Hamburgs Ostsee- und Mitteleuropahandel 1600–1800: Warenaustausch und Hinterlandnetzwerke [1 ed.] 9783412500573, 9783412500559


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German Pages [427] Year 2018

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Hamburgs Ostsee- und Mitteleuropahandel 1600–1800: Warenaustausch und Hinterlandnetzwerke [1 ed.]
 9783412500573, 9783412500559

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Wirtschafts- und Sozialhistorische Studien

Yuta Kikuchi

Hamburgs Ostsee- und Mitteleuropahandel 1600–1800 Warenaustausch und Hinterlandnetzwerke

Yuta Kikuchi

.

Der Aufstieg Hamburgs zum führenden Warenumschlagplatz beruht auf dem wirtschaftlichen Wachstum Westeuropas und seiner Expansion nach Übersee. Im Zuge dieser Entwicklung dehnte sich der Warenexport geographisch, mengenmäßig und auch hinsichtlich der Vielfältigkeit aus. Die vorliegende Unter­ suchung fokussiert den Ostsee- und Mitteleuropahandel, der im engen Zusammenhang mit dieser Expansion stand. Auf der Basis bis­lang nicht ausgewerteter Quellen gibt sie ein umfassendes Bild dieser Handelsbranche vom 17. bis zum Beginn des 19. Jahr­ hunderts und erschließt somit ein neues Feld der wirtschafts­ historischen Forschung.

Hamburgs Ostsee- und Mitteleuropahandel 1600–1800

In der Frühen Neuzeit entfalteten sich die wirtschaftlichen Be­ ziehungen Europas mit der übrigen Welt durch den globalen Handelsaustausch. Dieser Band untersucht die überregionalen Warenbewegungen, die von Hamburg vermittelt wurden.

978-3-412-50055-9_Kikuchi_K01.indd All Pages

29.08.18 10:39

Wirtschafts- und Sozialhistorische Studien Herausgegeben von

Stuart Jenks, Michael North und Rolf Walter Band 20

Yuta Kikuchi

Hamburgs Ostsee- und Mitteleuropahandel 1600 –1800 Warenaustausch und Hinterlandnetzwerke

Mit 13 Abbildungen und 59 Tabellen

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Veröffentlicht mit Unterstützung der Universität Rikkyo, Forschungsstelle für Wirtschaftswissenschaftliche Studien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2018 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Prospect und Grundris der Keiserl. Freyen Reichs und Ansee Stadt Hamburg, samt ihrer Gegend, edirt durch Ioh. Bapt. Homann, Nürnberg ca. 1716; entnommen aus: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, http://resolver.sub.uni-hamburg.de/goobi/PPN611987465 (CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licences/by-sa/4.0/deed.de]) Lektorat: Anja Borkam, Jena Satz: büro mn, Bielefeld Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-50057-3

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Vorwort  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I. Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rahmen und Ziel der Forschung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fragestellung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Methode und Quellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gliederung der Arbeit  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 18 23 31 33

II. Wechselbeziehungen der Märkte im Ostseeraum und

in Mitteleuropa mit der Nordsee- und Atlantikwirtschaft  . . . . . 35 1. Bedeutung der auswärtigen Kaufleute für den Ostsee- und Mitteleuropahandel  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Warenbezug und -absatz über den Hamburger Markt  . . . . . . . 65 III. Hamburgs Ostseehandel auf Land-, Fluss- und Seewegen  . . . . . 111

1. Handelsrouten und handelspolitische Voraussetzungen  .. . . . . 111 2. Hamburgs Ostseehandel vor der Atlantikzeit  . . . . . . . . . . . . . . 140 3. Hamburgs Ostseehandel in der Atlantikzeit  . . . . . . . . . . . . . . . 172

IV. Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen

Handelsverkehr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geographische und infrastrukturelle Anbindung an die mitteleuropäischen Binnengebiete  .. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hamburgs Mitteleuropahandel vor der Atlantikzeit  . . . . . . . . . 3. Hamburgs Mitteleuropahandel in der Atlantikzeit  . . . . . . . . . .

215 216 223 256

V. Betrieb und Praxis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 1. Fragen zum Fortlauf des Zwischenhandelsverkehrs am Beispiel des porto transito  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 2. Handelspraktiken zum Fortlaufen des Zwischenhandels  . . . . . 312 VI. Schlussbetrachtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

6

Inhaltsverzeichnis

Anhang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Quellenkritik: Die in dieser Arbeit für die quantitative ­Untersuchung des Hamburger Land- und Flusshandels benutzten Materialien  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wohnort der Schiffer, die zwischen Hamburg und dem Ostseeraum verkehrten 1622 – 1625  . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Warenverkehr zwischen Hamburg und Dresden/Pirna auf der Elbe 1737 – 1746  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Gottorper Vergleich 1768 Art. X  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Hamburgische Litzenbrüder und lübeckische Wagenbestätter  F. Karte: Regionen des Hamburger Land- und Flusshandels  .. . .

353

371 377 .378 384

Quellen- und Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ungedruckte Quellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veröffentlichte Quellen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitgenössische Literatur und Berichte  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachschlagewerke  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sekundärliteratur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

387 387 389 390 392 392

353 358

Personenregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 Ortsregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421

Abkürzungsverzeichnis Abt

Abteilung ACEB Admiralitäts- und Convoygeld-­Einnahmebücher AHL Archiv der Hansestadt Lübeck EcHR Economic History Review Hbg Hamburg HGbll Hansische Geschichtsblätter HÜJ Hamburger Übersee-­Jahrbuch HWC Hamburger Wirtschafts-­Chronik JbWG Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte JEEH Journal of European Economic History JEcH Journal of Economic History Jg. Jahrgang Lpf Lispfund ND Neudruck N. F. Neue Folge Nl Niederlande oder Niederländer o. J. ohne Jahr Pfd Pfund RKG Reichskammergericht Rtl Reichstaler SB Hamburger Schifferbücher Schpf Schiffspfund SHStAD Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden SHW Stiftung Hanseatisches Wirtschaftsarchiv St Stück StAH Staatsarchiv Hamburg STR-Online The Sound Toll Registers Online SZR Sundzollregister ß Schilling VSWG Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Ztr Zentner ZVHG Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte ZVLGA Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde

Verzeichnis der Abbildungen II-1: III-1: III-2: III-3: III-4: III-5: III-6: III-7: IV-1: IV-2: IV-3:

V-1: V-2:

Lastzahl des in Hamburg verpackten und elbaufwärts reexportierten Herings 1705 – 1743  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Von Hamburg aus den Öresund passierende Schiffe 1590 – 1630.148 Von Hamburg aus den Öresund passierende Schiffe 1635 – 1700.156 Zahl der Schiffe, die zwischen Hamburg und dem Ostseeraum beladen oder mit Ballast fuhren, 1669 – 1700  . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Zahl der Schiffe, die zwischen Hamburg und dem Ostseeraum beladen oder mit Ballast fuhren, 1720 – 1800  . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Elbzolleinnahme bei Esslingen von Ladungen aus Hamburg nach Lübeck/Lauenburg 1730 – 1800  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Ein- und Ausfuhr von Roggen in Hamburg 1753 – 1800 (in Last)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Ausfuhr von Kolonialwaren aus Hamburg nach dem Ostseeraum 1720 – 1800 (in Pfund).  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Esslinger Elbzolleinnahmen geordnet nach Zielorten, 1705 – 1800 (in Mark)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Proberechnung der Leinenlieferungen in Stück  . . . . . . . . . . . . . 281 Die in Esslinger Elbzollregistern verzeichnete Weinausfuhr von Hamburg 1705 – 1800 in Pipen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Esslinger Elbzolleinnahmen, erhoben von den von Hamburg nach Berlin transportierten Ladungen 1705 – 1765 (in Mark)  .. . 332 Kaffeeträger von Altona nach Hamburg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

Verzeichnis der Tabellen II-1:

Aus- und Einfuhren der umsatzkräftigsten Kaufleute in Hamburg im Iberienhandel 1632 – 1634 (Wert in Mark)  . . . . . . 54 II-2: Wichtigste Herkunftsorte der um 1600 von Hamburg nach Spanien und Portugal ausgeführten Waren  . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II-3: Werte und Anteile der Wollwaren an der in den ACEB verzeichneten Gesamteinfuhr Hamburgs aus England und Schottland 1733 – 1798 (Wert in Mark banco)  .. . . . . . . . . . . . . . 72 II-4: Leinenausfuhr aus Deutschland nach England 1721 – 1780 (Richtpreis im Jahresdurchschnitt, Wert in 1000 Pfund)  .. . . . . 72 II-5a Struktur der in den ACEB verzeichneten Einfuhren der und 5b: in Hamburg eingeführten Kolonialwaren Zucker und Kaffee .. . 77 II-6: Werte der in den Admiralitätszollbüchern verzeichneten, zwischen Hamburg und Spanien sowie Portugal aus- und eingeführten Waren, 1632 – 1634 (in Mark)  . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II-7: Juchtenimport Hamburgs aus Archangelsk 1623 – 1646  . . . . . . . 99 III-1: Beispiele für die Zollentrichtung nach der „alten Zoll-­Rolle“ .. . 124 III-2: Vor- und Nachteile beim Verkehr zwischen Hamburg und dem Ostseeraum auf See- und Land/Kanalwegen  .. . . . . . . . . . . 137 III-3: Den Öresund westwärts passierende Hamburger Schiffe (SZR) und vom Ostseeraum nach Hamburg fahrende Schiffe (SB = Schifferbücher) 1621 – 1625  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 III-4: In den Ostseeraum fahrende Schiffe in SZR und SB 1625  . . . . 144 III-5: Den Öresund westwärts passierende Hamburger Schiffe (SZR) und vom Ostseeraum nach Hamburg fahrende Schiffe (SB) 1628 – 1633  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 III-6: Zwischen Hamburg und dem Ostseeraum fahrende Schiffe nach Wohnort der Schiffer 1661 – 1700 in Summen je Dekade  . 157 III-7a: Seewärtige Wareneinfuhren aus Danzig 1622 – 1625  . . . . . . . . . . 160 III-7b: Seewärtige Wareneinfuhren aus Lübeck 1622 – 1625  . . . . . . . . . . 161 III-7c: Seewärtige Wareneinfuhren aus Stralsund, Greifswald, Stettin und Reval 1622 – 1625  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 III-7d: Seewärtige Wareneinfuhren aus Königsberg 1622 – 1625  . . . . . . 163 III-7e: Seewärtige Wareneinfuhren aus Gotland, Norrköping und Wiborg 1622 – 1625  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 III-8: Kupferausfuhren aus Stockholm 1642 und 1643  . . . . . . . . . . . . 166

12

III-9:

Verzeichnis der Tabellen

Elbzolleinnahme bei Esslingen von Ladungen aus Hamburg nach Lauenburg/Lübeck 1705 – 1734  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 III-10: Beladene und Ballastschiffe in der Fahrt von Hamburg nach dem Ostseeraum 1731 – 1768  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 III-11a: Fahrten von Claes Piel aus Altona  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 III-11b: Fahrten von Gerrit Simons Fischer aus Norden  . . . . . . . . . . . . . 186 III-11c: Fahrten von Foppe Bouwessen Backer aus Altona  . . . . . . . . . . . 187 III-12: Beladene und Ballastschiffe in der Fahrt von Hamburg nach dem Ostseeraum 1771 – 1800 in Summen je Dekade  . . . . . . . . . 192 III-13-a: Wareneinfuhr aus Lübeck nach Hamburg 1778 – 1792  . . . . . . . . 200 III-13-b: Wareneinfuhr aus Lauenburg nach Hamburg 1778 – 1792  . . . . . 201 III-14: Anteil der Kolonialwarenausfuhr ab Hamburg am gesamten Ostseeverkehr 1721 – 1780 in Summe je Dekade  . . . . . . . . . . . . . 209 IV-1a: Abgangszahlen zu Land nach wichtigen Handelsorten im Jahrgang 1637  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 IV-1b: Abgangszahlen zu Wasser nach wichtigen Handelsorten im Jahrgang 1630  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 IV-1c: Eingangszahlen zu Wasser nach wichtigen Handelsorten im Jahrgang 1630  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 IV-2: Hamburgs Ausfuhr von Laken, Dosinken, Hering, Zucker, Wein und Käse zu Land und Wasser 1630/1637  . . . . . . . . . . . . . 241 IV-3a: Dieleneinfuhr über Wasser 1630  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 IV-3b: Einfuhr von Teer und Pech über Wasser 1630  . . . . . . . . . . . . . . . 245 IV-3c: Einfuhr von Garn über Wasser 1630  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 IV-3d: Leineneinfuhr über Wasser 1630  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 IV-3e: Barchenteinfuhr über Wasser 1630  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 IV-3 f: Lakeneinfuhr über Wasser 1630  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 IV-4: Zahl der Frachtwagen/-karren von Hamburg durch Esslingen, geordnet nach Zielorten 1733 – 1806  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 IV-5: Eintragungszahl des einkommenden Land- und Flussverkehrs in den Admiralitätszollregistern 1778 – 1792  . . . . . . . . . . . . . . . . 273 IV-6: Einfuhr von Zucker und Sirup in Magdeburg um 1770 (in Rtl). 278 IV-7: Einfuhr von Zucker, Sirup und Kaffee in die Mark Brandenburg im Jahre 1799  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 IV-8: Leineneinfuhr aus Magdeburg in Hamburg 1747 – 1780  . . . . . . 279 IV-9: Leinenlieferungen aus Lüneburg, Berlin und Magdeburg in Hamburg 1778 – 1792  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 IV-10: Getreidelieferung von Magdeburg nach Hamburg im 18. Jahrhundert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

Verzeichnis der Tabellen

13

IV-11: Stückzahl der in den Esslinger Elbzollregistern verzeichneten,

von Hamburg zu Wasser transportierten Häute und Fellen 1791 – 1800  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV-12: Stückzahl der Esslingen durchquerten Ochsen 1711 – 1735  .. . . . B-1: Eingang in Hamburg 1622  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B-2: Eingang in Hamburg 1623  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B-3: Eingang in Hamburg 1624  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B-4: Eingang in Hamburg 1625  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B-5: Ausgang von Hamburg 1625  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C-1: „Extract. Was die Dreßdner und Pirnaer Schiff-­Handels-­Leute binnen Zehen Jahren von ao. 1737 biß 1746 nach Hamburg abgeführet“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C-1a: „Bömische Waren“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C-1b: „Sächsische Waren“  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C-2: „Extract. Was durch die Pirnaischen Schiff, Handels-­Leute binnen Zehen Jahren, als von 1737 biß mit 1746 von Hamburg zurückgebracht, und durchgeschiffet, auch in Dreßden vergleithet worden“  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C-2a: „Herrengut“  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C-2b: „Schiffsknechte Gut“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C-3: „Extract. Was die Dreßdner und Pirnaer Schiffarth an ermeldten Zehen Jahren, von 1737 biß 1746 von Hamburg nach Dreßden gebracht“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

291 292 358 361 363 366 368

371 371 371

373 373 375

376

Vorwort Das vorliegende Buch ist die Überarbeitung meiner Dissertation, die zwischen April 2008 und März 2013 während meines Studienaufenthaltes in Deutschland entstand und an der Ernst-­Moritz-­Arndt-­Universität Greifswald angenommen wurde. Die Arbeit wäre nie zustande gekommen ohne die Unterstützung zahlreicher Personen und Einrichtungen, denen ich an dieser Stelle herzlich danken möchte. Mein größter Dank gebührt dem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. ­Michael North (Greifswald), der mir beständig zur Seite stand und mir die Aufnahme in die Graduiertenkollegs „Kontaktzone Mare Balticum“ und „Baltic Borderlands“ ermöglicht hat. Ebenfalls möchte ich dem Zweitgutachter Herrn Prof. Dr. ­Martin Krieger (Kiel) für wertvolle Hinweise und Anregungen danken. Den angenehmen Gesprächen mit Herrn Prof. Dr. Frankrin Kopitzsch (Hamburg), der mir immer freundlich entgegenkam, konnte ich wichtige Aufschlüsse entnehmen. Hierfür möchte ich mich bedanken. Danken möchte ich auch Herrn PD Dr. Frank Hatje (Hamburg). Besonderen Dank schulde ich Herrn Prof. Dr. Klaus Weber (Frankfurt an der Oder). Zu jeder Zeit half er mir mit seinen großen Fachkenntnissen in der hamburgischen Handelsgeschichte. Fruchtbar war die Diskussion mit Herrn PD Dr. Magnus Ressel (Frankfurt am Main), der mir mit Rat und Tat beistand. Bei den Seminaren, Workshops und anderen akademischen Veranstaltungen an mehreren Orten habe ich wichtige neue Impulse erhalten. Dafür bin ich neben Herrn Weber auch Herrn Prof. Dr. Markus A. Denzel (Leipzig), Herrn Prof. Dr. Cornel Zwierlein (Erfurt), Herrn Prof. Dr. Jan Willem Veluwenkamp (Groningen), Herrn Prof. Dr. Jari Ojala (Jyväskylä) und Herrn Prof. Dr. ­Toshiaki Tamaki (Kyoto) zu Dank verpflichtet. Bezüglich der Recherchen in Archiven danke ich Herrn Dr. Klaus-­Joachim Lorenzen-­Schmidt (Hamburg/Rostock), der leider im Jahr 2015 verstorben ist, Herrn Prof. Dr. Rolf Hammel-­Kiesow (Lübeck), Herrn Dr. Jörg Ludwig (Dresden), Frau Kathrin Enzel (Hamburg) und noch vielen Archivmitarbeiterinnen und -mitarbeitern für ihre Hilfe. Meinen aufrichtigen Dank möchte ich den Greifswalder Kolleginnen und Kollegen aussprechen, insbesondere Herrn PD Dr. Robert Riemer und Herrn Jörn Sander. Sie wandten große Mühe auf, mein Deutsch zu korrigieren. Für alle Fehler, die stehengeblieben sind, bin ich allein verantwortlich.

16

Vorwort

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Deutsche Akademische Austauschdienst gewährten mir großzügige Aufenthaltsstipendien. Die weiteren finanziellen Unterstützungen bekam ich von der JSPS (Japan Society for the Promotion of Science), KAKENHI Grant Number 17K13772, für die Nachrecherche zur Druckfassung und von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Rikkyo für den Druckkostenzuschuss. Für alle diese Förderungen möchte ich mich bedanken. Zu guter Letzt danke ich besonders meinen Eltern und meiner Frau Tomoko, die mich nach Deutschland begleitet und meine Promotion unterstützt hat. Tokio, im April 2018 Yuta Kikuchi

I. Einleitung Die vorliegende Studie ist die Analyse des Ostsee- und Mitteleuropahandels Hamburgs im Wandel der langen Zeit vom 17. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Terminologie Ostsee und Mitteleuropa grenzt als technische und geographische Bezeichnung einen ungefähren Handelsradius in Ostseeraum und mitteleuropäischen Binnengebieten objektiv ein. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Bewegungen von Handelswaren auf See-, Flussund Landwegen über verschiedene Städte. Ergänzt wird die Diskussion durch Einblicke in die bei dem Handel, besonders dem Warenvertrieb getätigten Kaufmannstaktiken und -praktiken. In dem ersten Band seines Monumentalwerkes „Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps  II.“ widmet F. Braudel ein Kapitel Handelsstraßen und Städten.1 Hier handelt es sich um die Geschichte des geographischen Raumes, die nur langsame Wandlungen kennt, also die Geschichte in der longue durée. Der zweite Teil bezieht sich auf die Geschichte langsamer Rhythmen in der moyenne durée, wobei ein Kapitel Handel und Transport zum Gegenstand hat. Die vorliegende Studie behandelt solche zwei Ebenen der Geschichte: die Bewegungen von Handel, Transport und Verkehr und deren Strukturveränderung, die auf den kaum veränderten geographischen Rahmenbedingungen beruhte. Sie beruft sich aber auch auf das jeweilige Geschehen, das Braudel in dem dritten Teil seiner Arbeit als die Ereignisgeschichte in der kürzeren Dauer darstellt. Die Ereignisgeschichte muss nicht lediglich von den in den längeren Zeitabläufen gestalteten Voraussetzungen bestimmt worden sein, da die kurzfristigen Ereignisse auf lange Sicht auch die Strukturen grundsätzlicher Art beeinflussen bzw. verändern konnten. Man muss daher auf die Wechselbeziehungen zwischen den drei zeitlichen Ebenen achten. Dies ist die Grundkonzeption dieser Arbeit. Im Folgenden werden der Forschungsgegenstand und dessen wirtschaftshistorischen Kontext genauer betrachtet.

1 Fernand Braudel: Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II., Bd. 1, Frankfurt am Main 1998 (Original zuerst erschienen 1949), S. 399 – 518.

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Einleitung

1.  Rahmen und Ziel der Forschung Hamburg entwickelte sich während der Frühen Neuzeit zum vorrangigen Umschlaghafen Europas.2 Historiker sind sich einig, dass das Emporkommen der Stadt vor allem auf das wirtschaftliche Wachstum im europäischen Westen zu beziehen ist, das heißt auf die ab dem 16. Jahrhundert einsetzende Expansion Europas nach Übersee. Obwohl die Entwicklung an sich sehr gut bekannt ist und eine Fülle von Literatur vielseitige Handelsbeziehungen der Stadt verdeutlicht hat, gibt es noch eine große Forschungslücke: der Ostsee- und Mitteleuropahandel.3 Der Mangel an Monographien zu diesem Handel ist ein Desiderat, zumal der Handel als eine bedeutende Komponente sowohl des hamburgischen Gesamthandels als auch des Handels auf dem europäischen Kontinent galt,4 in der Zeit, als die europäische Handelswelt eine wesentliche Veränderung erfuhr. Was genau Veränderung der europäischen Handelswelt heißt, wenngleich niemand ihre Existenz leugnen würde, ist schwer zu definieren. Die Ansicht, wie man sie interpretieren soll, differiert zwischen Historikern. In der Einleitung von „The Rise of Merchant Empires“ schreibt J. D. Tracy, dass es in der Frühen Neuzeit „einen großen Anstieg der Handelsintegration in globalem Ausmaß“ 2 Vgl. den neuesten Beitrag zum hamburgischen Seehandel von Markus A. Denzel: Der seewärtige Einfuhrhandel Hamburgs nach den Admiralitäts- und Convoygeld-­ Einnahmebüchern (1733 – 1798), in: VSWG 102 – 2 (2015), S. 131 – 160. 3 Obwohl so viele Einzelstudien zur hamburgischen Handelsgeschichte vorgelegt worden sind, dass sie – statt hier dieser Stelle – in den Darstellungen der Arbeit jeweils zitiert werden müssen, lässt sich feststellen, dass die Untersuchung des hamburgischen Ostseeund Mitteleuropahandels in der Frühen Neuzeit weitgehend fehlt. Eine Ausnahme sind die Forschungen von Werner Jochmann: Hamburgisch-­schlesische Handelsbeziehungen. Ein Beitrag zur abendländischen Wirtschaftsgeschichte, in: Geschichtliche Landeskunde und Universalgeschichte, Hamburg 1951, S. 217 – 228 und Rainer Ramcke: Die Beziehungen zwischen Hamburg und Österreich im 18. Jahrhundert. Kaiserlich-­reichsstädtisches Verhältnis im Zeichen von Handels- und Finanzinteressen, Hamburg 1969. 4 Vgl. Karin Newman: Hamburg in the European Economy, 1660 – 1750, in: JEEH 14 – 1 (1985), S. 57 – 93; Michael North: Hamburg: „The Continent’s Most English City“, in: ders. (Hg): From the North Sea to the Baltic. Essays in Commercial, Monetary and Agrarian History, 1500 – 1800, Aldershot 1996, S. 1 – 13. An mehreren Stellen der Forschungen, die die Handelsbeziehungen Hamburgs nach dem Westen, i. e. zu England, den Niederlanden, Frankreich, Spanien und Portugal zum Thema haben, wird die durch Hamburg vermittelte wirtschaftliche Verbindung dieser Länder mit Ostseeraum und mitteleuropäischen Binnengebieten hervorgehoben. Unter anderem siehe Herman Kellenbenz: Unternehmerkräfte im Hamburger Portugal- und Spanienhandel 1590 – 1625, Hamburg 1954, passim.

Rahmen und Ziel der Forschung

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gegeben habe.5 Aber Rörig zufolge begann die Ausdehnung der Europäer in die außereuropäische Welt nicht erstmals in dem „Zeitalter der europäischen Expansion“, sondern sie sei seit dem Mittelalter bis dahin ein ununterbrochener Prozess von begierigen Bestrebungen gewesen.6 Trotz des Unterschiedes im Akzent gibt es im wesentlichen Punkt eine Gemeinsamkeit: Es handelt sich kurz gesagt um die Produktverbreitung in die Gesellschaft. Europäer, die ihre materiellen Bedürfnisse befriedigen wollten oder aus Furcht vor Epidemien auf der Suche nach Heilmittel waren, trieben weiträumigen Fernhandel, so dass die Warenströme, die von afrikanischen, asiatischen sowie amerikanischen Gebieten kamen, über europäische Hafenstädte bis in die Binnenmärkte zirkulierten.7 Die Durchdringung mit fremden Produkten übte einen großen Einfluss auf die sie empfangende Gesellschaft aus. Den Fortgang dieser Prozesse unterstützte der Handel, der die Warenzirkulation vermittelte.8 Die Frühe Neuzeit stellt in diesem Sinne die Epoche dar, in der sich die Produktverbreitung geographisch, mengenmäßig und auch hinsichtlich der Vielfältigkeit ausdehnte. Hiermit ist der wirtschaftliche Aufstieg von Nordwesteuropa gemeint. Der steigende Warenverkehr übte eine Stimulation auf die materielle Kultur der darin einbezogenen Gesellschaft, sich weitgehend zu verändern aus.9 Die vorliegende Studie hat die kulturellen sowie sozialen Aspekte zwar kaum zum Thema und beschränkt sich vielmehr auf den Handel an sich, aber diese geschichtliche Entwicklung bildet den zugrunde liegenden Rahmen der Forschung. Wie funktionierte dann der Handel als Verbindungsbrücke? In der Theorie von I. Wallerstein, „das moderne Weltsystems“ betreffend,10 in der das Kernthema die ökonomischen Verflechtungen in globaler Dimension darstellen, 5 James D. Tracy: Introduction, in: ders. (Hg.): The Rise of Merchant Empires: Long-­ Distance Trade in the Early Modern World, 1350 – 1750, Cambridge 1990, S. 1 – 13, hier S. 2. 6 Fritz Rörig: Mittelalterliche Weltwirtschaft. Blüte und Ende einer Weltwirtschaftsperiode, Jena 1933. 7 Dazu vgl. Annerose Menninger: Genuss im kulturellen Wandel. Tabak, Kaffee, Tee und Schokolade in Europa (16.‒19. Jahrhundert), Stuttgart 2004. 8 Siehe Kenneth Pomeranz/Steven Topik: The World That Trade Created. Society, Culture, and the World Economy, 1400 to the Present, 3. Aufl., Armonk/London 2012. 9 Neu für den deutschen Raum ist auf die Arbeit von Christian Hochmuth, Globale Güter – lokale Aneignung. Kaffee, Tee, Schokolade und Tabak im frühneuzeitlichen Dresden, Konstanz 2008, zu verweisen. 10 Immanuel Wallerstein: The Modern World System, Bd. 1 (Capitalist Agriculture and the Origins of the European World-­Economy of the Sixteenth Century), New York/London 1974; Bd. 2 (Mercantilism and the Consolidation of the European World-­Economy,

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nimmt Fernhandel eine wichtige Stellung ein, da Wallerstein die entfernten Gebiete in einen wirtschaftlichen Organismus eingebunden hat. Gegen Wallersteins Erfassung von Handel kritisieren Hohenberg und Lees, dass die Trichotomie, die die Welt in Zentrum, Semiperipherie und Peripherie aufteilt, die Komplexität der regionalen und überregionalen Verhältnisse unklar mache.11 Stattdessen heben Hohenberg und Lees die Rolle von einzelnen Städten als Bindeglied hervor. Die Städte, über die die Handelsströme vermittelt und weitergeleitet wurden, hätten einen Bestandteil vom großen Ganzen gebildet und somit eine eigene Knotenfunktion besessen. Diese Struktur nennen sie „das städtische Netzwerk-­System“.12 Das von Hohenberg und Lees präsentierte Modell von den horizontalen Städteverbindungen ist für die vorliegende Studie ein wichtiges Analysemittel, da diese die Warenvermittlung durch eine Hafenstadt untersucht. Nach Auffassung von Hohenberg und Lees war die Stadt nicht nur ein zentraler Ort, auf den sich kleinere Städte im Umland als untergeordnet und die größeren als komplexere Zentren bezogen, sondern sie funktionierte für die anderen Städte im Hinterland als Gateway, und demgegenüber war sie über das Vorderland (engl. foreland) mit dem größeren Netzwerk verknüpft.13 Dieses Modell wird von Hohenberg und Lees für die Analyse der mittelalterlichen Welt angewendet, kann aber auch für die nachfolgende Zeit von Nutzen sein. So weisen die Autoren darauf hin, dass mit der Entwicklung des europäischen Fernhandels seit der Frühen Neuzeit eine Reihe von Hafenstädten im Mittelmeerraum und in den Nord- und Ostseegebieten eine Art Korona um jeden städtischen Cluster geformt habe.14 Das Konzept von Hohenberg und Lees übernehmend hat der niederländische Wirtschaftshistoriker C. Lesger für die Erklärung des Handelsaufschwungs von Amsterdam seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts seine Theorie vom „Gateway-­System“ entwickelt.15 Dies ist eine Antithese gegenüber der 1600 – 1750), New York/London 1980; Bd. 3 (The Second Era of Great Expansion of the Capitalist World-­Economy, 1730 – 1840s), San Diego 1988. 11 Paul M. Hohenberg/Lynn H. Lees: The Making of Urban Europe 1000 – 1950, Cambridge/Massachusetts/London 1985, S. 163 – 165. 12 Ebenda, S. 59. 13 Ebenda, S. 59 – 69. 14 Ebenda, S. 163 – 165. Der Schwerpunkt der Entwicklung zog deutlich nach dem Nordwesten. 15 Clé Lesger: The Rise of the Amsterdam Market and Information Exchange. Merchants, Commercial Expansion and Change in the Spatial Economy of the Low Countries c. 1550 – 1630, Aldershot 2006 (Original in Niederländisch, Hilversum 2001).

Rahmen und Ziel der Forschung

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b­ isher herrschenden Auffassung von Amsterdam als Stapelmarkt (staple market), der – abweichend vom deutschen Sinn – sich an der Spitze in der niederländischen bzw. europäischen Markthierarchie befand. Nach Lesger stand Amsterdam – und auch die anderen niederländischen Handelsstädte – nicht in der hierarchisch eingestuften Organisation der Märkte, sondern es war einer der Durchgangsorte – Gateways –, die die wesentliche Warenverteilung dadurch übernahmen, dass sie mit ebendiesem Hinterland ebendiese Waren handelten. In Lesgers aufschlussreichem Ansatz der Gateways ist der Punkt wesentlich, dass eine Stadt ihre eigene Warenverteilungsfunktion in einem netzwerkartigen Großsystem besaß. In dieser Studie sehe ich – nach der Feststellung von K. Newman16 – Ostseeraum und mitteleuropäische Binnengebiete als Hinterland Hamburgs an. Ich gehe davon aus, dass darin gewisse strukturelle Eigentümlichkeiten beobachtet werden können, weil ein Warenverteilungsmechanismus durch jeweils spezifische Handelsbedingungen gestaltet worden sein müsste. Somit stecken die oben genannten Darstellungen den Rahmen der Arbeit ab. Ich untersuche den Ostsee- und Mitteleuropahandel Hamburgs in der Frühen Neuzeit, um die strukturelle Funktion des durch Städte verbundenen netzwerkartigen Handelsgefüges, in dem überregionaler bzw. globaler Warenaustausch stattfand, festzustellen. Nun bedarf es der Fragestellungen, die aus dem kritischen Rückblick auf den Forschungsstand hergeleitet werden. Vorher aber müsste der schon mehrmals aufgetretene Begriff „Hinterland“ genauer definiert werden. Im Unterschied zum Hinterlandbegriff der städtischen Zentralitätstheorie,17 die das Hinterland als Umkreis um eine Stadt (Gebiet um ein städtisches Umland) betrachtet, wird hier eine Definition der Hafengeographie aufgenommen.18 Hierbei sind eher die durch Verkehrsrouten verbundenen Bezugs- und Absatzgebiete als Hinterland gemeint. 16 Newman: Hamburg, S. 69. Der Begriff „Hinterland“ wird unten genauer definiert. 17 Die Zentralitätstheorie wurde in Deutschland von der Stadtgeschichteforschung für die Analyse der Stadt-­Land-­Beziehungen entwickelt. Dazu siehe Hans K. Schulze: Einführung, in: ders. (Hg.): Städtisches Um- und Hinterland in vorindustrieller Zeit, Köln 1985, S. VII‒IX; Herbert Eiden/Franz Irsigler: Environs and Hinterland. Cologne and Nuremberg in the Later Middle Ages, in: in: James A. Galloway (Hg.): Trade, Urban Hinterlands and Market Integration c. 1300 – 1600, London 2000, S. 43 – 57. 18 Die folgenden Studien werden aufgenommen: Arthur J. Sargent: Seaports and Hinterlands, London 1938, S. 3 – 16; Frederick W. Morgan: Ports and Harbours, London u. a. 1952, S. 111 – 131; Guido G. Weigend: The Problem of Hinterland and Foreland as illustrated by the Port of Hamburg, in: Economic Geography 32/1 (1956), S. 1 – 16;

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Ich sehe Ostseeraum und mitteleuropäische Binnengebiete als Hinterland Hamburgs an,19 und zwar aus folgenden Gründen: Wenn ein Hinterland einen ausgedehnten Einflussbereich von einem Hafen bedeutet, der sich über den Kreis der Zentralortstheorie hinaus bis zur Spannweite des Fernhandels erstreckt,20 so gelten Ostseeraum und mitteleuropäische Binnengebiete als solches, weil sie durch die von Hamburg geflossenen Warenströme unter wirtschaftlichem, sozialem und auch kulturellem Einfluss gestanden haben müssen;21 auch als Lieferant von Nahrungsmitteln und Rohstoffen fungierten sie als Hinterland. Da hier das Hinterland als der Einflussbereich eines bestimmten Handelszentrums begriffen wird, hat die bei der Geographie als entscheidend geltende physikalische Begrenzung zwischen See- und Landseite kaum einen Sinn, weil diese theoretische Feststellung auf Schwierigkeiten bei der Analyse der Zeiten vor dem Auftreten der hochentwickelten Transportmittel wie Dampfschiff oder Eisenbahn stößt, die einen bisher undenkbaren Massentransport über weite Strecken ermöglichten und damit das Verkehrswesen auf See und an Land deutlich unterscheiden. Beispielsweise benutzte man im Verkehr zum Ostseeraum den Landweg zwischen Hamburg und Lübeck bzw. anderen Ostseestädten anstatt des Seeweges, um Nahrungsmittel und Rohmaterialien aus dem Ostseeraum zu beschaffen und im Gegenzug westeuropäische Fertigprodukte zu vertreiben. Deswegen galten Lübeck bzw. der Ostseeraum als Hinterland Hamburgs. Guido G. Weigend: Some Elements in the Study of Port Geography, in: Geographical Review 48/2 (1958), S. 185 – 200. 19 Unter dem Raumbegriff „Ostseeraum“ ist hier nur der Verkehr zu Regionen oder Städten, die an die Ostsee unmittelbar angeschlossen sind – etwa Lübeck, Danzig oder St. Petersburg –, berücksichtigt. Beim Verkehr zum mitteleuropäischen Binnenland erstreckt sich unsere Untersuchung etwa bis nach Leipzig, Dresden und Breslau, nur wenig dagegen auf Österreich, Ungarn, Böhmen oder die polnischen Gebiete hinter Breslau, obwohl Hamburg ein bedeutender Hafen für diese Regionen war. Diese Begrenzung ist angemessen, weil jene drei Städte und die zwischen ihnen und Hamburg liegenden Handelsorte wie Lüneburg, Magdeburg, Berlin – wie die Literatur anerkennt – die Hauptvermittlungsorte zu den genannten Regionen waren. Unberücksichtigt bleiben auch die westlichen Regionen wie Westfalen und die Rheinlande. Im Rahmen dieser Untersuchung kaum zu beachten sind die süddeutschen Regionen, in denen Frankfurt/ Main Verkehrszentrum war. Empirisch wird der geographische Rahmen im Laufe der Untersuchung bestimmt. 20 Cátia Antunes: Early Modern Ports, 1500 – 1750, Europäische Geschichte Online (2010), http://ieg-­ego.eu/en/threads/crossroads/courts-­and-­cities/catia-­antunes-­early-­modern-­ ports-1500 – 1750 (letzter Zugriff 07. 05. 2018). 21 Vielfältige Einflüsse übten Hafenstädte in der Frühen Neuzeit auf ihr Hinterland aus. Dazu siehe Amélia Polónia: European Seaports in the Early Modern Age: Concepts, Methodology and Models of Analysis, in: Cahiers de la Méditerranée 80 (2010), S. 17 – 39.

Fragestellung

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­ ugleich aber bestanden auch direkte Handelskontakte mit den gleichen Orten Z über den Seeweg. Daher wird in dieser Arbeit der Seehandel mit dem Ostseeraum als eine Branche des Hinterlandhandels behandelt.

2.  Fragestellung Wie oben erwähnt, wird in der Literatur die wirtschaftliche Bedeutung des Ostsee- und Mitteleuropahandels Hamburgs anerkannt. Allerdings sind unsere konkreten Kenntnisse immer noch so beschränkt, dass die Gesamtsituation durchaus ungenau bleibt. Die unten gestellten Fragen sollen beantwortet werden.

2.1  Hamburgs Stellung in der langfristigen Handelsentwicklung Die zentrale Frage dieser Arbeit stellt die Stellung Hamburgs als Verbindungsglied im Ostsee- und Mitteleuropahandel dar. Mit „Stellung“ meine ich die Rolle, die die Stadt in der Warenverteilung spielte. Es handelt sich um eine langdauernde Bewegungsanalyse des Handels, die bisher nicht in diesem Umfang unternommen worden ist. Welche Regionen des Ostseeraumes und der mitteleuropäischen Binnengebiete in welchem Zeitraum durch welche Transportwege in welchem Ausmaß in das Hamburger Warendistributionssystem eingebunden waren, ist die hier zu beantwortende Frage. Hier soll nochmals auf die oben genannte Forschung von Lesger über die Handelsentwicklung Amsterdams verwiesen werden.22 Vor dem niederländischen Aufstand im 16. Jahrhundert war Amsterdam, ähnlich wie Antwerpen und andere Handelsstädte, ein Bestandteil des niederländischen Gateway-­ Systems. Das System bestand aus mehreren Gateways, die bestimmte Handelswaren mit einem bestimmten Hinterland handelten. Infolge des Aufstandes konnte Amsterdam die Handelsfunktion Antwerpens an sich ziehen, was zum danach folgenden Aufschwung der Stadt führte. Dies war eine Umgestaltung des Systems. Existierte entsprechend auch für Hamburg ein solches Warenverteilungssystem? Wenn ja, erfuhr es im Laufe der Zeit auch Veränderungen? Nach Lesger stellte eine räumliche Struktur – Gateway-­System – eigentlich eine starke Tenazität über längere Zeit und eine Resistenz gegen jede Veränderung dar.23 Dies könnte wirtschaftstheoretisch als „Pfadabhängigkeit“

22 Lesger: Amsterdam Market. 23 Lesger: Amsterdam Market, S. 104.

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Einleitung

bezeichnet werden.24 Für die Überprüfung des hamburgischen Falles muss man die Handelsbewegung in der längeren Zeitperspektive beobachten, da die Stadt bzw. Norddeutschland bis zur französischen Okkupation am Anfang des 19. Jahrhunderts keinen so starken äußeren Schock wie den niederländischen Aufstand erlebte, der eine deutliche Zäsur im Amsterdamer Entwicklungsprozess darstellte. Die Kontinuität und Umstrukturierung der Handelsstruktur sollen betrachtet werden. Im Zusammenhang mit dem Gateway-­System kann hier eine Hypothese aufgestellt werden. Wie oben behauptet, stimme ich der Argumentation von Lesger in dem Punkt zu, dass jede Hafenstadt ihre eigene Warenverteilungsfunktion in einem netzwerkartigen Gefüge besaß. Für den Fall Hamburgs erwarte ich aber zwei Unterschiede. Erstens waren es vor allem die Veränderung der wirtschaftlichen Bedingungen im Hinterland sowie auch die von dem Vorderland über Hamburg auf das Hinterland ausgeübten Einflüsse, die die Entstehung und Umstrukturierung des Handelsgefüges verursachten. Die Abwesenheit von direkten gewaltigen Veränderungskräften auf Norddeutschland wie jene in den Niederlanden lässt den Schluss zu, dass die Veränderung – zumindest teilweise – durch die Neuzusammenstellung der Handelsverflechtung in Ostsee- und mitteleuropäischen Binnengebieten geschah.25 Zweitens könnte das Modell von Lesger, eine Stadt handelte die bestimmten Waren mit dem bestimmten Hinterland, nicht gänzlich aufgenommen werden. Es scheint mir zwar sehr wahrscheinlich, dass den Handelszentren in Norddeutschland, beispielsweise Hamburg, Bremen und Lübeck, ein bestimmtes Hinterland zugeordnet wurde. Die vorliegende Studie behauptet aber, dass Hamburg mit weiträumigeren Gebieten – dem Ostseeraum und den mitteleuropäischen Binnengebieten – eher vielseitigere Handelsbeziehungen besaß 24 Bei der Pfadabhängigkeit versteht man die Historizität von Institutionen und Handeln, wobei angenommen wird, dass die Entscheidungen, Denkweisen und Routinen, die in der Vergangenheit getroffen wurden, die zukünftigen Handlungen beeinflussen bzw. bestimmen. Vgl. Jürgen Beyer: Pfadabhängigkeit. Über institutionelle Kontinuität, anfällige Stabilität und fundamentalen Wandel, Frankfurt am Main/New York 2006, S. 12. 25 Zu Entstehung und Ablauf des Verkehrs und Verlust an Verkehr und Verkehrsbedeutung siehe Dietrich Denecke: Zur Entstehung des Verkehrs, in: Alois Niederstätter (Hg.): Stadt. Strom – Straße – Schiene. Die Bedeutung des Verkehrs für die Genese der mitteleuropäischen Städtelandschaft, Linz 2001, S. 1 – 25, vor allem S. 23 f. Vgl. auch Dietrich Denecke: Mitteleuropäische Verkehrsachsen. Entstehung, Wandel und Verfall vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert, in: Thomas Szabó (Hg.): Die Welt der europäischen Straßen. Von der Antike bis in die Frühe Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2009, S. 279 – 303.

Fragestellung

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und jeweils verschiedene Waren handelte. Der Grund liegt darin, dass es in den norddeutschen Gebieten nicht so viele Handelszentren in geographisch enger Dichte gab wie in den Niederlanden. Daher hatten die einzelnen Städte mit mehreren Gebieten vielfältige Waren je nach Nachfrage und Angebot, oder je nach der in jenen Gebieten durchgeführten Handelspolitik, zu handeln. Diese Annahme entspricht der Feststellung von F. Morgan, dass ein Hafen eine Vielzahl von „Hinterländern“ habe.26 In diesem Sinne wäre der Ausdruck „Gateway“ – Durchgangsort zu einem bestimmten Gebiet – abzulehnen. Stattdessen möchte ich das Wort „Drehscheibe“ benutzen, um die vielseitigen Warenumschläge begrifflich zu fassen. Drehscheibe meint hier den Verteilungsort, an dem man verschiedene Waren mit verschiedenen Gebieten unter jeweils spezifischen Gegebenheiten flexibel handelte. Für die Untersuchung einer solchen Drehscheibenfunktion benötigt man quantitativ vergleichbare Informationen zu Handelsumfang, -partnern, -routen und -waren, womit die Bedeutsamkeit einzelner Handelsgebiete verglichen werden kann. Dies ist bislang nicht unternommen worden. Als Grund dafür ist vor allem der Mangel an quantitativen Untersuchungen zu nennen. Einst hat E. Baasch schon erwähnt: Besondere Schwierigkeiten bereitet es, will man versuchen, den Handel und Verkehr Hamburgs mit dem deutschen Binnenland zu schildern. Die Statistik läßt uns hier vollkommen im Stich, und selbst die einfachen Tatsachen ohne Zahlenbelege sind vielfach zweifelhaft und unaufgeklärt.27

Mehr als einhundert Jahre später hat sich die Lage im Wesentlichen nicht geändert. Daher bleibt das Bild vom Ostsee- und Mitteleuropahandel unklar und viele Fragen werden unbeantwortet oder unerforscht hinterlassen. Die Haupthandelsorte und -wege im Ostsee- und Mitteleuropahandel sind in der Literatur bereits vorgezeichnet. Wenn Karl-­Friedrich Olechnowitz Hamburg als „Leipziger Hafen“ bezeichnet, wird den Handelsbeziehungen zwischen den beiden Städten als Verkehrsachse des binneneuropäischen Ost-­West-­ Handels große Bedeutung beigemessen.28 Es gab aber auch Fernverkehrsrouten im Flusssystem der Elbe, die Leipzig nicht berührten, nämlich die Route über 26 Frederick W. Morgan: Ports and Harbours, S. 111 – 131. Er nennt aber nur drei Faktoren, die die Variation bestimmen: Beschaffenheit der Handelswaren, Mechanismus des Seetransportes, Einfluss der Handelspolitik. 27 Ernst Baasch: Hamburgs Handel und Schiffahrt am Ende des 18. Jahrhunderts, in: Hamburg um die Jahrhundertwende 1800, Hamburg 1900, S. 155 – 173, hier S. 162. 28 Karl-­Friedrich Olechnowitz: Handel und Seeschiffahrt der späten Hanse, Weimar 1965, S. 119.

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Magdeburg und Dresden nach Prag, und die Route, die sich von der Elbe an die Havel anschloss und von Berlin durch den Friedrich-­Wilhelm-­Kanal erstreckte und dann über die Oder nach Breslau.29 Daneben sind der Landhandel mit Lübeck und der Seehandel mit dem Ostseeraum zu nennen. Vernachlässigt in der Forschung ist auch die Bedeutung von nahen Verkehrszentren, beispielsweise von Lüneburg. Es bleibt mangels quantitativer Daten unklar, welche Handelsorte und -routen zu welcher Zeit wie viele Waren vermittelten. Die wichtigsten Waren, die zwischen Hamburg und dem Ostseeraum sowie den mitteleuropäischen Binnengebieten gehandelt wurden, sind in der Forschungsliteratur auch gut bekannt (zum Beispiel Kolonialwaren und Leinen), über deren genauen Vertrieb sind wir aber wenig informiert. Die bisherigen Kenntnisse stützen sich hauptsächlich auf die Kaufmannsforschung, welche die von bestimmten Kaufleuten gehandelten Waren untersucht hat.30 Sie bietet zwar wichtige Grundkenntnisse, durch einzelne Kaufmannstransaktionen kann aber das Gesamtbild der Warendistribution nicht ausreichend überprüft werden. Vor allem schenkt man der regionalen Spezialisierung im Warenverkehr nur geringe Aufmerksamkeit. Nach Morgan wiederrum hat ein Hafen im Allgemeinen für jede Ware ein anderes Hinterland und deswegen zahlreiche „Hinterländer“.31 Welche Waren wurden aus Hamburg wohin über welche Route vertrieben oder welche Waren von wo aus über welche Route nach Hamburg befördert? Es ist daher ein notwendiges Verfahren, die Bewegung der Handelswaren im Zusammenhang mit politischen Lagen, Transportmitteln, -kosten, der Nachfrage und der wirtschaftlichen Position der Vermittlungszentren in Ostseeraum und mitteleuropäischem Binnenland zu verfolgen. Die vorliegende Studie versucht auf Basis der quantifizierten Belege die konkreten Verbindungen mit den oben genannten Gebieten zu analysieren 29 Friedrich Hermann Heller: Die Handelswege Inner-­Deutschlands im 16., 17. und 18. Jahrhundert und ihre Beziehungen zu Leipzig. Nach archivalischen Quellen bearbeitet, Dresden 1884, S. 35 – 37; Erwin Wiskemann: Hamburg und die Welthandelspolitik von den Anfängen bis zur Gegenwart, Hamburg 1929, S. 93; Hermann Kellenbenz: Landverkehr, Fluß- und Seeschiffahrt im europäischen Handel (Spätmittelalter – Anfang des 19. Jahrhunderts), in: Jacque Heers (Hg.): Les grandes voies maritimes dans le monde XVe‒XIXe siècles, Paris 1965, S. 65 – 174, hier S. 149 – 151. Jochmann bezeichnet Hamburg als „Seehafen Schlesiens, besonders Breslaus“. Jochmann: Hamburgisch-­ schlesische Handelsbeziehungen, S. 221. 30 Beispielsweise Kellenbenz: Unternehmerkräfte; Martin Reissmann: Die hamburgische Kaufmannschaft des 17. Jahrhunderts in sozialgeschichtlicher Sicht, Hamburg 1975; Klaus Weber: Deutsche Kaufleute im Atlantikhandel 1680 – 1830. Unternehmen und Familien in Hamburg, Cádiz und Bordeaux, München 2004. 31 Morgan: Ports and Harbours, S. 111.

Fragestellung

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und damit die Stellung Hamburgs in der langfristigen Handelsentwicklung zu verfolgen.

2.2  Stellung des Ostseeraumes im Zusammenhang mit dem binnenländischen Handelsraum Oben habe ich angenommen, dass Hamburg als Drehscheibe für die weiträumigeren Gebiete vielseitige Handelsbeziehungen besaß. Dabei sind die zwei großen Handelsgebiete im Hinterland getrennt zu betrachten. In der Literatur ist die Position des Ostseeraumes als Hamburgs Hinterland ambivalent. Will man einerseits die wirtschaftliche Triebkraft der ausländischen Kaufleute, die aus dem Westen kommend aufgenommen wurden, hervorheben, könnte man andererseits zu der Feststellung kommen, dass der Handel nach Osten für die Stadt die frühere Bedeutung verloren hätte. Dies wird besonders in der hansischen Geschichtsschreibung so gesehen. Typisch ist die Ansicht Ph. Dollingers, der festgestellt hat: „Offenbar bietet das Hamburger Interesse am Spanienhandel eine Erklärung für die Abnahme seines Osthandels, einem einzigartigen Fall für eine nordeuropäische Stadt dieser Zeit.“32 Auch im Allgemeinen ist für die Frühe Neuzeit, im Gegensatz zum Mittelalter,33 die wirtschaftliche Bedeutung des Ostseeraumes für Hamburg kaum berücksichtigt worden. Es ist eine verbreitete Meinung, dass die mittelalterliche Überlegenheit Hamburgs im Verkehr zum Ostseeraum, die auf der Verkehrsroute zwischen Hamburg und Lübeck basierte, durch die Konkurrenz der niederländischen Schifffahrt über den Öresund schwere Einbußen erlitten habe.34 Demgegenüber wird oft behauptet, dass die Stadt über diesen Landhandel noch Kontakte aufrechterhalten habe und damit eine Umgehung des Öresundverkehrs möglich gewesen sei.35 32 Philippe Dollinger: Die Hanse. Neu bearbeitet von Volker Henn und Nils Jörn, 6. vollständig überarbeitete und aktualisierte Aufl., Stuttgart 2012, S. 471. 33 Der Landhandel zwischen Hamburg und Lübeck im Mittelalter bildete eine Verkehrsader des hansischen Handelssystems. Seine Bedeutung ist daher in der Literatur zum Hansehandel stets erwähnt bzw. berücksichtigt. Siehe vor allem Georg Arnold Kiesselbach: Die wirtschaftlichen Grundlagen der deutschen Hanse und die Handelsstellung Hamburgs bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts, Berlin 1907. 34 Vgl. J. H. Parry: Transport and Trade Routes, in: E. E. Rich (Hg.): The Cambridge Economic History of Europe, Bd. 4: The Economy of Expanding Europe in the Sixteenth and Seventeenth Century, Cambridge 1967, S. 155 – 219, hier S. 168. 35 Beispielsweise Eduard Rosenbaum: Über Hamburg in der Handelsgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts, in: HÜJ (Jg. 1922), S. 57 – 69, hier S. 63; Kellenbenz: Unternehmerkräfte, passim; Kellenbenz: Landverkehr, S. 124; Pierre Jeannin: The Sea-­

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Insgesamt fehlt bis heute eine systematische Behandlung. Dies gilt als großes Defizit, zumal derzeit der Ostseeforschung ein neuer Anreiz gegeben wird. M. North begreift den Ostseeraum als „eine Zone fruchtbarer Austauschbeziehungen“ und verfolgt die wirtschaftlichen und kulturellen Wechselbeziehungen in der langfristigen und weiträumigen Perspektive.36 O. Mörke betrachtet unter dem Begriff „Nördlichkeit“ Nord- und Ostsee als integrierten Raum.37 Auch jüngere Forschungen der frühneuzeitlichen Wirtschaftsgeschichte versuchen, Integrationsvorgänge im Nord- und Ostseeraum nachzuzeichnen.38 Die Aufgabe dieser Arbeit ist es, die Warenaustauschstruktur zwischen Hamburg und dem Ostseeraum in der Frühen Neuzeit zu erforschen und damit zu überprüfen, ob der Handel als eine Komponente der hamburgischen Drehscheibenfunktion irgendeinen Sinn besaß. Der Untersuchungsgegenstand beschränkt sich nicht auf den Landhandel, sondern umfasst auch den Seehandel. Hier ist zu erwarten, dass in den Handelsverbindungen zu einzelnen Ostseegebieten gewisse Unterschiede hervortreten, das heißt die Unterschiede in Verkehrslinien, die einerseits Hamburg direkt sowie andererseits über Lübeck mit den Ostseegebieten verbanden. Der binnenländische Handelsraum, der mit Hamburg über die Elbe und verschiedene Handelsstraßen verbunden war, nimmt in der Literatur einen bedeutenden Platz ein. Seine Stellung im Zusammenhang mit dem Ostseeraum berücksichtigen manche Studien. K. Newman und K. Weber anerkennen die Bedeutung der aus beiden Gebieten gelieferten Handelswaren, und M. North borne and the Overland Trade Routes of Northern Europe in the XVIth and XVIIth Centuries, in: JEEH 11 – 1 (1982), S. 5 – 59, hier S. 45; Newman: Hamburg, S. 69; WEBER: Atlantikhandel, S. 225. Zum Aspekt als Umweg siehe Hermann Kellenbenz: Die Durchfuhr durch die schleswig-­holsteinische Landbrücke als Konkurrenz der Öresundfahrt, in: Herbert Knittler (Hg.): Wirtschafts- und sozialhistorische Beiträge, Wien 1979, S. 138 – 155; Magnus Ressel: Von der Hanse zur hanseatischen Gemeinschaft. Die Entstehung der Konsulatsgemeinschaft von Bremen, Hamburg und Lübeck, in: HGbll 130 (2012), S. 127 – 174, hier S. 143 f. 36 Michael North: Geschichte der Ostsee. Handel und Kulturen, München 2011, Zitat S. 9. 37 Olaf Mörke: Die Geschwistermeere. Geschichte des Nord- und Ostseeraums, Stuttgart 2014. 38 David S. Jacks: Market Integration in the North and Baltic Seas, 1500 – 1800, in: JEEH 33 – 2 (2004), S. 285 – 329; Christiaan van Bochove: Market Integration and the North Sea System (1600 – 1800), in: Hanno Brand/Leos Müller (Hg.): The Dynamics of Economic Culture in the North Sea- and Baltic Region in the Late Middle Ages and Early Modern Period, Hilversum 2007, S. 155 – 169. Aufgrund von Preisdaten verdeutlichen beide Aufsätze die Marktintegration im Nord- und Ostseeraum.

Fragestellung

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weist auf die Rolle als Absatzmarkt hin.39 Dennoch fehlt noch eine empirische Forschung, und kaum berücksichtigt ist besonders das Zusammenspiel beider Gebiete als Ganzes. Die vorliegende Arbeit betrachtet daher insbesondere, wie der Handelsverkehr zwischen Hamburg und dem Ostseeraum sowie dem mitteleuropäischen Binnenland miteinander zusammenhängend funktionierte.

2.3  Betrieb und Praxis: Wie wurde der Zwischenhandel möglich? Wie oben dargestellt, gibt es für die Handelsentwicklung Hamburgs in der Frühen Neuzeit mehrere Erklärungen, und die Meinungen in der Literatur stimmen in dem Punkt überein, dass das riesige Hinterland und der große Fluss wichtige Voraussetzungen darstellten. Auch ich schließe mich dieser Ansicht an. Die geographische Überlegenheit, durch die Hamburg vor anderen Handelsstädten begünstigt wurde, sollte aber nicht die historischen Verhältnisse unbeachtet lassen. Berücksichtigt man die politische sowie wirtschaftliche Situation im hamburgischen Hinterland, dann lässt sich schnell erkennen, dass die bloße Existenz des weiträumigen Hinterlandes und der Elbe die Entwicklung des Zwischenhandels keineswegs selbstverständlich machte. Zu dieser Zeit, als es aufgrund politischer Heterogenität und fehlender technischer Notwendigkeit keinen einheitlichen Binnenmarkt gab – ganz zu schweigen von einem organisierten internationalen Marktsystem –, gab es für den Verkehr auf dem Festland zahlreiche Hindernisse. Diese Situation entsprach mehr oder weniger derjenigen auf dem gesamten europäischen Kontinent, vor allem aber in deutschen Gebieten, wo die zahlreichen Landesfürsten die eigenstaatliche Regierung ihrer Territorien behaupteten. H. Kellenbenz beschreibt dies wie folgt: Gewiß, die große Zahl der im Reich zusammengeschlossenen Territorien und ihr wirtschaftlicher Egoismus, verschiedene Maße, Gewichte und Münzen und die Wasser- und Straßenzölle erschwerten den großräumigen Warenaustausch in beträchtlichem Maße. Anderseits vermittelten Wasser- und Landstraßen über trennende Territorialgrenzen hinweg. Allerdings mußte ein umständliches Geleitwesen dafür sorgen, daß die Straßen gegen räuberische Überfälle gesichert wurden. Die Binnenmarktverflechtungen erkennen wir aus der Rolle, die die großen Ströme, wie auch die großen Überlandstraßen bei der Versorgung der großen Wirtschaftszentren mit Lebensmitteln und Rohstoffen, Halb- und Fertigfabrikaten spielten.40 39 Newman: Hamburg; Weber: Atlantikhandel; North: Hamburg. 40 Hermann Kellenbenz: Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd.1 (Von den Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts), München 1977, S. 263. Unter diesen Umständen bildeten Handelszentren wie große Hafenstädte, Messen oder Stapelmärkte, und solche Zen-

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Einleitung

Ferner kamen die zwischen Reichsterritorien oder Nachbarstaaten ausgefochtenen Konflikte hinzu, welche die Sicherheit auf See und Land bedrohten. Da es Hamburg an staatlichem Schutz fehlte, war der Handel von Krisen bedroht.41 Auch der technische Stand der Zeit erlaubte keine volle Überwindung der natürlichen Bedingungen. Der Wasserweg war wegen des Wintereises nicht zu jeder Zeit befahrbar, der Wagentransport auf der Landstraße ungeeignet für sperrige Güter. Daher lässt sich schließen, dass die Handelsbedingungen im Hinterland ungünstig waren. Wirtschaftstheoretisch steigert die politische Unordnung die Transaktionskosten.42 Deshalb müssen wir davon ausgehen, dass die Entwicklung des Zwischenhandels keineswegs selbstverständlich, sondern vielmehr erstaunlich war.43 Als Erklärung dafür reichen der natürliche sowie der geographische Faktor – das riesige Hinterland und die Elbe – nicht aus. Die Forschung hat sich mit derartigen Ansätzen bislang kaum befasst. Untersucht werden sollen daher die konkreten Handelspraktiken, die in Abwesenheit von staatlicher Unterstützung halfen, die ungünstige Situation zu überwinden und die Warendistribution in kritischen Phasen fortzusetzen. Erst durch eine solche Untersuchung wird die tren miteinander verknüpfende Handelswege komplexe Fernhandelsnetzwerke, die sich aber über sie hinaus, freilich von den verschiedenen Hemmnissen erheblich gehindert, in weiträumige Strecken ausdehnten. Zu Verkehrsrouten im frühneuzeitlichen Europa im Allgemeinen siehe Kellenbenz: Landverkehr; Jeannin: Trade Routes. Vgl. auch die Ausführungen aus der Sicht von nordeuropäischen Gebieten: Hermann Kellenbenz: Norddeutsche Wirtschaft im europäischen Zusammenhang, in: Cord Meckseper (Hg.): Stadt im Wandel. Kunst und Kultur des Bürgertums in Norddeutschland 1150 – 1650, Bd. 3, Stuttgart 1985, S. 221 – 241; Ralf Tuchtenhagen: Historische Verkehrsgeographie Nordosteuropas, in: Jörg Hackmann/Robert Schweitzer (Hg.): Nordosteuropa als Geschichtsregion, Helsinki/Lübeck 2006, S. 133 – 171. 41 Ein Vergleich mit anderen europäischen Staaten wie England und Frankreich macht den Unterschied deutlicher. Die institutionelle Rahmenbedingung, durch die der Staat die Bedingungen für die Handelsentwicklung schuf, besaß Hamburg in der Frühen Neuzeit nie. 42 Karl Gunner Persson/Paul Sharp: An Economic History of Europe. Knowledge, Institutions and Growth, 600 to the Present, 2 Aufl., Cambridge 2015, S. 28 f. 43 Dazu vgl. Oscar Gelderblom: Cities of Commerce. The Institutional Foundations of International Trade in the Low Countries, 1250 – 1650, Princeton/Oxford, 2013, vor allem S. 141 – 168. Er hat dieses Paradox am Beispiel der Handelsentwicklung von Brügge, Antwerpen und Amsterdam erörtert und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das institutionelle Arrangement der Handelsstädte durch die Konkurrenz der Handelsstädte – sie konkurrierten aufgrund der „interchangeable position of individual towns in Europe’s network of commercial cities“ (S. 167) miteinander – gefördert worden sei, was zur Beseitigung der Probleme beigetragen haben müsse.

Methode und Quellen

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Drehscheibenfunktion Hamburgs greifbar. Statt des Wortes Gateway – wörtlich übersetzt „Durchgangstor“ – bevorzuge ich den Ausdruck Drehscheibe, weil dieser die aktive Umstellung von Warenvertrieb, Handelswegen und Partnerorten je nach den Handelsbedingungen besser darstellt. Die erschwerte Handelssituation um Hamburg verlangte von Kaufleuten, Schiffern und Fuhrleuten entsprechend entwickelte Taktiken, welche Warentransport und -vertrieb ermöglichten: zum Beispiel die Änderung von Handelswegen und -orten, die selektive Benutzung von Transporteuren oder Schmuggel. Konkrete Beispiele werden in der vorliegenden Studie genannt.

3.  Methode und Quellen Die Analyse erfolgt vor allem aufgrund der quantifizierten Belege. Dies bedeutet aber nicht, dass sie ausschließlich darauf angewiesen ist. Quellen haben immer Informationslücken, und sie bieten Historikerninnen und Historikern oft nicht die nötigen Angaben. Sie können sogar irreführend sein. Daher ist eine „Statistik“ im heutigen Sinne unmöglich. Es ist dagegen möglich, unter Prüfung der Aussagefähigkeit der Quellen ungefähre Tendenzen abzulesen. Die quantitativen Daten werden also Ansatzpunkt weiterer Untersuchungen sein. Ich folge der Ansicht von L. Beutin, dass die Zahlen „unter stetem Hinblick auf andere Zeugnisse verwertet werden“ müssten.44 Die simultane Auswertung quantitativer und nichtquantitativer Quellen bildet die Interpretation eines Geschehens. Die zahlenmäßigen Angaben ergeben eine Hypothese, und andere Quellenaussagen bestätigen, ergänzen oder korrigieren sie. Wenn es für einen Zeitraum keine nutzbaren Zahlenmaterialien gibt, dann spielen andere Quellengruppen die Hauptrolle. Als quantitative Materialien werden hauptsächlich Zollbücher, Schiffsladungslisten und Kontentbücher genutzt.45 Daneben liefern Berichte von Zeit 44 Ludwig Beutin: Der deutsche Seehandel im Mittelmeergebiet bis zu den napoleonischen Kriegen, Neumünster 1933, S. 60, Anm. 1. Solche Zeugnisse können aber nicht nur Quellen anderer Gattung, sondern auch andere zahlenmäßige Angaben sein. 45 Mehrere Materialien werden ausgewertet: die Admiralitätszollbücher Hamburgs (Verzeichnisse der dem Admiralitätszoll unterliegenden, auf Seeschiffen ein- und ausgehenden Waren und Verzeichnis der zu Wasser und zu Lande angekommenen Waren); die sogenannten Schifferbücher aus Hamburg; die international bekannten Sundzollregister für den Öresund; die Hamburger Land- und Elbzollbücher; die Esslinger Elbzoll-, Landzoll- und Fährgeldregister. Darunter liefern insbesondere diejenigen, die quantitative Auskünfte über den Land- und Flusshandel angeben, bisher ganz unbekannte Infor-

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Einleitung

genossen – oft städtischen Beamten – zahlenmäßige Informationen. Wie oben erwähnt, muss man bei der Behandlung solcher Quellen ihre Aussagefähigkeit beachten. Zu berücksichtigen sind beispielsweise Zollfreiheit, Genauigkeit bei der Zollentrichtung, uneinheitliche Maße und Gewichte. Zu den nichtquantifizierbaren Quellen gehören zuerst Kaufmannsakten, also Handlungsbücher, Rechnungen, Konnossemente oder Briefe.46 Ferner kommen private bzw. amtliche Berichte, Lebenserinnerungen, Gerichts- bzw. Polizeiakten, Verordnungen, städtische Korrespondenzen, Klagen und Beschwerden hinzu. Sie sind keineswegs subordinierte Materialien. Sie bieten vor allem die grundlegende Information über kaufmännische Handelspraktiken. Darüber hinaus ermöglichen sie Einblicke in wirtschaftliche Bedingungen des Handels, beispielsweise in die Handelspolitik, das Verkehrswesen, den Zustand der Handelswege usw. Kaufmannsakten erlauben Aussagen über die Handelspraktiken. In dieser Beziehung sind auch Prozessakten nützlich, weil darin Informationen solcher Art vorhanden sind. Daneben informieren Polizeiakten vor allem über illegale Handelsaktivitäten. Da die Überlieferung solcher Quellen aber häufig auf Ausnahmeerscheinungen, also Ereignisse, die nichtalltäglicher Natur waren – es handelte sich dabei normalerweise um missglückte Geschäfte –, zurückgeht, bedürfen sie vorsichtiger Behandlung. Städtische Korrespondenz mit anderen Kommunen oder Territorien enthalten Informationen insbesondere über handelspolitische Fragen. Eingaben der Kaufleute äußern aktuelle Fragen und kaufmännisches Interesse im Handel. Die Arbeit stützt sich hauptsächlich auf archivalische Quellen aus dem Staatsarchiv Hamburg. Daneben werden Akten aus dem Hanseatischen Wirtschaftsarchiv (Commerzbibliothek Hamburg), dem Stadtarchiv Lübeck und dem Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden benutzt. Zahlreiche gedruckte Quellen werden auch eingesetzt. Reiche Informationen bietet ferner die zeitgenössische Literatur. Dazu gehören Nachschlagewerke für den Kaufmann, Reiseberichte, Darstellungen von Gelehrten über den Handel und Beschreibungen zur Topographie.

mationen. Deshalb wird die Quellenkritik für diese Materialien gesondert am Anhang geleistet. 46 Kaufmannsakten bieten auch Zahlen, die aber für die Abschätzung des gesamten Handelstrends weniger geeignet sind. Vielmehr werden sie für die Analyse der praktischen Kaufmannsaktivitäten benutzt.

Gliederung der Arbeit

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4.  Gliederung der Arbeit Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel. Die ersten zwei der oben genannten drei Fragestellungen werden nicht in jedem Kapitel in der genannten Reihenfolge beantwortet, sondern durchgängig in behandelt und in der Schlussbetrachtung zusammengefasst. Kapitel II gibt einen langfristigen Überblick über die Beziehungen zu Bezugs- und Absatzmärkten des Ostsee- und Mitteleuropahandels, um die von den Märkten über Hamburg auf das Hinterland ausgeübten Einflüsse, die die Entstehung sowie Umstrukturierung des Handelsgefüges verursachten, festzustellen. Die hier angedeuteten Zusammenhänge der Vorgänge mit dem Ostsee- und Mitteleuropahandel konkretisieren die Verbindungen zwischen den Wirtschaftsräumen durch den Warenverkehr. Auf dieser Grundlage werden die räumlich und zeitlich festgelegten Netzwerkverknüpfungen hervorgehoben, wodurch die Drehscheibenfunktion Hamburgs analysiert werden soll. Kapitel III widmet sich der Untersuchung der Handelskontakte Hamburgs mit dem Ostseeraum. Hier werden der seewärtige Handel sowie der Landund Flusshandel mit Lübeck getrennt betrachtet. Kapitel IV geht es um den Handel mit dem mitteleuropäischen Binnenland. Auf Grund der quantifizierbaren Quellen, welche die Beziehungen zu verschiedenen Handelspartnern verdeutlichen, zeigen die beiden Kapitel die Verschiebung des räumlichen Handelsschwerpunktes und der gehandelten Handelswaren, wodurch die Umstrukturierungsprozesse des Handelsgefüges verfolgt werden. Es wird gezeigt, dass die verschiedenen Handelszweige im Ostsee- und Mitteleuropahandel jeweils eine eigene Rolle spielten, und auch, dass sie miteinander im engen Zusammenhang standen. Damit kann gezeigt werden, dass das durch Hamburg gestaltete Handelsgefüge, anders als das von C. Lesger vorgeschlagene Gateway-­System, vielfältigere Netzwerkverknüpfungen besaß. Im Kapitel V untersuche ich die kaufmännischen Handelspraktiken, die Hamburg als Drehscheibe des weiträumigen Handelsgefüges funktionieren ließen. Hier wird behauptet, dass es in Abwesenheit von staatlicher Protektion die Kaufmannstaktiken waren, welche die Fortsetzung des Zwischenhandels ermöglichten. Der zeitliche Beginn der Studie liegt – einführende Blicke auf frühere Zeiten ausgenommen – am Beginn des 17. Jahrhunderts, als – wie in der späteren Erörterung deutlich gemacht wird – für den Ostsee- und Mitteleuropahandel Hamburgs eine entscheidende Wende eintrat; das Ende markiert der Beginn des 19. Jahrhunderts mit einem epochalen Bruch nicht nur für Hamburg (Besetzung durch französische Truppen), sondern auch für die deutsche Geschichte (Ende des Alten Reiches).

II. Wechselbeziehungen der Märkte im Ostseeraum und in Mitteleuropa mit der Nordsee- und Atlantikwirtschaft Für die ökonomische Entwicklung Hamburgs in der Frühen Neuzeit betont die Literatur die Erschließung und Ausweitung der Handelsbeziehungen nach den aufstrebenden Wirtschaftsgebieten an der Nordsee und am Atlantik. Dagegen wird in diesem Kapitel versucht, den Fokus etwas zu verschieben und damit einen neuen Blickwinkel zu etablieren. Der Akzent wird eher auf Wechselbeziehungen des Ostsee- und Mitteleuropahandels mit den westlichen Gebieten gelegt als auf die Handelsausweitung nach Westen an sich. Das Gesamtbild der Zusammenhänge des West-­Ost-­Handels in einer Abhandlung nachzuzeichnen ist kaum möglich und daher nicht Aufgabe dieser Untersuchung. Hier wird nur angestrebt, ein tendenzielles Bild und damit für unsere Fragestellungen einen Anhaltspunkt zu finden. Im Folgenden sollen zuerst die Kaufleute und insbesondere die auswärtigen Einwanderer betrachtet werden, weil Letzteren in der Geschichte des hamburgischen Zwischenhandels eine besondere Stellung zuteilwird.

1.  Bedeutung der auswärtigen Kaufleute für den Ostsee- und Mitteleuropahandel Der Kaufmann als Träger des Handels bildet ein entscheidendes Element für die wirtschaftliche Entwicklung einer Handelsstadt. Besonders sind die von außen eingewanderten Kaufleute, da sie als Newcomer der seit langem verfolgten, verfestigten wirtschaftlichen Zirkulation neue Impulse geben konnten, einer speziellen Betrachtung wert. Hierfür bietet die Feststellung von J. Schumpeter einen theoretischen Anhaltspunkt. Wenn er über eine Theorie der „Veränderungen der Bahn des Kreislaufs“, also „eine Theorie des Übergangs der Volkswirtschaft von dem jeweils gegebenen Gravitationszentrum zu einem andern“ in der industriellen Welt geschrieben hat,1 nahm er einen tüchtigen Unternehmer an, einen unbetretenen Pfad erschließt, auf dem dann andere folgen. Damit lässt sich eine dynamische 1 Joseph Schumpeter: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine Untersuchung über Unternehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus, 5. Aufl., Berlin 1952, S. 99.

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Wechselbeziehungen der Märkte im Ostseeraum und in Mitteleuropa

wirtschaftliche Entwicklung anregen. Auch auf die frühneuzeitliche Handelsentwicklung könnten diese Überlegungen angewandt werden. Die kaufmännischen Triebkräfte für Wirtschaftsentwicklung hat Donald J. Harreld am Beispiel von Antwerpen im 16. Jahrhundert behandelt. Er hat damit gezeigt, dass die Einwanderung der auswärtigen Kaufleute die überregionalen Handelsnetzwerke schuf, die auf verwandtschaftlichen Beziehungen, Freundschaftsverhältnissen oder der Gildenmitgliedschaft beruhten.2 Antwerpen, in der die große Zahl der einzelnen Händlergruppen ihre kaufmännische Tätigkeit ausüben konnte, wurde ein zentraler Knotenpunkt des großräumigen Handels. Zu diesem Thema hat E. Lindberg die unterschiedlichen Verhaltensweisen der Hansestädte verglichen und deren wirtschaftliche Konsequenz im Kontext der Institutionenökonomie analysiert.3 Er ist zu dem Schluss gekommen, dass die Einflussnahme der konservativ gesinnten Gilden, die vor allem in Lübeck groß waren, die Aufnahme der Ausländer verhindert habe. Dagegen konnte Hamburg, wo die Ämter nicht mehr praktischen Anteil am Handelswesen nahmen, von ihrer Aufnahme die größten wirtschaftlichen Früchte tragen. In ähnlicher Weise hat M.-L. Pelus-­Kaplan die Unterschiede in der Aufnahme der Einwanderer und deren Handlungsmöglichkeit in den drei Hansestädten Lübeck, Hamburg und Danzig hervorgehoben. Nach ihr gilt Hamburg als „revolutionary model“, das Ausländern wirtschaftliche Privilegien zubilligte, während Lübeck als „traditional model“ und Danzig als „mixed model“ betrachtet werden könnten.4 So betont die Literatur, dass die auswärtigen Kaufleute wie die englischen Tuchhändler im 16. Jahrhundert, die niederländischen sowie jüdische Glaubensflüchtlinge im 17. Jahrhundert und schließlich die französischen Hugenotten 2 Donald J. Harreld: Foreign Merchants and International Trade Networks in the Sixteenth-­Century Low Countries, in: JEEH 39 – 1 (2010), S. 11 – 31. 3 Erik Lindberg: Merchant Guilds and Urban Growth in the Baltic Sea Area 1650 – 1850, in: Hanno Brand/Leos Müller (Hg.): The Dynamics of Economic Culture in the North Sea- and Baltic Region in the Late Middle Ages and Early Modern Period, Hilversum 2007, S. 47 – 61. In ähnlicher Weise hat er die Ausländerpolitik von Hamburg und Lübeck sowie Königsberg untersucht. Erik Lindberg: The Rise of Hamburg as a Global Marketplace in the Seventeenth Century. A Comparative Political Economy Perspective, in: Comparative Studies in Society and History 50 – 3 (2008), S. 641 – 662; Erik Lindberg: Merchants Guilds in Hamburg and Königsberg. A Comparative Study of Urban Institutions and Economic Development in the Early-­Modern Period, in: JEEH 39 – 1 (2010), S. 33 – 65. 4 Marie-­Louise Pelus-­K aplan: Merchants and Immigrants in Hanseatic Cities, c. 1500 –  1700, in: Donatella Calabi/Stephen Turk Christensen (Hg.): Cities and Cultural Exchange in Europe, 1400 – 1700, Cambridge 2007, S. 132 – 153.

Bedeutung der auswärtigen Kaufleute für den Ostsee- und Mitteleuropahandel

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im 18. Jahrhundert ihre Geschäftsnetze, ihr Know-­how, Informationen und Kapital transferierten und somit erheblich zum Aufstieg des hamburgischen Nordsee- und Atlantikhandels beitrugen. Hier vernachlässigt ist die Konsequenz für den Ostsee- und Mitteleuropahandel. Im Gegensatz zu den umfangreichen Untersuchungen über den ausgeweiteten Westhandel gibt es zu diesem Thema weitaus weniger Betrachtungen. Im Folgenden werden die Beweise dafür vorgelegt, dass die Aufnahme der auswärtigen Kaufleute auch zur Entwicklung des Ostsee- und Mitteleuropahandels beitrug. Dadurch wird die Bedeutung der auswärtigen Kaufleute in Hamburg, die scheinbar in der Literatur schon ausdiskutiert ist, aus neuer Sicht interpretiert.

1.1  Entstehung des Handelszentrums Hamburg durch die kollektive Aufnahme der auswärtigen Kaufleute um 1600 Zuerst wollen wir genauer untersuchen, wie die Literatur das Wirken der auswärtigen Kaufleute im Kontext der hamburgischen Handelsgeschichte betrachtet. Dafür wird der Prozess bis zum Mittelalter zurückverfolgt. Zur mittelalterlichen Hansezeit wurde die Warenvermittlungsfunktion Hamburgs durch Lübeck begrenzt. Seine Stellung im hansischen Handelskreis ist mit der häufig gebrauchten Bezeichnung „Nordseehafen Lübecks“ gekennzeichnet.5 Bis zum 15. Jahrhundert trat der Properhandel zurück in der Beteiligung Hamburgs bei dem großen Zwischenverkehre, dessen Hauptgrundlage die Ostsee mit den sie begrenzenden weiten Ländergebieten bildete. Hamburg war hier schon durch seine geographische Lage den Ostseehäfen gegenüber im Nachteile.6

Zwar nahm der Warenhandel, insbesondere der mit England, einen bedeutenden Platz in der städtischen Wirtschaft ein, und Hamburg besaß ein wichtiges Exportgewerbe, nämlich Bierbrauereien, deren Produkte hauptsächlich nach den Niederlanden ausgeführt wurden.7 Insgesamt aber war der ­Zwischenhandel 5 Diese Bezeichnung stammt von Walther Vogel: Kurze Geschichte der Deutschen Hanse, München/Leipzig 1915, S. 23. Siehe ferner auch Ahasver von Brandt: Hamburg und Lübeck. Beiträge zu einer vergleichenden Geschichtsbetrachtung, ZVHG 41 (1951), S. 20 – 47, hier S. 36; Wiskemann: Welthandelspolitik, S. 21 – 23. 6 Richard Ehrenberg: Hamburger Handel und Handelspolitik im 16. Jahrhundert, Hamburg/Leipzig 1885, S. 4 f. 7 Percy Ernst Schramm: Kaufleute zu Haus und über See. Hamburgische Zeugnisse des 17., 18. und 19. Jahrhunderts, Hamburg 1949, S. 17. Siehe zu Hamburgs Bierbrauereigewerbe: Wolf Bing: Hamburger Bierbrauerei, vom 14.‒18. Jahrhundert, in: ZVHG 14 (1909), S. 209 – 332; Gerald Stefke: Ein städtisches Exportgewerbe des

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Wechselbeziehungen der Märkte im Ostseeraum und in Mitteleuropa

Hamburgs stark im hansischen Handelssystem integriert. Die Stadt war ein Außenposten Lübecks, durch den Gewerbeprodukte aus dem Westen, insbesondere flämisches Tuch, in den Osten und hansische Ostwaren wie Pelze, Wachs oder Getreide in den Westen liefen. Diese Situation änderte sich allmählich im Laufe der seit dem 15. Jahrhundert einsetzenden Verlagerung der europäischen Wirtschafts- und Handelsschwerpunkte nach Westen. Obwohl nach der Krise der städtischen Bierproduktion im 16. Jahrhundert das Braugewerbe wieder blühte,8 entwickelte sich damals doch eine entscheidende Strukturveränderung in der Stadtwirtschaft: Statt der exportorientierten Gewerbe rückte der eigenständige Warenhandel, insbesondere der Handel mit westeuropäischen Staaten immer mehr in den Vordergrund. Genau zu dieser Zeit ging auch die hansische Vormachtstellung in den europäischen Handelsräumen zurück. Die Handelsaktivität der einzelnen Hansestädte an der Ostsee blieb zwar immer noch lebendig9 und daher ist der Niedergang der Hanse im politischen Kontext (Zentralisierung und Verdichtung der frühneuzeitlichen Staaten, die das Handelssystem der städtischen Koalition drosselten) einzuordnen.10 Die Initiative im Warenaustausch ging offensichtlich Spätmittel­alters in seiner Entfaltung und ersten Blüte. Untersuchungen zur Geschichte der Hamburger Seebrauerei des 14. Jahrhunderts, Hamburg (Diss.) 1979; Christine von Blanckenburg: Die Hanse und ihr Bier. Brauwesen und Bierhandel im hansischen Verkehrsgebiet, Köln/Weimar/Wien 2001, S. 33 – 63. Nach den Pfundzollbüchern des Jahres 1369 machte Bier ein Drittel des Warenwertes des Hamburger Exports aus. Schon Ende des 18. Jahrhunderts beschrieb Johann Georg Büsch die mittelalterliche Brauerei in Hamburg so: „Man kann ziemlich bestimmt angeben, daß bis ins 16te Jahrhundert, so lange nemlich Brauerei, als das Hauptgewerbe der Stadt, blühete“. Johann Georg Büsch: Versuch einer Geschichte der Hamburgischen Handlung nebst zwei kleineren Schriften eines verwandten Inhalts, Hamburg 1797, S. 6. 8 Bing: Bierbrauerei, S. 288 – 301. 9 Vgl. Walther Vogel: Beiträge zur Statistik der deutschen Seeschiffahrt im 17. und 18. Jahrhundert, Teile 1 und 2, in: HGbll 33 (1928), S. 110 – 152 und HGbll 37 (1932), S. 78 – 151; Pierre Jeannin: Le commerce du Lubeck aux environs de 1580, in: Annales Economiques Sociales Culturelles 16 – 1 (1961), S. 36 – 65; Pierre Jeannin: Lübecker Handelsunternehmungen um die Mitte des 16. Jahrhunderts, in: ZVLGA 43 (1963), S. 19 – 67; Olechnowitz: Handel und Seeschiffahrt; Pierre Jeannin: Die Rolle Lübecks in der hansischen Spanien- und Portugalfahrt des 16. Jahrhunderts, in: ZVLGA 55 (1975), S. 5 – 40; Ernst Pitz: Steigende und fallende Tendenzen in Politik und Wirtschaftsleben der Hanse im 16. Jahrhundert, in: HGbll 102 (1984), S. 39 – 77; Peter Wälter: Wirtschaftliche Beziehungen zwischen Lübeck und Danzig im späten 16. Jahrhundert, Lüneburg 1995. 10 Heinz Durchhardt: Die Hanse und das europäische Mächtesystem des frühen 17. Jahrhunderts, in: Antjekathrin Graßmann (Hg.): Niedergang oder Übergang? Zur Spätzeit

Bedeutung der auswärtigen Kaufleute für den Ostsee- und Mitteleuropahandel

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von der Hanse auf die westeuropäischen Handelsmächte wie England und die Niederlande über. Unterstützt von einer zentralisierten Staatsgewalt dehnte in diesen Ländern die einheimische Kaufmannschaft ihre kommerziellen Bemühungen so stark aus, dass sie dazu beitrugen, hansische Monopole abzuschaffen, um ihre Handelswaren selbstständig zu befördern. Diesen Trend konnte Hamburg taktisch nutzen. Statt der hansischen Handelspolitik treu zu sein, stellte Hamburg sein Sonderinteresse über das der anderen Hansestädte und verfolgte die Aufrichtung der eigenen Handelskontakte mit den Konkurrenten der Hanse, was der Hanse bzw. Lübeck ein Dorn im Auge war und in der Folge zu Hamburgs Entfernung von der Hansepolitik führte.11 Die Konvertierung des handelspolitischen Prinzips spielte für das wirtschaftliche Emporkommen der Stadt eine entscheidende Rolle.12 Die hierbei in Betracht kommende handelspolitische Maßnahme für die Aufrichtung der engen Handelsbeziehungen zu den west- und südlichen Ländern sowie für den daraus folgenden Abschied des hansischen Handelssystems war die Aufnahme der auswärtigen Kaufleute in die Stadt.13 Wellen der Emigration wurden besonders sichtbar durch religiöse Unterschiede veranlasst, die infolge der Reformation und der daran anschließenden Kriege betont wurden. Die Protestanten in den südlichen Niederlanden, wo ein konfessioneller Konflikt mit Spanien ausgetragen wurde, die sephardischen Juden, die durch die katholische Inquisition unterdrückt wurden, oder die Hugenotten, die nach der Aufhebung des Toleranzediktes von Nantes aus Frankreich auswanderten, suchten zu verschiedenen Zeiten eine sichere Zuflucht. Deswegen spielte die religiöse Toleranz für die Auswahl ihres Niederlassungsortes eine Rolle. Das streng lutherische Hamburg war aber nur tolerant, insofern es um die wirtder Hanse im 16. und 17. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 1998, S. 11 – 24, hier S. 23 f. Siehe zum Untergangsprozess hansischer Vormachtstellung: Rudolf Häpke: Der Untergang der hansischen Vormachtstellung in der Ostsee (1531 – 1544), in: HGbll 18 (1912), S. 84 – 120; ders.: Der Untergang der Hanse, Bremen 1923. 11 Vgl. Rainer Postel: Hamburgs Rolle in der Hanse im 16. und 17. Jahrhundert, in: Jürgen Bohmbach (Hg.): Fernhandel und Stadtentwicklung im Nord- und Ostseeraum in der hansischen Spätzeit (1550 – 1630), Stade 1995, S. 67 – 85. 12 Siehe die Ausführungen über Hamburgs Entwicklung aus handelspolitischer Sicht bei Ehrenberg: Handelspolitik; Erwin Wiskemann: Hamburgs Stellung in der Handelspolitik, in: HÜJ (Jg. 1924), S. 183 – 196; Wiskemann: Welthandelspolitik. 13 Ehrenberg: Handelspolitik, S. 16 – 41. Nach Philippe Dollinger war die „Größe Hamburgs […] weitgehend das Werk der ausländischen Kaufleute“. Dollinger: Hanse, S. 469. Einen grundlegenden Überblick zu den wichtigsten Kaufleuten in Hamburg vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert bietet Ernst Baasch: Die führenden Kaufleute und ihre Stellung in der hamburgischen Handelsgeschichte, in: HÜJ (Jg. 1922), S. 37 – 56.

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Wechselbeziehungen der Märkte im Ostseeraum und in Mitteleuropa

schaftliche Tätigkeit nach der Aufnahme der Einwanderer ging.14 Die Bürger und Geistlichen verhielten sich gegenüber den nichtlutherischen Personen, vor allem gegenüber Juden, im Wesentlichen feindlich. Eine religiöse Freiheit innerhalb der Stadt wurde nicht realisiert. Die dänische Stadt Altona, die an der Elbe wenige Meilen westlich von Hamburg lag, verfolgte eine weit großzügigere Fremdenpolitik für auswärtige Kaufleute, um aus der Intoleranz Hamburgs Kapital zu schlagen und dadurch die Benachteiligung ihrer Hafeneinrichtung auszugleichen.15 Auch in Glückstadt verfolgte man politisch dieses Ziel. Diese im Jahre 1616 vom dänischen König Christian  IV. als Konkurrenz zu Hamburg gegründete Hafenstadt an der Elbe gewährte den auswärtigen Unternehmern bei Zuzug mehrere Bevorzugungen.16 Trotzdem wählten die erfolgreichsten Nichtlutheraner Hamburg zu ihrem Wohnsitz und führten dort ihr Geschäft, während sie, um einem Gottesdienst beizuwohnen, ein paar Meilen nach Altona reisten.17 Es ist in dieser Hinsicht festzustellen, dass Altona mit der konkurrierenden Maßnahme die in Hamburg fehlende religiöse Funktion ausfüllte. Im Zusammenhang mit der Fremdenpolitik sollte darauf verwiesen werden, dass die politisch neutrale Stellung Hamburgs in hohem Maße zur Anziehung 14 Klaus Weber: Were Merchants More Tolerant? „Godless Patrons of the Jews” and the Decline of the Sephardi Community in Late Seventeenth-­Century Hamburg, in: David Cesarani/Gemma Romain (Hg.): Jews and Port Cities 1590 – 1990. Commerce, Community and Cosmopolitanism, London 2006, S. 77 – 92. Die Hamburger zeigten bezogen auf Religiosität ein höchst utilitaristisches Verhalten. Angelika Schaser betrachtet die Hamburger Fremdenpolitik als Wirtschaftspolitik und ersieht daraus einen engen Zusammenhang zwischen Prosperität und Fremdenpolitik. Angelika Schaser: Städtische Fremdenpolitik im Deutschland der Frühen Neuzeit, in: Alexander Demandt (Hg.): Mit Fremden leben. Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart, München 1995, S. 137 – 157 und 270 – 278, hier S. 149 – 157. 15 Joachim Whaley: Religious Toleration and Social Change in Hamburg 1529 – 1819, Cambridge 1985, S. 35. 16 Zum Beispiel durfte die jüdischen Einwohner überall in der Stadt Häuser bauen, Geld ausleihen, Schiffe zu eigenem Gebrauch und zum Verkauf bauen, eine Schule oder Synagoge errichten usw. Hermann Kellenbenz: Sephardim an der unteren Elbe. Ihre wirtschaftliche und politische Bedeutung vom Ende des 16. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts, Wiesbaden 1958, S. 64. Zu Gründung und Betrieb der Hafenstädte von Christian  IV. siehe Helge Gamrath: Hafenbauten und Hafenbetrieb in den Städten König Christians IV. von Dänemark, in: Heinz Stoob (Hg.), See- und Flußhäfen vom Hochmittelalter bis zur Industrialisierung, Köln/Wien 1986, S. 175 – 192. Vgl. ferner Gerhard Köhn: Ostfriesen und Niederländer in der Neugründung Glückstadt von 1620 bis 1652, in: HGbll 90 (1972), S. 81 – 83. 17 Whaley: Religious Toleration, S. 36.

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von Einwanderern beitrug. Die politische Unabhängigkeit und damit verbundene auswärtige Neutralität, die Hamburg mit unablässigen Anstrengungen bewahrte,18 bildeten die unentbehrliche Basis für seine Sonderstellung unter den europäischen Handelsstädten. F. Hatje hat die Funktionen der Hamburger Neutralität in drei Kategorien geteilt: Neutralität als 1. Verteidigungsstrategie, 2. gewinnträchtige Dienstleistung und 3. Standortfaktor für den internationalen Handel in Friedenszeiten.19 Zum Ersten ermöglichte die politische Neutralität mitten in den kriegerischen Machtkämpfen der europäischen Staaten die Aufrechterhaltung des relativen Wohlstandes. Da mehrere Mächte oft gleichzeitig ein Interesse am Hamburger Handel hatten, benutzte die Stadt dies zur eigenen Verteidigung. Wenn ein Staat Hamburg bedrohte, bot der andere Unterstützung an. Zum Zweiten konnte Hamburg unter Benutzung seiner Neutralität die Handelsgeschäfte sogar während der Kriegszeit im Prinzip nach allen Richtungen entfalten und damit aus der Kriegsführung der Mächte Gewinn erzielen, zum Beispiel durch die Vermittlung von Subsidien20 oder durch die Versorgung mit Kriegsmaterialien.21 Wenn der Krieg zwischen den Seemächten den direkten Handel unterbrach, pflegten Kaufleute in europäischen Hafenstädten ihre Waren über Hamburg 18 Da die Stadt ihre Neutralität nicht auf eigene Faust zu verteidigen vermochte, war sie je nach Situation auf auswärtige Mächte angewiesen. Deswegen hatte das Vorgehen Hamburgs in diplomatischen Beziehungen stets einen komplizierten Charakter. Vgl. Hermann Kellenbenz: Die erste bewaffnete Neutralität und ihre Auswirkungen auf die hansische Schiffahrt, in: ZVHG 62 (1976), S. 31 – 48. 19 Frank Hatje: Libertät, Neutralität und Commercium. Zu den politischen Voraussetzungen für Hamburgs Handel (1550 – 1900), in: HWC, N. F., 7 (2007/2008), S. 213 – 247, hier S. 231 – 239. 20 Beispielweise war Hamburg im Dreißigjährigen Krieg der wichtigste Warenvermittler für Schweden. Siehe dazu: Hermann Kellenbenz: Hamburg und die französisch-­ schwedische Zusammenarbeit im 30jährigen Krieg, in: ZVHG 49/50 (1964), S. 83 – 107. Zur Rolle Hamburgs als Zentrum der Kriegsfinanzierung siehe auch Stephan Michael Schröder: Hamburg und Schweden im 30jährigen Krieg – vom potentiellen Bündnispartner zum Zentrum der Kriegsfinanzierung, in: VSWG 76 (1989), S. 305 – 331. 21 Siehe dazu: Julia Zunckel: Rüstungsgeschäfte im Dreißigjährigen Krieg. Unternehmerkräfte, Militärgüter und Marktstrategien im Handel zwischen Genua, Amsterdam und Hamburg, Berlin 1997; Julia Zunckel: Rüstungshandel im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. „Militärische Revolution“, internationale Strategien und Hamburger Perspektiven, in: Benigna von Krusenstjern/Hans Medick (Hg.): Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe, Göttingen 1999, S. 83 – 112; Sven Schuckys: Die Einwirkungen des Dreißigjährigen Krieges auf den Fernhandel Hamburgs, in: Martin Knauer/Sven Tode (Hg.): Der Krieg vor den Toren. Hamburg im Dreißigjährigen Krieg 1618 – 1648, Hamburg 2000, S. 213 – 241.

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umzuleiten sowie dort umzuladen, um sie dann unter der neutralen Flagge nach ihrem eigentlichen Bestimmungsort weiterbefördern zu lassen.22 Zum Dritten bestanden die Handelsbeziehungen dank der Neutralitätspolitik auch in Friedenszeiten fort, weil durch sie keine Einflussnahme durch irgendeine Großmacht zugelassen wurde und folglich nur die kaufmännische Interessenssphäre vertreten wurde, die der Senat zu schützen hatte. Diese außenpolitische Sonderstellung Hamburgs übte auf auswärtige Kaufleute sicherlich eine große Anziehungskraft aus. Doch die Handelspolitik reicht als alleinige Erklärung der Zuwanderung noch nicht aus, weil sie ohne die entsprechenden weiteren Gewerbezweige und Möglichkeiten des Handelsanschlusses keineswegs hinreichende Bedingungen für die Ortswahl herstellen konnte. In diesem Zusammenhang ist in Betracht zu ziehen, dass die den Zugezogenen angebotenen wirtschaftlichen Möglichkeiten nicht ohne jeden Übergang bestanden: Die ausgewanderten Kaufleute nach Hamburg konnten dem Pfad der herkömmlichen Handelsbeziehungen folgen. Englische Tuchhändler Hamburgs Handelskontakte mit England sind schon für die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts nachweisbar.23 Bei der städtischen Vereidigungsliste von 1375 wurden 35 Englandfahrer genannt.24 Bis zur ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts war der hamburgische Anteil im hansischen Englandhandel bedeutend.25 Im Laufe der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde die privilegierte Stellung der hansischen Kaufleute in England in wachsendem Maße unterhöhlt. Dementsprechend erlosch der aktive Handel der hamburgischen Englandfahrer. Im 17. Jahrhundert waren sie nicht mehr die eigentlichen Träger des Handels mit England.26 Den neuen Auftakt des Englandhandels bildete die Aufnahme der 22 Dieser Punkt wird auch im Kapitel II erörtert. 23 Terrence Henry Lloyd: England and the German Hanse, 1157 – 1611. A Study of Their Trade and Commercial Diplomacy, Cambridge 1991, S. 17. 24 Christina Deggim: Hafenleben in Mittelalter und Früher Neuzeit. Seehandel und Arbeitsregelungen in Hamburg und Kopenhagen vom 13. bis zum 17. Jahrhundert, Hamburg 2005, S. 179. Vgl. zu den hamburgischen Englandfahrern: Hans-­Peter Plass: Die Hamburger Englandfahrer 1512 – 1568. Ihr Handel, ihre ökonomische Bedeutung, ihr politischer Einfluß und ihr Verhältnis zur Reformation, Hamburg 1974. 25 In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts betrug der Hamburger Anteil am hansischen Tuchexport aus England 12 – 23 Prozent. Klaus Friedland: Hamburger Englandfahrer 1512 – 1557, in: ZVHG 46 (1960), S. 1 – 4 4, hier S. 4. Vgl. auch Dollinger: Hanse, S. 415. 26 Siehe dazu Reissmann: Kaufmannschaft, S. 156 – 162.

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englischen Kompanie der Merchant Adventurers in Hamburg, die englische Tuche auf dem europäischen Kontinent absetzten.27 Dies machte das Ausweichen Hamburgs vor den Prinzipien der hansischen Gemeinschaft möglich und leitete den folgenden Anschluss Hamburgs an den westeuropäischen Wirtschaftsraum in der Frühen Neuzeit ein. Seitdem England im 15. Jahrhundert als Tuchexporteuer auf europäischen Märkten aufgetreten war, suchten die englischen Tuchhändler der Merchant Adventurers einen festen Stützpunkt auf dem Kontinent, um ihre Produkte abzusetzen.28 Diese Rolle übernahm vorerst Antwerpen als Welthandelsstadt zu jener Zeit und erfüllte sie bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts.29 Die dortige Situation war angesichts der konfessionellen Spaltung zwischen der spanischen katholischen Regierung und den niederländischen Adeligen, Städten sowie Protestanten immer unsicherer geworden. Zuerst wurde der Streit zwischen England und Spanien nicht mit Waffen, sondern mit gegenseitigen Zollmaßregeln geführt. Schon ein Jahr nachdem 1563 die spanische Regierung der Niederlande die Einfuhr von Tuch und Wolle aus England untersagt hatte, schickten die Merchant Adventures ihre Flotte nach Emden.30 In einer kurzen Friedenszeit 27 Die Hanse und die Kompagnie der Merchant Adventurers strebten das gleiche Ziel an: das Tuchhandelsmonopol. Zwischen ihnen herrschte daher starke Konkurrenz um die Monopolstellung. Vgl. Ernst Pitz: Die Hanse und die Merchant Adventurers, in: Jürgen Bohmbach (Hg.): Fernhandel und Stadtentwicklung im Nord- und Ostseeraum in der hansischen Spätzeit (1550 – 1630), Stade 1995, S. 44 – 66. 28 Zu den Merchant Adventurers zu dieser Zeit im Allgemeinen siehe: Jürgen Wiegandt: Die Merchants Adventurers’ Company auf dem Kontinent zur Zeit der Tudors und Stuarts, Kiel 1972. Zu ihren Beziehungen zu Hamburg siehe: Ernst Pitz: Merchant Adventurers und deutsche Tuchkaufleute in Hamburg in den Jahren 1568 – 1573, in: Helmut Jäger/Friedrich B. Fahlbusch/Bernd-­Ulrich Hergemöller (Hg.): Civitatum communitas. Studien zum europäischen Städtewesen, Köln/Weimar/Wien 1984, S. 781 – 797; William E. Lingelbach: The Merchant Adventurers at Hamburg, in American Historical Review 9 – 2 (1904), S. 265 – 287. Zur Tuchproduktion und zum Tuchhandel Englands im Allgemeinen siehe: George Daniel Ramsay: The English Woollen Industry, 1500 – 1750, London 1982. Vgl. ferner Frederick J. Fisher: London’s Export Trade in the Early Seventeenth Century, in: EcHR, 2nd ser., 3 – 2 (1950), S. 151 – 161. 29 Vgl. Ian Blanchard: The International Economy in the „Age of Discoveries”, 1470 – 1570. Antwerp and the English Merchants’ World, Stuttgart 2009, S. 147 – 216. 30 Siehe dazu Bernhard Hagedorn: Ostfrieslands Handel und Schiffahrt im 16. Jahrhundert, Berlin 1910, S. 170 – 190. Neben Hamburg und Stade bot Emden den Merchant Adventurers einen Stützpunkt ihres Tuchhandels auf dem Kontinent. Zur vorläufigen Niederlassung der Merchant Adventurers in der Folgezeit siehe Bernhard Hagedorn: Ostfrieslands Handel und Schiffahrt vom Ausgang des 16. Jahrhunderts bis zum Westfälischen Frieden (1580 – 1648), Berlin 1912, S. 25 – 66 und S. 334 – 367.

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konnten sie wieder in Antwerpen handeln, aber im Jahre 1566, als der Bildersturm ausgebrochen war und damit die Gefahr der Vergeltung an Nichtkatholiken drohte, beschlossen die Merchant Adventurers endlich die Verlegung ihres Sitzes. Anstelle Antwerpens wurde Hamburg als ihre Niederlassung bestimmt. 1567 schloss Hamburg mit den Engländern einen Vertrag über die Niederlassung für zehn Jahre und bot ihnen Zoll- und Handelsvergünstigungen. Nun führten die Merchant Adventurers ihren Tuchhandel über die Elbestadt.31 Für die Wahl Hamburgs als Stützpunkt sprachen mehrere Faktoren. Zentral war, dass der englische Handel für seinen Tuchabsatz in Binnendeutschland einen neuen festen Mittelpunkt in Hamburg finden konnte, wobei die Anbindung an den Elbstrom eine wichtige Rolle spielte.32 Handelspolitisch war die Niederlassung in der Hansestadt auch bedeutungsvoll für die englische Seite, weil sie damit einen Stützpunkt im Herzen ihres Konkurrenten, der Hanse, errichten konnte.33 Einen weiteren Faktor bildete die Existenz des hochentwickelten Verarbeitungsgewerbes von feinem Tuch, das sich seit 1530 entwickeln konnte, als Hamburg den Entschluss fasste, die Antwerpener Tuchbereitung und Färberei in die Stadt zu verpflanzen und zu diesem Zweck tüchtige Handwerker aus Antwerpen aufzunehmen.34 Auf Druck von Hanse und Kaiser wurden die englischen Kaufleute 1587 gezwungen, die Stadt zu verlassen und ins benachbarte Stade umzuziehen. Dennoch behauptete sich Hamburg als Zentrum des englischen Tuchhandels weiterhin, denn in Hamburg waren Filialen anderer internationaler Handelsfirmen ansässig, und auch nach der Verlagerung des Stützpunktes blieb die Verbindung zwischen ihnen und den Merchant Adventurers bestehen. Jene besuchten die Nachbarstadt regelmäßig, um dort Tuche einzukaufen und ihre Waren zu verkaufen.35

31 Die Zahl der in Hamburg gefärbten englischen Tuche zeigt eine merkliche Zunahme im Laufe der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Siehe die Zahlen von Lloyd: England and the German Hanse, S. 388. 32 Wolf-­Rüdiger Baumann: The Merchants Adventurers and the Continental Cloth-­Trade (1560s‒1620s), Berlin/New York 1990, S. 12. 33 Richard Ehrenberg: Hamburg und England im Zeitalter der Königin Elisabeth, Jena 1896, S. 114; Baumann: Merchants Adventurers, S. 12. 34 Vgl. Otto Rüdiger; Die ältesten hamburgischen Zunftrollen und Brüderschaftsstatuten, Hamburg 1874, S. 293 – 295; Ehrenberg: Handelspolitik, S. 14. Der Einzug der internationalen Firmen aus Antwerpen, dem früheren Handelszentrum für englische Tuche, spielte auch eine wichtige Rolle, vgl. Baumann: Merchants Adventurers, S. 12. 35 Baumann: Merchants Adventurers, S. 16.

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1611 kehrten die Engländer endgültig nach Hamburg zurück. Zu dieser Zeit herrschte in ihrem Mutterland gerade Streit um die einheimische Tuchindustrie und den Tuchhandel. Der herkömmliche Produktions- und Handelsstil – Absatz der unverarbeiteten Tuche nach den kontinentalen Stapelmärkten, worin die Merchant Adventurers das englische Monopol hielten – wurde von den Kaufleuten der Eastland Company, von den Londoner Tuchmachern sowie Wollhändlern stark kritisiert.36 Damals entwickelte sich in England die Produktion neuartiger Tuche, die im Allgemeinen als new draperies bekannt waren.37 Der neuentstandene Industriezweig dieser leichten, dünnen und billigeren Stoffe fand seinen Absatzmarkt hauptsächlich in südeuropäischen Gebieten und nahm anstatt des von den Merchant Adventurers gehandelten Lakens (shortcloth oder broadcloth) immer mehr an Bedeutung im englischen Ausfuhrhandel zu. In diesem Zusammenhang gesehen fungierte Hamburg also als Stützpunkt des traditionellen englischen Tuchhandels, der die ungefertigten Stoffe verarbeitete und weiter zu den kontinentalen Märkten lieferte. Niederländische Glaubensflüchtlinge Hamburgs Handelskontakte mit den Niederlanden hatten eine lange Tradition. Warenverkehr zwischen Hamburg und Flandern bestand seit den Anfängen der 1189 gegründeten Hamburger Neustadt.38 Das Handlungsbuch des Vicko von Geldersen zeigt, dass das Geschäft dieses Hamburger Großkaufmanns im 14. Jahrhundert in starkem Maße auf dem Flandernhandel beruhte.39 Die Verkehrslinie Nowgorod – Reval – Lübeck – Hamburg – Brügge in Flandern (oder London in England) bildete die Ost-­West-­Achse des hansischen Handels im Mittelalter.40 Unter allen Kaufmannsvereinigungen in Hamburg bildeten die Flandernfahrer die ansehnlichste Handelskorporation, von deren M ­ itgliedern 36 Joel D. Benson: Changes and Expansion in the English Cloth Trade in the Seventeenth Century. Alderman Cockayne’s Project, Lewiston/New York 2002. 37 Vgl. B. A. Holderness: The Reception and Distribution of the New Draperies in England, in: Negley Harte (Hg.): The New Draperies in the Low Countries and England, 1300 – 1800, Oxford 1997, S. 217 – 243. 38 Jürgen Bolland: Die Gesellschaft der Flandernfahrer in Hamburg während des 15. Jahrhunderts, in: ZVHG 41 (1951), S. 155 – 188, hier S. 155. 39 Hans Nirrnheim (Bearb.): Das Handlungsbuch Vickos von Geldersen, Hamburg/ Leipzig 1895. 40 Dollinger: Hanse, S. 277. Vgl. auch Hans van Werveke: Die Beziehungen Flanderns zu Osteuropa in der Hansezeit, in: Ahasver von Brandt/Paul Johansen/Hans van Werveke/Kjell Kumlien/Hermann Kellenbenz (Hg.): Die Deutsche Hanse als Mittler zwischen Ost und West, Köln/Opladen 1963, S. 59 – 77.

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in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts der größte Teil der städtischen Führungspositionen eingenommen wurde.41 Auch mit Holland stand Hamburg schon lange in enger Verbindung, vor allem durch den Bierexport nach Amster­ dam seit dem 14. Jahrhundert.42 Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts, als sich der wirtschaftliche Schwerpunkt von Brügge auf Antwerpen verlagerte und das hansische Handelssystem stark erodierte,43 bezogen und vertrieben die hansischen, unter ihnen auch hamburgische Kaufleute, ihre Handelswaren auf diesem neuen Weltmarkt. Beispielsweise konzentrierte sich der Export von englischen Tuchen aus London, an dem die Hamburger bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts zunehmend ihren Anteil nahmen,44 auf Antwerpen, wo vorläufig der hansisch-­englische Tuchhandel stattfand.45 Diese Handelsstruktur änderte sich teilweise im Jahre 1530, als die Gewerbe zur Tuchbereitung und -färbung von Antwerpen nach Hamburg umzogen. Veranlasst zudem durch die Bergbaukrise in Mitteleuropa in den Jahren 1527/28, die Geschäftsabschlüsse auf dem Antwerpener Markt behinderte, wurde die Zufuhr der englischen Tuche nach Hamburg (und weiter über Erfurt nach Nürnberg sowie andere mitteleuropäische Gebiete) gelenkt.46 Dieser Vorgang bedeutet aber nicht, dass die Verbindung zwischen Antwerpen und Hamburg damit abgeschnitten worden wäre. Beide Städte standen in engen Handelsbeziehungen, wie sich beispielsweise den Geschäften der hamburgischen Kaufleute Jacob Schröder und Matthias Hoep in der letzten Hälfte des 16. Jahrhunderts entnehmen lässt.47 In den Jahren von 1537 bis 1585 stellte Hamburg nach den Ankergeldlisten für Antwerpen und seine Vorhäfen den

41 Zwei Drittel der Ratsherren und fast alle Bürgermeister gehörten dieser Gesellschaft an. Bolland: Flandernfahrer, S. 167. Jedoch betrieben nicht alle Mitglieder der Gesellschaft – und die Übrigen auch nicht ausschließlich – Handel mit Flandern. 42 Bing: Bierbrauerei, S. 218 – 224; Stefke: Seebrauerei, S. 54 – 87, 118 und 121; Blanckenburg: Bier, S. 34 f. 43 Vgl. Dollinger: Hanse, S. 412 – 414. 44 Friedland: Englandfahrer, S. 4: Dollinger: Hanse, S. 415. 45 Ehrenberg: Handelspolitik, S. 13 f. 46 Blanchard: International Economy, S. 118 und 128. Man kann Hamburg als Konkurrent Antwerpens im englischen Tuchhandel ansehen. Siehe dazu: George Daniel Ramsay: The Queen’s Merchants and the Revolt of the Netherlands, Manchester 1986, S. 116 – 152. 47 Richard Ehrenberg: Zur Geschichte der Hamburger Handlung im 16. Jahrhundert, in: ZVHG 8 (1889), S. 139 – 182, hier vor allem S. 147 – 151; Ehrenberg: Hamburg und England, S. 249.

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Anteil von 46 Prozent der Hanseschiffe und 43 Prozent der Waren.48 Durch diese Geschäftsbeziehungen wurden solide kaufmännische Netzwerke etabliert. Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts erhielten die wirtschaftlichen Verbindungen Hamburgs mit den Niederländern neuen Auftrieb. Es setzten niederländische Emigrationswellen nach Hamburg ein, die ersten bestanden hauptsächlich aus Handwerkern. Die größte und für die Hamburger Wirtschaft erfolgreichste Einwanderungswelle entstand im Jahre 1585, zur Zeit der spanischen Okkupation Antwerpens. Diesmal siedelten reiche Kaufleute nach Hamburg über, die internationalen Handel betrieben und auch an ihrem neuen Niederlassungsort ihre Geschäftstätigkeit fortsetzen wollten. Folglich wanderten ihre Handelsnetzwerke mit in die Stadt.49 1605 schlossen die niederländischen Übersiedler mit dem Hamburger Rat einen Fremdenkontrakt, der ihre Verpflichtungen und Freiheiten festsetzte.50 Die Herkunftsorte der Niederländer, die im Zeitraum von 1590 bis 1625 übersiedelten, lagen in Gegenden an der Mündung von Schelde und Maas. Die Emigranten kamen aus Brabant mit den Zentren Antwerpen und Brüssel, aus Wallonien mit den Industrieplätzen Bois-­Duc, Moucron und Aeth und aus dem limburgischen Land mit dem östlich daran anschließenden Aachener Gebiet.51 Bereits die bloße geographische Einordnung macht ersichtlich, dass Hamburg die Unternehmerkräfte aus bedeutenden Handels- und Industriegebieten anzog. Teile des Antwerpener Welthandels, der wallonischen Textilindustrie und limburgischen sowie Aachener Metallindustrie, vor allem Teile der Kupfer- und Messingverarbeitung wanderten nach Hamburg. Im Verhältnis zu den Schelde- und Maasgebieten trat Flandern im Einwanderungsprozess in den Hintergrund. Emigranten aus den nördlichen Niederlanden siedelten nur 48 Dollinger: Hanse, S. 471. 49 Robert van Roosbroeck: Niederländische Glaubensflüchtlinge und die Wirtschaftsentwicklung der deutschen Städte, in: Herbert Helbig (Hg.): Führungskräfte der Wirtschaft in Mittelalter und Neuzeit 1350 – 1850, Teil 1, Limburg 1973, S. 121 – 148, hier S. 124 – 127. 50 Diesem Kontrakt zufolge sind 130 wallonische und flämische Familien eingewandert. Zur Einwanderung und den eingewanderten Niederländern siehe die ausführliche Darstellung von Wilhelm Sillem: Zur Geschichte der Niederländer in Hamburg von ihrer Ankunft bis zum Abschluß des niederländischen Contracts 1605, in: ZVHG 7 (1883), S. 481 – 598. Vgl. ferner Robert van Roosbroeck: Die Niederlassung von Flamen und Wallonen in Hamburg (1567 – 1605). Ein Überblick, in: ZVHG 49/50 (1964), S. 53 – 76; Robert van Roosbroeck: Emigranten. Nederlandse vluchtelingen in Duitsland (1550 – 1600), Leuven 1968, S. 245 – 271. 51 Kellenbenz: Unternehmerkräfte, S. 236.

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vereinzelt über.52 Die Handelsbeziehungen waren dagegen nicht so spärlich, was in diesem Kapitel nochmals aufgegriffen wird. Im Gegensatz zu Engländern und portugiesischen Juden integrierten sich die eingewanderten Niederländer relativ stark in die hamburgische Gesellschaft.53 Ihre nach verschiedenen Richtungen entfalteten Handelsnetzwerke trugen in entscheidendem Maße zum wirtschaftlichen Aufstieg Hamburgs bei, wie unten nochmals erwähnt wird. Sephardim Relativ verspätet entwickelte sich in den Hansestädten die direkte und gefährliche Handelsfahrt zur entfernt gelegenen Iberischen Halbinsel. Doch durch Vermittlung von Brügge waren die Hansekaufleute mit den iberischen Produkten verbunden.54 Der direkte Handel mit Spanien war bis um die Mitte des 16. Jahrhunderts gering, aber mit Portugal bestanden seit der letzten Hälfte des 15. Jahrhunderts lebhafte Kontakte.55 Die Hansekaufleute verkauften in Lissabon Getreide und Fisch und kauften Salz, Wein, Öl, Feigen, Rosinen und Zucker. Zwar darf man den anfänglichen Hansehandel mit Portugal nicht zu hoch veranschlagen,56 doch hatten die deutschen Kaufleute im 15. Jahrhundert eine feste Handelsbasis in Portugal.57 Seit den 1560er Jahren, als der Warenverkehr zwischen der Iberischen Halbinsel und Nordeuropa infolge der Revolte in den Niederlanden, die bisher den Handel beider Gebiete vermittelt hatten, erschwert wurde, kam der Zeitpunkt für die Hansestädte, ihre Handelstätigkeit auszuweiten. Vor allem aus der 52 Ebenda. 53 Zum Grad der Integration der Niederländer siehe: Alexander Nikolajczyk: Integriert oder ausgegrenzt? Die Stellung der niederländischen Einwanderer im frühneuzeitlichen Hamburg, in: HWC, N. F., 6 (2006), S. 7 – 4 4. 54 Anfang des 15. Jahrhunderts vermittelte beispielsweise Hildebrand Veckinchusen in Brügge Lissaboner Salz für seine Handelspartner in Ostseestädten. Vgl. Wilhelm Stieda (Hg.): Hildebrand Veckinchusen. Briefwechsel eines deutschen Kaufmanns im 15. Jahrhundert, Leipzig 1921. 55 Harri Meier: Zur Geschichte der hansischen Spanien- und Portugalfahrt bis zu den spanischen-­amerikanischen Unabhängigkeitskriegen, in: ders. (Hg.): Ibero-­Amerika und die Hansestädte. Die Entwicklung ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen, Hamburg 1937, S. 93 – 152, hier S. 95 – 103; Kellenbenz: Unternehmerkräfte, S. 15. 56 Dollinger: Hanse, S. 337. 57 Im 15. Jahrhundert wurden sie in Portugal wiederholt mit Privilegien ausgestattet. Jorun Poettering: Handel, Nation und Religion. Kaufleute zwischen Hamburg und Portugal im 17. Jahrhundert, Göttingen 2013, S. 76.

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I­ ntensivierung der Auseinandersetzungen nach der Unabhängigkeitserklärung der Nordniederlande von 1581 und aus der Eroberung Antwerpens durch die spanischen Truppen im Jahre 1585 konnte Hamburg dank seiner neutralen Stellung großen Nutzen ziehen.58 Diese religiösen Konflikte brachten für Hamburg eine Stimulation des Iberienhandels durch auswärtige Unternehmerkräfte. Bereits die oben erwähnten niederländischen Einwanderer in der Elbestadt begannen, umfangreiche Geschäfte mit der Halbinsel zu betreiben.59 Zudem trugen portugiesische Sephardim,60 die in verschiedenen Phasen nach Einsetzen der Inquisition auf der Iberischen Halbinsel (in Portugal ab 1536) teilweise nach Antwerpen und Amsterdam geflüchtet waren und nun ihren Weg nach Hamburg gefunden hatten, zum Ausbau der Handelsbeziehungen mit Spanien und Portugal bei.61 In den 1580er Jahren sind in den Hamburger Quellen erstmals Namen nachweisbar, die eine iberische Herkunft vermuten lassen. Die Zuwanderung nach Hamburg wurde verstärkt, als im Jahre 1601 den Neuchristen die Auswanderung aus Portugal und Spanien wie auch den spanischen Niederlanden gestattet wurde.62 Obwohl die Feindseligkeit der lutherischen Bürgerschaft gegen die portugiesischen Einwanderer, unter denen, wie 1603 mit der Forderung nach Ausweisung festgehalten wurde, Juden seien, ihre Integration im Vergleich zu der der Niederländer verzögerte, gelang es dem Rat, der durch die Niederlassung der auswärtigen Unternehmerkräfte einen kommerziellen und finanziellen 58 Das politisch belastete Verhältnis zwischen den Niederlanden und Spanien unterbrach allerdings die Handelsverbindung zwischen den beiden Gebieten nicht vollständig. Kellenbenz: Unternehmerkräfte, S. 16; Hermann Kellenbenz: Spanien, die nördlichen Niederlande und der skandinavisch-­baltische Raum in der Weltwirtschaft und Politik um 1600, in: VSWG 41 (1954), S. 289 – 332, hier S. 304 f. 59 Zum Iberienhandel der niederländischen Kaufleute in Hamburg siehe Kellenbenz: Unternehmerkräfte, S. 182 – 240. 60 Die sephardische Gemeinschaft in Hamburg bestand vor allem aus portugiesisch sprechenden Einwanderern. Sephardim sind Juden, deren Vorfahren bis zu ihrer Vertreibung auf der Iberischen Halbinsel lebten und infolge der inquisitorischen Religionspolitik in Spanien und Portugal vor allem im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert in die Diaspora flüchteten. Zentren ihrer Diaspora waren wirtschaftlich prosperierende Gebiete West- und Mitteleuropas. Vgl. Kellenbenz: Sephardim, S. 1 und 13 – 23; sowie Jessica V. Roitman, Sephardische Juden im Europa der Frühen Neuzeit, in: K. J. Bade u. a. (Hg.), Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Paderborn 2007, S. 975 – 981. 61 Roitman: Sephardische Juden, S. 976 f. und 979. Roitman schreibt dort allerdings fälschlicherweise davon, dass die eingewanderten Sephardim „als erste Kaufleute der Stadt Handelsbeziehungen mit Spanien und Portugal“ entwickelten. Vgl. Anm. 57. 62 Kellenbenz: Sephardim, S. 27 f.

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Nutzen zu ziehen versuchte, im Jahre 1612 mit ihnen einen Kontrakt auf fünf Jahre abzuschließen. Damit wurde den „Portugiesen“ in Hamburg „aufrichtige, redliche Kaufmannshandtierung, unsern [Hamburger] Bürgern und andern Einwohnern gleich“ gestattet.63 Offiziell war der Rechtsstatus der „Portugiesen“ im Vergleich zu dem der Niederländer nachteilig,64 in der Handelspraxis aber konnten sie die obrigkeitliche Unterstützung der Stadt erwarten.65 Die Einwanderung nahm in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu und in den 1660er Jahren erreichte das Wirken der Gemeinschaft ihren Höhepunkt.66 Seit der Jahrhundertmitte, als die Feindlichkeit der Bürger gegen die „Portugiesen“ zunahm, begann der Niedergang ihrer Gemeinschaft. Am Ende des 1690er Jahre verloren sie ihre wirtschaftliche Bedeutung. Die Tatsache, dass die „Portugiesen“ sich in Hamburg dank der Verteidigung durch die städtische Oberschicht gegen den massiven Widerstand der Bürgerschaft gut einhundert Jahre behaupten konnten, verdeutlicht ihre Signifikanz für das städtische Wirtschaftsleben. Die im Schriftverkehr so genannte „Portugiesische Nation“ in Hamburg hielt nach der Zuwanderung noch ihre Verbindung mit der Iberischen Halbinsel aufrecht, so dass die Einfuhr von rohem Zucker, Wein, Öl und Tabak in Hamburg stimuliert wurde. Besonders aktiv waren sie im Zuckerhandel.67 Sie trugen zudem dadurch zur Entwicklung des hamburgischen Finanz- und Wechselwesens bei, dass sie moderne Finanztechniken und Zugang zu spanisch-­amerikanischem Silber in die Stadt mitbrachten.68 Auf der anderen Seite ist zu betonen, dass die „Portugiesen“ trotz der Feindschaft einiger Bürger und einer jährlichen Abgabe von 1000 Mark in 63 Kellenbenz: Sephardim, S. 31. Nach J. Poettering aber handelt es sich dabei nicht um eine Gleichstellung der „Portugiesen“ im Handel mit den anderen Kaufleuten in Hamburg, sondern um eine „Disziplinarvorschrift“. Von ihnen wurde nämlich ein ebenso aufrichtiges und redliches Verhalten wie Bürger und das der anderen Einwohner verlangt. Poettering: Handel, S. 70. 64 Beispielsweise wurden ihnen weder Eigentumsschutz noch das Vererbungsrecht gestattet. Poettering: Handel, S. 66 f. 65 Obwohl der Schutz ihres Handels im Kontrakt nicht erwähnt wurde, setzte sich der Rat im Jahre 1648 in einer Handelsfrage für „Portugiesen“ ein, deren Schiffsladungen auf dem Weg nach Lissabon von spanischen Kaperern konfisziert wurden oder mit den Schiffen untergegangen waren. Poettering: Handel, S. 69. 66 Kellenbenz: Sephardim, S. 32 – 45; Whaley: Religious Toleration, S. 79. 67 Der größte Teil des portugiesischen Zuckers stammte aus Brasilien. Vgl. Hermann Kellenbenz: Brasilienhandel der Hamburger Portugiesen zu Ende des 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in: Actas, Bd. 2: 3. Colóquio internacional de estudos Luso-­Brasileiros, Lissabon 1960, S. 277 – 296. 68 Kellenbenz: Sephardim, S. 248 – 319.

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Hamburg blieben:69 Auch die Sephardim fanden als „Portugiesen“ ausreichend wirtschaftliche Betätigungsfelder in Hamburg. Der Absatz des Zuckers war für sie bestimmt am wichtigsten. Als solche beidseitigen Interessen verloren gingen, verschwand die Grundlage der Niederlassung. K. Weber schreibt den Niedergang der „Portugiesischen Nation“ in Hamburg teilweise der seit der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts einsetzenden Veränderung der internationalen Handelsverhältnisse zu, die auch in Hamburg spürbar waren. Als der Hauptlieferant von Rohzucker wurde das portugiesische Herrschaftsgebiet Brasilien von den französischen Antillen in der Karibik abgelöst. Gleichzeitig kamen wichtige Träger des französischen Zuckerhandels, Hugenotten, nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes 1685 nach Hamburg, um dort ihre Geschäfte zu betreiben. Diese Newcomer erschütterten die Position der „Portugiesen“, die bis dahin einen bedeutenden Anteil im hamburgischen Zuckerhandel eingenommen hatten. Es war kein Zufall, dass die Zuwanderung der Hugenotten und der Niedergang der sephardischen Gemeinschaft zeitlich aufeinander folgten.70 Die wissenschaftliche Literatur zur Ansiedlung verschiedener auswärtiger Gruppen in Hamburg erweist, dass die langen Handelskontakte seit dem Mittelalter und die dadurch herausgebildeten Geschäftsgelegenheiten in den Jahrzehnten um 1600 zur ständigen Niederlassung auswärtiger Kaufleute führten. Im Folgenden wird betrachtet, wie ihre Netzwerke an den Ostsee- und Mitteleuropahandel angeschlossen wurden.

1.2  Anschluss der auswärtigen Netzwerke an den Ostsee- und Mitteleuropahandel Eine ausführliche Monographie, die die Geschäftsverbindung der oben genannten auswärtigen Kaufleute mit dem Ostsee- und mitteleuropäischen Raum zum Gegenstand hat, fehlt bis heute. Angesichts der Quellenlage scheinen solche Vernetzungen nicht vollständig nachvollzogen werden zu können. Es ist aber trotzdem möglich, auf Grund der vorhandenen Forschungen und einiger gedruckter und ungedruckter Quellen einen groben Umriss darzustellen. Beginnen wir mit den englischen Tuchhändlern. Uns liegen umfangreiche Briefe über das Geschäft von Lionel Cranfield, einem bekannten Mitglied der Kompanie der Merchant Adventurers in London, vor. Die Korrespondenzen 69 Ebenda, S. 32. 70 Weber: Sephardi Community, S. 83.

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Wechselbeziehungen der Märkte im Ostseeraum und in Mitteleuropa

zwischen ihm und seinen Faktoren auf dem Kontinent sowie zwischen den Faktoren geben Aufschlüsse über ihre Geschäftsbeziehungen in den Ostseeraum und die mitteleuropäischen Binnengebiete. Der größte Teil der Überlieferung fällt bedauerlicherweise auf den Zeitraum um 1600, in dem der Sitz der Merchant Adventurers in Emden oder Stade gelegen war. Aber der Faktor Cranfields in Emden und später in Stade, Richard Rawstorm, besuchte häufig Hamburg und informierte Cranfield schriftlich über ihr Geschäft auf dem Kontinent. In Emden kam Rawstorm im Jahre 1600 mit Hans Cornelius ins Geschäft.71 Diesen Kontakt hielt er für wichtig, weil er unter Benutzung der Handelsverbindung des Emdeners mit Danzig auf die Vergrößerung des Tuchabsatzes rechnete. Er sah die Ostseestadt als besseren Markt an als die binnendeutsche Stadt Nürnberg, die traditionell die Produkte englischer Tuchhändler angezogen hatte, aber zu dieser Zeit aus Metallmangel wegen der wachsenden Unruhe in Ungarn in einen schlechten Geschäftsstand geraten war.72 Gleichzeitig hatten die Engländer auch über Hamburg Anschluss an den Danziger Markt. 1600 ließ Rawstorm Samte und Tafte über einen Simon Marten an Claus Ugars in Hamburg verkaufen. Durch die Vermittlung von Ugars sollten die Textilien weiter nach Danzig gehen.73 Bei der Verlagerung des Sitzes der Merchant Adventurers nach Stade äußerte Rawstorm seine Sorge, dass dadurch die Beziehungen mit den Emdenern verloren gehen würden. Der oben genannte Emdener Hans Cornelius sagte ihm, dass er nicht wisse, ob er nach der Sitzverlagerung die Güter von den Engländern noch einkaufen wolle.74 1601 schrieb Rawstorm, nun aus Stade, dass es in Nürnberg keine Verbesserung und keine Hoffnung auf Tuchabsatz gebe, und die Emdener, die mit Danzig handelten, ihren Einkauf lieber in Amsterdam machen wollten, weil man dort eine gute Schiffsverbindung mit der Ostseestadt habe.75 Doch schon in den folgenden Jahren scheint er in Hamburg schon die Verbindung mit Danzig etabliert zu haben. 1607 informierte er aus Stade darüber. Er ließ einen Issac Allen in Hamburg Kerseyen nach Lübeck verschicken, 71 Frederick J. Fisher: Letters Relating to Lionel Cranfield’s Business Overseas, 1597 – 1612, London 1966, S. 29. 72 Ebenda, S. 36 und 57. Dass er sich auf den Tuchvertrieb nach Danzig durch die Vermittlung von Cornelius verlassen wollte, lässt sich aus seinem Brief entnehmen: „All my hope ist to sell them (Kerseyen) to Hans Cornelius or some other that trades for the East Country, for at Nuremburg there is no vent for any“. 73 Ebenda, S. 26. Auch hier erwähnte Rawstorm die gute Absatzmöglichkeit in Danzig. 74 Ebenda, S. 61. 75 Ebenda, S. 65. In der Tat setzte der Tuchhandel mit Cornelius fort. Siehe ebenda, S. 75 f. und 139.

Bedeutung der auswärtigen Kaufleute für den Ostsee- und Mitteleuropahandel

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die dann weiter nach Danzig abgesetzt werden sollten. Nach Rawstorm war dieser Issac Allen „accustomed to transport goods that way“ und der vorgeschlagene Weg war sowohl der schnellste als auch der sicherste und vermutlich der günstigste. Die Rückfracht aus Danzig solle aus Pech, Teer, Seifenasche, Hanf, Flachs, Kabel, Garn, Tauwerk, Eisen und Roggen bestehen.76 Diese Episode deutet an, dass die Engländer auf die Geschäftsnetzwerke der lokalen Kaufleute angewiesen waren. Wie war die Verbindung mit den binnenländischen Märkten? Obwohl man im Briefwechsel des Faktors Rawstorm eine Fülle von negativen Kommentaren über die schlechte Marktlage in Nürnberg findet, lässt sich einigen Schreiben etwas über die Beziehung zu binnenländischen Gebieten entnehmen. Der wichtige Artikel im Austausch gegen Wolltuch scheint Leinen gewesen zu sein. Rawstorm schrieb im Jahre 1601 seinem Herrn, er werde sich nach Hamburg begeben, um dort einen Michael Bräutigam („Brudgam“) zu treffen und einen Wechsel von ihm ausgleichen zu lassen. Bräutigam, der zur selben Zeit auf der Leipziger Messe sei, bringe ständig eine große Menge Leinen nach Hamburg und verkaufe es gegen Geldbezahlung.77 Es scheint, dass zwischen ihnen ein Streit um Bräutigams Schulden entstanden war. Schließlich nahm Rawstorm von Bräutigam Leinen als Bezahlung an. Im Jahre 1603 meldete er bei Cranfield, dass er das Leinen nach London schicken werde.78 Aus der Literatur ist bekannt, dass dieser Michael Bräutigam zu einer Leipziger Familie gehörte und in den Jahren von 1597 bis 1603 englische Tuche aus Stade oder London nach Hamburg brachte.79 Für den Zeitraum nach der Sitzverlagerung von Stade nach Hamburg (1611) gibt es auch den Hinweis, dass die Engländer Marktkontakte im Hinterland behielten. Ein Brief von Herforder Leinenhändlern aus dem Jahr 1621 lautet: Dieselben [Bürgermeister und Rat der Stadt Hamburg] erinnern sich eindechtig und vielgünstig, waß gestalt auß dießer unser gutten Stadt Herfordt, ein sehr geraume Zeit von Jahrenn, naher Hamborgh und Staden vohr und nach, und itzo hinwieder nach Hamborch, ein ansehenliche Nahrung mit dem Leinen oder Le[in]wendt, an die sich daselbsten auffgehaltene, und annoch auffhaltende Engelschen, getrieben worden.80

Diese Bemerkung lässt einen von den Merchant Adventurers betriebenen Austausch ihres Wolltuchs gegen Leinen annehmen. 76 Ebenda, S. 177. 77 Ebenda, S. 90. 78 Ebenda, S. 124, 125 f., 128 f. und 130. 79 Ehrenberg: Hamburg und England, S. 264 f. 80 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb, Nr. 12, Vol. 3a, Fol. 3r.

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Wechselbeziehungen der Märkte im Ostseeraum und in Mitteleuropa

Die obigen Darstellungen belegen, dass die Einwanderer nicht nur die engen Handelskontakte zu ihrem Heimatland in die Stadt mitbrachten. Diese Kontakte waren ebenso mit Märkten im Ostseeraum und Mitteleuropa eng verknüpft. Die Warensortimente der auf der Tabelle II-1 aufgeführten Kaufleute in Hamburg,81 die den größten Handel mit Spanien und Portugal trieben, zeigt diese Austauschbeziehungen ebenfalls deutlich. Tabelle II-1: Aus- und Einfuhren der umsatzkräftigsten Kaufleute in Hamburg im Iberienhandel 1632 – 1634 (Wert in Mark) Eingesessene Hamburger Name/Umsätze

Ausfuhr Waren/Werte

Einfuhr Waren/Werte

D. Brandes & J. Schnitker Ausfuhr  152.900 Wachs  63.700 Indigo(1)  Einfuhr  146.818 Textilien  37.700 Wein  Unbekannt  3050 Kaufmannschaft16.750 Ingwer  Gesamt  302.768

79.300 35.720 15.000

F. Borstelmann Kaufmannschaft  Ausfuhr  120.380 Kupfer(2)  Einfuhr  116.850 Steven  Unbekannt  8400 Gesamt  245.630

64.100 Farbhölzer72.000 26.400 Indigo(3)  33.200 5800 Zucker  4980

D. Schloier Ausfuhr  67.840 Einfuhr  92.012 Unbekannt  2100 Gesamt  161.952

14.300 12.500 10.300 9700 5625

Wachs  Getreide  Kramwaren  Textilien  Balken 

Farbhölzer  Indigo  Zucker  Sumach  Wein 

20.000 14.000 13.000 11.137 9300

81 Die Tabelle beruht auf den Schätzwerten, die bei der Erhebung des Admiralitätszolls in die Einnahmebücher eingetragen wurden. Der Zoll wurde in Hamburg für die Ausrüstung der Handelsschiffe gegen Freibeuterunwesen auf seewärts aus- und eingegangene Waren erhoben. Siehe dazu Ernst Pitz: Die Zolltarife der Stadt Hamburg, Wiesbaden 1961, S.  XXVII–XXXII. Die Überlieferung dauert lückenlos bis zum Jahresende von 1638. Hier sind nur die ersten drei Jahre als Stichjahre gewählt, weil einige auswärtige Kaufleute nur vorübergehend in Hamburg tätig waren und bei längerer Analyse außer Sicht geraten würden. Zum ungewöhnlichen Produktnamen „Kaufmannschaft“: Hiermit sind Fertigprodukte gemeint, die auch unter den synonymen Bezeichnungen Manufakturware, Kramware und Fabrikware liefen. Vgl. Otto-­Ernst Krawehl, Quellen zur Hamburger Handelsstatistik im 18. Jahrhundert, in: Wolfram Fischer/Andreas Kunz (Hg.), Grundlagen der historischen Statistik von Deutschland. Quellen, Methoden, Forschungsziele, Opladen 1991, S. 47 – 69, hier S. 63.

Bedeutung der auswärtigen Kaufleute für den Ostsee- und Mitteleuropahandel

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Niederländer ohne Bürgerrecht Name/Umsätze

Ausfuhr Waren/Werte

Einfuhr Waren/Werte

A. de Bois Ausfuhr70.637 Getreide40.600 Ingwer92.700 Einfuhr241.927 Textilien22.400 Indigo(4)66.250 Unbekannt6935 Zucker28.500 Gesamt319.449 Sumach17.177 L. van Dagen Ausfuhr206.440 Einfuhr92.750 Unbekannt6900 Gesamt305.900

C. de Herthoge Ausfuhr122.037 Einfuhr111.725 Unbekannt2900 Gesamt236.662

Tauwerk67.350 Balken16.200 Kupfer14.750 Talg13.550 Teer13.200

Tabak38.850 Zucker15.850 Indigo10.000 Wein7000

Nürnbergerei36.650 Textilien33.750 Wachs24.300 Kupfer11.200

Farbhölzer68.600 Indigo24.300 Ingwer6000 Wein5600

Ausfuhr Waren/Werte

Einfuhr Waren/Werte

Niederländer mit Bürgerrecht Name/Umsätze P. Juncker Ausfuhr189.820 Einfuhr118.225 Unbekannt500 Gesamt308.544

Wachs105.000 Kupfer27.600 Getreide22.350 Textilien13.600

Indigo42.000 Pfeffer36.325 Zucker20.250 Ingwer15.600

D. de Dobbeler Erben Ausfuhr88.500 Textilien78.600 Wein129.500 Einfuhr134.950 Wachs4600 Unbekannt900 Gesamt224.350 J. B. Juncker Ausfuhr23.287 Getreide12.000 Indigo27.000 Einfuhr40.775 Textilien10.200 Pfeffer2575 Unbekannt0 Ingwer2400 Gesamt64.062

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Wechselbeziehungen der Märkte im Ostseeraum und in Mitteleuropa

„Portugiesen“ Name/Umsätze F. Dentrato Ausfuhr147.000 Einfuhr92.900 Unbekannt6700 Gesamt244.100

Ausfuhr Waren/Werte

Einfuhr Waren/Werte

Pulver68.200 Kupfer47.400 Geschütze(5)19.250 Textilien5200

Ingwer63.800 Zucker7.200 Tabak6250 Cochenille5000

D. N. Vega Ausfuhr57.375 Wachs28.550 Ingwer27.800 Einfuhr139.045 Textilien10.900 Farbhölzer23.520 Unbekannt200 Kupfer5950 Indigo18.500 Gesamt196.620 Zucker10.500 M. de Pina Ausfuhr60.630 Einfuhr101.017 Unbekannt6200 Gesamt167.847

Wachs19.500 Kupfer12.200 Textilien9205 Messing7900

Drögerei(6)33.975 Zucker23.100 Tabak(7)10.275 Lorbeer(8)9550

(1) Inkl. Tabak und Farbhölzer (2) Inkl. Kaufmannschaft (3) Inkl. Cochenille und Farbhölzer (4) Inkl. Cochenille (5) Darunter acht Metallstücke und zwei Geschütze (6) Inkl. Ingwer und Sukkade (7) Inkl. Sukkade (8) Inkl. Sukkade Quelle: StAH, Admiralitätskollegium, F3, Bd. 1 und 2.

Die ausgeführten Waren geben Hinweise darauf, woher sie stammten. Nach der Untersuchung von H. Kellenbenz über die um 1600 von Hamburg nach Spanien und Portugal ausgeführten Waren können ihre Herkunftsorte wie folgt tabellarisiert werden. Tabelle II-2: Wichtigste Herkunftsorte der um 1600 von Hamburg nach Spanien und Portugal ausgeführten Waren Kupfer und andere Metalle Ungarn (Slowakei), Schweden, Harz, Thüringen Waffen und Munition Lüneburg, Danzig, Island Getreide Holstein, Danzig (Königsreich Polen), Pommern, Erzstift Bremen, Land Kehdingen, Brandenburg, Sachsen, Dänemark Wachs Herzogtum Lüneburg, Preußen, Polen

Bedeutung der auswärtigen Kaufleute für den Ostsee- und Mitteleuropahandel

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Tauwerk (und dessen Rohstoff Hanf ) Gegenden südlich der unteren Elbe, Preußen, Baltikum Holz Mecklenburg, die Mark, Sachsen, Böhmen, Holstein, Schleswig und Jütland, Preußen, Schweden Teer und Pech Ostseeraum (vor allem Gotland und Lübeck) Textilien Schlesien, Nürnberg, Dresden, Memmingen, Augsburg, Ulm, Westfalen, Schwaben Quelle: Kellenbenz: Unternehmerkräfte, S. 69 – 76.

Einige auswärtige Kaufleute engagierten sich stark in der Ausfuhr von Ostseeprodukten. Der Niederländer Ludwig van Dagen beschäftigte sich vorwiegend mit dem Export von Tauwerk, Holzprodukten sowie Erzeugnissen anderer Landwirtschaft, die alle typische Erzeugnisse des Ostseeraumes waren. Pulver, dessen Rohstoff Salpeter hauptsächlich aus dem Ostseeraum nach Hamburg geliefert wurde,82 war der Hauptartikel des „Portugiesen“ Francisco Dentrato. Das Wachs des Kaufmanns Vega stammte auch aus dem Ostseeraum. Bei handwerklichen Erzeugnissen spielten die binnenländischen Gewerberegionen eine größere Rolle. Die von Dirich de Dobbeler Erben gehandelten Textilien, angegeben als Leinen, „Bomsiden“ und „Bockeral“,83 mussten überwiegend in Schlesien und Süddeutschland hergestellt worden sein. Süddeutscher Herkunft war auch die von Cornelius de Herthoge viel gehandelte „Nürnbergerei“ – Nürnberger Waren – womit allerlei Handwerkserzeugnisse aus Nürnberg und Umgebung, vor allem Metallwaren, bezeichnet wurden.84 Wie wurden die von den auswärtigen Kaufleuten gehandelten Waren in Hamburg umgeschlagen? Diese Frage ist für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts wichtig, denn damals durften in Hamburg, vor der schrittweisen Aufhebung des Stapelrechts seit der letzten Jahrhunderthälfte,85 Fremde nicht alle Waren frei kaufen und verkaufen. Das Gasthandelsverbot bestimmte seit dem späten Mittelalter den hansestädtischen Handel institutionell stark. Die Frage um den Handel von Gästen, oder zwischen Gästen, war schon am Ende des 13. Jahr 82 Zunckel: Rüstungsgeschäfte, S. 71 f. und passim. 83 Bomsiden, oder Baumseide war vermutlich ein Mischgewebe aus Baumwolle und Leinen mit einem Einschlag von Wolle. Bockeral meint eine Art ungefärbten oder gefärbten Leinens. Reissmann: Kaufmannschaft, S. 393 f. 84 Reissmann: Kaufmannschaft, S. 407. 85 Siehe dazu Kapitel V dieser Arbeit.

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Wechselbeziehungen der Märkte im Ostseeraum und in Mitteleuropa

hunderts ein intensiv diskutiertes Thema unter den Handelsregulierungen der Hansekaufleute.86 Seit dem 15. Jahrhundert verstärkten die Hanse sowie die Hansestädte die Regulierung des Gasthandels.87 Auch in Hamburg machte der Rat zu dieser Zeit eine Reihe solcher Ordnungen bekannt.88 Seit der letzten Hälfte des 16. Jahrhunderts, als diese Ordnungen immer wieder verletzt wurden, vermehrten sich die Klagen der Bürger beim Rat.89 1579 wurde der Handel von portugiesischem Südwein und kölnischem Rheinwein von Gast zu Gast ausnahmsweise gestattet, und in den 1580er und 1590er Jahren erweiterte sich der Anwendungsbereich auf andere Waren, während die vollständige Erlaubnis nie verwirklicht wurde.90 Unter diesen Umständen wurden im Mandat von 1604 die zwischen Gästen handelbaren und nicht handelbaren Güter umfassend bestimmt.91 Es gab drei Warenkategorien. 1. „Freye Güter sive Waaren, damit Gast mit Gast wohl handeln mag“; 2. „Bürgerliche Güter, damit Gast mit Gast nicht handeln mag“, wobei ein Gast aber zum einen bei Bezahlung eines Gastpfennigs mit Bürgern handeln konnte und zum anderen auch einen Bürger als Vertreter stellen konnte; 3. „Bürgerliche Güter, damit Gast mit Gaste, auch mit Gaste Pfenningen nicht handeln, auch kein Factor an Fremde verkaufen mag“. Die Waren sind jeweils wie folgt angeführt: 1.  Alle italienischen, hispanischen und andere ähnliche Nationen-­Waren, rheinische Weine, ungarisches Kupfer, Edelsteine, Perlen, Cochenille, Indigo

86 Stuart Jenks: Zum hansischen Gästerecht, in: HGbll 114 (1996), S. 9 f; Albrecht Cordes: Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel im Hanseraum, Köln/Weimar/Wien 1998, S. 278. 87 Dollinger: Hanse, S. 259 – 263. 88 Im Jahre 1435 wurde der Handel von Nahrungsmitteln von Gast zu Gast, auch der Vorkauf untereinander, ehe die Güter drei Tage für die Bürger zu Markt gestanden haben, untersagt. Daneben durften die Gäste nicht länger als acht Tage zu Markt stehen, auch Häuser und Keller nicht länger als 6 Wochen für verkaufszweck mieten. Jürgen Bolland (Bearb.): Hamburgische Burspraken 1326 bis 1594, Teil 2, Hamburg 1960, Nr. 15 – 1. 89 Ehrenberg: Handelspolitik, S. 34. 90 Ehrenberg: Handelspolitik, S. 36 f. 91 Johann Friedrich Blank: Sammlung der von E. Hochedlen Rat der Stadt Hamburg … ausgegangenen allgemeinen Mandate, bestimmten Befehle und Bescheide, auch beliebten Aufträge und verkündigten Anordnungen, Teil 1, Hamburg 1763, S. 491 – 493. Dieses Mandat blieb Jahrzehntelang geltend. Kürzlich hat Jorun Poettering auf diese Vorschrift im Rahmen ihrer Forschung zu Iberienhändlern aufmerksam gemacht. Im Folgenden schließe ich von diesem Fund auf den Ostsee- und Mitteleuropahandel.

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und andere teure und köstliche Farben, Pockenholz,92 Ebenholz, Brasilholz und dergleichen, Elfenbeine, Zucker, Pfeffer, Nelken, Muskatnuss, Muskatblüte, Ingwer und allerlei Spezerei oder Gewürze, Gold, Seide, Samt, Seidengewand, Grobgrün,93 Saien, Fustein oder Barchent, aber nicht bei Stücken, sondern bei Ballen oder Fässern, Breslauer Röte,94 englisches Zinn, weiße englische Tücher, Wachs, Flachs, nürnbergische Waren; 2.  Hanf, Pech, Teer, Klappholz, Wagenschott, Leinen, gefärbte englische Wolllaken, auch gefärbte und ungefärbte salzwedische, märkische, osnabrückische und allerhand andere gemeine Wolllaken, alle Munition, Takel und Taue, Waid, Postillen,95 Wolle, Blei, Eisen, Osmund und andere ähnliche Waren; 3.  Alles Korn, französische und heiße Weine, Froit,96 Butter, Käse, Hering, Schollen, Bückling, Salz, Bergener und isländische Waren97 und alle anderen ähnlichen Waren. In der ersten Gruppe sind die meist aus West- und Südeuropa eingeführten Waren inklusive überseeischer Produkte wie Zucker, Indigo und Farbhölzer genannt, dazu kommen gewerbliche Produkte und einige landwirtschaftliche Erzeugnisse in Betracht. Bei diesen Waren kann man insgesamt den exportorientierten Charakter feststellen. Bei solchen Waren, im Gegensatz zu Bedarfsartikeln, die der städtischen Bevölkerung unbedingt vorbehalten sein mussten, wurde den Gästen unbeschränkter Handel erlaubt. Zum großen Teil der zweiten Gruppe gehörten die Waren, die im hamburgischen Hinterland erzeugt und als Rohmaterialien für die handwerkliche Produktion gebraucht wurden. Das Stadtgewerbe bedurfte der stabilen Lieferung solcher Produkte. Daneben stellten diese Waren auch wichtige Exportgüter nach westlichen Ländern dar, in denen es auch großen Bedarf für sie gab. Deshalb wurde für sie der Gasthandel unter dem Vorbehalt, die Gebührenbezahlung zu 92 Pockenholz, Pockholz oder Guajak aus Südamerika wurde wie Ebenholz wegen seiner Härte zu Drechslerarbeiten verwendet. Siehe Ernst Baasch: Hamburgs Seeschiffahrt und Waarenhandel vom Ende des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, in: ZVHG 9 (1894), S. 295 – 420, hier S. 370. 93 Franz. gros grain, starkfädiger Kleiderstoff aus Seide, oder aus Baumwolle bzw. einem Mischgewebe von Leinen und Wolle. Reissmann: Kaufmannschaft, S. 399. 94 Das heißt Krapp. 95 Es handelt sich um Erbauungsbücher. 96 Nach August Lübben: Mittelniederdeutsches Handwörterbuch, Norden und Leipzig 1888, bedeutet froit (oder frût) „fructus auctumnalis/arborum/pomum“, also Herbstfrüchte, Baumfrüchte oder einfach Früchte. 97 Bei Berger und isländischen Waren handelt es sich sicher um (getrocknete) Fische.

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leisten, zugesagt. Dass das gefärbte englische Tuch zu dieser Gruppe gehörte, während beim weißen Stoff aus England freier Handel erlaubt war, könnte so interpretiert werden, dass man zur Unterstützung der städtischen Färberei das Eindringen der schon zugerichteten Textilien in die Stadt kontrollieren wollte. Die Waren der dritten Gruppe bestanden aus Lebensmitteln.98 Das Ziel der Verordnung wird hiermit deutlich. Die Produkte zur Grundversorgung wie Getreide, Salz, Käse, Fisch und Wein sollten für die Ernährung der städtischen Bevölkerung im Handel den Bürgern vorbehalten sein. Sie waren Bedarfsartikel mit weniger Preiselastizität, bei denen der Aufkauf durch auswärtige Großhändler vorsichtig vermieden werden musste, um eine Verteuerung wegen eines geringeren Angebots auf dem städtischen Markt zu verhindern. Deswegen wurde die strengste Maßnahme gegen den Gast-­zu-­Gast-­Handel getroffen. Etwas lockerer war die Bestimmung für Rohmaterialien wie Hölzer, Hanf, Metalle, Teer und Pech in der zweiten Gruppe, sie sollten aber zur Aufrechterhaltung beispielsweise der Schiffsbau- und Bauindustrie in der Stadt auch in gewissem Maße reguliert werden. Dagegen konnten die Waren der ersten Gruppe, die ohne Gefahr für die Stadt im Reexport gesehen wurden, den Gästen freigegeben werden. Interessanterweise gehörte dazu das schlesische Leinen, das von dem unspezifizierten Leinen in der zweiten Gruppe unterschieden wurde. Diese Unterscheidung lässt die Sonderstellung jener Ware vermuten: Sie orientierte sich stärker auf den auswärtigen Markt als auf den lokalen. Auf diese Weise wurde den Zwischenhandelsaktivitäten der Auswärtigen in der Unterscheidung von Markt und Warenart ein institutioneller Rahmen verliehen. Stellt man die regulierten Handelsgüter der zweiten und dritten Gruppe den in der Tabelle  II-1 genannten, von auswärtigen Kaufleuten gehandelten Waren gegenüber, dann ergibt sich, dass die Verordnung den Handel der Auswärtigen in der Praxis beeinflusste. Getreide, dessen freier Handel zuerst nur hamburgischen Bürgern, seit 1615 auch Niederländern bewilligt wurde, taucht in der Ausfuhrliste der „Portugiesischen Nation“ nicht auf. Wein handelten die Kaufleute mit Bürgerrecht (vor allem das niederländische Unternehmen Dirich de Dobbeler Erben, daneben die Hamburger Brandes & Schnitker) in sehr großem Umfang, dagegen nahmen diejenigen ohne Bürgerrecht daran nur kleinen Anteil. Man dürfte behaupten, dass die Fremden von den regulierten Waren ferngehalten waren. Nur van Dagens beachtliche Ausfuhr von Tauwerk und Pech, die zu der zweiten Gruppe gehörten, weicht von dieser Logik ab. Es 98 1615 wurde für fremde Niederländer der freie Handel mit Getreide vom Unterlauf der Elbe, und 1639 auch mit von See eingeführtem Getreide, erlaubt. Poettering: Handel, S. 71.

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lässt darauf schließen, dass er entweder viel Gastpfennig bezahlte oder diese umfangreichen Einkäufe bei Bürgern leistete. Zu beachten ist, dass dabei einheimischen Bürgern Priorität eingeräumt wurde: Sie konnten sich nicht nur bestimmte Güter vorbehalten, sondern durch die Vermittlung solcher Güter an die Fremden ihre Handelsgelegenheit. Dieser Punkt erklärt auch, warum die Einheimischen eine gewisse Toleranz für die Fremden zeigten. Die obigen Betrachtungen erfordern gegenüber der landläufigen Meinung über die Rolle der in Hamburg eingewanderten Kaufleute eine andere Ansicht. Deren Einwanderung war eng verbunden mit den Handels- und Marktbeziehungen in den Ostseeraum und nach Mitteleuropa, mit denen sie teils über die Stadt und die städtischen Zwischenhändler Kontakte aufnahmen. Den Rahmen bildete nicht nur die häufig als „revolutionär“ bezeichnete Aufnahmepolitik der Stadt, sondern auch die altherkömmliche kalkulierte, hanseartige Behandlung der Fremden, weil Letztere die Toleranz der einheimischen Bürger gefördert haben musste. Eine schematische Erfassung wie etwa „revolutionär“ und „traditionell“ könnte hier unangemessen sein, da Vorgänge, die als das eine und das andere eingeschätzt werden können, nebeneinander bestanden. So haben beispielsweise die Korrespondenzen des englischen Tuchhändlers Cranfield gezeigt, dass für die auswärtigen Kaufleute die Geschäftskontakte der lokalen Bürger – in unserem Beispiel diejenigen mit dem Ostseeraum – von Bedeutung waren. Hier können wir den Netzwerksanschluss zwischen Auswärtigen und Einheimischen feststellen.

1.3  Expansion des Atlantikhandels durch neue Einwanderer und ihre Bedeutung für den Ostsee- und Mitteleuropahandel Seit langem hat sich die Forschung daran interessiert gezeigt, dass seit dem Ende des 17. Jahrhunderts durch die Aufnahme der aus Frankreich geflüchteten Hugenotten neue Impulse zu einem Handelsaufschwung führten.99 Deren Rolle in der Entwicklung des hamburgischen Atlantikhandels hat Klaus Weber intensiv erforscht und Klarheit über die Geschäftstätigkeiten der französischen Kaufleute in Hamburg und die Umfänge ihres Überseehandels gebracht.100 Im Laufe des 18. Jahrhunderts entwickelte sich die Stadt zu einem erstrangigen 99

Percy Ernst Schramm: Zwei „Millionäre“ aus Refugié-­Familien. Zur Geschichte norddeutscher Spitzenvermögen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Karl-­Heinz Manegold (Hg.): Wissenschaft, Wirtschaft und Technik. Studien zur Geschichte, München 1969, S. 299 – 310. 100 Weber: Atlantikhandel, S. 239 – 259.

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Wechselbeziehungen der Märkte im Ostseeraum und in Mitteleuropa

Hafen Europas in der frühneuzeitlichen Atlantikwirtschaft. Der Austausch von Kolonialwaren, vor allem Zucker, daneben Kaffee und Indigo, mit deutschem Leinen, böhmischem Glas, ferner Ostseeprodukten wie Getreide, Holz, Hanf, Flachs, Eisen oder Kupfer wuchs in großem Umfang. Es stehen trotzdem Fallstudien aus, die diese Entwicklungsprozesse des atlantischen Überseehandels mit dem Ostsee- und Mitteleuropahandel verbinden. Die von E. Baasch und M. Reißmann vorgelegten Materialien zeigen, dass Frankreich schon vor der Einwanderung der hugenottischen Kaufleute als bedeutender Handelspartner Hamburgs auftrat. Die Schiffs- und Lastzahl im Seeverkehr mit Frankreich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts war fast so groß wie die mit England.101 1655 schlossen die drei Hansestädte Lübeck, Hamburg und Bremen mit Ludwig  XIV. einen Handelsvertrag.102 Die verwickelten politischen Machtkämpfe um die Hegemonie in Europa, über die Frankreich unter dem Sonnenkönig mit den Niederlanden und England heftig rang, erschwerten aber den Handel.103 Die Stader Elbzolleinnahme von 1678 weist einen geringeren Anteil Frankreichs im hamburgischen Seehandel aus. Nach den Einfuhrwerten stand Frankreich weit hinter England, Spanien und den Niederlanden zurück.104 In der Folgezeit wurde dennoch eine Grundlage zur Handelsentwicklung zwischen Hamburg und Frankreich gelegt. Nach der Ablösung des Ediktes von Nantes durch das Edikt von Fontainebleau, 1685, kamen infolge des Verbots des Protestantismus, der in Frankreich überwiegend calvinistisch geprägt war, zahlreiche der verfolgten Hugenotten aus Frankreich nach Norddeutschland, vor allem nach Hamburg.105 Unter ihnen waren Kaufleute, die internationalen Handel trieben. 101 Baasch: Waarenhandel, S. 324 f., 330, 332 und 349; Reissmann: Kaufmannschaft, S. 49 und 370. Neben Spanien und Portugal war Frankreich der Hauptlieferant von Wein. 102 StAH, Senat Cl. VI, Nr. 5, Vol. 1, Fasc. 1a. 103 Fred-­Konrad Huhn: Die Handelsbeziehungen zwischen Frankreich und Hamburg im 18. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Handelsverträge von 1716 und 1769, Hamburg (Diss.) 1952, Bd. 1, S. 89. 104 Newman: Hamburg, S. 59. Zum Iberienhandel siehe auch unten Tabelle II-6. 105 Nach Hamburg kamen 922, nach Bremen 474 und nach Lübeck 83 Hugenotten. Wilhelm Beuleke: Die landsmannschaftliche Gliederung der drei hansestädtischen Réfugiésgemeinden, in: Hans W. Wagner (Hg.): Hugenotten in Hamburg – Stade – Altona, Obersickte 1976, S. 22 – 48, hier S. 22. Zur Aufnahme der Hugenotten in Hamburg siehe Franklin Kopitzsch/Ursula Stephan-­Kopitzsch: Franzosen in den Hansestädten und in Altona zwischen 1685 und 1789, in: Jean Mondot/Jean-­

Bedeutung der auswärtigen Kaufleute für den Ostsee- und Mitteleuropahandel

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Am Beginn des 18. Jahrhunderts geriet aber der hamburgische Frankreichhandel wegen des Spanischen Erbfolgekrieges (1701 – 1714) in besondere Schwierigkeiten.106 Nach Ausweisung des französischen Gesandten (1704) bestand nur wenig direkter Verkehr zwischen Hamburg und Frankreich, der durch niederländische und englische Kaper noch weiteren Schaden erlitt.107 Zum Ausgang des Krieges 1713 erholte sich der Handel, der nach dem Frieden von Utrecht großen Zuwachs aufweisen konnte. 1716 wurde ein Abkommen zwischen den Hansestädten und Frankreich geschlossen, das für mehrere Jahrzehnte ihre wirtschaftlichen Beziehungen regeln sollte.108 Der Einfuhrhandel der Kolonialwaren wurde zum größten Teil von den nach Hamburg eingewanderten hugenottischen Kaufleuten getragen. An der Spitze der erfolgreichsten französischen Handelshäuser in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts standen die Familien der Boué und der His.109 Nach Weber konzentrierten sie sich auf den Kolonialwarenimport und beherrschten damit diese Handelsbranche in Hamburg, während sich die eingesessenen hamburgischen Kaufleute seltener darauf spezialisierten.110 Somit fungierten die Hugenotten in Hamburg als Vermittler zwischen den Großhändlern in der westfranzösischen Heimat einerseits und den rohstoffverarbeitenden Industrien sowie den mittel- und osteuropäischen Märkten andererseits.111 Die Franzosen scheinen aber keine reinen Importeure gewesen zu sein, deren Rolle sich ausschließlich auf den Verkauf der eingeführten Kolonialwaren an die Zwischenhändler in Hamburg beschränkte. Mangels Quellen kann ihre genaue Vermittlungsfunktion nicht eindeutig eingegrenzt werden, es ist aber wahrscheinlich, dass sich ihre Geschäftskontakte über Hamburg hinaus in das anschließende und weitere Hinterland erstreckten. Ein Beispiel bietet ein von einem Breslauer Kaufmann an den in Hamburg wohnenden Franzosen Pierre His im Jahre 1741 adressiertes Schreiben, das ihn informierte, dass nach Schlesien bestimmte Güter in Berlin aufgehalten wurden, weil die dortigen Fahrzeuge

106

107 108 109 110 111

Marie Valentin/Jürgen Voss (Hg.): Deutsche in Frankreich, Franzosen in Deutschland 1715 – 1789, Sigmaringen 1992, S. 283 – 295. Die überlieferten Quellen zeigen, dass die Einfuhr aus Frankreich damals nur 10 Prozent derjenigen aus England betrug. Vgl. Ernst Baasch: Zur Statistik des Ein- und Ausfuhrhandels Hamburgs Anfang des 18. Jahrhunderts, in: HGbll 54 (1929), S. 89 – 144, hier S. 94 und 101. Huhn: Frankreich und Hamburg, Bd. 1, S. 158. Zu dem Vertrag siehe Huhn: Frankreich und Hamburg, Bd. 1, S. 96 – 132. Weber: Atlantikhandel, S. 242 – 248. Weber: Atlantikhandel, S. 248 – 251. Weber: Atlantikhandel, S. 253.

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wegen des Krieges zum Transport der Artillerie und Munition beschlagnahmt worden waren.112 Bei den aufgehalten Gütern in Berlin handelte es sich offensichtlich um Kolonialwaren. Da die Güter nach Schlesien bestimmt waren und sie ein Breslauer Kaufmann bezog, könnte als Ware für die Gegenseite schlesisches Leinen bedacht werden. Stark im Leinenhandel engagierte sich die Familie Godeffroy, die ursprünglich aus La Rochelle stammte und nach dem Erlass des Ediktes von Fontainebleau in Frankfurt an der Oder siedelte und dort ein erfolgreiches Leinengeschäft betrieb.113 César Godeffroy (der Dritte) siedelte im Jahre 1737 nach Hamburg über und trat zuerst in die Dienste des damals berühmten hugenottischen Handelshauses Peter Boué. Nach seinem Tod gründete sein Sohn Jean César 1766 die Firma J. C. Godeffroy. Der Schwerpunkt der Firma lag auf dem Export schlesischen Leinens, das durch das Breslauer Haus Eichborn angekauft sowie zubereitet wurde, über Hamburg nach Spanien transportiert wurde und von dort aus in die Kolonien weitergeleitet wurde.114 Auch für die Familie Boué, spätestens für die letzte Hälfte des 18. Jahrhunderts, können die festen Beziehungen zu den binnenländischen sowie Ostseemärkten belegt werden. Nach den Angaben der Importlisten des Admiralitätskollegiums gegen Ende des Jahrhunderts, beispielsweise im Jahre 1782, bezog die Firma Boué häufig Leinen aus Lüneburg und Lübeck.115 Die Quellen beweisen auch, dass Leinen von den Firmen der oben genannten Familie Godeffroy beschafft wurden. Die Namen C. (César) und P. (Pierre) Godeffroy tauchen oft in den Rubriken der Leinenimporte aus Lüneburg, Berlin und Lübeck auf.116 Daneben wurden Wolle, Kattun, und Flachs gehandelt. Trotz der etwas ungenügenden Nachweise könnte behauptet werden, dass die in Hamburg eingewanderten Hugenotten nicht nur die Handelskontakte zum atlantischen Wirtschaftsraum erschlossen. Sie betätigten sich zugleich auch als Bindeglied zwischen ihrem Heimatland und den Märkten im hamburgischen 112 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kc, Nr. 16, Vol. 2b. Pierre His war einer der größten Zuckerhändler in Hamburg. Vgl. Weber: Atlantikhandel, S. 247 – 250. 113 Im 19. Jahrhundert nahm die Familie die führende Stellung im Südamerikahandel und der Schifffahrt dorthin. Zur Familie Godeffroy siehe Kurt Schmack: J. C. Godeffroy & Sohn. Kaufleute zu Hamburg. Leistung und Schicksal eines Welthandelshauses, Hamburg 1938. 114 Percy Ernst Schramm: Refugié-­Familien, S. 42. 115 StAH, Admiralitätskollegium F12, Bd. 6. Zur Familie Boué siehe Weber: Atlantikhandel, S. 242 – 246. 116 StAH, Admiralitätskollegium F12, Bd. 6.

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Hinterland. Sie scheinen zwar keine so herausragende Stellung im gesamten hamburgischen Leinenhandel eingenommen zu haben, doch sollte dieser Aspekt berücksichtigt werden.

2.  Warenbezug und -absatz über den Hamburger Markt Die oben mit besonderer Berücksichtigung der Kaufleute von auswärts dargestellten Zusammenhänge sprechen, obwohl sie ziemlich bruchhaft waren, für unsere Annahme, dass mit der Ausweitung des hamburgischen Westhandels durch die Aufnahme der Einwanderer auch der Ostsee- und Mitteleuropahandel stärker in die Entwicklung mit einbezogen wurde. Um ein genaueres Bild der Warenaustauschbeziehungen zu gewinnen, wird in diesem Abschnitt auf die Analyse des Warenverkehrs eingegangen. Die folgenden drei Punkte werden in der Darstellung berücksichtigt: Im ersten Punkt geht es um die pauschale Charakterisierung der Struktur des Austauschs in Hinsicht auf den Warenhandel mit dem Ostseeraum und Mitteleuropa, wie er in Hamburg zu finden war. Dies wird im Kontext der langen Entwicklungsprozesse im Nordsee- und Atlantikhandel in einer umreißenden Darstellung betrachtet, wenngleich man aufgrund der Quellenlage nur ein ungefähres Bild bekommen kann. Der zweite Punkt betrifft die Mannigfaltigkeit der gehandelten Waren. Bereits 1958 hat J. Kulischer für den Austausch zwischen den deutschen Ländern und den Überseegebieten festgestellt: „Deutschland bezahlte seine Kolonialwaren mit Leinen“.117 Diese Auffassung stellt zusammenfassend die Grundlage des deutschen Handels sehr schlicht und deutlich dar. Auch im hamburgischen Zwischenhandel nahmen die beiden Produkte einen erstrangigen Platz ein. Bei näherer Betrachtung der hamburgischen Handelswaren könnte aber das Bild entstehen, dass die Hafenfunktion Hamburgs durch eine Vielfalt an Waren, die über Hamburg aus- und eingingen, geprägt wurde. Der dritte Punkt bezieht sich auf die Frage: Was geschah beim Aufstieg des hamburgischen Nordsee- und Atlantikhandels mit den alten, also hansischen Handelsbeziehungen im Ostseeraum, in die Hamburg im Mittelalter stark eingeordnet gewesen war? Wie in der Einleitung dieser Arbeit erwähnt, neigt die Literatur zu der Annahme, dass Hamburg sich vom hansischen Handelssystem verabschiedete, um sich an neue wirtschaftliche Möglichkeiten anzupassen. Dagegen wird die folgende Darstellung über den Warenaustausch 117 Josef Kulischer: Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit, Bd. 2, München 1958, S. 168.

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einen anderen Aspekt verfolgen: Das in die westliche Wirtschaft stark integrierte Hamburg bezog auch seine hansischen Handelsbeziehungen darin ein. Diese drei Thesen werden nicht in der genannten Reihenfolge beantwortet, sondern durchgängig in der Darlegung behandelt. Die benutzbaren Quellen erlauben leider keine umfassende und systematische Untersuchung der einund ausgeführten Waren auf langfristiger quantitativer Basis. Angestrebt wird daher, einen groben, tendenziellen Umriss zu skizzieren.

2.1  Wolltuch, überseeische Produkte und Leinen: Vermittlung der Hauptartikel in der europäischen Handelswelt Da in Hamburg keine Quelle überliefert ist, welche die gesamten Ein- und Ausfuhren ermitteln lässt, wird die Auswahl des Handelszweiges für die Darstellung der Handelsstruktur notwendigerweise etwas willkürlich. Denkt man an die Bedeutung von Wolltuch für den hansischen bzw. europäischen Handel seit dem Mittelalter, wäre es berechtigt, mit dieser Ware anzufangen. Im vorherigen Abschnitt ist festgestellt worden, dass die Ankunft der englischen Tuchhändler die erste sichtbare Zäsur in der frühneuzeitlichen Handelsentwicklung Hamburgs gesetzt hatte. Daher möchte ich die Erörterung auch hier mit dem Englandhandel beginnen. Im letzten Viertel des 16. und dem ersten Viertel des folgenden Jahrhunderts erfuhr Hamburg eine Blütezeit in Tuchgewerbe und -handel, obwohl der Eigenhandel der einheimischen Bürger infolge der privilegierten Stellung der Kompanie der Merchant Adventurers stark verdrängt wurde.118 Verschiedene Privilegien sorgten dafür, dass das englische Monopol auf Tuchhandel in ihren Händen lag. In den Jahren, in denen sie in Hamburg ihren zentralen Sitz hatten (1568 – 1578, 1611 – 1806), waren sie den einheimischen Händlern fast gleichgestellt. In den 1620er Jahren gab aber die kriegsbedingte Verwirrung, vor allem von Währungswerten und Preisen, dem englischen Tuchhandel einen schweren Schlag.119 Aus den Einnahmebeträgen des Hamburger Lakengeldes für die Jahre von 1611 bis 1639 geht hervor, dass 118 Heinrich Hitzigrath: Die Handelsbeziehungen zwischen Hamburg und England von 1611 – 1660, Hamburg 1912, S. 16 f. 119 Vgl. John D. Gould: The Trade Depression of the Early 1620s, in: EcHR, 2nd ser., 7 – 1 (1954), S. 81 – 90. Zudem kreuzten seit 1626 englische Kriegsschiffe auf der Unterelbe, um die mit Munition oder Holz nach Spanien, ferner nach Frankreich fahrenden Schiffe zu konfiszieren, was zum großen Ingrimm der Hamburger gegen die Engländer in der Stadt geführt hatte. Als das kaiserliche Heer dem Elbübergang beigekommen war und eine Besetzung Hamburgs drohte, stellten die Londoner Tuchkaufleute bis zum November 1627 jeden Export nach Hamburg ein. Heinrich Hitzigrath: Die

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der Tuchhandel mit Schwankungen zur Abnahme neigte.120 Doch hielt der Zwischenhandel im folgenden Jahrzehnt noch an.121 Seit den 1640er Jahren ging doch in Hamburg die Zahl der gestalten, das heißt geprüften und zum Beweis der Echtheit der Farbe mit einem Zeichen versehenen Tuche zuerst langsam, seit dem Beginn der 1650er Jahren stark zurück.122 Um die Jahrhundertmitte war der Handel im Zuge des englischen Bürgerkrieges Kaperungen ausgesetzt.123 Neben den einheimischen Gewerbeprodukten lieferte England ostindische Reexportgüter, vor allem Pfeffer, den die Englische Ostindien-­Kompanie in Asien für den Vertrieb auf europäischen Märkten beschaffte. 1623 war England mit 780 Sack und 255 Ballen der Hauptlieferant von Pfeffer in Hamburg, an dessen Stelle in der Folgezeit die Niederlande getreten zu sein scheinen. Im Jahre 1629 wurden über die Niederlande 119 Sack, 1259 Ballen, 149 Packen und 50 Pfund Pfeffer, dagegen über England nur 37 Sack, 32 Ballen und 74 Packen nach Hamburg eingeführt. Auch im Jahre 1632 nahm England keinen großen Anteil ein.124 Blickt man aber auf die Londoner Importliste, dann erkennt man keinen Niedergang des englischen Pfefferhandels dieser Zeit.125 Nur im Jahr 1624, nachdem der niederländische Angriff auf die Engländer in Amboina im Jahre 1623 den englischen Asiengeschäften einen Schlag versetzt hatte,126 ist ein vorläufiges Verschwinden der Pfefferlieferung in London feststellbar. Aus dem Vergleich lässt sich schließen, dass Tuch den Hauptartikel der damals aus England nach Hamburg regelmäßig eingeführten Waren darstellte.

politischen Beziehungen zwischen Hamburg und England zur Zeit Jacobs I., Karls. I. und der Republik 1611 – 1660, Hamburg 1907, S. 8 – 12. 120 Hitzigrath: Handelsbeziehungen, S. 25 und 28. 121 Vgl. Kapitel IV dieser Arbeit. 122 Hitzigrath: Handelsbeziehungen, S. 42 f.; Reissmann, Kaufmannschaft, S. 199, Anm. 271. Barry E. Supple sieht in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine Übergangsphase in Englands Tuchindustrie und -handel (Niedergang von old draperies und Emporkommen von new draperies) an. Barry Emanuel Supple: Commercial Crisis and Change in England 1600 – 1642. A Study in the Instability of a Mercantile Economy, Cambridge 1964. 123 Die Royalisten kaperten Kompagnieschiffe und verkauften ihre Prisen in Glückstadt. Hitzigrath: Die politischen Beziehungen, S. 15 – 19. 124 Baasch: Waarenhandel, S. 394. 125 A. M. Millard: The Import Trade of London 1600 – 1640, London (Diss.) 1956, Appendix Tabelle A, S. 5 f. 126 Vgl. Om Prakash: The English East India Company and India, in: E. W. Bowen/ Margarette Lincoln/Nigel Rigby (Hg.): The Worlds of the East India Company, Leicester 2002, S. 1 – 17, hier S. 3.

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Welche Austauschwaren wurden nach England exportiert? Nach der S­ tatistik von A. M. Millard kann Leinen bis zu den 1630er Jahren als das bedeutendste Ausfuhrgut betrachtet werden.127 Schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts scheint es einen merklichen Posten eingenommen zu haben. Die Handlungsbücher des hamburgischen Kaufmanns Matthias Hoep, der während seines Aufenthaltes in London in den Jahren von 1563 bis 1570 den Hamburgern als Faktor diente, verkaufte besonders viele Partien Leinen.128 Aus den zu den exportierten Gütern hinzugefügten Ortsnamen sind die verschiedenen Einzugsgebiete für das über Hamburg verschiffte Leinen zu ersehen: Osnabrücker, münstersche, Herforder, hannoversche, Dannenberger, Lüchower, Uelzener, Hamburger, Lübecker, pommersche, Salzwedeler und schlesische Leinen wurden gehandelt.129 Im vorherigen Abschnitt ist kurz bemerkt worden, dass die englischen Tuchhändler, auch während ihr Stapelplatz sich in Stade befand, regelmäßig Hamburg besuchten, um dort ihre Waren zu verkaufen. In einem Zollbuch sind englische Wollwaren wie Laken, Kersey und Boyen verzeichnet, die in den Jahren zwischen 1597 und 1603 von England über Stade nach Hamburg geliefert wurden, während in entgegengesetzter Richtung Leinen überwog.130 Für diese Zeit sind im vorherigen Abschnitt Belege dafür angeführt worden, dass englische und binnendeutsche Kaufleute über den in Hamburg durchgeführten Tuch-­Leinenhandel geschäftlich verbunden waren. Dieser Austausch ist als eine typische Funktion Hamburgs im Englandhandel des 17. Jahrhunderts zu betrachten.131 K. Newman zufolge wurde auch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts oft Leinen gegen die in Hamburg eingeführten Tücher getauscht, auch wenn man für die Bezahlung im Tuch 127 Millard: Import Trade, S. 259. Auf Leinen folgt Wolle unter den wichtigen Ausfuhrwaren. Insbesondere war die lüneburgische Wolle von der englischen Tuchindustrie nachgefragt. Ferner wurde in großen Mengen Flachs, der aus dem Ostseeraum stammte und über Lübeck transportiert wurde, für die Merchant Adventurers herangeschafft und dann nach England spediert. Ehrenberg: Hamburg und England, S. 303 – 306. M. Reißmann nennt an erster Stelle der Ausfuhrgüter nach England in der Mitte des 17. Jahrhunderts Metalle und Metallartikel. Reissmann: Kaufmannschaft, S. 56. 128 Ehrenberg: Hamburg und England, S. 249. 129 Ehrenberg: Hamburg und England, S. 298. 130 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Eb, Nr. 4, Vol. 1d. In den Jahren von 1598 bis 1601 wurde der Stapelplatz in Emden, dann bis 1611 in Stade gelegt. 131 Zu bemerken ist doch, dass eben das weitere hamburgische Hinterland, in dem auch Wolltuch produziert wurde, dem englischen Produkt Konkurrenz machte. Als Wettbewerber nennt der englische Kaufmann Cranfield die Tuchproduktion in Schlesien und Ungarn. Fisher: Letters, S. 195 f.

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handel die Benutzung der Wechselbriefe bevorzugte.132 Dennoch, wie erwähnt, verzeichnete der Tuchhandel bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts eine abnehmende Tendenz. Im Laufe der zweiten Jahrhunderthälfte ging er im Ganzen zurück.133 Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts ließ das kommerzielle Wirken der Kompanie der Merchant Adventurers in Hamburg immer mehr nach, die Mitgliederzahl nahm dementsprechend ab, und der englisch-­hamburgische Tuchhandel lag nicht mehr ausschließlich in der Hand der exklusiven Kompanie.134 Die Monopolstellung der Merchant Adventurers wurde im Jahre 1689 offiziell aufgehoben.135 Dagegen können im Laufe der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stark zunehmende Warenlieferungen aus Deutschland nach England verzeichnet werden.136 In den deutschen Gebieten, vor allem in Schlesien, begann man, das hochwertige französische (und flämische sowie holländische) Leinen nachzumachen und minderwertige Imitate herzustellen. Auf dem englischen Markt war das billigere und deswegen von der breiten Bevölkerung gekaufte deutsche Leinen auf dem englischen Markt so konkurrenzfähig, dass bis zum Ende des 17. Jahrhunderts die Ausfuhr aus Deutschland nach England den Export aus Frankreich oder aus den Niederlanden überflügelte.137 Leinen nahm somit im deutsch-­englischen Warenverkehr die Spitzenposition ein. Die Stellung Hamburgs als Vermittler war dabei gewichtig. Während in London im Jahre 1686 aus Frankreich 2.129.752 Ellen Leinen empfangen wurden, lieferte Hamburg 5.225.901 Ellen.138 Am Anfang des 18. Jahrhunderts nahmen sie im Hamburger Ausfuhrhandel nach England wertmäßig mit Abstand den ersten Platz ein.139 Auch verglichen mit anderen europäischen Ländern ragte England damals bei weitem als der wichtigste Abnehmer von Leinen hervor, die über Hamburg zu See ausgeführt wurde.140 132 Karin Newman: Anglo-­Hamburg Trade in the Late Seventeenth and Early Eighteenth Centuries, London (Diss.) 1979, S. 146 – 148. 133 Newman: Anglo-­Hamburg Trade, S. 105 – 109. 134 Lingelbach: Merchant Adventurers at Hamburg, S. 278 – 282. 135 Siehe dazu Newman: Anglo-­Hamburg Trade, S. 280 – 291. 136 Newman: Anglo-­Hamburg Trade, S.86 f., S. 189 – 191. 137 Siegfried Kühn: Der Hirschberger Leinwand- und Schleierhandel von 1648 – 1806, Breslau 1938, S. 47 und 106; Newman, Anglo-­Hamburg Trade, S. 85 f. und 191 – 194. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts wurden in Deutschland auch hochwertige Sorten produziert und nach England exportiert. Siehe Newman, Anglo-­Hamburg Trade, S. 197 f. 138 Newman: Anglo-­Hamburg Trade, S. 191. 139 Baasch: Statistik, S. 118. 140 Siehe Baasch: Statistik, S. 118, 125, 129 und 138.

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Stellt sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts das gegenseitige Beziehen von deutschem bzw. mitteleuropäischem Leinen und englischem Tuch, das wir für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts beobachtet hatten, ebenfalls nicht mehr dar? Auch wenn die beiden Produkte in den 1690er Jahren infolge des Pfälzischen Krieges (1688 – 1697) einen mit diesem korrelierenden Boom erfuhren, ist doch zu berücksichtigen, dass die Tuchausfuhr aus England im Ganzen stagnierte, während die Leinenausfuhr aus Hamburg einen rapiden Aufschwung erfuhr.141 Zudem wurde damals dem englischen Tuch durch die Tuchproduktion im weiteren hamburgischen Hinterland, nämlich in Schlesien, Konkurrenz gemacht.142 Das Problem wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts ersichtlicher, als England einen Schutzzoll auf ausländisches Leinen gelegt hatte.143 Im Jahre 1712 erhoben die Merchant Adventurers der Hamburger Filiale dagegen Einspruch und beklagten den Rückgang des Handels folgendermaßen: Im Handel zwischen England und Hamburg, Schlesien und anderen Teilen Deutschlands seien von ihnen jährlich Wollprodukte im Wert von 5000 Pfund oder mehr exportiert worden. Weil aber für ihre Wollprodukte große Mengen an Leinen eingeführt worden waren, wäre mit der Einziehung der hohen Einfuhrzölle die Ausfuhr auf die Hälfte vermindert worden.144 Die Merchant Adventurers befürchteten hierbei die potenzielle Konkurrenz in Gewerbegebieten in Sachsen und Schlesien wie Meißen, Görlitz, Oschatz, Lauban, Zittau, Greiffenberg und Breslau, deren Textilproduktion sich wegen der Zollerhöhung auf Leinen zu Wollwaren umstellen könnte. Die hohen Zölle könnten zudem die Fürsten in Deutschland als Gegenmaßnahme zur Besteuerung von englischen Wollpro-

141 Newman: Anglo-­Hamburg Trade, S. 100 f. und 191 f. 142 Newman: Anglo-­Hamburg Trade, S. 113 – 115. 143 Zu den Zöllen Englands auf ausländisches Leinen siehe: Negley B. Harte: The Rise of Protection and the English Linen Trade, 1690 – 1790, in: ders./Kenneth G. Ponting (Hg.): Textile History and Economic History, Manchester 1973, S. 74 – 112, hier S. 75 – 86; David Ormrod: The Rise of Commercial Empires. England and the Netherlands in the Age of Mercantilism, 1650 – 1770, Cambridge 2003, S. 160 – 167, hier S. 162, Tabelle 5.4. Die Gründe für Zölle umfassten nicht nur fiskalische Interessen, sondern auch die Idee eines allgemeinen Protektionismus. Siehe Ralph Davis: The Rise of Protection in England, 1689 – 1786, in: EcHR , 2nd ser., 19 – 2 (1966), S. 306 – 317, hier S. 307; sowie Ormrod: Commercial Empires, S. 173 f. 144 Company of Merchant Adventurers of England: Reasons Humbly Offer’d by the Hambrough Merchants, and other Traders and Dealers in the Woollen Manufacture of Great Britain, against the Intended Duties on several Sorts of German Linnen, London 1712.

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dukten veranlassen, was wahrscheinlich ebenfalls zur Zunahme der dortigen Wollwarenproduktion führen würde. Da die Merchant Adventurers zu dieser Zeit die Monopolstellung im englischen Wolltuchhandel schon verloren hatten, wird ihr Anteil im englisch-­ hamburgischen Warenaustausch dementsprechend nicht mehr so groß gewesen sein. Von einem korrelierenden Austausch beider Produkte kann nach Newman für das 18. Jahrhundert nicht mehr die Rede sein.145 Demgegenüber wäre doch zu beachten, dass die Tucheinfuhr nach Hamburg noch eine bedeutende Position einzunehmen scheint. Die Tabelle II-3 zeigt,146 dass die Tuche („Wollstoffe“ 145 Newman, Anglo-­Hamburg Trade, S. 89 f. und 131 – 133. 146 Die Tabelle basiert auf den Einnahmebeträgen aus den Admiralitäts- und Convoygeldern (Jürgen Schneider/Otto-­Ernst Krawehl/Markus A. Denzel (Hg.): Statistik des Hamburger seewärtigen Einfuhrhandels im 18. Jahrhundert nach den Admiralitätsund Convoygeld-­Einnahmebüchern, St. Katharinen 2001 (im Folgenden abgekürzt als ACEB). Um das in Hamburg im Jahre 1623 zum Schutz der Handelsschifffahrt eingesetzte Admiralitätskollegium zu finanzieren, wurde der Admiralitätszoll eingeführt, der zusammen mit dem Convoygeld erhoben wurde. Der Zoll wurde für Ladungen der Seeschiffe das 18. Jahrhundert hindurch entrichtet und die in diesem Zuge erstellten Einnahmebücher ermöglichen die Verfolgung der langfristigen Seehandelsabläufe in Hamburg. Die Aussagefähigkeit der Quellen ist aber in den folgenden Punkten eingeschränkt (siehe ACEB, S. 11). 1. Der Zoll wurde nur auf den Verkehr mit Häfen westlich der Schelde, mit überseeischen Ländern und mit Archangelsk erhoben; ausgeschlossen blieben demnach die Verkehrsbeziehungen zu den Nordseehäfen zwischen der Schelde und Kap Skagen (vor allem also zu den holländischen und den Häfen der Westküste Schleswig-­Holsteins und Dänemarks) sowie zum gesamten Ostseeraum. 2. Einige Produkte waren vom Zoll befreit und sind deswegen nicht aufgeführt: bei der Ausfuhr Leinen, Garn, Bleche und Kupfer, bei der Einfuhr Getreide und Steinkohle. 3. Der Teil der Zufuhren, der als Transitgut ins Binnenland weitergeleitet wurde, wobei innerhalb Hamburgs zwischen der Einfuhr und der Wiederausfuhr der Ware kein Eigentumswechsel stattgefunden haben durfte, war zollfrei. Der Anteil von Transitgut muss bei den Waren, die in der von der See eingeführten Form direkt reexportiert werden konnte (z. B. Kaffee) höher, und bei den in Hamburg bearbeiteten Waren (z. B. Zucker) niedriger gewesen sein. 4. Einfuhren zu nichtkommerziellen Zwecken („Hamburger Bürgergut“) und die der Merchant Adventurers waren nicht zollpflichtig. Trotz aller Schwierigkeiten ist der Wert der Quellen für die Forschung des Hamburger Handels im 18. Jahrhundert „unbestreitbar“ (ACEB, S. 12). Die Nützlichkeit dieser Quellen bei der Analyse der langfristigen Handelsentwicklung unterstreicht, dass der Zoll nicht nach den schwankenden Marktpreisen der Börse, sondern nach dem vom Zolltarif festgelegten Schätzwert erhoben wurde. Vgl. zu dieser Quelle auch Klaus Weber: Die Admiralitätszoll- und Convoygeld-­Einnahmebücher. Eine wichtige Quelle für Hamburgs Wirtschaftsgeschichte im 18. Jahrhundert. HWC , N. F., 1 (2000), S. 83 – 112.

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und „Wollwaren“) bis zur ersten Hälfte des Jahrhunderts unter den Hamburger Einfuhren aus England einen Hauptartikel bildeten.147 Erst seit der Mitte der 1750er Jahren verzeichnete die Tucheinfuhr einen merklichen Rückgang. Tabelle II-3: Werte und Anteile der Wollwaren an der in den ACEB verzeichneten Gesamteinfuhr Hamburgs aus England und Schottland 1733 – 1798 (Wert in Mark banco) Jahr 1733 1734 1736 1737 1738 1739 1740 1742 1747 1753 1755 1756

Wert 643.605 585.518 558.787 544.121 562.167 528.957 611.087 303.759 598.725 473.300 333.070 282.019

% 17 16 13 18 19 19 19 9 14 18 9 9

Jahr 1760 1762 1763 1769 1770 1771 1773 1776 1781 1782 1783 1784

Wert 365.172 514.020 523.487 181.860 208.493 188.880 214.265 227.068 245.691 233.520 266.180 305.332

% 7 6 7 5 7 7 8 8 6 8 9 10

Jahr 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792 1794 1795 1797 1798

Wert 178.210 227.330 259.067 195.598 254.351 288.359 399.085 307.895 303.447 305.601 671.227 613.925

% 5 7 9 7 7 6 7 4 2 2 3 3

Quelle: ACEB. Tabelle II-4: Leinenausfuhr aus Deutschland nach England 1721 – 1780 (Richtpreis im Jahresdurchschnitt, Wert in 1000 Pfund) Jahre 1721 – 1725 1726 – 1730 1731 – 1735 1736 – 1740 1741 – 1745 1746 – 1750

Wert 538,7 580,6 662,8 609,8 616,5 585,0

Jahre 1751 – 1755 1756 – 1760 1761 – 1765 1766 – 1770 1771 – 1775 1776 – 1780

Wert 543,8 491,6 394,7 396,6 370,8 310,8

Quelle: Satoshi Baba: Doitsu Nôson Kôgyô Shi. Proto-­Kôgyô-­Ka, Chiiki, Sekai-­Shijô (engl. Titel: Proto-­Industrialization in Germany: Regional and International Perspectives), Tokyo 1993, S. 115. 147 Zur englischen Tuchindustrie im 18. Jahrhundert siehe: John Smail: Merchants, Markets and Manufacture. The English Wool Textile Industry in the Eighteenth Century, New York/Houndmills/Basingstoke/Hampshire 1999.

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Welchen Verlauf zeigt der Leinenexport nach England? Newman zufolge muss er bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts das hohe Niveau im Hamburger Ausfuhrhandel gehalten haben.148 Tabelle  II-4 stellt den Ausfuhrwert des Leinens vor, die England aus Deutschland einführte.149 Zwar wird dort nicht deutlich, wie hoch der Anteil der Ausfuhr ab Hamburg darin war, aber es wird, da Englands Handel mit Deutschland meist über Hamburg abgewickelt wurde,150 ein Trend offensichtlich. Die Ausfuhr begann erst in den 1750er Jahren abzusinken. Somit ist festzustellen, dass Wolltuch auf der einen und Leinen auf der anderen Seite bis zur Jahrhundertmitte wichtige Austauschartikel im Hamburger Englandhandel darstellten. Daher wäre das oben zitierte Dokument der Merchant Adventurers, die Wolltuchausfuhr von England nach Hamburg sei wegen des Schutzzolles auf deutsches Leinen vermindert worden, so zu interpretieren, dass die Austauschbeziehung zwischen Tuch und Leinen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts immer noch andauerte. Inzwischen bekam das deutsche bzw. schlesische Leinen allerdings in zunehmendem Maße irische sowie schottische Konkurrenz auf den Märkten in England sowie in dessen Kolonien. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde durch England versucht, die Wollindustrie Irlands zu unterdrücken. Schließlich bereitete 1699 der Woollens Act der irischen Wolltuchproduktion, die mit derjenigen in England konkurrieren konnte, ein Ende. Leinen war bereits um 1700 der prominenteste schottische Exportartikel nach England, mit der 1707 geschlossenen Union zwischen Schottland und England wurde dies ausgebaut.

148 Vgl. Newman: Anglo-­Hamburg Trade, S. 202 und 343. 149 Die Tabelle beruht auf der der in japanischer Sprache geschriebenen Arbeit von Satoshi BABA. Er benutzt hier die Zahlen der englischen Zollregister (Customs 3). Er hebt ferner die Warenaustauschstruktur zwischen England (Tuch) und Deutschland (Leinen) über Hamburg im 18. Jahrhundert hervor. Seine These ist in die obige Darstellung vorliegender Arbeit zum Hamburger Englandhandel aufgenommen. 150 1776 äußerte der englische Parlamentarier Whitworth, „our commerce with Germany is chiefly carried on by Hamburgh […] its exports and imports exceed those of many great kingdoms, even in Germany itself“. Charles Whitworth: State of the Trade of Great Britain in its Imports and Exports, progressively from the year 1697, London 1776 (ND Farnborough 1969), S. XXV. Ich verdanke dieses Zitat dem Hinweis von Newman: Hamburg, S. 76. Siehe auch Hermann Kellenbenz: Der deutsche Außenhandel gegen Ausgang des 18. Jahrhunderts, in: Friedrich Lütge (Hg.): Die wirtschaftliche Situation in Deutschland und Österreich um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, Stuttgart 1964, S. 4 – 60, hier S. 27.

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Nun begannen Irland und Schottland das britische Imperium mit dem für seine Wirtschaftsstruktur unentbehrlichen Leinen zu versorgen.151 Dennoch hatten die Engländer immer noch ein starkes Interesse an dem Gewinn, den sie aus der Leinenzufuhr über Hamburg ziehen konnten. Die angewendeten Praktiken waren auch in Fragen des Leinenhandels mit Preußen von Interesse. 1769 lag der Hamburger Commerzdeputation eine aus Berlin eingetroffene Antwort auf eine Denkschrift des Vice-­Präses der Deputation, Johann Schuback, über den Handel mit Preußen vor: Die Engländer haben durch enorme Praemia und Einziehung der sogenannten Drawback [Rückzoll]152 sich gleichsam mit Gewalt zu Eigenthümern dieser Branche [Leinenhandel] machen wollen, … Hamburg ist hierbey der einzige wahre und für alle Theile nützliche Mittel-­Ort. Dieser kann durch einen allgemeinen Baratto das Linnen am vortheihaftesten erhalten und auch denen Engländern hinwieder gegen ihre Waaren und mit einem sicheren Conto ablassen.153

Eine Bemerkung des englischen Gesandten in Hamburg aus dem Jahre 1773 spricht dafür, dass das Leinen der primäre Ausfuhrartikel Hamburgs im Englandhandel war.154 Obwohl ein genauer Relationsvergleich unmöglich ist, lässt auch der Vergleich zwischen Tabelle II-3 und II-4 vermuten, dass der Rückgang der Leinen­ 151 Zur Förderung der irischen Leinengewerbe durch England seit der Mitte des 17. Jahrhunderts und dessen Eingliederung in die englische Atlantikwirtschaft siehe: Denis O’hearn: The Atlantic Economy. Britain, the US and Ireland, Manchester/New York 2001, S. 62 – 77. Seit den 1730er Jahren setzte ein starker Zuwachs in der Leinenproduktion und dem -handel Irlands ein. Louis Michael Cullen: An Economic History of Ireland since 1660, London 1972, S. 51, 53 und 59 – 66. Siehe zum schottischen Leinenhandel Alastair J. Durie: The Scottish Linen Industry in the Eighteenth Century, Edinburgh 1979, S. 143 – 157. 152 Zum drawback (Rückzoll) siehe: Davis: Rise of Protection, S. 311 f. Das drawback war der Zoll, der zurückgezahlt wurde, wenn die nach England eingeführten ausländischen Waren innerhalb von drei Jahren reexportiert wurden. Dieses Zollsystem erklärt teilweise den Grund, warum das deutsche Leinen auf den kolonialen Reexportmärkten gegenüber den englischen, irischen und schottischen Produkten so konkurrenzfähig war. Siehe auch Newman: Anglo-­Hamburg Trade, S. 217 f. 153 Ernst Baasch: Quellen zur Geschichte von Hamburgs Handel und Schiffahrt im 17., 18. und 19. Jahrhundert, Hamburg 1910, S. 202 f. 154 Nach ihm hätte derjenige, der den durch Hamburg vermittelten englisch-­deutschen Handel näher betrachtet, gleich den hohen Wert von deutschem Leinen, Garn, Pottasche, Mineralprodukten, Holz und Stäben bemerkt. Otto-­Ernst Krawehl: Hamburgs Schiffs- und Warenverkehr mit England und den englischen Kolonien 1814 – 1860, Köln/Wien 1977, S. 404.

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ausfuhr nach England seit der Jahrhundertmitte, soweit er sich in den absoluten Zahlen bemerkbar macht, nicht so stark war wie bei der Tucheinfuhr von dort. Bedeutet dies dann etwa die positive Entwicklung der deutschen Handelsbilanz gegenüber der Englands? Diese Annahme stimmt wohl nicht, da ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Veränderungen der Austauschstruktur beobachtet werden können. In der Klage der Merchant Adventurers aus dem Jahre 1720 über die Einfuhrbeschränkung Englands gegen das Leinen wurden neben Wollwaren die überseeischen Reexportwaren (amerikanische und ostindische Produkte) erwähnt. Hamburg war demzufolge die Stadt, aus der der große Teil des deutschen Leinens eingeführt wurde. Hier ist die Aussage zu bemerken, dass das Verbot der Leineneinfuhr nicht nur die eigene Ausfuhr von Tuchen, sondern auch die von überseeischen Waren vermindern würde.155 Weiter wiesen die Merchant Adventurers darauf hin, dass das Leinen eine wichtige Rolle im englischen Amerikahandel spiele, der dem Hollands und Frankreichs Konkurrenz machte.156 Den Angaben der Admiralitäts- und Convoygeld-­Einnahmebücher lässt sich entnehmen, dass im hamburgischen Einfuhrhandel aus England statt der Manufakturwaren der Reexport von überseeischen Produkten, vor allem von Baumwollstoffen, an Bedeutung gewann. Reexportiert wurden vor allem indische Kalikos, die seit den 1660er Jahren, insbesondere in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in zunehmendem Maße nach Hamburg sowie Deutschland ge-

155 „… the said Prohibition of the German Linnens Printed and Dyed here, (should the Bill pass into a Law) will, in the humble Opinion, be so far from Encouraging the British Wollen Manufactures, that it will very much lesser the Exportation thereof to Germany; to which Country there is annually sent about ONE MILLION Sterling more in Value of Woollen Manufactures, and other Goods, the Product of his Majesty’s American Plantations, and the East Indies, than all the Linnens annually imported from thence amount to.“ Company Of Merchant Adventurers Of England: The Hambrough Merchants CASE . Relating to the BILL now depending in the Honourable House of Commons, which Prohibits as well the Exportation of all German Linnens Printed and Dyed here, as their Use in this Kingdom, London 1720. Auch aus der Forschungsliteratur wissen wir, dass das seit der Mitte der 1720er Jahre einsetzende Wachstum der deutschen Leinenausfuhr nach England hauptsächlich von dem Reexport nach den Kolonien unterstützt wurde. Newman, Anglo-­Hamburg Trade, S. 205 – 207. 156 „THERE is no doubt but the Dutch from Holland, or Curassao, and the French from Martinico, will, (if the said Restraint take Effect) supply not only Africa, but likewise new Spain, and even Clandestinely our British Plantations, with Dyed Linnens […].“ Merchant Adventurers: The Hambrough Merchants CASE .

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liefert wurden.157 Die in den Admiralitäts- und Convoygeld-­Einnahmebüchern eingetragenen Einfuhrwerte ergeben für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts die folgenden prozentualen Anteile der Baumwollstoffe oder -waren an der Gesamteinfuhr aus England: 30 (1733); 30 (1734); 50 (1736); 29 (1737); 35 (1738); 22 (1740); 35 (1742); 20 (1747); 15 (1753); 30 (1755); 14 (1756).158 Somit dürften wir für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts eine Wandlungsphase der Handelsstruktur feststellen: Hamburgs Vermittlungsfunktion erfuhr eine geographische Ausweitung, die durch die Zufuhr der außereuropäischen Güter geprägt wurde. Von größerer Bedeutung war aber die Warenzufuhr aus Frankreich. Das Land, das sich vor allem als Hauptlieferant von Kolonialwaren auf den kontinentaleuropäischen Märkten behauptete, bildete eine besonders starke Verbindung mit Hamburg.159 Der französische Kolonialhandel blühte durch die Entwicklung der Plantagenwirtschaft in den während der 1670er Jahre erworbenen Antillen auf, wobei Bordeaux eine Sonderstellung einnahm.160 Zur gleichen 157 Newman: Anglo-­Hamburg Trade, S. 161 – 165. 158 ACEB. Die anderen außereuropäischen Güter spielten keine wesentliche Rolle. Tee, ein Hauptartikel im englischen Indienhandel, erscheint in den hamburgischen Einfuhrlisten aus England nur selten. Er wurde auch aus Dänemark und Schweden nach Hamburg geliefert und, da dieser zu niedrigeren Preisen gehandelt wurde, fand der aus England keinen großen Absatz. Siehe Newman: Anglo-­Hamburg Trade, S. 165 – 167. Tabak war relativ wichtig. Er stand wohl aber mit der europäischen Tabakproduktion, die auch im weiteren hamburgischen Hinterland wie Brandenburg und Pommern betrieben wurde, in Konkurrenz. 159 Der englische Zuckerhandel des 18. Jahrhunderts stand auf den kontinentaleuropäischen Märkten meistens hinter dem französischen zurück. Ralph Davis: The Rise of Atlantic Economies, London 1973, S. 255. Neben den Niederlanden waren die Hansestädte der wichtigste seewärtige Handelspartner Frankreichs, wobei Hamburg an der Spitze stand. Butel: Les négociants bordelais, S. 21 f., 47 – 50, 152 – 155 und Karte 12 – 13. Siehe ferner Paul Butel: L’économie Française au XVIIIe siècle, Paris 1993, S. 90 – 92 und 110 f. 1783 war Hamburg für Bordeaux der bedeutendste Kaffee-­ Abnehmer. Beim Zucker bezog Hamburg in demselben Jahr neben Amsterdam die zweitgrößte Menge. 160 Zur Entwicklung des französischen Handels mit den Antillen siehe Paul Butel: France, the Antilles, and Europe in the Seventeenth and Eighteenth Centuries. Renewals of Foreign Trade, in: James D. Tracy (Hg.): The Rise of Merchant Empires. Long-­Distance Trade in the Early Modern World, 1350 – 1750, Cambridge 1990, S. 153 – 173. Siehe ferner Paul Butel: Le négoce international en France au XVIIIe siècle, in: François Crouzet (Hg.): Le négoce international XVIII‒XXe siècle, Paris 1989, S. 139 – 152. Der Anteil des Kolonialhandels am gesamten Handelsumsatz Bordeaux‘ nahm bis Ende der 1780er Jahren fast ständig zu, gleiches gilt auch für Bordeaux’ Anteil am französischen

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Zeit legten sich die Hansestädte Bremen, Lübeck und besonders Hamburg in ihrer Handelsverbindung mit Bordeaux so stark fest, dass sie durch ihr Engagement mit den bisher in Frankreich dominierenden Niederländern konkurrieren konnten.161 Der westindische Handel Bordeaux’ erfuhr am Beginn der 1720er Jahre seinen Take-­off und nach dem zeitweiligen Rückgang ergaben die Jahre von 1738 bis 1743 einen zweiten Sprung.162 Dass die Hamburger Einfuhren von Zucker und Kaffee aus Bordeaux dieser Entwicklung entsprachen, lässt sich in der Tabelle II-5a und 5b ersehen. Tabelle II-5a und 5b: Struktur der in den ACEB verzeichneten Einfuhren der in Hamburg eingeführten Kolonialwaren Zucker und Kaffee 5a: Zucker Jahr 1733 1734 1736 1737 1738 1739 1740 1742 1747 1753 1755 1756 1760 1762 1763 1769 1770 1771

A 2.801.989 2.698.178 2.763.365 3.229.740 3.196.351 4.106.185 5.676.873 5.135.777 5.168.531 4.094.646 6.413.945 4.542.086 3.607.015 5.401.155 5.708.322 6.108.150 6.109.695 6.163.085

B 77,1 65,6 93,2 97,5 93,0 84,0 85,4 89,2 73,8 99,4 86,6 78,8 1,2 1,1 24,7 79,0 78,5 74,5

C 37,5 27,5 77,6 46,8 52,4 44,6 38,8 48,5 33,2 47,1 37,7 46,3 0,2 0,9 18,7 40,1 49,0 48,8

Jahr 1773 1776 1781 1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792 1794 1795 1797 1798

A 6.429.450 7.077.069 5.002.105 3.946.778 7.817.395 7.959.453 9.109.725 7.830.300 12.200.551 9.213.402 10.078.052 12.051.765 13.179.060 11.755.033 14.097.766 17.356.090 17.099.947 19.125.812

B 70,5 58,7 23,4 35,5 47,8 61,0 55,6 62,8 82,1 87,3 71,9 63,9 56,6 35,8 5,7 0,4 0,3 1,5

C 40,5 40,5 22,1 32,3 33,9 32,7 36,1 43,8 43,3 50,7 49,9 37,7 37,6 22,2 2,7 0,1 0,1 1,3

Kolonialhandel. Paul Butel: Les négociants bordelais, S. 17 und Graphik 1 sowie 3. Zum Handel Bordeaux’ mit den Antillen siehe Ebenda, S. 24 – 35. 161 Peter Voss: „Eine Fahrt von wenig Importanz?“ Der hansische Handel mit Bordeaux 1670 – 1715, in: Antjekathrin Graßmann (Hg.): Niedergang oder Übergang? Zur Spätzeit der Hanse im 16. und 17. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 1998, S. 93 – 138. 162 François Crouzet: Bordeaux: an eighteenth-­century Wirtschaftswunder? in: Wilfried Feldenkirchen/Frauke Schönert-­Röhlk/Günther Schulz (Hg.): Wirtschaft, Gesellschaft, Unternehmen, Stuttgart 1995, S. 42 – 57, hier S. 54 f.

78 5b: Kaffee Jahr 1733 1734 1736 1737 1738 1739 1740 1742 1747 1753 1755 1756 1760 1762 1763 1769 1770 1771

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A 334.736 535.985 597.955 653.537 957.462 570.810 781.430 721.183 1.351.791 930.544 1.879.326 1.505.695 791.270 1.144.980 2.013.631 3.025.049 3.198.000 2.863.000

B 55,8 32,0 72,6 59,7 87,9 83,6 65,4 84,6 68,2 83,6 92,9 86,2 3,8 0,7 23,1 76,8 81,3 80,6

C 14,9 10,5 32,4 13,3 29,5 40,5 23,8 33,6 25,0 38,9 23,8 44,8 1,5 0,7 16,6 35,6 43,1 43,3

Jahr 1773 1776 1781 1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792 1794 1795 1797 1798

A 2.685.925 2.675.955 1.872.842 3.031.446 3.684.316 4.284.088 5.175.100 4.300.005 4.804.690 5.210.250 5.554.801 5.361.962 6.132.560 7.243.570 6.235.353 11.882.265 12.635.396 15.512.866

B 79,0 82,9 40,8 47,1 75,1 83,9 87,7 91,9 92,0 93,0 89,7 92,4 89,3 86,9 28,2 7,3 1,7 1,1

C 46,1 36,3 33,6 36,1 61,1 62,9 59,4 66,8 58,0 65,7 61,4 70,1 67,4 43,6 12,3 2,1 1,4 1,0

A: Gesamte Einfuhrwerte; B: Anteil Frankreich an A; C: Anteil Bordeaux an A Quelle: ACEB.

Die Tabellen zeigen den lang andauernden großen Anteil Bordeaux’ bis zum Ausbruch des Französischen Revolutionskrieges deutlich. Zwar brachte der Siebenjährige Krieg (1756 – 1763) dem Frankreichhandel einen starken Rückgang,163 aber der Kolonialwarenhandel erholte sich danach schnell, da Frankreich trotz der Niederlage in diesem Krieg und der Übergabe der nordamerikanischen Kolonien die wichtigen Zuckerproduktionsgebiete in Westindien halten konnte. Die Einfuhr aus Bordeaux blieb die führende Sektion des Hamburger Seehandels. Wertmäßig machte Zucker bei den Einfuhren aus Bordeaux bis zu den 1770er Jahren mehr als 60 Prozent aus.164 Seit den 1780er Jahren nahm 163 Während des Siebenjährigen Krieges (1756 – 1763), als England die französischen Antillen (Martinique und Guadeloupe) vorläufig besetzt hatte und der Zuckerhandel Frankreichs unterbrochen war, stieg die Zuckereinfuhr aus England sprunghaft an. Mit dem Ende des Krieges endete allerdings auch diese Hochkonjunktur. 164 ACEB.

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der Anteil von Kaffee zu.165 An der gesamten hamburgischen Zuckereinfuhr lieferte Bordeaux ca. 40 – 45 Prozent. Auch in der Kaffeeeinfuhr behauptete sich die Stadt als Hauptlieferant. Zucker und Kaffee aus Nantes waren daneben bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts auch bedeutend.166 Um die Mitte des Jahrhunderts übertraf die Ausfuhr französischer Kolonialwaren nach Hamburg den Export in die Niederlande.167 Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, besonders seit dem Ende der 1760er Jahre, nahm Kaffee an Bedeutung zu. In den 1780er Jahren hatte der Frankreichhandel seinen Höhepunkt, der aber nicht lange aufrechtzuerhalten war. Der Französische Revolutionskrieg brachte dem französischen Handel mit Hamburg, der die längste Zeit des Jahrhunderts führend war, einen raschen Niedergang. Die Revolutionswirren und auch die Aufstände in Französisch-­Westindien, vor allem auf Saint-­Domingue, das 40 Prozent des weltweit produzierten Zuckers lieferte,168 legten den Kolonialhandel Frankreichs lahm und man konnte infolgedessen die Zuckerexporte nach Hamburg seit 1792/93 nicht mehr im alten Umfang aufrechterhalten. Was wurde im 18. Jahrhundert in Hamburg gegen die französischen Einfuhrwaren getauscht? Zu Beginn des Jahrhunderts exportierte Hamburg vor allem 165 Wie Tabelle  II-5b zeigt, nahm der Anteil von Kaffee auch in der gesamten Einfuhr Hamburgs aus Frankreich zu. Diese Tendenz entspricht dem Trend des französischen Reexports von westindischen Produkten. Siehe Jean Tarrade: Le commerce colonial de la France à la fin de l’Ancien Régime. L’évolution du régime de „l’Exclusif“ de 1763 à 1789, Bd. 2, Paris 1972, S. 754. 166 In den 1730er Jahren kamen 28,5 Prozent des nach Hamburg gelieferten Zuckers aus Nantes, in den 1740er Jahren 23,4 Prozent. Für Kaffee betragen die prozentuellen Anteile 22,4 und 11,7. ACEB. 167 Pierre Jeannin: Die Hansestädte im europäischen Handel des 18. Jahrhunderts, in: HGbll 89 (1971), S. 41 – 73, hier S. 62. 1753 wurde aus Amsterdam berichtet, Hamburg habe von Bordeaux mehr Zucker und weitaus mehr Kaffee und Indigo bezogen als Amsterdam und Rotterdam zusammen. Zahlenmäßig drücken sich die Unterschiede wie folgt aus:

Jahr 1751 1752 Jahr 1751 1752

Nach Hamburg Zucker Kaffee 19.576 Fass 2.641.259 Pfd 16.158 Fass 1.804.346 Pfd Nach Amsterdam und Rotterdam Zucker Kaffee 11.625 Fass   151.817 Pfd 12.048 Fass 1.336.167 Pfd

Indigo 216.739 Pfd 125.038 Pfd Indigo 22.592 Pfd   9134 Pfd

168 Susanne Lachenicht, Die Französische Revolution, Darmstadt 2012, S. 110.

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Holz, Metall und Metallwaren nach Frankreich, während Getreide keine große Rolle spielte, da es von englischer und niederländischer Seite als Konterbande eingeordnet wurde.169 Im Laufe des 18. Jahrhunderts nahm die Hamburger Ausfuhr von Leinen an Bedeutung zu. Diesem Gewebe misst die Literatur große Bedeutung bei. Im Zug der atlantischen Handelsexpansion nahm dieses Textilerzeugnis immer mehr an Bedeutung zu, so dass es beispielsweise im Preußen des ausgehenden 18. Jahrhunderts zum Leitsektor der ökonomischen Entwicklung geworden war.170 Hamburg war ohne Zweifel der Hauptexporthafen des deutschen bzw. schlesischen Leinens, das zum großen Teil über westeuropäische Länder weiter nach ihren Kolonien transportiert wurde.171 Frankreich besaß zwar eigentlich eine hochentwickelte einheimische Leinenindustrie – vor allem in der Bretagne –, deren Produkte auch im tropischen Klima seiner Kolonien sehr geeignet waren, weil sie eine lockere Webart und vortreffliche Appretur boten. Seitdem aber die schlesischen Webereien die Herstellung dieses Gewebes nachzuahmen begannen und auf Märkten unter den Namen Bretagnes oder Platilles billiger anboten, machte das Leinen aus Schlesien, das hauptsächlich über Hamburg ausgeführt wurde, der französischen Produktion starke Konkurrenz.172 Was war dann die Bilanz zwischen Kolonialwaren und Leinen? Nach dem von K. Weber ermittelten Wert der Ein- und Ausfuhren im Frankreichhandel des Jahres 1753 ergibt sich, dass Zucker im Vergleich mit Leinen dessen 8,38-fachen Wert erreichte.173 Zwar nahm das Leinen in der hamburgischen Ausfuhr nach Frankreich wertmäßig den ersten Platz ein, im Ganzen beruhte der Handel mit Frankreich wesentlich auf der Einfuhr von Kolonialwaren. Währenddessen hatten die Leinenwaren vornehmlich die Ausrichtung auf England.174 Wir 169 Zur Ausfuhr nach Frankreich im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts siehe Baasch: Statistik, S. 122 – 124. 170 Michael North: Von der atlantischen Handelsexpansion bis zu den Agrarreformen (1450 – 1815), in: ders. (Hg.), Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Ein Jahrtausend im Überblick, 2. Aufl., München 2005, S. 112 – 196, hier S. 156. 171 Siehe Werner Jochmann: Hamburgisch-­schlesische Handelsbeziehungen, S. 217 f; Weber: Atlantikhandel, S. 238. 172 Büsch: Versuch, S. 88; Huhn: Frankreich und Hamburg, Bd. 1, S. 160. 173 Weber: Atlantikhandel, S. 385, 387. 174 Marcel Boldorg: Weltwirtschaftliche Verflechtung und lokale Existenzsicherung. Die schlesischen Kaufmannsgilden im internationalen Leinenhandel des 18. Jahrhunderts, in: Mark Häberlein/Christof Jeggle (Hg.): Praktiken des Handels. Geschäfte und soziale Beziehungen europäischer Kaufleute in Mittelalter und früher Neuzeit, Konstanz 2010, S. 127 – 144, hier S. 129 f.

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müssten uns aber daran erinnern, dass die Leinenausfuhr nach England seit der Jahrhundertmitte im Ganzen absank. Hinzu trat zu dieser Zeit Spanien als wichtiger Abnehmer des schlesischen Leinens und auch über das Land wurde die Leinenausfuhr aus Hamburg mit der atlantischen Wirtschaft verbunden.175 Den großen Bedarf an Fertigprodukten in den zunehmend bevölkerten spanischen Teilen Amerikas, insbesondere an Textilien, konnte Spanien selbst nicht befriedigen.176 Da Spanisch-­Amerika ausschließlich über das Mutterland versorgt werden sollte, mussten die in den Kolonien vertriebenen Fertigprodukte – abgesehen von den im Schmuggel gehandelten Waren – zuerst in Spanien gelöscht, verkauft und dann weiter verschifft werden, wobei Cádiz der größte Umschlagplatz war.177 Spanien entwickelte sich zu einem der Hauptabsatzmärkte des deutschen Leinens und bezog es in herausragendem Maße über Hamburg.178 Nach dem Siebenjährigen Krieg bis gegen 1770 sank die Ausfuhr nach Spanien ab, dann erfuhr sie in den Jahren 1774 und 1775 eine ungeheure Belebung, seit 1777 stockte die Ausfuhr, zeigt jedoch von 1783 bis zum Ende des Jahrhunderts – trotz der allgemeinen Wirtschaftskrise von 1799 – eine günstige Konjunktur.179 Vor allem war der Export im letzten Jahrzehnt beachtlich. Portugal war auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts neben Spanien und England ein großer Abnehmer des Leinens.180 Anhand der Policen einer französischen Firma hat kürzlich A. L. López Martínez zahlenmäßig belegt, dass am Ende des 18. Jahrhunderts (1796) eine umfangreiche Leinenausfuhr aus Hamburg und Altona nach Cádiz bestand.181 Als wichtigste Herkunftsorte der Frachten nennen die Policen Lauban, Lands 175 Hans Pohl: Die Beziehungen Hamburgs zu Spanien und dem spanischen Amerika in der Zeit von 1740 bis 1806, Wiesbaden 1963, S. 126 – 149. 176 Jaime Vicens Vives: An Economic History of Spain, Princeton/New York 1969, (Original auf spanisch, 1955), S. 533 f. und 540 – 542. 177 Pohl: Spanien, S. 125; Weber: Atlantikhandel, S. 87 f. 178 Das meiste Leinen kam aus Schlesien. Es zeichnete sich gegenüber der scharfen Konkurrenz des französischen und irischen Leinens durch Weichheit, Geschmeidigkeit, Dauerhaftigkeit und den niedrigeren Preis aus, wenngleich es geringere „Dichtigkeit“ besaß. Die Bedeutung des deutschen, besonders schlesischen Leinens war für die Versorgung Spanisch-­Amerikas während des gesamten 18. Jahrhunderts so groß, dass man sogar von der Abhängigkeit der deutschen Leinenindustrie von diesem Markt sprechen kann, von wenigen Schwankungen abgesehen. Pohl: Spanien, S. 126 f. und S. 133. 179 Pohl: Spanien, S. 136 – 147. 180 Jeannin: Hansestädte, S. 70. 181 Antonio Luis López Martínez: Cádiz y el comercio entre Europa y América a finales del siglo XVIII. Una aproximación a partir de las pólizas de seguros marítimos, in: Jahrbuch für Geschichte Lateinamerikas 47 (2010), S. 213 – 246, hier S. 226 – 228.

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hut, Leipzig, Hamburg, Hirschberg oder Herrnhut. Hieraus ist die enge, über Hamburg vermittelte Verbindung zwischen Spanien (inklusive der spanischen Gebiete Amerikas) einerseits und Schlesien, der Lausitz, Sachsen und Bayern andererseits zu ersehen. Die Ermittlung des genauen Leinenanteils an der hamburgischen Gesamtausfuhr ist nicht möglich, was auch heißt, dass eine valide Handelsbilanz im Verhältnis zu den Kolonialwaren nicht gezogen werden kann. Es bedarf deshalb noch einiger Belege, die die obigen Darstellungen ergänzen und die Annahme unterstützen, dass die Kolonialwaren, wie im Falle des englischen Tuches, mit dem Leinen in einem eng zusammenhängenden Austauschverhältnis standen. Die Importlisten des Admiralitätskollegiums bieten Beispiele dafür an. Die genannten hugenottischen Handelsfamilien der Boué und der Godeffroy fuhren aus dem Westen Kolonialwaren wie Zucker, Kaffee und Indigo ein und aus binnenländischen Gebieten bezogen sie Leinen.182 Das folgende Beispiel verdeutlicht, dass für schlesische Leinenhändler der Kolonialwarenimport über Hamburg die Basis ihrer Leinenausfuhr bildete. Explizit geäußert wird dieser Zusammenhang im Zuge des Konkurrenzkampfes von Preußen mit der Zuckerproduktion aus Hamburg, bei dem in friderizianischer Zeit die Zuckerraffinerie der Firma Splitgerber & Daum in Berlin durch die Einrichtung einer Monopolstellung in den preußischen Territorien befördert wurde. Als die Einfuhrbeschränkung gegen die Hamburger Raffinade nach dem Siebenjährigen Krieg verstärkt wurde, äußerten sich die Breslauer Kaufleute, die die schlesischen, polnischen sowie böhmischen Märkte mit Transitwaren aus Hamburg versorgten, missfällig über das Splitgerber’sche Monopol.183 Aus Breslau wurde von den preußischen Kriegsräten Hartmann und Schnecker im Jahre 1770 berichtet, dass nach dem Siebenjährigen Krieg der Leinenhandel stark abgenommen habe, weil die Einfuhr von Hamburger Zucker verboten wurde.184 Inwieweit hier, wie in England, der Kompensationshandel funktionierte, bleibt aber offen. In der Denkschrift des Vice-­Präses der hamburgischen Commerzdeputation Schuback aus dem Jahre 1769 heißt es: „Hamburg sendet sehr viele Gelder nach Schlesien, um dafür Leinen einzukaufen, und hiedurch

182 Nach den Angaben der Verzeichnisse des Admiralitätskollegiums. StAH, Admiralitätskollegium F12, Bd. 6. 183 Wolfgang Radtke: Gewerbe und Handel in der Kurmark Brandenburg 1740 bis 1806. Zur Interdependenz von kameralistischer Staatswirtschaft und Privatwirtschaft, Berlin 2003, S. 169 f. 184 Hugo Rachel: Die Handels-, Zoll- und Akzisepolitik Preußens, Bd. 3 – 1, Berlin 1928, S. 571 f.

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g­ ewinnet der schlesische Kaufmann Provision.“185 Dabei ging es um die Geldbezahlung, die die schlesischen Kaufleute bevorzugten.186 An der gleichen Stelle aber behauptet Schuback auch, dass die Abnahme des schlesischen Handels in der „eingeschränkten Handlung“, also der Einschränkung der Zuckereinfuhr aus Hamburg, gelegen habe.187 Insgesamt könnte man darauf schließen, dass der Leinenhandel in Schlesien vom dortigen Zuckerabsatz abhing.188 Bis hierher liegt der Fokus vorliegender Ausarbeitung auf der Struktur des Austauschs von Tuch- und Kolonialwaren mit Leinen. War die hamburgische Vermittlung durch diese Produkte geprägt? In der Einführung zu diesem Kapitel habe ich behauptet, dass im Warenhandel die Funktion Hamburgs noch vielseitiger gewesen sein muss und demnach die entsprechende Bezeichnung Drehscheibe verwendet werden sollte. Im Folgenden werden die damit zusammenhängenden Aspekte überprüft.

2.2  Hamburg als Handelsort für diverse Waren und Gebiete In der Forschung über die Amsterdamer Hafenfunktion hat C. Lesger festgestellt, dass im Zeitraum von ca. 1540 bis 1580 die niederländischen Küstenstädte insgesamt ein integriertes Hafensystem bildeten, in dem einzelne Häfen spezialisierte Warenverteilungsrollen innehatten. Amsterdam war am stärksten beim Handel mit den nordöstlichen Gebieten vertreten, wobei es sich besonders auf die Getreideeinfuhr fokussierte.189 Die übrigen Städte hatten jeweils ihre eigene Funktion. Somit wurde eine Raumwirtschaft (spatial economy) gestaltet, in der das Hinterland durch diese spezialisierten Häfen versorgt wurden. Gab es in Norddeutschland eine ähnliche Struktur? Leider ist die Analyse der Ein- und Ausfuhrwerte aufgrund des Mangels an Quellenaussagen ­unmöglich. 185 Baasch: Quellen, S. 181. 186 „Es gibt zwar sehr viele Kaufleute in Schlesien, welche Leinen für ihre Rechnung kaufen; allein ein jeder wird gerne den Commissionen den Vorzug geben, womit allemal ein gewisser Nutzen ohne Anwendung eigenen Geldes und ohne Gefahr verknüpft ist.“ Ebenda. 187 Ebenda. 188 Einen Einblick in den Handel mit schlesischem Leinen über Hamburg zu den amerikanischen Kontinenten am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts gibt Manfred Kossok: Die Bedeutung des spanisch-­amerikanischen Kolonialmarktes für den preußischen Leinenhandel am Ausgang des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in: Gerhard Heitz/Manfred Unger (Hg.), Hansische Studien, Berlin 1961, S. 210 – 218. 189 Lesger: Amsterdam Market, S. 62 – 84.

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In den Admiralitätszollbüchern aus dem 17. Jahrhundert, welche die Wertangaben der ein- und ausgeführten Waren enthalten, ist der Handel mit den Niederlanden nicht verzeichnet. Dabei wurde der Hamburger Hafen doch in den 1620er Jahren in der stärksten Frequenz aus den niederländischen Provinzen besucht.190 Auch nahmen nach Baasch um die Mitte des 17. Jahrhunderts im hamburgischen Handel die Beziehungen zu den nördlichen Niederlanden den ersten Rang ein.191 Von 382 Kaufleuten, die im Jahre 1665 in Hamburg ansässig waren, standen allein schon 172 mit Holland im Kompagnie- oder Kommissionsgeschäft.192 Das Handelsgut, das für die Beziehungen Hamburgs zu den Niederlanden eine herausragende Rolle spielte, war Hering, der „das Barometer für die Innigkeit und Wichtigkeit dieser Beziehungen“ bildete.193 Hamburg kann also auch als ein Distributionszentrum für Fischereiprodukte gesehen werden. Meeresfische gehörten zu den Artikeln, die man sich im Binnenland nicht direkt beschaffen konnte. Deshalb nahmen sie im Fernhandel des fischreichen Nordens eine Sonderstellung ein. Die Fische, unter denen Hering und Gadus – verarbeitet und bezeichnet als Stockfisch oder Rotscher194 – am 190 Auch nach der Lastzahl der Schiffe standen die Verkehrsvolumen im Handel mit den Niederlanden mit Abstand an der Spitze des Handels. 1625 liefen aus Hamburg 896 Schiffe mit einer Gesamtladung von 10.590 Last nach den Niederlanden aus. Danach folgen Spanien und Portugal mit insgesamt 6103 Last. Baasch: Waarenhandel, S. 332. 191 Ernst Baasch: Hamburg und Holland im 17. und 18. Jahrhundert, in: HG bll 16 (1910), S. 45 – 102, hier S. 45. Der Verkehr entwickelte sich besonders seit dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts. In der Folge wurde im Jahre 1614 zwischen Hamburg und Amsterdam eine sogenannte Bört-­Ordnung abgeschlossen, und damit eine Reihefahrt eingeführt. Ernst Baasch: Die Börtfahrt zwischen Hamburg, Bremen und Holland, Hamburg 1898, S. 1 – 3. Reihefahrt bezeichnet allgemein „die Abwicklung aller im Fuhrwesen und der Transportschifffahrt anfallenden Fahrten nach der Reihe der dazu berechtigten Fuhrleute oder Schiffer; zumeist ist damit die Fixierung von Transporttaxen verbunden“. Franklin Kopitzsch/Daniel Tilgner (Hg.): Hamburg Lexikon, Hamburg 2010, S. 572. Diese Einrichtung der Schiffer hatte einen gildeähnlichen Charakter und kollidierte deswegen oft mit dem kaufmännischen Interesse eines „freien Warenhandels“. Sie existierte trotzdem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts. Zu den politischen Beziehungen zu den nördlichen Niederlanden in dieser Zeit siehe Karl-­Klaus Weber: Hamburg und die Generalstaaten. Von der Gründung der Republik 1579 bis zu den Anfängen des Dreißigjährigen Krieges aus Sicht niederländischer Quellen, in: ZVHG 88 (2002), S. 43 – 88. 192 Baasch: Hamburg und Holland, S. 55 f. 193 Ernst Baasch: Zur Geschichte des hamburgischen Heringshandels, in: HG bll 12 (1906), S. 61 – 100, hier S. 61 f. 194 Es gab verschiedene Bezeichnungen für die Gadusarten. Neben Stockfisch und Rotscher – fetter Stockfisch – sind z. B. Klippfisch, Kabeljau, Weißling und Leng zu

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häufigsten zu finden waren, ermöglichten der breiten Bevölkerung in Europa die Versorgung mit Eiweiß. Im Folgenden wird die Vermittlungsfunktion Hamburgs näher betrachtet. Hering und Stockfisch Im Fischhandel in der Frühen Neuzeit kam die geographische Lage Hamburgs zum Tragen, weil damals große Fischschwärme, auch Walschulen, in der Nordsee und dem arktischen Meergebiet auftraten. Daneben verfügte die Stadt über exzellente Transportmöglichkeiten für die eingeführten Produkte, die massenhaft gehandelt werden mussten und daher auf dementsprechend tragfähige Transportmittel angewiesen waren, was über die Schiffsverbindung durch Flüsse und Kanäle erreicht wurde. Auf diesen Vorteilen basierend entwickelte sich Hamburg seit dem 17. Jahrhundert anstelle der bisherigen Vermittlungszentren an der Ostseeküste zum bedeutenden Vertriebszentrum für Meeresprodukte, was die Warenverteilfunktion der Stadt verstärkte. Der Schwerpunkt des mittelalterlichen Heringshandels lag im Ostseeraum. Der Hering wurde vornehmlich an schonischen oder rügischen Küstengebieten gefangen und als eines der wichtigsten hansischen Exportprodukte nach verschiedenen Märkten Europas vertrieben.195 Die Schonischen Messen wurden von den Lübeckern beherrscht. Auch die Hamburger nahmen an diesem Handel teil.196 Im 15. Jahrhundert war der Handel mit Ostseehering aber mit der Konkurrenz durch die Nordseefischerei konfrontiert. Vor allem der holländische Hering, der qualitativ weniger gut, aber billiger als der schonische war, gelangte nun sogar auf den Ostseemarkt.197 Im 17. Jahrhundert war der holländische Heringsfang auf der Nordsee so bedeutend, dass er von Zeitnennen. Rotscher war meist Kabeljau und Lengfisch. Reissmann: Kaufmannschaft, S. 411. In Hamburger Quellen über den Binnenlandhandel wird statt „Stockfisch“ diese Bezeichnung öfter benutzt. Vgl. auch Kapitel  IV dieser Arbeit. Der besseren Lesbarkeit halber vereinheitliche ich, wie im Allgemeinen in der Literatur zu finden, in diesem Kapitel die Benennungen zu „Stockfisch“. 195 Zum hansischen Heringshandel siehe Carsten Jahnke: Das Silber des Meeres. Fang und Vertrieb von Ostseehering zwischen Norwegen und Italien, 12.‒16. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2000. 196 Vereinigte Fischmärkte Altona und Hamburg (Hg.): Von Fischerei und Fischmärkten in Hamburg und Altona, Altona 1937, S. 75. 197 Für die Niederländer war der Hering eine Hauptaustauschware gegen Ostseeprodukte, dessen Hochzeit in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts lag. Bo Poulsen: Dutch Herring. An Environmental History, c. 1600 – 1860, Amsterdam 2008, S. 84 f. Unger bezeichnet den Hering als einen integralen Bestandteil des niederländischen Ostsee-

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genossen als de grote visserij (die große Fischerei) oder als een gulden neeringh (eine goldene Nahrung) für die niederländische Wirtschaft bezeichnet wurde. Auch wurde der Fisch an sich als de conincklijke heringh (der königliche Hering) geadelt.198 Das Küstengebiet der Nordsee zählte neben dem Ostseeraum und den oberrheinischen Landen zu den großen Märkten für holländischen Hering,199 und Hamburg war der wichtigste Nordseehafen für seinen Absatz.200 1609 wurde ein Vertrag zwischen Hamburg und den Niederlanden über den Heringshandel abgeschlossen.201 Mit ihm zeichnete sich die Verschiebung der Versorgungslinie von Ostsee-­Lübeck nach Nordsee-­Hamburg ab. Mit der Importmenge von zwischen ca. 2150 und 4770 Last hatten die Niederlande in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit weitem Abstand den größten Anteil am Hamburger Handel.202 Wenden wir uns dem anderen gehandelten Fisch zu: Stockfisch.203 Es gab für Hamburg zwei große Bezugsquellen von Stockfisch. Der traditionelle Lieferant seit dem Mittelalter war Bergen in Norwegen, wo das hansische Kontor lag. Obwohl sich der größte Teil der Fischausfuhr aus Bergen damals nach dem dicht bevölkerten Rheingebiet richtete, erwiesen sich folgende Orte schon als wichtige Absatzmärkte, die mit Stockfisch über Hamburg versorgt wurden: Magdeburg, Leipzig, Lüneburg und Braunschweig.204 Ab den 1490er Jahren kann gesichert behauptet werden, dass sich der Handel über Hamburg mit Bergen entwickelte. Weil die Schifffahrt durch den Öresund durch bewaffnete Auseinandersetzung der Hanse mit Dänemark gefährdet wurde, wurde Bergener Fisch über mehrere Jahre in Konvoys über Hamburg eingefahren. Die handels. Richard W. Unger: Dutch Herring, Technology and International Trade in the Seventeenth Century, in: JEcH 40 – 2 (1980), S. 253 – 280, hier S. 253. 198 Es gibt zahlreiche Forschungen zur holländischen Heringsfischerei. Empfohlen seien die jüngeren Veröffentlichungen: Christiaan van Bochove: De Hollandse haringvisserij tijdens de vroemoderne Tijd, in: Tijdschrift voor sociale en economische Geschiedenis 1 – 1 (2004), S. 3 – 27; Poulsen: Dutch Herring. 199 Rund 20 Prozent des gefangenen Herings wurde dorthin ausgeführt. Unger: Dutch Herring, S. 263. 200 Bo Poulsen: Markets, Prices and Consumption. The Herring Trade in the North Sea and Baltic Region, c. 1600 – 1850, in: Hanno Brand/Leos Müller (Hg.), The Dynamics of Economic Culture in the North Sea- and Baltic Region in the Late Middle Ages and Early Modern Period, Hilversum 2007, S. 185 – 204, hier S. 184. 201 StAH, Cl. VII, Lit. Kb, Nr. 7b, Fasc. 3, Fol. 2r‒3v. 202 Baasch: Waarenhandel, S. 410. 203 Vgl. zu dieser Bezeichnung Anm. 194 in diesem Kapitel. 204 Arnved Nedkvitne: The German Hansa and Bergen 1100 – 1600, Köln/Weimar/Wien 2014, S. 226.

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Wiederholung der Auseinandersetzungen seit dem Ende des 15. Jahrhunderts verstärkte vermutlich die Stellung Hamburgs als Vermittlungsort der norwegischen Fische nach dem Ostseeraum.205 Wir können doch für das 17. Jahrhundert den Norwegenhandel nicht als so einträglich einschätzen. Er wurde vorwiegend von kleinen, eingesessenen Kaufleuten betrieben.206 Blühender könnte der hamburgische Stockfischhandel mit Island gewesen sein. Die Nachrichten zur hansischen Islandfahrt werden in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts häufiger. Für das Jahr 1475 vernimmt man erstmals von einer Beteiligung der Hamburger an der Islandfahrt.207 Da der isländische Stockfisch mit dem norwegischen konkurrieren konnte, war die Fahrt der Hanseaten nach Island für das Hansekontor in Bergen eine empfindliche Frage. Daher bestimmte der Hansetag, die Islandfahrt solle ausschließlich über Bergen geführt werden. Trotzdem nahmen seit den 1470er Jahren die direkten Islandfahrten der Hanseaten, vor allem von Hamburgern, immer mehr zu.208 Bis in die 1530er Jahre wurde die hamburgische Fahrt nach Island intensiviert. Nach direkten Auseinandersetzungen zwischen den dort arbeitenden Schiffen gelang es sogar, die Rivalen aus England von der Insel zu vertreiben.209 Allerdings verschlechterte sich die Stellung der Hamburger seit der dänische König Christian III. 1547 seine neue Islandpolitik einführte, indem er den Hamburgern ihre Privilegien entzog und die Insel für zehn Jahre an Kopenhagen verpachtete.210 1602 endete die hamburgische Islandfahrt, indem sie der dänische König offiziell untersagte und seinen Städten Kopenhagen, Malmö und Helsingør das Monopol auf den Islandhandel zuteilte.211 1619 wurde die Isländische Kompagnie in Kopenhagen gegründet und seither bezog Hamburg isländischen Fisch durch dänische Vermittlung. Trotz der Konkurrenz durch das dänische Glückstadt an der Elbe blieb aber Hamburg der Mittelpunkt des Zwischenhandels mit isländischen Produkten.212 Die aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts 205 Ebenda, S. 229 – 231. 206 Reissmann, Kaufmannschaft, S. 65 – 68. 207 Ernst Baasch: Die Islandfahrt der Deutschen, namentlich der Hamburger vom 15.‒17. Jahrhundert, Hamburg 1889, S. 8. 208 Gunnar Karlsson: Iceland’s 1100 Years. The History of a Marginal Society, London 2000, S. 123. 209 Ebenda, S. 126. Seinen Höhepunkt erreichte die hamburgische Islandfahrt in den 1530er Jahren. Baasch: Islandfahrt, S. 31. 210 Ebenda, S. 33. 211 Ebenda, S. 49. 212 Baasch: Islandfahrt, S. 51 – 57. Neben Fisch wurde aus Island Schwefel geliefert. Zur Einbeziehung in den Hinterlandhandel siehe unten.

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bruchstückhaft überlieferten, von E. Baasch bearbeiteten Schiffslisten geben die Quantitätsangaben über die Stockfischeinfuhr in Hamburg aus verschiedenen Orten an.213 Daraus ergibt sich, dass die Stadt die Fische aus Island, Glückstadt, Jütland, Bergen (Norwegen), Amsterdam, Bremen und Russland bezog. Der hansische Bergenhandel mit Stockfisch war zu dieser Zeit schon längst randständig. Betrachten wir die Beziehungen zum Absatzmarkt. Der Fischkonsum der breiten Bevölkerung in den deutschen Gebieten scheint, insofern man ihn nach H. Hitzbleck am Beispiel von Niedersachsen beurteilt, in der Frühen Neuzeit kein nennenswertes Wachstum erfahren zu haben. In Niedersachsen verbrauchten nur die vermögenden Schichten, beispielsweise in Hospitälern und insbesondere in herrschaftlichen Haushalten, beträchtliche Mengen Fisch.214 Es musste aber über Hamburg weitere Absatzmöglichkeiten gegeben haben. Große Mengen Hering und Stockfisch wurden über Hamburg vornehmlich ins Binnenland befördert. Kleinere Mengen gingen in die Städte an der Ostseeküste wie Lübeck, Kiel, Stralsund oder nach Dänemark. Die nähere Betrachtung erfolgt im Kapitel IV der vorliegenden Studie. Allerdings lässt sich schon bei einer knappen Bemessung des Handelsumfangs der feste Anschluss der seewärtigen Fischeinfuhr mit den weiten binnendeutschen Märkten erkennen: Im Jahre 1629 wurde in Hamburg 4211 und 1632 2490 Last Hering eingeführt.215 Für die Zeit zwischen 23. Februar 1630 und 21. Februar 1631 betrug die Menge des von dort nach den Städten im Hinterland auf der Elbe ausgeführten Herings ca. 2264 Last und bei Stockfisch (hier vor allem als Rotscher verzeichnet) b­ etrug die Menge 980 Tonnen und 23 Last.216 Die Entwicklung des Heringshandels muss gewisse Wirkung auf den hamburgischen Salzhandel ausgeübt haben. Obwohl das konkrete Verhältnis ­zwischen ihm und der niederländischen Heringsfischerei noch die Aufgabe zukünftiger Forschung bleibt, wird die vorliegende Arbeit erstmals zahlenmäßig belegen, dass die Salzeinfuhr aus Lüneburg, ein traditioneller Salzlieferant für Lübeck im mittelalterlichen Hansehandel, im hamburgischen Binnenland­ 213 Baasch: Waarenhandel, S. 412 f.; Baasch: Islandfahrt, S. 76. Wegen der unterschiedlichen Maßeinheiten ist kein Mengenvergleich möglich. 214 Herbert Hitzbleck: Die Bedeutung des Fisches für die Ernährungswirtschaft Mitteleuropas in vorindustrieller Zeit unter besonderer Berücksichtigung Niedersachsens, Göttingen 1971, S 162 – 181. 215 Baasch: Waarenhandel, S. 410. 216 Nach dem hamburgischen Elbzollbuch. StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ea, Pars. 1, Nr. 3g, Vol. 8. Fast der gesamte Fisch kam aus den Niederlanden. Für die Details über diese Quelle siehe Anhang A.

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handel in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine gewichtige Stellung einnahm. Umgekehrt erhielt Lüneburg große Mengen Hering von Hamburg.217 Meines Erachtens war dies ein Kennzeichen dafür, dass Hamburg als Bindeglied des Heringshandels dem mittelalterlichen Hansehandelssystem gegenüber eine neue Warenaustauschlinie bildete.218 Für den Heringszwischenhandel in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind uns erfreulicherweise quantifizierbare Informationen überliefert. Die Auswertung der Quellen zeigt, dass sich die Entwicklungen beim importierten und in Hamburg verpackten Hering sich grundsätzlich etwa proportional zum reexportierten verhielt. Von 1705 bis 1743 wurden durchschnittlich 64 Prozent des in Hamburg verpackten Herings weiter auf der Elbe nach den Binnenmärkten ausgeführt. Abb. II-1: Lastzahl des in Hamburg verpackten und elbaufwärts reexportierten Herings 1705–1743 Abb. II-1: Lastzahl des in Hamburg verpackten und elbaufwärts reexportierten Herings 1705 – 1743 6000

In Hbg gepackt Nach elbaufwärts

5000

Davon nach Berlin Davon nach Magdeburg

4000

Davon nach anderen Orten

3000 2000

1743

1741

1739

1737

1735

1733

1731

1729

1727

1725

1723

1721

1719

1717

1715

1713

1711

1709

1707

0

1705

1000

Quelle: Die Quelle für „in Hamburg gepackt“: Baasch: Heringshandels, S. 100; für die anderen Daten: StAH, ER, Fasc. 1, Nr. 10 – 28; Fasc. 2, Nr. 1 – 17; Fasc. 3 (Esslinger Elbzollregister). Zu dieser, im Kapitel IV eingehend ausgewerteten Quelle siehe den Anhang A dieser Arbeit.

217 Siehe Kapitel IV. 218 Dies bedeutet aber nicht ein allgemeines Verbindungsbrechen der an dem hansischen Fischhandel beteiligten norddeutschen Hansestädte, sondern eine Neuorganisierung der inneren Verhältnisse. Lüneburger Salz, wie oben erwähnt, richtete sich nun auf den Hamburger Markt, um dort den Nordseehering zu treffen. Der gesalzene Fisch wurde dann nach den binnenländischen Städten vertrieben. Ein Teil, wenn auch ein geringerer Teil, ging nach Lübeck.

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Noch zu erwähnen ist, dass in den Zollbüchern, auf denen die Abbildung basiert, der pauschale Jahresabgabenbetrag für das nach Hamburg und Lübeck transportierte Lüneburger Salz verzeichnet wurde. Obwohl die genaue Menge nicht ermittelt werden kann, beweist er die Existenz des Salzhandels mit Lüneburg. Die obigen Graphen weisen gleichzeitig den allgemeinen Rückgang des Heringshandels seit um 1720 aus. Worauf kann der Rückgang zurückgeführt werden? Wir wissen, dass seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts der schottische Hering dem holländischen gegenüber scharfe Konkurrenz auf dem Hamburger Markt machte. Baasch zufolge wurden im Jahre 1717 612 Last und 67 3/4 Tonnen schottischen Herings über See eingeführt, was etwa ein Sechstel des in diesem Jahre in Hamburg verpackten Herings ausmachte.219 Wir haben aber ansonsten keine zahlenmäßigen Angaben, die den hohen Anteil schottischen Herings für das ganze 18. Jahrhundert beweisen. Weder aus der Statistik von Baasch zu Beginn des 18. Jahrhunderts220 noch aus der Daten der Admiralitäts- und Convoygeld-­Einnahmebücher im Zeitraum von 1733 bis 1798221 ist die Bedeutung schottischen Herings ermittelbar. Vielmehr scheinen die Heringsanfuhren aus holländischen Häfen noch in der letzten Jahrhunderthälfte einen großen Anteil ausgemacht zu haben.222 Auch nach der Einfuhrliste von Köncke aus den Jahren 1790 bis 1802, einem ehemaligen Warenmakler in Hamburg, der aufgrund von Zollangaben die hamburgische Gesamtzufuhr erfasste, wurde der meiste Hering am Ende des 18. Jahrhunderts aus den Nieder­landen eingeführt.223

219 Baasch: Heringshandel, S. 89. Der schottische Hering hatte den holländischen gegenüber am Preis einen Vorteil. Die Fischereifahrzeuge aus diesen Gebieten konnten Hamburg mit ihren Fängen direkt, i. e. ohne den holländischen Stapel zu berühren, beliefern, was die Zeit- und Vermittlungskosten verringerte. 220 Baasch: Statistik, S. 96. 221 ACEB, S. 375 f. 222 1782 machten sie etwas mehr als 40 Prozent der hamburgischen Gesamteinfuhr aus, 1791 – 1793 waren die günstigsten Jahre, dann trat seit 1794 durch den Vierten Englisch-­ Holländischen Krieg ein rapider Verfall des Fischhandels. Diese Feststellungen folgen der Aussage von Frauke Röhlik: Schiffahrt und Handel zwischen Hamburg und den Niederlanden in der zweiten Hälfte des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 2 Teile, Wiesbaden 1973, Teil 1, S. 114 f. 223 Magnus Adolph Köncke: Specification der im Jahre 1790, 1791, 1792, 1793, 1794, 1795, 1797, 1800, 1802 an Hamburg gebrachten Waaren & Güter, ein Register meiner wöchentlich ausgegebenen Contenten, Hamburg 1791 – 1803. Siehe zur Einordnung Könckes Krawehl, Hamburger Handelsstatistik, S. 61.

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Da der Reexport elbaufwärts von Hamburg, wie der obige Graph zeigt, parallel zu der in Hamburg eingepackten Menge stagnierte, könnte man den Niedergang teilweise der Absatzstockung auf dem binnenländischen Markt zuschreiben. Ob eine allgemeine Abnahme des Fischkonsums ursächlich war oder aus anderen Gründen besonders der niederländische/hamburgische Hering betroffen war, ist aus den vorliegenden Quellen nicht ersichtlich.224 Über den Einfuhrhandel von Stockfisch im 18. Jahrhundert liegen nur wenige Informationen vor. In den Admiralitäts- und Convoygeld-­Einnahmebüchern sind nur vereinzelt Einfuhrposten mit Stockfisch verzeichnet, weil Zoll weder von der Einfuhr aus Norwegen noch aus Dänemark (Lieferant isländischen Fisches) erhoben wurde. Die Einfuhrlisten von Köncke bezeugen dagegen, obwohl ein genauer Mengenvergleich wegen der uneinheitlichen Maße und Gewichte nicht möglich ist, dass Norwegen (meistens Bergen, zudem Trondheim) am Ende des 18. Jahrhunderts Hauptbezugsort für Stockfisch war.225 Trotz unzureichender Quellenlage können wir mit Sicherheit feststellen, dass Hamburg ein Distributionszentrum von Stockfisch blieb. Die im Kapitel  IV eingehend ausgewerteten Esslinger Elbzollregister zeigen, dass im 18. Jahrhundert der Stockfisch als Rotscher regelmäßig von Hamburg in binnenländische Städte, wie besonders Berlin, Magdeburg und Dresden, vertrieben wurde.226 Den Angaben zur Ausfuhr auf der Elbe von Hamburg nach Dresden bzw. Pirna können wir in konkreten Zahlen die Bedeutung von Fisch entnehmen.227 Warenaustausch zwischen Südwest- sowie Nordwesteuropa und Nord- sowie Osteuropa Hamburg als Austauschzentrum zwischen Südwest- sowie Nordwest- und Nordsowie Osteuropa konnte seine geographisch begünstigte Lage inmitten dieser Gebiete im Warenaustausch nutzbar machen. Doch eine solche geographische Begünstigung wurde auch den Niederlanden zuteil. Daraus ergab sich zwischen ihnen eine harte Konkurrenz. Damit zusammenhängend zogen die religiösen und politischen Konflikte seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in 224 Die Reputation des hamburgischen Markenzeichens muss allerdings dadurch gelitten haben, dass der billigere schottische Fisch als holländischer Hering von höherer Qualität verkauft wurde. Baasch: Heringshandel, S. 73 f. Schon im Jahre 1663 wurde geklagt, dass Bergener Hering als flämischer verpackt und verkauft wurde. StAH, Schonenfahrer, Nr. 36. 225 Köncke: Specification. 226 Vgl. Kapitel IV dieser Arbeit. 227 Siehe Anhang C dieser Arbeit.

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denen die wirtschaftlichen Großmächte Spanien und die Niederlande rigoros miteinander kämpften, auch den Handel der neutralen Elbestadt in die verwickelte Konstellation.228 Die ersten Jahre nach 1590 verzeichnete der Hamburger Verkehr zur Iberischen Halbinsel keine so positive Entwicklung wie die in der zweiten Hälfte des vorhergehenden Jahrzehnts, weil es den Nordniederländern gelang, die Embargos zu umgehen und den Handel op de vijand, zu dem Feind, fortzusetzen, was den Anteil des neutralen Hamburgs verminderte.229 Seit 1597 ergriff Spanien Exklusionsmaßnamen gegen den niederländischen Handel, während die hansische Warenzufuhr nach Spanien zugelassen wurde. In der Folge setzte eine günstige Konjunktur in der Iberienfahrt für die Hansestädte, vor allem für Hamburg ein.230 Während des holländisch-­spanischen Waffenstillstandes von 1609 bis 1621 verlor der Vorteil der hansischen Neutralität im Handel seine Grundlage, wenn auch der Rückgang im Fall Hamburgs nicht groß war.231 Nach dem Ablauf des Waffenstillstandabkommens zwischen den Nordniederlanden und Spanien erfuhr die Stadt eine besonders günstige Konjunktur, weil die spanischen Kriegsschiffe seitdem ein scharfes Embargo gegen die Niederländer verwirklichten und dadurch große Teile dieses Seeverkehrs mit der Halbinsel über Hamburg umgeleitet wurden.232 1623 verzeichnete der Handel einen Höhepunkt, danach ging er wegen des sich verstärkenden Kaperkrieges, in dem die gesamte Schifffahrt hineingezogen wurde, etwas zurück.233 Lissabon war Hamburgs Haupthandelspartner in Portugal, ihm folgte Setúbal. Unter spanischen Häfen zählen Cádiz, Sanlúcar de Barrameda und Málaga zu den wichtigsten.234 Welche im Iberienhandel ausgetauschten Handelswaren wurden über Hamburg mit den Märkten des Ostseeraums und Mitteleuropas verbunden? ­Ergänzen 228 Vgl. Kellenbenz: Spanien. Zur kompakten Erfassung des spanischen Handels mit Nordwesteuropa zu dieser Zeit siehe Regina Grafe: Der spanische Seehandel mit Nordwesteuropa von der Mitte des sechzehnten bis zur Mitte des siebzehnten Jahrhunderts. Ein Forschungsüberblick, Saarbrücken 1998, S. 95 – 101. 229 Kellenbenz: Unternehmerkräfte, S. 47. 230 Ebenda. 231 Ebenda, S. 24. 232 Jonathan I. Israel: Dutch Primacy in World Trade, 1585 – 1740, Oxford 1989, S. 125 – 127. 233 Kellenbenz: Unternehmerkräfte, S. 47. 1623 kamen 156 Schiffe von Spanien und Portugal nach Hamburg, 1624: 138, 1625: 51, 1628: 91, 1629: 99, 1632: 59 und 1633: 43. Baasch: Waarenhandel, S. 331. Diese abnehmende Tendenz entsprach ungefähr derjenigen des seewärtigen Ostseehandels, der damals im engen Zusammenhang mit dem Iberienhandel stand. Siehe Kapitel III dieser Arbeit. 234 Baasch: Waarenhandel, S. 324 und 331

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wir die obige Liste der Aus- und Einfuhrwaren der umsatzstärksten Iberienhändler (Tabelle II-1) und berücksichtigen den gesamten verzeichneten Handel, ergibt sich die Warenstruktur in Tabelle II-6. Tabelle II-6: Werte der in den Admiralitätszollbüchern verzeichneten, zwischen Hamburg und Spanien sowie Portugal aus- und eingeführten Waren, 1632 – 1634 (in Mark) Ausfuhrwaren Textilien Getreide Wachs Kupfer Kaufmannschaft Pulver

1632 228.170 498.400 338.800 26.200 25.900 28.600

1633 366.120 252.300 274.100 53.200 16.300 3000

1634 563.390 303.400 214.400 184.800 86.800 85.400

Insgesamt 1.157.680 1.054.100 827.300 264.200 129.000 117.000

Einfuhrwaren Wein Indigo Zucker Ingwer Farbhölzer Olivenöl

1632 312.441 202.200 113.825 175.575 36.100 92.950

1633 98.215 114.615 200.200 19.550 11.650 41.050

1634 473.125 519.550 319.425 198.080 258.100 21.100

Insgesamt 883.781 836.365 633.450 393.205 305.850 155.100

Quelle: StAH, Admiralitätskollegium F3, Bd. 1 und 2.

In der Ausfuhrliste standen wertmäßig Textilien an erster Stelle.235Sie bestanden vornehmlich aus Leinen (hauptsächlich schlesisches Leinen und Bukral, eine Art ungefärbtes oder gefärbtes Leinen) und teilweise Barchent sowie Baumseide. Der hohe Stellenwert von Leinen erklärt sich aus dem großen Markt der spanischen und portugiesischen Kolonien, in denen die neuansiedelnde und einheimische Bevölkerung die für das tropische Klima taugliche Kleidung nachfragte. Zu bemerken ist aber, dass den fast gleichen Exportwert auch Getreide (Roggen und Weizen) erreichte. Danach folgten Wachs, Kupfer sowie Kupferkessel, Kaufmannschaft und Pulver. Daneben, wie oben die Ausfuhrliste der umsatzkräftigen Iberienhändler zeigt, nahmen Holz und Schiffbaumaterialien 235 Auf den Handel mit Portugal hat J. Poettering das Zollbuch aus dem Jahre 1632 ausgewertet. Poettering: Handel. Da aber die folgenden Jahre unbearbeitet blieben, wurden die zeitlichen Schwankungen übersehen. Beispielsweise wird die Bedeutung von Getreideausfuhr und Gewürzeinfuhr überschätzt und die von Textilausfuhr und Zuckereinfuhr unterschätzt.

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wie Teer oder Tauwerk auch eine bedeutende Position ein. Wir erkennen insgesamt einen großen Anteil von Nahrungsmitteln und Rohmaterialien. Woher kamen diese Güter? Aus den Studien von H. Kellenbenz lässt sich annehmen, dass der Ostseeraum eine große Rolle spielte (siehe Tabelle II-2). Die Bedeutung der Lieferung auf die Iberische Halbinsel, die in Tabelle II-6 genannt sind, ist leicht nachvollzuziehen, wenn man die dortige Knappheit der Ressourcen und die demgegenüber große Bevölkerung und hochentwickelte Marine sowie Kolonialwirtschaft berücksichtigt. Für die ressourcenarme Iberische Halbinsel war Hamburg als Nahrungs- und Rohstofflieferant damals ein lebenswichtiger Handelspartner, zumal die Warenlieferung aus den Niederlanden wegen der politischen Auseinandersetzung mit Spanien erschwert wurde oder ausfiel. Von Hamburg aus wurden die Güter für die Versorgung und Ausrüstung von Heer und Flotte, aber auch für den Verbrauch der zivilen Bevölkerung in Spanien und Portugal und für den Reexport in die Kolonien geliefert. Getreide für die Ernährung der Bevölkerung, Kupfer für die Herstellung von Kanonen, Kugeln und nicht zuletzt Münzen sowie Kupferkessel, die besonders für die Zuckersiederei benötigt wurden, Wachs für katholische Kirchen und Klöster, Bauholz für Häuser und den Schiffsbau sowie weitere Schiffsbaumaterialien, Dauben für Behälter von Olivenöl und Wein wurden stets benötigt. Nicht zu unterschätzen ist der Export von Pulver, das neben den von der Hamburger „Portugiesischen Nation“ ausgeführten Geschützen (vgl. Tabelle  II-1) – und teilweise auch Kupfer, das als Rohstoff für Kanonen und Kugeln diente – zu den Kriegsgütern zählte, die besonders zu dieser Zeit Absatz fanden. Niederländer und Engländer versuchten dagegen den Zufluss der Waren zu unterbinden, die ihrem Feind zugute kamen (Lebensmittel, Kriegswerkzeug oder Schiffbaumaterialien).236 Durch die Situation, dass das Embargo von den kriegführenden Ländern gegen Spanien die Versorgung der oben genannten Güter zum beträchtlichen Teil abschnürte, wurde vom neutralen Hamburg Warenvermittlung von Nahrungsmitteln und Rohstoffen aus Nord- und Osteuropa erwartet. Im Gegenzug wurde Hamburg mit den im Norden fehlenden Gütern des „Südens“ und der Tropen beliefert. Der Export Spaniens war vor allem auf ländliche Produkte ausgerichtet. Im Mittelpunkt standen Wein (namentlich vor allem der Pedro Ximenes oder Petersimens) und Öl.237 236 Zu den von Hamburg auf die Iberische Halbinsel ausgeführten Konterbande siehe Klaus Richter: Ein Schlag Englands gegen Hamburgs Iberienschiffahrt 1598, in: ZVHG 60 (1974), S. 91 – 109. 237 Da in die gesamte Weineinfuhr in Hamburg noch französischer und rheinischer Wein hinzugekommen sein musste, sollte man einen großen Anteil Weins im hamburgischen Einfuhrhandel annehmen.

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Neben den Niederlanden belieferte die portugiesische maritime Nation Hamburg zu dieser Zeit mit den in Europa hochbegehrten überseeischen Waren. Der wichtigste Hafen war Lissabon, das einzige Vertriebszentrum der im Império Português beschafften exotischen Produkte. Sehr auffällig war die Einfuhr von Farbmitteln Indigo und Farbhölzern wie Brasil- und Fernambukholz. Pfeffer erschien auf dem hamburgischen Markt in den 1630er Jahren nur selten. Am Ende des 16. Jahrhunderts wurde von Hamburg statt Antwerpen, das durch den Krieg mit Spanien in eine schwierige Lage geraten war, erwartet, dem portugiesischen Pfefferhandel sichere Absatzmöglichkeiten zu bieten.238 Diese Vorzugsstellung genoss die Elbestadt im internationalen Pfefferhandel nur kurze Zeit, weil Niederländer und Engländer die Monopolstellung der zentralen portugiesischen Handelsorganisation Casa da Índia erodierten. Ein in größerer Menge von Portugal nach Hamburg geliefertes Gewürz war Ingwer. Daneben erreichten verschiedene Gewürze wie Kaneel oder Zimt den Hafen. Insgesamt standen Wein und Farbmittel im fast gleichen Niveau an der Spitze der eingeführten Waren. Dieses Ergebnis ist etwas überraschend, zumal H. Kellenbenz die überragende Bedeutung von Zucker ausdrücklich betont hat.239 Trotzdem zählte der Zucker zu einem Haupteinfuhrartikel im hamburgischen Iberienhandel. Bei diesem handelte es sich vornehmlich um die aus Brasilien über Portugal transportierten Zuckerprodukte. Da seit 1621 die Lieferung von brasilianischem Zucker nach Amsterdam durch die spanischen Embargos abgeschnürt wurde, zog Hamburg als Vertriebszentrum daraus Gewinn.240 Das Kapitel  III dieser Arbeit verdeutlicht, dass zu dieser Zeit die genannten Einfuhrartikel Wein, Öl und allerlei überseeische Waren in großer Menge von Hamburg nach Lübeck vertrieben wurden. Die obigen Beobachtungen deuten insgesamt darauf hin, dass für den Warenaustausch mit Spanien und Portugal die Produktion im Ostseeraum mit derjenigen im mitteleuropäischen Binnenland gleichbedeutend war, indem 238 Zwischen 1576 und 1597 wurde das staatliche Pfeffermonopol wegen des Liquiditätsproblems Portugals durch eine Reihe von Fünfjahresverträgen an Portugiesen und auswärtige Syndikate verpachtet, woran die Handelsfirmen der Ximenes, der Fugger und der Welser stark Anteil nahmen. Hamburg profitierte als Umschlagplatz durch diesen Kontrakthandel. Siehe dazu Hermann Kellenbenz: Der Pfeffermarkt um 1600 und die Hansestädte, in: HGbll 74 (1956), S. 28 – 49. 239 Kellenbenz: Unternehmerkräfte, S. 87. 240 Christopher Ebert: Between Empires. Brazilian Sugar in the Early Atlantic Economy, 1550 – 1630, Leiden/Boston 2008, S. 163 f. Die Einfuhr von 1623 zeigt, dass Zucker bereits eine beachtliche Handelsware geworden war. Kellenbenz: Unternehmerkräfte, S. 88.

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sich der Export der binnenländischen Leinen auf die überseeische Atlantikwirtschaft richtete und die Ostseeprodukte die Ressourcenarmut auf der Halbinsel ausglichen. Was bedeutet dieser Fund im Zusammenhang mit den hansischen Handelsbeziehungen, zumal es auch für die Hansestädte im Ostseeraum möglich war, direkt am Iberienhandel teilzunehmen? Überlegen wir diese Frage am Beispiel des lübeckischen Handels. Für den lübeckischen Iberienhandel am Ende des 16. Jahrhunderts hat P. Jeannin ca. 200 – 300 Teilnehmer und damit ein starkes Engagement der Stadt an der Fahrt nach der Pyrenäenhalbinsel festgestellt.241 In den 1680er Jahren aber sank die Zahl der Iberienhändler auf 43.242 Damit ging vermutlich der Direkthandel Lübecks während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts drastisch zurück. Diese Tendenz sollte aber nicht nur als Rückgang des lübeckischen Aktivhandels, sondern auch vor dem Hintergrund interpretiert werden, dass die oben genannten, im hamburgischen Iberienhandel ausgetauschten Waren im Landhandel zwischen Hamburg und Lübeck gehandelt wurden: Nach Lübeck wurden große Mengen Wein, Zucker und Gewürze ausgeführt, in entgegengesetzter Richtung wurden Kupfer, Getreide, Wachs, Hölzer und Kriegsgüter geliefert.243 Die Verminderung der unmittelbaren Kontakte müsste Lübeck in den Zustand gebracht haben, dass die Ostseestadt stärker auf die Ein- und Ausfuhren über Hamburg angewiesen war. Da aber zu dieser Zeit die seeseitige hamburgische Direktfahrt in den Ostseeraum zusammengeschrumpft war,244 könnte man annehmen, dass ein großer Teil des hamburgischen Iberienhandels auf die Lübecker Vermittlung angewiesen war. Auch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts scheinen Spanien und Portugal, die seit 1640 nicht mehr in Personalunion regiert wurden, wichtige Handelspartner für Hamburg gewesen zu sein, die verschiedene Güter wie Früchte, Wein, Zucker, Tabak, Indigo und Öl lieferten.245 Der Spanische Erbfolgekrieg (1701 – 1714) hemmte aber den Handel beträchtlich.246

241 Jeannin: Die Rolle Lübecks, in: ZVLGA 55 (1975), S. 18 – 23. 242 Cornelia Meyer-­S toll: Die lübeckische Kaufmannschaft des 17. Jahrhunderts unter wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Aspekten, Frankfurt/Main 1989, S. 30. 243 Detailliert wird der Landhandel im Kapitel III analysiert. 244 Vgl. Kapitel III dieser Arbeit. 245 Newman: Hamburg, S. 59. 246 Kellenbenz: Sephardim, S. 182; Hans Pohl: Spanien, S. 10. Siehe auch unten Tabelle II-6.

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In der Folgezeit änderte sich an der Warenstruktur nicht viel: Auch im 18. Jahrhundert war der Import aus Portugal von Zucker und in geringerem Maße von Brasiltabak geprägt, während Spanien hauptsächlich die Landesprodukte Wein, Öl und Rosinen lieferte.247 Da Nordeuropa und Deutschland seit den 1730er Jahren zunehmend von Frankreich, den Niederlanden, England und Dänemark mit Kolonialprodukten versorgt wurden, verringerte sich der Anteil Spaniens und Portugals am gesamten Einfuhrhandel.248 Die Einfuhr der feinen spanischen Wolle erscheint in Hamburger Quellen nicht häufig, was wahrscheinlich auf die Zollfreiheit für Transitwaren zurückzuführen ist. Aber es sind in Hamburg Einfuhren aus Bilbao zu finden, besonders seit den 1780er Jahren nahm die Importmenge zu und nach 1795 zeigte sie einen sprunghaften Zuwachs, weil die bisher in Amsterdam abgesetzten Waren wegen der dortigen Kriegswirren nach Hamburg gelenkt wurden.249 Dazu wurden im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts zunehmend Häute aus Südamerika über Spanien nach Hamburg eingeführt.250 Diese typischen Landesprodukte aus Spanien und Spanisch-­Amerika verliehen dem hamburgischen Zwischenhandel einen Charakter der Diversität. Auf der Elbe wurden über Hamburg häufig Wein, Öl, Rosinen, Wolle, Leder und Häute ins Binnenland weitergeführt.251 Bei den Ausfuhrwaren haben wir schon die gewichtige Stellung von Leinen konstatiert. Neben Textilien spielten wie im 17. Jahrhundert auch Nahrungsmittel und Rohstoffe unter den Ausfuhren auf die Iberische Halbinsel eine wichtige Rolle, obwohl der Vergleich der Handelswerte für das 18. Jahrhundert mangels der Quellen nicht möglich ist. Spanien war einer der Hauptabnehmer 247 Vgl. ACEB. 248 Seit den 1770er Jahren ist eine Zunahme der Einfuhr aus Portugal erkennbar. Vor allem bedeutend war Zucker, den Portugal aus Brasilien einführte. Hamburg war der Hauptabnehmer der aus Portugal ausgeführten Kolonialwaren. Siehe José Jobson de Andrade Arruda: Colonies as Mercantile Investments. The Luso-­Brazilian Empire, 1500 – 1808, in: James D. Tracy (Hg.): The Political Economy of Merchant Empires. State Power and World Trade, 1350 – 1750, Cambridge 1991, S. 360 – 420, hier S. 408. Während England von 1776 bis 1807 für 24,0 Mio. Milreis primär Kolonialprodukte aus Portugal einfuhr, betrug der Umsatz bei Hamburg 29,1 Mio. Milreis und nahm damit den ersten Platz im portugiesischen Reexporthandel dieser Waren ein. Seit den 1780er Jahren ist ein Zuwachs der Zuckereinfuhren aus Cádiz, die bis dahin selten waren, zu beobachten. Es handelte sich vorwiegend um den aus Kuba kommenden Havannazucker. Siehe Pohl: Spanien, S. 194 f. und Anhang 8b. Der Anteil am gesamten Zuckerimport Hamburgs war aber nur gering. 249 Pohl: Spanien, S. 189 f. 250 Pohl: Spanien, S. 207; Weber: Atlantikhandel, S. 89. 251 Vgl. Kapitel IV.

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des aus Hamburg verschifften Getreides. Von 1740 bis zum Beginn des Siebenjährigen Krieges exportierte Hamburg, nach den Angaben der Commerzdeputation aufgrund von Zöllen, nur geringe, danach aber keine unwesentlichen Mengen nach Spanien.252 Der Kupferexport aus Hamburg nach Spanien stieg im Laufe des 18. Jahrhunderts kräftig an.253 Die Ausfuhr von Eisen stand zwar wertmäßig hinter der von Kupfer, mengenmäßig aber nicht und nahm einen nennenswerten Anteil im Hamburger Spanienhandel ein.254 Ferner wurden verschiedene Hölzer, wie Balken, Planken, Dielen und Bretter für den Schiffbau und Pipen-, Oxhoft-, Tonnen- und Bodenstäbe sowie Stabholz zur Tonnenherstellung von Hamburg nach Spanien ausgeführt.255 Andere Materialien wie Teer, Pech, Wachs, Flachs und Tauwerk waren auch von Bedeutung.256 Schon aus den genannten Rohstoffen können wir auf die Verbindung mit dem Ostseeraum schließen. Handelswaren aus nördlichen Seegebieten Das 17. Jahrhundert verzeichnete eine Expansion selbstständiger Schifffahrt aus Hamburg nach fernen Gebieten im Norden: Die Archangelsk- und Grönlandfahrt kamen auf. Unsere Aufgabe hier ist, die gehandelten Waren herauszustellen und damit zu erwägen, welchen Einfluss diese Nordfahrt in den Nordatlantik und das Polarmeer für den hamburgischen Hinterlandhandel hatte. Handelsfahrten von Hamburg ins Weiße Meer fanden schon in der letzten Hälfte des 16. Jahrhunderts statt, regelmäßiger waren die Kontakte aber erst seit Beginn des 17. Jahrhunderts.257 Der Verkehr mit Archangelsk nahm während des Dreißigjährigen Krieges vor allem in den 1630er Jahren zu.258 Aus Archangelsk wurden nicht nur Nahrungsmittel und Rohstoffe wie Getreide und Holz geliefert, sondern auch kostbare (Halb-)Fertigprodukte Russlands, 252 253 254 255 256 257

Pohl: Spanien, S. 163 – 167. Ebenda, S. 153. Ebenda, S. 153 f. Ebenda, S. 157 f. Ebenda, S. 161 – 163. Baasch: Waarenhandel, S. 308; Hermann Kellenbenz: The Economic Significance of the Archangel Route (from the late 16th to the late 18th century), in: JEEH 2 – 3 (1973), S. 541 – 581, hier S. 554. Am häufigsten wurde Archangelsk im 17. Jahrhundert, vor allem in den 1630er, 1650er und 1660er Jahren von Niederländern angefahren. Jarmo Kotilaine: Russia’s Foreign Trade and Economic Expansion in the Seventeenth Century. Windows on the World, Leiden 2005, S. 236. 258 Baasch: Waarenhandel, S. 328; Kellenbenz: Archangel Route, S. 554 f.

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namentlich das Juchten genannte, in einem besonderen Verfahren gegerbte Leder.259 Darüber hinaus gelangten hochwertige Pelze und Felle nach Hamburg. Untersucht man das Warensortiment der in Hamburg ankommenden Schiffe, dann ergibt sich, dass in der Mitte des 17. Jahrhunderts neben Tran und Talg die hochwertigen russischen Produkte Juchten, Pelze und Felle am häufigsten genannt sind. Wertmäßig waren diese Güter auf dieser Handelslinie von weitaus größter Bedeutung. Dagegen fand sich Getreide nur vereinzelt.260 Das Getreide wurde aus Archangelsk direkt weiter nach südeuropäischen Märkten verschifft, ohne in Hamburg ausgeladen zu werden,261 während Leder- und Pelzwaren, deren große Absatzmärkte in den Binnengebieten hinter Hamburg lagen, zunächst in die Stadt gebracht wurden.262 Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts vergrößerte sich der Juchtenimport und entsprechend der Anteil der Juchten an den Schiffsladungen. Bei der Einrichtung des Hamburger Konvoiwesens im Jahre 1662 wurde die Archangelskfahrt in die geschützten Strecken einbegriffen.263 Tabelle II-7: Juchtenimport Hamburgs aus Archangelsk 1623 – 1646 Jahr 1623 1625 1628 1629 1632 1644 1645 1646

Menge 25 Pack 19 Pack 48 Pack 90 Pack 17 1/2 Pack 197 Pack; 15 Fass; 1 1/2 Ballen 277 5/12 Pack; 15 1/2 Ballen 234 3/4 Pack; 4 1/4 Ballen; 31 Stück

Schiffszahl 4 6 6 8 5 3 2 2

Quelle: 1623 – 1632: Baasch: Waarenhandel, S. 366; 1644 – 1646: StAH, Admiralitätskollegium F4, Bd. 13 und 14. 259 Vgl. Friedrich J. Elsinger: Zur Entstehungsgeschichte des „Russischen Juchten-­ Zubereitungs-­Geheimnisses“. Die Juchtenlederherstellung im Wandel der Zeiten, Wien 1976. 260 Reissmann: Kaufmannschaft, S. 62. 261 Ebenda. Vgl. ferner Beutin: Mittelmeergebiet, S. 44. Konkrete Beispiele der Direktfahrt mit Getreide: StAH, RKG, B39 und B93. 262 Vor allem nach Leipzig wurden die Leder- und Pelzwaren ausgeführt. Siehe Kapitel IV dieser Arbeit. 263 Ernst Baasch: Hamburgs Convoyschiffahrt und Convoywesen. Ein Beitrag zur Geschichte der Schiffahrt und Schiffahrtseinrichtungen im 17. und 18. Jahrhundert, Hamburg 1896, S. 130 – 133.

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Die Archangelskfahrt wurde ein sehr wichtiger Handelszweig für Hamburg. Sie nahm eine Sonderstellung in der Hamburger Seefahrt in dem Punkt ein, dass sie für den Handel mit Russland eine Umgehung der Ostseerouten bot. Letztere schlossen sich sowohl seewärts über den Öresund als auch landwärts über Lübeck an Hamburg an, ihre Benutzung wurde aber häufig durch politische und handelspolitische Auseinandersetzungen mit Dänemark oder Lübeck bedroht.264 Die Bedeutung der Nordfahrt als Alternative wurde besonders im Großen Nordischen Krieg am Beginn des 18. Jahrhunderts deutlich, wenn der Verkehr zum Ostseeraum infolge des Krieges gefährdet wurde. Dabei erfuhr der Archangelskhandel eine außergewöhnliche Hausse, insbesondere bei der Einfuhr von Juchten.265 Der Handel war wahrscheinlich vor dem Krieg schon hochentwickelt gewesen – wobei ebenfalls der Juchtenimport an Zugkraft gewonnen hatte266 –, während des Krieges aber kamen ihm die Kriegswirren am Öresund und in der Ostsee zugute.267 Auch in Hinsicht auf den Zoll galt Archangelsk als günstiger Hafen.268 Diesen Punkt, dass Hamburg im 17. Jahrhundert eine Umleitungsroute zum östlichen Markt bekam, möchte ich betonen. Obwohl ihre Stellung die einer Nebenstraße geblieben zu sein scheint, verringerte die Bereitstellung des Umwegs die Notwendigkeit, die Ostseeroute über den Öresund oder Lübeck 264 Vgl. Elisabeth Harder-­Gersdorff: Avoiding Sound Traffic and Sound Toll. Russian Leather and Tallow going West via Archangel and Narve-­Lübeck (1650 – 1710), in: W. G. Heeres u. a. (Hg.), From Dunkirk to Danzig. Shipping and Trade in the North Sea and the Baltic, 1350 – 1850, Den Haag 1988, S. 237 – 261. 265 Baasch: Statistik, S. 111 f.; Harder-­G ersdorff: Sound Traffic, S. 239 f. und 251 f. Der nächstwichtigste Artikel war Talg. 266 Elisabeth Harder-­G ersdorff: Lübeck und Hamburg im internationalen Handel mit russischen Juchtenleder in der Frühen Neuzeit (1650 – 1710), in: ZVLGA 67 (1987), S. 91 – 146, hier S. 107 – 109. In der Fracht des von Archangelsk nach Hamburg im Jahre 1692 einkommenden Schiffes „Die aufgehende Sonne“ nahmen wertmäßig Juchten (64 Prozent) und Pelzwerk (29 Prozent) wertmäßig den größten Anteil ein. 267 Der Zeitgenosse Paul Jacob Marperger schrieb über den Verkehr: „Narva hat der Moscowiter wegen biß anhero wol den stärcksten Handel an der Ost-­See gehabt, […] woselbst hin […] jährlich viel Schiffe von Hamburg, Lübeck, Danzig, Holland und England sich eingefunden, […] seiter letzten Liefländischen Unruh, hat sich dieser Handel daselbst verloren, hingegen so viel stärcker nach Archangel gezogen“. Paul Jacob Marperger: Moscowitischer Kauffmann, Lübeck 1705 (ND Leipzig 1976), S. 74. 268 So Marperger: „Vormahls hielten die Schiffe ihren Cours durch den Sund in die Ost-­See, bis in den Hafen der Stadt Narva in Liefland, […] nachdem aber so viel und mancherley schwere Zölle aufgesetzt, hat man den Weg auf Archangel erwehlet“. Ebenda, S. 57.

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zu nutzen. Dies führte zur Diversifikation der Warendistributionsmöglichkeit und damit wurde die wirtschaftliche Stärke Hamburgs als Warenvermittlungsort gesteigert. Seitdem der Zar das im Jahre 1703 gegründete St. Petersburg durch eine Reihe von Bestimmungen kräftig zu fördern begann, verringerte sich die Bedeutung von Archangelsk beträchtlich. Dennoch wurde der Handel Hamburgs mit der Stadt an der Nördlichen Dwina im 18. Jahrhundert aufrechterhalten, und nachdem Archangelsk 1762 gegenüber St. Petersburg zollpolitisch gleichgestellt wurde, konnte es sogar wieder Terrain aufholen.269 Jedoch verlor Archangelsk, da das zarische Edikt von 1713 St. Petersburg als Ausfuhrhafen von Juchten festsetzte, in der Lieferung russischen Leders an Bedeutung.270 Stattdessen wurden Talg und Tran zu Haupteinfuhrartikeln.271 Das Getreide erschien, auch nach der Aufhebung des Ausfuhrverbotes in Archangelsk im Jahre 1764, nicht in Hamburg, sondern wurde wie im 17. Jahrhundert direkt nach westlichen Märkten ausgeführt.272 Bei der Ausfuhr nach Archangelsk ist das Wachstum des russischen Marktes zu bemerken. Der Absatz von Zucker nahm seit den 1730er Jahren stetig zu.273 Diese Entwicklung entspricht ungefähr dem Verlauf der Ausfuhr in den Ostseeraum und das Binnenland.274 Hamburg erfuhr im 17. Jahrhundert eine andere maritime Expansion, die soge­ nannte Grönlandfahrt,275 bei der man die kostbaren Seetiere Walfisch und Robbe jagte.

269 Jürgen Laux: Die Hamburger Archangelskfahrt (Schiffsverkehr und Warenstruktur) im 18. Jahrhundert, Hamburg 1988, S. 7. 270 Die Admiralitätszollregister zeigen die deutliche Abnahme von Juchten unter der Gesamteinfuhr Hamburgs aus Archangelsk, wenn auch ein Teil der Einfuhr als Transitgut zollfrei gehandelt und daher in den Registern nicht verzeichnet ist. Vgl. Ebenda, S. 120 f. und 131. 271 Ebenda, S. 112 – 114. 272 Ebenda, S. 109. 273 Ebenda, S. 83 – 85. 274 Vgl. Kapitel III und IV diese Arbeit. 275 Die Grönlandfahrten waren große Jagdzüge, die in den Nordmeergebieten Fang der kostbaren Seetiere trieben. Diese Bezeichnung ist sachlich nicht korrekt, weil der Fang ursprünglich an den Inselküsten von Spitzbergen stattfand, dessen Entdecker Willem Barentsz sie mit einem Teil von Grönland verwechselte. Sie hatte sich aber bald fest eingebürgert, und man nennt die Fahrt nach diesen Gebieten summarisch die Grönlandfahrt.

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1596 erregte die Nachricht der Überlebenden der holländischen Expedition von Willem Barentsz, dass sie im Seegebiet zwischen Grönland und Spitzbergen eine große Walschule gefunden hatten, das Interesse der Europäer. Die wirtschaftliche Nutzbarkeit der Walfische war bekannt und gehandelt wurden Tran, Schmalz, Speck, Barten oder Fischbein, Walknochen usw. Beim Robbenschlag waren vor allem die Felle und der Speck die Jagdbeute.276 Unter allen deutschen Städten, die am Walfang teilnahmen, steht Hamburg an der Spitze. Die Elbestadt ist die einzige deutsche Stadt, die im 17. Jahrhundert neben den Engländern, Holländern, Dänen, Franzosen und Biskayern auf Spitzbergen einen Hafen errichten durfte.277 Eingeleitet durch die Erteilung eines Walfangprivilegiums durch den dänischen König Christian IV. an den Hamburger Reeder Johann Been im Jahre 1643/44,278 wurde der Fangbetrieb in Spitzbergen in den Baien ausgeübt. Für diese Baienfischerei benutzten die Hamburger die Ulfeld Bai, die bald Hamburger Bai genannt wurde.279 Hamburg nahm im europäischen Vergleich etwas verspätet am Walfang teil. Die erste Fangfahrt fand möglicherweise im Jahre 1643, mit Sicherheit 1644 statt. In den folgenden Jahrzehnten nahm die Fahrt an Bedeutung zu. Indessen ging die Blüte der Baienfischerei in Spitzbergen vorüber. Infolge der übermäßigen Bejagung nahm die Fangmenge in den Baien so stark ab, dass die Walfänger ihrer Beute immer weiter seewärts ins Treibeis nachjagen mussten. Dies war die Zeit der See- und Eisfischerei, die auch Fahrt nach dem Westeis genannt wurde.280 Damit begann die Grönlandfahrt im wörtlichen Sinne, weil die Fanggründe zwischen der Insel Jan Mayen und der Davisstraße in den Seegebieten öst- und westlich von Grönland lagen. Nach der Mitte des 17. Jahrhunderts erreichte die hamburgische Grönlandfahrt ihre volle Blüte. Das Jahr 1675 ist als dessen Höhepunkt mit den meisten Ausfahrten bekannt, deren Zahl nie mehr erreicht wurde.281 Im Jahre 276 Zur Warenkunde dieser Produkte siehe Joachim Münzing: Die Jagd auf den Wal. Schleswig-­Holsteins und Hamburgs Grönlandfahrt, Heide 1978, S. 18 – 24. 277 Wanda Oesau: Hamburgs Grönlandfahrt auf Walfischfang und Robbenschlag vom 17.‒19. Jahrhundert, Glückstadt 1955, S. 19. 278 Siehe den kurzen Überblick der hamburgischen Grönlandfahrt von Münzing: Grönlandfahrt, S. 28 – 30. Zum Grundriss der hamburgischen Grönlandfahrt bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts siehe die ausführliche Darstellung von Ludwig Brinner: Die deutsche Grönlandfahrt, Berlin 1911, S. 127 – 376. 279 Ebenda. Der Name Ulfelt wurde nach dem dänischen Staatsmann Corfitz Ulfeldt, Christians IV. Schwiegersohn, benannt. 280 Vgl. Brinner: Grönlandfahrt, S. 140; Oesau: Grönlandfahrt, S. 52 – 60; Münzing, Grönlandfahrt, S. 8 – 10. 281 Zur Ausfahrtenzahl siehe die Abbildung von Oesau: Grönlandfahrt.

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1676 wurden, angesichts der unsicheren Lage zu See infolge der Auseinandersetzungen zwischen England, den Niederlanden und Frankreich – wobei Hamburg aufgrund der Reichspolitik seine Neutralität vorläufig aufgeben musste –, Konvois für die Grönlandfahrt gebildet, um die Schiffe vor den Angriffen der französischen Kaperer zu schützen.282 In der Folgezeit zeigt die Fahrt heftige Schwankungen mit Tiefpunkten in der ersten Hälfte der 1690er Jahre, am Beginn des 18. Jahrhunderts und in den etwa 25 Jahren seit 1735. Seit 1790 fiel sie allmählich auf ihr niedrigstes Niveau. Der Ertrag aus der Grönlandfahrt bestand vor allem aus Tran, der durch Ausbrennen aus dem Walspeck gewonnen wurde. Zu Beginn der Fahrten wurde er an Ort und Stelle in der Bucht gesotten. Das bereitete aber viele Unbequemlichkeiten und daher entwickelten sich in den 1660er Jahren Tranbrennereien in Hamburg.283 Der Tran wurde vor allem als Gerb- oder Schmiermittel genutzt.284 Es lässt sich annehmen, dass er neben den Rinden von Eichen,285 die in deutschen Ländern weit verbreitet waren und daher traditionell zum Gerben genutzt wurden, und den Produkten des Gerberbaums (Sumach),286 die mit der Entwicklung des Iberienhandels in größerer Menge eingeführt wurden, einen festen Platz im Handel mit Gewerbematerial einnahm. Für das 18. Jahrhundert kann ständig beobachtet werden, dass der Tran von Hamburg nach dem Binnen­land ausgeführt wurde.287 Wie im Fall des Archangelskhandels trug auch die Grönlandfahrt durch Vermehrung der Warenarten und befahrener Routen zur Diversifikation des hamburgischen Zwischenhandels bei. Sonstige Erzeugnisse des täglichen und gewerblichen Bedarfs Oben habe ich da und dort mehrfach betont, dass eine Eigenschaft der hamburgischen Handelsfunktion die Vielfalt der gehandelten Waren war. Neben den genannten Artikeln, die die Ausdehnungsprozesse verschiedener Handels 282 Ernst Baasch: Convoyschiffahrt, S. 121 – 130. 283 Die erste Tranbrennerei an der Elbe entstand auf dem Hamburger Berge vor dem Millerntor, wahrscheinlich schon im Jahre 1649. Zur Tranbrennerei in Hamburg siehe Brinner: Grönlandfahrt, S. 369 – 376. Die erste Tranhütte entstand wohl im Jahre 1649. 284 Gottfried Christian Bohn: Neueröffnetes Waarenlager, worinnen aller im Handel und Wandel gangbaren Waaren […] nach alphabetischer Ordnung kurz und deutlich beschrieben wird […], Hamburg 1763, S. 958. 285 Ebenda, S. 254. 286 Ebenda, S. 332. 287 Vgl. Kapitel IV.

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kontakte Hamburgs repräsentieren, gibt es einige Erzeugnisse täglichen und gewerblichen Bedarfs, denen in der hamburgischen Handelsgeschichtsforschung keine so große Aufmerksamkeit zugemessen wird, die aber trotzdem häufig am Hamburger Markt gehandelt und teilweise weiter ausgeführt wurden. Das Warensortiment des Handels nahm damit an Vielfältigkeit zu. Die wichtigen Lebensmittel, die oben nicht berührt wurden, sind Erzeugnisse der Viehzucht. Im nordwesteuropäischen Küstengebiet war die Rinderhaltung seit langem ein bedeutender Wirtschaftszweig gewesen und das Rind war nicht nur als Fleischlieferant wichtig,288 sondern lieferte Ausgangsprodukte weiterer wichtiger Exportartikel wie Käse, Butter und sogar Felle bzw. Häute.289 Vor allem aus den Niederlanden, die mit Heringslieferungen der wichtigste Handelspartner Hamburgs im 17. Jahrhundert wurden, kamen auch Milchprodukte. Besonders exportorientiert war die Käseproduktion.290 Im Jahre 1629 bezog Hamburg aus den Niederlanden 29.970 Stück und 477.820 Pfund Käse.291 Milchwirtschaft wurde im nordniederländischen Raum, unter anderem in den sogenannten Weidestreken betrieben.292 Hier wurde der im Ausland besonders gefragte Süßmilchkäse (Seute-­Käse) produziert, dessen Herstellungsverfahren mit Lab im Unterschied zum allgemein verbreiteten Sauermilchkäse in Deutschland noch wenig bekannt war.293 Neben dem Süßmilchkäse war der aus Schafmilch hergestellte Grünekäse beliebt. Ostfriesland war der wichtige Produzent des Schafskäses.294 Diese Käsearten wurden natürlich viel in Hamburg konsumiert, fanden aber auch über Hamburg ihren guten Absatz sowohl im Ostseeraum als auch in den mitteleuropäischen Binnen­ gebieten. Die Land- und Elbzollbücher aus den 1630er Jahren und auch die 288 Der Rinder- bzw. Ochsenhandel im Zusammenhang mit der Viehdrift wird im Kapitel IV, S. 292 f. behandelt. 289 Walter Achilles: Landwirtschaft in der frühen Neuzeit, München 1991, S. 24; Jens-­ Peter Rachau: Der Rinder- und Ochsenhandel an der westlichen Nordseeküste im 18. und 19. Jahrhundert, Husum 2011, S. 7. 290 Jan de Vries/Ad van der Woude: The First Modern Economy. Success, Failure and Perseverance of the Dutch Economy, 1500 – 1815, Cambridge 1997, S. 215. 291 Baasch: Waarenhandel, S. 341. Im gleichen Jahr importierte die Stadt 29.970 Stück und 477.820 Pfund Käse aus Nordwestdeutschland. 292 Röhlk: Schiffahrt und Handel, Teil 1, S. 75 f. Weidestreken sind die großen Weidegebiete im Nordwesten und Westen der nördlichen Niederlande, in den Provinzen Friesland, Noordholland, Zuidholland, Utrecht, ferner in Groningen, im nordwestlichen Overijssel und den Maasniederungen in Noordbrabant. Ebenda, Anm. 9. 293 P. N. Boekel: De zuivelexport van Nederland tot 1813, Utrecht 1929, S. 116; Reissmann: Kaufmannschaft, S. 401. 294 Baasch: Waarenhandel, S. 341.

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Elbzollbücher des 18. Jahrhunderts zeigen Käse als regelmäßig verzeichneten Exportartikel nach den binnenländischen Märkten.295 Zu den Sondererzeugnissen der Niederlande gehörten auch Steingüter s­ owie Baumaterialien. Das niederländische Marschland, in dem es an Naturstein mangelt, Klei aber dagegen reichlich vorhanden war, ließ für die Straßenpflaster und den Hausbau eine eigentümliche Kunststeinindustrie entstehen.296 Die holländische Ziegelerzeugnisse wie Klinker (Mauerstein) oder Dachpfannen waren für ihre gute Qualität bekannt. Sie wurden nicht nur fürs Inland produziert, sondern waren auch im Export zu finden,297 und Hamburg zählte schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu den Importeuren.298 Als Baumaterialien lieferten die Niederlande neben Backsteinen auch Kalk, der in den Provinzen Groningen und Friesland gewonnen wurde. Ferner wurden Irdenwaren, also Keramik, die Hamburg über See einfuhr, aus den Niederlanden geliefert. Als in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts Tabakverbrauch verbreiteter wurde und die Produktion der Pfeifen in Rotterdam einsetzte,299 war dieses Produkt schon als Exportgut nach Hamburg ausgewiesen.300 Ferner sind Zucker­formen,301 die für die damals ausgedehnte hamburgische Zuckersiederei bestimmt waren, zu nennen. Trotz des allgemeinen Niedergangs des niederländischen Außenhandels im 18. Jahrhundert302 waren im Handel mit bestimmten Warenarten die Niederlande für Hamburg immer noch der wichtigste Partner. Der Käse scheint nach wie vor lebhaft gehandelt worden zu sein,303 obwohl es schwer fällt, eine Langzeitentwicklung des Handels zu geben, da der Käse in den statistischen Angaben des 18. Jahrhunderts fast ausschließlich in Stückzahl, im vorherigen Jahrhundert 295 Vgl. Kapitel IV. 296 Ernst Baasch: Holländische Wirtschaftsgeschichte, Jena 1927, S. 139. 297 Vgl. W. J. A. Arntz: Export van Nedeerlandsche baksteen in vroegere eeuwen, in: Economisch-­Historisch Jaarboek 23 (1947), S. 57 – 133. 298 Baasch: Waarenhandel, S. 374 – 376. Dachpfannen kamen meistenteils aus Nordwestdeutschland. 299 1620 – 1630 ließen sich englische Tabakpfeifenmacher in der Stadt nieder. Baasch, Holländische Wirtschaftsgeschichte, S. 138 f. 300 Baasch, Waarenhandel, S. 383 f. 301 Zuckerformen sind die irdenen bei Zuckersiedereien zum Anschießen des Zuckers und Abtropfen des Sirups erforderliche Geräte. Bohn: Waarenlager, Bd. 2, S. 1266. 302 Vgl. De Vries/Van der Woude: First Modern Economy, S. 409 – 504. 303 Röhlk: Schiffahrt und Handel, Teil 1, S. 75 – 80. Die Einfuhrliste von Köncke beweist den größten Anteil der Niederlande im Hamburger Käsehandel. Köncke: Specification. Er kam nahezu komplett aus Holland (Amsterdam, Edam, Medenblik, Enkhuizen, Zaardam und Dokkum) oder Ostfriesland (Leer und Emden).

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aber oft pfundweise gerechnet wurde. Baumaterialien und Ziegelerzeugnisse gehörten auch zu den niederländischen Spezialitäten. Kalk, Klinker, Mauerstein, Dachpfannen, Kreide und Fliesen wurden in die Elbestadt ausgeführt.304 Die sumpfigen Marschgebiete in der Nähe von Hamburg und die Elbufergebiete sorgten für die ständige Nachfrage nach Bausteinen.305 Schließlich möchte ich kurz auf den Handel mit Brennstoffen eingehen. Die Versorgung mit Brennstoff war eine wichtige Aufgabe der städtischen Regierung. Nicht nur zum Heizen, sondern auch für die Gewerbeproduktion, in Hamburg insbesondere bei der Bierherstellung, spielte die Brennstoffzufuhr eine große Rolle. Deshalb wurden seit jeher wiederholt Regulierungen erlassen, welche die Aus- und Vorbeifuhr von Brennholz ohne Zeichen und Erlaubnis des Rates (teken effte orleff des rades) verboten.306 Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurden durch die Schiffbarmachung der Alster aus den Walddörfern, Gegenden im äußerem Nordosten Hamburgs, die zum Stadtterritorium gehörten, große Mengen Brennholz in die Stadt gebracht, und im 16. Jahrhundert ist die Existenz eines nicht unbedeutenden privaten Holzhandels nachweisbar.307 Im Gegensatz zu Hölzern als Rohmaterial, wie Bau- oder Klappholz bzw. Fassdauben, scheint Brennholz keinen nennenswerten Anteil im Fernhandel eingenommen zu haben. Dagegen war das anorganische Brennmaterial Steinkohle bedeutend. Für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts ist die Einfuhr von englischer Kohle nachweisbar. Sie wurde fast ausschließlich aus England und Schottland, meist aus Newcastle, geliefert.308 Auch in der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde sie über See ausschließlich von dort eingeführt: 1644 wurden aus Schottland 185 Last Steinkohle, 1645 340 Last von dort und 132 Last aus Newcastle, 1646 jeweils 17 und 196 Last nach Hamburg gebracht.309 Am Anfang des 18. Jahrhunderts war die Einfuhr sehr gering.310 Leider fehlt in den Admiralitäts- und Convoygeld-­Einnahmebüchern des 18. Jahrhunderts infolge der Zollerlassung die Steinkohleeinfuhr. Die langfristige Verfolgung der Importmenge ist deshalb unmöglich. Nach den Einfuhrlisten von Köncke aus den Jahren 1790 bis 1802 war, wenngleich verschiedene 304 Röhlk: Schiffahrt und Handel, Teil 1, S. 127 f. 305 Siehe Kapitel IV, S. 290. 306 Bolland: Burspraken, Teil 2, Nr. 17, 53, 54, 69, 84, 123. 307 Hans Walden: Stadt – Wald. Untersuchung zur Grüngeschichte Hamburgs, Hamburg 2002, S. 152 f. 308 Baasch: Waarenhandel, S. 372 f. 309 Reissmann: Kaufmannschaft, S. 56. 310 Baasch: Statistik, S. 96.

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Mengen- und Gewichtseinheiten einen genauen Vergleich schwierig machen, Newcastle nach wie vor der Hauptlieferant des fossilen Brennstoffes, dann folgten Sunderland (England) und Kirkcaldy (Schottland).311 Sein Zeitgenosse Johann Westphalen legte über die Einfuhr von England für die Jahre von 1794 bis 1805 einheitliche Zahlen vor, denen zufolge jährlich durchschnittlich 11.920 Last eingeführt wurden.312 Vergleicht man diese Menge mit der oben genannten Informationen für die Mitte des 17. und den Anfang des 18. Jahrhunderts, wird der gewaltige Zuwachs ersichtlich. Diese Entwicklung erklärt sich aus der Entwicklung des hamburgischen Atlantikhandels, besonders des Zuckerhandels, mit dem neben der Einfuhr von Rohzucker noch der Import von Steinkohle eng verbunden war. Die stabile Versorgung mit Steinkohle war für den Handel sehr wichtig, weil sie für die städtische Zuckersiederei, die einen hohen Brennstoffumsatz erforderte, ein unentbehrliches Material war.313 Die Lieferung der billigeren Steinkohle aus England machte die Zuckerproduktion in Hamburg so konkurrenzfähig gegenüber derjenigen Frankreichs, dass die französischen Zuckerunternehmer die Verarbeitung ihres Rohzuckers nach Hamburg auslagerten. In ihrem Heimatland war der preiswerte Bezug der englischen Steinkohle wegen der ständigen Konflikte und politischen Auseinandersetzungen mit England nicht möglich.314 Bemerkenswert ist doch, dass Steinkohle zur selben Zeit auch als Ausfuhrartikel aus Hamburg nach dem Binnenland nachzuweisen ist, vor allem nach Berlin, wo die Zuckersiederei- und Zuckerraffinierindustrie von Preußen stark gefördert wurde.315 So stellte Steinkohle ein Massengut dar, das von der Bevöl­ kerung im Hinterland verbraucht wurde. 311 Köncke: Specification. Die unterschiedlichen Maßeinheiten (für Steinkohle: Last, Zentner, Tonne, Ladung, Partei und Chaldron) erlauben die genaue Ermittlung der Importmenge nicht, aber die Stellung von England im Steinkohlehandel ist unbestritten. 312 Johann Ernst Friedrich Westphalen: Der Zustand des Handels in Hamburg wärend den letzten Funfzig Jahren, Hamburg 1806, S. 26. 313 Zum Zuckersiedereigewerbe in Hamburg siehe: Astrid Petersson: Zuckersiedergewerbe und Zuckerhandel in Hamburg im Zeitraum von 1814 bis 1834. Entwicklung und Struktur zweier wichtiger Hamburger Wirtschaftszweige des vorindustriellen Zeitalters, Stuttgart 1998; Astrid Petersson: Zuckersiedergewerbe und Zuckerhandel in Hamburg. Von den Anfängen bis zum Ende der Kolonialsperre, in: HWC , N. F., 1 (2000), S. 53 – 81. Die Zuckersiederei wurde vermutlich durch niederländische Flüchtlinge in den neunziger Jahren des 16. Jahrhunderts in Hamburg eingeführt. Die Supplik von 89 Zuckerfabrikanten an den Senat im Jahre 1834 erwähnt die „ersten Zuckerfabrikanten, Ansiedler aus Holland“. Baasch: Quellen, S. 782. 314 Weber: Atlantikhandel, S. 252. 315 Siehe Kapitel IV.

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Aus den oben dargestellten Einzelheiten wird hier das Fazit dieses Abschnittes gezogen. In der Darstellung zum Warenhandel werden die drei anfangs angeführten Thesen berücksichtigt: die zu pauschale Charakterisierung der Austauschstruktur mit dem Ostseeraum und den mitteleuropäischen Binnengebieten in Hinsicht auf Warenbezug und -absatz, die Vielfalt der gehandelten Waren und das Verhältnis zu den hansischen Handelsbeziehungen. Während für den hamburgischen Seehandel im 17. Jahrhundert die verschiedenen Gebiete – England, die Niederlande, Spanien, Portugal und ferner die Nordmeergebiete – eher von gleichgewichtiger Bedeutung waren, lässt sich im folgenden Jahrhundert eine gewisse Konzentration des Schwergewichtes auf den Frankreichhandel mit Kolonialwaren feststellen. Die von dort eingeführten Kolonialwaren standen im engen Zusammenhang mit dem binnenländischen Leinen, das sich bis zum 18. Jahrhundert als Hauptaustauschware gegen englische Tuche dargestellt hat. Fallen einige Handelssektoren, wie der Tuch- und Leinenhandel, auch so herausragend ins Gewicht, sollte man die große Mannigfaltigkeit der gehandelten Waren berücksichtigen. Auf die seit dem 16. und 17. Jahrhundert verstärkten oder teilweise neueröffneten Handelskontakte nach verschiedenen Regionen beruhend, war Hamburg im beobachteten Zeitraum der Ort, über den die verschiedensten Waren distribuiert wurden. Vergleicht man diesen Charakter mit dem von C. Lesger thematisierten niederländischen Hafensystem, in dem einzelne Häfen sich auf die Vermittlung bestimmter Warensorten spezialisierten, könnte man für Norddeutschland im 17. und 18. Jahrhundert feststellen, dass es ein solch einheitliches System nicht gab. Hamburg trug deshalb die Versorgung breiter Marktsektoren. Die hamburgische Handelsentfaltung war für die hansischen Beziehungen von ambivalenter Bedeutung. Für den Bezug und Absatz bestimmter Güter war der herkömmliche Handelsverkehr zu den Hansestädten nach wie vor wichtig. Die mittelalterliche Handelsstruktur blieb aber nicht unverändert, sondern es gab Veränderungen innerer Beziehungen. Ein Beispiel dafür ist der Fischhandel im 17. und 18. Jahrhundert. In Hamburg wurden große Mengen Nordseehering eingeführt, während der hansische Handel von Ostseehering im Niedergang begriffen war. Als Folge wurde nun Hamburg mit Lüneburger Salz, das eine unverzichtbare Komponente des hansischen Heringshandels gewesen war, versorgt, für das Lübeck im Mittelalter der Hauptabnehmer gewesen war. Das Zentrum des Heringshandels wurde nach Hamburg verlagert, während der Bezugsort von Salz unverändert blieb. Ein anderes Beispiel findet sich im Spanien- und Portugalhandel, an den sich die Handelskontakte mit dem Ostseeraum eng anschlossen. Dabei war Lübeck in der neuen Handelsstruktur, die

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Hamburg als Mittelpunkt ausbildete, untergeordnet. Der Versuch Lübecks, direkte Kontakte mit Spanien und Portugal zu etablieren, war bis zur zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts misslungen. Statt unmittelbar Waren auszutauschen, war die Stadt auf die Vermittlung durch Hamburg angewiesen. Zu betonen ist aber, dass die Route zwischen Hamburg und Lübeck immer noch benutzt wurde. Auf dieses Thema wird im folgenden Kapitel eingegangen.

III. Hamburgs Ostseehandel auf Land-, Fluss- und Seewegen Der Unterschied in natürlicher sowie gewerblicher Landschaft zwischen Osten und Westen hatte seit der Hansezeit den Ostseehandel geprägt, der im Ganzen auf der Vermittlung von Nahrungsmitteln und Rohstoffen des ressourcenreichen Nord- und Osteuropas gegen Fertigwaren des gewerblich hochentwickelten Nordwesteuropas beruhte. Verschiedene Regionen verknüpfend, war und ist der Ostseeraum seit Urzeiten eine Zone fruchtbarer Austauschbeziehungen, die sich nicht in dem Binnenmeer allein einschlossen, sondern über den Raum hinaus systematisch in den europäischen Handel integriert wurden.1 M. North zufolge war der Ostseeraum in der Frühen Neuzeit die „Drehscheibe der Weltwirtschaft“.2 Trotzdem gibt es bisher keine monographische Beschäftigung mit dem frühneuzeitlichen Ostseehandel Hamburgs, den dieses Kapitel zum Thema hat.

1.  Handelsrouten und handelspolitische Voraussetzungen Im Mittelalter beherrschte die deutsche Hanse den Ost-­West-­Handel im europäischen Norden, in dem Hamburg durch die Verbindung mit Lübeck eine wichtige Komponente bildete. Der hansische Ost-­West-­Handel folgte der Hauptlinie von Nowgorod, Reval, Riga, Stockholm oder Danzig über Lübeck und Hamburg bis nach Brügge oder London.3 Im Gegensatz zu dieser relativ bekannten Handelsstruktur wissen wir über das Verkehrswesen in der Frühen 1 Michael North: Ostseehandel. Drehscheibe der Weltwirtschaft in der Frühen Neuzeit, in: Andrea Komlosy/Hans-­Heinrich Nolte/Imbi Sooman (Hg.): Ostsee 700 – 2000. Gesellschaft – Wirtschaft – Kultur, Wien 2008, S. 132. Siehe auch Maria Bogucka: The Role of Baltic Trade in European Development from the XVIth to the XVIIIth Centuries, in: JEEH 9 – 1 (1980), S. 5 – 20. 2 North: Ostseehandel, S. 132. 3 Zum hansischen Handel im Allgemeinen siehe Dollinger: Hanse, S.  273 – 3 40; North: Ostseehandel, S. 132 – 135; North: Geschichte der Ostsee, S. 71 – 77. Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der einzelnen Gebiete im Ostseeraum von der Wikingerzeit bis zur Wende des 15. zum 16. Jahrhundert sind im Überblick erfasst von: Hermann Kellenbenz: Die mittelalterliche Wirtschafts- und Sozialstruktur im Ostseeraum, in: Hermann Conrad (Hg.): Der Ostseeraum im Blickfeld der deutschen Geschichte, Köln 1970, S. 38 – 72.

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Neuzeit nur wenig. Bevor wir die Handelsbewegungen dieser Zeit analysieren, sollen im Folgenden zuerst diejenigen geographischen, infrastrukturellen und handelspolitischen Voraussetzungen beschrieben werden, die der hamburgischen Verkehrsstruktur zugrunde lagen und auf deren Grundlage Verläufe des Handels genauer erfasst werden können.

1.1  Geographische und infrastrukturelle Anbindung an den Ostseeraum Von alters her bildete Jütland für den Handel eine Landbrücke zwischen der Nord- und Ostsee.4 Die natürlichen Gegebenheiten der Halbinsel waren für den Landtransport eigentlich nicht ideal, da die Wege auf den sumpfigen Marschen sowie den sandigen Geesten, die durch die Kräfte der Eiszeiten geprägt worden waren, schlechte Bedingungen boten. Im Frühjahr und Herbst konnte man in den Marschen oft gar nicht fahren.5 Auch im 18. Jahrhundert war die Situation grundsätzlich kaum besser.6 Die teilweise Benutzung der schiffbaren Wasserläufe schuf einen Ausgleich für diesen Nachteil.7 So entwickelten sich hier Land- und Wasserstraßennetze, die die Halbinsel in nordsüdlicher sowie ostwestlicher Richtung querten. Die geologischen Gegebenheiten nutzend gab es im heutigen Schleswig-­ Holstein zahlreiche Häfen, die mit Hamburg in Verbindung standen.8 Im 4 Rolf Hammel-­K iesow/Ortwin Pelc: Landesausbau, Territorialherrschaft, Produktion und Handel im hohen und späten Mittelalter (12.‒16. Jh.), in: Ulrich Lange (Hg.): Geschichte Schleswig-­Holsteins. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2. Aufl., Neumünster 2003, S. 59 – 134, hier S. 121. 5 Adolf Jürgens: Zur Schleswig-­Holsteinischen Handelsgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts, Berlin 1914, S. 3. 6 Franklin Kopitzsch: Schleswig-­Holstein im Gesamtstaat 1721 – 1830. Absolutismus, Aufklärung und Reform, in: Ulrich Lange (Hg.): Geschichte Schleswig-­Holsteins. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2. Aufl., Neumünster 2003, S. 281 – 332, hier S. 296. 7 Als für die Schifffahrt relevante Gewässer in Schleswig-­Holstein sind die folgende Flüsse zu nennen: Zur Elbe fließende Flüsse: die Dölvenau, Stör, Krückau, Pinnau und Alster; in die Nordsee fließende Flüsse: die Eider und Treene; in die Ostsee fließende Flüsse: die Trave, Beste, Stecknitz, Wakenitz, Stepenitz und Schwartau. Siehe Hans-­Joachim Uhlemann: Zwischen Elbe und Ostsee. Zur Entstehung der Schleswig-­Holsteinischen und Mecklenburg-­Vorpommerschen Wasserstraßen, Hamburg 2000, S. 12 f. 8 Nach Kopitzsch sind für das 18. Jahrhundert folgende See- und Flusshäfen zu nennen: Amrum, Apenrade, Blankenese, Brestedt, Büsum, Eckernförde, Fehmarn, Flensburg, Friedrichstadt, Galmsbüll/Garenspill, Glückstadt, Hadersleben, Heiligenhafen, Helgoland, Holtenau, Hoyer, Husum, Itzehoe, Kappeln, Katingsiel, Kiel, Krempe, Landwehr, Meldorf, Neufeld, Nordhöft, Nordstrand, Pellworm, Rendsburg, Rodenspieker, Röm,

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Verkehr zum Ostseeraum nahm Lübeck eine herausragende Stellung für Hamburg ein. Für den Verkehr zum Ostseeraum verständigte sich Hamburg um 1230 mit Lübeck, um die Sicherheit hamburgischer und lübeckischer Waren und Kaufleute auf der Route zwischen beiden Städten zu gewährleisten.9 Seither wurden die Vereinbarungen zur Sicherheit auf den Handelsstraßen immer wieder erneuert.10 Zwischen den beiden Städten lagen zwei Haupthandelsrouten, von denen die über Oldesloe die wichtigere war. Sie führte ab Hamburg in nordöstlicher Richtung und verzweigte sich bei Bargteheide in zwei Wege. Der nördliche führte über Neritz, der südliche über Fischbek. Bei Oldesloe vereinigten sich die Wege wieder. Die Stadt zählte im 17. Jahrhundert mit einer Einwohnerzahl von 2000 zu den kleineren Städten und besaß keine besondere Wirtschaftskraft.11 An der Verkehrsader zwischen Hamburg und Lübeck liegend, spielte sie dennoch als Zwischenstation eine wichtige Rolle. Zwischen Oldesloe und Lübeck konnte man die Flussfahrt auf der Trave machen oder die Landstraße nutzen, die entlang der heutigen Hamburger Chaussee führte.12 Die andere Route nach Lübeck war die Verbindung über Trittau und Krummesse. Ihre Benutzung ist im Spätmittelalter belegt, ihrer Bedeutung nach konnte sie sich mit der Straße über Oldesloe aber so lange nicht messen, bis der Stecknitzübergang bei Krummesse Mitte des 17. Jahrhunderts ausgebaut wurde.13 1718 forderte Lübeck die Erhebung von Wegegeld für die Reparatur dieser Straße, so dass „Commercium und Communication zwischen beyden löb. Städten facilitiret [= erleichtert] wird“.14 Dabei wies Lübeck darauf hin, dass die Straße 20 Jahre zuvor nur mit Holz repariert worden sei, diesmal aber wegen des vermehrten Verkehrs eine Reparatur mit Steindämmen benötige.15 St. Margarethen, Schülpersiel, Sonderburg, Südwesthörn, Sylt, Tetenbüll, Tönning, Tondern, Westerdeich und Wyk. Kopitzsch: Schleswig-­Holstein, S. 296. Unter diesen waren viele kleinere Städte, die an den Landwegen aus Hamburg lagen. 9 Konstantin Höhlbaum (Bearb.): Hansisches Urkundenbuch, Bd. 1, Halle 1876, Nr. 239. Aus der Zusicherung Hamburgs ist abzulesen, dass ein verstetigter Verkehr zwischen beiden Städten bereits bestand. 10 Dazu Georg Arnold Kiesselbach: Die wirtschaftlichen Grundlagen der deutschen Hanse, S. 95 – 99 (13. Jahrhundert) und S. 204 – 208 (14. Jahrhundert). 11 Helmut Willert: Anfänge und frühe Entwicklung der Städte Kiel, Oldesloe und Plön, Neumünster 1990, S. 223 und 244 f. 12 Friedrich Bruns/Hugo Weczerka (Hg.): Hansische Handelsstraßen, Textband, Weimar 1967, S. 137 – 141. 13 Bruns/Weczerka: Handelsstraßen, Textband, S. 143 f. 14 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 12, Vol. 2, Fol. 1v. 15 Ebenda, Fol. 8r‒8v.

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Hamburgs Ostseehandel auf Land-, Fluss- und Seewegen

Neben der Verbindung über die Landwege bestand zwischen Hamburg und Lübeck eine Wasserverbindung: der Stecknitzkanal. Mit dessen Anlage wurde 1398 eine Verbindung zwischen Elbe und Trave über Lauenburg geschaffen, die bis zum Neubau des Elbe-­Trave-­Kanals um 1900 befahren wurde.16 Er diente in erster Linie dem Salztransport von Lüneburg nach Lübeck, wurde aber auch für die Güterbeförderung zwischen Elbe, Stecknitz und Trave benutzt.17 Über Lauenburg, wo die Delvenau in die Elbe mündet, führte der Wasserweg über die Stecknitz Mölln passierend bis zur Trave und Lübeck. Von Lübeck aus schlossen sich Landstraßen entlang des Meeresufers in den südlichen Ostseeraum an. Sie führten nach Stralsund, Stettin und Danzig und bildeten einen Teil der großen hansischen Ostseestraßen, die für die letzte Hälfte des 14. Jahrhunderts nachweisbar sind.18 Die häufig berichteten Wagenplünderungen auf den Küstenstraßen zeigen, dass sie dem Seeweg große Konkurrenz machten, vor allem beim Transport kostbarer und leichter Waren, weil sie auf ihnen oft schneller als zur See vorankamen.19 Südlich der Straßen nach Lübeck bestand auch die Straßenverbindung mit dem Ostseeraum, die im Verkehr ab Hamburg benutzt wurde. 1753 beschwerten sich die jährlich zur Rostocker Pfingstmesse reisenden Kaufleute wegen der Zollerhebung in Grande, Mölln und Schmilau.20 Diese Handelsstraße wurde schon im 16. Jahrhundert benutzt.21 Das Hinterland der Ostseeküste, vor allem Mecklenburg, wurde nicht nur durch die Küstenstraßen, sondern auch über die Elbe mit Hamburg verknüpft. Der Fluss diente vor allem dem Holzhandel, bei dem man den Wasser­ 16 Es gab in Norddeutschland auch Pläne für eine weitere Kanalverbindung zwischen Ostsee und Elbe, von Bedeutung blieb aber nur der Stecknitzkanal. Siehe Michael Scheftel: Künstliche Wasserstraßen: Kanäle, in: Jörgen Bracker/Volker Henn/Rainer Postel (Hg.): Die Hanse. Lebenswirklichkeit und Mythos, 2. Aufl., Hamburg 1989, S. 797 – 800. 17 Nils Rudolf Nissen: Neue Forschungsergebnisse zur Geschichte der Schiffahrt auf der Elbe und dem Stecknitzkanal, in: ZVLGA 46 (1966), S. 5 – 14, hier S. 5 – 9; Robert Bohn: Hansezeitliche Verkehrswege durch Lauenburg, in: Kurt Jürgensen (Hg.): Geschichtliche Beiträge zu Gewerbe, Handel und Verkehr im Herzogtum Lauenburg und in umliegenden Territorien, Mölln 1997, S. 30 – 44, hier S. 38 – 41. 18 Bruns/Weczerka: Handelsstraßen, Textband, S. 169. 19 Dollinger: Hanse, S. 293. 20 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 11, Vol. 1h. Über diesen Weg konnte man den Zoll in Trittau umgehen. Grande liegt an der Bille südlich Trittaus. Dort schließt die Straße nach Mölln und Schmilau, südlich des Ratzeburger Sees, an. Man nahm dann den Weg über Gadebusch nach Wismar, oder durch die mecklenburgische Seeplatte über Schwerin auf Rostock. 21 Bruns: Handelsstraßen, Textband, S. 189.

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transport bevorzugte. In einer 1637 beim Hamburger Rat eingereichten Klage vom Hamburger Kaufmann Peter Beckmann schrieb er, dass Holz zur Fassherstellung (Klappholz sowie Pipen- und Tonnenstäbe), das er im Fürstentum Mecklenburg sägen und zubereiten ließ, über die Elbe nach Hamburg befördert wurden.22 Die Elbe vermittelte sogar den Gütertransport zwischen Hamburg und Livland.23 Im Gegensatz zum Verkehr auf dem festen Land stellte die seewärtige Fahrt ab Hamburg in den Ostseeraum einen großen Umweg dar. Erst nach den ca. 100 Kilometer auf der Elbe bis zur Mündung und der langen, etwa fünfmal so weiten Fahrt nordwärts erreichte man bei Hanstholm die Landspitze an der Nordwestseite Jütlands und dann das Kap Skagen. Von dort verzweigt sich die Route in die Passage durch die Belte oder den Öresund.24 Man musste auf jeden Fall eine lange Umlandfahrt um Jütland machen. Die Fahrt in der Ostsee vollzog sich normalerweise in Küstennähe. Technische Innovationen in der Navigation – Seekarte und Kompass – wurden nur langsam aufgenommen. Seefahrer trugen Kenntnisse von typischen Besonderheiten der einzelnen Seewege, beispielsweise von Bäumen, Felsen oder Kirchentürmen entlang der Küste in ihrem Gedächtnis.25 Nach einem spätmittelalterlichen Seebuch orientierten sich die Schiffe, die durch den Öresund passierten, an dem Kirchenturm von Helsingør.26 Auch in der Frühen Neuzeit und sogar im 19. Jahrhundert empfahl es sich, die Schiffsposition an solchen Kennzeichen festzustellen. Geographische und infrastrukturelle Gegebenheiten bildeten Voraussetzungen, die die Verkehrsstruktur dauerhaft beeinflussten. Zu diesen Grundlagen traten noch handelspolitische Faktoren. Hier sind jene in der Forschung bekannten Verkehrsbeschränkungen zu betrachten, die Hamburg als starke Hemmnisse für seinen Ostseehandel hinnehmen musste: der dänische Sundzoll und das 22 StAH , Senat Cl. VII , Lit. Kb Nr. 8a, Vol. 1a, Fol. 136r. Er beschwerte sich darüber, dass das Bötcheramt in Hamburg seine Hölzer anhielten und weiteren Transport nach Spanien verhinderten. 23 In den Schriftwechseln zwischen Riga, Dorpat und Reval im Jahre 1431 beschwerte man sich über den doppelten Werkzoll, den Hamburg auf die aus Livland über die Elbe kommenden Waren gesetzt hat. Pitz: Zolltarife, Nr. 61. 24 Über die Routen ausführlich mit Karten siehe Jochen Goetze: Hansische Schiffahrtswege in der Ostsee, HGbll 93 (1975), S. 71 – 88. 25 Goetze: Hansische Schiffahrtswege, S. 72 f.; David Kirby/Merja-­Liisa Hinkkanen: The Baltic and the North Seas, London/New York 2000, S. 65 f. 26 Goetze: Hansische Schiffahrtswege, S. 79.

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Hamburgs Ostseehandel auf Land-, Fluss- und Seewegen

l­übeckische Durchfuhrverbot. Die praktischen Konsequenzen, die sich aus beiden Beschränkungen ergaben, stellte ein Komplex aus Bedingungen des jeweiligen Sachverhaltes, der sich im langen Zeitverlauf unterschiedlich darstellte. Die Einzelheiten der handelspolitischen Maßnahmen und der Gegenmaßnahmen der darauf reagierenden Handelsleute werden im Folgenden betrachtet.

1.2  Handelspolitische Ausgangslage 1: Der dänische Sundzoll Die politischen Auseinandersetzungen zwischen Hamburg und Christian IV. von Dänemark sind in der Literatur gut bekannt.27 Es ging eigentlich um den herkömmlichen Streit um den dänischen Herrschaftsanspruch, dem sich die Stadt bisher geschickt hatte entziehen können. Aber seit der Thronbesteigung von Christian (reg. 1588 – 1648) verschlechterte sich das Verhältnis merklich, weil er das übliche Ausweichen Hamburgs nicht mehr duldete und die Erbhuldigung vornehmen lassen wollte. Um die Stadt zur Aufgabe zu zwingen, betrieb er eine Politik der Nadelstiche. Eine Folge davon war die Belastung der hamburgischen Schifffahrt im Öresund. Während in der Literatur ihre verhängnisvollen Auswirkungen mit Recht angenommen wurden, steht eine detaillierte Darstellung der Einzelheiten aus einer handelsgeschichtlichen Perspektive noch aus. Wie im Vertrag zu Odense von 1560 zwischen der Hanse und dem dänischen König Friedrich II. festgehalten worden war, genossen Hamburger bereits früher die Vorrechte, die den wendischen Hansestädten Lübeck, Hamburg, Rostock, Stralsund, Wismar und Lüneburg zollfreie Schifffahrt im Öresund eingeräumt hatten. Aufgrund des Vertrages konnten die sechs wendischen Städte den dänischen Öresund nur nach Bezahlung des Schreib- und Tonnengeldes frei – Wein- und Kupferladungen ausgenommen – passieren.28 Die hamburgischen Kaufleute erhoben aber schon im Jahre 1584 Beschwerde über Bedingungen bei der Sundpassage und widersetzten sich der Erstellung der „Certificationbrieve mit austrucklicher Specificierung aller gueter sowoll deren, die alhier eingeschiffet, alß deren, so […] an frembden örteren und Landen widerumb sollen eingeladen werden“.29 1603 wurden Hamburger Schiffe 27 Hans-­Dieter Loose: Hamburg und Christian IV. von Dänemark während des Dreißigjährigen Krieges. Ein Beitrag zur Geschichte der hamburgischen Reichsunmittelbarkeit, Hamburg 1963. 28 Der Extrakt des Vertrages betreffend dieses Privilegs befindet sich in StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7a, Q1. Ferner siehe Schere: Sundzoll, S. 91 f. 29 StAH, Börsenalte, 42, Fol. 1r‒1v.

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dann unabhängig von ihrer Ladung folgendermaßen begünstigt: „wann die Hamburger mittelst beeydigtem See-­Brieff von ihrer eigenen Stadts-­Obrigkeit dargethan haben, daß das Schiff alda zu Hause gehöre, so haben sie nur von einem Schiffe ein halben Reichst[aler] an Tonnen-­Geld zu erlegen“.30 Wie schon oben angedeutet, verlief das 17. Jahrhundert für die hamburgische Ostseeschifffahrt mit großen Schwierigkeiten. Wegen der verschärften politischen Auseinandersetzung um seine Oberhoheit belastete der dänische König Christian IV. Hamburger Schiffe und Waren mit dem Sundzoll31 und ließ die oben genannte Zustimmung zur herkömmlichen Sonderstellung der Elbstadt unbeachtet. Die schroffe Zollpolitik Dänemarks gegen Hamburg prägte – mit zeitweiligen Milderungen – bis zum Gottorper Vergleich von 1768 den Grundriss der Beziehungen beider zueinander. 1611 erhob die Stadt gegen Dänemark Einspruch, da ein Hamburger Schiffer ungeachtet seiner Bescheinigungen 3 Rosenobel für das Schiff und 3 Reichstaler für jede Last Korn, „wider vorigem gebrauch und herkommen“ entrichten musste.32 Der aus Danzig in den Öresund fahrende Kapitän bewies „mitt seinen Sehebrieffen, und bey sich unter unser Stadtt Secret habenden Certificationen“ die Zugehörigkeit der Schiffsladungen zu Hamburgern.33 Ferner protestierte Hamburg 1618, dass zwei aus Danzig kommende Schiffe, die mit Waren von hamburgischen Kaufleuten beladen waren, trotz der vom Rat der Stadt Danzig erstellten und gesiegelten eidlichen Zertifikate nicht zollfrei durch den Öresund passieren konnten.34 Da sich das strikte Verhalten Dänemarks gegen Hamburger Schiffe immer mehr verschärfte, beklagte sich 1630 Elisabeth Schwerer über den Arrest ihres Ehemannes Hans Schwerer, der mit Salz und Wein nach Stettin segelte. Ihrer 30 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7d, Q3 und Q4. 31 Umfassende Darstellungen des Zollwesens am Öresund bieten: Hermann Scherer: Der Sundzoll. Seine Geschichte, sein jetziger Bestand und seine staatsrechtlich-­politische Lösung, Berlin 1845; Christina Deggim: Hafenleben, S. 124 – 152. 32 Das Rosenobelgeld war eine Sonderabgabe am Öresund, die von Schiffen und Waren, die zu bestimmten Nationen oder Städten gehörten, erhoben wurde. Nobel hatten sich als wertstabile Goldmünze im Nord- und Ostseehandel durchgesetzt; vgl. Stuart Jenks: Nobel, in: Michael North (Hg.): Von Aktie bis Zoll. Ein historisches Lexikon des Geldes, München 1995, S. 278 f. 33 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7 f, Q1. Seit dem Vertrag zu Odense des Jahres 1560 sollten die privilegierten Nationen Zertifikate mit Angabe der Güter und deren Eigentümer mitführen. Dazu siehe Aksel Erhardt Christensen: Der handelsgeschichtliche Wert der Sundzollregister. Ein Beitrag seiner Beurteilung, in: HGbll 59 (1934), S. 28 – 142, hier S. 108 – 116. 34 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7b, Q1.

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Aussage zufolge habe er den Zoll am Öresund „richtich“ bezahlt.35 Auf der Reede vor Stettin habe er sein Schiff geankert und sei mit dem Boot nach der Stadt gefahren, um das Gut zu löschen. Inzwischen sei „dänisches Volk“ dort angelangt und habe sich seines Schiffes bemächtigt, den Schiffer verhaftet und ihn samt den Gütern nach Kopenhagen gebracht, um ihn über den Verdacht zu vernehmen, in welchem Maße er bei der Zollstelle Preis gemacht habe.36 Welcher Teil in dieser Affäre berechtigt war, lässt sich nicht erkennen. Es ist zumindest deutlich, dass die Dänen die Hamburger mit strengen Maßnahmen behandelten. Alle Proteste gegen Dänemark scheinen keine Wirkung gehabt zu haben, wie die in Hamburg aufbewahrten ausführlichen Sundzolltarife aus dem Jahr 1642 belegen, wobei von Zollfreiheit überhaupt nicht mehr die Rede sein kann.37 Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges schien sich die Situation zu ändern. Der Misserfolg Dänemarks im Krieg zwang Christian IV. in den letzten Jahren seines Lebens, mit seinem Rivalen an der Elbe einen Kompromiss in der Sundzollfrage einzugehen. Im Frieden von Brömsebro von 1645 fanden sich unter Vermittlung der Niederlande und Schweden zwar nicht die drei Hansestädte Lübeck, Hamburg und Bremen berücksichtigt, aber die hansische Gemeinschaft wurde mit einer allgemeinen Formulierung in den Vertrag aufgenommen. Mehr konnten sie doch nicht erreichen, weil der dänische König über die Bestätigung der Verträge von Odense „a parte“ mit den Hansestädten verhandeln wollte.38 Nach der Beendigung der Friedensverhandlungen von Brömsebro am 13. August 1645 lagen zwischen Hamburg und Dänemark noch zu lösende diplomatische Auseinandersetzungen um die Bedingungen für die Abschließung einer Resolution. Gegen nicht geringe Gegenleistungen von hamburgischer Seite billigte der dänische König am 17. November desselben Jahres in Hadersleben

35 Im Onlinesundzollregister (siehe unten) ist die Passage von einem Hamburger Hanss Swer am 5. Mai 1630 verzeichnet, der 27 Last spanisches Salz und 22 Pipen französischen Wein an Bord hatte. Er bezahlte für „fremmede gods“ Rosenobelgeld. Zu welchem Teil an den Ladungen es sich um fremde Waren handelte, erklärt sich aus dem Register nicht. Da der Wein eigentlich ein zollpflichtiger Artikel war und die verzollte Ladung nicht erfasst wurde, ist unklar, ob die Bezahlung des Warenzolls am Öresund zu dieser Zeit zum Fait accompli für Hamburg geworden war. 36 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7 f, Q2. 37 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7c. 38 Hans-­Dieter Loose: Hamburg und Christian IV, S. 116 f.

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schließlich die Privilegien, die er Hamburg 1603 zugesichert hatte.39 1646 wies der König die Zöllner am Öresund an, dass sie „von den Einwohnern unserer Handelsstadt Hamburg inskünftige [= in Zukunft] in Oresund keinen mehrern Zoll, dann sie Anno Ein Tausend Sechshundert und drey erleget haben“, nehmen sollten.40 Diese Nachkriegsverhandlungen bedeuteten für Hamburg aber keineswegs ein Ende der Zollkonflikte. Ganz im Gegenteil: Nach dem Tod Christians IV. kam die Sundzollfrage wieder auf. Gleich zu Beginn der Regierung von Christians Nachfolger Friedrich  III. (reg. 1648 – 1670) sandten die Städte Lübeck, Hamburg und Danzig eine Botschaft, mit der auch Bremen und Rostock vertreten wurden, in der sie ihn darum baten, den Sundzoll auf den Stand zu erniedrigen, den die unter der schwedischen Landesherrschaft stehenden Städte Stralsund, Wismar und Stettin dank des zwischen Schweden und Dänemark am Kriegsende geschlossenen Friedens von Brömsebro genossen. Der König erwiderte, dass die früheren Privilegien der Hansestädte aus den Archiven hervorgesucht werden müssten. Dazu meinte er, dass die Städte solche Privilegien, sowohl frühere wie künftig zu erlangende, lediglich als ein beneficium oder eine gratia des Königs ansehen sollten und nicht etwa als eine aus zweiseitigem Kontrakt herrührende Schuld.41 Ebenfalls 1649 gelang es den Niederlanden, mit Dänemark einen sogenannten Redemptionsvertrag zu schließen, durch den sie gegen einen jährlichen Tribut die uneingeschränkte Sundzollfreiheit erkaufen konnten. Dieser auf 36 Jahre angelegte Vertrag wurde zwar nach 4 Jahren aufgehoben,42 aber beim Abschluss bereitete er den Hansestädten die große Sorge vor einem Ausschluss vom seewärtigen Ostseehandel. Lübeck wollte „tam nostro quam ceterarum interessentium civitatum Hanseaticarum nomine“ in gemeinsame Aktion treten und schickte im Namen der drei Hansestädte Lübeck, Hamburg und Bremen ein Schreiben an die Niederlande, in dem gefordert wurde, dass der Vertrag den Hansestädten keinen Nachteil zufügen sollte.43 Dass das Schreiben schon

39 Text der Resolution: Laurs Rasmus Laursen (Hg.): Danmark-­Norges Traktater 1523 – 1750 med dertil hørende Aktstykker, Bd. 4, Kopenhagen 1917, S. 354 – 356, hier Art. 3, S. 355 f. 40 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7d, Q1 und Q2. 41 Johann Gustav Gallois: Geschichte der Stadt Hamburg. Nach den besten Quellen bearbeitet, Bd. 2, Hamburg o. J. (circa 1855), S. 392. 42 Vgl. Scherer: Sundzoll, S. 30. 43 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7 f, Q5 – 8.

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vor der ausreichenden Verhandlung zwischen den Städten abgesandt worden war, sah Hamburg als zu eilig an.44 Für Hamburg wurde das Verhältnis zu Dänemark äußerst sensibel. Die in einem Schreiben Friedrichs III. am 3. November 1649 bekundete Aufforderung zur Huldigung durch Hamburg ließ auch die Sundzollfrage wieder auftreten. Zur Erhaltung der bisherigen Bestätigung der Zollfreiheit am Sund wurde 1650 in Hamburg zwischen Rat und Bürgern über den Geldbetrag diskutiert, den Dänemark von der Stadt verlangte. Doch wegen gegensätzlicher Meinungen wurde nichts erreicht. 1652 brach der dänische König die Unterhandlung ab und ließ die Frage unbeantwortet.45 Die von Christian  IV. bestätigte Stellung Hamburgs im Öresund wurde nicht lang aufrechterhalten, was sich kurz nach dem Abbruch der Unterhandlungen zwischen dem König und Hamburg zeigte. Trotz des im Allgemeinen, wenigstens im Vergleich zu seinem Vorgänger, günstigeren Verhältnisses zu Friedrich III.46 hörte man 1653 in Kopenhagen „die gravamina Ihrer Bürger, wider die Königl. Zollbediente im Ohrsundt, betreffendt einige zuer ungebühr undt wieder dem Herkommen von Ihren Gütern abgefohderten Zollgelder“.47 Am Kopenhagener Frieden, der nach dem Schwedisch-­Dänischen Krieg von 1657 bis 1660 abgeschlossen wurde, hatte sich Hamburg – wie auch Lübeck – nicht beteiligt.48 Im Artikel 31 wurde dennoch der Hansebund erwähnt und zum Handelsverkehr bestimmt, dass „alle zum Hansebund gehörigen Gemeinden, ohne Ausnahme, eingeschlossen werden in den Genuss des freien und ungestörten Verkehrs zu Land und Wasser in diesen beiden Reichen [= Schweden und Dänemark]“.49 Im Laufe der letzten Hälfte des Jahrhunderts aber verschlechterte sich das Verhältnis zu Dänemark nochmals deutlich, insbesondere seit 1670, als König Christian V. die Stadt gewaltsam zur Huldigung zu zwingen versuchte. Der Seeverkehr Hamburgs wurde auch durch das Anhalten von Schiffen und die ebenfalls dänische Zollerhebung bei Glückstadt an der Elbe behindert. 1691 wurde eine Gesandtschaft nach Kopenhagen abgeschickt, um über die Festsetzung eines Hamburger Schiffes in Norwegen, die Island- und Grönlandfahrt

44 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7 f, Q9. 45 Gallois: Hamburg, Bd. 2, S. 393 – 397. Erich Bornhöft: König Friedrich  III. von Dänemark und Hamburg in der Zeit von 1649 – 1660, Diss. Wien 1993, S. 35 – 37. 46 Wiskemann: Welthandelspolitik, S. 89. 47 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7d, Q5. 48 Dazu Bornhöft: Friedrich III., S. 198 – 200. 49 Schere: Sundzoll, S. 22. Vgl. auch Laursen (Hg.): Traktater, Bd. 5, S. 345 – 376.

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und Zollfragen zu verhandeln.50 1692 gelang es Hamburg, mit Dänemark ein Abkommen zu treffen. Im sogenannten Kopenhagener Rezess, Artikel 6, wurde bestimmt: Daß Ihre Kön. Maj. der Stadt Hamburg und dero Eingesessenen zu Beförderung ihrer Commercien alle die resp. Zoll-, Schiffs-, Navigations- und Handels-­Freiheiten in Oresund und in dero Königreich Norwegen directe von Hamburg aus und immediate wieder zurück, welche den Engländern, Holländern oder andern Amicis [= Freunde] und Hansestädtischen Comptoirs-­Verwandten schon durch Tractaten und sonsten gestattet sein oder noch künftig concediret [= zugestanden] werden möchten, ebenfalls und auf gleiche Weise zustehen und vergönnen.51

Diese Bestimmung erschien den Hamburgern entscheidend für die Auflösung der Sundzollfrage. Sie mussten sich aber in ihren Erwartungen getäuscht sehen. Nach dem Kopenhagener Rezess erstellte die Hamburger Commerzdeputation eine Promemoria an den Rat und legte Beschwerde dagegen ein, dass „man im Sunde über den ordinarien Zoll sowoll von jedem Schiffe als Ladung einkommend einen Rosenobel, und außgehend abermahl einen Rosenobel von jedem Schiffe und Ladung fordert“.52 Das Rosenobelgeld war so belastend, dass man sich der Ostseefahrt fast vollständig enthalten wollte. 1714 wurde von der Commerzdeputation geklagt, dass unsere Schiffe im Sunde und Norwegen nicht allein den alten Zoll bezahlen, sondern auch wegen des Schiffes einen Rosenobel, anbey für die Ladung auch einen Rosenobel erlegen, desgleichen von unterschiedlichen Gütern fast einmahl soviel als die Holländer und andere Nationen bezahlen müßen; welches, wie es das hiesige Commercium sehr drücket und fast außer dem Stande setzet, daß unsere Schiffe die Oost-­See nicht befahren können, dahero es dann auch kommt, daß wenige, ja fast gar keine Schiffe, von unsern Kauffleuten dahin gesandt werden.53

Zu den Ursachen des geringen Ostseehandels zu dieser Zeit muss man auch die Einwirkung des Großen Nordischen Krieges rechnen. Dennoch war die 50 Baasch, Ernst: Die Handelskammer zu Hamburg 1665 – 1915, Bd.1, Hamburg 1915, S. 26 f. 51 Text des Rezesses: Gallois: Hamburg, Bd. 2, S. 431 – 433. In der kritischen Zeit seit der 1670er Jahre bis zum Abschluss des Kopenhagener Rezesses leisteten die Häuser Brandenburg und Braunschweig-­Lüneburg der für sie wirtschaftlich, strategisch und geopolitisch wichtigen Elbstadt nicht allein in der Sundzollfrage sondern auch in Bezug auf die politische Freiheit Hamburgs große Hilfe. Siehe dazu Annaliese Zuschlag: Die Rolle des Hauses Braunschweig-­Lüneburg im Kampfe um Hamburgs Reichsfreiheit gegen Dänemark 1675 – 1692, Hildesheim/Leipzig 1934. 52 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7 f, Q13. 53 StAH, Senat Cl.VII, Lit. Kc Nr. 5, Vol. 2, Fol. 3r.

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Behauptung der Commerzdeputation nicht sonderlich übertrieben, wie die im Folgenden ausgewerteten Quellen bestätigen. Die folgenden Quellen aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erlauben konkrete Aussagen, wie die Dänen Hamburger Schiffe ungünstiger als andere behandelten. Die Höhe eines Differentialzolls im Vergleich zu anderen Nationen lässt eine von der Commerzdeputation im Jahre 1714 vorgelegte Liste erkennen. Von einem hamburgischen bzw. holländischen Schiff wurden die folgenden Summen entrichtet:54 Ein beladenes hamburgisches Schiff: 16 Reichstaler und 24 Schillinge Ein beladenes holländisches Schiff: 7 Reichstaler und 19 Schillinge Ein hamburgisches Schiff mit Ballast: 12 Reichstaler und 43,5 Schillinge Ein holländisches Schiff mit Ballast: 5 Reichstaler und 3 Schillinge

Verbesserung war kaum zu erwarten, zumal sich zu gleicher Zeit der Konflikt mit Dänemark verschärfte, das die Handelsverbindung Hamburgs mit seinem Feind Schweden, nämlich mit Schwedisch-­Pommern und Wismar, beargwöhnte und sie möglichst verhindern wollte.55 In Hinblick auf die durch Krieg und politische Reibungen verschlechterte Situation fand die Benutzung der anderen Handelsroute, das heißt des Landwegs zu Lübeck, für den Verkehr in den Ostseeraum Berücksichtigung. In der oben genannten Beschwerde von 1714 deutete die Commerzdeputation die Möglichkeit an, dass sich die Kaufleute dem alternativen Handelsweg zuwenden würden. Sie behauptete, die Folge der Zollbelastung sei auch für die dänischen Zolleinnahmen schädlich, weil „wir Kauff-­Leute anitzo alles über Lübeck senden müßen“.56 In der Tat nahm zu dieser Zeit der Verkehr über diese Ausweichmöglichkeit zu, was auch den Auswirkungen des Krieges auf See zuzuschreiben ist.57

54 Ebenda, Fol. 2r. Die Kosten bestanden aus dem Feuergeld, Passgeld, kleinen Unkosten (für beide Schiffe), dem Rosenobelgeld, Tonnengeld und Hafengeld (nur für Hamburger Schiffe). 55 Baasch: Handelskammer, Bd. 1, S. 36. 56 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kc Nr. 5, Vol. 2, Fol. 3v. Diese flehentliche Klage wurde wahrscheinlich durch die Erneuerung der russischen Handelspolitik hervorgerufen, die der Zar Peter I. durch die Beförderung von seiner neu gegründeten, sich an die Finnische Bucht anschließende Hafenstadt St. Petersburg zum großen Nachteil von Archangelsk am Weißen Meer, dem Stützpunkt des Hamburger Russlandhandels, im Jahre 1713 vorangetrieben hatte. Siehe dazu unten Abschnitt 3 dieses Kapitels. 57 Zum Handel mit Lübeck zu dieser Zeit siehe unten Abschnitt 3 dieses Kapitels, vor allem Tabelle III-9.

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1737 wurde in Hamburg berichtet, dass auf Hamburger Schiffe, die nach oder vor einer Handelsfahrt in der Ostsee nicht in Hamburg anlegen, die „alte Zoll-­Rolle“ angewendet wurde.58 Das heißt, dass von ihnen die um 25 – 50 Prozent höheren Zölle erhoben wurden. Für Hamburger Schiffer, die von bzw. nach Hamburg segelten, galt die „neue Zoll-­Rolle“ des ermäßigten Tarifs. Sie mussten aber nach wie vor 2 Rosenobel für Schiff und Ladung, dazu 1 Reichstaler und Tonnengeld bezahlen. Auswärtige Schiffe mit Ladungen auf Hamburger Rechnung konnten den Öresund zwar ohne Tonnengeld passieren, doch auch für sie verblieb die Entrichtung von 1 Rosenobel und 1/2 Reichstaler für die Ladung. Verkehrten Hamburger Schiffe aus oder nach anderen Orten, ohne Hamburg zu berühren, mussten sie die oben erwähnten hohen Warenzölle des alten Zolltarifes bezahlen. Tabelle III-1 zeigt die Beispiele.59 Die dauernd instabile Stellung Hamburgs im Öresundverkehr musste den Ostseestädten Sorge um den eigenen Handel und den mit der Elbstadt bereitet haben. 1738 erreichte Hamburg aus Stettin eine Anfrage, ob die dortige Bürger mit ihren Schiffen und Waaren die Oresundische Zollfreyheit aus dem Odenseischen Vergleich de ao. 1560 im Sunde und Belt annoch zu genießen? oder falls Sie sich derselben nicht mehr zu erfreuen haben, woher es gekommen, daß Sie dieser Zoll Freyheit verlustig gegangen.

Hamburg behauptete unter Hinweis auf die bisherigen Verträge mit Dänemark seit dem 16. Jahrhundert seine Gerechtigkeit in der Sundzollfrage zu erfahren.60 Es liegt aber auf der Hand, dass diese Angabe nicht den Tatsachen entsprach.

58 StAH , Senat Cl. VII , Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7k, Q1. Es gibt keine deutliche Erklärung über die „alte“ Zoll-­Rolle, die aber ursprünglich wohl aus derjenigen stammt, die vor dem Vertrag zu Christianopel des Jahres 1645 (für Hamburg) im Gebrauch genommen wurde, weil die allgemeinen Zolltarife der nachfolgenden Zeiten auf der Christianopeler Zollrolle beruhte. Vollständige Tarife (erstellt im Jahre 1766) der alten Zoll-­Rolle mit dem Vergleich zur neuen/allgemeinen Rolle: StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kc Nr. 5, Vol. 7, Fol. 14r‒23v. 59 Die Tabelle wurde aufgrund der Angaben ermittelt, dieaus einem 1742 von Helsingør an Hamburg gerichteten Brief stammen. Es gibt in der Quelle einige kleine Rechenfehler, die ich in der Tabelle korrigiert habe. Die Abgaben, die alle Schiffe an die Zollkammer bezahlen mussten, sind hier außer dem Feuergeld nicht berücksichtigt. Die Zahlen entsprechen den Beträgen der tatsächlichen Zollerhebung, die man aus den digitalisierten Daten der Onlinesundzollregister erfassen kann. 60 Zitat und Hamburger Antwort: StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7g, Q1.

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Tabelle III-1: B  eispiele für die Zollentrichtung nach der „alten Zoll-­Rolle“ Hamburger Schiffer von Amsterdam nach Danzig bzw. Königsberg 40.000 Pfd Pfeffer 133 Rtl 14 ß 120.00 Pfd Tabak 30 Rtl 42 Ohm Rheinwein 47 Rtl 30 ß 2 Fass Holländischer Wein 6 Rtl Zwischensumme 216 Rtl 44 ß Feuergeld 4 Rtl 24 ß Tonnengeld 24 ß 2 Rosenobel und 1 Rtl 10 Rtl 24 ß Gesamt 232 Rtl 20 ß Hamburger Schiffer von Königsberg nach Amsterdam 64 Last Weizen 24 Schpf Flachs 124 Schpf Eisen Zwischensumme Feuer-­Geld Tonnen-­Geld 2 Rosenobel und 1 Rtl Gesamt

64 Rtl 6 Rtl 20 Rtl 32 ß 90 Rtl 32 ß 4 Rtl 24 ß 24 ß 10 Rtl 24 ß 106 Rtl 8 ß

Amsterdamer Schiffer von Stockholm nach London für Hamburger Rechnung 1422 Schpf Eisen 237 Rtl 43 Schpf Kupfer 43 Rtl Zwischensumme 280 Rtl Feuergeld 4 Rtl Für Hamburger Gut 2 Rosenobel und 4 Rtl 1/2 Rtl Gesamt 289 Rtl

Englische, schwedische oder holländischer Schiffer von Amsterdam nach Danzig bzw. Königsberg 40.000 Pfd Pfeffer 100 Rtl 12.000 Pfd Tabak 22 Rtl 24 ß 42 Ohm Rheinwein 35 Rtl 2 Fass Holländischer Wein 4 Rtl Zwischensumme 161 Rtl 24 ß Feuergeld 4 Rtl 24 ß Tonnengeld 2 Rosenobel und 1 Rtl Gesamt 166 Rtl Englische, schwedische oder holländischer Schiffer von Königsberg nach Amsterdam 64 Last Weizen 64 Rtl 24 Schpf Flachs 6 Rtl 124 Schpf Eisen 10 Rtl 16 Zwischensumme 80 Rtl 16 ß Feuergeld 4 Rtl 24 ß Tonnengeld 2 Rosenobel und 1 Rtl Gesamt 84 Rtl 40

Amsterdamer Schiffer von Stockholm nach London für sonstige Rechnung 1422 Schpf Eisen 118 Rtl 24 ß 43 Schpf Kupfer 21 Rtl 24 ß Zwischensumme 140 Rtl 24 ß Feuergeld 4 Rtl 24 ß 36 ß 24 ß 36 ß Gesamt

Quelle: StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7k, Q18.

144 Rtl 24 ß

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In den nächsten Jahrzehnten hatte man sich mit den Fragen der beim Sundzoll erforderlichen Zertifikate und Konnossemente – der Frachtbriefe mit Warenwerten – zu beschäftigen.61 Diesbezüglich kommen die Beschwerden gegen die Visitation der dänischen Zollkammer in Betracht. Wegen der strengen Zollkontrollen, die für die Durchsicht der Schiffsladungen viel Zeit in Anspruch nahmen, mussten die Schiffe bis zum Wiederausfahren tage-, eventuell sogar wochenlang an der Zollstelle am Öresund anhalten. Dies betraf „insonderheit diejenige, welche von Hamburg kommen, als welche schärffer als andere – weiln man sie in Verdacht hat – visitirt werden“.62 Da die strenge und zeitraubende Kontrolle eine schnelle Beförderung der Waren hemmte und damit Transaktionskosten erhöhte, galt sie neben dem ungünstigen Zolltarif als eine der größten Belastungen für den Ostseehandel Hamburgs.63 Angesichts dieser Situation ergab sich in Hamburg ein Streit darüber, ob das Problem am Fehlen von offiziellen Ladungsverzeichnissen liege, die von der Stadtobrigkeit zu erstellen seien und den Inhalt der Schiffsfracht authentifizieren sollten. Dies hätte neben Visitationen auch die willkürliche Taxierung durch die dänischen Zöllner zur Folge gehabt. 1742 schlug der dänische Gesandte Christian August von Johnn zur Beseitigung von Unklarheiten vor, dass die Stadt die hamburgischen Schiffe mit speziellen Pässen, die bezeichnet mit Quantität sowie Qualität der Ladung von der Obrigkeit verbürgt werden, versehen sollte. Der Hamburger Syndikus Johann Klefeker und Ratsherr Nicolaus Schuback, die als Gesandte in Kopenhagen weilten und sich für diese Angelegenheit bei holländischen sowie englischen Ministern erkundigt hatten, berichteten Hamburg, dass „aus der Beibringung der Specifiquen Pässe die promte [= prompte] expedirung folge, und daß es sodann keiner Vorzeigung der Connossementen gebrauche, weniger die Schiffe in solchen Fällen sich visitiren lassen dörffen [= müssen]“.64 Bürgermeister Cornelius Poppe, dem der Senat die Bearbeitung dieser Angelegenheit aufgetragen hatte, war dagegen der Meinung, „es würde besser seyn, es beym alten zu laßen, und nichts aufzurühren“.65 Die Stadt beschloss, dass die Erstellung der Pässe „gantz impracticable“ sei, „weil die durch den Oresund gehende Schiffe nicht eintzig und allein von Hamburgern, sondern 61 Baasch: Handelskammer, Bd. 1, S. 43. 62 Commissarius Arnd von Deurs. StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7k, Q20. 63 Die strenge Visitation war auch im Land- und Flusshandel eine Frage, die die Kaufleute immer berücksichtigen mussten. Die Geschwindigkeit der Güterbeförderung war also einer der entscheidenden Faktoren für den Zwischenhandel. Vgl. Kapitel V dieser Arbeit. 64 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7h, Q4. 65 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7k, Q5.

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auch von Altonaern mit befrachtet würden“.66 Die Beurteilung begründete der Rat mit der Aussage, dass „wenn nicht nur die quantitaet, sondern auch die qualitaet der Waaren, auf den Connossementen künftighin specificiret würde, die Dänen ein mehres nicht verlangen, sondern sich damit begnügen lassen würden“.67 Auf diesen Entscheid schrieb Syndikus Klefeker klagend, dass „wir zufrieden seyn könnten, wenn wir gegen die verlangte Specifique Pässe, falls es damit auf den Holländischen Fuß bey uns einzurichten möglich, unsere Leute von der Visitation und den damit sonst verknüpfften vexis [= Ärger] befreyen können“.68 Anschließend kam es zu heftigen Kontroversen zwischen den Stadtrepräsentanten.69 Die Frage fand keinen schnellen Beschluss. Über die Einführung der Pässe wurde 1759 immer noch diskutiert.70 Erst 1769, in Anbetracht der im Gottorper Vergleich endgültig bestätigten privilegierten Position Hamburgs, ging die Stadt zur Erstellung der autorisierten Pässe über.71 Zu Beginn der 1760er Jahren zeigte sich ein Ansatz zum Ausgleich der hundertjährigen handelspolitischen Verschiedenheiten. In diese Zeit fiel der Wendepunkt des hamburgisch-­dänischen Verhältnisses, nicht allein in der Zollfrage, sondern in den gesamten politischen Zusammenhängen. Hamburg trat mit erheblichen Geldmitteln an das finanziell unter Druck stehende Dänemark heran. 66 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7h, Q12. 67 Ebenda. 68 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7k, Q5 – 6. 69 Eine Gegenposition nahm Syndikus Surland ein: Er behauptete, dass „unser Commercium einen bequemen modum wegen Einrichtung der Pässe sich gefallen laße, und die des kleinen details halber erforderliche, und auf unserer Cantzeley vorhin nie gewöhnliche Arbeit, so reguliret werde, daß das Commercium nicht mit mehrern Ausgaben belästiget, annebst in dem Oresund bey Ermangelung der accuratesse zu noch schärferer Inquisition Gelegenheit gegeben werden möge“ und trotz der Pässe „würde dadurch die Difference der bisherigen Verzollung zwischen der Ladung in Hamburgischen und andern Schiffen […] nicht gehoben, und 2tens bliebe deswegen die Visitation der Schiffe […] nicht nach [nachbleiben = wegbleiben, unterbleiben], weil der Schiffer sonst nur einige Connossementen zurückhaltenn und solchergestalt die Güter durchschleichen könnten“ Ebenda, Q7. Ferner wies er, ähnlich wie der Rat, auf den Punkt hin, dass „nicht allein unsere Kaufleute sondern auch die Altonaer in hiesige auf freyem Strome liegende Schiffe einladen; folglich wir niemahls einen accuraten Paß über die gantze Ladung ausstellen können“. Dagegen bestand Klefeker darauf, dass „wir den vexis anders nicht entgehen können, als wenn wir auf den Fuß der Holländer es einrichten können“. Ebenda, Q8 und Q9. 70 Vgl. Ebenda, Q23. 71 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7m, Q1 – 2. Siehe auch unten.

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Infolge der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Dänemark und Russland um Holstein im Jahre 1761 besetzten dänische Soldaten das Gebiet von Hamburg. Um die Truppen abziehen zu lassen, musste die Stadt dem Königreich Dänemark eine große Geldsumme leihen. Als Gegenleistung für die Geldanleihe versprachen die Dänen dem Handel der Stadt Sicherheit zu gewähren.72 In dem Leih- und Freundschaftsvergleich von 1762 sicherte Dänemark fortan die Parität von Hamburg zu, das heißt, sie sollte die gleichen Handelsvorteile wie die Holländer erhalten.73 Die begeisterte Freude der Kaufmannschaft in der Stadt über das Zugeständnis erlebte das nächste Jahr mit dem Empfang der neuen dänischen Zollverordnung eine Enttäuschung. In Hinsicht auf den Sundzoll blieb unklar, ob die Stellung der Hamburger wirklich verbessert wurde, was der Kaufmannschaft „wenig Satisfaction“ bereitete.74 Im Mai 1766, als die Abreise einer Gesandtschaft zu Verhandlungen in Kopenhagen bevorstand, erinnerte die Commerzdeputation den Rat an die Erörterung über die Parität Hamburgs mit den Niederländern und gab den Auftrag, in dieser Sache Fortschritt zu machen,75 weil die Erhebung des Rosenobelgelds und die strenge Visitierung am Öresund nach wie vor den Ostseehandel Hamburgs belasteten. Die Commerzdeputation verlangte, die Verhandlung solle bezüglich dieser zwei Hemmnisse unbedingt zugunsten Hamburgs abgeschlossen werden.76 1768 gelang es Hamburg schließlich, eine endgültige Einigung mit Dänemark zustande zu bringen. Mit Abschluss des sogenannten Gottorper Vergleichs, der die Reichsfreiheit Hamburgs formell anerkannte und dem über 150 Jahre hindurch dauernden Streit zwischen Hamburg und Dänemark ein Ende machte, wurde der Differentialzoll zulasten der Stadt abgeschafft. Der Artikel X des Vergleiches bezieht sich auf die freie Schifffahrt durch den Öresund. Demnach setzte der dänische König „die Stadt Hamburg in dem würklichen Besitz der ihr in dem Copenhagener Receß von 1692. Articulo 6., und in der Convention von 1762 den 30 Junii zugestandenen Zoll- Schiffs- Navigations- und Handels-­Freyheiten im Oresund“, und die Hamburger stellte er „in Ansehung ihres Commercii, den Amicissimis praesentibus & futuris [= gegenwärtigen und zukünftigen Freunden], in allen Vorfällen, und auf alle Art und Weise, 72 Zum beobachteten Verlauf siehe Gallois: Hamburg, Bd. 2, S. 567 f. 73 Auszüge aus der Konvention: StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kc Nr. 5, Vol. 6, Fol. 7r‒8v; Vol. 7, Fol. 2r, 8r‒9r. 74 StAH, Senat Cl.VII Lit.Kc Nr.5 Vol. 6, Fol. 5r‒5v; Vol. 7, Fol. 6r‒7v. Vgl. auch Baasch: Handelskammer, Bd. 1, S. 53. 75 StAH, Senat Cl. VII Lit. Kc Nr. 5, Vol. 7, Fol. 3r‒4v; Baasch: Handelskammer, Bd. 1, S. 54. 76 StAH, Senat Cl. VII Lit. Kc Nr. 5, Vol. 7, Fol. 90r‒93r.

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gleich“.77 Hiermit erlangten die hamburgischen Schiffe Parität mit den neben den Dänen am stärksten begünstigten Nationen wie Engländern, Niederländern oder Schweden. Formell bewahrte man fortwährend die privilegierte Stellung Hamburgs, die im Gottorper Vergleich bestätigt wurde und fortan auch praktische Folgen hatte. Noch am Ende des 18. Jahrhunderts zählte die Stadt neben großen europäischen Seemächten und als einzige der Hansestädte zu den am Öresund begünstigten Handelsflaggen.78 Das Rosenobelgeld scheint bis zur Mitte des Jahres 1769 noch für hamburgische Schiffe und Güter entrichtet worden zu sein, danach aber verschwindet es in den Verzeichnissen der Sundzollregister. Die Frage nach der Entrichtung des Sundzolls verklang nach dem Gottorper Vergleich jedoch nicht gänzlich. Die außenpolitische Stellung Hamburgs war aber nicht die selbe früherer Zeiten. Hamburg kümmerte sich nun sorgfältig darum, seine garantierte Position zu bewahren. 1776 versuchte der dänische König, die Schiffer aller Nationen bei der Erhebung des Sundzolls ein „Agio“ – ein Aufgeld auf jeden bezahlten dänischen Spezies-­Reichstaler (rigsdaler species), also eine tatsächliche Zollerhöhung – entrichten zu lassen. Da diese Änderung auf alle Nationen zielte, zählte sie nicht zu belastenden Sonderbehandlung der Hamburger wie in früheren Zeiten. Wichtig für Hamburg war, dass seine Flagge nicht zugunsten der anderen benachteiligt wurde. Die Stadt gab dem hansischen Agenten in Kopenhagen den Auftrag, dass er bei der Behandlung der Agio-­Frage „alle diensame Vorstellung thue, uns nicht ein mehres abzufordern als von den Engelländern, Schweden und Holländern erlegt werde, indem wir in dem Gottorfer Tractat den amicissimis aequiparirt [= gleichgestellt] sind“.79 Zugleich aber trug man Sorge, nicht zu beharrlich zu sein, um das Gefühl des Königs nicht zu verletzen. Die Commerzdeputierten schlugen dem Rat – unter dem Vorbehalt, dass Hamburg in dieser Angelegenheit genauso wie andere Seemächte behandelt werde – vor, dass sie „um Schiffe und Güter nicht ­aufzuhalten […] diese

77 Der gesamte Text befindet sich im Anhang D. 78 Nach Johann Andreas Lesser: Handbuch für Kaufleute und Seefahrer, welche sich mit dem Ostsee-­Handel beschäftigen und den Sund oder die beyden Belte passiren […], Kopenhagen 1798, S. 37 f., gab es damals „fast kein Unterschied in dem Zoll, den jede Nation bezahlt, und wenn sich ja einer findet, so trift er nur die Waaren, wovon der Zoll mit 1 Pro Cent nach ihrem Werthe, von den begüntigten Nationen erlegt wird, als von den Franzosen, Spaniern, Engländern, Schweden, Rußen, Holländern, Dänen und Hamburgern; dagegen diejenigen, welche unter dieser Benennung nicht begriffen sind, 1 1/4 Pro Cent zu erlegen haben“. 79 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7m, Q5.

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e­ rhöhete Agio […] zu bezahlen belieben“.80 Der Wortlaut scheint zu implizieren, dass sie diesen Vorschlag in Anbetracht der an Bedeutung zunehmenden Ostseeschifffahrt machten.81 Angesichts des Widerspruchs von England, Holland und Schweden ließ Dänemark den Versuch fallen.82 Wie oben erwähnt, war für die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht nur die Höhe der Zollentrichtung wichtig, sondern auch das Tempo beim Verfahren der Zolldeklaration. Dass die hamburgischen Güter gemäß des Gottorper Vergleichs von Visitationen befreit wurden, war deshalb ein großer Fortschritt. In einem Streit zwischen Hamburg und Dänemark um die Erstellung von korrekten Seepässen, die für die reibungslose Öresundfahrt der begünstigten Nationen wichtig waren, weil damit die zeitraubende Visitierung der Ladungen verkürzt wurde, spiegelt sich Ende des 18. Jahrhunderts erneut, wie bedeutsam die Befreiung von der Visitation für Hamburg war, das am Öresund nicht mehr benachteiligt werden wollte. Die Dänen waren zuerst nicht zufrieden mit den hamburgischen Seepässen.83 Sie hegten sogar großes Misstrauen, als bei der Untersuchung von Schiffsverzeichnissen eine von Hamburgern begangene Unrechtmäßigkeit ans Licht gekommen war. 1788 wurde berichtet, dass im April desselben Jahres zwei Hamburger Schiffer mit den Waren, die in ihren Papieren nicht verzeichnet waren, den Öresund zu passieren versuchten.84 Der hansische Agent in Kopenhagen berichtete darüber und zitierte die Note des Grafen von Bernstorff, der in dieser Angelegenheit den Vermittler machte, dass die Stadt sofortige Maßnahmen ergreifen sollte, damit „die Hamburgischen Schiffe fernerhin von Visitation frey bleiben solten“.85 Die Beschwerde Dänemarks wurde in Hamburg sehr ernst genommen. Die Makler und Schiffer, die den Betrug verübten, wurden streng verhört,86 die Commerzdeputation trug die Angelegenheit bei der Versammlung des „Ehrbaren Kaufmanns“ vor und ermahnte die Kaufleute zur Vorsichtigkeit bei der Erstellung der Seepässe. Auch die Makler wurden entsprechend gewarnt.87 Diese Maßnahmen verdeutlichen Hamburgs Besorg 80 Ebenda, Q6; Baasch: Handelskammer, Bd. 1, S. 61. 81 Das Jahr 1776 fällt gerade auf die Abgangsphase des über Hamburg getriebenen Ostseehandels, die der Blütezeit seit dem Gottorper Vergleich folgte. Siehe unten in diesem Kapitel, vor allem Abbildung III-7. 82 Baasch: Handelskammer, Bd. 1, S. 61. 83 Ebenda, S. 59 f. 84 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7n, Q2; Vol. 7o, a). 85 Ebenda. 86 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7n, Q6 und 8; Vol. 7o, d) und g). 87 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7n, Q7.

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nis um den Sundverkehr. Der Rat schickte ein Schreiben an den hansischen Agenten und äußerte die Hoffnung, dass „einzeler, nicht zu unsrer Wissenschaft gekommenen und von uns selbst sehr desapprobirten Contraventionen [= Zuwiderhandlungen] halber, die dem hiesigen Commercio Tractatenmäßig stipulirte Oresunder-­Zoll-­Befreyungen, nicht im allgemeinen beschränckt oder verändert werden“.88 Vom dänischen König wurde dank dieser Behandlung der Sache seine vollkommene Zufriedenheit angezeigt.89

1.3  Handelspolitische Ausgangslage 2: Durchfuhrstreit mit Lübeck Im Gegensatz zu wenig bekannten handelspolitischen Einzelheiten der Sundfrage zwischen Hamburg und Dänemark sind wir durch E. Baasch über den Warendurchfuhrstreit mit Lübeck gut informiert.90 Seine Forschung verfolgte vornehmlich die außen- und innenpolitischen Beziehungen und weniger die praktischen Verhältnisse des Handels. Deshalb wird unten die Literatur durch Archivquellen ergänzt, die die Stimmen der Handeltreibenden erkennen lassen. Seit dem 16. Jahrhundert wurde Lübeck durch das niederländische Eindringen in den Ostseeraum über den Öresund immer stärker bedroht. Die Handelsstruktur zwischen der Travestadt und Hamburg scheint aber dadurch nicht wesentlich verändert worden zu sein. Aus lübeckischen Zertifikaten für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts lässt sich erkennen, dass Tuch immer noch der wichtigste Ausfuhrartikel war, der von Hamburg nach Lübeck befördert wurde.91 Eine andere Quelle bezeugt darüber hinaus, dass sich an die neugestaltete Verkehrsachse zwischen Antwerpen und London im Tuchhandel, die eine damals wichtige Handelslinie bildete, die hansische Handelslinie zwischen Hamburg und Lübeck anschloss. Der Hamburger Kaufmann Hans Hesterbarch, der in Antwerpen englische Tuche aus London einführte, gründete mit Heinrick Lampe in Hamburg und Hinrick Pape in Lübeck mithilfe der Kapitalanlage von Matthias Reder aus Hamburg eine Handelsgesellschaft (matschop). Prozessakten des Reichskammergerichts ­berichten 88 Ebenda, Q4; StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7o, e). 89 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 4, Vol. 7n, Q5; Vol. 7o, f ). 90 Ernst Baasch: Die „Durchfuhr“ in Lübeck. Ein Beitrag zur Geschichte der lübischen Handelspolitik im 17. und 18. Jahrhundert, in: HGbll 13 (1907), S. 109 – 152. 91 Man erkennt aus vereinzelt auf den Zertifikaten vermerkten Herstellungsorten der Tuche, dass sie neben Flandern auch aus Amsterdam, Leiden und England kamen, woraus der Aufstieg der neuen Wirtschaftskräfte (Holland und England) zu ersehen ist. StAH, Senat Cl. VII, Lit. Eb Nr. 10, Vol. 3.

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von einem Teil ihres Geschäftes in den Jahren 1560 und 1561. Es wird berichtet, dass in Antwerpen gefärbte englische Tuche nach Lübeck geliefert wurden. Pape war auch im Livlandhandel aktiv und aus Lübeck schickte er Hanf nach Antwerpen.92 Die Konditionserhaltung des Landweges zwischen Hamburg und Lübeck, die seit dem Mittelalter von beiden Städten besorgt worden war, stand auch am Beginn des 17. Jahrhunderts auf der Agenda ihrer Besprechungen. 1601 wurde in einem Brief von Lübeck an Hamburg vorgeschlagen, auf dem kommenden Hansetag über die Reparatur des Grabens zwischen Lübeck und Oldesloe miteinander zu verhandeln, „damit gleichwoll etwa durch solche mittel die gemeine commercia ab und zufuhr der nutzbaren waren beforderth werden muge“.93 Trotzdem ging der Landhandel nicht reibungslos vonstatten. Ganz im Gegenteil kam es zwischen beiden Städten zu heftigem Streit um die Warendurchfuhr. Als Maßnahme gegen die fremdenfreundliche Handelspolitik Hamburgs seit den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts, die Lübeck großen Unmut bereitete, griff das Haupt der Hanse zu verschärften Verkehrsbeschränkungen, die zu den herkömmlichen Waffen mittelalterlicher Stadt- und Hansewirtschaftspolitik gehörten. Die hier angesprochene Verkehrskontrolle beschränkte die freie Durchfuhr der über Lübeck nach Hamburg beförderten Güter. In Lübeck sollten sie kurz den Bürgern zum Kauf angeboten werden und erst danach, wenn sich keine Käufer gefunden hatten, gegen Zollzahlung freigegeben werden. Wurde auch schon in der Mitte des 16. Jahrhunderts die Durchfuhr erschwert, richtete sie sich damals gegen Holsten und Dänen und war mit besonderen Umständen wie Teuerung oder Krieg verbunden.94 Im folgenden Jahrhundert untersagte Lübeck aber die freie Durchfuhr prinzipiell allen Fremden, auch Hamburgern. Zum Unglück des hamburgischen Ostseehandels fiel der Beginn der Durchfuhrbeschränkung gerade in die Zeit, als die Seeschifffahrt in den Ostseeraum durch die dänische Öresundpolitik behindert wurde. 1604 – 1608 erreichten den Lübecker Rat häufig Beschwerden hamburgischer Kaufleute.95 92 StAH, RKG R41, Q10. 93 StAH, Senat Cl. Vl, Nr.1a Vol. 1, Fasc. 10, Lübeck an Hamburg 1601. 94 Adolf Jürgens: Handelsgeschichte, S. 111 f. Die Beschränkung gegen dänische Untertanen wurde in der Folgezeit fixiert. In der neuen Kaufmannsordnung vom 28. August 1607 wurde die Durchfuhr aller von Dänen eingeführten Waren verboten. 95 AHL, ASA Externa Deutsche Territorien, Nr. 5374. StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 12, Vol. 1a. Es handelte sich um die Durchfuhr von bestimmten Waren: Kupfer, Wachs, Butter, Lachs, und später Getreide.

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1607 erließ der lübeckische Rat eine neue Kaufmannsordnung, in der nach Artikel 7 der Gästehandel verboten wurde.96 Bei der Interpretation dieser Vorgänge sollte man aber beachten: Zwar gab es in Hamburg und Lübeck in der Handelspolitik – der Fremdenpolitik und dem daran entzündeten Durchfuhrstreit – unterschiedliche Bestimmungen, die man etwa als „mittelalterlich“ und „neuzeitlich“ unterscheiden könnte,97 aber es wäre trotzdem nicht angebracht, sie mit diesen modernen Begriffen verstehen zu wollen. Diese Unterschiede bezeugen nichts anderes als einen Interessengegensatz zwischen den Städten, die einfach ihren Eigennutz verfolgten, wobei kein konsequentes, auf einem theoretischen Gedanken fußendes Prinzip der Handelspolitik festgestellt werden kann. Gegen die von hamburgischen Kaufleuten vorgebrachte Klage über die „gemeine hantierunge hochschetliche neuerunge“98 im Jahre 1606 wandten die lübeckischen Frachtherren und Kaufleute in ihrem an den Rat eingereichten Gutachten ein: Es habenn auch die Hamb. selber diese ordningk, das nicht alle, sonndernn nur etliche gewisse guter alda mogen durchgefuhret werden. Wie sie dann auch uff der Elbe nicht alleinn so weit sich ihre Jurisdiction erstrecket, sonndernn bis inn die Sehe sich annehmenn, Zuvorhindern, das einig gärste, höpffe oder ander kornn ab, Vnnd Ihnen nicht Zugefuhret werde.99

Demzufolge regulierte auch Hamburg die Warendurchfuhr.100 Ferner lässt sich entnehmen, dass der Getreidetransport auf der Elbe ebenfalls kontrolliert wurde. Dies wurde auf Grund des mittelalterlichen Stapel- und Niederlagsrechts in der Tat durchgeführt, wovon im Kapitel V die Rede ist.101 Gegenmaßnahmen gegen das Vorgehen Hamburgs konnten nicht ergriffen werden, denn Einschränkungen dieser Rechte waren durch das Reichsrecht verboten.102 96 Dabei wurde sogar den Lübecker Bürgern untersagt, mit fremdem Geld Handel zu treiben. Baasch: Durchfuhr, S. 115. 97 Oder „traditionell“ und „revolutionär“. Vgl. Pelus-­K aplan: Merchants and Immigrants. 98 AHL, ASA Externa, Deutsche Territorien 5386, Fol. 1v. Es ging um die Durchfuhrbehinderung von schwedischem Kupfer. 99 Ebenda, Fol. 7r. 100 Vgl. Kapitel II dieser Arbeit und Baasch: Durchfuhr, S. 119. 101 Im Allgemeinen bedeutete das Stapel- und Niederlagsrecht das Recht einer Stadt, mit dem sie die Kaufleute zur Unterbrechung der Reise, zum ausschließlichen Besuch gewisser Märkte, zum Anlaufen bestimmter Häfen, bezüglich ihrer Waren zum Niederlegen, Feilbieten, Verkaufen, Umschlag in andere Fahrzeuge, Übergabe an Spediteure zwingen konnte. Gönnenwein: Stapel- und Niederlagsrecht, S. 1. 102 Baasch: Durchfuhr, S. 114.

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Ferner ist zu betonen, dass sich die Städte in dem Punkt einig waren, den Zustand der Handelswege zwischen ihnen in Ordnung zu halten. Als Beispiel dafür wurde bereits die anvisierte Grabeninstandsetzung zu Beginn des 17. Jahrhunderts angeführt. Auch in der Folgezeit führten die Städte gemeinsame Aktionen durch, zum Beispiel die Verhandlung mit Landesherren, um für Verkehrssicherheit zu sorgen. Seit 1620 kommunizierten Hamburg und Lübeck miteinander „wegen anordnung einer Confoy“, eines Begleitschutzes, die sie für die „versicherung der straßen“ in den Ämtern Reinbek und Trittau vom Herzog Schleswig-­Holstein zu erlangen suchten.103 Das Verhältnis zwischen Hamburg und Lübeck war also ambivalent. Da für Kauf- bzw. Fuhrleute in Lübeck der Verkehr mit Hamburg für ihre Erwerbstätigkeit wichtig war, war für sie die Kooperation der Hamburger und Niederländer im Ost-­West-­Handel entsprechend beschwerlich. Aus dem oben genannten Gutachten von 1606 lässt sich entnehmen, dass sich die lübeckischen Frachtherren und Kaufleute von ausländischen Einflüssen fernhalten wollten: Diesweilnn was alhie Vonn gutern auß der ostsehe kommendt, gekaufft unnd verhandlet wirdt, solches alleinn Vonn [lübeckischen] Burgern, Vnnd mit derselbigenn, Vnnd keinem frembdenn gelde geschichtt, darumb wir auch billigk darbei Zuschuzenn seinn, da hingegen Zu Hamburgk viell frembde, Vnnd derselbigenn geldtt, die börse unnd Kauffmannschafft, halten und treiben, Derowegen Vnnd wann Vnns ann solcher Vnnser freiheit etwas enzogenn werdenn solte, das frömbde Niederländische unnd andere geldt, so häuffig sich hereinn, Zu unns tringenn würde, das[s] wir alhier aller handtierung unnd Nahrungk endtblösset, dieselbigenn inn frömbde hende und gewaldt sehenn, unnd Clagen mostenn.104

Hier wird argumentiert, dass der Handel der Lübecker aus der Ostsee zu schützen sei, da er von Einheimischen mit lübeckischem Geld betrieben werde. In Bezug auf mögliche Reaktionen auf Handelsbeschränkungen von Seiten Hamburgs trugen sie die folgende Ansicht vor: Vnnd seinn obgemelte ordnung niemals Vonn dehnen guternn, Welche Vonn Hamburgk hieher geschickett, Vnnd Vonn hinnenn Wiederumb Zur Sehewerts wegk geschiffet werdenn, Verstanden, dann solches ist unnd bleibet Jhnenn Jederzeit frei unnd ongehindert, darumb wir Vnns auch inn gleichem Zu Jhnennm Vmb so Viell weniger vorsehenn wollen, das sie Vnns, was wir fur guter Vff Hamburgk Vnnd Vonn dannenn ann andere örte schickenn, darann einige hinderung thun werdennn oder können.105

103 AHL, ASA Externa, Deutsche Territorien 5392, Zitat Fol. 1r und 4r. 104 AHL, ASA Externa, Deutsche Territorien 5386, Fol. 8r‒8v. 105 Ebenda, 9r.

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Danach sollten die von Lübeckern nach Hamburg geschickten Waren dort nicht aufgehalten werden, da in Lübeck die freie Durchfuhr für Ladungen aus Hamburg gestattet sei. Hier wird der Standpunkt Lübecks ersichtlich, dass die Waren, die man im Ostseeraum nach Westen transportierte, Lübeckern in die Hand gegeben werden sollten, während westliche Güter außerhalb lübeckischer Kontrolle standen. Diesen Standpunkt könnte man auch so interpretieren, dass damals in Lübeck eine Verteilung der Distributionsfunktion beider Städte im Ost-­West-­Handel bedacht wurde.106 Hingegen monierten die hamburgischen Fuhrleute 1622, dass sie in Lübeck keine Güter aufladen konnten, obwohl „die Lübschenn fast tegelich vonn Lübeck full befracht anhero kommen, vonn hier alle alle [sic!] mit einander ungehindert mit fuller fracht wieder nach Lübeck reisenn“.107 Die Verhandlungen zwischen Hamburg und Lübeck um die Warendurchfuhr setzten sich fort, man fand aber wenige Kompromisse. Die beiden Städte verfolgten nach wie vor ihren Eigennutz. 1622 befahl das Reichskammergericht den Lübeckern in einem Mandat die Beseitigung der Behinderung und die Herstellung der freien Durchfuhr. Dagegen legte Lübeck Einspruch ein und griff die Fremdenpolitik Hamburgs scharf an.108 1632 wurde die oben genannte Kaufmannsordnung von 1607 erneuert, die bemerkt: „Keynerley aber können des fremden Socii und Mascops Güter dieses Orts wieder die fundamental Gesetze der Stadt an Frembde verkauft oder durchgeführt werden“.109 Hinter diesen offensichtlichen Disputen aber bemühten Hamburg und Lübeck sich, Einrichtungen zur Förderung des Landhandels zu schaffen. Neben den gemeinsamen Verhandlungen mit Landesherren für die Sicherheit der

106 1610 legten die Lübecker den Hamburgern offiziell vor, dass allen Hamburgern und Einwohnern die freie Durchfuhr der Waren, die „nicht in und an der Ostsehe gefallen“, sondern aus der West- in die Ostsee gebracht würden, erlaubt sein solle. Baasch: Durchfuhr, S. 121. 107 StAH, Senat Cl. I, Lit. Nd Nr. 18, Fol. 11v. 108 Baasch, Durchfuhr, S. 127. Eine neben dem Vorwurf gegen die hamburgische Fremdenpolitik geäußerte Bemerkung ist für die vorliegende Untersuchung suggestiv: Hamburg habe früher Ostseehandel nicht getrieben; während die Lübecker in blutigen Kriegen „ihre freye Commercia“ hätten erstreiten müssen, hätten die Hamburger ihnen „niemaln die geringste assistentz und hülfe geleistet“. Diese Ansicht stimmt mit der im Kapitel  II vorgelegten Hypothese überein, dass die Aufnahme der west- und südeuropäischen Kaufleute in Hamburg seinen Ostseehandel förderte. Der geäußerte Unmut Lübecks mag den damaligen Tatbestand spiegeln, dass der hamburgische Ostseehandel den lübeckischen zu bedrohen begann. 109 Zitat aus Ebenda, S. 129.

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Straßen110 wurden städtische Vorschriften für das Speditionsgeschäft zwischen Hamburg und Lübeck erlassen. 1641 verkündete der hamburgische Rat eine Ordnung für die „Bestätter der Güter und Waaren, so auf Lübeck und Oldesloe geführet werden sollen“.111 Die danach folgende „Wagen-­Ordnung der Kutschen und Wagen so zwischen Lübeck und Hamburg fahren sollen“ von 1651 war sogar ein gemeinsamer Erlass der beiden Städte.112 Bei diesem ambivalenten Verhältnis stellt sich die Frage, inwieweit sich das Durchfuhrverbot in der Praxis auswirkte. Nach der langen Debatte seit dem Jahre 1660, in dem Hamburg beim Reichskammergericht eine Strafe gegen Lübeck wegen der Missachtung des Mandates von 1622 beantragt hatte, berichtete Lübeck 1670, dass die Durchfuhr stets von Fall zu Fall einstweilig gestattet gewesen war.113 Es gibt Beispiele, wie unten angeführt, die diese Aussage unterstützen: Tatsächlich wurde die Durchfuhr jeweils aber erst genehmigt, nachdem die jeweiligen Waren in Lübeck zum Verkauf standen. Doch selbst diese Verhandlung konnte schon ein großes Hemmnis für die hamburgische Warenvermittlung sein, weil sie die Zeit für den Transport verlängerte und folglich Unsicherheit, Risiko und Kosten beim Transport erhöht wurden. Man konnte in Hamburg nicht vorausberechnen, wann – sogar ob – Waren, die über Lübeck transportiert wurden, ankamen, was die gesamten Prozesse des Zwischenhandels verwirrte. 110 Im Stadtarchiv Lübeck sind die Verhandlungen Hamburgs und Lübecks mit den Herzögen von Schleswig-­Holstein und Sachsen-­Lauenburg um den Begleitschutz bis 1660 aufbewahrt. AHL, ASA Externa, Deutsche Territorien 5392. 111 Vgl. Ernst Baasch: Die Organisation des alten Land-, Fuhr- und Frachtwesens in Hamburg, Hamburg 1902. Diese Ordnung entspricht genau den Art. 1 – 9 der Ordnung von 1720, die in BLANK, Sammlung, Bd. 2, S. 954 – 956 gedruckt ist. Hier interessant sind die ersten drei Bestimmungen, die sich auf den damaligen Verkehrszustand beziehen. Es wurde bestimmt, dass „zu jeder Zeit Fuhrleute vorhanden seyn“ (Art. 1) sollen, insbesondere, wenn „es Börsen-­Zeit ist, sich daselbst finden lassen“ (Art. 2) und die „Verbindungen, so von ihnen im Namen und auf Befehl der Kaufleute geschehen, […] ohne List und Betrug, auch ohne Ansehung einiger Geschenk und Gabe […] verrichtet werden“ (Art. 3) sollen. Da die nach diesen Artikeln die zu regulierenden Erscheinungen (Abwesenheit der Fuhrleute und Forderung von Zuschlägen) die Spedition betrafen, wurden die Vorschriften vermutlich angesichts der Situation erlassen, dass die Nachfrage nach Spedition im Vergleich zum Angebot größer war. 112 In der Überschrift lautet: „Als ist von beyden Erb. Städten Städten [sic!] Lübeck und Hamburg, für guth und rathsam befunden worden, daß deswegen [wegen der Klagen und Beschwerden] eine gewisse Ordnung gemacht und auffgerichtet“. Gedrucktes Folium in StAH, Senat Cl. I, Lit. Nd Nr. 18. 113 Baasch: Durchfuhr, S. 133.

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Im Laufe der Zeit erkannten und befürchteten die Lübecker zugleich, dass die Behinderung in Lübeck der Direktfahrt durch den Öresund zugutekommen würde. Der Aufschwung des Handels der Dänen und Schweden machte es immer schwieriger, Ausländern die Pflicht zur Niederlage von Waren aufzudrängen. Dazu kam die Konkurrenz der Nachbarstädte wie Kiel, Neustadt, Flensburg, Schleswig und Eckernförde, die den Verkehr von Lübeck an sich zu ziehen drohten. In Lübeck verbreitete sich die Auffassung, dass neben dem Eigenhandel auch das Kommissionsgeschäft und die Spedition ihr Anrecht hätten.114 Resignation und Realismus führten zur Auflockerung der rigorosen Politik. 1681 gab der Rat auf zwei Jahre die Durchfuhr von Eisen, Teer, Hanf und Kupfer frei.115 Seit 1705 wurde in Lübeck diskutiert, ob man die Durchfuhr freier machen sollte. Die Gründung des russischen Ostseehafens St. Petersburg (1703), durch die sich der Ostseehandel Hamburgs neu ausrichten musste, und das Ende des Großen Nordischen Krieges (1721) brachten wichtige Anregungen zu diesem Verhaltenswechsel. Auf hamburgischer Seite wurde die Notwendigkeit gesehen, ungehindert über Lübeck handeln zu können, da die vorausgesehene Konzentration des russischen Handels auf St. Petersburg, das das am Weißen Meer liegende Archangelsk ablösen sollte, den Zugang zur Ostsee wichtiger machte. Auf Lübecker Seite sah man es als nötig an, die Durchfuhr freier zu gestalten, weil der Handel über Lübeck durch die mögliche Zunahme der hamburgischen Fahrt nach St. Petersburg durch den Öresund an Bedeutung verlieren würde.116 1728 beschloss der lübeckische Rat den Verzicht auf die eidliche Erklärung bei der Annahme der Zertifikationszettel und es „soll hierüber keine schriftliche Verordnung ergehen noch per Decretum etwas festgesetzet, sondern die hergebrachte Stapel-­Gerechtigkeit in ihrem Wesen unverändert gelassen werden“. Dies war nach Baasch die faktische Aufhebung des Durchfuhrverbots.117

1.4  Vor- und Nachteile der See-, Fluss- und Landwege Bei der Gründung von St. Petersburg wurde beim Rat in Hamburg 1714 eine „unvorgreifliche Anmerkung E. E. Kaufmanns auf Moscovien über die von Archangelsk nach Petersburg zu transportiren vorstehende Handlung“ eingereicht. Angesichts der bevorstehenden Verlagerung des Zugangsortes zum russischen Markt bemerkte man darin über die Routen im Ostseeraum: 114 115 116 117

Ebenda, S. 135 – 137. Ebenda, S. 136. Ebenda, S. 145 – 147. Ebenda, S. 149 f.

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Die Fahrt von der Elbe ab recta durch den Sund ist ungefehr 150 Meilen weiter umb als über Lübeck, welches im Sommer wenig, im Winter aber und zu Herbstzeiten schon viel zu sagen hat; dabey komt in Consideration, daß diese Fahrt alle Zeit sehr gefährlich seyn wird, weil der König von Dennemarken alle Zeit, wenns Ihm gefällt und er einige Praetension an die Stadt zu formiren willens ist, unsere Schiffe im Sunde anhalten und seine Satisfaction daraus nehmen kan. Würde aber die Fahrt nach Petersburg von hier ab über Lübeck eingereichet, so ist bekannt, wie jeloux die Lübecker auf ihre Handlung sind, indeme sie schon vor Frembde [= von Fremden] nach Michaeli [= 29. September] kein Korn oder Saet mehr wollen durchpassiren lassen […].118

Hamburgs Besonderheit bestand darin, dass die Stadt im Verkehr zum Ostseeraum über mehrere Routen verfügte: die eine auf der See, die andere durchs Land. Die letztere Route war ferner in zwei Strecken geteilt, die Lübeck zum Ziel hatten. Man konnte entweder die Landstraße bis zur Zwischenstation Oldesloe benutzen, von der der Wasserweg auf der Trave die übrige Teilstrecke überbrückte, oder die Wasserstraße auf der Elbe und dem Stecknitzkanal. Die oben in diesem Kapitel geschilderten Einzelheiten der geographischen, infrastrukturellen und handelspolitischen Voraussetzungen beeinflussten das Handeln der am Transport beteiligten Personen maßgeblich. Hier werden die Vor- und Nachteile der See- sowie Land- und Flusswege zusammengestellt. Es ergeben sich deutlicher Kontraste zwischen ihnen, die bei der Routenauswahl besonders berücksichtigt worden sein müssen. Tabelle III-2: Vor- und Nachteile beim Verkehr zwischen Hamburg und dem Ostseeraum auf See- und Land/Kanalwegen Seeverkehr + Umfangreicher Transport − Großer Umweg − Eis in der Winterzeit − Gefahr von Schiffbruch − Gefahr der Piraterie und Kaperei − Dänische Zollbelastung im Öresund seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts bis 1768 (zusätzliche Gebühr und strenge Ladungskontrolle bei hamburgischen Schiffen und Waren)

118 Baasch: Quellen, S. 328 f.

Land- und Kanalverkehr + Kürzere Strecke + Sicherheit beim Transport + Landweg auch in der Winterzeit benutzbar − Eis in der Winterzeit auf dem Kanal − Geringere Transportkapazität − Durchfuhrbeschränkung Lübecks seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts bis 1728 (Verkauf der Ostseeprodukte an lübeckische Bürger)

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Der wesentliche Vorteil des Seetransportes lag in der großen Transportkapazität der Seeschiffe. Logisch gedacht wäre der Verkehr durch den Öresund von Bedeutung, insofern zwischen Hamburg und dem Ostseeraum schwere Massengüter ein- oder ausgeführt wurden. H. Kellenbenz hat in seinem Überblick über das europäische Verkehrswesen festgestellt, dass schon im Spätmittelalter die Seeschiffe geeignet gewesen seien, „Massengüter wie Wolle oder Getreide und Metalle zu befördern“, und dass sie „dadurch dem Landverkehr beträchtlich überlegen“ gewesen seien.119 Er hat aber an mehreren Stellen auch betont, dass beim maritimen Transport regelmäßig zahlreiche Komplikationen aufgetreten seien. Eines der Hindernisse im seeseitigen Ostseehandel Hamburgs bereitete die weite Fahrtstrecke entlang der jütischen Halbinsel. Von Hamburg bis zum Öresund muss man mehr als 880 Kilometer bewältigen. Neben dieser geographischen Bedingung konnten technische Probleme und natürliche Gegebenheiten die Reise erheblich verlängern. Die Fahrtgeschwindigkeit der Segelschiffe richtete sich ganz nach dem Wind.120 Bei Sturmwetter musste man die Segel einholen, ankern und die Reise auf der See oder in einem Hafen unterbrechen. So gab es damals keine „durchschnittliche“ Seereise. Beispielsweise nahm die Fahrt von Helsingør nach Hull am Beginn des 17. Jahrhunderts im schnellsten Fall nur eine Woche in Anspruch, im langsamsten dauerte sie aber beinahe fünfmal so lange.121 Die schwankende Reisedauer musste die Transaktionskosten beträchtlich erhöht haben. Winters musste man mit der Fahrt bis Frühling warten, denn die Ostsee war wegen des niedrigen Salzgehaltes und der geringen Bewegung der Gezeiten häufig mit Eis bedeckt, nicht selten bis auf die ganze Seefläche.122 Man musste auch mit der Gefahr von Schiffbrüchen, Piraterie und Kaperei rechnen. Dagegen erlaubte die Route zwischen Hamburg und Lübeck auf dem festen Land eine viel kürzere und sicherere Reise. Dazu war der Landweg frei von Wintereis. Angesichts dieser Vorzüge scheint es etwas Natürliches zu sein, dass man 119 Hermann Kellenbenz: Landverkehr, S. 67. 120 Im Zeitalter der Segelschiffe musste man beim Seeverkehr immer den Wind berücksichtigen. Der Hamburger Bürgermeister Johann Schulte schrieb im Jahre 1680 an seinen Sohn in Lissabon: „Der Windt ist allhie vom 7 xbris [= Dezember] biß an heute dato Ost gewesen, dannenhero [ich auf ] eine kurtze überkunfft hoffe.“ Ernst Merck (Hg.): Briefe des Hamburgischen Bürgermeisters Joh. Schulte an seinen in Lissabon etablirten Sohn Joh. Schulte, geschrieben in den Jahren 1680 – 1685, Hamburg 1856, S. 5. 121 Kirby/Hinkkanen: The Baltic and the North Seas, S. 77. 122 Ebenda, S. 15.

Handelsrouten und handelspolitische Voraussetzungen

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seine Waren Fuhrwerken anvertrauen wollte. Die Landspedition war aber mit geringeren Transportkapazitäten gegenüber der Schiffsverfrachtung entscheidend benachteiligt.123 Eine Maßnahme zur Überwindung dieses Nachteils war der Kanalbau. In unserem Fall erreichte man durch den Bau des Stecknitzkanals eine etwas längere Fahrtstrecke als diejenige des Landweges über Oldesloe. Sie war aber bedeutend kürzer als der Seeweg, und die Kanalschifffahrt ermöglichte umfangreichere Transporte als Fuhrwagen. Während Hamburg vorzügliche Handelsmöglichkeiten mit dem Ostseeraum bot, indem von dort drei Routen verfügbar waren, wurden dem Verkehr aber handelspolitische Schranken gesetzt. Diese konnten gegebenenfalls die oben genannten Vorteile verringern. Lag beispielsweise ein großer Vorzug des Landweges in der hohen Berechenbarkeit der Transportdauer, mit dem Ungewissheiten und Transaktionskosten niedrig gehalten werden konnten,124 machte das Aufhalten der Warendurchfuhr in Lübeck diesen wieder zunichte. Ein Bericht der hamburgischen Fuhrleute von 1622 zeigt, dass dadurch zählbarer Schaden entstehen konnte. Ein Marten Pöterßen wollte Güter, die nach Spanien weitergeleitet werden sollten, über Lübeck spedieren lassen. Sie wurden aber, obwohl in Hamburg bereits „der Schipper auch dorauff unnd auff den Windt gelegen“ waren, „wegenn dis Verbotts“ in Lübeck aufgehalten und kamen „nicht zu rechter Zeitt“ an. Dadurch entstand 300 Taler Schaden.125 Insgesamt scheint es, dass unter diesen Umständen eine positive Handelsentwicklung sehr schwer wäre. Die Untersuchungsergebnisse aus Kapitel II lassen dagegen darauf schließen, dass der Ostseeraum auch im 17. und 18. Jahrhundert ein bedeutender Bestandteil des hamburgischen Zwischenhandels blieb. Wie konnte der Ostseehandel Hamburgs dann überhaupt funktionieren? Um dieser Frage nachzugehen, hat die folgende Analyse Handelsbewegungen und Warenumschlag vom 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zum Thema. Bei solch langfristigen Beobachtungen ist eine angemessene Periodisierung 123 Walter Grosshaupt: Kaufleute, Waren, Geldhandel und Nachrichtenübermittlung in der Neuzeit, in: Rainer Koch (Hg.): Brücke zwischen den Völkern. Zur Geschichte der Frankfurter Messe, Bd. 1, Frankfurt 1991, S. 219 – 247, hier S. 225 f. 124 Da der Handel eine Zusammensetzung von mehreren Ein- und Verkäufen sowie Einund Ausfuhren ist, spielt die feste Transportdauer eine wichtige Rolle. Wenn das Datum der Warenankunft berechnet werden kann, können alle Prozesse eines Handels fließend laufen; wenn nicht, steigen die Kosten. In der vormodernen Zeit war die Unsicherheit, die sich auf die Berechenbarkeit negativ auswirkt, sehr hoch. 125 StAH, Senat Cl. I, Lit. Nd Nr. 18, Fol. 11r.

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­ ötig. Im Kapitel II ist festgestellt worden, dass die ersten Dekaden des 18. Jahrn hunderts eine Zäsur im hamburgischen Zwischenhandel markierten, nämlich die Zeit des Aufschwungs der atlantischen Wirtschaft. Dieser Feststellung folgend setzt der zweite Teil des folgenden Kapitels zur Anfangsphase der „Atlantikzeit“ ein. Auch aus Sicht der Außenbeziehungen wäre diese Zeitgliederung zutreffend, da gerade in diese Periode bedeutende Ereignisse für den Ostseeverkehr fielen: der Große Nordische Krieg, die Gründung von St. Petersburg und die Aufhebung des lübeckischen Durchfuhrverbotes. Vor der Atlantikzeit soll vor allem die Auswirkung des Dreißigjährigen Kriegs auf die hamburgische Umschlagfunktion betrachtet werden.

2.  Hamburgs Ostseehandel vor der Atlantikzeit Die Bedeutung des Ostseehandels für die europäische Ökonomie in der Frühen Neuzeit ist in der Literatur unumstritten. Seit dem 16. Jahrhundert nahmen vor allem die im Ostseeraum produzierten Massengüter wie Getreide, Holz, Waldwaren, Flachs, Hanf oder Metalle, deren Transport Niederländer bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts und dann neben ihnen Engländer dominierten, an Bedeutung zu und der Ostseeraum erhielt damit seinen Charakter als Nahrungs- und Rohstofflieferant für westliche Länder in immer stärkerem Maße.126 Die Tatsache, dass die den Öresund ostwärts passierenden Schiffe öfter nur mit Ballast als Ladung fuhren,127 ist der Grund für die negative 126 Klaus Zernack: Der Ostseehandel der frühen Neuzeit und seine sozialen und politischen Wirkungen, in: Marian Biskup/Klaus Zernack (Hg.), Schichtung und Entwicklung der Gesellschaft in Polen und Deutschland im 16. und 17. Jahrhundert. Parallelen, Verknüpfungen, Vergleiche, Wiesbaden 1983, S. 1 – 20, hier S. 5. Die Beschaffung dieser Waren stellte eine unverzichtbare Nachschubquelle für westliche Länder dar, was zu einem heftigen Kampf um die politische sowie wirtschaftliche Herrschaft über den Ostseehandel zwischen west-, nord- und osteuropäischen Mächten führte. Siehe dazu Herbert Langer/Hans-­Joachim Hacker: Fernhandel und Feudalmacht im Ostseeraum in der frühen Neuzeit (1560 – 1660), in: Konrad Fritze/Eckhard Müller-­Mertens/ Johannes Schildhauer (Hg.): Der Ost- und Nordseeraum. Politik – Ideologie – Kultur vom 12. bis zum 17. Jahrhundert, Weimar 1986, S. 36 – 56. Zu den Produktionsgebieten dieser Waren im Ostseeraum siehe: Artur Attman: The Russian and Polish Markets in International Trade 1500 – 1650, Göteborg 1973, passim. 127 Das liegt zum Teil daran, dass die von Westen nach Osten beförderten Güter oft aus leichteren Fertigprodukten bestanden, die im Vergleich zu Massengütern wie Getreide und Rohstoffe aus der Ostsee weniger Frachtraum in Anspruch nahmen. Dazu wurden die teureren westlichen Waren häufig geschmuggelt.

Hamburgs Ostseehandel vor der Atlantikzeit

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Handels­bilanz Westeuropas,128 die die westlichen Länder durch die Bezahlung mit Edelmetallen ausgleichen mussten.129 Dennoch galt der Ostseeraum als großer Absatzmarkt westlicher Produkte, die gegen Nahrungsmittel und Rohstoffe getauscht wurden. Aus dem Westen kamen hauptsächlich Tuche, Hering, Salz, Wein, Südfrüchte (und im 18. Jahrhundert zunehmend Kolonialwaren).130 Wie entwickelte sich dann der Handel im Falle Hamburgs?

2.1  Verkehr auf See-, Fluss- und Landwegen Schlägt man in den von N. Bang und K. Horst publizierten Sundzollregistern (SZR) nach,131 dann erkennt man, dass es auf der Meeresstraße von verschiedenen Schiffen, niederländischen, englischen, französischen oder skandinavischen wimmelte, darunter waren aber wenig hamburgische. Die Herkunft kann dabei so eindeutig festgestellt werden, da die SZR die Heimathäfen der Schiffer immer angaben.132 Eine eindeutig abnehmende Tendenz in der Zahl der hamburgischen Schiffe im Ostseeverkehr gab es seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts. Bis dahin wurden mehrere Jahre mehr als 100 durch den Öresund fahrende hamburgische Schiffe gezählt, nicht selten 180 – 200 und bis zu 262. Danach

128 Auch in Hinsicht auf die oben in Anm. 127, S. 140 genannten Gründen dürfte im Ganzen der Ausfuhrwert von der Ostsee bei weitem den Einfuhrwert von Westeuropa übertroffen haben. Dies galt vor allem für die Niederlande. Im Gegensatz zu dieser Tendenz stand England, das größere Warenwerte in den Ostseeraum brachte, als es holte. Siehe Aksel Erhardt Christensen: Sundzollregister und Ostseehandel, in: Conventus Historicolum Balticorum Rigae 1937, Riga 1938, S. 391 – 400, hier S. 398 – 400. 129 Vgl. Artur Attman: The Bullion Flow between Europa and the East (1000 – 1750), Göteborg 1981, S. 59 – 92. Zu Edelmetalldistribution und Geldumlauf im Ostseeraum siehe Michael North: Bullion Transfer from Western Europe to the Baltic and the Problem of Trade Balances: 1550 – 1750, in: Eddy van Cauwenberghe (Hg): Precious Metals, Coinage and the Changes of Monetary Structures in Latin-­America, Europa and Asia, Leuven 1989, S. 57 – 63. 130 Zur Übersicht über den Warenverkehr durch den Öresund siehe Willem S. Unger: Trade Through the Sound in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, in: EcHR, 2nd ser., 12 – 2 (1959), S. 206 – 221. 131 Nina Ellinger Bang/Knut Korst (Hg.): Tabeller over Skibsfart og Varentransport gennem Øresund 1497 – 1660; Tabeller over Skibsfart og Varentransport gennem Øresund 1661 – 1783 og gennem Storebælt 1701 – 1748, 7 Bde., Kopenhagen/Leipzig 1903 – 1933. Im Folgenden werden alle Angaben aus den Sundzollregistern als SZR verzeichnet. 132 Wenn im Folgenden den in den Sundzollregistern verzeichneten Schiffen Attribute wie „Hamburger“, „Stralsunder“, „niederländisch“ usw. beigefügt werden, ist gemeint, dass das Schiff von einem Schiffer aus dem bezeichneten Ort gefahren wurde.

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erreichten ihn nur in einigen Jahren mehr als 50.133 Die oben ausgeführte dänische Zollpraxis, die auf Hamburger Schiffe mit langwierigen Visitationen und höheren Zollgebühren zielte, erschwerte den Verkehr hamburgischer Schiffe zur Ostsee beträchtlich. Daraus lässt sich jedoch nicht ohne weiteres schließen, dass die seewärtigen Kontakte mit dem Ostseeraum über Hamburg um 1600 rasch zu völliger Bedeutungslosigkeit herabgesunken waren. Hier zu erwägen ist die Bedeutung des Zwischenhandels. Lagen die Grundzüge der wirtschaftlichen Rolle Hamburgs in einer Vermittlungsfunktion,134 dann sollte der Unterschied zwischen der eigentlichen hamburgischen Schifffahrt und Schifffahrt über Hamburg festgestellt werden. Man muss berücksichtigen, dass zwischen Hamburg und den Ostseehäfen nicht nur Hamburger Flaggen verkehrten. Auswärtige Schiffe konnten ebenfalls den Hamburger Hafen im Verkehr mit der Ostsee benutzen.135 Für solche Fahrten bieten die SZR bis zum Jahre 1669 keine nutzbaren Aussagen, weil darin bis zu dieser Zeit Zielhäfen nicht vermerkt sind. Von auswärtigen Schiffern gesteuerte Schiffe, wenn sie auch von der Zwischenstation Hamburg oder nach Hamburg – gegebenenfalls mit Ladungen hamburgischer Kaufleute – fuhren, erscheinen nicht als Hamburger Schiffe. Da die Abgangshäfen notiert sind, bezieht sich diese eingeschränkte Aussagekraft der Quellen vorwiegend auf den westwärtigen Verkehr aus der Ostsee nach Hamburg. Daher bieten die SZR allein für die Analyse des hamburgischen Zwischenhandels mit dem Ostseeraum nur ungenügende Anhaltspunkte. Um die Informationslücke der SZR zu schließen, wird hier eine andere Quellengattung als Vergleichs- und Ergänzungsmaterial benutzt, namentlich die im Staatsarchiv Hamburg aufbewahrten und einst von E. Baasch ausgewerteten Hafenregister, sogenannte Schifferbücher aus dem Ende des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.136 Sie weisen zwar viele Unterbrechungen auf, aber in ihnen wurden grundsätzlich alle einkommenden und ausgehenden Schiffe verzeichnet. Für den ausgehenden Verkehr sind sie weniger aussagekräftig, weil die Ladung der Schiffe nicht vermerkt ist. Vollständige Datenreihen, in denen die Eintragungen das ganze Jahr hindurch aufrechterhalten wurden, sind selten. Zumindest aber können wir aus benutzbaren Jahrgängen die genaue Zahl der Aus- und Einfahrten zwischen Hamburg und dem Ostseeraum entnehmen. 133 Vgl. auch unten die Abbildung III-1. 134 Vgl. die Einleitung dieser Arbeit. 135 Desgleichen berührten Hamburger Schiffe nicht auf jeglicher Ost-­West-­Fahrt ihren Heimathafen. Dieser Aspekt muss aber in unserer Diskussion im Hintergrund bleiben. 136 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ea Pars 1, Nr. 3a, Vol. 1, Vol. 2 Fasc. 1 und 2; Nr. 3b, Vol. 1, Fasc. 2, Vol. 2, Fasc. 1. Vgl. Baasch: Warenhandel.

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Die Schifferbücher dienen nicht nur zur Ergänzung der Informationslücke in den SZR. Darüber hinaus bietet der Vergleich beider Quellenaussagen einen Anhaltspunkt, um ein genaueres Bild des hamburgischen Zwischenhandels zu erhalten. Wie oben erwähnt, verkehrten nicht alle Schiffe regelmäßig zwischen dem Ostseeraum und ihrem Heimathafen. Schiffer konnten je nach Auftragslage oder anderen Bedingungen verschiedene Stationen anfahren. Es war beispielsweise möglich, dass ein niederländisches Schiff auf der Rückreise von Danzig in Hamburg zur Ausladung stoppte, ohne dass es bis dahin seine Heimatstadt berührt hätte. In der Gegenrichtung konnte ein Schiffer, nachdem er von seinem Heimatort abgefahren war, in Hamburg Zwischenhalt machen und von dort aus nach der Ostsee weiter fahren.137 Der Vergleich von Schiffszahlen, die in den SZR und den Schifferbüchern registriert sind, soll einen Hinweis auf die Existenz solcher Fahrten beim in Hamburg eingehenden Verkehr geben. Als erste Stichjahre eines Vergleichs habe ich hier den Zeitraum von 1622, ab dem die Schifferbücher regelmäßig die Abgangshäfen verzeichnen, bis 1625 gewählt. Die Jahre seit 1626 gelten wegen des Eindringens der schwedischen Truppen in polnische und preußische Gebiete, das schon 1621 mit der Besetzung Pernaus eingesetzt hatte, als besonders verwirrte Zeiten für den Ostseehandel.138 Für den Vergleich kann man die Jahre 1622 – 1625, in denen die Zustände im Ostseeraum als relativ normal betrachtet werden können, für geeignet halten. Für die Auswahl dieses Zeitraumes soll noch ein anderer Faktor angeführt werden: Nach Ablauf des im Frieden von Breda vereinbarten Waffenstillstands brachen seit 1621 zwischen Spanien und den Niederlanden wieder kriegerische Auseinandersetzungen aus, wobei Hamburg eine besondere Stellung als neutraler Zwischenhafen zukam. Dies wirkte sich, wie im Folgenden betrachtet wird, auf den Handel aus. Tabelle III-3 zeigt den Zahlenunterschied zwischen den in den SZR verzeichneten westwärts laufenden hamburgischen Schiffen und den Schiffen, die von der Ostsee nach Hamburg einfuhren und in den Schifferbüchern eingetragen wurden.139 Daraus ergibt sich, dass die beiden Angaben gar nicht im Einklang miteinander stehen, sondern die Schifferbücher immer größere Zahlen angeben. Vor allem fallen die Abweichungen in den Jahren 1622 und 1624 auf, in 137 Freilich konnten auch hamburgische Schiffer ähnliche Fahrt nehmen, ohne ihren Heimatort zu berühren. 138 Vgl. zur kriegerischen Situation zu dieser Zeit Robert I. Frost: The Northern Wars. War, State and Society in Northeastern Europe, 1558 – 1721, Harlow 2000, S. 102 – 132. 139 Die Eintragung „Schweden“ ist nicht berücksichtigt, weil diese einen Nordseehafen wie Göteborg anzeigen konnten.

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denen die von der Ostsee in Hamburg einlaufenden Schiffe dreimal mehr als die durch den Öresund nach Westen passierenden hamburgischen Fahrzeuge ausmachen. Als möglicher Grund für diesen großen Unterschied kann ausgeschlossen werden, dass eine Vielzahl hamburgischer Schiffe dem Sundzoll ausgewichen waren. Nur sehr wenige kamen laut der Schifferbücher durch die Belte.140 Der wesentliche Grund für den Zahlenunterschied ist, dass sich viele auswärtige Schiffe an dem Verkehr zwischen Hamburg und dem Ostseeraum beteiligten. Tabelle III-3: D  en Öresund westwärts passierende Hamburger Schiffe (SZR) und vom Ostseeraum nach Hamburg fahrende Schiffe (SB = Schifferbücher) 1621 – 1625 SZR 23 23 57 38 19 137

Jahr

SB

Dnz 1621 – – 1622 77 7 1623 64 26 1624 115 52 1625 53 24 1622 – 25 309 109

Einzelne Abgangshäfen nach den Schifferbüchern Lüb Str Stt Rev Nk Got Kön Gr Andere – – – – – – – – – 13 9 10 4 6 1 1 4 22 2 1 2 6 2 0 6 1 18 3 8 3 4 2 11 4 1 27 5 2 0 1 4 1 2 0 14 23 20 15 15 14 13 13 6 81

Dnz = Danzig, Lüb = Lübeck, Str = Straslund, Stt = Stettin, Rev = Reval, Nk = Norrköping, Got = Gotland, Kön = Königsberg, Gr = Greifswald. Quelle: SZR; StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ea Pars. 1, Nr. 3b, Vol. 1, Fasc. 1 und 2 (Schifferbücher). Im Folgenden werden alle Angaben aus den Schifferbüchern als SB verzeichnet. Tabelle III-4: I n den Ostseeraum fahrende Schiffe in SZR und SB 1625 SB

SZR

49

41

Hbg 14

Nl 14

Wohnort der Schiffer in SZR Dän Lüb Str 7 3 2

Dnz 1

Hbg = Hamburg, Nl = die Niederlande, Dän = Dänemark, Lüb = Lübeck, Str = ­Stralsund, Dnz = Danzig. Quelle: SZR; SB.

Diese Schlussfolgerung kann durch den Zahlenvergleich der ostwärts gehenden Schiffe in gewissem Maße bestätigt werden. Tabelle III-4 vergleicht die Zahlen der Schiffe, die 1625 in den Schifferbüchern und den SZR so registriert sind, 140 Sie zählen 6 (1622), 2 (1623), 9 (1624) und 1 (1625).

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dass sie ab Hamburg in den Ostseeraum fuhren. Für den Vergleich steht leider nur ein Jahr zur Verfügung. Es ist trotzdem deutlich, dass in beiden Angaben keine solch große Abweichung zu erkennen ist, wie wir sie in der westwärtigen Fahrt festgestellt haben. Es bieten sich verschiedene Erklärungen für den Unterschied von acht Schiffen an: Die Schiffer vermieden den Verkehr durch den Öresund und nahmen stattdessen die anderen Routen durch die Belte, die Schiffe erreichten den Öresund aus irgendwelchen Gründen wie Kaperung, Schiffbruch oder Unwetter nicht oder die (hamburgischen) Schiffe wurden in der Zollstelle am Öresund wegen der handels- und zollpolitischen Auseinandersetzungen zwischen Hamburg und Dänemark sehr lange aufgehalten. Auf jeden Fall deutet die kleinere Abweichung zwischen den Angaben in den Schifferbüchern und den SZR die seltene Benutzung der Route durch die Belte an. Sodann ist zu bemerken, dass die hamburgischen Schiffe, die in den SZR für das Jahr 1625 in der ostwärtigen Öresundpassage vermerkt sind, nur 34 Prozent der Gesamtzahl Hamburg ansteuernder Schiffe ausmachten. Die Publikation der elektronischen Datenbank zu den Sundzollregistern,141 in der die Namen der durch den Öresund passierenden Schiffer verzeichnet sind, ermöglicht durch den Vergleich der Namen, des Eintragungsdatums und teilweise der Schiffsladungen in gewissem Maße die Identifizierung der in den Schifferbüchern verzeichneten Schiffer und damit die Ermittlung ihres Wohnortes, weil dieser in den elektronischen Quellen, anders als in den Schifferbüchern, genau verzeichnet ist. Trotz der unübersehbaren Schwierigkeiten, die der Analyse entgegenstehen,142 lässt sich belegen, dass unsere Hypothese stimmt:143 Viele auswärtige Schiffer beteiligten sich an der Schifffahrt zwischen Hamburg und dem Ostseeraum. Vor allem Niederländer trugen den Verkehr mit Danzig und Schweden (insbesondere mit Norrköping), dazu kamen auch Hanseaten.144 141 „Sound Toll Online“, in Kurzform „STR-Online“, unter der Webadresse www.soundtoll.nl 142 Bei der Durchführung der Arbeit hat sich erwiesen, dass die vollständige Identifikation aus den folgenden Gründen schwerfällt: Es sind gleichnamige Schiffer unterschiedlicher Herkunft in den Sundzollregistern angegeben; die Reisedauer zwischen Hamburg und dem Öresund variierte, und es ist deshalb aufgrund der Lücken in den Hamburger Schifferbüchern unmöglich, mit Sicherheit festzustellen, wann der den Öresund passierte Schiffer dort eingetragen wurde; die Schiffsladungen sind in den Sundzollregistern in diesem Zeitraum nur ungenau verzeichnet; einige Schiffer konnten eine andere Route als diejenige durch den Öresund benutzen. 143 Das Untersuchungsergebnis ist im Anhang dieser Arbeit tabellarisch aufgelistet. 144 Die Schiffer hansestädtischer Herkunft, vor allem Stralsunder, hatten am Verkehr einen großen Anteil. Sie übernahmen hauptsächlich den Verkehr mit ihrer Heimatstadt.

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In welchen wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen stand der seewärtige Zwischenhandel Hamburgs mit dem Ostseeraum? Der sich aus dem Quellenvergleich ergebende Befund steht meiner Meinung nach im engen Zusammenhang mit zwei politischen Faktoren: der dänischen Zollbelastung gegen Hamburg und den Auseinandersetzungen in westlichen Seegebieten. Der erste Faktor hemmte die Fahrt der hamburgischen Schiffe, und der letztere lenkte die auswärtigen Schiffe nach Hamburg. Um diesen Zusammenhang nachzuweisen, beobachten wir im Folgenden auf Grundlage der SZR die Entwicklung der über Hamburg abgewickelten Schifffahrt seit dem Ende des 16. Jahrhunderts. Hierbei wird besondere Aufmerksamkeit auf die Beteiligung von auswärtigen Schiffen an dieser Fahrt gerichtet. Für die Behandlung des langfristigen Handelsablaufes können wir uns nur der Analyse der Ausfahrt nach der Ostsee zuwenden, weil hinreichend lang laufende Zahlenangaben über den durch Hamburg vermittelten Ostseeverkehr lediglich für die Hinfahrt vorhanden sind. Das Ende des 16. Jahrhunderts zeigte eine günstige Konjunktur.145 Zu dieser Zeit gingen von der Stadt viele hamburgische Schiffe nach der Ostsee ab. Der lebhafte Verkehr von eigenen Schiffen ist auch in der westwärtigen Fahrt durch den Öresund belegt. Als Triebkraft der hamburgischen Schifffahrt zum Ostseeraum kann zum Teil der iberische Handel identifiziert werden. Insbesondere in der Zeit der Auseinandersetzungen mit den Niederlanden benötigte das ressourcenarme Spanien alternative Handelsnationen, um Nahrungsmittel für seine Bevölkerung und Rohstoffe für die Schiffbauindustrie zu erhalten. Damit fanden die Hansestädte Geschäftsmöglichkeiten durch ihre Warenvermittlung.146 Seit etwa 1600 begann die Zahl der hamburgischen Schiffe sowohl in der ostwärtigen als auch in der westwärtigen Fahrt abzusinken. Folglich nahm der relative Anteil der auswärtigen Schiffe im Verkehr ab Hamburg nach dem Ostseeraum zu. Niederländische Schiffe, die bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts nicht oft über Hamburg zur Ostsee verkehrten, erschienen seit etwa 1605 in zunehmendem Maße und erreichten im Jahre 1621 ihre höchste Anzahl. Welche Hintergründe gab es für diesen Ablauf in den ersten zwei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts? Nach der Beobachtung im Abschnitt 1 liegt es nahe, dass die dänischen Zollmaßnahmen die Passagen der hamburgischen Schiffe durch den Öresund seit etwa 1600 stark unterdrückten. Die Charter von hamburgischen Schiffen schien für Befrachter nachteilig. Dagegen hatten die Niederländer schon im vorangehenden Jahrhundert die dominierende 145 Das gleiche gilt für die gesamte Entwicklung des Öresundverkehrs. 146 Vgl. Kapitel II dieser Arbeit.

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Position im Ostseehandel eingenommen und die hansestädtische Seeschifffahrt vollkommen überflügelt. Ich vermute, dass die ab 1605 einsetzende Zunahme der niederländischen Schiffe, die über Hamburg mit dem Ostseeraum verkehrten, eine Konsequenz des Fremdenvertrages war, der in Hamburg im gleichen Jahr zwischen der Stadt und dorthin eingewanderten Niederländern abgeschlossenen worden war, denn mit diesem wurde der Spielraum der niederländischen Handelsaktivität in Hamburg gesichert. Die Bestätigung dieser Annahme wird künftige Untersuchungen erfordern. Jedenfalls nahm in den 1610er Jahren die ausländische Beteiligung an der Ostseefahrt über Hamburg deutlich zu. Es ist kein Zufall, dass der Höhepunkt der niederländischen Fahrt über Hamburg in das Jahr 1621 fällt, in dem der Krieg zwischen den Niederlanden und Spanien erneut ausbrach. Der niederländische Handel geriet in diesem Jahr in eine schwierige Situation, weil die Schiffe mit Ostseeprodukten, die sie beförderten, spanischen Angriffen ausgesetzt waren. Hiermit wurde auf den westlichen Seegebieten der von Niederländern getragene Ost-­West-­Verkehr schwer gefährdet.147 Infolgedessen entstand eine Lücke in der Warenlieferung zwischen westlichen und östlichen Märkten. Hamburg, das während des Dreißigjährigen Krieges seine Neutralität bewahrte, war im Stande, zur Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen einen sicheren Platz zum Warenaustausch anzubieten.148 Ein Teil der damals Hamburg ansteuernden auswärtigen Schiffer musste den Zweck verfolgt haben, ein Refugium in dem neutralen Hafen zu finden. Dafür hatten besonders die von der Ostsee westwärts fahrenden niederländischen Schiffe guten Grund, weil sie in den westlichen Seegebieten um Dünkirchen, Nieuport und Ostende durch spanische Kapereien bedroht waren. In der Tat nahmen auswärtige Schiffe in diesem Zeitraum, wie oben erwähnt, einen deutlich höheren Anteil an der Fahrt vom Ostseeraum nach Hamburg ein. Die in die Stadt gebrachten Waren wurden nach J. Israel weiter zu westlichen Absatzmärkten, beispielsweise in die Niederlande, nach Italien und sogar nach Spanien unter der – nur scheinbar neutralen – hamburgischen

147 Vgl. Israel: Dutch Primacy, S. 121 – 196; Jonathan I. Israel: Empires and Entrepots. The Dutch, the Spanish Monarchy and the Jews, 1585 – 1713, London/Ronceverte 1990, S. 43 – 71. Der „handel op den vijand“ – Handel auf den Feind – wurde schon in Zeit vor dem Waffenstillstand von 1621 unter der hamburgischen Flagge betrieben. Siehe dazu Johannes Hermann Kernkamp: Handel op den vijand, Bd. 2: 1588 – 1609, Utrecht 1934, S. 321; Jacob van Klaveren: Europäische Wirtschaftsgeschichte Spaniens im 16. und 17. Jahrhundert, Stuttgart 1960, S. 67. 148 Vgl. Kapitel II dieser Arbeit.

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Flagge befördert.149 Tatsächlich deckt sich die Behauptung, dass Hamburg die kriegerischen Auseinandersetzungen als Warenvermittlungsort ausnutzte,150 mit einer Zunahme der Schiffe, die in der ersten Hälfte der 1620er Jahren ab Hamburg an den Öresund kamen. Neben auswärtigen Schiffen nahm die Zahl der hamburgischen gleichfalls zu. Abb. III-1: Von Hamburg aus den Öresund passierende Schiffe 1590 – 1630 120

Hamburger Niederländer Andere Gesamt

100 80 60 40

1630

1628

1626

1624

1622

1620

1618

1616

1614

1612

1610

1608

1606

1604

1602

1600

1598

1596

1594

1592

0

1590

20

Quelle: SZR.

Der Höhepunkt seit dem Kriegsbeginn liegt im Jahre 1623. Das ist genau die Zeit, als auch die Seefahrt von Spanien und Portugal nach Hamburg einen Höhepunkt erreichte.151 Daraus kann man mit Recht auf eine wichtige Verbindung des Ost-­West-­Verkehrs durch Hamburg schließen. 149 Israel: Dutch Primacy, S. 127, 141 f. Er behauptet: „From 1621 right down to 1647, Hamburg not Amsterdam was the pivot at which the world of Baltic commerce linked up with the Hispanic world“. 150 1622 berichtete der Niederländische Resident Foppius van Aitzema in Hamburg: „der Staat dieser Hansestädte ist gegenwärtig blühend, sie geniessen von allen Seiten gute Ruhe und Frieden; einige sind sehr florirend durch die freie und ununterbrochene (gestandige) Schiffahrt auf Hispanien, welche seit dem Krieg Ew. Hochmögenden sehr zugenommen hat“. Christian Friedrich Wurm: Studien […] über die Lebensschicksale des Foppius van Aitzema, ersten niederländischen Residenten bei den Hansestädten, und über den Nachlass des Leo van Aitzema, ersten hansischen Residenten im Haag, Hamburg 1854, S. 32. Ich verdanke dieses Zitat dem Hinweis von Israel: Dutch Primacy, S. 127. 151 Siehe Kapitel II dieser Arbeit.

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Die Bemerkungen in den Sundzollregistern stützen diese Behauptung. Einige auswärtige Schiffe waren am Öresund mit Hamburger Waren (Hamborg gods) beladen. Dies bedeutet einerseits, dass Hamburger Kaufleute auswärtige Schiffe für ihren Ostseehandel benutzten. Andererseits könnte für die Schiffe ohne eine solche Erfassung, sofern die Zollregister regelmäßig die tatsächliche Warenzugehörigkeit angaben,152 gesagt werden, dass sie Hamburg Waren anlieferten, die den Hamburgern nicht gehörten, also im Auftrag von auswärtigen Kaufleuten. Zum Teil wurden die Waren in Hamburg umgeladen und dann unter hamburgischer Flagge nach Westen reexportiert. Die Briefe, die die Infantin Isabella, die Statthalterin der Spanischen Niederlande, 1626 an Lübeck, Hamburg, Bremen, Rostock, Königsberg und Bergen richtete, weisen auf die Existenz eines solchen Verkehrs hin. Demnach hatte sie mit Hinblick auf die Missbräuche, die im hansisch-­niederländischen Handel durch die Rebellen verübt wurden, ein Plakat veröffentlicht, das die „Wareneinfuhr aus Ostland“ mit der Ausnahme von Getreide, „sans observer les points y contenuz“, verbot.153 Es liegt nahe, dass Missbräuche die Lieferung der Ostseeprodukte meint, die zuerst in die Hansestädte gebracht und von dorther unter Tarnung in die rebellischen Niederlande oder sogar zur Iberischen Halbinsel weitertransportiert wurden. Solche Aktivitäten wurden teilweise über Hamburg vermittelt, denn die Beschwerden Hamburgs bei der Infantin über die Beschlagnahme von Schiffen unter dem Verdacht, dass sie mit verbotenen Waren bzw. mit den Rebellen handeln, wurden seit 1623 mehrfach eingelegt.154 Untersucht wurde, ob die Schiffer und Schiffe zu Hamburg gehörten und für wen die Ladungen bestimmt waren. Hiermit ist mit konkreten Belegen nachgewiesen worden, dass Hamburg im seewärtigen Verkehr zum Ostseeraum als „internationaler“ Vermittlungshafen funktionierte, dessen Stellung durch die Flaggentäuschung unter kriegerischen Umständen verstärkt wurde. Inwieweit konnte aber diese Funktion auf solche Weise aufrechterhalten werden, zumal die Handelstricks schon bekannt waren? Der zunehmende Verdacht der habsburgischen Regierung der Spanischen Niederlande gegen Hamburg und hamburgische Schiffe war die Folge dieser Praxis. 1626 beklagte sich Hamburg, dass seine Bürger und Einwohner seit zwei 152 Denkt man an die politische Auseinandersetzung zwischen Hamburgern und Dänen, scheint es wahrscheinlich, dass die Hamburger Waren unter strenger Kontrolle am Öresund standen und in die Sundzollregister genau eingetragen wurden. 153 Rudolf Häpke: Niederländische Akten und Urkunden zur Geschichte der Hanse und zur deutschen Seegeschichte, Bd. 2: 1558 – 1669, München 1923, Nr. 1076. 154 Häpke: Akten und Urkunden, Bd. 2, Nr. 1056 – 1058, 1064 – 1066, 1075, 1092.

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Jahren wie Feinde behandelt würden.155 Unter diesen Umständen ersuchte Lübeck 1627 die Infantin um ihre Sicherheitsbestätigung für einen Gütertransport der lübeckischen Bürger Luders und Hans Brokes, die im Frühjahr eingekaufte polnische Waren – lediglich 100 Fass Pottasche, 15 Last Waidasche und 30 Sack polnische Wolle – von Danzig und Thorn über Lübeck nach Hamburg und von dort nach Calais verschiffen wollten.156 In diesem Kontext soll der habsburgische Versuch am Ende der 1620er Jahre, mit den Hansestädten eine hansische Sozietät für den spanischen Handel zu errichten, verstanden werden. Der Zweck des Projektes lag darin, den hansischen Handel auf der Iberischen Halbinsel und in Norddeutschland unter spanische Kontrolle zu stellen und damit die Niederländer aus der Ostsee zu verdrängen.157 Wichtig für unsere Diskussion ist der Punkt, dass durch den Vertrag mit der Hanse darauf abgezielt wurde, „fraudibus et collusionibus cum Hollandis et simul unitis“, Betrug und Absprachen mit Niederländern und deren Verbündeten einen Riegel vorzuschieben.158 Aus den dargestellten Erwägungen sehen wir eine eigentümliche Funktion des hamburgischen Zwischenhafens, die die Stadt unter unterschiedlichen Bedingungen erhalten hatte. Das sich daraus ergebende Bild über Hamburgs Stellung im Ostseehandel unterscheidet sich von der herkömmlichen Betrachtung, die sich in Ph. Dollingers Feststellung spiegelt: „Offenbar bietet das Hamburger Interesse am Spanienhandel eine Erklärung für die Abnahme seines Osthandels, einem einzigartigen Fall für eine nordeuropäische Stadt dieser Zeit.“159 Es ist anzumerken, dass auch die Schifferbücher keine vollständigen Informationen bieten. Die Schiffe, die Hamburg in der Ost-­West-­Fahrt berührten, 155 Häpke: Akten und Urkunden, Bd. 2, Nr. 1075. 156 Häpke: Akten und Urkunden, Bd. 2, Nr. 1083. Dieser Hans Brokes hatte übrigens verwandtschaftliche Geschäftsverbindungen nach Hamburg und Bordeaux und einen Geschäftspartner in Danzig. StAH, RKG, T10a, Q15. 157 Hans-­Christoph Messow: Die Hansestädte und die Habsburgische Ostseepolitik im 30jährigen Kriege (1627/28), Berlin (Diss.) 1935. Vgl. ferner Miroslav Hroch: Wallensteins Beziehungen zu den wendischen Hansestädten, in: Hansische Studien, Berlin 1961, S. 135 – 161, vor allem S. 147. Wie in den früheren Verhandlungen vor dem niederländisch-­spanischen Waffenstillstand (1606/08) lehnten die Hansestädte, die ihre Neutralität bewahren wollten, den Vorschlag Spaniens ab. Zur Verhandlung siehe Karl-­Friedrich Olechnowitz: Die Hansestädte und der spanisch-­niederländische Konflikt. Eine Studie zur Diplomatie und Politik der späten Hanse, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock, Gesellschaftliche und sprachwissenschaftliche Reihe 21 (1972), S. 255 – 261. 158 Häpke: Akten und Urkunden, Bd. 2, Nr. 1089. 159 Dollinger: Hanse, S. 471.

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nahmen nicht immer den verbreiteten Pendelverkehr Ostsee – Hamburg – Westeuropa. Die Vorbeifahrt, bei der man beispielsweise von der Ostsee direkt nach Westeuropa, dann erst nach Hamburg fuhr, ist sowohl in der früheren Periode160 als auch in der Zeit der spanisch-­niederländischen Auseinandersetzungen auf See nachzuweisen.161 Allerdings stehen diese Fahrten, da unser Interesse in der Vermittlungsfunktion Hamburgs im Verkehr zum Ostseeraum liegt, außerhalb des Rahmens der Diskussion. Der Vorteil Hamburgs war bald dahin. Schweden verstärkte sein Eindringen an der preußischen sowie polnischen Ostseeküste seit 1626 und stiftete große Verwirrung auf der Ostsee. Auch in den westlichen Seegebieten sah sich der Hamburger Zwischenhandel einer schwierigen Situation gegenüber. Wie oben erwähnt, behinderte die misstrauische habsburgische Regierung der Spanischen Niederlande schon seit 1623 die hamburgische Seefahrt. Ferner unterzog England im Jahre 1626, als es Visitationen aller nach Spanien und Frankreich fahrenden Schiffe einsetzte, auch die hamburgischen seiner scharfen Kontrollen.162 Tabelle III-5: Den Öresund westwärts passierende Hamburger Schiffe (SZR) und vom Ostseeraum nach Hamburg fahrende Schiffe (SB) 1628 – 1633 SZR

Jahr

14 24 ? 0

1628 1629 1632 1633

SB 42 23 35 31

Einzelne Abfahrtshäfen nach den Schifferbüchern Dnz Lüb Str Stt Rev Nk Got Kön Gr Andere 9 9 8 0 0 0 1 10 0 5 2 3 1 2 2 0 3 4 1 5 29 0 0 0 0 1 0 1 0 4 18 0 1 0 0 2 1 0 0 9

Quelle: SZR; SB.

160 1599 schloss der hamburgische Kaufmann Christian Schopen mit den Schiffern Riske Friedrichssohn (Hamburger), Jan Brauwer (Alkmaarer) und Petter Draeck (Emdener) einen Chartervertrag ab. Sie sollten von Danzig nach La Rochelle fahren, die Ladungen löschen und dort Wein einkaufen. Wenn der dortige Wein zu teuer war, sollten sie sich nach Bordeaux begeben. Für die Rückfahrt wurde Middelburg oder Hamburg als Zielhafen bestimmt. StAH, RKG S132, Q19. 161 1623 schloss der hamburgische Kaufmann Jürgen Quest einen Chartervertrag mit Jakob Rust. Sein Schiff wurde von Danzig nach Madeira, dann mit einer Ladung von Wein nach Hamburg bestimmt. StAH, RKG G48, Q19. 162 Wurm: Studien, S. 33.

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Die Hamburger Schifferbücher aus den Jahren 1628, 1629, 1632 und 1633 registrieren nicht mehr eine große Anzahl Schiffe aus dem Ostseeraum, wenn auch die Zahlen von 1628, 1629 und 1633 größer als diejenigen der in den SZR verzeichneten westwärtigen hamburgischen Schiffe waren. Die schwere Handelskrise, die in den Jahren um 1630 im Ostseeraum herrschte,163 war einer der Hintergründe dieses Rückgangs. Aber schon seit 1626 stellten die Abgänge der von Hamburg abfahrenden niederländischen Schiffe in den SZR keine nennenswerte Zahl dar. Die neutrale Flagge Hamburgs hatte ihre Wirkung bereits früher verloren, Hamburg war für die niederländische Ostseefahrt nicht mehr von Bedeutung. Schauen wir nun auf die Häfen, die die beiden Tabelle III-4 und III-5 für die Jahre 1622 – 1633 zeigen, dann lässt sich deutlich erkennen, dass die einlaufenden Schiffe aus Danzig den überwiegenden Anteil der Schiffsbewegungen in diesem Zeitraum ausmachten. Dann folgen die Schiffe aus Lübeck und Stralsund, ferner Stettin, Reval, Norrköping und Königsberg auf ungefähr gleichem Niveau. Für die ersten Jahre in den 1630ern ist in den Schifferbüchern kein Schiff aus Lübeck mehr verzeichnet und auch in den SZR seit 1669. Daraus kann gefolgert werden, dass der Seeverkehr mit Lübeck durch die temporäre Kriegssituation aufgerieben wurde. Auffallend ist die geringe Anzahl der aus Stockholm kommenden Schiffe.164 Denkt man an die Bedeutung der schwedischen Stadt am Mälarsee als Kupferlieferant für westliche Länder, so scheint solch ein geringer Verkehr zuerst merkwürdig, zumal das Kupfer für den hamburgischen Westhandel, insbesondere in den Handelsbeziehungen zu Spanien, einen wichtigen Ausfuhrartikel zu dieser Zeit bildete.165 Daraus lässt sich schließen, dass das meiste schwedische Kupfer für Hamburg auf dem Landweg über Lübeck befördert wurde. Durch verzwickte Handelsbedingungen bestimmt, erwies sich Hamburgs seewärtige Umschlagfunktion in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges als instabil. Wenden wir uns nun dem Handel auf dem Festland zu. Der damalige Verkehr zu Lübeck kann anhand der Land- und Elbzollbücher auf quantitativer

163 Vgl. dazu Miroslaw Hroch: Die Handelskrise um 1630 und ihre europäischen Zusammenhänge, in: Hansische Studien 3, Weimar 1975, S. 86 – 104. Vgl. ferner Miroslaw Hroch: Handel und Politik im Ostseeraum während des Dreißigjährigen Krieges. Zur Rolle des Kaufmannskapitals in der aufkommenden allgemeinen Krise der Feudalgesellschaft in Europa, Prag 1976, S. 43 – 109. 164 In den Schifferbüchern aus den Jahren 1622 – 1625 sind nur drei Schiffe registriert. 165 Siehe Kapitel II.

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Basis rekonstruiert werden, obwohl die verfügbaren Zeitspannen ziemlich beschränkt sind.166 In den Landzollbüchern für das Jahr 1637 sind 239 Einträge des Frachtausgangs nach Lübeck zu finden.167 Man muss dieser Zahl die gebührende Aufmerksamkeit schenken, weil sie den höchsten Betrag im gesamten Hamburger Landverkehr des Jahres angibt.168 Auf den Handelsstraßen zwischen Hamburg und Lübeck über Oldesloe bzw. Trittau wimmelte es nach diesen Zahlen anscheinend immer noch von Fuhrwerken. Die Hintergründe werden durch die handelspolitischen Umstände auf See erhellt. Wie oben erwähnt, war damals der hamburgische Seeverkehr zum Ostseeraum durch den infolge der politischen Streitigkeiten mit Christian IV. für Hamburg erhöhten dänischen Sundzoll beträchtlich erschwert. Darüber hinaus war die Schifffahrt stark von Kriegswirren betroffen und Kapereien der kriegführenden Parteien bedrohten dauernd die Sicherheit der Seeschiffe, wenn dies auch, wie oben behauptet, die Warenvermittlungsfunktion Hamburgs temporär bekräftigen konnte. Des Weiteren war der Handel mit den mitteleuropäischen Binnengebieten stark durch den Krieg beeinträchtigt.169 Diese Situation brachte Kaufleute dazu, nach einem Ausweg aus diesen Belastungen zu suchen. Sie fanden ihn im altherkömmlichen Landweg nach Lübeck.170 Die Verkehrskontrolle Lübecks hörte zwar nicht auf, es kam aber nur selten vor, dass die von der hamburgischen Seite kommende Warendurchfuhr beschränkt wurde. Die beachtenswert große Ausgangszahl aus Hamburg 166 Zu der Quelle siehe ausführlich Anhang A dieser Arbeit und Reissmann: Kaufmannschaft, S. 102. Reißmann hat die Zollbücher für seine prosopographische Analyse der hamburgischen Kaufmannschaft ausgewertet. Die Verwendung dieser Materialien für die Erforschung des Handelsverkehrs steht bis heute aus. 167 StAH , Senat Cl. VII Lit. Ea Pars. 1 Nr. 3g, Land- und Elbzollbücher, Vol. 11 und 12. Die Eintragszahl im Zollbuch entspricht nicht der Zahl der Fuhrwerke. Mehrere ­Wagen können in einem Eintrag enthalten sein. Siehe dazu auch Anhang A dieser Arbeit. 168 Die in diesem Kapitel aus den Zollbüchern entnommenen Zahlen (Wagen- und Schiffszahl sowie Warenmenge) zum Land- und Flusshandel mit Lübeck bzw. der Zwischenstation des Wasserverkehrs in Lauenburg werden wieder im Kapitel IV zwecks übersichtlichen Vergleichs zusammen mit den Daten der anderen Handelsorte in Binnengebieten tabellarisch aufgezeigt. Deshalb wird im Folgenden die jeweilige Quellenangabe in Fußnoten ausgelassen. 169 Siehe dazu Kapitel IV. 170 Elisabeth Harder-­G ersdorff: Lübeck, Danzig und Riga. Ein Beitrag zur Frage der Handelskonjunktur im Ostseeraum am Ende des 17. Jahrhunderts, in: HGbll 96 (1978), S. 106 – 138, hier S. 125.

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nach Lübeck in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges verdankt sich zu einem großen Teil der Lage Lübecks, das von den Kriegswirren relativ verschont blieb. Dies mag auch für den westwärtigen Verkehr ab Lübeck gelten. Die wiederholten Gesuche Hamburgs um die Durchfuhr bestimmter Waren – Kupfer, Wachs und Butter – bezeugen zwar einerseits, dass der Handel in eine Zwangslage geraten war, andererseits aber, dass die Kaufleute für den Transport dieser Waren trotz aller Hindernisse den Landweg bevorzugten. Daraus ablesbar sind nicht nur die unsichere Lage des Seetransportes, sondern auch der im Ostseeraum seit dem Mittelalter dauerhaft erhaltene Vertriebsweg dieser Waren.171 Eine quantifizierende Aussage über den landwärtigen Verkehr ab Lübeck nach Hamburg ist aber nicht möglich. Es ist nur zu bemerken, dass auch das strenge Durchfuhrverbot ab 1607 keine völlige Sperrung des Warenverkehrs bedeutete. Die bereits dargestellten und folgenden Beispiele belegen, dass über Einzelfallentscheidungen die Durchfuhr von Fall zu Fall erlaubt werden konnte. Der Flussverkehr zwischen Hamburg und Lübeck ist aus den Zahlen für die Stadt Lauenburg, dem Umschlagplatz zwischen Elbe und Stecknitzkanal, mittelbar zu erfassen. Für das Jahr 1630 werden im Hamburger Elbzollbuch 31 Einträge beim Abgang nach der Stadt und 152 beim Eingang aus ihr verzeichnet, womit sich nach Lüneburg die zweitgrößte Anzahl im Fluss- und Kanalverkehr Hamburgs ergibt. Auffallend ist, dass die Eingänge viel mehr als die Ausgänge betrugen. Dieser deutliche Unterschied spricht dafür, dass der Wasserweg für den Transport der Massengüter aus dem Ostseeraum bevorzugt benutzt wurde. Diese Schlussfolgerung wird unterstützt durch die Aussage von N. R. Nissen, dass die Lauenburger Stecknitzfahrer in Hamburg oft keine Rückfracht luden.172 Welchen Kurs nahmen die ab Hamburg verfrachteten Ladungen im Ostseeraum? 1606 sprachen die lübeckischen Kauf- und Fuhrleute von den „guternn, Welche Vonn Hamburgk hieher geschickett, Vnnd Vonn hinnenn Wiederumb Zur Sehewerts wegk geschiffet“ wurden.173 Die Seeroute war aber nicht die einzige Verbindung. Die Landzollbücher verzeichnen Zielorte an der südlichen

171 Diese Güter waren dauerhaft die Hauptartikel, die von Lübeck nach Hamburg über Land befördert wurden. Vor allem bei der Kupferlieferung stellten die Handelsbeziehungen zwischen Lübeck und Stockholm einen entscheidenden Faktor dar. Zu diesem Zusammenhang siehe oben Abschnitt 1 dieses Kapitels. 172 Nissen: Forschungsergebnisse, S. 8 f. Die Unterschiede zwischen Ein- und Ausgangszahlen in den Zollbüchern sind vermutlich darauf zurückzuführen. 173 AHL, ASA Externa, Deutsche Territorien 5386, Fol. 9 r.

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Ostseeküste und beweisen die weiteren Speditionen ab Lübeck auf dem Festland. Die Handelsbereiche erstreckten sich ausgedehnt die Küste entlang und wurden mit Wismar und Rostock (im Binnenland auch Schwerin) in Mecklenburg sowie Stralsund und Stettin in Vorpommern benannt. Obwohl die vorgelegten Beweise in Hinsicht auf die abgedeckte Zeitspanne nicht einwandfrei sind, ist hier erstmals zahlenmäßig belegt worden, dass der Handel mit Lübeck in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges höchst bedeutend war. Diese Feststellung wird durch die unten durchgeführte Analyse des Warenhandels noch bekräftigt. Zunächst steht die weitere Betrachtung des Seeverkehrs im 17. Jahrhundert aus. Um das Ende des Dreißigjährigen Krieges zeigte sich ein geringer Aufschwung der hamburgischen Ostseeschifffahrt. Die positive Aussicht auf eine Resolution mit dem dänischen König in der Sundzollfrage machte Bürgern und Schiffern der Stadt Hoffnung auf die Verbesserung der Situation in der Ostseefahrt,174 was in der Zunahme der durch den Öresund passierenden hamburgischen Schiffe zum Ausdruck kam (Abbildung III -2). Aus Hamburg kommend passierten 1644 nur 8 hamburgische Schiffe, 1645 aber 25, und 1646 sowie 1647 zählten jeweils 22 Schiffe. Die in den kommenden zehn Jahren folgende Abnahme auf jährlich durchschnittlich zehn Schiffe kann als Enttäuschung darüber gewertet werden, dass die Sundzollfrage keine erwartete Verbesserung gefunden hatte. In der Zeit des ersten Englisch-­Niederländischen Seekrieges 1652 – 1654, in dem England die Schifffahrt seines Feindes energisch verdrängte,175 erkennt man eine kleine Zunahme der nichtniederländischen Schiffe, unter ihnen vor allem Schiffe aus den wendischen Hansestädten Lübeck, Rostock und Stralsund, die von Hamburg aus den Öresund passierten.176 Hier kann man von einer Kriegskonjunktur sprechen, wenn auch die absolute Zahl bescheiden blieb.

174 Siehe oben Abschnitt 1 dieses Kapitels. 175 Trotz des den Niederländern im sogenannten Redemptionsvertrag erteilten Privilegs, das ihre Schiffe in den Jahren 1650 – 1653 vom Sundzoll befreite, zeichnen ihre Passagen durch den Öresund eine absteigende Tendenz. Sie belaufen sich ost- und westwärts nämlich auf 3127 (1650), 2437 (1651), 1729 (1652), 1255 (1653), und 1967 (1654). Von den Niederlanden nach der Ostsee abfahrende Schiffe betragen in diesem Zeitraum 1454 (1650), 1040 (1651), 834 (1652), 563 (1653), und 1013 (1654). 176 SZR. Unter den gesamten 156 Schiffen fuhren 26 Hamburger, 29 Lübecker, 20 Rostocker und 24 Stralsunder Schiffe durch den Öresund, während es nur 4 niederländische Schiffe waren.

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Abb. III-2: Von Hamburg aus den Öresund passierende Schiffe 1635–1700 Abb. III-2: Von Hamburg aus den Öresund passierende Schiffe 1635 – 1700 80

Hamburger Niederländer Andere Gesamt

70 60 50 40 30 20

1698

1695

1692

1689

1686

1683

1680

1677

1674

1671

1668

1665

1662

1659

1656

1653

1650

1647

1644

1641

1638

0

1635

10

Quelle: SZR.

Der Krieg zwischen Schweden und der Allianz aus Dänemark und Polen 1655 – 1660 brachte einen Rückgang des über Hamburg vermittelten Ostseeverkehrs.177 Nach dem Krieg erholte sich der Verkehr in geringem Maße. Zu dieser Zeit nahmen die Schiffe Schwedens, dessen Schifffahrt als Sieger im Kopenhagener Frieden begünstigt wurde, und Stralsunds, das zu ihm gehörte, einen nennenswerten Anteil ein.178 Nach dem Ende des Zweiten Englisch-­ Niederländischen Seekrieges 1667 begannen die niederländischen Schiffe zuzunehmen. Aber in der Zeit des zum dritten Mal ausgebrochenen Seekrieges zwischen England und den Niederlanden 1672 – 1674 sowie des Französisch-­ Niederländischen Krieges 1672 – 1678 geriet der Seeverkehr nochmals in Schwierigkeiten. In der Folgezeit ist die wiederbelebte niederländische Schifffahrt über Hamburg bis zum Beginn des Pfälzischen Erbfolgekrieges 1688 – 1697 zu erkennen. Die Abfahrten der hamburgischen Schiffe gingen angesichts des verschlechterten Verhältnisses zum dänischen König seit den 1670er Jahren immer mehr zurück. Dass der Kopenhagener Rezess des Jahres 1692, der die Hamburger von der Zollbelastung hätte befreien sollen, in der Tat keine erwartete Wirkung auf die hamburgische Ostseefahrt ausübte, zeigen nicht nur die Beschwerden der Hamburger Commerzdeputation,179 sondern auch die Zahlen der SZR. 177 SZR. Die Zahl der von Hamburg durch den Öresund passierten Schiffe verminderte sich von 53 (1655) auf 6 (1657). 178 SZR. Zwischen 1661 und 1670 machten mit 91 Fahrten die schwedischen und Stralsunder Schiffe 33 Prozent des Gesamtverkehrs mit Hamburg durch den Öresund aus. 179 Siehe oben Abschnitt 1 dieses Kapitels.

Hamburgs Ostseehandel vor der Atlantikzeit

157

Die Ein- und Ausgänge der niederländischen Schiffe, die im Jahre 1688 mit 23 in der östlichen und mit 25 in der westlichen Richtung zwischen Hamburg und der Ostsee durch den Öresund verkehrten und sich damit als Hauptträger der Ostseefahrt über die Elbstadt behaupteten, gingen mit dem Beginn des Pfälzischen Erbfolgekrieges rasch zurück. In den 1690er Jahren kam der Verkehr im Öresund fast völlig zum Stillstand. Um die Wende zum neuen Jahrhundert zeichnete sich noch keine positivere Aussicht ab. Der Große Nordische Krieg, der den Ostseehandel der europäischen Länder ausnahmslos lahmlegte, wirkte sich auch auf Hamburg nachteilig aus. In manchen Jahren des ersten Jahrzehnts bestand keine Schifffahrt. Tabelle III-6: Zwischen Hamburg und dem Ostseeraum fahrende Schiffe nach Wohnort der Schiffer 1661 – 1700 in Summen je Dekade

1661 – 1670 1671 – 1680 1681 – 1690 1691 – 1700

Ostwärts (inkl. Ballast) ab Hamburg Westwärts (beladen) nach Hamburg Hbg Nl Andere Gesamt Hbg Nl Andere Gesamt 96 24 158 278 unbekannt 48 30 94 172 58 21 80 159 50 106 221 377 36 102 189 327 9 18 73 100 10 8 32 50

Quelle: SZR.

Da die SZR von 1669 an die Zielhäfen der Schiffe angeben, können wir aus ihnen erfahren, wie viele aus dem Ostseeraum kommende Schiffe Hamburg ansteuerten, woher sie kamen, und ferner, für welche Ziele die von Hamburg abfahrenden Schiffe bestimmt waren. Da sich in den letzten drei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts nur für wenige Jahre ein relativ lebhafter Verkehr erkennen lässt (Tabelle  III-6), sollen sich die daraus herangezogenen Aussagen hier auf kurze Bemerkungen beschränken. Danzig war nach wie vor der meistbefahrene Hafen der Strecken zwischen Hamburg und dem Ostseeraum. Es gibt aber sonst keine so große Einfuhr aus der Weichselstadt wie diejenige des Jahres 1624, wo die kriegsbedingte Unordnung der niederländischen Seeschifffahrt eine Ausnahmekonjunktur verursachte.180 Verschiedene auswärtige Schiffe kamen aus Danzig: niederländische, schwedische, Stralsunder, Rostocker, Wismarer, Danziger und Stettiner. Dagegen nahmen Hamburger Schiffe, die ihre Anteilnahme an der Ostseefahrt in zunehmendem Maße verloren, nur in wenigen 180 Die höchste Anzahl mit 28 Schiffen aus Danzig ist 1669 angegeben. Danach folgen die Jahre 1681 mit 24 und 1685 mit 25 Schiffen.

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Jahren lebhafte Kontakte mit Danzig auf. Die schwedischen, Stralsunder und Wismarer Schiffe absolvierten daneben die Fahrt zwischen Westeuropa und den schwedischen Territorien in Skandinavien und an der südlichen Ostseeküste. Der Handelsverkehr mit Lübeck auf dem Festland in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts lässt sich nicht genau erfassen. Zwar gibt es keine vergleichbaren Quellen für die Jahre während und nach dem Krieg, dennoch dürfte man behaupten können, dass die Handelsverbindung mit Lübeck von der Kriegsverwirrung anderer Orte Vorteile brachte. Auf die Frage, wie sich diese Konjunktur nach dem Krieg verschob, kann man quantitativ nicht antworten. Nach der Beurteilung von A. Graßmann für den Handel Lübecks wurde sie wegen der schwedisch-­dänischen Auseinandersetzungen eher schlechter.181 Schon in der ersten Hälfte der 1640er Jahren war auch der Landhandel wegen des Konfliktes zwischen Dänemark und Schweden der Kriegsgefahr ausgesetzt. Am 12. Dezember 1643 überschritt ein schwedisches Heer bei Trittau die holsteinische Grenze. Die dadurch verursachte Behinderung des Verkehrs ließ die Städte Hamburg und Lübeck die Anordnung eines Konvois erwägen. Am 20. Dezember 1643 schrieb der Hamburger Rat an den Rat Lübecks, dass, wegen der Schwedischen einquartierung, die Fuhren zwischen den Beiden Ehrbaren Stätten Lübeck und Hamburgk mergklich gehindert, dadürch dan die Commercia, welche ohne daß bey diesen leider eingerißenen Kriegswesen sehr geschädet, anietzo gantz danieder liegen.182

Eine ähnliche Situation ergab sich 1657/58, als die schwedischen Truppen im Rahmen des Zweiten Nordischen Krieges (1657 – 1660) durch Lübecker Gebiet durchmarschierten.183 1660 schrieb der hamburgische Rat an Lübeck, „Nachdehme auß dennen in Holstein gelegenen Völckern verschiedene Regimenter abgedancket, daheero viele Herrenlöse Knechte jeziger Zeit herümb reiten, und die straße unsicher machen“.184 Vermutlich durch solche Verheerung teilweise hervorgebracht, verschlechterte sich der Straßenzustand. 1673 klagten lübeckische Fuhrleute darüber und verlangten die Instandsetzung der Straßen: 181 „Durch die Unruhen und Veränderungen in seinen Absatzgebieten und auf den Verkehrswegen dorthin mögen die Einbußen größer gewesen sein als durch den Dreißigjährigen Krieg“. Antjekathrin Grassmann: Lübeck im 17. Jahrhundert. Wahrung des Erreichten, in ders. (Hg.): Lübeckische Geschichte, 4. Aufl., Lübeck 2008, S. 464. 182 AHL, ASA Externa, Deutsche Territorien 5392, Fol. 38 r. 183 Vgl. Grassmann: Lübeck im 17. Jahrhundert, S. 464. 184 AHL, ASA Externa, Deutsche Territorien 5392, Fol. 52 r.

Hamburgs Ostseehandel vor der Atlantikzeit

159

wegen des täglichen allgemeinen abgangs der Nahrung […] die wege zwischen Lübeck undt Hamburgk derogestalt verfahren und böß, daß man schier mit keinen wagen oder pferde sonder Zerbrechung des wagens oder Zerreißung der geschier mehr durchkommen kan, sondern deswegen genötiget werden, etzliche Meile weges zu unßerer großen Verseumnus undt schaden umb zufahren.185

Trotzdem waren die Handelsbeziehungen Hamburgs zu Lübeck allem Anschein nach eher – anders als zu binnenländischen Handelsorten, wie im Kapitel IV erörtert – durch Kontinuität als Veränderung geprägt. Nach dem Krieg wurde nämlich dieser Landweg auch weiter benutzt, obwohl Lübeck handelspolitisch nach wie vor auf der Erhaltung des Stapelrechts beharrte. 1684 beispielsweise versandte ein englischer Kaufmann über Lübeck Tuch und Zucker aus Hamburg nach Stockholm, Danzig und Narva.186 Auf hamburgischer Seite wurde die Wagenordnung von 1651 für den Verkehr zwischen Hamburg und L ­ übeck erneut geregelt, wobei erstmals die Litzenbrüder, die als Bruderschaft von Ballen­ bindern und Packhelfern mit diesem Wagenverkehr beschäftigt ­waren, erwähnt wurden.187

2.2  Warenströme und Hamburgs Umschlagfunktion Im Folgenden wird zunächst die Einfuhr Hamburgs, im zweiten Teil seine Ausfuhr betrachtet, wobei wir uns jeweils zunächst dem Seeverkehr und dann dem Kanal- und Landverkehr zuwenden. Die Beschäftigung mit der Frage, welche Waren über welche Route gehandelt wurden, fordert für unsere Diskussion um Hamburgs Drehscheibenfunktion besondere Aufmerksamkeit. 1. werden die Rolle einer Handelsstadt und der Charakter ihres Handels durch Warensortimente188 und 2. durch Verkehrswege gekennzeichnet. Da sich Hamburgs Handelskontakt mit dem Ostseeraum nicht ausschließlich auf den Seeweg beschränkte, sondern die Benutzung von Land- und Flusswegen nach Lübeck möglich war, muss man davon ausgehen, dass die Kaufleute eine Route aus gewissen Gründen auswählten. Dementsprechend werden die beförderten Warentypen variiert haben. Diese logische 185 AHL, ASA Externa, Deutsche Territorien 5404, Fol. 1 r. 186 Newman: Hamburg, S. 69. 187 Baasch: Organisation, S. 2. Nach dem Wörterbuch von Grimm ist das Wort Litzenbrüder die „benennung der ballenbinder, packknechte und ablader in Hamburg und Lübeck, die von den schnüren, womit sie zum tragen und binden der koffer und packere versehen sein müssen, so heiszen und in eine bruderschaft vereinigt sind“. 188 Vgl. Lesgers Analyse des Amsterdamer Handels. Lesger: Amsterdam Market, vor allem Kapitel 2.

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­ nnahme kann erst mit konkretem Beweismaterial, am besten mit vergleichbaA ren Informationen über Umfang und Art der beförderten Waren belegt werden. Der Dreißigjährige Krieg rief nicht nur eine Verwirrung des normalen Handels, sondern gleichzeitig auch eine starke Zunahme der Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Rohstoffen des Ostseeraumes hervor. Verliehen diese beiden Einflüsse Hamburg eine besondere Funktion in der Warenvermittlung? Was Hamburg zu dieser Zeit aus dem Ostseeraum seewärtig einfuhr, geben die Schifferbücher an. Als Stichjahre der Datenbehandlung wird der Zeitraum zwischen 1622 und 1625, also die Zeit, in der der Verkehr zur Ostsee als relativ normal gelten kann, ausgewählt. Von den Schiffszahlen aus gesehen sticht Danzig im Verkehr nach Hamburg hervor. Das heißt aber nicht ohne weiteres, dass die Versorgung von der polnischen Stadt in allen Warenkategorien an der Spitze stand. Im 17. Jahrhundert machten andere Ostseestädte der Vormachtstellung Danzigs Konkurrenz und überflügelten es bei der Vermittlung bestimmter Warenarten. Tabelle III-7a: Seewärtige Wareneinfuhren aus Danzig 1622 – 1625 Roggen Weizen Hanf und Flachs Wagenschott Klappholz Dielen Pipenstäbe Wachs Blei Salpeter

4943 Last 290 Last 217 Schpf; 24 Pfd; 50 Bund; 24 Pack 2.756 St 10.700 St 8.630 St 98.530 St; 1 Partei 503 Schpf;18 Pfd; 27 Kiste; 1 Partei; 32 Pack; 23 St; 20 Rolle 2900 Ztr; 242 Last; 80 St 85 Fass

Quelle: StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ea Pars. 1, Nr. 3b, Vol. 1, Fasc. 1. Die Tabellen III-10b bis III-10e beruhen auf der gleichen Quelle. Die verschiedenen Maßeinheiten für Holz sind in Stück vereinheitlicht (Großhundert = 120 Stück und 1 Schock = 60 Stück). Vgl. Gottfried Christian Bohn: Der wohlerfahrne Kaufmann, 5. Aufl., Hamburg 1789., 1. Abt., S. 42.

Die von Danzig nach Hamburg kommenden Schiffe sind grob in zwei Hauptgruppen geteilt. Die eine verfrachtete fast ausschließlich Getreide, die Ladung der anderen bestand dagegen überwiegend aus Hölzern. Manche Schiffe luden viele verschiedene Waren. Bei der Versorgung mit Getreide, vor allem mit Roggen, nahm Danzig eine herausragende Stellung ein und ließ die anderen Ostseestädte weit hinter sich. Im Jahre 1623, für welches die Schifferbücher die

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vollständigen Daten aller zwölf Monate zur Verfügung stellen, lieferte Danzig 566 Last und sorgte damit für 39 Prozent der gesamten Seeeinfuhr. Die kriegerischen Verwicklungen verhinderten aber eine stabile Getreidezufuhr. Hamburg wurde daher abwechselnd von verschiedenen Orten, nicht nur aus dem Ostseeraum, sondern auch aus Westeuropa, versorgt.189 Im Holzhandel befanden sich in Schiffsladungen sowohl Bauholz (Wagenschott und Dielen) als auch Fassdauben (Klappholz und Pipenstäbe) in großen Mengen.190 Nicht zu unterschätzen ist die Einfuhr von Blei, das für die Herstellung von Kugeln verwendet wurde. Es fand durch den Krieg mit den Niederlanden und zu anderen Kriegszeiten guten Absatz in Spanien und Portugal.191 Zu solchen Materialien gehörte auch Salpeter als Bestandteil des kriegswichtigen Schwarzpulvers. Danziger Salpeter wurde aber vornehmlich über Lübeck auf dem Landweg transportiert, weil er auf der See unter besonders strenger Kontrolle stand.192 Tabelle III-7b: Seewärtige Wareneinfuhren aus Lübeck 1622 – 1625 Teer Roggen Weizen

478 Last; 10 Tonnen 390 Last 261 Last

189 1622 kamen von Danzig 302 Last Roggen, während die Einfuhr von Lübeck 305 Last und von Stettin 535 Last betrug. 1625 gingen über Danzig 1124 Last, von den Niederlanden 1153 Last und von Frankreich 1812 Last Roggen ein. 190 Wagenschott (astfreies Eichenkernholz oder gespaltene Eichenblöcke) war ein wichtiges Schiffsbauholz, das im Allgemeinen aus Danzig, Königsberg und Kurland nach Westeuropa geliefert wurde. Zum Schiffsbauholz gehörten zudem Masten, auf die Riga spezialisiert war, ferner Dielen und Planken, die auch für den Hausbau verwendet wurden. Attman: Russian and Polish Markets, S. 17. Große Mengen Fassdauben (Klappholz bzw. Pipenholzstäbe) benötigte man für die Verpackung von Wein, Olivenöl, insbesondere aber von Nordseehering. Sie wurden über Danzig, aber in steigendem Maße auch über Königsberg und Riga nach Westeuropa verschifft. Zum Ostseeholzhandel im Allgemeinen siehe Michael North: The Export of Timber and Timber By-­products from the Baltic Region to Western Europe, 1575 – 1775, in: ders. (Hg.): From the North Sea to the Baltic. Essays in Commercial, Monetary and Agrarian History 1500 – 1800, Aldershot 1998, S. 1 – 14. 191 Vgl. Ernst Baasch: Verkehr mit Kriegsmaterialien aus oder nach den Hansestädten vom Ende des 16. bis Mitte des 17. Jahrhunderts, in: Jahrbuch für Nationalökonomie und Statistik 137 (1932), S. 538 – 543, hier S. 539. Kellenbenz: Unternehmerkräfte, S. 71. Siehe auch Kapitel II dieser Arbeit. 192 Vgl. Zunckel: Rüstungsgeschäfte, S. 71 und 108.

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Unter den Waren aus Lübeck fallen Teer und Weizen auf. Der Weizen war wohl holsteinischer Herkunft. Im betrachteten Zeitraum wurde die größte Menge Teer aus Lübeck geliefert. Die beachtliche Stellung in der Teerlieferung verdankte Lübeck seinen Handelsbeziehungen im Ostseeraum. Lübeck war vom Mittelalter bis zum ersten Drittel des 19. Jahrhunderts ein großes Herstellungs- und Distributionszentrum von Teer und Pech.193 Die Stadt beschaffte das Material hauptsächlich aus skandinavischen Ländern.194 Außerdem war Lübeck der Hauptabnehmer des Teers aus Gotland, einem wichtigen Produzenten im 17. Jahrhundert.195 Tabelle III-7c: Seewärtige Wareneinfuhren aus Stralsund, Greifswald, Stettin und Reval 1622 – 1625 Stralsund Roggen 256 Last Weizen 55,5 Last Malz 384 Last Gerste 117 Last Teer 74,5 Last

Greifswald Stettin Roggen 281 Last Roggen Weizen Teer Wachs Klappholz

625 Last 71 Last 122 Last 500 Pfd 400 St

Reval Roggen Weizen Teer Flachs

720 Last 50 Last 71 Last 200 Schpf

Die Hansestädte in Pommern sowie Reval verfrachteten vornehmlich Getreide. Unter ihnen stellt die Roggenzufuhr von Reval eine ansehnliche Menge. Getreide war im 17. Jahrhundert der wichtigste Handelsartikel dieser Stadt und fand in den Niederlanden den größten Absatz.196 1622 erreichten 224 Last 193 Johannes Klöcking: Zur Geschichte des Lübecker Teerhofs, in: ZVLGA 31 (1949), S. 53 – 77. Dies bezieht sich auch auf den Land- und Flussverkehr von Lübeck nach Hamburg. Siehe unten in diesem Kapitel. Teer und sein Folgeprodukt Pech waren für die frühneuzeitliche Industrie unentbehrliche Konservierungs-, Schmier- und Dichtungsstoffe. Teer wurde als Konservierungsmittel für Holz und Tauwerk im Schiffbau und in der Schiffsinstandhaltung verwendet. Pech diente zum Kalfatern der hölzernen Schiffe und Boote sowie zur Fugendichtung der Fässer. Rolf Gelius: Teer und Pech im Seehandel der Ostseeländer im letzten Jahrhundert der Hanse (1550 – 1660), in: HGbll 120 (2002), S. 181 – 203, hier S. 185 und 187. 194 Dieses Holzprodukt wurde aus harzreichen Nadelhölzern hergestellt, deren ausgedehnte Wuchsgebiete sich im Ostseeraum in Preußen, Polen, Russland und Skandinavien fanden. Nach Lübeck gingen beispielsweise 18 Prozent des Teers, das 1610 – 1616 aus Stockholm ausgeführt wurde. 1646 – 1650 machte der Anteil 15 Prozent aus. Gelius: Teer und Pech, S. 200. 195 Åke G. Sjöberg: Gotlands Handel im frühen 17. Jahrhundert, in: Robert Bohn (Hg.): Gotland. Tausend Jahre Kultur- und Wirtschaftsgeschichte im Ostseeraum, Sigmaringen 1988, S. 101 – 109, hier S. 105. 196 Arnold Soom: Der Handel Revals im 17. Jahrhundert, Wiesbaden 1969, S. 27.

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Roggen Hamburg, die 9 Prozent der Revaler Gesamtausfuhr ausmachten.197 Von Stralsund beschaffte man das Sondererzeugnis Malz.198 Tabelle III-7d: Seewärtige Wareneinfuhren aus Königsberg 1622 – 1625 Wagenschott Klappholz Hanf und Flachs Tauwerk

2300 St 11.545 St 25 Last; 153 Schpf; 46 Bund 23 Schpf; 18 Rolle

Königsberg war für Hamburg ein bedeutender Holzlieferant. Die Einfuhrmenge von Wagenschott und Klappholz war fast gleich mit derjenigen aus Danzig. Trotz der geringeren Zahl der einkommenden Schiffe behauptete sich die Stadt in der Warenkategorie. Tabelle III-7e: Seewärtige Wareneinfuhren aus Gotland, Norrköping und Wiborg 1622 – 1625 Gotland Teer 327,5 Last; 6 Fass Balken 1934 St Dielen 130 St

Norrköping Dielen 26.400 St Balken 1750 St Sparren 4000 St Eisen 300 Schpf Weizen 224,5 Last; 40 Tonnen

Wiborg Teer 320 Last

Gotland und Norrköping versorgten Hamburg mit großen Mengen skandinavischen Nadelholzes (Tannenbalken, -dielen und -sparren), das für den frühneuzeitlichen Schiffsbau bevorzugt wurde. Rechnet man das Holz, das in den Quellen als „von Schweden“ verzeichnet ist, dazu, erhöht sich die Menge noch weiter. Das Holz aus dem nadelwaldreichen Gotland war nicht nur selbst ein wichtiger Exportartikel, sondern wurde auch für die Herstellung von Teer verwendet. Der Hauptkunde des für seine hohe Qualität bekannten gotländischen Teers, der über Visby, dem Hauptort der Insel, ausgeführt wurde, war Lübeck, aber es gab zu dieser Zeit auch die direkte Zufuhr nach Hamburg. Vereinzelt kam es über Wiborg zu einer insgesamt nicht zu unterschätzenden Zufuhr von finnischem Teer. 197 Arnold Soom: Der baltische Getreidehandel im 17. Jahrhundert, Stockholm/Göteborg/ Uppsala 1961, S. 275. 198 Vgl. Lotte Müller: Die Entwicklung des Stralsunder Seehandels in der Zeit der schwedischen Herrschaft, Königsberg 1926, S. 19; Bohn: Kaufmann, 1. Abt., S. 598.

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Aus der obigen Darstellung ergibt sich, dass die geographische Zuteilung der Warenströme von der Ostsee nach Hamburg zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges einerseits Instabilität und anderseits Vielfalt zeigte. Danzigs Überlegenheit im Getreidehandel ist unbestritten, die Versorgung unterlag aber heftigen Schwankungen und demnach mussten Alternativen gefunden werden.199 Die umfangreichen Lieferungen anderer nachgefragter Waren, vor allem Holz und Teer, trugen andere Städte. Im Handel dieser Waren treten neben Königsberg skandinavische Gebiete auf, deren Ortsnamen in den Darstellungen zum Ostseehandel eher am Rande erwähnt sind. Wie die kombinierende Untersuchung von Onlinesundzollregistern und Hamburger Schifferbüchern zeigt, trugen vor allem niederländische Schiffer den Transport dieser Waren.200 Wir fragen anschließend nach dem Zusammenhang mit der Einfuhr auf dem festen Land. Die oben genannten Waren konnte man auch durch Land- und Flusstransport beschaffen. Vor allem konnte die Kanalfahrt zwischen Lübeck und Hamburg, da sie zur Beförderung von Massengütern geeignet war, wegen der kürzeren und sicheren Reise lange Zeit hindurch gegenüber dem Seetransport bevorzugt worden sein.201 Der 1390/98 erbaute Stecknitzkanal war eigentlich für den Salztransport von Lüneburg nach Lübeck eingerichtet worden.202 Er diente aber auch dem Verkehr nach Hamburg und erhielt die Zwischenstation Lauenburg ihre Bedeutung im Massengütertransport nach der Elbstadt.203 Es 199 Die verminderte Stellung Danzigs im Handel mit Produkten außer Getreide kann als allgemeine Tendenz im Ostseehandel festgestellt werden. 200 Siehe Anhang B dieser Arbeit. 201 Die Warenliste, die 1572 aufgrund der Erhebung von Schleusengeld für den Stecknitzverkehr erstellt wurde, führt mehrere Massengüter wie Getreide, Holz, Teer, Pech usw. auf. StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 11, Vol. 2a, Fol. 15 – 17, 20 – 21, 25. 1714 äußerten die Kaufleute in Hamburg über den Verkehr zu Lübeck: „grobe waaren werden meistens zu wasser verführet“. StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 12, Vol. 1b, Fol. 34r. 202 Harald Witthöft: Der Export Lüneburger Salzes in den Ostseeraum während der Hansezeit, in: Norbert Angermann (Hg.): Die Hanse und der deutsche Osten, Lüneburg 1990, S. 41 – 65, hier S. 52. Siehe auch Hermann Heineken: Der Salzhandel Lüneburgs mit Lübeck bis zum Anfang des 15. Jahrhundert, Berlin 1908 203 Für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts lässt sich eine zunehmende Beteiligung Lauenburger Schiffer an der Schifffahrt nach Hamburg feststellen: Im Jahresdurchschnitt werden 100 – 200 Fahrten nach Hamburg errechnet. Nissen: Forschungsergebnisse, S. 7. Die Entwicklung war mit dem Ost-­West-­Verkehr über Hamburg verbunden. 1473/74 hörte man die Beschwerde aus den Niederlanden, dass in Hamburg auf das aus Lübeck über Lauenburg geführte Pech und Teer ein erhöhter Zoll gelegt werde. Pitz: Zolltarife, Nr. 102.

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lässt sich aber nicht eindeutig erkennen, welchen Anteil die Kanalfahrt am gesamten Warenvolumen im Hamburg-­Lübeck-­Handel einnahm. Möglich ist dagegen eine Charakterisierung im Vergleich zu den anderen Routen anhand der transportierten Warensortimente. Nach der Angabe des Elbzollbuchs wurden 1630 von Lauenburg in Hamburg 270.000 Stück Pipenstäbe, 47.280 Stück Klappholz, 14.400 Stück Dielen, 2020 Stück Wagenschoss und 265 Last Teer und Pech eingeführt.204 Diese Mengen kommen dem oben vorgelegten Umfang des gesamten Seetransportes gleich, oder man könnte sogar schätzen, dass sie ihn übertrafen. Vor allem beim Import von Pipenstäben, Klappholz und Wagenschoss nahm Lauenburg im gesamten Festlandverkehr eine fast exklusive Stellung ein.205 Auffallend ist dazu die einfache Struktur der durch den Kanal beförderten Waren: Die genannten Grobgüter besetzten den größten Teil der Schiffsladungen.206 Der Benutzungszweck des Wassertransportes stellt sich hier deutlich dar. Welche funktionale Stellung nahm der Landweg ein? Die Streitigkeiten zwischen Hamburg und Lübeck um Durchfuhrverbote geben uns einen Einblick, welche Ostseeprodukte Hamburger Kaufleute über den Landweg zu beschaffen versuchten. Die Gesuche der hamburgischen Kaufleute um Durchfuhrerlaubnis, die beim Lübecker Rat eingereicht wurden,207 nennen folgende Waren: 25 Tonnen Butter aus Dänemark (1604); gesalzener und getrockneter Lachs (1606); Kupfer aus Schweden (1606); 40 Speckseiten und 2 Tonnen Butter aus Dänemark (1607); Lachs und anderer Fisch aus Dänemark (1608); 50 Schiffspfund Wachs aus Danzig (1608); 45 Last Roggen aus Danzig (1630); 35 Last Roggen (1630); 560 Schiffspfund Kupfer aus Schweden (1634); 40 Last Roggen (1644); 400 Last Getreide (1644); 60 Schiffspfund Kugeln (1644); schwedische Kanonen (1672); Eisen (1673); Fettwaren (1694). Ferner beschwerte man sich über die Zollerhöhung auf Talg, Leder und Hanf aus Livland. Daraus lassen sich verschiedenartige Warensortimente entnehmen. Besonders bemerkenswert ist der Landtransport von Kupfer, das am damaligen Seeverkehr vom Ostseeraum nach Hamburg – der großen Bedeutung im Aus 204 StAH, Land- und Elbzollbücher, Vol. 1. 205 Es handelte sich mit Sicherheit um die Zufuhr aus dem Ostseeraum über Lübeck, teilweise aber auch um die aus Mecklenburg. 206 Auch wenn in den Zollbüchern nicht eindeutig erkennbar ist, muss der Transport von Getreide in großem Ausmaße stattgefunden haben. 1644 wurde die Durchfuhr von 139 Last Roggen von Danzig durch Lübeck über Stecknitz, gestattet. AHL, ASA Externa, Deutsche Territorien 5386, Fol. 107r‒110v. 207 AHL , ASA Externa, Deutsche Territorien, Nr. 5397; StAH , Senat Cl. VII , Lit. Ec Nr. 12, Vol. 1b, Vol. 4; Lit. Kb Nr. 11, Vol. 7.

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fuhrhandel nach West- und Südeuropa zum Trotz – nur einen kleinen Anteil ausmachte, im damaligen Ausfuhrhandel nach Spanien und Portugal aber eine wichtige Rolle spielte. Bei den Streitigkeiten mit Lübeck handelte es sich oft um den Transport schwedischen Kupfers. Die Beschwerde hamburgischer Kaufleute im Jahre 1606 gegen Lübeck über ein Durchfuhrverbot zeigt an, dass sie das schwedische Kupfer von Lübeck über Oldesloe nach Hamburg, damit über den Landweg, zu bringen versuchten.208 Da man nach dem Admiralitätszollregister damals Kupfer wertmäßig so hoch wie Wachs bei gleichem Gewicht schätzte,209 zählte das Metall nicht zu den Massengütern. Tabelle III-8: K  upferausfuhren aus Stockholm 1642 und 1643 Kupfermünze Schpf 1642 bis 1. August Nach Holland Lübeck Andere 1643 bis 1. August Nach Holland Lübeck Andere

Lpf

Garkupfer Schpf

Kupferplatte

Lpf

Schpf

Lpf

Kupferblech Schpf

Lpf

206 175 220

8 5 48

2875 873 157

13 2 11

61

4

56 41

15 10

112 114 69

13 15 22

1849 1789 11

6 6 6

147 1085

6 2

154 147 1

17 12

Quelle: Bertil Boëthius/Eli Filip Heckscher (Hg.): Svensk Handelsstatistik 1637 – 1737, Stockholm 1938, S. 646.

Wie die schwedische Handelsstatistik (Tabelle III -8) zeigt, war Lübeck in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts – trotz der entscheidenden Tendenz der Bedeutungsverschiebung von den Hansestädten zu den Niederlanden210 – immer noch der Hauptabnehmer des aus Stockholm ausgeführten schwedischen Kupfers. Der Anteil von Lübeck an der Kupferausfuhr aus Stockholm in den Jahren 1642 und 1643 ist auch im Vergleich zu den Niederlanden als hoch einzuschätzen. Man kann hier von der Handelsachse Stockholm – Lübeck – Hamburg sprechen. Nach H. Droste waren die hamburgisch-­schwedischen 208 AHL, ASA Externa, Deutsche Territorien, Nr. 5386. 209 1 Schiffspfund an Kupfer/Wachs wurde mit 200 Mark bewertet. 210 Dazu siehe Åke Sandström: Sweden and the Hanseatic League 1600 – 1650. Commercial Relations in Transition, in: Jürgen Bohmbach (Hg.): Fernhandel und Stadtentwicklung im Nord- und Ostseeraum in der hansischen Spätzeit (1550 – 1630), Stade 1995, S.19 – 29.

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Beziehungen durch die diplomatischen, politischen sowie kaufmännischen Netzwerke geprägt, wobei der Warenhandel keine große Rolle spielte.211 In Hinsicht auf den direkten Warenverkehr bestätigt sich diese Annahme, weil der Seeverkehr zwischen Hamburg und Schweden keine starke Verbindung hatte. Berücksichtigt man aber Hamburgs Festlandnetzwerke, die über Lübeck abgewickelt wurden, ist Schweden als wirtschaftliche Großmacht einzuschätzen. Bis zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges gab es Bezugsquellen von Kupfer auch in ungarischen sowie slowakischen Gebieten. Der Krieg bereitete aber binnenländischem Kupfer große Produktions- und Transportschwierigkeiten,212 so dass sich für schwedisches Kupfer die Möglichkeit ergab, die europäischen Märkte zu erobern.213 Die Augsburger Handelsfirma Paler und Rehlinger, die um 1600 rege den Handel mit ungarischem Kupfer durch den Hamburger Kaufmann Emanuel Jenisch betrieben hatte, verschob in den 1620er Jahren allmählich ihren Handelsschwerpunkt zum Geldgeschäft.214 1625 war Jenisch gezwungen, schwedisches Kupfer statt des ungarischen nach Spanien zu schicken.215 Zwar hemmte das Durchfuhrverbot Lübecks den Transport von Kupfer, aber nach Verhandlungen konnten große Lieferungen erfolgen. Beispielsweise wurde dem Gesuch der Hamburger Kaufleute beim Lübecker Rat um die Durchfuhr der oben erwähnten 560 Schiffspfund schwedischen Kupfers die Erlaubnis erteilt.216 Hier ist wiederholt die marginale Stellung von Kupfer im hamburgischen Seeverkehr zu bemerken. So kann man von einer Rollenverteilung zwischen See- und Landwegen im Warentransport sprechen. Für das schwedische Kupfer, das damals zu einem hohen Preis gehandelt wurde, wollte man trotz der Durchfuhrbeschränkung in Lübeck den Landtransport wählen, 211 Heiko Droste: Hamburg – ein Zentrum schwedischer Außenbeziehungen im 17. Jahrhundert, in: Ivo Asmus/Heiko Droste/Jens E. Olesen (Hg.): Gemeinsame Bekannte. Schweden und Deutschland in der Frühen Neuzeit, Berlin/Hamburg/Münster 2003, S. 65 – 82, hier siehe vor allem S. 74 f. 212 Ein Umweg für das durch die Kriegswirren unter Transportschwierigkeiten leidende ungarische Kupfer war die Route von Krakau über Danzig und Lübeck nach Hamburg. Vgl. Reinhard Hildebrandt (Hg.): Quellen und Regesten zu den Augsburger Handelshäusern Paler und Rehlinger 1539 – 1642. Wirtschaft und Politik im 16. und 17. Jahrhundert, Teil 1(1539 – 1623), Nr. 352. Siehe auch Kapitel IV dieser Arbeit. 213 Vgl. Kapitel IV dieser Arbeit. 214 Vgl. Hildebrandt (Hg.): Quellen und Regesten, Teil 2 (1624 – 1642). 215 StAH, RKG S150. Dies schließt aber nicht aus, dass das ungarische Kupfer in großer Menge nach Hamburg geliefert wurde. Siehe dazu das Kapitel IV, S. 246 f. 216 AHL, ASA Externa, Deutsche Territorien, Nr. 5374; StAH, Senat Cl. Vl, Nr. 1a, Vol. 1, Fasc. 10, Lübeck an Hamburg 1634.

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weil es auf diesem Weg am schnellsten und am sichersten befördert werden konnte und kein Öresundzoll bezahlt werden musste. Bei der Einfuhr zu Wasser über Lauenburg, worüber die Elbzollbücher Auskunft geben, spielte Kupfer ebenfalls keine Rolle. Es gab keinen Grund, den Umweg über den Fluss- und Kanalweg zu nehmen, der für die Beförderung der Massengüter wie Holz doch dienlich war. Über Ausfuhrartikel, die ab Hamburg in den Ostseeraum transportiert wurden, stellen die SZR Angaben seit einem früheren Zeitpunkt zur Verfügung. Aus ihnen ergibt sich, dass ab Hamburg von der zweiten Hälfte des 16. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts überwiegend Salz exportiert wurde. Daneben sind Wein und Hering in nicht bemerkenswerten Mengen zu nennen. Die Ausfuhrmenge des Salzes war wie beim Getreideimport höchst schwankend. Die Warenströme, die Hamburg im 17. Jahrhundert im Nordsee- und Atlantikwirtschaftsraum an sich zog (Tuch, Pfeffer, Zucker usw.), liefen überhaupt nicht über den Seeweg nach Osten. Der Verkehr über den Stecknitzkanal nach Lübeck war, wie oben erwähnt, von kleinem Ausmaß. Deshalb ist der Fokus im Folgenden auf den Landhandel mit Lübeck eingestellt. Im mittelalterlichen Ausfuhrhandel Hamburgs mit Lübeck nahm Tuch den ersten Platz ein.217 Wertmäßig ist festzustellen, dass die Tuchausfuhr Hamburgs nach Lübeck die herausragende Bedeutung im Handel zwischen beiden Städten besaß.218 Für den Handel zwischen Hamburg und Lübeck vom 15. bis zur ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erlauben Lübeckische Zertifikate – Bescheinigungen, die lübeckischen Kaufleuten für den zollfreien Warentransport von und nach Hamburg ausgestellt wurden – für die Jahre 1436 – 1527 einen Einblick, welche Waren von den beiden Städten vornehmlich ausgetauscht

217 Aus den Geschäftsverbindungen der Kommissionäre, die im hamburgischen Pfundzollbuch des Jahres 1418 verzeichnet sind, ist die überwiegende Bedeutung Lübecks erkennbar. Rolf Sprandel (Bearb.): Das Hamburger Pfundzollbuch von 1418, Köln/ Wien 1972, S. 65. Der Transit von flandrischen Tuchen nach Lübeck war ein Hauptzweig des damaligen hamburgischen Handels. Auch das Lübecker Pfundzollbuch von 1368, worin der Verkehr zwischen Lübeck und Oldesloe, der sich folglich an Hamburg anschloss, verzeichnet ist, zeigt den lebhaften Handel mit Tuchen. Georg Lechner (Hg.): Die hansischen Pfundzollisten des Jahres 1368, Lübeck 1935. 218 Diese Feststellung wurde durch die auf Japanisch geschriebene Arbeit von Takeshi Tanizawa: Hokuou Syogyoshi no Kennkyu – Sekai Keizai no Keisei to Hansa Syogyo (Studium der nordeuropäischen Handelsgeschichte – Die Entstehung der Weltwirtschaft und der Hansehandel), Tokio 2011, S. 31 – 54, mit Zahlen belegt.

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wurden.219 Im Verkehr von Hamburg nach Lübeck waren Tuche immer noch vorherrschend.220 Als Herzog Adolf von Schleswig-­Holstein im Jahre 1570 bei Reichstag und Kaiser um Bewilligung eines Zolls an der Elbmündung bei Dithmarschen bat, betonte er zuallererst die Beibehaltung eines niedrigen Zolltarifs auf englische Tuche.221 Die mittelalterlichen Grundlagen berücksichtigend, kommt die landwärtige Warenausfuhr im 17. Jahrhundert in Frage. Kurz gefasst: Sie war sowohl an Mengen als auch an Sorten erheblich. In den Landzollbüchern für das Jahr 1637 sind große Mengen von verschiedenen Waren verzeichnet. In Relation zu anderen Exportorten222 ragt der Tuchabsatz nach Lübeck darunter besonders hervor: ca. 7400 Stück Laken und 1800 Dosinken (eng. dozens, leichte, flanellartige Wollstoffe). Die ermittelte Gesamtzahl der Tuche, die 1637 von Hamburg über Landwege nach Lübeck sowie nach den Ostseestädten befördert wurden, reichten mit ca. 8900 Stück Laken an den gesamten Lakenimport des Ostseeraumes durch den Öresund heran.223 Für manche nach Lübeck bestimmte Laken ist die Bezeichnung „Dänisches Gut“ oder „Stralsunder Gut“ vermerkt. Es handelte sich vermutlich um die Zugehörigkeit der Ladungen („Bürgergut“) und nicht um das Endziel der Waren. Man kann aber annehmen, dass die Tuche über Lübeck weiter in diese 219 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Eb Nr. 10, Vol. 3. Vgl. Pitz: Zolltarife, Nr. 62; Hans-­Jürgen Vogtherr: Hamburger Faktoren von Lübecker Kaufleuten des 15. und 16. Jahrhunderts, in: ZVLGA 73 (1993), S. 39 – 138; Hans-­Jürgen Vogtherr: Hansischer Warenverkehr im Dreieck Lübeck-­Hamburg-­Lüneburg am Ende des 15. Jahrhunderts, in: HGbll 123 (2005), S. 171 – 188. 220 Daneben sind verschiedene Produkte aus West- und Südeuropa wie sogenannte Drogenwaren (Trockenwaren, wie Gewürze, Früchte, Farbwaren usw.), Rosinen, Mandeln, Wein, Pfeffer, Öl, Arznei, Seifen usw., ferner Hamburger Bier und vereinzelt Nordseehering zu nennen. 221 Pitz: Zolltarife, Nr. 196. Er behauptete, es werde mit der gewünschten Zollerhebung keine Teuerung im Reich geben. Daneben erwähnte er die über die Elbe vermittelte Warenzufuhr: Salz und Wein würden wenig nach dem Reich, sondern nach Dänemark, Norwegen, Danzig und Russland, ferner ein Teil von seewärtig importierten Gewändern und Gewürzen nach Nürnberg, Frankfurt / Main und Leipzig weitergeführt. Die elbabwärts geführten Waren würden in fremde Länder wie Spanien, Frankreich, England, Schottland und zum Teil auch in die Niederlande gebracht. 222 Vgl. Kapitel IV, S. 240 – 242. Die Umrechnung der verschiedenen Maßeinheiten wird dort erklärt. 223 Die Textilien, die 1637 von Westeuropa durch den Öresund ostwärts passierten, umfassten 92.633 Stücke, aber der größere Teil bestand aus billigeren Kirseyen oder Seiden. Unter den Laken (dänisch: Klæde) waren es 8427 Stück. Übrigens wurde kein Tuch in diesem Jahr ab Hamburg durch den Öresund transportiert. SZR, Bd. 2, S. 460 – 463.

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Gebiete reexportiert wurden. Zu dieser Zeit importierten auch Kopenhagener Kaufleute Tuche aus Hamburg über Lübeck nach Dänemark.224 Stralsund hielt auch im Dreißigjährigen Krieg seinen westlichen Handel aufrecht. Nachdem die Getreidezufuhr aus dem pommerschen Hinterland nach Lübeck durch den Krieg abgebrochen worden war, wurde der Handel mit den aus Hamburg gelieferten Tuchen vorrangig.225 Der landgängige Tuchexport Hamburgs in den Ostseeraum wurde schon vor dem Dreißigjährigen Krieg im Gegensatz zu dem Export nach binnenländischen Märkten in Hinsicht auf die Absatzmöglichkeiten als günstig betrachtet. Als der Türkenkrieg (1593 – 1606) den Tuchabsatz in binnendeutschen sowie österreichischen und ungarischen Gebieten drosselte, suchte man einen Ausweg in den Ostseestädten. Im Jahre 1601, als die Nachfrage in Nürnberg stark abgenommen hatte, schrieb Richard Rawstorm, ein Faktor der englischen Merchant Adventurers-­Kompanie in Stade, einen Brief an seinen Partner Lionel Cranfield in London: „I cannot perceive any mend of northern kersies [= Kirseyen] at Nuremburg, but at Dantzic it seems they find good dispatch“.226 Als Versandroute kam der Landweg von Hamburg nach Lübeck in Betracht. 1607, als Rawstorm Kirseyen über Hamburg und Lübeck nach Danzig schicken lassen wollte, behauptete er, „I am credibly informed that that way is both speediest and safest and the charge all one“.227 Er hielt den Versand der Kirseyen aus Hamburg über den Landweg nach Lübeck und weiter nach Danzig für das Beste, „for it means the Dantzic toll is saved and the danger nothing at all“.228 Für den Tuchhandel ist damit nachgewiesen, dass der Verkehr von Hamburg nach Lübeck und weiter nach den Ostseegebieten in Hinsicht auf Absatzmöglichkeiten, Kosten, Gefahren und Geschwindigkeiten des Geschäftsverfahrens als günstiger betrachtet wurde. Als wichtigste Voraussetzung für die aktive Benutzung des Landweges nach Lübeck ist die Sicherheit insbesondere beim Transport teurer Güter zu nennen. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus das Verhältnis zwischen Gewicht und Preis. Das Tuch wurde im Vergleich mit seinem Gewicht zu einem relativ hohen Preis gehandelt und war daher auch für den Landtransport geeignet. Dass Tuche bei der Ausfuhr nach Lauenburg (Umschlagplatz des Wasserverkehrs 224 Johan Jørgensen: Denmark’s Relations with Lübeck and Hamburg in the Seventeenth Century, in: Scandinavian Economic History Review 11 – 2 (1963), S. 73 – 116, hier S. 78. 225 Olechnowitz: Handel und Seeschiffahrt, S. 114 – 124. 226 Fisher: Letters, S. 79. 227 Ebenda, S. 176 – 178. 228 Ebenda, S. 205.

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zwischen Hamburg und Lübeck) keine Rolle spielten, ist ein Beweis für diese Annahme. Man brauchte bei den leichten Tuchen die längere Strecke durch den Kanalweg nicht zu nehmen. Die Beförderung der Tuche, die seit der Hansezeit den Charakter des Landweges zwischen Hamburg und Lübeck geprägt hatte, gehörte auch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zum Hauptzweig des Handels der beiden Städte.229 Die übermäßige Hervorhebung der Tuchausfuhr könnte aber die Tatsache verkennen lassen, dass in der Landausfuhr nach Lübeck diverse Warenarten gehandelt wurden. Unter ihnen waren Weine verschiedener Herkunft, Käse, Zucker, Tabak, allerlei Farbmittel, Gewürze, Drogen- und Apothekerwaren sowie Spezereien, vielfältige Arten von Südfrüchten, Olivenöl, Kramwaren usw.230 Die Eigenheit der Hamburg-­Lübeck-­Landroute sollte in diesem Punkt gesucht werden. In Hinsicht auf den Wert und die Vielfältigkeit der Waren wurde sie am meisten befahren. Der blühende Tuchhandel mit Lübeck im Dreißigjährigen Krieg scheint in der Folgezeit einen gewissen Rückgang verzeichnet zu haben, während der Anteil von Kolonialwaren wie Zucker, Sirup und Tabak vergleichsweise anwuchs. In den Lübecker Zulagezollbüchern – die den Warenverkehr „zu Lande“ für einige Jahre der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts registrieren, aber leider nur schwache Aussagekraft haben231 – treten Tuche nicht mehr so häufig wie früher in den Hamburger Landzollbüchern auf. Der Grund lag im allgemeinen Rückgang des Hamburger Tuchimportes, der sich an der verminderten Zahl 229 Der Handel veränderte sich lediglich in dem Punkt, dass der wichtigere Herkunftsort von Flandern nach England gewechselt hatte. 230 Wegen der großen Vielfalt der in den Zollbüchern verzeichneten Warentypen und dafür verwendeten Maßeinheiten ist eine systematische Übersicht über alle nach Lübeck ausgeführten Artikel im vorliegenden Text nicht möglich. Für einige der im Jahre 1637 ausgeführten Waren werden im Kapitel IV, S. 241 tabellarische Zahlen angeführt. Daneben können hier für das gleiche Jahr genannt werden: Tabak: 143 Fässer/Fässlein, 33 Rollen, 40 1/2 Tonnen und 21 Ballen; Farbhölzer: 2415 Pfund, 23 Schiffspfund, 84,25 Fässer/Fässlein, 44 Tonnen; Indigo: 76 Fässlein; Pfeffer: 45 1/2 Sack; Ingwer: 115 3/4 Sack und 15 Fass/Fässlein; Pfeffer 45 1/2 Sack; Drogen- oder Apothekerwaren: 98 Tonnen und 54 1/2 Fass/Fässlein; „Gewürze“: 18 1/2 Fässlein. Die Zahlen der selten auftretenden Maßeinheiten und der mit vielen anderen Artikeln gemischt verpackten Waren sind hier nicht angeführt. 231 In einem Teilbestand der lübeckischen Zulagezollbücher befinden sich die Verzeichnisse über den Landhandel Lübecks in der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Zollerhebung zu Lande). AHL, Zulageherren, Nr. 1 – 6. Die Aussagekraft dieser Quelle ist dadurch beschränkt, dass die Ortsnamen oft fehlen. Man kann daraus nur einen ungenauen Eindruck über Tendenzen entnehmen.

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der in der Stadt geprüften Tuche erkennen lässt,232 wenn auch der Tuchhandel mit England immer noch eine wichtige Stellung einnahm. Im Kapitel  II haben wir gesehen, dass englische Tuche im engen Zusammenhang mit dem binnenländischen Leinen standen. Gleichzeitig scheint die Zuckerausfuhr von Hamburg nach Lübeck in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ihren relativen Anteil vermehrt zu haben; in den Zollbüchern fallen mehrere Eintragungen von ­Zucker auf. Tabak tritt auch häufig auf. Der Eindruck, dass Lübeck als Exportziel der Tuche aus Hamburg völlig an Bedeutung verloren hätte, wäre aber falsch. In den Lübecker Zollbüchern stehen immer noch Eintragungen von Tuchen. Zwar ist der Herkunftsort unbekannt, dennoch dürfte man die Tuchlieferung über Hamburg nach Lübeck annehmen können. 1684 versandte beispielsweise der englische Kaufmann Matthew Ashton Tuche nach Lübeck für den weiteren Transport nach Stockholm und Danzig.233

3.  Hamburgs Ostseehandel in der Atlantikzeit Für das hier als Atlantikzeit bezeichnete 18. Jahrhundert haben wir im Kapitel  II die Abwicklung des hamburgischen Zwischenhandels im Rahmen der überkontinentalen Wirtschaftssphäre hervorgehoben. Zu überprüfen, ob und wie sich der Ostseehandel der Stadt in diesem Kontext entwickelte, ist das Untersuchungsziel dieses Abschnittes.

3.1  Verkehr auf See-, Fluss- und Landwegen Durch die allgemeine Entwicklung des atlantischen Handels wuchs das Handelsvolumen im Hamburger Hafen, wie deutlich am Handel mit Kolonialwaren erkennbar ist. Dies lässt fragen, wie sich dieser Zuwachs auf den Ostseehandel auswirkte. Der Große Nordische Krieg brachte der ohnehin leidenden Seefahrt zwischen Hamburg und dem Ostseeraum zusätzlichen Schaden. 1705 schrieb Hamburg in der Antwort auf die Beschwerde einiger Lübecker, die in Hamburg für aus Frankreich kommende Güter Zoll bezahlen mussten, dass ohne diese Maßnahme Hamburg Zolleinnahmen entgehen würden, weil der hamburgische Zoll für den Seeverkehr durch den Krieg große Einbußen erleide. Aus dem Westen kommende Waren wurden wegen des Krieges nicht zur See, sondern über Land 232 Reissmann: Kaufmannschaft, S. 199. 233 Wie Anm. 186 dieses Kapitels.

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via Lübeck in den Ostseeraum gebracht.234 Dennoch gab es in dieser Zeit einen neuen Ansatz für die zukünftige Handelsblüte, und zwar im Jahre 1710 durch Russland, das sowohl ca. zehn Jahre später als Kriegssieger die einflussreichste Stellung im Ostseeraum einnehmen als auch das in der Kriegszeit gegründete St. Petersburg (1703) als russisches Tor zur See kräftig entwickeln sollte.235 Am 31. Oktober dieses Jahres konsultierte der Hamburger Rat die Commerzdeputation über die Angabe des russischen Residenten Johann Friedrich Boettiger, der mitteilte: wie die Czaarische Majestät geneigt were, das Commercium mit Liefland wieder zu eröffnen und sonderlich den Hafen Petersburg, so nunmehro in ihren Mächten, zu einem freyen Handlungs-­Platz einzurichten, und deswegen solches E. H. Rath notificirte, dem Commercio zu eröffnen, ob dasselbe auch etwas dabey zu erinnern hette.236

Russlands Intention lag dabei nicht nur in der Beförderung der Handelsbeziehungen, sondern vielmehr darin, in der freien Stadt eine Einrichtung zur Beobachtung und Kontrolle zu schaffen, um benachrichtigt zu werden, was sich in Norddeutschland abspielte.237 Zur Aufgabe des russischen Residenten gehörte darüber hinaus die Dokumentation der Hamburger Presse. Er sollte erkunden, ob die hamburgischen Zeitungen keine missliebigen Nachrichten für Russland brächten.238 Kurz danach kam ein Brief von Lübeck mit der Erkundigung, was es „in eventum darüber resolviret werden möchte“.239 Auch wenn Russlands Intention nicht rein wirtschaftlich war, lag für die hamburgische Seite das Hauptinteresse offensichtlich in Gewinnen aus dem Handel. Es wurde diskutiert, wie man die Beziehungen zu Russland unterhalten sollte, um davon möglichst viele Vorteile zu erhalten. Die Commerzdeputation schlug vor, dass man, in Voraussicht auf das Kriegsende, im Handel mit der neugegründeten Stadt nicht nachstehen sollte.240 234 Pitz: Zolltarife, Nr. 319. 235 Zur Gründung St. Petersburgs siehe die Beschäftigung mit zahlreicher russischer Literatur von Peter Hoffmann: Anfänge von Stadt und Hafen Sankt Petersburg (Zum 300. Jahrestag der Stadtgründung), in: HGbll 120 (2002), S. 149 – 179. 236 Baasch: Quellen, S. 324. 237 Christoph Friedrich Mencke: Die politischen und diplomatischen Beziehungen zwischen Rußland und den Hansestädten im 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: HGbll 81 (1963), S. 39 – 108, hier S. 41; Norbert Angermann: Hamburg und Rußland in der Frühen Neuzeit, Hamburg 1972, S. 17. 238 Mencke: Beziehungen, S. 41; Angermann: Hamburg und Rußland, S. 17. 239 StAH, Senat Cl. VI, Nr. 11, Vol. 1, Fasc. 1a, Invol. 1, Lübeck an Hamburg Nov. 19. 240 Sie hielt fest, dass „angesehen die hiesige Handlung auf Moscovien eine der importantesten und considerablesten ist, diese Stadt auch mit anderen Städten und Nationen

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Die Hamburger Kaufleute, die sich schon lange in Archangelsk etabliert hatten, waren sich bewusst, dass es für sie von großer Notwendigkeit war, sich auf diese neue Bewegung vorzubereiten, um ihre Interessen in Russland wahrzunehmen. Von den fünf Punkten ihrer im Jahre 1713 an den Rat eingereichten Supplik betrafen zwei die Aufrechthaltung des Archangelskhandels.241 In den anderen behandelte sie die allgemeine Bestätigung der zarischen Gnade, vor allem in Hinblick auf die Gleichbehandlung der hamburgischen Kaufleute mit anderen Nationen, und die „gleiche Freyheit in der Handlung und Zollen“ in St. Petersburg.242 Die Förderung von St.  Petersburg musste schließlich unter Opferung Archangelsks am Weißen Meer durchgeführt werden, das für Hamburg lange wegen des Sundzolls und der Kriegsverwirrungen eine Umgehung der Ostsee ermöglichte. Das Edikt des Zaren aus dem Jahre 1713, das die russischen Warenströme nach St. Petersburg lenkte, stellte die Absicht von Peter I. deutlich dar. 1714 erhielt der Hamburger Rat ein russisches Mandat, dass die Kaufleute „allerley Wahren, […] zu Lande und zu Wasser, […] ungehindert nach St. Petersburg bringen, und durchaus keine Wahren nach Archangel führen sollen“.243 Zwar wurde den Kaufleuten der fern von St. Petersburg liegenden Städte erlaubt, Getreide und andere Waren hinzuführen, „wohin es ihnen von diesen beiden Orten beliebet“, allerdings mussten innerhalb Russlands die zwei wichtigsten Exportprodukte, Hanf und Juchten, unbedingt nach St. Petersburg gebracht und von dort zur See ausgeführt werden.244 Für die Entwicklung des Warenaustausches zwischen Hamburg und St. Peters­burg lagen allerdings belästigende Hemmnisse auf den Handelswegen, sowohl zu See als auch zu Land. In der „unvorgreifliche Anmerkung E. E. Kaufgleiche Privilegia und Vorrechte genießen und keine derselben uns hierin vorgezogen oder mehrere Freyheite gegeben, sondern wir mit andern glich gehandelt werden mögen. Wenn dieses, wie wir des unterthänigsten Vertrauens leben, vorhero abseiten Ihro Czaar. May. festgesetzet, so wird sich das übrige, ungeachtet es zwar annoch (: angesehen der Krieg jetzund am stärkesten getrieben wird und die Schweden die freye Fahrt uns nicht permittiren werden :) etwas zu frühe zu sein scheint, einige Handlung auf Narva oder Petersburg zu stabiliren, mit der Zeit verhoffentlich geben, da wir dann unsere Negotia dahin zu treiben nicht ermangeln werden“. StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kc Nr. 12, Vol. 2; Baasch: Quellen, S. 325. 241 Sie erbaten die vom Zar für Hamburger gewährten Rechte in Archangelsk, insbesondere An- und Abschiffung von Getreide, und die Erlaubnis, russische Kopeken ungehindert nach Archangelsk hinzuführen, aufrechtzuerhalten. Baasch: Quellen, S. 326 f. 242 Ebenda. 243 Ebenda, S. 327. 244 Ebenda.

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manns auf Muscovien über die von Archangel nach Petersburg zu transportiren vorstehende Handlung“ des Jahres 1714 stellte man vor, dass die Seefahrt: sehr gefährlich seyn wird, weil der König von Dennemarken alle Zeit, wenns Ihm gefällt und er einige Praetension an die Stadt zu formiren willens ist, unsere Schiffe im Sunde anhalten und seine Satisfaction daraus nehmen kan. Da wir nun bishero mit unseren Flaggen die Ostsee gar selten und sparsam befahren haben, würde nöthig seyn, daß unsere gemeine Stadt E. E. Kaufman Versicherung geben müßte, wenn solche unverschuldete Arretirung vorgienge, der Schade von Stadt Seiten wieder ersetzet, und die Kaufleute schadlos gehalten werden solten.245

In diesem Jahr beklagte man sich bei dem Hamburger Rat wegen der dänischen Zollbelästigung und zeigte die Möglichkeit auf, alle Waren über Lübeck zu befördern. Das Ausweichen vor dem Seeweg konfrontierte sie aber mit der Behinderung durch die Lübecker, die „schon vor sich eigenes Gefalles die Verordnung gemacht, daß sie vor Fremde […] kein Korn oder Saet mehr wollen durchpassiren lassen“.246 Welche Routenauswahl trafen die Kaufleute? Die erstmalige Schifffahrt zwischen Hamburg und St. Petersburg ist in den SZR für das Jahr 1715 registriert. In diesem Jahr fuhren durch den Öresund lediglich zwei Schiffe ab Hamburg und die gleiche Zahl in entgegengesetzter Richtung. Bis zum Kriegsende nahm die Zahl nicht zu. Bemerkenswert ist dagegen der Handel nach Lübeck. Während die Information zum Landhandel nicht erhalten ist, lässt sich an der Elbzolleinnahmestelle Zollenspieker247 bei der Flussfahrt nach Lauenburg und Lübeck ein deutlicher Aufwärtssprung, das heißt eine rapide Zunahme des Verkehrs zwischen Hamburg und Lübeck erkennen. Tabelle III-9: Elbzolleinnahme bei Esslingen von Ladungen aus Hamburg nach Lauenburg/Lübeck 1705 – 1734 Jahr 1705 1706 1707 1708 1709 1710

Mark 16 23 17 12 13 28

Jahr 1711 1712 1713 1714 1715 1716

Mark 42 91 72 48 69 157

Jahr 1717 1718 1719 1720 1721 1722

Quelle: StAH, ER, Fasc. 1, Nr. 10 – 25. 245 Ebenda, S. 328. 246 Ebenda, S. 329. 247 Zu dieser Quelle siehe Anhang A.

Mark 530 733 502 623 498 196

Jahr 1723 1724 1725 1726 1727 1728

Mark 200 123 99 118 116 70

Jahr 1729 1730 1731 1732 1733 1734

Mark 115 97 114 66 66 206

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Im Jahre 1716, zwei Jahre nach dem Empfang der Anweisung des Zars in Hamburg, alle im Russlandhandel gehandelten Waren auf St. Petersburg zu konzentrieren, begann die Aufschwungsphase, die im Jahre 1720 ihren Höhepunkt erreichte. Die Verminderung der Zolleinnahme nach dem Ende des Großen Nordischen Krieges 1721 zeigt, dass die Belebung der Kanalfahrt, die – nach unserer Analyse für den früheren Zeitraum248 – bei der Ausfuhr Hamburgs weniger benutzt worden war, einen vorläufigen Boom erlebte. Hervorzuheben für unsere Diskussion ist diese selektive und intensive Benutzung der Handelsroute in dieser schwierigen Situation. Hierin sehen wir die multiplen Handelskontakte (über See oder über Land/Fluss) für die Aufrechterhaltung des Zwischenhandels. Nun beginnen wir mit der näheren Analyse der Schifffahrt zwischen Hamburg und der Ostsee. Vom Großen Nordischen Krieg bis zum Ende des Jahrhunderts zeigte sie bemerkenswerte Bewegungen, die die hamburgische Drehscheibenfunktion und die mit dieser eng verbundenen Stellung des Ostseeraumes charakterisieren. Die SZR, die für diesen Zeitraum schon langfristige Daten vom Verkehr zwischen Hamburg und der Ostsee sowohl mit Abfahrtshäfen als auch Zielen der Schiffe zur Verfügung stellen, erlauben eine nähere Untersuchung des damaligen Strukturwandels. Wir richten hier unsere Aufmerksamkeit nochmals auf die theoretischen Grundzüge des Zwischenhandels. Wir gehen davon aus, dass jeder Befrachter bestimmte Gründe hatte, seine Waren in Hamburg abzusetzen oder von dort auszuführen. Meistens traf er – zumindest seines Ermessens nach – die optimale Wahl. Dies zu berücksichtigen ist wichtig, wenn wir uns daran erinnern, dass beim Seehandel mit dem Ostseeraum die Vorbeifahrt – die direkte Fahrt nach dem Bestimmungsort, ohne Hamburg zu berühren – möglich war. Wenn Hamburg von selbst durch die zwangsläufige Handels- und Verkehrspolitik wie Stapelzwang oder Anlaufdesignation zur Anfahrt seines Hafens nicht oder nur minimal zwang,249 muss es auf der politischen Ebene zum größten Teil von dem von außerhalb der Stadt aufgezwungenen Druck abhängig gewesen sein, ob ein Befrachter die Stadt als Zwischenstation benutzen wollte oder musste.250 Darüber hinaus übte die wirtschaftliche Stellung einer Stadt einen 248 Siehe die Analyse für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts im Abschnitt 2 dieses Kapitels. 249 Für Hamburg im 18. Jahrhundert war dies, abgesehen vom binnenländischen Getreide bis zur Mitte des Jahrhunderts, der Fall. Vgl. Otto Gönnenwein: Das Stapel- und Niederlagsrecht, Weimar 1939, S. 224 – 226. 250 Ein Beispiel haben wir für die Zeit der spanisch-­niederländischen Auseinandersetzungen beobachtet, wo die niederländischen Schiffe angesichts der spanischen Angriffe das neutrale Hamburg besuchten. Siehe oben Abschnitt 2 dieses Kapitels.

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Einfluss auf die kaufmännische Entscheidung aus, welche Waren durch die Stadt vermittelt werden sollten. Beispielsweise entschied man sich für den Verkehr durch eine Stadt, wenn sich eine günstige Verbindung mit den Absatzgebieten bestimmter Waren von ihr ausgehend anbot. Verfügte man in Hamburg über im Ostseeraum begehrte Waren, zum Beispiel wenn sich der Zwischenhandel mit der Verarbeitungsindustrie der Stadt eng verband (Verarbeitung und Handel), war dies auch der entscheidende Faktor für den Warenverkehr. Die Maßstäbe, ob man seine Ladung durch Hamburg passieren ließ, müssen bei Ein- und Ausfuhren oft nicht gleich gewesen sein, weil sich die gehandelten Warenarten, so Nahrungsmittel und Fertigprodukte, voneinander unterschieden. Wenn es so war – welche Faktoren bestimmten in der Atlantikzeit die Ein- und Ausfuhren? Für eine Antwort auf diese Frage bietet der Zahlenvergleich der ein- und ausgehenden Schiffe einen ersten Anhaltspunkt. Da unsere Diskussion auf die Warenvermittlungsfunktion fokussiert ist, sollen hierbei die Zahlen von beladenen und in Ballast fahrenden Schiffen gesondert betrachtet und die sich daraus ergebenden Unterschiede überlegt werden. Im Allgemeinen fuhren westeuropäische Schiffe zum größeren Teil in Ballast nach der Ostsee. Dies gilt unter anderem für Niederländer, die trotz der nachgelassenen Dominanz immer noch große Mengen Getreide nach Westen vertrieben; aber auch für Engländer in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die der Rohstoffe aus dem Ostseeraum bedurften, um die Nachfrage wachsender Gewerbe und Industrie des Landes zu decken. Im Gegensatz dazu war die Rate von Ballast geringer bei schwedischen und dänischen Schiffen in der ostwärtigen Fahrt. Sie beschafften westeuropäische Produkte sowie Kolonialwaren, die in ihren Ländern nachgefragt wurden.251 Im Folgenden wird die Entwicklung der Proportionen der zwischen Hamburg und der Ostsee fahrenden beladenen Schiffe und der Ballastschiffe analysiert. Da die von Osten nach Westen gerichteten Ballastschiffe durchweg selten sind, sollen sie von unserer Behandlung ausgeschlossen werden. Um die strukturelle Veränderung im 18. Jahrhundert exakter zu begreifen, wird anfangs ein Vergleich mit dem vorangegangenen Zeitraum gezogen. ­Abbildung III-3 zeigt die Anzahl der zwischen Hamburg und der Ostsee ost- und westwärts durch den Öresund gehenden Schiffsläufe in den Jahren 1669 – 1700. Die Kurven zeigen, dass sich aus den Schiffszahlen beider Richtungen mit wenigen Ausnahmen keine großen Abweichungen ablesen lassen. 251 Diese Aussage beruht auf den Zahlen der auf Japanisch geschriebenen Arbeit von Toshiaki Tamaki: Hoppou Europe no Shougyo to Keizai 1550 – 1815 (Englischer Titel: Commerce and Economy in Northern Europe, 1550 – 1815), Tokio 2008, S. 197 – 199. Vgl. auch Aksel Erhardt Christensen: Sundzollregister und Ostseehandel, S. 398 – 400.

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Die Kurven der Fahrten von und nach Hamburg laufen also fast auf gleichem Kurs. Sie schnellen in wenigen günstigen Zeiten – beispielweise nach Kriegen – in die Höhe, sonst bleiben sie auf dem niedrigsten Niveau. Dies bedeutet, dass man (nur gelegentlich) zwischen Hamburg und dem Ostseeraum pendelte. Abb.III-3: III-3:Zahl Zahl Schiffe, die zwischen Hamburg und dem Ostseeraum Abb. derder Schiffe, die zwischen Hamburg und dem Ostseeraum beladen beladen oder mit Ballastoder fuhren, 1669–1700 mit Ballast fuhren, 1669 – 1700 70

Westw. (Geladen)

60

Ostw. (Geladen)

50

Ostw. (Ink. Ballast)

40 30 20

1699

1697

1695

1693

1691

1689

1687

1685

1683

1681

1679

1677

1675

1673

1671

0

1669

10

Quelle: SZR.

Eine abweichende Tendenz ergab sich in den 1730er Jahren (Abbildung III-4). Betrachten wir die Schiffe, die in den ersten Jahren nach dem Ende des Großen Nordischen Krieges, als sich der Verkehr von dem vollständigen Tiefstand erholte, nach Hamburg fuhren, so machte deren Schifffahrt einen größeren Sprung nach oben als diejenige in ostwärtiger Richtung. Es gab im Einfuhrhandel eine Nachkriegskonjunktur, gestützt von der Nachfrage nach Ostseeprodukten, deren seewärtige Zufuhr während des Krieges sowohl nach Hamburg als auch nach westeuropäischen Ländern abgebrochen worden war. Vor allem war Getreide die Triebkraft der Einfuhr. Dieser lebhafte Verkehr hielt sich aber nicht. Die zweite Hälfte des Jahrzehnts verzeichnete einen deutlichen Rückgang. Nach dieser Abnahme blieb die nach Hamburg bestimmte Schifffahrt lange auf einem niedrigeren Niveau als diejenige in entgegengesetzter Richtung. Während des Siebenjährigen Krieges (1756 – 1763) und der 1760er Jahre, zu der Zeit, als nicht nur der Handel mit Ostseegetreide im Allgemeinen eine steigende Tendenz verzeichnete,252 sondern sich auch im deutschen Binnenland eine

252 Milja van Tielhof: The “Mother of all Trades”. The Baltic Grain Trade in Amsterdam from the Late 16th to the Early 19th Century, Leiden/Boston/Köln 2002, S. 58 f.

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vorläufige Nachfrage nach Getreide für die kriegführende Armeen ergab,253 kann man die Sprünge beobachten, die die Zahl der von Hamburg ostwärts fahrenden Schiffe übertrafen. In der Folgezeit gab es gelegentlich Anstiege der Einfuhr, auf die aber immer ein scharfes Absinken folgte. Im Ganzen zeigt der Verkehr der westwärtigen Schiffe erhebliche Schwankungen. Abb. III-4: Zahl der Schiffe, die zwischen Hamburg und dem Ostseeraum beladen oder Abb. III-4: Zahl der Schiffe, die zwischen Hamburg und dem Ostseeraum beladen mit Ballast fuhren, 1720–1800 oder mit Ballast fuhren, 1720 – 1800 200

Westw. (Geladen)

180

Ostw. (Geladen)

160

Ostw. (Inkl. Ballast)

140 120 100 80 60 40 0

1720 1723 1726 1729 1732 1735 1738 1741 1744 1747 1750 1753 1756 1759 1762 1765 1768 1771 1774 1777 1780 1783 1786 1789 1792 1795 1798

20

Quelle: SZR; Soundtoll Registers Online: www.soundtoll.nl (zitiert im Folgenden als STR-online).

Wenden wir uns dann den Schiffen zu, die ab Hamburg nach der Ostsee durch den Öresund segelten. Hier kann man auch die Nachkriegskonjunktur nach dem Großen Nordischen Krieg erkennen, deren Steigerungsrate im Vergleich zu der westwärtigen Schifffahrt bescheiden war. Die Schiffszahl verkleinerte sich allerdings nach der Blüteperiode nicht so merklich wie bei der westlichen Fahrt. Seit der zweiten Hälfte der 1730er Jahren und erneut seit den 1750er Jahren setzte eine ansteigende Periode ein. Sie hielt einen stabilen Verlauf und zeigte ein weniger steiles Ab und Auf. Dies bildet einen deutlichen Gegensatz zu der Einfuhrfahrt. Anzumerken ist, dass die beladenen Schiffe aus Hamburg nach Osten – im Unterschied zum allgemeinen niederländischen Ost-­West-­ Verkehr – diejenigen nach Hamburg zahlenmäßig übertrafen. Daraus wird ersichtlich, dass der Schwerpunkt des über Hamburg geführten seewärtigen Ostseehandels zu dieser Zeit in der Ausfuhr lag. In anderen Worten 253 Vgl. Kapitel IV, S. 290 f. dieser Arbeit.

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darf man sagen, dass der Seeverkehr zwischen der Stadt und dem Ostseeraum auf der Vermittlung von Waren aus dem Westen beruhte, weil den großen Teil der ostwärtigen Warenströme, wie später betrachtet wird, die konstante Ausfuhr von Kolonialwaren einnahm, die Hamburg von westeuropäischen Ländern wie Frankreich, England oder Portugal einführte. Eben darum stieg die Schiffszahl nach Osten seit der zweiten Hälfte der 1730er Jahre, als die Einfuhr dieser Waren in der Stadt zuzunehmen begann.254 Die ansteigende Tendenz der Ausfuhr während des Siebenjährigen Krieges (1756 – 1763) soll vor komplexen Hintergründen erklärt werden.255 Vergleicht man die Angaben zum Binnenlandhandel für diese Periode, zeigt sich, dass die Entwicklung der Ostseefahrt damit in Zusammenhang stand. Zum einen machte die landwärtige Getreidelieferung für den militärischen Bedarf in Sachsen, vor allem teilweise nach Magdeburg, die Regelmäßigkeit der Binnenschifffahrt mit Zivilgütern nach dem sächsischen Umschlagplatz an der Elbe instabil, weil viele verfügbare Binnenschiffe wegen der Getreidelieferung besetzt wurden,256 was die Kaufleute meiner Meinung nach zur Erwägung der Ausfuhr nach der Ostsee bewegt haben musste. Zum anderen zog die wachsende Nachfrage im Ostseeraum die westlichen Güter an. Beispielsweise konnte Russland (St. Petersburg), einer der Hauptabnehmer der ab Hamburg ausgeführten Waren, während des Krieges seinen Außenhandel unbeeinträchtigt fortsetzen und verdoppelte vor allem die Einfuhr kräftig.257 Aus den obigen Betrachtungen können wir verständlicherweise annehmen, dass die Zeit von der zweiten Hälfte der 1730er Jahren bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges ein wichtiger Abschnitt für unsere Diskussion um die Vermittlungsfunktion Hamburgs in der Ostseeschifffahrt bildet. Die beiderseitigen Anreize von Angebot und Nachfrage ließen Kaufleute – schon vor dem 254 Vgl. Kapitel II dieser Arbeit. Ein ähnlicher Trend wird auch in der Ausfuhr nach dem Binnenland über die Elbe beobachtet. Siehe dazu Kapitel IV. 255 Für einen umfassenden Blick auf das Geschehen im Ostseeraum während des Siebenjährigen Krieges siehe Karl-­Heinz Ruffmann: Der Ostseeraum im Siebenjährigen Krieg, in: Zeitschrift für Ostforschung 5 (1956), S. 500 – 511. 256 Siehe Kapitel IV, S. 290 f. dieser Arbeit. 257 Elisabeth Harder-­G ersdorff: Seehandel zwischen Lübeck und Rußland im 17./18. Jahr­hundert nach Zollbüchern der Novgorodfahrer, Teil 2, in: ZVLGA 42 (1962) S. 5 – 53, hier S. 36. Siehe auch Elisabeth Harder-­G ersdorff: Handelskonjunkturen und Warenbilanzen im lübeckisch-­russischen Seeverkehr des 18. Jahrhunderts, in: VSWG 57 (1970), S. 15 – 45, hier S. 39. Die zunehmende Aufnahmefähigkeit des russischen Marktes für Produkte des Westens seit der Mitte des 18. Jahrhunderts spiegelt sich auch im lübisch-­russischen Handel.

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Gottorper Vergleich! – die Absatzmärkte im Ostseeraum erschließen und trugen dazu bei, die ständigen Kontakte Hamburgs mit diesem Gebiet zu etablieren, die bis dahin keineswegs üblich gewesen waren. Der Verkehr von der Ostsee nach Hamburg war in größerem Maße von einer zeitweiligen Nachfrage nach Ostseeprodukten abhängig. Die Annahme, dass die Stadt im Seeverkehr nur gelegentlich als Vermittler von Ostseeprodukten fungierte, erklärt die während und kurz nach dem Siebenjährigen Krieg zugenommene Anzahl von Ballastschiffen, die von Hamburg nach Osten abgeschickt wurden.258 Wie schon kurz erwähnt wurde, entstand damals eine plötzliche Steigerung der Getreidenachfrage. Sie schuf einen Anreiz zur zusätzlichen Absendung von Schiffen, die nur mit Ballast fuhren. Ihr Zweck lag nicht in der Ausfuhr, sondern in der möglichst schnellen Beschaffung von Getreide.259 Für einen größeren Anteil der von Hamburg abgehenden Schiffe (inklusive der Ballastschiffe) kann angenommen werden, dass ihre Rückkehr an andere Orte bestimmt war.260 Diesbezüglich ist zu erwähnen, dass in der früheren Phase, und zwar in der Folgezeit des Großen Nordischen Krieges, obwohl ebenfalls Getreidenachfrage in Hamburg und Westeuropa entstand, die Zahl der Ballastschiffe, die in den Ostseeraum fuhren, nicht nennenswert groß war.261 Zur selben Zeit übertraf die Zahl der für nach Hamburg bestimmten Schiffe die Abgangszahl von der Stadt nach der Ostsee (inklusive Ballastschiffe). Das weist darauf hin, dass die Schiffe, die das primäre Ziel hatten, Ostseeprodukte zu beschaffen, relativ selten ab Hamburg abgesandt wurden, und stattdessen vielmehr von ausländischen Orten nach der Ostsee und dann nach Hamburg fuhren. Theoretisch k­ önnten 258 Der prozentuale Anteil der Ballastschiffe erreichte 64 Prozent (1757), 60 Prozent (1761), 66 Prozent (1762), 60 Prozent (1764) und 61 Prozent (1767), was bis dahin ungewöhnlich hoch gewesen war. 259 Angesichts des Ausbruchs des Krieges verfasste ein Hamburger Bürgermeister einen Aufsatz zu der Frage, „ob Hamburg bey Kriegs-­Zeiten vielen Vortheile im Commercio habe oder nicht“. Darin schrieb er: „Einmal sind einige Waaren bereits so hoch gestiegen, daß deren Absatz eben dadurch geschwächet worden. Der Kaufman und Krämer versorget sich mit nicht größeren Parteyen, dann er vermögend ist, in kurzer Zeit abzusetzen, aus furcht daß ein unerwarteter friede ihn auf einmal des Vorteils berauben mögte, welchen er den gantzen Krieg hindurch gemacht hat“. StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ka Nr. 4, Vol. 4. Die Bemerkung bezieht sich nicht direkt auf die Einfuhr von Getreide, gibt aber einen Hinweis darauf, dass man es mit Warenbeschaffung, -transport und -absatz eilig hatte, um durch den Krieg hervorgerufene Geschäftsmöglichkeiten nicht zu verpassen. 260 Vgl. Jeannin: Hansestädte, S. 65 f. 261 Der Anteil der Ballastschiffe betrug im Zeitraum 1721 – 1730 nur 23 Prozent.

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dafür einige Erklärungen herangezogen werden, die jedoch quellenmäßig leider nicht ausreichend belegt werden können. Man dürfte aber behaupten können, dass Hamburg zu dieser Zeit noch keine ständigen Kontakte mit dem Ostseeraum etabliert hatte, während bis zur Zeit des Siebenjährigen Krieges eine Verbindung schon in Gang gekommen war. Seit den 1730er Jahren entwickelte sich Hamburg zu einem der wichtigsten Handelszentren Europas, in das immer mehr Schiffe von Westeuropa zur Ausladung kamen. Diese Umstände unterstützen die Annahme, dass im Hamburger Hafen um die Mitte des 18. Jahrhunderts mehr Handelsschiffe als in der früheren Zeit, städtisch oder auswärtig, für die weitere Fahrt nach dem Ostseeraum ankerten. Im Überblick kann man nun feststellen, dass seit den 1730er Jahren Anreize zum Warenvertrieb ab Hamburg nach der Ostsee allmählich stärker als die Unterdrückung durch den Sundzoll Auswirkungen hatten. Der Warenabsatz im Ostseeraum und die Vorbeifahrt an Hamburg in entgegengesetzter Richtung – die Direktfahrt nach westlichen Märkten – bildeten die Grundstruktur des über die Stadt abgewickelten Ostseehandels. Hieran anschließend ergeben sich mehrere Fragen, die für das Verständnis der Drehscheibenfunktion Hamburgs im Ostseeverkehr wichtig sind. 1.: Wer trug hauptsächlich den Transport, zumal die dänische Zollpolitik die hamburgische Schifffahrt zur Ostsee bis 1768 belastete? 2.: Zu wem gehörten die beförderten Waren? 3.: Mit welchen Gebieten waren die Warenströme verknüpft? Zunächst wenden wir uns der ersten Frage zu. Richtet man seine Aufmerksamkeit auf die Wohnorte der Schiffer, die die Fahrt zwischen Hamburg und der Ostsee unternahmen, dann ist zu erkennen, dass die außerhalb Hamburgs wohnenden Schiffer eine große Rolle spielten. Im Vergleich dazu war die Beteiligung der einheimischen Schiffer im Prinzip untergeordnet. In der Folgezeit des Großen Nordischen Krieges, als die durch Hamburg vermittelten Fahrten zunahmen, erkennt man eine verstärkte Teilnahme der niederländischen Schiffe. In dieser Blütezeit führten Niederländer von 1722 bis 1725 rund 40 Prozent der ost- und westwärts fahrenden Schiffe. Darüber hinaus sind viele Schiffer aus verschiedenen Orten Nordwesteuropas sowie der Ostseeküste registriert, deren Anteil ebenfalls 40 Prozent betrug. Den Transport in der Wachstumsphase des Ausfuhrhandels seit den 1730er Jahren trugen auch zum größten Teil auswärtige Schiffe (siehe Tabelle  III -10). Die Haupttransporteure waren Niederländer und daneben nahmen Schiffer aus verschiedenen Gebieten, vor allem Engländer, Schweden, Danziger und Schleswig-­Holsteiner, eine wichtige Stellung ein. Während des Krieges 1756 – 1763 änderte sich ihre Position nicht. Niederländer behielten nach wie vor den ersten Rang.

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Niederländische Schiffe, die von Hamburg abreisten, waren hauptsächlich nach Danzig und Riga bestimmt. Sie fuhren sowohl beladen als auch in Ballast und unter ihnen stellten Ballastschiffe einen relativ größeren Anteil. Das Ziel dieser Schiffe lag ausschließlich in der Beschaffung der Ostseeprodukte. Die Reisestrecke der auswärtigen Ballastschiffe mag ungefähr folgende gewesen sein: Sie kamen zuerst von Westeuropa nach Hamburg, luden dort ihre Ladungen aus, gingen dann in Ballast nach Osten ab und fuhren von da mit Ostseeprodukten an Hamburg vorbei direkt zu westlicheren Märkten.262 Öfter als Niederländer verfrachteten andere auswärtige Schiffer Ladungen in den Ostseeraum. Bei Hamburgern ist die Rate der Ballastschiffe noch geringer. Die in Hamburg wohnenden Schiffer hatten mehr Zeit und Gelegenheiten, in der Stadt einen Schifffahrtsvertrag mit einem Befrachter, der die dort beschafften Waren zum Verkauf in Ostseeländern abschicken wollte, zu schließen.263 Ebenfalls häufig beladen fuhren die Schiffer aus Ostseestädten nach Osten. Der Einkauf westlicher Produkte war meistens Teil ihrer Reise. Es ist dabei aber festzuhalten, dass die niederländischen Schiffe kräftige Warenbeförderer waren. Die absolute Zahl der beladenen niederländischen Schiffe war immer groß. Tabelle III-10: Beladene und Ballastschiffe in der Fahrt von Hamburg nach dem Ostseeraum 1731 – 1768 Schiffer Hbg Nl Andere

1731 – 1740 A B C 48 18 27 % 62 77 55 % 107 35 25 %

1741 – 1750 A B C 66 12 15 % 53 64 55 % 155 98 39 %

1751 – 1760 A B C 62 21 25 % 113 164 59 % 191 107 36 %

1760 – 1768 A B C 105 43 29 % 157 328 68 % 179 216 55 %

A: Beladene Schiffe; B: Ballastschiffe; C: Prozentueller Anteil der Ballastschiffe Quelle: SZR.

Denkt man an die Zollbelastung am Öresund bis zu ihrer endgültigen Auflösung im Gottorper Vergleich 1768, dann liegt es nahe, dass in Hamburg auswärtige Schiffe maßgeblichen Anteil am Ostseeverkehr hatten. 1767 äußerte die Com 262 Die Ballastschifffahrt nach Osten bei Niederländern war ganz üblich. Solche Fahrten (von den niederländischen Häfen nach Hamburg und von dort weiter nach dem Ostseeraum) waren aber in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts nicht die Regel. Röhlk: Schiffahrt und Handel, Teil 1, S. 39 f. 263 Diesbezüglich ist zu bemerken, dass es trotz der steigenden Nachfrage nicht schnell ging, in Ostseeländern Absatzmöglichkeiten zu finden. Harder-­Gersdorff: Novgorodfahrer, Teil 1, S. 67.

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merzdeputation bei der Verhandlung der Sundzollfrage: „Es werden ohnehin gegenwärtig auch weit mehr Güter in fremde als in hiesige Schiffe von und nach der Oost-­See geladen“.264 Das Rosenobelgeld, das nicht nur von Gütern hamburgischer Rechnung, sondern auch von hamburgischen Schiffen verlangt wurde, bereitete ein großes Hemmnis für die Benutzung der heimischen Schiffe. Dazu ist zu berücksichtigen, dass die Handelsflotte Hamburgs im Verhältnis zum Umfang des Seehandels seines Hafens als klein galt.265 Zwar neigten die städtischen Schiffer eher zur Frachtfahrt als Ausländer, insgesamt blieb ihre Aktivität aber zurückhaltend. In absoluten Zahlen machten bei weitem mehr der auswärtigen Schiffe die Fahrt nach der Ostsee mit Ladungen.266 Es ist dann zu beantworten, wer die Ladung transportieren ließ. Mithilfe der kürzlich veröffentlichten digitalisierten Datenbank der SZR ist es nun möglich geworden, die Zugehörigkeit der Schiffsladungen – mit gewissen Einschränkungen – zu ermitteln. Da am Öresund für die Ladung auf Rechnung von hamburgischen Kaufleuten (gesetzlich) bis 1768 Rosenobelgeld entrichtet wurde, ist in Eintragungen über betroffene Schiffe verzeichnet, dass sie solche Güter verfrachteten. Damit kann man die Schiffe erkennen, die die Hamburger befrachteten. 264 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kc Nr. 5, Vol. 7, Fol. 92r. 65 Jeannin: Hansestädte, S. 55. Zwar ist aus dem Umfangsvergleich der Flotte von 2 1674 mit der von 1765 die Vergrößerung einzelner Schiffe festzustellen, zugleich beobachtet man aber die Verkleinerung der gesamten Tonnage um 40,9 Prozent. Siehe North: Hamburg, S. 4. Vgl. ferner Pierre Jeannin: Zur Geschichte der Hamburger Handelsflotte am Ende des 17. Jahrhunderts. Eine Schiffsliste von 1674, in: ZVHG 57 (1971), S. 67 – 82, hier S. 67 – 73; der Schiffsbau in Hamburg seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts entwickelte sich – bis auf wenige vorläufige Verbesserungen – bis zu den 1770er Jahren nicht wesentlich. Siehe auch Ernst Baasch: Beiträge zur Geschichte des deutschen Seeschiffbaues und der Schiffbaupolitik, Hamburg 1899, S. 19 – 31. Erst seit etwa 1780 bis 1800 sieht man die Entwicklung der Hamburger Reederei in Gesamtzahl und Raumgehalt der Seeschiffe. Siehe Walter Kresse: Materialien zur Entwicklungsgeschichte der Hamburger Handelsflotte 1765 – 1823, Hamburg 1966, S. 58 und 64 – 67 (Tabelle 2, 11 und 12). 266 Man könnte aber dagegen herausstellen, dass die Hamburger Schiffe trotz aller Belastungen am Öresund einen Teil des Warentransportes in den Ostseeraum trugen. In dieser Hinsicht ist auch zu beachten, dass man im Verkehr von Hamburg nach dem Ostseeraum wenigstens nicht noch den erhöhten Zoll, sondern nur das Rosenobelgeld bezahlen musste. Der Vergleich zwischen den Schiffern einer Stadt und denjenigen aller anderen Gebiete wäre in gewisser Weise nicht angemessen. Für unsere Untersuchung wäre es in diesem Zusammenhang eher wert zu betonen, dass Hamburg, wenn auch in der Nähe von dem Handelszentrum Amsterdam liegend, viele niederländische Schiffe an sich zog. Dies beweist die Bedeutung der Elbstadt als Zwischenhafen.

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In mehreren Fällen ist die Zugehörigkeit zu Hamburgern eindeutig registriert (zum Beispiel „Hamburger Ladung“, „Hamburger Güter“ oder „Hamburger Rechnung“ usw.), manchmal aber nicht (zum Beispiel eine einfache Verzeichnung „Rosenobel für Güter“). Im letzteren Fall ist ungewiss, ob die Ladung zu Hamburgern gehörte, weil auch Bürger einiger anderer Städte wie Lübeck, Danzig oder Königsberg Rosenobelgeld bezahlten. Man muss auf den Versuch verzichten, hamburgische Ladungen nach dem Unterschied der Zollbeträge ausfindig zu machen, da der erhöhte Zoll auf hamburgische Waren nur dann erhoben wurde, wenn sie nicht von oder nach Hamburg transportiert wurden, während bei der Fahrt zwischen Hamburg und dem Ostseeraum der normale Tarif galt. Aus diesem Grund, und daneben aus dem Grund, dass die Verzeichnung von Hamburger Besitz nicht für einzelne Ladungen, sondern für ein Schiff vermerkt ist, bleibt auch unklar, welche einzelnen Ladungen auf einem Schiff hamburgisch waren. Wir wissen nur von Schiffen, die Hamburger wenigstens zum Teil befrachteten. Eine genaue quantitative Bearbeitung ist daher nicht möglich. Wir müssen uns auf die Analyse der groben Tendenz beschränken. Trotzdem ist eindeutig festzustellen, dass die Waren hamburgischer Rechnung nicht nur in einheimischen, sondern auch auf verschiedenen auswärtigen Schiffen geladen waren. Insofern die Aufzeichnungen in den SZR den Eindruck hinterlassen, kann man ungefähr behaupten, dass die auswärtigen Schiffer bei der Verfrachtung hamburgischer Waren sehr bedeutend waren. Niederländer (unter ihnen Friesländer und Holländer), aber auch die Schiffer aus Hamburger Nachbargebieten, vor allem aus Schleswig-­Holstein (Altona, Flensburg, Kiel usw.) und dem nordwestlichen Niedersachsen sowie Ostfriesland (Bremen, Norden, Borkum usw.) machten die Mehrzahl aus. Bei der westlichen Fahrt, bei der Hamburg beträchtliche Mengen an Getreide einfuhr, treten in den SZR neben oben genannten Gebieten auch die Schiffer aus dem Ostseeraum, insbesondere aus Pommern (Stralsund, Wolgast und Barth) mit Hamburger Ladungen auf. Im Gegensatz dazu frachteten schwedische Schiffer (meistens aus Stockholm) hamburgische Güter fast gar nicht. Die regelmäßige Ausfuhr in den Ostseeraum wurde zum großen Teil von Nachbarn getragen, die räumlich, wirtschaftsgeographisch und dazu sprachlich näher an Hamburg lagen. In der kurzfristigen Hochkonjunkturzeit beim Einfuhrhandel, wo eine schnelle Einkaufsbestellung und Lieferung nötig waren,267 wurden zum Transport Ostseeschiffer eingesetzt.

267 Vgl. oben in diesem Kapitel.

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Die wirtschaftliche Intention der hamburgischen Kaufleute, die den auswärtigen Schiffern die Beförderung ihrer Waren auftrugen, lag sicher im Sparen an Transportkosten: Sie konnten damit der Bezahlung des Rosenobelgelds für Schiffe entgehen. Wie die hamburgischen Kaufleute den maximalen Gewinn aus dem Ostseehandel zu erzielen versuchten, können wir aus Fahrten einiger Schiffer rekonstruieren, deren Routenwahl und Ladungen sich über einige Jahre verfolgen lassen. Tabelle III-11a: F  ahrten von Claes Piel aus Altona Öresundpassage 15. 06. 1749 21. 08. 1749 30. 05. 1750 30. 07. 1750 12. 06. 1756 18. 08. 1756

Von Hamburg St. Petersburg Hamburg Stettin Hamburg St. Petersburg

Nach St. Petersburg Marseille St. Petersburg Amsterdam St. Petersburg Livorno

Hamburger Waren Ja Nein Ja Nein Ja Nein

Quelle: STR-online. Die Tabellen III-11b und III-11c beruhen auf der gleichen Quelle. Tabelle III-11b: F  ahrten von Gerrit Simons Fischer aus Norden Öresundpassage 27. 09. 1735 24. 11. 1735 09. 08. 1737 07. 09. 1737 28. 05. 1738 06. 09. 1738 27. 07. 1739 21. 08. 1740 16. 10. 1740 12. 08. 1741

Von Hamburg Danzig Amsterdam Karlshamn Hamburg St. Petersburg St. Petersburg Hamburg St. Petersburg Hamburg

Nach Danzig Norden Ostsee Amsterdam St. Petersburg Amsterdam Amsterdam St. Petersburg Hamburg St. Petersburg

Hamburger Waren Ja Nein Nein Nein Ja Nein Nein Ja Ja Ja

Die Fahrt zwischen dem 06. 09. 1738 und dem 27. 07. 1739 ist unbekannt. Zwei Möglichkeiten sind, dass er den Kanalweg benutzte oder der Schiffer ausgewechselt wurde.

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Tabelle III-11c: Fahrten von Foppe Bouwessen Backer aus Altona Öresundpassage 08. 05. 1732 18. 08. 1732 01. 06. 1733 22. 10. 1733 04. 06. 1734 31. 08. 1734 17. 06. 1735 25. 10. 1735 14. 11. 1737 28. 05. 1738 04. 09. 1738 07. 04. 1739 28. 08. 1739

Von Hamburg St. Petersburg Hamburg St. Petersburg Hamburg St. Petersburg Hamburg St. Petersburg Amsterdam Amsterdam St. Petersburg Amsterdam Hamburg

Nach St. Petersburg Hamburg St. Petersburg Hamburg St. Petersburg Hamburg St. Petersburg Amsterdam St. Petersburg St. Petersburg Amsterdam Ostsee St. Petersburg

Hamburger Waren Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Nein Nein Nein Nein Nein Ja

Die Fahrt zwischen dem 07. 04. 1739 und dem 28. 08. 1739 ist unbekannt. Zwei Möglichkeiten sind, dass er den Kanalweg benutzte oder der Schiffer ausgewechselt wurde. Die Daten aus dem Jahr 1736 sind nicht vorhanden.

Oben genannte Schiffer frachteten Hamburger Waren, wenn sie zwischen Hamburg und dem Ostseeraum pendelten. Wenn sie von der Ostsee zu einem anderen Ziel fuhren, brachten sie keine Rückfracht auf Rechnung der Hamburger Kaufleute durch den Öresund. Der Grund dafür ist einfach: Für die auf Hamburger Rechnung beförderten Waren, die vor oder nach der Öresundpassage nicht über Hamburg vermittelt wurden, wie oben dargestellt, wurde der erhöhte Zolltarif angewendet. Es nimmt nicht wunder, dass die hamburgischen Kaufleute – ausgenommen, dass sie Ostseeprodukte nach der Heimatstadt einführen wollten – geringeres Interesse an Rückfracht zeigten.268 Aus der Tatsache, dass die Einfuhr aus dem Ostseeraum nach Hamburg nicht regelmäßig stattfand, lässt sich der exportorientierte Charakter des seewärtigen Ostseehandels der Hamburger Kaufleute erschließen. Wir wenden uns schließlich den Häfen zu. Für die Blütezeit des Einfuhrhandels nach dem Großen Nordischen Krieg gibt die SZR eine Vielzahl von ab 268 Dennoch gab es auch wenige hamburgische Befrachter, die ihre Waren von oder nach einem fremden Ort bringen ließen. Ihre Frachten bestanden nicht nur aus solchen Gütern wie Roggen, Weizen, Hanf und Flachs, auf die der allgemeine Zolltarif angewendet wurde, sondern auch aus Waren, die Gegenstand des erhöhten Zolls waren. Gründe für diese Fahrten können wir nicht im Detail feststellen.

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Danzig, Königsberg und St. Petersburg nach Hamburg bestimmter Schiffe an. Da der Verkehr mit Danzig und Königsberg wesentlich von der zeitgebundenen Getreidenachfrage angetrieben war, ging er mit dem Nachlassen des Booms rasch zurück. Den betrachteten Zeitraum hindurch war die Fahrtzahl beider Städte ziemlich schwankend. Demgegenüber hielt die Schifffahrt von St. Petersburg – trotz des niedrigen Niveaus – regelmäßigeren Kontakt. Unter den Zielhäfen beim Ausfuhrhandel269 behaupteten sich als wichtigste Danzig und St. Petersburg. Um 1750 begann die Verkehrsmenge nach Stettin anzusteigen und sie nahm die dritte Stelle ein. Ferner ist die Ausfuhr nach Königsberg, Riga, Stockholm und Kopenhagen zu nennen. Im Folgenden wird die Stellung der ersten drei Städte aus der gesamten Perspektive des Hamburger Hinterlandhandels kurz beobachtet. Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde die Funktion Danzigs als Vermittler zwischen Westeuropa und seinem polnischen Hinterland durch den Hamburger Flusshandel erodiert. Der Friedrich-­Wilhelm-­Kanal, der die Flüsse Elbe, Havel, Spree und Oder in ein Wasserverkehrssystem integrierte und die direkte Flussschifffahrt von Hamburg nach Breslau ermöglichte, übernahm einen großen Teil der Handelsströme zwischen Danzig und Schlesien.270 Währenddessen aber floss die Warenzufuhr aus Hamburg zunehmend auch in die Weichselstadt. Aus hamburgischer Sicht galt Danzig als ein Bestandteil seines Vertriebsnetzes, das die Elbstadt im schlesischen und polnischen Gebiet besaß.271 Wir sehen, dass in der Mitte des 18. Jahrhunderts neben der durch Archangelsk vermittelten traditionellen Handelsroute nach Russland, die zur Umfahrung des Sundzolls benutzt wurde, ein direkter Warenstrom über die Ostsee existierte. Die Handelsbeziehungen Hamburgs zu St. Petersburg bestanden – im Unterschied zu denjenigen von England – über den Vertrieb westlicher Waren. Wie diese Verbindung im Zusammenhang mit dem über Land vermittelten Verkehr nach Osten funktionierte, darüber gibt ein im Jahre 1764 erstelltes 269 Vgl. unten Abbildung III-7. 270 Stanisław Hoszowski: The Polish Baltic Trade in the 15th‒18th Centuries, in: Poland at the XIth International Congress of Historical Sciences in Stockholm, Warszawa 1960, S. 117 – 154, hier S. 145. 271 Auch im gesamten Seehandel Danzigs nahm die Einfuhr deutlich an Gewicht zu, die im 18. Jahrhundert wertmäßig der Ausfuhr überlegen war, was den Charakter der Stadt als Transferzentrum westlicher Produkte zeigt. Almut Hillebrand: Danzig und die Kaufmannschaft großbritannischer Nation. Rahmenbedingungen, Formen und Medien eines englischen Kulturtransfers im Ostseeraum des 18. Jahrhunderts, Frankfurt am Main u. a. 2009, S. 167.

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Promemoria der mit Russland handelnden Kaufleute mit dem Titel „auf die an sie ergangenen Fragen, die Beschaffenheit und Verbesserung der gedachten Handlung betreffend“ einen Hinweis. Demnach: sendet man von hier [= Hamburg] nach bemeldeten Häfen [= St. Petersburg, Archangelsk und Riga] alle Sorten allhier raffinirten Zuckers, Tücher, Indigo, Alaun, Weine, Caffé, Baum-­Oel, Farbholz und überhaupt alle sowohl hier fabricirte als auswärtige Waaren, welche in Rußland zu denen dortigen Fabriquen nöthig oder sonst anzusetzen sind. Diese Absendung geschiehet hauptsächlich nach St. Petersburg im Frühjahre directe, im Sommer und Herbst aber über Lübeck und Kiel.272

Es gab nämlich eine Rollenverteilung der Handelswege zwischen Land und See, die jeweils saisonbedingt gewählt wurden.273 Die Fahrt nach St. Petersburg, das am Scheitelpunkt der Finnischen Bucht liegt, nahm viel Zeit in Anspruch. Neben physischer Entfernung, zufälligen Einflüssen durch die Witterung und Aus- und Einladung im Hafen musste man bei hamburgischen Schiffen und Gütern mit einer Wartezeit bei der Zollstation am Öresund rechnen, die durch die strenge Visitation erheblich länger dauerte.274 Da eine im November zugefrorene See erst im Laufe des Aprils eisfrei wurde, fand der Wareneinkauf in St. Petersburg am häufigsten in Mai und Juni statt, wenn Kaufleute oder deren Bedienten aus dem inneren Russland kamen.275 Deswegen bevorzugte man die direkte Warenausfuhr im Frühling.276 Der Versuch Stettins, das seit 1720 zu Preußen gehörte, unter Friedrich II. um die Mitte des 18. Jahrhunderts den eigenen Immediathandel in einem scharfen Konkurrenzkampf gegen den Hamburger Elbe-­Oder-­Handel zu fördern, schien den Angaben der SZR zufolge einigermaßen gelungen zu sein. Vom Standpunkt des gesamten Verkehrssystems des Hamburger Hinterlandhandels aus ist es so zu betrachten, dass der Handelsstrom von Hamburg nach dem Odergebiet auf die zwei Routen über Land (Fluss) und See verteilt wurde. Es gibt leider keine Zahlen, die die exakten Kontingente beider Handelsvolumina vergleichbar machen, aber zahlreiche Anzeichen sprechen dafür, dass der Elbe-­ Oder-­Handel immer noch bedeutender war als der Seeverkehr von Hamburg nach Stettin. Vor allen Dingen beweist die kräftige Entwicklung der Elbschifffahrt von Hamburg nach Berlin (und weiter nach Breslau) seit der zweiten 272 Baasch: Quellen, S. 334 f. 273 Ähnliches wird auch im Land- und Flusshandel beobachtet. Siehe Kapitel  IV dieser Arbeit. 274 Vgl. oben Abschnitt 1 dieses Kapitels. 275 Bohn: Kaufmann, Abt. 1, S. 650. 276 Die Sundzollregister verzeichnen die häufigsten Fahrten von Hamburg nach St. Petersburg im Mai.

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Hälfte der 1730er Jahren bis gegen 1765,277 dass der Flusshandel über Hamburg durch die Stettiner Konkurrenz nicht wesentlich beeinträchtigt wurde. Nun fragen wir, ob und wie sich eine große Änderung in den handelspolitischen Vorbedingungen, die Abschaffung des Differentialzolls am Öresund, auf die Struktur des seewärtigen Hamburger Zwischenhandels auswirkte. Dank der online veröffentlichten Sundzollregister ist es nun möglich, die Schiffszahl, Schiffer und Häfen ab 1783 zu analysieren. Die Untersuchung der Zugehörigkeit der Ladungen, die wir oben vorgenommen haben, muss hier leider abbrechen. Mit der Gewährung der Parität mit den am niedrigsten bezollten Nationen am Öresund können die Schiffsladungen hamburgischer Rechnung in den Sundzollregistern nicht mehr identifiziert werden. Die Schiffszahl278 bei der Einfuhr aus der Ostsee unterlag nach wie vor heftigen Schwankungen. Zwar erreichte das Jahr 1772 einen Gipfelpunkt der in den STR-online registrierten nach Hamburg fahrenden Schiffszahl, doch hielt sich die Schifffahrt keineswegs auf dem hohen Niveau. In der Folgezeit erreichte sie, als der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg (1775 – 1783) und der Vierte Englisch-­Niederländische Seekrieg (1780 – 1784) Unruhe auf der See verbreiteten, einen Tiefstand. Danach zeigen die Verkehrszahlen zwei Sprünge nach oben, die von nachherigem Absinken begleitet wurden. Aus diesen Betrachtungen lässt sich annehmen, dass Hamburg trotz der verbesserten handelspolitischen Situation die Funktion als Empfänger und Vermittler der Ostseeprodukte nicht erhielt. Die Fahrt nach Hamburg war in starkem Maße von der zeitgebundenen Nachfrage nach Ostseeprodukten abhängig. Man dürfte damit feststellen, dass die Warenzufuhr in dieser Richtung eher von rein ökonomischen Faktoren als von handelspolitischen bestimmt war. Im Gegensatz zum Importhandel erhielt nach dem Gottorper Vergleich 1768 der seewärtige Export ab Hamburg starken Auftrieb. Die Entwicklung der Ausfuhr sieht nach der Zahl der beladenen Schiffe moderat aus, die tatsächliche Mengenzunahme der transportierten Waren war aber viel beträchtlicher.279 Das heißt, dass größere Ladungen den Raum jedes Schiffes einnahmen. Das Abschaffen der Zollbelastung förderte nämlich den Warenvertrieb nach Osten: Die Beseitigung des Rosenobelgeldes auf hamburgische Güter regte die Kauf 277 Siehe Kapitel IV dieser Arbeit. 278 Vgl. zur Schiffszahl oben Abbildung III-4. 279 Vergleicht man beispielsweise die Zunahme der Indizes aus Schiffszahl und Gewicht der ausgeführten Kolonialwaren (Pfund) in den Jahrzehnten vor und nach dem Gottorper Vergleich (1758 – 1767 und 1768 – 1777), dann betragen sie 125 und 162. SZR; STR-online.

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leute dazu an, in ihre Schiffe noch mehr Frachten einzuladen. Die günstige Konjunktur wurde in der Folgezeit durch die kriegerischen Unruhen zwar gehemmt, im Vergleich zum Einfuhrhandel aber war die Abnahme nicht beträchtlich. Um 1790 erreichte die Ostfahrt mit einem kurzen Absinken während des Russisch-­Schwedischen Krieges (1788 – 1790) den zweiten Höhepunkt, der auch in Hinblick auf die Warenmengen besser erkennbar ist. Seit 1793 blieb die große Ausfuhr nach Osten aus,280 während der Anteil von Ballastschiffen in dieser Richtung zunahm und sich damit die Gesamtmenge der ostwärtigen Fahrt auf das bisherige Niveau erholte. Dies war eine deutliche Wandlung, die man im 18. Jahrhundert bisher nicht erlebt hatte. Was waren die Hintergründe? Wie später erörtert wird, wurden die meisten Warenausfuhren um 1790, die zum großen Teil aus Kolonialwaren bestanden, nach Russland (St. Petersburg) geschickt. Nach dem Ausbruch des Ersten Koalitionskrieges gegen Frankreich (Ende 1792) erließ die russische Kaiserin Katharina II. im Frühjahr 1793 einen Ukas, der die Einfuhr von französischen Gütern, deren Hauptvermittler (vor allem bei Kolonialwaren) Hamburg war, gleichgültig auf welchen Schiffen verfrachtet, verbot. Den neuen Zolltarif, der am 1. Januar 1797 in Kraft treten sollte – aber nach dem Tod Katharinas annulliert wurde –, hatten Hamburger Zuckerhändler gefürchtet. Soweit die quantitativen Aussagen über Öresundpassagen Aufschluss geben, wirkten diese Maßregeln in der Tat viel stärker, als C. Mencke schätzt.281 Kaufleute verzichteten auf den Warenverkauf in Russland und sandten stattdessen Ballastschiffe, um möglichst schnell Getreide zu beschaffen, das zu diesem Zeitpunkt in Frankreich in zunehmendem Maße begehrt wurde.282 Die steigende Tendenz der Einfuhr seit 1793 ist eine Bestätigung dieser Feststellung. Im Hinblick auf die Beseitigung der ungünstigen Zollerhebung gegen hamburgische Schiffe am Öresund erscheint es theoretisch sehr plausibel anzunehmen, dass die städtische Schifffahrt entsprechend zunehmen sollte. Allerdings geben die SZR nicht den dieser Annahme entsprechenden Verlauf an. Betrachten wir die Ausfuhr nach Osten in den 1770er Jahren, verzeichnen sie sogar eine Abnahme der hamburgischen Schiffer im Vergleich zur kriegsbedingten Hochkonjunkturphase der vorangehenden Zeiten.283 Der Zuwachs 280 Das Absinken ist bei der Warenausfuhr (Kolonialwaren, siehe unten Abbildung III-7) besser erkennbar als bei der Schiffszahl. 281 Mencke: Beziehungen, S. 68 f. 282 Büsch: Versuch, S. 181 f. 283 Ähnliches gilt für die gesamte Passage der hamburgischen Schiffe durch den Öresund.

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der ausgehenden Fahrt wurde zum größten Teil von auswärtigen Schiffern geführt. Dabei ist unbestreitbar, dass die Vergünstigung des Zolltarifs und die Befreiung der hamburgischen Ladung vom Rosenobelgeld die Warenausfuhr stimulierten. Jedoch wurde die Struktur des Transports nicht geändert. Trotz des Mangels an zahlenmäßigen Belegen dürfte man behaupten können, dass hamburgische Kaufleute ihre Waren wie früher Ausländern anvertrauen wollten. Das langjährige Fernbleiben Einheimischer von der Ostseefahrt, woraus Lücken in Bezug auf Kenntnisse und Erfahrungen resultierten, vergleicht man sie beispielsweise mit den leistungsfähigen Niederländern, sorgte bei den Befrachtern dafür, auswärtige Schiffe nach wie vor zu bevorzugen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Schiffbau in Hamburg bis zur Verbesserung in den 1770er Jahren einen Tiefstand erlebte und man klagte, dass die städtische Reederei von auswärtiger Konkurrenz bedroht werde.284 Tabelle III-12: Beladene und Ballastschiffe in der Fahrt von Hamburg nach dem Ostseeraum 1771 – 1800 in Summen je Dekade Schiffer Hbg Nl Andere

1771 – 1780 A B 99 15 133 131 399 226

C 13 % 50 % 36 %

1781 – 1790 A B 141 71 22 67 295 287

C 33 % 75 % 49 %

1791 – 1800 A B 46 109 7 23 98 603

C 70 % 77 % 86 %

A: Beladene Schiffe; B: Ballastschiffe; C: Prozentueller Anteil der Ballastschiffe Quelle: SZR; STR-online.

Unter allen geographischen Gruppen behaupteten sich Niederländer in den 1770er Jahren immer noch als bedeutendste Transporteure. Bemerkenswert ist jedoch die zunehmende Beteiligung der Schiffer aus anderen Gebieten. In den SZR sind die Schiffer aus England, Schweden, Dänemark, Schleswig-­ Holstein (Altona, Flensburg), Mecklenburg (Rostock), Pommern (Stralsund, Stettin, Barth) und Preußen (Danzig, Königsberg) im Verkehr von Hamburg nach der Ostsee häufiger als früher registriert. Daraus lässt sich schließen, dass die Abschaffung des Rosenobelgeldes auf Hamburger Güter für die aktive Beteiligung der Reeder aus verschiedenen Regionen sorgte, indem sie mehr Aufträge in Hamburg annehmen wollten, weil die Transportkosten der Waren hamburgischer Rechnung nun niedriger geworden waren. Bei der Ostfahrt

284 Baasch: Geschichte des deutschen Seeschiffbaues, S. 30.

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waren die meisten Ostseeschiffe mit Rückfrachten beladen. Für sie hatte die Warenbeschaffung in Hamburg wie früher eine große Bedeutung. In den 1780er Jahren veränderten sich die Verhältnisse der Herkunft der Schiffer. Gleichzeitig mit dem Ausbruch des Vierten Englisch-­Niederländischen Seekrieges verschwanden 1780 die niederländischen Schiffe im Seeverkehr zwischen Hamburg und dem Ostseeraum. Nach dem Krieg traten sie wieder in Hamburg auf, spielten aber kaum noch eine bedeutende Rolle. Stattdessen setzten Hamburger nun ihre eigenen Schiffe für die Ostseefahrt ein. Viele von ihnen machten beladene Fahrt, während Engländer und Schotten, die zu diesem Zeitpunkt zunehmend Hamburg besuchten und von dort nach Osten segelten, in den meisten Fällen in Ballast fuhren. In den 1790er Jahren war die niederländische Schifffahrt zwischen Hamburg und der Ostsee nicht mehr der Rede wert. Bei der Fahrt von Hamburg nach Osten blieben die hamburgischen Schiffe, gemessen an der Schiffszahl, auf gleichem Niveau, aber sie transportierten seltener Fracht. Die Zahl der vom Ostseeraum nach Hamburg fahrenden Schiffe war deutlich geringer als diejenige in entgegengesetzter Richtung. Die hamburgischen Schiffe, die nach der Ostsee in Ballast fuhren und dort Ostseeprodukte – meistens Getreide – einluden, waren nach westlichen Absatzmärkten bestimmt, ohne Hamburg zu berühren. Solche Fahrt wurde erst rentabel, seitdem der Differentialzoll am Öresund gegen hamburgische Waren, die nicht über Hamburg vermittelt wurden, außer Kraft trat. Unter den Handelspartnern Hamburgs im Ostseeraum gab es große Änderungen.285 Die Folgen der Ersten Teilung Polens im Jahre 1772 und der darauffolgenden preußischen Zollpolitik gegen Danzig,286 die sich für den dortigen Handel entscheidend nachteilig auswirkte, ist auch im Verkehr beider Städte deutlich zu erkennen. Die Stellung Danzigs als Lieferant von Ostseeprodukten wurde dadurch stark geschwächt und durch die Konkurrenz anderer Ostseestädte geschmälert. Nach der Beurteilung der im Jahre 1789 erschienenen fünften Auflage von Gottfried Christian Bohns „Wolerfahrner Kaufmann“ behielt die Stadt an einer der Weichselmündungen aber als Abnehmer westlicher Waren noch ihre Anziehungskraft. Die Einfuhr sei „von jeher sehr beträchtlich, indem Danzig das reiche industrielose Polen mit ­unsäglich viel ausländischen 285 Vgl. Abbildung III-7 dieser Arbeit. 286 Dazu siehe: Edmund Cieślak: The Influence of the First Partition of Poland on the Overseas Trade of Gdańsk, in: Heeres/Hesp/Noordegraaf/Van der Voort (Hg.): From Dunkirk to Danzig. Shipping and Trade in the North Sea and the Baltic 1350 – 1850, Den Haag 1988, S. 203 – 215.

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Waaren versah“.287 Im Rahmen der Warenzufuhr aus Hamburg allerdings gilt seine Äußerung, „dieser Handel ist mit dem Verfall von Polen durch die starke Konkurrenz der preussischen Seestädte, wie auch Breslaus, Lembergs u. a. und die frankfurter und leipziger Messen, am meisten aber durch die durch Preussen so sehr erhöhten Einfuhrzölle sehr geschwächt worden“,288 vielmehr als Realität. Den Teil, den Danzig im Handel mit Hamburg verlor, zogen St. Petersburg und Königsberg an sich. Die Stellung Königsbergs als Vertriebsort wurde nicht lange gehalten. Um 1790 konzentrierte sich die Ausfuhr immer mehr auf den russischen Hafen. Dies war aber, wie erwähnt, die letzte Hochzeit der zuströmenden Hamburger Warenausfuhr. Der intensive Absatz auf einen Ort wurde durch die Einfuhrbeschränkung Russlands 1793 schlagartig vermindert. Stattdessen nahmen bei der ostwärtigen Fahrt Ballastschiffe zu. Wie oben kurz erwähnt, hing diese Ballastfahrt mit der schnell steigenden Getreidekonjunktur in Westeuropa zusammen. Für die schleunige Beschaffung von Getreide eilten die Schiffe nach dem Ostseeraum, ohne Zeit für die Suche nach Abnehmern für westeuropäische Waren zu verschwenden.289 Wir können aber nicht wissen, wohin die Ballastschiffe bestimmt waren, weil an der Zollstation am Öresund die Zielorte von solchen Schiffen normalerweise nicht ausdrücklich genannt, sondern nur als „til Østersøen [= nach der Ostsee]“ verzeichnet sind. Die Hauptabfahrtshäfen der nach Hamburg bestimmten Schiffe waren wie bei der schwankenden Einfuhr selbst wechselnd. Im ersten Spitzenjahr (1772) nach dem Gottorper Vergleich kamen von Danzig 21, von Königsberg 17, von Riga 54 und von St. Petersburg 24 Schiffe nach Hamburg. Hier ist schon der Ansatz von Danzigs Niedergang erkennbar. Beim zweiten Aufschwung (1774 und 1775) zählte Danzig infolge der preußischen Zölle nach der Ersten Teilung Polens nicht mehr zu den wichtigen Häfen (4 und 5 Schiffe). Die Abfahrtsorte waren auf verschiedene Plätze an der Ostseeküste verstreut.290 Bei

287 Bohn: Kaufmann, 1. Abt., S. 612. Die Umsatzbeträge der Ein- und Ausfuhr zeigen, dass die negative Auswirkung der Ersten Teilung Polens in der Tat in höherem Maße die Ausfuhr als die Einfuhr traf. Hoszowski: Polish Baltic Trade, S. 126. 288 Bohn: Kaufmann, 1. Abt., S. 612. 289 Die Ballastfahrt war in diesem Fall deswegen nötig, weil es Zeit brauchte, in Ostseeländern Ankäufer zu finden. Vgl. Harder-­Gersdorff: Novgorodfahrer, Teil 1, S. 67. 290 Hauptabfahrtsorte waren im Jahre 1774: St. Petersburg (16 Schiffe), Stettin (11 Schiffe), Riga (8 Schiffe), Kurland (14 Schiffe) und Königsberg (8 Schiffe); im Jahre 1775: Riga (18 Schiffe), andere livländische Häfen (17 Schiffe), Königsberg (16 Schiffe).

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der dritten Hochzeit im Jahre 1784 machten die Schiffe von Königsberg und dessen Vorhafen Pillau zusammen 28, von Riga 24, von St. Petersburg 13 und von Danzig 11, ferner im Jahre 1785 von Königsberg und Pillau 40, von Danzig 18, von St. Petersburg 13, dagegen von Riga nur 3 aus. Beim letzten Sprung des 18. Jahrhunderts (1792) zählten die Schiffe von Königsberg und Pillau 51, von Riga 22, von Danzig 13 und von St. Petersburg 7. St. Petersburg nahm im Unterschied zur Ostfahrt keine dominante Stellung ein. Im Jahr 1799 traten – während wir eine seit 1764 einsetzende steigende Tendenz der Westfahrt in den SZR ablesen – kaum mehr Königsberg und St. Petersburg auf. Von Riga kamen 19 Schiffe und von Danzig 9. Nach Betrachtung der Schifffahrt und der Schiffer, die in der Atlantikzeit zwischen Hamburg und dem Ostseeraum verkehrten, lässt sich folgendes Fazit ziehen: Obgleich die dänische Politik der Nadelstiche bis 1763 drosselnde Auswirkungen auf die Schifffahrt hatte, erfuhr der Seeverkehr beachtliche Entwicklung. Ein Grund dafür lag im größeren Umfang der zu transportierenden Waren, die einer größeren Tragfähigkeit der Schiffe bedurfte. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die dänische Repression am Öresund der Verkehrsstruktur ein ihm entsprechendes eigentümliches Pattern verlieh. Die Kontakte Hamburgs mit dem Ostseeraum beruhten auf Warenvermittlung, bei der die „hamburgische Schifffahrt“ eine bescheidene Rolle spielte. Hamburg war ein Zwischenhafen, den verschiedene ausländische Schiffe nutzten. Diese Vermittlungsfunktion finden wir seit den 1730er Jahren bei der Ausfuhr durchgängig, wobei sich auch Hamburger Kaufleute an dem Handel beteiligten. Noch zu betrachten ist die Frage nach der Bedeutung des Hamburg-­Lübeck-­ Verkehrs auf dem Festland. Bei der Kanalausfuhr über Lauenburg nach Lübeck, für deren Untersuchung eine Reihe von langfristigen Zahlenmaterialien vorhanden ist, erkennt man eine Aufwärtstendenz von den 1730er bis zum Ende der 1750er Jahre, was dem Verlauf der Seeschifffahrt entspricht. Die absinkende Tendenz seit um 1760 könnte sich dadurch erklären, dass der durch die (bevorstehende) Aufhebung der dänischen Verkehrsbeschränkung kräftig angeregte Seehandel der Kanalausfuhr einen Teil abnahm. Dagegen wäre der Aufschwung gegen Ende des Jahrhunderts die Folge der für die Beschaffung von Getreide eingesetzten intensiven Ballastfahrt der Seeschiffe, wobei die Kanalfahrt als Ersatzverkehr seine Nische fand. Hier finden wir wiederum die Kombination zwischen den See- und Festlandrouten, die Hamburgs Ostseehandel funktionieren ließ.

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Abb.III-5: III-5: Elbzolleinnahme bei von Esslingen von ausLübeck/ Hamburg nach Abb. Elbzolleinnahme bei Esslingen Ladungen aus Ladungen Hamburg nach Lübeck/Lauenburg 1730–1800 Lauenburg 1730 – 1800 900 800 700 600 500 400 300 200

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0

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100

Quelle: StAH, ER, Pars. II, Sectio. III, Vol. 1 f, Fasc. 2, Nr. 25 – 124; Fasc. 3.

Für die Spätphase des Jahrhunderts sind wir durch die Kontentbücher des Admiralitätskollegiums über den Umfang des von Lübeck und Lauenburg einkommenden Verkehrs informiert.291 Bei den Eingängen aus Lübeck handelt es sich sicher um Landverkehr, bei denen aus Lauenburg um Wasserverkehr. Die Jahresdurchschnitte der zwischen 1778 und 1792 in den Kontentbüchern verzeichneten Eintragungen, die beim Ankommen der Fuhrwerke registriert wurden, sind für Lübeck 101 und für Lauenburg 54.292 Verglichen mit den Zahlen für andere Städte im Binnenland wie Lüneburg, Berlin und Magdeburg, die im Kapitel IV tabellarisch angegeben sind, können sie als groß gelten. Im Verkehr zum Ostseeraum ist darüber hinaus zu erwähnen, dass zu dieser Zeit ein neuer Handelsweg angelegt wurde: der Eiderkanal, der seit 1784 durch die Vertiefung der Eider die Binnenschifffahrt zwischen Kiel und der Elbe ermöglichte.293 1785 wurde das königliche Patent erlassen, wobei der dänische König den Hamburgern die freie Schifffahrt erlaubte.294 In den Admirali­ 291 Für die Quelle siehe Anhang A. 292 StAH, Admiralitätskollegium F 12, Verzeichnis der zu Wasser und zu Lande angekommenen Waren mit Angabe der Kaufleute (Makler) sowie der Herkunft und der Menge der Ware, Bd. 1 – 16. 293 Vgl. zum Eiderkanal Manfred Jessen-­K lingeberg: Der Schleswig-­Holsteinische Kanal – Eiderkanal. Vorgeschichte, Entstehung, Bedeutung, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte 85 (2010), S. 113 – 123. 294 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kc Nr. 5, Vol. 8.

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tätskontentbüchern ist die Verbindung mit Kiel in den Eintragungen der Einfuhr von Lübeck, wobei das Ankommen von „Lübeck und Kiel“ verzeichnet ist, schon vor dem Bau des Kanals zu erkennen. Es ist schwierig, die Auswirkung des Kanalbaus auf den Verkehr zwischen Hamburg und dem Ostseeraum quantitativ genau zu erfassen. Der Kanal könnte aber den Verkehr durch den Stecknitzkanal zu einem gewissen Grad verringert haben, wie man es damals befürchtete.295

3.2  Warenströme und Hamburgs Umschlagfunktion Die Struktur des seewärtigen Warenzuflusses nach Hamburg seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die nicht durch stabile Dauerhaftigkeit, sondern durch mehrmalige Unterbrechungen und Wiederaufleben geprägt war, änderte sich in der Folgezeit grundsätzlich nicht. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts stellte sich indessen eine Konzentration auf Getreide ein. Holz und Teer befanden sich nur in kleinen Mengen oder gar nicht in den Ladungen. Für diese Waren spielte Hamburgs Vermittlungsfunktion im Seeverkehr keine große Rolle mehr. Der Umfang der Getreideeinfuhr war stark von der temporären Nachfrage und Absatzmöglichkeit auf äußeren Märkten abhängig. Abbildung III-6 zeigt,296 dass eine große Einfuhr von Ostseeroggen fast immer von der gleichzeitigen Zunahme der Ausfuhr aus Hamburg begleitet wurde. Die Zunahme der Ein- und Ausfuhr vom Ostseegetreide in den Jahren 1762 und 1772 erklärt sich durch die temporär verstärkte Nachfrage in Binnendeutschland als Folge

295 Ebenda. 296 Die Abbildung beruht auf den Angaben der SZR und den Aufzeichnungen über Hamburgs Ein- und Ausfuhr von Getreide, die vom städtischen Kornverwalter J. H. Strauch in Hamburg jährlich erstellt wurden. SHW, S/1012. Im Verzeichnis von Strauch ist das Korn auch nach genommenen Wegen (land- und elbwärts oder seewärts) eingeordnet. Die vorgenommene Zuteilung dürfte aber nicht den Tatsachen entsprechen: In diesen Angaben ist verzeichnet, dass bei der Ausfuhr der land- und elbwärtige Transport immer größer als derjenige auf der See sei. Das ist nicht konsequent. Des Weiteren kommt die Menge der seewärtigen Einfuhr mit den Daten der SZR nicht in Übereinstimmung. In manchen Jahren ist jene geringer als diese. In anderen Aufzeichnungen ist die Zuteilung „freies Getreide“ und „unfreies Getreide“ für dasselbe Korn angewendet. Sie ist wahrscheinlich die eigentliche Kategorisierung. Diese Unordnung liegt wohl an Nachlässigkeit, Konfusion oder irgendwelchen anderen Gründen bei der Verwaltung und Formulierung der Aufzeichnungen. Für die Quelle siehe: Krawehl: Hamburger Handelsstatistik, S. 57.

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des Siebenjährigen Krieges.297 Das Korn aus dem Ostseeraum war nämlich vielmehr mit dem Reexport als mit dem städtischen Konsum verbunden.298 Hauptbezugsort war bis zur Ersten Teilung Polens Danzig, danach erreichten seine Stellung Riga und Königsberg. Abb.III-6: III-6: Einund Ausfuhr Roggen in Hamburg (in Last) Abb. Einund Ausfuhr von von Roggen in Hamburg 1753 – 11753–1800 800 (in Last) 18000

Einfuhr (Gesamt)

16000

Einfuhr (v. der Ostsee)

14000

Ausfuhr (Gesamt)

12000 10000 8000 6000 4000

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1759

1757

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0

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2000

Quelle: SZR; SHW, S/1012.

Außer Getreide spielten andere Handelsgüter fast keine Rolle, aber einige von ihnen erschienen zeitweilig in größerer Quantität in Ladungen. Der seewärtige Juchtenimport aus St. Petersburg, das seit 1713 die russische Juchtenausfuhr monopolisierte, nahm nach dem Ende des Großen Nordischen Krieges nennenswert zu. Er stagnierte jedoch im Laufe der 1730er Jahren schnell. In der ersten Hälfte der 1770er Jahre wurde häufig eine große Menge Eisen von Schweden nach Hamburg über den Seeweg abgeschickt. Dieser Versand war auch eine Ausnahme. Die seltene Benutzung der Seeroute beim Einfuhrhandel ist verständlich, weil die von Osten nach Westen über den Seeweg transportierten Nahrungsmittel und Rohmaterialien nicht immer die Stadt berührten – dies bedeutete jedes Mal, dass die Ladung bei Hin- sowie Rückfahrt die ca. 100 Kilometer zwischen Elbmündung und Stadt nahm – und dort verarbeitet werden mussten, sondern direkt nach Absatzmärkten verschifft werden konnten, um von der 297 In diesen Jahren wurde viel Getreide über die Elbe nach Magdeburg und Berlin ausgeführt. Vgl. Kapitel IV, S. 290 f. dieser Arbeit. 298 Diese Feststellung wiederspricht allerdings nicht der Tatsache, dass das binnenländische Getreide stark exportorientiert war.

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dortigen Bevölkerung oder Industrie verbraucht zu werden. Nach Hamburg konnte man die Ostseewaren über Lübeck schaffen, zumal das dortige Durchfuhrverbot 1728 aufgehoben wurde. Für den Festlandverkehr fehlen für längere Zeiten umfassende Informationen, wie sie im Fall des Seeverkehrs vorliegen. Bruchstückhafte Informationen über die Waren, die die Hamburger Kaufleute durch den Land- und Kanaltransport beschaffen wollten, bieten Verhandlungen um das Durchfuhrverbot, das Lübeck für die über die Stadt nach Hamburg beförderten Ostseeprodukte bis etwa 1730 aufrechterhielt. Im Jahr 1706, nachdem das Lübecker Dekret vom November 1705, das die Durchfuhr aller Waren verbot, in Kraft getreten war, klagte man in Hamburg gegen diese Maßregel. Durchgeführt werden sollten Kupferwaren und Getreide.299 Im gleichen Jahr beschwerten sich Hamburger Kaufleute beim Rat darüber, dass sie „das von Dantzig, Riga, Reval, Königsberg und andere Ohrter der Ost See nach Lübeck abgeschiffte Korn und andere Wahren“ trotz der gewöhnlichen Zollerlegung nicht passieren lassen konnten.300 Zu derselben Zeit ersuchten die Lübecker Kaufleute-­Kompagnie und die Nowgorodfahrer, die das rigide Durchfuhrverbot für ihre Geschäfte unpraktisch fanden und ein freieres Prinzip bevorzugten, den Lübecker Rat um eine Ermäßigung der Verkehrsbeschränkungen, die auch von Hamburg, Riga und Preußen stark gefordert wurde, wogegen sich die Lübecker Schonen-, Riga- und Stockholmfahrer widersetzten.301 Der Rat schlug dann die Einführung der Niederlagszeit für bestimmte Waren vor: Leinsaat, Hanf, Flachs, Eisen, Korn, Leder, Pech, Teer und Stahl.302 Nach den Verhandlungen blieb die freie Durchfuhr der ersten fünf Artikel streng untersagt; die übrigen Waren ließ man dagegen bei der gewohnten Konnivenz und den Zulagen freigehen.303 Wie in früheren Zeiten konnten Lübeck je nach Verhandlung auch verbotene Waren passieren. 1717 wurde beispielsweise die Durchfuhr von 200 Last Danziger Getreide für die Armen in Hamburg erlaubt.304 Als im Jahre 1728 Lübeck seine unterdrückende Handelspolitik endlich aufgab, musste dies die Zunahme der Warenzufuhr aus Lübeck zur Folge ­gehabt 299 Baasch: Durchfuhr, S. 139. 300 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 12, Vol. 1b, Fol. 15r. Siehe auch Baasch: Durchfuhr, S. 152. 301 Baasch: Durchfuhr, S. 137 – 140. 302 Ebenda, S. 140. Demnach mussten innerhalb der Niederlagszeit (zwei Monate) diese Waren in Lübeck liegen und wenn sie in dieser Zeit nicht verkauft wurden, musste dies auf Bürgereid deklariert werden, worauf sie dann durchgehen konnten. 303 Ebenda. 304 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 12, Vol. 4, Fol. 6.

Hanf Flachs Leinsaat Segeltuch Juchten Eisen Teer/Pech Zucker Kaffee Tee Kattun Bund Bund Pack Tonnen Pack Pack Stück Tonnen Fass Fass Sack Kiste Pack Pack Ballen 1935 259 801 5912 2281 104 404 1560 3680 39 0 702 257 9 4 1278 124 911 7428 900 104 174 1062 1473 0 0 325 104 21 74 2036 388 521 6237 1889 137 2462 2927 1734 2 0 102 121 0 27 2120 0 438 6430 2510 245 8755 3716 2220 855 2890 185 32 11 0 1047 103 777 6946 856 166 1172 4657 1682 1034 4789 247 100 1 8 1410 125 1024 6508 1684 52 2340 1937 2725 2168 5775 487 420 112 259 1821 43 2676 7827 752 104 613 1345 768 215 113 2462 264 34 220 1706 227 4183 4330 1707 157 1606 2299 35 0 0 309 164 15 185 1604 107 1933 7473 646 115 684 804 234 0 0 265 69 6 142 1587 275 2105 7645 621 164 9360 455 44 0 0 314 75 9 220 1458 90 1062 7353 621 43 11.222 744 6 0 0 208 66 10 238 2623 195 394 6012 358 67 984 86 0 0 0 311 20 0 141 2391 0 1993 5121 983 8 3955 370 0 21 0 203 6 4 69 2181 166 743 7134 283 21 10.629 552 125 55 0 44 0 1 80

Quelle: StAH, Admiralitätskollegium F 12, Bd. 2 – 15. Die Aufzeichnung für das Jahr 1785 ist nicht überliefert.

in 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1784 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792

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Tabelle III-13-a: Wareneinfuhr aus Lübeck nach Hamburg 1778 – 1792

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haben. Quantitativ können wir aber diesen Handel erst ab dem Zeitpunkt 50 Jahre nach Ende des Durchfuhrverbotes ermessen. Die Kontentbücher des Admiralitätskollegiums 1778 – 1792 enthalten die Zahlen über die von Lübeck nach Hamburg beförderten Waren. Da in den Registern auch die aus Lauenburg kommenden Eingänge verzeichnet sind, erhalten wir Auskunft über den Kanalhandel aus Lübeck.305 Zwei Punkte ergeben sich aus der Auswertung der Materialien: Die Einfuhr war im Vergleich zum schwankenden Seeimport stabil und umfangreich. Es gab einen deutlichen Unterschied zwischen Land- und Kanalweg bei den Arten der transportierten Ware. Tabelle III-13-b: Wareneinfuhr aus Lauenburg nach Hamburg 1778 – 1792 in 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1784 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792

Leinsaat Tonnen 19 12 0 122 79 51 50 18 20 0 0 488 1045 0

Eisen Teer/Pech Stück Tonnen 28.618 8709 40.834 5074 34.927 2450 32.017 3154 47.927 5735 72.900 5116 31.257 3741 40.397 3690 33.551 5944 26.375 1191 28.854 3511 33.732 3551 29.070 3064 42.932 2943

Zucker Fass 30 50 60 0 58 0 23 0 0 27 0 0 0 1

Quelle: StAH, Admiralitätskollegium F 12, Bd. 2 – 15.

Zu den von Lübeck durch den Landweg häufig beförderten Ostseeprodukten gehörten vor allem Hanf, Flachs, Leinsaat, Segeltücher und Juchten.306 Charakteristisch für den Landtransport war darüber hinaus die Vielfältigkeit der

305 Ich gehe wie oben erwähnt davon aus, dass es sich bei der Einfuhr aus Lübeck um den Land- und aus Lauenburg Kanaltransport handelt. 306 Nennenswert ist auch die Einfuhr von Eisen, Teer und Pech. Die Einfuhrmenge war aber beim Kanaltransport viel größer.

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gehandelten Waren.307 Dagegen war die Struktur der aus Lauenburg über den Stecknitzkanal hauptsächlich transportierten Güter sehr einfach gestaltet: Sie bestand aus den Schwergütern Eisen, Teer und Pech. Hier treffen wir wieder die schon mehrmals erwähnte Charakteristik des Wasserwegs. Wie groß waren diese Einfuhren? Nach dem Protokoll des Admiralitätskollegiums von 1791 entsprach 1 Bund Hanf 1000 Pfund.308 Rechnet man 1800 Bund (der Durchschnittszahl der in den Registern eingetragenen Menge Hanfs aus 14 Jahren) in Schiffspfund (1 Schiffspfund = 320 Pfund), dann ergibt sich die Summe von 5625 Schiffspfund. Diese Menge war für Hamburg im Vergleich zu der seeseitigen Einfuhr über den Öresund eindeutig groß, weil diese höchstens etwa 400 Schiffspfund betrug und in manchen Jahren ganz ausfiel. Sie überflügelte auch bei weitem die Hanfeinfuhr aus Archangelsk.309 Vergleicht man aber die gesamten Hanfeinfuhren Westeuropas durch den Öresund, dann sieht das Handelsausmaß des Landverkehrs ab Lübeck geringfügig aus. Der Import über Land nach Hamburg entsprach in seinem Volumen nur etwa 2 Prozent des gesamten Öresundverkehrs.310 Flachs beschaffte man in Hamburg auch nicht über den See-, sondern über den Landweg. In den Sundzollregistern ist durchweg fast keine Einfuhr von Flachs in den vorliegenden Jahren verzeichnet. In den betrachteten 14 Jahren wurden im Jahresdurchschnitt 1397 Pack Flachs von Lübeck nach Hamburg geliefert, die etwa 8382 Schiffspfund entsprachen, wenn 1 Pack Flachs 6 Schiffspfund zählte.311 Die Quellen ermöglichen nun erstmals für unseren Untersuchungszeitraum eine genaue Erfassung der Waren, die aus den Ostseegebieten über Lübeck nach Hamburg kamen. Auf Grund der aus den lübeckischen Zulagezollbüchern entnommenen quantitativen Angaben wird festgestellt, woher die oben genannten Waren stammten.

307 Es wurden transportiert: Alaun, Asche, Pottasche, Felle, Leder, Wolle, Haare, Licht, Talg, Kupfer, Blech, Wachs, Salpeter, Matten, Öl (wahrscheinlich Lein- oder Tranöl), Hering, Butter, Tabak, Pfeffer usw. 308 Pitz: Zolltarife, S. 528. 309 1781 – 1789 wurden im Jahresdurchschnitt nur 36 Schiffspfund und 1790 – 1797 184 Schiffspfund an Hanf ab Archangelsk nach Hamburg geliefert. Laux: Archangelskfahrt, S. 118. 310 Zu den Daten des durch den Öresund nach Westen beförderten Hanfs seit 1784 siehe Hans Christian Johansen: Shipping and Trade between the Baltic Area and Western Europe, 1784 – 1795, Odense 1983, S. 134. 311 Pitz: Zolltarife, Nr. 295 – 226, nach dem Tarif des Werk- oder Herrenzolls zu Hamburg.

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Hanf wurde vornehmlich aus St. Petersburg, Riga, Libau und Königsberg nach Lübeck importiert.312 Bei der Flachszufuhr hatten die livländischen Städte den Vorrang.313 Hamburg zog wohl den meisten Teil von Leinsaat an sich, die Lübeck im Ostseeraum, vor allem aus Riga und Windau beschaffte.314 Die Leinsaat wurde ab Hamburg hauptsächlich nach Bremen, Westfalen oder auch ins Lüneburger Land, teils auch nach Frankreich weitergeführt315 und stellte damit neben Hanf und Flachs eine wichtige Handelslinie Livland – Lübeck – Hamburg – Westeuropa/deutsche Binnengebiete dar, wenn sich der Handel auch mit der westeuropäischen Einfuhr durch den Öresund nicht vergleichen konnte und nur 6 Prozent vom Gesamthandel ausmachte.316 Segeltuch und Juchten waren typische russische Produkte. Insbesondere bildeten Juchten, die über die Route Russland – Lübeck – Hamburg – Westeuropa befördert wurden, eine der Hauptkomponenten des russischen Außenhandels in der Frühen Neuzeit,317 obwohl ihre Bedeutung im Laufe des 18. Jahrhunderts geringer wurde.318 Sie konnten auch aus Archangelsk nach Hamburg geliefert werden. Besteht 1 Pack Juchten aus 120 Stück,319 dann wurden 1778 – 1792 über Lübeck im Jahresdurchschnitt 12.720 Stück Juchten nach Hamburg geliefert. 312 Beispielweise verzeichnete das Lübecker Zulagezollbuch von 1780 in der gesamten Hanfeinfuhr von 7087 Schiffspfund 2569 aus St. Petersburg, 1654,5 aus Riga, 1346 aus Libau und 1084 aus Königsberg. AHL, Zulageherren, Nr. 22. 313 In der gesamten Einfuhr Lübecks von 1110,8 Schiffspfund im Jahre 1780 wurden 362 aus Libau, 196,5 aus Pernau und 196 aus Riga geliefert. AHL, Zulageherren, Nr. 22. 314 1780 importierte Lübeck 6276 Tonnen Leinsaat, davon aus Riga 3155, aus Windau 2039, aus Pernau 617 und aus Libau 453. AHL, Zulageherren, Nr. 22. Im gleichen Jahr importierte Hamburg 6273 Tonnen Leinsaat aus Lübeck. Harder-­Gersdorff errechnet mit 5850 Tonnen eine geringere Importmenge Lübecks aus dem Ostseeraum als diejenige Hamburgs aus Lübeck. Sie hat sich wohl bei der Berechnung für Pernau und Libau vertan. Elisabeth Harder-­G ersdorff: Leinsaat. Eine technische Kultur des Baltikums als Produktionsbasis westeuropäischer Textilwirtschaft im 17. und 18. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 29 (1981), S. 169 – 198, hier S. 175. 315 Marperger: Kaufmanns-­Magazin, S. 935; Harder-­G ersdorff: Leinsaat, S. 176. Dieser Leinsaathandel hatte eine lange Tradition. Siehe StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 12, Vol. 2, Bl. 1, die Beschwerde von Bremen im Jahre 1610 wegen der hamburgischen Verkehrsbeschränkung gegen Leinsaat, die von Königsberg über Stralsund und Lübeck nach Hamburg transportiert und dann weiter nach Bremen ausgeführt werden sollte. 316 Harder-­G ersdorff: Leinsaat, S. 171. 317 Harder-­G ersdorff: Juchtenleder. Vgl. auch Kapitel II, S. 99 – 101 dieser Arbeit. 318 Harder-­G ersdorff: Handelskonjunktur, S. 29 – 33. 319 Laux: Archangelskfahrt, S. 120.

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Diese Zahl übertraf die Einfuhr aus Archangelsk.320 Für Lübeck war St. Petersburg der einzige Lieferant von Juchten im Ostseeraum. 1780 importierte Lübeck aus der russischen Hafenstadt beispielsweise 666 1/4 Pack des Rindsleders.321 Das Eisen, das im Ostseehandel des 18. Jahrhunderts immer mehr an Bedeutung gewann,322 musste von Stockholm nach Lübeck gelangt sein und dann durch den Kanal über Lauenburg nach Hamburg. Die Lübecker Zulagezollbücher zeigen die starke Verbindung zwischen Lübeck und Stockholm im Eisenhandel am Ende des 18. Jahrhunderts,323 während das russische Eisen keine Bedeutung für Lübeck hatte.324 Wie viel Gewicht das einzelne Stückeisen (wahrscheinlich Stangeneisen) besaß, lässt sich nicht genau erkennen. Dennoch wird sichtbar, dass in der Zeit, während der größte Eisenlieferant, Russland, den Ostseehandel im 18. Jahrhundert beherrschte,325 eine Handelslinie Schweden – Lübeck – Hamburg bestand. 320 1781 – 1789 wurden im Jahresdurchschnitt 3720 Stück, 1790 – 1797 wurden 7680 Stück Juchten von Archangelsk nach Hamburg geliefert. Laux: Archangelskfahrt, S. 121. 321 AHL, Zulageherren, Nr. 22. 322 Dazu siehe Sven-­Erik Åström: From Cloth to Iron. The Anglo-­Baltic Trade in the Late Seventeenth Century, Part 1 (The Growth, Structure and Organization of the Trade) und Part 2 (The Customs Accounts as Sources for the Study of the Trade), Helsinki 1963 und 1965; Karl-­Gustaf Hildebrand: Swedish Iron in the Seventeenth and Eighteenth Centuries. Export Industry before the Industrialization, Stockholm 1992; Herbert H. Kaplan: Russian Overseas Commerce with Great Britain during the Reign of Catherine II, Philadelphia 1995. 323 Zum Beispiel importierte Lübeck 1780 in der gesamten Einfuhrmenge von 11.722 Schiffspfund Eisen 7646,8 Schiffspfund aus Stockholm. Neben Stockholm nahmen die schwedischen Städte Västervik (937 Schiffspfund) und Wismar (621 Schiffspfund) eine gewisse Stellung ein. AHL, Zulageherren, Nr. 22. 324 Vgl. Harder-­G ersdorff: Novgorodfahrer, Teil 1, S. 91. 1780 kamen aus St. Petersburg 1676 Schiffspfund Eisen. Diese Menge machte 14 Prozent der gesamten Einfuhr (und weniger als ein Viertel der Einfuhr aus Stockholm) aus. AHL , Zulageherren, Nr. 22. 325 Seit den 1730er Jahren erschien Russland mit St. Petersburg als bedeutender Eisenexporteur und bereitete Schweden starke Konkurrenz. In den 1760er Jahren zeichnet sich ein beschleunigtes Wachstum der Eisenexporte aus Russland ab, so dass sie derjenigen aus Schweden, die das 18. Jahrhundert hindurch fast stabil blieb, den Rang ablief. Besonders für England war der Eisenhandel mit Russland wichtig. North: Geschichte der Ostsee, S. 187; Staffan Högberg: Utrikeshandel och sjöfart på 1700-talet. Stapelvaror i svensk export och import 1738 – 1808, Lund 1969, S. 78 f. Siehe auch Åström: From Cloth to Iron. Die Stellung Schwedens im Ostseeeisenhandel ist aber nicht zu unterschätzen. Zum englisch-­schwedischen Eisenhandel im Kontext der atlantischen Wirtschaft siehe Chris Evans/Göran Rydén: Baltic Iron in the Atlantic World in the Eighteenth Century, Leiden/Boston 2007.

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Beträchtlich waren die Einfuhrmengen von Teer und Pech. Diese werden bis heute aufgrund der Daten über den Seeverkehr so eingeordnet, dass auf dem Hamburger Markt der russische Teer aus Archangelsk das ganze 18. Jahrhundert hindurch eine beherrschende Stellung eingenommen haben dürfte.326 Nach den Daten der Admiralitätszollregister ist jedoch festzustellen, dass der Teertransport von Lübeck und Lauenburg größer war. Von 1781 bis 1789 wurden von Archangelsk im Jahresdurchschnitt 1871 Tonnen Teer nach Hamburg befördert, von 1790 bis 1797 waren es 3351 Tonnen.327 Von Lübeck und Lauenburg gelangten nach Hamburg von 1778 bis 1791 im Jahresdurchschnitt 4220 Tonnen Teer. Da Lübeck am Ende des 18. Jahrhunderts seinen Teer ausschließlich aus Schweden und Finnland erhielt,328 wird hier die Handelslinie Finnland – Stockholm – Lübeck – Hamburg als neuer Fund belegt.329 Für den Landhandel noch zu erwähnen ist die vorläufige Zunahme der überseeischen Produkte. Große Lieferungen von Zucker und Kaffee finden sich bis 1783, gerade in der Zeit von internationalen Auseinandersetzungen wegen des 326 Aulis J. Alanen: Der Aussenhandel und die Schiffahrt Finnlands im 18. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Umbruchsperiode der Handelsfreiheit im bottnischen Meerbusen und der großen Seekriege, Helsinki 1957, S. 120 f. 327 Laux: Archangelskfahrt, S. 129. 328 Alanen: Aussenhandel, S. 122. Nach dem Lübecker Zulagezollbuch von 1780 importierte Lübeck in diesem Jahr insgesamt 8791 Tonnen Teer und Pech (die Eintragung in Last im Zollbuch ist als 1 Last = 12 Tonnen umgerechnet). Stockholm spielte hier keine große Rolle. Stattdessen traten andere skandinavische Städte wie Kalmar (4597 Tonnen), Åhus (1272 Tonnen), Björneborg (oder Pori, 695 Tonnen) und Kristianstad (542 Tonnen) im Teer- und Pechhandel hervor. Kalmar und Björneborg lieferten hauptsächlich Teer, Åhus und Kristianstad Pech. Von der 1780 nach Lübeck gelieferten Menge an Teer und Pech zog Hamburg 62 Prozent (5509 Tonnen) an sich. 329 Im Allgemeinen verlief der Handel mit Ostseeteer und -pech folgendermaßen: Die Ausfuhr der etablierten Hauptlieferanten von Teer und Pech, Danziger sowie Königsberger Hinterlande, war in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts infolge der Ressourcenerschöpfung und der hohen Zölle in mehreren durch Schweden okkupierte Seehäfen zurückgegangen. Gelius: Teer und Pech, S. 196 f. An ihre Stelle traten nun Schweden, Livland und, allen voran, Finnland. Der finnische Teer wurde hauptsächlich aus zwei Häfen zu den europäischen Märkten ausgeführt: Stockholm fungierte als Stapelort des in Ostbottnien hergestellten Teers, während die Produkte von Karelien und Savo aus Wiborg exportiert wurden. Sven-­Erik Åström: From Tar to Timber. Studies in Northeast European Forest Exploitation and Foreign Trade 1660 – 1860, Helsinki 1988., S. 24 f. North, Geschichte der Ostsee, S. 151. Zum Handel des finnischen Teers siehe Alanen: Aussenhandel, S. 97 – 153. Zwar drang im 18. Jahrhundert der russische Teer aus Archangelsk stark in den Markt ein, trotzdem blieben die finnischen Produkte dank ihrer guten Qualität konkurrenzfähig.

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Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, wobei sich die Kolonialwareneinfuhr aus westeuropäischen Ländern verminderte.330 In diese Marktlücke stießen die Kolonialwaren aus Lübeck. Wer war dann der eigentliche Lieferant, der Lübeck diese Produkte anbot? Nach A. Rasch war der Kolonialwarenhandel der führende Sektor im dänischen Handel mit Lübeck, dessen Höhepunkt um 1783 lag.331 Kopenhagen war der größte Verteiler von Zucker für den Ostseeraum seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.332 Eine besonders günstige Konjunktur entstand während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, als England und Frankreich in jahrlangen erbitterten Kämpfen miteinander rangen, während der dänische Kolonialwarenhandel hier eine Nische fand. Dänemark konnte nämlich als neutrales Land ungehinderter seinen Handelsinteressen nachgehen.333 Nach den Angaben des Lübecker Zulagezollbuchs von 1780 ist festzustellen, dass Kopenhagen der Hauptlieferant von Zucker für Lübeck war.334 In diesem Jahr wurden aus Kopenhagen nach Lübeck 1765 Fässer (oder 934.250 Pfund) Zucker geliefert. Trotz der vielen unterschiedlichen Fassgrößen im Landverkehr kann man annehmen, dass ein nicht geringer Teil davon weiter nach Hamburg gehandelt wurde. Im Jahre 1790, als die Zuckerlieferungen aus Lübeck nach Hamburg gänzlich aufhörten, wurde auch kein Zucker aus Dänemark nach Lübeck geliefert.335 Der Herkunftsort des in den Jahren 1781 – 1783 aus Lübeck nach Hamburg gelieferten Kaffees war auch Kopenhagen.336 Eine etwas andere Entwicklung zeigen die Kattun- und Teeeinfuhren aus Lübeck. Die Teeeinfuhr aus Lübeck erfuhr 1784, das heißt nach dem Krieg, 330 Vgl. beispielsweise Tabelle II-5a dieser Arbeit. 331 Aage Rasch: Die Beziehungen Dänemark-­Norddeutschland im 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte des Ostseehandels, in: ZVLGA 46 (1966), S. 15 – 24, hier S. 23. 332 Aage Rasch: Kopenhagen und die deutschen Ostseestädte 1750 – 1807, in: HGbll 82 (1964), S. 55 – 68, hier S. 58 – 6 4. 333 Jakob Baxa/Guntwin Bruhns: Zucker im Leben der Völker. Eine Kultur- und Wirtschaftsgeschichte, Berlin 1967, S. 64. In den vorangegangenen Jahren (1763 – 1772) war die gesamte Einfuhr aus Kopenhagen nach Lübeck nicht so umfangreich. Die Ausfuhr aus Lübeck nach Kopenhagen war viel größer. Im direkten Warenverkehr zwischen Hamburg und Dänemark spielte damals die Einfuhr aus dänischen Provinzstädten, vor allem aus Ålborg, eine große Rolle. Johan Jørgensen: Hamburg, Lübeck, Kopenhagen und der dänische Provinzstadthandel um 1730, in: HGbll 85 (1967), S. 85 – 110, hier S. 98 f. 334 AHL, Zulageherren, Nr. 22. 335 AHL, Zulageherren, Nr. 24. In diesem Jahr wurden in Lübeck nur 1600 Pfund aus Wismar und 100 Pfund aus Amsterdam eingeführt. 336 Nach dem Lübecker Zulagezollbuch von 1781. Ahl, Zulageherren, Nr. 23.

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einen sprunghaften Aufstieg. Diese ausnahmsweise große Zufuhr ist zeitlich nach dem Ende des Zucker- und Kaffeebooms angesiedelt. In anderen Jahren wurde eine gewisse Menge fast ständig geliefert. Viele Eintragungen in den Kontentbüchern bezeugen, dass der Tee aus Kopenhagen über Lübeck kam. Dies bedeutet nämlich, dass der Tee, der von der dänischen Stadt über Lübeck nach Hamburg befördert wurde, ursprünglich aus Kanton, für die Dänen der Hauptbezugsort von chinesischem Tee, stammte.337 Die Lübecker Zollbücher bieten leider keine genauen Angaben über die Teeeinfuhr aus Kopenhagen nach Lübeck. Sie ist sicher in den Eintragungen „osten [= Ostindisches Gut]“ inbegriffen, das einen großen Teil der Einfuhr aus Kopenhagen einnimmt. Gleiches gilt auch für die Lieferung von Kattun. Er wurde seit 1783 in großem Maße gehandelt. Hier kann man auch die dänische Herkunft annehmen, weil in manchen Eintragungen der Kontentbücher die Lieferung aus „Lübeck und Kopenhagen“ verzeichnet ist. Diese baumwollenen Stoffe kamen aus Indien, vor allem aus den Gebieten an der Koromandelküste und Bengalen.338 Eine nicht geringe Menge an Kattun wurde aus „Lübeck und Lüneburg“ geliefert, was die Lieferung aus binnenländischen Gewerberegionen annehmen lässt. Nach den Einfuhrlisten vom ehemaligen Warenmakler Magnus Adolph Köncke in Hamburg spielten die oben genannten überseeischen Waren im Handel mit Lübeck seit den 1790er Jahren fast keine Rolle mehr. Nur Tee fand bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts weiter ständige Zufuhr und nahm eine gewisse Stellung in der hamburgischen Gesamteinfuhr ein, wenn sich auch zu dieser Zeit der direkte Import von Nordamerika und Kanton mehrte.339

337 Rasch: Dänemark-­Norddeutschland, S. 19. 338 Martin Krieger: Kaufleute, Seeräuber und Diplomaten. Der dänische Handel auf dem Indischen Ozean (1620 – 1868), Köln/Weimar/Wien 1998, S. 145 f. und 156 f. Vgl. auch Rasch: Dänemark-­Norddeutschland, S. 19. In den letzten drei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts bestand der größte Teil der Rückfrachten der dänischen Asiatisk Kompagni von Indien aus Textilien (diverse Arten der baumwollenen Stoffe) und machten mehr als 80 Prozent des gesamten Frachtaufkommens aus. Ole Feldbæk: India Trade under the Danish Flag, 1772 – 1808. European Enterprise and Anglo-­Indian Remittance and Trade, Odense 1969, S. 21 f. 339 Köncke: Specification. 1800 kamen 736 Kisten mit Tee aus Lübeck, 393 Kisten aus London, 801 Kisten aus Lissabon, 1395 1/2 Kisten aus New York und 1482 Kisten aus Philadelphia (gesamte Einfuhr 7960 Kisten). 1802 betrugen die Einfuhren wie folgt: 460 Kisten aus Lübeck, 18 Kisten aus London, 1126 Kisten aus Kanton, 590 Kisten aus Lissabon, 2945 Kisten aus New York, 2836 Kisten aus Philadelphia (gesamte Einfuhr 9370 Kisten).

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Im Verkehr aus dem Ostseeraum, vor allem bei der Lieferung der ost- und westindischen Waren wie Zucker, Kaffee, Tee, Tabak und Kattun (das heißt beim Reexport aus Kopenhagen), spielte auch Kiel eine Rolle. In den Admiralitätszollregistern sind die Einfuhren dieser Waren aus „Lübeck und Kiel“ oft eingetragen. Nach dem von einem anonymen Zeitgenossen erstellten „Verzeichnis der von Kopenhagen über Kiel nach Hamburg und Altona beförderten Transitgüter“ wurden im Jahre 1790 eine Menge Kattun, Tee, Tabak usw. nach Hamburg transportiert.340 Auch bezeugen Könckes Einfuhrlisten den Import dieser Produkte aus Kiel.341 Wenden wir uns dann der Ausfuhrstruktur zu. Bei dem seewärtigen Verkehr aus Hamburg setzte im Laufe der 1730er Jahre eine dynamische Änderung ein, seitdem in den SZR die von Hamburg abgefahrenen Schiffe zunahmen und einen deutlichen Abstand zu den nach Hamburg bestimmten Fahrten gewannen. Nun begann der Vertrieb von Kolonialwaren nach der Ostsee. Abbildung III-7 zeigt die Entwicklung. Die Ausfuhr nahm ständig zu und nach dem Gottorper Vergleich von 1768 machte sie einen großen Sprung und erreichte im Jahre 1772 ihren Höhepunkt. Der Exportboom ließ in der Folgezeit einigermaßen nach, trotzdem hielt sich die Ausfuhrmenge auf hohem Niveau. Um 1790 ergab sich eine zweite Hausse und dann fiel der Handel scharf ab. Der Seeweg durch den Öresund wurde im 18. Jahrhundert – trotz der Zollbelastung und der längeren Reisedauer – bei der Zuckerausfuhr zunehmend genutzt, während der Seeverkehr beim Einfuhrhandel erheblich schwankte. Ein Hintergrund dafür war das in Hamburg hochentwickelte verarbeitende Zuckergewerbe. Hamburg besaß konkurrenzfähige Zuckerraffinerien, in die der aus den westlichen Ländern eingeführte Rohzucker zur Bearbeitung geliefert werden musste.342 Erst danach wurde der raffinierte Zucker in den Ostseeraum exportiert. Ein Grund für die zunehmende Benutzung von Seetransporten, die dem Landweg gegenüber einen Umweg machten, lag in seiner Positionsänderung als Handels- und Konsumgut. Zucker galt im 18. Jahrhundert nicht mehr als Luxusartikel, sondern zunehmend als massenhaft gehandeltes und verbrauchtes Alltagsgut. Deshalb wurde der seewärtige Massentransport nützlicher.

340 Schleswig-­H olsteinische Provinzialberichte, Altona/Kiel 1791, S. 190 f. Ich verdanke diese Stelle dem Hinweis von Krieger: Kaufleute, S. 146. 341 Köncke: Specification. 342 Vgl. Kapitel II, S. 107 dieser Arbeit.

Hamburgs Ostseehandel in der Atlantikzeit 209 Abb. III-7: Ausfuhr von Kolonialwaren aus Hamburg nach dem Ostseeraum 1720–1800 (in Pfund). Abb. III-7: Ausfuhr von Kolonialwaren aus Hamburg nach dem Ostseeraum 1720 – 1800 (in Pfund). 5000000

Danzig Königsberg Stettin St. Petersburg Andere Gesamt

4500000 4000000 3500000 3000000 2500000 2000000 1500000 1000000

0

1720 1723 1726 1729 1732 1735 1738 1741 1744 1747 1750 1753 1756 1759 1762 1765 1768 1771 1774 1777 1780 1783 1786 1789 1792 1795 1798

500000

Quelle: SZR; SZR-online.

Der Hamburger Anteil in der westeuropäischen Kolonialwarenausfuhr nach dem Ostseeraum stellt sich wie folgt dar. Tabelle III-14: Anteil der Kolonialwarenausfuhr ab Hamburg am gesamten Ostseeverkehr 1721 – 1780 in Summe je Dekade Jahre 1721 – 1730 1731 – 1740 1741 – 1750 1751 – 1760 1761 – 1770 1771 – 1780

A (in 1000 Pfd) B (in 1000 Pfd) 73.515 3685 85.559 3755 102.958 7931 128.437 13.512 218.185 24.448 323.925 30.197

B/A (%) 5 4 8 11 11 9

A = Gesamtausfuhr von Westen; B = Ausfuhr von Hamburg Quelle: SZR.

Unter den Kolonialwaren war Zucker (und Sirup) mit Abstand der wichtigste Ausfuhrartikel. Daneben sind Reis,343 Farbhölzer, Tabak, Kaffee, Indigo, Ingwer und Pfeffer in viel kleineren Mengen zu nennen. 343 Der Reis kann sowohl amerikanischer als auch italienischer Herkunft sein.

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Sucht man nach einer Erklärung dieser Ausfuhrexpansion von Zucker aus Anbietersicht, dann bietet Büsch einen Hinweis. Er beschreibt: Die Hamburger Zuckersieder erlitten Rückschläge, als Österreich und Preußen in der Mitte des Jahrhunderts ihre Monopole durch erhöhte Einfuhrzölle bzw. durch Einfuhrverbote zu schützen versuchten. Obwohl der Schmuggel blüte, gingen wichtige Märkte verloren.344

Er meint hier die Ausfuhrschwierigkeiten durch die Einführung des Impostes im Jahre 1755. Man könne das anfängliche Ausmaß des Rückgangs im Binnenlandhandel nicht übertreiben, wie in der späteren Erwägung dieser Arbeit angenommen wird. An derselben Stelle wird aber auch gezeigt, dass diese österreichische und preußische Handelspolitik einen gewissen Druck auf die Ausfuhr nach Binnengebieten ausgeübt hatte. Daher ist es möglich zu behaupten, dass bei diesem Anlass das Augenmerk der Exporteure zum Ostseeraum gelenkt wurde. Dass die seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges erneute Beschränkung Preußens diesmal eindeutig einen negativen Ausschlag im Hamburger Binnenlandhandel erzeugt hatte, hatte den kräftigen Aufschwung der Seeausfuhr nach dem Ostseeraum zur Folge. Nach dem Gottorper Vergleich wurde ein großer Teil der Warenströme in den unbeschränkten Ostseeverkehr gelenkt. Die Anziehungskraft auf der Nachfrageseite ist in polnischen und russischen Absatzmärkten zu finden. Vor allem ist Russland als das bedeutendste Hinterland Hamburgs hervorzuheben. Neben Danzig entwickelte sich St. Petersburg zu einem Großabnehmer der Kolonialwaren und nach dem Niedergang von Danzig als Handelszentrum wurde es der einzige bedeutende Importeur der Kolonialwaren. Wie erwähnt nahm zu dieser Zeit die Einfuhr Russlands von westlichen Produkten im Allgemeinen zu. Für Hamburg galt dies besonders für den Zuckerhandel. Über das Wachstum russischer Kaufkraft schreibt Büsch: Für die hamburgischen Zukkersiedereien sind die Russischen Staaten ein vorzügliches Abzugsland. […] Sie werden es um so vielmehr fortdauernd werden, weil die Zahl der Verbraucher des Zukkers in denselben täglich steigt.345

344 Johann Georg Büsch: Ueber die Hamburgischen Zucker-­Fabriken und den vergeblichen Wetteifer der Nordischen Staaten mit denselben, auf Veranlassung der Fragmente des Herrn Ritters von Zimmermann über Friedrich den Grossen, Hamburg 1790, S. IV. 345 Büsch: Versuch, S. 146.

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In Bezug auf die Absatzkosten bot Russland günstige Voraussetzungen. Es gab dort keine Verbote, und die Schutzzölle blieben akzeptabel.346 Als diese Voraussetzungen in der Zeit der Französischen Revolution ausfielen, ging der Vertrieb schnell zugrunde. Die steigende Bedeutung des Zuckerabsatzes im Ostseeraum im Laufe des 18. Jahrhunderts ist auch aus der städtischen Zollpolitik abzulesen. 1767 reichte die Commerzdeputation beim Rat eine Supplik für die Befreiung vom Zuckerzoll ein und behauptete: „Die Erhaltung der Handlung, der Schiffahrt über die Ost-­See und insbesondere der hiesigen Zucker-­Fabriquen dürfte […] kein Aequivalent für die ofterwehnte Aufhebung der Zölle angesehen werden können.“347 1776 verlangte die Commerzdeputation vom Rat die Zollfreiheit für Zucker und Sirup, wobei geäußert wurde: „Es werden recht viele derselben [= Zucker und Sirup] gegenwärtig directe von hier nach der Ost-­See versandt.“348 Die Einführung der Zollbefreiung für aus Hamburg ausgeführten Zucker im Jahre 1786 begründete man so, dass die Zuckerzölle in Frankreich, England, den Niederlanden, Dänemark und anderswo aufgehoben wurden und damit der Zuckerexport von Hamburg, der das Rückgrat des Ostseehandels sei, zugrunde zu gehen drohte.349 Selbstverständlich muss man die Übertreibung dieser zeitgenössischen Aussagen berücksichtigen. Zugleich ist aber zu betonen, dass man solche Bewertungen bisher nicht gegeben hatte. Für den Hamburger Zuckerhandel galt der Ostseeraum als Absatzort ersten Ranges. Hier ist wichtig, dass es sich um den Zucker handelte, der ab Hamburg seewärtig direkt nach dem Ostseeraum ausgeführt wurde, ohne den Weg über die Landstraße und Lübeck zu nehmen. Warum musste der Zucker, der aus Kolonien via westeuropäische Länder (hauptsächlich über Frankreich) nach dem Ostseeraum vertrieben werden sollte, bei Hamburg 100 Kilometer elbaufwärts vorbeikommen und wieder seewärts ausgeführt werden, obwohl er doch schon auf dem angestrebten Kurs lag? Wie oben erwähnt sind zwei Faktoren dafür entscheidend: 1. ist das in Hamburg hochentwickelte Zuckerraffineriegewerbe zu erwähnen. Im 18. Jahrhundert war der Hamburger Zucker dank seiner guten Qualität und der billigen Produktionskosten konkurrenzfähig und deswegen wurde er aus Frankreich in roher Form in die städtischen Raffinerien gebracht. Erst nach der Verarbeitung wurde der Zucker reexportiert. Das heißt, dass der Zucker über die Stadt vermittelt werden musste, egal welchen Kurs er beim 346 Ludwig Becker: Die Geschichte des Hamburger Zuckerhandels (von seinen Anfängen bis zum Weltkrieg), Rostock 1933, S. 49. 347 Baasch: Quellen, S. 577. 348 Ebenda, S. 596. 349 Ernst Pitz: Zolltarife, Nr. 343 – 13.

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Reexport nahm. Daraus ersehen wir die Kombination des Zwischenhandels mit der Industrie. 2. ist zu berücksichtigen, dass Kolonialwaren wie Zucker im Laufe des 18. Jahrhunderts immer häufiger in solchen Mengen gehandelt wurden, dass sie als Massengüter betrachtet werden sollten. Für die Lieferung solcher schweren Massenwaren spielte der Wassertransport über die See eine große Rolle, zumal sie nach dem fernen russischen Markt vertrieben wurden. Zum Festlandexport fällt eine detailliertere Untersuchung aus Mangel an zureichenden Quellen äußerst schwer. Eine umfassende Darstellung lässt sich für das 18. Jahrhundert nicht erstellen. Große Ausfuhr von Wein findet sich im Wasserhandel mit Lübeck, das im Norden und im südlichen Ostseeraum Absatzmärkte besaß. Der große Teil der nach Lübeck durch den Stecknitzkanal beförderten Schiffsladungen bestand aus Wein und Branntwein, gefolgt von Zucker. Daneben sind Zuckerformen und -pötte (Gefäße für Zuckersiederei), Essig, Steinkohle und in den 1790er Jahren Rum zu nennen. Wie im Importhandel bedeutet diese einfache Warenstruktur, dass die auf der Wasserstraße transportierten Waren nur einen Teil des Gesamthandels mit Lübeck ausmachten. Die im Jahre 1715 erstellte Zollliste führt neben Zucker und Wein verschiedene Waren auf, die über die See nach Hamburg gebracht und weiter nach Lübeck reexportiert wurden, beispielsweise Indigo, Baumwolle, Farbholz, Salz, Früchte oder Oliven.350 Bleibt das Gesamtbild unklar, zeigen die Kaufmannsakten die Handelsverbindung zwischen Hamburg und dem Ostseeraum deutlich. Während das Fallstudium zu einzelnen Kaufmännern bzw. Firmen die Aufgabe zukünftiger Forschung sein wird, können hier als lohnende Beispiele Friedrich Justus,351 Johann Lorenz-­Meyer352 und Paridom Daniel Kern genannt werden.353 Bereits bei einem kurzen Überblick lässt sich aus Kaufmannsgeschäftsbüchern, Briefen und Kopiebüchern (Abschriftensammlung der ausgehenden Briefe) entnehmen, dass es sich bei der Ausfuhr vor allem um Kolonialwaren und Wein handelte. In einem Brief von der hamburgischen Firma Luis & Jencquel ist der Austausch (Konsignationshandel) von schwedischem Kupfer aus Stockholm mit Kolonialwaren (Zucker und Kaffee) über Lübeck verzeichnet.354 Beispielsweise verschickte Kern am 5. September 1788 2511 Pfund Domingo-­Kaffee über Lübeck nach St. Petersburg.355 350 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 12, Vol. 1b, Fol. 40r‒v. 351 StAH, Firmenarchiv, 54 Justus. 352 StAH, Familienarchiv, 65 Lorenz-­Meyer. 353 StAH, Firmenarchiv, 53 Kern. 354 StAH, Firmenarchiv, 138 Luis, Sign. 2, Bl. 8. 355 StAH, Firmenarchiv, 53 Kern, Nr. 3, S. 9.

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Die atlantische Wirtschaft führte den Ostseehandel Hamburgs in ein neues Stadium, das vor allem durch den schlagartigen Aufschwung der Kolonialwarenausfuhr gekennzeichnet war. Massenhandel, den man mithilfe der Tragfähigkeit der Seeschifffahrt betrieb, prägte das Zeitalter. Durch einzelne Betrachtungen von Austauschpattern, Schiffern und Verkehrsrouten hat sich die Frage geklärt, wie Hamburg den Handel funktionieren lassen konnte. Wichtig ist dabei auch, dass der Kontakt mit Lübeck immer noch einen bedeutenden Bestandteil darstellte. Insgesamt lässt sich feststellen, dass Hamburg ein Drehscheibenpunkt zwischen Atlantik und Ostsee war. Nun muss der Zusammenhang mit dem Mitteleuropahandel erörtert werden.

IV. Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr Das vorangehende Kapitel hat den Gang des Warenhandels zwischen Hamburg und dem Ostseeraum analysiert. Es zeigte sich, dass die Kontakte mit dem Ostseeraum im Untersuchungszeitraum lang erhalten blieben. Gleichzeitig konnten wir, trotz lückenhafter Quellen, zwei Aufschwungsphasen feststellen: zum einen im umfangreichen Landhandel mit Lübeck in der ersten Hälfte des 17. und zum anderen in der Seeausfuhr von Kolonialwaren im 18. Jahrhundert. Vereinzelt vorliegende Zahlenmaterialien sprechen für eine stabile Versorgung mit Ostseeprodukten über Lübeck. Wie der Handel in ungünstigen Situationen funktionieren konnte, erklärte sich mit dem Vorhandensein verschiedener Handelsrouten. Diesen Ergebnissen schließt sich in diesem Kapitel die Untersuchung des binnenländischen Mitteleuropahandels an. Hier wieder anzuführen ist die Feststellung von K. Newman, dass der Ostseeraum und die deutschen bzw. mitteleuropäischen Binnengebiete die zwei wichtigsten Hinterlandregionen ausmachten.1 Neben der Frage nach der langfristigen allgemeinen Handelsentwicklung steht die Frage danach, welche Handelsorte in welcher Zeit auf welcher Route und in welchem Ausmaß Handelsverbindungen mit Hamburg hatten, zu der die Quellen ausschnittsweise konkrete Antworten liefern. Die in diesem Zusammenhang in der Einleitung angeführten Fragestellungen sind: 1.  Inwieweit und für welche Zeit trifft die Bezeichnung „Hamburg als Leipziger Hafen“ zu? 2.  Welche Stellung besaß demgegenüber der Handel im Flusssystem, der Leipzig nicht berührte (die Route Hamburg – Magdeburg – Dresden – Prag und die Route Hamburg – Berlin – Breslau)? 3.  Wie und in welchem Ausmaß funktionierte das nahgelegene Verkehrszentrum Lüneburg? Diese drei Punkte werden mit Hinblick auf die langfristige Handelsentwicklung den Untersuchungszeitraum hindurch analysiert. Als zeitlicher Gliederungspunkt ist wie im Kapitel III der Beginn der „Atlantikzeit“ festgesetzt. Darüber hinaus muss man für den Binnenhandel die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges als entscheidende Umstrukturierungsfaktoren in Betracht ziehen, da große Teile der deutschen Territorien gründlich verwüstet wurden. 1 Newman: Hamburg, S. 69.

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Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr

1.  Geographische und infrastrukturelle Anbindung an die mitteleuropäischen Binnengebiete Wie in der Einleitung dieser Arbeit erwähnt, war und ist die geographische Lage Hamburgs für den Zwischenhandel auf dem Festland außergewöhnlich günstig. Dies liegt nicht nur an seinem Standort zur See, der es Seeschiffen ermöglichte, zwischen dem Hafen und der Nordsee zu verkehren, sondern auch an seinem Anschluss an das riesige Hinterland. Die weitgestreckten Handelswege und die dadurch ausgedehnten Verkehrsnetzwerke der großen, mittleren und kleinen Städte bildeten ein komplexes Handelsgefüge. Wie im Kapitel II erwähnt, war der Zugang zu weiträumigen Absatzgebieten einer der Hauptgründe, warum die Kaufleute die Elbstadt als Mittelpunkt ihrer kommerziellen Aktivität gewählt hatten. Umgekehrt bildete Hamburg einen Ausgang für Warenströme, die aus Gewerbe-, Agrar- und Bergwerkgebieten im Hinterland nach der See flossen. Trotz der günstigen Voraussetzungen gab es natürliche Einschränkungen, die dem Verkehr große Hemmnisse bereiteten. Wir gehen hier davon aus, dass sich die Beteiligten an Handelsgeschäften bemühten, sich an Handelsbedingungen wie Nachfrage, Wirtschaftspolitik, Krieg und natürliche Gegebenheiten anzupassen bzw. sie zu überwinden oder zu umgehen, um einen optimalen Gewinn zu ziehen. Im Folgenden werden die geographischen Gegebenheiten und die damit eng verbundenen Verkehrsrouten in Ostseeraum und Binnenland dargestellt, um die Grundlage für die Diskussion um den Land- und Flusshandel zu gewinnen.2 Unzählige Land- und Wasserstraßen kreuzten in Gebieten zwischen Hamburg und seinen Handelsbereichen im Binnenland. Die Elbe bot eine durchlaufende Handelslinie bis nach Böhmen und dazwischen teilten sich verschiedene Nebenflüsse ab. Von jedem Vermittlungsort gingen mehrere Verbindungen ab, Handelsstraßen über Land und Wasser, die an andere Vermittlungsorte anschlossen. Je nach Umständen und Waren zeigen sich aber Hauptlinien in diesem feingliedrigen Netz. Daher werden hier im Sinne unserer späteren Diskussionen nur relevante wichtigste Grundzüge des Verkehrs dargestellt.

2 Natürlichen Faktoren hatten große Auswirkungen und begrenzten damit lange die Beschaffenheit des Hinterlandverkehrs. Wenn sich aber z. B. technische Fortschritte ergeben hatten, konnte man sie entsprechend umstrukturieren. Zu betonen ist, dass die Struktur im Handelsverkehr immer durch menschengemachte Einrichtungen beeinflusst und verändert wurde.

Geographische und infrastrukturelle Anbindung

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1.1  Landwege Die Entwicklung der Handelsstraßen in Deutschland verlief langsam. Vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert blieben sie in schlechtem Zustand, obwohl gewisse Verbesserungen schon nach dem Dreißigjährigen Krieg eintraten. Politische Uneinigkeit erschwerte einen systematischen Aufbau des Straßenwesens über Grenzen hinweg und die Ansicht, gute Straßen begünstigten das Eindringen von fremden Truppen und Waren und seien daher unerwünscht, war in manchen Territorien noch im 18. Jahrhundert vorherrschend.3 Kunststraßen baute man hier erst im 18. Jahrhundert, während der Bau in Frankreich bereits im 17. Jahrhunderts einsetzte.4 Die erste „Chausée“ entstand 1720 in Hessen, es folgte Baden-­Durlach 1733.5 Dieser Fortschritt war hauptsächlich in südlichen Territorien erkennbar, Norddeutschland blieb dahinter zurück.6 Ungeachtet dieser trostlosen Zustände wurden Landstraßen von Fuhrleuten, Reisenden und Postkutschen immer befahren, weil im Wasserverkehr ebenfalls Schwierigkeiten bestanden, die im folgenden Unterkapitel untersucht werden. Die konkreten Auswirkungen für Handelsbetrieb und -praxis werden im Kapitel V dargestellt. Bedingt durch die zahlreichen Elbinseln, die aus Ablagerung von Sand, Kies und Sediment bestanden und damit die Überquerung erschwerten, besaß Hamburg für die erste Strecke nach Süden keine großen Auswahlmöglichkeiten an Handelswegen. Die fast einzige bedeutende Vermittlungsstation war Lüneburg, die man ab Hamburg entweder zu Lande über Bergedorf und über die Elbfähre

3 Otto Most: Land- und Wasserstraßen in der deutschen Staatengeschichte, in: Zeitschrift für Verkehrswissenschaft 21 (1950/51), S. 1 – 33, hier S. 20. Daneben nennt Friedrich-­ Wilhelm Henning als Gegner des Aufbaus von Kunststraßen die Folgenden: die Bauern, die durch Hand- und Spanndienste die Straßen unterhalten mussten, weil eine Konzentration des Verkehrs auf den festen Straßen und damit eine Vermehrung der Vorspanndienste für die an dieser Straße liegenden Dörfer notwendigerweise ihre Lasten erhöht hätte; die Handwerker, die von der Fahrzeug- und Pferdeausrüstung lebten; ferner das Übernachtungsgewerbe, das einen Rückgang ihrer Aufträge befürchtete. Friedrich-­ Wilhelm Henning: Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914, Paderborn 1973, S. 80 f. 4 Bruns/Weczerka: Handelsstraßen, Textband, S. 50. 5 Werner Sombart: Der moderne Kapitalismus. Historisch-­systematische Darstellung des gesamteuropäischen Wirtschaftslebens von seinen Anfängen bis zur Gegenwart, Bd. 2, München/Leipzig 1919, S. 250. 6 Karl Biedermann: Deutschlands politische, materielle und sociale Zustände im achtzehnten Jahrhundert, Leipzig 1854, S. 326.

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Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr

bei Esslingen (heute Zollenspieker)7 oder zu Wasser durch die Verbindung der Elbe mit der Ilmenau erreichte. Von Lüneburg aus verzweigten sich aber verschiedene Straßenverbindungen.8 Eine der wichtigen Teilstrecken war der Weg nach Magdeburg. Die Benutzung dieser Straße im 15. Jahrhundert kann dadurch festgestellt werden, dass 1455 Herzog Friedrich von Lüneburg „up der straten na Magdeborch“ Magdeburger Gut beschlagnahmen ließ.9 Diese althergebrachte Straße von Lüneburg nach Magdeburg ging über Salzwedel und Gardelegen, eine andere über Uelzen und Bodenteich und durch die Altmark.10 Von Magdeburg ausgehend erreichte man die Messestadt Leipzig.11 Auch der Anschluss zu südlicheren Gebieten, vor allem nach Nürnberg war seit der Hansezeit üblich.12 Über Magdeburg oder Leipzig konnte man den sehr langen Weg nach Breslau in Schlesien nehmen.13 Von Hamburg über Lüneburg führte eine weitere Landstraße über Gifhorn nach Braunschweig, wo sie sich in drei Strecken teilte nach Leipzig, Nürnberg 7 Vgl. Walter Gröll: Elbüberquerungen bei Zollenspieker und Hoopte, Winsen/Weimar 1997. 8 Für einen Überblick über die Straßenverbindungen Lüneburgs im Netz des Fernhandels siehe Harald Witthöft: Das Kaufhaus in Lüneburg als Zentrum von Handel und Faktorei, Landfracht, Schiffahrt und Warenumschlag bis zum Jahre 1637, Lüneburg 1962, S. 6 – 8. Ausführlicher dargestellt von Bruno Ploetz: Überlandfernverkehr im Gebiet des Fürstentums Lüneburg (Geschichtliche Entwicklung und Bedeutung), in: Lüneburger Blätter 11/12 (1961), S. 67 – 147. 9 Bruns/Weczerka: Handelsstraßen, Textband, S. 230. 10 Bruns/Weczerka: Handelsstraßen, Textband, S. 231 – 238. 11 Bruns/Weczerka: Handelsstraßen, Textband, S. 521 – 524. Nach Leipzig konnte man nicht nur zu Land über Lüneburg, sondern auch über den Wasserweg bis nach Magdeburg und dann, nach dem Umladen, zu Land gelangen. Zu den Verkehrsrouten von Hamburg nach Leipzig siehe Heller: Handelswege, S. 37; Alfred Wieske: Der Elbhandel und die Elbhandelspolitik bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Halberstadt 1927, S. 52; Karl Heinrich Kaufhold: Hauptrichtungen und wichtige Wege des binnenländischen Fernverkehrs in Niedersachsen in der frühen Neuzeit, in: Uwe Bestmann/Franz Irsigler/Jürgen Schneider (Hg.): Hochfinanz, Wirtschaftsräume, Innovationen, Bd. 2, Trier 1987, S. 719 – 739, hier S. 720 – 723; Jörg Ludwig: Amerikanische Kolonialwaren in Sachsen 1700 – 1850, Leipzig 1998, S. 17; Harald Witthöft: Lüneburg – Leipzig und zurück. Faktorei und Spedition, Niederlage und Stapel – Frachtverkehr im Einzugsbereich einer Messestadt (15. bis 19. Jahrhundert), in: Harmut Zwahr/Thomas Topfstedt/ Günter Bentele (Hg.): Leipzigs Messen 1497 – 1997. Gestaltwandel – Umbrüche – Neubeginn, Teil 1 (1497 – 1914), Köln/Weimar/Wien 1999, S. 205 – 221, hier S. 207 f. 12 Dollinger: Hanse, S. 293. 13 Bruns/Weczerka: Handelsstraßen, Textband, S. 540 – 550, 555 – 557. Die später in der vorliegenden Arbeit ausgewerteten Esslinger Landzollregister aus dem 18. Jahrhundert verzeichnen die Wagen, die von Hamburg aus solche Reisen unternahmen.

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und Frankfurt/Main.14 Die letzteren zwei Strecken wurden über Erfurt vermittelt. Man konnte diese Zwischenstation auch über Hannover erreichen.15

1.2  Die Elbe und ihre Nebenflüsse Vor der Verbreitung der Eisenbahn spielte die Flussschifffahrt für den Massentransport eine herausragende Rolle. Flüsse waren nicht nur für die Wasserversorgung wichtig, sondern boten natürliche Transportmittel. Nach F.-W. Henning war die Binnenschifffahrt für die wirtschaftliche Entwicklung in vorindustrieller Zeit eine notwendige Voraussetzung, um ein hauptsächlich landwirtschaftlich orientiertes und dünn besiedeltes Gebiet mit starken Gewerbezweigen zu durchsetzen, d. h. um die Wirtschaftsstruktur zu verbessern. Erst die Binnenschifffahrt schuf die Voraussetzungen, um die benötigten Nahrungsmittel und Rohstoffe kostengünstig heranzuschaffen und um die Fertigprodukte (als Exportgüter) zu den Absatzplätzen oder zu den Überseehäfen zu bringen.16

Es ist kein Zufall, dass viele große Handelsstädte an großen Flüssen liegen. Die Elbe bildet mit einer Gesamtlänge von 1165 Kilometer eine zwischen der Nordsee und dem Riesengebirge in Schlesien verlaufende Verkehrsader, auf der sich große Warenströme auf- und abwärts bewegten. An der Elbe und deren Nebenflüssen entstanden mehrere Städte, die sich am Transit-, Speditions- und Lagergeschäft beteiligten. Dieser sich weit erstreckende Strom ermöglichte Hamburg, seine Handelskontakte bis tief in die mittel- und osteuropäischen Produktions- und Konsumgebiete auszudehnen. Der Zeitgenosse im 18. Jahrhundert würdigte die kommerzielle Funktion der Elbe für die Handelsentwicklung Hamburgs: „Vermittelst der Elbe hat Hamburg eine weit ausgebreitete Handlung nicht nur in Deutschland, sondern auch mit fast allen übrigen europäischen Staaten“.17 Die Elbe entspringt im Riesengebirge in Schlesien und läuft dann durch böhmisches Gebiet. In Mělník vereinigt sie sich mit der Moldau und fließt an Pirna und dann an Dresden vorbei. Bei Magdeburg erreicht der Strom den zunächst westlichsten Punkt.18 Von dort kommend schlägt der Strom einen 14 Kaufhold: Hauptrichtungen, S. 723. 15 Kaufhold: Hauptrichtungen, S. 724 f. 16 Friedrich-­Wilhelm Henning: Das vorindustrielle Deutschland 800 bis 1800, 4. Aufl., Paderborn 1985, S. 274. 17 Bohn: Kaufmann, 1. Abt., S. 1. 18 Da der Strom dort dem Verkehrsgebiet des Rheins am nächsten kommt, benutzte man den Ort schon früh im Mittelalter als Übergangspunkt im Ost-­West-­Verkehr. Das Ka-

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großen Bogen und am Zusammenfluss mit der Havel geht er nochmals in westlicher Richtung bis nach Hamburg. Trotz der geographisch vorzüglichen Lage unter den kontinentaleuropäischen Handelslinien legte der Strom den Fahrenden jedoch mehrere natürliche Hindernisse in den Weg, die vom Mittelalter bis zur Neuzeit im Wesentlichen nicht beseitigt wurden.19 Der Zeitgenosse Johann Hermann Dielhelm legte ausführlich dar, wie die Fahrt auf der Elbe sogar um die Mitte des 18. Jahrhunderts mühsam und gefährlich war.20 Der schnell und geschlängelt laufende Wasserstrom war durchzogen von Passagen mit Geröll, Hölzern und Sandbänken, die die Beweglichkeit der Schifffahrt behinderten. Vor allem machten sie die Fahrt abwärts der Elbe gefährlich. Nachtfahrt war unmöglich, weil man nicht durch die Wasserfläche hindurch auf dem Flussbett liegende Dinge sehen konnte.21 Trotz der Bemühungen, die Hemmnisse auf dem Flussbett zu beseitigen,22 blieb das Problem von Dauer. In dem Protokoll der Magdeburger Kaufmannsbrüderschaft und Schifferbrüderschaft aus dem Jahr 1790 wurde beschlossen, dass man wegen der Schiffsunglücke auf der Strecke zwischen Tangermünde und Arneburg Maßnahmen treffen müsse, um die Baumstämme abzuräumen.23 In ähnlicher Weise störte der Wind die Schifffahrt auch zur Tageszeit, wenn er das Wasser wellte und dadurch den Hauptwasserlauf sowie gefährliche Stellen unkenntlich machte.24 Bei allzu starkem Wind musste die Fahrt aus diesem pitular Karls des Großen von 805 erwähnt Magdeburg als einen der neun Grenzhandelsplätze. Wieske: Elbhandel, S. 14. 19 Martin Kriele: Die Regulierung der Elbschiffahrt 1819 – 1821, Straßburg 1894, S. 2 f. 20 Johann Hermann Dielhelm: Denkwürdiger und nützlicher Antiquarius des Elbstroms, Frankfurt/Main 1741. 21 Dielhelm: Antiquarius, S. 59: „Wegen der vielen in solchem Strom befindlichen Steine, Hölzer und Sandbänke, darf man bey der Nacht, wenn es auch gleich hell Wetter oder bey vollem Mondschein ist, dennoch, mit einem beladenen Schif den Strom hinunter zufahren, nicht wohl wagen. Daher die Schifleute, sobald die Sonne unterzugehen beginnt, auf das Nachtquartier ihr Absehen richten“. 22 Beispielsweise versprach 1727 die preußische Regierung wegen der wiederholten Beschwerde der Schiffer und Kaufleute zu Magdeburg die Beseitigung der Baumstämme. Erich Mai: Die Magdeburger Elbschiffahrt im 18. Jahrhundert, in: Magdeburgs Wirtschaftsleben in der Vergangenheit, hg. von der Industrie- und Handelskammer zu Magdeburg, Bd. 1, Magdeburg 1925, S. 667. 23 Hans Leonhard: Die Kaufleutebrüderschaft zu Magdeburg. Von der Zerstörung Magdeburgs bis zur Auflösung der Brüderschaft während der westfälischen Zeit, Magdeburg 1927, S. 177 f. 24 Dielhelm: Antiquarius, S. 60: „Ferner ist auch am hellen Tage, bey etwas starkem Winde, mit den beladenen Schiffen der Strom abwärts gefährlich zubefahren. Weil

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Grund abgesagt werden.25 Die Schiffe mussten inzwischen am gleichen Ort anhalten, was über eine Woche und länger dauern konnte.26 Große Bemühungen waren notwendig, wenn ein Schiff auf einer Sandbank gestrandet war. Die Schiffsmannschaft musste das Schiff drehen oder den Sand wegschaffen, bis das Schiff wieder flott war. Im schlimmsten Fall musste man es sogar ausladen, was nicht selten passierte.27 Der Fluss führte mitunter Hochwasser und bereitete den Schiffern damit schwere Hemmnisse und Gefahren. Wenn er auch nicht so katastrophal überflutete, hinderte gestiegener Wasserstand vor allem die Fahrt nach dem Oberlauf, weil das Schiffsziehen auf dem Leinpfad an überschwemmten Ufern schwierig oder gar nicht möglich war und die Stangen, womit man das Schiff an Bord steuerte und vorwärts brachte, nicht das Flussbett erreichten.28

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man zu solcher Zeit das Wasser an die unterm Wasser liegende Hölzer und Steine nicht kan schlagen oder darüber hinlauffen sehen. Denn bey ordentlichem Strom und stillem Wetter sieht man solches gar eigentlich über dergleichen gefährliche Steine und Hölzer hinrollen“. Dielhelm: Antiquarius, S. 65: „Bey allzu starken Wind, besonders gegen den Strom oder seitwärts, und wenn zumal Hölzer und Steine im Wege liegen, darf man sich nicht trauen mit dem Schif fortzufahren, sondern man muß vielmehr bis zu stillem Wetter liegen bleiben“. Dielhelm: Antiquarius, S. 60 f.: „Daher die Schifleute, wenn sie nicht frey Wasser haben (das freye Wasser aber ist zuverstehen, wo keine Steine und Hölzer im Strom liegen,) bey windigen, obschon sonst gutem Wetter, stille zuliegen verbunden sind; Und vielmalen geschiehet es, daß sie bey solchem windigen Wetter wohl acht Tage und länger sich an einem Orte aufhalten, und nicht von der Stelle kommen“. Dielhelm: Antiquarius, S. 64 f.: „Würgen wird auf der Elbfahrt das Abbringen eines auf einer Sandbank festsitzenden Schiffes genannt, wenn nämlich das Schifsvolk selbiges so lange drehen und in Bewegung zu bringen suchen muß, bis es wieder flott oder schwimmend wird. Zuweilen muß auch gar der Sand, der ein solches Schif anhält, unter demselben weggegraben, und ihm dadurch wieder ein Weg in das volle Wasser gemacht werden. Wenn auch dieses nicht helffen will, und bey niedrigem Wasser nicht wohl über die Sandbänke hinweg zu kommen ist; So muß das Erleichtern und Ausladen des Schiffes vor die Hand genommen werden, welches in mancher hamburger Reise wohl zwölf und mehr malen geschiehet: wozu man dann die bey jedem Schiffe befindlichen Kähne, oder die mitgenommenen, und auch wohl underwegs gemietheten leichte und ledige Gefässe brauchet. Mit diesen bringet man die ausgeladenen Güter so lange ans Land, bis man das Schif selber über die Sandbank gebracht hat; Da man sie dann wieder einnimmt, bald aber an einem andern Orte wieder ausladen muß.“ Dielhelm: Antiquarius, S. 63: „Bey hohem Wasser, wenn die Ufer überschwemmt und mit der Zugleine nicht fortzukommen ist, auch mit den Staacken [= Stangen] zum fortschieben der Grund nicht zu erreichen ist; So nimmt man die zwey bey jedem Schif befindlichen Anker, bringt solche wechselsweise, jedesmal einen nach dem andern eine

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Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr

In der Winterzeit wurde das Wasserwegenetz der Elbe wegen des Eises unzugänglich. Zwar fror die Elbe nicht länger als die Ostsee zu und hatte davon einen Vorteil gegenüber dem Sundverkehr,29 doch war sie nicht eisfrei. In der Zeit zwischen Dezember und März lag die Schifffahrt fast still.30 Auch künstliche Objekte erschwerten die Elbschifffahrt vor allem bei Städten. Die Durchfahrt durch Brücken mit engstehenden Pfeilern forderte viel Mühe und Vorsicht. Bei Magdeburg dauerte es oft einen ganzen Tag und bedurfte des Einsatzes von hundert und mehr Zugknechten, um Schiffe hindurchzuziehen.31 Dazu verengten und versperrten zahlreiche Schiffsmühlen die Fahrrinne.32 Auf diese Weise bereitete die Elbe für den Warentransport immer Schwierigkeiten. „In Summa, man kan alle die mühsame Arbeit und die grossen Gefährlichkeiten, welche den schwer beladenen Schiffen auf der Elbfahrt, eben so, wie auf dem Rhein aufstossen, nicht genug beschrieben [sic].“33 Gleichwohl aber ist die Tatsache nicht zu leugnen, dass man die Transportfähigkeit der Elbe von alters her genutzt hatte.34 Neben der Hauptstrecke bis nach Böhmen, die an wichtigen Handelszentren wie Magdeburg und Dresden vorbeiführte, ermöglichten verschiedene Nebenflüsse die Kontaktaufnahme mit weitgestreckten Binnengebieten. Mit Lüneburg ist Hamburg neben dem Landweg durch die Ilmenau verbunden, die aus der Lüneburger Heide kommend an Uelzen, Lüneburg sowie Bardowick vorbeifließt und bei Hoopte in die Elbe mündet. Die Jeetze, die bei Hitzacker in die Elbe fließt, verknüpft den Verkehr mit den altmärkischen Städten Dannenberg, Lüchow und Salzwedel. Die Wasserverbindungen mit der Kurmark vermittelt die Havel, die aus dem Woblitzsee in Mecklenburg entspringt und Berlin und Brandenburg durchfließt. Sie verbindet mehrere kleinen Seen und bietet damit günstige Verkehrsmöglichkeiten in diesen Gegenden. Durch Berlin fließt die Spree, die mit der Kanalfertigstellung 1668 einen

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gute Ecke vom Schiffe in den Grund, u. windet hernach das an solchen Ankertauen befestigte Schif mühsamer weise den Strom aufwärts“. Newman: Hamburg, S. 72. Vor allem im Januar und Februar fand oft keine Schifffahrt auf der Elbe statt, wie es die später ausgewerteten Elbzollregister zeigen. Mai: Magdeburger Elbschiffahrt, S. 653 – 804, hier S. 666. Ebenda, S. 674. Dielhelm: Antiquarius, S. 66. Siehe unten.

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direkten Anschluss an die Oder, das heißt eine unmittelbare Flussverbindung mit Schlesien erhielt.35

2.  Hamburgs Mitteleuropahandel vor der Atlantikzeit Im Folgenden betrachten wir die langfristige Entwicklung des Hamburger Land- und Flusshandels mit mitteleuropäischen Binnengebieten. Zwar liegt der zeitliche Schwerpunkt der Forschung zwischen dem 17. und dem Beginn des 19. Jahrhunderts, aber es ist doch der Aufmerksamkeit wert, zunächst die Zustände der vorangehenden Zeiten als Vorbehandlung darzustellen, damit man die wirtschaftlichen und handelspolitischen Voraussetzungen, die die späteren Fortgänge prägten, begreifen kann.

2.1  Historische Grundlagen seit dem Mittelalter Für die Zeit vor dem 17. Jahrhundert sind in Hamburg keine Quellen mit quantitativen Angaben vorhanden, die den gesamten Hinterlandverkehr unmittelbar erfassen. Daher werden verschiedene Quellengruppen – Akten mit Bezug zur Handels- und Zollpolitik, Kaufmannsbücher, Frachtbescheinigungen usw. – je nach Überlieferung und Inhalt vergleichend benutzt. Wenden wir uns zunächst den Akten bezüglich der Handels- und Zollpolitik zu, die unseren Blick auf die früheste Zeit schriftlicher Aussagen zurückgehen lässt. Die ältesten konkreten Belege stammen aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. In fast die gleiche Zeit, in der Verkehr mit Lübeck belegt wird, fällt eine Auskunft über den Binnenlandverkehr. Aus der Festsetzung des Zolltarifs im Jahre 1236, in der sich Graf Adolf von Holstein mit den Kaufleuten aus der Mark über den Zoll in Hamburg, den sie bei der Durchfuhr nach Flandern entrichteten, verglich, ist zu entnehmen, dass diese märkischen Kaufleute ihre Waren über Hamburg seewärts nach Flandern und die in Hamburg eingekauften Waren in die Mark transportierten.36 Die Beziehungen zu Lüneburg 35 Zur Entwicklung des kurmärkischen Wasserverkehrssystems siehe Hans-­Joachim Uhlemann: Berlin und die Märkischen Wasserstraßen, Hamburg 1994; Hans-­Joachim Uhlemann: Die Verbindung zwischen Spree und Oder, in: Martin Eckoldt (Hg.): Flüsse und Kanäle. Die Geschichte der deutschen Wasserstraßen, Hamburg 1998, S. 446 – 450. 36 Johann Martin Lappenberg/Anton Hagedorn (Hg.): Hamburgisches Urkundenbuch, Bd. 1, Hamburg 1842, Nr. 503; Höhlbaum: Hansisches Urkundenbuch, Bd. 1, Nr. 277; PITZ: Zolltarife, Nr. 4. Von diesem Zolltarif betroffene Waren waren: Roggen,

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findet man in der Zollordnung des Herzogs von Braunschweig im Jahre 1239 bestätigt.37 Die Verbindung Hamburgs zu Braunschweig ist in der Urkunde aus dem Jahre 1241 erwähnt, bei der es sich um die gütliche Beilegung eines Streits zwischen den beiden Städten über die in Hamburg angehaltenen Güter handelt.38 Im Jahre 1254 trat Magdeburg zusammen mit Braunschweig als hamburgischer Handelspartner auf, als die Grafen Johann und Gerhard von Holstein, Wagrien und Stormarn den Kaufleuten beider und umliegender Städte einen Vorzugstarif an ihrem Ungelde und Zoll zu Hamburg gewährten.39 Die Hamburger Zollrolle von 1262/63 bewilligte den Kaufleuten aus der Mark Meißen, aus dem Bistum Magdeburg und aus den Herzogtümern Braunschweig und Lüneburg die gleiche Vergünstigung wie den märkischen Kaufleuten, die schon, wie oben erwähnt, etwa 30 Jahre zuvor begünstigt worden waren.40 Da die meisten genannten Handelsorte und Regionen im Entwässerungsgebiet der Elbe liegen, handelt es sich hier vorwiegend um die Elbschifffahrt, die auch schon in der schriftlich belegbaren Frühphase des Binnenlandhandels vor dem 13. Jahrhundert von Bedeutung war.41 Im 13. Jahrhundert waren nach G. A. Kiesselbach Braunschweig, Salzwedel und Magdeburg die wichtigsten Handelspartner Hamburgs.42 Das hamburgische Schuldbuch, das für den Zeitraum 1288 – 1349 vorliegt und mit dem man sich über die Abwicklung getätigter Handelsgeschäfte der hamburgischen sowie auswärtigen Kaufleute informieren kann, erlaubt eine etwas systematischere Aussage zum Hinterlandverkehr.43 Die von dem ­Bearbeiter

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Weizen, Hering, Kupfer, Leinen, Pech, Asche, Waid, Herings- und Schweineschmalz, Blei und Zinn. Zum Handel zwischen Hamburg und der Mark Brandenburg zu dieser Zeit siehe Richard Boschan: Der Handel Hamburgs mit der Mark Brandenburg bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts, Berlin (Diss.) 1907. Lappenberg/Hagedorn: Hamburgisches Urkundenbuch, Bd. 1, Nr. 517; Höhlbaum: Hansisches Urkundenbuch, Bd. 1, Nr. 293. Höhlbaum: Hansisches Urkundenbuch, Bd. 1, Nr. 315. Pitz: Zolltarife, Nr. 10. Höhlbaum: Hansisches Urkundenbuch, Bd. 1, Nr. 277 und 573. Die Flussschifffahrt auf der Elbe muss schon vor dem 13. Jahrhundert betrieben worden sein. Zumindest bei der Beförderung von Massengütern wie Holz und Getreide wurde die Wasserstraße dem Landweg vorgezogen. Gerhard Theuerkauf: Hamburg und der Elbhandel im Mittelalter, in: Jürgen Ellermeyer/Rainer Postel (Hg.): Stadt und Hafen. Hamburger Beiträge zur Geschichte von Handel und Schiffahrt, Hamburg 1986, S. 33 – 43, hier S. 38 f. Kiesselbach: Handelsstellung Hamburgs, S. 105 f. Erich von Lehe (Bearb.): Das hamburgische Schuldbuch von 1288 mit vier Schrifttafeln und einer Karte, Hamburg 1956. Siehe auch Erich von Lehe: Hamburgische Quellen

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dieser Quelle, E. von Lehe, beigefügte Karte macht den binnenländischen Handelsbereich Hamburgs ersichtlich. Demzufolge waren Berlin, Havelberg, Lüneburg und Lübeck die Schwerpunkte im Land- und Flussverkehr um 1300.44 Für das 14. Jahrhundert bieten Pfundzollbücher wichtige Auskünfte. Diese behandeln zwar nur den Seeverkehr, aber die Herkunft der im Seehandel beteiligten Kaufleute zeigt die Verbindung Hamburgs mit dem Hinterland. Das Pfundzollbuch von 136945 nennt neben Hamburgern überwiegend Kaufleute aus Lübeck, dann aus Braunschweig, Lüneburg, Salzwedel, Uelzen und Magdeburg.46 Aufgrund des Pfundzollbuches von 1369 hat W. Jochmann festgestellt, dass die Ausfuhr der hauptsächlich aus den Binnengebieten kommenden Waren wie Getreide, Holz und Leinen neben dem städtischen Exportprodukt Bier eine bedeutende Stellung einnahm, während der Umfang der aus Lübeck eingeführten Transitgüter bescheiden ausfiel.47 Jochmann und Lehe haben damit die Frage gestellt, ob man die vielgebrauchte Bezeichnung für Hamburg als „Nordseehafen Lübecks“ das tatsächliche Bild zu jener Zeit wiedergibt. Lehe behauptet, dass der Hamburger Handel mit Lübeck viel geringer ausgefallen sei als mit dem Binnenland.48 Den geringeren Anteil der binnenländischen Gebiete im Pfundzollbuch von 1399/140049 begründet er mit der Aussage, dass der Seehandel durch die Vitalienbrüder gestört worden sei, was zur Zurückhaltung der Binnenlandhändler hinsichtlich der Teilnahme am Seehandel geführt habe. Des Weiteren erwähnt er die Möglichkeit, dass die Waren der Binnenlandhändler in die Hände von Hamburgern und Lübeckern gegangen

für den Elbhandel der Hansezeit und ihre Auswertung, in: HGbll 76 (1958), S. 131 – 142, hier S. 132 f. 44 Beim Verkehr nach Bremen, Groningen und Utrecht ist nicht sicher, ob man den Seeoder den Landweg benutzt hat. 45 Hans Nirrnheim (Bearb.): Das Hamburgische Pfundzollbuch von 1369, Hamburg 1910. 46 Vgl. Lehe: Hamburgische Quellen, S. 134. 47 Werner Jochmann: Der Hamburger Handel im 13. und 14. Jahrhundert, Hamburg (Diss.) 1948, S. 71 – 89. Getreide und Holz kamen hauptsächlich von der Mark. Wichtige Lieferanten von Leinen waren die altmärkischen Städte Salzwedel und Stendal, daneben sind die märkischen Städte sowie Braunschweig, Hildesheim, Göttingen, Hannover, Uelzen und Lüneburg zu nennen. 48 Lehe: Hamburgische Quellen, S. 135 f. Er stellt fest: „Hamburg war zur Hansezeit in stärkerem Maße ein Umschlagplatz des ausgedehnten Elbhandels als ein Ausfuhr- oder Einfuhrhafen Lübecks.“ 49 Hans Nirrnheim (Bearb.): Das hamburgische Pfund- und Werkzollbuch von 1399 und 1400, Hamburg 1930.

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seien und daher die Handelskontakte mit dem Binnenland in den Quellen nicht erschienen.50 Wenn auch Lehe die Stellung von Lübeck im Hamburger Transitverkehr eindeutig zu gering eingeschätzt zu haben scheint, zeigt das Handlungsbuch von einem hamburgischen Tuchhändler Vico von Geldersen aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts (1367 – 1392),51 dass flandrische Tuche vorwiegend an die binnenländischen Händler abgesetzt wurden. Die Abnehmer waren von den Städten in den Stromgebieten der Elbe: Stade (Unterelbe), Lüneburg, Uelzen, Lauenburg, Boitzenburg, Hitzacker, Lüchow, Dannenberg, Salzwedel, Dömitz und Braunschweig, das über Magdeburg erreicht wurde. Das Handlungsbuch nennt auch den Tuchvertrieb in den Ostseeraum, wobei Kiel ihr wichtigster Absatzmarkt war. Zwar wurde eine Menge über Oldesloe nach Lübeck ausgeführt, der Anteil war aber geringfügig. Das Vorherrschen des Binnenhandels lag aber nicht etwa in der wirtschaftlichen Bedeutung der Handelsstädte begründet, sondern in persönlichen Geschäftsschwerpunkten. Vico von Geldersen war lüneburgischer Herkunft und hatte daher enge Handelskontakte mit den Binnengebieten, besonders mit Lüneburg. Im Binnenlandverkehr gab es im 15. Jahrhundert eine neue Bewegung: der Versuch der Einrichtung des Verkehrszwanges. Für den schon lange bedeutenden Getreidehandel begann Hamburg seinen Stapel zu verlangen. Um 1450 war in Hamburg der Stapelzwang für Getreide faktisch etabliert.52 Im Hamburger Rezess von 1458 wurde zum ersten Mal der Getreidestapel erwähnt (Artikel 30).53 Demnach musste Getreide aus binnenländischen Gebieten, das über die Elbe seewärts ging, ausschließlich nach Hamburg gebracht werden.54 Das binnenländische Getreide, das über die Elbe nach Holland gehen sollte, wurde unter Hamburger Kontrolle gebracht.55 Ferner verstärkte sich die Verkehrskontrolle über binnenländische Gebiete durch Hamburg mit der Verpfändung des Schauenburger Zolls aus den Händen holsteinischer Grafen. 1460 50 Lehe: Hamburgische Quellen, S. 134 f. 51 Nirrnheim (Bearb.): Handlungsbuch. 52 Wiskemann: Welthandelspolitik, S. 35. Siehe auch für eine Definition des Stapel- und Niederlagerechts Gönnenwein: Stapel- und Niederlagsrecht. 53 Wilhelm Naudé: Deutsche städtische Getreidehandelspolitik vom 15.‒17. Jahrhundert, mit besonderer Berücksichtigung Stettins und Hamburgs, Leipzig 1889, S. 39. 54 Die für 1460 – 1500 vollständig erhaltenen Kämmereirechnungen Hamburgs verzeichnen ab 1461 fast regelmäßig Ausgaben für Kontrollfahrten auf der Elbe, um die Vorbeifahrt mit Korn zu verhüten. Pitz: Zolltarife, Nr. 66. Vgl. auch Karl Koppmann: Kämmereirechnungen der Stadt Hamburg, 10 Bde., Hamburg 1869 – 1951. 55 Pitz: Zolltarife, Nr. 63 und 65.

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übernahm es die zur Pinneberger Linie gehörige Hälfte des Zolls und 1479 die dänische Hälfte. Hamburg versicherte damit seine Forderung, dass Getreide seinen Hafen berühren musste.56 Das 16. Jahrhundert gilt als die Zeit der Entstehung und des Aufschwungs frühneuzeitlichen Handels in Europa. Die Erschließung der neuen Wirtschaftsgebiete außerhalb Europas (Asien und Amerika) stimulierte die Handelstätigkeiten in Portugal, Spanien, den Niederlanden, ferner in deutschen Städten wie Augsburg und Nürnberg, ebenso in Hamburg. Der hamburgische Handel mit Nürnberg, eine „Weltstadt“ des 16. Jahrhunderts,57 war durch den Tuchhandel eng geknüpft, wofür die Gewichtsverschiebung des englischen Tuchhandels auf dem Kontinent von Antwerpen nach Hamburg durch die Verlagerung des Stützpunktes von den Merchant Adventurers im Jahre 1569 einen entscheiden Moment darstellte.58 Seit dem Verfall Antwerpens als Handelsmetropole formte der englische Tuchhandel die wichtige Handelsachse London – Hamburg – Nürnberg aus, die weiter nach Böhmen, Österreich, Ungarn und Italien führte. Neben Tuch wurden Fische, Gewürze, Zucker und Farbwaren aus Hamburg nach Nürnberg geliefert.59 Von Nürnberg kamen Waffen, Messer, Kramwaren, Rollmessing, Pferde, Papier, Breslauer Röte, Leinen- und Seidenwaren.60 Neben Nürnberg sind verschiedene Handelszentren in Deutschland als Absatzort der durch Hamburg vermittelten englischen Tuche zu nennen. Beispielsweise im Jahre 1581, nachdem Antwerpen durch spanische Angriffe in Schwierigkeit geraten war, verließ der im Kapitel III genannte Hamburger Kaufmann Hesterbarch, der in Antwerpen englische Tuche aus London eingeführt und mit Heinrick Lampe in Hamburg und Hinrick Pape in Lübeck eine Handelsgesellschaft gegründet hatte, seinen Geschäftsort und tätigte den Handel mit englischem 56 Pitz: Zolltarife, S. XV und Nr. 49, 93 – 101. Während die Pfandschaft der Pinneberger 1486 eingelöst wurde, erkannte Dänemark 1608 seine Pfandschaft als unkündbar an. 57 Rolf Walter: Geschichte der Weltwirtschaft. Eine Einführung, Köln/Weimar/Wien 2006, S. 141. Vgl. auch Michael Diefenbacher: Handel im Wandel. Die Handelsund Wirtschaftsmetropole Nürnberg in der frühen Neuzeit (1550 – 1630), in: Bernhard Kirchgässner/Hans-­Peter Becht (Hg.): Stadt und Handel, Sigmaringen 1995, S. 63 – 81. 58 Baumann: Merchants Adventurers, S. 301 f. 59 Eike Eberhard Unger: Nürnbergs Handel mit Hamburg im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 54 (1966), S. 1 – 85, hier S. 59 – 62. 60 Unger: Nürnbergs Handel, S. 55 – 59. Vgl. auch die Liste der Aus- und Einfuhrartikel auf S. 65.

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Tuch auf Frankfurter Messen.61 1586 kaufte ein Dresdner Kaufmann englische Tuche in Hamburg ein und schickte sie in seine Heimatstadt.62 Eine besondere Stellung für den Hamburger Binnenhandel nahm die Einfuhr von ungarischem Kupfer ein, die von augsburgischen Handelsfirmen angeführt wurde.63 Das Kaufmannsnotizbuch des Matthäus Schwarz aus Augsburg von 1548 belegt verschiedene Handelsrouten des Kupfers: Von Lübeck gelangte es über den Stecknitzkanal nach Lauenburg, wo es wieder auf die Elbe umgeladen wurde, und dann nach Hamburg. Nach Hamburg gelangte Kupfer aber auch über die Handelszentren in Mitteldeutschland – von Breslau über Leipzig oder aus der Saigerhütte Hohenkirchen in Thüringen – und dann auf dem Landweg über Lüneburg.64 Eine große Menge an vermutlich aus den 1580er Jahren stammendem Neusohler Kupfer, das 1981 mit einem Wrackfund in der Elbe entdeckt wurde,65 lässt den Transport über Wasserwege annehmen. M. North schließt aus der damaligen Verkehrssituation die Route Oder – Frankfurt/ Oder – Elbe – Hamburg.66 Das Kupfer gehörte zu der augsburgischen Handelsfamilie Paler, die in Hamburg einen Faktor, Gillis de Greve d. J., hatte.67 Dieser aus Antwerpen stammende Hamburger Kaufmann führte in den 1570er und 1580er Jahren für Paler und Rehlinger Neusohler Kupfer nach England und Portugal aus und Gewürze von Portugal ein.68 Die Handelsbeziehungen zu der Messestadt Leipzig erscheinen in hamburgischen Quellen aus früheren Zeiten nicht. Die in der Aktengruppe „Com 61 Baumann: Merchants Adventurers, S. 248. 62 StAH, RKG K14, Acta priora, Beilagen Lit. A und C. 63 Die Augsburger Firmen dominierten den Kupferhandel in Oberungarn in der damaligen Zeit. Reinhard Hildebrandt: Augsburger und Nürnberger Kupferhandel 1500 – 1619. Produktion, Marktanteile und Finanzierung im Vergleich zweier Städte und ihrer wirtschaftlichen Führungsschicht, in: Hermann Kellenbenz (Hg.): Schwerpunkte der Kupferproduktion und des Kupferhandels in Europa 1500 – 1650, Köln/Wien 1977, S. 190 – 224, hier S. 201. 64 Ekkehard Westermann/Markus A. Denzel: Das Kaufmannsnotizbuch des Matthäus Schwarz aus Augsburg von 1548, Stuttgart 2011, S. 156, act. 136 und act. 141. 65 Vgl. Michael North: Early Modern Copper Trade and Transport. The Copper Finds of the Elbe, in: Jörgen Bracker (Hg): Proceedings. 5th International Congress of Maritime Museums 1984, Hamburg/Lübeck/Bremerhaven 1985, S.  63 – 66; Ekkehard Westermann: Kupferhalbfabrikate vor dem Tor zur Welt. Zum Hamburger Kupfermarkt an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert, in: Rainer Gömmel/Markus A. Denzel: Weltwirtschaft und Wirtschaftsordnung, Stuttgart 2002, S. 85 – 100. 66 North: Copper, S. 64 f. 67 Zu Gillis de Greve siehe Kellenbenz: Unternehmerkräfte, S. 201 – 203. 68 Reinhard Hildebrandt (Hg.): Paler und Rehlinger, Teil 1, Stuttgart 1996, Nr. 74, 111, 166 und 170. Zu den Familien Paler und Rehlinger siehe ebenda, S. 22 – 37.

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mercium – Betr. Auswärtige Jahrmärkte“ des hamburgischen Staatsarchivs aufbewahrte erste Auskunft über Leipziger Messen findet sich in einem von der Messestadt an Hamburg gerichteten Brief von 1542, der der Elbstadt den zurückgeholten Friedenszustand mit dem Ende der Auseinandersetzung zwischen Kurfürst Johann Friedrich I. und Herzog Moritz in Sachsen (die sogenannte Wurzener Fehde) berichtete. Darin empfahl Leipzig der hamburgischen Kaufmannschaft den Besuch der kommenden Messe.69 In dem oben genannten Gesuch des Herzoges von Schleswig-­Holstein bei Kaiser und Reichstag aus dem Jahre 1570 um die Zollerhebung in Dithmarschen erwähnte er Leipzig neben Frankfurt / Main und Nürnberg als Absatzort von seidenen Gewändern und Gewürzen.70 So scheinen die Handelskontakte zwischen Hamburg und Leipzig schon im 16. Jahrhundert festen Fuß gefasst zu haben,71 doch die rege Entwicklung der Handelsbeziehungen, die den Aufschwung des Leipziger Messehandels begleiteten, setzte erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein.72 Im 16. Jahrhundert ist eine besondere Stellung der Leipziger Messe im Hamburger Handel noch nicht erkennbar. Die Zahl der nach Leipzig gewanderten Hamburger Kaufleute betrug 1551 – 1650 nur 6.73 Die seit 1498 stattfindenden Messen von Braunschweig übernahmen die Warenvermittlung zwischen Hamburg und Frankfurt/Main bzw. Leipzig.74 Obwohl die Handelskontakte mit der Löwenstadt seit alters her festzustellen sind, stammt die erste Auskunft aus Hamburg über Braunschweiger Messen aus dem Jahre 1575.75 Wichtige Vorgänge im Elbverkehr finden sich im Getreidehandel mit Magdeburg. Im Jahre 1538, nach dem großen Getreidemangel in Hamburg 69 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ka Nr. 6, Vol. 5, Leipzig an Hamburg 1542. 70 Pitz: Zolltarife, Nr. 196. 71 Am Ende des Jahrhunderts spielten englische Tuche, die aus Hamburg über Lüneburg nach Leipzig transportiert wurden, eine wichtige Rolle. Witthöft: Lüneburg – Leipzig, S. 209. 72 Herbert Eiden: Die Hanse, Leipziger Messen und die ostmitteleuropäische Wirtschaft, HGbll 120 (2002), S. 73 – 95, hier S. 73. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zeigte die Konjunktur des Leipziger Messehandels erhebliche Schwankungen. Ernst Kroker: Handelsgeschichte der Stadt Leipzig. Die Entwicklung des Leipziger Handels und der Leipziger Messen von der Gründung der Stadt bis auf die Gegenwart, Leipzig 1925, S. 122. 73 Gerhard Fischer: Aus zwei Jahrhunderten Leipziger Handelsgeschichte 1470 – 1650 (Die kaufmännische Einwanderung und ihre Auswirkungen), Leipzig 1929, S. 181. 74 Nils Brübach: Die Reichsmessen von Frankfurt am Main, Leipzig und Braunschweig (14.‒18. Jahrhundert), Stuttgart 1994, S. 523. 75 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ka Nr. 6, Vol. 3, Braunschweig an Hamburg 1575.

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1525 – 1534, schloss die Stadt einen Handelsvertrag mit Magdeburg. Beide Städte garantierten sich gegenseitig ihre Stapel- und Niederlagsrechte76 und versprachen, die Elbschifffahrt von Hindernissen zu befreien und zu fördern, wogegen die Herzöge von Braunschweig-­Lüneburg heftig Einspruch einlegten.77 Für Hamburg war die Sicherung der Getreidevorräte in der Stadt wichtig, denn der 62. Artikel des Hamburger Rezesses von 1529 beschränkte den Reexport von Hamburg sowie die Tätigkeit der fremden Kaufleute zugunsten des Konsums der Stadtbürger.78 Diesen Bestimmungen mussten sich die Magdeburger unterwerfen. Es war vom Kaufumfang der Hamburger abhängig, wie viel Getreide zum Export freigegeben wurde. Trotz der Beschränkungen förderte der Handelsvertrag die seewärtige Ausfuhr des binnenländischen Getreides über Hamburg. Den Bürgern beider Städte war es gegenseitig gestattet, „maschop und gesellschop tho hebbende“.79 Das Hamburger Stapelrecht auf Getreide wurde durch die brandenburgische Anerkennung bekräftigt. Da Brandenburg neben Magdeburg das wichtigste Getreidehinterland für Hamburg war,80 hatten die Brandenburger auch Interesse an der Getreideausfuhr nach Hamburg. Somit wurde der Elbstromraum „zunehmend zu einer rohstoffproduzierenden Hinterlandregion der entstehenden atlantischen ,Weltwirtschaft‘.“81

76 Wie im Kapitel III erwähnt, bedeutet das Stapel- und Niederlagsrecht das Recht einer Stadt, mit dem sie die Kaufleute zur Unterbrechung der Reise, zum ausschließlichen Besuch gewisser Märkte, zum Anlaufen bestimmter Häfen, bezüglich ihrer Waren zum Niederlegen, Feilbieten, Verkaufen, Umschlag in andere Fahrzeuge, Übergabe an Spediteure zwingen konnte. 77 Ernst Baasch: Der Kampf des Hauses Braunschweig-­Lüneburg mit Hamburg um die Elbe vom 16.‒18. Jahrhundert, Hannover/Leipzig 1905, S. 4 f.; Wieske: Elbhandel, S. 29 f.; Wiskemann: Welthandelspolitik, S. 65 – 67; Georg Matthaei: Die Lage der Lüneburger Elbschiffahrt im 16. und 17. Jahrhundert, in: Lüneburger Blätter 6 (1955), S. 70 – 79, hier S. 72 – 74. 78 Die Getreideausfuhr war hamburgischen Bürgern vorbehalten, Gasthandel war verboten und es sollte stets die Hälfte vom eingeführten Getreide in der Stadt bleiben. Naudé: Getreidehandelspolitik, S. 78 – 80. 79 Wiskemann: Welthandelspolitik, S. 66. 80 Naudé: Getreidehandelspolitik, S. 46. 81 Michael North: Die Beziehungen Hamburgs zu den sächsischen Hansestädten beziehungsweise zum Elbe-­Weser-­Raum, in: Matthias Puhle (Hg.): Hanse – Städte – Bünde. Die sächsischen Städte zwischen Elbe und Weser um 1500, Magdeburg 1996, S. 356 – 358, hier S. 358. Bei dortigem Kornmangel lieferte Hamburg Getreide auch nach Binnengebieten. Beispielsweise bestellte 1584 der Kurfürst von Brandenburg Getreide bei Hamburg. StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 11, Vol. 7, Nr. 1, Brandenburg, Johann Georg an Hamburg 1584.

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Wie im Getreidehandel waren Sachsen und die Mark, dazu auch Mecklenburg nach wie vor die Hauptlieferanten von Holz.82 Auch eine Handelsverbindung mit Böhmen wird zu dieser Zeit für den Holzhandel erwähnt. 1562 forderte der Kaiser Ferdinand I. von Hamburg, den Zoll auf Bretter und Dielen abzustellen.83

2.2  Handelsbeziehungen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges Überblickt man die historischen Voraussetzungen des Hamburger Land- und Flusshandels seit dem 17. Jahrhundert, so ist festzustellen, dass sich dieser Handel schon seit dem Mittelalter herausbildete und allmählich festen Fuß fasste. Während die Verbindung mit Lübeck die überblickten Jahrhunderte hindurch bedeutend gewesen zu sein scheint, erfuhr in den Binnengebieten der Handel besonders im 16. Jahrhundert eine wichtige Entwicklung, wobei vor allem Nürnberg und Magdeburg die wichtigsten Komponenten bildeten. Das 17. Jahrhundert, dessen erste Hälfte von dem Dreißigjährigen Krieg geprägt wurde, brachte dem kontinentalen Europa tiefgreifende Änderungen der politischen und wirtschaftlichen Landschaft. Man kann davon ausgehen, dass der Krieg auch im Hamburger Land- und Flusshandel folgenreich war. Im Allgemeinen wird festgestellt, dass deutsche Gebiete infolge des Krieges schwere Einbußen in ihrer Wirtschaftskraft erlitten hätten. Demgegenüber sei Hamburg ausnahmsweise von dem Krieg verschont geblieben und habe seinen Handel aufrechterhalten können. Es scheint unlogisch, dass der Hamburger Handel, dessen Hauptzweig im Zwischenhandel lag, positiv ausfallen konnte, wenn sein Hinterland gründlich zerstört wurde. Stimmt die Voraussetzung, dass Hamburg wirtschaftlich nicht durch den Krieg betroffen war, muss man annehmen, dass der Hinterlandhandel irgendwie funktionierte. Daher ist zuerst zu fragen, welche Auswirkungen und Änderungen sich im Hamburger Land- und Flusshandel nach Ausbruch des Krieges ergaben, und anschließend, wie der Handel in der Folgezeit verlief. Welche Konsequenzen hatte das Jahrhundert der Krisen für die Struktur des Hamburger Hinterlandsystems? Wie funktionierten seine Hinterlandnetzwerke? Für das 17. Jahrhundert stehen für wenige Jahre in den 1630ern Zollbücher zur Verfügung, die direkt den Binnenlandverkehr erfassen und uns damit

82 Das beweisen zahlreiche Gesuche aus diesen Gebieten um die Erlaubnis für Holzdurchfuhr. StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 8a, Vol. 1a. 83 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Eb Nr. 9, Vol. 1.

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erste quantifizierte Anhaltspunkte bieten.84 Da aber der von ihnen umfasste zeitliche Bereich sehr begrenzt ist, muss man sich bei der Beschäftigung mit den übrigen Jahren mit anderen Quellengattungen wie Kaufmannsbüchern, Geschäftsbriefen, Rechnungen, städtischen Korrespondenzen zufrieden geben. Die Handlungsbücher des Hamburger Kaufmanns Matthias Hoep, der seine Faktoren in Antwerpen und London hatte und sich vorwiegend mit dem Tuchhandel beschäftigte, notieren einige Geschäfte mit dem hamburgischem Hinterland.85 Darin sind die Ortsnamen Lübeck, Lüneburg, Salzwedel, Nürnberg, ferner Lauenburg, Osnabrück, Leipzig und Berlin genannt. Um 1590 beschaffte er Kupfer und Wachs aus Lübeck, Wolle und schlesisches Leinen aus Lüneburg, ferner Kramwaren aus Nürnberg. H. Kellenbenz hat für das Ende des 16. und den Beginn des 17. Jahrhunderts nachgewiesen, dass die Iberienhändler in Hamburg enge Geschäftsverbindungen mit binnenländischen Gebieten und vor allem über Lübeck mit dem Ostseeraum besaßen.86 Wesentlich mit den hamburgischen Iberienhandel verflochten war dabei die oberdeutsche Textil- und Metallwarenproduktion von Nürnberg bis hinein in die oberösterreichischen Länder und die ostmitteldeutsche Leinenerzeugung bis nach Schlesien. Aus diesen Beispielen können wir ersehen, dass sich die für Hamburg in vorangehenden Zeiten bedeutenden Handelsstädte auch um 1600 nach wie vor in ihrer Stellung behaupteten. Trotz dieser Beständigkeit der kaufmännischen Handelsnetzwerke lässt sich schon am Beginn des 17. Jahrhunderts der Ansatz zum Strukturwandel im Hinterlandhandel erkennen. Aus den Geschäftskorrespondenzen der englischen Kaufleute, die den kontinentalen Tuchhandel über Hamburg betrieben, ist abzulesen, dass damals Absatzschwierigkeiten in binnenländischen Gebieten auftraten. Die Achse London – Hamburg – Nürnberg und weiter nach Süden und Südosten wurde durch mehrere Behinderungen beeinträchtigt.87 Die Lage 84 Bei einigen Waren sind die in den Zollbüchern angegebenen Zielorte sicher nur eine Etappe auf dem Handelsweg. Wo dies für die Ausrichtung des Handels wesentlich ist, wurde diese Eventualität in den folgenden Ausführungen berücksichtigt. Vgl. auch Anhang A dieser Arbeit. 85 SHW, S/456. Ehrenberg hat diese sieben Handlungsbücher (versehen mit den Kennzeichen A bis G) ausgewertet. Vgl. Richard Ehrenberg: Hamburger Handlung; Ehrenberg: Hamburg und England, S. 249 – 258. Eine Verwendung für die Analyse des Hinterlandhandels finden sie noch nicht. 86 Kellenbenz: Unternehmerkräfte, passim. 87 Dazu siehe Baumann: Merchants Adventurers, S. 306 – 308.

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verschlimmerte sich besonders in den Jahren 1606 – 1608. Es wurde berichtet, die Nachfrage sei immer geringer geworden und die Absatzmöglichkeiten hätten sich verkleinert. Als Ursachen nannte man die Seuchen in Wien und Prag, die religiösen Auseinandersetzungen in Ungarn, die Bedrohungen durch die Türken, den Machtkampf zwischen dem Kaiser und seinem Bruder Mathias, ferner die Konkurrenz durch schlesisches und ungarisches Kirseyen.88 Im Folgenden wird auf Grundlage der Land- und Elbzollbücher zahlenmäßig nachgewiesen, dass der Dreißigjährige Krieg ein entscheidender Schlag für das Hinterlandverkehrssystem Hamburgs war. Dies bedeutete aber nicht einfach eine allgemeine Zerstörung. Vielmehr zeigt sich in Hinblick auf die Struktur des Handels, dass der Krieg entscheidende Veränderungskräfte hervorrief. Die Handelsströme versiegten auch unter Schwierigkeiten nicht vollständig, sondern fanden den Kriegsauswirkungen entsprechende Auswege. Zwecks Vergleich werden in den folgenden Tabellen die Informationen zum Ostseeverkehr (Lübeck und Lauenburg) mit angegeben. Tabelle IV-1a: Abgangszahlen zu Land nach wichtigen Handelsorten im Jahrgang 1637 Lübeck 239

Kiel 49

Ostseestädte 20

Lüneburg 9

Erfurt 3

Leipzig 5

Nürnberg 4

Breslau 1

Braunschweig 21

Quelle: StAH, Land- und Elbzollbücher, Vol. 11 und 12. Im Jahre 1636 wurde Frankfurt/ Main zweimalig registriert. Unter „Ostseestädte“ fallen hier vor allem die Städte im südlichen und östlichen Ostseeraum. Tabelle IV-1b: Abgangszahlen zu Wasser nach wichtigen Handelsorten im Jahrgang 1630 Lüneburg 482

Lauenburg 31

Boizenburg 21

Magdeburg 53

Havelberg 28

Brandenburg 27

Berlin 9

Frankfurt/Oder 22

Quelle: StAH, Land- und Elbzollbücher, Vol. 8.

88 Fisher: Letters, S. 170, 186 – 196.

Dresden 9

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Tabelle IV-1c: E  ingangszahlen zu Wasser nach wichtigen Handelsorten im Jahrgang 1630 Lüneburg 555

Lauenburg 152

Boizenburg 20

Magdeburg 45

Havelberg 45

Brandenburg 26

Berlin 13

Frankfurt/Oder 19

Dresden 6

Quelle: StAH, Land- und Elbzollbücher, Vol. 1.

Tabelle IV-1a lässt für den Landverkehr erkennen, dass der früher so bedeutende Handel mit Nürnberg stark abgenommen hatte. In Diskrepanz zu der Aussage, dass die hamburgischen Kaufleute nach der Besetzung Leipzigs im Jahre 1633 den Vermittlungsort ihrer nach Nürnberg, Prag oder Wien bestimmten Waren von der sächsischen Messestadt nach Erfurt verlagerten,89 tritt das thüringische Handelszentrum Erfurt in den Zollbüchern nicht oft auf. Man könnte aber dagegen einwenden, dass ein Teil der nach Lüneburg beförderten Waren über Erfurt nach Nürnberg weitergeleitet worden sei.90 Zwar fehlen konkrete Zahlenbelege, doch scheint es wenigstens, dass Erfurt von Schwierigkeiten Leipzigs im binnenländischen Verkehr einigermaßen profitieren konnte. Ein kleiner Hinweis darauf ist, dass 1625 ein Fuhrmann 7 Fässer Weinstein, die er auf der Messe in Frankfurt/Main gekauft hatte und von ihm über Leipzig nach Hamburg befördert werden sollten, „allein Unsicherheit undt gefahr halben, sowoll den Weinstein, alß alles übrige guth, zu Erffurth abgeladen“ hat.91 Solche Waren könnten ferner nach Nürnberg, das in den Zollbüchern auch nicht oft erscheint, weiterbefördert worden sein. Beispielsweise belegen Prozessakten des Reichskammergerichts aus dem Jahr 1638 die Warenbeförderung von Hamburg über Lüneburg und Erfurt nach Nürnberg.92 Der Niedergang des Nürnberger Handels sowie der dortigen Färber- und Zurichtungsgewerbe mit englischen Tuchen deutet aber mit Sicherheit auf einen Verfall der Handelsachse London – Hamburg – Nürnberg hin.93 Der im 16. Jahrhundert herausgebildete Handel mit der Messestadt Leipzig war von der katastrophalen Verwüstung durch den Krieg geprägt. Schon am 89 Heller: Handelswege, S. 31; Kellenbenz, Landverkehr, S. 130. 90 Beispielsweise wurden Handelsgüter aus Nürnberg – wie Barchent oder Nürnbergereien, wie unten erwähnt – über Lüneburg nach Hamburg befördert. 91 StAH, RKG O10, Q18, Fol. 229v‒230r. 92 StAH, RKG M24, Q15 – 18. 93 Hironobu Sakuma: Die Nürnberger Tuchmacher, Weber, Färber und Bereiter vom 14. bis 17. Jahrhundert, Nürnberg 1993, S. 161 – 164.

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Kriegsbeginn wurde dem Handel ein Hemmnis bereitet. 1618 beschloss der Kurfürst zu Sachsen die Einführung von Akzise-, Waage-, Löschungs- und Pferdegeldern in Leipzig. 1624 wurde Hamburg der Protest Lübecks gegen die Erhöhung des Waagegeldes in Leipzig mitgeteilt.94 Angesichts der Einwände von einigen Hansestädten (Hamburg, Lübeck, Bremen, Lüneburg, Braunschweig und Magdeburg) wurde die Erhebung von Akzise- und Pferdegeldern zurückgenommen, aber die Waage- und Löschungsgelder sollten verbleiben.95 Ein kritischer Moment für den Leipziger Handel entstand im Jahre 1631 mit der Belagerung und der darauffolgenden Plünderung der Stadt durch die kaiserlichen Truppen. Der Messehandel wurde damit lahmgelegt.96 Die Nachwirkung dieses Ereignisses ist an der geringeren Eintragungszahl in den Landzollbüchern ablesbar. Nachdem 1637 das Ansuchen Hamburgs um die Erstellung eines Passes, der die Sicherheit der Reise zur Leipziger Messe garantieren sollte, von dem Kurfürsten zu Sachsen wegen seines Misstrauens gegen Hamburg, das „dem Feinde […] verbothene wahren heüffig zugeschickt“ habe, abgelehnt worden war,97 erhielten Hamburger Kaufleute auf Fürsprache des Kaisers einen Begleitkonvoi für die Reise nach und von der Leipziger Neujahrsmesse des Jahres 1638. Aber eine Supplikation der „sämtlichen, nacher Leiptzig und Franckfuhrt auch sonßten ins Reich negotierenden Kauff-­Leuhte“ vom Februar 1638 berichtete, dass die von der Messe zurückreisenden Leute von einem starcken Trop Reutter daselbst auff freyer Herstraßen angegriffen, die Wahren auffgehauwen, geplundert, auff viel Tausend Reichsthaler in Bahrschafft und gutter geraubet, viele Persohnen verwundet, underschiedlich ermordet und umbs Leben gebrachtt, dehren Weib und Kinder zu Wittiben und Waißen gemachet, auch theils an den Bettelstab gebracht worden.98

Zwar garantierte der Kaiser daraufhin seinen Schutz,99 doch konnte man von der tatsächlichen Wirkung auf den Handelsverkehr nicht viel erwarten, zumal die Stadt Leipzig selbst durch den Krieg verfallen war. Angesichts der vermehrten Räuberei schwedischer Truppen erließ der König von Schweden 1642 ein Mandat, das den Soldaten vorschrieb, die Sicherheit von hamburgischen Kauf- und Fuhrleuten, Wagen, Schiffen, Pferden und Gütern auf dem Weg zur Leipziger

94 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 22b, Vol. 1, Lübeck an Hamburg 1624. 95 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 22a, Vol. 1, Fol. 4r‒6v, 49r‒60v. 96 Brübach: Reichsmessen, S. 459 – 464. 97 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ka Nr. 6, Vol. 5, Johann Georg an Hamburg 1637. 98 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ka Nr. 7, Vol. 1, Q5. 99 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ka Nr. 6, Vol. 5, Kaiser an Hamburg 1638.

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und Frankfurter Messe nicht zu gefährden.100 Jedoch berichteten im August 1648 „Semtliche uf Leipzig handlende Kaufleute“ mit einer Supplikation, sie seien auf der Rückreise von der Leipziger Ostermesse von schwedischen Straßenräubern angegriffen und geplündert worden.101 Zusätzlich kam die Zollbelastung hinzu. 1640 erweiterte der sächsische Kurfürst wegen der finanziellen Not die Erhebung der Akzise auf die auswärtigen Kaufleute. Dagegen erhob Leipzig Einspruch und behauptete, dass somit die Kaufleute ihre Geschäfte von Leipzig nach anderen Orten abziehen würden.102 Erfolg hatte die Eingabe nicht. Im Vergleich zu Leipzig hatte die Messestadt Frankfurt/Main unter dem Krieg nicht so erheblich zu leiden,103 konnte aber auch den Verkehr in einem normalen Umfang nicht halten. In den Hamburger Zollbüchern tritt der Name der Stadt nur vereinzelt auf. Dabei muss man die Möglichkeit berücksichtigen, dass auch andere Städte den Warenverkehr zwischen Hamburg und Frankfurt/ Main vermittelten. Trotzdem war die direkte Handelsverbindung beider Städte geschwächt. In den Zollbüchern sind zahlenmäßig starke Kaufmannsgruppen mit umfangreicheren Warenladungen nach Frankfurt/Main, woraus man den Besuch der Messe annehmen kann, nur selten – sogar seltener als nach Leipzig – verzeichnet. In Bezug auf den Fernwasserverkehr verlangen die Angaben der Elbzollbücher eine etwas vorsichtige Interpretation. Die Verbindung Hamburgs mit der Kurmark und Schlesien (über Havelberg, Brandenburg, Berlin und Frankfurt/ Oder) wurde auch in der Kriegszeit aufrechterhalten.104 Hier ist die Stellung von Frankfurt/Oder und Brandenburg zu betonen. Die Eintragungen für diese Städte sind gering, die in jeder Eintragung registrierten Ladungen sind dagegen umfangreich. Die Analyse der beförderten Waren im folgenden Unterkapitel wird bestätigen, dass Frankfurt/Oder zu dieser Zeit im Weinvertrieb und Brandenburg im Heringsvertrieb Gewicht besaß. 100 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ka Nr. 7, Vol. 2, Der Königl. Maytt. Cron-­Schweden 1642. 101 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kc Nr. 16, Vol. 1a. 102 StAH , Senat Cl. VII , Lit. Ec Nr. 22a, Vol. 1, Fol. 70r‒76v. Diese im Staatsarchiv Hamburg aufbewahrte Akte ist eine Kopie der Vorstellung vom Leipziger Rat, die an den Herzog von Sachsen eingereicht wurde. Der Volltext ist gedruckt in Ernst Hasse: Geschichte der Leipziger Messen, Leipzig 1885 (ND Leipzig 1963), S. 457 – 460. 103 Brübach: Reichsmessen, S. 457. 104 Zwar beeinträchtigte der Krieg diese Gegend stark, trotzdem konnte der Handel aufrechterhalten werden. Lotte Knabe: Die Messen zu Frankfurt an der Oder und ihre Bedeutung für den Ost-­West-­Handel, in: Friedrich Beck (Hg.): Heimatkunde und Landesgeschichte, Weimar 1958, S. 204 – 239, hier S. 209.

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Die Elbschifffahrt nach Magdeburg sei von dem Krieg besonders stark getroffen gewesen. Laut allgemeiner Forschungsmeinung vernichtete die katastrophale Zerstörung der Stadt durch die kaiserlichen Truppen im Jahre 1631 den Magdeburger Handel vollkommen, dessen Wiederaufleben erst unter der preußischen Regierung seit 1661 allmählich einsetzte.105 Die Auswirkung dieses symbolischen Ereignisses – der Magdeburger Hochzeit – zeigte sich aber in Hinsicht auf den tatsächlichen Handelsverkehr nicht spontan. Der Tiefpunkt des Flusshandels lag schon im Jahre 1630.106 Kurz nach der Eroberung zeichnet der Schiffsverkehr sogar eine zunehmende Tendenz.107 1636 und vor allem 1637 ging aber der Verkehr stark zurück. Im Zeitraum zwischen 25. Februar 1637 und 19. Februar 1638 gibt es in den Elbzollbüchern (Einfuhr) nur 21 Schifffahrteintragungen für Magdeburg.108 Die Langstreckenfahrt mit Dresden lässt sich nur selten feststellen. Doch manche einkommenden Schiffe verzeichneten eine große Menge von Holzladungen. Unter allen in den Zollbüchern verzeichneten Handelsorten in Binnengebieten ragt Lüneburg hervor. Die intensive Schifffahrt bezeugt die Bedeutung des Nahverkehrs im Flusshandel. Nach H. Witthöft hatten sich im Laufe des 16. bis zum 17. Jahrhundert die Handelsbeziehungen zwischen Hamburg und Lüneburg trotz der handelspolitischen Auseinandersetzungen um die Elbschifffahrt verstärkt.109 Neben die Eichenschiffer/Ekenschiffer,110 die seit dem 105 Wieske: Elbhandel, S. 78 – 80, 107 f.; Hanns Gringmuth-­Dallmer: Magdeburg. Haupthandelsplatz der mittleren Elbe, in: HGbll 84 (1966), S. 8 – 19, hier S. 19. 106 Die Schifffahrt musste sich schon im vorangegangenen Jahr verringert haben. Von März bis Ende September 1629 litt der Magdeburger Handel unter der Blockade von Wallenstein. Eine Handelssperre, die Beschlagnahmung von Waren sowie Plünderung umgriffen die Stadt. Vgl. Hans Otto Gericke: „Zu St. Ulrich die Reichen …“. Die wirtschaftliche Situation der Stadt Magdeburg vor und während des Dreißigjährigen Krieges, in: Matthias Puhle (Hg.): „… gantz verheeret!“ Magdeburg und der Dreißigjährige Krieg, Halle 1998, S. 25 – 34, hier S. 33. 107 Die Summe der Schifffahrtseintragungen für Magdeburg betragen 68 (16. April 1632 bis 16. Februar 1633), 129 (22. Februar bis 6. Dezember 1634) und 105 (16. März 1635 bis 16. März 1637, hier fehlt eine Registrierung für den Februar). Selbst die Eintragungszahl Magdeburgs von 1630 ist im Vergleich zu anderen Orten – abgesehen vom großen Verkehr zu Lüneburg – nicht nennenswert klein. 108 Auch die Magdeburger Torzettel vom Herbst 1636 beweisen den verminderten Verkehr. Gericke: Magdeburg, S. 35 f. 109 Witthöft: Kaufhaus in Lüneburg, S. 105 – 108. 110 Der Name stammt von ihrem Transportmittel „Eke“, was „Eiche“ und gleichzeitig „flaches Boot“ bedeutete. Vgl. Lübben: Mittelniederdeutsches Handwörterbuch.

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Mittelalter den Salztransport trugen, trat das Schifferamt von Bötern, die den Wasserverkehr zwischen Hamburg und Lüneburg besorgten. Seitdem sie 1606 ihre Amtsrolle erhielten, erfuhr ihr Warentransport einen Aufschwung. Viele Waren, die man von Hamburg nach Lüneburg beförderte, wurden weiter nach ferneren Orten vermittelt. Als Reexportziel ist zunächst Leipzig zu nennen.111 Braunschweig und Hannover mögen auch wichtige Märkte gewesen sein, weil manche der nach Lüneburg bestimmten Waren an den „Rat zu Braunschweig“ oder an den „Herzog zu Braunschweig“ adressiert waren. Wie oben behauptet, zählten Erfurt und Nürnberg auch dazu. Dagegen war im Wasserverkehr von Lüneburg nach Hamburg die Ilmenaustadt eher ein Ausfuhrzentrum der Erzeugnisse ihres Landes als ein Vermittlungsort der in anderen Gebieten produzierten Waren, weil der Hauptartikel der von Lüneburg gelieferten Waren aus Salz bestand.112 Der Dreißigjährige Krieg wirkte sich auch auf den Handel mit Lüneburg sicher ungünstig aus. 1627 berichtete der Rat der Stadt Lüneburg, dass die Pestauswirkungen und das Kriegswesen das lüneburgische Land stark in Mitleidenschaft gezogen hätten, „wodürch die straßen fast unsicher wordenn“, und man den kommenden Michaelisjahrmarkt einstellen müsse.113 1647 hörte man von Lüneburg, dass Ordnung und Gebrauch der Messe „nun etliche iahr hero wegen deß eingefallenen Kriegß unwesens in abgang gerahten, und allerhandt unordnungen verursachet“.114 Dennoch ist es aufgrund der Zahlen in den Zollbüchern offensichtlich, dass der Umfang des Handels mit Lüneburg im Vergleich zu dem mit anderen binnenländischen Städten größer war, was auch durch die später analysierten Warentransportmengen bestätigt wird. Nach Witthöfts Berechnung der Einnahmebeträge des Lüneburger Kaufhauses verzeichnete der Verkehr seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als Gegenwirkung des aufkommenden Magdeburger Elbhandels eine absinkende Tendenz und er erreichte im Jahre 1626 infolge der wütenden Pest den niedrigsten Stand.115 Es ist aber „erstaunlich, daß trotzdem so viele Waren über diese Stadt spediert wurden“.116 Nach diesem Tiefpunkt verzeichneten die Kaufhauseinnahmen sogar eine deutlich ansteigende Kurve. Man kann deshalb feststellen, dass die 111 Zur Handelsverbindung zwischen Lüneburg und Leipzig siehe Witthöft: Lüneburg – Leipzig; vgl. ferner passim in dieser Arbeit. 112 Wenige Waren, die den Ursprung aus anderen Regionen vermuten lassen, z. B. Barchent und Nürnbergereien, sind auch verzeichnet. 113 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ka Nr. 6, Vol. 5, Fol. 29r. 114 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ka Nr. 6, Vol. 5, Fol. 31r. 115 Witthöft: Kaufhaus in Lüneburg, S. 176 – 179. 116 Ebenda, S. 179.

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Vermittlungsfunktion Lüneburgs, die der Stadt einmal in der vorangehenden Zeit durch die Konsolidierung der Partnerschaft zwischen Hamburg und Magdeburg entrissen wurde, durch die Kriegsauswirkungen in oberelbischen Gebieten und die daraus folgenden Schwierigkeiten des Magdeburger Handels wiedergewonnen wurde. Der Verkehr zu Braunschweig ist in den Zollbüchern nicht häufig verzeichnet. Zwar ist die Möglichkeit, dass Lüneburg den Handel zwischen Hamburg und Braunschweig vermittelte und folglich die eigentliche Warenzufuhr nach der Löwenstadt dahinter verborgen liegt, nicht auszuschließen. Trotz dieses Vorbehaltes muss der Krieg dem Braunschweiger Handel auf jeden Fall schwere Hemmnisse bereitet haben.117 Zwar erhielt die Stadt 1640 von Kaiser Ferdinand  II. die Privilegien für eine Pferd- und Fischmesse und schickte alsdann den Hamburger Kaufleuten ein Einladungsschreiben,118 aber der Messehandel dorthin entwickelte sich erst allmählich.

2.3  Waren verschiedener Handelsorte und -routen Im Anschluss an den obigen Überblick über die Handelsbeziehungen in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges richten wir unseren Blick auf die Waren und deren Vertrieb bzw. Bezug zur selben Zeit. Mit Zahlenmaterialien belegt werden die regionalen Unterschiede der Handelsschwerpunkte, die sich bei näherer Untersuchung der Warenstruktur entnehmen lassen. Erst dadurch kann man die Verbindungsstärke Hamburgs mit den verschiedenen Handelsorten und die jeweilige Spezialisierung im Warenhandel genauer bemessen. Zu berücksichtigen sind dabei die verschiedenen kommerziellen Bedingungen, die das Maß und die Gestalt der Unterschiede beeinflussten. Ausführlich verzeichnen die Land- und Elbzollbücher verschiedene Waren, die von und nach Hamburg auf Land- und Flusswegen transportiert wurden. Es ist daher unmöglich, die Mengen aller Handelsartikel auszuzählen. Auf die wertmäßige Einordnung der Warenstruktur muss man auch verzichten, da weder Werte noch Zollbeträge vollständig überliefert sind. Immerhin sind die Güter, die wir analysieren wollen, aus den bereits erhobenen Ergebnissen über den hamburgischen Zwischenhandel identifizierbar. Die Haupthandelspartner des Hamburger Seehandels im 17. Jahrhundert waren England, die Niederlande, Frankreich, Spanien und Portugal. Im Hinterlandhandel handelt es sich bei den einzubeziehenden Handelsposten um die Waren, die mit diesen Ländern 117 Brübach: Reichsmessen, S. 523. 118 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ka Nr. 6, Vol. 3, Braunschweig an Hamburg 1640.

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hauptsächlich ausgetauscht wurden.119 Bei der Ausfuhr nehmen wir unten in der Tabelle Tuch, Hering, Zucker, Wein und Käse als Proben auf. Für die Einfuhr werden Tabellen oder Einzelzahlen zu jeweiligen Produkten angegeben. Auch hier werden die Informationen zu Lübeck (oder Lauenburg) und anderen Ostseestädten zwecks Vergleich angeführt. Tuch war mit Sicherheit einer der bedeutendsten Artikel.120 Die oben erwähnte Tuchabsatzlinie Hamburg – Nürnberg, die früher den Hauptsektor im englischen Tuchhandel bildete, trat zu dieser Zeit fast vollständig zurück (vgl. in der folgenden Tabelle  IV-2 den Export nach „Süddeutschland“), während Lübeck beträchtliche Menge aufnahm. Wie im Kapitel  III erörtert, verfolgte Lübeck in der kriegerischen Situation eine Neutralität, die zu einer Sonderstellung führte. Beim Landhandel ist, neben der relativ großen Ausfuhrmenge nach Lübeck, die nach Leipzig zu erkennen. Um die Stellung Leipzigs einzuschätzen, ist hier noch eine nähere Betrachtung nötig. Richten wir dabei unsere Aufmerksamkeit auf die Tucharten. Für viele Tuche ist die englische Herkunft verzeichnet. Seltener sind die brandenburgischen und salzwedelschen Tuche. Zahlenmäßig folgen den Laken die Dosinken (leichte, flanellartige Wollstoffe). Diese zwei Sortimente wurden in großer Quantität nach Lübeck abgesetzt. Als Textilien sind daneben Friese (grobes, weiches Gewebe aus Wolle mit haariger Oberseite), Kirseyen und sogenannte new draperies, ein Sammelbegriff für viele neu auf dem Markt eingeführte leichtere Stoffe,121 wie Boy, Rasch und Perpetuan, ferner „geringe 119 Vgl. Kapitel II dieser Arbeit. 120 Die Tuchsorte, die in den Zollbüchern am häufigsten verzeichnet erscheint, ist das Laken (engl. broadcloth). Den größten Anteil an diesen haben Packlaken, d. h. die Tuche mittlerer Qualität, die nicht stückweise, sondern im Pack gezählt wurden. Die Stückzahl mancher Packen ist vermerkt (z. B. 1 Pack darin 12 Laken), aber in vielen Fällen ist sie unbekannt. Nach Ehrenberg entspricht 1 Pack normalerweise 10 Stück. Ehrenberg: Hamburg und England, S. 268. In der Tat sind aber höchst uneinheitliche Stückzahlen enthalten, von ca. 5 bis 40. Insofern die enthaltenen Stückzahlen angegeben werden, betrug der Inhalt durchschnittlich 12 – 13 Stück pro Pack, und weniger als 10 war selten. Daher zeige ich in der Tabelle IV-2 eine zur Probe überschlagene Gesamtzahl, wobei 1 Pack für 10 Stück berechnet ist. 1 Päcklein (in der Tabelle verkürzt als Päckl bezeichnet) enthält meistens 3 – 6 Stück, manchmal 10. Für die Tabelle habe ich als Mindestzahl 1 Päcklein für 3 Stück berechnet. Ballen, der oft für die nach Binnengebieten transportierten Tuche verwendet wurde und 10 – 12 Stück enthielten, habe ich in der Tabelle in die Spalte für Pack eingeordnet und für die gesamte Probenzahl 1 Ballen mit 10 tücken berechnet. 121 Vgl. Kapitel II, S. 45 dieser Arbeit.

4085 3925 ½ 325 ½ 756 ½ 544 ½ 2 111 ½ 29 29 614 – 32 ½ 5 – 147 64

Stück

Laken Dosinken Hering Zucker Pack Päckl Summe Stück Tonne Last Summe Fass Fässl Tonne in Stück in Last 407 ½ 254 ½ 8923 ½ 2154 1476 ¾ 60,5 183,6 175 ¼ 62 ½ 100 ⅛ 305 ½ 133 ½ 7381 1819 908 ½ 57,5 133,2 171 ¼ 59 ½ 90 ⅜ 81 8 1159 ½ 511 ½ 24 5,0 7,0 3 ¾ 3 8 49 34 1348 ½ 46 3315 689,0 965,3 187 ½ 48 ½ 10 29 – 834 ½ 46 2532 ½ 638,5 849,5 181 39 ½ 8 – 2 8 6 944 107,5 186,2 – – – 23 8 265 ½ 81 81 5,5 12,3 – – 1 ½ 4 3 78 – 487 113,5 154,1 37 ½ 17 ½ 4 3 78 – 472 98,5 137,8 37 ½ 17 ½ 32 2 940 45 4 – 0,3 50 ½ 3 – – – – – 76 ½ 13,0 19,4 2 – – 17 10 232 ½ 6 1001 ¼ 834,0 917,4 29 ½ 12 17 ½ 14 2 151 – 74 160,5 166,7 20 ½ 9 9 ½ 1 – 10 – 118 461,5 471,3 2 ¼ 1 5 2 – 167 – 41 7,0 10,4 29 13 – 1 – 74 – 19 2,0 3,6 – – – 2564.6 2423.1 70.0 555.3 290.7 114.7 43.7 348.7 271.1 17.4 2.0 1002.1 643.5 154.5 0.0 28.2

Wein Pipe 5038 ½ 4546 ½ 420 31396 ¾ 29427 ¾ 1435 ½ 100 496 496 – 2 7013 730 180 – –

1588.5 1544.5 73.0 1941.0 1596.0 353.3 26.5 34.3 33.0 – 15.0 270.5 32.5 32.0 8.0 4.3

Käse Stück Schpf

Quelle: StAH, Land- und Elbzollbücher, Vol. 8, 11 und 12.

Sch-­Hol = Schleswig-­Holstein; Braun-­Han = Braunschweig-­Hannover; Hbg = Hamburg; (30) = Ausfuhr zu Wasser im Jahre 1630; (37) = Ausfuhr zu Land im Jahre 1637; Päckl = Päcklein; Fässl = Fässlein; Schpf = Schiffspfund.

Lübeck, Sch-­Hol (37) Darin Lübeck Ostseestädte (37) Lüneburger Gebiet (30) Darin Lüneburg Altmark (30) Braun-­Han (37) Sachsen (30) Darin Magdeburg Leipzig (37) Thüringen (37) Kurmark, Breslau (30) Darin Frankfurt/Oder Darin Brandenburg Süddeutschland (37) Hbg Umland (30)

Bestimmungsort

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Tabelle IV-2: Hamburgs Ausfuhr von Laken, Dosinken, Hering, Zucker, Wein und Käse zu Land und Wasser 1630/1637

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Laken“ zu nennen, die wegen der geringeren Anzahl in der Tabelle nicht aufgeführt sind. Zu berücksichtigen ist jedoch die Ausfuhr von new draperies nach Leipzig. Während nach Lübeck 228 Stück Boy, 53 Stück Rasch und 1 Stück Perpetuan (insgesamt 282 Stück) exportiert wurden, waren es nach Leipzig 34 Stück Boy, 418 Stück Rasch und 106 Stück Perpetuan (insgesamt 558 Stück). In der Friedenszeit musste die Zahl des Letzteren noch größer gewesen sein. Es ist demnach festzustellen, dass Leipzig, dessen Absatzgebiete nicht nur in Osteuropa, sondern auch in Süddeutschland und Südeuropa lagen, mehr new draperies an sich zog.122 Die Zollbücher beweisen, dass neben den Tüchern Kram-, Spezerei- und Materialwaren ein wichtiger Exportartikel Hamburgs nach Leipzig waren. 1640 stellte der Leipziger Rat in der Beschwerde gegen die geplante Auflage vom sächsischen Kurfürsten auf Leipziger Messen die Waren vor, die die Stadt hauptsächlich über Hamburg beschaffte. Diese waren nämlich englische Tuche sowie Spezerei- und Materialwaren, vor allem Gewürze und Zucker. Ferner ist auch der Bezug des russischen Juchtenleders zu nennen.123 Im Wasserverkehr fand der Tuchabsatz hauptsächlich nach Lüneburg statt. Da im Jahre 1630 der Seeimport der Tuche in Hamburg wegen der Auswirkung des Krieges auch im Vergleich zu den folgenden Jahren des Jahrzehnts geringer waren,124 muss man bei der Ausfuhr nach Lüneburg für dieses Jahr eine vergleichsweise geringere Ausfuhr annehmen. Der Tuchexport war aber kein Hauptsektor im Handel mit Lüneburg. Vielmehr trat die Stadt als bedeutender Absatzort von Hering und Käse hervor.125 Was für eine Aussage zu Lüneburgs Position lässt sich daraus ziehen? 122 New draperies fanden ihren Absatz hauptsächlich in Gebiete mit warmem Klima. 123 1637 importierte Leipzig aus Hamburg 14 Pack, 3 Ballen, 2 Fässer, 1 Kiste und 1 Korb Juchten. StAH, Land- und Elbzollbücher, Vol. 11 und 12. Daneben zog Leipzig Leder-, Fell- und Pelzwaren an sich, die sicherlich auch aus Russland (via Archangelsk am Weißen Meer) stammten. Diese Waren wurden aus Hamburg auch nach Lübeck ausgeführt, das selbst über Beschaffungsquellen im östlichen Ostseeraum (vor allem via Narva) versorgt wurde. 124 Die Einnahme vom Lakengeld dieses Jahres betrug 3.020 Mark, während sie im Jahre 1635 4512, 1636 4016, 1637 5185, 1638 5289, 1639 3383 Mark ausmachte. Hitzigrath: Handelsbeziehungen, S. 28. 125 In den Land- und Elbzollbüchern wird Hering in Last oder Tonne angegeben. 1 Last entspricht 12 Tonnen. Bückling war auch eine nennenswerte Variation von Hering (getrockneter und geräucherter Hering), ist aber von unserer Analyse ausgeschlossen, weil er sich von Hering in Wert und Gewicht unterscheidet. Neben Hering gehörten Scholle und Stockfisch (Rotscher) zu den Fischprodukten, die von Hamburg aus ins Hinterland exportiert wurden.

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Zuerst muss gezeigt werden, welche Rolle die innerdeutschen Märkte – im Vergleich zu den Ostseemärkten – für Hamburgs Handel spielten. Der Handel mit Nordseehering in den Ostseeraum, wenn dieser damals auch im Allgemeinen als bedeutender Absatzmarkt galt, scheint für Hamburg nicht so bedeutend gewesen zu sein wie der Tuchhandel dorthin. Sicher herrschte in den Ostseehäfen eine harte Konkurrenz mit den Niederländern, so dass Hamburg eine Absatzmöglichkeit für Hering eher in Binnengebieten fand, wo ein starkes Interesse an der Versorgung mit Hering bestand.126 Da der belegbare Jahrgang für Lüneburg und die Ostseestädte jeweils verschieden ist, muss der genaue Vergleich ausstehen. Beim Blick auf die Seeeinfuhr erkennt man, dass im Jahre 1629 in Hamburg 50.537 1/4 Tonnen (ca. 4210 Last), im Jahr 1632 dagegen 29.884 Tonnen (2490 Last) Hering abgeladen wurden.127 Die Ausfuhrmenge des Jahres 1630 nach Binnengebieten betrug damit 50 – 90 Prozent der oben genannten Einfuhren, darunter nahm Lüneburg mit 638,5 Last den größten Anteil ein. Mit Sicherheit war die Stadt der wichtigste Heringsabnehmer. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass nach Lüneburg auch eine beträchtliche Menge Käse geliefert wurde.128 Das jeweilige Gewicht der Käse pro Stück ist unklar. 1629 importierte man seewärts in Hamburg 115.917 Stück und 3745 Schiffspfund Käse.129 Vergleicht man diese Zahlen in Stück und Schiffspfund mit denjenigen der Tabelle IV-2, dann ist selbst bei grober Schätzung festzustellen, dass Lüneburg bzw. Lübeck jeweils eine sehr große Menge an sich zogen. Hering und Käse gehörten zu Grundnahrungsmitteln alltäglichen Bedarfs, welche eine gute Absatzfähigkeit auf einer Vielzahl von Märkten besaßen. Für Hamburg stellte die Nachbarstadt Lüneburg, die verschiedene Anbindungen an die innerdeutschen Regionen besaß, ein geeignetes Exportziel solcher Produkte dar: Man konnte sowohl den Absatz auf den Märkten ihrer Umgebung als auch den Weitervertrieb nach großen Handelszentren erwarten. Dies gilt auch für die Ausfuhr von Wein. 126 Zahlreiche Beschwerden von Binnenstädten, unter ihnen Lüneburg, Leipzig, Magdeburg und Berlin, in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts über Qualität, Kennzeichnung und Verpackung des von Hamburg transportierten Herings belegen die Bedeutung dieses Artikels für die Bevölkerung der Binnengebiete. StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 7b, Fasc. 10; StAH, Schonenfahrer Nr. 38. 127 Baasch: Waarenhandel, S. 410. 128 Es handelte sich um holländische Süßmilchkäse (Seute Käs) und Grünkäse, die aus Schafmilch hergestellt wurden. 129 Baasch: Waarenhandel, S. 341. Ich habe die Einfuhrmenge von 1,19854 Mio. Pfund in Schiffspfund umgerechnet.

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In umgekehrter Richtung gesehen erweist sich Lüneburg als Lieferant verschiedenster Landprodukte. Beachtenswert ist vor allem die Einfuhr von Salinensalz aus Lüneburg. Obwohl der Lüneburger Salzhandel wegen des Dreißigjährigen Krieges unter großen Schwierigkeiten litt,130 importierte Hamburg 1630 rund 4200 Last Salz von Lüneburg über die Elbe.131 Diese Menge ist eindeutig groß, zumal sich die ungefähre damalige seewärtige Salzeinfuhr Hamburgs auf höchstens 1700 Last belief. Noch zu bemerken ist, dass Lüneburger Salz in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts immer höher bewertet wurde im Vergleich zu französischen und spanischen Produkten.132 Auf europäischen Märkten bedrängt von atlantischem Baiensalz, behielt Lüneburger Salz – ein Hauptartikel des mittelalterlichen Hansehandels – zumindest im Hamburger Handel immer noch seine Bedeutung. Lüneburg war auch der größte Lieferant von Kalk. 1630 wurden 324 Last Kalk von der Stadt über die Elbe verschifft.133 Die Stadt lieferte daneben eine Menge Wolle. Unter 1131 3/4 Sack Wolle, die 1630 über das Wasser nach Hamburg kamen, wurden 339 1/2 aus Lüneburg und 206 1/2 aus Frankfurt/Oder (polnische Wolle) geliefert.134 Die Importwaren aus Lüneburg weisen die Ausdehnung seiner Handelsverbindungen aus. Die in den Elbzollbüchern verzeichnete „Nürnbergerei [= Nürnberger Kramwaren]“ wurde hauptsächlich über Lüneburg geliefert, was den oben angedeuteten Warenverkehr von Nürnberg nach Hamburg über Lüneburg während des Dreißigjährigen Krieges bezeugt. Insgesamt spielte die Nachbarstadt Lüneburg im Nah- und Fernverkehr Hamburgs eine wichtige Rolle. Welche Stellung besaßen dann die durch den Fernflussverkehr verbundenen Handelspartnerstädte? Viel Hering wurde auch in die fernliegenden kurmärkischen Städte Berlin, Brandenburg und Frankfurt/Oder verschifft. Daraus ergibt sich, dass zusammen mit den Exporten nach Lüneburg der Flusstransport bei der Heringsausfuhr die Hauptrolle spielte. Dies belegt auch der hohe Anteil von Hering in den Reiserechnungen eines Elbschiffers aus den Jahren 1671 – 1674.135 Diese Erscheinung kann dadurch begründet werden, dass der 130 Hans Bleeck: Lüneburgs Salzhandel im Zeitalter des Merkantilismus (16. bis 18. Jahrhundert), Lüneburg 1985, S. 32 f. 131 StAH, Land- und Elbzollbücher, Vol. 1. 132 Maria Bogucka: Le sel dans le commerce Baltique. L’exemple de Gdansk aux XVIe-­ XVII e siècles, in: Klaus Friedland (Hg.): Maritime Food Transport, Köln/Weimar/ Wien 1994, S. 39 – 51, hier S. 46. 133 StAH, Land- und Elbzollbücher, Vol. 1. 134 Ebenda. 135 Karlheinz Blaschke: Elbschiffahrt und Elbzölle im 17. Jahrhundert, in: HGbll 82 (1964), S. 42 – 54, hier S. 44 f.

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Hering zu den Massengütern gehörte und daher für den Flusstransport geeignet war. Vor allem die Ausfuhr nach Brandenburg war bemerkenswert. Viele Ladungen der Schiffe, die dorthin bestimmt waren, bestanden hauptsächlich oder oft ausschließlich aus Hering. Eine Eintragung in den Elbzollbüchern, die auch mehrere Schiffe umfassen konnte, enthält 5 – 10, gelegentlich mehr als 30 Last, wobei 1 Last 12 Tonnen (ca. 1800 Kilogramm) entsprochen haben dürfte,136 womit das Ausmaß der beförderten Mengen nach Brandenburg ungeachtet der gering wirkenden Eintragungszahl sehr groß war. Tabelle IV-3a: Dieleneinfuhr über Wasser 1630 Lauenburg Boizenburg Havelberg Stück Schock Umgerechnet in Stück

3422 182 ½ 14.372

2145 12 2865

Berlin/ Brandenburg 580 23 117,5 104,5 7630 6293

Dresden Andere 2145 3467 290 152 17.400 12.587

Quelle: StAH, Land- und Elbzollbücher, Vol. 1. Tabelle IV-3b: Einfuhr von Teer und Pech über Wasser 1630 Last

Lauenburg 265

Havelberg 101

Brandenburg/Berlin 42,75

Frankfurt/Oder Andere 43,5 97,5

Quelle: StAH, Land- und Elbzollbücher, Vol. 1.

Dem Fernflussverkehr kam die Lieferung von Holz und den aus Holz gewonnenen Nebenprodukten Teer und Pech eine große Bedeutung zu. Während Lauenburg in diesem Sektor, wie wir im Kapitel III gesehen haben, den Hauptanteil hatte,137 beweist die Gesamtzahl der Einfuhren aus Brandenburg, Berlin, Havelberg und Frankfurt/Oder die Bedeutung des Langstreckenwassertransports aus der Mark Brandenburg. Dresden, Verschiffungsort böhmischer

136 Reissmann: Kaufmannschaft, S. 404; Harald Witthöft: Handbuch der historischen Metrologie, Bd. 6, 1, St. Kathalinen 2003, S. 532. 137 Unter den verschiedenen Holzarten, die wir im Elbzollbuch von 1630 finden (meist Eichendielen, daneben Klappholz, Pipenstäbe und Wagenschoss), war nur Dielenholz ein Produkt, das von den Städten außer Lauenburg in großer Menge geliefert wurde. Da beim Holztransport der Wasserweg bevorzugt wurde, geben die Zahlen in Tabelle IV-3a den größten Teil der in Hamburg 1630 eingeführten Dielen an.

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Holzprodukte, stand beim Dielenhandel an der Spitze. Eine gewisse Menge von Dielen erreichte Hamburg auch aus Boizenburg, was eine große Produktion aus mecklenburgischen Waldgebieten vermuten lässt.138 Der Handel mit Frankfurt/Oder hatte weitere Eigentümlichkeiten, nämlich die Verbindung mit Polen und Ungarn. Bei der Ausfuhr fällt besonders Wein auf.139 Über die Waren, die aus der Oderstadt nach Hamburg kamen, lassen sich die durch die Stadt vermittelten Kontakte zu Schlesien, Polen und Ungarn erkennen: Röte (hier handelte es sich wahrscheinlich um Breslauer oder Schlesischen Krapp),140 polnische Wolle und ungarisches Kupfer. 1630 kamen 206 1/2 Sack Wolle aus Frankfurt/Oder, die ca. 18 Prozent der gesamten Wolleinfuhr ausmachten.141 Das Elbzollbuch von 1630 verzeichnet die Einfuhr von ca. 620 Schiffspfund Kupfer aus der Oderstadt, wobei der Handel Hamburgs mit ungarischem Kupfer durch den Krieg geschwächt war.142 Es stammte sicherlich aus Ungarn, weil die Stadt ein wichtiger Umschlagplatz für ungarisches Kupfer war. Von ungarischem Kupfer aus Frankfurt/Oder wissen wir beispielweise durch die Beschwerde Alex Rochans, der beim Hamburger Rat Einspruch gegen die unübliche Gebühr für das Wiegen des aus Frankfurt nach Hamburg beförderten ungarischen Kupfers erhob.143 Die Rechnungen des Augsburger Kupferhändlers Wolfgang Paler d. J. für die Jahre 1621/1622 nennen Kupfer, das von Neusohl über Teschen, Breslau und Frankfurt/Oder 138 Vgl. Walden: Stadt – Wald, S. 42 f. Seit dem 16. Jahrhundert waren die Holzlieferung aus der Mark Brandenburg und Mecklenburg von Bedeutung. Die in der Tabelle subsumierten „anderen“ Orte umfassen sächsische sowie altmärkische wie Wittenberg, Seehausen, Schnackenburg usw. Insgesamt sind die Bezugsquellen wie folgt gruppiert: der Ostseeraum, Mecklenburg, (Nieder-)Sachsen, die Mark und Böhmen. 139 In den Zollbüchern sind die Weine mehreren Sorten zugeordnet: Französischer, Spanischer – vor allem Semens (Pedro Ximenes) –, Rheinischer, Sekt und Malvasier. Die Maßeinheiten sind dementsprechend verschiedenartig (Pipe, Oxhöft, Ohm, Bothe, Quardeel), die ich hier auf Pipe umgerechnet und vereinheitlicht habe. 140 Bohn schreibt: „Vorzüglich stark baut man die Färberröthe in Schlesien, wo sie gewöhnlich Röthe genannt wird um Breslau, Auras, Neumarkt, Liegnitz, Ohlau und Strehlen, wovon Breslau die Niederlage ist und größtentheils den Handel hat, daher sie auch Breslauische Röthe genannt wird“. Bohn: Waarenlager, Bd. 1, S. 556. Ein Beispiel für die Bezeichnung „Breslauer Röte“ im Handelsgeschäft zu dieser Zeit findet sich auch unter den Reichskammergerichtsakten: StAH, RKG B13 und S74. 141 StAH, Land- und Elbzollbücher, Vol. 1. 142 Die genauen Zahlen im Zollbuch für Kupfer aus Frankfurt/Oder sind 411 Schiffspfund, 13,75 Last (= ca. 27.500 Kilogramm oder 203 Schiffspfund) und 39 Stück (im Zollbuch beträgt 1 Stück 17 – 20 kg oder 0,12 – 0,14 Schiffspfund). 143 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Eb Nr. 9, Vol. 3a.

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nach Hamburg transportiert wurde.144 Diese Rechnungen belegen gleichzeitig einen Kupfertransport von Krakau über Danzig und Lübeck nach Hamburg. Diese Route war billiger als die von Teschen über Frankfurt/Oder nach Hamburg.145 Für Wein aus Hamburg war, neben Lübeck im Landverkehr, die Oderstadt der Hauptzielort. Wahrscheinlich wurde er weiter nach Polen exportiert. Die klimatischen Bedingungen sorgten dafür, dass eine Weinproduktion in polnischen Gebieten nicht möglich war, so dass sich die Kaufleute große Absatzmöglichkeiten versprachen. Beispielsweise war der Weinhandel mit polnischen Adligen ein rentables Geschäft.146 Magdeburg an der Elbe litt bereits vor der fast völligen Zerstörung 1632 unter Plünderungen und Kriegsauswirkungen. Lediglich ein Abglanz der alten Stellung der Stadt als Distributionszentrum von Getreide kann für diese Zeit den Elbzollbüchern entnommen werden. Für das Jahr 1630 sieht man nur eine geringe Getreidezufuhr aus Magdeburg. Für 1632 – 1635 ist eine etwas vermehrte, aber weiter geringe Menge zu beobachten.147 Getreide wurde als Heeresproviant requiriert oder geplündert, und Äcker fielen durchziehenden Truppen zum Opfer. Tabelle IV-3c: Einfuhr von Garn über Wasser 1630 Fass

Magdeburg 544

Lüneburg Winsen/Luhe 109 1/2 57 1/2

Frankfurt/Oder 106 1/2

Andere 87 1/2

Quelle: StAH, Land- und Elbzollbücher, Vol. 1.

Die Stadt lieferte elbabwärts vor allem Gerste, daneben Roggen. Trotzdem finden sich vor und nach dem Niederbrennen Magdeburgs noch nicht unerheb 144 Hildebrandt: Quellen und Regesten, Teil 1, Nr. 352. 145 Ebenda. Andere wichtige Umschlagplätze von Kupfer, die die Elbzollbücher notieren, waren Lüneburg, Magdeburg und märkische Gebiete. 146 Fernand Braudel/Frank C. Spooner: Prices in Europe from 1450 to 1750, in: E. E. Rich (Hg.): The Cambridge Economic History of Europe, Bd. 4: The Economy of Expanding Europe in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, Cambridge 1980, S. 378 – 486, hier S. 409. 147 Im gesamten Untersuchungszeitraum sind in den Zollbüchern insgesamt weniger Getreidelieferungen aus Magdeburg verzeichnet als für den früheren hamburgischen Elbhandel. Hamburg beschaffte Getreide aber über viele verschiedene Handelsplätze, wie Lüneburg, Brandenburg, Frankfurt/Oder, Hitzacker, Tannenberg, Dömitz, Havelberg, Salzwedel usw. Zu wichtigen Getreidelieferanten zählten des Weiteren Lauenburg und Berlin. Der Landweg von Lübeck musste für die Getreidelieferung bedeutend gewesen sein, doch sind zu diesem keine hinreichenden Quellen überliefert.

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liche Warenlieferungen, vor allem von Garn. 1630 bezog Hamburg flusswärts 544 Fass Garn.148 Ausnahmsweise lassen die Verzeichnungen des Zollbuchs die ungefähre Einfuhrwerte für Garn berechnen.149 Bei der Proberechnung erhält man für Magdeburg 330.000 Mark. Diese Zahl kann man als groß einordnen, da sie auf dem Wertniveau einiger damals seewärtig eingeführter Spitzenwaren stand.150 Am Anfang des Abschnittes haben wir die Distribution von Wollstoffen von Hamburg auf die Binnenmärkte betrachtet. In entgegengesetzter Richtung bezog Hamburg verschiedene Textilien, die für den Ausfuhrhandel nach Westen eine große Rolle spielten. Für die Einfuhr von Textilien, die sicherlich den Hauptanteil des Binnenlandhandels darstellte, liegen leider nur unvollständige Zeugnisse vor, weil keine Zollbücher zum einkommenden Landverkehr existieren. Man musste für verhältnismäßig leichte, aber teure Textilwaren den Transport auf dem Land vor der Flussschifffahrt bevorzugt haben. Trotz dieser Lücke werden im Folgenden die Zahlen zu den Textileinfuhren über Wasser angeführt, um möglichst viele Hinweise auf Warenlieferungen zu erhalten. Mit zahlreichen binnenländischen Städten handelte Hamburg Leinen. Vermutlich spielte dabei der Landhandel mit Leipzig, Nürnberg und ihrem Umschlagplatz Lüneburg eine große Rolle,151 wobei unsere Quellen dafür wenige Anhaltspunkte bieten. Im Flusshandel erscheinen Magdeburg, Lüneburg, Salzwedel, Lüchow, Dannenberg, Dömitz, Havelberg, Dresden und Frankfurt/Oder.

148 StAH, Land- und Elbzollbücher, Vol. 1. 149 In vielen Eintragungen für das von Magdeburg eingeführte Garn sind die Schätzwerte verzeichnet. Meistens wurde 1 Fass auf 600 Mark (es kommen aber oft Abweichungen vor) geschätzt. Ich habe diesen Wert auf die Eintragungen, bei denen der Wert nicht angegeben wurde, angenommen. 150 Beispielsweise betrugen die in den Admiralitätszollbüchern für die Jahre 1632 – 1634 eingetragenen Einfuhrwerte in Mark jeweils von Wein: 312.441, 98.215 und 473.125; von Indigo: 202.220, 114.615 und 519.550; von Zucker: 113.825, 200.220 und 319.425. Siehe Tabelle II-6 dieser Arbeit. 151 Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges blühte in Nürnberg die Leinenfärberei. Sakuma: Nürnberger Tuchmacher, S. 155 f. Während des Krieges war der große Aufschwung rasch vorbei, die oberdeutsche Produktion blieb aber wahrnehmbar. Nürnberg stellte danach mit abnehmender Tendenz eine gewisse Menge her. Vgl. auch Gustav Aubin/Arno Kunze: Leinenerzeugung und Leinenabsatz im östlichen Mitteldeutschland zur Zeit der Zunftkäufe, Stuttgart 1940.

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Tabelle IV-3d: Leineneinfuhr über Wasser 1630 Lüneburg 99 1/2 136 38 1/2 55

Magdeburg 104 ½ 6 96 1/2 1

Salzwedel 3 37 1/2 0 7

Frankfurt/Oder Brandenburg/Berlin 38 3 1/2 1 0 65 1/2 5 0 0

Andere 42 6 51 1/2 3

Fass/Fässlein Pack/Päcklein/Ballen Kiste Bult

Fass/Fässlein Pack/Päcklein/Ballen Kiste Bult

Dresden 10 19 0 28

Quelle: StAH, Land- und Elbzollbücher, Vol. 1.

Wegen der verschiedenen Maßeinheiten sind genaue Angaben zum flusseitigen Leinenhandel nicht möglich. Wenigstens lassen die Zahlen der Tabelle IV-3c einen umfangreicheren Handel mit Lüneburg, Magdeburg und Frankfurt/Oder vermuten. Für einige Leinenlieferungen aus Magdeburg und Frankfurt ist die schlesische Herkunft verzeichnet. Wahrscheinlich nahm der Handelsumfang der schlesischen Leinen schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu, während das traditionell wichtige salzwedelsche Leinen etwas abnahm. Etwas anders erscheint die Lieferung von Barchent. Er wurde überwiegend über Lüneburg transportiert. Tabelle IV-3e: Barchenteinfuhr über Wasser 1630 Fass/Fässlein

Lüneburg 171 3/4

Magdeburg 43 3/4

Frankfurt/Oder Brandenburg 4 3

Andere 12 1/2

Quelle: StAH, Land- und Elbzollbücher, Vol. 1.

Im Gegensatz zur überall, auch in Dörfern verbreiteten Leinenproduktion wurde Barchent in süddeutschen Großstädten wie Augsburg, Nürnberg und Ulm hergestellt. In Hinblick auf die Lieferungen aus Lüneburg handelte es sich in erster Linie um Nürnberger Barchent. Unter dieser Bezeichnung wurde aber auch über Nürnberg nach Lüneburg vermittelter Barchent aus Ulm, Augsburg, St. Gallen und Memmingen nach Hamburg geliefert.152 152 Nürnberg war ein wichtiges Produktionszentrum von Barchent, aber zugleich ein

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Tabelle IV-3 f: L  akeneinfuhr über Wasser 1630 Lüneburg Magdeburg Frankfurt/ Oder Stück 362 1/2 0 95 Pack 33 13 22 1/4

Stück Pack

Werben 68 73 1/2

Wittenberg 110 37

Salzwedel 9 42

Brandenburg/ Berlin 50 73 Tangermünde 10 160 3/4

Havelberg Winsen/L. 527 131 1/2

111 1

Andere 49 51 1/4

Quelle: StAH, Land- und Elbzollbücher, Vol. 1.

Tuch (Laken) wurde aus verschiedenen Orten geliefert. Obwohl wir keine Angabe zum Landtransport haben, zeigt das Ergebnis für den Flusstransport, dass Hamburg Tuch aus verstreuten Produktionsgebieten und -orten bezog. Unter ihnen war das altmärkische Gebiet wohl der Hauptlieferant, worauf der zusammengenommen große Anteil aus Havelberg, Werben, Wittenberg und Tangermünde hindeutet.153 Schließlich betrachten wir die Handelsverbindung bei der Ausfuhr überseeischer Produkte. Beim Zucker entsprechen nach Tabelle IV-2 die Umsatzbeträge nach Orten154 im Groben dem Ausmaß des jeweiligen in den Tabellen IV-1a‒c registrierten Wagen- und Schiffsverkehrs: Hier entdeckt man keine starken regionalen Unterschiede. Lübeck zu Land und Lüneburg zu Wasser waren beim Zuckerexport aus Hamburg beide entsprechend bedeutend. Dagegen erscheint in dem Elbzollbuch von 1630 fast keine Tabakausfuhr über den Wasserweg. Tabak wurde hauptsächlich über den Landweg nach Lübeck,155 teilweise in die anderen Ostseestädte, in geringerem Maße nach L ­ eipzig, Vermittlungsort für die genannten Städte. Unger: Nürnbergs Handel, S. 59. Die Elbzollbücher nennen vereinzelt „Ulmer Barchent“ aus Lüneburg. 153 Ebenda. 154 Der Umfang der Maßeinheiten für Zucker im Land- und Flusshandel (Fass, Fässlein – Fässlein ist in der Tabelle als Fässl abgekürzt – und Tonne) ist unbekannt. Das genaue Ermessen der nach einzelnen Orten beförderten Mengen ist nicht möglich, denn im Seehandel zählte man Zucker normalerweise in Kisten, deren Entsprechung in Fässern oder Tonnen unbekannt ist. Insoweit die überlieferten Wertangaben schließen lassen, dürfte 1 Fass Zucker wertmäßig auf das 3- bis 5-Fache des Preises für 1 Last Hering geschätzt werden. 1 Fass Zucker ist in vielen Fällen 600 – 700 Mark wert, manchmal mehr als 1000 Mark, und 1 Last Hering wird auf ca. 200 Mark geschätzt. Zucker gehörte daher zu einem der Haupthandelsartikel im Hinterlandhandel. 155 Vgl. Kapitel III, dieser Arbeit.

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Braunschweig und Nürnberg exportiert. Er war in Deutschland bis zum Ende des 16. Jahrhunderts als Arznei benutzt worden und erst während des Dreißigjährigen Krieges verbreitete sich der Tabakkonsum in deutschen Binnengebieten.156 Im Jahre 1630 galt Tabak noch als teure Ware und man musste ihn mit Vorsicht befördern, um seiner Qualität nicht zu schaden. Daher ist nachvollziehbar, dass man den Wassertransport vermied, damit er nicht durch Feuchtigkeit Schaden nahm. Die große Zufuhr nach Lübeck zu dieser Zeit spricht dafür, dass der Tabakverbrauch damals schon im Ostseeraum verbreitet war. Andere überseeische Waren wie Pfeffer, Indigo, Ingwer oder Farbholz zog Lübeck an sich. Daneben führte Hamburg sie auch nach verschiedenen Städten im Binnenland wie Lüneburg, Magdeburg, Brandenburg, Frankfurt/Oder, Leipzig, Nürnberg und Braunschweig sowohl zu Land als auch zu Wasser aus. Es scheint aber, dass Lübeck damals der wichtigste Abnehmer dieser Waren war. Ein Fazit für die in der Einleitung gestellte Frage zum Warenverkehr könnte einfach so lauten: Es ist ein hohes Maß an regionaler Spezialisierung festgestellt worden. Es gab im Mitteleuropahandel Hamburgs vor der Atlantikzeit – sowohl im Warenbezug als auch im -absatz – mannigfaltige Beziehungsnetze, die deutliche Unterschiede zeigten. Wir haben festgestellt, dass der Dreißigjährige Krieg dem bisher herausgebildeten Hamburger Land- und Flusshandel einen deutlichen Schlag versetzte. Die Verbindung mit Nürnberg wurde entscheidend geschwächt. Dies bedeutete aber nicht einen allgemeinen Niedergang des Hinterlandhandels. Während beim Ostseehandel der Verkehr mit Lübeck/Lauenburg die merklichste Größe darstellte, fand sich für die Binnengebiete die stärkste Verbindung im Handel mit Lüneburg. Ein Vorzug der Ilmenaustadt wäre – in Hinsicht auf die Sicherheit der Transporte, die wir im Kapitel III für Lübeck festgestellt haben – ihr naheliegender Standort zu Hamburg. Mit diesen Kontakten konnte der hamburgische Zwischenhandel seine Funktion auch in der Kriegszeit behalten. Der Handel mit den sächsischen und kurmärkischen Städten, dessen Wachstum im vorangehenden Jahrhundert einsetzte, hatte auch unter den Kriegsauswirkungen zu leiden. Es ist aber beachtenswert, dass bei bestimmten Warensortimenten einige binnenländische Handelszentren in Verbindung mit Hamburg blieben. Dies gilt beispielsweise für die Ausfuhr von Hering nach kurmärkischen Städten, von new draperies nach Leipzig, von Wein nach Frankfurt/Oder oder 156 Ludwig: Kolonialwaren in Sachsen, S. 10. Danach erfuhr der Tabakverbrauch in Bevölkerung eine rapide Verbreitung. Annerose Menninger: Genuss im kulturellen Wandel, S. 283 – 294.

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für die Einfuhr von Garn aus Magdeburg und von Dielen aus Dresden. Auf diesen Pfaden entstand in der Folgezeit eine neue Phase, in der die genannten binnenländischen Städte Lüneburg, Magdeburg, Leipzig und Berlin die wichtigsten Komponenten der Warendistribution über Hamburg bilden sollten.

2.4  Gestaltung des neuen Handelsgefüges Die kriegerischen Auseinandersetzungen führten nicht zu einer unwiederbringlichen Vernichtung des Hinterlandhandels, sondern zu einer Umstrukturierung von Handelsnetzwerken. In den folgenden Darstellungen wird der Behauptung nachgegangen, dass die Wandlung vornehmlich in den binnenländischen Gebieten erfolgte, die durch die Konsequenzen des Krieges nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch stärker verändert wurden. Der Dreißigjährige Krieg hatte einen starken Niederschlag in der Wirtschaft der sächsischen Gebiete. Doch gleichzeitig brachten die Kriegswirren dort eine Stimulation, die für die Entwicklung der Zwischenhandelsverbindungen Hamburgs von Bedeutung ist: die Verbreitung und der Konsum von Kolonialwaren. Wie oben erwähnt, wurde das als Tabaktrinken bezeichnete Rauchen, das zunächst Landsknechte genossen, während des Dreißigjährigen Krieges in Binnendeutschland verbreitet.157 Auch der Zuckergebrauch wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts allmählich üblicher.158 Dabei bildete sich ab Hamburg – neben der Verbindung mit Leipzig zu Lande – durch den Wassertransport über die Elbe eine Hauptvertriebslinie, in der Magdeburg seit den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts ein bedeutender Knotenpunkt war.159 Das Verhältnis zu Magdeburg veränderte sich aber aus handelspolitischer Sicht. Die Zerstörung der Stadt im Jahre 1631 bedeutete den Verlust ihrer handelspolitisch selbstständigen Stellung und gleichzeitig das Aus für die städtische Vormachtstellung. Anstatt diese wiederzuerlangen, wurde die Stadt unter preußischer Regierung seit 1661 in das staatliche Handelssystem eingeordnet. Die Ausgestaltung dieses Systems fand auch in den kurmärkischen Gebieten statt. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstand ein neues Wasserverkehrsnetz, das Hamburg mit der Kurmark und Schlesien verband und das den merkantilistischen Interessen Preußens entsprach. F. H. Heller zufolge „erlangten neben den alten Landhandelsstrassen, die ihren Hauptstapel in Leipzig hatten, in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts auch die neu gebahnten 157 Siehe Anm. 156 dieses Kapitels. 158 Ludwig: Kolonialwaren in Sachsen, S. 10 f. 159 Ebenda, S. 16.

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Wasserwege ihre kommerzielle Bedeutung“.160 Insbesondere durch den im Jahre 1668 fertiggestellten Friedrich-­Wilhelm-­Kanal, der die Spree und damit auch Berlin an die Oder anschloss, war der Hamburger Handel an dieser Entwicklung beteiligt, da eine direkte Wasserverbindung mit Breslau entstand. Die Vorteile der neuen Route zeigten keine sofortigen Wirkungen. Da jedoch die Transportkosten von Hamburg nach Breslau niedriger als die von den Niederlanden nach Wien waren,161 stellte sich Schlesien als großer Absatzmarkt für Hamburg dar, so dass Berlin allmählich als Vermittlungsort nach Breslau an Bedeutung zunahm.162 Die Errichtung von Kanälen hatte die Entstehung des staatlich systematisch geregelten Wasserverkehrssystems in preußischen Territorien zur Folge, zugleich aber auch die neue Konkurrenz durch Hamburger Unternehmerkräfte, die nun direkte Kontakte nach Schlesien unterhielten, was im folgenden Jahrhundert zu handelspolitischen Maßnahmen führen sollte. Wenn auch die neue Wasserverbindung mit Berlin und Breslau einen wirkungsreichen Abschnitt im Verkehrswesen zwischen Elbe und Oder entstehen ließ, hielt Frankfurt/Oder damals immer noch seine wichtige Stellung in der Oderschifffahrt.163 Doch die Stadt hatte schließlich unter dem neuen Verkehrssystem zu leiden, das durch die preußische Handelspolitik zugunsten Berlins kräftig unterstützt wurde. Betrachten wir diesen Prozess anhand des Zuckerhandels, der sich im folgenden Jahrhundert zu einem Haupthandelssektor Hamburgs entwickelte. Als 1679 eine Zuckerbäckerei von den kurfürstlichen Räten Daniel Stephani und Elard Esich in Berlin eingerichtet wurde, die Rohzucker aus Hamburg beschaffte, mussten sie auf den Frankfurter Messen mit dem hamburgischen raffinierten Zucker konkurrieren, der viel „wohlfeiler“ geliefert werden konnte. Daher ließ der Kurfürst 1682 auf Bitte der Berliner mittels eines Patents allen fremden Zucker mit Akzise belegen.164 Fünf Jahre später fand eine Moderierung der Verordnung statt, weil

160 Heller, Handelswege, S. 48. 161 Newman: Hamburg, S. 75 f., Anm. 73. 162 Wiskemann: Welthandelspolitik, S.  93 f.; Werner Jochmann: Hamburgisch-­ schlesische Handelsbeziehungen, S. 221 f.; Peter-­Michael Hahn: Geschichte Brandenburgs, München 2009, S. 59. Grundlegend zur Hamburg-­Berliner Schifffahrt informiert Konrad Toeche-­Mittler: Der Friedrich-­Wilhelms-­Kanal und die Berlin-­ Hamburger Flußschiffahrt. Zwei Beiträge zur preußischen Strompolitik des 17. und 18. Jahrhunderts, Leipzig 1891. Der Schwerpunkt ist den Hamburger und Berliner Schiffergilden sowie deren Beziehungen zu Kaufleuten gewidmet. 163 Dazu siehe auch Abschnitt 3 dieses Kapitels. 164 Hugo Rachel: Handels- Zoll- und Akzisepolitik, Bd. 1, S. 722 f.

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Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr die Commercien, insonderheit der Gewürtz-­Handel in der Messe zu Frankfurt an der Oder, auch sonstten an andern Orten, durch den hohen Impost [= Abgabe] des frembden Zuckers, einen ziemlichen Anstoß und Abgang bishero erlitten.165

Hamburgische Materialhändler bezeichneten die Auflage auch als zu hoch und beklagten Umsatzeinbußen: Alß sich aber die fremden so auß Schlesien undt andern Orthen die Frankfurter Meße besuchen, darzu nicht verstehen wollen, sondern sich anderswo mit Zuckerwahren providiret, [ist] unsere Zuckerhandlung dahin, gäntzlich hierdurch zu nichte worden, weil von Kram-­Specerey undt Material Wahren der Zucker die vornehmste und meiste Wahre ist.166

Die Stellung von Frankfurt/Oder als Vermittlungszentrum wurde somit wohl erst in den letzten zwei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts allmählich geschwächt. Von der Handelsverbindung zwischen Elb- und Oderstadt war im folgenden Jahrhundert nicht mehr die Rede. In diesem Zusammenhang ist der Aufschwung der Leinenproduktion sowie des Leinenhandels seit 1670 zu bemerken.167 Wie im Kapitel II erwähnt, wurde schlesisches Leinen das bedeutendste Exportgut im hamburgischen Atlantikhandel, der im Gegenzug vor allem Kolonialwaren erhielt. Für den Binnenlandhandel noch zu nennen ist das Getreide aus Magdeburg, das in hohem Maße für den weiteren Export bestimmt war. Ihm konnte aber gegebenenfalls das Interesse der Hamburger an Getreide für den städtischen Vorrat im Wege stehen. 1649 beschwerte sich der Magdeburger Rat, dass Hamburg „das liebe getreidich […] See warts zu exportiren und zu verhandeln inhibiret [= untersagte], hingegen ihre Stadt mit einem Vorrath an Korn zu versehen, bewilligen“ ließ.168 Den Handel erschwerte dazu die Erhöhung der Elbzölle, die die Getreidebeschaffung aus binnenländischen Gebieten im Vergleich zu der aus dem Ostseeraum unrentabel machte.169 165 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 19, Vol. 1. 166 Ebenda. Vgl. auch Rachel: Handels- Zoll- und Akzisepolitik, Bd. 1, S. 725. 167 Winfried Irgang/Werner Bein/Helmut Neubach: Schlesien. Geschichte, Kultur und Wirtschaft, Köln 1995, S. 117. 168 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 11, Vol. 7, 23. Juni 1649, Magdeburg an Hamburg. Die Ausfuhrbeschränkung für Magdeburger Getreide erfolgte besonders zur Vorratssicherung für städtische Brauer. StAH , Senat Cl. VII , Lit. Eb Nr. 12, Vol. 6a. Im Jahr zuvor wurde der Stapelzwang Hamburgs durch die Getreideordnung (wieder) festgesetzt. Nach diesen Regelungen durfte kein oberländisches Korn an der Stadt vorbeigeführt werden. Naudé, Getreidehandelspolitik, S. 94 f. 169 1699 waren die Frachtkosten für Danziger Getreide bis Hamburg gegenüber den Kosten ab Magdeburg um ein Drittel bis die Hälfte geringer. Wieske: Elbhandel, S. 89.

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Nach dem Krieg erlebte Leipzig ein zügiges Wiederaufblühen. Die Sicherheit auf der Straße war zwar noch lange durch Räubereien bedroht – deren Bekämpfung hatte die in Hamburg 1698 stattgefundene „Conferenz wegen Sicherheit der nach Leipzig reisenden Kaufleute“ immer noch zum Thema170 –, jedoch fasste die Stadt festen Fuß beim Wiederaufbau des Messehandels. Schon 1649 verkündete Leipzig der Elbstadt die Terminverlängerung der Ostermesse und lud die hamburgischen Kaufleute ein.171 Der Waren- und Zahlungsverkehr zwischen Hamburg, Leipzig und Breslau um 1650, der durch einen Prozess beim Reichskammergericht überliefert ist,172 beweist die Herstellung ausgedehnter Handelsströme. Nach der Lösung der schwedischen Okkupation im Jahre 1650 setzte eine günstige Entwicklung der Messe ein,173 an die sich, begleitet von der unten erwähnten Konkurrenz mit Braunschweig in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, der Aufschwung des folgenden Jahrhunderts anschloss. Ein Messehandel in Braunschweig konnte, trotz des Privilegs von Ferdinand III. für eine Pferd- und Fischmesse aus dem Jahr 1640, zu der die hamburgischen Kaufleute im selben Jahr eingeladen wurden, nicht sofort aufkommen. 1674 erhielt die Stadt die Unterstützung des Herzogs von Braunschweig zum Antrag auf ein Messeprivileg beim Kaiser, „zur Aufhelfung der darniedderliggende Commercia“. Allerdings verhinderten Leipzig und Frankfurt/Main, die den Aufstieg Braunschweigs als gefährliche Konkurrenz ansahen, die Erlaubnis des Kaisers. Wegen dieses diplomatischen Tauziehens gewährte schließlich der Herzog seiner Stadt ein Privileg.174 Im gleichen Jahr wurde Hamburg mitgeteilt, dass die „zween grossen Käyserl. freyen Jahrmärkte noch feiner und besser als vorhin“ stattfinden würden, um „die zerfallene Commercia […] zum Besten wieder aufzurichten und in guten Stand zu setzen“.175 Dagegen verlangte der sächsische Herzog von der hamburgischen Kaufmannschaft, sich beim Besuch der Braunschweiger Messe zurückzuhalten. Er befürchtete den Aufschwung der Braunschweiger Messe, weil damit „zu praejudiz der bey unserer Stat Leipzig von undenklichen Jahren in ruhiger observanz hergebrachter so hoch privilegirter Marktfreyheit, die Handelsleute sich nacher besagtem Braunschweig ziehen werden“.176

170 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ka Nr. 3a. 171 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ka Nr. 6, Vol. 5, Leipzig an Hamburg 1649. 172 StAH, RKG H95, Teil 1, Q13 – 31, Acta priora Fol. 59v‒70r und Teil 2, Beilage, passim. 173 Brübach: Reichsmessen, S. 472 f. 174 Brübach: Reichsmessen, S. 529. 175 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ka Nr. 6, Vol. 3, Braunschweig an Hamburg 1681. 176 Ebenda, Johann Georg der Dritte an Hamburg 1681.

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3.  Hamburgs Mitteleuropahandel in der Atlantikzeit Wir beantworten in diesem Kapitel die gleichen Fragen wie zum 17. Jahrhundert, berücksichtigen aber für das 18. Jahrhundert, in dem der hamburgische Seehandel einen Prozess der Integration in die atlantische Wirtschaft vollzog, besonders den geographisch ausgedehnten Kontext: 1. Inwieweit und zu welchem Zeitpunkt traf die Bezeichnung „Hamburg als Leipziger Hafen“ zu? 2. Welche Stellung besaß demgegenüber der Handel im Flusssystem, der Leipzig nicht berührte (die Route Hamburg – Magdeburg – Dresden und die Route Hamburg – Berlin – Breslau)? 3. Wie und in welchem Ausmaß funktionierte das nahgelegene Verkehrszentrum Lüneburg? Wir überprüfen dabei die Verbindungsstärke Hamburgs zu verschiedenen Handelsorten in Binnengebieten, die über Hamburg den Anschluss an den Atlantikhandel hatten. Die Untersuchung des Warenhandels, der nicht unmittelbar mit der atlantischen Wirtschaft verbunden war, soll auch nicht außer Betracht gelassen werden. Dieser kann wichtige Anhaltspunkte für die Feststellung des Charakters von Hamburgs Drehscheibenfunktion geben. Analytisch erfasst das Kapitel dabei vielfältige Modalitäten des Handels, die sich von den politischen Bedingungen über das Warensortiment bis zu den Handelswegen erstrecken.

3.1  Handelsbeziehungen zwischen 1700 und 1800 Für das 18. Jahrhundert steht eine Reihe von zählbaren Angaben, die aus den Verzeichnissen der Elbzoll- und Fährengeldregister von Esslingen an der südlichen Grenze der Vierlande gewonnen werden, zur Verfügung. Tabelle  IV-4 zeigt die Anzahl der Frachtwagen und -karren, die von Hamburg abreisten und in Esslingen Landzoll für ihre Fracht entrichteten, dann die Elbe mit Fähren querten und weiter nach Binnengebieten fuhren.177 Aus den Ortsnamen der Landzollregister ersieht man die Handelsverbindungen, über die man für den 177 Von Reisewagen und leeren Frachtwagen wurde nur Fährgeld erhoben. Da die beiden oft nicht zu unterscheiden sind, habe ich die Wagen, die keinen Landzoll bezahlten, in die Tabelle nicht eingerechnet. Gezählt sind die Fahrzeuge, die deutlich als „Frachtwagen“ vermerkt sind, oder andere offensichtlich beladene Wagen (Wagen mit zollfreien Waren für den Adel bzw. Landesherren, oder solche, deren Zollbezahlung aus unbekannten Gründen von Zöllnern ausgelassen wurde). Die Eintragungen, in denen keine Frachtwagen, sondern nur die Frachten notiert sind, zähle ich je als einen Frachtwagen. Es ist natürlich möglich, dass solche Frachten von Eseln befördert wurden. Postwagen mit Frachtgütern sind ebenso eingerechnet. Die Ladungsfähigkeit einzelner Wagen ist oft unbekannt. Insoweit sie in den Zollbüchern vermerkt sind, beträgt sie normalerweise 5 – 10, manchmal über 10 Schiffspfund.

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Wasserverkehr nichts erfahren kann. Wichtige Verkehrszentren waren Lüneburg, Leipzig, Braunschweig, Nürnberg, Frankfurt/Main, Erfurt und Breslau. Daneben nennen die Register mittlere und kleine Städte wie Winsen/Luhe, Celle, Bardowick, Naumburg usw. Darüber hinaus belegen sie überraschend weit entfernte Orte für den Landhandel: Wien, Prag, Paris und „Italien“. Es ist hier kurz zu bemerken, dass sich der lebhafte Landverkehr, insbesondere nach Lüneburg, den die Esslinger Landzollregister angeben, fast immer auf die Winterzeit, als die Elbe zugefroren war, konzentrierte. Dies bedeutet, dass der Landtransport bei der Ausfuhr aus Hamburg eine dem Flusshandel subordinierte Rolle spielte.178 Daher orientiert sich die zeitliche Begrenzung der folgenden Darstellungen an der Entwicklung der Elbschifffahrt. Die Esslinger Elbzollregister geben keine Anzahl oder Ladungsfähigkeit der Schiffe an. Die verzeichneten Einnahmebeträge des Elbzolls ermöglichen trotzdem die fast lückenlose Verfolgung der Handelsentwicklung. Die Summe der Zolleinnahme spiegelt die Transportmenge präziser als die Schiffszahl, weil sie das Gewicht bzw. die Stückzahl der Schiffsladungen ungefähr repräsentiert,179 während bei einer Analyse aufgrund der Schiffszahl die Ladungsmenge unberücksichtigt ist. Allerdings haben die Register ein Defizit. Die Handelsmenge im Verkehr zu Lüneburg ist wegen seiner Zollfreiheit aus der Einnahmesumme ausgeschlossen. Der Verkehr mit Lüneburg lässt sich erst für das Jahrhundertende anhand anderer Quelle erkennen.180 Die lüneburgische Schifffahrt scheint – wenn auch quantitative Belege fehlen – im Laufe des 18. Jahrhunderts zurückgegangen zu sein.181 178 Man kann auch von einer Ergänzungsrolle sprechen. Diese Abhängigkeiten werden im Kapitel V erörtert. 179 Siehe zur Quelle und Zollerhebung Anhang A dieser Arbeit. 180 Siehe die Untersuchung unten in diesem Kapitel. Dort wird der Verkehr im Überblick beobachtet, wofür auch solche Angaben genutzt werden konnten, bei denen im Einzelnen nicht klar ist, ob es sich um Wasser- oder Landverkehr handelte. 181 Ernst Baasch: Zur Geschichte des Verkehrs zwischen Lüneburg und Hamburg, in: Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen (1903), S. 185 – 223, hier S. 212 f. Eine Ausnahme beim Rückgang des Handels bildete der Salztransport von Lüneburg, dessen Umfang bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts immer noch groß gewesen sein muss. Uta Reinhardt: Die Ilmenau als Wasserstraße, in: Kurt Jürgensen (Hg.): Geschichtliche Beiträge zu Gewerbe, Handel und Verkehr im Herzogtum Lauenburg und in umliegenden Territorien, Mölln 1997, S. 45 – 54, hier S. 52. Im Laufe des 18. Jahrhunderts zeigten jedoch auch die Handelsvolumina von Salz eine abnehmende Tendenz. Siehe Bleeck: Salzhandel, S. 34 – 38; Harald Witthöft: Die Lüneburger Saline. Salz in Nordeuropa und der Hanse, vom 12.‒19. Jahrhundert. Eine Wirtschaftsund Kulturgeschichte langer Dauer, Rahden (Westf.) 2010, S. 116 – 134 und Tafel 16.

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Abbildung  IV -1 zeigt den Wandel der nach Orten eingeordneten Zollbeträge, die den Schiffen, die Esslingen elbaufwärts passierten, abgenommen wurden. Sogar wenn man lediglich annimmt, dass diese oft knappen Angaben den von Hamburg abgehenden Verkehr nur illustrieren, so bieten sie doch eindeutige Ausgangspunkte für die folgende Untersuchung. Tabelle IV-4: Z  ahl der Frachtwagen/-karren von Hamburg durch Esslingen, geordnet nach Zielorten 1733 – 1806 Jahr

Lün

Lei

Bra

1733 1734 1735 1741 1742 1743 1745 1746 1747 1748 1749 1750 1751 1752 1753 1754 1755 1756 1757 1758 1761 1762 1763 1764 1765 1766 1769 1770 1771

26 29 7 7 178 73 246 239 52 390 13 139 644 63 405 189 531 115 426 637 299 194 245 60 466 378 123 57 208

37 34 35 37 81 35 11 47 33 56 52 25 45 47 35 53 91 21 72 51 44 44 72 56 56 50 44 28 39

8 23 10 9 65 8 12 63 8 14 73 23 90 4 47 22 24 11 56 86 16 48 77 27 47 55 17 12 26

Nür Fr (M)

Erf

Bre

Andere

Gesamt

101 120 75 44 53 35 51 63 12 66 1 23 57 15 31 5 31 11 37 14 37 65 17 23 118 86 34 30 46

11 0 0 0 3 0 12 63 11 18 0 0 0 0 11 33 67 4 64 45 23 46 41 5 43 36 14 4 17

33 27 26 4 18 32 4 3 9 0 0 4 5 12 14 20 16 0 0 16 61 43 43 27 11 2 3 2 5

28 65 10 29 68 39 200 257 42 169 36 72 47 37 50 61 64 45 120 64 75 54 76 51 76 98 102 48 60

244 298 163 130 466 222 544 755 178 726 180 344 969 182 617 385 870 210 797 959 555 514 599 252 839 711 343 187 419

0 0 0 0 0 0 8 20 11 13 5 58 81 4 24 2 46 3 22 46 0 20 28 3 22 6 6 6 18

Hamburgs Mitteleuropahandel in der Atlantikzeit Jahr

Lün

Lei

Bra

1774 1775 1776 1777 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1787 1788 1789 1790 1791 1792 1793 1794 1795 1796 1797 1798 1799 1800 1801 1802 1803 1804 1805 1806

363 259 268 404 459 96 500 274 320 261 435 477 119 4 21 378 173 342 792 643 561 586 1057 2358 650 852 1035 984 641 27

45 53 38 70 41 35 29 18 22 19 13 13 23 29 31 40 19 5 22 28 8 10 8 4 7 5 36 0 40 10

8 14 37 54 57 37 70 57 23 18 1 2 12 4 2 0 1 5 1 0 0 0 22 2 4 0 0 3 0 0

Nür Fr (M) 32 32 21 46 30 6 1 0 7 6 0 0 0 0 0 0 0 8 10 3 0 18 3 0 0 0 0 0 0 0

1 2 10 14 9 5 12 20 17 12 0 0 0 0 0 13 0 0 4 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

259 Erf

Bre

Andere

Gesamt

9 8 7 22 17 11 24 3 16 4 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

9 5 3 14 4 2 5 6 1 1 0 0 1 0 5 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

52 35 51 108 92 38 74 72 64 36 5 4 0 2 2 7 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

519 408 435 732 709 230 715 450 470 357 454 496 155 39 61 438 194 360 829 674 569 614 1090 2364 661 857 1071 987 681 37

Lün = Lüneburg, Lei = Leipzig, Bra = Braunschweig, Nür = Nürnberg, Fr (M) = Frankfurt am Main, Erf = Erfurt, Bre = Breslau. Quelle: StAH, ER, Fasc. 1, Nr. 28; Fasc. 2, Nr. 1 – 131; Fasc. 3.

260

Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr

Abb.IV-1: IV-1: EEsslinger sslinger Elbzolleinnahmen geordnet nach Zielorten, 1705 – 1800 (in Mark)(in Mark) Abb. Elbzolleinnahmen geordnet nach Zielorten, 1705–1800 6000 6000 5000 5000 4000 4000 3000 3000

Von Hamburg nach Berlin Magdeburg Dresden Lübeck Lübeck+Lauenburg Andere (inkl. Lauenburg) Gesamt

2000 2000

1800

1795

1790

1785

1780

1775

1770

1765

1760

1755

1750

1745

1740

1735

1730

1725

1720

1715

1705

00

1710

1000 1000

Quelle: StAH, ER, Fasc. 1, Nr. 10 – 28; Fasc. 2, Nr. 1 – 124; Fasc. 3. „Lübeck+Lauenburg“ erfasst praktisch den Zoll für den Wasserweg über die Elbe und den Stecknitzkanal, da die nach Lauenburg beförderten Ladungen meistens über den Kanal nach Lübeck weiter transportiert wurden. Der potentielle Zoll für zollfreie Waren wurde mit eingerechnet. Vgl. in dieser Arbeit Anhang A.

Folgt man einfach den Kurven der Graphik, lassen sich für die Handelsentwicklung vier Stadien erkennen, die für die Zeitgliederung der folgenden Untersuchung angenommen werden: der Große Nordische Krieg und die Folgezeit, die Wachstumsphase seit den 1730er Jahren, der Siebenjährige Krieg und die Folgezeit, Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhundert. Der Große Nordische Krieg und die Folgezeit Nach den Angaben der Esslinger Zolleinnahmen zeigte sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts das größte Verkehrsaufkommen im Handel mit Berlin, diesem folgte das mit Magdeburg. Um 1700 herrschte im Elbhandel große Unordnung, die aus den vermehrten Fahrten und der Konkurrenz der daran teilnehmenden Schiffer aus Hamburg, Berlin und Magdeburg entstand. Auf Grund dieses Umstands und auch in Anbetracht des bevorstehenden Krieges in Nordeuropa, der den Ostseeverkehr verhindern würde und Hamburg eine für den Elbhandel günstige Aussicht bot, kam 1700 das „Reglement, die Fahrt auff der Spree/Havel/und Elbe von Berlin auff Hamburg/et vice versa von Hamburg auff Berlin betreffend“, zustande, womit die Reihefahrt zwischen Hamburg und Berlin eingeführt wurde.182 182 Das gedruckte Reglement befindet sich in SHW, S/599, Nr. 19 rot 1. Kompiliert in Jo-

Hamburgs Mitteleuropahandel in der Atlantikzeit

261

Obwohl die regulierte Flussschifffahrt wegen des Unmutes der Hamburger nicht effektiv funktionierte,183 deutet das Abkommen selbst einen sinnvollen Prozess an: einerseits in Hinblick auf das angestiegene Verkehrsvolumen, das gesteuert werden sollte, andererseits in der Tendenz zur Systematisierung, die nicht allein städtisch, sondern im größeren staatlichen Rahmen erfolgte. Im Elbverkehr mussten Hamburg und seine Schiffer sich nun an die Abmachung mit der preußischen Staatsregierung halten. Die Elbschifffahrt erlitt 1713 infolge der von Hannover, Dänemark und dann Preußen verhängten Pestsperren starke Einbußen,184 aber die Esslinger Zolleinnahmen zeigen, dass sie sich bereits seit 1714 schnell erholte. Berlin war das wichtigste Exportziel. Eine Auswirkung der preußischen Förderung Stettins, das Friedrich Wilhelm I. nach dem Großen Nordischen Krieg 1720 von Schweden erhielt, lässt sich aus den Zolleinnahmen zu dieser Zeit noch nicht ablesen. Der Handel über die Oder zur Ostsee sollte der Elbschifffahrt, die von Hamburg über Berlin nach der Oder lief, Konkurrenz machen. Für Magdeburg kann der Ansicht von A. Wieske, dass der Elbhandel seit 1710/1713 einen Rückgang verzeichnet habe,185 nur unter Vorbehalt zugestimmt werden. Zumindest bei der Ausfuhr von Hamburg zeigt unser Graph von 1713 bis 1717, vermutlich als Reaktion auf die Abnahme 1713, einen Anstieg. Bemerkenswerter ist aber das Ergebnis, dass die Zahlen für Berlin größer ausfielen als für Magdeburg. Dies ist gleichbedeutend damit, dass der Handelsverkehr in die Kurmark und nach Schlesien größer als nach Sachsen – Leipzig – und Böhmen war. Wir erkennen, wie im Kapitel  III erörtert, den vorläufigen Zuwachs der Ausfuhr nach Lübeck (über den Stecknitzkanal), die diejenige nach Magdeburg übertraf. Die Entwicklungskurve für die gesamte Ausfuhr zeigt für den Flusshandel zu dieser Zeit eine Hausse, auf die ab 1720 ein Absinken auf etwa den vorherigen Umfang folgt. Differenziert betrachtet ging vor allem der abgehende hann Klefeker: Sammlung der Hamburgischen Gesetze und Verfassungen in Bürgerund Kirchlichen, auch Cammer-, Handlungs- und übrigen Policey-­Angelegenheiten und Geschäften samt historischen Einleitungen, Teil 6, Hamburg 1768, S. 327 – 337. Zur Reihefahrt siehe Kapitel II, Anm. 191. 183 Dazu siehe Ernst Baasch: Zur Geschichte der Berlin-­Hamburger Reihefahrt, in: ZVHG 9 (1894), S. 182 – 201. 84 Gallois: Hamburg, Bd. 2, S. 530 – 532; Adolf Wohlwill: Hamburg während der 1 Pestjahre 1712 – 1714, in: Jahrbuch der Hamburgischen Wissenschaftlichen Anstalten 10 (1892), S. 289 – 406, hier S. 366 f., 386 und 390; Ramcke: Hamburg und Österreich, S. 42 – 44. 85 Wieske: Elbhandel, S. 107. Dies betraf vor allem den Korn- und Manufakturhandel. 1 Es ist bei Wieske aber nicht eindeutig, ob das gesamte Handelsvolumen oder nur die magdeburgische Flussschifffahrt gemeint ist.

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Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr

Handel nach Lübeck/Lauenburg und auch Magdeburg zurück, während der Export nach Berlin das fast gleichbleibende höhere Niveau bis 1731 behielt. Wachstum seit den 1730er Jahren Um 1735 setzte für den Elbhandel eine Wachstumsphase ein. Mit dem verstärkten Kornexport für die preußischen Armeen unterlag der Handel auch während des Schlesischen Krieges seine günstige Konjunktur. Richtet man den Blick auf den Seeverkehr, dann entwickelte sich der Einfuhrhandel von Kolonialwaren, deren Herkunft sich immer stärker auf Frankreich, daneben auf England konzentrierte.186 Für dieses Segment kann man behaupten, dass die überregionalen Handelsströme zwischen Nordsee/Atlantik und binnenländischen Gebieten über Hamburg zuzunehmen begannen. Welche Binnenregionen waren an dieser Entwicklung beteiligt? Die bedeutendsten Zielorte der von Hamburg abgehenden Elbschifffahrt waren Berlin und Magdeburg. Die Angaben der Zöllner in Esslingen sprechen deutlich dafür, dass die über Berlin vermittelten Waren weiter nach Breslau,187 die über Magdeburg in erster Linie nach Leipzig,188 sonst nach Dresden gingen. In manchen Eintragungen der nach Dresden bestimmten Schiffe ist der weitere Zielort Pirna nebenbei vermerkt, was die weitere Verbindung mit Böhmen, ferner mit Österreich beweist.189 Die Handelsverbindung mit Leipzig war zu dieser Zeit bestimmt stark. Insbesondere an den Leipziger Messen nahm Hamburg regelmäßig teil. In den Esslinger Landzollregistern sind neben Frachtwagen zahlreiche Fahrzeuge – oft ohne Zollentrichtung – vermerkt, die sich kurz vor der Messezeit nach Leipzig begaben. Diese waren sicher die Reisewagen der Kaufleute, die die Leipziger Messe besuchten. Dennoch ist zu betonen, dass Berlin – zumindest im ausgehenden Verkehr – unter allen Handelsorten in mitteleuropäischen Binnengebieten den ersten Platz einnahm. Dies bedeutet, dass die Warenströme nach 186 Vgl. Kapitel II dieser Arbeit. 187 Im April 1736 berichtete der Zöllner zu Esslingen: „Seitdem es in Pohlen endlich zur Ruhe gekommen, hat das Commercium von Hamburg nach der Schlesie […] beßern fortgang gewonnen, insonderheit ist viel Wein und Branndtwein über Berlin dahin gegangen“. StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 6, S. 26. 188 Im September 1735 berichtete der Zöllner zu Esslingen: „Es ißt in diesem Monath mehr Leipziger Meßguth über Magdeburg zu Waßer fortgegangen als im vorigen Jahre“. StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 5, S. 13. Ferner siehe Abschnitt 1 dieses Kapitels. 189 Der bedeutendste Artikel des Hamburger Österreichhandels war der in Hamburg raffinierte Zucker. Ramcke: Hamburg und Österreich, S. 206.

Hamburgs Mitteleuropahandel in der Atlantikzeit

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der Kurmark und Schlesien zu dieser Zeit weiterhin größer waren als diejenigen nach Sachsen, Böhmen und Österreich. Die intensive Handelsverbindung mit Berlin und daneben Magdeburg involvierte Hamburg gleichzeitig in den merkantilistischen Wirtschaftskampf Preußens,190 das durch eine Reihe von Kriegszügen gezielt mehrere wichtige Verkehrsstützpunkte annektierte und damit in dem durch zahlreiche Grenzen zerteilten Reichsgebiet eine eigene systematische Wirtschaftseinheit einzurichten versuchte. Hamburg war ein Ort, der, obwohl er für das preußische Verkehrssystem einen bedeutenden Knotenpunkt darstellte (Ein- und Ausgang des Handels mit und über Berlin sowie Magdeburg), trotzdem nie unter Preußens Fuchtel stand und stehen wollte. Neben Berlin und Magdeburg waren Frankfurt/Oder sowie Stettin die Städte, auf die sich der Interessenskonflikt zwischen Hamburg und Preußen im Binnenhandel bezog, denn die beiden Städte an der Oder bildeten wichtige Komponenten des preußischen Flussverkehrssystems. 1733 ergab sich ein Streit mit Preußen um Fischhandel, in dem der preußische Resident in Hamburg der Stadt energisch vorwarf, dass vier Hamburger Kaufleute ein Monopol auf isländischen Fisch intendiert hätten, wofür sie in Übergehung der Kaufmannschaft in Stettin und Frankfurt/Oder einen entsprechenden Handelsvertrag mit der Isländischen Kompagnie in Kopenhagen geschlossen hätten. Laut dem Vertrag sollte der isländische Fisch allein Hamburgern geliefert werden, während Lübeckern und Stettinern davon nichts überlassen werden sollte. Schließlich kündigte er als mögliche preußische Gegenmaßnahmen an, da Sr. Kong. Mayst. nicht umhin könten, den auf der Havel und den Spree Strohmen passirenden Isländischen Fisch mit 25 p. cent höher als den so über Stettin gehet, zu impostiren, oder allenfals […] selbigen auch woll gar nicht mehr auf gedachten beyden Ströhmen passiren zu laßen.191

Wegen der Bedrohung versuchte Hamburg sich mit der Aussage zu rechtfertigen, dass es kein Monopol gegeben habe. Der Fang sei einfach schlecht gewesen, und es sei kein Fisch für Stettiner übrig. Durch den Druck aus Stettin wurde in Kopenhagen vereinbart, 200 Schiffspfund Fisch für dessen Handel sicherzustellen.192

190 Vgl. HelenL Iebel: Laissez-­faire vs. Mercantilism. The Rise of Hamburg & The Hamburg Bourgeoisie vs. Frederick the Great in the Crisis of 1763, in: VSWG 52 – 2 (1965), S. 207 – 238. 191 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kc, Nr. 3a. 192 Ebenda.

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Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr

Der Erwerb Schlesiens im Österreichischen Erbfolgekrieg war für Friedrich den Großen der Anlass dazu, die durch Hamburg vermittelten Handelsströme zwischen Nordsee bzw. Atlantik und den mitteleuropäischen Produktionsgebieten zugunsten Stettins umzuleiten.193 „Die vorgehabte Preußische Veränderung im Zoll- und Commercien-­Wesen betr.“194 ordnete 1741 Syndikus Lipstorp in einem Schreiben an Hamburg an: „die Absicht der Stettiner ist wol die gefährlichste, und die bey ietzigen Umständen, der König in Preusssen [in der Tat] Meister von Schlesien ist, am leichtesten mögte können ins Werck gerichtet werden“.195 Preußen versuchte nämlich mit der Ermäßigung des Oderzolls die Handelslinie von Hamburg nach Schlesien zu unterhöhlen. Allerdings ergab sich noch keine messbare Auswirkung im Handel. Für die 1740er Jahre zeigen die Esslinger Elbzolleinnahmen für Berlin eine aufsteigende Tendenz. Erst um 1750 vollzog sich infolge der preußischen Handelspolitik eine Änderung der Gewichtsverhältnisse unter den Handelspartnern Hamburgs. 1747 wurde in Magdeburg mit preußischer Unterstützung erneut das Stapelrecht eingeführt. Die Absicht lag darin, in den Verkehr von Hamburg mit Sachsen (Leipzig), ferner mit Böhmen und Österreich einen Keil zu treiben und damit einen großen Teil des Binnenverkehrs in Mitteleuropa unter preußische Kontrolle zu bringen. 1747 ging an die Preußische Kammer ein Schreiben von Friedrich dem Großen: Nachdem wir […] in Erfahrung gekommen, daß den benachbarten sächsischen und anderen Kaufleuten, auch anderen Auswärtigen wieder [sic] die der Stadt Magdeburg zustehenden Stapelgerechtigkeit zugelassen worden, mit ihren Schiffen gedachte Stadt Magdeburg vorbei gerades Weges nach Hamburg, auch von daher wiederum zurück zu schiffen, als befehlen Wir Euch […] dergleichen sofort abzustellen und nicht weiter zu gestatten, vielmehr die Stadt Magdeburg hierunter bei ihrer Stapelgerechtigkeit zu schützen.196

Mit dieser Maßregel wurde die direkte Elbschifffahrt zwischen Hamburg und Dresden ausgeschlossen. Gleichzeitig vermehrten sich in Hamburg die Einnahmen aus dem Elbzoll, der von Richtung Magdeburg fahrenden Schiffen gezahlt wurde. Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit die Warenzufuhr über 193 Die Oder verknüpft Stettin und die Ostsee mit Breslau in Schlesien. Zur wirtschaftlichen Integration Schlesiens in Preußen und dessen Bedeutung für den Gesamtstaat siehe Karl Heinrich Kaufhold: Schlesien 1740 – 1806. „Kolonie“ oder „Entwicklungszentrum“ Preußens?, in: Rainer Gömmel/Markus A. Denzel (Hg.): Weltwirtschaft und Wirtschaftsordnung, Stuttgart 2002, S. 139 – 150. 194 Im August 1742 wurde der Oderzoll für das kommende Jahr um die Hälfte herabgesetzt. 195 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 19, Vol. 2. 196 Zitiert nach: MAI: Magdeburger Elbschiffahrt, S. 734 f.

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Magdeburg hinaus nach der Oberelbe unterbrochen war, da man in Magdeburg seine Ladung nur ausladen musste. Nach einem zeitgenössischen Bericht wurde vor dem Siebenjährigen Krieg (wohl in der ersten Hälfte der 1750er Jahren) von Hamburg und Lübeck in die österreichischen Erblande jährlich 30.000 – 50.000 Zentner raffinierter Zucker, 50.000 – 60.000 Zentner Kaffee, 8000 – 10.000 Rollen Brasiltabak und ferner verschiedene Kolonialwaren, Fisch und Wein geliefert.197 Dennoch behinderte der Magdeburger Stapel den Schiffsverkehr nach Dresden, worauf der Senat in Hamburg im Jahre 1786 zusammenfassend hingewiesen wurde.198 Mit der Wiedereinführung des Magdeburger Stapelrechts verschärfte sich der Wirtschaftskrieg zwischen Preußen und Sachsen,199 in den der Hamburger Hinterlandhandel verwickelt wurde. Auf Grund des hohen Zolls auf preußische Waren in Sachsen und auch als wirtschaftlicher Angriff auf den Leipziger Straßenzwang – der den Stapel für Leipzig sicherte – beschloss Preußen 1755 die Einführung eines neuen Transitzolls. Für Hamburger Messereisende, die üblicherweise über Magdeburg verkehrten, bedeutete dieser ein beschwerliches Hindernis auf dem Weg zu den Leipziger Messen. Die Kaufleute in Hamburg erhoben Einspruch und drohten damit, als Gegenmaßnahme eine Ersatzroute zu benutzen.200 In der Tat ließen im Herbst desselben Jahres viele Kaufleute ihre Waren den Landweg über Lüneburg nach der Leipziger Michaelismesse nehmen.201 Da der preußische König angesichts dieser Maßnahmen den Zoll zurücknahm, spiegelt sich die Auswirkung dieser Routenänderung in ­Abbildung IV-1 nicht eindeutig wider. Preußen verfolgte in dieser Zeit neben der Systematisierung des Verkehrswesens eine konsequente Politik zur Förderung einheimischer Industrie. Als die Zufuhr von fremden Produkten in seine Herrschaftsgebiete beschränkt wurde, konfligierte dies freilich direkt mit dem Hamburger Handel. Der Ausbau der preußischen Wassernetzwerke schuf dabei sicher einen Anreiz zum Handelswachstum in den angeschlossenen Gebieten, hatte aber gleichzeitig einen zunehmenden Einfluss hamburgischen Kapitals zur Folge. Der Erwerb 197 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kc Nr. 18, Fol. 5v. 198 Der Hamburger Syndikus G. Sillem und Ratsherr J. G. Bausch berichteten über die langfristigen Negativauswirkungen des Magdeburger Stapels auf den Schiffsverkehr nach Dresden. StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kc Nr. 16, Vol. 1d. 199 Zum Wirtschaftskrieg zwischen Preußen und Sachsen siehe Thomas Bertz: Der sächsisch-­preußische Elbhandel im 18. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Regionalgeschichte 16 (1989), S. 94 – 101. 200 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 19, Vol. 3c. 201 Die Nutzung und Bedingungen dieser Ersatzroute werden später erörtert.

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Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr

von Stettin (1720) und Schlesien (1748) verschaffte dem wachsenden Territorialstaat Preußen die Verfügungsgewalt über eine durch die Oder verbundene Region, die mit dem hamburgischen Elbhandel konkurrieren konnte. Es entstand eine Verkehrsachse, die die Ostseeküste mit binnenländischen Gewerbegebieten verband. Vor diesem Hintergrund war Preußen bestrebt, sich der Einflüsse Hamburgs zu entziehen. Den größten hamburgischen Handelsposten machte Zucker aus, der in den dortigen Raffinerien verarbeitet und über den Wasserweg massenhaft als Zucker und Sirup und in weiteren Variationen in preußische Gebiete importiert wurde. 1749, ein Jahr nach dem Erwerb von Schlesien, nahm die Zuckerraffineriefabrik von David Splitgerber die Produktion auf.202 Bei dieser Gelegenheit versuchte der Preußenkönig, die Einfuhr ausländischer Produktion zu verhindern und damit die einheimische Industrie zu fördern. Denn der Berliner Zucker blieb teurer als der Hamburger, und dies obwohl die oberschlesische Kohle, die als Brennmaterial bei der Zuckerverarbeitung diente, völlig von Zoll und Schleusengeld befreit auf dem Wasserweg transportiert wurde.203 Zuerst verdoppelte der König die Konsumtionsakzise auf den inländischen Verbrauch von fremdem raffiniertem Zucker und Sirup, und 1752 verbot er dann alle fremde Einfuhr in Brandenburg und Pommern.204 Dies war wohl eine Ursache dafür, dass die Elbschifffahrt nach Berlin 1752 – 1756 zwischenzeitlich zurückging. Im Folgenden übertrafen die Ausfuhren nach Magdeburg erstmals diejenigen nach Berlin.205 Insgesamt zeigt aber die Elbschifffahrt seit 1735 trotz aller Hindernisse einen ansteigenden Trend. Zwar nahm der Handel mit Berlin einigermaßen ab, trotzdem hielt er sich im Vergleich zu anderen Orten auf hohem Niveau. Die Zahlen der Zollregister entsprechen also nicht der Behauptung, dass der Elbhandel seit 1740 wegen des „Zollkrieges“ zwischen Sachsen und Preußen 202 Zu Splitgerber siehe Wilhelm Treue: David Splitgerber. Ein Unternehmer im preußischen Merkantilstaat (1683 – 1764), in: VSWG 41 – 3 (1954), S. 253 – 267. 203 Hugo Rachel: Das Berliner Wirtschaftsleben im Zeitalter des Frühkapitalismus, Berlin 1931, S. 215 f. 204 Hugo Rachel: Handels-, Zoll- und Akzisepolitik, Bd. 3,1, Berlin 1928, S. 757 f. Rachel: Berliner Wirtschaftsleben, S. 216. 205 Die Raffinerie bekam ihren Vorrat an Rohzucker durch Vermittlung der märkischen Gilde aus Hamburg geliefert, überwarf sich 1761 aber mit ihr und bezog ihn seitdem ausschließlich über Stettin. Mai: Magdeburger Elbschiffahrt, S. 793, Anm. 4. Ein Einfuhrverbot sollte 1756 auch in Magdeburg in Kraft treten. Nach heftigen Einsprüchen wurde sie widerrufen. Rachel: Handels-, Zoll- und Akzisepolitik, Bd. 3,1, S. 759. Die Breslauer Kaufleute, die die schlesischen, polnischen sowie böhmischen Märkte mit Transitwaren aus Hamburg versorgten, äußerten sich über das Splitgerbersche Monopol missfällig. Radtke: Gewerbe und Handel, S. 169 f.

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gehemmt wurde.206 Ein Grund dafür lag in kaufmännischen Praktiken, die in Kapitel V behandelt werden. Die Zollpolitik Preußens bereitete auch den einheimischen Produzenten Sorge. Da zwischen den Kolonien West- und Nordeuropas (Kolonialwaren) und den Gewerberegionen in Schlesien (Leinen) Warenaustausch bestand,207 reagierten die Leinenhändler im schlesischen Hirschberg besorgt auf die Einfuhrbeschränkungen bei Kolonialwaren. 1751 äußerten sie, dass Hamburg „mit unserem Interesse unvermeidlich impliciret [verbunden]“ sei. Sie befürchteten, dass das preußische Zucker- und Tabakmonopol und der hohe Impost auf Kaffee dem Handel nach Hamburg abträglich sein könnte, weil damit die wichtigsten Baratto-, also Tauschwaren wegfielen.208 Die Zufuhr von Getreide aus Magdeburg nahm in Hamburg ab, während sich der Leinenhandel noch behauptete.209 Man kann feststellen, dass im Hamburger Einfuhrhandel mit Schlesien und Sachsen Leinen immer mehr in den Vordergrund zu treten begann und damit dort die Grundlage für den Austauschhandel mit Kolonialwaren bildete. Der Siebenjährige Krieg und die Folgezeit Während des Siebenjährigen Krieges erfuhr die Elbschifffahrt nach Binnengebieten ihren Höhepunkt. Die zurückgegangene Ausfuhr nach Berlin erholte sich und nahm kräftig zu. Damals musste Preußen seine Schutzpolitik gegen die Warenzufuhr aus Hamburg lockern, weil Russland und Schweden die Ostsee blockierten und damit der Verkehr Preußens zum Ausland auf die inländische Route über Berlin bzw. Magdeburg und Hamburg beschränkt wurde. Zwar konnte sich der Absatz der Splitgerber’schen Zuckersiederei in den Kriegsjahren auf der Höhe von 1755 halten, gleichzeitig wurde die Einfuhr aus Hamburg nicht so rigoros abgesperrt wie im Frieden.210 Zeitweise herrschte in preußischen Gebieten Zuckermangel und daher gab die Zollbehörde in Magdeburg 206 Michael Zeuske/Jörg Ludwig: Amerikanische Kolonialwaren und Wirtschaftspolitik in Preußen und Sachsen. Prolegomena (17./18. und frühes 19. Jahrhundert), in: Jahrbuch für Geschichte von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Lateinamerikas 32 (1995), S. 257 – 301, hier S. 295, Anm. 138. 207 Siehe dazu Kapitel II dieser Arbeit. 208 Kühn: Leinwand- und Schleierhandel, S. 89. 209 Vgl. unten in diesem Kapitel. 210 Rachel: Handels-, Zoll- und Akzisepolitik, Bd. 3,1, S. 759; Ludwig Beutin: Die Wirkungen des Siebenjährigen Krieges auf die Volkswirtschaft in Preußen, in: VSWG 26 (1933), S. 209 – 243, hier S. 223 f.

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vielfach Hamburger Transitzucker frei.211 Der Zuwachs der Schifffahrt nach Magdeburg wurde aber hauptsächlich durch die kriegsbedingte Nachfrage nach Getreide verursacht. Während einiger Kriegsjahre fungierte Magdeburg als Logistikzentrum der Getreidelieferungen aus Hamburg für preußische Truppen, die in Sachsen aufmarschierten.212 Nach dem Krieg geriet der Elbhandel in eine Stagnation. Abgesehen vom Jahre 1771, als große Mengen an Getreide nach Magdeburg exportiert wurden, dauerte die Depression so lang wie nie zuvor im Untersuchungszeitraum. Nach Beobachtungen aus dem 18. Jahrhundert fällt die Zeit vom Ende des Krieges bis zum Jahre 1788 in eine Periode allgemeiner Flaute in der hamburgischen Wirtschaft.213 Es ist aber in der heutigen Literatur nachgewiesen, dass die Abnahme des Überseehandels nicht so stark war wie angenommen.214 Die Einnahmebeträge des Admiralitätszolls zeigen auch keinen Rückgang des Hamburger Vorderlandhandels.215 Was geschah währenddessen im Hinterlandhandel? Der Verkehrsrückgang war im Handel mit Berlin besonders auffällig. Laut M. Zeuske und J. Ludwig setzte sich nach dem Krieg die Erkenntnis durch, dass Preußen auf den von Hamburg organisierten Zwischenhandel angewiesen war.216 Darauf folgte schnell der Versuch, sich von dieser Abhängigkeit zu befreien.217 1764 wurde das Zuckermonopol von Splitgerber wieder eingesetzt und seine Zuckerraffinerie erhielt zusätzlich den Auftrag, auf eigene Rechnung ganz Schlesien und Glatz mit Zucker zu versorgen, allerdings unter der Bedingung, keinen höheren Preis als die Hamburger zu verlangen.218 Eine weitere Erschwernis, die besonders den Hamburger Handel in die preußischen Gebiete traf, war die Erhöhung der Warensteuer auf Wein, Branntwein und Kaffee im April 1766.219 In dem Bericht über die Esslinger Elbzolleinnahmen für den 211 Jakob Baxa/Guntwin Bruhns: Zucker im Leben der Völker, S. 66 – 68. Die Breslauer Kaufleute beschwerten sich auch, dass der Berliner Zucker viel teurer sei als der Hamburger. 212 Dieser Umstand wird noch später erwähnt. 213 Büsch: Versuch, S. 141. 214 Walther Vogel: Handelskonjunkturen und Wirtschaftskrisen in ihrer Auswirkung auf den Seehandel der Hansestädte 1560 – 1806, in: HGbll 74 (1956) S. 50 – 6 4, hier S. 60. 215 Vgl. z. B. Tabelle II-5a und 5b dieser Arbeit. 216 Zeuske/Ludwig: Amerikanische Kolonialwaren, S. 274. 217 Nach dem Krieg ging Friedrich der Große erneut daran, Handel und Gewerbe in seinen eigenen Staaten zu beleben und traf Hamburg mit diesen Maßnahmen. Wieske, Elbhandel, S. 122. 218 Rachel: Handels-, Zoll- und Akzisepolitik, Bd. 3,1, S. 759 – 764. 219 Rachel: Handels-, Zoll- und Akzisepolitik, Bd. 3,1, S. 145 – 147.

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Zeitraum von März bis August 1766 schrieb der Zöllner: „Die im Preussischen angestelten Neuigkeiten, bei der Handlung geben obiges minus“.220 In den 1770er Jahren wurde Zoll auf Wein und Kaffee erhöht.221 Hinzu kam die nun auf Hamburg wirkende Konkurrenz mit dem Beförderungsweg über Stettin. Die Route Ostsee – Stettin – Oder begann Teile der Warenvermittlung zwischen Westeuropa und Breslau zu übernehmen, die bisher über die Elbe und Berlin zur Oder gelaufen war. Schon mit der Einverleibung Stettins im Jahre 1720 verringerten sich durch den schwedischen Abzug vom Oderverkehr die Zollschranken und nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges wurde dieser Weg verstärkt genutzt.222 Der Zöllner zu Esslingen berichtete 1769: „Man sucht die Stettinnsche Handlung in Flor zu sezen, wodurch das hiesiege Minus gewiß erfolgen muß“.223 Diese Umleitung des Verkehrs musste den Austausch zwischen Hamburg und den preußischen Leinengebieten beeinflusst haben. Laut eines Berichts von den Kriegsräten Hartman und Schnecker, der im Jahre 1770 in Breslau erstellt wurde, habe das Leinen-­Commercium nach dem Siebenjährigen Krieg stark abgenommen.224 Als Hauptursache nannten sie das Verbot des Hamburger Zuckers. Diese Vorgänge hatten eine Gewichtsverlagerung innerhalb des Elbhandels zur Folge: Magdeburg enthob Berlin der ersten Stellung im Flusshandel mit Hamburg. Eine Abnahme des Handels ist aber auch im Verkehr zu Magdeburg zu ersehen. Sie war lediglich nicht so groß wie im Fall Berlins. Abgesehen vom Ausnahmejahr 1771, in dem große Mengen Getreide nach Magdeburg transportiert wurden, verlief der Handel im Vergleich zu der Konjunkturphase während des Siebenjährigen Krieges auf einem etwas niedrigeren Niveau und am Anfang der 1780er Jahre erreichte er seinen Tiefpunkt. Auch in Magdeburg wurden durch die preußische Handelspolitik Hemmnisse erzeugt. Die Einführung der neuen Zoll- und Akziseordnung 1766 hinderte den Warenvertrieb in die preußischen Gebiete,225 die Förderung Stettins 220 StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 60, S. 130. 221 Rachel: Handels-, Zoll- und Akzisepolitik, Bd. 3,1, S. 245 – 247 und 271 f. 222 Nach den Sundzollregistern beträgt die Zahl der Schiffe, die von 1669 bis zum Ende der schwedischen Zeit (1720) ostwärts durch den Öresund passierten, jährlich im Durchschnitt 10, vom Beginn der preußischen Zeit bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges (1763) stieg dieser auf 63 und 1764 – 1783 waren es durchschnittlich 134. Vgl. SZR. 223 StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 64, S. 110. 224 Rachel: Handels-, Zoll- und Akzisepolitik, Bd. 3,1, S. 571 f. 225 Siehe oben.

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beraubte Magdeburg ebenso wie Berlin des Elbhandels mit Hamburg,226 und eine verschärfte Kontrolle von Transitgütern erschwerte den schnellen Warenverkehr.227 Dies bedeutet, dass der Warenverkehr über die Handelslinie Hamburg – Magdeburg – Leipzig gedrosselt wurde, wenn auch die Beteiligung der hamburgischen Kaufleute auf Leipziger Messen weiter beträchtlich war.228 Bei gleichzeitiger Kriegskonjunktur konnte diese Reise aber ebenso wenig gewinnbringend sein. 1755 habe es nach P. Jeannin auf der Leipziger Messe absolut an Geld gefehlt, so dass die Hamburger Kaufleute ihre Waren eher wieder mit sich genommen hätten als sie auf Kredit zu verkaufen.229 Ähnlich wie in Preußen war das Vorgehen Österreichs, dass sich im Besonderen auch gegen den Hamburger Handel richtete und ebenfalls die Ausfuhr über die Elbe und den Vermittlungsort Magdeburg belasteten. Nachdem Maria Theresia seit 1753 auf den Hamburger Zucker bei der Einfuhr in die böhmischen Länder einen hohen Zoll und dann 1755 auch ein Ein- und Durchfuhrverbot für Ober- und Niederösterreich gelegt hatte, erließ sie 1763 erneut ein solches Einfuhrverbot für Innerösterreich, womit Hamburg nun ganz Zentralösterreich und die böhmischen Länder als Absatzmarkt für seinen Zucker zu verlieren drohte.230 Im Zusammenhang damit förderte Maria Theresia, wie es Friedrich der Große bei Splitgerber in Berlin getan hatte, die Zuckerraffinerie in Fiume, um den Hamburgern Konkurrenz zu machen.231 Wie das preußische Stettin 226 So berichtete der preußische Kammerpräsident zu Magdeburg. Rachel: Handels-, Zoll- und Akzisepolitik, Bd. 3,2, S. 285. 227 Es wurde beispielsweise 1769 beschlossen, dass vom über den von Lenzen nach Magdeburg transportierten Tabak wöchentlich ausführliche Angaben angefertigt werden, beispielsweise über den weiteren Bestimmungsort ab Magdeburg, die Namen der Absender in Hamburg, die Schiffer und die magdeburgischen Spediteure, das Gewicht des Tabaks usw. StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 19, Vol. 4, 1769. Als Hintergrund für den Abgang der Magdeburger Elbschifffahrt nennt MAI daneben „Luxus und Leichtsinn der Kaufleute und Schiffer“. In einem Kabinetterlass vom 11. August 1766 heißt es: „Nicht die erst seit zwei Monaten neu eingeführte Acciseverfassung ist schuld an den Verlegenheiten der Kaufleute, Meines Wissens ist eigentlich ihre eigene üble und dessolute Lebensweise und Wirtschaft seit dem Kriege die wahre Ursache“. Zitiert bei Mai: Magdeburger Elbschiffahrt, S. 795 f. 228 Unter den Besuchern auf Leipziger Messen stellten Hamburger eine vorwiegende Gruppe unter den nichtsächsischen Kaufleuten. Josef Reinhold: Polen/Litauen auf den Leipziger Messen des 18. Jahrhunderts, Weimar 1971, S. 21 – 24. 229 Jeannin: Hansestädte, S. 69. 230 Ramcke: Hamburg und Österreich, S. 217. 231 1763 beschwerten sich Hamburger Kaufleute bei der Commerzdeputation: „Die erwehnte Einschränkung bestehet in einem von Ihro Röm. Keys. Kön. Maj. publicirten Verbot, ganz und gar keine fremde rafinirte Zuckern […] ferner in die Österreichischen

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behauptete sich nach Ende des Siebenjährigen Krieges der österreichische Adriahafen Triest gegen den Hamburger Elbhandel mit Österreich, Böhmen und sogar Sachsen und Polen.232 Unter diesen Umständen ging der gesamte Ausfuhrhandel auf der Elbe vom Ende des Siebenjährigen Krieges bis gegen 1780 stark zurück. Im Landverkehr durch Esslingen erkennt man gleichzeitig keine besondere Zunahme von Wagen. Die Warenzufuhr nach den Binnengebieten stockte.233 Wohin wurden aber stattdessen die von der See nach Hamburg gebrachten Waren vertrieben? Im Kapitel  III haben wir festgestellt, dass sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die seewärtige Ausfuhr von Kolonialwaren aus Hamburg in den Ostseeraum im Gegensatz zum Binnenhandel sprunghaft entwickelte. Der Wendepunkt lag am Beginn des Siebenjährigen Krieges, als viele Elbschiffe für die Versorgung der preußischen Truppen mit Proviant eingesetzt wurden.234 Zu dieser Zeit wurden die Waren von der Elbe in den Ostseeraum abgesetzt. Die Abschaffung des Differentialzolls am Öresund im Jahre 1768, eben in der Zeit, als der Elbverkehr eingedämmt wurde, war ein entscheidender Moment. Während auf der Elbe ein Riegel vorgeschoben wurde, wurde ein anderer am Eingang zur Ostsee aufgeschoben. Die Warenströme flossen in den offenen Markt.

Lande einzuführen, und in dem Privilegio exclusivo, welches die Fiumer Compagnie erhalten, und darin bestehet, daß ihre fabricirte Zuckern allein in den Österreichischen und Ungarischen Landen debitiret werden sollen“. Baasch: Quellen, S. 247. 232 Laut der Vorstellung des Vice-­Präsidenten der Commerzdeputation Schuback im Jahre 1769: „Durch die Verhöhung des Elb-­Zolles und die damit verknüpften Einschränkungen ist es bereits dahin gediehen, daß nicht allein nach Österreich, Böhmen u. s. f. viele Waaren über Triest gesandt werden, sondern man hat auch im vorigen Jahre bereits den Anfang gemacht, selbst nach Sachsen Waaren über Triest zu senden. In Wahrheit keine Unterstützung vom kays. Hofe wird so viel zur Aufnahme von Triest beytragen, als eine eingeschränkte Handlung auf der Elbe dazu beytragen wird.“ Baasch: Quellen, S. 187. Gefördert wurde beispielsweise der Leinenexport aus Böhmen über Triest nach Spanien. Auch konnte Polen 1776 Waren, die bisher über Hamburg und Danzig bezogen wurden, zu einem verringerten Transitzolltarif, der von österreichischer Seite stillschweigend akzeptiert wurde, über Triest einführen. Ramcke: Hamburg und Österreich, S. 221 – 223. 33 Auch die Ausfuhr nach Lübeck hat nach den Angaben der Esslinger Zollregister im 2 Wasserverkehr keine Zunahme erfahren. 34 Siehe unten in diesem Kapitel. 2

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Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts In den 1780er Jahren begann sich die Ausfuhr über die Elbe nach dem Hinterland wieder zu erholen. Die Elbschifffahrt nach Magdeburg entwickelte sich zunächst am günstigsten. Die Ausfuhr nach Berlin erholte sich bis um die Mitte der 1790er Jahre langsam von der Flaute. Der Wasserverkehr mit Lübeck nahm ebenfalls zu. 1795 erreichte die Elbschifffahrt ihren zweiten Höhepunkt.235 Schon 1778 schrieb Octavio Schröder, ein Hamburger Kaufmann, der damals einerseits den Englandhandel, andererseits den Reexporthandel von Zucker, Kaffee und Tabak nach Dresden, Berlin, Magdeburg, Lübeck und St. Petersburg betrieb, in seinem Handlungsbuch als Schlusswort des Jahres: „Bis hierher hat der Herr geholffen! So kann ich mit Recht und mit ganz dankerfülltem Hertzen sagen“.236 Es bieten sich mehrere Erklärungen für die Wiederbelebung des Elbhandels an. Einerseits nahm im Seeverkehr der schon in früheren Zeiten gewichtige Einfuhrhandel aus Frankreich noch kräftig zu. Die angestiegenen Einfuhren stimulierten den binnenländischen Verkehr, vor allem nach Magdeburg, aber auch nach Berlin. Der Handel mit Frankreich wurde 1789 mit dem Ausbruch der Französischen Revolution unterbrochen, gleichzeitig aber wuchs die Einfuhr aus England, zugleich auch der direkte Verkehr mit den Vereinigten Staaten kräftig an.237 Trotz aller Bemühungen in der Regierungszeit Friedrichs II. über Preußen konnte die Überlegenheit Hamburgs im Binnenverkehr nicht unterbunden werden.238 Andererseits zog Hamburg aus dem Ersten Koalitionskrieg seinen Nutzen. Die Einverleibung Hollands durch Frankreich im Winter 1794/1795 sperrte den Rheinhandel, dessen Verkehr zu Westdeutschland daraufhin nach Hamburg umgeleitet wurde.239 Dies spiegelt sich auch deutlich im Landhandel. Seit 1795 erfuhr der Landverkehr aus Hamburg nach den Binnengebieten in den über Lüneburg durchgehenden Wagen eine explosive Zunahme. Die unsichere Situation auf der Rheinstraße brachte der lüneburgischen Spedition

235 Die seewärtige Ausfuhr nach der Ostsee entwickelte sich diesmal parallel zum Elbhandel und erreichte 1787 – 1791 ihren zweiten Höhepunkt. 236 StAH, Firmenarchiv, 33 Schroeder Octavio, 1, S. 508. 237 Siehe Tabelle II-5a und 5b dieser Arbeit. 238 Vgl. Zeuske/Ludwig: Kolonialwaren, S. 272 f. und 282. 239 Büsch: Versuch, S. 210; Wiskemann: Welthandelspolitik, S. 129; Kellenbenz: Außenhandel, S. 25.

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einen besonderen Vorteil.240 Diese Konjunktur dauerte aber nur vorläufig an und mit dem Einmarsch der napoleonischen Truppen in norddeutsche Gebiete ging sie schnell zurück. 1805 und 1806 wurde berichtet, dass viele Fähren bei Esslingen für die Beförderung der russischen und schwedischen Armeen benutzt worden seien.241 Aus den Zahlen über den einkommenden Verkehr um 1790, die aus den Kontentbüchern des Admiralitätskollegiums entnommen werden, lassen sich dazu noch wichtige Erkenntnisse über den Binnenhandel dieser Zeit gewinnen. Tabelle IV-5 gibt die Zahlen der in ihnen verzeichneten Eintragungen an, die beim Ankommen der Fuhrwerke und Handelsschiffe registriert wurden.242 Tabelle IV-5: Eintragungszahl des einkommenden Land- und Flussverkehrs in den Admiralitätszollregistern 1778 – 1792 Lübeck Lauenburg Lüneburg Magdeburg Berlin

1778 104 55 207 26 39

1779 101 51 219 26 32

1780 103 43 191 24 31

1781 103 45 184 26 40

1782 99 63 202 22 42

1783 93 73 209 25 34

1784 102 47 214 24 42

Lübeck Lauenburg Lüneburg Magdeburg Berlin

1786 92 23 196 20 23

1787 87 46 173 17 27

1788 75 14 110 14 23

1789 97 29 166 26 34

1790 91 30 165 25 52

1791 86 28 176 24 33

1792 94 30 175 19 30

Quelle: StAH, Admiralitätskollegium F 12, Bd. 2 – 15.

Es handelt sich bei den Eingängen aus Lübeck sicher um Landverkehr, aus Lauenburg und Berlin um Wasserverkehr. Man kann behaupten, dass die Einfuhr von Magdeburg aus meistens über die Elbe vorgenommen wurde, weil in 240 Wieske: Elbhandel, S. 115 und 126 f. Im vorhergehenden Zeitraum nahmen in den Esslinger Zollbüchern die Angaben anderer Bestimmungsorte rasch ab. Man könnte annehmen, dass es bei der Zollangabe gebräuchlich wurde, Lüneburg, als den unmittelbar nach der Zollstätte erreichten Vermittlungsort, als Frachtziel zu nennen. Eine eindeutige Erklärung lässt sich aber nicht erkennen. 241 StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 129, S. 22, 27. 242 Zwecks Vergleich sind die Zahlen zu Lübeck und Lauenburg angezeigt.

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anderen Quellenüberlieferungen von der Nutzung eines direkten Landwegs nach Magdeburg kaum die Rede ist. Sofern dies vorkam, wurde dieser über Lüneburg vermittelt und müsste in den Zollregistern in den Abgaben dieser Stadt enthalten sein. Bei Eingängen von Lüneburg sind sowohl der Land- als auch der Wasserweg möglich. Aus der oberen Liste ist der lebhafte Verkehr mit Lübeck, Lauenburg und vor allem Lüneburg abzulesen. Da sich die Ladungsfähigkeit von Fuhrwerken und Schiffen jeweils unterschieden haben musste, entspricht die Zahl nicht präzis der tatsächlich beförderten Warenmenge. Trotzdem geben die Angaben der Zollbücher keinen falschen Eindruck in der Hinsicht, dass eine feste Verbindung mit den oben genannten Städten im Einfuhrhandel bestand. Lübeck und Lauenburg funktionierten regelmäßig als Vermittler von Ostseewaren, wie schon im Kapitel III behauptet wurde. Hier zu beachten sind die vielen ankommenden Warentransporte aus Lüneburg. Diese sind deshalb erstaunlich, weil der Anteil der Ilmenaustadt bei der ausgehenden Landfahrt von Hamburg in der Zeit vor 1795 nur gering war.243 Im entgegengesetzten Verkehr war sie eine der bedeutendsten Speditionsorte. Für Hamburg war Lüneburg – zumindest beim Einfuhrhandel – immer noch wichtig.

3.2  Waren verschiedener Handelsorte und -routen Für das 18. Jahrhundert geben die Quellen nur unvollständige Zahlen für Waren an. Vor allem bei der Ausfuhr sind die Anhaltspunkte auf quantitativer Basis spärlich. Die Warenverzeichnung in den Esslinger Zollregistern, anhand der im vorigen Unterkapitel Hamburgs Mitteleuropahandel bemessen wurde, ist sehr ungenau.244 Trotz aller Schwierigkeiten ist es aber möglich, aus den vorhandenen Quellen nähere Aufschlüsse über das Gesamtbild der Warendistribution zu gewinnen. Um die durch Hamburg vermittelten Verbindungen der binnenländischen Märkte mit der atlantischen Wirtschaft, die durch die Massenzufuhr und -konsumtion von Kolonialwaren wie Zucker, Kaffee und Tabak geprägt war, zu erhellen, behandelt die Diskussion zuerst das Vordringen dieser Warenarten. Annähernd wird der Umfang des Warenabsatzes im 243 Wie oben kurz erwähnt und später noch erörtert, wurde im Landverkehr von Hamburg nach Binnengebieten die Landstraße nach Lüneburg fast ausschließlich in der Winterzeit befahren. Im Wasserverkehr scheint es – trotz der unvollständigen Quellenaussagen – wahrscheinlich, dass Lüneburg seine Bedeutung verloren hat. Siehe Anm. 181 dieses Kapitels. 244 Dazu siehe ausführlich Anhang A dieser Arbeit.

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Zusammenhang mit den Zielorten ermittelt, im Folgenden entsprechend die Warenbeschaffung für Hamburg erfasst. Vertrieb der Kolonialwaren Bedauerlicherweise sind Kolonialwaren in den Esslinger Zollregistern selten ausdrücklich verzeichnet. Sicher ist aber, dass eine große Menge von ihnen unter dem Begriff „Waren“ subsumiert wurde. Das Elbzollregister von 1743 berichtete: „Es sinnd viele Zucker Fäßer mehr die Elbe hinauf gingen [sic] alß im vorigen Jahr“,245 oder: „Unter den Waaren Fäßern […] gehören auch die Zucker Fäßer, deren mehr in diesem Monath gepackt worden sind alß im April 1742“.246 Solche „Waaren Fäßer“ wurden massenhaft nach Berlin und Magdeburg ausgeführt.247 Es lässt sich nicht genau erkennen, wann und um wie viel die Handelsmenge der Kolonialwaren zunahm. Man kann jedoch den Wendepunkt des Zuwachses für die Zeit von 1735 bis 1745 annehmen, als sich die seewärtige Kolonialwareneinfuhr in Hamburg entwickelte und auch der Elbhandel einen Aufschwung erlebte. 1743 wurde für Esslingen von einer erheblichen Zunahme der Zuckerausfuhr aus Hamburg über die Elbe berichtet.248 Aus einer Magdeburger Quelle ist zu erfahren, dass ein Höhepunkt der von Hamburg kommenden Zuckerlieferung ebenfalls in dieses Jahr fiel. Eine Zufuhr auf ähnlichem Niveau kann dort für die Jahre 1749, 1752 – 1754 und 1772 angegeben werden.249 Die Ladungen einiger nach Berlin und Magdeburg fahrender Schiffer können vollständig identifiziert werden. Es finden sich neben Wein, Fisch, Südwaren wie Öl oder Rosinen fast immer Kolonialwaren aufgeführt. Im Folgenden sind differenzierende Beispiele aufgeführt, bei denen relativ große Frachten befördert wurden. 245 StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 16, S. 13. 246 Ebenda, S. 25. 247 Der Grund der ungenauen Warenbezeichnung liegt darin, dass man gewöhnlich die verschiedenen über die See eingeführten Waren für den weiteren Transport nicht gesondert einordnete, sondern direkt in der gebrachten Form, oder teilweise gemischt in Fässern abschickte. Dies galt vor allem für die Transitwaren. Dieser Punkt wird im nächsten Kapitel erörtert. 248 StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 16, S. 13. 249 Gustav von Schmoller: Studien über die wirtschaftliche Politik Friedrichs des Großen und Preußens überhaupt von 1680 bis 1786, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, Bd. 11 (1887), S. 1 – 58, hier S. 26. Dieser Trend entspricht fast demselben, den die Abbildung IV-1 zeigt, wobei sich die Hausse am Beginn der 1760er Jahre zum großen Teil der Getreidelieferung verdankte.

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Voorwerck & Hildebrandt (nach Berlin, 05. 12. 1760):250 Zucker 60 Oxhöft; Drogengut 11 Fässer; Rosinen 65 Fässlein; Öl 4 Pipen; Hering 5 Last; Fisch 6 Packen; Butter 12 Fässlein. Johann Paul Hammer (nach Berlin, 21. 03. 1761):251 Zucker 51 Fässer; Sirup 150 Tonnen; Wein 40 Oxhöft, 2 Stück; Rosinen 85 Fässer; Korinthen 1/2 Bothe; Öl 1 Pipe; Butter 16 Tonnen; Tran 12 Tonnen; Klippfisch 3 Pack; Schollen 1 Pack; Bäume 26 Pack; Tarras 5 Tonnen; Kupfer 80 Schiffspfund; „Waren“ 3 Tonnen. Johann Christ. Görges (nach Magdeburg, 07. 03. 1762):252 Zucker 25 Fässer; Sirup 30 Tonnen; Tabak 3 Rollen; Farbholz 12 Schiffspfund; Kapern 1 Oxhöft; Schmack 4 Säcke; Reis 40 Tonnen, 2 Ballen; Rosinen 80 Fässer; Hering 12 1/2 Last; Tran 7 Last. Carl Nethe (nach Magdeburg, 02. 07. 1767):253 Kaffee 12 Gebinde; Tabak 6 Rollen, 1 Fässlein; Reis 66 Tonnen; Wein 12 Oxhoft, 2 Körbe; Öl 1 Pipe; Rosinen 4 Fässlein; Lorbeer 1 Sack; Hering 1 Last; Tran 2 Last. Fried Schulz (nach Magdeburg, 08. 08. 1767):254 Zucker 11 Fässer; Sirup 10 Tonnen; Kaffee 21 Oxhöft, 2 Fässer; Wein 4 1/2 Anker; Öl 6 Pipen; Rosinen 18 Fässer; Korinthen 1 Bothe; Hering 1/2 Last; Fisch 3 Pack. Died(rich) Droschen (nach Magdeburg, 23. 06. 1771):255 Zucker 3 Fässer; Kaffee 17 Fässer, 4 Gebinde; Tabak 2 Fässer; Indigo 2 Fässer; Ingwer 1 Fass; Rosinen 8 Fässlein; Mandeln 1 Sack; Grünspan 1 Fass. Richten wir unsere Aufmerksamkeit auf einzelne Handelszentren, zuerst auf den Zielort Berlin, der bis zur Jahrhundertmitte den Spitzenanteil am gesamten Zollbetrag hatte. Der seit 1752 einsetzende Abgang des Gesamtverkehrs nach Berlin kann auf das zur gleichen Zeit eingeführte Zuckereinfuhrverbot in der Kurmark zurückgeführt werden. Während des Siebenjährigen Krieges, als diese Regulierung gelockert wurde, belebte er sich wieder.256 Eine ähnliche Erscheinung lässt sich zur Zeit der wiedereingeführten Handelsbeschränkung 250 StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 49, S. 44. 251 StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 50, S. 11. 252 StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 52, S. 11. 253 StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 62, S. 43. 254 Ebenda, S. 64. 255 StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 68, S. 39. 256 Siehe Abbildung IV-1. Der genaue Anteil des Zuckers ist unbekannt.

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seit 1764 erkennen. Diese deutlichen Auswirkungen auf das gesamte Verkehrsvolumen lassen darauf schließen, dass Zucker einen bedeutenden Anteil in der Ausfuhr nach Berlin hatte. Dies kann so interpretiert werden, dass die Stadt bis zur Jahrhundertmitte der Hauptabsatz- und Distributionsort von Zucker – und wahrscheinlich anderen Kolonialwaren – aus Hamburg war. Welche Stellung soll man dann Magdeburg zumessen? Wie oben behauptet, wurden die nach Magdeburg transportierten Kolonialwaren zu anderen Märkten weitergeleitet. Einen großen Teil bezog mit großer Wahrscheinlichkeit Leipzig. Ein anderer, nicht geringer Teil ging aber auch nach den sächsischen Städten an der oberen Elbe, die in den Esslinger Zolleinnahmen mit keinem großen Betrag verzeichnet sind, wohl einfach deswegen, weil die direkte Langstreckenfahrt ohne Ausladung und Vermittlung bei den Zwischenstationen seltener war. Dem Bericht der sächsischen Landesökonomie-, Manufaktur- und Kommerziendeputation zufolge betrug der Wert der aus Hamburg nach Dresden und Pirna in den Jahren 1737 – 1746 eingeführten Kolonialwaren (Zucker, Sirup, Kaffee und Materialwaren) 928.285 Taler und damit den weitaus höchsten Betrag aller Warengruppen.257 Wenn auch keine unmittelbaren Vergleichsbelege vorhanden sind, kann man auf Grund der obigen Betrachtungen für die Position Leipzigs schlussfolgern: Die Messestadt war sicher einer der bedeutendsten Handelspartner Hamburgs in der zunehmenden Atlantikwirtschaft, aber keineswegs der bedeutendste, wie durch die Formulierung „Hamburg als Leipziger Hafen“ ausgedrückt werden soll. Die Kolonialwaren wurden an verschiedene Handelsorte und -gebiete distribuiert, bis zur Jahrhundertmitte vor allem nach Berlin und in märkische Gebiete, aber auch nach Dresden sowie auf böhmische Märkte. Der Handel wurde eher durch vielseitigen Warenvertrieb geprägt. Für die Zeit vom Ende des Siebenjährigen Krieges bis um 1790, in der die gesamte Ausfuhr nach Berlin unterdrückt wurde,258 kann man behaupten, dass Magdeburg der Hauptumschlagplatz für Kolonialwaren aus Hamburg war. Magdeburger Quellen bezeugen die dominierende Stellung Hamburgs in diesem Handel, wie in Tabelle IV-6 anhand von Zucker- und Siruplieferungen verdeutlicht wird.

257 SHStAD, Landes-­Ökonimie-, Manufaktur-, und Kommerziendeputation, No. 666, Fol. 103r. Mit Abstand folgten Hering (139.050 Taler) und Talg (135.361 Taler) auf die Kolonialwaren. Siehe auch Anhang C dieser Arbeit. 258 Siehe Abbildung IV-1.

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Tabelle IV-6: E  infuhr von Zucker und Sirup in Magdeburg um 1770 (in Rtl) Hamburger Zucker Berliner Zucker Hamburger Sirup Berliner Sirup

1769 460.368 48.092 40.680 20.430

1770 662.580 47.212 36.918 18.520

1771 536.448 44.704 38.736 25.836

1772 653.344 46.152 43.860 39.288

Quelle: Rachel: Handels-, Zoll- und Akzisepolitik, Bd. 3,1, S. 502. Tabelle IV-7: E  infuhr von Zucker, Sirup und Kaffee in die Mark Brandenburg im Jahre 1799 Waren Zucker Sirup Kaffee

Von Hamburg Stettin Hamburg Stettin Hamburg Stettin

Rtl 305.651 Wenige 219.250 13.122 299.756 15.045

Quelle: Friedrich Wilhelm August Bratring: Statistisch-­topographische Beschreibung der gesamten Mark Brandenburg, Bd. 1, Berlin 1804, S. 164.

Doch das Vorhaben des preußischen Königs Friedrich des Großen, im Kolonialwarenhandel Stettin an die Stelle Hamburgs zu stellen, hatte schließlich keinen dauernden Erfolg. Das Verkehrsvolumen nach Berlin stieg wieder an. Laut der statistischen Berichte des zeitgenössischen Geographen und Historikers Friedrich Wilhelm August Bratring (Tabelle  IV-7) lieferte Hamburg 1799 – auch wenn das Jahr den Tiefpunkt der seit 1796 einsetzenden abgängigen Tendenz verzeichnete – den größten Teil der in die Mark Brandenburg eingeführten Kolonialwaren. Insgesamt haben wir einen vielseitigen Kolonialwarenvertrieb und bei gleichbleibender Grundstruktur Schwerpunktwechsel bei den Handelspartnern festgestellt. Daran anschließend stellt sich die Frage, wie das Hauptaustauschprodukt für Kolonialwaren, nämlich Leinen, in Hamburg bezogen wurde.

Hamburgs Mitteleuropahandel in der Atlantikzeit

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Leinenbezug Die wachsende Bedeutung des Leinens im Binnenlandhandel lässt sich aus dem Handel mit Magdeburg im Kontrast zum Getreide- und Holzhandel, der weiter unten betrachtet wird, entnehmen. Im Gegensatz zum Abgang dieses Handels scheint der Leinenbezug aus Magdeburg nicht so starke Einbußen erlitten zu haben. Zwar haben wir keine Zahlenbelege über die frühen Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts, jedoch ist seit der Mitte des Jahrhunderts eine Abnahme kaum ablesbar. Tabelle IV-8: Leineneinfuhr aus Magdeburg in Hamburg 1747 – 1780 Jahr 1747 1748 1749 1750 1751 1752 1753 1754

Zentner 3677 5422 6241 6569 7800 7258 5306 4252

Jahr 1755 1756 1757 1758 1759 1770 1780

Zentner 5672 8614 7266 6431 2775 4710 8485

Quelle: Gustav von Schmoller: Studien über die wirtschaftliche Politik Friedrichs des Großen und Preußens überhaupt von 1680 bis 1786, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 11 (1887), S. 1 – 58, hier S. 24.

Wo das Leinen produziert wurde, ist nicht verzeichnet. Möglicherweise kam es aus Sachsen, Böhmen oder der Lausitz. Nach R. Straubel entwickelte auch Magdeburg eigene Leinengewerbe, deren Produktion sogar diejenige Berlins übertraf.259 Wahrscheinlich stammte es vor allem aus Schlesien, das der wichtigste unter den zahlreichen Leinenproduktionsorten im Hinterland war.260 Aus diesem Gewerbegebiet, dessen Distributionszentrum Breslau war, konnte das Leinen verschiedene Wege nach Hamburg nehmen: über Berlin oder über Magdeburg zu Wasser, über Leipzig und Lüneburg zu Land. Für den Einfuhrhandel des 18. Jahrhunderts geben die im Kapitel  III benutzten Kontentbücher des Hamburger Admiralitätskollegiums – die Admira 259 Rolf Straubel: Kaufleute und Manufakturunternehmer. Eine empirische Untersuchung über die sozialen Träger von Handel und Großgewerbe in den mittleren preußischen Provinzen (1763 bis 1815), Stuttgart 1995, S. 50 f. 260 Vgl. Jeannin: Hansestädte, S. 70 f.

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litätszollregister – Aufschlüsse auf quantitativer Basis. Die wenigen von ihnen belegten Jahrgänge fallen aber auf das Ende des Jahrhunderts (1778 – 1792). Neben Zollregistern können wir die Einfuhrlisten von Köncke für den Zeitraum 1790 – 1802 für die Untersuchung verwenden.261 Allerdings ergibt sich aus dem für die Jahrgänge 1790 – 1792 möglichen Vergleich mit dem Admiralitätszollregister, dass Köncke nicht die Menge aller Waren vollständig auszählte. Daher benutze ich die Listen nur zur Ergänzung der Zollregister. Die Auswertung der Admiralitätszollregister ergibt, dass Leinen in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts fast ausschließlich aus Lüneburg, Berlin und Magdeburg geliefert wurde. Die präzise Ermittlung der relativen Anteile der einzelnen Städte wird dabei dadurch erschwert, dass sich die Maßeinheiten für Leinen je nach den Herkunfts- bzw. Vermittlungsorten unterschieden. Für die Leinenlieferungen aus Lüneburg verwendete man das Maß Kiste, für die aus Berlin meistens Pack sowie Kiste und für die aus Magdeburg zählte man sie stückweise. Die unbearbeiteten Zahlen stellen sich wie folgt dar: Tabelle IV-9: L  einenlieferungen aus Lüneburg, Berlin und Magdeburg in Hamburg 1778 – 1792 Jahr 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1784 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792

Lüneburg (Kiste) 2665 2357 1880 2358 2889 2825 3970 3489 3062 1901 2913 2580 2350 4182

Berlin Magdeburg (Pack) (Kiste) (Stück) 809 534 28.895 564 407 19.235 497 223 17.338 576 417 20.328 638 741 23.636 896 807 26.994 1258 581 18.159 1475 328 14.709 1153 363 19.648 1240 145 22.567 2186 321 35.220 2056 319 30.229 1637 215 26.138 1661 510 18.063

Quelle: StAH, Admiralitätskollegium F 12, Bd. 2 – 15.

261 Köncke: Specification.

Hamburgs Mitteleuropahandel in der Atlantikzeit

281

Nach E. Pitz entspricht 1 Pack Leinen 1 oder 2 Kisten, wobei 1 Kiste aus 500 Stück besteht.262 Dieser Schätzung folgend wurden folgende Stückzahlen an Leinen aus Lüneburg, Berlin und Magdeburg nach Hamburg eingeführt: Abb.IV-2: IV-2:P Proberechnung Leinenlieferungen in Stück Abb.  roberechnung der der Leinenlieferungen in Stück 2500000 2000000 Lüneburg 1500000

Berlin (wenn 1 Pack=2 Kisten) Berlin (wenn 1 Pack=1 Kiste) Magdeburg

1000000

1792

1791

1790

1789

1788

1787

1786

1784

1783

1782

1781

1780

1779

0

1778

500000

Quelle: StAH, Admiralitätskollegium F 12, Bd. 2 – 15.

Daraus ergibt sich, dass die Einfuhr aus Magdeburg sehr gering war. Man muss aber berücksichtigen, dass dieses Ergebnis nur Resultat einer Proberechnung ist. Die Stückzahl von Kiste und Pack scheint in der Tat erheblich variiert zu haben, und es gab für diese keine verbindlichen Maßeinheiten.263 Aus der offenkundig großen Anzahl von Kisten mit Leinen lässt sich dennoch erschließen, dass Lüneburg – trotz einiger Unterbrechungen um 1790 – als Vermittlungsort von Leinen zweifellos eine führende Stellung einnahm. Dabei handelte es sich vorwiegend um die Lieferung schlesischen Leinens aus Leipzig, dessen Weg nach Lüneburg über Land führte. 1788 formulierte der schlesische Historiker und Zeitgenosse Carl Ludwig von Klöber: „Di versendung der leinwand geschihet von dem gebirg aus in kisten und fässern gröstenteils zu lande über

262 Pitz: Zolltarife, Nr. 266 – 211n, Nr. 339 – 50. Siehe auch S. 557 und S. 572. Die Verhältnisse zwischen Pack, Kiste und Stück beruhen auf dem Zolltarif des Baken- und Bürgerzolls sowie des Werk- oder Herrenzolls vom 17. und 18. Jahrhundert. 263 Ebenfalls nach Pitz wiegt 1 Kiste Leinen 1 oder 3 – 4 Schiffspfund, während 1 Pack Leinen 4000 – 6000 Ellen beträgt. Pitz: Zolltarife, Nr. 339 – 350. Nach Bohn zählte man in Breslau, der Hauptlieferant dieser Textilien, für 1 Kiste 1500 – 2700 Stücke (25 – 45 Schock). Bohn, Kaufmann, 1. Abt., S. 539.

282

Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr

Hirschberg durch Saxen und Lüneburg nach Hamburg.“264 Man kann damit von der Landhandelslinie Breslau – Leipzig – Lüneburg – Hamburg sprechen. Das Ergebnis ist bedeutsam, zumal dies einen deutlichen Kontrast zum Handelsverkehr in entgegengesetzter Richtung bildet, bei dem Lüneburg nur eine begrenzte Rolle spielte. Berlin hatte auch einen namhaften Anteil am Leinenhandel. In den 1780er Jahren stieg die Handelsmenge fast ständig an. Hierbei sollte man neben der Lieferung kurmärkischen Leinens an die aus Breslau kommende Zufuhr über die Wasserwege denken. Insgesamt kann man aber feststellen, dass sich dieser Wasserverkehr trotz eines zunehmenden Gewichts im Vergleich zum Landweg nicht so herausragend entwickelte, wie es der Wasserverkehr im Ausfuhrhandel aus Hamburg nach Binnengebieten tat. Beschaffung von Getreide und Holz Der Export von Getreide und Holz nach West- und Südeuropa war seit dem 15. Jahrhundert eine der bedeutendsten Handelsfunktionen Hamburgs gewesen. Neben dem Ostseeraum waren Sachsen und die Mark die Hauptbezugsgebiete. Der Handel des binnenländischen Getreides verzeichnete aber, wie oben dargestellt, seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine abnehmende Tendenz. Leider bieten die Hamburger Quellen keinen tiefergehenden Einblick in den gesamten Getreide- bzw. Holzhandel mit den Binnengebieten im 18. Jahrhundert. In den Kontentbüchern des Admiralitätskollegiums ist die land- und flusswärtige Getreide- und Holzlieferung nicht vermerkt. Die Einfuhrlisten von Köncke enthalten ebenfalls keine Informationen über Getreide und Holz aus dem Binnenland. Für den Beginn des 18. Jahrhunderts sind knappe Aussagen über Getreide aus Binnengebieten überliefert, das für die weitere Ausfuhr über die See nach Hamburg geliefert wurde. 1713 reichte der Hamburger Kaufmann Peter Wilckens beim Rat ein Gesuch um Getreideausfuhr ein, weil das Getreide aus Magdeburg und der Mark schon ausreichend in Hamburg vorhanden sei und „das Korn bereits mercklich am Preise gefallen, auch gantz und gar keine Theurung zu besorgen ist, indem wir von allen ohrten Zufuhr genug haben können, und wann wir die Außfuhr wieder frey laßen, noch mehr haben werden“.265 264 Carl Ludwig von Klöber: Von Schlesien vor und seit dem Jar MDCCXXXX , 2. Aufl., Teil 2, Freiburg 1788, S. 320. Ich verdanke dieses Zitat dem Hinweis bei BABA: Doitsu Nôson Kôgyô Shi, S. 86 f. 265 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 11, Vol. 7, 16. Oktober 1713.

Hamburgs Mitteleuropahandel in der Atlantikzeit

283

1715 beschwerte sich der Magdeburger Schiffer sowie Händler Johann Erdman Weingart beim Hamburger Rat darüber, dass sein für Holland bestimmtes Getreide in Hamburg für den städtischen Vorrat angehalten worden sei.266 Aus diesen kaufmännischen Angaben erfahren wir, dass die Verkehrslinie im Getreidehandel von Magdeburg über Hamburg nach westlichen Märkten, die sich im 16. Jahrhundert etabliert hatte, zu Beginn des 18. Jahrhunderts immer noch bestand. Vor allem 1709 und 1710, als die Getreideausfuhr aus den von der Pest verseuchten Ostseehäfen gesperrt wurde und auch Westeuropa von der Seuche und Missernten erfasst wurde, erlebte der Elbgetreidehandel nach Hamburg große Nachfrage.267 Allerdings stand der Handel über Hamburg unter strenger städtischer Kontrolle, die in erster Linie den Vorrat in Hamburg sichern wollte. Tabelle IV-10: Getreidelieferung von Magdeburg nach Hamburg im 18. Jahrhundert Jahr 1709 1710 1740 1743 1744 1745 1746 1747

Wispel 46.492 72.102 5408 2213 873 1435 1241 1314

Jahr 1748 1749 1750 1751 1752 1753 1769 1770

Wispel 1550 1295 560 2237 3290 128 14.367 9379

Jahr 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792

Wispel 1827 3484 3654 3003 20.500 3608 8468 9459

Jahr 1793 1794 1795 1796 1797 1798 1799

Wispel 17.442 23.587 1645 15.010 14.703 13.508 6894

Quelle: Wilhelm Naudé/August Karl Friedrich Skalweit/Gustav von Schmoller: Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Preußens 1740 – 1756, Berlin 1910, S. 124 f. Vgl. auch Toeche-­M ittler: Friedrich-­Wilhelms-­Kanal, S. 118.

Der Getreidehandel mit Magdeburg synchronisierte sich nicht mit der Entwicklung der Elbschifffahrt in entgegengesetzter Richtung seit den 1730er Jahren. Er verlor dagegen inzwischen völlig seine Bedeutung. Die Abnahme der Getreidezufuhr aus Magdeburg nach Hamburg lässt sich für die Zeit zwischen den 1710er und 1730er Jahren nachweisen. Es bieten sich für diesen raschen Rückgang verschiedene Erklärungen. Die Konkurrenz aus England und den Ostseeländern auf den europäischen Märkten setzte dem magdeburgischen Getreideabsatz zu und schon 1716 wurde 266 Ebenda, 16. August 1715. 267 Wilhelm Naudé/August Karl Friedrich Skalweit/Gustav von Schmoller: Die Getreidehandelspolitik und Kriegsmagazinverwaltung Brandenburg-­Preußens bis 1740, Berlin 1901, S. 173.

284

Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr

aus Magdeburg über diesen Zusammenhang berichtet: „Zu der Decadance [= Niedergang] des Kornhandels kontribuire es ein Vieles, daß sowohl aus Engelland als aus Moscou und Polen eine große Quantität Getreide um einen gar wohlfeilen Preis geliefert werden“.268 Im Zusammenhang mit der auswärtigen Konkurrenz verschob sich gegen Mitte des Jahrhunderts der Hauptabsatzort des Magdeburger Getreides von Hamburg auf Berlin.269 1755 schrieb die Magdeburger Kammer über den Getreidehandel von 1754, dass man die Unterbrechung des Handels nach Kursachsen kaum gespürt habe, weil der Kornhandel, hauptsächlich der nach Berlin und an andere inländische Orte, so sehr geblüht habe.270 Gleichzeitig wurde die Getreideausfuhr reguliert und zeitweise komplett verboten. Solche Ausfuhrbeschränkungen wurden in den preußischen Provinzen während der Regierungszeit von Friedrich dem Großen verstärkt durchgeführt.271 Dennoch war Hamburg nach Angaben von F. W. A. Bratring am Ende des Jahrhunderts (1799) der einzige Ort, in den altmärkischer Weizen, als einziges für die Ausfuhr freigegebene Korn, exportiert wurde.272 Für das 18. Jahrhundert liegen keine quantifizierbaren Daten über den hamburgischen Holzhandel mit dem Binnenland vor. Verfügbare Materialien geben an, dass er in Konkurrenz mit den Nachbarstädten gestanden haben musste. Über einen Abzug der hamburgischen Holzwirtschaft wurde am Ende des 17. Jahrhunderts berichtet. Holzhändler klagten beim Rat darüber, dass „der bey dieser guten Stadt sonst im Flor gestandener Holzhandel, sich allmahlich von hier nach Altona, Haarburg, Reyerstieg, und andern benachbahrten Ortern weggezogen“.273 Als Ursachen nannten sie den verschlammten Holzhafen, den Zoll und Unkosten. Zwar erfolgte danach die Vertiefung und Ausbaggerung des Hafens sowie die Aufstellung einer revidierten Ordnung für die Holzprüfer, die sogenannten Wraker, die die Holzhändler gefordert hatten, doch wurde das 268 269 270 271

Zitiert nach Schmoller: Studien, S. 12 f. Mai: Magdeburger Elbschiffahrt, S. 790. Schmoller: Studien, S. 17. Dazu siehe Naudé u. a.: Getreidehandelspolitik 1740 – 1756, S. 102 – 119; Lars Atorf: Der König und das Korn. Die Getreidehandelspolitik als Fundament des brandenburg-­ preußischen Aufstiegs zur europäischen Großmacht, Berlin 1999, S. 176 f. Seit 1740 wurde der Getreidehandel schrittweise reguliert und ab 1755/56 bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges kam es zu umfassenden Exportverboten. Nach dem Krieg wurde das Verbot für die Provinz Magdeburg mit Ausnahme der Hungernotjahre 1711 bis 1772/73 aufgehoben. 272 Bratring: Beschreibung, S. 159. Im Jahre 1799 wurde aus der Altmark Weizen im Wert von 312.793 Rtl exportiert. Ebd., 173. Bei erlaubter Ausfuhr exportierte neben der Altmark auch die Prignitz fast den gesamten Weizen nach Hamburg. Ebenda., S. 87. 273 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 8a, Vol. 3, 1692 – 1699 (o. J.), Fol. 3r.

Hamburgs Mitteleuropahandel in der Atlantikzeit

285

Problem nicht beseitigt. Man beklagte in Hamburg immer noch die Konkurrenz der Nachbarschaft.274 1767 reichte der Hamburger Kaufmann Jürgen Rudolph Lagemann bei der Commerzdeputation eine Eingabe ein, in der er schrieb, dass binnenländische Planken nicht mehr nach Hamburg, sondern am Reiherstieg, einem südlich von Hamburg gelegenen Elbarm, umgeladen würden: Es ist bekannt, daß der hiesige Zoll für die aus dem Böhmischen, Zerbstischen, aus dem Brandenburgischen, wie auch aus dem Schlesischen kommenden eichenen Planken sehr wenig oder fast garnichts einbringet, weil sehr wenige derselben hierher, und so viele hundert Schock davon nach dem Reyer-­Stieg mit Flössern hingebracht werden.275

Hamburg blieb aber noch in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts trotz aller Konkurrenzkämpfe der bedeutendste Holzvermittlungsort an der Elbe. Sachsen und Preußen interessierten sich für die günstige und freie Durchfuhr von ihrem Holz durch Hamburg.276 Durch die Einrichtung einer Haupt-­ Nutzholz-­Administration begünstigte und beförderte Friedrich der Große den Holzhandel seines Landes und seiner Kaufleute und stach dabei die hamburgischen Kaufleute aus.277 Zwar wurde damit der Spielraum der Hamburger im Holzhandel eingeschränkt, jedoch fungierte die Stadt selbst als Ausfuhrort von preußischem Holz über See. 1798 schrieb der hamburgische Protokollant Mönckeberg in der Denkschrift für eine nach Berlin abgehende Gesandtschaft über diesen Zustand des Holzhandels: Von dem preußischen Holz haben vormals in Hamburg mehrere Handelshäuser in einem blühenden Wohlstande gelebt. Die für Rechnung der See-­Handlung zu Berlin errichtete Haupt-­Nutz-­Holz-­Administration hat den Hamburgern diesen Handelszweig fast ganz entzogen. Das Preußische Comtoir [= Kontor] genießt dabey aller Freyheiten und Vorzüge, die nur der Besitz von Hamburg selbst gewähren könnte. Man schätzt den Betrag des Holzes, der allein aus der Churmark größtenteils über Hamburg versendet wird, auf eine Million Thaler.278

Nach F. W. A. Bratring ging von der Kurmark im Jahre 1799 „für 63662 Rthlr. Eichen-­Schiffsholz größtentheils nach Hamburg, und von dort weiter nach England, Holland, Portugal etc.“.279 274 Siehe die Beschwerden der hamburgischen Holzhändler beim Rat im Jahre 1714. Baasch: Quellen, S. 419. 275 Ebenda, S. 431. 276 Siehe Rachel: Handels-, Zoll- und Akzisepolitik, Bd. 3,1, S. 701 – 704. 277 Zur Gründung der Haupt-­Nutzholz-­Administration siehe Rachel: Handels-, Zollund Akzisepolitik, Bd. 3,1, S. 697 – 700. 278 Baasch: Quellen, S. 224. 279 Bratring: Beschreibung, S. 159.

286

Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr

Bis hierher haben wir die Distributionsstruktur der für den hamburgischen Zwischenhandel wichtigsten Waren betrachtet. Das traditionell wichtige Produkt Getreide scheint an seiner früheren Bedeutung verloren zu haben, dagegen blieb Holz wahrscheinlich noch von Gewicht. Als wichtiges Ergebnis hat sich herausgestellt, dass die im Atlantikhandel typischen Austauschprodukte Kolonialwaren und Leinen jeweils nicht dem gleichen Transportweg folgten. Kolonialwaren wurden aus Hamburg vor allem über die Elbe in den Binnenhandel eingebracht. Leinen transportierte man zwischen Lüneburg und Leipzig im Landverkehr, zwischen Breslau und Berlin auf dem Wasserweg. Dies entspricht unserer Annahme, dass sich der Hinterlandhandel Hamburgs nicht auf ein bestimmtes Gebiet spezialisierte, sondern vielfältig war. Um diese Aspekte zu erörtern, wird unten der Mannigfaltigkeit der gehandelten Waren nachgegangen. Mannigfaltigkeit der Waren In den Esslinger Elbzollregistern, deren ungenauen Angaben zu transportierten Waren die Behandlung auf quantitativer Basis beinahe unmöglich machen, sind trotzdem bemerkenswerterweise diverse Güter als Ausfuhrartikel regelmäßig vermerkt. Außer den oben genannten Waren verzeichnen sie Branntwein, Käse, Wolle, Farbholz, Zuckerform, Zuckerpott, Kandis, Essig, Früchte, Apothekerwaren, Honig, Pfeffer, Tee, Baumwolle, Baumwollstoff, Rotscher, Kabeljau, Felle, Leder, Häute, Tabakpfeifen, Seife, Möbel, Marmor, Mauerstein, Dachpfannen, Klinker, Fliesen, Mühlenstein, Töpferton, Torf, Glaserde, Kreide, Steinkohle, Blei, Zinn, Eisen, Salpeter, Schwefel, Pulver, Kugeln, Bomben, Flinten, Kanonen, manchmal Rum, Bücher und Elfenbein. Neben den Fässern „Waaren“, in denen höchstwahrscheinlich verschiedene Kolonialwaren verpackt waren, scheinen vor allem Wein, Branntwein, Hering, Tran, Rosinen, Korinthen, Farbholz und Käse einen großen Teil des Schiffsraumes eingenommen zu haben. Wohin wurden diese Waren vertrieben? Die unvollständige Quellenlage erschwert genaue Aussagen über die regionalen Unterschiede in der Warendistribution. Trotzdem ist es möglich, jeweils ungefähre Charakteristika dazustellen. Die Tabakausfuhr nach Berlin ist in den Zollbüchern nur selten vermerkt, während Magdeburg ständig einen Teil an sich zog. Seit der letzten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatte Preußen zur Förderung der eigenen Tabakindustrie die Einfuhr von fremdem Tabak beschränkt.280 Allein die Zufuhr nach Magdeburg 280 Karl-­Peter Ellerbrock: Geschichte der deutschen Nahrungs- und Genußmittelindustrie 1750 – 1914, Stuttgart 1993, S. 96.

Hamburgs Mitteleuropahandel in der Atlantikzeit

287

und Böhmen war erlaubt. Während der Verhandlung mit Preußen um die Regelung des Tabakhandels im Jahre 1768 berichtete der Vice-­Präsident Schuback an die Commerzdeputation über die Absatzsituation des Brasiltabaks, der mit Zucker angemacht wird: Dieser schwarze Toback, wird weder in Niedersachsen, noch in denen Sr. Königl. May. von Preussen gehörigen deutschen Staaten gebraucht; und schwerlich wird irgend ein Kaufman mit Wahrheit sagen können, daß er iemals in Niedersachsen, oder in den Brandenburgischen Provintzen, etwas von diesem Toback abgesetzet habe, der Consumo dieses Tobacks ist eintzig und allein in Böhmen, und in den an Böhmen zunächst angrenzenden Theiln von Sachsen, wo sich die Einwohner an diesen überaus hitzigen Toback, nicht viel anders, als die Türken an ihr Opium gewöhnt haben.281

Der Transport durch Schmuggel – nämlich durch Verstecken des Tabaks oder durch die Beförderung abseits der Hauptwege – war zwar möglich, und die als „Waren“ verzeichneten Behälter konnten den Tabak enthalten. Dennoch kann man Magdeburg als Hauptzielort des aus Hamburg ausgeführten Tabaks betrachten. Nach Berlin ist bis zum Ende des Siebenjährigen Krieges die umfangreiche Ausfuhr von Wein zu beobachten. Die großen Absatzmöglichkeiten in weinarmen Gebieten wie der Kurmark, Schlesien, weiter in Polen und Russland erzeugten eine Anziehungskraft, die im 17. Jahrhundert Frankfurt/Oder nutzen konnte. Da bei Wein anders als bei Trockenwaren eine gemischte Verpackung mit anderen Artikeln unmöglich ist, lassen sich die transportierten Weinfässer genauer ermitteln.282 In die 1740er Jahre fiel eine steigende Konjunkturphase. Schon zuvor scheint sich in den preußischen Gebieten die Konsumption des ausländischen Weins anstelle der einheimischen Produkte verbreitet zu haben. Die Regierung hatte die Abgaben auf den im Lande gewachsenen Wein von 5 auf 12 Groschen erhöht, um den Absatz des einheimischen Biers zu befördern. Damit war eine Konkurrenzfähigkeit ausländischen Weins verursacht worden, so dass der Preußenkönig 281 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 18, Vol. 2b, Fol. 29r. Im Promemoria des Jahres 1769 schrieb Schuback, der Vice-­Präsident der Hamburger Commerzdeputation, Ähnliches. Baasch: Quellen, S. 289 f. 282 Wein (und Branntwein) wurde in den Zollregistern immer getrennt von anderen Waren verzeichnet und nicht unter der Bezeichnung „Waren“ subsumiert. Unter „Waren“ fielen vornehmlich Kram-, Spezerei- und Materialwaren (z. B. Zucker, Tabak, Gewürze), die oft in Fässern gemischt verpackt wurden. Bei flüssigen Gütern wie Wein war keine Mischung möglich und folglich konnte man in allerlei Ladungen Weinfässer präzis spezifizieren. Das Ermessen der Weindistribution nach den Zollregistern ist daher unter allen Warenarten am zuverlässigsten möglich.

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Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr

im Jahre 1742 zur Rettung der unbebaut gelassenen Weinberge in seinen Gebieten die Akzise auf Landwein um 5 Groschen herabsetzte, während auf Auslandswein 12 Groschen erhoben wurde.283 Es scheint, dass die Durchdringung des Marktes nicht abgewendet wurde. Vor allem der aus Hamburg eingeführte Wein, der vom Rhein, aus Frankreich und Spanien stammte, hatte den Vorteil, dass auf ihn weniger Abgaben als auf ungarischen Wein zu zahlen waren.284 Die zwei Schlesischen Kriege, in denen die Weinlieferung aus dem Habsburgerreich, zu dem auch Ungarn gehörte, nach Preußen abgeschnitten wurde, müssen die Stellung Hamburgs verstärkt haben. Nach 1750 ebbte der Handel deutlich ab. Den Höhepunkt erreichte die Ausfuhr in der Zeit des Siebenjährigen Krieges, bei dem der kriegsbedingte Sonderbedarf zu denken ist.285 Allerdings gab es nach dem Siebenjährigen Krieg einen schlagartigen Rückgang des Handels. Nicht nur nach Berlin, sondern auch nach Magdeburg und anderen Orten wurde keine große Menge mehr abgesetzt. Abb. IV-3: Die in Esslinger Elbzollregistern verzeichnete Weinausfuhr von Hamburg Abb. IV-3: Die in Esslinger Elbzollregistern verzeichnete Weinausfuhr von Hamburg 1705–1800 in Pipen 1705 – 1800 in Pipen 3000

Berlin Magdeburg Andere

2500

2000

1500

1000

0

1705 1708 1711 1714 1717 1720 1723 1726 1729 1732 1735 1741 1745 1748 1751 1754 1757 1760 1763 1766 1769 1772 1775 1778 1781 1784 1787 1790 1793 1796 1799

500

Quelle: StAH, ER, Fasc. 1, Nr. 10 – 28; Fasc. 2, Nr. 1 – 124; Fasc. 3. 283 Rachel: Handels- Zoll- und Akzisepolitik, Bd. 3,1, S. 738. 284 Ebenda, S. 738 f. 285 Die Ausfuhrsprünge nach den „Anderen“ zu Beginn und Ende des Jahrhunderts waren das Resultat des großen Transports nach Lübeck/Lauenburg. Siehe dazu Kapitel  III dieser Arbeit.

Hamburgs Mitteleuropahandel in der Atlantikzeit

289

Die Möglichkeit, dass der Ostseeraum als Ersatzmarkt Wein aufnahm, kann ausgeschlossen werden, weil die Sundzollregister keine Zunahme im Weintransport zeigen. Nach den Admiralitäts- und Convoygeld-­Einnahmebüchern fand sich bei der Weineinfuhr in Hamburg keine so deutliche Verminderung wie beim Reexport in die binnenländischen Märkte. Wo wurde der Wein abgesetzt? Eine mögliche Erklärung wäre, dass er von der wachsenden Stadtbevölkerung konsumiert wurde oder sonst zu Märkten exportiert wurde, die weder in den Esslinger Zollregistern noch in den Sundzollregistern verzeichnet sind, beispielsweise nach Bremen, in schleswig-­holsteinische Städte oder in die Niederlande. Es lässt sich zumindest feststellen, dass der Elbweinhandel nicht mehr einträglich war, nachdem auch die Weinsteuer im Zuge der Verschärfung der preußischen merkantilistischen Politik nach dem Siebenjährigen Krieg erhöht worden war.286 Berlin zog mitunter Kriegsmaterialien wie Salpeter, Schwefel, Pulver, Kanonen, Kugeln, Bomben und Blei,287 ferner häufig Marmor und Wolle an sich. Diese Güter waren an den preußischen König gerichtet und passierten die Zollstätte bei Esslingen frei. Sie wurden nämlich auf staatliche Nachfrage sowie mit offiziellem Verwendungszweck bezogen. Kriegsmaterialien waren bestimmt für die Versorgung der preußischen Armee, Marmor wurde als Baustoff für Paläste oder ähnliche Gebäude angeboten. Merkwürdig sind die Lieferungen von Wolle, die auch im Hinterland Berlins, in Schlesien und Polen, reichlich vorhanden war. Die in den Zollbüchern vermerkte Lieferbestimmung für den „König von Preußen“, wegen der sie zollfrei blieben, deutet darauf hin, dass diese Sendungen für eine Nutzung von eher offiziellem Charakter bestimmt war, zum Beispiel als Rohstoff für die im Berliner Lagerhaus zur Versorgung der preußischen Armee produzierten Uniformen.288 Steinkohle wurde häufig

286 Rachel, Handels- Zoll- und Akzisepolitik, 3,1, S. 58 f., 69, 78. 287 Blei war gleicherweise ein wichtiger Exportartikel, der aus dem Hinterland über Hamburg seewärts ausgeführt wurde. Vgl. Weber: Atlantikhandel, S. 385. 1763 wurden 850 Stück Blei aus hannöverischer Bergbauproduktion erwähnt, die via Hamburg nach Amsterdam und Rotterdam bestimmt waren. StAH, Senat Cl. VII, Lit. Eb, Nr. 2, Vol. 3a. 288 Vgl. Adelheid Simsch: Armee, Wirtschaft, Gesellschaft. Preußens Kampf auf der „inneren Linie“, in: Bernhard R. Kroener (Hg.): Europa im Zeitalter Friedrichs des Großen. Wirtschaft, Gesellschaft, Kriege, München 1989, S. 35 – 46, hier S. 42; Radtke: Gewerbe und Handel, S. 101 f. Zu bemerken ist des Weiteren, dass sich Preußen immer um die Sicherung der Wolle für das heimische Tuchgewerbe sorgte. Rachel: HandelsZoll- und Akzisepolitik, Bd. 3,1, S. 566 – 569.

290

Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr

und in großem Umfang nach Berlin befördert, wobei hier eine Verwendung für die preußische Zuckerproduktion vermutet werden kann. Während des Siebenjährigen Krieges wurden große Mengen an Waffen und Munition für die preußischen Armeen in Sachsen nach Magdeburg auf der Elbe transportiert. Der Hauptabsendungsort war aber nicht Hamburg, sondern seine Nachbarstadt Altona.289 In Hamburg wurden viele Elbschiffe für den Getreidetransport eingesetzt und die übrigen beschäftigten sich mit der normalen Güterbeförderung, bei der allerdings eine erhöhte Kupfer- und Eisenausfuhr aus Hamburg nach Berlin und Magdeburg gleichfalls auf militärische Zwecke schließen lässt. Zu dieser Zeit bemühte sich der Hamburger Rat, die Lieferung von Kriegsmaterialien durch Hamburg zu verhindern, weil sie von kriegführenden Mächten als Konterbande betrachtet wurden. Rüstungsgeschäfte wurden in Hamburg zwar betrieben, aber in einem Berliner Schreiben wird berichtet, Hamburg habe aus Furcht vor dem Kaiserhof Schwierigkeiten wegen der Passage bereitet. Daher habe sich die preußische Regierung entschieden, das fragliche Geschäft über Altona abzuwickeln.290 Steinwaren wie Dachpfannen, Fliesen, Klinker und Mauerstein, die zum größten Teil aus den Niederlanden kamen,291 exportierte Hamburg hauptsächlich in Nachbarorte, allen voran in die Elbmarschgebiete (Marschacht und Geesthacht), sowie nach Boizenburg und Lauenburg. Als entfernteste Ausfuhrbereiche lassen sich die heutigen Elbtalauen bei Hitzacker sowie bei Dannenberg und bei Dömitz nachweisen. Wir können daraus mit Sicherheit schließen, dass sie als Baumaterial in diesen steinarmen Gebieten begehrt waren und nicht zu den Fernhandelsartikeln zählten. Bei Missernten oder in Kriegszeiten ging Getreide, das normalerweise aus dem Hinterland geliefert wurde, in die entgegengesetzte Richtung. 1756 bestellte der Kurfürst zu Hannover angesichts der schlechten Ernte Roggen in Hamburg.292 Im Siebenjährigen Krieg wurden große Mengen Getreide für die Versorgung der preußischen Armeen in Sachsen nach Magdeburg ausgeführt und daraus ergab sich ein Mangel an Fahrzeugen für den Transport der Zivil-

289 Insgesamt wurden geliefert: 34.808 Kugeln; 6154 Bomben; 4400 Gewehre; 18 Kanonen; 800 Fässer Pulver; 24 Last und 1 Partei „Kugeln und Bomben“; „Kanonen, Bomben und Kugeln“ in 6 Fahrzeugen. StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 43 – 47. 290 Isabelle Pantel: Die hamburgische Neutralität im Siebenjährigen Krieg, Münster 2011, S. 182. 291 Siehe Kapitel II, S. 105 f. dieser Arbeit. 292 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 11, Vol. 5, Könnig. Kammer zu Hannover an Hamburg 1756.

Hamburgs Mitteleuropahandel in der Atlantikzeit

291

güter,293 worüber die Hamburger Kaufleute 1757 Klage führten.294 Dieser Getreidehandel brachte aber einigen Kaufleuten großen Gewinn. Der Hamburger Kaufmann Johann Michael Hudtwalcker schrieb in seinen Erinnerungen, dass das Geschäft seines Vaters während der Kriegszeit durch den Getreidehandel einen immer lebhafteren Betrieb aufnahm, weil der Bedarf der vielen einander bekriegenden Heere in Deutschland sehr groß war.295 Häute und Felle, die teilweise sicherlich aus Südamerika stammten, lassen in den 1790er Jahren eine zunehmende Ausfuhr ins Binnenland erkennen.296 Die Hauptexportziele waren Berlin und Magdeburg. Tabelle IV-11: Stückzahl der in den Esslinger Elbzollregistern verzeichneten, von Hamburg zu Wasser transportierten Häute und Felle 1791 – 1800 Berlin Magdeburg Andere 1791

9.843

186

0

1792

6.870

875

0

1793

5.780

4966

247

1794

4.480

750

1300

1795

20.569

15.058

386

1796

19.691

19.272

0

1797

13.995

17.273

366

1798

11.430

703

65

1799

10.222

8205

120

1800

15.070

1055

90

Quelle: StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 105 – 124 und Fasc. 3.

293 1756 berichtete der Zöllner bei Esslingen: „An statt sonst aufwärts gebrachten Wahren, haben des Königs von Preussen May. lauter Getraide für dero in Sachsen stehenden Armee durch nur zu erlangende Schifs-­Gefässe sich zuführen lassen, daher in Mangel gnugsamer Schiffe obiges minus erfolgen müssen“. StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 42, S. 42. Das Getreide, das während des Krieges von Hamburg für den preußischen König nach Berlin, Magdeburg und Dresden ausgeführt wurde (Roggen, Weizen, Gerste, Hafer und Reis) betrug 9886 Last und 2386 Fässer. Auch über den Landweg lieferte man große Mengen Getreide und Heu nach Lüneburg. 294 Baasch: Quellen, S. 278. 295 Schramm: Kaufleute, S. 202. 296 Damals entwickelte sich die Einfuhr dieser Ware via Spanien. Siehe Kapitel II, S. 97 dieser Arbeit. Einige Häute sind als „westindisch“ bezeichnet.

292

Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr

Als spezifisches Produkt Norddeutschlands sollte man Ochsen in die Betrachtung aufnehmen und fragen, welche Rolle Hamburg im Ochsenhandel spielte. Von Jütland aus führte seit dem Mittelalter die Ochsendrift auf sogenannten Ochsenwegen nach Nordwesteuropa, wobei die aus Magervieh bestehenden Herden nach der Aufzucht in die Mastgebiete in der Nähe von Verbrauchsmärkten getrieben wurden. Esslingen an der Elbe war eine wichtige Verkehrsstation dieses weiträumigen Viehtriebs.297 Das Esslinger Zollregister aus dem Jahr 1735 gibt die Zahl der Ochsen an, die von 1711 bis 1735 die Fährstelle durchquerten, allerdings ohne Angaben zu Herkunfts- und Zielorten. Wahrscheinlich gingen die meisten hier verzeichneten Ochsen nach Nordwesten, vor allem nach Holland, weil der Verfasser des Verzeichnisses seine Angaben vor und nach dem „Impost in Holland“ 1723/1724 abteilte. Nach dem Impost gab es eine drastische Abnahme der Ochsenanzahl. Tabelle IV-12: S tückzahl der Esslingen durchquerten Ochsen 1711 – 1735 Vor dem Impost

Nach dem Impost

1711

13.341

1724

8217

1712

13.042

1725

8917

1713

„Contagionszeit“ 1726

9023

1714

„Contagionszeit“ 1727

7300

1715

12.535

1728

6514

1716

18.824

1729

7015

1717

„Vieh sterben“

1730

6040

1718

11.368

1731

6965

1719

13.538

1732

6200

1720

12.112

1733

4601

1721

10.027

1734

3654

1722

10.787

1735

2697

1723

10.900

Quelle: StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 3, S. XII f.

297 Heinz Wiese/Johann BÖLZ : Rinderhandel und Rinderhaltung im nordwesteuropäischen Küstengebiet vom 15. bis zum 19. Jahrhundert, Stuttgart 1966, S. 25. Zum kompakten Überblick auf den Ochsenhandel siehe Jens-­Peter Rachau: Der Rinderund Ochsenhandel an der westlichen Norseeküste im 18. und 19. Jahrhundert, Husum 2011.

Hamburgs Mitteleuropahandel in der Atlantikzeit

293

Das Zollregister von 1733 gibt an, dass fast alle in diesem Jahr die Fährstelle durchquerten Ochsen nach den Niederlanden, Westfalen und Bremen bestimmt waren.298 Der Herkunftsort war Jütland. Die Anzahl der aus Hamburg kommenden Ochsen war mit 123 sehr klein.299 Während der Ochsenhandel, der dem Weg Jütland – Esslingen – Nordwesteuropa folgte, diesen Angaben nach kontinuierlich abnahm, wurden viele Ochsen in Hamburg geschlachtet: Von Oktober 1733 bis September 1734 betrug die Anzahl 10.670300 und war damit weitaus höher als die Durchgangszahl der aus Jütland kommenden Ochsen bei Esslingen.301 Viele der verschiedenen Fleischwaren wurden in der Stadt konsumiert, aber eine nicht unbedeutende Menge wurde alljährlich per Schiff nach Westeuropa, beispielsweise nach Frankreich exportiert.302 Daraus lässt sich die Stellung Hamburgs im norddeutschen Ochsenhandel erkennen. Hamburg erreichte eine größere Menge Vieh als der Durchgangs- und Fährort Esslingen, durch den der Haupttransportweg der norddeutschen Ochsendrift lief. In der Stadt wurden die Ochsen geschlachtet und geräuchert, der weitere Handel richtete sich zum Teil auf den Verbrauch durch die eigene Bevölkerung, zum Teil auf einen Reexport. Hamburg spielte einerseits als Verbrauchsmarkt, andererseits als Verarbeitungs- und Vertriebszentrum die wichtigste Rolle in Norddeutschland. Auf Grund der Erkenntnisse, die ab Kapitel  II gewonnen werden konnten, fassen wir schließlich die Phasen des Strukturwandels in den Handelsverbindungen ins Auge. Dabei ist erkenntnisleitend, dass die Umstrukturierungsprozesse durch die Koexistenz zweier entgegengesetzter Elemente gekennzeichnet waren: Während innere und äußere Schubkräfte im Laufe der Zeit immer wieder Neuordnungen der Handelsverbindungen veranlassten, hielten die etablierten Verbindungen trotzdem fortdauernd durch.

298 In diesem Jahr wurden Ochsen in folgenden Mengen exportiert: 1.901 nach Holland, 448 nach Brabant, 601 ins Münsterland, 351 nach Wesel, 771 nach Kleve, 528 nach Bremen. StAH, ER, Fasc. 1, Nr. 27, 28; Fasc. 2, Nr. 1 299 Daneben wurden in den Zollregistern 328 Ochsen von Bergedorf nach Süden (vor allem nach Winsen/Luhe) verzeichnet. 300 Wiese/Bölz: Rinderhandel und Rinderhaltung, S. 15. 301 So wurden 1765: 11.660, 1766: 10.644 und 1767: 12.074 Ochsen in der Stadt konsumiert. Ebenda, S. 16. 302 Ebenda, S. 18. Damals hatte geräuchertes Hamburger Rinderfleisch einen Ruf als Markenware.

294

Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr

3.3  Kontinuität und Umstrukturierung der Handelsverbindungen Im Ostsee- und Mitteleuropahandel Hamburgs bestanden über viele und lange Zeiträume gewisse Zwänge, die zu Umstrukturierungen von Handelsverbindungen führten, während gleichzeitig viele Verbindungen zähe Kontinuität bewiesen. Verschiedene Faktoren wie neue Infrastrukturen und Warensortimente, direkte und indirekte Kriegsauswirkungen, strenge Handelspolitik und der wechselnde Einfluss von Verkehrszentren sowie Gewerbelandschaften im Hinterland bestimmten über Kontinuitäten oder Umstrukturierungen. Große Kontinuität sieht man in den Beziehungen zu Lübeck. Zwar sind durchlaufende Daten nicht für die gesamte anvisierte Zeitspanne vorhanden, doch ist mit Sicherheit festzustellen, dass der traditionelle Handelsverkehr zwischen den beiden Hansestädten durch Kontinuität geprägt war. Als zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges die bis dahin für Hamburg bedeutendsten Handelsbranchen im Binnenlandverkehr, nämlich die Tuchausfuhr und die Kupfereinfuhr, untergingen, konnte Lübeck einspringen, da die traditionellen Verkehrsbeziehungen der beiden Städte trotz handelspolitischer Auseinandersetzungen im Grunde bewahrt blieben. Diese Mischung aus Kontinuität (im Ostseeraum) und Umstrukturierung (im Binnenland) war ein Charakteristikum des Hinterlandverkehrs. Bei Ostseeprodukten blieb Lübeck für Hamburg bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts der wichtigste Vermittlungsort. Lübeck behauptete seine Stellung als Handelszentrum für den Ostseeraum. Hamburg war aber kein „Nordseehafen Lübecks“ und im Ostseehandel nicht mehr abhängig von Lübecker Vermittlung. Der blühende Handel mit englischen Tuchen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts war in der Hand von Hamburgern.303 Im Promemoria von 1714 über den Durchfuhrhandel mit Lübeck beschreiben der Hamburger Rat und die Commerzdeputation: „die von hier aus über Lübeck treibende Handlung werde meistens von denen Lübeckern in commisione für unsere Leute experiret“.304 Wie entwickelte sich im Hamburg-­Lübeck-­Handel die Stellung von Lauenburg? Mit dem Bau des Stecknitzkanals wurde zwar eine direkte Wasserverbindung über die Stadt gebahnt, es gelang Lauenburg allerdings nicht, den Ost-­West-­Verkehr zu konzentrieren. Durch das 1740 festgesetzte „Rividirte 303 Auf Grund des Handelsgeschäftes mit einem Lübecker Kaufmann. Siehe Michaela Blunk: Der Handel des Lübecker Kaufmannes Johan Glandorp an der Wende vom 16. bis zum 17. Jahrhundert, Lübeck 1985, S. 33. 304 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 12, Vol. 1b, Fol. 34r.

Hamburgs Mitteleuropahandel in der Atlantikzeit

295

und erneuerte Provisional-­Regelment wegen schleuniger Abfahrt der auf der Stecknitz zu Lauenburg Ankommenden Güter“ bemühte sich der hannoversche Kurfürst um die Förderung des Schiffsverkehrs durch Lauenburg. Daraus ist eine Konkurrenzstellung zum Landweg via Oldesloe zu entnehmen. Das Reglement lautete: Demnach bißhero über ein und andere Unordnung bey dem Stecknitz und Elb-­ Commercio zu Lauenburg Beschwerde geführet, und befunden worden, daß wenn selbiger nicht abgeholffen werden solte, daß Commercium auf der Stecknitz und folglich auf dem Elb-­Strom sich nicht allein mehr und mehr verliehren, und zu Lande von Lübeck über Oldesloh nach Hamburg wenden, sondern auch die Königl. und Churfürstl. Zoll-­Revenüen zu Lauenburg werden verringert.305

Dass sich Lauenburg zunehmend nach dem Handel mit Hamburg – nicht mehr nach dem hansischen Salztransport zwischen Lüneburg und Lübeck – richtete, wird aus der Verordnung von 1741 deutlich, worin die Vereinheitlichung der Gewichte nach hamburgischen Maßstab bestimmt ist.306 Trotz dieser Bemühungen übte der Kanal keine so entscheidende Wirkung aus, dass er anderen Orten die Warenströme zu entreißen und damit das Verkehrssystem an sich zu nehmen fähig gewesen wäre. Vielmehr spezialisierte sich die Güterbeförderung in eine Rollenverteilung zwischen Land- und Wasserweg. Massengüter wie Eisen, Teer und Pech wurden vornehmlich durch den Kanal über Lauenburg transportiert.307 Im Unterschied dazu hatte die Gestaltung des neuen preußischen Wassersystems seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts für Hamburg zur Folge, dass dadurch bestehende Handelsverbindungen stark beeinträchtigt wurden. Bis dahin behielt Frankfurt/Oder eindeutig seine Bedeutung für den Hamburger Binnenlandhandel. Dies haben wir vor allem aus der Einfuhr von ungarischem Kupfer und aus der Ausfuhr von Wein ersehen.308 Durch den Bau des Friedrich-­ Wilhelm-­Kanals, der flussabwärts von Frankfurt das Oderwasser mit der Spree und damit auch mit Havel und Elbe verknüpfte, musste die Stellung der Stadt bedroht werden.309 Eine entsprechende kurzfristige Änderung im Handelsver 305 StAH , Senat Cl. VII , Lit. Kc Nr. 16, Vol. 1c, Rividirtes und erneuertes Provisional Regelment 1740. 306 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kc Nr. 16, Vol. 1c, Verordnung 1741: „Soll hinführo alles Gewichte in Unserm Hertzogthum Lauenburg den Hamburgischen Raths-­Gewichten an Schwere gleich seyn, und mit solchen Gewichten aller Handel, in- und ausserhalb Marckts, bey nachgesetzter Straffe betrieben und alles gewogen werden“. 307 Siehe oben in diesem Kapitel. 308 Siehe oben in diesem Kapitel. 309 Siehe oben in diesem Kapitel.

296

Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr

kehr ergab sich aber nicht. Breslauer Kaufleute meinten, dass sie bei Frankfurt bleiben wollten, da sie in Berlin niemanden kennten, der für sie dort Waren und Unkosten vorschieße, auch keine Gelegenheit hätten, Wechsel dahin zu bringen.310 Die Frankfurter versuchten selbst ihren Niederlagszwang zu verteidigen und behaupteten, wenn nun die Hamburger die Oder hinaufschiffen könnten, würden sie den gesamten Handel in Schlesien streitig machen, da sie aus erster Hand, also viel wohlfeiler als andere kauften.311 Daraus folgte der innerpreußische Handelsstreit zwischen den Städten Frankfurt/Oder und Berlin, wobei der Sieg schließlich Berlin gebührte. Die Esslinger Elbzollregister aus dem 18. Jahrhundert verzeichnen keine Schifffahrt mehr nach Frankfurt/ Oder, die Ausfuhr von Hamburg nach der Kurmark konzentrierte sich nun auf Berlin. Diese Konzentration zulasten der anderen Handelszentren kann man als „Hinterland-­Piraterie“ betrachten,312 den Prozess, in dem ein Handelszentrum anderen sein Hinterland entreißt. Der Infrastrukturaufbau alleinig veranlasste aber nicht die konjunkturelle Bewegung des Handels. Die neue Phase setzte erst ab den 1730er Jahren ein, als die expandierende Atlantikwirtschaft auch Hamburg erfasste. Dabei stellte das durch den Friedrich-­Wilhelm-­Kanal hergestellte Wasserverkehrssystem in kurmärkisch-­schlesischen Gebieten eine Gegenmaßnahme gegen das sächsische Landverkehrssystem um Leipzig dar und lenkte schließlich die Warenströme zu sich. Infolgedessen hatte der hamburgische Verkehr mit der Messestadt Leipzig über Lüneburg zu Land oder über Magdeburg zu Wasser eine nicht unbedeutende Reduktion hingenommen. Da schwere, in Fässern gehandelte Güter besser für den Wassertransport geeignet waren, galt dieser Flussweg besonders im Hamburger Ausfuhrhandel mit Kolonialwaren als effektiv. Die Bedeutung von Berlin, das der Hauptvermittlungsort in diesem neuen Wasserverkehrssystem war, haben wir bereits mit Zahlen belegt.313 Dagegen zeigte sich bei Leinen eine Kontinuität im Landwegverkehr von Leipzig, wo Lüneburg als Vermittlungsort nach Hamburg fungierte. Sichtbar wird so wieder die Rollenverteilung zwischen Land- und Wasserweg. Auch den Ostseehandel Hamburgs regte die Entwicklung des hamburgischen Atlantikhandels zu Änderungen an. Der steile Anstieg der seewärtigen Kolonialwarenausfuhr in den Ostseeraum wurde um die Mitte des 18. Jahrhunderts hauptsächlich verursacht durch den Siebenjährigen Krieg in Sachsen 310 311 312 313

Rachel: Handels- Zoll- und Akzisepolitik, Bd. 1, S. 223. Ebenda, S. 225. Lesger: Amsterdam Market, S. 192 – 195. Siehe die Abbildung VI-1 dieser Arbeit.

Hamburgs Mitteleuropahandel in der Atlantikzeit

297

sowie Schlesien und die infolgedessen geforderten Proviantlieferungen, die die Schiffe für den Transport der normalen Zivilgüter knapp machten; durch die friderizianische Merkantilpolitik nach dem Krieg gegen die Kolonialwarenzufuhren aus Hamburg in die preußischen Gebiete sowie durch die endgültige Lösung der Sundfrage. Die sonst übliche Warenzufuhr ins Binnenland wurde zum Ostseeraum gelenkt, wobei politische Faktoren diese konjunkturelle Bewegung bestimmten. Keine Bedeutungs-, sondern eine Funktionswandlung ist im Handel Hamburgs mit Lüneburg zu ersehen. Die Verbindung blieb erhalten, doch änderte sich ihr Hauptzweck im Laufe der Zeit. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden die Handelsbeziehungen außer durch den Absatz der hamburgischen Ausfuhrwaren in großem Maße durch die lüneburgischen Salzlieferungen geprägt.314 Im 18. Jahrhundert nahm die Bedeutung der Vermittlung von binnenländischem Leinen nach Hamburg erheblich zu,315 wenn auch der Zeitraum und die Aussagekraft der verfügbaren Materialien begrenzt sind und vermutlich die Salzausfuhr immer noch wichtig war.316 Trotzdem kann man festhalten, dass Lüneburg für den Hamburger Binnenlandhandel im 18. Jahrhundert eher als Speditionsort denn als Produktionszentrum hervortrat. In Kapitel III und IV haben wir die langfristige Entwicklung von Frachtverkehr und Warenströmen im Ostsee- und Mitteleuropahandel verfolgt und damit versucht zu erfassen, welche Regionen zu welcher Zeit mit welchen Waren in welchem Maße über Hamburg verknüpft waren. Mit verschiedenen Regionen und auf verschiedenen Handelswegen im Ostseeraum und im mitteleuropäischen Binnenland hatte Hamburg Handelskontakte, die miteinander verknüpft einen Verkehrskomplex bildeten. Dabei gab es nicht einen herausragenden Partnerort. 314 Siehe oben in diesem Kapitel. 315 Siehe oben in diesem Kapitel. 316 Es soll hier bemerkt werden, dass wir auf die Analyse des Salzhandels verzichten müssen, der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle spielte. Es gibt in den Admiralitäts-­Kontentbüchern keine Angaben zum Salzimport. Köncke verzeichnete in seinen Einfuhrlisten für das Jahr 1793 die Salzeinfuhr aus Lüneburg als „unbekannt“. Köncke: Specification. Für andere Jahre, für die auch die Auskunft über Lüneburger Salz fehlt, machte er keine besondere Bemerkung. Die Esslinger Zollregister berichten jährlich die Zolleinnahme sowie Schiffszahl bezüglich des über Lauenburg nach Lübeck beförderten lüneburgischen Salzes, aber nicht bezüglich der Lieferungen nach Hamburg. Der Salztransport nach Hamburg ist wahrscheinlich in der pauschalen Rechnung der Elbzolleinnahme unter Lüneburg „für von und nach Hamburg gehende Güter“ enthalten.

298

Hamburgs Warenumschlag im kontinentaleuropäischen Handelsverkehr

Im Laufe der Zeit veränderte sich die Zusammensetzung der angebundenen Orte, wobei jeder Kontakt in seiner Bedeutung ab- oder zunahm. Hingegen zeigten die Handelsverbindungen an sich starke Zähigkeit. Beispielsweise blieb der Verkehr zu Lübeck den Untersuchungszeitraum hindurch lebhaft, auch wenn sich seine relative Bedeutung je nach Zeitpunkt unterschied. Worin lag neben der Warenbeschaffenheit aber der Grund für die Nutzung unterschiedlichster Pfade? Eine Erklärung dafür wäre die Risikoverteilung. Die parallele Existenz der alten und neuen Handelsbeziehungen bedeutete, dass man für den Warenbezug und -absatz mehrere Routen und Orte zur Auswahl besaß. Je größer die Auswahlmöglichkeit war, desto geringer wurde das mit dem Handel verbundene Risiko. Aus dieser Annahme ergibt sich die Frage, wie man eigentlich das Zwischenhandelsgeschäft betrieb. Mit welchen Schwierigkeiten man konfrontiert war, wie man sie beseitigte und den Warenverkehr funktionieren ließ, ist Gegenstand des nächsten Kapitels.

V. Betrieb und Praxis Während die Forschungsliteratur die Größe des hamburgischen Zwischenhandels mehrmals konstatiert, fehlt bis heute eine empirische Studie darüber, wie er eigentlich funktionieren konnte. Wenn man an die politische Fragmentierung und die daraus resultierten ungünstigen Handelsbedingungen, die vor allem in den deutschen Gebieten typisch waren, denkt, war die Entwicklung keineswegs selbstverständlich, sondern vielmehr verwunderlich. Wie schloss sich der Ostseeund Mitteleuropahandel Hamburgs unter diesen Umständen an die wachsende Nordsee- und Atlantikwirtschaft an? In diesem Kapitel wird das Problem noch näher betrachtet. Es geht um die Prozesse und die Praxis im Zwischenhandel, eine Reihe von Verfahren, die beim Warenverkehr in Frage kamen.

1.  Fragen zum Fortlauf des Zwischenhandelsverkehrs am Beispiel des porto transito Führte der Zuwachs der in den hamburgischen Hafen eingebrachten Warenmenge unmittelbar zur linearen Entwicklung des Zwischenhandels? Berücksichtigt man die geschichtlichen Rahmenbedingungen, die die Voraussetzungen im Warenverkehr bildeten, scheint solch ein linearer Zusammenhang in der Tat nicht vorgekommen zu sein. Wir betrachten daher, welchen praktischen Problemen die für die Zunahme des Warenvolumens eingeführte handelspolitische Maßnahme gegenüberstand. Die Einführung des porto transito, der Zollbefreiung für Transitwaren, stellte dafür ein Beispiel dar. Unten wird zuerst der Gründungsprozess beschrieben und dann gehen wir dem Problem nach, zu welchen Ergebnissen diese handelspolitische Maßnahme führte.

1.1  Einführung des porto transito In den letzten Kapiteln haben wir festgestellt, dass mannigfaltige Handelsartikel über verschiedene Verkehrsrouten gehandelt wurden. Da es nicht nur für Hamburg allein, sondern in Kontinentaleuropa im Allgemeinen unzählige Handelswege gab, konnte jeder Warenzug Hamburg ausweichen und über andere Orte gehen. Internationale Kaufleute konnten ihre Waren an den gewünschten Zielort schicken, ohne dass diese Hamburg berührten. Beispielsweise war Schlesien auch von Holland aus erreichbar. Deswegen hielt man es in Hamburg für nötig, die Warenzufuhr in die Stadt durch handelspolitische

300

Betrieb und Praxis

Maßnahmen zu sichern. Dazu gehören die im Kapitel II erwähnte Fremdenund Neutralitätspolitik, aber unmittelbar auf den Transportsektor bezieht sich die Zollpolitik. Den betrachteten Zeitraum hindurch gab es in Hamburg verschiedene Zölle: Schaumburger Zoll, Werkzoll, Tonnengeld, Land- und Elbzoll, Admiralitätszoll und Konvoigeld.1 Sie waren wichtige Einnahmequellen für die Stadtkasse, zugleich aber eine Belastung für den Handelsverkehr. Den Warenaustausch in die Stadt durch die Ermäßigung der Zölle zu stimulieren, wurde seit dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts, besonders aber im 18. Jahrhundert als notwendige Aufgabe zur Entwicklung des Zwischenhandels betrachtet, was zur Diskussion um die Einführung eines Freihafensystems zwischen Rat und Kaufmannschaft führte.2 Ein Freihafen ist im heutigen Sinne ein „Zollausschlußgebiet innerhalb eines Hafens, in dem die einkommenden Güter in Gegensatz zum Zollinland unverzollt gelagert und hier und da bearbeitet werden können“, und er erleichtert „die Einfuhr und den Transit. Im Transit entfällt bei Umladung der Güter ein Teil der zeitraubenden und kostenverursachenden Zollformalitäten“.3 Dieser Grundzug galt auch im betrachteten Zeitraum. Das Freihafenwesen fand sich damals schon in europäischen Seestädten wie Livorno und Marseille und diente auch der Errichtung eines regionalen sowie staatlichen Handelssystems.4 Doch keine wirtschaftstheoretischen Überlegungen oder systematische Territorialtaktik war es, die in Hamburg zur Diskussion um mögliche Zollfreiheiten in seinem Hafen führten. Dazu Anlass gab die Besorgnis, die die nahegelegenen hamburgischen Konkurrenzhäfen Altona und Harburg erregten.5 Altona war seit 1664, als es vom dänischen König zur Stadt erhöht wurde und wirtschaftliche Privilegien erhielt, Freihafen und bedrohte damit 1 Zum hamburgischen Zollwesen siehe Pitz: Zolltarife, XI‒XXXII. 2 Vgl. Richard Ehrenberg: Die Anfänge des Hamburger Freihafens, Hamburg/Leipzig 1888. 3 Walter Linden (Hg.): Verkehrs-­Lexikon, Wiesbaden 1966, S. 546. 4 Der Großherzog Ferdinando I. erklärte Livorno 1593 Freihafen wegen des heftigen Wettbewerbes zwischen den italienischen Staaten um Seehandel. Vgl. Beutin: Mittelmeergebiet, S. 11; Marie-­Christine Engels: Merchants, Interlopers, Seamen and Corsairs. The ‘Flemish’ Community in Livorno and Genoa (1615 – 1635), Hilversum 1997, S. 109 f. Die Einführung eines Freihafenswesens in Marseille durch das colbertische Edikt im Jahre 1669 war mit der Entleihung der Monopolstellung der Stadt verbunden und zielte auf die Förderung des französischen Levantehandels. Vgl. Katsumi Fukasawa: Toilerie et Commerce du Levant d’Alep à Marseille, Paris 1987, S. 163 – 174. 5 Wiskemann: Welthandelspolitik, S. 111.

Fragen zum Fortlauf des Zwischenhandelsverkehrs

301

Hamburgs Position.6 Schon im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts war sich die Commerzdeputation der Notwendigkeit bewusst, eine gründliche Änderung in der städtischen Zoll- und Handelspolitik herbeizuführen, und forderte die Einführung von transito, die Zollfreiheit für durch Hamburg transferierte Waren. 1687 traten zu den Aufforderungen der Commerzdeputation die Klagen über Warenausladungen in Altona, des Weiteren über die Zunahme des Verkehrs durch Harburg, vor allem über den direkten Handel beider Städte mit den Niederlanden.7 Insbesondere beim Holzhandel mit den Niederlanden war der Wettbewerb mit den Nachbarn gefährlich.8 In den zwischen 1692 und 1699 erstellten undatierten Supplikationen von Holzhändlern beschwert man sich über Zoll und Unkosten in Hamburg und verweist auf die Konkurrenz von Altona, Harburg und Reiherstieg.9 1694 schilderten sie: „Man kann die Schiffer nicht dahin persuadiren, ihre Befrachtung hie zu suchen, es sey denn daß man ihnen 30 – 35 fl. [= Gulden] per Schiffsladung mehr verspricht, als sie in Harburg bekommen, maßen sie dort an Zoll und anderen Unkosten so viel ersparen“.10 Seit 1692 schlug die Commerzdeputation wiederholt vor, einen Freihafen mit Lagerhäusern, die als Zollausland behandelt werden sollten, einzurichten, um das Kommissions- und Speditionsgeschäft zu schützen. Der Freihafen im eigentlichen Sinne – porto franco – wurde, obwohl der Plan häufig zur Diskussion gestellt wurde, im 18. Jahrhundert nicht verwirklicht, denn der Rat scheute sich aus fiskalischen Interessen vor einem Rückgang der Zolleinnahmen. Stattdessen strebte die Commerzdeputation die Realisierung der Zollfreiheit für Transitwaren – porto transito – an. Angesichts des zunehmenden Wettbewerbs mit den Nachbarstädten Altona und Harburg erhob die Deputation stärker 6 Zum Konkurrenzkampf Altonas gegen Hamburg siehe Hans Berlage: Altona. Ein Stadtschicksal von den Anfängen bis zur Vereinigung mit Hamburg, Hamburg 1937, S. 69 – 96. 7 Baasch: Handelskammer, Bd. 1, S. 121 f. 8 Der Holzhandel war eine wichtige Branche im hamburgisch-­niederländischen Handel. Baasch: Holländische Wirtschaftsgeschichte, S. 109. 9 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb, Nr. 8a, Vol. 3. 10 Zitiert von Ehrenberg: Anfänge, S. 26. Es gab eine starke Konkurrenz zwischen Hamburg und Harburg um den Export des binnendeutschen Holzes in die Niederlande. Seit 1642 bemühten sich die Herzöge von Braunschweig-­Lüneburg, Harburg wirtschaftlich hervorkommen zu lassen, um einen mit Hamburg konkurrenzfähigen Handelsplatz zu schaffen. Es wurde versucht, den Stapel im Holz- und Getreidehandel zwischen Hamburg und Magdeburg zu erodieren. Daneben vermehrte sich seit 1690 der Verkehr zwischen Altona und Lüneburg. Hierzu siehe Baasch: Kampf, S. 89 – 112, vor allem S. 99 – 109. Ferner vgl. Kausche: Harburg und die Niederlande.

302

Betrieb und Praxis

die Forderung, dagegen Maßnahmen zu ergreifen.11 1713 beschloss man die Zollbegünstigung von Waren, die ungeöffnet und unverkauft innerhalb von sechs Monaten durch die Stadt hindurchgeführt wurden.12 Die Zollbegünstigung war eine vorläufige Maßnahme, und es blieb noch die Frage offen, ob eine allgemeine Zollfreiheit für Transitwaren gestattet werden sollte. Es war in Hamburg immer noch eine verbreitete Meinung, dass man die wirtschaftliche Entwicklung Altonas zugrunde richten müsse. Das Ratsprotokoll für das Jahr 1721 schildert, worin die Gefahr lag. Demnach kreuzten sich die Handelsbereiche anderer Zentren wie Bremen und Lübeck nicht mit denjenigen Hamburgs, und sogar Holland konnte mit Hamburg harmonieren, weil es für den Warenverkehr nach Norddeutschland die Vermittlung durch den Hamburger Elbhandel brauchte: ob es [= Holland] zwar die am Rhein gelegene und dernselben nahe Teutsche Provintzen immediate versorget, muß dennoch ebenfalls des Hamburgischen Elb-­Commercii sich bedienen, wenn es seine Waaren, nach vorhin besagten Nordischen Cuartieren Teütschlandes bringen will.13

Eine Zusammenarbeit mit der „all to nah“ liegenden Stadt Altona war aus Sicht des Hamburger Rates nicht möglich. Im Ratsprotokoll heißt es: Altenaw aber, wie es eben die Situation, Nachbahrschaft und Wege in seiner Handlung gleich Hamburg, also kann es sein Commercium nicht führen, ohne das Hamburgische zu verdrengen, und an sich zu ziehen [und deshalb sei es] unmöglich, daß Hamburg und Altenaw in einem Commercio mit einander vertragen und beyde bestehen könnten.14

In der Tat aber war die Koexistenz möglich. In Hamburg erfuhren sowohl Vorder- als auch Hinterlandhandel in der Folgezeit positive Entwicklungen, wie wir in den letzten Kapiteln festgestellt haben.15 Dies lag zum Teil darin begründet, dass Altona mit Hamburgs Haupthandelszweig – Kolonialwarenhandel – nicht konkurrenzfähig war.16 Auch im Holzhandel verlor Hamburg trotz Altonaer Konkurrenz seine Stellung als bedeutender Ausgangsort nach

11 Wiskemann: Welthandelspolitik, S. 111 f. 12 Die Verordnung ist gedruckt in Pitz: Zolltarife, Nr. 338. 13 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ka Nr. 2 Vol. 3, Extractus Protocolli Extrajudicialis Mercurii d. 7. Oct. 1722. 14 Ebenda. 15 Siehe Kapitel II ‒ IV. 16 Zwar entwickelten sich in Altona Großbetriebe von Zuckerverarbeitung. Berlage: Altona, S. 128. Es fehlte aber an internationalen Unternehmerkräften und Kapital, die mit denjenigen in Hamburg vergleichbar wären.

Fragen zum Fortlauf des Zwischenhandelsverkehrs

303

der See nicht.17 Zur selben Zeit erfuhr Altona eine so große Entwicklung in Handel und Schifffahrt, dass man sie Altonas „goldenes Zeitalter“ nennen dürfte.18 Ungeachtet Hamburgs Sorge ist die Koexistenz folgendermaßen zu betrachten: „in der Zeit des aufblühenden Welthandels, wirkten sich die Vorteile von Altonas Lage in vollem Umfang aus: die Nähe Hamburgs und der Elbe mit ihrem Weltverkehr“.19 Dies war aber nur eines der Resultate. Der Plan zum freien Verkehr wurde nicht aufgegeben und 1727 wurde Hamburg porto transito.20 Der Durchfuhrzoll wurde aufgehoben, aber zunächst nicht für alle Waren. 1748 wurde der Zoll beim Getreidetransit befristet aufgehoben, was zunächst um zwei und um vier Jahre verlängert wurde. 1764 erfolgte schließlich die Zollbefreiung für Leinen, Garn, Blech und Kupfer – unabhängig davon, ob es sich um Transitwaren handelte oder nicht; 1777 fiel der Zoll beim Transit von Wein, Branntwein und Essig.21

1.2  Ergebnis des porto transito Wie sollte man diese institutionelle Veränderung im Kontext der Zwischenhandelsentwicklung interpretieren? Nach der ersten Einführung des porto transito gab es in der Transitfrage, die mit der Entwicklung des Zwischenhandels verbunden war, einen Übergang in ein anderes Stadium. Bis dahin war die Konkurrenz mit Nachbarstädten und, bezüglich der Handelsbranche, um Holz- sowie Getreideausfuhr im Fokus der Maßnahmen. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts änderte sich der Vergleichsrahmen. Zu dieser Zeit rückte der Wettbewerb mit den Niederlanden in den Vordergrund, den man bisher, wie oben erwähnt, außer Acht gelassen hatte.22 Als in den Niederlanden die freie Ein- und Ausfuhr nach Spanien bestimmten Leinens, Garne, Wachse, eiserne Pötte, Nägel, Pipenbänder, Bleche, Eisen- und Kupferdrähte und allerlei Eisenwerks zugestanden wurde, behauptete die Commerzdeputation 1752 beim Rat, dass „die wahre Absicht dieses Porto-­Franco keine andere sey, als der gegenwärtigen uns so nachteiligen Conjoncture sich zu bedienen und uns das spanische Negotium als die considerableste Branche unserer Handlung dadurch

17 Siehe Kapitel IV, S. 284 f. dieser Arbeit. 18 Berlage: Altona, S. 124 – 140. 19 Ebenda, S. 130. 20 Die Verordnung ist gedruckt in Pitz: Zolltarife, Nr. 342. 21 Pitz: Zolltarife, Nr. 343. 22 Dies heißt aber nicht, dass die Konkurrenz mit Altona und Harburg gar nicht erwähnt wurde.

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Betrieb und Praxis

zu entziehen“.23 Zu bemerken ist, dass durch die niederländische Bestimmung die Handelsgüter, die im Hamburger Zwischenhandel seit den 1730er Jahren zunehmend gehandelt wurden, vorwiegend berücksichtigt wurden: nämlich Leinen, das schon oben erwähnt ist, und Kolonialwaren.24 Nachdem in den Niederlanden der Ausfuhrzoll auf Wachs, Indigo und Juchten aufgehoben worden war,25 reichten 1755 die Kaufleute in Hamburg aus Furcht vor der Ausweitung der porto-­franco-­Waren in den Niederlanden einen Antrag auf zollpolitische Maßnahmen an die Commerzdeputation ein, wobei geäußert wurde: man arbeitet noch dasalbst unermüdet an einer gänzlichen Aufhebung des Zolls und suchet alle waaren ohne Ausnahme von der Last desselben und sonstigen Auflagen völlig zu befreyen, um auf solche Weise die dortige Handlung, Zucker-­Raffinerey und andere Fabriquen in größeren Flor zu bringen.26

Im nächsten Jahr berichtete die Commerzdeputation beim Rat: Es ist notorisch, was Amsterdam und Bremen seit kurzem Hamburg darin für Abbruch getan haben, imgleichen was für ansehnliche Lager von Leinwandten in Lüneburg und Altona liegen.27

1760 erwähnte die Commerzdeputation, auf die niederländische Zollfreiheit von 1752 Bezug nehmend, den negativen Einfluss von Zöllen auf die Zuckersiederei und andere Fabriken, ferner auf die Spedition von Leinen, Wein und Branntwein.28 Die Supplik von Kaufleuten und Zuckerfabrikanten an die Commerzdeputation von 1766 erwähnte die niederländische Konkurrenz und forderte die Aufhebung des Zuckerzolls.29 Anlässlich der Zollbefreiung von Zucker durch die im Ostseehandel konkurrierenden Länder Frankreich, England, die Niederlande und Dänemark folgte in Hamburg 1786 die Aufhebung des Zolls auf ausgeführten Zucker.30 23 Baasch: Quellen, S. 487. Unter den „nachteiligen Conjoncture“ ist gemeint die verschlechterte Handelsbeziehung zu Spanien wegen des Vertrags zwischen Hamburg und Algier, in dem die Waffen- und Munitionslieferung der Elbestadt zum Nachteil Spaniens abgemacht wurde. Dazu siehe Pohl: Spanien, S. 20 – 28. 24 Von anderen Gütern war auch oft die Rede. 25 Ebenda, S. 488. 26 Ebenda, S. 489. 27 Ebenda, S. 499. 28 Ebenda, S. 552 f. Hier wird die grundlegende Voraussetzung von Transit klargestellt: „Der auswärtige Kaufmann handelt mit dem Orte am liebsten, wo ihm die geringsten Kosten berechnet werden“. 29 Ebenda, S. 573 – 576. 30 Ebenda, S. 604 – 606. Pitz: Zolltarife, Nr. 343 – 13. Zucker-­Ausfuhr von Hamburg in den Ostseeraum siehe Kapitel III dieser Arbeit.

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Diese Veränderungen seit der ersten Einführung des porto transito im Jahre 1727 ist als Abschnitt im größeren Kontext, also im Verlauf des Hamburger Zwischenhandels sowie des europäischen Handelsverkehrs zu betrachten. Der Hamburger Zwischenhandel wuchs zu dieser Zeit, besonders in der Vermittlung von den global gehandelten Kolonialwaren und Leinen, derartig, dass er vergleichbar mit dem Amsterdams wurde.31 Infolgedessen ging die Diskussion in Hamburg um den Freihafen über den bisherigen lokalen Rahmen weit hinaus und orientierte sich an den internationalen Handelssphären. Symbolhaft für diese Entwicklung kann verstanden werden, dass die französischen Großhandelsfirmen der Boué und der His, die Hauptakteure im Kolonialwarenhandel Hamburgs, den oben genannten kaufmännischen Antrag von 1755 auf die Einführung von Transit mit unterzeichneten. Die Erweiterung des Transithandels wurde zur Voraussetzung für ein Distributionszentrum von europäischer Bedeutung. Zu berücksichtigen ist gleichzeitig, dass der Fortschritt nur langsam erzielt wurde. Porto transito für Leinen wurde erst im Jahre 1764, also als der Hamburger Zwischenhandel schon gut entwickelt war, verwirklicht. Welche konkreten Auswirkungen hatte die Transitpolitik der letzten Phase? Über Umfang und Entwicklung des Transitgeschäftes ist leider kaum etwas bekannt.32 Das Protokoll der Commerzdeputation von 1779 berichtete für die gesamte Kaffeeeinfuhr in Hamburg 41.989 Gebinde, worin die Transitware 12.180 Gebinde umfasste.33 Der Transitanteil machte also 29 Prozent aus. 1788 nahm er mit 19.236 von 41.117 Gebinden um 46 Prozent zu.34 Zucker wurde vergleichsweise weniger als Durchfuhrartikel gehandelt. In den 1790er Jahren wurden jährlich 40.814.430 Pfund Zucker nach Hamburg eingeführt, wovon der Transitzucker 10.203.610 Pfund ausmachte.35 Sein Anteil betrug also 25 Prozent. Im Unterschied zu Kaffee, der in Bohnenform in Fässern ohne Umpacken direkt, das heißt als Transitware vermittelt werden konnte, wurde der größte Teil des Zuckers in Hamburger Raffinerien verarbeitet. Dieser Zusammenhang von Transportabilität und verwirklichtem Transitverkehr gilt auch für andere Waren, wofür der Juchtenhandel in den letzten zwei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts ein weiteres Beispiel gibt. Der hohe Transitanteil wird auf 63 Prozent geschätzt, nach der Einfuhr konnte man die eingeführten Ladungen direkt weiterführen, weil sie schon in Russland 31 Vgl. Kapitel II ‒ IV. 32 ACEB, S. 11 f. 33 SHW, S/599, Protokolle der Commerzdeputation Jg. 1790, 1801. 34 Ebenda. 35 Ebenda.

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v­ erarbeitet wurden und leicht zu transportieren waren.36 Um mit O.-E. Krawehl zu urteilen, scheint klar zu sein, dass der Transithandel zum Ende des Jahrhunderts tendenziell zunahm, hinzugefügt werden kann der Vorbehalt, dass diese Entwicklung bei einzelnen Produkten durchaus unterschiedlich verlief.37 Es müsste für Kaffee noch hinzugefügt werden, dass die genannten Zahlen (vergrößerter Anteil von Transitkaffee bei fast gleicher Gesamteinfuhrmenge) der Tendenz der zunehmenden Zolleinnahme des Admiralitätskollegiums in den 1780er Jahren zu widersprechen scheinen, weil daraus die starke Steigerung der verzollten Kaffeeeinfuhr beobachtet werden kann.38 Während man zumindest auf einen nicht unbedeutenden Anteil von Transitware im Kaffeehandel schließen dürfte, ist es doch fragwürdig, dass der oben genannte Prozentanteil von Transitkaffee für das Jahr 1788 (46 Prozent) den normalen Wert repräsentierte. Hieraus kann geschlossen werden, dass eine institutionelle Anordnung keine hinreichende Bedingung wäre, um eine Verbesserung des Handelsverkehrs zu erreichen. Der Transithandel muss mit irgendwelchen Hindernissen konfrontiert worden sein. Eines davon möchte ich in der Verkehrssituation in den Hinterlandgebieten Hamburgs suchen. Zwischen Hafen und Handelsziel gab es eine Vielzahl von praktischen Problemen bei der Warenbeförderung, beispielsweise bei der Beladung, beim Umpacken und Umladen oder bei der Durchfuhr. Solche der Entwicklung des Transitverkehrs im Wege stehenden Rahmenbedingungen sind ein Schlüssel für unsere Frage, wie sich der Zwischenhandel entwickeln – bzw. nicht entwickeln – konnte. Sie lassen sich aus den praktischen Handelstätigkeiten entnehmen.

1.3  Hindernisse für den Transitverkehr Unten betrachten wir die sich im Transithandel ergebenden Probleme unter drei Kategorien: Ladungskontrolle, Verpackung und Beförderung, Umladen und Löschen von Waren. Ladungskontrolle Für die Geschwindigkeit und Pünktlichkeit der Warentransporte waren langdauernde Kontrollen der Fracht- und Schiffsladungen ein großes Hemmnis. 36 Laux: Archangelskfahrt, S. 131. 37 Siehe die Einleitung von Otto-­Ernst Krawehl in ACEB, S. 12. 38 Siehe Kapitel II, S. 78. Eine genaue Feststellung dieser Abweichung ist nicht möglich, da in den Zollregistern die Datenangabe für das Jahr 1779 fehlt.

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Der Transit sollte der schnellen Abwicklung des Handelsverkehrs dienen, weil damit umständliche Hafenverfahren verkürzt werden konnten. Eilige und ungenaue Befrachtung konnte aber zur Verschärfung der Kontrolle führen. Die Interessenkollision durch die Verschärfung der Ladungskontrolle lässt sich schon am Ende des 16. Jahrhunderts beobachten; als am Öresund eine genaue Zertifikation der Schiffsfracht gefordert wurde, hörte man in Hamburg Beschwerden, dass „dem hantirenden Khaufmanne, nicht allein hochbeschwerlich, sondern auch vhast unmüglich furfallen wurde, die Certificationes angezogenermaße zu praestieren“.39 Warum die Zertifikation unmöglich war, wurde so erklärt: wan die Schiffe befrachtet mit den eingeschiffeten Khaufgueteren an gewiße ernante Stette und örter zu siegeln, und dan den Khaufleuthen unwißentlich, was daselbst, da die loßung geschehen solle, vor guetern zu ihrem Vorthaill und frommen zu bekommen, Also das ihnen unmüglich, von solchen gueteren alhier in Specie zu Certificieren, Sollte nun uff den mangel der austrucklichen Specificierung der gueter, so sie uf der widderreise daselbst einschiffen wurden, davon ihnen vorhin zu Certificieren unmüglich das ervolgen […].40

Das Problem verschärfte sich im 18. Jahrhundert, als Territorialstaaten das Eindringen bestimmter Waren in ihre Gebiete zu beschränken versuchten. Insbesondere der zur gleichen Zeit einzuführende Transitverkehr kollidierte mit der Politik der Territorialherren, da oft in einem Fass verschiedene Waren verpackt waren.41 1754 verschärfte Preußen die Kontrollen auf die in seine Gebiete gebrachten Spezerei-, Material- und Apothekerwaren. Dagegen erhob die Commerzdeputation Einspruch und gerierte sich als ahnungslos, „da aus Frankreich, Spanien, Italien, Holland und Engelland sehr viele Waaren Transito hier angebracht würden, von welchen der Inhalt den hiesigen Kaufleuten ganz unbekannt, folglich in den Frachtbriefen nicht denominiret werden könnten“.42 Die Berliner Schiffergilde berief sich sogar auf die Tradition dieser Praxis: „Ein Faß darin Zucker, Matterial, Apotecker, auch Färbe-­Wahren verpackt sind zu allenzeiten unter den Nahmen von allerhand Waaren passiret“.43 Sie wies auch auf den ungenauen Maßstab für die Kategorie der Spezerei-, Material- und Apothekerwaren hin, unter die verschiedene Waren fallen konnten, und fragte, „ob auch 39 StAH, 612 – 2/1, Börsenalte, 42. 40 Ebenda. 41 Deswegen wird bei der Eintragung in Zollbüchern oft die Bezeichnung „Waaren“ benutzt. 42 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 19, Vol. 3b, Monita, Commerzdeputation an den Rat 1754. 43 Ebenda, Schiffer-­Gilde zu Berlin an Geheim-­Rat 1754.

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darunter keine Reis-­Tonnen, Rosinen-­Fäßel zu verpacken“ seien.44 Nach der Meinung der Berliner Schiffer war es unmöglich, alle von der See kommenden Waren zu spezifizieren: wann alle Waaren von einen Kauffmann specifiret werden sollten, weil zuweilen mehr als Hundert und Fünfftzigterley in einen Faß gepackt werden, so würde des Schiffers Angabe eine unsähliche Länge von allen denen einhabenden Fäßern ausmachen[,] der bestellte Zöllner nimmer mehr keine förmliche Rechnung daraus formiren können, und wann der Kaufmann, von einen durchgehenden von Holland p. p. kommenden Fäßern keine Specification zugeben vermögent, dieses seinen Cours über Luneburg nehmen müßen.45

Nach der oben geschilderten Meinung der Kaufleute und Schiffer war die detaillierte Unterscheidung bei der Verpackung für die Vermittlung der massenhaften Warenströme von der See ins Binnenland nicht geeignet. Deswegen musste der preußische Gesandte von Hecht Kompromissbereitschaft zeigen. In seiner Promemoria heißt es: [dass] es nemlich die Meynung nicht sey, daß sämmtliche von denen Kauffleuthen in einem Faße zusammen gepackte Waaren Specificice in dem Fracht-­Briefe benennet werden solten, sondern dieselbe nur dahin gehe, daß von denen hiesigen Kauffleuthen solche Waaren zusammen verpacket und in einem Gefäße versendet werden sollen, welche zu denen Specerey- Material- und Apotheker Waaren gehöreten, und so dann auch unter dem General-­Nahmen der Specerey- Material- und Apotheker-­Waaren in denen Fracht-­Briefen angegeben werden könnten.46

Als 1777 in Magdeburg eine verschärfte Kontrolle auf Transitwaren eingeführt wurde, schrieb der Magdeburger Kaufmann Johann Paul Wacker an den Hamburger Tabakhändler Friedrich Justus: Da die hiesige Königl. Accise und Zoll Direction verlangt, daß der Inhalt eines jeden Colly, […] worin was verpackt ist, in Grentz Zoll angezeigt werden soll, und Sie öfters […] Zuker abgesandt, worin Tabak beygepakt gewesen[,] welches in Fracht Brief nicht besonders angemerkt, so habe Ihnen hiermit nur ersuchen wollen, künftig wenn dergleichen vorfallen solte, das accurate Gewicht von jeden, in Fracht und Advis Brief [= Avisbrief ] nicht zu vergeßen.47

Daraus ist zu entnehmen, dass die gemischte Versendung der Kolonialwaren noch üblich war. Über die strenge Anordnung in Magdeburg und die befürchtete Hemmung des Kolonialwarenvertriebs, der eintrat, beklagte sich die Hamburgische Kaufmannschaft: 44 Ebenda. 45 Ebenda. 46 Ebenda, Pro Memoria von Hecht 1754. 47 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 19, Vol. 6, Wacker an Justus 1777.

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Es sollen nämlich alle obgedachte Transito-­Güter fernerhin Specifice, nach ihrer Ort und Gewicht, auf das genaueste angegeben, widrigerfalß aber die Fässer und Packen geöffnet, und wenn alsdann in solchen Zucker[,] Tabak[,] Caffee oder andere dergleichen in Preußischen Ländern als Conterbande angesehen werdende Waaren darunter befunden würden, die Waaren nicht allein confisciret, sondern es soll der Eigener derselben in schwere Strafe genommen werden.

Die Hamburger hielten auch weiterhin die Erstellung von genauen Frachtbriefen für unmöglich: theils deswegen, weil zum öftern Waaren von verschiedener Gattung und viele Kleinigkeiten in einem Faße verpackt werden, theils und insbesondere deshalber, weil er von solchen Waaren, die von England, Frankreich und andern Oertern, und blos zur Spedition nach dem Reiche, ihm hieher gesandt werden, nur selten die Art derselben kennet, und also noch viel weniger das Gewicht derselben aufgeben kann.48

Nachlässiger Versand der Transitwaren bot einen Nährboden für Betrügereien der Transporteure. Diebstahl auf Schiffen wurde bei der Elbschifffahrt häufig betrieben,49 was verschärfte eigene Kontrollen zur Folge hatte. Angesichts der täglichen Anzeige von durch Elbschiffer begangenen Warendiebstahl wurde 1804 vom Magdeburger Schifffahrtsprokurist in Hamburg angezeigt, künftig die Transitwaren vor dem Versand „entweder zu öffnen, zu stürzen und vorzuzeigen oder auch zu versiegeln“.50 Auch beim Ostseeverkehr wurde ein solcher Fall berichtet. Ein Hamburger Weinhändler entschuldigte sich im Jahre 1742 bei seinem Kunden in Pernau so: „mir thut aber Leyd das die Matroßen Ihre Untreue Händen dabey gehabt“.51 Aus obigen Beispielen wird eines der Probleme im damaligen Transithandel deutlich: die Genauigkeit bei der Frachtsendung. Denkt man an uneinheitliche Maße und Gewichte in europäischen Ländern – oder sogar Städten52 ‒, ist leicht nachzuvollziehen, wie zeitraubend die Erstellung der Frachtbriefe und der darauf basierenden Zollerklärung waren. Die Entwicklung des Transitverkehrs war deswegen, um die institutionellen Anordnungen zu verwirklichen, mit scharfen Ladungskontrollen konfrontiert.

48 Ebenda, Syndikus Schuback 1777. 49 Vgl. Mai: Elbschiffahrt, S. 695 – 704. 50 Baasch: Quellen, S. 305. 51 StAH, Firmenarchiv, Lorenz-­Meyer, A1, S. 114. 52 Vgl. Witthöft: Handbuch.

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Verpackung und Beförderung Eilige und nachlässige Verpackung und Versendung, die beim Transitverkehr häufig passierten, konnten das Geschäftsverfahren stören. 1755 versandte eine Hirschberger Firma eine Ladung Leinen mit der Nummer 18/19, die über Hamburg nach Lissabon ausgeführt werden sollte. Auf dem Weg nach Hamburg aber, da auf dem gleichen Wagen das nach London bestimmte Leinen mit der Nummer 20/21 geladen war, gab es ein Durcheinander und Letztere wurde nach Lissabon geliefert. Den Grund erklärte der Hamburger Spediteur: „Die geschiwinde Depechirung diverser Güter ist Ursache“.53 1736 wurde aus Chemnitz nach Hamburg bestimmtes Segelleinen bei der Absendung angehalten, weil sie nicht gestempelt war.54 Als Gründe für das Durcheinander bei der Güterbeförderung ist neben Nachlässigkeit die oben erwähnte Usance, verschiedene Waren in nicht streng abgetrennter Form zu transportieren, zu erwägen. Das Gerücht von 1729, dass Kaffee, der aus Holland über Hamburg kommend zusammen mit Arsen auf einem Schiff transportiert worden sei und sich durch einen Wassereinbruch mit dem Arsen vermischt hätte, und dass der Kaffee trotzdem nach Leipzig versandt worden sei,55 hatte den Hintergrund dieser Transportgewohnheit. Wie oben erwähnt, verhinderten uneinheitliche Maße und Gewichte einen reibungslosen Transitverkehr. Sie führten zu ungeregelter Verpackung, die nicht nur scharfe Ladungskontrolle, sondern auch Streit zwischen Befrachtern und Transporteuren verursachen konnten. Hörte man im Elbhandel wiederholt Klagen wegen mangelnden Ladungsgewichts, wurde dies oft Diebstählen des Schiffsvolks zugeschrieben. Es lässt sich aber nicht von der Hand weisen, dass Kaufleute bei Schiffern ihre Ladungen mit unkorrekten oder nicht mehr (bzw. nur selten) gebrauchten Gewichtsangaben aufgaben. So wurde 1787 von Magdeburg „zu einem ungegrundeten Verdacht des diebstahls in Ansehung des Schifsvolcks“ behauptet: „Sollen die Waaren hier richtig abgeliefert werden, so ist nothwendig, daß sie den Schiffarts-­Interessenten oder deren Steüerleuten nach richtigem Gewicht übergeben werden“; die Befrachter seien an solchem Durcheinander schuld, „weil mitunter viele von alten Zeiten herrührende Gewichte gebraucht werden“.56

53 StAH, RKG, M35. 54 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 12, Vol. 3a, Fol. 36r‒52v. 55 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 5, Vol. 1. 56 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kc Nr. 13b, Q1a.

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Umladen und Löschen von Waren Große Schiffsladungen bereiteten bei Umladung und Ausladung oft Schwierigkeiten, weil die Tragfähigkeit der See-, Kanal- und Flussschiffe und der Frachtwagen auf Landstraßen unterschieden. Es lässt sich leicht annehmen, dass dieser Unterschied vor der Zeit des Containertransports der Entwicklung des Zwischenhandelsverkehrs eine entscheidende Grenze setzte und dass der Transport im Transit, wobei große Seefracht ohne Umpacken weitergeleitet wurde, Probleme verursachte. Die sich wegen des Unterschieds an Tragfähigkeit ergebenden Schwierigkeiten ergaben sich vor allem an Umschlagsorten an größeren Flüssen wie der Elbe, wo der Land-, See-, Fluss- und Kanaltransport aufeinandertrafen. Angesichts des durch den Aufbau des Friedrich-­Wilhelm-­Kanals ermöglichten direkten Wassertransportes und der dementsprechend vergrößerten Frachtstücke in den Ladungen regulierte Preußen 1694 durch einen Erlass die Größe der benutzten Fässer, in diesem Fall für Zucker.57 Dennoch beschwerte sich Berlin 1712 über die Überlast der von Hamburg über die Stadt nach Breslau verschifften Fässer, wodurch der dortige Kran überlastet und beschädigt wurde.58 Auch wurde 1733 aus Breslau berichtet, dass die von Hamburg über Berlin verschifften Ladungen zu groß und zu schwer seien und „daher, besonders bey dem Krahn, und bey der Abladung, nichtweniger auf denen Brücken immerfort großer Schaden zu besorgen gewesen“ sei.59 Trotz des Beschlusses der Breslauer Kaufmannschaft, das Höchstgewicht der Ladungsstücke zu beschränken, trat das Problem weiter auf. 1751 klagte Breslau in ähnlicher Weise, dass durch Übergewicht der aus Hamburg verschifften Ladungen nicht allein die allhiesigen Brücken und das Stein-­Pflaster auf denen Straßen, worüber die Passage gehet, sehr beschädiget, sondern auch die Cran-­Seile zerrißen, der Cran an sich selbst ruiniret, und die Kauffmanns-­Güter bey der Ausladung derselben der äußersten Gefahr exponiret worden.60

Hamburg rechtfertigte sich mit der Aussage, dass „die größten Vässer von Holland hieher zur Spedition kämen“.61 Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die im Transitverkehr übliche direkte Vermittlung der Ladung Schwierigkeiten beim Transport verursachen konnte. 57 SHW, S/599, Nr. 19 rot 10. 58 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Eb Nr. 12, Vol. 5. 59 SHW, S/599, Nr. 19 rot 7. 60 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kc Nr. 16, Vol. 2c, Fol. 1r‒1v. 61 Ebenda, Fol. 3r.

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Die Unordnung bei der Umladung von Schiffen auf Frachtwagen werden wir unten im Fall von Magdeburg verdeutlichen.62 Hier wurde der Transport durch den sich verschlechternden Zustand der Landstraße gestört, die für die schweren Frachtstücke der Schiffsladungen nicht tragfähig wurde. Es mussten die Schiffsfrachten in kleinere Gefäße umgepackt werden, was die Transportkosten erhöhte. Wenden wir uns einem anderen Problem beim Um- und Ausladen zu. Handelsstädte forderten oft, die Güter bei ihnen abzuladen. Wie im Kapitel IV erwähnt, verlangte Lübeck wiederholt die Ausladung der vom Ostseeraum durch die Stadt nach Hamburg gehenden Waren. Die Forderung der Ausladung wurde von Hamburger Seite vergleichsweise selten gestellt, dennoch konnte der Fall vorkommen und den Transitverkehr verhindern. Beispielsweise beim Teertransport nach westlichen Märkten erhob Lübeck gegen die Hamburger Teerhofordnung von 1614, die die Einbringung des nach Hamburg gebrachten Teers in den Teerhof vorschrieb, Widerspruch: von undencklichen Jahren hero alwege frey gewesen, wen Jemand sein Teer, welches von der Lawenburg alda angelanget, nicht hatt auffschiffen [= ausladen] wollen, daß derselbe es aus den Lawenburgischen Schiffen als bald, wan nur einem Erb. Rathe der gewohnliche Zoll davon entrichttett worden, in ein ander Seeschiff bringen, und nach Bremen, Engeland, Franckreich, Hispanien, oder wohin es ihm gefallen, uberschiffen mögen.63

Die erzwungenen Um- und Ausladungen, begleitet häufig auch mit Verkäufen am Ort, unterbrachen den Transitverkehr. Bis hierher wurde auf verschiedene Negativfaktoren für die Entwicklung des hamburgischen Zwischenhandels durch das porto-­transito-­System abgehoben. Wie soll man die Tatsache, dass sich das Wachstum des Hamburger Handels trotz aller Hindernisse vollzog, erklären?

2.  Handelspraktiken zum Fortlaufen des Zwischenhandels Die im vorherigen Abschnitt genannten Beispiele zeigen die großen Schwierigkeiten, den Zwischenhandel von Anfang bis Ende durchzuführen. Die Vermehrung der im hamburgischen Hafen gehandelten Waren führte nicht direkt zur Entwicklung des Zwischenhandels. Dafür mussten mehrere Hindernisse beseitigt werden. Solche Praktiken auf der Quellenbasis konkret zu ­beschreiben, 62 Siehe S. 329 dieser Arbeit. 63 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 18, Vol. 1, Fasc. 1, Lübeck an Hamburg, 5. April 1614.

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ist das Ziel der folgenden Darstellung. Damit wird verdeutlicht, wie sich der Handel entwickelte und funktionierte und sich gleichzeitig den sich ständig ändernden Umständen anpasste. Dies gibt Aufschlüsse, warum sich dieser Handel entwickeln konnte.

2.1  Auswahl der Handelswege Hier wird die Aufgabe dieses Abschnittes in Hinblick auf Handelswege betrachtet. Die Bedeutung der Elbe für den Hamburger Binnenverkehr ist seit langem anerkannt, und sie ist auch in der vorliegenden Arbeit bestätigt worden. Dennoch war der Ferntransport über den Fluss Gegenstand von Zöllen und Verkehrskontrollen von Städten und Fürsten,64 er wurde in Kriegszeiten begleitet von der Räubergefahr und war sogar von kompletter Verkehrssperre bedroht. Unter den Umständen, dass man sich nicht auf Schutzmaßnahmen einer staatlichen Zentralgewalt verlassen konnte, waren Risiko und Kosten beim Handel sehr groß. Die Natur erschwerte auch den Handelsverkehr, beispielsweise war die Elbe wegen des Eises in der Winterzeit oft unzugänglich. Auch der Seeverkehr, der statt auf dem Überlandweg ebenfalls Waren über den Öresund zum Ostseeraum gelangen ließ,65 war durch Gefahren und Zölle belastet. Daher musste ein erheblicher Teil der Fracht über Land befördert werden.66 Der 64 Der Zeitgenosse Gottfried Christian Bohn hob den Zwischenhandel Hamburgs so hervor: „Vermittelst der Elbe hat Hamburg eine weit ausgebreitete Handlung nicht nur in Deutschland, sondern auch mit fast allen übrigen europäischen Staaten“ und „versieht mit seinen aus Spanien, Portugall, Frankreich, England, Holland […] und nunmehr aus Nordamerika, verschriebenen Waaren, mehrentheils ganz Oberdeutschland, sonderlich die Länder des niedersächsischen Kreises, Sachsen, Lausitz und Franken“, daran anschließend aber mit dem Vorbehalt: „auch, so weit es die vielen Handelsverbote im Preußischen und Oesterreichischen zulassen, die dazu gehörigen deutschen Länder, nebst Schlesien“. Bohn: Kaufmann, 1. Abt., S. 1 und 3. Den Vorbehalt des letzten Satzes möchte ich hervorheben. 65 Nach H. Kellenbenz bestand in der Frühen Neuzeit „eine grundsätzliche Überlegenheit des Wassertransports gegenüber dem Überlandtransport, besonders ausgeprägt beim Überseetransport. Es gab aber Gefahren zur See, die es […] ratsam erscheinen ließen, den Überlandtransport dem Seetransport vorzuziehen, besonders bei kostbaren und leichten Gütern“. Hermann Kellenbenz: Das Verkehrswesen zwischen den deutschen Nord- und Ostseehäfen und dem Mittelmeer im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in: Anna Vannini Marx (Hg.): Trasporti e sviluppo economico, sec. XIII‒XVIII, Florenz 1986, S. 99 – 121, hier S. 121. Siehe auch North: Von der atlantischen Handelsexpansion bis zu den Agrarreformen, S. 169 – 171. 66 Die Bedeutung des Landtransportes in der vormodernen Zeit ist schwer einzuschätzen. Durch die detaillierte Arbeit von Manfred Straube können wir aber erfahren, dass die

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Transport auf dem Landweg rief aber auch große Probleme hervor, besonders wegen des schlechten Straßenzustandes. Unzureichende Infrastruktur erlaubte keinen sicheren Transport. Wie die hier in den Anmerkungen genannten Forschungen zeigen, bewertet und vergleicht man vor diesem Hintergrund die Bedeutung der See-, Fluss- und Landwege, wobei sie einander oft in Konkurrenz gegenüberstanden. Diese Konkurrenz der Handelswege ist bestimmt ein wesentlicher Aspekt des Verkehrswesens, sie drückt aber Trennung und Entgegensetzung zu stark aus. Denkt man daran, dass Hamburg eine reiche Routenauswahl mehrerer Landund Wasserwege, die von der Elbe abzweigten, zur Verfügung hatte, sollte man vielseitige und vielschichtige Handelsnetzwerke bestehend aus verschiedenen von Leipzig ausgehenden Landwege eine große Rolle im europäischen Handelsverkehr spielten. Manfred Straube: Zum Warenaustausch im Ost-­West-­Handel auf dem Landwege in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Leipzig (1977, Nr. 3), S. 22 – 36; ders.: Leipzig und Sachsen im ost- und südeuropäischen Handel des 18. Jahrhunderts, in: JbWG (1978, Teil 1), S. 239 – 244. ders.: Zur Stellung der Leipziger Messen im überregionalen Warenverkehr zu Beginn des 16. Jahrhunderts, in: JbWG (1979, Teil 3), S. 185 – 205. ders.: Mitteldeutsche Städte und der Osthandel zu Beginn der frühen Neuzeit. Forschungsergebnisse, Forschungsmöglichkeiten, Forschungsnotwendigkeiten, in: Bernhard Kirchgässner/ Hans-­Peter Becht (Hg.): Stadt und Handel, Sigmaringen 1995, S. 83 – 106. Die positive Einschätzung für den Landhandel macht auch Astrid Schmidt-­Händel am Beispiel des Erfurter Waidhandels. Siehe Astrid Schmidt-­H ändel: Landtransport im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit am Beispiel des Erfurter Waidhandels, in: Marie-­Luise Heckmann/Jens Röhrkasten (Hg.): Von Nowgorod bis London. Studien zu Handel, Wirtschaft und Gesellschaft im mittelalterlichen Europa, Göttingen 2008, S. 197 – 212. Dagegen legt Walter Großhaupt auf den Flussverkehr größeren Wert: „Die Frachtfuhren waren klein und der Fernhandel wich wenn immer es möglich war auf Flüsse oder das Meer aus. Große Verbesserungen im Navigationssystem machten die Schifffahrt bis zum Eisenbahnzeitalter konkurrenzlos“. Grosshaupt: Kaufleute, Waren, Geldhandel, S. 225 f. Eine ähnliche Feststellung findet sich in Peter Kriedte: Trade, in: Sheilagh Ogilvie (Hg.): Germany. A New Social and Economic History, Bd. 2 (1630 – 1800), London/New York 1996, S. 100 – 133, hier S. 102: „The worse the condition of the roads, the greater the importance of the canal network. These were used upstream as far as was at all possible. Roads often only provided the link between two canals“. Mit Sicherheit förderte der Kanalaufbau seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert die Güterbeförderung über Wasserwege. Scheftel: Künstliche Wasserstraßen, S. 797 – 800. Zum Überblick der Wasserstraßen in Deutschland siehe Marin Eckoldt (Hg.): Flüsse und Kanäle. Die Geschichte der deutschen Wasserstraßen, Hamburg 1998. Zum Landtransportwesen siehe Hajo Hayen: Landtransport in der Hansezeit, in: Jörgen Bracker/Volker Henn/ Rainer Postel (Hg.): Die Hanse. Lebenswirklichkeit und Mythos, 2. Aufl., Hamburg 1989, S. 800 – 811.

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Handelszentren und -wegen annehmen, die diesen Umständen entsprechend gewählt werden konnten. Beispielsweise konnte man von Hamburg nach Leipzig nicht nur zu Land über die Nachbarstadt Lüneburg, sondern auch zu Wasser bis nach Magdeburg und dann nach dem Umladen zu Land gelangen.67 Im Verkehr zum Ostseeraum gab es drei Auswahlmöglichkeiten: die Seeroute durch den Öresund, die Landroute über Lübeck und die Kanalroute über Lauenburg nach Lübeck. Die vorliegende Arbeit setzt daher den Aspekt der „Zusammenhänge der Handelsrouten“ in einem Warendistributionssystem voraus. In dieser Hinsicht wird geprüft, ob und wie die See-, Fluss- und Landwege als Ganzes miteinander zusammenhängende Handelsnetzwerke bildeten. Die Zusammenhänge der Handelsrouten sollten in individuellen Fällen des Warentransportes beobachtet werden. Es geht dabei um die jeweilige Routenauswahl nach Situationen. Hier wird der Frage nachgegangen, wie man die Auswahl nach bestimmten Gegebenheiten jeweils traf. Es folgt die Hypothese, dass eine Verkehrsroute nach verschiedenen Handelsbedingungen unter mehreren Wahlmöglichkeiten ausgewählt werden konnte. Wenn der Transport auf einer Route wegen irgendwelcher Gründe nicht rentabel war, konnte eine andere sich als Alternative anbieten. Diese Hypothese beruht auf der Annahme, dass die Handelswege nach ihrem jeweiligen Zweck eine eigene Rolle spielen konnten. Nach welchen Bedingungen wählte man die Handelswege aus? Da sich von Hamburg nach seinem Hinterland verschiedene Land- und Wasserstraßen erstreckten, gehen wir davon aus, dass sich die Befrachter unter Berücksichtigung der diversen Handels- und Verkehrsbedingungen für eine optimale Route entschieden. Es gab zum einen Gegebenheiten, die sich ungeachtet der Zeitläufte fast konstant hielten und sich naturgemäß nicht oder nicht leicht änderten (dazu gehören die Warenarten und das Klima), und zum anderen Gegebenheiten, die temporär auftraten und im Laufe der Zeit verschwanden (dazu gehören die Handelspolitik, Kriege, Seuchen und Zustand der Handelsstraßen). Sie werden untersucht als ökonomische Faktoren, denen im Sinne der Dauerhaftigkeit auch klimatische Gegebenheiten zugeordnet werden, und als außerökonomische Faktoren. Ökonomische Faktoren bei der Wahl der Handelswege Betrachten wir zuerst den Zusammenhang zwischen Routenauswahl und Warenarten, dessen Beispiele schon in den vorangehenden Kapiteln mehrfach erwähnt wurden. Man unterscheidet Handelswaren nach verschiedenen Kriterien. 67 Vgl. Kapitel IV dieser Arbeit.

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Beispielsweise werden Waren nach Verwendungszweck in Nahrungsmittel, Genussmittel und Rohmaterialien oder nach Produktionsart in Agrar- und Industrieerzeugnisse sortiert. Im Rahmen der Wirtschaftsgeographie wendet man für die Analyse des Warentransportes oft die Kategorisierung nach einem Gewicht-­Preis-­Verhältnis an, weil dieses für die Auswahl von Transportart und -weg ein entscheidender Faktor ist.68 Auf den beiden Polen dieser Einteilung stehen Massengüter und Luxusartikel. Man braucht umfangreiche Transportkapazitäten für die Ersteren, die in oft schweren Frachten massenhaft gehandelt werden, während für die Letzteren, die im Vergleich zu ihrem leichten Gewicht zu hohen Preisen verkauft werden, eine umfangreiche Transportfähigkeit nicht immer nötig ist. Hieraus ergibt sich die Unterscheidung zwischen dem Landweg (geeigneter für Luxusartikel) und dem Wasserweg (geeigneter für Massengüter). Kaufleute bevorzugten den Landweg, wenn die hochwertigen Güter beim Transport leicht beschädigt werden konnten. Der raue Schiffstransport auf der Elbe war für solche Waren nicht geeignet. Selbstverständlich wurden dabei, ob man eine bestimmte Warenart zu Land oder zu Wasser schicken wollte, auch andere Faktoren in Erwägung gezogen, zum Beispiel Zeit und Distanz bis zum Bestimmungsort. Dies war besonders der Fall bei Gütern, die zwischen Massengütern und Luxusartikeln eingeordnet werden können, weil man eine optimale Route aufgrund des Gewicht-­Preis-­Verhältnisses nicht unbedingt festlegen konnte. Unter diesen komplexen Bedingungen entschied man sich für einen Transportweg. Ein gutes Beispiel bietet der Verkehr in den Ostseeraum. Zwischen Hamburg und dem Ostseeraum konnte man sowohl den Land- als auch Fluss- oder den Seeweg benutzen. Über den Landweg war die Reise am schnellsten, während man über See- und Flusswege einen Umweg machen musste. Hochpreisige Waren wurden über den Landweg befördert, was teilweise auch quantitativ nachweisbar ist. Für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts haben wir festgestellt, dass der Landweg nach Lübeck beim Transport von Tuch bevorzugt wurde.69 Das Tuch, besonders Laken, ist eher in die Kategorie Luxusartikel einzuordnen. Für diese leichte Ware reichten die Möglichkeiten der Beförderung mit Fuhrwagen aus. Große Zufuhr von schwedischem Kupfer fand zur gleichen Zeit im Verkehr aus Lübeck über den Landweg statt. Da das Kupfer damals wertmäßig so hoch wie Wachs bei gleichem Gewicht geschätzt wurde, zählte es nicht zu

68 Vgl. Morgan: Ports and Harbours, S. 112. 69 Siehe Kapitel III dieser Arbeit.

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den Massengütern.70 Da seine Dichte dennoch hoch ist, wurde für den Ferntransport der Flussweg bevorzugt, wie die Kupferlieferung aus Ungarn über Frankfurt/Oder zeigt.71 Im Gegensatz zum Landtransport nach Lübeck wurden Schwergüter über den Stecknitzkanal befördert. Wir haben dafür schon ausreichende quantitative Belege gesehen. In den Elbzollbüchern aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ist die Einfuhr von Holz und Teer aus Lauenburg häufig verzeichnet.72 Ein deutliches Bild geben die Admiralitätszollregister aus dem Ende des 18. Jahrhunderts. Die Schwergüter Eisen, Teer und Pech wurden überwiegend von Lauenburg in größerer Menge geliefert, während von Lübeck Hanf, Flachs, Leinsaat, Juchten und andere Güter kamen.73 Die Letzteren waren zwar keine leichten und hochpreisigen Güter, aber nicht so schlecht auf Fuhrwagen zu befördern, dass man unbedingt den Umweg über den Kanal machen musste. In Kapitel III wurde der massenhafte Seetransport der Kolonialwaren von Hamburg nach dem Ostseeraum im 18. Jahrhundert festgestellt. Trotz der Zollbelastung und der längeren Reisedauer wurde der Seeweg bei der Zuckerausfuhr zunehmend genutzt, während der Seeverkehr beim Einfuhrhandel erheblich schwankte. Dieser Unterschied könnte durch das in Hamburg hochentwickelte konkurrenzfähige Zuckerraffineriegewerbe begründet werden.74 Der aus Westeuropa eingeführte Rohzucker musste in die Zuckerraffinerien in Hamburg zur Verarbeitung und Fertigung eingebracht werden und erst danach wurde der raffinierte Zucker in den Ostseeraum exportiert. Dagegen mussten die von Osten nach Westen transportierten Massengüter wie Nahrungsmittel und Rohmaterialien nicht unbedingt in Hamburg verarbeitet, das heißt nicht immer die Stadt berühren, sondern konnten direkt über den Seeweg zu Absatzmärkten im Westen verschifft werden. In der Diskussion um die Auswahl des Transportweges ist außerdem zu bemerken, dass Zucker im 18. Jahrhundert nicht mehr als kostbare Arznei oder Luxusartikel galt, sondern als Genussmittel für den Massenverbrauch, was den Schiffstransport, nämlich den Umweg durch den Öresund, denkbar machte. Welche Handelswege im Binnenlandverkehr bevorzugte man im Handel mit Kolonialwaren, der im 18. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung gewann? Wie oben erwähnt, soll man Kolonialwaren im 18. Jahrhundert als eine Art Schwergüter betrachten. Die Transportkosten wurden durch den Wasser 70 Siehe Kapitel III, S. 166 dieser Arbeit. 71 Siehe Kapitel IV, S. 288 dieser Arbeit. 72 Es lässt sich aber nicht erkennen, wie es beim Landweg von Lübeck war. 73 Siehe Kapitel III dieser Arbeit. 74 Vgl. Kapitel II und III dieser Arbeit.

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Betrieb und Praxis

transport niedrig gehalten, wenn man auch auf der Reise mehrmals Elbzölle bezahlen musste. Die Dresdner Handelsinnung hob hervor, der Transport der Kolonialwaren sei über den Wasserweg weit billiger als über den Landweg. Dabei entstünden allerdings auch Einbußen, weil zahlreiche Schiffe auf der Elbe verunglückten.75 Trotz der Schwierigkeiten galt die Elbe als Hauptverkehrsader für diese Produkte. Die Esslinger Zollbücher aus dem 18. Jahrhundert belegen, dass beim Kolonialwarenhandel der Transport über die Elbe weit wichtiger war als über den Landweg.76 Ähnlichkeiten zeigen sich in der umfangreichen seewärtigen Kolonialwarenausfuhr in den Ostseeraum. Trotz der verlängerten Reisestrecke und der lästigen Sundzollfrage nahm sie seit den 1730er Jahren kräftig zu. Die Bedeutung des Flusstransportes zeigte sich am deutlichsten beim Transport von Holz, insbesondere von Bauholz, weil man es oft mithilfe der Flößerei beförderte.77 Beim Hamburger Rat wurden seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mehrere Bitten um die Durch- und Vorbeifuhr von Hölzern aus Sachsen, der Mark Brandenburg und Mecklenburg auf der Elbe eingereicht.78 Auch sind in den Elbzollbüchern aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mehrere Holzverfrachtungen registriert. Da der Holzhandel auf die Transportfähigkeit des Flusses angewiesen war, war er von dem Zustand des Elbstromes abhängig. 1622 hörte man von Boizenburg, dass „das Elbwaßer dießes orts alßo auffgestouwett, das ehs unmuglich, bei solchem hohen Waßer darauff zu floßen“.79 Am Ende des 17. Jahrhunderts berichtete man „das durch Sturm und Hohe Waßerfluth vertriebene Holtz“ von 1698 und befürchtete die Verlagerung des Holzhandels nach den Nachbarstädten Altona, Harburg und Reiherstieg.80 Wenden wir unseren Blick dem Transport des Leinens aus binnenländischen Gebieten zu. Von den Transportrouten aus den schlesischen (hier ab Hirschberg im Riesengebirge) durch sächsische sowie preußische Gebiete nach Hamburg gibt Siegfried Kühn ausführliche Beschreibung.81 Sie teilen sich in vier Strecken:

75 Hochmuth: Globale Güter – lokale Aneignung, S. 86. 6 Der Landweg wurde nur in der Winterzeit benutzt. Siehe Kapitel  IV , S. 257 dieser 7 Arbeit. 77 Bis ins 19. Jahrhundert war die Flößerei von großer Bedeutung für das damalige Wirtschaftsleben. Siehe Friedrich Lütge: Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Ein Überblick, 3. Aufl., Berlin 1966, S. 427. 78 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 8a, Vol. 1a, Vol. 2. 79 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 8a, Vol. 2, Fol. 30r. 80 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 8a, Vol. 3, Fol. 3r‒4r. 81 Kühn: Leinwand- und Schleierhandel, S. 92 – 99.

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Route 1: auf der „hohen Landstraße“ oder „Oberstraße“ über Lauban, Görlitz, Leipzig und Lüneburg; Route 2: auf verschiedenen „Neuwegen“, um die oben genannte Oberstraße zu meiden: a) Lauban – Rothenburg – Muskau, auf der „Niederstraße“ bis Finsterwalde, dann über Dame, Jütenbor, Niemeck, Lohburg nach Magdeburg; b) auf der Oberstraße bis Bautzen, dann nordwärts über Senftenberg zur Mittel- oder Niederstraße hinüber; c) auf der „Unteren Straße“ (Niederstraße Breslau – Sprottan – Sagen – S­ orau – Spremberg – Torgau – Eilenburg – Leipzig); Route 3: Weg von Hirschberg über Löwenberg  – Klitschdorf  – Sagen  – ­Krossen – Frankfurt / Oder – Berlin; Route 4: Benutzung der Oder. Leinenhändler bevorzugten den Landtransport. 1710 erklärten schlesische Kaufleute, dass nur wenige von ihnen auf der Oder handelten, da diese zur Leinenausfuhr „ganz unpracticable“ sei. Die Spedition dauere zu lange und zudem sei die Ware zu stark dem Wetter und Wasser ausgesetzt.82 Wie oben kurz angedeutet, erinnern wir uns daran, dass die Schifffahrt auf der Elbe damals keineswegs ruhig war und man musste mit zahlreichen Hindernissen ringen wie Sandbänken, Steinen, Hölzern, Hochwasser, ferner unsichtbaren, schnell und geschlängelt laufenden Strömungen rechnen.83 Kühn begründet die Abscheu der Kaufleute vor der Benutzung des Flusses wie folgt:84 1. ziehe, da die Oderschiffe nicht mit Verdecken versehen gewesen seien, das Leinen viel Feuchtigkeit. 2. habe die Ankunft in Hamburg nie auf einen bestimmten Tag festgesetzt werden können, was wegen des Abgangs der Schiffe und der davon abhängigen Verkaufszeit erforderlich sei. 3. setze der ausländische Käufer die Ware nicht gern dem Wassertransport aus und bezahle lieber die etwas teurere Landfracht. Erst nach 1755, als begonnen wurde, Oderkähne mit Verdecken zu versehen, nahm der Wassertransport über Berlin etwas zu. Es ist für die Zeit seit 1742 eine Tendenz festzustellen, dass der Verkehr durch Sachsen abnahm und der durch Preußen anstieg. Die Handelsstraßen durch Sachsen wurde aber immer noch am häufigsten befahren. Man konnte auf ihnen Hamburg am bequemsten und schnellsten erreichen.85

82 Kühn: Leinwand- und Schleierhandel, S. 97. 83 Siehe Kapitel IV, S. 219 – 223 dieser Arbeit. 84 Kühn: Leinwand- und Schleierhandel, S. 98. 85 Ebenda, S. 99.

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Aufgrund der Admiralitätzollregister 1778 – 1792 ist oben festgestellt worden, dass Lüneburg der Hauptvermittlungsort des nach Hamburg bestimmten binnenländischen Leinens war. Wenn es sich um schlesisches Leinen handelte, gehörte dieser Handel nach Kühns Einteilungen zur Route 1. Dies bestätigt unsere Behauptung, dass der Landweg von Schlesien über Leipzig und Lüneburg nach Hamburg auch am Ende des 18. Jahrhunderts lebhaft befahren wurde. Auf der Strecke von Lüneburg nach Hamburg war auch der Wassertransport möglich.86 Die Neigung zum Landtransport macht einen Unterschied zum Kolonialwarenhandel aus. Wir betrachten nun den Einfluss des Klimas bei der Auswahl der Handelswege. Die Winterkälte bereitete dem Handelsverkehr und besonders der Flussschifffahrt ein großes Hemmnis, weil das Wasser in dieser Zeit zufror und unzugänglich wurde. Die Elbe bildete dabei keine Ausnahme.87 Allerdings lag der Hinterlandhandel auch in der Winterzeit nicht still. Man konnte statt des unzugänglichen Wasserweges den Landweg benutzen. Im Verkehr mit binnenländischen Gebieten gab es ebenfalls eine Handelsroute, die man statt der Elbe auswählen konnte: den Landweg über Lüneburg. Die Esslinger Landzollregister zeigen viele Frachtwagen und -karren, die von Hamburg nach Lüneburg fuhren, was den lebhaften Transit- sowie Speditionshandel dieser Stadt annehmen lässt.88 Der Verkehr über Lüneburg fand hauptsächlich mit der wichtigen Messestadt Leipzig statt. Daraus soll man allerdings keinen Konkurrenzkampf Lüneburgs mit dem Ferntransport über die Elbe ersehen. Denn die Durchfahrten durch Esslingen konzentrierten sich fast ausschließlich auf die Winterzeit, falls die Elbe zufror. In den 55 Jahren zwischen 1733 und 1806, in denen die Zollbücher durchgängige Informationen geben, sind ca. 80 Prozent der nach Lüneburg fahrenden Wagen im Januar, Februar und Dezember eingetragen. Je härter und länger die Winterkälte war, desto häufiger benutzte man den Landweg.89 In den Jahren ohne Eis auf der Elbe verkleinerte

86 Beispielsweise schrieben die Hamburger Spediteure Hermann Jacob Menck und Johann Hinrich Donnenberg in ihrem Brief an die Hirschberger Firma, dass die Leinwand, die aus Hamburg nach London ausgeführt werden sollten, aber irrtümlich nach Lissabon geschickt wurde, von Hirschberg über Leipzig und Lüneburg und dann von Lüneburger Schiffern nach Hamburg transportiert wurde. StAH, RKG M35, Q28. 87 Vgl. Kapitel IV dieser Arbeit. 88 Siehe Tabelle IV-5. 89 Im März 1736 berichtete der Esslinger Zöllner: „weil der Winter diesmahl ungewöhnlich lange angehalten, und deshalber vieler Guth zu Lande fortgegangen“. StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 6, S. 8.

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sich die Wagenzahl auf ein paar Dutzend oder noch weniger.90 Dies bedeutet, dass der Landtransport über Lüneburg während der Unterbrechungszeit des Elbhandels im Winter als Ersatzroute intensiv betrieben wurde. Diese gegenseitige Beziehung war auch mit einigen Schwankungen in der Gesamtwagenzahl das ganze 18. Jahrhundert hindurch konstant. Solche wechselhaften Bedingungen der Natur berücksichtigend, trafen Handelsleute Entscheidungen, auf welchem Weg ihre Waren befördert werden sollten. Beispielsweise schrieb ein Hamburger Weinhändler Johann Lorenz-­Meyer an seinen Kunden in Leipzig im Dezember 1759, er habe schon seinen Wein abgefertigt, „da aber wegen jetzigen Frost die Wasser Farth gehemmet, so habe selbe nicht absenden können, sehe auch keinen andren Rath, als selbe zu Lande nach Lüneburg zu schicken“.91 Das Landfrachten nach Lüneburg war nicht ohne Makel. Die Frachtkosten scheinen diesem Umstand entsprechend erhöht worden zu sein. Lorenzen-­Meyer schrieb an denselben Kunden: „da es aber auf den Frost geschlagen, möchte die Absendung wol nach einige Taage dauern, weil die Landfracht nach Lünenurg sehr hoch“.92 Dieses Beispiel stellt das Problem der Versandkosten dar, die von der Angebotsseite des Transportdienstes erhöht wurden. Lorenz-­Meyer erkundigte sich bei seinem Kunden in Dresden im März 1741: Sie haben mir aber nicht gemeldet, ob die Weine p. Axe [per Achse] zu Lande oder auch mit den auf hero fahrenden Schiffen gesandt werden solle, ich muß nun sehen was vor eine gelegenheit am besten sein wird: wenigstens ist die Landfracht anjtzo sehr theur, sonsten ist anjtzo die beste Jahr Zeit zum transport.93

Es handelte sich um die saisonal gesteigerten Transportkosten, nämlich die Sondergebühr wegen der Leipziger Messe. Der Wassertransport nach Magdeburg wurde dabei gewählt. Dass bei dem Dresdner Kunden nochmals gefragt wurde, ob die Ladungen von Magdeburg „zu Lande, oder ferner zu Waßer befördert werden sollen“,94 stellt die sorgfältige Beobachtung der Kostenlage und die Möglichkeit der dementsprechend auch auf dem Weg zu treffenden 90 Im oben analysierten Landzollbuch von 1637 erscheinen Eintragungen zum Handel nach Lüneburg nicht häufig, obwohl es damals auch ein bedeutender Handelspartner zu sein schien. Dies lag vermutlich daran, dass die Elbe in jenem Winter nicht zufror und man wie im 18. Jahrhundert den Landweg deswegen nicht benutzte. Dafür liegen aber keine Quellenbelege vor. 91 StAH, Firmenarchiv, 65 Lorenz Meyer, A5, S. 474. Kurz danach berichtete er, dass er den Wein „pr. Axe“ [= per Achse] abgeschickt hat. Ebenda, S. 481. 92 Ebenda, S. 548. 93 StAH, Familienarchiv, 65 Lorenz Meyer, A1, S. 17 f. 94 Ebenda, S. 28 f.

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Routenauswahl dar. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass die Kaufleute sich immer um die möglichst billigere Fracht bemühten. Eine Frachtvereinbarung von Lorenz-­Meyer im Jahre 1759 erfolgte auf die folgende Weise: wie d. Hr. Schaaff a Leipzig zwar 5 Oxhoft Wein bey mir ordinirt, welche ich auch fertig machen lassen, da aber der Kutscher Krüger aus Halle kürtzlich bey mir gewesen, welcher mir sagte mit d. Hrn. Schaaff Speciel bekandt zu seyn, und die gedachten 5 Oxhoft Wein auf einer Fuhr zu einer billigen Fracht mitzunehmen offerirte als habe selbe durch gedachten Krüger an d. Hrn. Schaaff transportiret.95

Der Weinhandel von Lorenz Meyer bietet noch andere Taktiken bei den hohen Frachtkosten während der Leipziger Messezeit an. Im Jahre 1760, als er seine Waren über Lüneburg an verschiedene Kunden in Leipzig senden wollte, ließ er seinen Partner in Lüneburg für einen Kunden die drei Ladungen von je drei Oxhoftfässern nicht alles zur gleichen Zeit weiterschicken, sondern für eine Ladung nur ein Oxhoftfass absenden und „die andere beiden Oxhoft bey sich so lange aber zu verwahren, bis nach den Transport der Meß Güther die Fracht wieder niedriger ist“.96 Für den anderen Kunden wies er ihn an, neun Oxhoftfässer „mit der Verladung zu verziehen, bis die Fracht wegen der Leipziger Messe, wieder wohlfeiler ist“.97 Es konnte aber der problematische Fall eintreten, dass während der Messezeit kein günstiges Fuhrangebot gefunden wurde. Als Lorenz-­ Meyer 1742 seine Waren nach Stettin zu Lande transportieren lassen wollte, teilte er das Problem mit, es gebe „noch keine Fuhr auf Costii, weil die sonst dahin führende Fuhr Leute Leipziger Meß guter zu fuhren angenommen“.98 Auch im Verkehr zum Ostseeraum gab es für die Handelsleute die Möglichkeit, wegen der klimatischen sowie saisonalen Bedingungen die bessere Routenauswahl aus verschiedenen Alternativen zu treffen. Bei der Einfuhr nach Hamburg wurde die Stellung Lübecks auch durch saisonbedingte Vorzüge bekräftigt, weil Lübeck die landwirtschaftlichen Primärprodukte des Ostseeraumes nach der Ernte zuallererst erhalten konnte. 1714 äußerten Hamburger über die Transportwege zum Ostseeraum: Bei klimatisch guter und Friedenszeit wurde öfter die Seeroute durch den Öresund benutzt, „umb Winters-­Zeit aber bedienete man sich gerne wegen der gefährlichkeit jener passage und weil verschiedene an der Ost See fallende waaren, als Henf, Flachs etc. zu der Zeit

95 StAH, Familienarchiv, 65 Lorenz Meyer, A5, S. 141. Brief an einen Handelspartner in Lüneburg. 96 Ebenda, S. 607. 97 Ebenda, S. 615. 98 StAH, Familienarchiv, 65 Lorenz Meyer, A1, S. 147.

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aller erst eingescheffet werden können, der Fahrt über Lübeck“.99 Das Gleiche galt auch für Leinsaat.100 Wenn Eis auf der Ostsee lag, nahm der Landhandel mit Lübeck an Bedeutung zu.101 Lorenz-­Meyer berichtete seinem Kunden in Kolberg im März 1741, dass er „die verlangten Weine auf Lübeck an d. Herrn Bruke zu weitern Beförderung pr. Axe absendenn“ wolle, „weil die Zeit wol nicht erlaubet solche zu Waßer gehen laßen“.102 Es konnte bei der zeitlich befristeten Schifffahrtssaison vorkommen, dass günstige Schiffer ausgebucht waren. In solch einem Fall bot der Landtransport zu Lübeck den Ersatz. Im August 1743 berichtete Lorenz-­Meyer seinem Kunden in Stettin, dass der mit dem Warenanvertrauen gerechnete Schiffer „vor 3 Tagen mit guten Wind von hier gangen, vernehme also nur ob solche 6 Oxh. Muscatt W[ein] auch über Lübeck senden solle, weil nicht weis ob von hier dieses Jahr noch ein Schiff a Costi abgehen wird, od. nicht“.103 Insgesamt können wir feststellen, dass es für Hamburg die große Option der Handelswege gab, die nach ökonomischen Faktoren ausgewählt werden konnten. Außerökonomische Faktoren bei der Wahl der Handelswege Zu außerökonomischen Faktoren, die die Wahl der Handelswege beeinflussten, gehören Handelspolitik, Kriege, Seuchen und Zustand der Handelsstraßen. Die Handelspolitik übte einen großen Einfluss auf den Hinterlandverkehr aus. Da Hamburg kein Staat mit großen Territorien und Militärmacht war, musste sein Zwischenhandel zwischen verschiedenen handelspolitischen, für ihn meistens hemmenden Maßnahmen von europäischen Mächten lavieren. Hier kam die typische Auswahlpraxis der Handelswege zum Ausdruck. Im Verkehr zum Ostseeraum war der Differentialzoll im Öresund bis zu seiner Abschaffung grundsätzlich der entscheidende Faktor, ob man für die Beförderung der Waren eher den Landweg benutzen wollte, um den Zoll zu vermeiden, wenn dazu auch andere Faktoren wie das Gewicht-­Preis-­Verhältnis berücksichtigt wurden. Es war in Hamburg gängige Meinung, dass man seine

99 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 12, Vol. 1b, Fol. 34r. 100 Harder-­G ersdorff: Leinsaat, S. 178. 101 Dies haben wir in Kapitel III, S. 138 kurz erwähnt. 102 StAH, Familienarchiv, 65 Lorenz Meyer, A1, S. 48. 103 Ebenda, S. 379.

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Waren wegen des hohen Zolls über den Landweg zu Lübeck schicken bzw. ziehen sollte.104 Zwei Hauptverkehrsstrecken nach binnenländischen Gebieten konnten nach handelspolitischen Gegebenheiten ausgewählt werden: der Landweg über Lüneburg oder der Flussweg auf der Elbe. Zwar stellte sich die Flussschifffahrt im Ausfuhrhandel als Hauptverkehrsader dar, aber es gab immer die Möglichkeit, den anderen Weg zu befahren. Lüneburg sorgte dafür, den Handel auf der Elbe an sich zu ziehen. Als der preußische König als wirtschaftlichen Angriff gegen den Leipziger Straßenzwang in Magdeburg einen Impost auf Transitwaren von Fuhrleuten verlangte, äußerte Lüneburg seine Angst, dass ihm der Transithandel entgehe, der auf dem Landweg über Magdeburg nach Leipzig führte. Der Hamburger Syndikus Surland schrieb in seinem Promemoria von 1743: So hat die Stadt Lüneburg daher eine nicht unwahrscheinliche Besorgnüß, alß ob durch diesen im Brandenburgischen angelegten Transito-­Impost, vornemlich mit intendiret werde, das Commercium, mit der Stadt Lüneburg Ruin, völlig nach Magdeburg zu ziehen, mithin dadurch zu veranlaßen, daß die Leipziger und andere Kauff-­Leute, um den schweren Impost zu entgehen, ihre Güther von- und über Leipzig nach Magdeburg, und von da zu Wasser nach Hamburg, oder von Hamburg zu Wasser auf Magdeburg spediren lassen sollen.105

Die Benutzung des Landweges über Lüneburg wurde oft als eine Ersatzlösung wegen der Handelspolitik in preußischen Territorien angewendet. Aufgrund der Zollerhebung für Material- und Gewürzwaren und der damit verbundenen strengen Kontrolle der Frachten behauptete die Commerzdeputation 1754: „Daß hiesige Kaufleute zu wißen wünschten, welche Waaren höheren Zoll gäben, und unter dem Namen von Material- und Gewürz-­Waaren nicht zu verstehen wären“, und drohte, „wenn es stricte so gehalten werden sollte, würde die feinen Waaren zu Lande gehen“,106 womit der Landweg über Lüneburg gemeint war. Im gleichen Jahr klagte die Berliner Schiffergilde beim preußischen Geheimrat, falls die derartig strikte Maßnahme nicht zurückgenommen werde, würden die Handelsströme von der See ihren „Cours über Luneburg nehmen müßen“, und in der Tat haben die Schiffer „zuvor noch voriges Jahr ein jeder zwey Reisen gehabt, anjetzo kaum eine bekommen können“.107 Der Zöllner in Esslingen berichtete für die erste Hälfte des Jahres 1755: „Demnach die Säch 104 Vgl. Kapitel III dieser Arbeit. 105 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 19, Vol. 3a, Promemoria 1743. 106 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 19, Vol. 3b, Monita, Commerzdeputation an den Rat 1754. 107 Ebenda, Schiffer-­Gilde zu Berlin an Geheim-­Rat 1754.

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sische bisher in Magdeburger Schiffe geladene Güter, über Lüneburg […] zu spediren, seither Monat Mai a. c. seinen Anfang genommen“.108 Wie oben angedeutet, war der Landweg über Lüneburg als Alternativroute zur Wasserstraße nach Magdeburg (im Ausfuhrhandel) besonders dienlich. Hier handelte es sich nämlich um den Verkehr nach Leipzig. 1768 wurde von Hamburg an Preußen eine Behauptung über die Tabakausfuhr nach Leipzig angewiesen: Die Transportirung des in Rollen aus Portugal kommenden schwartzen Brasiel Tobak ietzeit undenklichen Jahren denen Leipzigern nebst uns über Magdeburg nach Leipzig in erlegung des benötigten auf alle Königliche Preußische passirende Zoll Stadte ungehindert erlaubet worden, und man hat sich insgesampt diesen Weg lieber als über Lüneburg.

Aber falls die Kontrolle auf Tabak verstärkt würde: wie natürlich ist die Folge, daß die mit Brasil Taback handelnde Kaufleute, um Magdeburg nicht zu berühren, einen Umweg, über Luneburg und den Hartz zu nehmen gezwungen werden dürften.109

Gleicherweise legte die Hamburgische Kaufmannschaft gegen die Einführung der gestärkten Kontrolle auf Transitwaren in Magdeburg von 1777 den folgenden Einspruch ein: Sollten beym Königl. Preußischen Hofe dieses Gesuch des E. Kaufmanns kein gnädigens Gehör finden, so wird derselbe, weil Er keine Unmöglichkeiten praestiren kann, sich gezwungen sehen, andere Auswege zu finden, und seine Waaren über Lüneburg gehen lassen.110

Neben der Handelspolitik bieten große Kriege in Bezug auf die Änderung der Transportwege mehrere Beispiele. Schlachten, Plünderung, Ein- und Durchzug von Armeen in Kriegszeiten brachten die Handelsgeschäfte in totale Verwirrung. Kaufleute mussten dabei möglichst sichere Verkehrswege und Absatzorte finden. Hamburg konnte bis zum Beginn der französischen Besetzung 1806 im Wesentlichen durch seine Neutralitätspolitik die Sicherheit seiner Handels 108 StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 39, S. 75. Ferner verzeichnete er für 1755/56; „Es sind ohne Zweiffel wohl viele Güter wegen erhöheten Preußischen Zolls zurück geblieben“. StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 40, S. 67. 109 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 18, Vol. 2b, Fol. 27r und 30r. Auch war der preußische Kriegsrat Pape darüber der Meinung, dass „besonders der Durchgang des Tabacks die meiste Hinderung verursachet, und dieser Artikel unterschiedene andere Güter von der Elbe über Magdeburg abweiset und über Lüneburg ziehet“. Baasch: Quellen, S. 286. 110 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 19, Vol. 6, Syndikus Schuback 1777.

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schiffe und den Frieden innerhalb der Stadt versprechen. Sein Zwischenhandel wäre aber nicht aufrechtzuerhalten gewesen, wenn alle seine Handelswege und Märkte im Hinterland zerstört worden wären. Der Zugang zu mehreren Gebieten über verschiedene Routen sorgte für Auswege aus einer totalen Lahmlegung des Handels. Während des Dreißigjährigen Krieges konnte Hamburg den Absatzort der Tuche von dem unter der kriegerischen Verwirrung leidenden Nürnberg nach dem davon verschonten Lübeck umstellen. Hamburg beschaffte zu derselben Zeit Kupfer in zunehmendem Maße aus Schweden über Lübeck, wobei die Lieferung aus Ungarn in Schwierigkeiten geriet.111 Zur Zeit des Ersten Schlesischen Krieges 1740 – 1742, nachdem die preußischen Truppen in Schlesien eingedrungen waren, ergab sich nach den Elbzolleinnahmen bei Esslingen ein Rückgang der Ausfuhr nach Berlin (1741), dem Hauptvermittlungsort im Verkehr zwischen Hamburg und Schlesien. Im Gegenzug nahm die Schifffahrt nach Magdeburg zu. Hier erkennen wir eine Umstellung des Exportzieles.112 Die Quellen in Bezug auf den Warentransport zur Zeit dieses Krieges erlauben einen weiteren Einblick darüber, wie man den Kriegsverlauf vorsichtig beobachtete und neben der Routenänderung Maßnahmen zur Minimierung der Kriegsschäden ergriff. Schauen wir in den Berichten des Esslinger Zöllners auf den hektischen Wandel der Gütersendungen. Mai 1741: Es ist Hoffnung zum Frieden in der Schlesie abhanden gewesen, das hat die Hamburger Kaufmannschaft veranlaßet mehr Guth abzusenden.113

Als der Frieden zwischen Preußen und Österreich nicht zustande kam, erkannten die Kaufleute, die die Kriegsgefahr vorhersahen, die Notwendigkeit der sofortigen Sendungen und vertrieben mehr Güter als sonst. Aber, wie der nächste Bericht zeigt, hielt man schon im Juli wegen der kriegsbedingten Risiken die Warensendung zurück. Juli 1741: Der Krieg in der Schlesie und die anscheinende gefährliche Conjuncturen im Reiche machen den Hamb. Kaufmann bedenklich waß fortzusenden, dahero haben die Schiffere mit halben Ladungen forteylen müßen.114

111 Siehe Kapitel III, S. 167 dieser Arbeit. 112 Siehe Abbildung IV-1. 113 StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 12, S. 38. 114 Ebenda, S. 61.

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Hieraus lässt sich entnehmen, dass in Hamburg die nach Schlesien bestimmten Schiffe nur ungenügend beladen wurden. Auch die verfrachteten Güter wurden in Berlin aufgehalten, weil die dortigen Fahrzeuge zum Transport von Artillerie und Munition beschlagnahmt wurden.115 Der Krieg konnte aber auch durch die vorläufig hervorgerufene Nachfrage Anlass für neue Absatzmöglichkeiten schaffen. September 1741: Obgleich der Krieg in der Schlesie die Handlung etwas bedrucket, so ist dahingegen laut eingeschriebener Nachricht vor dem Elbzoll, für der Preußischen Armee zu Gettin an der Havel viel Habern [= Hafer] hinauff gegangen.116

Es scheint doch, dass man sich bei dem Transport und Absatz von übrigen Waren zurückhielt. Erst im folgenden Jahr, als die Kriegswirren in Schlesien vorbei waren, wurden die Lagerwaren abgesetzt. Mai 1742: Weilen der Krieg sich aus der Schlesie nach Böhmen gezogen, haben die Oder Schiffer Zeit gehabt, Kauffmans Güther zu fahren, die in ao 1741 zu Berlin sehr aufgehalten worden sind.117

Kommen wir zur Routenauswahl in der Kriegszeit zurück. Im Kapitel III ist erwähnt worden, dass es in der Zeit des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges, als der Importhandel mit Westeuropa abgeschnürt war, eine ungewöhnliche Zufuhr von Kolonialwaren gab: Man beschaffte sie von Kopenhagen über Lübeck in Hamburg.118 Dies war die provisorische Umschaltung von Bezugsgebiet und -route, da nach dem Krieg die Warenlieferung von Westeuropa schnell wieder aufhörte. Sie wird auch aus kaufmännischen Akten konstatiert. Ein Hamburger Kaufmann, Friedrich Justus, schrieb im Jahre 1776 an seinen Kunden in Göttingen:

115 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kc Nr. 16, Vol. 2b. Nach einem Schreiben von einem Breslauer Kaufmann an Peter His, Kaufmann in Hamburg, von der Commerzdeputation an den Hamburger Rat und vom Rat an die Domänen-­Kammer zu Berlin. 116 StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 12, S. 73. Zur Zeit des Siebenjährigen Krieges haben wir auch die Getreidezufuhr nach Magdeburg beobachtet. Siehe Kapitel  IV, S. 290 f. dieser Arbeit. Kaufleute wogen Gefahr und Gewinn ab und wählten danach den Handelsweg aus. 117 StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 14, S. 14. 118 Siehe Kapitel III, S. 205 f. dieser Arbeit.

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Betrieb und Praxis die tobacken sindt wegen dem americanischen Unruhen fast doppelt gestiegen dahero fast unmöglich mit altem Preiß bestehen kann, […] indeßen meinem freunden alles mögliche genießen zu laßen habe dieses mahl noch altem Preiß notirt […].119

Ferner an die in Braunschweig: zwahr wegen dem americanischen Unruhen sehr gestiegen und ordinaire Sorten über doppelt, womit man jetzt nicht bestehen kan, so will doch noch mit meinen feinen Siegel Taback […] nicht aufsteigen sondern vors erste noch alte Preise laßen, weiln ich durch Gottl. beystandt nun mehro schon bey 30 Jahren den Preiß erhalten, […] indehm mich vorrigtem Jahre mit einem großem vorrat in schöner waare versorgt […].120 das die Tabacken überhaupt außer Ordentlich hoch gestiegen, da ich aber mir in rechter Zeit sehr stark versorget, […] so will dieses Jahr noch nicht meine Fabrique steigen, sondern nach altem Preiße in meinem alten Haußen versorgen […].121

Nach den Briefen konnte er den Tabakpreis auch in der allgemeinen Versorgungsknappheit behalten. Andere Geschäftsbriefe bezeugen, dass er im gleichen Jahr Tabak aus Kopenhagen über Lübeck bezog.122 Auf diese Weise konnte die Warenzirkulation der Gefahr des totalen Unterbrechens durch den Krieg entkommen. Seuchen machten die betroffenen Handelswege temporär unzugänglich. 1682, als eine starke Pestepidemie in Leipzig wütete, ergab sich ein großes Verkehrschaos zwischen der Messestadt und Hamburg.123 Die Lausitzer Leinenhändler wollten auch nach Beseitigung der Pest den Weg über Leipzig vermeiden. Einer Beschwerde Leipzigs zufolge sandten die Kaufleute von Görlitz, Budissin und Marklissa ihr Leinen nicht über Leipzig, sondern über Berlin nach Hamburg und handelten diese dort gegen süße Weine, Juchten, Indigo, Tabak und Spezereien.124 Neben den oben genannten Faktoren war der schlechte Zustand der Handelsstraße ein lästiges Hindernis, weil er die Reise mit Frachtwagen mühsamer und zeitraubender machte. Das Problem wurde größer beim Umladen der Schwergüter von der Wasser- auf die Landstraße, weil hier ein Unterschied in der Transportfähigkeit bestand und die schweren Fässer oft auf der schlecht gehaltenen Straße nicht befördert werden konnten. Dieser Unterschied verursachte eine Erhöhung der Transportkosten. Wenn eine Route auf diese Weise 119 StAH, Firmenarchive, 54 Justus, 12c, S. 711. 120 Ebenda, S. 757. 121 Ebenda, S. 708. 122 Ebenda, S. 675, 677, 680, 702. 123 Heller: Handelswege, S. 40. 124 Heller: Handelswege, S. 43.

Handelspraktiken zum Fortlaufen des Zwischenhandels

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unrentabel wurde, entschied man sich für die Benutzung der anderen Verkehrswege. Beispielsweise war dies der Fall im Verkehr nach Leipzig, in dem zwei Handelsrouten möglich waren. Der Wasserweg über Magdeburg konnte aus dem oben genannten Grund durch den Landweg über Lüneburg ersetzt werden. Im Esslinger Zollbuch wird berichtet, dass die nach Magdeburg geschickten Schiffsfrachten bei der Umladung auf Frachtwagen wegen des verdorbenen Straßenzustandes in kleinere Fässer umgepackt werden mussten: Weilen die im Herbst ao 1737 von Hamburg über Magdeburg versandte Meßgüther, von Magdeb[urg] nach Leipzig, wegen grundloser Wege nicht unter 3 1/2 mk pr schpf Fracht haben befordert – auch die schweren Fäßer mit dortigem Fuhrwerk nicht fortgebracht – werden können, dieselbe also mit mehrern alß gewöhnlichen Kosten umpgepackt und auß einem großen Faße zweyehalbe gemacht werden müßen; so hat dergleichen extraordinaire Verunkostung die hamburgische Kauffmannschaft bewogen, einenn großen Theil ihrer Güther wieder auff Lüneburg gehen zulaßen.125

Auch wurde für das nächste Jahr Ähnliches verzeichnet und diesmal erwähnte man die Landroute über Lüneburg als Ersatzvariante: So stark wie im vorigen Jahr geht die Schiffahrt auff Magdeburg nicht mehr vonstatten, denn ihre dortige Wagens sinnd nicht darnach eingerichtet gewesen, die große Wiener Fäßer auffzuladen, sondern Sie haben von einem großen Faße auß Noth 2 kleinere machen müßen, das stehet den Kauffleuten nicht gar woll an, dahero senden Sie dieselbe lieber von Lüneburg zu Lande fort.126

Im vorherigen Abschnitt ist das Problem erwähnt worden, dass die im Seehandel vergrößerten Warenvolumen die geringere Aufnahmekapazität der unzulänglichen Infrastruktur überstiegen. Das hier angeführte Beispiel gilt als eine Gegenmaßnahme der Handelsteilnehmer für solche Fragen. Im Kapitel IV ist die Kontinuität der Handelsbeziehungen und der Verkehrswege trotz der zu vollziehenden Veränderung im Laufe der langen Zeit festgestellt worden, was die parallele Existenz der alten und neuen Handelsverbindungen und folglich die vermehrte Routen- und Ortsauswahlmöglichkeit für Warenbezug und -absatz zur Folge hatte. Hier in diesem Abschnitt haben wir mit konkreten Beispielen konstatiert, dass in individuellen Fällen des Warentransportes die Auswahl nach dem Faktorenkomplex von Warenarten und jeweiligen Gegebenheiten für das Fortlaufen des Zwischenhandels eine wichtige Rolle spielte. Die Rollenverteilung der Handelsrouten und -orte ließ den Warenverkehr im Ostsee- und Mitteleuropahandel funktionieren. 125 StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 7, S. 25. 126 StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 7, S. 41.

330

Betrieb und Praxis

2.2  Informeller Handel für ein Fortbestehen des Zwischenhandels Für das Fortbestehen des Zwischenhandels war eine Routenänderung nicht die einzige Maßnahme, die die Handelsteilnehmer zu ihrem Nutzen ergriffen. Zur Not trieben sie informellen Handel, nämlich Schmuggel bzw. Schleierhandel. Er war in der Handelswelt ganz üblich, nicht nur im Seehandel, sondern auch im Binnenhandel.127 Beispiele lassen sich auch im hamburgischen Ostsee- und Mitteleuropahandel beobachten. Im Öresundverkehr zum Bespiel wurde die Versendung der in Frachtbriefen nicht verzeichneten Waren berichtet.128 Das Verstecken der Waren wurde auch im Binnenhandel betrieben, vor allem im preußischen Gebiet des 18. Jahrhunderts, als der König den Durchzug der ausländischen bzw. hamburgischen Waren steuern wollte.129 Es war also in preußischen Gebieten gang und gäbe, die von Hamburg beförderten Waren wie Kaffee, Tee und Tabak zu schmuggeln, zumal auf jene Waren hohe Steuern auferlegt wurden. Die preußische Verordnung des Jahres 1754 spricht über diese Praxis. Es sei sehr üblich, verbotene Ware in der Verpackung erlaubter Ware zu senden. Die Verordnung erklärt: wie sowohl die Schiffer und deren Knechte, so Victualien und hoch impostirte, oder wohl gar verbothene Waaren, auf denen Schiffs-­Gefässen verstecken, oder unter andern Waaren verpacken und solchergestalt ohne die ACCISE und den Zoll zu erlegen, heimlich einzubringen intendiren, als auch die Kauffleute welche alle Waaren und Sachen in denen Zöllen nicht accurat und nahmentlich angeben, bestraffet werden sollen.130

Dass es sich hier um die in Hamburg beschafften Kolonialwaren handelt, wird aus dem folgenden Auszug der Verordnung deutlich, dass Schiffer und ihre Knechte allerhand Victualien und hoch impostirte Waaren, als Cofée-­Bohnen, Thée, Tabac und andere verbothene Sachen, in Hamburg aufkauffen, solche […] in denen Schiffs-­Gefässen bey derselben Beladungen, unter die Kauffmanns-­Güther verstecken […].131 127 Zum Beispiel wurden die Kolonialwaren, von denen hohe Steuern erhoben oder deren Absatz handelspolitisch stark eingeschränkt werden konnten, oft informell auf Binnenmärkten verkaufen. Vgl. Hochmuth: Globale Güter – lokale Aneignung, S. 106 – 113. 128 Siehe Kapitel III, S. 129 dieser Arbeit. 129 Sie dazu Kapitel IV, S. 263 ff. dieser Arbeit. 130 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 19, Vol. 3b. 131 Ebenda. Auch andere Güter als Kolonialwaren wurden versteckt. Es ist beschrieben, „daß verschiedene Kauf-­Leuthe die Waaren, welche sie kommen lassen, auch weiter versenden, in Unsern Zoll-­Aemtern nicht aufrichtig declariren, sondern in denen

Handelspraktiken zum Fortlaufen des Zwischenhandels

331

Das Verfahren, unterschiedliche Artikel in dasselbe Fass zu verpacken und dessen Inhalt ungenau zu deklarieren, scheint damals sehr üblich gewesen zu sein.132 Gegen die Bestimmung der Verordnung, den Frachtinhalt akkurat anzugeben, legten die Hamburger Einspruch ein, dass es unmöglich sei, den Frachtinhalt jeweils genau zu kennen, weil die in Hamburg seewärtig eingeführten Güter ohne Umpacken direkt weitertransportiert würden.133 Es gab aber auch den Fall, dass der Kaufmann, um den Inhalt wissend, unterschiedliche Güter absichtlich in dasselbe Fass packte. Aus einem Brief von Friedrich Justus, damals Zwischenhändler in Hamburg, ergibt sich, dass er 1754 nach Havelberg seine Ladung „in ein Vaß in doppelte emball. [age] ein Väßel darin Coffebohn in gleichen ein 1/2 Väßel in Matten mit Rosien“ verschiffte.134 Neben dem Schmuggel mittels gefälschter Verpackungen betrieb man Schwarzverkauf der verbotenen Ladungen, indem man, laut der preußischen Verordnung, die Waren auf dem Weg der Reise in Dorfkrügen, in irgendeinem Unterschlupf oder nachts im Schutz der Dunkelheit in Städten verkaufte: zur bessern Ausführung ihrer Boßheit und höchststrafbaren Practiquen, selbige [= Victualien und hoch impostirte Waaren: Verfasser] wohl gar in emballirten und mit Kauff­ manns-­Zeichen marquirten Tonnen und Kasten verpacken, solche nachher unterwegens auf den Dörffern in den Krügen und andern verborgenen Schlupf-­Winckeln absetzen, und sie hierauf zum grossen Nachtheil Unserer Accise- und Zoll-­Revenuen, entweder auf dem Lande hin und wieder verhandeln, oder bey Nachts-­Zeit und durch allerhand heimliche Wege in die Städte einschleppen, und sie solchergestallt, unversteuret, gröstentheils an Kauffleuthen verkauffen […].135

Es ist höchst wahrscheinlich, dass ein Teil der in Esslingen deklarierten Waren in solcher Weise verkauft wurde.

Ballen, Packen, Fässern und Kisten gantz andere Waaren, als sie angeben, verpacken lassen, und dadurch bey Unsern Licent-, Zoll- und Schleuse Revenues die importanteste Unterschleiffe ausüben, wie denn zum öftern entdecket worden, daß in denen Fässern, welche in Unsern Zoll-­Aemtern für Gewürtz-­Waaren declariret worden, Bley, Zinn, Butter, u. u. so einen höhern Zoll, als die Gewürtz-­Waaren bezahlen müssen, zum grösten Nachtheil Unserer Zoll-­Revenues heimlich mit verpacket gewesen“. 132 Den großen Teil der Eintragungen in den Esslinger Elbzollregistern bildeten die ungenauen Frachtangaben wie „10 Fass Waaren“. 133 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec No. 19, Vol. 3b, Monita, Commerzdeputation an den Rat, 27. Sept. 1754. Die Behauptung können wir nicht wörtlich nehmen, weil Zucker, der in Hamburg roh eingeführt wurde, größtenteils in städtischen Raffinerien verarbeitet, verpackt und versendet wurde. 134 StAH, Firmenarchive, 54 Justus, 12a, S. 71. 135 StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ec Nr. 19, Vol. 3b.

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Betrieb und Praxis

Die Erfolge solcher Praxen sollten nicht unterschätzt werden. An den Zolleinnahmen der Esslinger Elbzollstelle wird zwar ab 1752, als alle Einfuhr des fremden raffinierten Zuckers in Brandenburg und Pommern verboten wurde, eine gewisse Verringerung der von Hamburg nach Berlin gehenden Warenmenge festgestellt, aber ich möchte betonen, dass der Handel trotzdem ohne Unterbrechung betrieben wurde. Wenigstens behielt die Zolleinnahme das Niveau der 1740er Jahre.136 Abb.V-1: V-1: Esslinger Elbzolleinnahmen, vonHamburg den vonnach Hamburg Abb. Esslinger Elbzolleinnahmen, erhobenerhoben von den von Berlin nach Berlin transportierten Ladungen 1705–1765 (in Mark) transportierten Ladungen 1705 – 1765 (in Mark) 3000 2500 2000 1500 1000

1765

1762

1759

1756

1753

1750

1747

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1738

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1732

1729

1726

1723

1720

1717

1714

1711

1708

0

1705

500

Quelle: StAH, ER, Fasc. 1, Nr. 10 – 28; Fasc. 2, Nr. 1 – 62.

136 Meine Logik, die Fortsetzung des Handels (die nicht starke Verminderung der Elbzolleinnahme) mit Schmuggelbetrieb zu begründen, bedarf einer Erklärung, da der Einwand erhoben würde, dass der Schmuggel nicht in den Zolleinnahmen einbegriffen wäre. Auch die geschmuggelten Waren könnten größtenteils verzollt worden sein, und zwar aus dem folgenden Grund: Wie den angeführten Quellenzitaten zu entnehmen ist, waren die Hauptmethoden des Schmuggels, die im preußischen Territorium hochverzollten bzw. -versteuerten oder verbotenen Artikel (Kolonialwaren) 1. mit anderen Waren in demselben Fass zu verstecken oder 2. vor der Besteuerung heimlich zu verkaufen. Die Kolonialwaren wurden bei der Esslinger Zollstation dagegen nicht besonders behandelt, sondern zusammen mit anderen verschiedenen Waren als „Waren“ kategorisiert. Der Zoll wurde nach der Anzahl der Fässer erhoben. Deshalb verminderte sich die Zolleinnahme durch das Verstecken der bestimmten Artikel (Fall 1) nicht. Da der Schleichverkauf (Fall 2) erst in den preußischen Gebieten erfolgte, bezog er sich mit der Zolleinnahme auch nicht.

Handelspraktiken zum Fortlaufen des Zwischenhandels

333

Da es unmöglich war, die gesamten Frachtladungen bis auf die Fassböden zu visitieren, breitete sich Betrügerei durch falsche Verpackungen überall aus. Neben den oben genannten Beispielen von Kolonialwaren hörte man sehr häufig davon im Heringshandel. Es war ein übliches Vorgehen, in den Bodenteil der Behälter des beliebten holländischen Herings den schottischen von niedrigerer Qualität zu mischen. Da bei der Untersuchung der Heringsqualität nur die Oberfläche geprüft wurde, bemerkte man die Verfälschung oft nicht in Hamburg, sondern erst am Endziel.137 Dies vergrößerte einerseits den augenblicklichen Gewinn, minderte aber andererseits die Reputation des hamburgischen Markenzeichens. Wir setzen die Diskussion über den informellen Handel fort. Während Schmuggel eine gewöhnliche Praxis des Handels gewesen zu sein scheint, lässt sich aber annehmen, dass er in Krisenzeiten, wenn der normale Handelsverkehr gefährdet wurde, am häufigsten betrieben wurde. In der Geschichte Hamburgs ist die Zeit um 1800 bekannt als die Epoche einer Krise von bisher nie dagewesenem Ausmaß.138 Was man bei dieser kritischen Situation für die Handelstätigkeit unternahm, wird im Folgenden untersucht.

2.3  Handelspraktiken um 1800 Vor der Krise, in den 1790er Jahren, war der Handel Hamburgs im sowohl geographischen als auch mengenmäßigen Sinne durch eine boomartige Erweiterung geprägt. Sie brachten den einschneidenden Wendepunkt, an dem Hamburg, das sich bisher auf den Handel mit europäischen Ländern beschränkt hatte, nach „Übersee“ geöffnet wurde.139 Die Emanzipation der nordamerikanischen Kolonien von England und die Anerkennung der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von 1783 ermöglichten den transatlantischen Handel zwischen Nordamerika und Europa

137 Zum Beispiel für diese Tätigkeit siehe die Beschwerde von Magdeburg und Berlin in den Jahren 1676, 1694 und 1713. StAH, Senat Cl. VII, Lit. Kb Nr. 7b Fasc. 10. 138 Vgl. Franklin Kopitzsch: Zwischen Hauptrezeß und Franzosenzeit 1712 – 1806, in: Hans-­Dieter Loose: Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner, Bd. 1, Hamburg 1982, S. 351 – 414 und Gerhard Ahrens: Von der Franzosenzeit bis zur Verabschiedung der neuen Verfassung 1806 – 1860, in: Ebenda, S. 415 – 490. 139 Kurz erfasst von Günter Moltmann: Hamburgs Öffnung nach Übersee im späten 18. und im 19. Jahrhundert, in: Arno Herzig (Hg.): Das alte Hamburg (1500 – 1848/49). Vergleich/Beziehungen, Hamburg/Berlin 1989, S. 51 – 72, vor allem S. 56 – 58.

334

Betrieb und Praxis

ohne Vermittlung durch England.140 Die Schifffahrt zwischen Hamburg und den Vereinigten Staaten entwickelte sich nicht sogleich: 1784 waren nur sechs Schiffe aus den Häfen der Vereinigten Staaten in Hamburg angekommen. 1796 erschienen dagegen 239 Schiffe in Hamburg.141 Auch im spanischen Amerika vollzog sich eine ähnliche Änderung. 1797/99 gab Spanien, das in den Englisch-­Französischen Krieg auf Seiten Frankreichs eingetreten war und schwere Niederlagen hinnehmen musste, vorübergehend ausländischen Händlern die direkte Schifffahrt zu seinen Kolonialterritorien frei.142 Kaufleute in Hamburg fanden darin eine große Geschäftschance.143 In der Zeit des Revolutionskrieges, also in den großen Auseinandersetzungen der europäischen Länder, in deren Mitte England und Frankreich standen, nahmen die Vereinigten Staaten als neutraler Vermittler für westindische Produkte eine dominierende Stellung auf den europäischen Märkten ein, wobei Hamburg einen Distributionspunkt am Eingang zum europäischen Kontinent bildete.144 Die Vereinigen Staaten vermittelten vor allem Kaffee nach Hamburg, den sie, wie auch Zucker, ab etwa 1793 von den französischen und ab 1796 von den spanischen Westindischen Inseln beschafften.145 Dies bedeutete, dass 140 Der Plan zum Abschluss eines Handelsvertrages zwischen den Vereinigten Staaten und den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen wurde wegen der Scheu Hamburgs vor der Eifersucht der Kolonialmächte vorerst nicht verwirklicht. Die Schifffahrt entwickelte sich aber auch im vertraglosen Zustand in den 1790er Jahren günstig, und der Abschluss des Handelsvertrags von 1827 wirkte sich auf die Fahrt zwischen Nordamerika und Hamburg nicht aus. Walter Kresse: Die Auswirkung der Handelsverträge der Hansestädte mit amerikanischen Staaten auf die Hamburger Schiffahrt, in: ZVHG 60 (1974), S. 139 – 146, hier S. 141. 141 Ernst Baasch: Ende des 18. Jahrhunderts, S. 158. 142 Der Verlauf ist ausführlich dargestellt von Barbara H. Stein/Stanley J. Stein: Edge of Crisis. War and Trade in the Spanish Atlantic, 1789 – 1808, Baltimore 2009. 143 Vgl. Pohl: Spanien, S. 246 – 262. 144 Heinrich Ernst Köppen: Die Handelsbeziehungen Hamburgs zu den Vereinigten Staaten von Nordamerika bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, Köln (Diss.) 1973, S. 170 – 172. Die geographische Nähe zu den westindischen Inseln, die langjährige Erfahrung im carrying trade, der systematische Ausbau der eigenen Flotte und die angemessene Tarifpolitik waren die Faktoren dieser Entwicklung. 145 Köppen: Nordamerika, S. 175. Unter einheimischen Produkten war Reis, vor allem „Caroliner Reis“, das wichtigste. Daneben sind Tabak und Baumwolle zu nennen. Philadelphia, Charleston, Baltimor, New York und Boston waren Lieferanten von Kaffee und Zucker. Besonders Philadelphia lieferte beträchtliche Mengen. Charleston, das ebenfalls viel Kaffee und Zucker nach Hamburg ausfuhr, war der größte Verschiffungshafen von Caroliner Reis. Da nordamerikanische Häfen die westindischen Produkte zum Reexport nach Hamburg in hohem Maße an sich zogen, waren die direkten Ein-

Handelspraktiken zum Fortlaufen des Zwischenhandels

335

in Hamburg ein nicht geringer Teil der Kolonialwaren ohne Einbeziehung der europäischen Länder vermittelt und nach dem Hinterland abgesetzt wurde. In dem Fakturenbuch von einem hamburgischen Kaufmann, Paridom Daniel Kern, werden die Importe von Kaffee und Tabak aus Charleston und deren Reexporte nach Berlin und Potsdam oder nach St. Petersburg über Lübeck verzeichnet.146 Neben dem Amerikahandel erfuhr der Hamburger Englandhandel in den 1790er Jahren einen kräftigen Aufschwung. Begünstigt wurde dieser durch das Absinken des Frankreichhandels. Der europäische Hauptlieferant von Zucker und Kaffee für Hamburg war nun nicht mehr Frankreich, sondern England geworden. Die Verwirrung der Revolution und das durch England und das Reich verlangte Embargo gegen Frankreich sorgten für den Niedergang des Handels mit dem bis dahin führenden Partnerland. Dennoch wurde sicherlich auch hier Schmuggel getrieben. Angesichts der durch die Getreideknappheit in Frankreich wegen der Revolutionswirren angestiegenen Nachfrage wurden wider das Reichsverbot der Getreideausfuhren von Hamburg nach Frankreich unternommen.147 Durch den Boom des England- und Amerikahandels erfuhr die Kolonialwareneinfuhr in Hamburg einen rapiden Aufschwung148 in einem ungewöhnlichen Ausmaß, das als allzu drastisch und spekulativ galt. Ein Teil der Kaufmannschaft scheint die gefährliche Atmosphäre dieser überhitzten Konjunktur empfunden zu haben. Ein Kaufmann in Hamburg schrieb 1798 an seinen Kunden in Leipzig: „Mit dem Caffé und Zucker Handel wird es ganz übertrieben, und die Sache scheint keine Grünzen zu haben“.149 In der Tat war die Entwicklung des Reexportes nach den Binnengebieten im Vergleich zum Wachstum des seewär-

fuhren aus Westindien dementsprechend nicht sehr groß. Mit Havanna (besonders bei der Zuckereinfuhr) und St. Thomas (besonders Kaffee- und Zuckereinfuhr) stand Hamburg in regelmäßiger Verbindung. Neben den westindischen Produkten kamen aus Nordamerika Hölzer und Häute. Die Letzteren gehörten zu den Ausfuhrartikeln, die damals nach Berlin exportiert wurden. Siehe Kapitel IV, S. 291 dieser Arbeit. 146 StAH, Firmenarchiv, 53 Kern, Nr. 3. 147 Dies bezeugen die wiederholten Einsprüche von dem Kaiser, Preußen und dem englischen Hannover. StAH, Senat Cl. I, Lit. Pb, Vol. 8c Fasc. 2, Nr. 5, 6, 7a, 7b, 7c, 7d, 8a, 8b, 8c, 8 f, 9,11a, 11b, 12a, 14, 14b, 18. Ferner vgl. North: Hamburg, S. 11 f. 148 Während die Einfuhrwerte von Kaffee und Zucker im Jahre 1792 jeweils 7.243.770 und 9.877.914 Mark Banco betrugen, stiegen sie im Jahre 1798 auf 15.512.866 und 18.335.342 Mark Banco auf. Vgl. ACEB. 149 StAH, Firmenarchive, 47 Unbekannte Firmen, A 2, S. 11.

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Betrieb und Praxis

tigen Importes eher träge.150 Das heißt, dass die dem Angebot entsprechenden Absatzmärkte nicht gefunden wurden. Daraus resultierte 1799 die Wirtschaftskrise, wodurch mehrere Firmen in Konkurs gingen.151 Ich habe für das Krisenjahr noch keine Beispiele der effektiven Maßnahme der Handelsteilnehmer gefunden. Die Kaufmannsbriefe dieser Zeit sind von den Klagen über die Flaute erfüllt. Schon am Ende September 1798 schrieb ein Hamburger an seinen Kunden in Landeshut: „[…] die Handlung ist Zeither so jämmerlich als möglich gewesen, und das wenige verkaufte haben manche gewaltig niedrig weggeschlagen“.152 1799 schrieb er nach Leipzig: […] bey der Ankunft der entsetzlichen Menge von Schiffen geht es so unordentl. in unsern Haven zu, daß man bisweilen nicht darin fahren kann. Seye Sie von meiner Geschäftlichkeit überzeugt, Ihnen sobald es möglich eine Absendung zu berichten. In unsern Handel ist’s noch immer todstille.153 In unsern Waaren Handel ist es ungemein still und fast mit allen Artikeln sehr flau, der fortdauernde Geld Mangel und sehr hohen Disconto von 11 a 12 % drucken die Preise sehr und wie man sagt soll Caffe schon zu 16 1/4 ß verkauft seyn.154

So waren die Frachten in Hamburg ins Stocken geraten und mussten verschleudert werden. Denkt man an den Zusammenhang zwischen dem in den 1790er Jahren angeschwollenen Warenimport und den am Ende des Jahrhunderts erfolgten Absatzschwierigkeiten, scheinen die Hintergründe der Krise eher ökonomisch als politisch gewesen zu sein. In solch einem Fall wirkten die genannten Praktiken einzelner Kaufleute wie Schmuggel und Handelsroutenänderung nicht, da der Markt an sich eingeengt wurde. Der Wirtschaftskrise folgte in Hamburg die lange schwierige Zeit: die Napoleonischen Kriege (1799 – 1815) sowie die inzwischen erfolgte Besetzung Hamburgs durch die französischen Truppen und die Einverleibung Hamburgs in Frankreich (1811 – 1814). Dadurch verlor die Stadt die bis dahin gewahrte Neutralität und politische Unabhängigkeit. Da die französische Regierung Hamburg alle Geschäfte mit England und den anderen Ländern der Antifrankreichkoalition untersagte – Kontinentalsperre –, wurde der multipolare 150 Zwar nahm die von Hamburg nach den Binnengebieten transportierte Warenmenge zu dieser Zeit zu, erreichte aber das Niveau um die Jahrhundertmitte (die Sonderkonjunktur im Siebenjährigen Krieg) nicht. Siehe Abbildung IV-1 dieser Arbeit. 151 Die Wirtschaftskrise stellte der Zeitgenosse ausführlich dar. Johann Georg Büsch: Geschichtliche Beurtheilung der in der Handlung Hamburgs im Nachjahr 1799 entstandenen grossen Verwirrung, Hamburg/Altona 1800. 152 StAH, Firmenarchive, 47 Unbekannte Firmen, A 2, S. 63. 153 Ebenda, S. 309. 154 Ebenda, S. 391.

Handelspraktiken zum Fortlaufen des Zwischenhandels

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Handelsverkehr gewaltig beschnitten. Während der französischen Okkupation musste man bei der Frachtabsendung ein Zertifikat vorweisen, um zu bezeugen, dass die Waren nicht zur Konterbande gehörten, und man musste für die Erstellung des Zertifikates Gebühren entrichten. Die hamburgische Tabakfirma Justus & Co. berichtete, dass man mehr Kosten tragen müsse, weil die Zertifikationsgebühr erhöht worden sei.155 Durch die Kontinentalsperre wurde nun die Versorgung mit Waren in der Stadt knapp. Die oben genannte Tabakfirma Justus teilte darüber an verschiedene Kunden in deutschen Städten beispielsweise mit: […] erst nach dem Frieden wen die freye Zufuhr wieder hergestellt dann dieser Artikel wie viele andere zum billigen Preis wieder geliefert werden […].156 […] den gesch. Knaster kan ich erst nach dem Frieden bey freyen Zufuhr der Colonial Waaren wieder herstellen, den itzt ist die feine rohe Waare nicht zu haben […].157 […] alle andere feinen Sorten kan ich so lange die Zufuhr gehemt bleibt, nicht liefern, den die rohe feine Waare fehlt gäntzlich. Gott gebe uns bald algemeinen Frieden und damit beßern Zeiten […].158 […] kan ich Ihre Aufgabe leider fürtwärend nicht ausführen, da die rohe feine Waare fehlt gänzich, und woher sollen wir bey den izt bestehende strengen Verfügungen Zufuhr erhalten. Nur der allgemeine Friede kan diese drückende Laage beendigen und die alte gute Zeit wieder bringen, bis dahin müßen sich die Raucher an geringere Sorten gewähren […].159 […] ich fühle es leider sehr, daß diese hohe Preise den Absatz merklich vermindern, es steht aber durchaus nicht in meiner Macht, dies abzuandern […].160 […] das ich jene Preise nicht herunter setzen kann, wohlfeilere Preise laßen sich während der dauer des Krieges und so lange die itzigen Handlungsverbote bestehen mit recht nicht erwarten da der unbedeutende Vorrath wird täglich kleiner, und neue Zufuhr kan durchaus nicht ankommen, das Americ Embargo und die Einfuhr Sperren sind hinreichende Hinderniße […].161

Sahen die Kaufleute dann dieser schweren Situation ohnmächtig zu, bis sie irgendwann vorbeigehen würde? Tatsächlich gerieten viele Firmen während der Franzosenzeit in Konkurs, und so wird in der Forschung die Verbreitung 155 StAH, Firmenarchive, 54 Justus, 12n, S. 13. „Die Franzosen haben die Ausfertigungs Kosten für die Certificate so sehr erhöht das ich dieses […] 6 M 12 ß habe zahlen müssen“. 156 Ebenda, S. 51. Brief an Hannover. 157 Ebenda, S. 100. Brief an Rostock. 158 Ebenda, S. 102. Brief an Osterburg. 159 Ebenda, S. 103. Brief an Schwäbisch Gmünd. 160 Ebenda. Brief an Nürnberg. 161 Ebenda. Brief an Mannheim.

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Betrieb und Praxis

des Schmuggels zur Zeit der Kontinentalsperre festgestellt.162 Die konkreten Praktiken der Hamburger bei der Warenvermittlung werden unten dargestellt. Bekannt ist das Schmuggelzentrum Helgoland. Auf der Insel, ca. 80 Kilometer von der Elbmündung entfernt, war seit langem ein Leuchtfeuer für die Nordseeschifffahrt installiert. Helgoland besaß gleichzeitig Warenvermittlungsfunktion. Schon vor der Kontinentalsperre wurde über die Insel englische Steinkohle nach Hamburg geliefert.163 Aber erst in der Zeit der Kontinentalsperre wurde sie für Hamburgs Handel von großer Bedeutung. Infolge der durch den Handelsbann erschwerten Beschaffung aller Waren, angefangen von Rohmaterialien bis hin zu Fertigprodukten, begann man, Helgoland als Stützpunkt des Schwarzhandels zu benutzen, so dass die Insel das „Schmuggelnest“ wurde.164 Da Helgoland besonders den heimlichen Verkehr zwischen England und dem Kontinent vermittelte, trug sie den Namen „Klein-­London“. Während die Insel im Jahre 1807 nur 4 Einwohner zählte, wuchs die Zahl bis 1811 auf 179.165 Nicht nur Kaufleute, sondern auch andere Berufsgruppen wie Handelsgehilfen, Packer, Fischer, Lotse, Spione oder Weber nahmen am Schleierhandel teil. Die in Helgoland umgeladenen Waren wurden nach den Nordseeküsten gebracht und, die französische Aufsicht umgehend, auf Märkten heimlich distribuiert. Ein Zentrum der Küstengebiete war Tönning. Der hamburgische Kaufmann Octavio Schröder erinnerte sich, dass er mit seinem Vater, der den gleichen Namen trug, eben diesem Geschäft nachgegangen war: Mein guter Vater, dessen Commissions-­Geschäft durch die vieljährige Bedrückung des Handels beinahe zu Null reduzirt war, ward durch die Verbindung in England, und um in Thäthigkeit für sich und mich, seinen einzigen Sohn, so wie zu Gunsten eines Schwiegersohns, der auf Helgoland für Rechnung eines Londoner Hauses etablirt war, zu bleiben, veranlaßt, sich mit den gefährichen Waarensendungen zu befassen, wobei ich ihm als sein Commis nach Kräften behülflich war. Wir erhielten von Helgoland bedeutende Sendungen Colonialwaaren, die nach ihrer Ladung in den Küstenplätzen sofort ins Innere Deutschlands abgesandt wurden und mit mehr oder minder Erfolg 162 Siehe vor allem Silvia Marzagalli: Les boulevards de la fraude. Le négoce maritime et le blocus continental, 1806 – 1813, Villeneuve-­d’Ascq 1999. 163 Unter den zwischen Helgoland und Hamburg gehandelten Waren zählte Steinkohle zum Hauptartikel. Die in Hamburg eingeführten Kohlen versorgten die städtischen Zuckerraffinerien mit unverzichtbarem Brennmaterial. Die zahlreichen Briefwechsel zwischen den Blüsenmeistern in Helgoland und den Admiralitätsbürgern in Hamburg bezeugen die Lieferung englischer Steinkohle über Helgoland an die hamburgische Admiralität. StAH, Admiralitätskollegium, E 8 Band 1 – 3. 164 Zum Schmuggelhandel Helgolands im Allgemeinen siehe Werner Mohrhenn: Helgoland zur Zeit der Kontinentalsperre, Berlin 1928, S. 27 – 57. 165 Ebenda, S. 31.

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der Wachsamkeit der Douaniers entgingen oder mit Geldopfern durchgebracht werden mußten, im schlimmsten Falle confiscirt wurden. Die Correspondenz über Helgoland mit England ward ebenfalls von den Küstenplätzen in Ostfriesland betrieben, die Briefe hierher und dahin mit Fußboten befördert.166

Das Handlungsbuch seines Vaters hinterließ einige Spuren solcher Tätigkeit, beispielsweise das Verzeichnis der Fracht- und Spesengelder für „72 Säcke Zucker und 6 Stücke Caffe von Helg. bis aufs feste Land“167 oder die Kontakte mit ostfriesischen und niedersächsischen küstennahen Orten wie Emden, Oldenburg, Buxtehude und Bremervörde bei Gütersendungen oder Rimessen.168 Die oben genannte Erinnerung hinterlässt den Eindruck, als ob die von England über Helgoland transportierten Güter von der Küste unmittelbar nach Binnengebieten spediert werden müssten, ohne Hamburg zu berühren. Sicher wurde ein Teil heimlich nach Hamburg gebracht. In den Handlungsbüchern Schröders selbst sind mehrere Kolonialwarensendungen von Hamburg in die Ostsee- und mitteldeutschen Gebiete verzeichnet. Selbstverständlich war es nicht leicht, solche Konterbande in das Hamburg unter der französischen Besetzung einzubringen. Deshalb ging man hier auch das Risiko von Schwarzhandel ein. Dazu, wie er getätigt wurde, liefern uns die polizeilichen Vernehmungsprotokolle einige Aufschlüsse. Die Untersuchungsakten betreffend die Angelegenheit von Schmidt Ludwig August Hagendorf, einem Hamburger, der 1810 des Einschmuggelns von Zucker verdächtigt wurde, illustriert den Schmuggelbetrieb, der von Bestechung begleitet wurde.169 Hagendorf habe schon vor längerer Zeit von einem Knaufft in Altona170 sieben Hüte – oder 86 Pfund – Zucker gekauft gehabt, die er seinem Schwager, einem Krämer in Schwerin, schicken wollte; aber hatte keine Gelegenheit gehabt, sie von Altona nach Hamburg hereinzubringen und den Schweriner Fuhrleuten mitzugeben. Deshalb habe er zwei Dragonern, die die Douanen zwischen Hamburg und Altona überwachten, vorgeschlagen, den Zucker mit der Entlohnung von 12 Schilling pro Hut in die Stadt mitzubringen, und sie dies ausführen lassen. Der Akt wurde bei der Übergabe von Zucker entdeckt, weil das verdächtige Verhalten der Dragoner von den Douaniers bemerkt wurde. 166 Rudolph Octavio Schroeder, Erinnerungen aus 1811, Hamburg 1865, S. 1. 167 StAH, Firmenarchiv, 33 Schroeder Octavio, 2, S. 54. 168 Ebenda, passim. 169 StAH, Polizeibehörde-­Kriminalwesen, 1810 Nr. 503. 170 Dieser Knaufft war sicher mit demjenigen identisch, der in den im Folgenden untersuchten Altonaer Attesten, die als Beweis der Gesetzmäßigkeit der von Altona ausgeführten Waren erstellt wurden, häufig auftritt. Er versandte seine Waren nach Hamburg (und dann nach Leipzig). StAH, Magistrat Altona, Nr. 119.

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Betrieb und Praxis

Hagendorf bestach die Dragoner, um den in Altona beschafften Zucker in die Stadt einzubringen. Solch eine Praxis scheint ein gängiger Kniff gewesen zu sein. Der oben genannte Schröder schrieb in seiner Erinnerung, dass, wenn er der Wachsamkeit der Douaniers nicht habe entgehen können, die Kolonialwaren „mit Geldopfern durchgebracht werden mußten“.171 Die Angelegenheit von Hagendorf deutet daneben einen bemerkenswerten Punkt an, dass Altona als Zugangsort der geschmuggelten Waren eine wichtige Rolle spielte. Die dänische Nachbarstadt an der Elbe erlebte seit der Mitte des 18. Jahrhunderts einen florierenden Handel, dank der Entwicklung des dänischen Atlantik- und Asienhandels und der Seeschifffahrt, die vor allem durch die Neutralitätspolitik Dänemarks begünstigt wurde.172 Während der Kontinentalsperre geriet Altona auch in große Schwierigkeiten, weil die Elbmündung von Franzosen besetzt und der Verkehr beschränkt wurde. Zudem hielt Dänemark in den Napoleonischen Kriegen die Neutralitätspolitik nicht durch. Altonaer wurden in die Notwendigkeit versetzt, wie Hamburger auch Schmuggelhandel zu betreiben. Die Warenbeförderung folgte ebenfalls der Route über Tönning. 1809 legten Altonaer bei ihrer Stadtobrigkeit Einspruch ein, dass ihre von England beschafften Waren von Franzosen beschlagnahmt worden seien. Die dabei eingereichten Listen der Transportkosten bezeugen die Beförderungsroute von London und Hull über Tönning nach Altona. An einigen Geschäften nahmen auch Hamburger teil.173 Die in Altona eingeschmuggelten Waren wurden heimlich nach Hamburg gebracht.174 Vor allem wurde Kaffee gehandelt und die Leute, die von Altona nach Hamburg Kaffee brachten, nannte man „Kaffeeträger“. Auf der Abbildung V-2 sind neben der mit Kaffeesäcken beladenen Kutsche verschiedene Leute dargestellt. Dies deutet an, dass das Kaffeeträgergeschäft nicht auf berufliche Spediteure beschränkt war. Nach der Aussage eines Bruchvogtes bei der im Jahre 1801 durchgeführten polizeilichen Vernehmung zum Kaffeeschmuggel habe er am Tatort gesehen: „eine Menge Caffeeträger, alt u. jung, männ- und weiblichen Geschlechts wären aus u. eingegangen u. hätten aus Schuen, Stiefeln u. unter den Röcken hervor Caffee abgeliefert“.175 171 Schroeder, Erinnerungen, S. 1. 172 Vgl. Dagmar Jestrzemski: Altonas Blütezeit und ihr jähes Ende. Die Reederei Hinrich Dutz 1756 – 1807, Hamburg 2000. 173 StAH, Magistrat Altona, Nr. 802. 174 Ernst Heinrich Wichmann: Geschichte Altona’s. Unter Mitwirkung eines kenners der vaterstädtischen Geschichte, Altona 1865, S. 236; Holmer Stahncke: Altona. Geschichte einer Stadt, Hamburg 2014, S. 137 – 140. 175 StAH , Polizeibehörde-­Kriminalwesen, 1810 Nr. 469. Die verdächtigten Kaufleute verleugneten die Aussage des Bruchvogtes, die Kaffeeträger hätten die Schwarzware

Handelspraktiken zum Fortlaufen des Zwischenhandels

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Abb. V-2: Kaffeeträger von Altona nach Hamburg

Quelle: I C. W. Wendt und C. E. L. Kappelhof: Hamburgs Vergangenheit und Gegenwart. Eine Sammlung von Ansichten, Bd. 1, Hamburg 1896 (Nachdruck 1980), S. 81.

Da sich die französische Besatzungsbehörde gegen das Einschmuggeln streng verhielt, lieferten Altonaer die Waren nach Hamburg auch auf gesetzliche Weise. Anders als das besetzte Hamburg konnte die dänische Stadt selbstständig Atteste ausstellen mit der Beglaubigung, dass die von der Stadt nach Hamburg auszuführenden Waren in der städtischen Fabrik hergestellt oder verarbeitet wurden. Mit diesen Attesten galten sie offiziell nicht als englische Produkte und konnten deshalb dem französischen Handelsverbot entgehen. Die Untersuchung dieser Akten erlaubt die Aussage, welche Waren nach Hamburg auf diesem Weg geliefert wurden.176 Die in diesen Attesten verzeichneten Handelsartikel können in zwei Kategorien eingeordnet werden. Die eine enthält verschiedene, in Schleswig und zu ihnen gebracht, und behaupteten, es habe dort nur auf regulärem Weg gelieferten Kaffee gegeben. Sie verklagten den Bruchvogt wegen dieser Behauptung. Obwohl die Wahrheit nicht feststellbar ist, lässt sich annehmen, dass der Schwarzverkauf in ähnlicher Weise getätigt wurde, wie der Bruchvogt angab. 76 StAH, Magistrat Altona, Nr. 119. 1

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Betrieb und Praxis

Holstein hergestellte Regionalprodukte wie Strümpfe, Handschuhe, allerlei Felle sowie Leder und Sohlleder, Schuhe, Stiefel, Hüte sowie Filzhüte und Mützen, Lack, Federpose, Metallwaren, Fischbein sowie Schirmfischbein. Bei der anderen handelte es sich um Kolonial- oder überseeische Waren wie Sirup, Kandis, Farbhölzer, Tabak, Schokolade und Baumwollgarn.177 Die in den Attesten unterschreibenden Altonaer Kaufleute spezialisierten sich auf die Waren irgendeiner Kategorie. Mit diesem Attest konnten die von Altona kommenden Waren bei der Einbringung, Übergabe oder dem Reexport der Beschlagnahme entgehen. Aus der hamburgischen Sicht konnte man für die Unterhaltung des Zwischenhandels während der Kontinentalsperre die dänische Nachbarstadt nutzen. In Hinblick auf die Nutzung Altonas möchte ich ferner eine Hypothese aufstellen. Unter den in Altona attestierten Handelsartikeln ist für Farbhölzer eine auf den ersten Blick merkwürdige Route verzeichnet: Die zuerst in Hamburg auf der Rechnung der Hamburger eingeführten Farbhölzer verlegte man einmal nach Altona; nachdem die Farbhölzer im „Laboratorium“ des Empfängers „gereinigt“ worden waren, kamen sie wieder nach Hamburg.178 Was bedeutet dies? In dem Zusammenhang ist anzumerken, dass ein mit solchem Handel beschäftigter Altonaer Kaufmann Knaufft beim Stadtrat äußerte: […] um so härter würde es jetzt seyn, wo das rohe Farbeholz alles über Tönning ankommt, bekanntlich in die Douane Linie nicht hereingelassen wird, insofern es roh nach Hamburg kommt eingeschmuchelt werden und, folglich viel kostbarer als hier zustehen kommt.179

177 Bei Baumwollgarn war die italienische Herkunft möglich. Dass es in den Quellen keinen Kaffee gibt, und auch kein „Zucker“, sondern Sirup sowie Kandis verzeichnet sind, könnte der Beschaffenheit der Quellen zugeschrieben werden. In die Atteste eingetragen waren nämlich nur die Fertigprodukte, die in Altona hergestellt oder verarbeitet wurden. 178 Ein Beispiel des Attestes: „20. Nov. 1809. Gottlieb FrieDr. Eylles unter der Firma von C. M. Uffhausen Ww & Eylles von den Kaufleuten Droop & Ahlff in Hamburg und für deren Rechnung ca. 1100 Pfund Camphes aus Hamburg anhero erhalten und diesen Camphes wirklich in meinem Laboratorio hieselbst gereinigt haben, ingleichen daß ich den gereinigten Camphes für Rechnung der obgedachten Kaufleuten nach Hamburg zurücksende“. 179 StAH, Magistrat Altona, Nr. 119, Die Eingabe von N. H. Knaufft, den 26. Okt. 1809. Die Unterstreichung nach dem Originaltext. Dieser Knaufft beschäftigte sich, den Altonaer Attesten zufolge, mit der Warenlieferung nach Hamburg. Er war der Lieferant von Zucker, den der oben genannte Hamburger Kaufmann Hagendorf heimlich nach Hamburg zu bringen versuchte.

Handelspraktiken zum Fortlaufen des Zwischenhandels

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Ferner gab er an, dass „bisher alle praeparirte [= in Altona gereinigte: Verfasser] Farbehölzer in Hamburg zubereitet worden woselbst zu dem Ende eigene Fabricken und Mühlen zur Bereitung deßselben sind“.180 Die von Hamburg nach Altona gebrachten unverarbeiteten Farbhölzer waren nämlich Schmuggelgut und nachdem sie in Altona „präpariert“ (gereinigt) worden waren, wurden sie nach Hamburg zur Endverarbeitung zurückgebracht. Die Eingabe von Knaufft erklärt auch, dass in Altona die Einrichtung für Farbholzverarbeitung ungenügend war und man deshalb „diesen Verdienst dem Auslande gönnen“ musste.181 Dies wäre der unmittelbare Grund, warum man das gereinigte Produkt zu den hamburgischen Fabriken zurücksenden musste. Aber ging man nur für das Reinigen des unverarbeiteten Produktes das Risiko ein, Schmuggelware die Douane überqueren zu lassen? Dies scheint sehr unwahrscheinlich. Es muss für das Senden von Hamburg nach Altona einen anderen Grund gegeben haben. Ich vermute, dass der Zweck dieser gefährlichen Tat darin lag, in Altona das regelrechte Attest zu erhalten. Mit anderen Worten: Die Schmuggelware wurde mit dem Deckmantel getarnt, dass sie in Altona „verarbeitet“ wurden. Man betrieb nämlich ein „Laundering“ der Waren, das Vorgehen, die Herkunft der Ware zu verschleiern. Die oben genannte Hypothese bedarf noch weiterer Nachweise. Doch könnte man feststellen, dass Handelsteilnehmer in der Krisenzeit verschiedene Taktiken anwendeten, die dazu beigetragen haben müssten, dass die Zwischenhandelsfunktion Hamburgs der Katastrophe zum Trotz am Leben blieb.182

180 Ebenda. 181 Ebenda. 182 In einigen Altonaer Attesten ist die Weitersendung der Waren von Hamburg nach Leipzig verzeichnet. Aus den Gerichtsakten des von Franzosen besetzten Lübecks ergibt sich, dass hier auch das Einschmuggeln von Kaffee betrieben wurde. AHL, Tribunal Lübeck, Nr. 501. Obwohl die Herkunft des Kaffees nicht deutlich ist, stammt er wahrscheinlich aus Hamburg, weil das Vergehen am Holstentor, dem Zugang des Verkehrs mit Hamburg, stattfand.

VI. Schlussbetrachtung Die vorliegende Arbeit hat den frühneuzeitlichen Handelsverkehr behandelt, der über Hamburg von und nach dem Ostseeraum und Mitteleuropa floss. Ziel der Untersuchung war damit, die Drehscheibenfunktion Hamburgs auf der überregionalen Ebene zu verdeutlichen und Aufschlüsse zu bisher unbekannten oder umstrittenen Aspekten zu geben. Auf Grundlage der quantitativen Angaben aus Quellen, die bislang nicht ausgewertet oder für dieses Thema unvollständig benutzt wurden, konnte der Zugang Hamburgs zu den Handelsströmen zwischen den Märkten einerseits an der Nordsee sowie dem Atlantik und andererseits im Ostseeraum sowie im mitteleuropäischen Binnenland rekonstruiert werden. Die Kombination der verschiedenen Quellenaussagen zeigt das Gesamtbild einer langfristigen Handelsentwicklung. Dabei sind die systematischen aufeinander abgestimmten Verkehrsbewegungen in den Gebieten von Ostseeraum und mitteleuropäischem Binnenland hervorgetreten. Verkehrsrouten und -orte erfüllten eigene Verteilungsrollen, indem sie die von Hamburg gelieferten Waren weiter auf abschließende Absatzmärkte verteilten oder indem sie nach Hamburg zur weiteren Ausfuhr bestimmte Produkte der mit ihnen verbundenen Regionen vermittelten. Diese Verbindungen zeigten starke Stabilität, erfuhren aber durch verschiedene wirtschaftliche und politische Faktoren im Laufe der Zeit Veränderungen und Umstrukturierungen. Im Folgenden werden auf Grund einzelner Analysen die Antworten auf die in der Einleitung genannten drei Fragen gegeben. 1. Hamburgs Stellung in der langfristigen Handelsentwicklung Mit Zollangaben und Kaufmannsakten hat Kapitel  II beleuchtet, dass und wie die Entwicklung des Hamburger Nordsee- und Atlantikhandels im engen Zusam­menhang mit dem Warenabsatz nach und der Warenlieferung aus dem Ostseeraum und Mitteleuropa stand. Die Schwerpunkte des Handels unterschieden sich je Periode nach Branchen und Orten. Die im 17. und 18. Jahrhundert nach Hamburg eingewanderten ausländischen Kaufleute, die in der Literatur – mit wenigen Ausnahmen – bisher etwas einseitig als Triebfaktor des aufblühenden Nordsee- und Atlantikhandels angesehen worden sind, waren auch Verbindungsglied für den Ostsee- und Mitteleuropahandel. Auf diese Weise gestaltete sich eine großräumige Warenaustauschstruktur. Quantitativ ist in den folgenden zwei Kapiteln belegt worden, dass in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges der Verkehr nach Lübeck auf dem Festland

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Schlussbetrachtung

für den Hinterlandhandel Hamburgs am bedeutendsten war. Für die langfristige Entwicklung des hamburgischen Handels bedeutete der Krieg in diesem Zusammenhang eine entscheidende Zäsur, da der Handel mit Nürnberg völlig unterging. In bestimmten Sektoren des Warenhandels zeigten sich die binnenländischen Handelszentren Lüneburg, Leipzig, Magdeburg, Frankfurt/Oder und Brandenburg trotz des allgemeinen Rückgangs noch von Bedeutung. Es waren die Städte in den sächsischen und markbrandenburgischen Gebieten, die in der Folgezeit immer stärker in das Hamburger Warendistributionssystem eingebunden wurden. Dieser Prozess entsprach der Entwicklung des hamburgischen Atlantikhandels seit den 1730er Jahren. Die vorliegende Arbeit hat zum ersten Mal in der Forschung auf quantitativer Basis die langfristige Entwicklung des Elbhandels zu einzelnen Handelsorten nachgewiesen. Eine wichtige neue Erkenntnis ist, dass Berlin dank der Transportfähigkeit der Fluss- und Kanalnetzwerke großer Abnehmer der von Hamburg zufließenden Warenmengen war. Nun wäre es nötig, die Stellung Leipzigs im Hamburger Hinterlandhandel nochmals zu überlegen. Die Handelsbeziehungen zu der Messestadt waren sicherlich bedeutend. Sie nahmen aber im Hamburger Ausfuhrhandel, sogar wenn man neben der Wagenzahl, die in den Zollbüchern als „nach Leipzig“ registriert war, auch die beiden Routen über Lüneburg oder über Magdeburg berücksichtigt, nicht immer eine so herausragende Position ein, wie sie bisher als selbstverständlich angenommen worden ist. Leipzigs Stellung ist immer noch nicht zu unterschätzen, aber es ist auch zu betonen, dass Berlin und Breslau sich am Zuwachs des Hamburger Flusshandels im 18. Jahrhundert am schnellsten und im größten Maße beteiligten, während Magdeburg, ein wichtiger Umschlagplatz für Leipzig, ihnen zuerst untergeordnet war. Hamburg war im Ausfuhrhandel eher Berliner und Breslauer Hafen als Leipziger Hafen. Der im Kapitel III nachgewiesene Anteil des Ostseeraumes am Kolonialwarenhandel, der anstatt der weggefallenen Ausfuhr nach Berlin seit der Mitte des 18. Jahrhunderts kräftig zunahm, relativiert ebenfalls die Stellung Leipzigs. Der Einfuhrhandel lieferte dagegen ein anderes Bild, weil der Landweg von Leipzig, der über Lüneburg vermittelt wurde, beim Leinentransport als Hauptverkehrsroute galt. Weiter ist festzustellen, dass für Hamburg ein Warenverteilungssystem existierte, in dem bestimmte Waren mit einem bestimmten Hinterland gehandelt wurden. Für das hamburgische System waren zwei Punkte charakteristisch: 1. Während die Handelsverbindungen starke Stabilität und Resistenz gegen jede Veränderung zeigten, die sich beispielsweise im Handel mit Frankfurt/Oder, aber vor allem mit Lübeck beobachten ließen, fanden sich in den l­ängeren

Schlussbetrachtung

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Zeitabläufen grundlegende Umgestaltungen, die durch die Veränderung der wirtschaftlichen Bedingungen im Hamburger Hinterland oder auch die aus dem Vorderland kommenden Einflüsse verursacht wurden. So machte der kräftige Zuwachs des Atlantikhandels Berlin, unterstützt durch die Entstehung des preußischen Wasserverkehrssystems zulasten von Frankfurt/Oder, zu einem Hauptabsatzmarkt der hamburgischen Reexporte. Als anderer Hauptabsatzmarkt entwickelte sich der Ostseeraum, der Hamburg nach der Auflockerung der politischen Auseinandersetzung mit Dänemark gute Bedingungen für die Seeausfuhr bot. 2. hatte Hamburg eine Vielzahl von Hinterländern, mit denen man jeweils verschiedene Waren handelte. Dementsprechend variierten die in Verbindung kommenden Handelsorte und die benutzten Routen, bei deren Auswahl auch unterschiedliche Faktoren wie Nachfrage, Reisedauer, Infrastruktur, Gewicht-­Preis-­Verhältnis, handelspolitische Umstände, Risiken beim Transport usw. berücksichtigt wurden. Insgesamt ist die Mannigfaltigkeit der Warenstruktur dargestellt worden, die dazu beitrug, dass Hamburgs Stellung im Verkehr mit dem Ostseeraum und den mitteleuropäischen Binnengebieten gestärkt wurde. Die Stadt war die Drehscheibe, die mehrere Handelsströme durchquerten. 2. Stellung des Ostseeraumes im Zusammenhang mit dem binnenländischen Handelsraum Die vorliegende Arbeit hat nachgewiesen, dass der Ostseeraum für den Zwischenhandel Hamburgs im 17. und 18. Jahrhundert eine wichtige Komponente bildete. Kurz gesagt war in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts der Lübeckhandel auf dem Festland von herausragender Bedeutung. Ein Jahrhundert später hatte sich das Bild stark verändert. Die seewärtige Ausfuhr der Kolonialwaren nahm essentiell an Bedeutung zu. Im Gegensatz dazu scheint der Handel mit Lübeck zurückhaltend gewesen zu sein. Dennoch ist die Stabilität dieses althergebrachten Handelsverkehrs der Aufmerksamkeit wert. Im Folgenden werden die gewonnenen Einzelerkenntnisse zusammengefasst. Handelspolitisch gesehen stellte sich der Seeverkehr mit dem Ostseeraum seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts negativ dar. Die Zollbelastung am Öresund durch Dänemark brachte der hamburgischen Ostseeschifffahrt Einbußen. Neben der Einordnung in einen ungünstigen Tarif und der Zusatzgebühr (Rosenobelgeld) behinderten langdauernde Visitationen einen schnellen Warentransport. Während westeuropäische Schiffe immer präsenter im Ostseeraum wurden, blieb die hamburgische Flagge vollkommen dahinter zurück, wie die Zahlen

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Schlussbetrachtung

der Sundzollregister ausdrücklich zeigen. Betrachtet man aber den seewärtigen Ostseehandel Hamburgs unter Berücksichtigung des Unterschiedes zwischen der einheimischen Schifffahrt und dem über die Stadt geführten Zwischenhandel, dann lässt sich die singuläre Operationstätigkeit der Stadt als Warenvermittler des Seeverkehrs zwischen Westen und Osten in gewissen Perioden erkennen. Zu dieser Drehscheibenfunktion trugen auswärtige Kaufleute bei, die den Transport über Hamburg vermittelten. Der Aktivitätsraum auswärtiger Unternehmen wurde einerseits durch die Handelspolitik der Stadt – Bewahrung der Neutralität und Bereitschaft zur Aufnahme von Fremden – bereitet. Andererseits wirkten sich äußere politische sowie kriegerische Situationen aus. Beispielsweise war Hamburg für die Niederländer, die unter dem ab 1621 von Spanien verhängten Handelsembargo litten, ein Asyl. Somit nahmen ausländische Schiffer nennenswert Anteil an der Lieferung der Ostseeprodukte nach Hamburg. Die seewärtige Ausfuhr in den Ostseeraum spielte dagegen keine große Rolle. Lenkt man aber den Blick auf die Überlandroute zum Ostseeraum, dann wird die beachtliche Ausfuhr nach Lübeck zu Kriegszeiten belegt. Zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges wurde vornehmlich eine große Menge von englischem Tuch, die der gesamten westwärts gehenden Tuchausfuhr entsprach, über den Landweg transportiert und aus Lübeck weiter nach den Ostseegebieten ausgeführt. Des Weiteren war Lübeck im damaligen Hamburger Reexporthandel der wichtigste Vermittler von Wein, Zucker, Tabak, Indigo, Farbholz und allerlei Gewürzen, die aus Frankreich, Spanien und Portugal geliefert wurden. Mit dieser neuen Erkenntnis wurde der bislang umstrittenen Frage über die Einschätzung des Hamburger Ostseehandels eine quantitative Grundlage geboten. Die Verbindung Hamburgs mit dem Ostseeraum ist als wichtig zu betrachten. Für den Landverkehr hervorzuheben ist die Vielfältigkeit der nach Lübeck beförderten Waren. In der Gegenrichtung wurden über die Wasserstraße durch Lauenburg Teer, den Lübeck in skandinavischen Gebieten beschaffte, und vor allem Holzprodukte transportiert. Der Festlandhandel mit dem Ostseeraum wurde dadurch begünstigt, dass ein Teil der Ostseegebiete von den Wirren des Dreißigjährigen Krieges verschont geblieben war. Die in hohem Maße von Ausländern getragenen seewärtigen Kontakte mit dem Ostseeraum waren damals stark von der politischen und kriegsbedingten Situation abhängig, weshalb sie keine Kontinuität wahrten, zumal Spanien Hamburg vorwarf, Konterbande zu decken. Die Aufrechterhaltung der seewärtigen Vermittlung zwischen Westen und Osten war schon in der Kriegszeit nicht mehr möglich. Der Landhandel mit Lübeck scheint in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nach wie vor stabil benutzt worden zu sein.

Schlussbetrachtung

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Ab der zweiten Hälfte der 1730er Jahre wuchs, parallel mit der Entwicklung des Exporthandels auf der Elbe, die seewärtige Ausfuhr von Hamburg nach dem Ostseeraum, die bis dahin von keiner Bedeutung gewesen war, ständig an. Die meisten Frachträume der Seeschiffe waren mit Kolonialwaren gefüllt. Ungeachtet der Zollbelastung im Öresund für hamburgische Schiffe konnte sich der Handel entwickeln, wobei wieder der große Anteil der auswärtigen Schiffe zu belegen war. Nach der Abschaffung des Differentialzolls im Jahre 1768 erfuhr der Handel einen Boom. Diese Entwicklung vollzog sich genau in der Flautephase in der Elbausfuhr. Darum kann man von der Verlagerung der Handelswege – zumindest von der zeitweiligen Gewichtsverschiebung der Handelswege – sprechen. Danzig und St. Petersburg waren die zwei wichtigsten Exportziele und ihnen folgte Stettin. Nach der Teilung Polens war St. Petersburg der einzig wichtige Abnehmer der Kolonialwaren. Der russische Markt war so groß, dass er allein den Exporthandel Hamburgs zu einem zweiten Höhepunkt führen konnte. Nach der Auffassung von Zeitgenossen entwickelte sich der direkte Zuckertransport nach dem Ostseeraum, also die seewärtige Ausfuhr, ohne Lübeck zu berühren, zum wichtigen Handelssektor. Für die Beförderung der massigen Kolonialwaren nach dem fernen russischen Markt eignete sich der Seetransport. Seit dem Beginn der 1790er Jahre schwächelte die seewärtige Ausfuhr nach dem Ostseeraum jedoch stark. Im Unterschied zu der regelmäßigen Seeausfuhr nach dem Ostseeraum zeigte die Einfuhr heftige Schwankungen. Die Getreidelieferung aus dem Ostseeraum kann jeweils dann festgestellt werden, wenn die Nachfrage in Westen oder Binnenland stieg, wobei sie vom zunehmenden Reexport aus Hamburg begleitet wurde. Die stetigste Warenvermittlung in den Ostseeraum über Hamburg war in der Ausfuhr der Kolonialwaren im 18. Jahrhundert zu finden. Der Faktor, der diesem Handel eine dauerhafte Triebkraft verlieh, war meiner Meinung nach wirtschaftlicher Art. Warum mussten die Kolonialwaren auf dem Seeweg überhaupt über Hamburg vermittelt werden, statt auf dem direkten Weg aus westeuropäischen Ländern zum Endverbraucher gebracht zu werden? Den Unterschied machten die Hamburger Gewerbe, vor allem die städtischen Zuckersiederei- und Zuckerraffineriegewerbe. Enorme Mengen an Rohzucker wurden aus dem Westen nach Hamburg geliefert, weil die dortigen Siedereien und Raffinerien im Laufe des 18. Jahrhunderts immer größer und leistungsfähiger geworden waren. Hamburger Zucker war bekannt für seine gute Qualität und auf den Absatzmärkten besonders hoch geschätzt. Da die Zahlen zum Landverkehr nach Lübeck im Hamburger Staatsarchiv nicht vorliegen, ist das Gesamtbild des Hamburger Ostseeverkehrs noch nicht vollständig erschlossen. Aus den Angaben zum Wassertransport über Lauen-

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Schlussbetrachtung

burg dürfte man mutmaßen, dass der Überlandhandel besonders in der Zeit des Großen Nordischen Krieges und am Ende des 18. Jahrhunderts anstieg. Kolonialwaren wurden auch über diesen Handelsweg ausgeführt. Der erst am Ende des 18. Jahrhunderts quantifizierbare Einfuhrhandel über Land, Kanal und Fluss zeigte, dass die Beschaffung von Ostseeprodukten in Hamburg über Lübeck und Lauenburg durchgeführt wurde. Getreide und Holz sind aufgrund mangelnder Quellenaussagen nicht identifiziert worden, aber vielerlei Rohstoffe und typische Fertigprodukte des Ostseeraumes wie Hanf, Flachs, Leinsaat, Segeltuch, Juchten, Eisen, Teer oder Pech, die im Seeverkehr nur selten hervortraten, wurden regelmäßig geliefert. Betrachtet man die Bezugsquellen für diese Produkte, kann man die Warenströme feststellen, die sich an die Handelslinie Lübeck – Hamburg anschlossen. Bei Eisen, Teer und Pech waren die skandinavischen Länder mit dieser Linie verbunden, Riga, Libau, Königsberg und St. Petersburg bei Hanf und Flachs. Riga und Libau lieferten dazu Leinsaat, St. Petersburg Segeltuch und Juchten. Im Landverkehr wurden also die vielfältigen Handelsnetzwerke ersichtlich, die im Seeverkehr nicht erkennbar sind. Mit ihren spezialisierten Produkten waren Skandinavien, Livland und Russland über Lübeck mit Hamburg verbunden. Für den Ostseehandel soll schließlich erwähnt werden, dass er im engen Zusammenhang mit dem Mitteleuropahandel stand. In Depressionsphasen des Mitteleuropahandels, beispielsweise während des Dreißigjährigen Krieges oder der preußischen Handelsbeschränkung nach dem Siebenjährigen Krieg, nahm er den Handelsverkehr an sich. Auch in diesem Sinne lässt sich feststellen, dass der Ostseeraum eine wichtige Komponente des hamburgischen Zwischenhandels darstellte. 3. Betrieb und Praxis: Wie wurde der Zwischenhandel möglich? Oben ist schon mehrmals erwähnt worden, dass sich Händler aufgrund verschiedener Faktoren entschieden, welche Waren auf welchen Routen wohin verschickt und woher bezogen wurden. Besonders war es die Aufgabe des ­Kapitels V, mit konkreten Belegen darzustellen, wie man den Zwischenhandel in den schwierigen Situationen, in der besonders deutsche Terrains steckten, funktionieren ließ. In der Praxis des Zwischenhandels stellten sich den Befrachtern und Transporteuren verschiedene Fragen, die für ihre Geschäfte beantwortet werden mussten. Besonders im Transithandel, bei dem ein schneller Transport von der See nach dem Hinterland benötigt wurde, ergaben sich viele Streitigkeiten zwischen Versendern und Empfängern oder diesen und den Zollkontrolleuern.

Schlussbetrachtung

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Konkrete Beispiele wurden für die Ladungskontrolle, Warenverpackung sowie -beförderung und die Umladung sowie Ausladung beobachtet. Die Unordnung war die Folge des vermehrten Warenverkehrs, insbesondere der unterschiedlichen Kolonialwaren, die üblicherweise als Kramwaren, Spezereien oder einfach Waren bezeichnet und in Fässern massenhaft transportiert wurden. Das Fehlen eines einheitlichen Markt- und Verkehrssystems, verbunden mit den vielen unterschiedlichen Maßen und Gewichten verschlimmerte die Situation. Gegen die Schwierigkeiten bildete der Hamburger Handel ein Warendistributionssystem mit verschiedenen Kontaktgebieten und -routen aus. Wenn die Warenzufuhr auf einem Handelsweg stockte, dann floss sie über einen anderen Weg. Zur Not betrieb man Schmuggel. Die vorliegende Arbeit hat dafür einige bemerkenswerte Praktiken angeführt. Auch für diese Praxis war die Auswahlmöglichkeit aus verschiedenen Orten und Routen eine wichtige Voraussetzung. Daneben diente der Schmuggel der Aufrechterhaltung des Zwischenhandels. Verschiedene Taktiken der Handelsleute sind in dieser Arbeit vorgelegt worden. Dies war ein Grundzug der Hamburger Verteilungsfunktion und ein entscheidender Grund, warum sich Hamburg zu einer der größten Warenvermittlungsorte, zu einer Drehscheibe entwickelte. Über vielfältige Kontaktmöglichkeiten zu großen Produktions- und Absatzmärkten in den hier behandelten Gebieten verknüpfte die Hafenstadt an der Elbe in der Frühen Neuzeit globale Warenströme. Die Erschließung der Hamburger Quellen ermöglichte Einblicke in den umfassenden Hinterlandverkehr auf quantitativer Basis. Für die weitere Analyse der jeweiligen Beziehungen zu den wichtigen Handelspartnern – beispielsweise zu Lübeck, Lüneburg, Berlin, Magdeburg, Leipzig oder Dresden –, deren Stellung im Hamburger Hinterlandhandel durch die vorliegende Untersuchung festgestellt worden ist, ist noch die Auswertung der dortigen Quellen notwendig.

Anhang

A.  Quellenkritik: Die in dieser Arbeit für die quantitative Untersuchung des Hamburger Landund Flusshandels benutzten Materialien 1.  Die Hamburger Land- und Elbzollbücher Der sogenannte Land- und Elbzoll war neben dem Schauenburger Zoll einer der ältesten Zölle in Hamburg.1 Die Zollbücher aus den 1630er Jahren umfassen den Gesamtverkehr Hamburgs auf den Landwegen und auf der Elbe sowie ihren Nebenflüssen.2 Der Zoll wurde nach Direktion (Ein- oder Ausfuhr) sowie nach Transportweg (Landweg und Wasserweg) in vier Bücherreihen getrennt verzeichnet. Leider ist die Überlieferung sehr lückenhaft. Für die Einfuhr zu Land ist nichts vorhanden. Die benutzbaren Serien der Warenausgänge erfassen den Zeitraum 01. 03. 1636 bis 21. 10. 1637 beim Landweg und 23. 02. 1630 beim 02. 21. 1631 beim Wasserweg. Beim Elbimport enthalten die Zollbücher acht Jahrgänge im Zeitraum 24. 02. 1630 bis 19. 02. 1638 mit einigen Unterbrechungen. Als Stichjahre vorliegender Untersuchung habe ich für die landwärtige Ausfuhr den Zeitraum 21. 10. 1636 bis 21. 10. 1637 als Jahrgang 1637, für die Flussausfuhr die oben genannte Periode als Jahrgang 1630 und für die Flusseinfuhr 24. 02. 1630 bis 21. 02. 1631 als Jahrgang 1630 gewählt. Die lückenhafte Überlieferung muss mit anderen Quellenaussagen ergänzt werden, um ein möglichst genaues Gesamtbild darzustellen. In den Land- und Elbzollbüchern (und in den unten für das 18. Jahrhundert einzuordnenden Esslinger Elbzoll-, Landzoll- und Fährgeldregistern) sind verschiedene Ortsnamen aufgeführt. Aus ihnen wird ersichtlich, dass sich der Handelsverkehr der Elbstadt über Land- und Wasserwege von der Nähe bis in die Ferne bzw. von kleineren bis zu größeren Städten erstreckte. Ordnet man aufgrund der Land- und Elbzollbücher, die fast alle möglichen Verbindungen über Land und Wasser verzeichnen, die Handelsgebiete ein, können sie in zehn Regionen aufgeteilt werden (siehe die Karte am Anhang, 1 Nikolaus Adolph Westphalen: Hamburgs Verfassung und Verwaltung in ihrer allmähligen Entwicklung bis auf die neueste Zeit, Bd. 2, 2. Aufl., Hamburg 1846, S. 51 f. 2 In dieser Arbeit werden ausgewertet: StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ea, Pars. 1, Nr. 3g, Vol. 1; Vol. 10; Vol. 11; Vol. 12 (im Folgenden als Land- und Elbzollbücher bezeichnet).

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Anhang

S. 384). Selbstverständlich war der in Zollbüchern genannte Verbindungsort nicht immer das Endziel bzw. der Herkunftsort der beförderten Waren, sondern oft nur der Umschlagplatz. Viele Waren wurden sicherlich dort umgeladen und weiter befördert. Zahlreiche nach Sachsen beförderte Güter müssen weiter nach Böhmen, Österreich und Ungarn transportiert worden sein. Diese Voraussetzung berücksichtigend, wird in der vorliegenden Arbeit die Analyse der Handelsorte, -wege und der Umsatzbeträge des Land- und Flusshandels vorgenommen.3 In den Land- und Elbzollbüchern ist jede Ausgangs- bzw. Eingangsregistrierung mit Bestimmungs- sowie Herkunftsort chronologisch verzeichnet. Beim Landtransport scheint es, dass jeder Eintrag die Frachtfahrt von zwei bis vier (beim Transport nach ferneren Orten wie Nürnberg und Leipzig wahrscheinlich von noch mehr) Fuhrleuten enthält. In vielen Fällen ist die Kopfzahl der Fuhrleute in den Zollbüchern leider nicht vermerkt. Auch die Zahl der Frachtwagen ist meistens unbekannt. Man muss daran denken, dass die Fuhrleute und -wagen im Verkehr zu entfernteren Orten, beispielsweise zur Leipziger Messe, in größerer Gruppe reisten und folglich eine Eintragung solcher Reise mehr Waren verzeichnet als beim Verkehr zu nahen Orten. Beim Wassertransport ist jede Eintragung mit dem Namen des Schiffers versehen, aber die Schiffszahl wurde meistens nicht genannt. Über die Ladungsfähigkeit einzelner Schiffe, die sich untereinander sicher unterschieden, geben die Zollbücher keine genaue Auskunft. Aus diesen Gründen ist die genaue Ermittlung der Verkehrsmenge schwierig. Trotz dieser Unvollständigkeit sind aus Hamburger Elb- und Zollbüchern die Schwerpunkte des Verkehrs deutlich ermittelbar.

2.  Esslinger Elbzoll-, Landzoll- und Fährgeldregister Esslingen, heute Zollenspieker, war die erste Elbzollstation von Hamburg elbaufwärts und zugleich die Fährstelle, welche die Landwege zwischen Hamburg und Lüneburg verband, von denen die weiteren Handelsrouten ins Binnenland führten. Für das 18. Jahrhundert liegt eine Reihe von Materialien vor, die

3 In dieser Arbeit werden der Landtransport (landzollpflichtig) und der Wassertransport (elbzollpflichtig) getrennt beobachtet. Dies heißt aber nicht, dass man die Zielorte, die beispielsweise nicht in den Elbzollbüchern verzeichnet sind (wie Leipzig, Braunschweig oder Nürnberg), nur über den Landweg erreichte. Sicherlich erfolgten auf dem Reiseweg Umladungen vom Land aufs Wasser oder vom Wasser aufs Land, wie in der vorliegenden Arbeit passim erwähnt wird.

Quellenkritik

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langfristige quantitative Aussagen ermöglichen: die Esslinger Elbzoll-, Landzoll- und Fährgeldregister.4 In den Registern sind die Einnahmen des Elb- und Landzolls, das von den durch Esslingen passierten Wagen und Schiffen erhoben wurde, fast lückenlos erhalten.5 Aufgrund der Wagen- oder Karrenzahl und der Einnahmebeträge des Schiffszolls kann man die Handelsmenge nach einzelnen Orten ermessen. Der Betrag des Elbzolls richtete sich nach Gewicht oder Stückzahl der Ladung. Die Tarife der Maßeinheiten waren für die meisten Warenarten gleich festgelegt.6 Sie wurden grundsätzlich während der hier ausgewerteten Periode nicht geändert.7 Für das Ermessen des Flussverkehrs anhand dieser Quellen ist zu berücksichtigen, dass der tatsächliche Umsatz des Handels größer gewesen sein musste, als man sie den Zolleinnahmen entnehmen kann. Für bestimmte Waren, nämlich Waffen und Munition, ist der Zollbetrag unbekannt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass manche Schiffe die Zollpflicht ignorierten und die Zollentrichtung umgingen.8 Es fehlt zudem an genauer Information über den Flusshandel mit Lüneburg, weil die Schiffe der Ilmenaustadt Zollfreiheit genossen. Insgesamt dürfte man feststellen, dass die Elbzollbeträge ungefähr dem Umfang der Schiffsladungen entsprachen, weil der Betrag des nach Gewicht und Stückzahl der Schiffsladungen entrichteten Zolls, die die Transportmenge präziser als

4 StAH, Amt Bergedorf, Pars II, Sectio III, Vol. 1 f, Fasc. 1, Nr. 1 – 28 und Fasc. 2, Nr. 1 – 136, sowie Fasc. 3 (abgekürzt im Folgenden als ER). Zum Zollwesen bei Esslingen siehe Johann Friedrich Voigt: Der Städte Lübeck und Hamburg ehemalige Zoll- und Fährstelle bei Eßlingen an der Elbe, in: Mitteilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte 4 (1888), S. 218 – 240. 5 Der für die Analyse benutzbare Zeitraum ist beim Wagenverkehr 1733 – 1806 und bei der Elbschifffahrt 1705 – 1800. 6 Für einige Warengattungen variieren die Tarife ein wenig. Von Wein wurden 3 Schilling pro Oxhöft (ca. 217 Liter) und 6 Schilling pro Stückfass (ca. 1200 Liter) erhoben, während der Zoll von Branntwein je 3,5 Schilling und 7 Schilling betrug. Für 1 Last Güter bezahlte man normalerweise 6 Schilling. Bei 1 Last Hering wurden ausnahmsweise 3 Schilling entrichtet. 7 Die einzige Ausnahme ist Getreide. Während am Beginn des 18. Jahrhunderts 3 Schilling für 1 Last Roggen, Weizen und Gerste und 2 Schilling für Hafer bezahlt wurden, entrichtete man später je 6 Schilling und 4 Schilling. Ich habe die Beträge des früheren Tarifs in diejenigen des letzteren umgerechnet, da diese Taxe näher zu dem Grundtarif von Lastwaren ist. 8 Beispielsweise wurde 1709 Johann Desnitz wegen seiner wiederholten Nichtbezahlung des Zolls mit 6 Mark Geldstrafe belegt. StAH, ER, Fasc. 1, Nr. 13, Anno 1709 Schiff Zollen, S. 71.

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Anhang

die Schiffszahl repräsentiert, bei deren Analyse die Ladungskapazität einzelner Schiffe nicht berücksichtigt werden kann.9 Ein großes Defizit ist, dass die Zollregister nur den von Hamburg ausgehenden Verkehr erfassten. Über die einkommenden Handelsströme nach der Elbstadt sagen sie nichts aus. Des Weiteren haben, da Esslingen eine Elbzoll- und Fährstelle war, die dort erhobenen Zölle geringe Aussagekraft für die Handelsverbindung mit dem Ostseeraum. Der Handel mit Lübeck ist aus dem Wasserverkehr über Lauenburg nur teilweise und mittelbar abzulesen. Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass die Warenverzeichnung in den Esslinger Zollregistern sehr ungenau ist. In den Landzollregistern fehlen Angaben fast gänzlich. Die Elbzollregister geben zwar die Schiffsladungen an, der große Teil von ihnen wurde aber nur einfach als „Waren“ bezeichnet,10 deren Zusammensetzung wir nicht erfahren. Eine Ware, deren Name in einer Eintragung erklärt ist, kann in einer anderen Eintragung in der Kategorie „Waren“ enthalten sein. Daher ist es schwierig, Art und Menge der über Hamburg beförderten Waren tabellarisch und numerisch aufzuzeigen, wie es für das 17. Jahrhundert anhand der Land- und Elbzollbücher möglich ist.

3.  Kontentbücher des Admiralitätskollegiums Für den Zeitraum 1778 – 1792 verfügen wir über Zahlen zum einkommenden Verkehr. In den Unterlagen des Admiralitäts- und Konvoizolls ist eine Reihe von Kontentbüchern vorhanden, die über den in Hamburg einkommenden Land- und Flussverkehr Auskunft geben.11 Die Registrierung ist wie in den Land- und Elbzollbüchern aus dem 17. Jahrhundert chronologisch geführt. Für jede Eintragung sind verzeichnet: Datum der Ankunft, Zufuhr- bzw. Vermittlungsort,12 Empfänger (Kaufleute oder ­Makler), 9 Da Art und Menge der zollfreien Güter, z. B. Getreide, Wolle, Marmor usw. für den preußischen König, auch angegeben sind, habe ich deren potentielle Zollbeträge anhand anderer Posten ermittelt und eingerechnet, um den tatsächlichen Warenhandel abzubilden. 10 Beispielsweise entrichtete Johann Wilhelm Müller am 08. November 1764 für seine nach Berlin bestimmte Ladung 57 Mark und 3 Schilling, worin „Waren“ 29 Mark und 11 Schilling ausmachten. StAH, ER, Fasc. 2, Nr. 57, S. 55. 11 StAH, Admiralitätskollegium F 12, Verzeichnis der zu Wasser und zu Lande angekommenen Waren mit Angabe der Kaufleute (Makler) sowie der Herkunft und der Menge der Ware, Bd. 1 – 16. 12 Beim Land- und Flussverkehr sind nur die folgenden Städte verzeichnet: Lübeck, Lauenburg, Lüneburg, Berlin und Magdeburg. Dies lässt darauf schließen, dass in den

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Art sowie Menge der Waren für jeden Empfänger in Hamburg. Nicht genannt ist der benutzte Handelsweg, das heißt, ob es sich jeweils um Landverkehr oder Wasserverkehr handelte. Auch über die Anzahl von Fuhrwerken bzw. Schiffen ist nichts zu erfahren. Ferner sind die Werte der Waren unbekannt. Diese Infor­ mationslücken erschweren die einheitliche Datenbehandlung, vor allem bei der Schätzung des Handelsausmaßes einzelner Orte und Wege. Trotzdem soll in der vorliegenden Arbeit eine Auszählung der einzelnen eingetragenen Handelsorte und -waren erfolgen, um ein grobes Bild zu erhalten. Diese Quellen sind deshalb wichtig, weil sie umfassende Informationen über die land- und flusswärtige Wareneinfuhr liefern. Für die vorangehenden Zeiten kann man nur vereinzelt Aussagen über den Zustand einzelner Handelsbranchen, je nach Überlieferung von hamburgischen und binnenländischen Händlern oder aus Berichten der binnenländischen Städte, treffen. Ferner enthalten Kontentbücher des Admiralitätskollegiums die Handelsverbindungen sowohl mit dem Binnenland als auch mit dem Ostseeraum (Lübeck), ein einzigartiger Fall für das 18. Jahrhundert.

Kontentbüchern der jeweils letzte Umschlagplatz eingetragen wurde. Daher ist der ursprüngliche Herkunftsort nicht ermittelbar.

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Anhang

B.  Wohnort der Schiffer, die zwischen Hamburg und dem Ostseeraum verkehrten 1622 – 1625 In den Tabellen sind die Schiffer angeführt, die in den hamburgischen „Schifferbüchern“ verzeichnet sind. Die Ermittlung ihres Wohnortes wird, wie im Abschnitt 2 des Kapitels III ausgeführt ist, durch den Informationsvergleich mit den „Sundzollregistern online“ ermöglicht, weil diese die Aussage enthalten, wo die Schiffer wohnten. Die Identifikation erfolgt durch den Vergleich der Namen, des Eintragungsdatums, des Abfahrtsortes und teilweise der Schiffsladungen. Auf dem letzten Punkt beharre ich bei der Beurteilung nicht rigide, weil die Ladungen nicht immer genau deklariert wurden. Der Schiffer, dessen Abfahrtsort dem Schifferbuch zufolge der „Belt“ war, wird trotzdem als identifiziert betrachtet, wenn im Sundzollregister des betroffenen Zeitraums die Fahrt des gleichnamigen Schiffers aus Hamburg verzeichnet ist. Da die in den Ostseeraum fahrenden Schiffer nicht immer den Öresund passierten und die Möglichkeit der Routen- sowie Zielortänderung, der Beschlagnahme, des Schiffsunfalls usw. nicht ausgeschlossen wird, fällt die Beurteilung der Identifikation oft schwer. Das nach dem Ortsnamen versehene Zeichen „?“ zeigt, dass die Identifikation nicht mit Sicherheit stattgefunden hat. Dieses Verfahren wird angewendet, wenn 1. es für den betroffenen Zeitraum verschiedene Schiffer mit gleichem Namen gibt und die Identifizierung mit anderen Informationen unmöglich ist; 2. sich der Abfahrtsort unterschied, obwohl andere Merkmale stimmig sind; 3. das Eintragungsdatum mehr als sechs Monate, aber weniger als ein Jahr abwich und es für den Zeitraum keine anderen Schiffer mit gleichem Namen gibt. Im Zusammenhang mit dem dritten Punkt wird das Zeichen „??“ verwendet, wenn das Datum mehr als ein und innerhalb drei Jahre abwich, während es sich beim „???“ um die Abweichung von mehr als drei Jahren handelt. Tabelle B-1: Eingang in Hamburg 1622 Datum 24.4. 25.4. 25.4. 29.4. 1.5. 1.5. 4.5.

Name

Abfahrtsort

Wohnort

Johan Clawesen Peter Frerichs Frerich Cornelißen Claus von Katen Jacob Janssen Hans Cordes Michel Batsloch

Stralsund Lübeck Lolland Wolgast Stralsund Heiligenhafen „Belt“

Stralsund ? ? Hamburg Hoorn (Nl)? ? Stettin

Wohnort der Schiffer, die zwischen Hamburg und dem Ostseeraum verkehrten Datum

Name

359

Abfahrtsort

Wohnort

4.5. Tonnis Petersen 6.5. Cornelis Petersen

Danzig Lübeck

6.5. 6.5. 9.5. 9.5.

Stralsund Greifswald Lübeck „a. Belt v. Aalborg“ (Dk) Greifswald Danzig

Medemblik (Nl) Hoorn/Enkhuizen/ Venhuizen/Vlieland (Nl)? Stralsund Greifswald Hamburg Bolsward (Nl)

Peter Blome Carsten Gammelin Simon Nyport Melis Hermens

10.5. Andreas Nötebohm 15.5. Peter Petersen 16.5. 16.5. 16.5. 16.5. 17.5. 17.5. 17.5. 18.5.

Claus Adrians Andreß Reinkes Marcus Nagel Herman Wegener Petter Gerbrants Jochim Prüße Peter Gerbrorts (?) Jurgen Engelkein

17.5. Gerrit Frerichs 21.5. 20.5. 21.5. 25.5. 25.5. 27.5. 31.5. 4.6. 4.6. 12.6. 12.6. 14.6. 12.6. 22.6. 22.6. 23.6.

Ernst Wichman Hanß Linder Henrich Schinbbe Johan Persen Johann Geertsem Jochim Werkerman Steffan Eggers Willem Henriks Johann Dirchsen – Jacob Cornelißen Jann Cornelißen Frerich Neelsen(?) Hubert Clawesen Lammert Lammers Marten Haveman

Kurland Danzig Stralsund „Belt“ Stettin Lübeck Stettin „v. Middelburg aus Belt“ „v. Memen a. Kurland“ „Pommern“ „Belt“ „Schweden“ Stettin Stralsund Lübeck Stettin Norrköping Norrköping Flensburg Norrköping Stettin Lolland Norrköping Danzig Rostock

Lübeck Schermerhorn/Vlieland (Nl) Ackerslot (Nl) Harlingen (Nl) Stralsund ? Enkhuisen (Nl) Lübeck Enkhuisen (Nl) Hamburg Memel Hamburg Lübeck? Hamburg? ? Stralsund Lübeck? Hamburg Amsterdam (Nl) Venhuizen (Nl)? ? Zaandam (Nl) Axwijk (Nl) ? Zaandam (Nl) Hamburg Rostock

360 Datum 23.6. 25.6. 25.6. 25.6. 25.6. 29.6. 29.6. 29.6. 1.7. 1.7. 1.7. 1.7. 3.7. 28.7. 31.7. 7.8. 8.8. 12.8. 17.8. 16.8. 19.8. 27.8. 2.9. 11.9. 13.9. 2.10. 3.10. 14.10. 19.10. 30.10. 4.11. 6.11. 6.11. 6.11. 9.11. 23.11. 28.11.

Anhang Name

Abfahrtsort

Wohnort

Peter Nanning Henrich Meyer Henrich Hoyer Johann Claußen Johann Korpenfanger Arian Cornelis Clauß von Koten Reiner Jellis Johann Hinrichs Jacob Frerichs Anne Wibrandts Tonnies Peters Jens Janßen Frerich Peterßen Hanß Velthusen Johann Gertsen Gerrit Frericks Dirich Wilbordt Henrich Syrkes Hubert Clausen Hans Jaspers Rem Dirichsen Evert Meier Claus von Kotenink Hans Peterßen Simon Nyport Jacob Geriets Lole Douwes Sityes Fritzes Willem Dirchsen Jochim Tonnießen Johann Henrichs Tonnis Simensen Johann Gertzen Welis Hermans Henrich Weyer Henrich Wolters

Greifswald Stettin Stralsund Stralsund Reval Norrköping Greifswald Norrköping Reval Reval Stettin Stettin Lübeck Stettin Lübeck Lübeck Memel Lübeck Lübeck Kopenhagen Stockholm Lübeck Lübeck Gotland Heiligenhafen Stralsund „Belt“ Stralsund Danzig Danzig Lübeck Reval „Schweden“ Wiborg Königsberg Stettin Wiborg

Hamburg??? Hamburg ? Amsterdam/Zwaag (Nl) ? Spiekeroog (Ostfriesland) Hamburg?? Stavoren (Nl) ? Zuiderwoude (Nl) Workum (Nl) Hoorn (Nl) ? Enkhuizen (Nl) Lübeck Stralsund? Warns (Nl) ? ? Zaandam (Nl) Ribe Vlieland (Nl) Lübeck ? Rostock Hamburg ? Køge Harlingen (Nl) Hamburg Stavoren (Nl) ? Harlingen (Nl) ? ? Hamburg ?

Wohnort der Schiffer, die zwischen Hamburg und dem Ostseeraum verkehrten Datum

Name

7.12. Henrich Sinbbe 7.12. Johann Evers

Abfahrtsort

Wohnort

Wolgast Danzig

Hamburg ?

361

Quelle: StAH, Senat Cl. VII, Lit. Ea, Pars 1, Nr. 3a, Vol. 1, Vol. 2 Fasc. 1 und 2 sowie Nr. 3b, Vol. 1, Fasc. 2, Vol. 2, Fasc. 1. Die folgenden Tabellen vom Anhang B beruhen auf der gleichen Quelle. Tabelle B-2: Eingang in Hamburg 1623 Datum 4.3. 21.4. 21.4. 7.5. 16.5. 21.5. 23.5. 28.5. 30.5. 4.6. 6.6. 9.6. 12.6. 13.6. 25.6. 3.7. 3.7. 3.7. 4.7. 4.7. 5.7. 7.7. 9.7. 17.7. 21.7. 22.7. 25.7. 26.7. 3.8.

Name

Abfahrtsort

Wohnort

Claus Retelen Lucas Wetye Carsten Oldenborg Ties Matthisßen Johann Bolßen Henrich Meyer Harde Jacobs Jelle Cornelißen Jochim Tonnießen Peter Nanning Christoffer Isernberg Nenge Arians Johann Evers Hinrich Simensen Peter Simenßen Andreas Notebohn Dirich Haße Johann Hoppe Cornelius Clawesen Cornelis Peters Lamment Lammens Jacob Frerichs Peter Arendes Hanß Demerman Abbbe Wpkes Daniel Stueckman Jochim Albers Laurentz Meyer Willem Krudt

„Pommern“ Lübeck Lübeck Danzig Danzig Stralsund Königsberg Pernau Reval Danzig Danzig Königsberg „Finnland“ „Finnland“ Reval Wiborg „Pommern“ „Belt“ Danzig Danzig Königsberg „Schweden“ Danzig Kopenhagen Danzig Greifswald Reval Reval Stettin

? ? ? Hamburg Hamburg Hamburg Buiksloot (Nl) Terschelling (Nl) Stavoren (Nl) ? Hamburg Hoorn (Nl) ? ? Enkhuizen (Nl) ? ? ? Terschelling (Nl) Hamburg Hamburg ? Hamburg Sölvesborg (Swe) Bolsward (Nl) Greifswald Hamburg Hamburg Stettin

362 Datum 4.8. 4.8. 4.8. 4.8. 6.8. 6.8. 6.8. 25.8. 27.8. 28.8. 1.9. 8.9. 8.9. 8.9. 9.9. 10.9. 11.9. 18.9. 19.9. 27.9. 3.10. 21.10. 21.10. 23.10. 27.10. 31.10. 7.11. 12.11. 17.11. 18.11. 19.11. 21.11. 21.11. 21.11. 24.11. 24.11.

Anhang Name

Abfahrtsort

Wohnort

Dirich Elers Claus Jantzen Folcker Junges Johann Evers Hans Janßen Andreß Rimekes Henrich Hoper Adrian Reiners Frantz Boelßen Hans Hemringes Matthias Snelle Jarrich Gertzen Jacob Peters Andreß Peters Peter Nanning Henrich Martens Clave Staffeel Johann Moelman Hans Martens Ties Matthisßen Peter Janßen Johann Hinrichs Johann Hinderichs Peter Gerritzen Simen Tonnießen Jacob Frerich Herman Bomhoff Peter Oleffsen Henrich Kempe Junge Johann Karpenfenger Peter Arießen Henrich Martens Adrian Reiners Willem Dirchsen Jurgen Jantzen Johann Hartiges

Danzig Danzig Danzig Norrköping „Finnland“ Danzig „Pommern“ Danzig Danzig „Schweden“ Danzig Königsberg Königsberg Königsberg Danzig Danzig Danzig Kalmar „Schweden“ Danzig Danzig „Sund“ „Sund“ Danzig Stettin „Schweden“ „Schweden“ Fehmarn Wiborg „Belt“

Vlieland (Nl) Hoorn (Nl) Terschelling (Nl) ? Lübeck Harlingen (Nl)? ? Hamburg Hamburg ? Hamburg?? Stavoren (Nl)?? ? Stavoren (Nl) Hamburg Hamburg Hamburg Lübeck Lübeck Hamburg ? ? ? Enkhuizen (Nl) ? Glückstadt Lübeck?? Fredrikstad (Nor) Hamburg ?

Norrköping Stockholm Danzig Danzig Danzig Reval

Hamburg ? Hamburg Hamburg Hamburg Stralsund??

Wohnort der Schiffer, die zwischen Hamburg und dem Ostseeraum verkehrten Datum 25.11. 29.11. 6.12. 6.12.

Name

Abfahrtsort

Wohnort

Cordt Hußman Willem Hoeyes Peter Jantzen Peter Simensen

Pernau Reval Danzig Danzig

Hamburg ? Amsterdam/Danzig Enkhuizen (Nl)

Tabelle B-3: Eingang in Hamburg 1624 Datum 17.3. 18.3. 19.3. 19.3. 21.4. 21.4. 21.4. 21.4. 21.4. 23.4. 24.4. 26.4. 26.4. 4.5. 10.5. 13.5. 14.5. 14.5. 14.5. 14.5. 15.5. 15.5. 16.5. 16.5. 16.5. 16.5. 19.5. 19.5. 19.5.

Name

Abfahrtsort

Wohnort

Cornelis Jantzen Peter Nanning Henrich Meyer Henrich Snibbe Johann Claußen Jacob Dam Peter Schröder Clauß Jantzen Thomas Brun Oleff Laffrentzen Peter Powelsen Henrich Michelsen Cornelis Peterßen Jacob Junge Johann Cornelißen Jost Make Peter Jantzen Peter Josephs Bouderin Jantzen Dirich Herßen Atte Jacobsen Meinert Janßen Cornelis Jantzen Folkert Junges ? Tieß Motthießen Willem Dirchsen Ficke Reiners ?

Stettin Danzig Danzig Danzig Stralsund Stralsund Stralsund Stralsund Stralsund Lübeck Stralsund Rostock Stralsund „Schweden“ Danzig Wolgast Danzig Danzig Danzig Danzig Danzig Danzig Danzig Danzig Danzig Danzig Wolgast Danzig Danzig

Amsterdam (Nl) Hamburg Hamburg Hamburg Stralsund? Stralsund Stralsund Stralsund Stralsund ? Stralsund Rostock Stralsund Lübeck?? ? Lübeck De Rijp/Hoorn (Nl) Edam (Nl) ? Edam (Nl) Terschelling (Nl) Enkhuizen (Nl) De Rijp (Nl) Terschelling (Nl) ? Hamburg ? Terschelling (Nl) ?

363

364 Datum 18.5. 21.5. 21.5. 21.5. 21.5. 20.5. 21.5. 21.5. 22.5. 22.5. 24.5. 26.5. 2.6. 2.6. 4.6. 4.6. 4.6. 7.6. 7.6. 8.6. 11.6. 11.6. 11.6. 12.6. 9.6. 12.6. 17.6. 18.6. 18.6. 20.6. 21.6. 25.6. 26.6. 27.6. 29.6. 30.6.

Anhang Name

Abfahrtsort

Wohnort

Hanß Felthusen Geert Ißkens Lewe Jantzen Jacob Floris Bente Petersen Jurgen Jantzen Corsten Witthortt Johann Evers Cornelis Janßen Frantz Stickman Evert Evers Jacob Cornelißen Jurgen Jacobsen Peter Jaspers Johann Hartman Andreas Reinekes Cordt Roedtsack Clauß von Katen Arendt Cornelißen Simon Nypordt Herman Sivers Herman Nybur Dirich Fulhaven Cornelis Petersen Henrich Schnibbe Johann Petersen Johann Jantzen Johann Jacobsen Frantz Boelßen Johann Cornelißen Christoffer Jurgens Cornelis Broers Jacob Jacobsen Cornelis Adrianßen Peter Simens Hanß Peterßen

Danzig Danzig Danzig Danzig Danzig Gotland „Stede a. Belt“ Danzig Danzig Greifswald Memel Danzig „Schweden“ Danzig Danzig Danzig „Schweden“ „Belt“ Danzig Gotland Danzig „Belt“ „Belt“ Danzig Gotland Gotland Danzig Danzig Danzig Königsberg „Belt“ Königsberg Pernau Danzig „Schweden“ Gotland

Lübeck Harlingen (Nl)? Harlingen (Nl) Stavoren (Nl) Harlingen (Nl) Hamburg ? ? De Rijp (Nl) Greifswald Stavoren (Nl) Terschelling/Hoorn (Nl) ? Edam (Nl) Harlingen (Nl)? Harlingen (Nl)?? Söderköping (Schw) Hamburg Schiedam (Nl) Hamburg Vlieland (Nl) ? ? Hamburg Hamburg? ? Harlingen (Nl)?? ? Hamburg ? ? Venhuizen (Nl) Hamburg Glückstadt Enkhuizen (Nl) Hamburg

Wohnort der Schiffer, die zwischen Hamburg und dem Ostseeraum verkehrten Datum

Name

1.7. Gerdt Albers 1.7. 3.7. 1.7. 5.7. 7.7. 12.7. 12.7. 15.7. 15.7. 15.7. 16.7. 17.7. 17.7. 19.7. 19.7. 19.7. 19.7. 19.7. 20.7. 20.7. 20.7. 20.7. 21.7. 21.7. 24.7. 26.7. 26.7. 27.7. 28.7. 5.8. 5.8. 10.8. 10.8. 12.8. 19.8.

Albert Vette Clauß Dirichsen Jochim Voß Paul Steffens Johann Simenßen Ties Matthiaßen Johann Clawesen Christoffer Dosche Simon Peterßen Abbe Obbekes Johann Witte Johann Peterßen Ocko Broers Adrian Reiners Ebert Ebers Jacob Cornelisen Johann Hindersen Gert Frederichs Lores Kock Willem Dirchsen Geert Gerritzen Moll Lueder Henrichs Clauß Cornelißen Hanß Hennings Ritzem Fell Lammert Lammers Andreß Reinekes Clauß Remetzen Peter Laßhorn Douwe Hitkes Elcke Johannes Jann Jantzenn Milde Jacob Poulsen Johann Hincke Simen Nyport

Abfahrtsort

Wohnort

„Belt“

Koudum/Amsterdam/ Stavoren/Hoorn (Nl)? Hamburg ? Lübeck? ? ? Hamburg ? Lübeck?? Oosthuizen (Nl)?? Bolsward (Nl) Lübeck ? Molkwerum (Nl) Hamburg Stavoren (Nl) Terschelling (Nl) ? Warns (Nl) Göteborg? Hamburg Amsterdam? Hamburg Edam (Nl) Lübeck ? Hamburg Harlingen (Nl) ? Lübeck Amsterdam? Stavoren (Nl)?? Hamburg Horn (Nl) Lübeck? Hamburg

Stettin „Kurland“ Lübeck „Belt“ „Kurland“ Danzig Stralsund Lübeck Danzig Danzig Wiborg Reval „Kurland“ Danzig „Schweden“ „Schweden“ „Schweden“ „Kurland“ „Schweden“ Danzig Danzig Danzig Danzig Wiborg Danzig Danzig Danzig Danzig Gotland Stettin Königsberg „Schweden“ „Schweden“ Nyköping Gotland

365

366 Datum 21.8. 22.8. 23.8. 24.8. 3.9. 4.9. 6.9. 6.9. 6.9. 10.9. 21.9. 21.9. 22.9. 27.9. 30.9. 30.9. 30.9. 8.10. 13.10. 25.10. 26.10. 23.11. 6.12. 7.12. 7.12. 9.12. 14.12. 20.12.

Anhang Name

Abfahrtsort

Wohnort

Petter Schröder Tewes Wagenfoer Peter Powels Herman Nybur Simon Thomas Cordt Hußman Reiner Peterßen Jost Make Cornelis Cornelißen Piltzer Henrich Snibbe Willem Dirichsen Henrich Kempe Claus Henrichs Mele Reinkes Evert Seuerinßen Abbe Obbekes Brow Lubbers Peter Nannings Peter Simens Geritz Moll Reimer Upetzen Douwe Hitges Luetke Harrmens Jurgen Janßen Johann Hinrichssen Bleker Marten Wilberßen Douwe Obkes Herman Mentzen

„Schweden“ Wiborg Sønderborg „Belt“ Norrköping Reval „Belt“ Norrköping Kopenhagen

Stralsund Lübeck ? ? Stavoren (Nl) Hamburg Stavoren (Nl)? Lübeck ?

Gotland Gotland Riga Danzig Stockholm Gotland Reval Åland Danzig „Schweden“ Gotland Reval Königsberg „Schweden“ Danzig Riga

Hamburg Hamburg Hamburg? Hamburg ? Hamburg Bolsward (Nl) ? Hamburg?? Enkhuizen (Nl) Amsterdam (Nl) ? Amsterdam (Nl) Oostwoud (Nl) Hamburg Hamburg??

Danzig „Schweden“ Danzig

Enkhuizen (Nl)? Amsterdam Enkhuizen (Nl)

Tabelle B-4: Eingang in Hamburg 1625 Datum 19.4. 22.4. 6.5. 11.5.

Name

Abfahrtsort

Wohnort

Mebe Reinekes Pasche Rike Marten Lullers Niclai Severßen

Norrköping Lübeck Danzig Danzig

? ? ? ?

Wohnort der Schiffer, die zwischen Hamburg und dem Ostseeraum verkehrten Datum 13.5. 14.5. 15.5. 20.5. 20.5. 21.5. 24.5. 24.5. 27.5. 10.6. 14.6. 14.6. 14.6. 14.6. 6.7. 20.7. 22.7. 23.7. 28.7. 24.8. 1.9. 3.9. 9.9. 21.9. 22.9. 22.9. 23.9. 23.9. 23.9. 27.9. 27.9. 30.9. 6.10. 3.10. 7.10.

Name

Abfahrtsort

Wohnort

Otto Jacobsen Jochim Timme Royelke Adrianßen Jochim Tonnießen Jurgen Dircksen Johann Hinrichsen Bleker Laffrentz Janßen Johann Boelßen Cornelis Peterßen Nyport Jurgen Schulte Flores Hanßen Cornelis Peterßen Hans Tewesen Hans Luider Casper Winckelman Johann Berens Otte Jacobsen Jochim Pleßkow Johann Evers Dirich Peterßen Oleff Worne Jochim Meyer Lorentz Fenßein Hans Tewerßen Jochim Wulff Wolter Cornelißen Dirich Peterßen Weke Outersen Andreas Peterßen Peter Wynstock Jacob Cornelißen Dirich Kueper Peter Bötken Hans Hanekow Christoffer Doße

Danzig Danzig Danzig Norrköping Norrköping Danzig

Terschelling (Nl)?? Lübeck Terschelling (Nl) Stavoren (Nl) Stavoren (Nl) Hamburg??

Danzig Danzig Danzig

Tønder Hamburg?? Hamburg???

Lübeck „Kurland“ Danzig Norrköping Lübeck Danzig „Belt“ Danzig Wiborg Danzig Königsberg „Schweden“ Danzig Riga Königsberg Gotland „Sund“ „Kurland“ „Schweden“ „Finnland“ „Schweden“ „Schweden“ Danzig Kalmar „Schweden“ Lübeck

Lübeck?? Stavoren (Nl) Vlieland (Nl) Terschelling (NL)?? Lübeck?? Hamburg?? ? Terschelling?? Lübeck?? ? Hoogwoud (Nl) ? Hamburg ? Terschelling (Nl)?? Lübeck Hamburg? Enkhuizen (Nl)? Horn (Nl)? Stavoren (Nl)?? Lübeck ? Hamburg ? Lübeck ?

367

368 Datum 7.10. 10.10. 10.10. 14.10. 15.10. 5.11. 7.11. 28.11. 2.12. 2.12. 5.12. 5.12. 5.12. 5.12. 6.12. 6.12. 31.12.

Anhang Name

Abfahrtsort

Wohnort

Claus Nervigk Johann Bolßen Gert Frerichs Willem Henrichs Adrian Claußen Peter Salings Christoffer Moller Jann Janßen Carsten Withovet Johann Hinricks Foyke Reiners Wike Okes Willem Cornelißen Jacob Douwes Jacob Cornelißen Thomas Bruen Reinert Jantzen

Reval Danzig „Kurland“ „Rußland“ Fehmarn Danzig Lübeck Fehmarn Danzig Schweden Danzig Danzig Danzig Danzig Stralsund Stralsund Danzig

? Hamburg?? Warms (Nl) ? ? Terschelling (Nl) ? Monnickendam (Nl) Stade?? ? Terschelling (Nl)? ? Terschelling Nl) ? ? Stralsund Horn/Enkhuizen/ Westwoud/ Harlingen/Vlieland (Nl)

Tabelle B-5: Ausgang von Hamburg 1625 Datum 11.3. 11.3. 12.3. 15.3. 19.3. 26.3. 26.3. 26.3. 30.3. 9.4. 9.4. 12.4. 16.4. 26.4. 16.5.

Name

Abfahrtsort

Wohnort

Jurgen Jantzen Johann Hinrichsen Cornelis Nyport Jurgen Jacobsen Laffrens Jenßen Relleke Andreßen Dowe Jacobs Johann Witte Herman Mentzen Hans Peterßen Claus Cornelißen Andreas Petersen Henrich Moller Hans Teweßen Jete Peters

Stettin Sund Pommern Belt Danzig Danzig Lübeck Lübeck Lübeck Stettin Danzig „Finnland“ Danzig „Sund“ „Ostsee“

Hamburg Hamburg Hamburg??? ? Tønder Terschelling (Nl) Terschelling (Nl) Lübeck? Enkhuizen (Nl) Hamburg Limmen (Nl) Glückstadt Hamburg? Terschelling (Nl) ?

Wohnort der Schiffer, die zwischen Hamburg und dem Ostseeraum verkehrten Datum 16.5. 17.5. 18.5. 19.5. 25.5. 25.5. 25.5. 28.5. 28.5. 30.5. 31.5. 31.5. 31.5 2.6. 4.6. 11.6. 14.6. 15.6. 23.6. 29.6. 5.7. 16.7. 27.7. 30.7. 1.8. 3.8. 26.8. 29.8. 3.9. 6.9. 10.9. 10.9. 10.9. 4.10. 10.10. 11.10. 13.10.

Name

Abfahrtsort

Wohnort

Claus Lemerßen Peter Gertsen Cornelis Cume Jantzen Marten Lolles Willom Firack Johann Claweßen Peter Bertzen Reyelke Adrians Adde Jacobsen Jochim Tinme Jochim Tonnießen Jurgen Dirchs Dirich Hermans Kueper Lars Kock Peter Lauwentz Frantz Boelßen Johann Hinrichsen Laurentz Janßen Cornelis Petersen Jurgen Schulte Floris Janßen Hinrich Eding Jurgen Jaccobsen Jan Borßen Adde Jacobsen Gert Frerkes Simon Nyport Knudt Jenßen Johann Sickesen Cordt Hußman Jantz Voget Oleff Warner Marx Berens Hinrich Sinbbe Pasche Rike Hans Tewesendorch Jochim Wulff

„Ostsee“ Danzig Danzig „Sund“ „Schweden“ Danzig Danzig „Sund“ Danzig Reval „Schweden“ „Schweden“ Danzig „Schweden“ Archangel Danzig „Ostsee“ Danzig Danzig Lübeck Königsberg Gotland „Schweden“ Danzig Danzig Memel Stettin Kopenhagen „Schweden“ „Sund“ Sønderburg „Schweden“ Danzig Danzig Lübeck „Sund“ „Sund“

Schiedam (Nl) Amsterdam (Nl) Danzig? Harlingen (Nl) ? ? ? Terschelling Terschelling (Nl) Lübeck? Lübeck Stavoren (Nl) Hamburg? Göteburg??

369

Hamburg ? Tønder Hamburg Lübeck?? Stavoren (Nl)? Hamburg ? ? Terschelling (Nl) ? Hamburg Göteburg/Kopenhagen? Hamburg Hamburg? Sønderburg?? ? Hamburg Hamburg Lübeck?? Terschelling?? Lübeck

370 Datum 15.10. 19.10. 25.10. 26.10. 5.11. 24.11.

Anhang Name

Abfahrtsort

Wohnort

Jacob Cornelißen Peter Turckesen Peter Boetker Willem Henrichsen Claus Nering Jann Jantzen

Stralsund Flensburg Stralsund „Ostsee“ Reval Fehmarn

Stralsund ? Stralsund Hamburg Lübeck? Hamburg

Warenverkehr zwischen Hamburg und Dresden/Pirna auf der Elbe

371

C.  Warenverkehr zwischen Hamburg und Dresden/Pirna auf der Elbe 1737 – 1746 Tabelle C-1: „Extract. Was die Dreßdner und Pirnaer Schiff-­Handels-­Leute binnen Zehen Jahren von ao. 1737 biß 1746 nach Hamburg abgeführet“ C-1a: „Bömische Waren“ Maße und Gewicht 46.482 814 1/4 819 1/4 1139 1/2 79 2548 953 124 1/4 27 6 17 1/2 23 122 2403 1/2 31

Ztr St Ballen Schock Kisten Schock Ztr Tonnen Ztr Kisten Ztr Ztr Schpf Schpf Schpf

Waren Pottasche Hirschstangen Papier Bretter Mineralwasser Siebwaren Stahl Hohlglas Glasbrocken Wegsteine Quecksilber Knoppern Anis Böhmischer Weizen Linsen Gesamt

Wert in Rtl 185.928 3256 4096 4558 474 1700 5718 1860 270 60 1200 50 488 4807 65 214.530

Quelle: SHStAD, Landes-­Ökonimie-, Manufaktur-, und Kommerziendeputation, No. 666, Fol. 99r‒103r. Die folgenden Tabellen vom Anhang C beruhen auf der gleichen Quelle. C-1b: „Sächsische Waren“ Maße und Gewicht 632 1/2 10 8 1161 1/2 16 16 3/4 683 1/2 52

Waren Kisten Kasten Kästchen Fass Fass Fuder Fuhre Stück

Wert in Rtl

gepackte Leinwand

171.100

Grobe blose Leinwand a 120 Stück Hasenfellen Alter Hausrat Mühlsteine Eisene Öfen

208.980 1200 500 5300 270

372

Anhang

Maße und Gewicht 23 47 6 10 1 10 7 2 2 15 3 168 6 6 3 1/4 6 30 21 5 1/2 14 5/8 50 6 6 1/2 1 1 13 6 1 1 3 24 2 37 1/2 2 2 1/2

Waren Stück Stück Kasten Kästchen Kasten Kästchen Kästchen Kästigen Kästchen Kästchen Kästchen Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Kästigen Pack St St St St St Schock Schock Schpf Schpf Schpf

Wert in Rtl

Tönerne Öfen Neue Kommoden und Tische Bücher

220 470 500

Bilder

600

Porzellan Tapeten Serpentinwaren Kramerei Kanefas Stärke Blech Pflaumen Schießpulver Terpentin Kupfer Bergerz Garn Metalle Olitäten Zinn Holzwaren Instrumentsspäne Bäume Weisgerber-­Ware Beschlagene Stühle Stuhlgestelle Kanapee Feldbett Neue Wagen 1/2 wollene Zeuge Kalbfelle Strohhütte Mehl und Graupen Schwaden Gesäme

200 350 550 2000 2100 670 100 36 60 24 600 200 150 420 20 900 100 70 20 100 25 10 10 15 150 150 120 370 10 20 20

Warenverkehr zwischen Hamburg und Dresden/Pirna auf der Elbe Maße und Gewicht 2 1 4 20 6 5 4 4 6 2 20 1

Waren Fass Schock Stück Stück Ellen

373 Wert in Rtl

Brandwein Schaustangen Leichensteine Pfosten Tafeln Statuen Postamente Werkstücke Stufen Große Platten Halbe Grundstucken Grützstein Gesamt

150 20 23 70 2 30 25 12 4 12 8 4 399.070

Tabelle C-2: „Extract. Was durch die Pirnaischen Schiff, Handels-­Leute binnen Zehen Jahren, als von 1737 biß mit 1746 von Hamburg zurückgebracht, und durchgeschiffet, auch in Dreßden vergleithet worden“ C-2a: „Herrengut“ Maße und Gewicht 428 217 103 97 98 1616 802 35 19 68 2907 1791 647 1926 2073 5868 228

Waren Last Last Last Zentner Oxhöft Tonnen 1/2 Tonnen Last Tonnen Tonnen Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr

Wert in Rtl

Hering Tran Rotscher Rotscher

51.360 26.040 11.124 291

Sirup

19.623

Honig Lachs Lapertan Zucker Reis Rosinen Trockengut Farbholz Fischwaren Schrot

5880 1050

}

59.171 9630 16.584 23.472 1140

374

Anhang

Maße und Gewicht 270 171 1338 370 1 1/2 111 1376 2545 25 22 41 4 6 3 12 4 2 14 3/4 22 1/2 8 227 395 19 534 62 5/8 3 6 12 26 12 1/2 1 4 2 1 1 15 1/2 67 1/2

Waren Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Tonnen Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Schpf Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Schpf Ztr Oxhöft Tonne Schpf Ztr

Bleiweiß Mennige Öl Hanf Klippfisch Käse Talg Blei Hägel Sassafras Kaper Kaffeebohnen Lorbeeren Umber Terpentin Butter Pfeffer Zitronen- und Orangenschalen Pferdehaare Gelberde Korinthen Kreiden Leder Alaun Tabak Bimstein Feigen Zitronen Schwefel Lackmus Hamb. Fleisch Schmack Flachs Essig Juchtenleder Baumwolle

Wert in Rtl 1350 684 12.042 1850 12 888 11.008 11.452 140 220 410 120 18 8 40 112 60 80 225 16 1135 100 1368 2670 1000 12 25 128 104 156 12 36 20 20 940 1350

Warenverkehr zwischen Hamburg und Dresden/Pirna auf der Elbe Maße und Gewicht 175 15 2 4 2 5 81 1/2 4 1/2 4 8 6 1 65 3/4 2 5/8 1 1 15 5 1/2 15 1/2 24 36

Waren Ztr Kiepen Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Ztr Pack Stück Fässchen Kästchen Eimer Eimer Kästchen Tragekorb Ztr Schiffspfund Malter Malter Malter

375 Wert in Rtl

Bleiglätte Schollen Lucretensaft Vitriol Gallus Leim Ingwer Mandeln Stuhlrohr Eibenbäume Brücken Steinware Französischer Wein Französischer Branntwein

700 450 15 20 40 50 720 42 160 20 30 20 450 60

Tabakspfeifen

300

Gebackene Pflaumen Leinsamen Korn Weizen Gersten Gesamt

30 100 927 288 432 280.030

C-2b: „ Schiffsknechte Gut“ Maße und Gewicht 57 172 210 113 175 45 1/2 9 203 18 1/2 17 108

Waren Tonnen Tonnen Tonnen Ztr Ztr Ztr Ztr Kiepen Eimer Eimer Körbchen

Hering Tran Sirup Lachs und Lapertan Zucker, Reis und Rosinen Käse Tabak Schellen Französischer Wein Französischer Branntwein Tabakspfeifen

Wert in Rtl 570 1720 630 460 2100 364 144 6090 130 425 162

376

Anhang

Maße und Gewicht 24 3 1/2 18 2 107

Waren Malter Malter Malter Schpf Schpf

Wert in Rtl

Korn Weizen Gerste Erbsen Strümpfe Gesamt

288 84 216 5 6420 19.808

Tabelle C-3: „Extract. Was die Dreßdner und Pirnaer Schiffarth an ermeldten Zehen Jahren, von 1737 biß 1746 von Hamburg nach Dreßden gebracht“ Maße und Gewicht 12.988 934 13.905 2572 2988 6171 15.630 6385 38.979 2042

Waren Ztr Tonnen Tonnen Ztr Tonnen Ztr Ztr Ztr Ztr Tonnen

Keine Angabe 3493 Ztr Keine Angabe 1043 Eimer 40 Eimer Keine Angabe Keine Angabe 118 Kiepen 159 Tonenn 77 Tonenn 126 Ztr 618 Ztr Keine Angabe 1700 Ztr 2641 Ztr

Blei Bleiglätte Hering Käse Fische Andere Fische Talg Tran Sirup Honig Zucker, Kaffee und andere Materialwaren Hanf Tabak und Pfeifen Wein Französischer Branntwein Geräuchertes Fleisch Barchent und Wollwaren Schollen Butter Lachs Salpeter Schwefel Rauchwaren Leder Öl Gesamt

Wert in Rtl Groschen 53.551 3725 139.050 20.576 35.856 24.684 135.361 90.013 112.941 28.588

5

815.344 21.294 17.624 6960 1000 287 1022 1540 3177 1027 1921 1817 458 34.852 25.882 1.578.555

18 19

13 5 4

13 12 17 10 17

Gottorper Vergleich 1768 Art. X

377

D.  Gottorper Vergleich 1768 Art. X Zur Bedeutung des zwischen Hamburg und Dänemark im Jahre 1768 geschlossenen Vergleichs siehe Kapitel III dieser Arbeit. Artikel X behandelt die privilegierte Schifffahrt der Hamburger durch den Öresund.13 Ihro Königliche Majestät zu Dännemark-­Norwegen wollen die Stadt Hamburg in dem würklichen Besitz der ihr in dem Copenhagener Receß von 1692. Articulo 6., und in der Convention von 1762 den 30 Junii zugestandenen Zoll- SchiffsNavigations- und Handels-­Freyheiten im Oresund, und in Ihro Königlichen Majestät Königreiche Norwegen, setzen, auch sogleich nach geschlossenem Vergleiche eine genaue Untersuchung aller Orten anstellen lassen, um da, wo das Gegentheil annoch befunden werden mögte, diese Verfügung durch Königliche Befehle zur Würklichkeit zu bringen, und überhaupt die Stadt Hamburg, in Ansehung ihres Commercii, den Amicissimis praesentibus & futuris, in allen Vorfällen, und auf alle Art und Weise, gleichstellen. Wann auch von Seiten der Stadt Hamburg hierbey zugleich eine Aeusserung in Ansehung der Königlichen Verordnung, wegen Einbringung der Waaren aus der ersten Hand, und des Verbotes wegen Einbringung der fabricirten Waaren, und einer diesfalls nachzugebenden, dem allgemeinen Besten der Kaufmannschaft zuträglichen, Einschränkung mit eingeflossen; so hat zwar, da diese Gegenstände eine vorgängige genauere Untersuchung erfordern, in diesem Vergleiche etwas gewisses davon nicht bestimmet werden mögen: doch wollen Ihro Königliche Majestät nicht entgegen seyn, daß hierüber behufige und zuverläßige Erkundigung eingezogen, und nähere Abrede genommen werde, um der Stadt Hamburg, so viel der innere Zustand Ihro Majestät Königreiche, und die darinnen festgesetzte Verfassung zulassen wird, zu willfahren.

13 Könichlich-­Dänisches Ratifications-­I nstrument  / Hamburgisches Ratifications-­I nstrument: Vergleich, welcher zwischen dem Hochfürstlichen Gesamt-­Hause Holstein und der Kayserlichen Freyen Reichs-­Stadt Hamburg zu Gottorff am 27ten May 1768 geschlossen … worden, Hamburg 1768.

378

Anhang

E.  Hamburgische Litzenbrüder und lübeckische Wagenbestätter 1.  Vergleich zwischen lübeckischen Wagenbestättern und hamburgischen Litzenbrüdern 1691 Die im Kapitel III kurz erwähnten Litzenbrüder in Hamburg treten erstmals im Jahre 1651 in der „Wagen-­Ordnung der Kutschen und Wagen, so zwischen Lübeck und Hamburg fahren sollen“ auf. Zu jener Zeit spielten sie in der Frachtexpedierung eine nur untergeordnete Rolle: Sie waren lediglich Arbeitsleute, die beim Be- und Ausladen der Postwagen, wohl vornehmlich im Verkehr mit Lübeck, dienten. Es gab damals schon „Bestätter der Güter und Waaren, so auf Lübeck und Oldesloe geführet werden sollen“, deren Ordnung im Jahre 1641 verfasst und 1681 erneuert wurde. Bis zum Vergleich mit den lübeckischen Wagenbestättern von 1691 nahmen die Litzenbrüder an Bedeutung zu. Von den lübeckischen Wagentransporteuren wurde ihnen der Vorwurf gemacht, dass sie selbstständig direkte Verfrachtungen besorgten. Nach dem Vergleich mit den lübeckischen Wagentransporteuren behaupteten sie sich nicht mehr als einfache Arbeitsleute, sondern als Bestätter, die die eigentliche Arbeit des Auf- und Abladens den besonderen, abhängigen Arbeitern übertrugen.14 I. Gestatten die Wagen-­Bestättere denen Litzen-­Brüdern nicht allein, daß sie sowohl denen Lübeckischen, als Hamburgischen Fracht-­Wagen, in Verdingung der Wahren mögen assistiren, sondern es sollen auch die Litzen-­Brüder die Lübeckische und Hamburgische Fracht-­Wagen allein und absolute für sich behalten. Und weilen vielmahls sich begiebet, daß alle Wahren nicht auf den Fracht-­Wagen geladen, und doch nicht (weiln sie zugleich von Lübeck zu Wasser abgeschiffet werden müssen) getrennet werden können. II . Die Bestättere denen Litzen-­Brüdern, jährlich Sechzig Bauer-­Wagen, zu Auffladung der Wahren zu geben, die sie nach Beliebung nehmen mögen, jedoch mit diesem expressen Beding, daß sobald sie einen Wagen besprechen, sie solches denen Wagen-­Bestättern kund thun sollen, damit dieselbe sich darnach zu richten wissen, und auf sothane Wagen keine Wahren bedingen. III. Sollen die Litzen-­Brüder, die Woche nicht über vier Wagen nehmen. IV. Geben die Litzen-­Brüder denen Bestättern für einen jeden Bauer-­Wagen 14 Schillinge Bestätter-­Geld. V. Lassen die Litzen-­Brüder geschehen, daß die Bestättere stets selbst ihre Wagen, und so lange Benjamin Hempel lebet (es sey dann, daß die Bestätter ihn nicht länger 14 Vgl. Baasch: Organisation, S. 1 – 4. Die Quelle des folgenden Textes: SHW, S/162.

Hamburgische Litzenbrüder und lübeckische Wagenbestätter

379

in Diensten haben wollten) nebst ihnen auff- und abladen; Wann aber gedachter Benjamin Hempel sollte abgehen, und die Bestättere Auff- und Abladens bedürfftig seyn, versprechen sie die Litzen-­Brüder zu gebrauchen, welche denn mit dem, was ihnen ein Ehrb. Kauff-­Mann, oder der Bauer geben wird, zufrieden seyn wollen. So lange nun diesem Vergleich an Seiten der Litzen-­Brüder nachgelebet wird, bleibet er stets feste; Sollten aber die Litzen-­Brüder demselben zuwider leben, mehr Wagen, als die Sechszig, heimlich oder öffentlich beladen, oder sonsten erweißlich diesem Vergleich zuwider handeln, sol solcher null und nichtig, auch folglich die Litzen-­Brüder in Verdingung der Wahren der eingewilligten Bestätteren, sich gäntzlich enthalten, und alles dessen, was sie hierin zu ihrem Nutze erworben, gäntzlich verlustig seyn. Uhrkundlich ist dieser Vergleich auf gehorsamstes Ansuchen der Partheyen, von Sr. Magnificentz dem praesidirenden Hn. Bürger-­Meister in confirmationem, als auch von denen Wagen-­Bestättern und sämptl. Litzen-­Brüdern unterschrieben. Hamburg den 27. Jun. Anno 1691.

2.  Ordnung der Litzenbrüder 1720 Diese Ordnung stellt die erste Regelung der Litzenbrüder dar, worin der Vergleich von 1691 bestätigt wurde. Mit dieser Ordnung bemühte sich die Commerzdeputation, die an der Vorbereitung regen Anteil hatte, den verstärkten Monopolbildungsversuch der Litzenbrüder zu verhindern, der den Zwiespalt mit den lübeckischen Bestättern zugespitzt hat. Das Monopol der Litzenbrüder war aber in der Folgezeit sogar stärker als bisher.15 I. Es sollen die Litzen-­Brüder, in Verding- und Beladung der Fracht- und Bauer-­Wagen, nach dem im Jahr 1691. Den 27. Jun. zwischen ihnen, und denen Wagen-­Bestättern getroffenen, nachhero Gerichtlich confirmirten, und dieser Ordnung beygedruckten Vergleich, in allen Puncten und Clausuln, sich zu richten, schuldig seyn, und damit niemand sich mit der Unwissenheit entschuldigen möge, so sol erwehnter Vergleich nebst dieser Ordnung, einem jeden Litzen-­Bruder, bey Erkauffung des Dienstes vorgelesen, auch demselben von jedem ein Exemplar, zu fester Gelebung, zugestellet werden. 15 Die Quelle des Textes : SHW, S/162. Kompiliert in Johann Friedrich Blank: Sammlung der von E. Hochedlen Rathe der Stadt Hamburg so wol zur Handhabung der Gesetze und Verfassungen als bey besonderen Eräugnissen in Bürger- und Kirchlichen, auch Cammer-, Handlungs- und übrigen Policey-­Angelegenheiten und Geschäften vom Anfange des siebzehnten Jahrhunderts bis auf die itzige Zeit ausgegangenen allgemeinen Mandate, bestimmten Befehle und Bescheide, auch beliebten Aufträge und verkündigten Anordnungen, Teil 2, Hamburg 1764, S. 960 – 963.

380

Anhang

II . Sind die Litzen-­Brüder schuldig, dasjenige so sie vom Kauff-­Mann auf Fracht-­Wagen zu laden annehmen, auch also anzuladen, und nicht auf Bauer-­ Wagen zu geben, zu dem Ende, und mehrerer Gewißheit halber, sie vom Kauf-­ Mann, bey Verdingung der Wahren, einen Gotts-­Pfenning zu nehmen, und dagegen gehalten seyn sollen, die Wahren noch selbigen oder folgenden Tages abzufodern, und was bedungen, nicht liegen zu lassen. III. Und damit der vorhergehende Articul, desto besser beobachtet werden möge, so sollen die Litzen-­Brüder nicht mehr Wahren annehmen, als sie mit denen verhandenen Fracht- und Bauer-­Wagen wegschaffen können. IV . Dieweil auch dem Kauff-­Mann frey stehet, bey Auf- und Abladung der Wahren, seine Quartiers- oder Arbeits-­Leute zu gebrauchen, in Ermangelung dessen aber, und da etwa die Arbeit sich verzögerte, die Litzen-­Brüder zu ziehen, so sollen die Litzen-­Brüder auf solchen Fall ihren Lohn nicht steigern, sondern mit 1 Schilling pro Schiffpfund sich vergnügen. V. Wann auch eine Zeithero der Mißbrauch eingeschlichen, daß die Litzen-­ Brüder, wenn sie dem Kauff-­Mann die Fracht-­Brieffe aus Hauß gebracht, dafür ein Trinck-­Geld gefodert, so sol solches inskünfftige gäntzlich abgestellet, und die Litzen-­Brüder dafür ein Trinck-­Geld zu fodern nicht befugt seyn. VI. Als auch die Frachten dadurch mercklich gesteigert werden, daß die Litzen-­ Brüder der denen Bauren in- und vor der Stadt entgegen gehen, und denenselben viele Güter und Frachten, ehe und bevor sie dieselbe haben, versprechen, auch dem Bauren mehr als 1 Marck für einen Wagen abnehmen, so sollen die Litzen-­Brüder sich dessen in Zukunfft, gäntzlich zu enthalten, schuldig seyn. VII. Ob auch wohl von denen Litzen-­Brüdern alleine nicht dependiret, daß eine genaue Ordnung im Abfahren der Fracht- und Bauer-­Wagen gehalten werde, so sollen sie dennoch so viel möglich darauf Acht haben, daß die Wagen so wie sie kommen, wieder abgehen, und spediret werden. VIII. Im gleichen sollen sie die sogenandte Colli oder kleine Päckschen, nach Ankunfft derselben, annoch selbigen Abends, oder woferne solches wegen später und dunckeler Abends-­Zeit, nicht seyn könnte, des folgenden Tages in aller frühe an gehörigen Ort bestellen, damit der Kauff-­Mann dadurch nicht verkürtzet, und aufgehalten werden möge. IX. Sie sollen auch für Auffladung der gantz kleinen Päckschen, keinen unbilligen Lohn fodern, sondern mit dem, was ihnen der Kauff-­Mann freywillig geben wird, zufrieden seyn. X. Wegen der Coffres und des Reise-­Zeugs, so sie für die Reisende Persohnen von und nach dem Post-­Wagen bringen, und auf- und abbinden, bleibt es bey der, in der zwischen beyden Ehrb. Städten Lübeck und Hamburg gemachten Wagen-­Ordnung fest gesetzten Taxa, daß nemlich von denen Reisenden, an die Litzen-­Brüder, wenn

Hamburgische Litzenbrüder und lübeckische Wagenbestätter

381

sie sich derselben bedienen, für einem Coffre, und ordinaire Bagage, aus St. Petri und Jacobi Kirchspiel 4 Schilling, St. Nicolai und Catharinen 6 Schilling, und aus St. Michaelis Kirchspiel 8 Schilling, bezahlet, ein mehrers aber von denen Litzen-­ Brüdern nicht gefodert werde, es wäre dann, daß jemand ausser seinem Coffre, mehr als ordinaire Bagage bey sich hätte, wofür über jetzterwehnten Lohn etwas mehr, jedoch zum höchsten nicht über den Halbscheid der vorhin ausgedrückten Summe, gefodert werden mag, und sollen übrigens die Litzen-­Brüder dem Kauff-­Mann und Reisenden, mit aller Bescheidenheit und Höfflichkeit, wie sich ohne dem gebühret, bißhero aber nicht allemahl geschehen, begegnen. XI. Solten nun die Litzen-­Brüder dieser Ordnung oder ein und anderem darin enthaltenen Articulo nicht geleben; So hat der Kauff-­Mann, oder wer sonst über sie zu klagen Ursache haben möchte, sich desfalls beym PATRONO derselben zu melden, und Wandel zu suchen, welcher den die Contravenientes bey 10 Reichsthaler, auch anderer hohen willkührlichen Straffe, zu Gelebung dieser Ordnung anzuhalten, nicht ermangeln wird. XII. Wie dann auch die Litzen-­Brüder, Falls sie vom Kauf-­Mann oder sonst jemand dieser Ordnung zuwider, beschweret werden solten, sich desfalls beym PATRONO zu melden, und bey Demselben die Remendirung darunter zu suchen, befugt seyn sollen. Actum Hamburg den 2. Decemb. Anno 1720.

3.  Ordnung der Wagenbestätter auf Lübeck und Oldesloe 1720 Es handelt sich um die Ordnung für die lübeckischen Wagenspediteure, die sich neben den Litzenbrüdern mit dem Wagenverkehr zwischen Hamburg und Oldesloe/Lübeck beschäftigten. Sie war eine der zwei Ordnungen, die im Jahre 1720 angesichts der vermehrten Zwistigkeiten für die beiden Spediteurorganisationen erstellt wurden.16 I. Anfänglich sollen die Bestättere der Gütere, und Wahren, so auf Lübeck und Oldenschloe geführet werden, Achtung geben, daß zu jederzeit Fuhr-­Leute Begehren, und Erfodern die Güter und Wahren nach Lübeck und Oldenschloe führen können. II. Nechst dem sollen sie, oder einer von ihnen, so offt es Börse-­Zeit ist, sich daselbst finden lassen, damit der Kauff-­Mann das Seinige, was er fort schicken will, ohne Verzug durch sie verdingen, und wegsenden könne. III. Die Verdingungen so von ihnen im Nahmen, und auf Befehl der Kauf-­Leute geschehen, sollen von ihnen ohne List und Betrug, auch ohne Ansehung einiger

16 SHW, S/599, Nr. 40 rot 1 und Nr. 162 blau. Kompiliert in Blank: Sammlung, Teil 2, S. 954 – 957.

382

Anhang

Geschenck und Gabe, so sie deswegen von den Fuhr-­Leuten zu erwarten haben möchten, auf das allergenaueste vorgenommen, und verrichtet werden. IV . So offt etwas nach Lübeck und Oldenschloe zu führen, im Nahmen der Kauff-­Leute von ihnen bedungen wird, sollen sie, was selbiges sey, wie imgleichen die Zeit, wann es geschehen, auch des Fuhrmanns Nahmen, und wo derselbe wohnhafftig, in ein absonderlich Buch zu schreiben, und dem Kauff-­Mann auf dessen Begehren, von erwehntem allen Rede und Antwort zu geben schuldig seyn. V. Ebenermassen sollen vorerwehnte Persohnen Achtung geben, daß alles dasjenige, was wegzuführen verdungen worden, auch ungesäumt weggeführet, und nicht allhier oder unter Wegens, ohne Vorwissen, und Willen des Kauff-­Manns, aufgehalten, oder niedergelegt, sondern auf das schleunigste an den Ort, wohin es bedungen, gebracht werde. VI. Wann die Wagen-­Bestättere, oder einer derselben, einige Güter oder Wahren zu führen verdungen haben, und der Fuhrmann einige Untreu an selbigen Gütern und Wahren verübet, und dadurch dem Kauff-­Mann schaden zufüget, sollen sie, oder derjenige, welche sothane Güter zu führen verdungen, den Schaden nach Vermögen zu erstatten, gehalten und verbunden seyn, doch sol gleichwol zuvor der Kauff-­Mann auch verpflichtet seyn, ihme den Verdinger eine Vorschrifft an die Obrigkeit, worunter der Fuhrmann, der sothane Untreu verübet, gesessen, an die Hand zu bringen, damit er dadurch desto eher von dem Fuhrmann das Seinige wiederum bekommen, und erlangen, oder Schadloß gehalten werden möge, und was solchergestalt von denen veruntreuten Gütern und Wahren wiederum an die Hand gebracht wird, dasselbe sol der Kauff-­Mann wiederum anzunehmen, gehalten seyn. VII . Da aber einer der Kauff-­Leute seine Güter an einen Fuhrmann selbst verdingen würde, sind sie demselben dafür gar nicht gehalten, oder solcher Sachen wegen, Rede und Antwort zu geben verbunden. VIII. Im Fall mit Gewalt von Strassen-­Räubern, und andern, den Fuhr-­Leuten etwas abgenommen werden sollte, sind sie desfalß gar nicht gehalten, aber deswegen dem Kauff-­Mann, in dessen Nahmen sie selbige Wahren verdungen, Rede und Antwort zu geben schuldig. IX. Damit nun wegen vorerwehnten allen, den Wagen-­Bestättern, eine gebührliche Belohnung und Erstattung zugekehret werden möge, als sol ein jeder Fuhrmann, welcher von hier ab nach Lübeck oder Oldenschloe, Güter oder Wahren führen wird, ihnen dem uhralten Gebrauch nach, für jeder Schiff-­Pfund einen Schilling Lübisch zu geben gehalten, und verbunden seyn; Was aber der Kauff-­ Mann, dessen Güter sie verdungen, ihnen über dem zukehren will dasselbe sol in des Kauff-­Manns guten Willen stehen. X. Es sollen auch die Wagen-­Bestättere, nach dem zwischen ihnen, und denen Litzen-­Brüdern im Jahr 1691. Den 27. Junii getroffenen, nachhero Gerichtlich

Hamburgische Litzenbrüder und lübeckische Wagenbestätter

383

confirmirten und dieser Ordnung beygedrucktem Vergleich, welcher nebst dieser Ordnung, bey Erkauffung des Dienstes dem Käuffer vorgelesen, auch demselben davon ein Exemplar zugestellet werden sol, in allen Puncten und Clausuln sich zu richten gehalten seyn. XI. Derjenige so diesen Dienst käufft, sol ausser denen dazu nach dem Anschlag erfoderten Qualitäten, sein Ampt und Arbeit selbst verrichten, und keinen Knecht dazu halten, es wäre denn daß er mit Kranckheit befiele, auf welchem fall ihm, so lange die Kranckheit währet, einen anderen bequemen Menschen, mit welchem der Kauff-­Mann zu frieden ist, an seiner Stelle zu gebrauchen, erlauben ist. XII. Bey Bedingung der Bauer-­Wagen sollen sie dem Bauren nicht mehr, als 1 Marck für einen Wagen abnehmen, wie auch denen Bauren weder in, noch vor der Stadt nicht entgegen gehen, und denenselben viele Güter und Frachten, ehe und bevor sie dieselbe haben, versprechen, und dadurch die Frachten steigern. XIII . Sollen sie mit darauf sehen, daß die Post-­Wagen nicht mit mehreren Personen, als sich der Wagen-­Ordnung nach gebühret, beladen werden. Actum & Decretum in Senatu publicatumtumque sub Signeto den 2. Dec. Anno 1720.

384

Anhang

F.  Karte: Regionen des Hamburger Land- und Flusshandels

Karte: Regionen des Hamburger Land- und Flusshandels

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Anmerkungen zur Karte 1.  Die Regionen der Karte lassen sich aufgrund der aus den Land- und Elbzollbüchern aus den Jahren 1630 und 1637 gewonnenen Daten konstruieren. Die direkten Handelskontakte mit Bremen und westfälischen Städten treten in den Zollbüchern zu dieser Zeit nicht auf. Der Verkehr nach Buxtenhude kann weiter in diese Handelsgebiete geführt haben, er ist aber nur vereinzelt nachweisbar und deswegen nicht in die Karte aufgenommen worden. 2.  Den einzelnen Regionen sind folgende Städte und Territorien zugeordnet: 1. Lübeck, Kiel, Schleswig, Flensburg, Husum, Neumünster, Ratzeburg und Mölln; 2. Wismar, Schwerin, Rostock, Stralsund, Stettin und Mecklenburg; 3. Lüneburg, Winsen, Lauenburg und Boizenburg; 4. Hitzacker, Dannenberg, Dömitz, Lüchow, Salzwedel, Lenzen, Schnackenburg, Wittenberge, Seehausen, Werben, Gardelegen, Tangermünde, Stendal und Seehausen; 5. Braunschweig, Gifhorn und Hannover; 6. Magdeburg, Naumburg, Halle, Leipzig und Dresden; 7. Erfurt und Schmalkalden; 8. Havelberg, Brandenburg, Berlin, „die Mark“, Ruppin, Wittstock, Frankfurt/Oder, Breslau; 9. Nürnberg und Frankfurg/Main; 10. Harburg, Wandsbek, Bergedorf, Schwarzenbek, Geesthacht. 3.  Nur die relevanten Grenzlinien, Flüsse und Kanäle sind hier dargestellt. zeigt die preußischen Gebiete bis zur ersten Teilung Polens (1772), andere Grenzlinien und das Gebiet des Alten Reichs. 4.  In Esslinger Zollbüchern aus dem 18. Jahrhundert erscheinen neben den oben genannten Gebieten vereinzelt Bremen, Wien, Paris und Italien.

Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen Staatsarchiv Hamburg 111 – 1 Senat Cl. I, Lit. Nd (Lübecker Postwesen und Reihefahrt) Nr. 18 111 – 1 Senat Cl. I, Lit. Pb (Neutralität im 18. und 19. Jahrhundert) Vol. 8c, Fasc. 2, Nr. 5, 6, 7a–d, 8a–c, 8 f, 9, 11a–b, 12a, 14a–b, 18. 111 – 1 Senat Cl.VI (Hanseatica: Auswärtige Angelegenheiten 1369 – 1928) Nr. 1a, Vol. 1, Fasc. 10. Nr. 5, Vol. 1, Fasc. 1a. Nr. 11, Vol. 1, Fasc. 1a, Invol. 1 – 4. 111 – 1 Senat Cl.VII, Lit. Ea (Generalia und Interna vom Hamburger Zoll) Pars. 1, Nr. 3a, Vol. 1, Vol. 2, Fasc. 1, Fasc. 2. Pars. 1, Nr. 3b, Vol. 1, Fasc. 1, Fasc. 2, Vol. 2, Fasc. 1, Fasc. 2. Pars. 1, Nr. 3g, Vol. 1 – 5, Vol. 8, Vol. 10 – 12 (Land- und Elbzollbücher). 111 – 1 Senat Cl.VII, Lit. Eb (Hamburgische Zölle respectu Exterorum) Nr. 2, Vol. 3a. Nr. 4, Vol. 1b, Vol. 1d. Nr. 9, Vol. 1, Vol. 3a. Nr. 10, Vol. 3. Nr. 12, Vol. 5, Vol. 6a. 111 – 1 Senat Cl.VII, Lit. Ec (Auswärtige Zölle und andere Auflagen respectu Hamburg) Nr. 4, Vol. 7a–d, 7 f–h, 7k, 7m, 7n. Nr. 11, Vol. 1a, 1h, Vol. 2a. Nr. 12, Vol. 1a, 1b, Vol. 2, Vol. 4. Nr. 19, Vol. 1, Vol. 2, Vol. 3a, 3b, 3c, Vol. 4, Vol. 6. Nr. 22a, Vol. 1, Nr. 22b, Vol. 1. 111 – 1 Senat Cl.VII, Lit. Ka (Commercium) Nr. 2, Vol. 3. Nr. 3a. Nr. 4, Vol. 4. Nr. 6, Vol. 3, Vol. 5. Nr. 7, Vol. 1, Vol. 2. 111 – 1 Senat Cl.VII, Lit. Kb (Commercium nach verschiedenen Waren) Nr. 5, Vol. 1. Nr. 7b, Fasc. 3, 10. Nr. 8a, Vol. 1a, Vol. 2, Vol. 3. Nr. 11, Vol. 5, Vol. 7. Nr. 12, Vol. 1, Vol. 2, Vol. 3a. Nr. 18, Vol. 1, Fasc. 1, Vol. 2b.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

111 – 1 Senat Cl.VII, Lit. Kc (Commercium nach den Orten und Ländern) Nr. 3a. Nr. 5, Vol. 2, Vol. 6, Vol. 7, Vol. 8. Nr. 12, Vol. 2. Nr. 13b. Nr. 16, Vol. 1a, 1c, 1d, Vol. 2a–2c. Nr. 18. 211 – 2 Reichskammergericht B13; B39; B93; G48; H95; K14; M24; M35; O10; R41; S74; S132; S150; T10a. 331 – 2 Polizeibehörde-­Kriminalwesen 1810 Nr. 469 1810 Nr. 503 371 – 2 Admiralitätskollegium E 8 Bd. 1 – 3. F 3 Bd. 1, Bd. 2, Bd. 7. F 4 Bd. 8, Bd. 13, Bd. 14. F 12 Bd. 1 – 16. 415 – 2 I Amt Bergedorf Pars. II, Sectio. III, Vol. 1 f, Fasc. 1, Nr. 1 – 28; Fasc. 2, Nr. 1 – 136; Fasc. 3. (Esslinger Elbzollregister: ER) 424 – 3 Magistrat Altona Nr. 119. Nr. 802. 612 – 2 Börsenalte Nr. 42 612 – 2/3 Schonenfahrer Nr. 36. Nr. 38. 621 – 1 Firmenarchiv 33 Schroeder Octavio, 1, 2. 47 Unbekannte Firmen, A2. 53 Kern, Nr. 3. 54 Justus, 12a, 12c, 12n. 65 Lorenz-­Meyer, A1, A5. 138 Luis, Sign. 2 621 – 2 Familienarchiv 65 Lorenz-­Meyer, A1, A5 Stiftung Hanseatisches Wirtschaftsarchiv, Safebestand der Commerzbibliothek S/456 Hoep, Matthias (Bd. A. u. Jacob Schroeder): Handlungsbücher. S/599 (Anlagen zu den Protokollen der Commerzdeputation) Nr. 19 rot 1, 7, 8, 9, 10 (Schiffahrt). Nr. 40 rot 1 (Hamburger Handelsverträge etc.). Nr. 162 blau (Litzenbrüder und Güterbestätter, 1696 – 1848). Protokolle der Commerzdeputation Jg. 1790, 1801.

Veröffentlichte Quellen

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Zeitgenössische Literatur und Berichte

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Personenregister A Adolf von Holstein  223 Ashton, Matthew  172

B Backer, Foppe Bouwessen  187 Beckmann, Peter  115 Been, Johann  102 Borstelmann, F.  54 Boué (Familie)  63, 82, 305 Boué, P.  64 Brandes, D.  54 Bratring, Friedrich Wilhelm August  278, 284–285 Bräutigam, (Brudgam), Michael  53 Brokes, Hans  150 Büsch, Johann Georg  38, 80, 191, 210, 268, 272, 336

Fischer, Gerrit Simons  186 Friedrich II. von Dänemark  116 Friedrich II. von Preußen  189 Friedrich III. von Dänemark  119–120 Friedrich Wilhelm I.  261

G Godeffroy (Familie)  64, 82 Godeffroy, J. C.  64

H Hagendorf, Schmidt Ludwig August  339– 340, 342 Hesterbarch, Hans  130, 227 His (Familie/Firma)  63, 305 His, Pierre  63–64 Hoep, Matthias  46, 68, 232 Hudtwalcker, Johann Michael  291

C

I

César, Jean  64 Christian III. von Dänemark  87 Christian IV. von Dänemark  40, 102, 116 – 118, 120, 153 Christian V. von Dänemark  120 Cornelius, Hans  52 Cranfield, Lionel  51 – 53, 61, 68, 170

Isabella von Spanien  149

J Jenisch, Emanuel  167 Johann Friedrich I. von Sachsen  229 Juncker, J. B.  55 Justus, Friedrich  212, 308, 327, 331

D

K

De Bois, A.  55 De Greve, Gils d. J.  228 De Herthoge, C.  55, 57 Dentrato, Francisco  56 – 57 Dobbeler Erben, D.  55, 57, 60

Katharina II. von Russland  191 Kern, Paridom Daniel  212, 335 Klefeker, Johann  125 – 126 Knaufft, N. H.  339, 342–343 Köncke, Magnus Adolf  90–91, 105 – 107, 207–208, 280, 282, 297

E Eichborn  64 Esich, Elard  253

F Ferdinand I.  231 Ferdinand III.  255

L Lagemann, Jürgen Rudolph  285 Lampe, Heinrick  130, 227 Lorenz-Meyer, Johann  212, 321 – 323 Ludwig XIV. von Frankreich  62

420

M Marten, Simon  52 Matthias von Habsburg  233 Moritz von Sachsen  229

P Paler, Wolfgang d. J.  246 Pape, Hinrick  130–131, 227 Piel, Claes  186 Pöterßen, Marten  139

R Rawstorm, Richard  52–53, 170 Reder, Matthias  130 Rochans, Alex  246

S Schloier, D.  54 Schnitker, J.  54 Schplitgerber & Daum  82 Schröder, Octavio  272, 338, 340 Schuback, Johann  74, 83 Schwarz, Matthäus  228

Personenregister Schwerer, Elisabeth  117 Stephani, Daniel  253 Surland  126, 324

T Theresia, Maria  270

U Ugars, Claus  52

V Van Dagen, L.  55, 57 Vega, D. N.  56–57 Von Geldersen, Vicko  45, 226 Von Johnn, Christian August  125 Von Klöber, Carl Ludwig  281–282

W Wacker, Johann Paul  308 Weingart, Johann Erdman  283 Westphalen, Johann  107 Wilckens, Peter  282

Ortsregister A Aachen 47 Aeth 47 Altmark  218, 241, 284 Altona  40, 81, 126, 185 – 187, 192, 208, 284, 290, 300 – 304, 318, 339 – 343 Amerika (die Vereinigten Staaten von Amerika; Nordamerika)  78, 81 – 82, 207, 227, 313, 272, 333 – 335 Amsterdam  20 – 21, 23 – 24, 30, 46, 49, 52, 76, 79, 83 – 84, 88, 95, 97, 105, 124, 130, 148, 184, 186 – 187, 206, 289, 304 – 305, 359 – 360, 363, 365 – 366, 369 Antwerpen  23, 30, 36, 43 – 44, 46 – 47, 49, 95, 130 – 131, 227 – 228, 232 Archangelsk  71, 98 – 101, 103, 122, 136, 174, 188 – 189, 202 – 205, 242 Asien  67, 227 Atlantik  35, 213, 262, 264, 340, 345 Augsburg  57, 167, 227 – 228, 246, 249

B Bardowick  222, 257 Bargteheide 113 Barth  185, 192 Bautzen 319 Bayern 82 Belte  115, 128, 144 – 145 Bengalen 207 Bergen  59, 86 – 88, 91, 149 Berlin  22, 26 – 27, 63 – 64, 74, 82, 89, 91, 107, 189, 196, 198, 215, 222, 225, 232 – 234, 236, 243 – 245, 247, 249 – 250, 252 – 253, 256, 260 – 264, 266 – 270, 272 – 273, 275 – 291, 296, 307 – 308, 311, 319, 324, 326 – 328, 332 – 333, 335, 346 – 347, 351, 356, 385 Bilbao 97 Bistum Magdeburg 224 Bodenteich 218

Böhmen  22, 57, 216, 222, 227, 231, 246, 261 – 264, 271, 279, 287, 327, 354 Bois-Duc 47 Boitzenburg 226 Bordeaux  76 – 79, 150 – 151 Borkum 185 Brabant  47, 293 Brandenburg  56, 76, 222, 230, 233 – 234, 236, 241, 244 – 247, 249 – 251, 266, 346, 385 Brasilien  50 – 51, 95, 97 Braunschweig  86, 218, 224 – 226, 229, 233, 235, 238 – 239, 241, 251, 255, 257, 259, 328, 354, 385 Bremen  24, 62, 77, 84, 88, 118 – 119, 149, 185, 203, 225, 235, 289, 293, 302, 304, 312, 334, 385 Bremervörde 339 Breslau  22, 26, 59, 63 – 64, 70, 82, 188 – 189, 194, 215, 218, 227 – 228, 233, 241, 246, 253, 255 – 257, 259, 262, 264, 269, 279, 281 – 282, 286, 296, 311, 319, 346, 385 Bretagne 80 Brügge  30, 45 – 46, 48, 111 Brüssel 47 Budissin 328 Buxtehude 339

C Cádiz  81, 92, 97 Calais 150 Celle 257 Charleston  334 – 335 Chemnitz 310

D Dame 319 Dänemark  56, 71, 76, 86, 88, 91, 97, 100, 116 – 123, 126 – 127, 129 – 130, 144 – 145, 156, 158, 165, 169 – 170,

422 192, 206, 211, 227, 261, 304, 340, 347, 377 Dannenberg  68, 222, 226, 248, 290, 385 Danzig  22, 36, 52 – 53, 56, 100, 111, 114, 117, 119, 124, 143 – 145, 150 – 152, 157 – 161, 163 – 165, 167, 169 – 170, 172, 182 – 183, 185 – 186, 188, 192 – 195, 198 – 199, 205, 209 – 210, 247, 271, 349, 359 – 369 Davisstraße 102 Deutschland  21, 65, 69 – 70, 72 – 73, 75, 97, 104, 217, 219, 227, 251, 291, 313, 338 Dithmarschen  169, 229 Dömitz  226, 247 – 248, 290, 385 Dresden  22, 26, 32, 57, 91, 215, 219, 222, 233 – 234, 237, 245, 248 – 249, 252, 256, 262, 264 – 265, 272, 277, 291, 321, 351, 371, 385 Dünkirchen 147 Dwina 101

E Eckernförde  112, 136 Eilenburg 319 Elbe  25 – 26, 28 – 30, 40, 57, 60, 66, 87 – 89, 91, 97, 103, 112, 114 – 115, 118, 120, 132, 137, 154, 169, 180, 188 – 189, 196, 198, 216, 218 – 220, 222, 224, 226, 228, 230, 244, 247, 252 – 253, 256 – 257, 260, 265, 269 – 273, 275, 277, 285 – 286, 290, 292, 295, 303, 311, 313 – 314, 316, 318 – 321, 324 – 325, 340, 349, 351, 353, 371 Emden  43, 52, 68, 105, 151, 339 England  18, 30, 37, 39, 42 – 45, 53, 60, 62 – 63, 66 – 70, 72 – 76, 78, 80 – 82, 87, 94, 97, 100, 103, 106 – 108, 129 – 130, 141, 151, 155 – 156, 169, 171 – 172, 180, 188, 192, 204, 206, 211, 228, 232, 239, 262, 272, 283,

Ortsregister 285, 304, 309, 313, 333 – 336, 338 – 340 Erfurt  46, 219, 233 – 234, 238, 257, 259, 314, 385 Esslingen  175, 196, 218, 256, 258, 262, 269, 271, 273, 275, 289, 291 – 293, 320, 324, 326, 331, 354 – 356

F Finsterwalde 319 Fischbek 113 Fiume 270 Flandern  45 – 47, 130, 171, 223 Flensburg  112, 136, 185, 192, 359, 370, 385 Frankfurt am Main  22, 169, 219, 228 – 229, 233 – 234, 236, 253, 255, 257, 259 Frankfurt an der Oder  64, 228, 233 – 234, 236, 242, 244 – 251, 253 – 254, 263, 287, 295 – 296, 317, 319, 346 – 347, 385 Frankreich  18, 30, 39, 61 – 63, 66, 69, 75 – 80, 97, 103, 107 – 108, 151, 161, 169, 172, 180, 191, 203, 206, 211, 217, 239, 262, 272, 288, 293, 304, 307, 309, 313, 334 – 336, 348

G Gardelegen  218, 385 Gifhorn  218, 385 Glatz 268 Glückstadt  40, 67, 87 – 88, 112, 120, 362, 364, 368 Görlitz  70, 319, 328 Gotland  57, 144, 162 – 163, 360, 364 – 367, 369 Göttingen  225, 327 Grande 114 Greiffenberg 70 Greifswald  144, 162, 359 – 361, 364 Grönland  98, 101 – 103, 120 Guadeloupe 78

Ortsregister

H Hamburg  17 – 18, 21 – 54, 56 – 109, 111 – 213, 215 – 220, 222 – 258, 260 – 272, 274 – 275, 277 – 297, 299 – 336, 338 – 343, 345 – 351, 353 – 371, 373, 376 – 381, 384 Hannover  219, 225, 238, 241, 261, 289 – 290, 335, 337, 385 Hanstholm 115 Harburg  284, 300 – 301, 303, 318, 385 Havel  26, 188, 220, 222, 260, 263, 295, 327 Havelberg  225, 233 – 234, 236, 245, 247 – 248, 250, 331, 385 Helgoland  112, 338 – 339 Helsingør  87, 115, 123, 138 Herford  53, 68 Herrnhut 82 Hitzacker  222, 226, 247, 290, 385 Hohenkirchen 228 Holland  46, 75, 84, 100, 105, 107, 129 – 130, 150, 166, 226, 272, 283, 285, 292 – 293, 299, 302, 307 – 308, 310 – 311, 313 Holstein (Schleswig-Holstein)  56 – 57, 71, 112, 127, 133, 135, 158, 169, 185, 192, 223 – 224, 229, 241, 342 Hoopte  218, 222 Hull  138, 340

I Iberische Halbinsel  94, 97 Ilmenau  218, 222 Irland  73 – 74 Island  56, 87 – 88, 120 Italien  147, 227, 257, 307, 385

J Jan Mayen 102 Jütenbor 319 Jütland  57, 88, 112, 115, 292 – 293

K Kanton 207 Kap Skagen  71, 115

423 Kiel  88, 112, 136, 185, 189, 196 – 197, 208, 226, 233, 385 Kirkcaldy 107 Klitschdorf 319 Königsberg  36, 124, 144, 149, 152, 161, 163 – 164, 185, 188, 192, 194 – 195, 198 – 199, 203, 205, 209, 350, 360 – 362, 364 – 367, 369 Kopenhagen  42, 87, 118, 120 – 121, 125, 127 – 129, 156, 170, 188, 206 – 208, 263, 327 – 328, 360 – 361, 366, 369 Krakau  167, 247 Krossen 319 Krummesse 113 Kuba 97 Kurmark  82, 222, 236, 241, 252, 261, 263, 276, 285, 287, 296 Kursachsen 284

L La Rochelle  64, 151 Landshut 81 Lauban  70, 81, 319 Lauenburg  114, 135, 153 – 154, 164 – 165, 168, 170, 175, 195 – 196, 201 – 202, 204 – 205, 226, 228, 232 – 234, 240, 245, 247, 251, 257, 260, 262, 273 – 274, 288, 290, 294 – 295, 297, 315, 317, 348, 350, 356, 385 Lausitz  82, 279, 313, 328 Leipzig  22, 25 – 26, 53, 82, 86, 99, 169, 194, 215, 218, 228 – 229, 232 – 236, 238, 240 – 243, 248, 251 – 252, 255 – 257, 259, 261 – 262, 264 – 265, 270, 277, 279, 281 – 282, 286, 296, 300, 310, 314 – 315, 319 – 322, 324 – 325, 328 – 329, 335 – 336, 339, 343, 346, 351, 354, 385 Lemberg 194 Libau  203, 350 Lissabon  48, 50, 92, 95, 138, 207, 310, 320 Livland  115, 131, 165, 203, 205, 350 Livorno  186, 300 Lohburg 319

424 London  45 – 46, 51, 53, 66 – 69, 111, 124, 130, 170, 207, 227, 232, 234, 310, 320, 340 Löwenberg 319 Lübeck  22, 24, 26 – 28, 32 – 33, 36 – 39, 45, 52, 57, 62, 64, 68, 77, 86, 88 – 90, 95 – 96, 100, 108 – 109, 111, 113 – 114, 116, 118 – 120, 122, 130 – 139, 144, 149 – 150, 152 – 155, 158 – 159, 161 – 173, 175, 185, 189, 195 – 197, 199 – 208, 211 – 213, 215, 223, 225 – 228, 231 – 233, 235, 240 – 243, 247, 250 – 251, 260 – 262, 265, 271 – 274, 288, 294 – 295, 297 – 298, 302, 312, 315 – 317, 322 – 324, 326 – 328, 334 – 335, 343, 345 – 351, 355 – 370, 378, 380 – 382, 385 Lüchow  68, 222, 226, 248, 385 Lüneburg  22, 26, 32, 56, 64, 86, 88 – 90, 108, 114, 116, 154, 164, 169, 196, 203, 207, 215, 217 – 218, 222 – 226, 228 – 229, 232 – 235, 237 – 239, 241 – 244, 247 – 252, 256 – 257, 259, 265, 272 – 274, 279 – 282, 286, 291, 295 – 297, 301, 304, 308, 315, 319 – 322, 324 – 325, 329, 346, 351, 354 – 356, 385

M Maas 47 Magdeburg  22, 26, 86, 91, 180, 196, 198, 215, 218 – 220, 222, 224 – 226, 229 – 231, 233 – 235, 237 – 239, 241, 243, 247 – 252, 254, 256, 260 – 270, 272 – 284, 286 – 288, 290 – 291, 296, 301, 308 – 310, 312, 315, 319, 321, 324 – 327, 329, 333, 346, 351, 356, 385 Málaga 92 Malmö 87 Mark Brandenburg (die Mark)  57, 223 – 224, 231, 246, 278, 282, 318, 385 Mark Meißen 224

Ortsregister Marklissa 328 Martinique 78 Mecklenburg  57, 114 – 115, 155, 165, 192, 222, 231, 246, 318, 385 Meißen 70 Mělník 219 Memmingen  57, 249 Moldau 219 Mölln  114, 385 Moscou 284 Moucron 47 Muskau 319

N Nantes  39, 51, 62, 79 Narva  100, 159, 174, 242 Naumburg  257, 385 Neritz 113 Neusohl  228, 246 Neustadt 136 Newcastle  106 – 107 Niederlande  18, 24 – 25, 37, 39, 43, 45, 47 – 49, 62, 67, 69, 76, 79, 84, 86, 88, 90 – 92, 94 – 95, 97, 103 – 105, 108, 118 – 119, 141, 143 – 144, 146 – 147, 149, 151, 156, 161 – 162, 164, 166, 169, 211, 227, 239, 253, 289 – 290, 293, 301, 303 – 304 Niedersachsen  88, 185, 246, 287 Niemeck 319 Nieuport 147 Norddeutschland  24, 62, 83, 108, 114, 150, 173, 217, 292 – 293, 302 Norden  185 – 186 Nordsee  28, 35, 37, 65, 85 – 86, 112, 168, 216, 219, 262, 264, 299, 345 Norrköping  144 – 145, 152, 163, 359 – 360, 362, 366 – 367 Norwegen  86 – 88, 91, 120 – 121, 169, 377 Nowgorod  45, 111 Nürnberg  46, 52 – 53, 57, 169 – 170, 218, 227, 229, 231 – 234, 238, 240, 244, 248 – 249, 251, 257, 259, 326, 337, 346, 354, 385

Ortsregister

O Oder  26, 188 – 189, 223, 228, 261, 263 – 264, 266, 269, 295 – 296, 319, 327 Oldenburg 339 Oldesloe  113, 131, 135, 137, 139, 153, 166, 168, 226, 295, 378, 381 Öresund  27, 31, 86, 100, 115 – 121, 123, 125 – 130, 136 – 138, 140 – 141, 144 – 146, 148 – 149, 151, 155 – 157, 169, 175, 177, 179, 183 – 184, 187, 189 – 191, 193 – 195, 202 – 203, 208, 269, 271, 307, 313, 315, 317, 322 – 323, 347, 349, 358, 377 Oschatz 70 Osnabrück  68, 232 Ostende 147 Österreich  22, 210, 227, 262 – 264, 270 – 271, 326, 354 Ostfriesland  104 – 105, 185, 339, 360 Ostsee  17, 22, 28, 37 – 38, 86, 100, 112, 114 – 115, 121, 123, 133 – 134, 136, 138, 140 – 144, 146 – 147, 150 – 151, 155, 157, 160, 164, 174 – 177, 179 – 182, 184, 186 – 188, 190, 192 – 194, 198, 208, 213, 222, 261, 264, 267, 269, 271 – 272, 297, 323, 368 – 370

P Paris  257, 385 Pernau  143, 203, 309, 361, 363 – 364 Pillau 195 Pirna  91, 219, 262, 277, 371 Polen  56, 156, 162, 193 – 194, 198, 246 – 247, 271, 284, 287, 289, 316, 349, 385 Pommern  56, 76, 122, 162, 185, 192, 266, 332, 359, 361 – 362, 368 Portugal  18, 48 – 49, 54, 56, 62, 81, 84, 92 – 97, 108 – 109, 148, 161, 166, 180, 227 – 228, 239, 285, 313, 325, 348 Potsdam 335 Prag  26, 215, 233 – 234, 257

425 Preußen  56 – 57, 74, 80, 82, 107, 162, 189, 192, 199, 210, 252, 261, 263 – 268, 270, 272, 285 – 289, 307, 311, 319, 325 – 326, 335

R Reiherstieg  284 – 285, 301, 318 Reinbek 133 Reval  45, 111, 115, 144, 152, 162 – 163, 199, 360 – 363, 365 – 366, 368 – 370 Riga  111, 115, 153, 161, 183, 188 – 189, 194 – 195, 198 – 199, 203, 350, 366 – 367 Rostock  114, 116, 119, 149, 155, 157, 192, 337, 359 – 360, 363, 385 Rothenburg 319 Russland  88, 98, 100, 122, 127, 162, 169, 173 – 174, 176, 180, 188 – 189, 191, 194, 203 – 204, 210 – 211, 242, 267, 287, 305, 350, 368

S Sachsen  56 – 57, 70, 82, 180, 229, 231, 235 – 236, 241, 246, 261, 263 – 268, 271, 279, 282, 285, 287, 290 – 291, 296, 313, 318 – 319, 354 Sagen 319 Salzwedel  68, 218, 222, 224 – 226, 232, 247 – 250, 385 Sorau 319 Schottland  72 – 74, 106 – 107, 169 Schelde  47, 71 Schlesien  26, 57, 63 – 64, 68 – 70, 80 – 83, 188, 218 – 219, 223, 232, 236, 246, 252 – 254, 261, 263 – 264, 266 – 268, 279, 287, 289, 296 – 297, 299, 313, 320, 326 – 327 Schleswig (für Schleswig-Holstein s. Holstein)  57, 341, 385 Schmilau 114 Schweden  41, 56 – 57, 76, 118 – 120, 122, 128 – 129, 136, 143, 145, 151, 156, 158, 163, 165, 167, 174, 182, 192, 198, 204 – 205, 235, 261, 267, 326, 359 – 369

426 Schwerin  114, 155, 339, 385 Senftenberg 319 Setúbal 92 Sanlúcar de Barrameda  92 Skandinavien  158, 162, 350 Spanien  18, 39, 43, 48 – 49, 54, 56, 62, 64, 66, 81 – 82, 84, 92 – 98, 108 – 109, 115, 139, 143, 146 – 148, 151 – 152, 161, 166 – 167, 169, 227, 239, 271, 288, 291, 303 – 304, 307, 313, 334, 348 Spitzbergen  101 – 102 Spree  188, 222 – 223, 253, 260, 263, 295 Spremberg 319 Sprottan 319 St. Gallen 249 St. Petersburg  22, 101, 122, 136, 140, 173 – 176, 180, 186 – 189, 191, 194 – 195, 198, 203 – 204, 209 – 210, 212, 272, 335, 349 – 350 Stade  43 – 44, 52 – 53, 62, 68, 170, 226, 368 Stettin  114, 117 – 119, 123, 144, 152, 155, 157, 161 – 162, 186, 188 – 190, 192, 194, 209, 261, 263 – 264, 266, 269 – 270, 278, 322 – 323, 349, 358 – 363, 365, 368 – 369, 385 Stockholm  111, 124, 152, 154, 159, 162, 166, 172, 185, 204 – 205, 212, 360, 362, 366 Stralsund  88, 114, 116, 119, 144 – 145, 152, 155 – 158, 162 – 163, 169 – 170, 185, 192, 203, 358 – 363, 365 – 366, 368, 370, 385 Südamerika hinzufügen  59, 97, 291 Süddeutschland hinzufügen  57, 240 – 242 Sunderland 107

Ortsregister

T Tangermünde  220, 250, 385 Teschen  246 – 247 Thüringen  56, 228, 241 Tönning  112, 338, 340, 342 Torgau 319 Trave  112 – 114, 137 Triest 271 Trittau  113 – 114, 133, 153, 158 Trondheim 91

U Uelzen  68, 218, 222, 225 – 226 Ulm  57, 249 Ungarn  22, 52, 56, 68, 227, 233, 246, 288, 317, 326, 354

V Vierlande 256 Visby 163 Vorpommern 155

W Werben  250, 385 Westfalen  22, 57, 203, 293 Westindien  78 – 79, 334 Wiborg  163, 205, 360 – 362, 365 – 367 Wien  233 – 234, 253, 257, 329, 385 Windau 203 Winsen an der Luhe  247, 250, 257, 293, 385 Wismar  114, 116, 119, 122, 155, 157 – 158, 204, 206, 385 Wittenberg  246, 250 Wolgast  185, 358, 361, 363

Z Zittau 70 Zollenspieker  175, 218, 354