkung haben. Stellt die BaFin einen Entschädigungsfall fest, hat sie dies nach § 11 Abs. 1 EinSiG unverzüglich im Bundesanzeiger bekannt zu machen und nach § 11 Abs. 2 EinSiG das betroffene Einlagensicherungssystem unverzüglich entsprechend zu unterrichten. Im Ergebnis kommt der BaFin aufgrund ihrer Feststellungsbefugnis eine ganz wesentliche Mitverantwortung bei der gesetzlichen Einlagensicherung und -entschädigung zu, die über eine klassische Aufsichtsfunktion hinausgeht.56) d)

Entschädigungsverfahren (§§ 12, 14 EinSiG)

Liegen die Voraussetzungen für eine Entschädigung vor, ist es das Ziel des dadurch in 39 Gang gesetzten Entschädigungsverfahrens, eine möglichst schnelle Unterstützung der Einleger durch eine zügige und reibungslose Auszahlung der Entschädigungssummen zu erreichen.57) Im Wesentlichen sieht das Entschädigungsverfahren zwei unterschiedliche Schritte vor, die jeweils durch kurze Fristen geprägt sind: x

Im ersten Schritt hat das Einlagensicherungssystem nach § 12 EinSiG die Einleger des betroffenen Kreditinstituts unverzüglich über den Eintritt des Entschädigungsfalls zu unterrichten und auf ihren Entschädigungsanspruch sowie auf den Umstand, dass diese Ansprüche glaubhaft zu machen sind, hinzuweisen.

___________ 54) Vgl. auch Podporowski/Reichelt/Bretschneider, WPg 2016, 152, 153. 55) Vgl. auch Freis-Janik in: Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 2.298. 56) S. a. Tusch/Herz, EuZW 2015, 814, 821; ferner die an Einleger gerichteten Informationen der BaFin, Fragen & Antworten zur Einlagensicherung und Anlegerentschädigung. 57) Dazu auch Fandrich in: Münch-AHB Bank- und Kapitalmarktrecht, § 1 Rz. 36.

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§ 19 x

Einlagensicherung

Im zweiten Schritt hat das Einlagensicherungssystem nach § 14 Abs. 1 und 3 EinSiG unverzüglich die Entschädigungsansprüche der betroffenen Einleger zu prüfen und diese innerhalb von sieben Arbeitstagen zu begleichen. Beide Schritte können nach § 12 Satz 2 EinSiG auch dahingehend miteinander verbunden werden, dass die Unterrichtung gleichzeitig mit der Entschädigung erfolgt.

40 Zum Zwecke der Anspruchsprüfung kann das Sicherungssystem nach § 14 Abs. 2 EinSiG von dem betroffenen Kreditinstitut verlangen, unverzüglich die für die Prüfung der Entschädigungsansprüche der Einleger sowie für deren Entschädigung erforderlichen Unterlagen und Angaben zur Verfügung zu stellen. Damit bedarf es heute keines Antrages des Einlegers beim Einlagensicherungssystem mehr, vielmehr erfolgt die Auszahlung automatisch.58) Zu einem Aufschub der Auszahlung kann es allerdings unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EinSiG, etwa in dem Fall, dass der Entschädigungsanspruch des Einlegers streitig ist, kommen. Unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 EinSiG ist darüber hinaus eine Aussetzung der Erfüllung des Entschädigungsanspruches möglich, insbesondere wenn die Einlage Gegenstand einer Rechtsstreitigkeit ist (eine Aussetzung kann dann erfolgen, bis eine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist). e)

Deckungssumme (§ 7 EinSiG)

41 Von erheblicher Bedeutung ist die Regelung des § 7 Abs. 1 EinSiG, wonach der Entschädigungsanspruch eines Einlegers auf eine maximale Deckungssumme begrenzt wird. Die Deckungssumme bezieht sich nach § 7 Abs. 2 und 3 EinSiG auf die Gesamtforderung, die sich aus der Summe sämtlicher Einlagen ergibt, die der Einleger bei einem Kreditinstitut hält. Im Regelfall beträgt die Deckungssumme nach § 8 Abs. 1 EinSiG 100.000 € und versteht sich dabei als gesetzlich fixierter Nominalbetrag, der keine Anpassungen etwa für einen Inflationsverlust oder ähnliches vorsieht. Stehen die Einlagen mehreren Inhabern zu, etwa in der Form eines Gemeinschaftskontos, sieht das Gesetz in § 7 Abs. 4 bis 6 EinSiG allerdings vor, dass die Deckungssumme für jede berechtigte Person einzeln zur Anwendung gelangt. 42 Für solche Einlagen, die bestimmten, aus gesellschaftlicher Sicht besonders schutzwürdigen Zwecken dienen, ist nach § 8 Abs. 2 bis 4 EinSiG eine erhöhte Deckungssumme von 500.000 € vorgesehen. Dabei genießen den Schutz der erhöhten Deckungssumme nach § 8 Abs. 2 EinSiG insbesondere solche Einlagen, die für die Lebensführung oder das Vermögen des Einlegers besonders wichtig sind, wie etwa Beträge, die aus Immobilientransaktionen im Zusammenhang mit privat genutzten Wohnimmobilien resultieren (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 lit. a EinSiG), die soziale, gesetzlich vorgesehene Zwecke erfüllen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 lit. b EinSiG) und die auf bestimmten Versicherungsleistungen oder Entschädigungszahlungen beruhen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 lit. c EinSiG). Allerdings gilt die erhöhte Deckungssumme im Grundsatz nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 lit. a EinSiG nur für einen Zeitraum von sechs Monaten ab Gutschrift. Zu beachten ist ferner, dass Einlagen, welche der erhöhten Deckungssumme unterliegen, vom Einleger nach § 8 Abs. 5 EinSiG gesondert schriftlich unter Nachweis der anspruchsbegründenden Tatsachen glaubhaft zu machen sind. Durch diese Einschränkungen wird die an sich angestrebte erhöhte Entschädigungssicherheit in praktischer Sicht wieder nicht unerheblich verwässert. 43 Aus § 5 Abs. 1 EinSiG lässt sich darüberhinausgehend ableiten, dass der Entschädigungsanspruch gegenüber dem jeweiligen Einlagensicherungssystem für jede Geschäftsbeziehung zu einem Kreditinstitut gesondert gilt, auch wenn die Kreditinstitute demselben Si___________ 58) S. a. Fischer/Boegel in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133 Rz. 91; Tusch/Herz, EuZW 2015, 814, 821.

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cherungssystem zugehören.59) Hierdurch wird letztlich ein Anreiz zu einer diversifizierenden Streuung der Einlagen über verschiedene Kreditinstitute mit dem Effekt einer Erhöhung der Deckungssumme geschaffen. 3.

Finanzierung der Einlagensicherungssysteme

a)

Zielausstattung

Eine wesentliche Stärkung, welche die Einlagensicherung in der Vergangenheit durch den 44 Gesetzgeber erfahren hat, ist – neben dem Ausbau der Deckungssumme – die Verschärfung der Anforderungen an die Finanzierung und finanzielle Ausstattung der Systeme. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EinSiG gilt der allgemeine Grundsatz, dass Einlagensicherungssysteme über angemessene Finanzmittel im Verhältnis zu ihren bestehenden und potentiellen Verbindlichkeiten verfügen müssen. Was dies konkret bedeutet, ergibt sich aus § 17 Abs. 2 Satz 1 EinSiG, wonach die Einlagensicherungssysteme dazu verpflichtet sind, ihre verfügbaren Finanzmittel bis zum Ablauf des 3.7.2024 mit mindestens einer Zielausstattung von 0,8 % der gedeckten Einlagen der ihnen angehörenden Kreditinstitute aufzustocken (Zielausstattung). Eine Zielausstattung von mindestens 0,8 % sieht der Gesetzgeber offenbar einerseits als erforderlich an, um ein hinreichendes Vertrauen in die Effektivität der Einlagensicherung zu schaffen, andererseits mit Blick auf die beitragszahlenden Kreditinstitute aber auch als zumutbar und realistischerweise erreichbar. b)

Jährliche Beiträge (§ 19 EinSiG)

Die Finanzierung der Einlagensicherungssysteme erfolgt nach § 19 Abs. 1 Satz 1 EinSiG 45 in erster Linie durch die laufenden Beiträge, welche die angehörigen Kreditinstitute an die Systeme zu entrichten haben. Darüber hinaus ist nach § 19 Abs. 1 Satz 2 EinSiG auch eine Finanzierung aus anderen Quellen möglich. In Betracht kommen etwa Altmittel eines Einlagensicherungssystems oder freiwillige Zuschüsse aus einer freiwilligen Sicherungseinrichtung, wohingegen einer Finanzierung aus staatlichen Mitteln beihilferechtliche Beschränkungen im Wege stehen würden.60) Nach §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 2 Nr. 1 EinSiG ist der ordentliche Beitrag durch die Kreditinstitute bis zur Erreichung der Zielausstattung auf jährlicher Grundlage gegenüber dem Einlagensicherungssystem zu begleichen. Die Beitragsverpflichtung gegenüber einem Einlagensicherungssystem in der Form einer gesetzlichen Entschädigungseinrichtungen ist öffentlich-rechtlicher Natur und ergibt sich nach § 33 Abs. 1 EinSiG aus einer Verordnung des Bundesministeriums der Finanzen, wobei dieses nach § 33 Abs. 3 EinSiG seine Kompetenz auf die BaFin delegieren kann. Im Falle eines institutsbezogenen Sicherungssystems ergibt sich die Beitragsverpflichtung aufgrund der jeweiligen Satzung des Systems.61) Die Höhe der von einem Kreditinstitut jährlich zu leistenden Beiträge bemisst sich ge- 46 mäß § 19 Abs. 2 Satz 1 EinSiG zum einen nach dem Umfang der gedeckten Einlagen, zum anderen nach der Höhe des Risikos, dem das entsprechende Kreditinstitut ausgesetzt ist. Nach § 19 Abs. 3 Satz 1 EinSiG können die Einlagensicherungssysteme mit Zustimmung der BaFin zur Bemessung der risikobasierten Beiträge ein risikobasiertes Verfahren entwickeln, in welchem die jeweiligen Beiträge proportional zum Risiko der dem Einlagensicherungssystem angehörenden Kreditinstitute unter angemessener Berücksichtigung der Risikoprofile der unterschiedlichen Geschäftsmodelle ermittelt. Dies bedeutet zweierlei: Zum einen kann die Höhe der Beitragspflicht auch bei gleicher Summe der ge___________ 59) Vgl. auch Fischer/Boegel in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133 Rz. 88. 60) Berger, BKR 2016, 144, 150. 61) Vgl. auch Fischer/Boegel in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133 Rz. 93.

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§ 19

Einlagensicherung

deckten Einlagen aufgrund unterschiedlicher Risikoparameter von Kreditinstitut zu Kreditinstitut erheblich variieren. Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass aufgrund des bestehenden Spielraumes die risikobasierten Beitragsbemessungsverfahren der Einlagensicherungssysteme nicht unerheblich voneinander abweichen.62) Die von der European Banking Authority (EBA) entwickelten Leitlinien zu den Methoden für die Berechnung von Beiträgen an Einlagensicherungssysteme63) haben allerdings für eine gewisse Kohärenz gesorgt. c)

Sonderbeiträge (§§ 27 Abs. 1, 48 Abs. 2 Nr. 2 EinSiG)

47 Neben den jährlichen Beitragszahlungen sind die angehörigen Kreditinstitute nach §§ 27 Abs. 1, 48 Abs. 2 Nr. 2 EinSiG zur Zahlung von Sonderbeiträgen verpflichtet, die dann von einem Einlagensicherungssystem erhoben werden können, wenn die verfügbaren Finanzmittel nicht ausreichen, um die Einleger eines Kreditinstituts im Entschädigungsfall zu entschädigen. Diese Verpflichtung betrifft dabei nur Kreditinstitute, die dem betroffenen Einlagensicherungssystem angehören. Zumal sich hieraus für die Kreditinstitute eine nicht unerhebliche Belastung bzw. Unwägbarkeit ergeben kann, hat der Gesetzgeber die Höhe der zulässigen Sonderbeiträge beschränkt. Nach § 27 Abs. 4 Satz 2 EinSiG sind die Sonderbeiträge für ein Abrechnungsjahr grundsätzlich auf maximal 0,5 % der gedeckten Einlagen des dem Sicherungssystem angehörenden Kreditinstituts gedeckelt. Damit soll einer ausufernden, nicht mehr zu kalkulierenden Belastung eine gesetzliche Grenze gesetzt werden. Dass einzelne Kreditinstitute durch die Pflicht zur Zahlung von Sonderbeiträgen dennoch überfordert werden, kann im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden, wobei dann eine vollständige oder teilweise Rückstellung der Sonderbeiträge nach § 26 Abs. 5 EinSiG in Frage kommt. d)

Zahlungsverpflichtungen (§ 18 EinSiG)

48 Von Bedeutung ist des Weiteren, dass die Kreditinstitute ihrer Beitragspflicht zum Teil nicht in Barmitteln zu leisten brauchen, sondern dieser auch in Form von Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Einlagensicherungssystem nachkommen können. Deren Anteil kann nach § 18 Abs. 3 EinSiG bis zu 30 % der Finanzmittel betragen und damit einen nicht unerheblichen Faktor für die finanzielle Ausstattung des Sicherungssystems und die Erreichung der Zielausstattung ausmachen. Für die Kreditinstitute ergibt sich daraus der Nutzen, dass ein Teil ihrer Beiträge erst bei konkretem Mittelbedarf vollwertig geleistet werden muss, was u. a. auch bilanzielle Vorteile mit sich bringen kann.64) Voraussetzungen für die Leistung der Beiträge in Form von Zahlungsverpflichtungen ist nach § 18 Abs. 2 EinSiG allerdings, dass die Zahlungsverpflichtungen vollständig besichert sind und diese Sicherheiten für das Einlagensicherungssystem verfügbar sind, aus risikoarmen Schuldtiteln bestehen und nicht mit Rechten Dritter belastet sind. Darüber hinaus hat die EBA nähere Bestimmungen in ihren Leitlinien zu Zahlungsverpflichtungen65) erlassen. 4.

Prüfung und Risikomonitoring

49 Ein Einlagensicherungssystem hat nach §§ 35 Abs. 1, 47 Abs. 1 Nr. 3 EinSiG das Recht und die Pflicht, die ihm angeschlossenen Kreditinstitute zu prüfen. Gegenstand der Prü___________ 62) Berger, BKR 2016, 144, 150. 63) EBA, Leitlinien zu den Methoden für die Berechnung von Beiträgen an Einlagensicherungssysteme, v. 22.9.2015 (EBA/GL/2015/10). 64) S. hierzu i. E. Berger, BKR 2016, 144, 150 f. 65) EBA, Leitlinien zu Zahlungsverpflichtungen gemäß der Richtlinie 2014/49/EU über Einlagensicherungssysteme, v. 11.9.2015 (EBA/GL/2015/09).

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IV. Ausgestaltung der Einlagensicherungssysteme in Deutschland

§ 19

fung ist zum einen die Frage, welche Gefahr besteht, dass bei einem angeschlossenen Kreditinstitut ein Entschädigungsfall eintritt, und zum anderen, ob das Kreditinstitut seinen Informations- und Kennzeichnungspflichten nach § 7 Abs. 8 EinSiG nachkommt. Die Intensität und Häufigkeit der Prüfungen sollen nach § 35 Abs. 1 Satz 2 EinSiG risikoproportional erfolgen und an der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Entschädigungsfalls bei einem Kreditinstitut und an der Höhe der in diesem Fall zu erwartenden Gesamtentschädigung ausgerichtet werden. Darüber hinaus gewährt der Gesetzgeber den Einlagensicherungssystemen in § 36 EinSiG einen relativ weiten Spielraum hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Prüfung. Allerdings haben die Einlagensicherungssysteme nach § 36 Abs. 2 EinSiG eigene Prüfungsrichtlinien festzulegen, die der Genehmigung der BaFin bedürfen, so dass ein bestimmter Mindeststandard gewährleistet wird. Die den Einlagensicherungssystemen obliegende Prüfungspflicht wird durch eine Un- 50 terrichtungspflicht gegenüber der BaFin ergänzt. Die Einlagensicherungssysteme haben der BaFin gemäß § 40 EinSiG unverzüglich mitzuteilen, wenn sie i. R. einer Prüfung nach § 35 EinSiG oder in sonstiger Weise Kenntnis von Umständen erlangen, welche die Gefahr des Eintritts eines Entschädigungsfalls bei einem Kreditinstitut begründen oder erhöhen. An die Mitteilungspflicht der Sicherungssysteme schließt sich das Prüfungsrecht der BaFin nach § 51 EinSiG an, bei Kenntnis von Umständen, welche die Gefahr des Eintritts eines Entschädigungsfalls bei einem dem Einlagensicherungssystem angehörenden Kreditinstitut begründen, unverzüglich zu prüfen, ob aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegenüber dem Kreditinstitut zu treffen sind. 5.

Aufsicht über die Einlagensicherungssysteme (§ 50 EinSiG)

Die Aufsicht über die gesetzlichen Einlagensicherungssysteme in der Bundesrepublik 51 Deutschland übt nach § 50 Abs. 1 EinSiG die BaFin aus. Wie für den Bereich der Bankenaufsicht typisch, stehen der BaFin weitreichende Aufsichtsbefugnisse zu. Neben der bereits erwähnten Zuständigkeit nach § 43 EinSiG für die Anerkennung eines institutsbezogenen Sicherungssystems als Einlagensicherungssystem und der Befugnis nach § 10 EinSiG, einen Entschädigungsfall festzustellen, hat die BaFin nach § 50 Abs. 2 Satz 1 EinSiG allgemein Missständen entgegenzuwirken, welche die ordnungsgemäße Durchführung der Entschädigung von Einlegern beeinträchtigen oder die zur Entschädigung erforderlichen Finanzmittel gefährden können. In § 50 Abs. 2 Satz 2 EinSiG wird die BaFin ermächtigt, alle Anordnungen zu treffen, die geeignet und erforderlich sind, solche Missstände zu beseitigen oder zu verhindern. Auch die Abberufung der für ein Einlagensicherungssystem verantwortlichen Personen kann die BaFin unter Umständen nach § 50 Abs. 2 Satz 3 EinSiG verlangen. In Ergänzung zu der Beaufsichtigung durch die BaFin werden die Einlagensicherungssysteme nach § 55 Abs. 1 EinSiG durch den Bundesrechnungshof im Hinblick auf ihre Haushalts- und Wirtschaftsführung geprüft. IV.

Ausgestaltung der Einlagensicherungssysteme in Deutschland

Der Erörterung der geltenden Gesetzeslage soll nun die Darstellung und Einordnung der 52 konkreten Ausgestaltung der Einlagensicherungssysteme in Deutschland folgen. Dabei konzentriert sich die Darstellung auf die Sicherungssysteme der privaten Banken (siehe dazu Rz. 53 ff.), der Sparkassen-Finanzgruppe (siehe dazu Rz. 77 ff.) und der Kreditgenossenschaften (siehe dazu Rz. 87 f.).66) ___________ 66) Darüber hinaus bestehen Einlagensicherungssysteme der öffentlichen Banken, der privaten Bausparkassen und der sog. sonstigen Institute.

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§ 19 1.

Einlagensicherung Private Banken

53 Die Einlagensicherung der privaten Banken in Deutschland ist zweigeteilt in die gesetzliche Einlagensicherung durch die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH (EdB) (siehe dazu unter Rz. 54 ff.) sowie eine freiwillige Einlagensicherung durch den Einlagensicherungsfonds (ESF) des Bundesverbandes deutscher Banken e. V. (BdB) (siehe dazu Rz. 57 ff.). a)

Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB)

54 Die EdB ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des BdB und stellt i. S. der §§ 22 Abs. 2 Nr. 1, 24 Abs. 1 Nr. 1 EinSiG die gesetzliche Entschädigungseinrichtung für private Banken in der Bundesrepublik Deutschland dar.67) Ihr sind grundsätzlich alle vom EinSiG erfassten Kreditinstitute privater Rechtsform zugeordnet, soweit diese nicht ausnahmsweise einem institutsbezogenen Sicherungssystem angehören.68) 55 Die EdB wurde am 24.8.1998 durch Verordnung69) vom BMF mit den Aufgaben und Befugnissen einer Entschädigungseinrichtung beliehen. Ursprünglich erfolgte die Beleihung nach den Vorschriften des EAEG. Mit Überführung des Systems der gesetzlichen Einlagensicherung aus dem EAEG in das eigenständige EinSiG gilt die Beleihung als Entschädigungseinrichtung nach den nunmehr geltenden Vorschriften des EinSiG fort.70) 56 Aufgrund der Beleihung durch das Bundesministerium der Finanzen hat die EdB alle Pflichten eines gesetzlichen Entschädigungssystems nach dem EinSiG zu erfüllen. Der EdB sind zurzeit ca. 174 Kreditinstitute zugeordnet (Stand: 14.4.2020).71) Der Bestand der Mitgliedsinstitute umfasst dabei regionale deutsche Banken und internationalen Großbanken. Auch die privatrechtlich organisierten Bausparkassen, mit Ausnahme der Bausparkasse Schwäbisch Hall AG, sind der EdB zugeordnet. Die Bausparkasse Schwäbisch Hall AG sowie einzelne Tochterbanken der Landesbanken sind trotz ihrer privatrechtlichen Organisation nicht der EdB, sondern dem Einlagensicherungssystem der genossenschaftlichen Banken bzw. der Sparkassen-Finanzgruppe zugeordnet.72) b)

Einlagensicherungsfonds (ESF)

57 Der ESF besteht als unselbstständiges Sondervermögen innerhalb des BdB und wird durch das Statut des Einlagensicherungsfonds (ESF-Statut)73) näher geregelt. Der ESF steht als freiwilliger Einlagensicherungsfonds außerhalb der gesetzlichen Einlagensicherung i. S. des EinSiG.74) Dieser Umstand ändert allerdings nichts an der Zulässigkeit des ESF, da freiwillige Sicherungssysteme weiterhin kumulativ neben der gesetzlichen Einlagensicherung bestehen können. Als neben der EdB stehende Einlagensicherungseinrich-

___________ 67) S. a. Fandrich in: Münch-AHB Bank- und Kapitalmarktrecht, § 1 Rz. 37. 68) Fischer/Boegel in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133 Rz. 102. 69) Verordnung über die Zuweisung von Aufgaben und Befugnissen einer Entschädigungseinrichtung an die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken GmbH, v. 24.8.1998, BGBl. I 1998, 2391. 70) Vgl. EdB, Kurzinformation und Verzeichnis der zugehörigen Institute, v. 7/2015; s. ferner Fischer/Boegel in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133 Rz. 102; Fandrich in: Münch-AHB Bankund Kapitalmarktrecht, § 1 Rz. 37. 71) Der aktuelle Stand an zugeordneten Instituten kann unter https://www.edb-banken.de/ueber-uns/ institute/ (Abrufdatum: 14.4.2020) abgerufen werden. 72) Hierzu auch Fischer/Boegel in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133 Rz. 102. 73) Statut des Einlagensicherungsfonds – ESF-Statut, v. 1.12.2018. 74) Dazu auch Berger, BKR 2016, 144, 147.

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IV. Ausgestaltung der Einlagensicherungssysteme in Deutschland

§ 19

tung besteht die Funktion des ESF mithin darin, einen weitergehenden Einlegerschutz zu bieten als die gesetzliche Einlagensicherung.75) Dieser wesentlich umfassendere Einlegerschutz, als ihn die gesetzlichen Entschädigungs- 58 einrichtungen durch den gesetzlich garantierten Entschädigungsanspruch bieten, wird zunächst durch die deutlich höhere maximale Deckungssumme gewährleistet (siehe dazu näher Rz. 59). Zudem erlaubt das ESF-Statut, dass grundsätzlich „alle geeigneten Maßnahmen“ getroffen werden sollen, um „bei drohenden oder bestehenden finanziellen Schwierigkeiten Banken im Interesse der Einleger Hilfe zu leisten“ (siehe dazu näher Rz. 60 f.).76) aa)

Sicherungsgrenze

Abweichend von der starren maximalen Deckungssumme, die die gesetzliche Einlagensi- 59 cherung prägt, erfolgt seit dem 1.1.2020 durch den ESF eine Entschädigung je Gläubiger, maximal bis zu einer Sicherungsgrenze i. H. von 15 % der Eigenmittel der Bank i. S. von Art. 72 CRR.77) Einlagen, die die Sicherungsgrenze überschreiten, werden durch den ESF nur bis zur jeweiligen Höhe der Sicherungsgrenze gesichert. Insoweit hängt der unmittelbare Einlagenschutz des ESF von der Eigenmittelausstattung des jeweiligen Kreditinstituts ab, wodurch der Sicherungsumfang im tatsächlichen Entschädigungsfall je Kreditinstitut variieren kann. Denkbar ist daher ein geringerer wie auch höherer Deckungsschutz als nach dem EinSiG. Ab dem 1.1.2025 wird die Sicherungsgrenze auf 8,75 % der Eigenmittel herabgesenkt werden. bb)

Mögliche Hilfsmaßnahmen (§ 2 Abs. 2 ESF-Statut)

Wie bereits festgestellt, kann der ESF gemäß § 2 Abs. 2 ESF-Statuts “alle zur Hilfeleis- 60 tung geeigneten Maßnahmen“ ergreifen, um Banken in drohenden oder bestehenden finanziellen Schwierigkeiten im Interesse der Einleger Hilfe zu leisten. Zu den möglichen Hilfeleistungs-Maßnahmen gehören insbesondere Zahlungen an einzelne Gläubiger, Leistungen an Banken, die Übernahme von Garantien oder die Übernahme von Verpflichtungen i. R. von Maßnahmen gemäß § 46 KWG. Damit ist der Einlegerschutz des ESF nicht auf den unmittelbaren Schutz gedeckter Einlagen begrenzt, sondern kann bereits vorgelagert durch Hilfeleistung an das jeweilige Kreditinstitut mittelbar einen umfassenden Schutz aller Einlagen bieten.78) Im Unterschied zu den Institutssicherungseinrichtungen steht es dem ESF jedoch nicht frei, Hilfeleistungsmaßnahmen i. S. des § 2 Abs. 2 des ESF-Statut im Interesse und zur Stützung des betroffenen Instituts zu ergreifen und dies aus der Schieflage zu befreien. Vielmehr schreibt § 2 Abs. 1 ESF-Statut vor, dass die genannten Hilfsmaßnahmen im Interesse der Einleger ergriffen werden können, auch um Beeinträchtigungen des Vertrauens der Einleger in Kreditinstitute zu verhüten. Auch wenn die Hilfeleistungsmaßnahmen gemäß § 2 Abs. 2 ESF-Statut oberflächlich auf eine Parallelität ___________ 75) S. a. Fandrich in: Münch-AHB Bank- und Kapitalmarktrecht, § 1 Rz. 37. 76) § 2 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 ESF-Statut. 77) Die Eigenmittel setzen sich zusammen aus dem harten Kernkapital gemäß Art. 50 CRR, dem zusätzlichen Kernkapital gemäß Art. 61 CRR und dem Ergänzungskapital gemäß Art. 71 CRR, wobei für die Bemessung der Sicherungsgrenze das Ergänzungskapital nur bis zur Höhe von 25 % des Kernkapitals i. S. von Art. 25 CRR Berücksichtigung findet. Maßgeblich sind die vom Prüfungsverband auf der Grundlage des letzten Prüfungsberichts des Jahresabschlussprüfers der Bank festgestellten Verhältnisse; darüber hinaus können Kapitalerhöhungen, die nach diesem Zeitpunkt von einem Wirtschaftsprüfer testiert worden sind, auf Antrag der Bank berücksichtigt werden S. dazu § 6 Abs. 8 ESF-Statut. 78) In der Vergangenheit wurden auf diesem Wege durch den ESF bereits einige Sanierungsfusionen mittels finanzieller Unterstützung vorangetrieben; vgl. Fischer/Boegel in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133 Rz. 105.

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§ 19

Einlagensicherung

zur Institutssicherungseinrichtungen schließen lassen könnten, ist die Zielrichtung hiesiger Maßnahmen deutlich anders. 61 Von den Maßnahmen des § 2 Abs. 2 ESF-Statut ist seitens des ESF in der Vergangenheit insbesondere dadurch Gebrauch gemacht worden, dass der ESF Mitgliedsinstitute in finanziellen Schwierigkeiten übernommen hat, um auf diese Weise eine Entschädigung der Einleger bzw. eine Stabilisierung des Instituts zu ermöglichen.79) Um insoweit noch handlungsfähiger zu sein hat der ESF im Jahr 2014 gemeinsam mit dem Prüfungsverband deutscher Banken e. V. (PdB) die EIS Einlagensicherungsbank GmbH gegründet. Die EIS Einlagensicherungsbank GmbH soll den ESF, aber auch die EdB, bei der Abwicklung von Banken, der Einlegerentschädigung, der Beitragserhebung, der Vermögensanlage unterstützen und weitere Dienste der Sicherung der Finanzmarktstabilität ausführen.80) Nach Auskunft des BdB wurden bisher in allen Fällen, in denen auf den ESF zurückgegriffen werden musste, die Einleger zu 100 % entschädigt.81) cc)

Entschädigungsfähige Einlagen nach dem ESF-Statut

62 § 6 ESF-Statut definiert ebenso detailliert wie das EinSiG, welche Verbindlichkeiten als Einlage anerkannt werden und dem Schutzumfang der Sicherung unterliegen sollen, und orientiert sich dabei stark an den Vorgaben des EinSiG. Zusammengefasst sollen danach grundsätzlich Guthaben einschließlich Festgeld und Spareinlagen, die sich i. R. von Bankgeschäften aus Beträgen, die auf einem Konto verblieben sind oder aus Zwischenpositionen ergeben und von der Bank nach den geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bedingungen zurückzuzahlen sind, dem Umfang der Einlagensicherung des ESF unterfallen, sofern durch speziellere Regelung ein Schutz nicht ausgeschlossen ist. Von der Sicherung ausgeschlossen sind beispielhaft Inhaberschuldverschreibungen, Verbindlichkeiten aus Wertpapierpensions- bzw. Repogeschäften oder Wertpapierleihgeschäften und Forderungen von (persönlich haftenden oder Mehrheits-)Gesellschaftern sowie Forderungen von Geschäftsleitern.82) dd)

Entschädigungsverfahren

63 Zur Einlegerentschädigung kommt es – auch durch den Einlagensicherungsfonds – faktisch erst dann, wenn die BaFin das Bestehen eines Entschädigungsfalls förmlich festgestellt hat. Dies folgt daraus, dass die EdB erst bei Feststellung des Entschädigungsfalls entschädigen darf, wie aus § 10 Abs. 2 i. V. m. § 14 Abs. 3 EinSiG folgt, und der ESF wegen § 6 Abs. 16 ESF-Statut Einleger nur subsidiär entschädigt. Ist ein Entschädigungsfall festgestellt worden, kommt es zur automatischen Einlegerentschädigung, für die ein Antrag des Einlegers nicht notwendig ist. Vielmehr schreibt der BdB, regelmäßig auch im Namen der EdB, die Einleger des betroffenen Instituts an und bietet diesen an, die betroffenen Forderungen zum Nennwert zu übernehmen.83) Dabei kommt es bzgl. der durch die EdB übernommenen bzw. entschädigten Forderungen gemäß § 16 EinSiG zur Übertragung kraft Gesetzes, wohingegen die Übertragung an den ESF rechtsgeschäftlich erfolgt.84) Bereits auf diese Weise kommt es zur Aufteilung der entschädigten Forderungen ___________ 79) S. Hellner/Steuer-Müller-Feyen, BuB, Rz. 1/660 m. umfangreichen Bsp.; ferner Bunte in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 25 Rz. 24. 80) Vgl. https://eis-bank.de/ (Abrufdatum: 14.4.2020). 81) Vgl. https://einlagensicherungsfonds.de/ueber-den-einlagensicherungsfonds/ (Abrufdatum: 14.4.2020). 82) S. a. Fischer/Boegel in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133 Rz. 107. 83) Hellner/Steuer-Müller-Feyen, BuB, Rz. 1/664. 84) So auch Hellner/Steuer-Müller-Feyen, BuB, Rz. 1/664.

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IV. Ausgestaltung der Einlagensicherungssysteme in Deutschland

§ 19

zwischen EdB und ESF, die im Insolvenzverfahren des Instituts entsprechend getrennt geltend gemacht werden. Anders als gegen die EdB steht dem Einleger sowie dem betroffenen Institut gemäß § 6 64 Abs. 19 ESF-Statut ein Anspruch auf Eingreifen oder Entschädigungsleistungen nicht zu. Hintergrund dafür, einen Rechtsanspruch nicht zu statuieren, sei i. R. der Errichtung des Einlagensicherungsfonds gewesen, dass ein solcher zu einer Körperschaft-, Vermögen- und Gewerbesteuerpflicht des ESF und zudem zur Unterstellung unter die Versicherungsaufsicht geführt hätte.85) Auch wenn die steuerrechtliche Problematik zwischenzeitlich durch den Gesetzgeber gelöst worden ist,86) hat der ESF weiterhin von der Festschreibung eines Rechtsanspruchs abgesehen. ESF und BdB selbst messen dem Fehlen des Rechtsanspruchs keine gesteigerte Bedeutung zu und verweisen vielmehr in ihren Informationen zum Einlagensicherungsfonds auf den umfangreich bestehenden Schutz.87) Vor dem Hintergrund solcher Werbung und durch den Verweis auf die Einlagensicherung in Ziff. 20 Abs. 1 der AGB-Banken gibt es Stimmen in der Literatur, die einen Anspruch jedenfalls auf Grundlage der Vertrauenshaftung annehmen.88) ee)

Finanzierung des Einlagensicherungsfonds

Der ESF wird durch Jahresumlagen sowie, soweit erforderlich, durch Sonderumlagen 65 seiner Mitglieder finanziert.89) Die dem ESF angehörigen Kreditinstitute sind dementsprechend verpflichtet, jährlich bis spätestens zum 31. März eine Umlage i. H. von 0,6 % (sog. Bemessungsfaktor) der bei ihnen durch den Einlagensicherungsfonds oder die EdB gesicherten Verbindlichkeiten an den Bankenverband zu entrichten (sog. Jahresumlage).90) Neuaufgenommene Banken werden im Jahr der Aufnahme neben der Jahresumlage zu einer einmaligen Zahlung i. H. von 1,8 ‰ der Bemessungsgrundlage für die Jahresumlage herangezogen, die unabhängig von der Bemessungsgrundlage mindestens 60.000 € zu betragen hat.91) Insgesamt strebt der Bankenverband an, durch die Einziehung der Beiträge eine Zielausstattung des Einlagensicherungsfonds mit einem Vermögen i. H. von mindestens 0,8 % der durch den Einlagensicherungsfonds gesicherten Einlagen aller an ihm mitwirkenden Banken zu erreichen und somit ausreichende Finanzmittel zur Verfügung zu haben, um seine Verpflichtungen bestmöglich zu erfüllen. Als Mitglieder des ESF sind die Kreditinstitute neben der Beitragspflicht noch zu weite- 66 ren Mitwirkungspflichten angehalten, die der Sicherung der Einlagen und der Vorsorge hinsichtlich eines Entschädigungsfalls dienen.92) Insbesondere müssen alle dem ESF angehörenden Kreditinstitute Mitglied im PdB sein und diesen bei seiner Prüfungstätigkeit unterstützen.93) ___________ 85) Hellner/Steuer-Müller-Feyen, BuB, Rz. 1/657. 86) Näheres bei Fischer/Boegel in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133 Rz. 111. 87) So bspw. in der Broschüre des ESF, Einlagensicherung der privaten Banken – Kurzinformation und Verzeichnis der mitwirkenden Institute, v. 10/2017. 88) S. hierzu überblickartig nur Fischer/Boegel in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133 Rz. 112 f.; Hellner/Steuer-Müller-Feyen, BuB, Rz. 1/657. 89) § 5a Abs. 1 ESF-Statut. 90) Die Kreditinstitute können – wie auch unter dem EinSiG – bis zu 30 % der Jahresumlage durch Übernahme einer besicherten vertraglichen Zahlungsverpflichtung erbringen. Die Jahresumlage wird um einen jährlich zu zahlenden Verwaltungskostenzuschuss ergänzt, welcher sich grundsätzlich auf 35.000 € beläuft. S. hierzu § 5a Abs. 2, 10, 11 ESF-Statut. 91) § 5a Abs. 1 ESF-Statut. 92) Vgl. insb. § 5 ESF-Statut. 93) § 5 Abs. 5 ESF-Statut; Fischer/Boegel in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133 Rz. 115.

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§ 19 ff)

Einlagensicherung Mitwirkungsvoraussetzungen

67 Anders als für die EdB gelten für die Mitwirkung am Einlagensicherungsfonds erhebliche Voraussetzungen, deren Erfüllung für das die Aufnahme beantragende Institut seitens des ESF umfangreich geprüft wird.94) Neben einigen Voraussetzungen, welche bereits durch das KWG verpflichtend für Kreditinstitute zu erfüllen sind, macht das ESFStatut insbesondere den Nachweis eines dauerhaft tragfähigen Geschäftsmodells, Anforderungen an Ergebnis und Liquidität und ein angemessenes Ratingergebnis im ESF-eigenen Ratingsystem zur Mitwirkungsvoraussetzung. Mangels weiterer Konkretisierung dieser zum Teil offenen Voraussetzungen, hat der ESF eine nicht unerhebliche Entscheidungsprärogative bei der Beurteilung der Erfüllung der Mitwirkungsvoraussetzungen. Dies gilt i. Ü. auch für die Einschätzung, ob die Mitwirkungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt sind und das betreffende Institut nach § 4 ESF-Statut aus dem ESF ausgeschlossen werden kann. 68 Die Mitwirkung an dem ESF beginnt, sobald die neu aufgenommene Bank den Vorschuss auf die Jahresumlage für das Aufnahmejahr und die genannte Einmalzahlung entrichtet sowie bestimmte geforderte Erklärungen beigebracht hat und der Bankenverband ihr daraufhin die Mitwirkung bestätigt hat. Die Mitwirkung am ESF endet nach dem ESF-Statut automatisch x

mit Beendigung der Mitgliedschaft der Bank im BdB,

x

mit Beendigung der Mitgliedschaft der Bank im PdB oder

x

durch Ausschluss von der Mitwirkung an dem ESF.95)

69 Zurzeit gehören dem ESF 132 Kreditinstitute an (Stand: 14.4.2020).96) 70 Nach § 6 Nr. 8 lit. b des ESF-Statuts kommen neu aufgenommene Institute bzw. ihre Einleger nicht unmittelbar in den Genuss der vollen Sicherungsgrenze von derzeit 15 % der Eigenmittel der Bank, sondern haben eine starre Sicherungsgrenze von 250.000 €. Erst zum Ende des dritten Kalenderjahres der Mitgliedschaft und nach einer Überprüfung kann die Sicherungsgrenze auf den Regelrahmen angehoben werden, es sei denn, das Institut weist ein sog. besonderes Risikoprofil auf, welches insbesondere die Gefahr einer Inanspruchnahme des Einlagensicherungsfonds begründet.97) Bei Vorliegen eines besonderen Risikoprofils kann für ein Mitgliedsinstitut mit regulärer Sicherungsgrenze ebenfalls von der Möglichkeit der Herabstufung der Sicherungsgrenze auf 250.000 € Gebrauch gemacht werden. Dass dies schon einmal der Fall gewesen wäre, ist nicht ersichtlich und würde voraussichtlich auch zu einer Verschärfung der besonderen Risikolage des Instituts führen, da die Sorge des ESF vor einer Inanspruchnahme unmittelbar auch Kunden bekannt würde und zum Abzug von Einlagen führen könnte. gg)

Freistellungserklärung

71 Bei den bereits oben angesprochenen (siehe Rz. 67), für den Beginn der Mitwirkung am ESF notwendigen Erklärungen handelt es sich insbesondere um die sog. Freistellungserklärung gemäß § 5 Nr. 10 ESF-Statut. Danach ist grundsätzlich jede Bank verpflichtet, den BdB von Verlusten freizustellen, die diesem durch die Hilfestellung zugunsten einer anderen Bank entstehen, an der die jeweilige Bank die Mehrheit der Anteile hält oder über die sie beherrschenden Einfluss ausüben kann. Der Wortlaut der Freistellungserklärung ___________ 94) S. hierzu und zum Folgenden § 3 ESF-Statut. 95) § 4 ESF-Statut regelt in den Abs. 2 bis 7 detailliert die Voraussetzungen eines Ausschlusses. 96) Der aktuelle Stand an mitwirkenden Instituten kann unter https://einlagensicherungsfonds.de/ueberden-einlagensicherungsfonds/mitwirkende-institute/ (Abrufdatum: 14.4.2020) abgerufen werden. 97) § 6 Nr. 8 lit. c ESF-Statut.

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IV. Ausgestaltung der Einlagensicherungssysteme in Deutschland

§ 19

wird in einer Anlage zum ESF-Statut vorgegeben. Darüber hinaus haben die Mitgliedsinstitute bzw. die die Mitgliedschaft beantragenden Institute eine Freistellungserklärung auch von solchen juristischen oder natürlichen Personen beizubringen, die die Mehrheit der Anteile am betreffenden Institut halten oder die über dieses beherrschenden Einfluss ausüben können. Dies gilt auch dann, wenn mehrere natürliche oder juristische Personen nur gemeinsam beherrschenden Einfluss auf die Bank ausüben können bzw. wenn diesen Personen gemeinsam (in Anwendung der §§ 16 ff. AktG) die Mehrheit der Anteile am betreffenden Institut gehört. Mit diesen Regelungen geht auch die Pflicht des Mitgliedsinstituts einher, den ESF davon zu unterrichten, wenn die Voraussetzungen für die Abgabe einer Freistellungserklärung vorliegen.98) Die Notwendigkeit der Beibringung einer Freistellungserklärung auch der Anteilseigner 72 des Instituts wird in der Praxis teilweise als Hinderungsgrund für eine weitere Konsolidierung im privaten Bankensektor gesehen, da insbesondere Finanzinvestoren häufig nicht bereit sein werden, entsprechende Erklärungen abzugeben. Für den Erwerb einer Bank müssen dann Gruppierungen gefunden werden, in denen kein einzelner Erwerber (und auch nicht mehrere Erwerber gemeinschaftlich) die Mehrheit der Anteile erwirbt oder sonst beherrschenden Einfluss ausüben kann. Trotz dieser Bedenken ist derzeit nicht ersichtlich, dass der ESF von dem Erfordernis einer Freistellungserklärung abrücken wird. Inwieweit dies langfristig tatsächlich der weiteren Konsolidierung des deutschen Bankenmarkts durch Übernahmen und Zusammenschlüsse von Instituten (auch durch Investoren aus dem Ausland) entgegenstehen wird, bleibt abzuwarten. Der Vorteil einer Beibringung einer Freistellungserklärung ist jedenfalls, dass ein neu auf- 73 zunehmendes Institut vom reduzierten Schutzumfang der ersten drei Mitgliedschaftsjahre i. H. von 250.000 € befreit ist und direkt mit regulärem Schutzumfang in den ESF aufgenommen werden kann.99) Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Freistellungserklärung nach Auffassung des ESF tatsächlich werthaltig und durchsetzbar ist, was naturgemäß vom Einzelfall abhängig ist.100) c)

Prüfungsverband deutscher Banken e. V. (PdB)

Dem PdB kommt in der Einlagensicherung des privaten Bankgewerbes eine zentrale 74 Schnittstellenfunktion zu. Der PdB ist zunächst Prüfungseinrichtung des ESF und wird gemäß § 3 der Satzung des PdB (PdB-Satzung) im Interesse der Einlagensicherung und zur Wahrung der Interessen der Mitgliedsinstitute tätig.101) Zudem bedient sich auch die EdB der Prüfungsleistungen des PdB für die Durchführung der Einlagensicherungsprüfungen nach § 35 EinSiG. Als Prüfungseinrichtung des ESF kommen dem PdB – neben der Durchführung von Ein- 75 lagensicherungsprüfungen auch für die freiwillige Einlagensicherung – drei Kernaufgaben zu:102) x

Zunächst ist der PdB beauftragt zu prüfen, ob ein die Mitgliedschaft im ESF beantragendes Institut (bzw. für ein Mitgliedsinstitut fortlaufend) die Mitwirkungsvoraussetzungen nach dem ESF-Statut erfüllt. Hierzu gehört auch die Durchführung eines Ratings durch die zum PdB gehörende GBB-Rating Gesellschaft für Bonitätsbeurtei-

___________ 98) 99) 100) 101)

S. dazu § 5 Nr. 10 ESF-Statut. S. dazu § 6 Nr. 8 lit. b ESF-Statut. Hellner/Steuer-Müller-Feyen, BuB, Rz. 1/642. Die Satzung ist online abrufbar unter https://www.pruefungsverband-banken.de/de/infobereich/ downloads/Documents/PV_Satzung.pdf (Abrufdatum: 14.4.2020). 102) S. dazu §§ 4 und 6 PdB-Satzung.

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Einlagensicherung

lung GmbH. Zudem kann der PdB Prüfungen i. R. von Inhaberkontrollverfahren durchführen, um sicherzustellen, dass die Zuverlässigkeit der Inhaber eines Mitgliedsinstituts oder eines die Mitgliedschaft beantragenden Instituts sichergestellt ist. Dabei ist davon auszugehen, dass der PdB parallel mit der Aufsicht i. R. des gesetzlichen Inhaberkontrollverfahrens (§ 2c KWG) tätig wird. Aufsicht und PdB kooperieren in diesen Verfahren jedoch nicht, auch wenn der PdB nach § 5 Abs. 2 Satz 2 PdBSatzung berechtigt ist, die Ergebnisse seiner Prüfungen den zuständigen Aufsichtsbehörden zur Kenntnis zu geben. x

Darüber hinaus kann der PdB gemäß § 11 PdB-Satzung den Mitgliedsinstituten Auflagen erteilen. Auflagen können insbesondere dann erteilt werden, wenn seitens der Aufsicht oder seitens des Wirtschaftsprüfers des Mitgliedsinstituts Beanstandungen erfolgen, wenn ein erhöhtes latentes Risiko vorliegt oder wenn die Gefahr einer überproportionalen Inanspruchnahme gegeben ist.

x

Zudem kann der PdB, gleichsam i. S. einer Generalklausel, auch dann Auflagen erteilen, wenn diese geeignet sind, eine drohende Gefahr oder Inanspruchnahme des ESF abzuwenden. Die Satzung des PdB regelt näher, unter welchen Umständen ein „latentes Risiko“ bzw. eine „Gefahr einer überproportionalen Inanspruchnahme“ gegeben ist (§ 11 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 PdB-Satzung). Zielrichtung ist jeweils, die Risiken für die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage der Bank zu reduzieren und eine angemessene Refinanzierung, nicht ausschließlich bestehend aus gedeckten Einlagen, sicherzustellen.

76 Vor dem Hintergrund, dass die Mitgliedschaft im PdB gemäß § 3 Abs. 1 lit. f ESF-Statut Mitwirkungsvoraussetzung für den ESF ist und dass Verstöße gegen Pflichten gegenüber dem PdB (wozu auch die Nichtbeachtung erteilter Auflagen zählt), zum Ausschluss aus dem PdB führen können, kommt dem PdB im Gefüge der Organisationen der privaten Einlagensicherung ein erhebliches Gewicht zu. 2.

Sparkassen-Finanzgruppe

77 Die Sparkassen-Finanzgruppe betreibt für die ihr angehörenden Institute ein institutsbezogenes Sicherungssystem, welches von der BaFin nach § 43 EinSiG als Einlagensicherungssystem i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 EinSiG anerkannt wurde. Das Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe übernimmt zum einen die gesetzliche Entschädigung der Einleger in einem Entschädigungsfall, zum anderen (als institutsbezogenes Sicherungssystem) eine Institutssicherungsfunktion zugunsten der ihm angehörenden Kreditinstitute. Ausweislich der Präambel der Rahmensatzung stellt die Institutssicherung die „[p]rimäre Zielsetzung des Sicherungssystems“ dar und ist – der Einlegerentschädigung konzeptionell vorgelagert – darauf gerichtet, „einen Entschädigungsfall zu vermeiden und die angehörenden Institute selbst zu schützen, insbesondere deren Liquidität und Solvenz zu gewährleisten“. a)

Aufbau des Sicherungssystems

78 Die nähere Ausgestaltung und Organisation des Sicherungssystems der SparkassenFinanzgruppe wird durch die Rahmensatzung für das als Einlagensicherungssystem anerkannte institutsbezogene Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe (Rahmensatzung) geregelt. Nach § 92 Abs. 2 Rahmensatzung ist Rechtsträger des Sicherungssystems der DSGV. Die Geschäftsführung für das Sicherungssystem wird nach § 108 Abs. 1 Rahmensatzung durch zwei Vertreter des DGSV übernommen. Der Vorstand des DSGV bildet nach § 109 Abs. 1 Rahmensatzung das Kontrollorgan des Sicherungssystems und überwacht in dieser Funktion dessen Geschäftsführung. Nach §§ 3 Abs. 1, 40 Abs. 1, 67 Abs. 1 1026

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Rahmensatzung verwaltet der DSGV zudem die Mittel des Sicherungssystems als unselbstständiges Sondervermögen getrennt von seinem sonstigen Verbandsvermögen. Organisatorisch setzt sich das Sicherungssystem aus 13 einzelnen Sicherungseinrichtun- 79 gen zusammen, namentlich den elf regionalen Sparkassenstützungsfonds, der Sicherungsreserve der Landesbanken und Girozentralen sowie dem Sicherungsfonds der Landesbausparkassen. Für die regionalen Stützungsfonds enthalten die §§ 11 ff. Rahmensatzung eine Mustersatzung, die auf der Ebene der einzelnen Regionalverbände zu erlassen ist. Für die Sicherungsreserve der Landesbanken und den Sicherungsfonds der Landesbausparkassen ist die jeweilige Satzung hingegen unmittelbar in §§ 38 ff., 65 ff. Rahmensatzung geregelt worden. Die einzelnen Sicherungseinrichtungen sind insoweit selbstständig, als dass sie eigene Regelungen im Hinblick auf ihre Binnenorganisation, die ihnen angehörenden Kreditinstitute, die zu leistenden Beiträge, das Risikomonitoring usw. aufweisen. Zudem werden Mittel, die i. R. der Einlagen- oder Institutssicherung aufgewendet werden, jeweils zunächst aus der Sicherungseinrichtung entnommen, dem das betroffene Kreditinstitut angehört. Letztlich sind die einzelnen Sicherungseinrichtungen in Entschädigungs- und Stützungs- 80 fällen allerdings durch übergreifende Mechanismen miteinander verbunden. Für den Bereich der gesetzlichen Entschädigung von Einlegern sieht § 96 Abs. 1 Rahmensatzung unmittelbar vor, dass im Ergebnis auf die Mittel des gesamten Sicherungssystems zurückgegriffen werden kann. Für den Bereich der Institutssicherung bestehen mit dem überregionalen Ausgleich zwischen den elf regionalen Sparkassenstützungsfonds nach §§ 30 ff. Rahmensatzung und dem systemweiten Ausgleich zwischen sämtlichen Sicherungseinrichtungen nach §§ 102 ff. Rahmensatzung ähnliche Regelungen, nach denen im Bedarfsfall ebenso ein Zugriff auf die Mittel des gesamten Sicherungssystems ermöglicht wird. b)

Institutssicherung

Die auf Erhalt der angehörigen Kreditinstitute und Vermeidung von Entschädigungsfällen 81 gerichtete Institutssicherung stellt, wie bereits erwähnt, die primäre Zielsetzung des Sicherungssystems der Sparkassen-Finanzgruppe dar. Voraussetzung für das Eingreifen der Institutssicherung ist nach §§ 14, 51, 78 Rahmensatzung, dass bei einem Kreditinstitut ein Stützungsfall eingetreten ist. Während ein Entschädigungsfall nach § 10 Abs. 1 EinSiG voraussetzt, dass das Kreditinstitut fällige Einlagen nicht mehr zurückzahlen kann, liegt ein Stützungsfall bereits bei drohenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und damit weit im Vorfelde eines Entschädigungsfalls vor. Nach §§ 14 Abs. 2, 51 Abs. 2, 78 Abs. 2 Rahmensatzung sind die Voraussetzungen eines Stützungsfalls in der Regel bereits bei einem fortdauernden Unterschreiten bestimmter aufsichtsrechtlicher Eigenmittelanforderungen oder Liquiditätskennzahlen, bei einem nachhaltigen Bilanzverlust sowie bei einer Mitteilung des Wirtschaftsprüfers an die BaFin über bestandsgefährdende Umstände bei einem Kreditinstitut nach § 29 Abs. 3 KWG erfüllt. Der Eintritt eines Stützungsfalls muss – ähnlich wie im Bereich der gesetzlichen Einlagensicherung, wo die BaFin nach § 10 Abs. 2 EinSiG einen Entschädigungsfall festzustellen hat – nach §§ 14 Abs. 3, 51 Abs. 3, 78 Abs. 3 der Rahmensatzung durch die jeweilige Sicherungseinrichtung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder formell festgestellt werden. Liegt ein Stützungsfall vor, kann das Sicherungssystem die nach seinem Ermessen erfor- 82 derlichen Stützungsmaßnahmen gegenüber dem betroffenen Kreditinstitut ergreifen. Dazu zählen nach §§ 17 Abs. 3, 54 Abs. 3, 81 Abs. 3 Rahmensatzung insbesondere die Zufuhr von Eigenmitteln, die Übernahme von Garantien oder Bürgschaften, die Übernahme verzinslicher Schuldversprechen oder auch die direkte Erfüllung von gegen das betroffene Kreditinstitut gerichteter Ansprüche. Nach §§ 18, 55, 82 Rahmensatzung muss eine Stüt-

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Einlagensicherung

zungsmaßnahme mit Auflagen gegenüber dem Kreditinstitut verbunden werden und in der Regel auch angemessene Sanierungsbeiträge durch die jeweiligen Träger des Kreditinstituts umfassen. Die an einer Stützungsmaßnahme Beteiligten schließen nach §§ 19, 56, 83 Rahmensatzung einen Stützungsvertrag, der die weiteren Einzelheiten der Stützungsmaßnahme regelt. Insgesamt muss jedoch beachtet werden, dass die Institutssicherung durch das Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe in rechtlicher Hinsicht freiwillig ist. Nach §§ 20, 57, 84 Rahmensatzung haben die angehörigen Kreditinstitute keinen Rechtsanspruch auf eine Stützungsmaßnahme. Dies schließt freilich nicht aus, dass sich das Sicherungssystem aus anderen Gründen einem Handlungsdruck ausgesetzt sieht, z. B. durch ein Einschreiten der BaFin. Zu den (nicht unerheblichen) Druckmitteln der BaFin als zuständiger Aufsichtsbehörde siehe bereits oben Rz. 51. 83 Ergreift das Sicherungssystem eine Stützungsmaßnahme, stellt sich in der Praxis die Frage, welche Auswirkungen eine solche Stützungsmaßnahme vor dem Hintergrund von Art. 18 Abs. 4 lit. d SRM-VO103) bzw. § 63 Abs. 2 SAG104) hat. Nach diesen Normen ist in der Regel von einer Bestandsgefährdung des Kreditinstituts auszugehen (welche die Behörden zu einer Abwicklung des Kreditinstituts berechtigen würde), wenn eine außerordentliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln gewährt wird. Bei einer Stützungsmaßnahme i. R. der Institutssicherung aus Mitteln des Sicherungssystems der Sparkassen-Finanzgruppe stellt sich insofern die Frage, ob es sich – aufgrund der öffentlichen Eigenschaft der die Mittel aufbringenden Kreditinstitute – um öffentliche Mittel in dem vorgenannten Sinne handelt. Würde man dies annehmen, ergäbe sich jedoch der Widerspruch, dass die ihrem Zweck nach gerade auf den Erhalt eines Kreditinstituts gerichtete Stützungsmaßnahme im Ergebnis die Möglichkeit der Abwicklung des Kreditinstituts auslösen würde. Vor diesem Hintergrund erscheint es überzeugender, eine Stützungsmaßnahme i. R. der Institutssicherung, die aus Mitteln des Sicherungssystems der Sparkassen-Finanzgruppe erfolgt, nicht als öffentliche Mittel i. S. von Art. 18 Abs. 4 lit. d SRM-VO bzw. § 63 Abs. 2 SAG anzusehen. Hierfür lässt sich auch anführen, dass institutsbezogene Sicherungssysteme in Art. 18 Abs. 1 lit. b SRM-VO bzw. § 62 Abs. 1 Nr. 3 lit. a SAG generell dem privaten Sektor zugeordnet werden. Aus beihilferechtlicher Perspektive mag vor dem Hintergrund des Art. 107 Abs. 1 AEUV eine eigenständige Betrachtung und Bewertung angebracht sein. c)

Privatisierung von Mitgliedsinstituten

84 Weitere in der Praxis relevante Fragen ergeben sich bei der Beteiligung von Privaten an einem Kreditinstitut, das dem Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe angehört. Insbesondere stellt sich die Frage des weiteren Verbleibs des Kreditinstituts in dem Sicherungssystem. Nach § 94 Abs. 3 Rahmensatzung scheidet ein Kreditinstitut aus dem Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe aus, wenn seine Mitgliedschaft im DSGV erlischt. Die Mitgliedschaft im DSGV erlischt gemäß der Vereinssatzung des DSGV wiederum dann, wenn das Kreditinstitut seine öffentlich-rechtliche Eigenschaft verliert. Konkret stellt sich also die Frage, unter welchen Umständen die Beteiligung eines Privaten an einem Mitgliedsinstitut des Sicherungssystems der Sparkassen-Finanzgruppe zum Wegfall der öffentlich-rechtlichen Eigenschaft des Kreditinstituts führt. Im Ergebnis wird ___________ 103) Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019. 104) Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen – Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG), v. 10.12.2014, BGBl. I 2014, 2091.

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§ 19

es sich um eine Auslegungsfrage handeln, bei der es vor allem darauf ankommt, welche Beteiligungsquote und welche Mitwirkungsrechte der Private an dem Kreditinstitut erwirbt. Führt die Beteiligung eines Privaten zum Erlöschen der öffentlich-rechtlichen Eigenschaft, 85 erlischt die Mitgliedschaft im DSGV mit unmittelbarer Wirkung. Für das Ausscheiden aus dem Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe ist gemäß § 94 Abs. 4 Rahmensatzung hingegen eine zweijährige Übergangsfrist vorgesehen. Diese Übergangsfrist soll dem ausscheidenden Kreditinstitut insbesondere ermöglichen, seine Zugehörigkeit zu einem Einlagensicherungssystem neu zu regeln. Ist in diesem Zusammenhang auch ein Übergang in die freiwillige Einlagensicherung der privaten Banken angestrebt, muss beachtet werden, dass die volle Sicherungsgrenze im ESF nach § 6 Abs. 8 lit. b ESF-Statut für neu aufgenommene Kreditinstitute allerdings erst nach Ablauf von vollen drei Kalenderjahren erreicht werden kann (siehe zu den Einzelheiten oben Rz. 67 ff.). Da eine Mitwirkung im ESF erst in Betracht kommt, nachdem das Kreditinstitut aus dem Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe ausgeschieden ist (so dass es nicht beiden Sicherungseinrichtungen gleichzeitig angehört), kann es im Ergebnis dazu kommen, dass das betroffene Kreditinstitut für drei Kalenderjahre nach dem Übergang nicht in den Genuss der vollen Sicherungsgrenze kommen kann. Um dies zu vermeiden, haben in der jüngeren Vergangenheit sowohl das Sicherungssys- 86 tem der Sparkassen-Finanzgruppe als auch der ESF ihre Regeln entsprechend angepasst. Nach § 6 Abs. 8 lit. e ESF-Statut kann ein Kreditinstitut nunmehr unmittelbar mit Beginn der Mitwirkung im ESF in den Genuss der vollen Sicherungsgrenze kommen, wenn es zuvor für volle drei Kalenderjahre zumindest Mitglied im Prüfungsverband war, was – anders als die Mitwirkung im ESF – auch schon während der auslaufenden Zugehörigkeit zum Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe möglich ist. Damit dieser Zeitraum bis zum Ausscheiden aus dem Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe erreicht werden kann, wurde in § 94 Abs. 4a Rahmensatzung die Möglichkeit eingeführt, unter bestimmten Voraussetzungen die Ausscheidensfrist von zwei Jahren auf drei volle Kalenderjahre Jahre zu verlängern. Im Ergebnis ist es dadurch nunmehr möglich, von dem Sicherungssystem der Sparkassen-Finanzgruppe in die freiwillige Einlagensicherung der privaten Banken überzugehen und unmittelbar in den Genuss der vollen Sicherungsgrenze im ESF zu kommen. 3.

Kreditgenossenschaften

Seit dem Jahr 1934 besteht für die genossenschaftlichen Banken ein Institutssicherungs- 87 system, welches damit nach eigenen Angaben das „erste und vollständig ohne staatliche Unterstützung finanzierte Banken-Sicherungssystem in Deutschland“ ist.105) Heute setzt sich die Einlagensicherung für die Genossenschaftsbanken zusammen aus dem Nachfolgesystem der ursprünglichen Institutssicherung, der Sicherungseinrichtung des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), welche eine freiwillige Sicherungsfunktion übernimmt, und der BVR Institutssicherung GmbH, welche ein gemäß § 43 EinSiG als Einlagensicherungssystem anerkanntes institutsbezogenes Sicherungssystem ist und als solches die gesetzliche Einlagensicherung übernimmt. Die BVR Institutssicherung GmbH ist aufgrund des EinSiG im Jahr 2015 als hundertprozentige Tochtergesellschaft der Sicherungseinrichtung des BVR gegründet worden. ___________ 105) Vgl. Website des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, https://www.bvr.de/ Wer_wir_sind/Unsere_Sicherungseinrichtung (Abrufdatum: 14.4.2020).

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§ 19

Einlagensicherung

88 Anders als die Sparkassen-Finanzgruppe haben sich die Genossenschaftsbanken damit im Lichte der durch das EinSiG notwendig gewordenen strukturellen Veränderungen der Einlagensicherung entschieden, ein zweigliedriges System bestehend aus einer als Einlagensicherungssystem anerkannten institutsbezogenen Sicherungseinrichtung einerseits und einem darüber hinausgehenden freiwilligen Sicherungssystem andererseits umzusetzen.106) In dieser Umsetzung eines zweigliedrigen Systems gleicht die Einlagensicherung im genossenschaftlichen Bankensektor oberflächlich jener der privaten Banken, wenngleich im privaten Bereich lediglich eine einlagensichernde und keine institutssichernde Funktion existiert.

___________ 106) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, KWG/CRR-VO, § 23a KWG Rz. 64.

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§ 20 Trennbankenregelung

Glasow

Übersicht I. 1. 2.

Überblick...................................................... 1 Einführung.................................................... 1 Entstehungsgeschichte der deutschen Trennbankenregelung .................................. 9 II. Die deutsche Trennbankenregelung ...... 16 1. Regelungszweck ......................................... 16 2. Institutioneller Anwendungsbereich ........ 19 a) Adressaten ........................................... 20 aa) CRR-Kreditinstitute .................... 20 bb) CRR-Gruppen.............................. 22 b) Schwellenwerte.................................... 24 3. Verbotene Geschäfte (sachlicher Anwendungsbereich) ................................. 30 a) Eigengeschäft....................................... 31 b) Kredit- und Garantiegeschäft ............. 37 aa) Kreditgeschäft .............................. 38 bb) Garantiegeschäft........................... 42 cc) Gehebelte Hedgefonds und deren Verwaltungsgesellschaften........... 44 c) Hochfrequenzhandel .......................... 51 4. Verbotsausnahmen..................................... 55

a) Geschäfte zur Absicherung von Geschäften mit Kunden...................... 56 b) Geschäfte zur Steuerung von Risiken ................................................. 59 c) Langfristiger Beteiligungserwerb und sonstige ausgenommene Geschäfte .................................................. 63 5. Maßgebliches Verfahren bei Überschreitung der Schwellenwerte .................. 65 a) Risikoanalyse ....................................... 67 b) Beendigung oder Abtrennung des verbotenen Geschäfts ................... 70 6. Anordnungsbefugnis der BaFin ................ 74 7. Finanzhandelsinstitut ................................ 77 a) Erlaubnispflicht ................................... 78 b) Anforderungen an die Eigenständigkeit .................................................. 80 c) Anforderungen ein wirksames Risikomanagement.............................. 84 d) Verordnungsermächtigung und Eingriffsbefugnisse.............................. 85 III. Bewertung und Ausblick ......................... 87

Literatur: Alexander, Regulating the Structure of the EU Banking Sector, EBOR 16 (2015), 227; Altvater/ v. Schweinitz, Trennbankensystem: Grundsatzfragen und alternative Regulierungsansätze, WM 2013, 625; Auerbach/Hamm, Das deutsche Trennbankengesetz – Liikanen light?, WPg 2017, 830; Binder, Organisationspflichten und das Finanzdienstleistungs-Unternehmensrecht: Bestandsaufnahme, Probleme, Konsequenzen, ZGR 2015, 667; Binder, Ring-Fencing: An Integrated Approach With Many Unknowns, EBOR 16 (2015), 97; Brandi/Gieseler, Entwurf des Trennbankengesetzes, DB 2013, 741; Habetha, Auswirkungen von § 3 Abs. 2 – 4 KWG i. d. F. des Trennbankengesetzes auf die Finanzierung von Private-Equity-Transaktionen durch CRR-Kreditinstitute?, ZIP 2014, 9; van Kann/Rosak, Der Regierungsentwurf des Trennbankengesetzes, BB 2013, 1475; Kreft, Bankenstrukturreformen in Deutschland und im Vereinigten Königreich, 2019; Kumpan, Das Verbot von Eigengeschäften für Banken – eine rechtsvergleichende Analyse, ZBB 2014, 201; Lehmann/Rehahn, Trennbanken nach Brüsseler Art: Der Kommissionsvorschlag vor dem Hintergrund nationaler Modelle, WM 2014, 1793; Möslein, Grundsatz- und Anwendungsfragen zur Spartentrennung nach dem sog. Trennbankengesetz, BKR 2013, 397; Möslein, Die Trennung von Wertpapier- und sonstigem Bankgeschäft: Trennbankensystem, ring-fencing und Volcker-Rule als Mittel zur Eindämmung systemischer Gefahren für das Finanzsystem, ORDO 64 (2013), 349; Müller-Lankow, Abgrenzung des Eigenhandels durch Market-Maker vom Eigengeschäft durch sonstige Liquiditätsgeber, WM 2017, 2335; Renner/ Kowolik, Die Abwicklung von Bankengruppen und der Einfluss von Trennbankenregeln im transatlantischen Rechtsvergleich, ZVglRWiss 2018, 83; Schelo/Steck, Das Trennbankengesetz: Prävention durch Bankentestamente und Risikoabschirmung, ZBB 2013, 227; Stubbe, Trennbanken – Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, BaFin-Journal 2/2016, 9; Tröger, Strukturreform im Finanzsektor – Das Trennbankengesetz als untauglicher Versuch der Verwirklichung von Nachhaltigkeitszielen im Aufsichtsrecht, in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, 2016, Teil 3 Kap. 7, S. 137; Wilhelmi/Büchler, Bankentrennung in der EU: Risiken und Nebenwirkungen, ZVglRWiss 113 (2014), 507. Verlautbarungen des Financial Stability Board (FSB): FSB, Report on Market Fragmentation, v. 4.6.2019, https://www.fsb.org/2019/06/fsb-report-on-market-fragmentation-2/; FSB, Evaluation of too-big-to-fail reforms, Summary Terms of Reference, v. 23.5.2019, https://www.fsb.org/2019/05/ evaluation-of-too-big-to-fail-reforms-summary-terms-of-reference/; FSB, Structural Banking Reforms – Cross-border consistencies and global financial stability implications, Report to G20 Leaders for the November 2014 Summit, v. 27.10.2014, http://www.fsb.org/wp-content/uploads/r_141027.pdf; FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 10/2011, Stand:

Glasow

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§ 20

Trennbankenregelung

10/2014, www.financialstabilityboard.org/wp-content/uploads/r_141015.pdf; FSB, Progress and Next Steps Towards Ending „Too-Big-To-Fail“ (TBTF), Report of the Financial Stability Board to the G20, v. 2.9.2013, http://www.fsb.org/wp-content/uploads/r_130902.pdf?page_moved=1; FSB, Reducing the moral hazard posed by systemically important financial institutions, Recommendations and timelines, v. 20.10.2010, http://www.fsb.org/wp-content/uploads/r_101111a.pdf?page_moved=1; (Abrufdatum jew. 25.5.2020). Verlautbarungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht/Basel Committee on Banking Supervision (BCBS): BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, v. 12/2010, Stand: 6/2011, http://www.bis.org/publ/bcbs189_de.pdf. (Abrufdatum: 25.5.2020). Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EG – MiFID II, ABl. (EU) L 173/349 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013; EP/Rat, Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 8.6.2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010 – AIFM-Richtlinie, ABl. (EU) L 174/1 v. 1.7.2011; EP/Rat, Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.7.2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organsimen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) – OGAWRichtlinie, ABl. (EU) L 302/32 v. 17.11.2009. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019; Rat, Vorschlag für eine Verordnung über strukturelle Maßnahmen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Kreditinstituten in der Union, v. 19.6.2015 (ST 10150/15), http://data.consilium.europa.eu/doc/ document/ST-10150-2015-INIT/de/pdf; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 – Single Resolution Mechanism (SRMVO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.3.2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps – Leerverkaufsverordnung, ABl. (EU) L 86/1 v. 24.3.2012. Verlautbarungen und Verordnungen der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Rücknahme von Vorschlägen der Kommission, ABl. (EU) C 233/6 v. 4.7.2018; Kommission, Annex

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§ 20

Trennbankenregelung

to the Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions, Commission Work Programme 2018 – An agenda for a more united, stronger and more democratic Europe, Annex 4, v. 24.10.2017, COM(2017) 650 final, https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/cwp_2018_annex_iv_en.pdf; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission v. 25.4.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl. (EU) L 87/1 v. 31.3.2017; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2017/589 der Kommission v. 19.7.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen, die algorithmischen Handel betreiben, ABl. (EU) L 87/417 v. 31.3.2017; Kommission, Vorschlag für eine Verordnung über strukturelle Maßnahmen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Kreditinstituten in der Union, v. 29.1.2014, COM(2014) 43 final, http:// ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2014/DE/1-2014-43-DE-F1-1.Pdf; Kommission, European Financial Stability and Integration Report 2012, v. 4/2013, https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/ efsir-2012-25042013_en.pdf; Delegierte Verordnung (EU) Nr. 231/2013 der Kommission v. 19.12.2012 zur Ergänzung der Richtlinie 2011/61/EU im Hinblick auf Ausnahmen, die Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit, Verwahrstellen, Hebelfinanzierung, Transparenz und Beaufsichtigung, ABl. (EU) L 83/1 v. 22.3.2013; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) Nr. 149/2013 der Kommission v. 19.12.2012 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für indirekte Clearingvereinbarungen, die Clearingpflicht, das öffentliche Register, den Zugang zu einem Handelsplatz, nichtfinanzielle Gegenparteien und Risikominderungstechniken für nicht durch eine CCP geclearte OTC-Derivatekontrakte, ABl. (EU) L 52/11 v. 23.2.2013; Kommission, Verordnung (EG) Nr. 1126/ 2008 der Kommission v. 3.11.2008 zur Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. (EU) L 320/1 v. 29.11.2008; (Abrufdatum jew. 25.5.2020). Verlautbarungen der European Banking Authority (EBA): EBA, Single Rulebook Q&A, http:// www.eba.europa.eu/single-rule-book-qa; EBA, Leitlinien zur Festlegung von Maßnahmen zum Abbau und zur Beseitigung von Abwicklungshindernissen und den Umständen, unter denen die jeweiligen Maßnahmen gemäß Richtlinie 2014/59/EU ergriffen werden können, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/11), https://www.eba.europa.eu/documents/10180/1110533/EBA-GL-2014-11+GL+on+Powers+to+ address+resolvability_DE.pdf/60f99759-ba25-4a98-8f89-1c942ebeb218; (Abrufdatum jew. 25.5.2020). Verlautbarungen der European Securities and Markets Authority (ESMA): ESMA, Q&A on MiFID II and MiFIR market structure topics, https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/ esma70-872942901-38_qas_markets_structures_issues.pdf; ESMA, Leitlinien zur Ausnahme von Market-Making-Tätigkeiten und Primärtätigkeiten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, v. 2.4.2013 (ESMA/2013/74), https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/ 11/esma2013-74_de.pdf; (Abrufdatum jew. 25.5.2020). Verlautbarungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ECB): EZB, Stellungnahme v. 5.12.2008 zu einem Vorschlag für eine Richtlinie über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, ABl. (EU) C 30/1 v. 6.2.2009. Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): BaFin, Konsultation 20/2018, Entwurf einer aktualisierten Fassung der Auslegungshilfe zum Art. 2 des Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen v. 7.8.2003, BGBl. I S. 3090 (Abschirmungsgesetz), v. 28.12.2018 (R 1-FR 2311-2017/0007), https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Konsultation/2018/kon_2018_Auslegu ngshilfe_Risikoabschirmungsgesetz.html; BaFin, Rundschreiben 9/2017 (BA), Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, v. 27.10.2017, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/2017/rs_1709_marisk_ba.html; BaFin, Hinweise zu den Tatbeständen des Eigenhandels und des Eigengeschäfts, v. 22.3.2011, Stand: 15.5.2019, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_110322_eigenhandel_eigengeschaeft_neu.html; BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, https://www.bafin.de/SharedDocs/ Downloads/DE/Auslegungsentscheidung/dl_ae_161214_abschirmungsgesetz.html; BaFin, Merkblatt, Hinweise zum Tatbestand des Garantiegeschäfts, v. 8.1.2009, Stand: 3.4.2020, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_090108_tatbestand_garantiegeschaeft.html; BaFin, Merkblatt, Hinweise zum Tatbestand des Kreditgeschäfts, v. 8.1.2009, Stand: 2.5.2016, https:// www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_090108_tatbestand_kreditgesch aeft.html; BaFin, Auslegungsschreiben zum Crowdlending, v. 9.10.2015, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Auslegungsentscheidung/WA/ae_151009_crowdlending.html; BaFin, Rundschreiben 6/2013 (BA), Anforderungen an Systeme und Kontrollen für den Algorithmushandel von Instituten, v. 18.12.2013 (BA 54-FR 2210-2013/0021) (aufgehoben); BaFin, Häufige

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§ 20

Trennbankenregelung

Fragen und Antworten zum algorithmischen Handel und zum Hochfrequenzhandel, v. 5.11.2013, Stand: 17.7.2019, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/FAQ/dl_faq_hft.html?nn=7846742; BaFin, Auslegungsschreiben zum Anwendungsbereich des KAGB und zum Begriff des „Investmentvermögens“, v. 14.6.2013 (Q 31-Wp 2137-2013/0006), Stand: 9.3.2015, https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Auslegungsentscheidung/WA/ae_130614_Anwendungsber_ KAGB_begriff_invvermoegen.html; BaFin, Merkblatt, Finanzinstrumente (Derivate), v. 21.5.2012, Stand: 30.4.2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_ 120521_finanzinstrumente_derivate.html; BaFin, Merkblatt, Hinweise zu Finanzinstrumenten nach § 1 Abs. 11 Sätze 1 bis 5 KWG (Aktien, Vermögensanlagen, Schuldtitel, sonstige Rechte, Anteile an Investmentvermögen, Geldmarktinstrumente, Devisen, Rechnungseinheiten, Emissionszertifikate und Kryptowerte), v. 20.12.2011, Stand: 26.2.2020, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_111220_finanzinstrumente.html; BaFin, Merkblatt, Hinweise zur Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 KWG i. V. m. § 1 Abs. 1 und Abs. 1a KWG von grenzüberschreitend betriebenen Bankgeschäften und/oder grenzüberschreitende erbrachten Finanzdienstleistungen, v. 1.5.2005, Stand: 11.3.2019, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/ mb_050401_grenzueberschreitend.html; (Abrufdatum jew. 25.5.2020). Verlautbarungen der Deutschen Bundesbank (Bundesbank): Bundesbank, Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 22.4.2013, v. 18.4.2013, https://www.bundesbank.de/ de/presse/stellungnahmen/stellungnahme-anlaesslich-der-oeffentlichen-anhoerung-des-finanzausschusses-des-deutschen-bundestages-am-22-april-2013-662902; Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2012, v. 11/2012, https://www.bundesbank.de/resource/blob/663288/2006d4ff013fbb548395c3995d55660b/mL/2012-finanzstabilitaetsbericht-data.pdf; (Abrufdatum jew. 25.5.2020). Weitere Verlautbarungen: G20, G20 Leaders’ Declaration, Saint Petersburg Summit, v. 5./6.9.2013, http://www.g20.utoronto.ca/2013/2013-0906-declaration.html; Deutsche Kreditwirtschaft (DK), Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen (BT-Drucks. 17/12601), v. 17.4.2013, https://bankenverband.de/media/files/DK-StN_17042013.pdf; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/2013, https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/ gutachten/ga201213/ga12_ges.pdf; Hochrangige Sachverständigengruppe zur Reformierung der EUBankenstruktur, Vorsitz Erkki Likaanen, Schlussbericht v. 2.10.2012, https://ec.europa.eu/commission/ presscorner/detail/de/IP_12_1048; Independent Commission on Banking (ICB), Final Report, Recommendations, v. 9/2011, https://webarchive.nationalarchives.gov.uk/20111108115104/http:/www.hmtreasury.gov.uk/d/ICB-Final-Report.pdf; Wissenschaftlicher Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Gutachten Nr. 3/10 – Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht nach der Finanzkrise, v. 4/2010, https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/ Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/wissenschaftlicher-beirat-gutachten-bankenregulierung.pdf?__blob=publicationFile&v=2; (Abrufdatum jew. 25.5.2020).

I.

Überblick

1.

Einführung

1 In den Jahren nach der Finanzkrise 2007/2008 wurde eine Vielzahl an Maßnahmen ergriffen, um das Finanzsystem insgesamt sicherer zu machen und Systemkrisen künftig zu vermeiden bzw. deren Auswirkungen zumindest abzuschwächen. Viele dieser Maßnahmen wurden auf internationaler G20-Ebene koordiniert. Auf Ebene des Einzelinstituts waren dabei zwei Reformen zentral. Zum einen das unter dem Namen „Basel III“ bekannte Reformpaket des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht,1) das in Europa durch die Eigenkapitalverordnung und Eigenkapitalrichtlinie (CRR2)/CRD IV3)) implementiert wurde und ___________ 1) 2)

3)

Vgl. grundlegend BCBS, Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme, v. 12/2010, Stand: 6/2011. Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019. Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019.

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§ 20

I. Überblick

vornehmlich darauf abzielt, die Widerstandsfähigkeit der Banken durch strengere Eigenkapitalanforderungen generell zu erhöhen. Zum anderen die Regelungen zur Sanierung und Abwicklung von Banken, die das Ziel verfolgen, eine Bank unabhängig von ihrer Größe und Systemrelevanz ohne Beteiligung der Steuerzahler (Bail-out) und bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Stabilität des Finanzsystems geordnet abwickeln zu können. Grundlegend sind die Vorgaben des Financial Stability Board (FSB),4) die auf europäischer Ebene durch die Sanierungs- und Abwicklungsverordnung (SRM-VO)5) und -richtlinie (BRRD)6), und auf nationaler Ebene durch das SAG7), umgesetzt wurden. Die Regelungen zur Sanierung und Abwicklung sind dabei die zentrale Antwort der in- 2 ternationalen Staatengemeinschaft auf das sog. Too-Big-to-Fail-Problem, also den Umstand, dass einzelne Banken zu groß („too big to fail“), zu komplex („too complex to fail“) und zu vernetzt („too connected to fail“) sind, oder in ihren Funktionen so unersetzbar, um sie in die Insolvenz zu entlassen, weil ihr Scheitern den gesamten Finanzmarkt erschüttern würde. Da diese Banken aus diesem Grund im Krisenfall durch den Einsatz von Steuergeldern gerettet werden würden, genießen sie eine implizite Staatsgarantie, die ihnen nicht nur Refinanzierungsvorteile verschafft, sondern ihnen auch einen Anreiz gibt, übermäßige Risiken einzugehen (Moral Hazard).8) Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion um die Einführung von Trennbankenregelungen 3 zu sehen. Vielerorts wurde nämlich diskutiert, ob die genannten Initiativen – strengere Eigenkapitalanforderungen und Abwicklungsmechanismen – die Ursachen der Finanzkrise und insbesondere das Too-Big-to-Fail-Problem ausreichend adressieren oder ob darüber hinaus Strukturreformen, d. h. Eingriffe in die Organisationsstruktur von Banken, erforderlich sind. Auf europäischer Ebene wurde zu diesem Zweck eine Expertengruppe unter Vorsitz des finnischen Notenbankchefs Erkki Liikanen eingesetzt („LiikanenKommission“), die am 2.10.2012 ihren Schlussbericht vorlegte.9) Die Liikanen-Kommission sprach sich darin mehrheitlich für eine obligatorische Abtrennung bestimmter risikoreicher Handelsaktivitäten (aus dem Bereich „Investment Banking“) vom Kernbankengeschäft, insbesondere Einlagen- und Kreditgeschäft und Zahlungsverkehr („Commercial Banking“), aus. Im Kern wird damit das Ziel verfolgt, die volkswirtschaftlich nutzbringenden Kernbankenfunktionen von Risiken bestimmter dem Investment Banking zuzuordnender Geschäftsaktivitäten abzuschirmen und durch die Abtrennung dieser Geschäftsaktivitäten die Abwicklungsfähigkeit der Bank zu verbessern. Die EU war nicht der einzige Schauplatz derlei Überlegungen um eine Trennbankenrege- 4 lung. Vielmehr wurde die Notwendigkeit von Strukturreformen auch andernorts, insbesondere in den USA und im Vereinigten Königreich, diskutiert. In den USA mündete ___________ 4) 5)

6)

7) 8) 9)

Vgl. grundlegend FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 10/2011, Stand: 10/2014. Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019. Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019. Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen – Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG), v. 10.12.2014, BGBl. I 2014, 2091. Instruktiv zur ökonomischen Theorie, vgl. Kommission, European Financial Stability and Integration Report 2012, v. 4/2013, Ch. 3 m. w. N. Vgl. Hochrangige Sachverständigengruppe zur Reformierung der EU-Bankenstruktur, Schlussbericht v. 2.10.2012.

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§ 20

Trennbankenregelung

dies bereits im Jahre 2010 in der Verabschiedung der „Volcker Rule“,10) im Vereinigten Königreich im UK Financial Services (Banking Reform) Act 2013, wodurch die Vorschläge der sog. „Vickers Commission“11) aus dem Jahre 2011 umgesetzt wurden. Diese Initiativen verfolgen zwar im Kern dieselben Ziele wie die Vorschläge der Liikanen-Kommission, unterscheiden sich aber in ihrem Anwendungsbereich und ihrer Ausgestaltung erheblich.12) 5 Die potenzielle Gefahr divergierender Ansätze – gerade für international agierende Banken – wurde auch auf internationaler Ebene erkannt. Dies hatte jedoch keine globale Initiative auf Ebene der G20 zur Folge. Vielmehr wurde nur anerkannt, dass (nationale) Strukturmaßnahmen grundsätzlich geeignet sind, zur Lösung des Too-Big-to-Fail-Problems beizutragen13) und insbesondere die Abwicklungsfähigkeit global systemrelevanter Banken zu verbessern.14) Gleichzeitig sollten aber die (potenziell negativen) Auswirkungen divergierender nationaler Regelungen auf die internationale Finanzmarktstabilität im Auge behalten und überwacht werden.15) In der anstehenden Evaluierung der G20-Maßnahmen zur Lösung des Too-Big-to-Fail-Problems spielen Trennbankenregelungen – ihrem Status als (nationale) „Sonderregeln“ entsprechend – (nur) insoweit eine Rolle, als sie für die Beurteilung der Wirksamkeit der G20-Maßnahmen in den jeweiligen Jurisdiktionen relevant sind.16) 6 Befürworter von Trennbankenbankenregeln versprechen sich von der Abtrennung risikobehafteter Tätigkeiten von den Kernbankenfunktionen – über das bestehende aufsichtsrechtliche Regelwerk hinaus – Stabilitätsgewinne. So würden durch die Abtrennung nicht nur die Kundeneinlagen wirksam vor Risiken aus dem Handelsgeschäft abgeschirmt (und diese Risiken damit auch dem Schutz durch die Einlagensicherung entzogen), sondern zudem die Komplexität und die Verflechtung von Banken verringert, ihre Struktur verein___________ 10) Eingeführt durch Sec. 619 des Dodd-Frank Act, Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act, Pub. L. 111-203-2010, 124 Stat. 1376. 11) Vgl. ICB, Final Report, Recommendations, v. 9/2011. 12) Dies verwundert nicht, denn Trennbankenregelungen sind stets im Kontext des jeweiligen Finanzsystems zu sehen, in das sie sich einfügen (sollten), vgl. FSB, Progress and Next Steps Towards Ending „Too-Big-To-Fail“ (TBTF), Report to the G-20, v. 2.9.2013, S. 22: „Approaches for structural regulation differ in scope and content reflecting the different institutional characteristics of the jurisdictions for which they have been developed.” Die US-amerikanische Trennbankenregelung zeichnet sich im Kern durch eine eigentumsrechtliche Abtrennung des „proprietary trading“ aus, die britische durch ein „ring-fencing“ der Kernbankenfunktionen, vgl. dazu rechtsvergleichend Alexander, EBOR 16 (2015), 227; Altvater/v. Schweinitz, WM 2013, 625; Binder, EBOR 16 (2015), 97; Kumpan, ZBB 2014, 201; Lehmann/Rehahn, WM 2014, 1793; Möslein, ORDO 64 (2013), 349; Tröger in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 137. S. a. monografisch Kreft, Bankenstrukturreformen in Deutschland und im Vereinigten Königreich. 13) Vgl. FSB, Reducing the moral hazard posed by systemically important financial institutions, Recommendations and timelines, v. 20.10.2010, S. 2: „In some circumstances, the FSB may recognise that further measures, including […] structural measures could reduce the risks and externalities that a G-SIFI poses”. S. a. FSB, Progress and Next Steps Towards Ending „Too-Big-To-Fail“ (TBTF), Report to the G-20, v. 2.9.2013, S. 4: „Structural reform measures, including the separation of activities, intra-group exposure limits, local capital and liquidity requirements, seek to put restraints on excessive risk-taking by SIFIs and thus help promote financial stability. They can also contribute to improving the resolvability of SIFIs at a jurisdictional level, thus reducing the moral hazard of TBTF.“ 14) Vgl. G20, Leaders’ Declaration, Saint Petersburg Summit, v. 5./6.9.2013, Rz. 68: „We recognize that structural banking reforms can facilitate resolvability […]“. 15) Vgl. hierzu FSB, Structural Banking Reforms – Cross-border consistencies and global financial stability implications, Report to G20 Leaders, v. 27.10.2014; FSB, Report on Market Fragmentation, v. 4.6.2019, S. 9 f. (Trennbankenregelungen als mögliche Ursache von Marktfragmentierung). 16) Vgl. FSB, Evaluation of too-big-to-fail reforms, Summary Terms of Reference, v. 23.5.2019, S. 2 (“Other national/regional regulations that fall outside the scope of G20 reforms (e. g. structural banking reforms) will only be covered to the extent they are relevant for assessing the effects of G20 TBTF policies in particular FSB jurisdictions.”).

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§ 20

I. Überblick

facht und damit ihre Abwicklungsfähigkeit erhöht. Trennbankenregelungen seien damit der direkteste Weg, das Too-Big-to-Fail-Problem anzugehen und die implizite Staatsgarantie, (ungerechtfertigte) Refinanzierungsvorteile und Moral Hazard einzudämmen.17) All diese Argumente sind aber erheblichem Zweifel und Kritik ausgesetzt. So werde durch eine Abtrennung des Handelsgeschäfts etwa die Vernetzung zwischen Banken nicht vollständig aufgelöst, Ansteckungsrisiken blieben also bestehen. Gleichzeitig bestünde die Gefahr der Verlagerung dieser Geschäfte in den Schattenbankensektor. Auch gingen durch eine Abtrennung Synergie- und Diversifikationseffekte verloren, was die Banken ineffizienter und damit letztlich sogar instabiler mache. Schließlich wird auf Probleme der praktischen Umsetzung verwiesen, insbesondere wenn es darum geht, das (vermeintlich) risikoreiche Geschäft vom Kernbankengeschäft zu unterscheiden.18) Während Trennbankenregelungen für die einen damit der „letzte Baustein“ des neu ges- 7 talteten Regulierungsrahmens für Banken sind, erachten sie die anderen als in ihrer Wirkung für bestenfalls zweifelhaft oder sogar für schädlich. In der Praxis hat sich jedenfalls bewahrheitet, dass die Trennbankenregelungen erhebliche Umsetzungsprobleme aufwerfen. Funktional stehen Trennbankenregelungen zudem in einem engen Zusammenhang mit den Regelungen zur Sanierung und Abwicklung, welche im Wesentlichen dieselbe Zielsetzung verfolgen.19) Zum Abbau und zur Beseitigung von Abwicklungshindernissen sind Abwicklungsbehörden insbesondere befugt, Änderungen der „rechtlichen und operativen Strukturen“ eines Instituts anzuordnen, um die Komplexität zu reduzieren und eine Abwicklung zu ermöglichen (siehe § 14 Rz. 59 [Benzing]).20) Während diese Maßnahmen auf institutsindividueller Ebene ansetzen und eine Eingriffsbereitschaft der Behörde voraussetzen, nehmen Trennbankenregelungen gewisse Strukturänderungen dagegen generell und von Gesetzes wegen vor.21) Im Mittelpunkt der folgenden Darstellung stehen die deutschen Trennbankenregelungen, 8 die mit dem Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen vom 7.8.2013 (sog. „Trennbanken-

___________ 17) Vgl. dazu etwa, Hochrangige Sachverständigengruppe zur Reformierung der EU-Bankenstruktur, Schlussbericht v. 2.10.2012, S. 98 f. 18) Krit. Stimmen sind Legion, vgl. etwa Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Stabile Architektur für Europa – Handlungsbedarf im Inland, Jahresgutachten 2012/ 2013, Rz. 320; Wissenschaftlicher Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Gutachten Nr. 3/10 – Reform von Bankenregulierung und Bankenaufsicht nach der Finanzkrise, v. 4/2010, S. 35 f. („Ankündigungen, der Staat werde bestimmte Institutionen nicht schützen, sind nicht glaubhaft“); auch die Bundesbank räumt ein, dass sich „[…] nicht endgültig abschätzen lässt, wie hoch die Stabilitätsgewinne, auch im Vergleich zu möglichen Effizienzverlusten, durch eine entsprechende Trennung von Unternehmenseinheiten sein werden […]“, vgl. Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2012, v. 11/2012, S. 98 ff., 101. Aus der Literatur vgl. Möslein, ORDO 64 (2013), 349, 353 ff. m. w. N; s. a. Altvater/v. Schweinitz, WM 2013, 625. 19) Dies gilt insb. für die Abwicklung von Bankengruppen; zur Abwicklung von Bankengruppen und dem Einfluss von Trennbankenregeln im transatlantischen Vergleich, vgl. Renner/Kowolik, ZVglRWiss 2018, 83. 20) Vgl. Art. 10 Abs. 11 lit. g SRM-VO, Art. 17 Abs. 5 lit. g BRRD und § 59 Abs. 6 Nr. 7 SAG; s. a. EBA, Leitlinien zur Festlegung von Maßnahmen zum Abbau und zur Beseitigung von Abwicklungshindernissen und den Umständen, unter denen die jeweiligen Maßnahmen gemäß Richtlinie 2014/59/EU ergriffen werden können, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/11), Rz. 13 ff. 21) Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass zur Herstellung der Abwicklungsfähigkeit institutsindividuell weitere Änderungen erforderlich sind, vgl. Hochrangige Sachverständigengruppe zur Reformierung der EU-Bankenstruktur, Schlussbericht v. 2.10.2012, S. 103. Vgl. auch Binder, ZGR 2015, 667, 699 (erzwungene Restrukturierung und Trennbankenmodelle als drastischste Form der aufsichtsrechtlichen Einflussnahme auf die Organisationsfreiheit bzw. -verfassung der Institute ).

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Trennbankenregelung

gesetz“ oder auch „Abschirmungsgesetz“)22) eingeführt wurden. Bevor diese im Detail beleuchtet werden (siehe unter Rz. 16 ff.), soll aber zunächst ein kurzer Blick auf die Entstehungsgeschichte der deutschen Trennbankenregelung, insbesondere im Zusammenhang mit den Entwicklungen auf europäischer Ebene, geworfen werden. 2.

Entstehungsgeschichte der deutschen Trennbankenregelung

9 Ausgangspunkt für die deutsche Trennbankenregelung war der Schlussbericht der Liikanen-Kommission. Während die Vorschläge der Liikanen-Kommission auf europäischer Ebene noch konsultiert wurden, entschied sich die Bundesregierung Anfang 2013 dafür, einer europäischen Regelung – gemeinsam mit Frankreich – voranzuschreiten.23) Diese Entscheidung ist mit Blick auf eine verbesserte Verhandlungsposition auf europäischer Ebene zwar ein bekanntes Muster, jedoch dürfte in diesem speziellen Kontext auch der anstehende Bundestagswahlkampf eine Rolle gespielt haben. Nachdem die damalige Opposition ein vieldiskutiertes Positionspapier ihres Kanzlerkandidaten vorgelegt hatte, antwortete die Bundesregierung hastig mit einem eigenen Gesetzesentwurf.24) Dieser Gesetzentwurf vom 4.3.201325) orientierte sich zwar an den Vorschlägen der LiikanenKommission, weicht aber in entscheidenden Punkten von diesen ab. Besonders aufgrund bestehender Inkonsistenzen, der Unbestimmtheit vieler Regelungen wie auch im Hinblick auf seine generelle Eignung, stand das Trennbankengesetz von Beginn an in der Kritik.26) 10 Die deutlichste Abweichung von den Liikanen-Vorschlägen betrifft den Zuschnitt der abzutrennenden Geschäfte. Während die Liikanen-Kommission Handelsgeschäfte in einem viel größeren Umfang abtrennen wollte – insbesondere um die schwierige Abgrenzung zwischen Eigengeschäft und Market-Making zu vermeiden27) – folgte der deutsche Gesetzgeber dem nicht. In gleichzeitiger Anerkennung, „wie schwierig es wegen der Grenzziehung i. E. ist, eine gesetzliche Regelung zu normieren“, und dass es sich bei der Identifizierung und Abtrennung der verbotenen Geschäfte um einen „ökonomisch, organisatorisch und rechtlich hochkomplexen Vorgang“ handelt,28) wurde das Trennbankengesetz in der Folge (mit nur einigen wenigen Änderungen zum Gesetzentwurf) am 7.8.2013 erlassen, sein Inkrafttreten aber um ein Jahr auf den 1.7.2015 verschoben. 11 Am 29.1.2014 veröffentlichte die Kommission einen Vorschlag für eine europäische Trennbankenverordnung.29) Dieser Vorschlag ließ sich als eine Kombination aus der USamerikanischen Volcker Rule und den Vorschlägen der Liikanen-Kommission verstehen.30) Neben dem vollständigen Verbot des Eigengeschäfts (proprietary trading), i. S. einer eigen___________ 22) Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen – Trennbankengesetz (auch „Abschirmungsgesetz“), v. 7.8.2013, BGBl. I 2013, 3090; vgl. dort unter Art. 2 („Weitere Änderung des Kreditwesengesetzes“). 23) Vgl. Bericht des FA z. RegE TrennbankenG u. a., BT-Drucks. 17/13539, S. 8. 24) Vgl. zu den Hintergründen die Nachw. bei Möslein, BKR 2013, 397, 399. 25) Vgl. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601. 26) Vgl. etwa Altvater/v. Schweinitz, WM 2013, 625, 633; Möslein, BKR 2013, 397, 405; Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 244; van Kann/Rosak, BB 2013, 1475, 1478. Die Bundesbank erachtete die Regelung zwar als „potenziell sinnvolle Ergänzung“ der bereits ergriffenen Maßnahmen im Bereich der Bankenregulierung, benannte aber auch auf eine Vielzahl an Kritikpunkten, vgl. Bundesbank, Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 22.4.2013, v. 18.4.2013. 27) Vgl. Hochrangige Sachverständigengruppe zur Reformierung der EU-Bankenstruktur, Schlussbericht v. 2.10.2012, S. 102. 28) Vgl. Bericht des FA z. RegE TrennbankenG u. a., BT-Drucks. 17/13539, S. 7 und 17. 29) Kommission, Vorschlag für eine Verordnung über strukturelle Maßnahmen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Kreditinstituten in der Union, v. 29.1.2014, COM(2014) 43 final. 30) Vgl. dazu Lehmann/Rehahn, WM 2014, 1793; Wilhelmi/Büchler, ZVglRWiss 113 (2014), 507.

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tumsrechtlichen Trennung analog der Volcker Rule, sieht der Vorschlag die Möglichkeit der behördlichen Abtrennung weiterer Handelsaktivitäten – einschließlich des MarketMaking31) – auf ein gruppenangehöriges Handelsunternehmen vor. Daneben enthielt der Vorschlag eine Grandfathering Clause, nach der Institute vom europäischen Trennbankenregime freigestellt werden können, wenn sie in ihrem Heimatstaat Rechtsvorschriften unterliegen, die vor dem 29.1.2014 erlassen wurden und inhaltlichen Anforderungen genügen, die denen der Trennbankenverordnung vergleichbar sind. Im Anschluss herrschte Unsicherheit, ob die deutsche Trennbankenregelung von dieser 12 Grandfathering-Regel erfasst würde oder nicht. Jedenfalls mehrten sich die Stimmen, den Erlass der Europäischen Trennbankenverordnung abzuwarten, schon um der Gefahr zu begegnen, dass deutsche Institute innerhalb kurzer Zeit mit der Umsetzung unterschiedlicher Regeln belastet würden. Im Interesse der Rechts- und Planungssicherheit und unter Verweis auf die bereits im Gesetzgebungsverfahren erkannten Umsetzungsprobleme forderte der Deutsche Bundesrat entsprechend, das Inkrafttreten der deutschen Trennbankenregelung bis zum Erlass einer europäischen Regelung aufzuschieben.32) Dieser Forderung wurde aber nicht entsprochen. Möglicherweise zeichnete sich bereits zu diesem Zeitpunkt ab, dass sich die Verhandlun- 13 gen auf europäischer Ebene schwierig gestalten würden. Zwar einigte sich der Europäische Rat am 19.6.2015 noch auf eine gemeinsame Position, welche einige Änderungen im Vergleich zum Kommissionvorschlag enthielt,33) jedoch geriet das Gesetzgebungsverfahren anschließend ins Stocken. Nachdem sich das Europäische Parlament bereits Ende Mai 2015 nicht auf eine gemeinsame Position hatte verständigen können, erschienen die Fronten zunehmend verhärtet. Nach zwei weiteren Jahren ohne Verhandlungsfortschritt kündigte die Kommission schließlich im Oktober 2017 an, den Vorschlag für eine europäische Trennbankenregelung offiziell zurückzuziehen. Dies begründete sie – abgesehen von dem nicht absehbaren Verhandlungserfolg – auch damit, dass die Ziele der Trennbankenregelung in der Zwischenzeit durch andere regulatorische Maßnahmen, insbesondere die Bankenunion und die Regelungen zur Sanierung und Abwicklung (ausreichend) adressiert worden seien.34) Die offizielle Rücknahme des Vorschlags erfolgte schließlich am 4.7.2018.35) Vor diesem Hintergrund stellt sich das viel kritisierte deutsche Trennbankengesetz, das 14 vielfach nur als Interimslösung angesehen wurde, nun auf unabsehbare Zeit als die maßgebliche Regelung dar. Um das Gesetz in der Praxis überhaupt handhabbar zu machen, entwickelte die BaFin in intensivem Dialog mit Verbands- und Institutsvertretern eine Auslegungshilfe, die am 21.12.2015 in einer Konsultationsfassung und am 14.12.2016 – nach nochmals erheblichen Änderungen – in ihrer finalen Fassung vorgelegt wurde.36) Die ___________ 31) Die Kommission begründete dies damit, dass das Market-Making zur Umgehung des Verbots von Eigengeschäften genutzt werden könne, vgl. Lehmann/Rehahn, WM 2014, 1793, 1802. 32) Vgl. Stellungnahme des BRat z. RegE BRRD-UmsetzungsG, BT-Drucks. 18/2575, S. 222. 33) Vgl. Rat der Europäischen Union, Vorschlag für eine Verordnung über strukturelle Maßnahmen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Kreditinstituten in der Union, v. 19.6.2015 (ST 10150/15). Die wesentlichste Änderung betraf das Eigengeschäft, das nicht mehr – entsprechend der US-amerikanischen Volcker Rule – einem Verbot, sondern nur noch einer obligatorischen Abtrennung in ein (gruppenangehöriges) Handelsunternehmen unterliegen sollte. Daneben wurde die Grandfathering Clause augenscheinlich allein auf die britische Trennbankenregelung zugeschnitten, so dass das deutsche Trennbankengesetz wohl in jedem Fall nicht (mehr) von ihr erfasst worden wäre. 34) Kommission, Commission Work Programme 2018 – An agenda for a more united, stronger and more democratic Europe, Annex 4, v. 24.10.2017, COM(2017) 650 final, S. 2. 35) Vgl. Kommission, Rücknahme von Vorschlägen der Kommission, ABl. (EU) C 233/6 v. 4.7.2018. 36) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016.

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Auslegungshilfe, die in mehrfacher Hinsicht über eine bloße Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben hinausgeht, stellte damit den vorläufigen Schlusspunkt einer unrunden Entstehungsgeschichte dar. 15 Nachdem der institutionelle Anwendungsbereich der Trennbankenregelung durch das Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz vom 6.6.201737) nochmals nachgeschärft worden war,38) stellte die BaFin am 28.12.2018 den Entwurf einer aktualisierten Fassung der Auslegungshilfe zur Konsultation.39) Die aktualisierte Fassung befasst sich mit einer Reihe neu aufgekommener Fragestellungen, die sich aus dem praktischen Umgang mit dem Trennbankengesetz und der Auslegungshilfe ergeben haben. In formaler Hinsicht wurde die Auslegungshilfe zudem modular aufgebaut, was die Anwenderfreundlichkeit erhöht. Die Verabschiedung und formelle Veröffentlichung der aktualisierten Auslegungshilfe steht noch aus. II.

Die deutsche Trennbankenregelung

1.

Regelungszweck

16 Die deutschen Trennbankenregeln finden sich in § 3 Abs. 2 bis 4 und § 25f KWG. Im Kern verbieten sie CRR-Kreditinstituten bestimmte riskante bzw. spekulative Geschäfte, die entweder zu beenden oder von dem Institut auf ein wirtschaftlich, organisatorisch und rechtlich eigenständiges Unternehmen (Finanzhandelsinstitut) zu übertragen sind. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Risikosphären innerhalb von Kreditinstituten wirksam voneinander abgeschirmt werden und Risiken aus spekulativen Geschäften nicht unmittelbar auf das Kreditinstitut durchschlagen. Die Abtrennung der Geschäfte soll somit die Solvenz der Institute und die Stabilität des Finanzsystems sichern. Damit werden die Kundeneinlagen und das Geld der Steuerzahler geschützt, die ansonsten für erfolglose hochriskante Spekulationen und Geschäfte von Instituten eintreten müssten. Schließlich erleichtert die klare Trennung des Finanzhandelsinstituts vom Kreditinstitut eine wirksame Abwicklung der riskanten Geschäfte, sollte dies erforderlich sein.40) 17 Ein wesentlicher Leitgedanke der deutschen Trennbankenregelung ist, dass mit ihr kein striktes Trennbankensystem angestrebt wird, sondern das Universalbankensystem im Prinzip erhalten bleibt.41) Dies wird dadurch gewährleistet, dass die riskanten Geschäfte nur „funktional“ vom Kreditinstitut auf das Finanzhandelsinstitut abgetrennt werden, jedoch weiterhin innerhalb derselben Gruppe betrieben werden dürfen. Kreditinstituten soll mithin weiterhin ermöglicht werden, potenzielle Größen- und Verbundvorteile durch eine eigentumsrechtliche Verbindung mit dem Finanzhandelsinstitut zu realisieren.42) 18 Neben dem Gesetzeszweck ist bei der Auslegung der Trennbankenregelungen stets zu berücksichtigen, dass Verstöße gegen die Verbote des § 3 Abs. 2 bzw. 4 KWG nach § 54 ___________ 37) Gesetz zur Ergänzung des Finanzdienstleistungsaufsichtsrechts im Bereich der Maßnahmen bei Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems und zur Änderung der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie – Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz, v. 6.6.2017, BGBl. I 2017, 1495. 38) Mit Verweis auf die Reichweite des bankaufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreises und einen anderenfalls bestehenden Systembruch wurden Versicherungsunternehmen, die einem Finanzkonglomerat angehören, von den Trennbankenregelungen ausgenommen, vgl. Begr. RegE FinanzaufsichtsrechtergänzungsG, BT-Drucks. 18/10935, S. 27. 39) Vgl. BaFin, Konsultation 20/2018, Entwurf einer aktualisierten Fassung der Auslegungshilfe zum Art. 2 Abschirmungsgesetz, v. 28.12.2018 (R 1-FR 2311-2017/0007). 40) Vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 2, 27 und 42. 41) Die Bundesbank betont den Gedanken, dass die deutsche Volkswirtschaft mit ihrer starken Exportausrichtung auf Universalbanken, die den Unternehmen die ganze Palette der benötigten Finanzdienstleistungen aus einer Hand anbieten können, angewiesen sei, vgl. Bundesbank, Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 22.4.2013, v. 18.4.2013. 42) Vgl. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 4.

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II. Die deutsche Trennbankenregelung

KWG strafbewehrt sind. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Regelungen eine Vielzahl an unbestimmten Rechtsbegriffen enthalten und die genaue Abgrenzung der Verbotstatbestände unklar ist. Geboten ist angesichts des strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes daher stets eine enge Auslegung.43) 2.

Institutioneller Anwendungsbereich

Vom institutionellen Anwendungsbereich der Trennbankenregelung sind nach § 3 Abs. 2 19 Satz 1 KWG grundsätzlich „CRR-Kreditinstitute“ und „Unternehmen, die einer Institutsgruppe, einer Finanzholding-Gruppe oder einer gemischten Finanzholding-Gruppe angehören, der ein CRR-Kreditinstitut angehört“ (CRR-Gruppe), erfasst. Dies gilt aber jeweils nur ab einer bestimmten Größenordnung.44) a)

Adressaten

aa)

CRR-Kreditinstitute

„CRR-Kreditinstitute“ sind nach § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG Kreditinstitute i. S. des Art. 4 20 Abs. 1 Nr. 1 CRR, also „Unternehmen, deren Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren“. Für den Anwendungsbereich maßgeblich ist damit nicht der deutsche, sondern der europäische Kreditinstitutsbegriff. Erforderlich ist also, dass das Unternehmen das Einlagen- und das Kreditgeschäft betreibt.45) Vom Anwendungsbereich ist jedes CRR-Kreditinstitut umfasst, das wegen seiner Ge- 21 schäftstätigkeit im Inland unter den Erlaubnisvorbehalt nach § 32 Abs. 1 KWG fällt. Dies schließt nach Auffassung der BaFin (allerdings auf das Deutschlandgeschäft beschränkt) auch CRR-Kreditinstitute mit Sitz im Ausland ein, sofern diese im Inland eine Zweigstelle oder sonstige physische Präsenz unterhalten oder auch nur im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs tätig sind.46) Dies ist jedoch insofern zweifelhaft, als dass Zweigstellen von Unternehmen mit Sitz im Ausland nach der Fiktion des § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG zwar als Kreditinstitute i. S. des KWG, nicht jedoch als CRR-Kreditinstitute gelten.47) Vom Anwendungsbereich zweifelsfrei ausgenommen sind CRR-Kreditinstitute, die ihren Sitz in einem anderen Staat des EWR haben und unter die Regelung des Europä___________ 43) Mitunter wird sogar daran gezweifelt, ob die Regelung überhaupt dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt, vgl. Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 3 Rz. 62. 44) Nur bei Überschreiten der in § 3 Abs. 2 Satz 1 KWG genannten Schwellenwerte ist es wegen der damit verbundenen Gefahren für die Solvenz des Instituts sowie die Finanzmarktstabilität erforderlich, das CRR-Kreditinstitut und die Gruppe, der ein solches angehört, von den Risiken aus riskanten Geschäften abzuschirmen, vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 28. 45) Abzustellen ist insoweit auf EU-rechtliche Terminologie. Entsprechend gilt die nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG für das deutsche Einlagengeschäft grundsätzlich bestehende Bereichsausnahme für die Ausgabe von Inhaber- und Orderverschreibungen hier nicht, vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BTDrucks. 17/12601, S. 40. Auch auf Seiten des Kreditgeschäfts ist die europäische Terminologie nicht mit dem deutschen Begriffsverständnis deckungsgleich, vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 94; instruktiv zum europäischen Kreditinstitutsbegriff: EZB, Stellungnahme v. 5.12.2008 zu einem Vorschlag für eine Richtlinie über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, ABl. (EU) C 30/1 v. 6.2.2009. 46) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 2 Nr. 2. Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäfte werden nach ständiger Verwaltungspraxis grenzüberschreitend im Inland betrieben, wenn sich der Dienstleistungserbringer im Inland „zielgerichtet an den Markt wendet“, um wiederholt und geschäftsmäßig Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen anzubieten, s. BaFin, Merkblatt, Hinweise zur Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 KWG i. V. m. § 1 Abs. 1 und Abs. 1a KWG von grenzüberschreitend betriebenen Bankgeschäften und/oder grenzüberschreitende erbrachten Finanzdienstleistungen, v. 1.5.2005, Stand: 11.3.2019. 47) Vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Vahldiek, KWG/CRR-VO, § 53 KWG Rz. 38.

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Trennbankenregelung

ischen Passes fallen. Dies wurde im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich in § 53b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KWG klargestellt.48) bb)

CRR-Gruppen

22 Die Trennbankenregelung findet auch auf CRR-Gruppen Anwendung. Maßgeblich ist insoweit der Gruppenbegriff nach § 10a KWG.49) Erfasst sind demnach alle Unternehmen, die in den aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis einzubeziehen sind, also nach den Regeln des § 10a KWG als Teil einer Institutsgruppe, Finanzholding-Gruppe oder gemischten Finanzholding-Gruppe anzusehen sind, der auch ein CRR-Kreditinstitut angehört (siehe zum aufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis allgemein § 5 Rz. 102 ff. [Nemeczek/ Pitz]). 23 Im Falle einer Institutsgruppe bedeutet dies, dass neben dem CRR-Kreditinstitut als übergeordnetem Unternehmen, sämtliche zu konsolidierende Tochterunternehmen im In- und Ausland erfasst werden, ebenso wie die (rechtlich unselbständigen) Zweigniederlassungen und Zweigstellen im Ausland. In der Konsequenz finden die deutschen Trennbankenregelungen damit auf globaler Ebene Anwendung. Nach § 10a KWG i. V. m. Art. 18 CRR umfassen die zu konsolidierenden Tochterunternehmen alle CRR-Institute (Kreditinstitute und Wertpapierfirmen) und Finanzinstitute (i. S. von Art. 4 Nr. 26 CRR) der Gruppe, einschließlich Kapitalverwaltungsgesellschaften i. S. von § 17 KAGB.50) Vom bankaufsichtsrechtlichen Konsolidierungskreis nicht erfasst sind aber Versicherungsunternehmen i. S. des § 1 VAG.51) b)

Schwellenwerte

24 Um nur die „größten CRR-Kreditinstitute und Gruppen“ den Trennbankenregeln zu unterwerfen, definiert § 3 Abs. 2 Satz 1 KWG in Anlehnung an die Vorschläge der LiikanenKommission52) Schwellenwerte in Abhängigkeit von bestimmten Handelspositionen. Die Schwellenwerte knüpfen an Definitionen der Rechnungslegung nach IFRS (Nr. 1: in den Kategorien „Held for Trading“ und „Available for Sale“ eingestufte Positionen i. S. des Art. 1 i. V. m Nr. 9 IAS 39 der Verordnung (EG) Nr. 1126/2008)53) und HGB (Nr. 2: dem „Handelsbestand“ und der „Liquiditätsreserve“ nach § 340e Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 HGB zuzuordnende Positionen) an. 25 Die Schwellenwerte sind jeweils überschritten, wenn die x

Bilanzsumme der maßgeblichen Handelspositionen des CRR-Kreditinstituts bzw. der Gruppe, der das Institut angehört, zum Abschlussstichtag des Vorjahres einen Wert von 100 Mrd. € übersteigt (absoluter Schwellenwert) oder die

Gesamtbilanzsumme des CRR-Kreditinstituts bzw. der Gruppe, der das Institut angehört, an den Abschlussstichtagen der drei vergangenen Geschäftsjahre jeweils mindestens 90 Mrd. € erreicht und der Anteil der maßgeblichen Handelspositionen 20 % der Bilanzsumme des vorausgegangenen Geschäftsjahrs übersteigt (relativer Schwellenwert). ___________ x

48) Der Vorbehalt des Allgemeininteresses gilt zwar für § 3 Abs. 1 KWG, nicht aber für § 3 Abs. 2 bis 4 KWG, vgl. Bericht des FA z. RegE TrennbankenG u. a., BT-Drucks. 17/13539, S. 17 (unter Hinweis auf eine mangelnde europarechtliche Grundlage). 49) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 1 Nr. 1. 50) Nicht erfasst ist dagegen das von Kapitalverwaltungsgesellschaften verwaltete Investmentvermögen, ebenso wie die von diesem gehaltenen Zweck- und Objektgesellschaften, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 1 Nr. 4. 51) Vgl. EBA, Single Rulebook Q&A, Question_ID 2013_383. 52) Vgl Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 40. 53) Verordnung (EG) Nr. 1126/2008 der Kommission v. 3.11.2008, ABl. (EU) L 320/1 v. 29.11.2008.

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II. Die deutsche Trennbankenregelung

Werden die genannten Schwellenwerte überschritten, sind das Eigengeschäft und die an- 26 deren nach § 3 Abs. 2 Satz 2 KWG genannten verbotenen Geschäfte in ihrer Gesamtheit, also nicht nur soweit die Schwellenwerte überschritten werden, binnen zwölf Monaten einzustellen oder auf ein Finanzhandelsinstitut zu übertragen.54) Die festgelegten Schwellenwerte sind Gegenstand vielfacher Kritik. So wird etwa kriti- 27 siert, dass i. R. der maßgeblichen Handelspositionen auch solche erfasst sind, die nicht Gegenstand der nach § 3 Abs. 2 Satz 2 KWG verbotenen Geschäfte sind und somit für die Einschätzung, ob risikoreiches Geschäft betrieben wird, an sich irrelevant sein sollten.55) Diese Diskrepanz kann zur Folge haben, dass ein Institut zwar die Schwellenwerte überschreitet, und somit die verbotenen Geschäfte separieren muss, diese aber nur einen äußerst geringen Anteil der Bilanz ausmachen und auch keine für das Finanzsystem insgesamt relevante Größenordnung erreichen.56) Dies hätte vermieden werden können, wenn sich der deutsche Gesetzgeber nicht nur hinsichtlich der Höhe der Schwellenwerte an den Vorschlägen der Liikanen-Kommission orientiert hätte,57) sondern auch dem Vorschlag gefolgt wäre, eine Bagatellgrenze einzuführen, die anhand der abzutrennenden Geschäfte berechnet wird.58) Für die Ermittlung der Schwellenwerte auf Einzelinstitutsebene ist das HGB maßgeb- 28 lich, auch wenn die Erstellung eines IFRS-Abschlusses auf freiwilliger Basis möglich ist.59) Schwellenwerte auf Ebene der Gruppe müssen sowohl auf Ebene jedes gruppenangehörigen CRR-Kreditinstituts (d. h. nicht nur auf Ebene des Instituts, das als übergeordnetes Unternehmen der Gruppe fungiert) als auch zusätzlich auf Gruppenebene ermittelt werden.60) Für gruppenangehörige Unternehmen, die nach IFRS bilanzieren, ist für die Berechnung der Schwellenwerte auf die nach IFRS-Kriterien maßgeblichen Handelspositionen abzustellen.61) Wird der maßgebliche Schwellenwert auf Gruppenebene überschritten, sind alle Unternehmen der Gruppe von der Trennbankenregelung erfasst und haben die verbotenen Geschäfte nach Ablauf von zwölf Monaten einzustellen oder zu übertragen. Dabei ist zu ___________ 54) Vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 41. 55) Vgl. DK, Stellungnahme zum RegE TrennbankenG (BT-Drucks. 17/12601), v. 17.4.2013, zu Art. 2, unter 1. b); s. a. Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 238. 56) Vgl. Bundesbank, Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 22.4.2013, v. 18.4.2013; dies kritisieren auch Brandi/Gieseler, DB 2013, 741, 746. 57) Die Liikanen-Kommission hatte einen absoluten Schwellenwert der Handelspositionen von 100 Mrd. € und einen relativen Schwellenwert von 15 bis 25 % der Gesamtbilanzsumme vorgeschlagen, vgl. Hochrangige Sachverständigengruppe zur Reformierung der EU-Bankenstruktur, Schlussbericht v. 2.10.2012, S. 101. 58) Vgl. Hochrangige Sachverständigengruppe zur Reformierung der EU-Bankenstruktur, Schlussbericht v. 2.10.2012, S. 101. Möglicherweise waren pragmatische Gründe für das Vorgehen des deutschen Gesetzgebers maßgeblich, jedoch werden dadurch die schwierigen Abgrenzungsfragen, die sich innerhalb der Verbotstatbestände stellen, letztlich nur „nach hinten“ geschoben. Weiter wird hinsichtlich der Berechnung der Schwellenwerte kritisiert, dass die nach HGB einzubeziehende Liquiditätsreserve auch Positionen enthält, die für bankaufsichtsrechtliche Zwecke der Liquiditätssteuerung vorgehalten werden müssen, daneben, dass die Positionen nach den IFRS und diejenigen nach HGB nicht deckungsgleich sind, was ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen zur Folge habe, vgl. Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 238. Schließlich wird auch die generelle Eignung der Schwellenwerte in Frage gestellt, da sie nur ein unpräziser Indikator für die Systemrelevanz sind, vgl. Möslein, BKR 2013, 397, 402; in diesem Sinne auch Altvater/Schweinitz, WM 2013, 625, 627. 59) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 3 Nr. 2. 60) Eine andere Lesart wäre nach Ansicht der BaFin nicht mit dem Gesetzeszweck vereinbar, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 3 Nr. 1. 61) Für das Mutterunternehmen finden entweder die IFRS-Vorgaben (bei kapitalmarktorientierten Unternehmen) oder die Regelungen des HGB sowie auf Einzelinstitutsebene ausschließlich HGB Anwendung. Ausländische Tochterunternehmen haben die Rechnungslegungsvorschriften in ihrem Sitzstaat einzuhalten, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 3 Nr. 3.

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Trennbankenregelung

beachten, dass für die gruppenangehörigen CRR-Kreditinstitute in der Einzelbetrachtung ein früherer Fristlauf in Gang gesetzt worden sein kann.62) 29 Während die Bundesregierung nach ersten Schätzungen „von 10 bis 12“ betroffenen Banken bzw. Bankengruppen ausging,63) fielen nach Aussage der BaFin Anfang 2016 11 Institute unter den Anwendungsbereich der Trennbankenregeln.64) Durch den sog. Brexit und die dadurch bedingte Verlagerung von Handelsgeschäft und -positionen nach Deutschland, könnte die Anzahl der betroffenen Institute in Zukunft steigen. 3.

Verbotene Geschäfte (sachlicher Anwendungsbereich)

30 § 3 Abs. 2 Satz 2 KWG zählt die Geschäfte auf, die „aufgrund ihres spekulativen Charakters und ihrer besonderen Gefährlichkeit für die Solvenz des CRR-Kreditinstituts und die Finanzmarktstabilität“ bei Überschreiten der Schwellenwerte nach § 3 Abs. 2 Satz 1 KWG verboten sind.65) Verboten sind x

das Eigengeschäft,

x

das Kredit- und Garantiegeschäft mit gehebelten Hedgefonds und

x

der Hochfrequenzhandel mit Ausnahme von Market-Making-Tätigkeiten.66)

a)

Eigengeschäft

31 Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 KWG verboten sind Eigengeschäfte i. S. des § 1 Abs. 1a Satz 3 KWG, also die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten i. S. des § 1 Abs. 11 KWG, die nicht Dienstleistung für andere und damit Eigenhandel i. S. des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG ist.67) Für die Abgrenzung zwischen Eigengeschäft und Eigenhandel kann die Verwaltungspraxis der BaFin herangezogen werden.68) Maßgeblich ist dabei, dass Eigengeschäften, im Gegensatz zum Eigenhandel, kein Dienstleistungscharakter zukommt. 32 Verboten sind indes nicht alle Eigengeschäfte. Erfasst werden sollen nach der Gesetzesbegründung nur spekulative Eigengeschäfte, namentlich Geschäfte mit dem Ziel, kurzfristige Marktpreisschwankungen auszunutzen.69) Neben der Abgrenzung des Eigengeschäfts vom Eigenhandel ist innerhalb des Eigengeschäfts also zusätzlich zwischen spekulativen und nicht spekulativen Eigengeschäften zu unterscheiden. Dies ergibt sich aus einer Gesamtschau mit dem Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Alt. 2 KWG, wonach Eigengeschäfte vom Verbotstatbestand ausgenommen sind, die nicht zu spekulati___________ 62) Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 107. 63) Vgl. die Nachw. bei Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 238; s. die Aufzählung gemessen an den Bilanzsummen bei van Kann/Rosak, BB 2013, 1475, 1476. 64) Vgl. Stubbe, BaFin-Journal 2/2016, 9, 10. 65) Vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 4, 41. 66) Wegen des insoweit gegebenen Dienstleistungscharakters bzw. mangels Gefährlichkeit für die Solvenz des CRR-Kreditinstituts bleiben dagegen folgende Tätigkeiten grundsätzlich erlaubt: Eigenhandel (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 lit. c KWG, einschließlich Geschäfte im Kundenauftrag [sog. Festpreisgeschäft]), Clearing und Zahlungsverkehr und Market Making i. S. der Leerverkaufsverordnung, Finanzkommissionsgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG), Emissionsgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 KWG), Tätigkeit als zentrale Gegenpartei (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 KWG), Anlage- und Abschlussvermittlung (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 und 2 KWG), Platzierungsgeschäft (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1c KWG), Finanzportfolioverwaltung (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG), vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/ 12601, S. 41. 67) Vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 41. 68) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 6 Nr. 1; s. dazu BaFin, Hinweise zu den Tatbeständen des Eigenhandels und des Eigengeschäfts, v. 22.3.2011, Stand: 15.5.2019. 69) Vgl. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 4.

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II. Die deutsche Trennbankenregelung

ven Zwecken geschlossen werden.70) Auch angesichts der weiteren Ausnahmetatbestände in § 3 Abs. 2 Satz 3 KWG, die vornehmlich auf das Eigengeschäft abzielen (siehe dazu noch unter Rz. 55 ff.), ergeben sich i. R. des Verbotstatbestands des Eigengeschäfts erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten.71) Für die Abgrenzung zum Eigenhandel stellt die Auslegungshilfe der BaFin zumindest 33 klar, dass in den Varianten des Eigenhandels „Market-Making“, „systematische Internalisierung“ und „Hochfrequenzhandel“ (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 lit. a, b und d KWG) der Dienstleistungscharakter nicht mehr besonders dargelegt werden muss.72) Ist mithin einer dieser Tatbestände erfüllt, liegt kein (verbotenes) Eigengeschäft vor. Schwierig ist aber insbesondere die Abgrenzung zwischen Eigengeschäft und Market-Making.73) Hierfür ist nach Ansicht der BaFin allein auf den Tatbestand des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 lit. a KWG abzustellen, nicht hingegen auf den Begriff der Market-Making-Tätigkeiten nach Art. 2 Abs. 1 lit. k der Verordnung (EU) 236/201274) (Leerverkaufsverordnung).75) Obwohl beide Definitionen des Market-Making vielfach synonym behandelt werden,76) dürfte dies letztlich eine Erweiterung des (erlaubten) Eigenhandels, und damit eine Verengung des (verbotenen) Eigengeschäfts, zur Folge haben.77) Die verbleibende Variante des Eigenhandels erfasst jede Anschaffung oder Veräußerung 34 von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung mit Dienstleistungscharakter (vgl. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 lit. c KWG). Der für die Abgrenzung zum verbotenen Eigengeschäft maßgebliche Dienstleistungscharakter ist dabei unabhängig von der zivilrechtlichen Ausgestaltung des Geschäfts.78) Er fehlt etwa, wenn die Geschäfte ohne einen entsprechenden Kundenauftrag erfolgen und auch sonst kein Handelsbezug für einen potentiellen Kunden zu erkennen ist oder sich das Unternehmen nicht bereithält, mit dem interessierten Publikum Geschäfte abzuschließen.79) Eigenhandel ist dagegen stets anzunehmen, wenn der Kundenauftrag vor Geschäftsabschluss vorliegt.80) Gerade in Fällen, bei denen vor Geschäftsabschluss kein Kundenauftrag vorlag, sondern lediglich die Absicht bestand, die betreffenden Finanzinstrumente für andere anzuschaffen, ist die Abgrenzung schwierig. Maßgeblich ist hierbei die Intention bei Abschluss des Geschäfts. Um einer Umge___________ 70) Vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 42; Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 110, der in diesem Zusammenhang von sachlich gebotenen Korrekturen spricht, da das „Eigengeschäft“ auch Geschäfte ohne spekulativen Charakter erfasse, auf die die Trennbankenregelung gerade nicht zielte. 71) Vgl. auch Kumpan, ZBB 2014, 201, 206 f.; Möslein, BKR 2013, 397, 402. Vgl. zur Abgrenzung zwischen Market-Making und Eigengeschäft allgemein Müller-Lankow, WM 2017, 2335. 72) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 6 Nr. 3.1. In Bezug auf den Hochfrequenzhandel ist dies zwar nicht nachvollziehbar, wird der Hochfrequenzhandel nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 lit. d KWG doch explizit unabhängig vom Vorliegen eines Dienstleistungscharakters dem Eigenhandel zugeordnet. Letztlich kann dies aber dahinstehen, da der Hochfrequenzhandel durch § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 KWG eigens adressiert wird. 73) Vgl. hierzu Kumpan, ZBB 2014, 201, 208 f.; s. a. Auerbach/Hamm, WPg 2017, 830, 833. 74) Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.3.2012 – Leerverkaufsverordnung, ABl. (EU) L 86/1 v. 24.3.2012. 75) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 23 Nr. 1. 76) Vgl. etwa Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 1 Rz. 122. 77) Betont die BaFin doch, dass der i. R. des Verbots des Hochfrequenzhandels maßgebliche Begriff des Market-Making i. S. der Leerverkaufsverordnung, etwa hinsichtlich der Möglichkeit, einen Bestand an Finanzinstrumenten vorzuhalten (Inventory), eng auszulegen ist, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 23 Nr. 2. 78) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 6 Nr. 3.2. 79) BaFin, Hinweise zu den Tatbeständen des Eigenhandels und des Eigengeschäfts, v. 22.3.2011, Stand: 15.5.2019, unter 1. lit. e. 80) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 6 Nr. 3.2.

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Trennbankenregelung

hung des Eigengeschäftsverbots vorzubeugen,81) fordert die BaFin einen objektivierbaren Nachweis für den Dienstleistungscharakter eines Geschäfts. Die Institute haben entsprechend geeignete Verfahren zu entwickeln anhand derer sie nachweisen können, dass sie die von ihnen getätigten Geschäfte den Begriffen „Eigenhandel“ bzw. „Eigengeschäft“ korrekt zugeordnet haben.82) 35 Ein verbotenes Eigengeschäft liegt schließlich nur dann vor, wenn sich der Handel, also die Anschaffung oder Veräußerung,83) auf Finanzinstrumente i. S. des § 1 Abs. 11 KWG bezieht. Der Begriff des Finanzinstruments umfasst x

Aktien (Satz 1 Nr. 1),

x

Vermögensanlagen (Satz 1 Nr. 2),

x

Schuldtitel, die ihrer Art nach auf den Kapitalmärkten handelbar sind (Satz 1 Nr. 3),

x

sonstige Rechte (Satz 1 Nr. 4),

x

Anteile an Investmentvermögen84) (Satz 1 Nr. 5),

x

Geldmarktinstrumente (Satz 1 Nr. 6),

x

Devisen und Rechnungseinheiten (Satz 1 Nr. 7),

x

Derivate (Satz 1 Nr. 8),

x

Emissionszertifikate (Satz 1 Nr. 9) sowie

x

Kryptowerte (Satz 1 Nr. 10).85)

36 Keine Finanzinstrumente sind – auch nach Auffassung der BaFin, jedenfalls für Zwecke der Trennbankenregelung –, mangels Standardisierung, grundsätzlich Kredite, einschließlich notleidender Kredite.86) Ebenfalls keine Finanzinstrumente sind laut BaFin in der Re___________ 81) Auf eine Umgehungsgefahr bei ausschließlicher Maßgeblichkeit subjektiver Kriterien hinweisend, vgl. Möslein, BKR 2013, 397, 402. 82) Dabei ist es nicht zwingend erforderlich, anhand einzelner Transaktionen den Dienstleistungscharakter eines Geschäfts nachzuweisen. Vielmehr ist ein solcher Nachweis auch unter Bezugnahme auf den Geschäftszweck („Angebot auf dem Markt“) oder die Geschäfts- oder Handelsstrategien möglich. Den in der Geschäfts- bzw. Handelsstrategie auf den Eigenhandel und das Eigengeschäft entfallenden Größenordnungen kann hierfür eine Indizwirkung zukommen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 6 Nr. 4. 83) Sowohl das „Anschaffen“ (insb. der Kauf) als auch das „Veräußern“ (insb. der Verkauf) reicht für sich genommen aus, um den Tatbestand zu erfüllen. Erfasst ist dabei jeweils jedes auf einen abgeleiteten Erwerb zu Eigentum gerichtete Rechtsgeschäft unter Lebenden, vgl. BaFin, Hinweise zu den Tatbeständen des Eigenhandels und des Eigengeschäfts, v. 22.3.2011, Stand: 15.5.2019, unter 1. lit. c. 84) Sog. Seeding- und Co-Investment-Aktivitäten werden aber grundsätzlich nicht vom Verbot des Eigengeschäfts erfasst, wenn sie im engen Zusammenhang mit der kundenbezogenen Verwaltungstätigkeit stehen und ohne kurzfristige Gewinnerzielungsabsicht erfolgen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 7 Nr. 4. 85) Vgl. dazu BaFin, Merkblatt, Hinweise zu Finanzinstrumenten nach § 1 Abs. 11 Sätze 1 bis 5 KWG (Aktien, Vermögensanlagen, Schuldtitel, sonstige Rechte, Anteile an Investmentvermögen, Geldmarktinstrumente, Devisen, Rechnungseinheiten, Emissionszertifikate und Kryptowerte), v. 20.12.2011, Stand: 26.2.2020; BaFin, Merkblatt, Finanzinstrumente (Derivate), v. 21.5.2012, Stand: 30.4.2018. 86) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 7 Nr. 1.2 (vorbehaltlich (nur) einer Qualifikation als Geldmarktinstrument). Diese klare Aussage für Zwecke der Trennbankenregelung ist insofern beachtlich, als dass sie in Widerspruch zu anderen Verlautbarungen der BaFin steht. An anderer Stelle ist nach Ansicht der BaFin etwa der „Verkauf von (Teil-)Kreditforderungen“ als Vermögensanlage i. S. von § 1 Abs. 2 Nr. 7 VermAnlG, und damit als Finanzinstrument i. S. von § 1 Abs. 11 Satz 1 Nr. 2 KWG, zu qualifizieren, vgl. BaFin, Merkblatt, Hinweise zu Finanzinstrumenten nach § 1 Abs. 11 Sätze 1 bis 5 KWG (Aktien, Vermögensanlagen, Schuldtitel, sonstige Rechte, Anteile an Investmentvermögen, Geldmarktinstrumente, Devisen, Rechnungseinheiten, Emissionszertifikate und Kryptowerte), v. 20.12.2011, Stand: 26.2.2020, unter 2. b) bb) (7); s. a. BaFin, Auslegungsschreiben zum Crowdlending, v. 9.10.2015, unter 2.2.2. In dieser Frage, deren Relevanz und Tragweite weit über die Trennbankenregelung hinausreicht, ist dringend eine Klarstellung seitens der Aufsicht geboten.

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II. Die deutsche Trennbankenregelung

gel Schuldscheindarlehen (außer solche mit einer Fälligkeit bei der Emission von maximal 397 Tagen, die als Geldmarktinstrumente qualifizieren)87) und grundsätzlich auch Namensschuldverschreibungen.88) b)

Kredit- und Garantiegeschäft

Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KWG verboten sind Kredit- und Garantiegeschäfte mit ge- 37 hebelten Hedgefonds und deren Verwaltungsgesellschaften. Das Verbot des Kredit- und Garantiegeschäfts soll verhindern, dass „die Solvenz des Instituts bei einem Ausfall der Darlehens- und Garantienehmer beeinträchtigt wird“.89) aa)

Kreditgeschäft

Verboten ist Kreditgeschäft i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG.90) Es gilt somit der en- 38 ge Kreditbegriff i. S. des bankaufsichtsrechtlichen Erlaubnistatbestands, nicht der weite (wirtschaftliche) Kreditbegriff i. S. des § 19 KWG.91) § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG definiert Kreditgeschäft als Gewährung von Gelddarlehen und Akzeptkrediten. Für die Bestimmung, was Gelddarlehen i. S. des Tatbestands ist, ist grundsätzlich das Zivilrecht maßgeblich.92) Vom Verbotstatbestand erfasst sind mithin grundsätzlich alle Darlehen i. S. des § 488 BGB, und zwar unabhängig davon, ob Zinsen bedungen sind oder der Geldbetrag an den Darlehensnehmer oder auf dessen Weisung an einen Dritten ausgezahlt wird. Auch Art und Umfang einer Besicherung des Gelddarlehens spielen i. R. des Erlaubnistatbestands des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KWG grundsätzlich keine Rolle.93) Auch ist hier unerheblich, ob ein Dienstleistungscharakter gegeben ist oder nicht.94) Da der Begriff des Kreditgeschäfts i. S. des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KWG nur die „Gewäh- 39 rung“ von Gelddarlehen und damit den Abschluss eines Darlehensvertrages umfasst, ist beim bloßen Ankauf von Krediten grundsätzlich kein verbotenes Kreditgeschäft gegeben.95) Ebenso kein verbotenen Kreditgeschäft sind Wertpapierpensionsgeschäfte (Repurchase Agreements)96) und Wertpapierdarlehen.97) Wertpapierpensionsgeschäfte werden zivilrecht___________ 87) Vgl. § 1 Abs. 11 Satz 3 KWG i. V. m. Art. 11 Delegierte VO (EU) 2017/565. 88) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 7 Nr. 1.1. Die Aussage, dass Namensschuldverschreibungen – für Zwecke der Trennbankenregelung – „in der Regel“ keine Finanzinstrumente sind, ist insofern beachtlich, als dass Namenschuldverschreibungen nach § 1 Abs. 2 Nr. 6 VermAnlG als Vermögensanlagen und damit nach § 1 Abs. 11 Satz 1 Nr. 2 KWG grundsätzlich als Finanzinstrumente zu qualifizieren sind. Diesen (vermeintlichen) Widerspruch erkennt die BaFin sogar ausdrücklich an, löst ihn jedoch – praktisch wenig hilfreich – nicht auf, vgl. BaFin, Konsultation 20/2018, Entwurf einer aktualisierten Fassung der Auslegungshilfe zum Art. 2 Abschirmungsgesetz, v. 28.12.2018 (R 1-FR 2311-2017/0007), unter B 1 Nr. 2.1.1. 89) Vgl. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 4. Beide Geschäftstypen zählen an sich nicht zum Investmentbanking, sondern zum traditionellen Bankgeschäft. Das Gesetz rechnet den Instituten mit dem Verbot gewissermaßen das spekulative Tun ihrer Kunden zu, Möslein, BKR 2013, 397, 403. 90) Vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 41. 91) Vgl. auch BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 8 Nr. 1. 92) Entsprechend der aufsichtsrechtlichen Praxis ist bei der Subsumtion unter den Tatbestand auf den objektiven Erklärungsinhalt der übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien abzustellen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 8 Nr. 1. 93) Vgl. BaFin, Merkblatt, Hinweise zum Tatbestand des Kreditgeschäfts, v. 8.1.2009, Stand: 5/2016, unter 1. a). 94) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 8 Nr. 2. 95) Anders liegt der Fall, wenn der Ankauf des Kredits mit einer neuen Kreditentscheidung, etwa einer Prolongation, einhergeht, vgl. BaFin, Merkblatt, Hinweise zum Tatbestand des Kreditgeschäfts, v. 8.1.2009, Stand: 2.5.2016, unter 1. a) bb) (4). 96) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 8 Nr. 1. 97) Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 118; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 3 Rz. 30.

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lich als Kauf von Wertpapieren mit einem entsprechenden Rückkauf zu einem zukünftigen Termin qualifiziert, Wertpapierdarlehen als Sachdarlehen i. S. des § 607 Abs. 1 BGB.98) Nicht erfasst sind ebenfalls (Kredit-)Derivategeschäfte.99) 40 Gegenstand erheblicher Kritik war bereits im Gesetzgebungsprozess der Umstand, dass der Verbotstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KWG mit seinem Verweis auf das Kreditgeschäft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG auch solche Kredite erfasst, die mit werthaltigen Sicherheiten unterlegt sind.100) In der Tat ist nicht einzusehen, warum eine Besicherung, die i. R. der Eigenmittelanforderungen kreditrisikomindernd berücksichtigt wird101) – vgl. Artt. 192 ff. CRR wie auch bereits §§ 154 ff. SolvV102) a. F. – nichts an der Risikoträchtigkeit eines Kreditgeschäfts i. R. der Trennbankenregelung ändern soll.103) Die durch die BaFin vorgenommene Korrektur ist daher nicht nur sachlich geboten, sondern auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit angezeigt. Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechend, ist der Verbotstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KWG derart teleologisch zu reduzieren, dass vollbesichertes Kredit- und Garantiegeschäft nicht unter das Verbot fällt, wenn die rechtswirksam bestellten Sicherheiten eine ausreichende Qualität aufweisen.104) Die gestellten Sicherheiten müssen so beschaffen sein, dass sie im Falle einer Verwertung mit hoher Wahrscheinlichkeit jederzeit sämtliche Forderungen aus dem Kredit- und Garantiegeschäft vollständig abdecken. Für eine ausreichende Qualität der gestellten Sicherheiten ist es erforderlich, dass diese in allen relevanten Rechtsräumen rechtswirksam und durchsetzbar sind und mit hoher Wahrscheinlichkeit zeitnah verwertet werden können.105) 41 Während die BaFin den Verbotstatbestand in dieser Hinsicht teleologisch reduziert, nimmt sie an anderer Stelle eine den Tatbestand erweiternde „risikoorientierte Auslegung“ vor. Diese betrifft das Verbot mittelbarer Kredit- und Garantiegeschäfte.106) § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KWG verbietet nach seinem Wortlaut nur das Kredit- und Garantiegeschäft (unmittelbar) „mit“ den genannten Gegenparteien. Darauf ist der Tatbestand zwar ___________ 98) Vgl. Storck in: Zerey, Finanzderivate, § 15 Rz. 5 bzw. § 14 Rz. 6. 99) Vgl. BaFin, Merkblatt, Hinweise zum Tatbestand des Kreditgeschäfts, v. 8.1.2009, Stand: 2.5.2016, unter 1. a) bb) (4); auch Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 240. 100) Vgl. DK, Stellungnahme zum RegE TrennbankenG (BT-Drucks. 17/12601), v. 17.4.2013, zu Art. 2, unter 2.; s. a. Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 240; Kumpan, ZBB 2014, 201, 208. 101) Nach dem Kreditrisiko-Standardansatz tritt im Falle einer besicherten Kreditvergabe das Risikogewicht des Sicherungsinstruments bei vollständiger Besicherung an die Stelle des Risikogewichts der abgesicherten Position und damit an die Stelle des Risikogewichts des Kreditnehmers (Art. 222 Abs. 3 Satz 1 CRR, § 185 Abs. 1 Satz 1 SolvV a. F., sog. Substitutionsprinzip), wobei das Risikogewicht des besicherten Teils grundsätzlich mindestens 20 % beträgt (Art. 222 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 1 CRR). 102) Solvabilitätsverordnung – SolvV, v. 6.12.2013, BGBl. I 2013, 4168. 103) Dies gilt umso mehr als das Verbot des Kredit- und Garantiegeschäfts gerade bezweckt, die Solvenz des Instituts vor einem Ausfall der Darlehens- und Garantienehmer zu schützen. 104) In diesem Fall besteht kein erhöhtes Risiko für das CRR-Kreditinstitut, so dass ein Verbot sinnwidrig und eine daran anknüpfende Strafbarkeit unbotmäßig wäre. Die BaFin verweist zudem zu Recht darauf, dass vergleichbare Ansätze auch in den französischen Trennbankenregeln und im Entwurf der Trennbankenverordnung auf europäischer Ebene zu finden sind, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 8 Nr. 3. 105) Darüber hinaus stellt die BaFin noch Organisations- und Dokumentationspflichten auf. Ist die Besicherung in ihrem Umfang oder ihrer Qualität während der Laufzeit des Kredits nicht mehr ausreichend, ist unverzüglich Abhilfe zu schaffen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 8 Nr. 3. Die BaFin stellt klar, dass während des Zeitraums, in dem die ausreichende Besicherung wiederhergestellt wird, ein enges Monitoring des Kunden erfolgen muss und dass die Wiederherstellung der ausreichenden Besicherung längstens drei Monate dauern darf, vgl. BaFin, Konsultation 20/2018, Entwurf einer aktualisierten Fassung der Auslegungshilfe zum Art. 2 Abschirmungsgesetz, v. 28.12.2018 (R 1-FR 2311-2017/0007), unter B 2.1 Nr. 1.3.5. 106) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 9.

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II. Die deutsche Trennbankenregelung

auch grundsätzlich beschränkt, jedoch sollen darüber hinaus auch mittelbare Kredit- und Garantiegeschäfte erfasst sein, deren vornehmlicher Zweck, die Umgehung der verbotenen Geschäfte ist. Gemeint sind solche rechtlichen Gestaltungen, bei denen dem unmittelbaren Geschäftspartner des CRR-Kreditinstituts das Ausfallrisiko einer der in § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KWG genannten Gegenparteien wirtschaftlich zuzurechnen ist.107) Auch wenn diese erweiternde Auslegung der BaFin im Lichte des Zwecks der Trennbankenregelung nachvollziehbar ist, entstehen hier in der Praxis erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten. Die dadurch entstehende Rechtsunsicherheit108) ist nicht zuletzt angesichts der Strafbarkeit eines Verstoßes gegen die Verbotstatbestände nach § 3 Abs. 2 Satz 2 KWG (vgl. § 54 KWG) kritisch zu sehen. bb)

Garantiegeschäft

Verboten ist das Garantiegeschäft i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 KWG.109) Garantiege- 42 schäft ist definiert als die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen für andere. Kennzeichnend für das Garantiegeschäft ist die Kreditersatzfunktion. Dabei geht es im Kern immer um den Abschluss einer rechtsverbindlichen Vereinbarung, auf deren Grundlage ein Gewährleistender (der Avalkreditgeber) einem anderen (Begünstigter) für die Verbindlichkeit eines Dritten (Avalkreditnehmer) einsteht.110) § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KWG verbietet nach seinem Wortlaut Garantiegeschäfte „mit“ gehebelten Hedgefonds. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Hedgefonds auch die andere Vertragspartei des Garantievertrags ist. Vielmehr sollte entsprechend dem Gesetzeszweck, nämlich dem Schutz der Solvenz des Instituts vor dem Ausfallrisiko des Hedgefonds, maßgeblich sein, ob der Hedgefonds Avalkreditnehmer ist, also diejenige Person, für dessen Ausfall das garantiegebende Institut ggf. einzustehen verspricht. Die Person des Begünstigten des Garantieversprechens ist insofern nicht von Belang.111) Vom Verbot grundsätzlich umfasst sind laut BaFin Gewährleistungen zugunsten zentraler 43 Gegenparteien oder Zentralverwahrern, die das Institut in seiner Funktion als Clearingmitglied im Zusammenhang mit der Abwicklung der von den Kunden erteilten Aufträge ___________ 107) Eine solche Zurechnung soll im Regelfall insb. bei einem Kredit an eine Zweck- bzw. Objektgesellschaft gegeben sein, wenn diese Gesellschaft eine direkt oder indirekt kontrollierte Finanz- und Rechtsstruktur ist und dazu ausschließlich als Vehikel für die Umsetzung der Anlagestrategie der Portfolioverwaltung genutzt wird. Letzteres ist bei einer operativen Tätigkeit der Gesellschaft ausgeschlossen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 9 Nr. 2. 108) So stellt sich etwa die Frage, ob auch in diesem Fall die Ausnahme für vollbesichertes Kredit- und Garantiegeschäft gilt, was folgerichtig wäre, und in welchen Fällen ein Ansteckungsrisiko „aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder ergänzender vertragsrechtlicher Vereinbarungen ausgeschlossen ist“, vgl. dazu BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 9 Nr. 2.2. In ihrem Konsultationsentwurf bejaht die BaFin die erste Frage (vgl. BaFin, Konsultation 20/2018, Entwurf einer aktualisierten Fassung der Auslegungshilfe zum Art. 2 Abschirmungsgesetz, v. 28.12.2018 (R 1-FR 2311-2017/0007), unter B 2.1 Nr. 6.1) und konkretisiert auch den zweiten Aspekt (vgl. dort unter B 2.1 Nr. 4.2.2). Insgesamt enthält der Entwurf der BaFin in diesem Bereich die meisten Änderungen. 109) Vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 41. 110) In einer typischen Konstellation des Avalkredits (bzw. der Kreditleihe) gewährt A dem C einen Kredit, nachdem die Bank B dem A die Rückführung des Kredits verbürgt. Auf diese Weise leiht B dem C ihre Kreditwürdigkeit und „gibt ihm so Kredit“, vgl. BaFin, Merkblatt, Hinweise zum Tatbestand des Garantiegeschäfts, v. 8.1.2009, Stand: 3.4.2020. 111) In diesem Sinne auch Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 119. Auch die Auslegungshilfe der BaFin spricht von einer Garantie „im Auftrag“ der in § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KWG genannten Personen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 9 (Frage). In ihrem Konsultationsentwurf teilt die BaFin dieses Verständnis ausdrücklich (die maßgebliche Adresse für den Verbotstatbestand ist grundsätzlich die Person, für deren Ausfall der Garantiegeber ggf. einzustehen hat), vgl. BaFin, Konsultation 20/2018, Entwurf einer aktualisierten Fassung der Auslegungshilfe zum Art. 2 Abschirmungsgesetz, v. 28.12.2018 (R 1-FR 2311-2017/0007), unter B 2.1 Nr. 3.3.

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übernimmt. Dies gilt jedoch ausnahmsweise dann nicht, wenn die übernommene Gewährleistung aufgrund auch im Inland anerkannter regulatorischer Vorgaben gerade die Voraussetzung dafür ist, dass das Geschäft abgewickelt werden kann, insofern also keine Wahlmöglichkeit besteht.112) Sog. Agency Lending, also Garantien zugunsten von Depotkunden, die das Institut in seiner Funktion als Wertpapierleihe-Vermittler gewährt, wenn es Wertpapiere seiner Depotkunden i. R. einer Wertpapierleihe an die Gegenpartei übereignet, ist nach Ansicht der BaFin nicht vom Verbotstatbestand erfasst, sofern die Kunden nicht zu dem nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KWG genannten Personenkreis gehören.113) cc)

Gehebelte Hedgefonds und deren Verwaltungsgesellschaften

44 Kredit- und Garantiegeschäfte sind nur dann verboten, wenn sie mit dem in § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 lit. a und b KWG genannten Personenkreis betrieben werden. Erfasst werden sollen dadurch Hedgefonds sowie „andere Unternehmen, die eine mit Hedgefonds vergleichbare Risiko- und Refinanzierungsstruktur mit hohem Fremdkapitaleinsatz (Leverage) aufweisen“.114) Für die gesetzliche Anknüpfung maßgeblich ist einerseits der Begriff des alternativen Investmentfonds (AIF), andererseits der nach den Anlagebedingungen des AIF zulässige bzw. der vom AIF tatsächlich eingesetzte Leverage. Das Gesetz unterscheidet zwischen Inlands- und Auslandsgeschäft und erfasst i. E. x

Hedgefonds i. S. des § 283 Abs. 1 KAGB oder Dach-Hedgefonds i. S. des § 225 Abs. 1 KAGB oder, sofern die Geschäfte i. R. der Verwaltung eines Hedgefonds getätigt werden, deren Verwaltungsgesellschaften (lit. a: deutsche Hedgefonds) und

x

EU-AIF oder ausländische AIF i. S. des KAGB, die in beträchtlichen Umfang Leverage i. S. des Art. 111 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 231/2013115) einsetzen, oder, sofern die Geschäfte i. R. der Verwaltung des EU-AIF oder ausländischen AIF abgeschlossen werden, deren Verwaltungsgesellschaften (lit. b: europäische oder ausländische Hedgefonds).

45 Der Kreis der erfassten deutschen Hedgefonds ist in lit. a abschließend geregelt.116) Hedgefonds i. S. des § 283 Abs. 1 KAGB sind offene inländische Spezial-AIF nach § 282 KAGB, deren Anlagebedingungen entweder den Einsatz von Leverage in beträchtlichem Umfang oder Leerverkäufe vorsehen. Vom Verbotstatbestand nicht erfasst sind dagegen inländische geschlossene Spezial-AIF.117) Dach-Hedgefonds i. S. des § 225 Abs. 1 KAGB ___________ 112) Anderenfalls wäre es deutschen Banken unmöglich, Kundengeschäfte etwa nach dem US-amerikanischen Clearing-Modell abzuwickeln. Dies stünde im Widerspruch zu den G20-Beschlüssen von Pittsburgh und der europäischen Umsetzung dieser Beschlüsse (EMIR), vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 10 Nr. 5 lit. a. 113) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 10 Nr. 6. Unklar ist indes, welchen konkreten Fall die BaFin hier adressiert. Das i. R. des sog. Agency Lending dem Kunden gegebene Garantieversprechen ist für gewöhnlich darauf gerichtet, dass der Kunde seine Wertpapiere von der Gegenpartei des Wertpapierleihgeschäfts wieder zurückerhält. Das Institut trägt also das Ausfallrisiko der Gegenpartei, nicht dasjenige des Kunden. Insofern müsste also maßgeblich sein, ob die Gegenpartei, und nicht der Kunde, zu dem in § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KWG genannten Personenkreis zählt. Die BaFin möchte – konzeptionell sinnwidrig – sowohl auf die Gegenpartei als auch auf den Kunden abstellen, vgl. BaFin, Konsultation 20/2018, Entwurf einer aktualisierten Fassung der Auslegungshilfe zum Art. 2 Abschirmungsgesetz, v. 28.12.2018 (R 1-FR 2311-2017/0007), unter B 2.1 Nr. 8.6. Es steht zu hoffen, dass die BaFin diese Position nochmals überdenkt. Es erscheint insgesamt fernliegend, dass i. R. des Agency Lending erhöhte Risiken eingegangen werden. 114) Vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 41. 115) Delegierte Verordnung (EU) Nr. 231/2013 der Kommission v. 19.12.2012, ABl. (EU) L 83/1 v. 22.3.2013. 116) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 20. 117) Vgl. auch BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 19. Die damit einhergehende Privilegierung von Geschäften mit diesen AIF ist bereits im Gesetz angelegt, vgl. Habetha, ZIP 2014, 9, 13; Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 114.

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sind AIF, die in inländische Hedgefonds (§ 283 Abs. 1 KAGB) oder EU- oder ausländische AIF mit einer einem inländischen Hedgefonds vergleichbaren Anlagepolitik als Zielfonds investieren.118) EU-AIF sind nur solche AIF, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der EU bzw. 46 des EWR unterliegen (§ 1 Abs. 3, 8 KAGB). Ausländischer AIF ist gemäß § 1 Abs. 9 KAGB jeder AIF, der dem Recht eines Drittstaats, also eines Staates außerhalb der EU bzw. des EWR, unterliegt. Im Gegensatz zu inländischen Hedgefonds werden über diese Definition auch geschlossene EU-AIF und geschlossene ausländische AIF erfasst,119) vorausgesetzt dass sie Leverage in beträchtlichem Umfang einsetzen. Dies ist nach Art. 111 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 231/2013 der Fall, wenn das nach der „CommitmentMethode“ nach Art. 8 dieser Verordnung berechnete Engagement („Exposure“) eines AIF seinen Nettoinventarwert dreifach übersteigt. Während bei EU-AIF und ausländischen AIF also die tatsächlich eingesetzte Leverage maßgeblich (und daher zu ermitteln) ist, kommt es bei inländischen Hedgefonds lediglich darauf an, dass die Anlagebedingungen Leverage von einem beträchtlichen Umfang vorsehen.120) Während die Qualifikation der Gegenpartei für das Kredit- und Garantiegeschäft für 47 deutsche Hedgefonds mit Verweis auf §§ 283 Abs. 1 bzw. 225 Abs. 1 KAGB klar definiert ist, kann für EU- und EWR-AIF auf den durch die Richtlinien 2011/61/EU121) (AIFMRichtlinie) und 2009/65/EG122) (OGAW-Richtlinie) vereinheitlichten Normbestand des Investmentrechts zurückgegriffen werden. Die für AIF maßgebliche Definition, d. h. „Investmentvermögen, die keine Organismen für gemeinsame Anlagen i. S. der OGAWRichtlinie sind“ (§ 1 Abs. 3 KAGB), lässt sich damit für europäische AIF mit vertretbarem Aufwand durchexerzieren. Erhebliche praktische Probleme bestehen indes bei ausländischen AIF. Hier ist für jedes einzelne Anlagevehikel zu prüfen, ob es dem materiellen Begriff des Investmentvermögens nach § 1 Abs. 1 KAGB unterfällt.123) Da Organismen für gemeinsame Anlagen i. S. der OGAW-Richtlinie innerhalb der EU/dem EWR belegen sein müssen, sind entsprechend alle Fonds, die nicht in der EU/dem EWR belegen sind und den materiellen Begriff des Investmentvermögens erfüllen, als (ausländischer) AIF zu qualifizieren.124) ___________ 118) Im Unterschied zu den Zielfonds dürfen Dach-Hedgefonds selbst grundsätzlich weder Leverage aufnehmen noch Leerverkäufe tätigen, vgl. dazu i. E. Habetha, ZIP 2014, 9, 15. 119) Vgl. Habetha, ZIP 2014, 9, 15. 120) Vgl. Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 240; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 3 Rz. 32. 121) Vgl. Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 8.6.2011 – AIFM-Richtlinie, ABl. (EU) L 174/1 v. 1.7.2011. 122) Vgl. Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.7.2009 – OGAW-Richtlinie, ABl. (EU) L 302/32 v. 17.11.2009. 123) Vom materiellen Begriff des Investmentvermögens erfasst wird jeder Organismus für gemeinsame Anlagen, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren und der kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist. Vgl. dazu BaFin, Auslegungsschreiben zum Anwendungsbereich des KAGB und zum Begriff des „Investmentvermögens“, v. 14.6.2013 (Q 31-Wp 2137-2013/0006), Stand: 9.3.2015. 124) Vgl. auch BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 18. Dies entspricht zwar dem Gesetzeswortlaut, ist aber in der Sache nicht überzeugend, da es auch außerhalb der EU Fondstypen gibt, die – wie etwa U.S. Mutual Funds – vergleichbaren Anlagebeschränkungen unterliegen wie OGAW. Die BaFin greift diesen Aspekt auf, vgl. BaFin, Konsultation 20/2018, Entwurf einer aktualisierten Fassung der Auslegungshilfe zum Art. 2 Abschirmungsgesetz, v. 28.12.2018 (R 1-FR 2311-2017/0007), unter B 2.2 Nr. 4. Zwar sei es nicht möglich US 1940 Act Funds unter Hinweis auf ein mit OGAW vergleichbares Risikoprofil und gleichwertiges Aufsichtsregime generell vom Verbotstatbestand auszunehmen, jedoch könnten sich die Institute grundsätzlich darauf verlassen, dass US 1940 Act Funds aufgrund der für sie geltenden gesetzlichen Beschränkungen kein Leverage im beträchtlichen Umfang einsetzen, es sei denn, sie haben Kenntnis vom Gegenteil.

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48 Auch die Ermittlung des Leverage stellt bei ausländischen AIF eine Herausforderung dar, da diese grundsätzlich nicht der Berichterstattungspflicht nach der AIFM-Richtlinie unterliegen125) und ihren Leverage daher auch nicht nach Maßgabe der in der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 231/2013 vorgesehenen Methoden berechnen. Diesem Umstand trägt die BaFin durch ein differenziertes System zur Ermittlung des Leverage Rechnung.126) Für die Ermittlung ist im Ausgangspunkt auf die Anlagebedingungen des AIF zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kredit- oder Garantiegeschäfts abzustellen.127) Für (EU/EWR-)AIF, die der Berichterstattungspflicht nach der AIFM-Richtlinie unterliegen, ist maßgeblich, ob in den Anlagebedingen der Einsatz von Leverage in beträchtlichem Umfang ausgeschlossen ist. Ist dies der Fall, können sich die Institute auf diese Angaben grundsätzlich verlassen. Anderenfalls kommt es auf den tatsächlich eingesetzten Leverage im Zeitpunkt des Abschlusses der rechtsverbindlichen Vereinbarung an.128) Für ausländische AIF, die nicht der AIFM-Berichterstattungspflicht unterliegen, haben die Institute auf „geeignete alternative Prozesse“ zur Ermittlung oder Schätzung des Leverage abzustellen. Diese umfassen das Abstellen auf den veröffentlichten Leverage, die Einholung von Zusicherungen durch den AIF und die Nutzung anderer Informationen, die eine Berechnung des Leverage nach Maßgabe der europäischen Commitment-Methode ermöglichen. Ist all dies nicht möglich, ist zu unterstellen, dass der AIF Leverage in beträchtlichem Umfang einsetzt.129) 49 Unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 lit. b KWG, welcher auf den „Einsatz“ eines beträchtlichen Leverage abstellt, ist es nach Ansicht der BaFin zusätzlich zur erstmaligen Ermittlung erforderlich, dass Institute den Leverage des AIF überprüfen, wenn und solange sie das Kredit- und Garantiegeschäft mit diesem Kunden betreiben.130) Auch hier ist wiederum zwischen AIF zu differenzieren, die der (regelmäßigen) Berichterstattungspflicht nach der AIFM-Richtlinie unterliegen, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist.131) Erlangt das kredit- oder garantiegebende Institut davon Kenntnis, dass ein AIF Leverage in beträchtlichem Umfang einsetzt, so hat das Institut mit dem AIF-Manager abzustimmen, ob die Überschreitung der Erheblichkeitsgrenze innerhalb einer angemessenen Zeitspanne (im Regelfall drei Monate) zurückgefahren werden kann.132) Setzt der AIF auch nach Ablauf dieser Frist weiterhin oder innerhalb von zwölf Monaten erneut Leverage in beträchtlichem Umfang ein, hat das Institut das Kredit- oder Garantiegeschäft (unabhängig von bestehenden Kündigungsrechten) grundsätzlich sofort ___________ 125) Dies ist anders, wenn der entsprechende AIF in Europa vertrieben wird, vgl. Art. 23 Abs. 5 AIFMRichtlinie. 126) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 12, 14, 15, 17, 18. 127) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 14 Nr. 1. 128) Für dessen Ermittlung kann auf die Berichterstattung des AIF abgestellt werden, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 14 Nr. 1.1 und 1.2. Unschädlich ist ein ggf. höherer Anfangs-Leverage, etwa in der Investitionsphase eines AIF. In diesem Fall ist auf den nach den Anlagebedingungen zulässigen Ziel-Leverage abzustellen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 17. 129) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeilen 14 Nr. 1.3 und 15. 130) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 14 Nr. 1.3 und 3. 131) Im ersten Fall kann sich das Institut wiederum grundsätzlich auf die Angaben verlassen, wenn die Anlagebedingungen der betreffenden AIF einen Leverage in beträchtlichem Umfang ausschließen. Anderenfalls hat das Institut stichprobenartig aus der Menge dieser AIF den tatsächlich eingesetzten Leverage anhand angemessener Prozesse regelmäßig, mindestens jährlich, zu ermitteln. Für solche AIF, die nicht der Berichterstattungspflicht nach der AIFM-Richtlinie unterliegen, ist auf geeignete alternative Prozesse zur regelmäßigen, möglichst vierteljährlichen, mindestens jedoch jährlichen, stichprobenartigen Ermittlung oder Schätzung des Leverage abzustellen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 14 Nr. 3. 132) Alternativ kann das Kredit- oder Garantiegeschäft auch nachträglich ausreichend besichert werden, s. a. BaFin, Konsultation 20/2018, Entwurf einer aktualisierten Fassung der Auslegungshilfe zum Art. 2 Abschirmungsgesetz, v. 28.12.2018 (R 1-FR 2311-2017/0007), unter B 2.2 Nr. 4.3.

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II. Die deutsche Trennbankenregelung

zu beenden oder auf ein Finanzhandelsinstitut zu übertragen.133) Aus diesem Grund sollten Institute beim Neuabschluss und der Prolongation von Kredit- und Garantieverträgen dafür Sorge tragen, dass der Einsatz beträchtlicher Leverage vertraglich ausgeschlossen wird und ihnen Kündigungsrechte für den Fall des Zuwiderhandelns eingeräumt werden.134) Das Kredit- und Garantiegeschäft ist auch mit Verwaltungsgesellschaften verboten, so- 50 fern die Geschäfte i. R. der Verwaltung eines inländischen (Dach-)Hedgefonds oder eines beträchtlich gehebelten EU/EWR- oder ausländischen AIF getätigt werden. Von dem Verbot nicht erfasst, werden aber Kredite oder Garantien, die der Finanzierung des Betriebsvermögens oder sonstiger Verwaltungsaufwendungen der Verwaltungsgesellschaft (Working Capital) dienen, soweit ein Durchschlagen der Risiken aus dem Anlagevermögen ausgeschlossen ist.135) c)

Hochfrequenzhandel

Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 KWG verboten ist der Eigenhandel i. S. des § 1 Abs. 1a 51 Satz 2 Nr. 4 lit. d KWG (Hochfrequenzhandel), soweit es sich nicht um Market-MakingTätigkeiten i. S. des Art. 2 Abs. 1 lit. k der Leerverkaufsverordnung handelt. Hochfrequenzhandel ist das Kaufen und Verkaufen von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als unmittelbarer oder mittelbarer Teilnehmer eines inländischen organsierten Marktes oder eines multilateralen oder organisierten Handelssystems mittels einer hochfrequenten algorithmischen Handelstechnik, die gekennzeichnet ist durch x

eine Infrastruktur zur Minimierung von Netzwerklatenzen und anderen Verzögerungen bei der Orderübertragung (Latenzen), die mindestens eine der folgenden Vorrichtungen für die Eingabe algorithmischer Aufträge aufweist: Kollokation, Proximity Hosting oder direkter elektronischer Hochgeschwindigkeitszugang,

x

die Fähigkeit des Systems, einen Auftrag ohne menschliche Intervention i. S. des Art. 18 Delegierte VO (EU) 2017/565136) einzuleiten, zu erzeugen, weiterzuleiten oder auszuführen und

x

ein hohes untertägiges Mitteilungsvolumen i. S. des Art. 19 Delegierte VO (EU) 2017/ 565 in Form von Aufträgen, Kursangaben oder Stornierungen,

auch ohne dass eine Dienstleistung für andere vorliegt.137) ___________ 133) Ausnahmen von der Pflicht zur sofortigen Beendigung bzw. Übertragung akzeptiert die BaFin nur für solche Geschäfte, die bereits vor dem Abschluss der nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KWG zu erstellenden Risikoanalyse abgeschlossen wurden, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 14 Nr. 4. Als Alternative zur Beendigung bzw. Übertragung des Kreditgeschäfts kommt in der Praxis auch ein Verkauf des Kredits in Betracht, s. a. BaFin, Konsultation 20/2018, Entwurf einer aktualisierten Fassung der Auslegungshilfe zum Art. 2 Abschirmungsgesetz, v. 28.12.2018 (R 1-FR 2311-2017/ 0007), unter B 2.2 Nr. 4.3. 134) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 14 Nr. 2. 135) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 10 Nr. 2. Ebenfalls nicht verboten sind Kredite und Garantien, die ausschließlich der Finanzierung von Investmentvermögen dienen, die nicht von § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 lit. a und b KWG erfasst werden. Da eine Verwaltungsgesellschaft, die als externe Verwaltungsgesellschaft nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 KAGB agiert, eine größere Anzahl von Investmentvermögen verwalten kann, sollte die Verwaltungsgesellschaft dokumentieren, für Rechnung welchen Fonds sie die Geschäfte tätigt. Auch die Institute sind insofern angehalten, geeignete Verfahren zu entwickeln, um die Einhaltung der Vorgaben angemessen zu dokumentieren und nachweisen zu können, etwa indem sie Geschäfte für Rechnung von beträchtlich gehebelten Fonds vertraglich ausschließen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 22. 136) Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission v. 25.4.2016, ABl. (EU) L 87/1 v. 31.3.2017. 137) Vgl. für Einzelheiten BaFin, Häufige Fragen und Antworten zum algorithimischen Handel und zum Hochfrequenzhandel, v. 5.11.2013, Stand: 17.7.2019; s. a. ESMA, Q&A on MiFID II and MiFIR market structure topics, Part 3 – Direct Electronic Access (DEA) and algorithmic trading, Stand: 5.12.2019.

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52 Über den Hintergrund des Verbots geben die Gesetzesmaterialien keinerlei Aufschluss, außer dass der Hochfrequenzhandel vom Gesetzgeber als ein „risikoreiches“ und potentiell „spekulatives“ Geschäft eingestuft wird.138) Die Erstreckung des Verbots auf den Hochfrequenzhandel entspricht zwar der allgemeinen Tendenz, diesen stärker zu regulieren, jedoch erscheint die Einbeziehung in die Trennbankenregelung nicht sachgerecht, denn Stabilitätsrisiken für Institute resultieren nicht primär aus der Handelshäufigkeit, sondern aus Wertverlusten des Wertpapierbestandes.139) Die Tatsache, dass der Hochfrequenzhandel nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 lit. d KWG („auch ohne Dienstleistung für andere“) unabhängig davon erfasst wird, ob er als Dienstleistung erbracht wird oder nicht, lässt aber den Schluss zu, dass der Gesetzgeber gerade die mit dieser Handelstechnik verbundenen operationellen Risiken140) vor Augen hatte, denn sonst wäre das Verbot des Hochfrequenzhandels neben dem Verbot des Eigengeschäfts überflüssig gewesen. 53 Vom Verbot ausgenommen sind Market-Making-Tätigkeiten nach Art. 2 Abs. 1 lit. k der Leerverkaufsverordnung, also x

das Stellen fester, zeitgleicher An- und Verkaufspreise vergleichbarer Höhe zu wettbewerbsfähigen Preisen,

x

die Ausführung von Kundenaufträgen oder Aufträgen, die sich aus einem Handelsauftrag des Kunden ergeben sowie

x

die Absicherung von Positionen, die sich aus den vorgenannten Tätigkeiten ergeben.141)

54 Während das Market-Making aufgrund seiner Liquidität stiftenden Funktion durch die Verbotsausnahme privilegiert wird, erkannte der Gesetzgeber aber auch die mit dieser Tätigkeit verbunden Risiken.142) Entsprechend bleibt die Ermächtigung der BaFin zu Einzelfallregelungen nach § 3 Abs. 4 Satz 1 KWG ausdrücklich unberührt (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Halbs. 2 KWG).143) Die BaFin betont eine enge Auslegung des Ausnahmetatbestands.144) So ist nach ihrer Ansicht antizipatorisches Hedging zwar grundsätzlich zulässig, nicht jedoch eine darüber hinaus gehende Vorratshaltung (oder Inventory), mit der das Institut einen Bestand an Finanzinstrumenten vorhält und durch geeignete Geschäfte gegen Marktrisiken absichert.145) ___________ 138) Vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 41. 139) Vgl. Möslein, BKR 2013, 397, 402; zust. Kumpan, ZBB 2014, 201, 207. 140) Vgl. dazu noch BaFin, Rundschreiben 6/2013 (BA), Anforderungen an Systeme und Kontrollen für den Algorithmushandel von Instituten, v. 18.12.2013 (BA 54-FR 2210-2013/0021), Rz. 12 (mittlerweile aufgehoben); nach Umsetzung der MiFiD II (Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – MiFID II, ABl. (EU) L 173/349 v. 12.6.2014) ergeben sich die Anforderungen an Systeme und Risikokontrollen für den algorithmischen Handel aus § 80 Abs. 2 WpHG und der Delegierten Verordnung (EU) 2017/589 der Kommission v. 19.7.2016, ABl. (EU) L 87/417 v. 31.3.2017. 141) Vgl. dazu ESMA, Leitlinien zur Ausnahme von Market-Making-Tätigkeiten und Primärtätigkeiten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, v. 2.4.2013 (ESMA/2013/74). 142) Insbesondere das mit der Sicherstellung der Handelbarkeit von Finanzinstrumenten durch das kontinuierliche Stellen von Geld- und Briefkursen verbundene Risiko für die Solvenz des Instituts, vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 42. 143) Daneben dürften auch die bereits durch die Liikanen-Kommission festgestellten Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Market-Making und Eigengeschäft eine wesentliche Rolle spielen, vgl. Hochrangige Sachverständigengruppe zur Reformierung der EU-Bankenstruktur, Schlussbericht v. 2.10.2012, S. 102. 144) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 23 Nr. 2. Möglicherweise spielen in dieser Hinsicht auch Äußerungen der Bundesbank eine Rolle, die dem Verbot des Hochfrequenzhandels mit Ausnahme des Market-Making bereits im Gesetzgebungsverfahren einen kleinen Anwendungsbereich bescheinigte, vgl. Bundesbank, Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 22.4.2013, v. 18.4.2013 („Verbot könnte ins Leere laufen […]“). 145) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 23 Nr. 2.

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II. Die deutsche Trennbankenregelung 4.

Verbotsausnahmen

Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 KWG werden bestimmte Geschäfte von den Verbotstatbeständen 55 nach Absatz 2 Satz 2 ausgenommen. Während der Gesetzeswortlaut insoweit nicht differenziert, ist den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, dass sich die Ausnahmen (vornehmlich) auf das Verbot von Eigengeschäften beziehen.146) Nach der Lesart der BaFin sind die Ausnahmen jedoch (teilweise) auch auf das Verbot des Hochfrequenzhandels anwendbar147) oder jedenfalls mit den vom Verbotstatbestand unmittelbar ausgenommenen MarketMaking-Tätigkeiten deckungsgleich.148) Verbindendes Element der nach § 3 Abs. 2 Satz 3 KWG ausgenommenen Geschäfte ist, dass sie nicht zu spekulativen Zwecken getätigt werden, sondern insbesondere zu Zwecken der Risikoabsicherung und Risikosteuerung. a)

Geschäfte zur Absicherung von Geschäften mit Kunden

Vom Verbot ausgenommen sind nach § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 KWG „Geschäfte zur Absi- 56 cherung von Geschäften mit Kunden“. Diese Ausnahme betrifft Hedging-Geschäfte, die ein Institut abschließt, um seine Risiken im eigenen Interesse abzusichern und die daher grundsätzlich vom Verbot des Eigengeschäfts erfasst wären.149) Schwer verständlich ist der zweite Satzteil „außer AIF oder Verwaltungsgesellschaften i. S. von Satz 2 Nr. 2“ der im ursprünglichen Gesetzentwurf noch nicht enthalten war.150) Gemeint ist damit nicht etwa eine Erweiterung des Verbots von Kredit- und Garantiegeschäften, ebenso wenig, dass risikomindernde Absicherungsgeschäfte nicht auch mit gehebelten Hedgefonds abgeschlossen werden dürften. Nicht von der Ausnahme erfasst sind vielmehr allein solche Geschäfte, die ihrerseits verbotenes Kredit- und Garantiegeschäft absichern.151) Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 KWG zulässig ist in jedem Fall die Absicherung von einzel- 57 nen Geschäften, wobei das Gesetz keine Einschränkung hinsichtlich der zu sichernden Risiken enthält. Erfasst ist also etwa die Absicherung des Adressenausfalls-, Marktpreisoder Liquiditätsrisikos in Bezug auf ein konkretes Kundengeschäft (sog. Mikro-Hedge). Das Hedging-Geschäft muss sich aber nicht, und wird sich in der Praxis vielfach auch nicht, unbedingt immer eindeutig einem einzelnen Kundengeschäft zuordnen lassen. Regelmäßig sichern Institute ihre Positionen im Wege einer Portfoliobetrachtung ab und hedgen insofern nicht nur einzelne Positionen, sondern die gebündelten Risiken mehrerer Positionen.152) Auch solche Absicherungsgeschäfte auf Portfolio-Ebene (sog. MakroHedge) sind von der Ausnahme erfasst, sofern sich der Absicherungseffekt für das Portfolio (und damit mittelbar für die Einzelposition) von dem Institut anhand geeigneter Verfahren nachweisen lässt. Gegeben sein muss aber stets zumindest ein mittelbarer Bezug zu Kundengeschäften.153) Ein solcher ist auch bei der Absicherung erwarteter künf___________ 146) Vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 42; Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 137; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 3 Rz. 38. 147) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 24 Nr. 1. 148) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 23 Nr. 2.2 lit. a. 149) Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 139. 150) Vgl. dazu Bericht des FA z. RegE TrennbankenG u. a., BT-Drucks. 17/13539, S. 16. 151) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 24 Nr. 2 und Zeile 26. Dies ist konsequent, denn im Falle einer Abtrennung fallen das verbotene Geschäft und das zugehörige Absicherungsgeschäft auf diese Weise in ein und demselben Unternehmensträger zusammen, so im Ergebnis auch Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 140; krit. dagegen Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 240. 152) Vgl. auch Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 241. 153) Ebenso Kumpan, ZBB 2014, 201, 210; Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 142; anders Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 3 Rz. 39. Lehnt man einen Makro-Hedge i. R. des § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 KWG ab, werden entsprechende Absicherungsgeschäfte freilich regelmäßig von § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 KWG erfasst sein. Die Trennlinie zwischen beiden Ausnahmentatbeständen ist in der Tat schwer zu ziehen, im Ergebnis zumeist aber auch nicht entscheidend.

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tiger Kundenaufträge gegeben. Auch wenn hier die Abgrenzung zum Eigengeschäft i. E. besonders schwierig ist,154) ist ein solches antizipatorisches Hedging grundsätzlich zulässig.155) Ebenso wie im Falle von Makro-Hedges haben die Institute insofern geeignete Verfahren zu entwickeln, anhand derer sie einen objektivierbaren Nachweis für ihre Absicherungsabsicht erbringen können.156) 58 In der Praxis ist eine vollständige Absicherung von Risikopositionen nicht immer möglich. Angesichts der Alternative, eine solche Position offen stehen zu lassen, ist daher auch eine Teilabsicherung (sog. Teil-Hedge) als zulässig zu erachten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Absicherungsgeschäft objektiv messbar zur Reduzierung der Risiken beiträgt157) und nicht seinerseits wesentliche neue Risiken begründet, die nicht angemessen gesteuert werden können.158) Von der Ausnahme erfasst werden schließlich auch Geschäfte, durch die ein bestehendes Absicherungsgeschäft ersetzt oder geändert wird,159) erlaubt ist also der Austausch und das aktive Management bzw. die Optimierung von Hedge-Positionen. b)

Geschäfte zur Steuerung von Risiken

59 Vom Verbot ausgenommen sind nach § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 KWG Geschäfte, die der Zins-, Währungs-, Liquiditäts- und Kreditrisikosteuerung des Instituts bzw. der Gruppe oder des Verbundes dienen. Die Einbeziehung der Kreditrisikosteuerung und der Risikosteuerung auf Verbundebene erfolgte erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens. Durch den Verweis auf die institutsbezogenen Sicherungssysteme nach Art. 113 Abs. 7 Satz 2 lit. c CRR sollte sichergestellt werden, dass mit „Verbund“ gerade die Genossenschaftliche FinanzGruppe und die Sparkassen-Finanzgruppe erfasst werden.160) Die Einbeziehung der Kreditrisikosteuerung war durch die Bundesbank angemahnt worden.161) 60 Auch unter Einbeziehung von Kreditrisiken sind indes nicht alle Arten von Risiken erfasst. Dies betrifft insbesondere Marktpreisrisiken. Warum bestimmte Risiken von den Instituten gesteuert werden dürfen sollen, andere dagegen nicht, ist nach Sinn und Zweck der Trennbankenregelung nicht nachvollziehbar. Entsprechend erfasst die Regelung im Wege des Analogieschlusses über den Gesetzeswortlaut hinaus sämtliche Risikoarten, die gemäß BTR 2 der MaRisk162) adressiert werden. Dies gilt namentlich auch für Ge___________ 154) 155) 156) 157) 158)

159) 160)

161)

162)

Vgl. etwa Kumpan, ZBB 2014, 201, 210. Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 142. Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 6 und 30. Dies entspricht den Anforderungen an Risikominderungstechniken bei OTC-Derivaten, s. Art. 10 Delegierte VO (EU) Nr. 149/2013. Auch die Gesetzesbegründung fordert für die Risikoabsicherung im Kundengeschäft nur, dass eigene Risiken in so geringem Umfang wie in Ansehung des jeweiligen Geschäfts möglich eingegangen werden, vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 41. Ein vollständiger Ausschluss von Risiken ist ohnehin unmöglich. Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 26 unter lit. b. Vgl. Bericht des FA z. RegE TrennbankenG u. a., BT-Drucks. 17/13539, S. 17. Den jeweiligen Zentralinstituten wird damit eine Steuerung ihrer eigenen Risiken ermöglicht, ohne dass die betreffenden Geschäfte zur Risikoabsicherung unter das Verbot des Eigengeschäfts fallen. Dagegen ist das Verbundgeschäft zwischen Primärinstituten und den Zentralinstituten bereits nicht vom Verbot des Eigengeschäfts erfasst. Diese Geschäfte sind nicht als Eigengeschäfte einzustufen, weil bei den genannten Geschäften mit Primärinstituten der Dienstleistungscharakter immer gegeben ist, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 27. Sonst sei unklar, ob und mit welchen Kontrahenten das Institut weiterhin Absicherungsgeschäfte für Adressenausfallrisiken tätigen könne (etwa durch den Kauf von Credit Default Swaps), vgl. Bundesbank, Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 22.4.2013, v. 18.4.2013. Vgl. BaFin, Rundschreiben 9/2017 (BA), MaRisk, v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002).

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schäfte, die der Steuerung von Kursrisiken dienen, solange über diese Geschäfte keine Gewinne aus dem kurzfristigen Ausnutzen von Marktpreisschwankungen erzielt werden sollen.163) Ein Kundenbezug ist insoweit – im Gegensatz zu § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 KWG – entbehrlich.164) Geschäfte zur Risikosteuerung dürfen sowohl auf Einzelinstituts- wie auf Gruppenebene 61 durch eine zentrale Einheit oder auch durch Fachabteilungen (etwa der Treasury) getätigt werden165) und auf Makroebene (Steuerung auf Portfolioebene) erfolgen. Dies entspricht nicht nur der tatsächlichen Praxis, sondern auch der gesamtheitlichen Betrachtung des ökonomischen Risikos.166) Im Einzelfall kann die Abgrenzung zwischen einem nach § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 KWG erlaubten Risikosteuerungsgeschäft und einem Geschäft mit einem eigenständigen Risikogehalt schwierig sein. Wie bei der Absicherung von Kundengeschäften sind die Institute daher auch hier gehalten, geeignete Verfahren zu entwickeln, die es der Aufsicht ermöglichen nachzuvollziehen, ob die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes erfüllt sind.167) Erforderlich ist insofern der objektivierbare Nachweis für die Absicht, die Risiken, denen das Institut bzw. die Gruppe ausgesetzt ist, zu steuern.168) Aus dem Begriff der „Steuerung“ von Risiken kann abgeleitet werden, dass damit nicht 62 nur ein „Verringern“ oder „Absichern“, sondern vielmehr ein „Gestalten“ gemeint ist. Entsprechend kann das Ergebnis der Risikosteuerung auch sein, dass andere Risiken (bewusst eingegangen, aber steuerbar) entstehen.169) In jedem Fall muss die Risikosteuerung aber auf eine Verringerung von Risiken abzielen bzw. für eine solche geeignet sein. Insofern wird man auch hier – genau wie bei den Absicherungsgeschäften nach § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 KWG – verlangen müssen, dass die betreffenden Geschäfte objektiv messbar zur Reduzierung der Risiken beitragen und nicht ihrerseits wesentliche neue Risiken begründen, die nicht angemessen gesteuert werden können. Dies schließt indes nicht aus, dass ein Geschäft zur Risikosteuerung im Einzelfall auch fehlschlagen kann oder antizipierte Risiken sich rückblickend nicht als schlagend erweisen. Maßgeblich ist insoweit die Intention zur Risikosteuerung im Zeitpunkt der Vornahme des Geschäfts. c)

Langfristiger Beteiligungserwerb und sonstige ausgenommene Geschäfte

Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 KWG vom Verbot ausgenommen sind einerseits Geschäfte 63 im Dienste des Erwerbs und der Veräußerung langfristig angelegter Beteiligungen (1. Alt.), andererseits Geschäfte, die nicht zu dem Zweck geschlossen werden, bestehende oder erwartete Unterschiede zwischen den Kauf- und Verkaufspreisen oder Schwankungen von Marktkursen, -preisen, -werten oder Zinssätzen kurzfristig zu nutzen, um so Gewinne zu erzielen (2. Alt). Die Freistellung langfristiger Geschäfte betrifft nur Handelspositionen. Die Vorschrift ist also auf Kredit- und Garantiegeschäfte mit gehebelten ___________ 163) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 29; die Nichtberücksichtigung von Kursänderungsrisiken ist als Redaktionsversehen anzusehen, vgl. Beck/Samm/KokemoorReschke, KWG, § 3 Rz. 144; Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 3 Rz. 39 („[…] die Steuerung von Marktpreisrisiken ist schon nach BTR 2 MaRisk vorgegeben […]“). 164) Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 143; s. a. Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 3 Rz. 40. 165) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 28 Nr. 1. 166) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 30. 167) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 30. 168) Erfasst werden etwa Interbankengeschäfte zur kurzfristigen Liquiditätssteuerung, welche die Liquidität des CRR-Kreditinstituts über den Geldmarkt absichern (etwa Repurchase Agreements), vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 28 Nr. 2. 169) Vgl. Kumpan, ZBB 2014, 201, 209; auch Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 3 Rz. 40.

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Hedgefonds nicht anzuwenden.170) Anderenfalls würde das Verbot des Kredit- und Garantiegeschäfts faktisch leerlaufen. 64 Für die Abgrenzung von (erlaubtem) langfristigen und (verbotenem) kurzfristigen Geschäft ist die Zuordnung zum Handels- oder Anlagebuch von Bedeutung. Handelspositionen, die dem Anlagebuch zuzuordnen sind, sind vom Verbot nicht erfasst.171) Umgekehrt bedeutet dies aber nicht, dass sämtliche Handelsbuchgeschäfte unter den Verbotstatbestand fallen. Vielmehr bilden die vom Verbot des Eigengeschäfts erfassten spekulativen Positionen nur eine Teilmenge der Handelsbuchpositionen.172) Ob Positionen dazu bestimmt sind, von tatsächlichen oder erwarteten kurzzeitigen Preisunterschieden zwischen dem Ankaufs- und Verkaufskurs oder von anderen Preis- oder Zinsschwankungen zu profitieren, ist seitens des CRR-Kreditinstituts zu beurteilen.173) Die Zuordnung hat dabei anhand nachprüfbarer Kriterien zu erfolgen, die das Institut grundsätzlich selbst festlegen kann. An einer ursprünglich langfristigen Ausrichtung eines Geschäfts muss sich das Institut indessen nicht festhalten lassen. Umwidmungen sind möglich, aber nachvollziehbar zu dokumentieren und zu begründen.174) 5.

Maßgebliches Verfahren bei Überschreitung der Schwellenwerte

65 Das für CRR-Kreditinstitute bzw. CRR-Gruppen maßgebliche Verfahren ist in § 3 Abs. 3 KWG geregelt. Danach haben Institute binnen sechs Monaten nach Überschreitung der relevanten Schwellenwerte nach § 3 Abs. 2 Satz 2 KWG verbotenes Geschäft i. R. einer Risikoanalyse zu identifizieren (§ 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KWG) und das dabei identifizierte Geschäft grundsätzlich binnen weiterer sechs Monate – insgesamt also binnen zwölf Monate nach Überschreiten der relevanten Schwellenwerte – zu beenden oder auf ein Finanzhandelsinstitut zu übertragen (§ 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG). 66 § 3 Abs. 3 KWG wurde erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingeführt, um auch solchen Instituten, die die Schwellenwerte des § 3 Abs. 2 Satz 1 KWG nach dem Jahre 2014 überschreiten, eine angemessene Übergangsfrist einzuräumen.175) Auch für Institute, die bereits von Beginn an der Trennbankenregelung unterfielen, erkannte der Gesetzgeber aber an, dass es sich bei der Identifizierung und Abtrennung der verbotenen Geschäfte um einen „ökonomisch, organisatorisch und rechtlich hochkomplexen Vorgang“ handelt, weshalb das Inkrafttreten der Verbote sowie der Verpflichtung zur Risikoanalyse und zur

___________ 170) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 31. 171) Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 148; auch Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 3 Rz. 44f. 172) Dem Handelsbuch unterfallen nach § 1 Abs. 35 KWG i. V. m. Art. 4 Nr. 86 CRR alle Positionen, die ein Institut entweder mit Handelsabsicht oder zur Absicherung anderer mit Handelsabsicht gehaltener Positionen hält. Erstere umfassen wiederum nach Art. 4 Nr. 85 CRR gemäß lit a „Eigenhandelspositionen und Positionen, die sich aus der Kundenbetreuung und Marktpflege ergeben“, gemäß lit. b(ii) „Positionen, die zum kurzfristigen Wiederverkauf gehalten werden“ sowie – § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Alt. 2 KWG entsprechend – gemäß lit. c „Positionen, bei denen die Absicht besteht, aus bestehenden oder erwarteten kurzfristigen Kursunterschieden zwischen Ankaufs- und Verkaufskurs oder aus anderen Kurs- und Zinsschwankungen Profit zu ziehen“. 173) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 31. 174) Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 149. Durch die (doppelt) negative Formulierung des § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Alt. 2 KWG ist den Instituten der Nachweis der Voraussetzungen auferlegt, vgl. Möslein, BKR 2013, 397, 403. 175) Vgl. Bericht des FA z. RegE TrennbankenG u. a., BT-Drucks. 17/13539, S. 17.

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Abtrennung bzw. Beendigung der verbotenen Geschäfte um ein Jahr verschoben wurde (§ 64s Abs. 2 KWG).176) a)

Risikoanalyse

Die Risikoanalyse nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KWG knüpft an die Geschäftstätigkeit 67 des Instituts an. Es ist mithin zu überprüfen, ob das für den jeweiligen Geschäftsbereich bzw. das jeweilige Handelsbuch definierte Geschäftsmodell verbotene Geschäfte umfasst.177) § 3 Abs. 3 Satz 2 KWG legt insoweit lediglich fest, dass die Risikoanalyse „plausibel, umfassend und nachvollziehbar“ sein muss und schriftlich zu dokumentieren ist. Die Institute haben somit die methodische Freiheit aber auch die Verantwortung, die Identifizierung der potenziell verbotenen Geschäfte in der für sie effizientesten Weise, gleichzeitig aber auch vollständig vorzunehmen.178) Die BaFin verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die potenzielle Strafbewehrung 68 bei einem zu kursorischen Ansatz bestehen bleibt. Eine gründliche Risikoanalyse liege somit im Eigeninteresse der Institute und der dort Verantwortlichen.179) Die Institute sollten daher nachweisen können, dass die Risikoanalyse vollumfänglich ist, also das gesamte Geschäft im Blick hat. Die BaFin erwartet, dass das verbotene Geschäft wie auch Grenzfälle gründlich in Form einer Sachverhaltsdarstellung und einer rechtlichen Würdigung dargestellt werden. Die entsprechenden Ausführungen müssen für einen außenstehenden Dritten nachvollziehbar sein, insbesondere für externe Prüfer, die Aufsichtsbehörde und letztlich auch für die Strafverfolgungsbehörden.180) Nach Auffassung der BaFin besteht zwar keine Pflicht, die Risikoanalyse jährlich zu wie- 69 derholen, jedoch haben die betroffenen Institute einen Compliance-Prozess einzurichten, um fortlaufend sicherzustellen, dass die gesetzlichen Verbote eingehalten werden, etwa dass sich hinter erlaubten Handels- und Hedging-Aktivitäten keine verbotenen Eigengeschäfte verbergen.181) Ein solcher Prozess kann etwa im Wege interner Richtlinien, Arbeitsanweisungen oder i. R. der Handels- oder Risikostrategie implementiert werden. b)

Beendigung oder Abtrennung des verbotenen Geschäfts

Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG sind die i. R. der Risikoanalyse ermittelten „bereits 70 betriebenen verbotenen Geschäfte“ grundsätzlich binnen zwölf Monaten nach Überschreitung der Schwellenwerte zu beenden oder auf ein Finanzhandelsinstitut zu übertra___________ 176) Vgl. Bericht des FA z. RegE TrennbankenG u. a., BT-Drucks. 17/13539, S. 17. Entsprechend hatten diese Institute die relevanten Schwellenwerte am 1.7.2015 auf Basis der Bilanz des 31.12.2014 zu ermitteln, bis zum 31.12.2015 eine Risikoanalyse durchzuführen und das identifizierte verbotene Geschäft bis zum 1.7.2016 grundsätzlich zu beenden oder auf ein Finanzhandelsinstitut zu übertragen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 32 Nr. 3. 177) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 33 Nr. 1. 178) Maßgeblich ist das gesamte Geschäft, einschließlich kleinerer, auch marginaler Geschäftsbereiche. Die Institute können etwa zunächst mit einem groben Raster bestimmte Geschäftsbereiche ausschließen und dann nur Geschäftsaktivitäten mit einem höheren Verbotspotenzial betrachten, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 41 Nr. 1. 179) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 41 Nr. 1. 180) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 41 Nr. 2. Die Risikoanalyse ist aber nicht Bestandteil der regulären Abschlussprüfung. Gleichwohl lässt sich nicht auszuschließen, dass die zuständige Aufsichtsbehörde einen entsprechenden Prüfungsschwerpunkt anordnet, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 36. Es besteht auch keine formale Pflicht, die Ergebnisse der Risikoanalyse zu melden oder bei der zuständigen Aufsichtsbehörde einzureichen. Die Aufsichtsbehörde hat aber das Recht, sich jederzeit die Risikoanalyse vorlegen und erläutern zu lassen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 37. 181) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 33 Nr. 2.

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gen.182) Nach § 3 Abs. 3 Satz 3 KWG kann die BaFin diese Frist im Einzelfall um bis zu zwölf Monate verlängern. Die Gewährung einer Fristverlängerung erfolgt nur auf Antrag, ist ein Verwaltungsakt und steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde.183) Die Möglichkeit einer Fristverlängerung – welche nicht für die Risikoanalyse nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KWG gegeben ist – dient insbesondere dem Zweck, den Instituten genügend Zeit für die Übertragung der verbotenen Geschäfte auf ein Finanzhandelsinstitut und eine angemessene Umsetzung der besonderen organisatorischen Anforderungen nach § 25f KWG zu gewähren.184) 71 Darüber hinaus kann eine Fristverlängerung aber auch bei der Beendigung der verbotenen Geschäfte angezeigt sein. Dies erkennt auch die BaFin ausdrücklich an.185) Ihrer Auffassung nach darf das nach § 3 Abs. 2 Satz 2 KWG verbotene Bestands- als auch Neugeschäft, einschließlich der Verlängerung bestehender Engagements, bis zum Ablauf der (ggf. nach § 3 Abs. 3 Satz 3 KWG verlängerten) Zwölfmonatsfrist weiter betrieben werden.186) Die Aufnahme von Neugeschäft ist dabei insoweit zulässig, als das Bestandsund Neugeschäft, das grundsätzlich vom Verbotstatbestand erfasst wird, nicht den Gesamtbestand des nach § 3 Abs. 2 Satz 2 KWG verbotenen Geschäfts zum Zeitpunkt der Schwellenwertüberschreitung übersteigt. Maßgeblich ist danach eine stichtagsbezogene Betrachtung. Der Umfang, in dem das Neugeschäft noch betrieben werden darf, richtet sich dabei nach dem nominalen Umfang des Bestandsgeschäfts zu dem Zeitpunkt, an dem während der Risikoanalyse ein Geschäft als verbotenes Geschäft identifiziert wurde.187) Vor diesem Hintergrund sind Institute angehalten, sowohl den Bestand als auch die Entwicklung der Geschäftsvolumina auch gegenüber Dritten, wie z. B. der Aufsichtsbehörde und ggf. den Strafverfolgungsbehörden, angemessen zu dokumentieren.188) 72 Die aufsichtsrechtliche Vorgabe zur Beendigung bzw. Übertragung des verbotenen Geschäfts besteht unabhängig von der zivilrechtlichen Ausgestaltung der einzelnen Rechtsgeschäfte. Entgegen des Verbots nach § 3 Abs. 2 Satz 2 KWG betriebene bzw. weiter betriebene Geschäfts sind nicht nach § 134 BGB nichtig.189) Um dem Gesetzeszweck dennoch hinreichend Nachdruck zu verleihen, besteht die Beendigungspflicht aber gegenüber den Instituten unabhängig von zivilrechtlichen Beendigungsgründen und der Gefahr von Schadensersatzforderungen durch die Kunden. Die vertraglichen Regelungen treten mithin aufsichtsrechtlich zurück, soweit sie der Umsetzung der gesetzlichen Vor___________ 182) Die Beendigung eines Kreditgeschäfts kann auch durch einen Forderungsverkauf erfolgen. Die BaFin stellt insoweit eine zivilrechtliche Betrachtung an und fordert, dass der ursprüngliche Kreditgeber aus dem Kreditverhältnis ausscheidet; eine wirtschaftliche Übertragung des Kreditrisikos, etwa durch eine Unterbeteiligung, hält die BaFin dagegen für nicht ausreichend, vgl. BaFin, Konsultation 20/2018, Entwurf einer aktualisierten Fassung der Auslegungshilfe zum Art. 2 Abschirmungsgesetz, v. 28.12.2018 (R 1-FR 2311-2017/0007), unter D Nr. 10. 183) Vgl. dazu i. E. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 152 – 156. 184) Vgl. Bericht des FA z. RegE TrennbankenG u. a., BT-Drucks. 17/13539, S. 17. 185) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 39. 186) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 38 Nr. 1. 187) Anderenfalls bestünde für Institute ggf. ein Anreiz, bis zu dem Ablauf der maßgeblichen Verbotsfrist vermehrt zukünftig verbotenes Geschäft und somit überproportional hohe Risiken einzugehen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 5 Nr. 2. Das Neugeschäft kann auf eine angemessene Art und Weise aggregiert werden, etwa auf Geschäftsbereichs- oder Portfolioebene, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 5 Nr. 3. 188) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 5 Nr. 4. 189) Es handelt sich um einen nur einseitigen Verbotstatbestand, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 39. Die Verbote richten sich auch nicht gegen den Inhalt des Rechtsgeschäfts als solchem, sondern nur gegen den Adressaten des Verbots, vgl. Schwennicke/ Auerbach-Schwennicke, KWG, § 3 Rz. 64.

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gaben in § 3 Abs. 2 bis 4 KWG im Wege stehen.190) Betroffene Institute haben demnach – schon im eigenen Interesse – sicherzustellen, dass bei Abschluss des (Neu-)Geschäfts bzw. dessen Verlängerung entsprechende zivilrechtliche Voraussetzungen geschaffen werden. Insbesondere hinsichtlich des Bestandsgeschäfts besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Fristverlängerung nach § 3 Abs. 3 Satz 3 KWG zu stellen.191) Werden die verbotenen Geschäfte nicht eingestellt, sondern auf ein Finanzhandelsinstitut 73 übertragen, stellt sich die Frage, auf welche Weise dies zu geschehen hat. Hierzu trifft das Gesetz keine Aussage. Theoretisch denkbar wäre eine Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge, diese ist wegen der damit verbundenen Zustimmungserfordernisse – jedenfalls bei einer Vielzahl betroffener Geschäfte – jedoch nicht praktikabel. Insofern kommt nur eine Gesamtrechtsnachfolge, insbesondere die Ausgliederung des betroffenen Bestandsgeschäfts durch Spaltung zur Aufnahme bzw. zur Neugründung nach § 123 Abs. 3 UmwG in Betracht.192) 6.

Anordnungsbefugnis der BaFin

§ 3 Abs. 4 KWG ermächtigt die BaFin über die allgemeine gesetzliche Regelung in § 3 74 Abs. 2 und 3 KWG hinaus, durch Regelung im Einzelfall einem Unternehmen, das als CRR-Kreditinstitut (oder per gruppenweiter Anwendung) prinzipiell Adressat der Trennbankenregelung ist,193) bestimmte Geschäfte unabhängig vom Erreichen der Schwellenwerte nach § 3 Abs. 2 Satz 1 KWG194) zu verbieten und deren Einstellung oder Übertragung auf ein Finanzhandelsinstitut i. S. des § 25f Abs. 1 KWG anzuordnen.195) Ausweislich der Gesetzesbegründung wird nur durch diese Einzelfallermächtigung sichergestellt, dass die BaFin i. S. einer wirksamen Abschirmung des Einlagengeschäfts flexibel reagieren kann.196) Die BaFin hat dabei dem Institut eine angemessene Frist einzuräumen, in der es die betreffenden Geschäfte beenden bzw. übertragen kann (§ 3 Abs. 4 Satz 2 KWG).197) In sachlicher Hinsicht bezieht sich die Einzelfallermächtigung auf Market-Making-Tätig- 75 keiten198) (§ 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 KWG) und „sonstige Geschäfte i. S. des Absatzes 2 Satz 2 oder Geschäfte mit Finanzinstrumenten, die ihrer Art nach in der Risikointensität mit den verbotenen Geschäften oder den Market-Making-Tätigkeiten vergleichbar sind“ ___________ 190) Inwieweit sie sonst Bestand haben, ist ggf. durch die Zivilgerichte zu klären, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 39. 191) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 39. 192) In diesem Zusammenhang bestand Unsicherheit, ob die bei einer Ausgliederung bestehende Nachhaftung des ausgliedernden Unternehmensträgers (d. h. des CRR-Kreditinstituts), für die im Zeitpunkt der Ausgliederung bereits begründeten Verbindlichkeiten (des Finanzhandelsinstituts) mit der nach § 25f KWG notwendigen „wirtschaftlichen Eigenständigkeit“ des Finanzhandelsinstituts im Einklang steht, vgl. Altvater/v. Schweinitz, WM 2013, 625, 630; Möslein, BKR 2013, 397, 404. Dies bejaht die BaFin unter Verweis darauf, dass die Nachhaftung nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung, sondern auf gesetzlichen Regelungen beruhe, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 48 Nr. 2. 193) Relevant wird die Regelung, wenn das betreffende Unternehmen (nur) wegen des Unterschreitens der Schwellenwerte nicht unter die Trennbankenregelung fällt. Die BaFin kann mithin den subjektiven Anwendungsbereich der Trennbankenregeln ausdehnen, vgl. hierzu Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 159 – 161. 194) Dies klarstellend BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 44. 195) Nach Maßgabe des § 64s Abs. 2 Satz KWG ist die Vorschrift seit 1.7.2016 anwendbar. 196) Vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 42. 197) Die BaFin bestimmt diese Frist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 42. 198) Gemeint sind solche i. S. des Art. 2 Abs. 1 lit. k der Leerverkaufsverordnung, vgl. RegE, BT-Drucks. 17/ 12601, S. 42.

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Trennbankenregelung

(§ 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KWG). Der Anwendungsbereich ist insbesondere mit Blick auf die zweite Alternative weit und unbestimmt gefasst.199) Erfasst werden Geschäfte aus dem Katalog des Absatzes 2 Satz 2, die nur deshalb für das betreffende Institut nicht verboten sind, weil die relevanten Schwellenwerte nicht erreicht werden.200) Daneben werden aber auch „Geschäfte mit Finanzinstrumenten“ erfasst, die dem Grunde nach gar nicht unter die Verbotstatbestände fallen, etwa weil sie von den Ausnahmetatbeständen nach § 3 Abs. 2 Satz 3 KWG erfasst werden.201) Kriterien für eine „der Art nach vergleichbare Risikointensität“ benennt das Gesetz nicht.202) 76 Voraussetzung für eine Anordnung nach § 3 Abs. 4 KWG ist immer eine Solvenzgefährdung, d. h. dass die betreffenden Geschäfte insbesondere gemessen am sonstigen Geschäftsvolumen, am Ertrag oder an der Risikostruktur203) des Instituts, die Solvenz des Instituts zu gefährden drohen. Auch angesichts der tatbestandlichen Unbestimmtheit sind hierfür strenge Maßstäbe anzulegen. Gefordert werden muss eine konkrete Gefährdung, die von der BaFin anhand objektiver Kriterien nachgewiesen werden muss.204) Ein durch die BaFin auf Basis von § 3 Abs. 4 KWG erlassener Verwaltungsakt ist verwaltungsgerichtlich voll überprüfbar. Eine Anordnung der BaFin ist aber sofort vollziehbar, Widerspruch und Anfechtungsklage haben also keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 49 KWG). 7.

Finanzhandelsinstitut

77 Nach § 3 Abs. 2 (bzw. Abs. 4) KWG verbotene Geschäfte können in einem wirtschaftlich, organisatorisch und rechtlich eigenständigen Unternehmen (Finanzhandelsinstitut) betrieben werden (vgl. § 25f Abs. 1 KWG). Dies gilt aber nur dann, wenn die besonderen Anforderungen an die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation nach § 25f Abs. 2 bis 6 KWG eingehalten werden. Entsprechend dem Leitgedanken, die Vorteile des Universalbankensystems grundsätzlich zu erhalten, kann das Finanzhandelsinstitut einer Gruppe angehören,205) muss dabei aber organisatorisch klar vom CRR-Kreditinstitut und den sonstigen konzernangehörigen Unternehmen abgegrenzt sein, um ein Durchschlagen von Risiken zu vermeiden.206) ___________ 199) Bereits i. R. des Gesetzgebungsverfahrens mahnte die Bundesbank an, dass der Tatbestand „vorzugsweise bestimmter gefasst werden“ sollte, zumal ein Verstoß gegen ein von der BaFin ausgesprochenes Verbot auch strafbewehrt sein soll, vgl. Bundesbank, Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 22.4.2013, v. 18.4.2013. Zweifel, ob die Regelung dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot genügt, äußert Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Schäfer, KWG/CRR-VO, § 3 KWG Rz. 35. 200) Vgl. Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 3 Rz. 59. 201) Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 162; nicht erfasst dürfte dagegen der Fall sein, dass die gehandelten Papiere nicht dem Begriff des Finanzinstruments nach § 1 Abs. 11 KWG unterfallen, bezieht sich das Gesetz doch ausdrücklich auf „Geschäfte mit Finanzinstrumenten“, anders Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 3 Rz. 56 – 57. 202) Maßgeblich ist letztlich eine institutsspezifische Betrachtung. Nur wenn aus dem Geschäft eine konkrete Solvenzgefährdung droht, kann die BaFin von ihrer Ermächtigung Gebrauch machen, vgl. Beck/ Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 164. 203) Die Beurteilung der Risikostruktur erfolgt in einer stetigen Betrachtung und Einschätzung der BaFin und soll nicht primär auf der kurz- bis mittelfristigen Performance von einzelnen Produkten oder Asset-Klassen basieren, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 42. 204) Vgl. Beck/Samm/Kokemoor-Reschke, KWG, § 3 Rz. 164; Mutmaßungen und nicht durch Tatsachen belegbare Befürchtungen rechtfertigen kein Eingreifen, vgl. Schwennicke/Auerbach-Schwennicke, KWG, § 3 Rz. 57. 205) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 46. 206) Überdies erleichtert die klare Trennung des Finanzhandelsinstituts von den übrigen Unternehmen eine wirksame Abwicklung des Finanzhandelsinstituts, sollte diese erforderlich sein, vgl. RegE, BTDrucks. 17/12601, S. 42.

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II. Die deutsche Trennbankenregelung a)

Erlaubnispflicht

Das Finanzhandelsinstitut bedarf einer Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 KWG. Die Art der Er- 78 laubnis hängt dabei von den durch das Finanzhandelsinstitut betriebenen Geschäften ab. Mit Blick auf die nach § 3 Abs. 2 Satz 2 KWG verbotenen Geschäfte ist dies entweder eine Bankerlaubnis (für das Kredit- und Garantiegeschäft) oder eine Erlaubnis als Finanzdienstleistungsinstitut (Hochfrequenzhandel). Nach § 1 Abs. 1a Satz 3 KWG gilt der Erlaubnisvorbehalt für das Finanzhandelsinstitut auch dann, wenn es nur das Eigengeschäft betreibt, während dies für sonstige Unternehmen, die nicht ohnehin schon aus anderem Grunde einer Erlaubnispflicht unterstehen, weiterhin nicht der Fall ist (§ 32 Abs. 1a Satz 1 KWG).207) Die BaFin akzeptiert nicht, dass ein Finanzhandelsinstitut, die dem CRR-Kreditinstitut erteilten Erlaubnisse für eine Übergangszeit weiter für die übertragenen Geschäfte nutzen kann.208) In Bezug auf Geschäfte, die durch das Finanzhandelsinstitut betrieben werden können, 79 enthält das Gesetz in § 25f Abs. 6 KWG Einschränkungen. So ist dem Finanzhandelsinstitut die Erbringung von Zahlungsdiensten und das Betreiben des E-Geld-Geschäfts i. S. des ZAG209) ausdrücklich untersagt.210) Daneben wird dem Finanzhandelsinstitut auch das Betreiben des Einlagengeschäfts verboten sein. Es widerspräche Sinn und Zweck der mit der Trennbankenregelung intendierten Risikoabschirmung, wenn das Finanzhandelsinstitut selbst Einlagen von Kunden entgegennehmen dürfte.211) Abgesehen hiervon können jedoch auch andere Geschäfte auf das Finanzhandelsinstitut übertragen werden. Es ist also nicht auf das Betreiben der nach § 3 Abs. 2 (bzw. Abs. 4) KWG verbotenen Geschäfte beschränkt.212) b)

Anforderungen an die Eigenständigkeit

Das Finanzhandelsinstitut muss rechtlich, wirtschaftlich und organisatorisch eigenständig 80 sein. Rechtliche Eigenständigkeit bedeutet, dass es sich bei dem Finanzhandelsinstitut und dem CRR-Kreditinstitut bzw. den sonstigen gruppenangehörigen Unternehmen um verschiedene juristische Personen handeln muss. Zulässig ist aber, dass das CRR-Kreditinstitut die Anteile an dem Finanzhandelsinstitut selbst direkt oder indirekt hält. Das Finanzhandelsinstitut kann also Tochterunternehmen des CRR-Kreditinstituts sein.213) Aus

___________ 207) Das Finanzhandelsinstitut „gilt“ in diesem Fall als Finanzdienstleistungsinstitut. Vgl. dazu RegE, BTDrucks. 17/12601, S. 40. Anders ist dies nach Sinn und Zweck der Regelung, wenn sämtliche Eigengeschäfte unter die Ausnahmetatbestände nach § 3 Abs. 2 Satz 3 KWG fallen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 52. Daneben ist nach Umsetzung der MiFID II noch die separate Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1a Satz 2 und 3 KWG zu beachten. 208) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 53. 209) Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten – Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) v. 25.6.2009, BGBl. I 2009, 1506. 210) Von diesem Verbot ausgenommen sind jedoch Zahlungsvorgänge, die in unmittelbarem Zusammengang mit den von Finanzhandelsinstituten zulässigerweise erbrachten Dienstleistungen stehen und ausschließlich mit Kunden dieser Dienstleistungen abgewickelt werden, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 51 Nr. 2. 211) So auch Luz/Neus/Schaber/u. a.-Heemann, KWG und CRR, § 25f KWG Rz. 9. Dies stellt nun auch die BaFin klar, vgl. BaFin, Konsultation 20/2018, Entwurf einer aktualisierten Fassung der Auslegungshilfe zum Art. 2 Abschirmungsgesetz, v. 28.12.2018 (R 1-FR 2311-2017/0007), unter G Nr. 2.1. 212) Vgl. auch Lehmann/Rehahn, WM 2014, 1793, 1797, im Umkehrschluss aus § 25f Abs. 6 KWG; anders Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 242. 213) Die Vorschläge der Liikanen-Kommission sahen dagegen ein Holding-Modell vor, vgl. Hochrangige Sachverständigengruppe zur Reformierung der EU-Bankenstruktur, Schlussbericht v. 2.10.2012, S. 102.

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der Beteiligung an dem Finanzhandelsinstitut dürfen sich aber für das CRR-Kreditinstitut keine substanziellen wirtschaftlichen Risiken ergeben.214) 81 Dies bedingt für die wirtschaftliche Eigenständigkeit, dass das Finanzhandelsinstitut seine Refinanzierung eigenständig sicherzustellen hat (§ 25f Abs. 3 KWG). Grundsätzlich erlaubt ist die Rekapitalisierung des Finanzhandelsinstituts durch die Erhöhung des Eigenkapitals. Unzulässig ist dagegen die Übernahme einer Garantie für die Verbindlichkeiten des Finanzhandelsinstituts, um die Refinanzierung zu Marktbedingungen zu gewährleisten.215) Eine Refinanzierung zu Marktbedingungen wird auch dadurch gewährleistet, dass Geschäfte des CRR-Kreditinstituts mit dem Finanzhandelsinstitut wie Geschäfte mit Dritten zu behandeln sind.216) Es ist also grundsätzlich nicht verboten, dass das CRR-Kreditinstitut sein Finanzhandelsinstitut mit finanziellen Mitteln versorgt, etwa in Form einer Kreditvergabe, doch hat dies zu einem Drittvergleich standhaltenden Konditionen bzw. markt- und risikogerecht zu erfolgen.217) In diesem Zusammenhang ist auch der Ausschluss der Waiver-Regelung nach § 25f Abs. 2 KWG zu sehen. Ein Finanzhandelsinstitut darf nicht von ansonsten für gruppenangehörige Institute geltenden aufsichtsrechtlichen Erleichterungen profitieren.218) 82 Im Hinblick auf die organisatorische Eigenständigkeit des Finanzhandelsinstituts ist zunächst eine angemessene Personalausstattung erforderlich. Daneben sind die regulatorischen Vorgaben an die erforderliche Anzahl von Geschäftsleitern und Verwaltungs- bzw. Aufsichtsorganen einzuhalten. Zur Vermeidung von Interessenkonflikten, dürfen die Geschäftsleiter des CRR-Kreditinstituts bzw. gruppenangehöriger Unternehmen nicht zugleich Geschäftsleiter des Finanzhandelsinstituts sein.219) Eine Nutzung der Infrastruktur bzw. die Inanspruchnahme von Dienstleistungen des CRR-Kreditinstituts und sonstiger konzernangehöriger Unternehmen durch das Finanzhandelsinstituts bleibt aber grundsätzlich möglich, soweit die Dienstleistungen entsprechend den Anforderungen des § 25b KWG ausgelagert werden.220) Zur Vermeidung von operativen und Reputationsrisiken muss die gemeinsam genutzte Infrastruktur aber grundsätzlich in der Muttergesellschaft oder in anderen konzernangehörigen Unternehmen angesiedelt sein.221) ___________ 214) Vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 43. 215) Vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 42. Dies schließt indes nicht aus, dass das CRR-Kreditinstitut zu marktüblichen Konditionen für das Finanzhandelsinstitut als Clearingmitglied oder Sicherheitentreuhänder tätig werden kann, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 48 Nr. 1 lit. d. 216) Rein administrative Unterstützungsleistungen durch das CRR-Kreditinstitut bei der Refinanzierung bleiben aber stets zulässig, vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 42. 217) So ausdrücklich BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 50. 218) Dies schließt indes nicht aus, dass das CRR-Kreditinstitut als Muttergesellschaft einen Parent-Waiver verwendet, so dass bei Geschäften des CRR-Kreditinstituts bzw. anderer konzernangehöriger Unternehmen mit dem Finanzhandelsinstitut etwa die Großkreditbeschränkungen keine Anwendung finden, soweit die Anforderungen auf konsolidierter Basis eingehalten werden. Etwaige Kostenersparnisse dürfen aber dem Finanzhandelsinstitut nicht zugutekommen, vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 49 Nr. 2. 219) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, v. 14.12.2016, Zeile 48 Nr. 1 lit. b und lit. c. 220) Vgl. BaFin, Auslegungshilfe zum Abschirmungsgesetz, 14.12.2016, Zeile 47 und 48 Nr. 1 lit. a. 221) Nicht ausgeschlossen ist, dass das Finanzhandelsinstitut den Namen des CRR-Kreditinstituts in seiner Firma, eventuell mit Zusatz, führt, jedoch müssen insb. nicht professionelle Marktteilnehmer auf die Eigenständigkeit des Finanzhandelsinstituts hinreichend hingewiesen werden, vgl. Luz/Neus/Schaber/ u. a.-Heemann, KWG und CRR, § 25f KWG Rz. 16. In ihrem Konsultationsentwurf stellt die BaFin klar, dass Firma und Geschäftszweck des Finanzhandelsinstituts ihrem Unternehmensgegenstand entsprechen muss und fordert insoweit neben einer positiven Individualisierung auch den negativen Hinweis, dass das Finanzhandelsinstitut weder Einlagen entgegennehmen noch Zahlungsdienste erbringen darf, vgl. BaFin, Konsultation 20/2018, Entwurf einer aktualisierten Fassung der Auslegungshilfe zum Art. 2 Abschirmungsgesetz, v. 28.12.2018 (R 1-FR 2311-2017/0007), unter G Nr. 2.1.

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§ 20

II. Die deutsche Trennbankenregelung

Dass durch die dargestellten Vorgaben an die Eigenständigkeit des Finanzhandelsinstituts 83 tatsächlich eine wirksame Risikoabschirmung erreicht, und umgekehrt ein Durchschlagen (insbesondere von Reputations-)Risiken auf das CRR-Kreditinstitut verhindert wird, wird allerdings bezweifelt.222) Zudem bleiben wesentliche Fragen durch die gesetzliche Regelung ungeklärt, etwa der drohende Konflikt zwischen der bankaufsichtsrechtlich geforderten Eigenständigkeit und der gesellschaftsrechtlichen Konzeption des Konzernverbundes.223) c)

Anforderungen ein wirksames Risikomanagement

Nach § 25f Abs. 6 KWG ist erforderlich, dass sich sowohl das Verwaltungs- und Auf- 84 sichtsorgan des Finanzhandelsinstituts als auch das entsprechende Organ des CRRKreditinstituts oder übergeordneten Unternehmens der Gruppe regelmäßig und anlassbezogen über die Geschäfte des Finanzhandelsinstituts sowie die damit verbundenen Risiken informiert und die Einhaltung der besonderen Anforderungen an die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation nach § 25f KWG überwacht. Insofern werden Finanzhandelsinstitut und CRR-Kreditinstitut verpflichtet, für eine wirksame Risikoabschirmung Sorge zu tragen, was beinhaltet, dass die Risiken aus spekulativen Geschäften ganz besonders im Fokus des Risikomanagements auf Einzelinstitutsebene und auf Ebene der Gruppe stehen müssen. In diesem Zusammenhang hält es der Gesetzgeber für erforderlich, dass das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan einen Risikoausschuss gemäß § 25d Abs. 8 KWG einrichtet – das Finanzhandelsinstitut gilt gemäß § 25d Abs. 3 Satz 8 Nr. 3 KWG als Institut von erheblicher Bedeutung – und sich laufend mit den Risiken aus den spekulativen Geschäften befasst.224) d)

Verordnungsermächtigung und Eingriffsbefugnisse

§ 25f Abs. 4 KWG enthält eine Verordnungsermächtigung mittels derer für die Zwecke 85 der Überwachung der Einhaltung des Verbots nach § 3 Abs. 2 und 4 KWG sowie für die Ermittlung von Art und Umfang des verbotenen Geschäfts für das CRR-Kreditinstitut bzw. das übergeordnete Unternehmen einer Gruppe Anzeigepflichten und nähere Bestimmungen über Art, Umfang, Zeitpunkt und Form der Informationen begründet bzw. erlassen werden können.225) § 25f Abs. 7 KWG eröffnet der BaFin schließlich die Möglichkeit, gegenüber dem CRR- 86 Kreditinstitut bzw. dem übergeordneten Unternehmen der Gruppe sowie gegenüber dem Finanzhandelsinstitut Anordnungen zu treffen, die geeignet und erforderlich sind, die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation nach § 25f KWG sicherzustellen.226)

___________ 222) Skeptisch etwa Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Schriever, KWG, § 25f Rz. 19; Möslein, BKR 2013, 397, 405; auch Tröger in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 137, 158 f. 223) Etwa mit Blick auf die Finanzierungsverantwortung im Konzern, auf ausnahmsweise Möglichkeiten des Haftungsdurchgriffs oder auf eine potenzielle Verpflichtung der einzelnen Geschäftsleiter auf das Konzerninteresse, vgl. Möslein, ORDO 64 (2013), 349, 366 f. Daneben stellen sich Fragen hinsichtlich der Rechnungslegung und der Konsolidierung des Finanzhandelsinstituts i. R. des Gruppen- bzw. Konzernverbundes, vgl. Schwennicke/Auerbach-Auerbach/Schriever, KWG, § 25f Rz. 16. 224) Vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 42 f. 225) Zum Erlass einer solchen Verordnung ist es indes bislang nicht gekommen. 226) Die Rechte der Behörde zu Maßnahmen nach § 44c und § 37 KWG (Einschreiten gegen verbotene Geschäfte) bleiben hiervon unberührt, vgl. Begr. RegE TrennbankenG, BT-Drucks. 17/12601, S. 43.

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§ 20 III.

Trennbankenregelung Bewertung und Ausblick

87 Das deutsche Trennbankengesetz ist von erheblichen Inkonsistenzen geprägt, in vieler Hinsicht unklar und wirft eine Vielzahl schwer aufzulösender Abgrenzungsfragen auf. Es wird daher zu Recht kritisiert.227) Ungeachtet der offenen Frage, ob mit der Trennbankenregelung wesentliche Stabilitätsgewinne einhergehen werden, hat sich die Befürchtung bewahrheitet, dass die Regelung in der Praxis zu erheblichen Umsetzungsproblemen führt. Die BaFin hat mit ihrer Auslegungshilfe zwar einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, das Gesetz überhaupt handhabbar zu machen, jedoch sind weiterhin viele Fragen ungeklärt. 88 Nachdem die größten deutschen Institute – jedenfalls diejenigen, die von Beginn an in den Anwendungsbereich des Trennbankengesetzes fielen – i. R. der Risikoanalyse ihre Geschäftstätigkeit auf verbotene Geschäfte hin abgeprüft haben, steht für die Zukunft die Einrichtung wirksamer Compliance-Prozesse im Vordergrund, um den Anforderungen der Trennbankenregelung fortlaufend Rechnung zu tragen. Damit geht nicht nur die Erstellung bzw. Festlegung geeigneter Richtlinien und Handels- oder Risikostrategien einher, sondern auch die Überprüfung und Dokumentation von deren Einhaltung. Im Rahmen der Vertragsgestaltung ist daneben gerade im Hinblick auf das Kredit- und Garantiegeschäft mit Hedgefonds die Einräumung geeigneter Kündigungsrechte bedeutsam. 89 Nachdem die Kommission, den Vorschlag für eine europäische Trennbankenregelung zurückgezogen hat, wird das deutsche Trennbankengesetz auf absehbare Zeit nicht durch eine europäische Regelung ersetzt werden. Insofern ist es umso dringlicher, die offenen Auslegungsfragen des Trennbankengesetzes zu klären und für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Vor diesem Hintergrund ist es notwendig und begrüßenswert, dass die BaFin ihre Auslegungshilfe aktualisiert und damit Fragestellungen, die sich aus dem praktischen Umgang mit dem Trennbankengesetz und der Auslegungshilfe ergeben, (fortlaufend) Rechnung trägt.

___________ 227) Vgl. statt vieler nur Altvater/v. Schweinitz, WM 2013, 625, 633; Kumpan, ZBB 2014, 201, 211; Möslein, BKR 2013, 397, 405; Schelo/Steck, ZBB 2013, 227, 244; Tröger in: Bauer/Schuster, Nachhaltigkeit im Bankensektor, S. 137, 160 f.

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§ 21 Die Bankenabgabe im Rahmen des Single Resolution Mechanism

Wolfers/Voland

Übersicht I. Hintergrund ................................................ 1 II. Einordnung des Single Resolution Fund (SRF) .................................................. 5 1. Erster Schritt: Nationale Fonds .................. 6 2. Zweiter Schritt: Harmonisierung der Fonds durch die Bankenabwicklungsrichtlinie (BRRD) ...................................... 10 3. Dritter Schritt: Ein gemeinsamer Fonds als wesentliches Element des Single Resolution Mechanism (SRM)....... 13 a) Single Resolution MechanismVerordnung (SRM-VO) ..................... 18 b) Intergovernmental Agreement (IGA)................................................... 27 III. Finanzausstattung des SRF...................... 29 1. Beiträge an den SRF ................................... 30 a) Adressaten der Beitragspflicht ........... 31 b) Ex-ante-Beiträge.................................. 36 aa) Berechnung der Ex-ante Beiträge bei großen Banken ....................... 40 (1) Allgemeine jährliche Zielgröße ... 42 (2) Ermittlung des Grundbeitrags im „Normalfall“............................ 46 (3) Modifikationen des Grundbeitrags im Hinblick auf Gruppen, Finanzmarktinfrastrukturen, Förderbanken und Derivate ........ 52

(4) Risikoanpassung........................... 59 (5) Besonderheiten in der Aufbauphase des SRF......................... 68 bb) Berechnung der Ex-ante-Beiträge bei kleinen Banken ....................... 71 c) Ex-post-Beiträge ................................. 77 2. Alternative Finanzierungsmöglichkeiten .......................................................... 81 IV. Verfahren der Beitragszahlung ............... 83 1. Zuständige Behörden ................................. 84 2. Ablauf des Verfahrens................................ 88 a) Datenübermittlung ............................. 89 b) Bescheid über die Beitragshöhe ..................................................... 95 c) Form und Zeitpunkt der Beitragszahlung ................................................ 97 3. Überführung der Beiträge an den SRF..................................................... 106 V. Auszahlungen aus dem SRF .................. 110 VI. Änderungen der SRM-VO .................... 114 VII. Rechtsschutz........................................... 117 1. Rechtsschutz gegen die Erhebung von Ex-ante-Beiträgen ............................. 118 2. Rechtsschutz gegen außerordentliche nachträglich erhobene Beiträge ............... 123

Literatur: Brandt/Güth, Bankenabgabe, in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, 2016, Teil C Kap. I, S. 545; Haentjens, Bank Recovery and Resolution: An Overview of International Initiatives, IILR 2014, 255; Henkel/Schneider/Tüns, Wie ist die europäische Bankenabgabe zu berechnen?, WPg 2017, 22; Lehmann/Manger-Nestler, Einheitlicher Europäischer Aufsichtsmechanismus: Bankenaufsicht durch die EZB, ZBB 2014, 2; Sacarcelik, Europäische Bankenunion: Rechtliche Rahmenbedingungen und Herausforderungen der einheitlichen europäischen Bankenaufsicht, BKR 2013, 353; Skauradszun, Legal Protection against Decisions of the Single Resolution Board pursuant to Art. 85 Single Resolution Mechanism Regulation, ECFR 2018, 123; Wefers, EU-Behörde verrechnet sich bei Bankenabgabe, Börsenzeitung v. 25.5.2016, https://www.boersen-zeitung.de/index.php?li= 1&artid=2016098001 (Abrufdatum: 8.5.2020); Wojcik/Ceyssens, Der einheitliche EU-Bankenabwicklungsmechanismus: Vollendung der Bankenunion, Schutz des Steuerzahlers, EuZW 2014, 893; Wolfers/ Voland, Level the Playing Field: The New Supervision of Credit Institutions by the European Central Bank, CML Rev. 2014, 1463; Wolfers/Voland, Die Entstehung von Abwicklungsanstalten im rechtlichen Wettbewerb der Systeme, in: Bolder/Wargers, Modell „Bad Bank“: Hintergrund – Konzept – Erfahrungen, 2012, S. 61; Wolfers/Voland, Sanierung und Insolvenz von Banken unter besonderer Berücksichtigung der Vorgaben des Verfassungs- und Europarechts, in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. Corporate Governance von Banken, 2011, S. 315. Verlautbarungen des Financial Stability Board (FSB): FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 10/2011, Stand: 15.10.2014, http://www.fsb.org/wp-content/ uploads/r_141015.pdf (Abrufdatum: 8.5.2020). Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in

Wolfers/Voland

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§ 21

Die Bankenabgabe im Rahmen des Single Resolution Mechanism

Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019; EP/Rat, Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über Einlagensicherungssysteme – ESRL, ABl. (EU) L 173/149 v. 12.6.2014. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen – Single Resolution Mechanism (SRMVO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/834 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 in Bezug auf die Clearingpflicht, die Aussetzung der Clearingpflicht, die Meldepflichten, die Risikominderungstechniken für nicht durch eine zentrale Gegenpartei geclearte OTC-Derivatekontrakte, die Registrierung und Beaufsichtigung von Transaktionsregistern und die Anforderungen an Transaktionsregister – EMIR-Refit, ABl. (EU) L 141/42 v. 28.5.2019; Rat, Durchführungsverordnung (EU) 2015/81 des Rates v. 19.12.2014 zur Festlegung einheitlicher Modalitäten für die Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zum einheitlichen Abwicklungsfonds, ABl. (EU) L 15/1 v. 22.1.2015; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014; Rat, Verordnung (EU) Nr. 1024/ 2013 des Rates v. 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank – Single Supervisory Mechanism (SSM-VO), ABl. (EU) L 287/63 v. 29.10.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.7.2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister – EMIR, ABl. (EU) L 201/1 v. 27.7.2012. Verlautbarungen und Verordnungen der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Report to the European Parliament and the Council on the application and review of Directive 2014/59/EU (Bank Recovery and Resolution Directive) and Regulation 806/2014 (Single Resolution Mechanism Regulation), v. 30.4.2019, COM(2019) 213 final, https://ec.europa.eu/info/sites/info/ files/business_economy_euro/banking_and_finance/documents/190430-report-bank-recovery-resolution_en.pdf; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2017/2361 der Kommission v. 14.9.2017 über das endgültige System der Beiträge zu den Verwaltungsausgaben des Ausschusses für die einheitliche Abwicklung, ABl. (EU) L 337/6 v. 19.12.2017; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2017/ 747 der Kommission v. 17.12.2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Kriterien für die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge sowie der Umstände und Bedingungen, unter denen die Zahlung außerordentlicher nachträglich erhobener Beiträge teilweise oder ganz aufgeschoben werden kann, ABl. (EU) L 113/2 v. 29.4.2017; Kommission, Pressemitteilung 14/294, Bankenunion: Wiederherstellung der Finanzstabilität im Euroraum, v. 9.3.2015, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-294_de.htm; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2015/63 der Kommission v. 21.10.2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zu Abwicklungsfinanzierungsmechanismen, ABl. (EU) L 11/44 v. 17.1.2015; Kommission, Pressemitteilung 14/295, A Single Resolution Mechanism for the Banking Union – frequently asked questions, v. 15.4.2014, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-295_de.htm; (Abrufdatum jew. 8.5.2020). Verlautbarungen des European Stability Mechanism (ESM): ESM, Guideline on Financial Assistance for the Direct Recapitalisation of Institutions, v. 8.12.2014, https://www.esm.europa.eu/sites/default/ files/20141208_guideline_on_financial_assistance_for_the_direct_recapitalisation_of_institutions.pdf (Abrufdatum: 8.5.2020). Verlautbarungen des Single Resolution Board (SRB): SRB/BaFin, Irrevocable Payment Commitment and collateral Arrangement Agreement/Unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung und Sicherheitenvereinbarung, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Anlage/dl_anlage_180426_SRB_ IPC_Agreement_A.pdf?__blob=publicationFile&v=3; SRB, 2019 ex-ante contributions, Key Facts, https://srb.europa.eu/en/content/2019-ex-ante-contributions; SRB, Fact Sheet, 2019 Contribution period, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/2019_fact_sheet.pdf; SRB, 2019 statistical information on the calculation results, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/2019_exante_statistical_information.pdf; SRB, Work Programme 2019, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/wp2019_final.pdf;

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§ 21

I. Hintergrund

SRB, 7thSRB-Banking Industry Dialogue Meeting, Contributions, v. 10.12.2018, https://srb.europa.eu/ sites/srbsite/files/7th_industry_dialogue_contributions_0.pdf; SRB, Use of Irrevocable Payment Commitment during the 2018 ex-ante contribution to the Single Resolution Fund, v. 11.4.2018, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/EN/Anlage/dl_anlage_180426_SRB_IPC_Letter_to_ institutions_A_en.pdf?__blob=publicationFile&v=2; SRB, 2018 ex-ante contributions, Key Facts, https://srb.europa.eu/en/content/2018-ex-ante-contributions; SRB, Decision concerning the adoption of a resolution scheme in respect of Banco Popular Espanol, S. A., v. 7.6.2017 (SRB/EES/ 2017/08), https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/resolution_decision_updated_on_30_10_2018.pdf; SRB, Work Programme 2017, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/srb_2016.5419_work_programme_2017_web.pdf; SRB, 2017 ex-ante contributions, Key Facts, https://srb.europa.eu/en/content/2017-ex-ante-contributions; SRB, 2016 contributions to the SRF, v. 6.7.2016, https://srb.europa.eu/ sites/srbsite/files/press_presentation_july_2016_final.pdf; SRB, Single Resolution Fund, v. 5/2016, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/single_resolution_fund_0.pdf; SRB, 2016 ex-ante contributions to the SRF, Additional guidance for the industry, v. 30.11.2015, https://www.toezicht.dnb.nl/binaries/ 50-234683.pdf; SRB, Building up the Single Resolution Fund – The 2016 Contributions to the SRF, v. 29.10.2015, https://srb.europa.eu/sites/srbsite/files/20151029-contributions-srf_en.pdf; (Abrufdatum jew. 8.5.2020). Verlautbarungen des Bundesministeriums der Finanzen (BMF): BMF, Die Beteiligungen des Bundes, Beteiligungsbericht 2016, v. 22.2.2017, https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Bundesvermoegen/Privatisierungs_und_Beteiligungspolitik/Beteiligungspolitik/ Beteiligungsberichte/Beteiligungsbericht-2016.html; BMF, Fragen und Antworten zum einheitlichen europäischen Bankenabwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism – SRM), v. 6.3.2019, https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/2014-01-22-srm-faq.html; (Abrufdatum jew. 8.5.2020). Verlautbarungen der Deutschen Bundesbank (Bundesbank): Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, S. 31, https://www.bundesbank.de/resource/blob/597960/dd83e26b877c117f49541db06dda8aa1/ mL/2014-06-europ-regeln-sanierung-ki-data.pdf (Abrufdatum: 8.5.2020).

I.

Hintergrund „‚Europäisch leben, national sterben‘ – Dies wird für Banken nicht mehr gelten, da sie nun einem echten europäischen Aufsichtsmechanismus unterliegen und jede Insolvenz im Rahmen eines echten europäischen Mechanismus verwaltet wird.“1)

So fasst die Kommission den Grundgedanken des Einheitlichen Europäischen Banken- 1 abwicklungsmechanismus zusammen. Dieser stellt – ebenso wie die beiden anderen Säulen der Bankenunion (Bankenaufsicht und Einlagensicherung) – eine Reaktion auf die Lehman-Brothers-Insolvenz und die daraufhin global um sich greifende Finanzmarktkrise im Jahr 2008 dar. Es zeigte sich, dass für zahlungsunfähige Banken unter Umständen ein Insolvenzverfahren nicht in Betracht kommt, weil andere Akteure des Finanzmarktes „angesteckt“ und damit Gefahren für die Stabilität des gesamten Finanzsystems verursacht werden könnten. Näher zu dieser Vernetzung und dem Problem des too-big-to-fail siehe § 15 Rz. 1 ff. [Cichy]. Dementsprechend brachten in der Finanzmarktkrise viele Staaten zunächst eigene Ret- 2 tungsprogramme auf den Weg, um einen Zusammenbruch der Finanz- und Realwirtschaft zu verhindern.2) Diese Maßnahmen waren als erste „Brandbekämpfung“3) geboten und sinnvoll. Allerdings waren sie mit erheblichen Nachteilen verbunden. Mit dem Einsatz öffentlicher Gelder brachten die Staaten zum Ausdruck, dass sie bestimmte Banken in jedem Fall retten würden. Dies begründete nicht nur die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen,

___________ 1) 2) 3)

Kommission, Bankenunion: Wiederherstellung der Finanzstabilität im Euroraum, PM 14/294, v. 9.3.2015. Für einen Überblick über Maßnahmen in Deutschland s. Wolfers/Voland in: Hopt/Wohlmannstetter, Hdb. Corporate Governance, S. 315 ff.; Wolfers/Voland in: Bolder/Wargers, Modell „Bad Bank“, 2012, S. 61 ff. Der damalige Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück, umschrieb die Herausforderung wie folgt: „Wenn es auf den Weltfinanzmärkten brennt, dann muss gelöscht werden. Auch wenn es sich um Brandstiftung handelt.“, BT-Plenarprotokoll 16/182, S. 19355 (B).

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§ 21

Die Bankenabgabe im Rahmen des Single Resolution Mechanism

sondern vergrößerte vor allem das Problem von Fehlanreizen und des Moral Hazard auf Kosten der Steuerzahler.4) 3 Um diesen Defiziten auf internationaler Ebene zu begegnen, beauftragten die G20Staaten das Financial Stability Board (FSB) mit der Suche nach Lösungen. Dem FSB gehören die Regierungen, Finanzaufsichtsbehörden und Zentralbanken der 24 wichtigsten Industrie- und Schwellennationen sowie der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank (EZB) und die Kommission an. Im Oktober 2011 präsentierte das FSB die „Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions“.5) Die G20Staaten verabschiedeten diese Empfehlungen, die seither als Basis für einheitliche Restrukturierungs- und Abwicklungsregelungen für Banken dienen.6) 4 Fast zeitgleich nahm die EU das Vorhaben in Angriff, die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion um eine Bankenunion zu ergänzen.7) II.

Einordnung des Single Resolution Fund (SRF)

5 Der Einheitliche Europäische Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund – SRF) beruht auf der Erkenntnis, dass die Sanierung und Abwicklung von Banken nicht nur spezifischer Regeln, sondern auch besonderer Finanzierungsquellen bedarf. Vor diesem Hintergrund schufen einige EU-Staaten zunächst ihre eigenen Abwicklungsfonds (siehe Rz. 6 ff.). Da jedoch rein nationale Lösungsansätze speziell bei grenzübergreifend organisierten und international vernetzten Banken nicht ausreichen, hat der europäische Gesetzgeber einheitliche Regelungen für die Abwicklung von Banken und die dazu ggf. erforderliche Finanzierung entwickelt (siehe Rz. 10 ff.). Anschließend ist er noch einen Schritt weitergegangen und hat – gemeinsam mit den Euro-Mitgliedstaaten – den SRF als einheitlichen Bankenabwicklungsfonds insbesondere für die Eurozone errichtet (siehe Rz. 13 ff.). 1.

Erster Schritt: Nationale Fonds

6 In Reaktion auf die Finanzmarktkrise richteten verschiedene nationale Gesetzgeber, etwa in Frankreich und Österreich, staatlich verwaltete Fonds ein, in die die Banken Abgaben einzahlen mussten. Die Fonds sollten für künftige Restrukturierungs- und Abwicklungsfälle finanzielle Mittel bereitstellen.8) 7 Auch in Deutschland schuf der Gesetzgeber zum 31.12.2010 einen Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute. Die gesetzliche Grundlage dafür bildete das Restrukturierungsfondsgesetz (RStruktFG)9). Die Verwaltung des Fonds obliegt seit dem 1.1.2018 der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als nationaler Abwicklungsbe-

___________ 4)

5) 6) 7) 8) 9)

Zum Ganzen s. in der amtlichen Begr. zum RStruktFG, BT-Drucks. 17/3024, S. 1 ff.; Bundesbank, Die neuen europäischen Regeln zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten, in: Monatsbericht 6/2014, S. 31, 32 f. FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, v. 10/2011, Stand: 15.10.2014. Vgl. Bundesbank, Monatsbericht 6/2014, S. 31, 32 f. Zur Entwicklung der Bankenunion Wojcik/Ceyssens, EuZW 2014, 893. Zu nationalen Abwicklungsmechanismen Haentjens, IILR 2014, 255. Art. 3 des Gesetzes zur Restrukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der aktienrechtlichen Organhaftung – Restrukturierungsgesetz (RStruktG), v. 9.12.2010, BGBl. I 2010, 1900, 1924. Dieser Art. 3 enthält das Gesetz zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute – Restrukturierungsfondsgesetz (RStruktFG).

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II. Einordnung des Single Resolution Fund (SRF)

§ 21

hörde. Zuvor war die Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) zuständig gewesen.10) Gemeinsam ist diesen Fonds, dass sie sich durch Abgaben der nationalen Banken finan- 8 zieren.11) Ihr Ziel besteht darin, den Einsatz von Steuergeldern zu vermeiden und stattdessen eine (Branchen-)Haftung der Banken einzuführen. Dadurch sollen wirtschaftliche Chancen und Verantwortung wieder in Gleichlauf gebracht und ein Moral Hazard vermieden werden.12) Der deutsche Restrukturierungsfonds existiert noch immer und ist nicht infolge der wei- 9 tergehenden Maßnahmen auf EU-Ebene (siehe dazu sogleich Rz. 10 ff. und Rz. 13 ff.) aufgelöst worden. Vielmehr stehen die Beiträge, die der deutsche Restrukturierungsfonds in den Jahren 2011 bis 2014 vereinnahmt hat, während der Aufbauphase des SRF weiterhin zur Verfügung, um die Abwicklung deutscher Institute zu finanzieren (§ 3b RStruktFG). Darüber hinaus besteht eine Aufgabe des deutschen Fonds darin, die Beiträge für den SRF zu erheben und auf diesen zu übertragen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 RStruktFG). Schließlich bleibt der nationale Restrukturierungsfonds grundsätzlich für die Erhebung und Verwendung der Beiträge der CRR-Wertpapierfirmen unter Einzelaufsicht13) und der inländischen Unionszweigstellen,14) die nicht am einheitlichen Abwicklungsmechanismus teilnehmen, erhalten. Deren laufend erhobene Beiträge verbleiben daher in dem deutschen Fonds und sind nicht an den SRF zu transferieren.15) 2.

Zweiter Schritt: Harmonisierung der Fonds durch die Bankenabwicklungsrichtlinie (BRRD)

Den ersten Meilenstein bei der Vereinheitlichung der Bankenabwicklung in Europa bildete 10 die Bankenabwicklungsrichtlinie (Bank Recovery and Resolution Directive – BRRD),16) die zum 1.1.2015 eingeführt wurde und seither in allen EU-Mitgliedstaaten gilt (nicht nur in der Euro-Zone). Am 20.5.2019 wurde die BRRD in Bezug auf die Verlustabsorptionsund Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen durch die Richtlinie (EU) 2019/879 (BRRD II)17) ergänzt. Die BRRD enthält insbesondere einheitliche Regeln für die Sanierungs- und Abwick- 11 lungsplanung, die Abwicklungsinstrumente und die Abwicklungsfinanzierungsmechanismen. So sehen Artt. 100 ff. BRRD vor, dass jeder EU-Mitgliedstaat über einen Zeitraum von zehn Jahren einen nationalen Finanzierungsmechanismus in der Form eines Fonds einzurichten hat, in den alle im Hoheitsgebiet zugelassenen Institute sowie die in der EU bestehenden Zweigstellen von Instituten aus Drittstaaten einzahlen müssen.18) Darüber ___________ 10) S. § 1 RStruktFG in der aktuellen Fassung. Die Zuständigkeit der FMSA beruhte auf § 11 RStruktFG i. d. F. v. 1.1.2015, der zum 1.1.2018 weggefallen ist, s. Art. 4 Nr. 2 und Nr. 4 sowie Art. 11 Abs. 6 des Gesetzes zur Neuordnung der Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung – FMSANeuordnungsgesetz (FMSANeuOG), v. 23.12.2016, BGBl. I 2016, 3171, 3183 f. Zur Begr. dieser Normen s. RegE FMSANeuOG, v. 12.8.2016, BR-Drucks. 408/16, S. 58. 11) Vgl. z. B. § 12 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 RStruktFG. 12) Vgl. dazu die amtliche Begr. z. RStruktFG, BT-Drucks. 17/3024, S. 1 f. 13) Vgl. § 2a Abs. 1 RStruktFG. 14) Vgl. § 2 Satz 1 Nr. 3 RStruktFG. 15) Vgl. § 11a Abs. 1 Nr. 1 und 2 RStruktFG, jeweils a. E. Näher dazu Brandt/Güth in: Jahn/Schmitt/ Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil C Kap. I Rz. 8 ff. 16) Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – Bank Resolution and Recovery Directive (BRRD), ABl. (EU) L 173/190 v. 12.6.2014. 17) Richtlinie (EU) 2019/879 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD II), ABl. (EU) L 150/296 v. 7.6.2019. 18) Vgl. zum personalen Anwendungsbereich Art. 1 Abs. 1 BRRD.

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§ 21

Die Bankenabgabe im Rahmen des Single Resolution Mechanism

hinaus regeln sie, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zweck ein solcher Fonds genutzt werden kann, und legen die Zielausstattung sowie die Höhe der zu entrichtenden Beiträge fest. Die Ausführung dieser Vorschriften – insbesondere auch die Berechnung der Bankenabgabe – bleibt jedoch grundsätzlich den nationalen Behörden überlassen. Dies ist in Deutschland seit Anfang 2018 die BaFin.19) Allerdings ist in den Eurostaaten der Ausschuss für die einheitliche Abwicklung20) (Single Resolution Board – SRB) für die Wahrnehmung zahlreicher Aufgaben an die Stelle der nationalen Abwicklungsbehörden getreten (siehe dazu § 14 [Benzing]). 12 Der deutsche Gesetzgeber hat die Richtlinie mit dem BRRD-Umsetzungsgesetz21) in deutsches Recht überführt. Speziell mit Blick auf die Abwicklungsfinanzierungsmechanismen hat er Änderungen im RStruktFG vorgenommen. 3.

Dritter Schritt: Ein gemeinsamer Fonds als wesentliches Element des Single Resolution Mechanism (SRM)

13 Um die Harmonisierung i. R. der Eurozone – i. S. eines Europas verschiedener Geschwindigkeiten – noch weiter voranzutreiben, beschlossen die EU-Institutionen und die EuroMitgliedstaaten, einen Einheitlichen Europäischen Bankenabwicklungsmechanismus (SRM) einzuführen.22) 14 Dieser Abwicklungsmechanismus findet seine Grundlagen x

in der SRM-VO23), die seit dem 1.1.2016 gilt, sowie

x

in dem intergouvernementalen „Übereinkommen über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge“ vom 21.5.2014 (Intergovernmental Agreement – IGA)24).

15 Mit dem Abwicklungsmechanismusgesetz25) hat der deutsche Gesetzgeber die erforderlichen Änderungen an dem RStruktFG vorgenommen.

___________ 19) S. § 1 RStruktFG in der aktuellen Fassung. Die Zuständigkeit der FMSA beruhte auf § 11 RStruktFG i. d. F. v. 1.1.2015, der zum 1.1.2018 weggefallen ist, s. Art. 4 Nr. 2 und Nr. 4 sowie Art. 11 Abs. 6 des Gesetzes zur Neuordnung der Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung – FMSANeuordnungsgesetz (FMSANeuOG), v. 23.12.2016, BGBl. I 2016, 3171, 3183 f. Zur Begr. dieser Normen s. RegE FMSANeuOG, v. 12.8.2016, BR-Drucks. 408/16, S. 58. 20) Zu dieser Terminologie s. ErwG 11 SRM-VO. 21) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 – BRRD-Umsetzungsgesetz, v. 10.12.2014, BGBl. I 2014, 2091. 22) Einer der ersten Anwendungsfälle, die nach dem Regime des Einheitlichen Bankenabwicklungsmechanismus gelöst wurden, betraf die spanische Bankengruppe Banco Popular. Das SRB hat eine Abwicklungsentscheidung getroffen und als Abwicklungsinstrument die Unternehmensveräußerung gewählt (vgl. Art. 24 SRM-VO). Erwerber war die spanische Banco Santander S.A. Auf den SRF musste nicht zurückgegriffen werden, vgl. SRB, Decision concerning the adoption of a resolution scheme in respect of Banco Popular Espanol, S. A., v. 7.6.2017 (SRB/EES/2017/08). 23) Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.7.2014 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO), ABl. (EU) L 225/1 v. 30.7.2014, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/877 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – Single Resolution Mechanism (SRM-VO II), ABl. (EU) L 150/226 v. 7.6.2019. Die SRM-VO II gilt ausweislich ihres Art. 2 Abs. 2 ab dem 28.12.2020. 24) Zu dessen Umsetzung in Deutschland s. das Gesetz zu dem Übereinkommen v. 21.5.2014 über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge, v. 17.12.2014, BGBl. II 2014, 1298. 25) Gesetz zur Anpassung des nationalen Bankenabwicklungsrechts an den Einheitlichen Abwicklungsmechanismus und die europäischen Vorgaben zur Bankenabgabe – Abwicklungsmechanismusgesetz (AbwMechG), v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, 1864.

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II. Einordnung des Single Resolution Fund (SRF)

§ 21

Der einheitliche europäische Abwicklungsmechanismus soll drei Ziele erreichen:

16

x

erstens die Zentralisierung der Abwicklungsbehörde (SRB, siehe dazu § 14 Rz. 40 ff. [Benzing]),

x

zweitens die Vereinheitlichung des Abwicklungsverfahrens (siehe dazu § 14 Rz. 40 ff. [Benzing]) und

x

drittens die Errichtung eines einheitlichen supranationalen Fonds (SRF).

Zweck des SRF ist es, die finanzielle Stabilität der Bankenunion zu stärken. Er soll primär 17 finanzielle Mittel für die Abwicklung von in Schieflage geratenen Banken bereitstellen, wenn Abwicklungsinstrumente nicht genügen und/oder externe Finanzierungsquellen benötigt werden. Daher können Banken prinzipiell auch erst dann auf den SRF zugreifen, wenn andere Optionen – wie der Bail-in – allein nicht ausreichen oder bereits ausgeschöpft sind (siehe näher dazu unter § 14 Rz. 37, 72 [Benzing]).26) Dies soll sicherstellen, dass vorrangig die Anteilseigener und Gläubiger einer Bank für die Kosten einer Abwicklung einstehen müssen, und somit die Kosten für Steuerzahler und die Wirtschaft möglichst gering ausfallen.27) a)

Single Resolution Mechanism-Verordnung (SRM-VO)

Anders als die Abwicklungsrichtlinie gilt die SRM-VO nicht in allen, sondern nur in teil- 18 nehmenden Mitgliedstaaten. Dabei handelt es sich um diejenigen Staaten, in denen auch der Einheitliche Europäische Bankenaufsichtsmechanismus der EZB nach der SSM-VO zur Anwendung kommt. Das sind alle Mitgliedstaaten der Eurozone und können darüber hinaus diejenigen Mitgliedstaaten sein, die i. S. von Art. 7 der SSM-VO eng mit der EZB kooperieren (Art. 4 Abs. 1 SRM-VO i. V. m. Art. 2 Nr. 1 SSM-VO).28) Seit Inkrafttreten der SRM-VO sind lediglich die 19 Staaten der Eurozone Teilnehmer.29) Die SRM-VO regelt die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapier- 19 firmen (Art. 2 SRM-VO).30) Sie baut auf der BRRD auf, überlagert jedoch in wesentlichen Aspekten deren Regelungen. Insbesondere ersetzt sie die nach der BRRD einzurichtenden nationalen Abwicklungsfinanzierungsmechanismen (Art. 96 SRM-VO). Auf Basis von Art. 67 Abs. 1 SRM-VO ist i. R. des einheitlichen europäischen Abwick- 20 lungsmechanismus der SRF eingerichtet worden, den das SRB verwaltet (Art. 75 Abs. 1 SRM-VO). Der SRF ersetzt seit 2016 die bisher in nationaler Regie geführten Fonds (siehe Rz. 11). Das SRB handelt gemäß Art. 5 Abs. 1 SRM-VO grundsätzlich an Stelle der nationalen Abwicklungsbehörden. Nach achtjähriger Aufbauphase sollen die verfügbaren Mittel des SRF mindestens 1 % der 21 gedeckten Einlagen aller zugelassenen Kreditinstitute in den teilnehmenden EU-Staaten erreichen (Art. 69 Abs. 1 SRM-VO). In absoluten Zahlen wird die Höhe der Zielausstat___________ 26) Vgl. i. E. Art. 76 Abs. 1 SRM-VO. 27) Vgl. ErwG 73 SRM-VO. 28) Kommission, A Single Resolution Mechanism for the Banking Union – frequently asked questions, PM 14/295, v. 15.4.2014. 29) SRB, Single Resolution Fund, v. 5/2016, S. 2. 30) Erfasst sind a) in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassene Kreditinstitute; b) Mutterunternehmen, einschließlich Finanzholdinggesellschaften und gemischter Finanzholdinggesellschaften, die in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassen sind, wenn sie auf konsolidierter Basis von der EZB beaufsichtigt werden; c) in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassene Wertpapierfirmen und Finanzinstitute, wenn sie in die Beaufsichtigung ihres Mutterunternehmens auf konsolidierter Basis durch die EZB einbezogen sind.

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§ 21

Die Bankenabgabe im Rahmen des Single Resolution Mechanism

tung zum Ende der Aufbauphase am 31.12.2023 derzeit auf rund 59 – 71 Mrd. € geschätzt.31) Dieser Betrag soll durch Beiträge der Kreditinstitute aus den teilnehmenden EU-Staaten finanziert werden.32) Davon sollen auf deutsche Kreditinstitute etwa 16 Mrd. € entfallen.33) Für 2016 wurden insgesamt ca. 6,4 Mrd. € in den SRF eingezahlt, für 2017 etwas mehr als 6,6 Mrd. € und für das Jahr 2018 erfolgten Einzahlungen i. H. von mehr als 7,5 Mrd. €. Für das Jahr 2019 sind Einzahlungen i. H. von mehr als 7,8 Mrd. € berechnet worden.34) 22 Die Aufbauphase des SRF kann nach 2024 um weitere vier Jahre verlängert werden, wenn zwischenzeitlich Auszahlungen i. H. von insgesamt mehr als 0,5 % der Gesamtsumme erfolgen (Art. 69 Abs. 3 SRM-VO). In diesem Fall können die jährlich abzuführenden Beiträge die Grenze von 12,5 % der Zielausstattung (siehe dazu noch Rz. 42) überschreiten.35) Die jährlichen Beiträge können maximal doppelt so hoch wie die durchschnittlichen jährlichen Beiträge während der Aufbauphase ausfallen.36) 23 Wird bis Ende 2023 die festgelegte Zielausstattung nicht erreicht (z. B. weil geringere Beiträge erhoben wurden oder zwischenzeitlich Ausschüttungen stattgefunden haben), werden die regulären Beiträge weiterhin erhoben, bis die Zielausstattung erreicht ist (Art. 69 Abs. 4 SRM-VO). Sollte sich bereits vor Ende der Aufbauphase zeigen, dass die Zielausstattung nicht rechtzeitig erreicht werden kann, könnte das SRB darauf reagieren, indem es die Zielausstattung (siehe Rz. 21) in den letzten Jahren über 1 % der gedeckten Einlagen hinaus wesentlich erhöht. Alternativ kommt ausnahmsweise eine Überschreitung der jährlichen Beitragsgrenze von 12,5 % in Betracht (siehe Rz. 42).37) 24 Nach abgeschlossenem Aufbau kommt die Erhebung weiterer Beiträge für den Fall in Betracht, dass die Beitragsbasis wächst oder Ausschüttungen aus dem SRF vorgenommen werden. Sind die Finanzmittel dadurch auf weniger als zwei Drittel der Zielausstattung abgeschmolzen, werden die regulären Beiträge in einer Höhe erhoben, mit der die Zielausstattung in sechs Jahren wieder erreicht werden kann (Art. 69 Abs. 3 SRM-VO). Wenn die Inanspruchnahme besonders hoch war, muss ggf. die Obergrenze von 12,5 % der gedeckten Einlagen (siehe Rz. 42) überschritten werden.38) ___________ 31) BMF, Fragen und Antworten zum einheitlichen europäischen Bankenabwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism – SRM), v. 6.3.2019. 32) Mit dem Begriff „Beiträge“ werden in diesem Text allein die finanziellen Mittel erfasst, die Banken an den SRF entrichten, weil sie nach Artt. 67 ff. der SRM-VO dazu verpflichtet sind. Diese Beiträge verwaltet das SRB, um im Falle einer Bankenabwicklung die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen zu können. Ergänzend dazu erhebt das SRB auf Grundlage des Art. 65 SRM-VO i. V. m. der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2361 der Kommission v. 14.9.2017, ABl. (EU) L 337/6 v. 19.12.2017, jährliche Beiträge, die der Deckung der Verwaltungsausgaben des SRB dienen (Personalaufwendungen, Entgelte, Verwaltungs- und Infrastrukturausgaben etc.). Das System zur Berechnung dieser Beiträge orientiert sich an dem Rahmen für Aufsichtsgebühren der EZB (vgl. Begr. Delegierte Verordnung (EU) 2017/2361). 33) Boos/Fischer/Schulte-Mattler-Fischer, KWG/CRR-VO, Teil A, Einf. Rz. 133. Im Jahr 2018 zahlten deutsche Kreditinstitute bspw. knapp 2 Mrd. € ein, für das Jahr 2019 wurde ein geringfügig höherer Betrag von ebenfalls knapp 2 Mrd. € berechnet, vgl. SRB, 2019 statistical information on the calculation results, S. 1 f. 34) Zu den Zahlen vgl. SRB, 2019 statistical information on the calculation results, S. 1. 35) Delegierte Verordnung (EU) 2017/747 der Kommission v. 17.12.2015, ABl. (EU) L 113/2 v. 29.4.2017, ErwG 6. 36) Art. 4 Abs. 1 lit. a Delegierte VO (EU) 2017/747. 37) Vgl. Brandt/Güth in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil C Kap. I Rz. 15. Vgl. auch ErwG 8 Delegierte VO (EU) 2017/747, in dem erklärt wird, dass jede Verringerung der im Voraus erhobenen Beiträge grundsätzlich eine spätere Erhöhung nach sich ziehen muss, damit die Zielausstattung innerhalb der festgesetzten Fristen erreicht werden kann. 38) ErwG 6 Delegierte VO (EU) 2017/747.

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II. Einordnung des Single Resolution Fund (SRF)

§ 21

Die Beiträge der teilnehmenden Staaten, die nach Maßgabe der BRRD für 2015 in natio- 25 nale Fonds geflossen sind, wurden ebenfalls auf den SRF übertragen (Art. 1 Abs. 1 lit. a des IGA; siehe zu diesem sogleich Rz. 27 f.). Sie werden jedes Jahr anteilig von den Beiträgen, die bis 2024 von den Banken zu zahlen sind, abgezogen.39) Es handelt sich dabei um eine Summe von 4,3 Mrd. €.40) Allein aus Deutschland wurden knapp 1,6 Mrd. € abgeführt.41) Für die Einzelheiten der Berechnung und Erhebung von Beiträgen für den SRF hat der 26 Rat auf der Grundlage von Art. 70 Abs. 7 SRM-VO die Durchführungsverordnung (EU) 2015/8142) erlassen. Art. 4 der DVO (EU) 2015/81 verweist hinsichtlich der Berechnungsmethodik wiederum auf die Delegierte Verordnung (EU) 2015/6343). Zwar dient diese Delegierte Verordnung primär dazu, die Abgaben an die gemäß BRRD errichteten nationalen Fonds zu ermitteln. Nach Art. 70 Abs. 6 i. V. m. Art. 5 Abs. 1 SRM-VO und Art. 4 DVO (EU) 2015/81 finden die Vorgaben der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 aber auch auf die Berechnung der Beiträge an den SRF Anwendung.44) b)

Intergovernmental Agreement (IGA)

Einige EU-Mitgliedstaaten hatten Zweifel, ob das europäische Primärrecht, namentlich 27 Art. 114 AEUV, eine ausreichende Kompetenzgrundlage für die Erhebung einer einheitlichen Bankenabgabe und deren Überführung an einen gemeinsamen Fonds enthält. Um dennoch die rechtssichere Gründung und Finanzierung des SRF zu ermöglichen, schlossen die 19 Euro-Mitgliedstaaten einen völkerrechtlichen Vertrag.45) Dementsprechend hat auch das BVerfG weder einen Verstoß gegen das Integrationsprogramm der EU, noch gegen die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages feststellen können.46) Dieses IGA regelt Einzelheiten zu der Übertragung der in den Vertragsstaaten erhobenen Beiträge auf den SRF und zu deren Zuweisung in sog. nationale Kammern – eine Art mitgliedstaatlicher Konten. Der Deutsche Bundestag hat dem Vertrag mit dem „Maßnahmenpaket Bankenunion“47) 28 zugestimmt. ___________ 39) SRB, Building up the Single Resolution Fund – The 2016 contributions to the SRF, v. 29.10.2015, S. 18. 40) SRB, Single Resolution Fund, v. 5/2016, S. 4. 41) BMF, Die Beteiligungen des Bundes, Beteiligungsbericht 2016, v. 22.2.2017, S. 44. 42) Durchführungsverordnung (EU) 2015/81 des Rates v. 19.12.2014, ABl. (EU) L 15/1 v. 22.1.2015. 43) Delegierte Verordnung (EU) 2015/63 der Kommission v. 21.10.2014, ABl. (EU) L 11/44 v. 17.1.2015. 44) Näher dazu ErwG 8 f. DVO (EU) 2015/81: „Deshalb sollte der Ausschuss auch für die Zwecke der Anwendung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 der Kommission […] an die Stelle der Abwicklungsbehörde treten. Die Bestimmungen jener Delegierten Verordnung gelten für den Ausschuss bei der Wahrnehmung der Aufgaben und Ausübung der Befugnisse gemäß der vorliegenden Verordnung. […] Entsprechend den Anforderungen von Artikel 70 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 berechnet der Ausschuss die jährlichen Beiträge anhand der in der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 festgelegten Methodik.“ 45) Abgedr. in deutscher und englischer Sprache in BGBl. II 2014, 1299. 46) BVerfG, Urt. v. 30.7.2019 – 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Rz. 299 ff., NJW 2019, 3204. 47) Dieses umfasste vier Gesetze zur Umsetzung der Europäischen Bankenunion: Das Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen – Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG), v. 10.12.2014, BGBl. I 2014, 2091, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 19.3.2020, BGBl. I 2020, 529, das Gesetz zu dem Übereinkommen v. 21.5.2014 über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge, v. 17.12.2014, BGBl. II 2014, 1298 sowie zwei Gesetze, mit denen die Einführung des neuen ESM-Instruments der direkten Bankenrekapitalisierung umgesetzt wurde (Gesetz zur Änderung des ESM-Finanzierungsgesetzes, v. 29.11.2014, BGBl. I 2014, 1821, und Gesetz zur Änderung der Finanzhilfeinstrumente nach Art. 19 des Vertrags v. 2.2.2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, v. 29.11.2014, BGBl. II 2014, 1015).

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§ 21 III.

Die Bankenabgabe im Rahmen des Single Resolution Mechanism Finanzausstattung des SRF

29 Der SRF finanziert sich grundsätzlich aus Beiträgen von Banken des Euroraumes (siehe Rz. 30 ff.). Sofern derartige Beiträge nicht unmittelbar verfügbar sind oder nicht ausreichen, kann das SRB für den SRF auch auf alternative Finanzierungsquellen zugreifen (siehe Rz. 82 f.). 1.

Beiträge an den SRF

30 Die wichtigste Finanzierungsquelle des SRF bilden die Beiträge der erfassten Banken (siehe Rz. 31 ff.). Bei diesen Beiträgen ist zwischen Abgaben, die die Kreditinstitute im Voraus entrichten (siehe Rz. 36 ff.), und nachträglichen Zahlungen zu unterscheiden (siehe Rz. 78 ff.). a)

Adressaten der Beitragspflicht

31 Beitragspflichtig sind Kreditinstitute sowie bestimmte Wertpapierfirmen, sofern sie jeweils in einem Staat niedergelassen sind, der am Einheitlichen Europäischen Bankenaufsichtsmechanismus teilnimmt (Art. 67 Abs. 4 i. V. m. Art. 2 und Art. 4 Abs. 1 SRM-VO sowie Art. 2 SSM-VO). Dies sind diejenigen Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, sowie NichtEuro-Mitgliedstaaten, die sich zur freiwilligen Teilnahme am SSM i. R. einer engen Zusammenarbeit mit der EZB entschieden haben (Opt-in). Zurzeit nehmen nur die 19 Mitgliedstaaten der Eurozone teil. 32 Sowohl große, international agierende Institute und Institutsgruppen als auch kleine Banken müssen die Bankenabgabe leisten. Dabei ist es gleichgültig, ob die einzelne Bank für sich gesehen der direkten Aufsicht der EZB oder der Aufsicht einer nationalen Behörde unterliegt. Ferner besteht die Beitragspflicht unabhängig davon, ob eine Bank nur in einem Mitgliedstaat der Eurozone tätig ist oder auch Niederlassungen in anderen Staaten hat; entscheidend ist allein, dass ihr Sitz in einem Mitgliedstaat der Eurozone liegt. 33 Die Beitragspflicht beginnt in dem Jahr, in dem eine Erlaubnis der Aufsichtsbehörde (in Deutschland nach § 32 KWG) über den Betrieb von Bankgeschäften und das Erbringen von Finanzdienstleistungen vorliegt. Sie endet, wenn diese Erlaubnis aufgehoben oder zurückgegeben wird.48) Banken, die eine Erlaubnis für weniger als ein Jahr erhalten, müssen nur einen anteiligen Beitrag entrichten (Art. 12 Delegierte VO 2015/63). 34 Kreditinstitute, deren Sitz sich in einem EU-Mitgliedstaat befindet, der nicht den Euro als Währung hat, sind von der Beitragspflicht nach der SRM-VO nicht betroffen – auch dann nicht, wenn sie Niederlassungen in der Eurozone haben. Allerdings müssen sie gemäß der BRRD Beiträge an den jeweiligen nationalen Abwicklungsfinanzierungsmechanismus entrichten (siehe dazu bereits Rz. 10 f.). 35 Im Jahr 2019 fielen 3.186 Institute in den personellen Anwendungsbereich des SRF.49) b)

Ex-ante-Beiträge

36 Gemäß Art. 70 Abs. 1 SRM-VO sind die Ex-ante-Beiträge „mindestens jährlich“ zu erheben. Für Beiträge, die im Jahr N berechnet werden, ist das Bezugsjahr N-2 maßgeblich. Mithin werden bspw. für die im Jahr 2019 zu entrichtenden Beiträge Daten aus dem Jahr 2017 herangezogen (Art. 14 Abs. 1 Delegierte VO (EU) 2015/63), siehe dazu noch unter Rz. 89 ff. 37 Diese regelmäßige (präventive) Zahlungspflicht soll einer prozyklischen Wirkung entgegenwirken. Diese entstünde, wenn der SRF in einer Systemkrise allein auf nachträglich erho___________ 48) Vgl. § 2 RStruktFG. 49) SRB, Fact Sheet, 2019 Contribution period, S. 1.

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§ 21

III. Finanzausstattung des SRF

bene Beiträge von dann ohnehin in Schwierigkeiten befindlichen Instituten zurückgreifen müsste. Zugleich dienen die Ex-ante-Beiträge dazu, kontinuierlich eine minimale Zielausstattung (siehe Rz. 21) des SRF aufzubauen.50) Die SRM-VO regelt die Berechnung der Ex-ante-Beiträge in Art. 70 nur unvollständig. 38 Details zur Zusammensetzung und Berechnung der Beiträge enthalten die Delegierte Verordnung (EU) 2015/63 und die Durchführungsverordnung (EU) 2015/81, die beide unmittelbar gelten (siehe dazu bereits Rz. 26). Für die Bestimmung der zu verwendenden Daten, auf deren Grundlage die Bankenabgabe kalkuliert wird, ist im Wesentlichen auf die sekundärrechtlichen Definitionen und Regelungen aus dem Rechnungslegungs- und Aufsichtsrecht zurückzugreifen.51) Bei der Kalkulation der Beiträge ist zwischen großen und kleinen Banken zu differen- 39 zieren. Erstere müssen einen risikoadjustierten Beitrag zahlen (siehe Rz. 40 ff.). Sofern sowohl die Bilanzsumme als auch die bereinigten Verbindlichkeiten eines Instituts jeweils einen bestimmten Schwellenwert nicht erreichen, hat die betroffene Bank hingegen im Grundsatz nur einen Pauschalbeitrag zu entrichten (siehe Rz. 71 ff.). aa)

Berechnung der Ex-ante Beiträge bei großen Banken

Größere Banken sind solche, bei denen die Summe der Verbindlichkeiten abzgl. der Ei- 40 genmittel und gedeckten Einlagen mehr als 300 Mio. € oder die Summe der Vermögenswerte mehr als 1 Mrd. € beträgt. Diese müssen einen risikoadjustierten Beitrag zahlen. Für dessen Berechnung legt das SRB zunächst

41

x

die jährliche Zielgröße fest (siehe Rz. 42 ff.);

x

unter deren Berücksichtigung ist sodann der Grundbeitrag i. S. einer größenabhängigen Bemessungsgrundlage (Flat Contribution) zu ermitteln (siehe Rz. 46 ff.);

x

in Sonderkonstellationen sind bestimmte Modifikationen dieses Grundbeitrags geboten (siehe Rz. 52 ff.);

x

anschließend ist der Grundbeitrag entsprechend dem spezifischen Risiko der Bank zu adjustieren (siehe Rz. 59 ff.);

x

zudem sind in der Aufbauphase des SRF weitere Übergangsregelungen zu beachten (siehe Rz. 68 ff.).

(1)

Allgemeine jährliche Zielgröße

Zunächst legt das SRB die allgemeine jährliche Zielgröße fest – also die Höhe an verfüg- 42 baren Finanzmitteln, die durch die Beiträge aller Institute zusammen zu erreichen ist (Art. 69 Abs. 2, Art. 70 Abs. 2 SRM-VO – siehe dazu bereits oben Rz. 22 ff.). Dabei richtet er sich nach der gegenwärtigen und der prognostisch geschätzten Höhe der gedeckten Einlagen aller in den teilnehmenden EU-Staaten zugelassenen Institute.52) Nach einer achtjährigen Aufbauphase soll eine finale Summe von mindestens 1 % der gedeckten Einlagen erreicht werden.53) Dabei dürfen indes die jährlichen Beiträge aller Institute, die im Hoheitsgebiet der teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassen sind, grundsätzlich 12,5 % der finalen Zielausstattung nicht überschreiten (Art. 70 Abs. 2 SRM-VO). ___________ 50) Vgl. ErwG 104 SRM-VO. 51) Näher dazu Brandt/Güth in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil C Kap. I Rz. 17 ff. m. w. N. 52) Vgl. Art. 69 Abs. 1, Art. 70 Abs. 1 SRM-VO. S. a. SRB, Single Resolution Fund, v. 5/2016, S. 8. 53) Art. 69 Abs. 2 SRM-VO; SRB, 7th SRB-Banking Industry Dialogue Meeting, Contributions, v. 10.12.2018, S. 4.

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§ 21

Die Bankenabgabe im Rahmen des Single Resolution Mechanism

43 Durch die Festsetzung von mindestens 1 % der gedeckten Einlagen ist das Zielvolumen dynamisch und erhöht sich automatisch, wenn der Bankensektor wächst. Das SRB hat indes eine gewisse Flexibilität bei der Berechnung der jeweiligen Beiträge. Diese kann zum einen erforderlich sein, um auf Konjunkturzyklen zu reagieren und prozyklische Effekte zu vermeiden. Zum anderen kann das SRB dergestalt einen Anstieg der gedeckten Einlagen antizipieren. Denn in diesem Fall steigt das Zielvolumen, doch zugleich bleibt die Grenze der jährlich abzuführenden Beiträge i. H. von 12,5 % der Zielausstattung bestehen. Zur Auflösung dieses Konflikts kann das SRB frühzeitig das Zielvolumen auch höher ansetzen, so etwa in den Jahren 2018 und 2019 bei 1,15 %.54) 44 Um auch künftig diese Flexibilität zu bewahren, zugleich aber eine gewisse Vorhersehbarkeit der Beitragsberechnung zu ermöglichen, hat die Kommission eine weitere Delegierte Verordnung (Delegierte Verordnung (EU) 2017/747)55) erlassen, die u. a. Kriterien für die zeitliche Staffelung der Ex-ante-Beiträge in der Aufbauphase vorsieht. Danach muss das SRB u. a. makroökonomische Indikatoren56) heranziehen, um Konjunkturphasen zu ermitteln (Art. 3 Abs. 1 lit. a Delegierte VO (EU) 2017/747 i. V. m. dem Anhang). Darüber hinaus hat es die Finanzlage der beitragenden Institute zu berücksichtigen (Art. 3 Abs. 1 lit. b Delegierte VO (EU) 2017/747 i. V. m. dem Anhang). Um diese zu ermitteln, soll es u. a. auf die Kreditvergabe an den Privatsektor sowie auf einen zusammengesetzten Indikator für systemische Verwerfungen (Composite Indicator of Systemic Stress) zurückgreifen. Zudem sind Indikatoren für die Rentabilität und Solvenz großer Bankengruppen heranzuzuziehen.57) Dabei ist zu beachten, dass die Indikatoren für alle teilnehmenden Mitgliedstaaten gemeinsam und nicht auf nationaler Ebene zu berücksichtigen sind (Art. 3 Abs. 2 Delegierte VO (EU) 2017/747). Dementsprechend gelten die Entscheidungen des SRB im Hinblick auf die zeitliche Verteilung der Beiträge für alle Institute der Bankenunion im gleichen Maße (Art. 3 Abs. 3 Delegierte VO (EU) 2017/747). Um den Zeitplan für den Aufbau des Fonds auch dann einhalten zu können, wenn die jährliche Zielgröße für ein Jahr geringer ausfällt als sonst, muss das SRB vor der Anpassung bestätigen, dass die Zielausstattung auf der Grundlage konservativer Projektionen am Ende der Aufbauphase erreicht werden kann (Art. 3 Abs. 4 Delegierte VO (EU) 2017/747). 45 Die individuelle Beitragshöhe eines Instituts richtet sich sodann nach der institutsspezifischen Größe und seinem Risikoprofil. (2)

Ermittlung des Grundbeitrags im „Normalfall“

46 Ausgangspunkte für die Berechnung des Grundbeitrags sind die jährlich festgelegte generelle Zielgröße (siehe oben Rz. 42 ff.) und die Größe eines Instituts. 47 Die Größe oder Bemessungsgrundlage ermittelt sich dadurch, dass von der Summe der Verbindlichkeiten eines Kreditinstituts die Eigenmittel und die gedeckten Einlagen abgezogen werden (bereinigte Verbindlichkeiten). Die Eigenmittel ergeben sich als Summe aus Kernkapital und Ergänzungskapital. Die gedeckten Einlagen umfassen die vom Einlagensicherungssystem gedeckten Einlagen i. H. von 100.000 € pro Anleger (Art. 3 Nr. 10 Delegierte VO (EU) 2015/63 i. V. m. Art. 6 Abs. 1, 2 ESRL58)). ___________ 54) S. SRB, Fact Sheet, 2019 Contribution period, S. 1. 55) Delegierte VO (EU) 2017/747 der Kommission v. 17.12.2015, ABl. (EU) L 113/2 v. 29.4.2017. 56) Z. B. BIP-Wachstumsprognose der Kommission und BIP-Wachstumsrate beruhend auf den gesamtwirtschaftlichen Projektionen der EZB für das Euro-Währungsgebiet. 57) Eigenkapitalrendite und Verhältnis des Zinsüberschusses zum Gesamtbetriebsergebnis; Verhältnis des Kernkapitals zur Summe der Vermögenswerte (ohne immaterielle Vermögenswerte), Verhältnis der ausfallgefährdeten und überfälligen Kredite zu den Krediten insgesamt. 58) Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 – ESRL, ABl. (EU) L 173/149 v. 12.6.2014.

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III. Finanzausstattung des SRF Im Grundsatz lässt sich die Größe/Bemessungsgrundlage wie folgt errechnen:

48

Größe = Summe der Verbindlichkeiten ./. Eigenmittel ./. gedeckte Einlagen In Sonderkonstellationen ist die Größe/Bemessungsgrundlage darüber hinaus um bestimmte 49 Positionen zu bereinigen, die kein zusätzliches Risiko begründen und daher nicht doppelt berücksichtigt werden sollen (siehe näher dazu Art. 5 Delegierte VO (EU) 2015/63, Rz. 52). Dies führt dann zu der folgenden erweiterten Berechnungsformel: Größe = Summe der Verbindlichkeiten ./. Eigenmittel ./. gedeckte Einlagen ././+ Derivative Anpassung ./. Gruppeninterne Verbindlichkeiten ./. Institutsbezogene Abzüge

Die so ermittelte Größe eines Instituts ist in Verhältnis zur Gesamthöhe der Verbindlich- 50 keiten aller beitragspflichtigen Institute zu setzen, von denen ebenfalls zuvor Eigenmittel und gedeckte Einlagen subtrahiert worden sind (Art. 70 Abs. 1, 2 SRM-VO). Vereinfacht lässt sich dies mit folgender Formel zusammenfassen: Grundbeitrag = Zielgröße u

Größe eines Instituts Größe aller in den teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute

Da bei der Berechnung des Grundbeitrags alle in den teilnehmenden Mitgliedstaaten zu- 51 gelassenen Institute zu berücksichtigen sind, kann ein einzelnes Institut – anders als bei der rein nationalen Abgabe in den Restrukturierungsfonds – seinen Beitrag für den SRF nicht mehr im Voraus berechnen. Das führt generell zu einer höheren, rechtlich nicht zweifelsfreien Rechtsunsicherheit, Unberechenbarkeit sowie geringeren Nachprüf- und Nachvollziehbarkeit.59) (3)

Modifikationen des Grundbeitrags im Hinblick auf Gruppen, Finanzmarktinfrastrukturen, Förderbanken und Derivate

In besonderen Konstellationen sind bei der Berechnung des Grundbeitrags Modifikatio- 52 nen vorzunehmen. Diese sollen insbesondere verhindern, dass Risiken doppelt berücksichtigt und so die zu zahlenden Abgaben überhöht werden (siehe bereits Rz. 49). Das gilt v. a. im Hinblick auf die Berechnung der Größe bei Gruppen, Finanzmarktstrukturen, vermittelnden Instituten und Förderbanken. Darüber hinaus sieht Art. 8 Delegierte VO (EU) 2015/63 vor, dass bestimmte Risikoindikatoren nicht individuell, sondern auf konsolidierter Ebene berechnet werden. Schließlich sind auch im Hinblick auf Derivate Besonderheiten zu beachten. Grundsätzlich wird die Bankenabgabe für jede Bank individuell kalkuliert. Bei Gruppen 53 kann die Beitragsberechnung auf Einzelebene jedoch zu einer Doppelzählung bestimmter Verbindlichkeiten führen.60) So würden grundsätzlich auch Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit Vereinbarungen zwischen Unternehmen derselben Gruppe bestehen, in die Summe der Verbindlichkeiten einbezogen, auf deren Basis der jährliche Grundbeitrag ermittelt wird. Um dies zu vermeiden, sollen gruppeninterne Risikopositionen unberücksichtigt bleiben, also bei der Berechnung der Größe/Bemessungsgrundlage neben den Eigenmitteln und den gedeckten Einlagen ebenfalls von der Summe der Verbindlichkeiten abgezogen werden. Der Abzug gruppeninterner Verbindlichkeiten setzt allerdings voraus, dass beide gruppenangehörigen Institute in der Union ansässig und in dieselbe aufsicht___________ 59) Henkel/Schneider/Tüns, WPg 2017, 22, 23. 60) Für Kreditinstitute, die sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien zur Beitragszahlung verpflichtet sind, s. das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbelastung bei der Bankenabgabe v. 7.12.2011, BGBl. II 2012, 1234.

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§ 21

Die Bankenabgabe im Rahmen des Single Resolution Mechanism

liche Vollkonsolidierung einbezogen sind sowie beide angemessenen zentralisierten Risikobewertungs-, -mess- und -kontrollverfahren unterliegen. Zudem dürfen keine aktuellen oder absehbaren wesentlichen Hindernisse für die unverzügliche Rückzahlung fälliger Verbindlichkeiten bestehen.61) 54 Gleiches soll für Institute gelten, die demselben institutsbezogenen Sicherungssystem angeschlossen sind.62) 55 Besonderheiten gelten auch für die Berechnung des Grundbeitrags von Finanzmarktinfrastrukturen wie zentralen Gegenparteien oder Zentralverwahrern. Zwar erbringen diese ggf. bankartige Dienstleistungen und sind deshalb als Kreditinstitute zugelassen. Hauptsächlich nehmen sie jedoch Clearing- und Abwicklungstätigkeiten vor und unterliegen diesbezüglich bereits strengen Aufsichtsanforderungen.63) Auch birgt das Geschäftsmodell von Finanzmarktinfrastrukturen – u. a. wegen der gehaltenen Sicherheiten – nicht die gleichen Risiken wie die Tätigkeit von Kreditinstituten. Daher werden bei der Bestimmung der Gesamtverbindlichkeiten nur Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit bankartigen Tätigkeiten berücksichtigt.64) 56 Einen weiteren Sonderfall stellen vermittelnde Institute und Förderbanken dar. Förderbanken vergeben bspw. an Kommunen Darlehen, die der Förderung des Gemeinwohls dienen sollen. Dabei handeln sie weder gewinnorientiert noch nehmen sie am gewöhnlichen Wettbewerb teil. Die Förderdarlehen werden oftmals über ein vermittelndes Institut bereitgestellt. Dieses reicht das Darlehen an andere Kreditinstitute weiter, die es letztlich dem Endkunden zur Verfügung stellen (sog. Durchlaufdarlehen).65) Bei diesem Verfahren geht das vermittelnde Institut gegenüber der Förderbank eine Verbindlichkeit ein, die bei der Berechnung des jährlichen Grundbeitrags zu berücksichtigen ist. Allerdings leitet es das Förderdarlehen lediglich an eine andere Bank weiter, ohne eigene Risiken im Hinblick auf den tatsächlichen Darlehensnehmer einzugehen. Daher können derartige Verbindlichkeiten gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. f Delegierte VO (EU) 2015/63 von der Summe der Verbindlichkeiten abgezogen werden. 57 Auch bei den Förderbanken selbst werden Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit dem Fördergeschäft stehen, bei der Berechnung des Grundbeitrags nicht berücksichtigt. Dies setzt allerdings voraus, dass sie wettbewerbsneutral und nicht gewinnorientiert handeln und eine Gewährträgerhaftung und Anstaltslast oder eine Refinanzierungsgarantie durch die öffentliche Hand besteht.66) 58 Verpflichtungen aus Derivaten werden ebenfalls gesondert behandelt, um trotz nicht harmonisierter Rechnungslegungsvorschriften innerhalb der EU einheitliche Wettbewerbsbedingungen zwischen den beitragspflichtigen Instituten herzustellen.67) Die Berechnung der beitragsrelevanten Derivateposition erfolgt in drei Schritten, deren Einzelheiten sich aus Art. 5 Abs. 3 und 4 Delegierte VO (EU) 2015/63 ergeben. ___________ 61) Vgl. ErwG 8 ff. und Art. 5 Abs. 1 lit. a Delegierte VO (EU) 2015/63. Für ein Rechenbeispiel s. SRB, 2016 ex-ante contributions to the SRF, Additional guidance for the industry, v. 30.11.2015, S. 22. 62) Vgl. ErwG 8 f. und Art. 5 Abs. 1 lit. b Delegierte VO (EU) 2015/63. 63) Insbesondere sind hier die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.7.2012 – EMIR, ABl. (EU) L 201/1 v. 27.7.2012 und die Verordnung (EU) 2019/834 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 – EMIR-Refit, ABl. (EU) L 141/42 v. 28.5.2019 zu nennen. 64) Vgl. zum Ganzen Art. 5 Abs. 1 lit. c und ErwG 11 Delegierte VO (EU) 2015/63. 65) Vgl. ErwG 13 Delegierte VO (EU) 2015/63. 66) Definition der Förderbank in Art. 3 Nr. 27 Delegierte VO (EU) 2015/63. Vgl. i. E. dazu Brandt/Güth in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil C Kap. I Rz. 28. 67) Vgl. ErwG 12 Delegierte VO (EU) 2015/63.

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§ 21

III. Finanzausstattung des SRF (4)

Risikoanpassung

Anschließend ist der (modifizierte) Grundbeitrag mit einem Risikofaktor zu multiplizieren, 59 der das Risikoprofil des Instituts wiedergibt. Dadurch soll berücksichtigt werden, dass eine Inanspruchnahme des SRF durch „risikoärmere“, systemisch weniger bedeutsame Institute weniger wahrscheinlich ist. Der Risikofaktor liegt jeweils zwischen 0,8 und 1,5 (Art. 9 Abs. 3 Delegierte VO (EU) 60 2015/63). Je höher das Risiko der jeweiligen Bank, desto höher liegt auch der Faktor. Seine exakte Höhe ist für jedes Institut individuell nach dem in Anhang I der Delegierten VO (EU) 2015/63 beschriebenen Verfahren zu bestimmen. Die Daten dafür basieren weitestgehend auf Material, das die Banken bereits für aufsichtsrechtliche Zwecke erheben und übermitteln müssen.68) Grundsätzlich ergibt sich der Risikoanpassungsmultiplikator aus vier unterschiedlich ge- 61 wichteten Risikofeldern:69) x

Risikoexponierung eines Instituts (50 %),70)

x

Stabilität und Diversifikation seiner Finanzierungsquellen (20 %),

x

Relevanz für die Stabilität des Finanzsystems oder der Wirtschaft (10 %) sowie

x

von der nationalen Abwicklungsbehörde zu bestimmende zusätzliche Risikoindikatoren (20 %).

Die einzelnen Risikofelder setzen sich aus weiteren Risikoindikatoren zusammen.71) So 62 muss das SRB bspw. bei der Bestimmung zusätzlicher Risikoindikatoren neben Handelstätigkeiten, außerbilanziellen Risiken und Derivaten die Komplexität und Abwicklungsfähigkeit eines Instituts (45 %), die Mitgliedschaft in einem institutsbezogenen Sicherungssystem (45 %) und den Umfang einer vorausgegangenen außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln (10 %) berücksichtigen (Artt. 6 f. Delegierte VO (EU) 2015/63). Die einzelnen Risikoindikatoren werden durch Formeln und Verfahren miteinander kombiniert, woraus sich letztlich der Risikofaktor ergibt.72) Im Jahr 2018 hatten 75 % der beitragspflichtigen Kreditinstitute einen Risikofaktor zwi- 63 schen 1,0 und 1,3.73) Zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten bestanden insoweit bislang keine großen Unterschiede.74) Das mathematische Produkt aus Grundbeitrag und Risikofaktor eines Instituts wird in 64 Relation zur Summe der Produkte aller risikoadjustierten Institute gesetzt. Das Ergebnis stellt die zu leistende Ex-ante-Abgabe, also den Beitragsanteil des einzelnen Instituts an der vom SRB festgesetzten jährlichen Beitragssumme dar: Bankangabe = Zielgröße u

Größe eines Instituts u Risikofaktor Größe und Risiko aller in den teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute

Anders als die Regelungen über die Abwicklungsfonds auf nationaler Ebene sieht die eu- 65 ropäische Bankenabgabe keine starre Zumutbarkeitsgrenze vor. In § 3 RStruktFV75) war ___________ ErwG 21 Delegierte VO (EU) 2015/63. Vgl. auch Henkel/Schneider/Tüns, WPg 2017, 22, 26. Vgl. Art. 6 und 7 Delegierte VO (EU) 2015/63. Zur Zusammensetzung dieses Risikofeldes ausführlich in Henkel/Schneider/Tüns, WPg 2017, 22, 26 f. Vgl. hierzu Art. 6 Abs. 2 bis 6 Delegierte VO (EU) 2015/63. S. dazu Anhang I Delegierte VO (EU) 2015/63. Vgl. SRB, 2018 ex-ante contributions, Key Facts. Im Jahr 2019 gilt das für 77 % der Institute, vgl. SRB, 2019 ex-ante contributions, Key Facts. 74) Vgl. beispielhaft SRB, 2016 Contributions to the SRF, v. 6.7.2016, S. 9. 75) I. d. F. v. 30.6.2012, gültig bis 22.7.2015. 68) 69) 70) 71) 72) 73)

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Die Bankenabgabe im Rahmen des Single Resolution Mechanism

geregelt, dass Beiträge nur insoweit zu zahlen sind, als sie nicht mehr als 20 % des Jahresüberschusses des jeweiligen Geschäftsjahrs ausmachen. Nunmehr bestimmt Art. 70 Abs. 2 Unterabs. 2 lit. b SRM-VO lediglich, dass bei Ermittlung des risikoadjustierten Betrags der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren ist. 66 Im Jahr 2018 deckten die Beiträge von nur 21 % aller beitragspflichtigen Institute 96 % der jährlichen Zielausstattung ab. Die 20 größten Bankengruppen zahlten 67 % der Gesamtsumme.76) 67 Das Berechnungsverfahren ist komplex. Aufgrund eines Fehlers bei der Kalkulation musste das SRB den Beitrag in 2016 für 600 deutsche Kreditinstitute ein zweites Mal ermitteln.77) (5)

Besonderheiten in der Aufbauphase des SRF

68 Die SRM-VO sieht vor, dass der SRF innerhalb von acht Jahren bis zum Jahr 2024 eine Zielausstattung i. H. von mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller in den teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Kreditinstitute erreichen soll. Die Berechnung erfolgt damit auf einheitlicher europäischer Grundlage. 69 Hingegen beträgt die zu erreichende Höhe der nationalen Fonds nach der BRRD zwar auch 1 % der gedeckten Einlagen, bezieht sich aber allein auf die national zugelassenen Kreditinstitute (Art. 103 Abs. 1 und 2 i. V. m. Art. 102 Abs. 1 BRRD). Auch ist die Zielausstattung nicht in acht, sondern in zehn Jahren zu erreichen (Art. 102 Abs. 1 BRRD). 70 Um die Anpassung an die auf europäischer Ebene berechnete Beitragspflicht zu erleichtern und Störungen zu verhindern, zahlen die Institute bis 2023 jährlich Beiträge, die anteilig nach BRRD und SRM-VO ermittelt werden. So wurde die Abgabe für 2016 zu 60 % entsprechend der BRRD und zu 40 % entsprechend der SRM-VO berechnet. Seither schmilzt der BRRD-Anteil ab und entsprechend nimmt der nach SRM-VO errechnete Anteil zu: Im Jahr 2018 wurden nur noch ein Drittel der Beitragsanteile nach der BRRD und zwei Drittel nach der SRM-VO ermittelt.78) Im Jahr 2019 beträgt der Anteil der nach der BRRD ermittelten Beiträge nur mehr 26,67 %.79) Erst im Jahr 2023 sollen Institute tatsächlich Beiträge zahlen, die zuvor ausschließlich auf europäischer Ebene kalkuliert werden.80) bb)

Berechnung der Ex-ante-Beiträge bei kleinen Banken

71 Kleinere Institute weisen regelmäßig ein deutlich geringeres Risiko für die Finanzmarktstabilität auf. Denn häufig sind ihre Komplexität und Vernetzung und damit die Gefahr von Ansteckungseffekten schwächer ausgeprägt als bei großen Banken. Es ist daher weniger wahrscheinlich, dass sie im Falle wirtschaftlicher Schwierigkeiten unter Einsatz des SRF abgewickelt werden müssen. Vielmehr dürfte häufig ein Insolvenzverfahren in Betracht kommen, ohne dass Erschütterungen der Gesamtwirtschaft zu erwarten sind.81) Diesen Umständen, speziell der unwahrscheinlichen Inanspruchnahme des SRF, soll dadurch Rechnung getragen werden, dass Institute, die als „klein“ einzustufen sind, lediglich einen geringen Pauschalbeitrag entrichten müssen. ___________ 76) Vgl. SRB, 2018 ex-ante contributions, Key Facts. 77) S. Wefers, Börsenzeitung v. 25.5.2016. 78) BMF, Fragen und Antworten zum einheitlichen europäischen Bankenabwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism – SRM), v. 6.3.2019, S. 3 f. 79) Vgl. SRB, Fact Sheet, 2019 Contribution period S. 2. 80) Vgl. zum Ganzen Art. 8 DVO (EU) 2015/81. S. a. Brandt/Güth in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil C Kap. I Rz. 51 ff. 81) Vgl. ErwG 9, 18 DVO (EU) 2015/81.

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III. Finanzausstattung des SRF

Ein Institut ist gemäß Art. 10 Delegierte VO (EU) 2015/63 dann als klein anzusehen, 72 wenn seine Bilanzsumme 1 Mrd. € nicht übersteigt und kumulativ dazu die bereinigten Verbindlichkeiten maximal 300 Mio. € betragen. Der zu zahlende Pauschalbeitrag liegt je nach Größe des insgesamt als klein einzustufenden Instituts zwischen 1.000 und 50.000 €.82) Insbesondere Banken, die sich fast ausschließlich aus Einlagen finanzieren, zahlen damit niedrige Beiträge Bis zum Ende der Aufbauphase des SRF können die Mitgliedstaaten außerdem vorsehen, 73 dass bei einer Bilanzsumme von höchstens 3 Mrd. € und bereinigten Verbindlichkeiten von mehr als 300 Mio. € für die ersten 300 Mio. € der bereinigten Verbindlichkeiten eine Pauschale i. H. von 50.000 € zu zahlen ist. Für die darüber hinausgehenden bereinigten Verbindlichkeiten haben diese Banken „mittlerer Größe“ den normalen Beitrag zu entrichten (Art. 20 Abs. 5 Delegierte VO (EU) 2015/63 und Art. 8 Abs. 5 DVO). Dies soll verhindern, dass Banken kurzfristig Änderungen ihrer Rechtsform vornehmen, um als „kleine Institute“ zu gelten.83) Besondere Regeln gelten ferner für Hypothekenkreditinstitute, die durch gedeckte Schuld- 74 verschreibungen finanziert werden und nach nationalem Recht keine Einlagen entgegennehmen dürfen.84) Weist ein Institut nach, dass sich bei Berücksichtigung seines Risikoprofils (zu diesem 75 Begriff siehe Rz. 59 ff.) ein geringerer Jahresbeitrag ergibt als bei Verwendung der Pauschalbeiträge, ist lediglich der geringere Betrag zu entrichten (Günstigerprüfung, Art. 10 Abs. 7 Delegierte VO (EU) 2015/63). Andererseits kann das SRB für eine Bank, die grundsätzlich als klein anzusehen ist, auch 76 einen risikoangepassten Beitrag festsetzen, sofern diese ein besonders hohes Risikoprofil aufweist. Für diese Entscheidung ist u. a. das Geschäftsmodell des Instituts ausschlaggebend. Zudem kommt es auf die pflichtgemäß vorgelegten Informationen sowie auf Risikofelder und Risikoindikatoren an. In jedem Fall muss das SRB seine Entscheidung begründen (Art. 10 Abs. 8 Delegierte VO (EU) 2015/63). Im Jahr 2018 wurden 49 % der beitragspflichtigen Banken als „kleine Institute“ eingestuft 77 und mussten lediglich einen Pauschalbeitrag entrichten. 28 % der Banken wiesen eine „mittlere Größe“ i. S. des Art. 8 Abs. 5 DVO (EU) 2015/81 auf.85) In Deutschland profitieren v. a. Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken von dieser Regelung. c)

Ex-post-Beiträge

Für den Fall, dass die verfügbaren finanziellen Mittel des SRF nicht ausreichen, um Ver- 78 luste, Kosten und sonstige Aufwendungen zu decken, die durch die Inanspruchnahme des Fonds entstehen, sieht Art. 71 Abs. 1 SRM-VO vor, dass von den Banken außerordentliche nachträgliche Beiträge erhoben werden können. Deren Berechnung folgt den Regeln für die Ex-ante-Beiträge. Jährlich darf der Gesamtbetrag dieser Ex-post-Beiträge höchstens dreimal so hoch sein wie 79 die jährliche Summe der Ex-ante-Beiträge. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird jedoch nur dann gewahrt, wenn sich die Ex-post-Beiträge auf das erforderliche Maß beschränken.

___________ 82) 83) 84) 85)

Einordnung nach Art. 10 Abs. 1 bis 6 Delegierte VO (EU) 2015/63. ErwG 18 DVO (EU) 2015/81. Vgl. hierzu Art. 11 Delegierte VO (EU) 2015/63 i. V. m. Art. 45 Abs. 3 BRRD. Vgl. SRB, 2018 ex-ante contributions, Key Facts. Im Jahr 2019 betrug der Anteil der Banken „mittlerer Größe“ 29 %, vgl. SRB, 2019 ex-ante contributions, Key Facts.

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Die Bankenabgabe im Rahmen des Single Resolution Mechanism

80 Um Banken nicht durch nachträglich erhobene Beiträge in eine finanzielle Schieflage zu bringen, kann das SRB die Beitragspflicht im Einzelfall aufschieben. Die Bank muss den Beitrag in diesem Fall erst dann entrichten, wenn sich ihre Finanzlage stabilisiert hat. Zwar gewährt das SRB den Aufschub für höchstens sechs Monate; die Bank kann aber einen Antrag auf Erneuerung des Aufschubs stellen (Art. 71 Abs. 2 SRM-VO).86) 81 Gegen die Entscheidung, dass außerordentliche nachträgliche Beiträge zu erheben sind, können sich betroffene Institute gemäß Art. 85 Abs. 3 SRM-VO bei dem Beschwerdeausschuss beschweren. Dies ist bei Entscheidungen des SRB über Ex-ante-Beiträge nicht möglich (näher zum Rechtsschutz siehe Rz. 118 ff.). 2.

Alternative Finanzierungsmöglichkeiten

82 Soweit Ex-ante- und Ex-post-Beiträge nicht unmittelbar verfügbar sind oder nicht ausreichen, kann das SRB für den SRF auf andere Finanzierungsquellen zurückgreifen. So darf das SRB gemäß Art. 72 SRM-VO bei Abwicklungsfinanzierungsmechanismen in nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten freiwillige Darlehen beantragen. Ferner sieht Art. 73 SRM-VO vor, dass das SRB für den Fonds bei Instituten, Finanzinstituten oder Dritten Darlehen aufnehmen oder andere Formen der Unterstützung vertraglich vereinbaren kann. 83 Im Jahr 2016 schloss das SRB Rahmenkreditverträge in einer Gesamthöhe von 55 Mrd. € ab, um so sicherzustellen, dass der SRF bereits vor Einzahlung aller Ex-ante-Beiträge über Mittel im Umfang seines Zielvolumens verfügt.87) Die laufende Überwachung der Rahmenkreditverträge wurde auch für das Jahr 2019 als eine priorisierte Maßnahme zur Finanzierung des SRF festgelegt.88) IV.

Verfahren der Beitragszahlung

84 Die Überführung der Beiträge an den SRF erfolgt unter Beteiligung verschiedener Behörden (siehe Rz. 85 ff.) in einem mehrstufigen Verfahren (siehe Rz. 89 ff.). 1.

Zuständige Behörden

85 An der Erhebung der Bankenabgabe sind mindestens zwei unterschiedliche Stellen beteiligt: das SRB auf europäischer Ebene und die jeweilige nationale Abwicklungsbehörde. In Deutschland wird diese Funktion seit dem 1.1.2018 durch die BaFin wahrgenommen, nachdem bis dahin die FMSA für das Verfahren der Beitragszahlung zuständig gewesen war.89) 86 Das SRB ist eine Agentur der Europäischen Union mit eigener Rechtspersönlichkeit. Sein Sitz ist in Brüssel (Artt. 42, 48 SRM-VO). Gemäß Art. 67 Abs. 3 und Art. 75 Abs. 1 SRMVO ist es Eigentümer des Fonds und verwaltet ihn. Zudem entscheidet es über Auszahlungen (Art. 76 Abs. 1 SRM-VO). Siehe ausführlich zum SRB § 14 [Benzing]. 87 Die BaFin ist eine selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Bonn und Frankfurt am Main. Sie wurde am 1.5.2002 auf Grundlage des Finanzdienstleistungsaufsichts___________ 86) 87) 88) 89)

Vgl. i. E. auch Art. 6 bis 8 Delegierte VO (EU) 2017/747. SRB, Work Programme 2017, S. 28. SRB, Work Programme 2019, S. 20. S. § 1 RStruktFG in der aktuellen Fassung. Die Zuständigkeit der FMSA beruhte auf § 11 RStruktFG i. d. F. v. 1.1.2015, der zum 1.1.2018 weggefallen ist, s. Art. 4 Nr. 2 und Nr. 4 sowie Art. 11 Abs. 6 des Gesetzes zur Neuordnung der Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung – FMSANeuordnungsgesetz (FMSANeuOG), v. 23.12.2016, BGBl. I 2016, 3171, 3183 f. Zur Begr. dieser Normen s. RegE FMSANeuOG, v. 12.8.2016, BR-Drucks. 408/16, S. 58 f.

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IV. Verfahren der Beitragszahlung

gesetzes90) gegründet und unterliegt der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen. Seit der Änderung des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes91) durch das FMSA-Neuordnungsgesetz92) ist die BaFin nicht nur für die Aufsicht über Banken und Finanzdienstleister, Versicherer und den Wertpapierhandel zuständig, sondern auch die nationale Behörde (§ 3 Abs. 1 SAG) für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen i. R. des SRM. Die BaFin verwaltet schließlich den deutschen Restrukturierungsfonds (§ 1 RStruktFG). Grob lassen sich die Kompetenzbereiche des SRB und der BaFin im Hinblick auf den SRF 88 wie folgt voneinander abgrenzen: x

Das SRB ist zuständig für die Berechnung der Beiträge (Artt. 70 Abs. 2, 71 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 SRM-VO, Art. 4 DVO (EU) 2015/81).

x

Die BaFin holt die erforderlichen Daten der Banken in Deutschland ein, informiert die Banken über die von ihnen zu zahlenden Beiträge, sammelt diese im deutschen Restrukturierungsfonds und überträgt sie schließlich an den SRF (vgl. nur Art. 67 Abs. 4 SRM-VO, Art. 3 Nr. 3, 5 Abs. 2 DVO (EU) 2015/81, §§ 3 Abs. 1 Satz 3, 11a RStruktFG).

x

Zudem fungiert die BaFin als erster Ansprechpartner für Fragen von Seiten der Banken. Dabei untersteht sie den Weisungen des SRB.

2.

Ablauf des Verfahrens 89

Das Bankenabgabeverfahren lässt sich in drei Schritte untergliedern: a)

Datenübermittlung

Alle beitragspflichtigen Kreditinstitute müssen jährlich bis zum 31.1. den letzten gebillig- 90 ten Jahresabschluss, der spätestens am 31.12. des dem Beitragszeitraum vorangehenden Jahres verfügbar war, zusammen mit dem Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers oder der Prüfungsgesellschaft übermitteln (Art. 14 Abs. 1 und 4 Delegierte VO (EU) 2015/63). So ist bspw. für den Beitragszeitraum 2019 der letzte gebilligte Jahresabschluss einzureichen, 91 der spätestens am 31.12.2018 vorlag. Das ist in der Regel der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2017. Auf dieser Grundlage errechnet das SRB die Höhe des Beitrags für 2019 (Art. 70 Abs. 2, Art. 71 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 SRM-VO, Art. 4 DVO (EU) 2015/81). Folglich basieren die Beiträge zum SRF in der Regel auf Zahlen, die ca. zwei Jahre alt sind. Weitere mitzuteilende Informationen ergeben sich aus Anhang II der Delegierten VO (EU) 92 2015/63. Die Übermittlung erfolgt auf elektronischem Wege. Wenn eine Bank die Daten nicht rechtzeitig bereitstellt, kann das SRB Schätzungen oder 93 eigene Annahmen zugrunde legen und dabei ggf. dem betreffenden Institut den höchsten Risikoanpassungsmultiplikator zuweisen (Art. 17 Abs. 1, 2 i. V. m. Art. 9 Delegierte VO (EU) 2015/63). Aktualisierungen oder Korrekturen müssen der BaFin gemäß Art. 14 Abs. 5 Delegierte 94 VO unverzüglich angezeigt werden. Das SRB passt den Jahresbeitrag für den folgenden Beitragszeitraum dann entsprechend an (Art. 17 Abs. 3 Delegierte VO (EU) 2015/63). ___________ 90) Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG), v. 22.4.2002, BGBl. I 2002, 1310. 91) Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen – Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG), v. 10.12.2014, BGBl. I 2014, 2091. 92) Gesetz zur Neuordnung der Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung – FMSANeuordnungsgesetz (FMSANeuOG), v. 23.12.2016, BGBl. I 2016, 3171.

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Die Bankenabgabe im Rahmen des Single Resolution Mechanism

95 Zum Zwecke der Ausübung seiner Aufgaben hat das SRB unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, von den Banken Informationen anzufordern oder allgemeine Untersuchungen oder Prüfungen vor Ort durchzuführen.93) b)

Bescheid über die Beitragshöhe

96 Das SRB informiert die nationalen Abwicklungsbehörden (in Deutschland die BaFin) über die Berechnung der von den jeweiligen Instituten zu entrichtenden jährlichen Beiträge (Art. 5 DVO (EU) 2015/81). 97 Anschließend teilt die nationale Abwicklungsbehörde den beitragspflichtigen Banken spätestens am 1.5. jedes Jahres mit, in welcher Höhe der zu entrichtende Beitrag festgesetzt worden ist (Art. 13 Abs. 1 Delegierte VO (EU) 2015/63 i. V. m. Art. 5 DVO (EU) 2015/81). Diese Mitteilung kann auf elektronischem Wege (mit Empfangsbestätigung) oder per Einschreiben mit Empfangsbestätigung erfolgen. Die Entscheidung enthält auch die Zahlungsbedingungen und Zahlungsmittel (siehe dazu sogleich Rz. 98 ff.). c)

Form und Zeitpunkt der Beitragszahlung

98 Das SRB legt das Datum fest, bis zu dem die Entrichtung der Ex-ante-Beiträge zu erfolgen hat. Bis zum 30.6. jedes Jahres müssen die Beiträge bei dem SRF eingehen.94) 99 Die Institute leisten die Beiträge an ihre jeweils zuständige mitgliedstaatliche Stelle – in Deutschland an den Restrukturierungsfonds (§ 3 Abs. 1 Satz 3 RStruktFG). Diese nationalen Stellen müssen die eingesammelten Gelder an den SRF weiterleiten (siehe näher dazu sogleich Rz. 107 ff.).95) 100 Die Institute müssen die Beiträge für den SRF nicht zwingend vollumfänglich in Barmitteln zahlen. Stattdessen können sie grundsätzlich einen Teil des Beitrags in Form von unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen (Irrevocable-Payment-Commitments – IPCs) entrichten. Für deren Abgabe stellt das SRB über die nationalen Aufsichtsbehörden ein Formular bereit.96) Die IPCs müssen gemäß Art. 70 Abs. 3 SRM-VO in vollem Umfang durch Sicherheiten abgesichert sein, die ein niedriges Risiko aufweisen, nicht durch Rechte Dritter belastet, frei verfügbar, zeitnah realisierbar (auch über ein Wochenende)97) und ausschließlich der Verwendung durch das SRB vorbehalten sind. 101 Das SRB entscheidet jährlich auf Antrag der jeweiligen Institute darüber, wie hoch der Anteil unwiderruflicher Zahlungsverpflichtungen für das betreffende Beitragsjahr sein darf (Art. 8 Abs. 3 DVO (EU) 2015/81, Art. 13 Abs. 3 Delegierte VO (EU) 2015/63). Dabei muss es insbesondere beachten, dass sich die Inanspruchnahme unwiderruflicher Zahlungsverpflichtungen nicht negativ auf die finanzielle Kapazität und die Liquidität des SRF auswirken darf (Art. 7 Abs. 1 DVO (EU) 2015/81). Insgesamt dürfen diese 30 % der gesamten Ex-ante-Beiträge nicht übersteigen; d. h. mindestens 70 % der SRF-Mittel müssen in Barbeträgen zur Verfügung stehen (Art. 70 Abs. 3 SRM-VO). In der Aufbauphase des SRF bis Ende 2023 soll das SRB unter normalen Umständen die Inanspruchnahme unwiderruflicher Zahlungsverpflichtungen im Umfang von mindestens 15 % der Beitragspflichten des jeweiligen Instituts gestatten (Art. 8 Abs. 3 DVO (EU) 2015/81). ___________ 93) S. dazu Artt. 34 – 36 SRM-VO. 94) Vgl. Art. 3 Abs. 2 IGA; Artt. 13 Abs. 3, Abs. 4 Unterabs. 2, 20 Abs. 2 SRM-VO sowie SRB, Single Resolution Fund, v. 5/2016, S. 4 f. 95) Art. 3 IGA. S. a. § 3 Abs. 1 Satz 3 RStruktFG. 96) S. für den Beitragszeitraum 2018: SRB/BaFin, Irrevocable Payment Commitment and collateral Arrangement Agreement/Unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung und Sicherheitenvereinbarung. 97) Art. 13 Abs. 3 Satz 2 Delegierte VO (EU) 2015/63.

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IV. Verfahren der Beitragszahlung

Für die Bereitstellung der unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen müssen das jeweili- 102 ge Institut und das SRB einen separaten Vertrag schließen.98) Wird der SRF in Anspruch genommen, ruft das SRB alle oder einen Teil der unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen ab (näher dazu Art. 7 DVO (EU) 2015/81). Für Institute, die ihre Beiträge regelmäßig so weit wie möglich in Form von unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen entrichten, kann die Inanspruchnahme des SRF mithin zu erheblichen Liquiditätsabflüssen führen. Dies kann eine Schieflage des Bankensektors unter Umständen intensivieren.99) Leistet eine Bank nach der ersten Anforderung nicht die entsprechenden Barmittel, wird die Sicherheit verwertet (Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 2 DVO (EU) 2015/81). Ansonsten werden Sicherheiten nach Erhalt des Beitrags zurückgegeben (Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 2 DVO (EU) 2015/81). Gleiches gilt für den Fall, dass ein Institut nicht mehr in den Geltungsbereich der SRM-Verordnung fällt (Art. 7 Abs. 3 DVO (EU) 2015/81). Im Jahr 2018 lag die Grenze für unwiderrufliche Zahlungsverpflichtungen (wie bereits 103 2016) bei 15 %. Als Sicherheiten akzeptierte das SRB ausschließlich Barmittel.100) In den Jahren 2016 und 2017 wurden jeweils etwas weniger als 90 % der Beiträge mit Barmitteln und nur etwas mehr als 10 % als unwiderrufliche Zahlungsverpflichtungen entrichtet.101) Für Banken sind unwiderrufliche Zahlungsverpflichtungen insbesondere deshalb vorteil- 104 haft, weil sie in der Gewinn- und Verlustrechnung grundsätzlich nicht als Aufwendungen aufgeführt werden müssen, solange eine Inanspruchnahme nicht hinreichend wahrscheinlich ist und die hinterlegten Sicherheiten in der Bilanz des Instituts erhalten bleiben. Allerdings ist der Betrag, den die Zahlungsversprechen abdecken, im Anhang des Jahresabschlusses anzugeben.102) Die Beiträge, die dem SRF ordnungsgemäß zugeflossen sind, werden den Banken nicht 105 zurückerstattet (Art. 70 Abs. 4 SRM-VO). Zahlt ein Institut nicht oder nur einen Teil des von ihm geforderten Beitrags, dann wird 106 ein Zwangsgeld in Form von täglich auf den fälligen Betrag anfallenden Zinsen verhängt (Art. 13 Abs. 4 Delegierte VO (EU) 2015/63). 3.

Überführung der Beiträge an den SRF

Die Übermittlung der nationalen Beiträge an den SRF ist in dem IGA geregelt (siehe be- 107 reits Rz. 27 f.). Danach sind die alljährlich fälligen Ex-ante-Beiträge bis zum 30.6. desselben Jahres an den SRF zu übertragen. Die Übertragung erfolgt unwiderruflich (Art. 3 Abs. 1 und 2 IGA). In Deutschland sammelt der Restrukturierungsfonds die Beiträge deutscher Banken. An- 108 schließend überträgt die BaFin die Beiträge an den SRF (§§ 3 Abs. 1 Satz 3, 11a RStruktFG). Bis zur vollständigen Bündelung der Beiträge aller Mitgliedstaaten im Jahr 2024 werden 109 die übertragenen Beiträge nationalen Kammern zugewiesen, deren Größe den insgesamt gezahlten Beiträgen entspricht (Art. 4 Abs. 1 IGA, siehe dazu noch unter Rz. 111 ff.). ___________ 98) Näher dazu Henkel/Schneider/Tüns, WPg 2017, 22, 27. 99) Brandt/Güth in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil C Kap. I Rz. 54. 100) S. SRB, Use of Irrevocable Payment Commitment during the 2018 ex-ante contribution to the Single Resolution Fund, v. 11.4.2018, S. 1; SRB, Single Resolution Fund, v. 5/2016, S. 12. 101) Im Jahr 2016 stand ein Anteil von 88,8 % Barmittelzahlungen (5,68 Mrd. €) einem Anteil von 11,2 % (721 Mio. €) gegenüber, der mit unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen entrichtet wurde, vgl. SRB, 2016 Contributions to the SRF, v. 6.7.2016, S. 11. Im Jahr 2017 war das Verhältnis 89,7 % zu 10,3 %, vgl. SRB, 2017 ex-ante contributions, Key Facts. Zahlen für die Jahre 2018 und 2019 waren zum Zeitpunkt der Bearbeitung noch nicht veröffentlicht. 102) Brandt/Güth in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil C Kap. I Rz. 57.

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§ 21

Die Bankenabgabe im Rahmen des Single Resolution Mechanism

110 Eventuelle Ex-post-Beiträge übertragen die nationalen Stellen unverzüglich nach deren Erhebung (Art. 3 Abs. 5 IGA). V.

Auszahlungen aus dem SRF

111 Eigentümer des SRF ist gemäß Art. 67 Abs. 3 SRM-VO das SRB. Es verwaltet den Fonds und entscheidet über Auszahlungen.103) 112 Solche kommen allein bei Anwendung der vorgesehenen Abwicklungsinstrumente in Betracht – so z. B. zur Besicherung der Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten des in Abwicklung befindlichen Instituts, aber auch zur Gewährung von Darlehen, zum Erwerb von Vermögenswerten und für Entschädigungszahlungen an Anteilseigner oder Gläubiger, die ungewöhnlich hohe Verluste erlitten haben.104) Explizit weist Art. 76 Abs. 3 SRM-VO darauf hin, dass der SRF nicht unmittelbar herangezogen werden kann, um Verluste von Banken auszugleichen oder um Banken zu rekapitalisieren.105) 113 Für den Fall, dass das SRB eine Ausschüttung aus dem SRF beschließt, ordnet Art. 5 IGA eine gestaffelte Haftungskaskade an. In der Aufbauphase stehen für Bankenabwicklungen in einem Land primär die von den nationalen Banken gezahlten Abgaben – aus ihren eigenen Kammern – zur Verfügung. Eine gemeinsame Nutzung dieser Gelder ist schrittweise im Laufe von acht Jahren geplant. Ab 2024 sollen die einzelnen Kammern vollständig miteinander verschmolzen sein. 114 Eine Ausnahme von der Haftungskaskade regelt Art. 7 IGA. Danach können unter bestimmten engen Voraussetzungen Finanzmittel aus nationalen Kammern vorübergehend auf eine andere nationale Kammer übertragen werden. Über diese Ausnahme entscheidet das SRB. Betroffene Länder können ggf. Einwände erheben. VI.

Änderungen der SRM-VO

115 Mit rechtlichen Änderungen, die für Bankenabgabe relevant sind, ist insbesondere immer dann zu rechnen, wenn die Kommission die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen überprüft. Ändert sich die Methode der Beitragsberechnung nach der BRRD, dann ist ggf. auch die Berechnung der SRF-Beiträge anzupassen.106) 116 Die Kommission war verpflichtet, bis zum 1.6.2018 die allgemeine Durchführung der BRRD zu überprüfen und dem Parlament sowie dem Rat dazu zu berichten.107) Art. 129 Unterabs. 2 BRRD sieht vor, dass dem Bericht ein Gesetzesvorschlag beigefügt werden kann, der sich ggf. auf die Bankenabgabe auswirkt.108) Ähnliches gilt für den SRM: Art. 94 SRM-VO ordnet an, dass die Anwendung der SRM-VO erstmals zum 31.12.2018 zu überprüfen war und die Prüfung alle drei Jahre wiederholt wird.

___________ 103) Vgl. insb. Art. 75 Abs. 1 und Art. 76 Abs. 1 SRM-VO. S. ferner Art. 5 Abs. 1 SRM-VO, demzufolge das SRB grundsätzlich an Stelle der nationalen Abwicklungsbehörden tätig wird. 104) Vgl. zum Ganzen Art. 76 Abs. 1 SRM-VO. 105) Für eine solche direkte Rekapitalisierung von Banken der Eurozone kommt hingegen unter Umständen der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) in Betracht. In diesem Fall muss zuvor ein Bail-in erfolgt sein; auch sind im Voraus geleistete Beiträge des SRF zur Unterstützung von Abwicklungsmaßnahmen geboten. S. insb. ESM, Guideline on Financial Assistance for the Direct Recapitalisation of Institutions, v. 8.12.2014. 106) Vgl. ErwG 27 Delegierte VO (EU) 2015/63 i. V. m. ErwG 19 DVO (EU) 2015/81. Vgl. auch Brandt/Güth in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil C Kap. I Rz. 58 f. 107) Art. 129 Unterabs. 1 BRRD. 108) Dazu Brandt/Güth in: Jahn/Schmitt/Geier, Hdb. Bankensanierung und -abwicklung, Teil C Kap. I Rz. 59.

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§ 21

VII. Rechtsschutz

Dementsprechend hat die Kommission am 30.4.2019 einen Bericht zur Umsetzung und 117 Bewertung der BRRD und der SRM-VO veröffentlicht.109) Darin erörtert die Kommission die Umsetzung der Resolutionsvorschriften und ihre Anwendung. Aufgrund fehlender Erfahrungswerte behält sie sich eine abschließende Bewertung und Änderungsvorschläge jedoch vor.110)) VII. Rechtsschutz Gegen die Erhebung von Ex-ante-Beiträgen kommt grundsätzlich die Nichtigkeitsklage 118 zum Gericht der Europäischen Union (EuG) in Betracht (siehe Rz. 119 ff.). Auch Expost-Beiträge sind vor dem EuG anzugreifen; zuvor sind sie aber zum Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens zu machen (siehe Rz. 124 ff.). Hingegen erscheint ein Vorgehen vor nationalen Gerichten wenig erfolgversprechend. 1.

Rechtsschutz gegen die Erhebung von Ex-ante-Beiträgen

Wie oben bereits gezeigt, sind an der Erhebung von Ex-ante-Beiträgen neben dem SRB 119 auch nationale Stellen beteiligt. In Deutschland handelt es sich um die BaFin und den Restrukturierungsfonds. Damit stellt sich die Frage, gegen welche Maßnahme und Stelle die Banken bei welchem Gericht vorgehen müssen, wenn sie etwa mit der Berechnung von Ex-ante-Beiträgen nicht einverstanden sind. Für die Beantwortung dieser Frage kommt es darauf an, ob die nationale Behörde bei ih- 120 rer Entscheidung ein gewisses Maß an Ermessensspielraum behält, auch wenn sie europäisches Recht vollzieht, und/oder auf Weisung einer europäischen Stelle tätig wird. Ist ein solcher Ermessensspielraum vorhanden, dann ist das nationale (Verwaltungs-)Gericht anzurufen.111) Gegebenenfalls hat dieses Fragen, die das EU-Recht betreffen, dem EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 267 Unterabs. 2, 3 AEUV vorzulegen. Falls die nationale Behörde hingegen die Vorgabe einer europäischen Stelle lediglich formal umsetzen muss, dabei jedoch über keinerlei Ermessens- oder Gestaltungsspielraum verfügt, ist Rechtsschutz unmittelbar vor den europäischen Gerichten zu suchen. Statthaft ist insoweit die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Unterabs. 4 AEUV, für die bei Klagen von Unternehmen das „Gericht“ (= EuG) zuständig ist (Art. 256 Abs. 1 Satz 1 AEUV). Für den Rechtsschutz gegen Beitragsbescheide folgt daraus, dass zum einen gegen un- 121 mittelbar wirkende Maßnahmen des SRB Nichtigkeitsklage vor dem EuG erhoben werden kann (dazu Art. 86 Abs. 1, 2 SRM-VO). Hierzu gehört etwa die Verhängung eines Zwangsgeldes bei unvollständigen Zahlungen oder der Nichteinhaltung von Anforderungen (Art. 13 Abs. 4 Delegierte VO (EU) 2015/63, Art. 75 Abs. 1 SRM-VO). Zum anderen sprechen gute Gründe dafür, dass auch gegen die Beitragsbescheide der na- 122 tionalen Abwicklungsbehörden direkt vor dem EuG zu klagen ist. Denn den nationalen Abwicklungsbehörden verbleibt bei der Beitragsberechnung und Beitragsanforderung kein ___________ 109) Kommission, Report to the European Parliament and the Council on the application and review of Directive 2014/59/EU (Bank Recovery and Resolution Directive) and Regulation 806/2014 (Single Resolution Mechanism Regulation), v. 30.4.2019, COM(2019) 213 final. 110) Kommission, Report to the European Parliament and the Council on the application and review of Directive 2014/59/EU (Bank Recovery and Resolution Directive) and Regulation 806/2014 (Single Resolution Mechanism Regulation), v. 30.4.2019, COM(2019) 213 final, S. 12: „In light of this, it is premature to design and adopt legislative proposals at this stage.“ 111) Allgemein zu dieser Abgrenzung Calliess/Ruffert-Cremer, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 10; StreinzEhricke, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 19 jeweils m. w. N. Speziell zu den parallel zu bewertenden Aufsichtsmaßnahmen i. R. des SSM s. Lehmann/Manger-Nestler, ZBB 2014, 2, 19; Sacarcelik, BKR 2013, 353, 359; Wolfers/Voland, CML Rev. 2014, 1463, 1484.

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§ 21

Die Bankenabgabe im Rahmen des Single Resolution Mechanism

Spielraum. Vielmehr überbringen sie letztlich die Kalkulation des SRB wie Boten an die Banken. 123 In diesen Fällen einer Nichtigkeitsklage beträgt die Klagefrist zwei Monate ab Übermittlung des betreffenden Bescheids an die Bank, Art. 263 Abs. 6 AEUV. 2.

Rechtsschutz gegen außerordentliche nachträglich erhobene Beiträge

124 Für Bescheide über Ex-post-Beiträge gilt die Besonderheit, dass diese vor Erhebung der Nichtigkeitsklage zunächst vor dem Beschwerdeausschuss anzugreifen sind. Denn Art. 86 Abs. 1 SRM-VO sieht vor, dass Klagen gegen Entscheidungen des SRB unmittelbar zum Gericht nur in solchen Fällen in Betracht kommen, „in denen keine Beschwerde beim Beschwerdeausschuss eingereicht werden kann“. Gemäß Art. 85 Abs. 3 i. V. m. Art. 71 SRMVO kann jedoch die Festsetzung von Ex-post-Beiträgen zum Gegenstand von Beschwerden gemacht werden.112) 125 Den Beschwerdeausschuss hat das SRB eingerichtet. Er besteht aus fünf Personen, die besondere Kenntnisse und Berufserfahrung im Bankensektor und im Bereich anderer Finanzdienstleistungen aufweisen, aber nicht selbst zum SRB gehören dürfen (Art. 86 Abs. 1, 2 SRM-VO). 126 Beschwerdefähig sind u. a. juristische Personen. Der Begriff der juristischen Person ist – wie etwa bei der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Unterabs. 4 AEUV – autonom EU-rechtlich auszulegen. Der EuGH fasst in ständiger Rechtsprechung zur Nichtigkeitsklage hierunter jedenfalls alle selbstständigen Einheiten, denen die Rechtsordnung, der sie unterstehen, den Status eines Rechtssubjekts verliehen hat.113) Diese Auslegung ist auf Art. 85 Abs. 3 SRM-VO zu übertragen. Deshalb sind beispielsweise auch Banken, die in der Rechtsform einer KG organisiert sind, beschwerdefähig. Die Beschwerde ist grundsätzlich innerhalb von sechs Wochen ab Bekanntgabe des Beschlusses einzureichen (Art. 85 Abs. 3 SRM-VO). Der Beschwerdeausschuss entscheidet innerhalb eines Monats mit einer Mehrheit von mindestens drei seiner fünf Mitglieder (Art. 85 Abs. 4 SRM-VO). 127 Der Beschwerdeausschuss kann gemäß Art. 85 Abs. 8 SRM-VO den angegriffenen Beschluss des SRB bestätigen oder den Fall an das SRB zurückverweisen. Gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses kann das betroffene Institut nach Art. 86 Abs. 1 SRM-VO i. V. m. Art. 263 Abs. 4 AEUV innerhalb von zwei Monaten Klage zum EuG erheben.

___________ 112) Zum Beschwerdeverfahren nach Art. 85 SRM-VO ausführlich Skauradszun, ECFR 2018, 123. 113) EuGH, Urt. v. 28.10.1982 – Rs. C-135/81 (Agences de voyages), Slg. 1982, 3799, Rz. 10; s. a. Calliess/ Ruffert-Cremer, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rz. 27.

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Teil IV Spezialthemen

§ 22 Die Regulierung notleidender Kredite

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Übersicht I. Einleitung .................................................... 1 II. Begriffsmerkmale........................................ 9 1. Erfasste Risikopositionen .......................... 10 a) Handelsbuchpositionen ...................... 11 b) Schuldtitel............................................ 13 c) Außerbilanzielle Risikopositionen..... 14 2. Einstufung als notleidende Risikoposition ....................................................... 16 a) Beurteilung nach der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 ....................................... 16 aa) Verhältnis zu Art. 178 CRR und zu Rechnungslegungsrahmen .......................................... 16 bb) Zahlungsverzug ............................ 19 cc) Wahrscheinlicher Schuldnerausfall (Unlikely to Pay – UTP)....... 21 dd) Außerbilanzielle Posten............... 24 ee) Stundungsmaßnahmen (Forbearance) ............................... 25 ff) Beendigung der Einstufung einer Risikoposition als NPE................ 42 b) Beurteilung nach Art. 47a Abs. 3 CRR ..................................................... 45 aa) Begründung von NPE ................. 45 bb) Stundungsmaßnahmen ................ 49 cc) Beendigung der Einstufung einer Risikoposition als NPE ...... 52 c) Risikopositionswert ............................ 55 III. Mindestdeckungsanforderungen (Prudential Backstop)............................... 56 1. Zweck der Mindestdeckung ...................... 56 2. Abzug vom Common Equity Tier 1 Capital – CET1........................................... 58 a) Graduelle Abstufung des Abzugs ..... 58 b) Zeitlicher Anwendungsbereich .......... 61 c) Begriff der NPE .................................. 62 d) Höhe des Risikopositionswerts ......... 63 e) Pflicht zum Abzug vom CET1 .......... 66 3. Unbesicherte Risikoposition..................... 74 4. Besicherte Risikoposition .......................... 77 5. Bewertung der Mindestdeckungsanforderungen ............................................... 81 IV. Aufsichtliche Erwartungen an die Risikovorsorge – Ergänzung zum EZB-Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten ................................... 82 V. NPE-Strategie und NPE-Governance .... 91 1. Maßnahmen zur Unternehmensführung und Kontrolle .................................... 91

2.

NPE-Strategie und Umsetzungsplan........ 95 a) Bewertung des operativen Umfelds...................................................... 96 b) Entwicklung der NPE-Strategie und des Umsetzungsplans .................. 98 3. NPE-Governance..................................... 100 a) Verantwortung der Geschäftsleiter sowie Einrichtung von Organisationseinheiten und Kontrollverfahren ................................................. 100 b) Festlegung, Genehmigung und laufende Bewertung der NPEStrategie, des Umsetzungsplans sowie aller anderen NPE-bezogenen Themen .............................................. 101 c) Tatsächliche Umsetzung und Überwachung der NPE-Strategie, des Umsetzungsplans und der NPE-bezogenen Richtlinien ............ 102 d) Interne Kontrollverfahren ............... 104 4. Bewertung................................................. 105 VI. Weitere regulatorische Konsequenzen der Einstufung einer Risikoposition als NPE ..................................................... 107 1. Standardansatz.......................................... 108 2. Internal Ratings Based Approach – IRBA ......................................................... 110 a) Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default – PD) und erwarteter Verlust (Expected Loss – EL).... 110 b) Verlustquote bei Ausfall (Loss Given Default – LGD) ........... 111 c) Datenpflege ....................................... 118 3. Offenlegung ............................................. 119 VII. Regulierung von Kreditdienstleistern und Kreditkäufern .................... 126 1. Einleitung ................................................. 126 2. Regulierung der Kreditdienstleister ........ 127 a) Zulassungsregime für Kreditdienstleister ....................................... 127 b) Rechtsform und Sitz des Kreditdienstleisters ...................................... 134 c) Persönliche Anforderungen an Mitglieder des Leitungs- und Verwaltungsorgans............................ 137 d) Qualifizierte Beteiligungen............... 138 e) Unternehmensführung und interne Verfahren .............................. 140 aa) Angemessene Regelungen und interne Verfahren und Grundsätze......140

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§ 22

3.

Die Regulierung notleidender Kredite

bb) Auslagerung auf Kreditdienstleistungserbringer ...................... 144 cc) Vertragliche Beziehung mit Kreditgebern .............................. 146 f) Zulassungsverfahren ......................... 148 aa) Vollständigkeitsprüfung ............ 149 bb) Erteilung oder Verweigerung der Zulassung ............................. 152 g) Fortlaufende Beaufsichtigung des Kreditdienstleisters ................... 154 h) Europäischer Pass ............................. 156 aa) Anzeigepflicht............................ 156 bb) Beaufsichtigung der grenzüberschreitenden Tätigkeit........ 159 Regulierung von Kreditkäufern .............. 164 a) Begriffsmerkmale ............................. 164 b) Verbot nationaler Sonderregelungen ......................................... 166

c) Rechtsform, Sitz und Vertreter des Kreditkäufers .............................. 169 d) Erbringung von Kreditdienstleistungen................................................ 171 e) Mitteilungspflicht gegenüber Aufsichtsbehörden .................................. 174 aa) Mitteilungspflicht des Kreditgebers.......................................... 174 bb) Mitteilungspflicht des Kreditkäufers bei Übertragung des Kreditvertrages........................... 177 cc) Mitteilungspflicht bei Beauftragung von CRR-Kreditinstituten, deren Tochterunternehmen und Kreditdienstleistern ................... 178 f) Informationspflicht der Kreditgeber gegenüber Kreditkäufer.............. 179 4. Bewertung ................................................ 181 VIII. Schluss ................................................... 183

Literatur: Andrews/Petroulakis, Breaking the shackles: Zombie firms, weak banks and depressed restructuring in Europe, ECB Working Paper Series, no. 2240, v. 2/2019, https://www.ecb.europa.eu/pub/ pdf/scpwps/ecb.wp2240~61e2d9dfec.en.pdf; Apweiler/Berger/Ploog, Abgrenzung von notleidenden Krediten (NPL), WpG 2018, 1083, 1085; Bredow/Liebscher/Staps, NPL-Verkäufe von Insolvenzforderungen in der Praxis, NZI 2017, 89; Cohen/Edwards, Die neue Risikovorsorge für erwartete Kreditausfälle, BIZ-Quartalsbericht, v. 3/2017, https://www.bis.org/publ/qtrpdf/r_qt1703f_de.htm; Confortini, Anmerkungen zum Kommissionsvorschlag über den Sekundärmarkt für notleidene Kredite (NPLs) aus italienischer Sicht, RIW 2019, 785; Dinh/Seitz, „Vorsicht“ in den IFRS am Beispiel von IFRS 9, IRZ 2015, 145; Flick/Gehrer/Meyer, Wertberichtigungen von Finanzinstrumenten nach IFRS – Der Expected Cash Flow Approach des ED/2009/12, IRZ 2010, 221; Flick/Thelen-Pischke, Kreditrisiken und Risikovorsorge, WpG 2018, 421; Gehrer/Schütz/Fröschle, Aufsichtliche Finanzinformationen: IFRS 9 ändert FINREP – Anpassungen der IFRS- und nGAAP-Meldebögen, WpG 2018, 221; Glos/Nemeczek, Die Regulierung notleidender Kredite, ZBB 2019, 142; Gstädtner/Hartenfels, Auswirkungen der neuen Regelungen zur Berechnung der Eigenkapitalanforderungen für Derivate im Handelsbuch, RdF 2011, 135; Hellwig, Systemische Risiken im Finanzsektor, 1998; Kristen/Kreppel, NPL-Transaktionen aus Sicht des Verkäufers – Risiken und Lösungsansätze, BKR 2005, 123; Lamandini/ Lusignani/Muñoz, Does Europe have what it takes to finish the Banking Union?, The Columbia Journal of European law (Colum. J. Eur. L.) 24 (2018), 233; Lopatta/Kaspereit/Böttcher/Geils, Kritischer Vergleich der Wertminderungsmodelle nach IFRS 39und IFRS 9 – eine Fallstudie, IRZ 2016, 499; Lotz/Flunker/Kien, Zusätzliche aufsichtsrechtliche Herausforderungen beim Umgang mit notleidenden Krediten (Non-Performing Loans – NPL) – Update zu RdF 2017, 195, RdF 2018, 28; Lotz/ Flunker/Kien, Aufsichtsrechtliche Herausforderungen beim Umgang mit notleidenden Krediten (Non Performing Loans – NPL), RdF 2017, 195; Löw/Kluger, Auswirkungen der Ablösung von IAS 39 durch IFRS 9 auf die aufsichtsrechtlichen Eigenmittel europäischer Banken, RdF 2018, 215; Löw/Schmidt/Thiel, Erstanwendungseffekte von IFRS 9 in der Praxis europäischer Banken, RdF 2020, 43; Obermüller, Kündigungsmöglichkeiten und -schranken bei notleidenden Unternehmenskrediten in der Bankpraxis, ZInsO 2018, 1769; (Abrufdatum jew. 9.6.2020). Verlautbarungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht/Basel Committee on Banking Supervision (BCBS): BCBS, Minimum capital requirements for market risk, v. 1/2019, Stand: 2/2019, https://www.bis.org/bcbs/publ/d457.pdf (Abrufdatum: 9.6.2020). Rechtsakte des Europäischen Parlaments und des Rates (EP/Rat): EP/Rat, Richtlinie (EU) 2019/878 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen – Capital Requirements Directive (CRD V), ABl. (EU) L 150/253 v. 7.6.2019; Richtlinie (EU) 2018/843 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 30.5.2018 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinien 2009/138/EG und 2013/36/EU – Anti-Money Laundering Directive (ALMD V), ABl. (EU) L 156/43 v. 19.6.2018; EP, Amendments 415 – 685, v. 5.2.2018 (2016/0360A[COD]), https://www.europarl.europa.eu/ doceo/document/ECON-AM-616834_EN.pdf; EP, Opinion of the Legal Service, Addendum of the

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Die Regulierung notleidender Kredite

§ 22

ECB Guidance to banks on non-performing loans – Legal Effects – Competence of the ECB to adopt such Addendum, v. 8.11.2017 (D(2017)44064), https://www.sven-giegold.de/wp-content/ uploads/2017/11/Legal-Opinion-EP-on-NPL-Draft-Addendum.pdf; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 25.11.2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG – Payment Services Directive (PSD II), ABl. (EU) L 337/35 v. 23.12.2015; EP/Rat, Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission – Anti-Money Laundering Directive (ALMD IV), ABl. (EU) L 141/73 v. 5.6.2015; EP/Rat, Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EG – Markets in Financial Instruments Directive (MiFID II), ABl. (EU) L 173/349 v. 12.6.2014; EP/Rat, Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.2.2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, ABl. (EU) L 60/34 v. 28.2.2014; EP/Rat, Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG – Capital Requirements Directive (CRD IV), ABl. (EU) L 176/338 v. 27.6.2013; EP/Rat, Richtlinie 2008/ 48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. (EU) L 133/66 v. 22.5.2008. EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/876 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.5.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 in Bezug auf die Verschuldungsquote, die strukturelle Liquiditätsquote, Anforderungen an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten, das Gegenparteiausfallrisiko, das Marktrisiko, Risikopositionen gegenüber zentralen Gegenparteien, Risikopositionen gegenüber Organismen für gemeinsame Anlagen, Großkredite, Melde- und Offenlegungspflichten und der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR II), ABl. (EU) L 150/1 v. 7.6.2019; EP/Rat, Verordnung (EU) 2019/630 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.4.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 im Hinblick auf die Mindestdeckung notleidender Risikopositionen, ABl. (EU) L 111/4 v. 25.4.2019; Rat, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on credit servicers, credit purchasers and the recovery of collateral, v. 26.3.2019 (7344/19 ADD 1), https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST7344-2019-ADD-1/en/pdf; Rat, Schlussfolgerungen des Rates zum Aktionsplan für den Abbau notleidender Kredite in Europa, Pressemitteilung v. 11.7.2017, https://www.consilium.europa.eu/ de/press/press-releases/2017/07/11/conclusions-non-performing-loans/; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 – Capital Requirements Regulation (CRR), ABl. (EU) L 176/1 v. 27.6.2013; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. (EU) L 331/84 v. 15.12.2010; EP/Rat, Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission noch ergänzen, ABl. (EU) L 331/12 v. 15.12.2010. Rechtsakte und Verlautbarungen der Europäischen Kommission (Kommission): Kommission, Durchführungsverordnung (EU) 2020/429 der Kommission v. 14.2.2020 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die aufsichtlichen Meldungen der Institute gemäß der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. (EU) L 96/1 v. 30.3.2020; Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 im Hinblick auf die Mindestdeckung notleidender Risikopositionen, v. 14.3.2018, COM(2018) 134 final, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52018PC0134&from=EN; Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Kreditdienstleister, Kreditkäufer und die Verwertung von Sicherheiten, v. 14.3.2018, COM(2018) 135 final, https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2018/DE/COM-2018-135-F1-DE-MAIN-PART1.PDF; Kommission, Staff Working Document, AMC Blueprint, v. 14.3.2018, SWD(2018) 72 final, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=SWD:2018:72:FIN&from=EN; Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Vollendung der Kapitalmarktunion bis 2019: Beschleunigung der Umsetzung, v. 8.3.2018, COM(2018) 114 final; Kommission,

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Die Regulierung notleidender Kredite

Consultation Document, Statutory Prudential Backstops addressing insufficient provisioning for newly originated loans that turn non-performing, v. 10.11.2017, https://ec.europa.eu/info/consultations/finance-2017-non-performing-loans-backstops_en; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) 2018/171 der Kommission v. 19.10.2017 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards bezüglich der Erheblichkeitsschwelle für überfällige Verbindlichkeiten, ABl. (EU) L 32/1 v. 6.2.2018; Kommission, Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 der Kommission v. 16.4.2014 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die aufsichtlichen Meldungen der Institute gemäß der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. (EU) L 191/1 v. 28.6.2014, Konsolidierte Fassung v. 1.12.2018, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:02014R068020181201; Kommission, Delegierte Verordnung (EU) Nr. 529/2014 der Kommission v. 12.3.2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Beurteilung der Wesentlichkeit von Erweiterungen und Änderungen des auf internen Beurteilungen basierenden Ansatzes und des fortgeschrittenen Messansatzes, ABl. (EU) L 148/36 v. 20.5.2014; (Abrufdatum jew. 9.6.2020). Verlautbarungen der European Banking Authority (EBA): EBA, Report on NPLs – Progress Made and Challenges Ahead, 2019, https://eba.europa.eu/file/233465/download?token=xH5hxq39; EBA, Opinion to the European Commission on the Regulatory Treatment of Non-Performing Exposure Securitisations, v. 23.10.2019 (EBA-Op-2019-13), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/ document_library//Opinion%20on%20the%20regulatory%20treatment%20of%20NPE%20securitisations.pdf; EBA, Leitlinien über die Offenlegung von notleidenden und gestundeten Risikopositionen, v. 17.12.2018 (EBA/GL/2018/10), https://www.fma.gv.at/download.php?d=3990; EBA, Changes to the EBA NPL Templates, version 1.0, v. 12.9.2018, https://eba.europa.eu/documents/10180/ 2347128/Version+1.1+-+changes+to+version+1.0+of+EBA+NPL+templates.pdf/b53977d5be6f-4b08-9765-cda5e890d428; EBA, Leitlinien über das Management notleidender und gestundeter Risikopositionen, v. 31.10.2018 (EBA/GL/2018/06), https://www.fma.gv.at/download.php?d=3973; EBA, Guidelines compliance table, v. 31.10.2018 (EBA/GL/2018/06), https://eba.europa.eu/sites/ default/documents/files/documents/10180/2425705/2062dbb7-d2f1-471f-ad99-084588f2a8c6/EBA %20GL%202018%2006-CT%20GLs%20on%20management%20of%20non-performing%20and%20 forborne%20exposures.pdf?retry=1; EBA, Überarbeitete Leitlinien zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) sowie für die aufsichtlichen Stresstests, zur Änderung der EBA/GL/ 2014/13 v. 19.12.2014 – Überarbeitete SREP-Guidelines, v. 19.7.2018 (EBA/GL/2018/03), https:// eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/2535561/9ad309c8-e45c-469d-b293e11267176bb3/Revised%20Guidelines%20on%20SREP%20%28EBA-GL-2018-03%29_DE.pdf? retry=1; EBA, Leitlinien für die PD-Schätzung, die LGD-Schätzung und die Behandlung von ausgefallenen Risikopositionen, v. 23.4.2018 (EBA/GL/2017/16), https://eba.europa.eu/documents/ 10180/2192133/Guidelines+on+PD+and+LGD+estimation+%28EBA-GL-2017-16%29_DE.pdf/ 94353f82-a7fb-4a86-b739-74939357132b; EBA, Leitlinien zur Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen, v. 21.3.2018 (EBA/GL/2017/12), https://www.fma.gv.at/download.php?d=3416; EBA, Leitlinien zur internen Governance, v. 15.3.2018 (EBA/GL/2017/11), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/2164689/ 411fdd9d-8174-4366-ab36-3aa9b0a1d716/Guidelines%20on%20Internal%20Governance%20(EBAGL-2017-11)_DE.pdf; EBA, Report on Statutory Prudential Backstops, Response to the Commission’s Call for Advice of November 2017, v. 14.3.2018, https://eba.europa.eu/sites/default/documents/ files/documents/10180/2087449/8f3371b7-508d-4212-bd12-36056b68c593/EBA%20Report%20on% 20Statutory%20Prudential%20Backstops.pdf?retry=1; EBA, NPL templates, v. 14.12.2017, https:// eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/2061766/28cab1a7-9e68-4af8-bab87b7ce3c2b1c7/EBA%20-%20NPL%20Templates%20Cover%20Note.pdf; EBA, Leitlinien zur Kreditrisikomanagementpraxis und zur Bilanzierung erwarteter Kreditverluste von Kreditinstituten, v. 20.9.2017 (EBA/GL/2017/06), https://www.fma.gv.at/download.php?d=3093; EBA, Leitlinien zur Anwendung der Ausfalldefinition gemäß Art. 178 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, v. 18.1.2017 (EBA/GL/2016/07), https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/10180/1721448/ 41a1848e-2e79-4d7a-825e-a060754f42fd/Guidelines%20on%20default%20definition%20(EBA-GL2016-07)_DE.pdf; EBA, Report on the Dynamics and Drivers of Non-Performing Exposures in the EU Banking Sector, v. 22.7.2016, https://eba.europa.eu/sites/default/documents/files/documents/ 10180/1360107/c6ad9c6f-e85d-4a1e-a20a-45911fcc2ff9/EBA%20Report%20on%20NPLs.pdf?retry=1; EBA, Leitlinien zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess – SREP-Guidelines, v. 19.12.2014 (EBA/GL/2014/13), https://eba.europa.eu/ sites/default/documents/files/documents/10180/1051392/5d63aad3-5b03-4301-b1c9-174e3670ad66/ EBA-GL-2014-13%20GL%20on%20Pillar%202%20(SREP)%20-%20DE.pdf; (Abrufdatum jew. 9.6.2020). Leitlinien und weitere Verlautbarungen der Europäischen Zentralbank/European Central Bank (EZB/ECB): ECB, Guidelines on the pre-application and application forms, https://www.bankingsuper-

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Glos/Nemeczek

§ 22

I. Einleitung

vision.europa.eu/banking/tasks/internal_models/shared/pdf/ssm.guidelines_on_forms.en.pdf; ECB, Supervisory Banking Statistics – Fourth quarter 2019, v. 4/2020, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.supervisorybankingstatistics_fourth_quarter_2019_202004~4848fcfe f2.en.pdf; ECB, Guide to internal models, v. 10/2019, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ ecb/pub/pdf/ssm.guidetointernalmodels_consolidated_201910~97fd49fb08.en.pdf; EZB, Mitteilung zu den Erwartungen der Aufsicht an die Deckung von NPE, v. 8/2019, https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/letterstobanks/shared/pdf/2019/ssm.supervisory_coverage_expectations_ for_NPEs_201908.de.pdf; ECB, Supervisory Banking Statistics – Third quarter 2018, v. 1/2019, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.supervisorybankingstatistics_third_qu arter_2018_201901.en.pdf; EZB, EZB kündigt weitere Schritte beim aufsichtlichen Ansatz für NPLBestände an, Pressemitteilung v. 11.7.2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/pr/ date/2018/html/ssm.pr180711.de.html; ECB, Information to significant institutions on submitting requests relating to internal models to the European Central Bank, v. 7.6.2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/letterstobanks/shared/pdf/2018/ssm.information_letter_on_preapplication_to_institutions.en.pdf?10bb25f8ff16690504fa5d6977261855; EZB, Ergänzung zum EZB-Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten: aufsichtliche Erwartungen an die Risikovorsorge für notleidende Risikopositionen, v. 3/2018, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ ssm.npl_addendum_201803.de.pdf; ECB, Supervisory Banking Statistics – First quarter 2017, v. 7/2017, https://www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/ssm.supervisorybankingstatistics_first_qua rter_2017_201707.en.pdf; EZB, Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten, v. 3/2017, https:// www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/guidance_on_npl.de.pdf; (Abrufdatum jew. 9.6.2020). Verlautbarungen des Single Resolution Board (SRB): SRB, Decision concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Banca Popolare di Vicenza S.p.A., v. 23.6.2017, https:// srb.europa.eu/sites/srbsite/files/srb-ees-2017-12_non-confidential.pdf; SRB, Decision concerning the assessment of the conditions for resolution in respect of Veneto Banca S.p.A., v. 23.6.2017, https:// srb.europa.eu/sites/srbsite/files/srb-ees-2017-11_non-confidential.pdf; (Abrufdatum jew.: 9.6.2020). Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): BaFin, Rundschreiben 3/2019 (BA) zur Anwendung der Ausfalldefinition gemäß Art. 178 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (CRR) und zur PD-Schätzung, LGD-Schätzung und Behandlung von ausgefallenen Risikopositionen, v. 16.4.2019 (BA 52-FR 1903/2018/0001), https://www.bafin.de/SharedDocs/ Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/2019/rs_03-2019_anwendung_ausfalldefinition_ba.html; BaFin, Rundschreiben 9/2017 (BA), Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, v. 27.10.2017 (BA 54-FR 2210-2017/0002), https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/ Rundschreiben/2017/rs_1709_marisk_ba.html; BaFin, Rundschreiben 5/2015 (BA), Umsetzung der EBA-Leitlinien zur Offenlegung, v. 8.6.2015, Stand: 22.1.2020 (AS 4-FR 2402-2015/0001), https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/2015/rs_1505_ba_offen legung.html; BaFin, Merkblatt Factoring, v. 1/2009, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_090105_tatbestand_factoring.html; BaFin, Entwurf eines konsolidierten Rundschreibens zu § 18 KWG, v. 16.2.2005 (BA 13 – GS 3350 – 1/2005); BaFin, Rundschreiben 17/1999, Zuordnung der Bestände und Geschäfte der Institute zum Handelsbuch und zum Anlagebuch (§ 1 Abs. 12 KWG, § 2 Abs. 11 KWG), v. 8.12.1999 (Gz.: 3 – 1119 – 3/98), https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/rs_9917_ba.html; (Abrufdatum jew. 9.6.2020).

I.

Einleitung )

Die Regulierung notleidender Kredite (Non-Performing Loans – NPL) oder notleidende 1 Risikopositionen (Non-Performing Exposures – NPE)1) ist seit einigen Jahren vermehrt in den Fokus der europäischen Aufsichtsbehörden sowie des europäischen Gesetzgebers geraten.2) Angesichts hoher Bestände an NPE,