Göttinger Händel-Beiträge, Band 20: Jahrbuch/Yearbook 2019 [1 ed.] 9783666504846, 9783525504840


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Göttinger Händel-Beiträge, Band 20: Jahrbuch/Yearbook 2019 [1 ed.]
 9783666504846, 9783525504840

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Göttinger Händel-Beiträge Jahrbuch / Yearbook 2019

Göttinger Händel-Beiträge Begründet von Hans Joachim Marx Im Auftrag der Göttinger Händel-Gesellschaft herausgegeben von Laurenz Lütteken und Wolfgang Sandberger Band XX Redaktionelle Mitarbeit Franziska Sagner

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: © Yale Center for British Art, Paul Mellon Collection / Canaletto: St. Paul’s Cathedral, ca. 1754. Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2197-330X ISBN 978-3-666-50484-6

Giovanni Antonio Canal, genannt Canaletto (*1697 in Venedig; † 1768 in Venedig): St. Paul’s Cathedral, Öl auf Leinwand, 62.9 × 73 × 4.4 cm, ca. 1754 (Yale Center for British Art, Paul Mellon Collection).

St. Paul’s Cathedral, London Als der 25-jährige Georg Friedrich Händel 1710 zum ersten Mal nach London kam, war die Metropole an der Themse eine in jeder Hinsicht tonangebende Stadt. Der politisch-urbane Anspruch Londons, die legitime Nachfolgerin Roms zu sein, spiegelt sich in unserem Schlüsselobjekt: der St. Paul’s Cathedral, dem Sitz des Londoner Bischofs. Nachdem der große Londoner Brand von 1666 die alte Kirche fast völlig zerstört hatte, konzipierte der grandiose Architekt Christopher Wren (1632–1723) die Kathedrale als protestantischen Gegenentwurf zum Petersdom in Rom. Der klassizistische Bau wurde 1710 abgeschlossen, genau in jenem Jahr also, als Händel zum ersten Mal nach London kam. Die Darstellung der St. Paul’s Kathedrale, die noch zu Händels Lebzeiten entstand (ca. 1754), stammt von dem Venezianer Canaletto (eigentlich: ­Giovanni Antonio Canal), der durch seine Venedig-Bilder von nahezu foto­ realistischer Präzision Berühmtheit erlangte. Durch seinen Mäzen und Auftraggeber Joseph Smith, den englischen Konsul in Venedig, wurde Canaletto auch unter englischen Adelskreisen bekannt. In den Jahren 1746–1755 wirkte er in Großbritannien und wurde vom Duke of Richmond gefördert. Dass der monumentale Bau der St. Paul’s Kathedrale den jungen Händel beeindruckt haben dürfte, ist naheliegend. Der Innenraum in Kreuzform hatte eine exzellente Akustik und wurde von Händel besonders geschätzt. Sir John Hawkins (1719–1789) berichtet, Händel habe nach dem ‚Morning Service‘ manchmal die Orgel der größten Kirche Londons gespielt. Diese Orgel wurde 1697 von dem Orgelbauer Bernard „Father“ Smith erbaut, einem Immigranten aus Deutschland. Der Prospekt stammt von Wren selbst, mit dem Smith jahrelang um den endgültigen Standort und die Größe der Orgel stritt. Das 28 Register umfassende Instrument stand zu Händels Zeiten auf einem Lettner, der auch als Musikempore diente. Von hier aus leitete Händel am 7. Juli 1713 während eines Dankgottesdienstes anlässlich des Friedens von Utrecht die Aufführungen seines Utrechter Te Deums (HWV 278) und des Jubilate (HWV 279). Wolfgang Sandberger

Inhalt Laurenz Lütteken (Zürich) Metropole London. Einführung zum Symposium der Händel-Festspiele 2018 . . . . . . . . 1 Andreas Gestrich (London) Händels London. Leben in der Musikmetropole des 18. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . 7 Gesa zur Nieden (Greifswald / Hannover) „Native“ – „foreign“. Zum Nexus von Sozialstruktur und Rezeptionsästhetik in der Musikmetropole London . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Bernhard Jahn (Hamburg) Beggar’s Opera und Royal Academy of Music als Konkurrenz? Die Situation der Londoner Theaterunternehmen im europäischen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Natasha Loges (London) Händels Musik und Programmgestaltung in Londons Kristallpalast, 1859–1874 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Hanna Walsdorf (Leipzig) „Come, ever-smiling liberty“: Händels Judas Maccabaeus (1747), der Krieg und der Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Patrick J. Rogers (San Marino, Kalifornien) Handel Opera à la Mode: Samuel Arnold’s Giulio Cesare Pasticcio in Performance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Internationale Bibliografie der Händel-Literatur 2017/2018 . . . . . . . 137 Mitteilungen der Göttinger Händel-Gesellschaft e. V. . . . . . . . . . . 141

Metropole London Einführung zum Symposium der Händel-Festspiele 2018 Laurenz Lütteken (Zürich) Für einen aufstrebenden Hofmusiker des frühen 18. Jahrhunderts wäre es wohl, wie es auch auf Händel zutrifft, naheliegend gewesen, sich nach Italien zu wenden. Der Kontakt mit einer französisch geprägten Hofmusik hätte zudem einen Aufenthalt in Paris empfohlen, im deutschen Sprachraum wären überdies Aufenthalte in Dresden, Wolfenbüttel oder Wien denkbar gewesen. Ein Gang nach London hingegen war zwar nicht völlig isoliert, aber doch ungewöhnlich genug. Die dokumentierten Fakten von Händels Übersiedlung nach England sind überdies nicht sehr aussagekräftig. Nach der Rückkehr aus Italien ging er, wohl auf Vermittlung Agostino Steffanis, an den kurfürstlichen Hof in Hannover, wo er schon am 16. Juni zum Hofkapellmeister ernannt wurde, trotz des jugendlichen Alters unter luxuriösen Bedingungen.1 Dies ermöglichte ihm lange Reisen, die erste wurde wohl schon im Oktober 1710 begonnen, und sie führte ihn über Düsseldorf nach London. Dort blieb er, unter Überziehung des ihm gewährten Urlaubs, bis zum Sommer des Folgejahres, kehrte dann aber ohne größere Probleme in sein Amt zurück. Im September 1712 brach er erneut nach London auf, und dieser Wechsel war nun endgültig. Auch wenn die welfische Thronfolge im Königreich seit 1701 feststand, so war es 1710 oder 1712 nicht selbstverständlich, darauf im Vorhinein zu hoffen – schon gar nicht für einen gerade 25-jährigen Hofkapellmeister, der damit aus den festgefügten Bahnen vorsätzlich ausgebrochen war. Im Juni 1713 kam es überdies zu einer förmlichen Demission aus dem kurfürstlich-hannoverschen Hofdienst, doch, auch dies ist bemerkenswert, hat darunter weder der Kontakt zu den welfischen Gesandten in London gelitten noch zum späteren König Georg I. Trotz großzügiger früher Patronage ist Händel nie wieder in den festen höfischen Dienst zurückgekehrt. Für einen weltgewandten jungen Musiker lag diese Wendung nach London also nicht nahe. Die Zahl der temporären oder auch dauerhaften musikalischen Einwanderer, die kurz nach 1700 ins Königreich kamen, ist überschaubar, der berühmteste ist wohl der 1697 aus Berlin nach London ausgewanderte Johann Christoph Pepusch (1667–1752). Die Nachahmung eines Vorbildes ist demnach ausgeschlossen, die Ursachen scheinen also in der hohen Attraktivität zu Donald Burrows: Handel and Hanover, in: Peter Williams (Hg.): Bach, Handel, Scarlatti. Tercentenary Essays, Cambridge u. a.: Cambridge University Press 1985, S. 35–60.

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liegen, die London für Händel gehabt haben muss. Die Glorious Revolution von 1688/1689, als „Idealtyp einer restaurativen, vormodernen Revolution“ dem Charakter nach eher ein Staatsstreich, hatte England gravierend verändert.2 Aus dem später vereinigten Königreich war ein neuzeitlicher, partizipatorischer Verfassungsstaat geworden, dessen Strukturen sich von den absolutistischen Tendenzen in Frankreich und im Deutschen Reich sowie von den aristokratisch-oligarchischen Regierungsformen Oberitaliens deutlich unterschieden und auch unterscheiden wollten. Die Folgen waren beträchtlich, äußerlich besonders deutlich sichtbar an der Politisierung der Öffentlichkeit in einer Reihe rasch aufeinander folgender Wahlen. Die Entmachtung Jakobs II. und die vom Parlament beschlossene Einsetzung Wilhelms von Oranien begünstigten ein Klima diskursiver Selbstverständigung, mit dem Aufsehen erregenden Auftakt der Rückkehr John Lockes (1632–1704) und Anthony Earl of Shaftesburys (1671–1713) aus dem Exil nach England.3 Die ruppigen äußeren Begleitumstände, namentlich die selbsterklärte Hegemonie Englands im Vereinigten Königreich und die unduldsam festgeschriebene Rolle des anglikanischen Protestantismus als Staatsreligion, wurden nicht als Hemmnisse auf dem Weg zu einer neuzeitlichen Zivilgesellschaft gesehen, im Gegenteil. Die neu sich konstituierende Öffentlichkeit bahnte sich eigene, neue Wege, die es in dieser Form in Europa nicht gab. Dies gilt sowohl institutionell, etwa in der Entdeckung des Kaffeehauses als Ort öffentlicher Debatten,4 als auch habituell, etwa im neuen Publikationsmedium der moralischen Wochenschrift.5 Damit einher ging ein neues, ein verändertes Verhältnis zur äußeren Welt, zu ihren Erscheinungsformen, sichtbar einerseits im von Locke propagierten Empirismus, andererseits im von Isaac Newton (1643–1727) geforderten neuen Verständnis der ‚exakten‘ Wissenschaften.6 Dazu Ulrich Niggemann: Revolutionserinnerung in der frühen Neuzeit. Refigurationen der ‚Glorious Revolution‘ in Großbritannien (1688–1760), München / Wien: De Gruyter Oldenbourg 2017 (= Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London 79), S. 13. 3 Dazu John R. Milton: The Unscholastic Statesman. Locke and the Earl of Shaftesbury, in: John Spurr (Hg.): Anthony Ashley Cooper, First Earl of Shaftesbury (1621–1683), Farnham: Ashgate 2011, S. 153–173; Patrick Müller: „An equal Commonwealth“. Lord Ashley and the Republican Project of the late 1690s, in: ders. (Hg.): Shaping Enlightenment Politics. The Social and Political Impact of the First and Third Earls of Shaftesbury, Berlin u. a.: Lang 2018, S. 115–134. 4 Vgl. Elfi Bettinger: „Places Devoted to Scandal“. Zur Kultur englischer Kaffeehäuser im 18. Jahrhundert, in: Gertrud Lehnert / Brunhilde Wehinger (Hg.): Räume und Lebensstile im 18. Jahrhundert. Kunst-, Literatur- und Kulturgeschichte, Hannover: Werhahn 2014 (= Aufklärung und Moderne 30), S. 83–100. 5 Vgl. Richard Squibbs: Urban Enlightenment and the Eighteenth Century Periodical Essay. Transatlantic Retrospects, Basingstoke: Macmillan 2014. 6 Vgl. hier etwa Tamás Demeter: Dabid Hume and the Culture of Scotish Newtonianism. Methodology and Ideology in Enlightenment Inquiry, Leiden / Boston: Brill 2016 (= Brill’s Studies in Intellectual History 259). 2

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England galt als eine sich verfassungsrechtlich begründende und sich seiner selbst fortwährend diskursiv vergewissernde Bürgergesellschaft, die sich ungeachtet der monarchischen Ansprüche behaupten wollte. Auf dem Kontinent wurde dies aufmerksam wahrgenommen, und nicht erst in den staatsrechtlichen Überlegungen Montesquieus oder Voltaires. Der Frankfurter Ratsherr Zacharias Conrad von Uffenbach (1683–1734) bereiste im Jahr von Händels erstem London-Aufenthalt die Stadt ebenfalls, und in seinem Reisebericht kam genau dies zur Sprache. Er bemerkte zudem, dass auch die Musik an diesem Klima partizipierte: „Gegen Abend giengen wir mit Herrn Pauli und einem Holsteiner, welcher auch in der Gesellschaft war, in die Gerardstreet at the Romer tavern, allwo der Wirth, der ein Franzose ist, Namens Binet, wöchentlich ein Musik-Concert hält. Er hat einen grossen Saal, daran ist ein kleines Zimmer, in welchem eine grosse Menge von auserlesenen Musicalischen Instrumenten hiengen. Er hatte insonderheit zwey unvergleichliche Flügel, so vor die besten in ganz Engelland gehalten, und jeder von ihm zwey hundert Pf. Sterl. Geschäzet wurden. Sie sind schon über hundert Jahr alt, und von zweyen der berühmtesten Meister in Antwerpen verfertiget. Das beste ist von Hans Rucker […]. Herr Fleischer spielte mit grosser Fertigkeit, Accuratesse und ungemeinen Manieren darauf. […] Wir giengen hernach in unser Caffeehaus […].“7 England als Land mit allenfalls konventionellen christlichen Bindungen, einer weitgehenden Rede-, Presse- und Meinungsvielfalt, als Metropole einer öffentlich organisierten Kultur und der öffentlichen Debatte darüber hat die Frühaufklärer namentlich im deutschen Sprachraum nachhaltig fasziniert. Die Vorstellung, dass der Mensch ausschließlich über sinnliche Eindrücke geformt werde, muss bedeutungsvoll sein auch für seine sozialen Bindungen und Verhältnisse, weswegen der Annahme des ‚moral sense‘ als ordnender Instanz eine geradezu gesellschaftspolitische Bedeutung zukam.8 Der Theologe und Staatsmann Joseph Addison (1672–1719), der 1705 auch Hannover besucht hatte, wollte die Rolle dieser Sinneseindrücke zum Gegenstand eines regelmäßigen Periodikums machen, um in der diskursiven Verständigung das Urteil an eine sittliche Haltung zu binden. Die erste, gemeinsam mit Richard Steele herausgegebene Wochenschrift hieß deswegen ‚Der Plauderer‘ (The Tatler), während in Zacharias Conrad von Uffenbach: Merkwürdige Reisen durch Niedersachsen, Holland und Engelland. Dritter Theil, Ulm: Gaum 1754, S. 242 f. 8 Dazu Wolfgang H. Schrader: Ethik und Anthropologie in der englischen Aufklärung. Der Wandel der Moral-Sense-Theorie von Shaftesbury bis Hume, Hamburg: Meiner 2016 (= Studien zum 18. Jahrhundert 6); auch Leslie Ellen Brown: The Common Sense School and the science of music in eighteenth-century Scotland. A look at John Holden’s ‚Essay towards a rational system of music‘, in: Enrique Alberto Arias u. a. (Hg.): Essays in Honor of John F. Ohl. A Compendium of American Musicology, Evanston: Northwestern University Press 2001, S. 122–132. 7

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der zweiten die epikureische Tradition des Beobachters explizit hervorgehoben worden ist: The Spectator. Beide wurden von Johann Mattheson auszugsweise ins Deutsche übersetzt. Die auf derartigen Grundlagen sich formierende Zivilgesellschaft versicherte sich dabei historischer Vorbilder, die am Ende auf eine Versöhnung mit der Antike zielten. In dieser Hinsicht spielte die Republik Venedig eine herausragende Rolle, da sie in ihrer vermeintlich parlamentarischen Struktur nach der Glorious Revolution zum Vorbild Englands erhoben wurde. James Thomson (1700–1748) hat in seinem 1736 vollendeten patriotischen Gedicht Liberty diesen Zusammenhang beschworen und England auf das in Rom gespiegelte venezianische Vorbild verpflichtet: „The Great Republic see! That glow’d sublime / With the mixt freedom of a thousand States“.9 Der dabei zur Anwendung gelangte argumentative Kunstgriff, Venedig als legitime Nachfolgerin Roms und deswegen England als dessen eigentlichen Erben anzusehen, spiegelte sich unmittelbar in der urbanen Wirklichkeit Londons. Der Klassizismus Christopher Wrens (1632–1722), in der 1710 vollendeten Pauls-Kathedrale gipfelnd, erhielt damit seinen Bezugspunkt in den Palladio-Bauten des Veneto.10 Der Baukunst des Palladio, die zugleich ein sittliches Ideal darstellte, wurde dann, insbesondere im sich ab 1710 herausbildenden englischen Landsitz, die künstliche Natur des englischen Gartens beigegeben.11 Die ‚natürliche‘ Baukunst als Zeichen der Sittlichkeit und die künstliche Natur des Landschaftsgartens als Zeichen der Freiheit bildeten dabei eine unverbrüchliche Einheit, die sich mit geradezu heilsgeschichtlichen Ansprüchen verbunden haben. Die einzigartige Physiognomie der Metropole London isolierte die Stadt unter allen Zentren,12 und sie zeitigte zugleich sehr besondere Folgen für die Musik. Denn es ging in dieser Topographie auch um das Bemühen des Menschen, im Einklang von Sittlichkeit, Natur und Vernunft schöpferisch tätig zu werden, getragen von einer urbanen Musikorganisation, in der die über materielle Äquivalente gewährte (also ‚verdiente‘) Teilhabe im Zentrum stand. In der Einbildungskraft, also der Vorstellung von Dingen, die nicht ‚wirklich‘ waren, konnte sich das Konzept der sensualistischen Seelenlehre auf besondere Weise bewähren. Shaftesbury, stets darauf bedacht, die Neigungen des Menschen zu Altruismus und Egoismus gemäß dem Staatskonzept von Locke zu harmonisieren, veröffentlichte 1711 seine zuvor einzeln gedruckten Schriften in James Thomson: Liberty, V. 45 f. Adrian Geoffrey Gilbert: The New Jerusalem, London: Bantam 2002. 11 Vgl. hier Andrea Siegmund: Der Landschaftsgarten als Gegenwelt. Ein Beitrag zur Theorie der Landschaft im Spannungsfeld von Aufklärung, Empfindsamkeit, Romantik und Gegenauf­ klärung, Würzburg: Königshausen und Neumann 2011. 12 Vgl. hier den Überblick von Jerry White: London in the Eighteenth Century. A Great and ­Monstrous Thing, London: Vintage 2013. 9

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drei umfangreicheren Bänden mit dem Titel Characteristicks of Men, Manners, Opinions, Times. Im dritten Buch finden sich grundlegende Bemerkungen zur Rolle der Einbildungskraft, als deren Regulativ nun – wie im Garten – die Natur bestimmt wurde.13 Als Händel in London eintraf, ist er auf dieses komplexe Bündel an Voraussetzungen gestoßen  – und sie müssen ihn, der vielleicht während seiner Zeit in Hamburg erstmals mit diesen Gedanken in Berührung gekommen ist, fasziniert haben. Es war das Ziel des letztjährigen Händel-Symposiums, diese Voraussetzungen musikspezifisch weiter einzukreisen und zuzuspitzen. Neben dem großen sozialgeschichtlichen Panorama, das Andreas Gestrich dabei zu Beginn entfaltet hat, geschah dies in der Betrachtung impliziter und expliziter Gegensatzpaare: native und foreign (Gesa zur Nieden), nobility und ‚beggar‘ (Bernhard Jahn), war und peace (Hanna Walsdorf) und ancient und modern im Blick auf die Rezeption (Natasha Loges). Der die Thematik ergänzende freie Beitrag von Patrick Rogers konnte zusätzlich aufgenommen werden. Allen Beiträgern sei herzlich für ihre Vorträge und Texte gedankt, Franziska Sagner für die umsichtige Redaktion und Michael Meyer für die Bibliografie.

Dazu Thomas McGeary: Shaftesbury on opera, spectacle and liberty, in: Music and Letters 74, 1993, S. 530–541.

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Händels London. Leben in der Musikmetropole des 18. Jahrhunderts Andreas Gestrich (London) Als Händel im Spätherbst 1710 das erste Mal nach London reiste, war er erst fünfundzwanzig Jahre alt.1 Er kam aus Italien und wollte sich nur für ein Jahr in der britischen Hauptstadt aufhalten. Es war ein Urlaubsjahr, das ihm sein neuer Arbeitgeber, Kurfürst Georg Ludwig von Hannover, vorab gewährt hatte, um ihn als Kapellmeister an seinen Hof zu holen. Händels Erfolg in diesem ersten Londoner Jahr war beachtlich und offensichtlich auch für den jungen Musiker so beeindruckend, dass er 1712 bereits wieder mit Zustimmung des Hannoveraner Kurfürsten nach London zurückkehrte und dort sofort auf ein begeistertes Publikum stieß. Aus diesem zweiten Besuch wurde bald eine dauerhafte Übersiedelung nach London. 1727 nahm Händel die englische Staatsbürgerschaft an und blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1759, also fast ein halbes Jahrhundert, in London.2 Mit der Freistellung Händels für die Englandaufenthalte wollte der Kurfürst vermutlich auch seinen in Großbritannien keineswegs unumstrittenen Anspruch auf die britische Krone durch musikalische ‚soft diplomacy‘ unterstützen.3 Das Haus Hannover sollte an Stelle der seit der Glorious Revolution von 1688 im französischen Exil lebenden katholischen Stuarts die Nachfolge Königin Annas antreten. Dies folgte aus dem sogenannten ‚Act of Settlement‘ von 1701, einem Gesetz, durch das Katholiken von der britischen Thronfolge Zu Händels Leben vgl. v. a. die verschiedenen auf Otto Erich Deutsch: Handel. A Documentary Biography, New York 1955 beruhenden biographischen Dokumentensammlungen. Im Rahmen dieses deutschsprachigen Beitrags wird primär verwiesen auf: Editionsleitung der Hallischen Händel-Ausgabe (Hg.): Händel-Handbuch, Bd. 4: Dokumente zu Leben und Schaffen. Auf der Grundlage von Otto Erich Deutsch. Handel  – A Documentary Biography, Leipzig: VEB Deutscher Verlag für Musik 1985. Zum ersten Londonaufenthalt vgl. ebd. die Dokumente auf S. 46–53. Eine nochmals erweiterte Quellengrundlage bietet nun auch die auf fünf Bde. angelegte Edition von Donald Burrows u. a. (Hg.): Georg Frederic Handel. Collected Documents, Bde. 1–3, Cambridge 2014–2017. Für einen biographischen Überblick Donald Burrows: Handel, 2. Aufl. Oxford 2012; David Hunter: The Lives of Georg Frideric Handel, Woodbridge 2015. 2 Zum Beginn von Händels zweitem Englandaufenthalt vgl. Händel-Handbuch (wie Anm. 1), S. 57. 3 Händel wurde vom Kurfürsten anscheinend auch als nützliche Quelle für Hofnachrichten, v. a. zum Gesundheitszustand der Königin angesehen. Vgl. Donald Burrows: Handel, the British Court and the London Public, in: Göttinger Händel-Beiträge 15, 2014, S. 109–118, hier S. 110. 1

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ausgeschlossen worden waren. Annas Kinder waren alle bereits im Kindes- oder Jugendalter gestorben. Im Jahr 1710 war Königin Anna, obwohl noch keine fünfzig Jahre alt, bereits kränklich und weitere Kinder waren nicht mehr zu erwarten. Manches hätte der Hannoveraner Thronfolge jedoch noch in die Quere kommen können, da Europa sich seit 1701 im Krieg befand. Großbritannien lag mit Frankreich im Krieg, da es im Spanischen Erbfolgekrieg, in dem die österreichischen Habsburger und Frankreich um das Erbe der spanischen Habsburger stritten, die Seite der Habsburger ergriffen hatte. Frankreich erkannte dagegen den Hannoverschen Thronfolgeanspruch nicht an und unterstützte die Nachfolge der Stuarts.4 Diese verfügten in Großbritannien weiterhin über eine keineswegs nur katholische Anhängerschaft. Der Kurfürst hatte daher durchaus Grund, für seine Person und seine Thronfolge in London ‚Musik‘ zu machen.5 London war eine Stadt, deren enorme kulturelle Dynamik am Beginn des 18. Jahrhunderts auf einer sozialen, wirtschaftlichen und politischen Basis ruhte, die die britische Hauptstadt deutlich von anderen europäischen Städten unterschied. Wie nirgendwo sonst begann sich in England und ganz besonders in London ein breiter Markt für ‚leisure‘, also für Freizeitaktivitäten vom Sport bis zu Kunst und Musik herauszubilden. In der Händelforschung wurde vielfach argumentiert, dass dadurch auch Künstler wie Händel aus ihrer traditionellen Bindung an kirchliche oder monarchische Auftraggeber befreit und in die Lage versetzt worden seien, sich als unabhängige Musiker zu etablieren.6 Das ist generell richtig. Es bleibt aber die Frage, die auch in der Händelforschung weiter debattiert wird, wie speziell der Musikmarkt eigentlich aussah, von dem Händel profitierte. Funktionierte er wirklich unabhängig von den traditionellen frühneuzeitlichen Patronagebeziehungen? Handelte es sich auch im Musikbereich um einen kapitalistischen Markt im Sinne der modernen Kulturindustrie?7

Zur neueren Forschung zum Spanischen Erbfolgekrieg vgl. v. a. Matthias Pohlig / Michael Schaich (Hg.): The War of the Spanish Succession. New Perspectives, Oxford 2018. 5 Zur Thronfolge des Hauses Hannover vgl. Andreas Gestrich / Michael Schaich (Hg.): The Hanoverian Succession. Dynastic Politics and Monarchical Culture, Farnham / Burlington 2015; Ronald Asch (Hg): Hannover, Grossbritanien und Europa: Erfahrungsraum Personalunion, 1714–1837, Göttingen 2014. 6 Vgl. dazu z. B. Laurenz Lütteken: „Stolzer Britten Ruhm“ – Händels Weg nach England, in: Göttinger Händel-Beiträge 13, 2010, S. 1–15; H[arry] Diack Johnstone: Handel’s London. British musicians and London concert life, in: Donald Burrows (Hg.): The Cambridge Companion to Handel, Cambridge 1998, S. 64–77; Tim Blanning: The Triumph of Music. The Rise of Com­ posers, Musicians and their Art, Cambridge, Mass. 2008, der auf S. 17 in diesem Zusammenhang von der „Liberation of the Musician“ spricht. 7 Vgl. zum Aufstieg der cultural industries in Großbritannien Christiane Eisenberg / Andreas Gestrich (Hg.): Cultural Industries in Britain and Germany. Sport, Music and Entertainment from the Eighteenth to the Twentieth century, Augsburg 2012. 4

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Im Folgenden wird keine detaillierte Händelforschung präsentiert.8 Vielmehr werden vier Schlaglichter auf die Stadt London in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts geworfen. Sie beleuchten den Raum und die sozialen Kreise, in denen Händel sich bewegte, und erhellen dabei auch die Zwänge und Abhängigkeiten des künstlerischen Arbeitsmarktes sowie die Chancen, die sich für Migranten wie Händel in London im frühen 18. Jahrhundert ergaben. Die Stationen sind primär topographisch und nach sozialhistorischen Gesichtspunkten, nicht nach solchen der künstlerischen Entwicklung Händels geordnet. Es sind erstens der Ankunftshafen und damit verbunden die Bedingungen der Immigration, dann Händels Wohnquartier mit dem königlichen Hof und den aristokratischen Vierteln als spezifischem Patronageumfeld, drittens die Theater als Orte der Arbeit und Quellen von Händels Wohlstand und schließlich die Kaffeehäuser und das Foundling Hospital als komplexe Orte von Kommerz und sozialem Verkehr.

I. Ankunftshafen und Immigration Händel reiste 1710 über Düsseldorf nach London, also vermutlich per Schiff den Rhein hinunter. Wo und wie er über den Kanal übersetzte, ist nicht bekannt. Englandreisende überquerten den Kanal in der Regel auf sogenannten ‚Packet Boats‘, Postschiffen, die im frühen 18. Jahrhundert drei Mal in der Woche zwischen Dover und Calais und Ostende verkehrten und auch Personen mitnahmen. Händel wird auf einem dieser Schiffe gereist sein. Sie verkehrten auch während des Krieges, zumindest zwischen Ostende und Dover. Händel wäre dann vermutlich mit der Kutsche von Dover nach London gekommen. Es gab aber auch Routen besonders von Frachtschiffen, mit denen man z. B. von Rotterdam direkt in London ankam, z. B. am St Katharine’s Dock neben dem Tower.9 London war zu Beginn des 18. Jahrhunderts der bei weitem größte Hafen Großbritanniens. Fast 80 % der Importe des gesamten Landes wurden um 1700 über London abgewickelt, ebenso ein erheblicher Anteil der Exporte und Re-Exporte, besonders Tabak, Zucker, Gewürze und Seiden für den europäischen Kontinent. Es herrschte daher ein enormes Leben und ein Gedränge auf dem Fluss. Hunderte von Schiffen lagen gleichzeitig an den zahlreichen Docks, um Der Beitrag wurde konzipiert als ein Festvortrag für ein breiteres Publikum. Dieser Charakter wurde in der nur um Fußnoten erweiterten Druckfassung beibehalten. 9 Zum Post- und Passagierverkehr über den Kanal vgl. Renaud Morieux: The Channel. England, France and the Construction of a Maritime Border in the Eighteenth Century, Cambridge 2016, v. a. S. 284–289. 8

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ihre Ladungen zu löschen. Der Handel beflügelte auch die Immigration. London und besonders das East End waren damals ethnisch ähnlich vielfältig wie heute. Iren, Juden, französische Hugenotten, auch etwa 5000–10.000 Schwarze lebten um die Mitte des 18. Jahrhunderts in London. Die Stadt zog besonders junge Leute im erwerbstätigen Alter an. Als 25-jähriger Einwanderer auf der Suche nach Arbeit und Erfolg entsprach Händel zumindest in dieser Hinsicht dem idealtypischen Londoner Einwanderer jener Zeit.10 Die starke Zuwanderung nach Großbritannien und speziell nach London war im Land nicht unumstritten. Im Jahr vor Händel waren am Londoner St Katharine’s Dock (siehe Abbildung 1) etwa 15.000 Auswanderer aus der Pfalz angekommen. Diese Masseneinwanderung von überwiegend verarmten Deutschen, vielfach ganzen Familien, war bei Händels Ankunft ein heißes innenpolitisches Thema. Die Pfälzer wollten den in ihrer Region besonders heftigen militärischen Kämpfen des Spanischen Erbfolgekriegs, der damit verbundenen Armut sowie der gewaltsamen Rekatholisierungspolitik des Hauses Pfalz-Neuburg entkommen.11 Ebenfalls aus konfessions- und bevölkerungspolitischen Gründen hatte in Großbritannien die regierende Partei der sogenannten ‚Whigs‘ 1708 ein Gesetz erlassen, das protestantischen Immigranten die Einbürgerung erleichtern sollte. Denn London war nicht nur im Jahr 1666 von einem verheerenden Stadtbrand, sondern 1665 auch von der letzten Pestwelle Großbritanniens heimgesucht worden. Allein in London waren der Seuche 80.000 Menschen zum Opfer gefallen, die allgemeinen Bevölkerungszahlen stagnierten im ausgehenden 17. Jahrhundert oder waren vielleicht sogar leicht rückläufig. Vor diesem Hintergrund schien eine positive Immigrationspolitik einleuchtend. Allerdings gab es auch heftigen Widerstand gegen diese Lockerung der Einbürgerungsbestimmungen. Er ging von weiten Teilen der Londoner Bevölkerung aus, die fürchtete, durch verarmte Migranten belastet zu werden, sowie von den Tories, die ohnehin skeptisch gegenüber der Thronfolge der protestantischen Hannoveraner waren.12 Als die Tories dann 1712 an die Macht kamen, wurde Zur Londoner Bevölkerungsgeschichte vgl. Leonard D. Schwarz: London in the Age of Industrialisation: Entrepreneurs, Labour Force and Living Conditions, 1700–1850, Cambridge 1992; einen guten Überblick bietet auch Clive Emsley u. a.: London History – A Population History of London, in: Old Bailey Proceedings Online, www.Oldbaileyonline.org, version 7.0 (Zugriff am 6.12.2018). 11 Daniel Statt: Foreigners and Englishmen. The Controversy over Immigration and Populaion, 1660–1760, London 1995, S. 122–130; Harry Thomas Dickinson: The poor Palatines and the parties, in: English Historical Review 82, 1967, S. 464–485; vgl auch Robin Eagles: The ‚Poor Palatines‘ – political ramifications of eighteenth century migration, in: The History of Parliament, https://thehistoryofparliament.wordpress.com/2015/09/03/the-poor-palatinespolitical-ramifications-of-eighteenth-century-migration (Zugriff am 6.12.2018). 12 In Leserbriefen wurde sogar Gewalt gegen die Immigranten angedroht. Vgl. z. B. Review of the State of the British Nation, 17.6.1709, H. 45: „[…] But the Humour of the English Work-People 10

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St Katharine’s Dock

Abb. 1: Ausschnitt aus John Roque: A plan of the cities of London and Westminster, and borough of Southwark, 1746.

das Einbürgerungsgesetz sofort rückgängig gemacht.13 Es gibt keine Quellen zu Händels Wahrnehmung dieser öffentlichen Diskussionen und der offenen Feindschaft gegenüber den eingewanderten deutschen Landsleuten. Die Debatten können ihm aber kaum entgangen sein. Die ‚poor Palatines‘, wie diese deutschen Einwanderer in England hießen, landeten 1709 am St Katharine’s Dock. Die meisten von ihnen, vermutlich etwa 10.000 Personen, wurden in ein ‚Auffanglager‘, eine notdürftig errichtete Zeltstadt am Rande von London, eingewiesen, einige fanden in Warenhäusern im Umfeld des Docks eine Unterkunft. Falls Händel im Herbst 1710 nicht im Londoner Hafen gelandet, sondern mit der Kutsche von Dover gekommen is at this time so averse to Foreigners, that some of them have declared (as I am inform’d) that if they come to work among them they will be Occasion of their Deaths […].“ Tätliche Übergriffe dieser Art sind nicht vorgekommen, aber sie wären auch nicht ausgeschlossen gewesen. Als die Regierung 1753 noch einmal versuchte, die Einbürgerung speziell für die im Land wohnenden Juden zu erleichtern, gab es öffentliche Ausschreitungen in einem Ausmaß, dass das Gesetz sofort widerrufen wurde. 13 Zur Einwanderungsgesetzgebung vgl. Margit Schulte Beerbühl: Deutsche Kaufleute in London. Welthandel und Einbürgerung (1660–1818), München 2007, S. 33–37; Daniel Statt: The City of London and the Controversy over Immigration, 1660–1722, in: The Historical Journal 33, 1990, H. 1, S. 45–61; Gary Stuart De Krey: A Fractured Society. The Politics of London in the First Age of Party, 1688–1715, Oxford 1985.

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sein sollte, wird er an den Resten dieser Zeltstadt vorbeigekommen sein. Wäre Händel dagegen nach einer Ankunft direkt in London von St Katharine’s Dock nach Westen in die City gegangen, dann wäre er sofort in Straßen und Viertel gelangt, in denen besonders viele deutsche Kaufleute wohnten bzw. ihre Niederlassungen hatten.14 Gleich zwischen dem Tower und der St Paul’s Cathedral lag z. B. der sogenannte ‚Stalhof‘ (siehe Abbildung 2), das bis ins 19. Jahrhundert zumindest nominell existierende Kontor der deutschen Hanse. Der Stalhof war ebenfalls dem großen Stadtbrand von 1666 zum Opfer gefallen, aber wieder aufgebaut worden. Der großen deutschen lutherischen Gemeinde wurde auch erlaubt, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Stalhof eine abgebrannte anglikanische Kirche neu aufzubauen und für ihren Gottesdienst zu nutzen. Finanziert vor allem von wohlhabenden Hamburger Kaufleuten wurde die neue Kirche einfach Hamburg Lutheran Church (siehe Abbildung 2) genannt. Obwohl Händel vor seiner Reise nach England auch kurz in Hamburg gelebt hatte, ist nicht bekannt, dass er engeren Kontakt zu dieser Gemeinde und zu diesen Kreisen deutscher Landsleute in London gesucht hätte. Händel zog es eher zu seinen ‚Kunden‘, also zur englischen Oberschicht hin. Topographisch bedeutete das, dass er ins West End strebte. Für den gesellschaftlichen Aufstieg war langfristig außerdem die britische Staatsbürgerschaft wichtig. Händel hätte zwar auch als Ausländer dauerhaft in London leben und arbeiten können, aber er wäre ein Bürger zweiter Klasse geblieben. Denn vor 1709 und nach 1712 durften Ausländer in Großbritannien keinen Grundbesitz erwerben oder vererben. Sie mussten außerdem höhere Steuern bezahlen und unterlagen zahlreichen weiteren wirtschaftlichen und sozialen Restriktionen. Jede Einbürgerung musste beim Parlament beantragt werden und stand ausschließlich Protestanten offen. Außerdem war sie teuer. Die Gebühr für eine Einbürgerung lag bei 65 Pfund, das entsprach etwa drei Jahresgehältern einer Arbeiterfamilie.15 Einwanderungsanträge wurden daher überwiegend von wohlhabenden Kaufleuten und Handwerkern gestellt. Händel wurde 1727 eingebürgert. Er war einer von zwei Musikern, die sich in dem Zeitraum zwischen 1715 und 1800 einbürgern ließen.16 Händel war nach fünfzehn Jahren in London bereits so wohlhabend, dass er diese Gebühr aufbringen konnte. Er war nun in jeder Hinsicht in Großbritannien angekommen.

Panikos Panayi: Germans in London, in: Nick Merriman (Hg.): The peopling of London. Fifteen thousand years of settlement from overseas, London 1993, S. 111–117. 15 Schulte Beerbühl: Kaufleute (wie Anm. 13), S. 47. 16 Ebd., S. 60, Anm. 156 und S. 422. 14

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Hamburg Lutheran Church

Steel Yard

Abb. 2: Ausschnitt aus John Roque: A plan of the cities of London and Westminster, and borough of Southwark, 1746.

II. Händels Wohnquartier, der Hof und die aristokratischen Patronagenetzwerke Wo Händel in den Monaten seiner ersten Londonreise wohnte, ist nicht bekannt. Als er 1712 wieder nach London kam, logierte er, nach einem kurzen Aufenthalt bei einem bürgerlichen Musikliebhaber, bei reichen aristokratischen Gönnern, zunächst bei Lord Burlington, dann bei James Brydges, dem ersten Herzog von Chandos, bevor er 1723 dann in der etwas südlich der Oxford Street gelegenen Brook Street ein eigenen Haus anmietete.17 Mit über 600.000 Einwohnern war London zu dieser Zeit nicht nur die größte Stadt Europas, sondern auch eine neue, gewissermaßen hypermoderne Stadt, die nach dem großen Brand im Jahr 1666 neu aufgebaut worden war. Seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert hatte jedoch nicht nur in den abgebrannten Teilen der Stadt, sondern auch im Westen, zwischen der City of London und der City of Westminster, ein regelrechter Bauboom eingesetzt mit dem zugleich ein starker Prozess räumlicher sozialer Segregation verbunden war. Viele adelige Grundbesitzer, die Land um London besaßen, hatten sich seit Ende des 17. Jahr Editionsleitung der Hallischen Händel-Ausgabe (Hg.): Händel-Handbuch (wie Anm.1), S. 57– 119; Zum biographischen Kontext vgl. Burrows: Handel (wie Anm. 1), S. 79–105 (für die Jahre 1711–1719) und S. 130–171 (für die Jahre 1720–1732).

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hunderts mit großen Bauunternehmen zusammengeschlossen und hier als profitables Investment Wohnraum für gehobene Ansprüche geschaffen. Das war die Geburt der vielen London Squares, Plätze, um die herum sich vornehme Häuser gruppierten. Die sozial gehobensten neuen Plätze waren St James’s Square, Berkley Square, Grosvenor Square, Hanover Square sowie Cavendish Square. Händel zog 1723 genau in diese Gegend, in eine ebenfalls neu entstandene Straße, die Brook Street, die zwischen Grosvenor Square und Hanover Square verläuft (siehe Abbildungen 3 und 4). Händel mietete sich dort für eine jährliche Miete von zunächst vierzig Pfund das Haus Nr. 25.18 Immobilieninvestitionen waren bereits im London des 18. Jahrhunderts ein extrem lukratives Geschäft mit hohen Wertsteigerungsraten. Die adeligen Familien behielten oft lediglich das Land und überließen es in zeitlich befristeter Pacht, sogenannter ‚leasehold‘, den Bauunternehmern oder auch den neuen Eigentümern der Häuser. Diese mussten nach Ablauf der ‚lease‘ erneut beträchtliche Summen für die Verlängerung bezahlen. Die Dukes of Bedford, denen viel Land im heutigen Stadtteil Bloomsbury gehört, verdienten um die Mitte des 18. Jahrhunderts an der Bebauung dieses ehemals landwirtschaftlich genutzten Landes etwa 6000–8000 Pfund. Die Grosvenors, die viel Land in der Gegend westlich von Bloomsbury, in Mayfair, erheiratet hatten, zogen daraus gegen Ende des 18. Jahrhunderts über 10.000 Pfund Profit. Das entsprach in etwa dem Jahreseinkommen von 500 Arbeiterfamilien. Beiden Familien gehört dieses Land noch heute und sie zählen zu den reichsten Familien Großbritanniens.19 Viele der Aristokraten, die ihr Geld in den Immobilienmarkt der Metropole investierten, zogen ihren Reichtum ursprünglich aus großen Ländereien außerhalb Londons, viele wurden jedoch auch durch Regierungsämter reich. Am allerbesten verdiente man in Kriegszeiten am Militär. Lord James Brydges, First Earl Chandos, auf dessen Schloss Cannon Händel ab 1717 bis zu seinem Umzug in die Brook Street lebte, war ‚Paymaster General‘ der britischen Armee im Spanischen Erbfolgekrieg. Er soll allein an diesem Amt zwischen 1705 und

Zur Geschichte der London Squares vgl. Todd Longstaffe-Gowan: The London Square. Gardens in the Midst of Town, New Haven 2012; John Coulter: Squares of London, Stroud 2016; John Greenacombe: Handel’s House: A History of No. 25 Brook Street, Mayfair, in: London Topographical Record 25, 1985, H. 113, S. 111–130; Roy Porter: London. A Social History, London 2000, S.125–141. 19 Zur Geschichte dieser großen Familien und der Entwicklung des Londoner Grundbesitzes vgl. z. B. die Selbstdarstellung der Bedfords in: The Bedfords Estates: History of the Bloomsbury Estate, https://www.bedfordestates.com/the-estate/history/ (Zugriff am 2.12.2018) oder der Dukes of Westminster in: Grosvenor Estate: History timeline, https://www.grosvenorestate. com/heritage/history-timeline.aspx# (Zugriff am 2.12.2018). 18

Händels London

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Hanover Square

Händels Wohnhaus

Grosvenor Square

Abb. 3: Ausschnitt aus John Roque: A plan of the cities of London and Westminster, and borough of Southwark, 1746.

Abb. 4: Sutton Nicholls: Hanover Square, 1754 (Heritage-Images / Museum of London /  akg-images).

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1713 etwa 600.000 Pfund verdient haben. Sein oberster General, Marlborough, noch viel mehr.20 An solche Ämter kam man durch Familienbeziehungen, politische Netzwerke und Korruption.21 Die führenden Familien versorgten sich, ihre Kinder und Parteigänger ausgiebig mit lukrativen Posten, sie hatten aber auch erhebliche Ausgaben für Statuskonsum. Ihre Schlösser und Stadtpaläste verschlangen enorme Summen. Cannon, der Sitz des Duke of Chandos, bei dem Händel logierte, hatte über 90 Hausbedienstete und ein eigenes Orchester unter der Leitung von Kapellmeister Pepusch, dem unter anderem auch ein Neffe Johann Sebastian Bachs angehörte. Händel erhielt in Cannon gewissermaßen den Posten eines ‚composer in residence‘. Das Interessante an den aristokratischen Netzwerken ist, dass sie hochgradig politisiert waren und dass sich diese Politisierung sogar in der Topographie Londons niederschlug. Denn die Stadtentwicklungsprojekte der vornehmen neuen Plätze und Straßen im Westen der Stadt waren eng mit den politischen Parteiungen der Zeit verflochten. Die adeligen Investoren luden vorwiegend politische Parteigänger ein, sich in ihre Bauprojekte einzukaufen und an ihren Plätzen neue Stadtresidenzen zu errichten. Es entstanden dadurch Nachbarschaften, die jeweils stark mit den Whigs oder den Tories, den sich seit der Glorreichen Revolution von 1688 herausbildenden Vorformen der modernen politischen Parteien, identifiziert wurden. Die zentralen politischen Konflikte in Großbritannien, um die herum sich diese Parteien in der Zeit von Händels Ankunft formierten, drehten sich vor allem um zwei Fragen: Die erste Frage betraf trotz des ‚Acts of Settlement‘ weiterhin die Erbfolge. Soll die protestantische Erbfolge gesichert bleiben, auch wenn das nach dem Tod der regierenden Königin Anna einen Dynastiewechsel zum Haus Hannover bedeutete? Dafür optierten die Whigs. Oder sollte man nicht doch, wie es viele Tories wünschten, die zum Katholizismus konvertierte legitime Königsfamilie der Stuarts, die bei der Glorreichen Revolution nach Frankreich geflohen war, wieder ins Land holen? Die alten politischen Fraktionen aus der Zeit der Revolution standen sich in dieser Frage erneut gegenüber, wobei es auf beiden Seiten Abweichler gab. Der zweite Konflikt bezog sich auf die internationale Politik und hing zum Teil

Zu James Brydges vgl. u. a. Charles Henry / Muriel I. Collins Baker: The Life and Circumstan­ ces of James Brydges, First Duke of Chandos, Patron of the Liberal Arts, Oxford 1949; Susan Jenkins: The patronage and collecting of James Brydges, first Duke of Chandos (1674–1744), Bristol (Ph.D. Thesis) 2001. 21 Zu Korruption in Großbritannien im frühen 18. Jahrhundert und besonders auch zu James Brydges vgl. z. B. Aaron Graham: Auditing Leviathan: Corruption and State Formation in Early Eighteenth-Century Britain, in: The English Historical Review 128, 2013, S. 806–838. 20

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damit zusammen: Es war die Frage, ob England seine Allianz mit dem Haus Habsburg in dem seit 1701 andauernden sogenannten Spanischen Erbfolgekrieg einseitig aufkündigen sollte. Der Krieg war in Großbritannien zunehmend umstritten und unbeliebt. Während die Whigs mehrheitlich für eine Fortsetzung des Krieges gegen Frankreich eintraten, optierten die meisten Tories und schließlich auch die Königin für dessen Beendigung. Bei manchen Plätzen war daher bereits der Name Programm: Hannover Square z. B. wurde ab 1713 von einem der prominentesten Whigs, dem Earl of Scarborough, entwickelt und es kauften sich hier praktisch ausschließlich Unterstützer der Hannoverschen Erbfolge ein. Ein anderer Platz, Cavendish Square, war dagegen ein eindeutiges Tory Projekt. Er ist nach dem Familiennamen der Frau von Robert Harley, 1st Earl of Oxford, benannt. Er war der politische Architekt des Friedens von Utrecht, der für Großbritannien den Spanischen Erbfolgekrieg beendete, und neigte auch in der Frage der Thronfolge den Stuarts zu. Händel musste sich in dieser komplizierten Londoner Topografie räumlich und politisch zurechtfinden. Er errang zwar unmittelbar die Anerkennung aristokratischer Patrone, schaffte es, sich im besten Viertel Londons niederzulassen und Zugang zum Hof zu erhalten. Aber er begab sich damit auf ein politisch vermintes Gelände. Als er im Oktober 1712 nach London zurückkehrte, wurde kurz darauf in Utrecht der Friede mit Frankreich unterzeichnet. Händel wurde von der Königin beauftragt, für den großen Dankgottesdienst in der St Paul’s Cathedral ein Te Deum zu komponieren. Es war zwar ein großer Erfolg und eine große Ehre für Händel, diesen Auftrag zu erhalten. Er trug ihm auch direkt eine lebenslängliche königliche Pension von 200 Pfund im Jahr ein. Seine Whig Freunde und besonders sein eigentlicher Dienstherr, der Kurfürst von Hannover und spätere englische König Georg, waren jedoch strikt gegen diesen Frieden gewesen. Viele Whigs hatten sich so eindeutig gegen den Friedensschluss mit Frankreich ausgesprochen, dass sie nach Berichten der zeitgenössischen Presse auch demonstrativ dem Dankgottesdienst in St Paul’s fernblieben. Aus Hannover, wo Händel offiziell immer noch in Diensten stand, bekam er als ‚Belohnung‘ eine endgültige Kündigung seines Engagements als Kapellmeister zugesandt.22 Händel war also direkt zwischen die Fronten der beiden Höfe geraten. Aber auch für seine Netzwerke in den adeligen Kreisen waren solche politischen Aufträge nicht unproblematisch. Als 1714 Königin Anna starb und es dann in der Tat zur Hannoverschen Thronfolge kam, musste Händel nicht nur das Verhältnis zu seinem früheren Dienstherrn wieder ins Lot bringen, sondern auch jeden Verdacht vermeiden, dass er sich bei den wiederholten Versuchen

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Vgl. dazu Burrows: Handel, the British Court and the London Public (wie Anm. 3), S. 111.

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der Stuarts, sich in Großbritannien wieder an die Macht zu putschen, in zu enge Patronagebeziehungen zu jakobitisch eingestellten Tories begeben hatte.23

III. Die Theater: Quellen des Wohlstands? Händel starb als wohlhabender Mann. Sein nachgelassenes Vermögen wurde auf gut 20.000 Pfund geschätzt. Er war, nach heutiger Währung, Millionär und, wie es der britische Historiker Tim Blanning formulierte, der erste Komponist und Musik-Impressario, dem ein bezahlendes Publikum ein Vermögen einbrachte.24 Händels Musikerfreund und Musikkritiker Johann Mattheson brachte 1713 in einem berühmten Zitat die Motive für die Migration vieler europäischer Künstler nach Großbritannien auf den Punkt, als er schrieb: „Wer bey diesen Zeiten etwas in der Musik zu prästieren vermeinet, der begiebt sich nach Engelland. In Italien und Franckreich ist etwas zu hören und zu lernen; in Engelland etwas zu verdienen; im Vaterlande aber am besten zu verzehren.“25 Vielleicht spielte auch er damit auf seinen Freund Händel an. Händel war es sofort gelungen, in die höchsten gesellschaftlichen Kreise und an bestbezahlte Aufträge zu kommen. Er hatte London im November 1710 erreicht. Am 6. Februar 1711 wurde bereits eine von ihm komponierte Geburtstagsode für Queen Anne im Palast von Kensington aufgeführt, am 24. Februar 1711 war die Uraufführung seiner ersten in und für London komponierten italienischen Oper im Queens Theater am Haymarket.26 Beim zweiten Besuch war es ähnlich. Das war außergewöhnlich und nicht Ergebnis der Patronage seines Dienstherrn in Hannover, sondern seines eigenen Erfolgs in Italien. Händels Londoner Aufstieg war Folge von zwei miteinander verwobenen Migrationsvorgängen: der Grand Tour des europäischen Adels und der Migration vieler Musiker und bildender Künstler nach Italien. Beide setzten in der Zeit ab etwa 1660 ein und verstärkten sich gegenseitig, da die englischen Adeligen (und natürlich nicht nur sie) in Italien nicht nur als Touristen, sondern auch

Vgl. ebd., S. 117. Blanning: Triumph of Music (wie Anm. 6), S. 24. Zu Händels Vermögen vgl. auch Donald Burrows (Hg.): Handel’s Will: Facsimiles and Commentary, London 2008. 25 Johann Mattheson: Das neu-eröffnete Orchestre […], Bd. 1, Hamburg 1713, S. 121. 26 Aus der unübersehbaren Literatur zu Händels Opernaufführungen in London vgl. neben den entsprechenden Bänden des Händel-Handbuchs v. a. Michael Burden: Handel’s ‚Rinaldo‘ and London’s Opera House, in: Händel-Jahrbuch 62, 2016, S. 137–156; ders., London opera observed, 1711–1844, 5 Bde., London 2013; Donald Burrows: Handel and the London Opera Companies in the 1730’s: Venues, Programmes, Patronage and Performers, in: Göttinger Händel-Beiträge 10, 2004, S. 149–165. 23 24

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als Käufer von Kunst und als Patrone und Anwerber von Musikern auftraten.27 Großbritannien und Italien bildeten seit dem beginnenden 18. Jahrhundert einen mehrfach verzahnten Kunstmarkt, und London war dessen finanzielles Zentrum.28 Als Lord Chandos Händel zu sich als ‚composer in residence‘ einlud, war er gerade von einer Tour durch Italien zurückgekommen. Er wird dort Händels Musik oder zumindest von dem erfolgreichen jungen Komponisten gehört haben. Nachdem Händel sich in London etabliert hatte, ging er selbst ebenfalls auf Reisen durch Europa, um Musikerinnen und Musiker für seine Londoner Aufführungen zu engagieren. Die reisenden englischen Aristokraten waren für Händel die Türöffner für den Zugang zum Hof unter Queen Anne, die in Kensington Palace residierte. Der Hof blieb aber natürlich auch nach dem Dynastiewechsel von 1714 für Händel von größter Bedeutung. Ab 1723 erhielt er als ‚Composer of the Chapel Royal‘ weitere 200 Pfund pro Jahr und außerdem als Musikerzieher der Prinzessinnen noch einmal 200 Pfund, also insgesamt 600 Pfund im Jahr. Das war ein stattlicher Betrag.29 Dafür komponierte er zu wichtigen staatlichen und familiären Anlässen, so etwa für den Krönungsgottesdienst Georgs II. im Jahr 1727 oder die Bestattung Queen Carolines im Jahr 1737. Händel war in London zwar nicht im engeren Sinne ein Hofangestellter, wie er es als Kapellmeister in Hannover gewesen war, sondern in gewisser Weise ein freier Musiker und Musikunternehmer. Allerdings konnte er diese zweite Rolle vermutlich nur auf der Grundlage dieser Grundabsicherung durch das Einkommen vom Hof wagen. Außerdem benötigte er dessen weitere finanzielle Unterstützung für seine Aufführungen sowie die seiner anderen aristokratischen Gönner und Liebhaber der italienischen Oper. Im frühen 18. Jahrhundert hatte sich in London bereits ein komplexer städtischer Kunst- und Unterhaltungsmarkt entwickelt, in den Händel zunehmend integriert war, auf dem er aber nicht der einzige Spieler war. Als Händel nach Vgl. dazu allgemein Margret Scharrer: Kavalierstouren und Musiktransfer am Beispiel ausgesuchter Prinzenreisen, in: Sabine Ehrmann-Herfort / Silke Leopold (Hg.): Migration und Identität. Wanderbewegungen und Kulturkontakte in der Musikgeschichte, Kassel u. a. 2013 (= Analecta Musicologica 49), S. 151–170; Michele Calella: Migration, Transfer und Gattungswandel. Einige Überlegungen zur Oper des 18. Jahrhunderts, in: ebd., S. 171–181. 28 Zur Verknüpfung des römischen mit dem Londoner Kunstmarkt vgl. mit weiterführender Literatur Andreas Gestrich: „it will be the greatest disappointment in the world for me to be necessitated to quit Rome“. Zwei Vignetten zu Kunst und Kommerz in Rom und London im 18. Jahrhundert, in: Anna Esposito u. a. (Hg.): Trier – Mainz – Rom. Stationen, Wirkungsfelder, Netzwerke (FS Michael Matheus), Regensburg 2013, S. 335–352. 29 Vgl. v. a. Donald Burrows: Handel and the English Chapel Royal, Oxford 2005; David Hunter: Royal Patronage of Handel in Britain: The Rewards of Pensions and Office, in: Richard G. King (Hg.): Handel Studies: A Gedenkschrift for Howard Serwer, Hillsdale 2009. 27

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London kam, war die Italienische Oper unter den Adeligen das modische Musikgenre schlechthin und er trug maßgeblich dazu bei, dass dies für etwa zwanzig Jahre auch so blieb. Seine erste Londoner Oper, Rinaldo, war bereits 1711 ein riesiger Erfolg. Mit königlicher Unterstützung wurde im Winter 1717–1718 von verschiedenen Adeligen eine Italienische Operngesellschaft als Aktien­ gesellschaft gegründet, die aufgrund der königlichen Protektion den Titel Royal Academy of Music erhielt und auf 21 Jahre angelegt war. Händel wurde zu ihrem musikalischen Leiter ernannt.30 Über die Hälfte der Opern, die diese Gesellschaft organisierte, wurden von Händel selbst komponiert. Es wurde bereits viel über Händels Tätigkeit als Opernunternehmer geschrieben und über die Frage spekuliert, was er damit verdiente bzw. wie viel Geld er durch manche Aufführungen vielleicht auch verloren haben mag.31 Hier können nur die allgemeinen Finanzierungsformen und sozialen Grundlagen des Londoner Opernbetriebs erläutert werden, um der Frage nach dessen moderner Marktförmigkeit oder traditioneller Patronageabhängigkeit nachzugehen. Die von der Royal Academy of Music organisierte italienische Oper in London war, zum ersten, nicht nur ein primär adeliges Vergnügen, sondern zugleich auch ein Unternehmen adeliger Investoren. In die Aktiengesellschaft bezahlten der König und adelige Gönner ein. Das Stammkapital betrug 10.000 Pfund, das in 50 Aktienanteile von je 200 Pfund aufgeteilt war. Es gab aber deutlich mehr Interessenten, wohl über 70, darunter die bekannten Namen aus Händels Patronagekreisen: Lord Burlington, bei dem Händel gewohnt hatte und der gleich für 1000 Pfund Aktien kaufte, der Duke of Chandos, der Earl of Sunderland, der Duke of Manchester usw. Im Prinzip sollten deren Investitionen auch eine Dividende abwerfen. Das war jedoch nur in einem einzigen Jahr der Fall und es war wohl allen klar, dass es sich bei den Aktien eher um Subventionen, als um Investitionen handelte. Die Gagen für die Musiker, besonders die international berühmten Sängerinnen und Sänger, die Händel bei einer Reise auf den Kontinent engagierte, waren exorbitant. Nach neun Jahren war das Stammkapital aufgebraucht und die erste Royal Academy wurde geschlossen.32 Auch die Zahl der Besucher, die sich eine Einzelkarte oder gar ein Abonnement leisten konnte, war vermutlich sehr überschaubar und im Wesentlichen auf die Kreise beschränkt, die auch in Aktien investieren konnten, also auf

Vgl. dazu u. a. Elizabeth Gibson: The Royal Academy of Music 1719–1728. The institution and its directors, New York / London 1989; Judith Milhous / Robert D. Hume: Opera Finances in London, 1674–1738, in: Journal of the American Musicological Society 37, 1984, S. 567–592. 31 Vgl. z. B. Elizabeth Gibson: Italian Opera in London, 1750–1775: Management and Finances, in: Early Music 18, 1990, S. 47–59. 32 Vgl. dazu v. a. Gibson: The Royal Academy (wie Anm. 30). 30

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wohlhabende adelige oder reiche bürgerliche Opernliebhaber. Für eine Saisonkarte bezahlte man etwa 20 Pfund, was, wie bereits erwähnt, fast dem Jahreseinkommen einer Arbeiterfamilie entsprach. Die einzelne Veranstaltung kostete ein Viertel Pfund auf den billigen Plätzen, also immer noch ein für den Großteil der Bevölkerung unerschwinglicher Preis. Es gab in ganz Großbritannien vermutlich nicht mehr als 1200 oder 1300 Personen, die es sich gut hätten leisten können, zweihundert Pfund als Aktionäre in die Royal Academy of Music zu investieren. Die Zuhörerschaft wird sich ebenfalls weitgehend aus dieser kleinen Oberschicht rekrutiert haben. Das bedeutete auch, dass die einzelnen Veranstaltungen vielfach nicht ausverkauft waren.33 Das führt zu einem weiteren Aspekt der prekären finanziellen Lage von Händels Royal Academy. Zu den exorbitanten Kosten der Künstler und der meist geringen Auslastung der Aufführungen kam, dass die Londoner italienische Oper zunehmend in Konkurrenz geriet nicht nur zum Theater und zur englischsprachigen Oper, sondern schließlich auch zu rivalisierenden Unternehmen, die der Royal Academy durch eine Abspaltung aus dem eigenen Ensemble erwachsen war. Eine große Konkurrenz entstand für die Royal Academy, deren Aufführungen im King’s Theater stattfanden, in Covent Garden, wo Gays Beggar’s Opera ein großer Publikumserfolg und ein finanzieller Erfolg für den Theaterunternehmer und die Schauspieler wurde. Sie konnten bis zu 300 Pfund pro Saison verdienen. Das neue Opernunternehmen, das aus internen Konflikten in Händels eigener Truppe hervorgegangen war, die Opera of the Nobility, verband sich zudem sekundär mit einem rivalisierenden innenpolitischen Lager. Die Opposition des Prinzen von Wales gegen seinen Vater hatte dazu geführt, dass er und seine adelige Entourage sich auch auf dem Feld der Oper mit der Konkurrenz Händels, der weiterhin von Georg II. unterstützt wurde, identifizierten. Beide Unternehmen beförderten sich durch die Konkurrenz eher ins finanzielle Aus, da selbst London nicht so viele Opernbesucher aufweisen konnte, dass zwei rivalisierende italienische Opernhäuser erfolgreich nebeneinander hätten bestehen können.34 In manchen guten Jahren muss allerdings von den Aufführungen italienischer Opern auch für Händel ein ordentlicher Profit abgefallen sein. Dies wird deutlich, wenn man sich Händels Finanzanlagen und -spekulationen zuwendet, denn mit seinem Einkommen gab es für Händel in London auch noch andere Möglichkeiten, Geld zu machen (oder zu verlieren). Nach

Vgl. dazu v. a. die detaillierten Analysen von David Hunter: Patronizing Handel, Inventing ­Audiences: The Intersections of Class, Money, Music and History, in: Early Music 28, 2000, S. 32–36 und 38–49. 34 Vgl. Judith Milhous / Robert D. Hume: Handel’s Opera Finances in 1732–3, in: The Musical Times 125, 1984, S. 86–89. 33

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dem Frieden von Utrecht herrschte koloniale Goldgräberstimmung in Großbritannien. Investitionen in den Kolonialhandel waren im frühen 18. Jahrhundert ungeheuer populär und meist auch lukrativ. Eine der großen britischen Handelsgesellschaften, die Südseekompanie, die sehr stark im Sklavenhandel tätig war, schien besonders erfolgreich. Im Frieden von Utrecht hatte sich Großbritannien von Spanien nicht nur den sogenannten ‚Assiento‘, das Monopol auf den Sklavenhandel zwischen Afrika und den spanischen Besitzungen in Südamerika, sondern auch etliche für den Kolonialhandel wichtige Stützpunkte, zum Beispiel Gibraltar, gesichert. In diesem Kontext eines expandierenden kolonialen Interesses stiegen die Aktien der Südseekompanie kontinuierlich an, von 130 Prozent im Januar 1720 auf etwa 1000 Prozent im Juni dieses Jahres. Auch Händel hatte sein erstes in London verdientes Geld in Aktien der britischen Südseekompanie angelegt. Die Spekulationsblase platzte im Sommer 1720 und führte zur größten Finanzkrise des 18. Jahrhunderts. Händel scheint seine Anteile an der Southsea Company rechtzeitig verkauft zu haben. Wie kam Händel auf die Idee, am Aktienmarkt zu spekulieren? Er hatte zahlreiche bürgerliche Bekannte und Kollegen, die dies auch taten.35 Vermutlich tauschten sie sich aus. Händel investierte allerdings in der Zeit, als er im Haushalt des Duke of Chandos lebte, der ein immenses Vermögen als ‚Paymaster of the Army‘ angehäuft hatte. Er war einer der ganz großen Investoren in die Südseekompanie, allerdings auch einer ihrer ganz großen Verlierer, da er an der Spitze des Booms, anstatt zu verkaufen, nochmals erheblich investiert hatte. Es ist möglich, dass Händel auch durch Chandos in die Finanzwelt und in den Aktienhandel eingeführt wurde. Vermutlich wird es ein Dauerthema im Haushalt des Herzogs gewesen sein. Warum Händel seine Anteile rechtzeitig verkaufte und nicht, wie sein Gastgeber, weiteres Geld in die Kompanie investierte, ist ungeklärt.36 Allerdings ergibt sich aus jüngsten systematischen Analysen u. a. der Akten der Bank of England, dass Händel nach der Krise erneut investierte. Sein beachtliches Vermögen resultierte daher auch aus der guten Anlage seiner überschüssigen Einnahmen.37 Händels finanzielle Erfolge basierten somit auf der Kombination von geschickter Ausnutzung traditioneller Patronage einerseits und der beherzten Investition in die moderne kapitalistische Unterhaltungsund Finanzindustrie andererseits.

Zu Händels Finanzspekulationen und seinem Vermögen vgl. jetzt v. a. Ellen T. Harris: Handel the Investor, in: Music & Letters 85, 2004, S. 521–575, hier v. a. 533 f. 36 Ebd., erwähnt Chandos allerdings nicht als mögliche Inspiration. 37 Ebd. 35

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IV. Orte des sozialen Kontakts und Engagements: Kaffeehäuser und Foundling Hospital In London entstanden erste Kaffeehäuser um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Am Ende des 18. Jahrhunderts soll es in der Stadt bereits zweitausend davon gegeben haben.38 Kaffeehäuser waren Kommunikations- und Nachrichtenzentren, auch Geschäftsplätze. Es trafen sich, im Gegensatz zu den Inns und Pubs, in den Kaffeehäusern vor allem die bürgerlichen und adeligen Oberschichten, nicht unbedingt der Hochadel. Alle Arten von Geschäften und Tätigkeiten fanden dort statt. Journalisten schrieben und diskutierten dort ihre Zeitschriftenbeiträge, der Schriftsteller Oliver Goldsmith beschreibt einen Pfarrer beim Verfassen von Predigten im Kaffeehaus, Ärzte benutzten sie auch als Sprechzimmer.39 Auch Händel scheint ein Kaffeetrinker gewesen zu sein. Der frühe englische Musikhistoriker Charles Burney berichtet, dass er 1741 als Jugendlicher Händel in Chester in einem Kaffeehaus gesehen habe „[smoking] a pipe over a dish of coffee at the Exchange Coffee-House“.40 Er war auf dem Weg nach Irland zur Uraufführung des Messias. Wie viel Händel sich in Londoner Kaffeehäusern aufgehalten hatte, ist im Einzelnen schwer zu sagen. Er war sozialen Gesellschaften nicht abgeneigt. Wichtig in seinem Zusammenhang ist jedoch auch, dass Kaffeehäuser auch andere Geschäfte machten. In vielen Kaffeehäusern, die um die City herum öffneten, wurde gehandelt und ernsthafte Geschäfte gemacht. Lloyds of London, die im Versicherungsgeschäft für Überseehandel groß wurde, ging aus einem Kaffeehaus hervor, auch die Aktien der South See Company wurden in einem Kaffeehaus gehandelt. In anderen wurden Lotterielose und Wetten verkauft, bekanntlich ebenfalls ein beliebter ‚Sport‘ der Engländer. Ob Händel Lotterie spielte, ist nicht bekannt. Viele seiner aristokratischen Gönner taten es. Besonders wichtig für Händel war, dass Kaffeehäuser auch Karten für die Theater und Opernsaison verkauften. Die Karten für Händels Opern waren meist in White’s Chocolate House in St ­James’s Street in Westminster zu erwerben. Der Name ‚Chocolate House‘ und der Ort zeigen, dass es sich hier eher um ein Lokal für die Oberschicht handelte. Schokolade galt als feiner als Kaffee. Wie die Squares waren auch die Kaffeehäuser stark nach politischen Parteiungen sortiert. White’s Chocolate House war eigentlich der bevorzugte Treffpunkt für Tories. Es fungierte zugleich als

Porter: London (wie Anm. 18), S. 204–207. Vgl. dazu ebd., S. 205–207 40 Charles Burney: An Account of the Musical Performances in Westminster-Abbey, and the Pantheon […], London 1785, S. 26. 38 39

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ein ‚gaming house‘, also als eine Art Casino.41 Die Whigs dagegen bevorzugten verschiedene Kaffeehäuser in Covent Garden, z. B. Button’s. In Covent Garden trafen sich auch die Schriftsteller und Theater-Leute. Die Whigs waren in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die regierende Partei und standen der Krone nahe. Vielleicht ist Händels Geschäftsbeziehung zu White’s Chocolate House ein Zeichen, dass er sich im Londoner Kulturleben bewusst überparteilich positionieren wollte. Eine besonders wichtige Rolle in Händels sozialen Aktivitäten nahm schließlich das Foundling Hospital ein. Es ging auf die Initiative eines philanthropisch eingestellten Kapitäns zurück, Captain Coram. Er erhielt 1739 die Royal Founding Charter für die Einrichtung eines Heims „for the education and maintenance of exposed and deserted young children“. Diese Initative war von Anfang an eng mit den höchsten Kreisen der Gesellschaft sowie mit den schönen Künsten verbunden. Die Einrichtungsurkunde enthält eine lange Liste von unterstützenden Adeligen, 17 Herzöge, 29 Earls usw. Alle Namen, die in Händels anderen Zusammenhängen, der Italienischen Oper, seinen sonstigen Patronagenetzwerken eine Rolle gespielt hatten, waren auch hier vertreten. Das Foundling Hospital wurde ab 1742 gebaut, 1745 eröffnete der Westflügel, 1752 der Ostflügel dieser schlossartigen Anlage. Es war die vornehmste und in den Oberschichten populärste philanthropische Einrichtung in London, die viele adelige Gönner und Gönnerinnen anzog, zugleich auch Künstler, die hier karitative Tätigkeit mit sozialer Interaktion mit ihren potentiellen Gönnern und Käufern mischen konnten.42 Die sicher bekanntesten Unterstützer des Foundling Hospital waren Hogarth und Händel, die beide eng mit der Einrichtung verbunden waren. Hogarth richtete dort eine erste öffentliche Gemäldegalerie ein, um Besucher und mögliche Spender anzulocken.43 Bis heute hat das Foundling Hospital eine eindrucksvolle Kunstsammlung. Händel komponierte bekanntlich für das Foundling Hospital den gleichnamigen Choral und führte dort 1750 bei der Einweihung der Orgel der Kapelle den Messias auf, anscheinend mit solchem Erfolg, dass er zu einem der Direktoren bestellt wurde und dadurch in eine noch engere Beziehung zu der Einrichtung trat. Regelmäßig wurden dort nun Benefiz-Konzerte Zum White’s vgl. Algernon Bourke: The History of White’s, 2 Bde., London 1892; Percy Colson: White’s, 1693–1950, London 1950. 42 Zur Geschichte des Foundling Hospitals vgl. u. a. Ruth McClure: Coram’s Children: The London Foundling Hospital in the Eighteenth Century, New Haven 1981. 43 Zum Kontext von Kunst und Philanthropie im 18. Jahrhundert vgl. Andreas Gestrich: Music and Philanthropy in Eighteenth-Century London, in: Göttinger Händel-Beiträge 15, 2014, S. 54–65; Thomas Coram Foundation for Children (Hg.): Enlightened Self-interest: The Foundling Hospital and Hogarth. Exhibition Catalogue, London 1997. 41

Händels London

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durchgeführt, und Händel hinterließ dem Hospital eine Manuskript-Kopie des Messias. Der Rundgang durch London endet mit dem Foundling Hospital. Die Institution besaß auch eine Händel-Büste Roubillacs, der dann vor allem das Denkmal in den Vauxhall Gardens geschaffen hatte, einem wesentlichen Ort der späteren Verehrung Händels in Großbritannien. Das Foundling Hospital selbst ist mit seinen Händel-Sammlungen ebenfalls ein wesentlicher Ort des Andenkens an den Musiker, zugleich ist es aber auch ein fast symbolischer Ort in dem die unterschiedlichen Aspekte von Händels Lebenswelt in London zusammen­geführt werden: An der Schnittstelle zwischen dem Londoner Osten und Westen, den (unter-)bürgerlichen und den adeligen Teilen der Stadt, ist das Foundling Hospital ein Ort, an dem die Elitenvergemeinschaftung von Adel und Kunst, die für das 18. Jahrhundert so charakteristisch blieb, mit den Schwierigkeiten des Alltags der weniger Privilegierten in der Metropole konfrontiert wurde. Zu letzteren zählten auch viele Musiker, für deren soziale Belange sich Händel auch an anderen Stellen einsetzte.44 Im Foundling Hospital war die Philanthropie der Künstler allerdings zugleich Strategie der Pflege von Patronage, dem Aufbau von sozialer Anerkennung und moderner Vermarktungsstrategien. Philanthropie und Geschäft konnten auch im 18. Jahrhundert eng zusammengehen. Der Gang durch Händels London und der Blick auf einige der Orte, an denen er gelebt, gearbeitet oder sich aufgehalten hat, sollten einen Einblick in die politische und soziale Umbruchszeit geben, in die Händel in London geraten war. Er kam als Künstler und Migrant nach London. Es gelang ihm eine rasche Integration in die britische Gesellschaft und in den Kunstmarkt der Hauptstadt. Er war als Künstler so erfolgreich, dass er sich schon nach wenigen Jahren den teuren Akt der Naturalisierung leisten konnte. Die Grundlage dafür war, dass Händel dem höfisch-adeligen Musikkonsum und den damit verbundenen sozialen Kreisen eng verbunden blieb. Trotz der einsetzenden Kommerzialisierung des Londoner Kunstbetriebs im 18. Jahrhundert konnte er aus den Patronagekontexten und ihren Sozialformen nie ganz heraustreten. Sie boten ihm die notwendige materielle Grundsicherung. Durch die neuartige Verknüpfung der britischen Eliten mit den neuen Organisationsformen und Chancen des Marktes, die wie nirgends sonst das Finanz- und das Kulturleben der Metropole prägten, ergab sich für Händel jedoch zugleich die Chance für eine freiere und selbstbestimmte künstlerische Karriere. Er hat diese Chancen ergriffen und damit auch die Grundlage für die Anerkennung und das Nachleben in der Öffentlichkeit eines breiteren kulturkonsumierenden Publikums gelegt. 44

Vgl. Gestrich: Music and Philanthropy (wie Anm. 43), S. 63 f.

„Native“ – „foreign“. Zum Nexus von Sozialstruktur und Rezeptionsästhetik in der Musikmetropole London Gesa zur Nieden (Greifswald / Hannover)

„If Songs are harmless Revels of the Heart, Why should our Native Tongue not bear its Part? Why after learned Warblers must we pant, And doat on Airs, which only They can chant? Methinks ‘twere hard, if, in the cheerful Spring, Were none but Nightingales allow’d to sing! […] Ev’n France in That her Liberty maintains; Her Songs, at least, are free from Foreign Chains, And Peers and Peasants sing their Native Strains.“1

Mit diesen Worten drückte der Dramatiker und Schauspieler Colley Cibber 1729 in seiner Pastorale Love in a Riddle einen zentralen Zusammenhang des Londoner Musiklebens des 18. Jahrhunderts aus: die Opposition einer als elitär verstandenen, gesanglich virtuosen italienischen, und das heißt hier auch ‚ausländischen‘ Oper auf der einen Seite und auf der anderen Seite einem liedorientierten englischen Gesang, der unterschiedlichen sozialen Schichten zugänglich ist und auch von allen Schichten praktiziert wird. Der von Cibber aufgezeichnete Nexus von englischer Musik und einer künstlerisch wie sozial übergreifenden Gesellschaft wird dabei nicht nur mit einer inländisch-natür­ lichen Landschaft identifiziert. Seine pastorale Natur scheint gleichzeitig auf die Anfänge der Oper in Italien und das damalige Musiktheater in Frankreich zu verweisen; die eigene Kultur wird folglich vor allem im Abgleich mit weiteren Nationen konturiert. Bereits dieses eine Beispiel mag zwei Dinge verdeutlichen: Zum einen wird hier offensichtlich, warum das Begriffspaar „native“  – „foreign“ in der Händel-Forschung schon seit Jahren auf der Agenda steht, sei es im Hinblick auf Colley Cibber: Prologue. Spoken by Mr. Wilks, in: ders.: Love in a Riddle: A Pastoral. As it is ­acted at the Theatre-Royal, by his Majesty’s Servants, London 1729. Zu Love in a Riddle vgl. auch Jeremy Barlow: The Enraged Musician. Hogarth’s Musical Imagery, Abingdon / New York 2005, S. 186 f.

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Gesa zur Nieden

politische Züge seiner in London komponierten italienischen Opern und englischsprachigen Oratorien, sei es im Hinblick auf Händels Netzwerke zwischen dem britischen Königshaus, dem Haus Hannover, dem englischen Adel und dem Publikum der Londoner Opernhäuser. Die dazu unternommenen Forschungen aus den Bereichen Politikgeschichte (Donald Burrows und Milton Keynes) und der Kulturgeschichte des Politischen (Tim Blanning) sind dabei zumeist darauf ausgerichtet, Händels Abkehr von der italienischen Oper und seine Hinwendung zu Oratorien auf englischsprachige Texte zu erklären.2 Vor allem die Verbindung des englischen Nationenverständnisses mit dem Protestantismus und die daraus entstandene sozial übergreifende musikalische wie druckgraphische Reflexion darauf führten anscheinend dazu, dass Händel sich ab den 1740er Jahren ausschließlich Oratorien zuwandte, wobei er kirchen­ musikalische Kompositionen auch schon zuvor im Rahmen von königlichen Huldigungsmusiken punktuell angefertigt hatte.3 Zum anderen verdeutlicht das Beispiel aber auch das komplexe Ineinandergreifen von italienischer Oper und englischem Musikideal. Zwar bestehen aus sozial- und kulturgeschichtlicher Sicht seit David Hunters Zusammenführung wirtschaftsgeschichtlicher Daten im Hinblick auf das potentielle Publikum der Londoner Opernhäuser große Zweifel, dass Händels Oratorienaufführungen im Londoner King’s Theatre für eine breite Öffentlichkeit zugänglich gewesen wären.4 Genau wie zuvor schon das Opernrepertoire wurden die Aufführungen von einer kleinen Oberschicht besucht, die sich die Kartenpreise des Händel’schen Unternehmens leisten konnte, sodass auch die Existenz einer sogenannten ‚Mittelschicht‘ in den Londoner Opernhäusern oder auch ein überragender, London-weiter Erfolg des Kastraten Farinelli 1734 in Nicola Porporas Opera of the Nobility mittlerweile in Frage stehen.5 Dennoch ist quasi spiegelbildlich hierzu nun auch klar, dass Händels Musik zeitgleich eine umfangreiche Rezeption in den englischen ‚ballad operas‘ erfuhr, in denen die später auch von Donald Burrows: Handel, Stuarts and Hanoverians: Handel’s English Church Music and the Image of the British Monarchy, in: Händel-Jahrbuch 49, 2003, S. 95–103; Donald Burrows / Milton Keynes: Bringing Europe to Britain: Handel’s First Decade in London, in: Händel-Jahrbuch 56, 2010, S. 65–77 und The British royal family, the London opera companies and Handel’s performances, in: Händel-Jahrbuch 61, 2015, S. 187–201, hier S. 196; Tim Blanning: Nation-Building through Music? Music in English national Consciousness in the Eighteenth Century, in: Göttinger Händel-Beiträge 15, 2014, S. 21–38. 3 Ebd., S. 28. Donald Burrows: The English Chapel Royal as the intersection of religion and personal politics, in: Händel-Jahrbuch 59, 2013, S. 187–193, hier S. 190 und 193. 4 David Hunter: Patronizing Handel, inventing audiences. The intersections of class, money, music and history, in: Early Music 28, 2000, H. 1, S. 32–36 und 38–49. 5 Judith Milhous / Robert D. Hume: Construing and Misconstruing Farinelli in London, in: British Journal for Eighteenth Century Studies 28, 2005, S. 361–385. 2

„Native“ – „foreign“

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Händel in seinem Messiah eingesetzte Sängerin Kitty Clive erfolgreich war.6 Im Gegenzug stellte Händel im Jahr 1738 ein Oratorium zusammen, das aufgrund des englisch-italienischen Ensembles gleichermaßen aus englischen Airs und italienischen Arien zusammengesetzt war.7 Vor diesem Hintergrund ist eine starke institutionelle oder sogar soziale Trennung von ‚ausländischer‘ italienischer Oper und ‚einheimischem‘ englischem Musiktheater im Hinblick auf die Produktion und Rezeption von Händels Musik nur schwer vorstellbar. In meinem Vortrag möchte ich herausarbeiten, ob die unterschiedlichen musiktheatralen Genres in der Metropole London als streng voneinander getrennte Extreme gehandelt wurden, die sich an unterschiedliche Publikumsschichten zwischen einem weltläufigen Adel und einem lokalen Londoner Bürger- oder sogar Arbeiterpublikum richteten, oder ob sich im Hinblick auf eine moderne, großstädtische Geschmacksbildung nicht eher eng miteinander verbunden waren. Hierzu möchte ich mich dem Netz der Pamphlete, Karikaturen und Satiren zuwenden, die im London der 1730er und 1740er Jahre in Bezug auf Händel und die italienische Oper entstanden. Deren Versatzstücke wurden mit großer Regelmäßigkeit in neuen Karikaturen aufgenommen und imitiert, sodass sich die Karikaturen und Pamphlete als ein sozial übergreifendes, großstädtisches Rezeptionspasticcio lesen lassen. In der Tat stellt sich bei näherem Hinschauen die Frage, ob das Netzwerk der Rezeptionszeugnisse nicht eine London-spezifische Ästhetik des Pasticcios spiegelt, die Händel in den 1730er und 1740er Jahren explizit auch für seine eigenen Opernkompositionen, darunter viele Opernpasticci, nutzte und vor deren Hintergrund auch seine Hinwendung zum englischsprachigen Oratorium untersucht werden muss, die sich ab 1743 konkret abzeichnete. Mein Beitrag gliedert sich in zwei Teile: Nach einer kurzen intermedialen Definition des Pasticcios werde ich auf Karikaturen zu Händel und zur italienischen Oper als ‚ausländisches‘ Kulturprodukt Stellung nehmen, die selbst Pasticci darstellen und aus denen sich somit eine Ästhetik des Pasticcios im London der 1730er und 1740er Jahre herauslesen lässt. Danach werde ich mich der Frage widmen, aus welchem Grund Händel diese Ästhetik musikalisch nicht weiterverfolgte und sich der Gattung des Oratoriums zuwandte.

Berta Joncus: Handel at Drury Lane: Ballad Opera and the Production of Kitty Clive, in: Journal of the Royal Musical Association 131, 2006, H. 2, S. 179–226. 7 Donald Burrows: Handel’s 1738 ‚Oratorio‘: A Benefit Pasticcio, in: Georg Friedrich Händel – ein Lebensinhalt. Gedenkschrift für Bernd Baselt (1934–1993), im Auftrag der Georg-Friedrich-Händel-Gesellschaft und des Händel-Hauses herausgegeben von Klaus Hortschansky und Konstanze Musketa, Halle an der Saale 1995, S. 11–38. 6

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Gesa zur Nieden

Die Ästhetik des Pasticcios Das Pasticcio hat in den Kunstwissenschaften seit jeher einen definitorisch schweren Stand: Für das moderne Pastiche hat sich im Abgleich mit der Kopie, der Burlesque, der Groteske, dem Capriccio, dem Plagiat, der Parodie und der Bearbeitung in der intermedial orientierten Forschung dabei die Definition als „a kind of imitation that you are meant to know is an imitation“8 durchgesetzt. Vieles spricht jedoch dafür, dass das frühneuzeitliche Pasticcio mit dem Begriff der Imitation nur unzureichend beschrieben ist, zumal intermediale Studien zeigen, dass hier vielmehr die Imagination, die Arbeit mit Modellen, das Spannungsverhältnis differierender Entitäten und die Kombination unterschiedlicher Geschmacksvorstellungen im Vordergrund stehen.9 Studien zum Capriccio in der bildenden Kunst legten zum Beispiel offen, welch zentralen Stellenwert die Ko-Autorschaft der Rezipientin oder des Rezipienten für deren Rezeption spielte, zumal es hier um die ‚acutezza‘ ging, also den Scharfsinn, mit dem disparate Elemente in einer Bildkomposition mikroskopisch wie teleskopisch verglichen werden konnten. Daran anschließend ist bei künstlerischen Kompositionen des 17. und 18. Jahrhunderts, die aus präexistentem künst­lerischem Material bestehen, eine gewisse Symbolizität oder Referenzialität der imitierten Versatzstücke zu beachten.10 Zeigen lässt sich dies anhand eines bestimmten Londoner Karikatur-Typus. Dieser Typus zeichnet sich im Gegensatz zu italienischen Karikaturen von Musikerinnen und Musikern, die von Pier Leone Ghezzi in Rom oder Antonio Maria Zanetti in Venedig gezeichnet wurden, durch die Zusammenstellung unterschiedlicher Objekte, Darstellungskonventionen und auch Stilebenen aus.11 Ingeborg Hoesterey: Pastiche. Cultural Memory in Art, Film, Literature, Bloomington, IN 2001, S. 1. 9 Zur Imagination vgl. Roland Kanz: Capriccio und Groteske, in: Ekkehard Mai / Joachim Rees (Hg.): Kunstform Capriccio. Von der Groteske zur Spieltheorie der Modernes, Köln 1998 (= Kunstwissenschaftliche Bibliothek 6), S. 23–28 sowie Andrea Gottdang: Die Verführung des Blicks. Architekturfantasien der 1760er Jahre, in: Andreas Schumacher (Hg.): Canaletto. Bernardo Bellotto malt Europa, München 2014, S. 96–113. Zur Abgrenzung von Capriccio und Pasticcio vgl. Roland Kanz: Die Kunst des Capriccio. Kreativer Eigensinn in Renaissance und Barock, München 2002, S. 350–356. Auf Händel bezogen vgl. die genannten Elemente im Aufsatz von Joseph Burke: Hogarth, Handel and Roubiliac, in: Eighteenth-Century Studies 3, 1969, H. 2, S. 157–174. 10 Maria H. Loh: New and Improved: Repetition as Originality in Italian Baroque Practice and Theory, in: The Art Bulletin 86, 2004, H. 3, S. 489–493. Vgl. auch die Aufsätze in Ekkehard Mai (Hg.): Das Capriccio als Kunstprinzip. Zur Vorgeschichte der Moderne von Arcimboldo und Callot bis Tiepolo und Goya. Malerei – Zeichnung – Graphik, Mailand 1996. 11 Zu Ghezzi vgl. Giancarlo Rostirolla: Il „Mondo novo“ musicale di Pier Leone Ghezzi, Mailand 2001; zu Zanetti vgl. Werner Busch: Die Wahrheit des Capriccio – die Lüge der Vedute, in: Mai (Hg.): Das Capriccio als Kunstprinzip (wie Anm. 10), S. 95–102, hier S. 98 f. 8

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Eingehende Beispiele für diesen Karikatur-Typus sind Joseph Goupys Stiche, die Händel als Eber an einer Orgel zeigen oder auch eine weitere Karikatur aus der British Library, die den handschriftlichen Zusatz „Farinelli, in England from 1734 to 1737“ trägt.12 Über bereits bestehende Forschungen zu diesen beiden Karikaturen wird klar, dass sie gewissermaßen zwischen der Portraitmalerei und den karikaturalen Stichen eines William Hogarth angesiedelt sind. Dank eines Vergleichs mit verschiedenen Portraits des aus Rom stammenden Malers Andrea Casali konnte zum Beispiel das vermeintliche Abbild Farinellis als Portrait des Kastraten Angelo Maria Monticelli identifiziert werden, der ab 1741 in London wirkte.13 Die beiden Karikaturen sind dabei bisher vor allem als Verball­hornung von Händels Völlerei oder der Sexualität von Kastraten gelesen worden.14 Letzteres ist möglich, da sich aufgrund von Vergleichen mit Hogarths Karikaturen und im Anschluss an die auch von Ghezzi und Zanetti unterstrichenen Merkmale wie der Perücke durchaus eine typenhafte Darstellung auch der hier gezeigten Personen und Zusammenhänge wahrnehmen lässt: Genauso wie der Musiker am Cembalo bei Hogarth als eine Mischung aus Händel und Porpora gesehen werden kann, deutet die fälschlicherweise auf Farinelli verweisende Bildunterschrift an, dass auch die anonyme Satire eher mit einem Personen­t ypus und ihrem Modell, statt mit einer bestimmten Person verbunden wurde.15 In einem Punkt jedoch setzen sich die beiden Darstellungen von den karika­ turalen Zeichnungen bzw. Stichen Ghezzis, Zanettis und Hogarths ab: Sie werden vielmehr durch den Einsatz symbolischer Objekte dominiert, als durch die Prägnanz der Gesten und Haltungen. Während die Objekte wie die Eule, der Spiegel, der Esel, die Weinfässer oder die musikalischen Instrumente auf der einen Karikatur, und die Schere, der Esel, die Pfauenfedern, die Taschenuhren und der Eberkopf auf der anderen körperliche und charakterliche Eigenschaften sowie auch ihre gesellschaftlichen und kulturellen Folgen thematisieren, rücken über diese kaleidoskopartige Zusammenstellung auch weitere disparate Aspekte der Darstellung in den Vordergrund: In der Tat lassen sich beide Bilder als Pasticcio lesen. Dies soll kurz ausgehend von Goupys Stich zu Händel dargelegt werden: Joseph Goupy: The true Representation and Caracter &c., 1749–1750, London, British Library; Karikatur eines Kastraten (Angelo Maria Monticelli), London, British Museum. 13 Xavier Cervantes: Farinelli oppure no? Rilettura di una incisione satirica inglese, in: Luigi Verdi (Hg.): Il Farinelli e gli evirati cantori, in occasione del 300e anniversario della nascita di Carlo Broschi, Lucca 2007, S. 77–86. 14 Bereits 2009 sprach sich Ilias Chrissochoidis gegen eine solche Interpretation der Darstellung Händels als Schwein aus, vgl. Ilias Chrissochoidis: Handel, Hogarth, Goupy: artistic intersections in early Georgian England, in: Early Music 37, 2009, H. 4, S. 577–596, S. 583 f. 15 Ebd., S. 588. 12

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Die Karikatur mit dem Titel The true Representation and Caracter &c entstand anscheinend im Anschluss an Händels Ablehnung einer Komposition für die Haymarket Opera unter Lord Middlesex, dessen Anfrage Händel durch den Künstler, Joseph Goupy, 1743 überbracht worden war.16 Goupy war bis dahin maßgeblich am Aufbau von Händels Kunstsammlung beteiligt, die sich u. a. aus Pasticci, Architekturcapricci, einem Gemälde von Canaletto und Zeichnungen von Annibale Carracci zusammensetzte.17 Ein Zerwürfnis dokumentiert aber vermeintlich auch schon eine Pastellmalerei Goupys unter dem Titel The Harmonious Boar, auf der Händel als ein Eber an der Orgel zu sehen ist. Das Bild, das bisher sowohl auf die 1730er als auch auf die 1740er Jahre datiert wurde, ist auf mehrere Weise als Pasticcio angelegt. Zum einen herrscht hier eine Fülle unterschiedlicher Objekte vor. Während Geflügel, Schweineköpfe und Fässer Händel mit Völlerei in Verbindung bringen, deuten dazu spiegelbildlich angeordnete Bildbestandteile wie die Pauken, die Eule auf seinem Kopf als Symbol für Geschichte, das aristokratische Pferd und auch die Ornamente der ins Freie deutenden Architektur hinter der Orgel eine positive Wirkung seiner Musik an. Verstärkt wird diese Wirkung durch einen Zwerg, der Händel einen Spiegel vorhält, welcher jedoch kein Bild zurückwirft, sondern eher als Vergrößerungsglas zu fungieren scheint. Der Zwerg ist neben der Komposition der unterschiedlichen Elemente aus unterschiedlichen Stillagen ein expliziter Beleg dafür, dass es sich bei Goupys Pastell zum anderen um ein Pasticcio aus imitierten Figuren und Architekturen handelt. Goupy entnahm den Zwerg anscheinend aus Zeichnungen, die er nach den grotesken Ideen von Annibale Carracci angefertigt hatte.18 Der Zwerg, der in Goupys Zeichnung nach Carracci an einer mascherata teilnimmt, Listen absingt und seine lange Nase in alles steckt, was sich ihm so bietet, fungiert zusammen mit der Orgel und der Lupe als Spiegelachse des Bildes. Diese auf Durchlässigkeit und Vergrößerung des Blicks angelegte Spiegelachse verdeutlicht eine Definition des Pasticcios

Ebd., S. 583. Thomas McGeary: Handel as Art Collector: Art, Connoisseurship and Taste in Hanoverian Britain, in: Early Music 37, 2009, H. 4, S. 533–574. 18 Zeichnung Joseph Goupys nach Annibale Carracci: O che Mascarata, e bel Canto, Cari Carracci,…etc., Achenbach Foundation for Graphic Arts, Fine Arts Museums of San Francisco; Zeichnung Joseph Goupys nach Annibale Carracci: O che Musi. Gran  e bel Mestier…etc., Achenbach Foundation of Graphic Arts, Fine Arts Museums of San Francisco. Zur Kunst des Kopierens bei Goupy vgl. Bruce Robertson / Robert Dance: Joseph Goupy and the Art of the Copy, in: The Bulletin of the Cleveland Museum of Art 75, 1988, H. 10, S. 354–375; [Anon.]: Joseph Goupy: Checklist of Prints, Drawings, and Paintings, in: The Bulletin of the Cleveland Museum of Art 75, 1988, Nr. 10, S. 376–382. Zu Carracci in Händels Kunstsammlung vgl. McGeary: Handel as Art Collector (wie Anm. 17), S. 533–574, hier S. 533 und 566. 16 17

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als einem Zusammenwirken disparater Elemente, die vom Betrachter oder der Betrachterin des Bildes mikroskopisch en detail dechiffriert werden sollen, anstatt sich im zweifelhaften Geschmack der Völlerei zu verbinden. Das Zusammenwirken der disparaten Elemente stellt Goupy dabei als eine Art ‚clash of tastes‘ dar, zumal sein Pasticcio verschiedene Stilhöhen oder auch Größenverhältnisse explizit thematisiert (der Zwerg hält das Vergrößerungsglas), aber auch da seine Pastellmalerei eben zwei gegensätzliche Interpretationen zwischen grotesker Völlerei und einer imaginierten geschmackvollen Musik spiegelbildlich-gleichwertig darstellt. In einer Neuauflage des Pastells als Druckgraphik aus den Jahren ­1749–1750 zeigt Goupy schließlich die Relevanz der Disparatheit unterschiedlicher Elemente für das Pasticcio auf. Unter dem Titel The True Representation and ­Caracter19 versetzte Goupy das Pferd, die Eule, die Fässer und auch den Garten nun in ein kriegerisches und bäuerliches Ambiente aus Kanonen, Eseln und Ruinen. Sie werden in der Bildunterschrift als „Monsters“ bezeichnet, die die Bühne bevölkert hätten. Der im Bild enthaltene Schriftzug über der Orgel „Oh Che Tocca“ scheint dabei ein völliges Abrutschen Händels ins Groteske anzudeuten und damit die Verschiedenheit der Szenarien dies- und jenseits der Spiegelachse aufzulösen. Dass eine solche Verkürzung der Pasticcio-Ästhetik auf den Komponisten selbst zurückfiel und anscheinend als reine Völlerei galt, zeigt eine letzte Karikatur aus dem Jahr 1754.20 In dem anonym publizierten Bild hält der Teufel Händel nun kein Vergrößerungsglas mehr, sondern einen echten Spiegel vor. Laut der Bildunterschrift erscheint Händel hier schließlich jenseits aller guten Geschmacksvorstellungen „allein“. Der Rekurs auf den Spiegel ist insofern interessant, als dass es zur Ballad Opera der Zeit ähnliche graphische Darstellungen gab, die auf den Spiegel zurückgriffen. Wie in der Druckgraphik zum Song Kitty Clives‘ mit dem Titel Le Beau erscheint der Spiegel dabei als Symbol der Selbstverliebtheit, vor allem des Alters.21 Nur durch den Kontrast mit der Jugend (die Sängerin Kitty Clive erscheint im Hintergrund), also nur durch die Überlagerung zweier widerstrebender Darstellungen, die auch schon bei Goupy sichtbar waren, lässt sich der Spiegel symbolisch fassen. Daran anschließend lässt sich aus den drei Bildvariationen Joseph Goupys schließen, dass eine künstlerische Pasticcio-Ästhetik im London des frühen 18. Jahrhunderts als eine Ähnlichkeitsstudie disparater Elemente zu verstehen ist. Nicht ein einheitlicher Geschmack der zusammengestellten Elemente wird angestrebt, auch nicht eine Dichotomie der disparaten Elemente, sondern die Joseph Goupy: The true Representation and Caracter &c., 1749–1750, London, British Library. [Anon.]: The Charming Brute, Karikatur, 1754. 21 [George Bickham Jr.]: Bickham’s Musical Entertainer, Vol. II, London 1737, S. 50. 19

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Vergrößerung einzelner Objekte in ihren durch andere Objekte der Bildkomposition gespiegelten Wirkungsweisen. Erst durch das gezielte Austesten der vielfältigen Erweiterungsmöglichkeiten einzelner Objekte durch Groteske, Imagination oder Perfektion entsteht ein im Detail fundierter Kunstgeschmack, der auf eine gesellschaftlich relevante Performanz abzielt. Diese Performanz fasst Goupy im ersten Bild auf dem Spruchband mit den Worten „Pension Benefit Nobility Friendship“ zusammen.22 Eine solche Rezeptionsästhetik des Pasticcio stand zum einen in unmittelbarer Verbindung mit zentralen Tendenzen der Aufklärung und der künstlerischen Praxis im London des frühen 18. Jahrhunderts. Hier spielte das Vergrößerungsglas eine wichtige Rolle.23 Bereits Joseph Goupys Vater Louis Goupy hatte den Mathematiker Brook Taylor 1720 vor einem Cembalo mit einer Darstellung der Camera Obscura portraitiert und 1737 stellte sie auch Francesco Algarotti in seinem Traktat Newtonianism for Ladies ausführlich dar.24 Bei Canaletto wurde der in der Camera Obscura enthaltene Spiegel für eine künstlerische Vergrößerung genutzt, die nicht nur quantitativ, sondern vor allem auch ästhetisch eingelöst werden musste: Wie zeitgenössische Karikaturen aus Venedig zeigen, schufen diejenigen Künstler, die es mit dem Abmalen der von der Camera Obscura festgehaltenen Umrisse allzu genau nahmen, keine Kunst.25 Eine solche, auf das Vergrößerungsglas bezogene Ästhetik hätte aber wohl kaum eine umfassende Wirkung entfaltet, hätte das Großstadtleben Londons, das in zahlreichen Reiseberichten als von den vielfältigen Waren und ihren Auslagen visuell überfrachtet dargestellt wird, nicht als ein weiterer wichtiger Faktor fungiert. Denn die auswärtigen Reisenden beharrten weitaus weniger auf der Joseph Goupy: The Harmonious Boar, 1730er bzw. 1740er Jahre, Cambridge, Fitzwilliam Museum. 23 In Bezug auf das Capriccio in der bildenden Kunst vgl. Loh: New and Improved (wie Anm. 10), S. 489. 24 Louis Goupy: Brook Taylor, Aquarell, 1720, London, National Portrait Gallery. In seiner Schrift Newtonianism for Ladies von 1739 (1737 als Il newtonianismo per le Dame in Neapel /  Venedig erschienen) imitierte Francesco Algarotti zudem zahlreiche Ausdrucksweisen von Galileo Galilei bis Baldassare Castiglione, mit denen sich eine popularisierende Vorstellung der wissenschaftlichen Erkenntnisse erreichen ließ. Massimo Mazzotti: Newton for ladies: gentility, gender and radical culture, in: British Journal for the History of Science 37, 2004, H. 2, S. 130. Zu den theoretischen Implikationen der Newton’schen Denkweise in Bezug auf die Wahrnehmung zwischen Rationalismus und Empirismus und auch die Einstufung von musikalischer bzw. musiktheatraler Kunst vgl. Gideon Stiening: Algarottis Saggio sopra l’opera in musica im Kontext der Aufklärungsphilosophie, in: Frieder von Ammon u. a. (Hg.): Oper der Aufklärung – Aufklärung der Oper. Francesco Algarottis „Saggio sopra l’opera in musica“ im Kontext, Berlin / Boston 2017 (= Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext 214), S. 39–67. 25 Busch: Die Wahrheit des Capriccio – die Lüge der Vedute (wie Anm. 11), S. 98 f. 22

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festgestellten visuellen Überwältigung, als sie auf die Herausbildung eines im Detail fundierten Geschmacks pochten, der laut Georg Christoph Lichtenberg anscheinend nur schwer im Straßenleben zu erlangen war: „Stellen Sie sich eine Strase vor etwa so breit als die Weender, aber wenn ich alles zusammen nehme, wohl auch 6mal so lang. Auf beyden Seiten hohe Häuser mit Fenstern von Spiegel Glas. Die untern Etagen bestehen aus Boutiquen und scheinen gantz von Glas zu seyn; viele tausende von Lichtern erleuchten da Silberläden, Kupferstichläden, Bücherläden, Uhren, Glas, Zinn, Gemählde, Frauenzimmer-Putz und Unputz, Gold, Edelsteine, Stahl-Arbeit, Caffeezimmer und Lottery Offices ohne Ende […]. Dem ungewöhnten Auge scheint dieses alles ein Zauber; desto mehr Vorsicht ist nöthig; Alles gehörig zu betrachten; denn kaum stehen sie still, Bums! Läuft ein Packträger wider sie an und rufft By your Leave wenn Sie schon auf der Erde liegen.“26

Gleiches gilt für die bildlichen Satiren, die das damalige London gleichsam überfluteten und ständig weiterverbreitet, ausgetauscht und in alterierter Form präsentiert wurden. Laut Mark Hallet machten die Stiche eines Hogarth und weiterer Künstler einen wichtigen Teil des städtischen Lebens aus: „Like many other kinds of printed image, the graphic satire was also highly visible. Distributed to overflowing print shops and boisterous coffee houses, pinned up in cluttered street windows, scattered across crowded shop counters and coffee tables, and then passed from hand to hand, or hung and framed in glass, or pasted in folios bulging with other graphic images – the satiric print was a dynamic and mobile component of English graphic art, and a ubiquitous feature of contemporary urban life.“27

Projiziert man nun den detailorientierten, im Detail vergleichenden Geschmack auf die zweite Karikatur über den italienischen Kastraten – und dies ist aufgrund der rekurrierenden Elemente des Esels, des Schweinekopfs unter dem Mantel, der Landschaft im Hintergrund sowie der Bildaufteilung in eine Seite mit Ruinen und eine Seite mit florierenden Landschaften gut möglich –, ergibt sich auch hier sowohl eine negative, als auch eine positiv besetzte ästhetische Lesart: Im Anschluss an den Fingerzeig der Frau am rechten Bildrand und an die Katze vor der Schere wird das Bild gemeinhin als Ausweisung des Kastraten nach Italien, dem Land der Kastration, gesehen.28 Die Pasticcio-rele Brief Georg Christoph Lichtenbergs an Ernst Gottfried Baldinger, Kew, 10. Januar 1775, in: Georg Christoph Lichtenberg: Briefwechsel, hg. von Ulrich Joost und Albrecht Schöne, Bd. 1, München 1983, S. 488 f. 27 Mark Hallett: The Spectacle of Difference. Graphic Satire in the Age of Hogarth, New Haven /  London 1999, S. 1. 28 Thomas McGeary / Xavier Cervantes: From Farinelli to Monticelli: An Opera Satire of 1742 Re-Examined, in: The Burlington Magazine 141, 1999, H. 1154, S. 287–289, hier S. 289. 26

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vante Schnittstelle dieser Karikatur, der Steinkopf im linken Vordergrund, der in seinem Ornamentcharakter ebenfalls auf der antik anmutenden Sandale des Kastraten erscheint, verdeutlicht jedoch anscheinend eher eine Verbindung des Kastraten mit dem antiken Arkadien als Fluchtpunkt einer geschmackvollen Musik: Der offene Mund des Kopfes und die breitere Wangenpartie verweisen auf eine der beliebtesten Karikaturen im London des frühen 18. Jahrhunderts, und zwar auf den Stich von John Vanderbank zu einer Szene aus Händels Flavio von 1723, wobei das Gesicht von Senesino sehr dem Steinkopf ähnelt.29 Dieser Stich wurde 1724 von Hogarth in seine Karikatur Masquerades and Operas, or The bad taste of the town aufgenommen.30 In der Satire über Monticelli verweist er auf ein gegenwärtig versteinertes Arkadien, zu dessen vitalem Ursprung es – so der Fingerzeig der Frau am rechten Bildrand – zurückzukehren gilt. Insgesamt verdeutlicht das Pasticcio-artige Element des Steinornaments folglich auch hier die Wichtigkeit einer ausgewogenen Lesart disparater Elemente, verstärkt das Vergleichsmoment jedoch noch in Richtung eines komplexen Ineinandergreifens kontrastierender Sichtweisen (Steinkopf vs Katze, Ausweisung vs Rückkehr nach Italien). Insgesamt  – so lässt es sich für diesen Teil schlussfolgern  – erscheint Italien in diesen Karikaturen also zwar als Negativfolie, zugleich aber auch als historischer Fluchtpunkt einer erstrebenswerten künstlerischen Orientierung.

Musikalische Implikationen der Pasticcio-Ästhetik In Bezug auf die musikalische Komposition von Opernpasticci lässt sich bei Händel eine klare Orientierung an der auf Kontrast und Vergrößerung ausgerichteten Geschmacksbildung erkennen. Diese Geschmacksbildung bezog sich wie gesagt weniger auf die großen Kontraste an der Oberfläche (wie Italien vs England), sondern auf die in ihrer Wirkung kontrastierten Einzelobjekte. Diese galt es durch das Vergrößerungsglas zu betrachten, anstatt sie zu spiegeln bzw. zu imitieren. Dass eine solche Ästhetik für die Londoner Opernhäuser all John Vanderbank: Karikatur zur Aufführung von Händels „Flavio“, 1723, Stiftung Händel-Haus Halle, https://st.museum-digital.de/index.php?t=objekt&oges=68520 (Zugriff am 8.11.2018). Man beachte aber auch die vielen Stiche mit Portraits u. a. des Prime Ministers Sir Robert Walpole, die um 1737–1738 in London entstanden und auf denen Walpole und andere Politiker mit offenen Mündern dargestellt werden. Vgl. Hallett: The Spectacle of Difference (wie Anm. 27), S. 1–9. 30 William Hogarth: Masquerades and Operas, or The Bad Taste of the Town, Druck, 1724, London, British Museum. Vgl. hierzu auch Barlow: The Enraged Musician (wie Anm. 1), S. 190–192.

29

„Native“ – „foreign“

37

gemein zutraf, wird z. B. an einem Kommentar Burneys zu einer Vertonung von Metastasios Olimpiade durch Thomas Arne von 1765 deutlich. Die Vertonung war Arne aufgrund der Wahrung der Unparteilichkeit zwischen ausländisch-italienischer und heimisch-englischer Oper angetragen worden (und man beachte auch hier wieder den visuellen Vergleich, den Burney einfügt): „Every composer now in London was ambitious of writing for such  a performer as Manzoli. And the managers, to manifest impartiality, gave our countryman, Dr. Arne, an opportunity of distinguishing himself by setting Metastasio’s admirable drama of Olimpiade. But the doctor had kept bad company: that is, had written for vulgar singers and hearers too long to be able to comport himself properly at the Opera-house, in the first circle of taste and fashion. ‚He could speak to the girls in the garden‘ very well; but whether through bashfulness, or want of use, he had but little to say to good company. The common play-house and ballad passages, which occurred in almost every air in his opera, made the audience wonder how they got there. A tarnished Monmouthstreet suit of cloaths in the side boxes, would not have surprised them more. This production was performed but twice, and never printed. Many reasons may be assigned for this failure of a man of real genius, who had in so many occasions delighted the frequenters of our national theatres and public gardens: a different language, different singers, and a different audience, and style of Music from his own, carried him out of his usual element, where he mangled the Italian poetry, energies, and accents, nearly as much as a native of Italy just arrived in London, would English, in a similar situation.“31

Die musikalische Funktionsweise der Opernhaus-Ästhetik, die bei Arne aufgrund seiner Verankerung in einer bestimmten institutionalisierten Musik­ produktion und -rezeption nicht funktionierte, lässt sich anhand eines zentralen Opernpasticcios Händels aufzeigen, seinem Catone aus dem Jahr 1732. Händel scheint hier die Maßgabe verfolgt zu haben, für die beiden hauptsächlichen Sänger Senesino (Catone) und Anna Maria Strada del Pò (Marzia) die Arien aus Leonardo Leos Vorlage beizubehalten, und die von Celeste Gismondi (Emilia), Francesca Bertolli (Arbace) und Antonio Montagnana (Cesare) verkörperten Nebenrollen durch Einlagen von Nicola Porpora, Antonio Vivaldi, Leonardo Vinci und vor allem Johann Adolf Hasse zu gestalten.32 Durch diesen Arien-Plan ergibt sich eine auffällige musikalische Aufteilung: Während die Arien von Leonardo Leo sich durch ein absteigendes, oft in Sechzehnteln wiedergegebenes Viertonmotiv charakterisieren lassen (siehe Notenbei31

Charles Burney: A General History of Music (1789), Bd. 4, Baden-Baden 1958, S. 868 f. Einen Plan der Arien und ihrer Vorlagen hat Reinhard Strohm etabliert: Reinhard Strohm: Catone (HWV A7), in: Arnold Jacobshagen / Panja Mücke (Hg.): Händels Opern, Teilband 2, Laaber 2009, S. 391–396.

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Bsp. 2: Georg Friedrich Händel: Einsatz der Gesangstimme in der Arie „Con si bel nome“ (I, 1) aus Catone (Auszug aus der entstehenden Online-Edition, im Projekt herausgegeben von Martin Albrecht-Hohmaier und Berthold Over).

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Bsp. 4: Georg Friedrich Händel: Einsatz der Gesangstimme in der Arie „Pensa di chi sei figlia“ (I, 5) aus Catone (Auszug aus der entstehenden Online-Edition, im Projekt herausgegeben von Martin Albrecht-Hohmaier und Berthold Over).

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spiele 1–4),33 herrscht in Hasses, Porporas und Vivaldis Arien eine regelmäßige Fortschreitung des Basses vor, durch den eher einzelne Tonstufen akzentuiert werden (siehe Notenbeispiele 5–6).34 Ein Blick in die Abschrift der Partitur Leonardo Leos, die Händel mit Bleistifteintragungen versah, unterstreicht die Aufteilung in zweierlei Weise: Erstens weisen auch diejenigen Arien Leos – hier zunehmend in den Bässen – das absteigende Motiv auf, die Händel durch Arien Violino I

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Bsp. 5: Georg Friedrich Händel: T. 7–14 der Arie „Non paventa“ (I, 6), aus Catone (Auszug aus der entstehenden Online-Edition, im Projekt herausgegeben von Martin Albrecht-Hohmaier und Berthold Over).

Arien „Con si bel nome“ (Senesino), „Non ti minaccio“ (Strada), „Pensa di chi“ (Senesino), vgl. Händels Direktionspartitur Il Catone Opera, D-Hs, MA/1012. Zu den überlieferten Partituren vgl. Hans Dieter Clausen: Händels Direktionspartituren („Handexemplare“), Hamburg 1972, S. 126–128. 34 Vgl. z. B. die Arie des Arbace (Bertolli) „Un raggio di speme“ und die Arie des Cesare (Montagnana) „Non paventa“, in: Händel, Il Catone Opera, D-Hs, MA/1012. 33

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von Hasse, Porpora und Vivaldi ersetzte, sodass anzunehmen ist, dass Händel die Einlagearien nach dem oben angedeuteten Schema auswählte und anordnete.35 Zweitens beschränkte sich Händel bei seinen eigenhändigen Eintragungen auf minimale Bleistiftstriche, die Kürzungen der Rezitative andeuten und ließ auf diese Weise Leos Arien in der Vorlagepartitur intakt.36 Ein anderes Bild ergibt sich in seinem Handexemplar, also der vom Kopisten nach Händels Vorstellungen eingerichteten Aufführungspartitur für London. Hier finden sich zumeist mehrere Einlagen hintereinander, von denen schließlich eine in die Aufführung gelangte. An der Stelle, an der die vorgesehene Hasse-Arie „Vaghe labbra voi fingete“ durch die ebenfalls von Hasse stammende Arie „Chi mi toglie“ ersetzt wurde, um der Sängerin Celeste Gismondi entgegenzukommen, legten Händel und sein Kopist die neue Arie direkt nach der Instrumentaleinleitung der ursprünglich angedachten Arie ein, sodass sich beim Lesen des Handexemplars ein Vergleich ergibt: Während Händel zuerst die stufenweise ansteigenden Linien durch virtuose punktierte Verzierungen angereichert wissen wollte, unterstreicht die neue Arie die Stufen durch ein regelmäßig ansteigendes dreitöniges Sechzehntelmotiv (siehe Abbildung 1 und 2).37 Vor dem Hintergrund dieses Szenariums ergibt sich eine Sängerinnen- und Sänger-geleitete Anlage des Pasticcios, die zwar ebenfalls auf die Gegenüberstellung disparater musikalischer Kompositionsweisen rekurriert, aber Händels virtuose Motivvergrößerungen nicht im Detail mitträgt. Daher scheint es, dass die in den Londoner Pamphleten oft als „Monster“ bezeichneten Vokalisten eine Verkürzung seiner Auseinandersetzung mit zentralen kompositorischen Materialien mit sich brachten, die er jenseits von praktischen oder dramaturgischen Werkzusammenhängen ästhetisch kategorisierte.38 Solcherlei z. B. rollentechnischen Normen geschuldeten Verunmöglichungen des ästhetischen Erkenntnisinteresses könnten den Ausschlag gegeben haben, dass Händel nach 1737 keine Pasticci mehr zusammenstellte. Auch der Abschluss des Pasticcios Catone mit Leonardo Vincis Arie „Vo solcando un mar crudele“ liest sich wie ein bitterer Kommentar zur Realität der Pasticcio-Praxis: Die Arie akzentuiert die Textzeilen „der Himmel verdunkelt sich“ („il ciel Vgl. die Arie des Arbace „Mi lunsinga il cor d’affetto“, in: Leonardo Leo, Il Catone. Opera Rappresentata in S: Gio: Gris.mo, [Venedig 1729], fol. 26v-30v (in der Handschrift versehen mit dem Zusatz „Di Vinci“). Anders dagegen Cesares Arie „Nell’ardire che il seno“, fol. 39v-43r. Die Handschrift aus der Sammlung von Händels Zeitgenossen John Buckworth, bei der Bleistifteintragungen Händels angenommen werden, liegt in GB-Lam unter der Signatur MS 75. 36 Für die Rezitativkürzungen vgl. z. B. fol. 21r in: ebd. 37 Vgl. fol. 54v-55r in: Händels Direktionspartitur Il Catone Opera, D-Hs, MA/1012 (wie Anm. 33). 38 Zitiert nach Otto E. Deutsch, Handel. A Documentary Biography, London 1955, S. 355. 35

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Abb. 1: Georg Friedrich Händel: Direktionspartitur Il Catone Opera (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, MA /1012, fol. 54v).

s’imbruna“) und „die Kunst / Fertigkeit fehlt“ („e manca l’arte“) sowie „ich bin gezwungen zu folgen“ („son costretta a seguitar“) durch ein bereits in der Sinfonia zu Catone und in Leonardo Leos erster Arie vorbereitetes absteigendes viertöniges Motiv in halben Noten (siehe Notenbeispiel 7).39 Das Vergrößerungsglas verweist hier auf die Unmöglichkeit einer kategorischen Gegenüberstellung perfektionierter kompositorischer Ausdrucksweisen in der Londoner Produktionspraxis von Pasticci. Denn in Bezug auf die Sängerinnen und Sänger könnte der musikalische Kommentar in halben Noten ebenfalls dahingehend interpretiert werden, dass in Opernpasticci vornehmlich grundlegendes Material jenseits komplexer kompositorischer Interessen bereitgestellt wurde und die Auszierungen ganz den „Monsters“ überlassen waren. Umgekehrt muss angenommen werden, dass das Einbringen prägnanter, einfach gestalteter Motive in Händels Opernunternehmen relativ vergeblich war, da die italienische Interpretationspraxis einer durchdachten Komposition entgegenstand. Literarische Pamphlete, die eindeutig als Pasticcio angelegt sind und sich auch auf Goupys Stiche beziehen, bestätigen diese These, zumal sie auf Hän Händel, Il Catone Opera, D-Hs, MA/1012 (wie Anm. 33).

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Abb. 2: Georg Friedrich Händel: Direktionspartitur Il Catone Opera (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, MA /1012, fol. 55r).

dels Verlust wichtiger Sängerinnen und Sänger anspielen, die er innerhalb der Konkurrenz mit der Opera of the Nobility für sein Opernunternehmen verlor. Dies ist z. B. im Brief eines unbekannten Verfassers aus dem Jahr 1734 mit dem Titel Harmony in an Uproar: A Letter to Frederik Handel Esq., Master of the Opera House in the Haymarket der Fall. Während sich hier schon über den Titel eine Verbindung mit Goupys Händel-Pastell The harmonious Boar ergibt, enthält das Pasticcio neben Versen und Kantatentexten, die „in the Shakespearian Stile“ gedichtet sind oder als „burlesquing Milton“ angekündigt werden, zahlreiche kulinarische Anspielungen, nicht zuletzt in dem auf das Spruchband des Pastells verweisenden Satz „Sir, that of late you have been dammn’d Insolent, ­Audacious, Impudent and Saucy“. Auch die „Monsters“, die laut Bildunterschrift der zweiten Version die Bühne zieren, kommen im Pamphlet vor. Sie stehen für Sängerinnen und Sänger, nach deren Abwerbung Händel seine Opern modifizieren musste.40 Gleichzeitig untermauert dieses Netz an öffent40

„[…] they spirited away two very remarkable Monsters, the first Night of a new Opera, who had for a considerable Time been trained up, to the Stage; but by good Luck, I had some

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lichen, intermedialen Bezugnahmen, die sich Pasticcio-artig durch die Londoner Kaffeehäuser, Theater, Straßen und Parks zogen, noch einmal die Präsenz des Vergleichs und der Vergrößerung in der alltäglichen Kommunikation und Kritik, an welcher nicht nur die englischen Zeitungen, sondern auch die zahlreichen Karikaturen, Kunstkopien und Pamphlete teilhatten. Abschließend lässt sich sagen, dass dem Begriffspaar „native“  – „foreign“ im London ab den 1730er Jahren in musikgeschichtlicher Hinsicht nicht nur eine politische Bedeutung eignete, sondern dass es auch einen kontrastreichen, dialektischen Umgang mit dem großstädtischen Kunstgeschmack unterstrich. Ziel dieses Kunstgeschmacks waren aber nicht die großen nationalen Linien oder sozialen Gefälle, sondern der Blick aufs musikalische, motivische Detail und seine kompositorische Behandlung, der erst durch den produktiven Konflikt unterschiedlicher Kulturen entstehen konnte. Dass eine geographisch wie sozial übergreifende Geschmacksbildung wohl wie in Frankreich am ehesten noch mit einem institutionellen Opernmonopol und nicht mit einem Opernkrieg zweier konkurrierender Opernunternehmen zu erreichen war, steht außer Frage. Gerade deshalb scheint es auch nachvollziehbar, dass Händel seine Anstrengungen auf eine dritte Gattung, diejenige des Oratoriums verlagerte, in die auch die ‚ballad opera‘ aufgrund der englischen Texte ensembletechnisch einfacher zu integrieren war. Auf der Grundlage einer gewissen Neuheit der eigentlich kirchenmusikalischen Gattung, die zuvor auch die italienische Oper als Kritik- und Fluchtpunkt zugleich innegehabt hatte, war es nun möglich, weiterhin detailliert an einem musikalischen Stil zu arbeiten, der künstlerisch und sozial gleichermaßen interessant war. Was Händel damit letztlich zu erreichen gedachte, scheint sich weniger auf die soziale Erweiterung seines Publikums bezogen zu haben, als vielmehr auf die Erhebung einer stadtprägenden Londoner visuellen Kultur mit überregionaler Rezeption auch zur Maßgabe des städtischen Opernbetriebs.

more Monsters in another Den, tho’ not so expert at their Business.“ Harmony in an Uproar: A Letter to Frederik Handel Esq., Master of the Opera House in the Haymarket, London 1734, zitiert nach Deutsch: Handel (wie Anm. 38), S. 344–357, hier S. 344 und 355.

 Beggar’s Opera und Royal Academy of Music als Konkurrenz? Die Situation der Londoner Theaterunternehmen im europäischen Vergleich Bernhard Jahn (Hamburg)

Die Beggar’s Opera, um gleich schon, sozusagen genre-gemäß, mit der Tür und einer These ins Haus zu fallen, war kein Konkurrenzunternehmen zu den Opernproduktionen der 1728 in den allerletzten Zügen liegenden Royal ­Academy of Music. Sie wirkte weder de facto als solches noch war sie, soweit sich das heute noch feststellen lässt, als ein solches intendiert. Unter Konkurrenz sei dabei in einem weiten Sinne sowohl eine ökonomische Konkurrenz verstanden, bei der ein Theater wirtschaftlich mit einem anderem um Zuschauer und Einnahmen konkurriert, als auch eine ästhetische Konkurrenz, bei der es um die Durchsetzung neuer ästhetischer Konzepte geht, etwa um eine genuin englische Oper gegenüber der italienisch geprägten Opera seria. Wenn es also weder ein ästhetisches noch ein ökonomisches Konkurrenzverhältnis war, das zwischen der Beggar’s Opera bzw. dem Lincoln’s Inn Fields Theater, als dem Ort ihrer Produktion und den Opernaufführungen der Royal Academy bestand, wie lässt sich dieses Verhältnis anders beschreiben? Um diese Frage beantworten zu können, sollen in diesem Beitrag zunächst die spezifischen Konfigurationen, die die verschiedenen Theaterunternehmen in europäischen Städten in den Jahrzehnten um 1700 bildeten, miteinander verglichen werden. Da die Beggar’s Opera eine Anverwandlung der französischen Opéra-comique darstellt, wie sie ab 1713 im Théâtre de la Foire auf die Bühne gelangte, werden die Verhältnisse in Paris mit zu berücksichtigen sein, und da diese Art von Opéra-comique auch in Hamburg rezipiert wurde, ebenso die Hamburger Verhältnisse, weil sich auf diese Weise eine Vergleichsmöglichkeit zu London im Hinblick auf die Rezeption der Opéra-comique bietet. Es geht also um die Frage der Situierung der Opéra-comique in London, Paris und Hamburg. Leitend ist dabei die Annahme, dass die Stellung und damit einhergehend die Produktion eines Theaterunternehmens in einer Stadt nur dann zutreffend erfasst werden kann, wenn die Konfiguration beschrieben wird, die es mit allen anderen Theatern der Stadt bildet. Das ist allerdings leichter gesagt als getan, denn die verschiedenen Theaterformen sind in unterschiedlichem Grad mit Archivierungsmöglichkeiten verbunden und viele Formen von

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Bernhard Jahn

Theater wie etwa das Marionettentheater sind für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts kaum noch rekonstruierbar.1 Noch seltener wird die Konfiguration der verschiedenen Theaterunternehmen in einer Stadt auf der Bühne selbst thematisiert, wie etwa 1725 in Hamburg in dem „scherzhaften Sing-Spiele“ Der Hamburger Jahr-Marckt. Hier findet sich im ersten Akt, der als Prolog fungiert, folgender Auftritt: „Mutius, Risibilis, und Porcius kommen mit Leitern in den Händen, steigen darauff und will ein jeder sein Placat an dem Pulver-Thurm oben anschlagen.“2 Die Plakate, um deren Platzierung heftig gerungen wird, werben für die Oper, die Komödie und das Marionettenspiel. Jede der Figuren steht für ein Theaterunternehmen, Porcius (von lateinisch ‚porcus‘ = ‚das Schwein‘) etwa spricht Plattdeutsch und verkörpert das Marionettenspiel, Risibilis (von lateinisch ‚risibilis‘ ‚was belacht werden kann, lächerlich‘) steht für die Komödie und Mutius (wohl von lateinisch ‚mutare‘ in der Bedeutung von ‚wechseln, verändern‘) steht für die Oper und ihr vom Hamburger Publikum eingefordertes ästhetisches Programm eines permanenten Wechsels.3 Wie nicht anders zu erwarten, kommt es zu einer Prügelei zwischen den Vertretern der drei Theaterformen, die Konfiguration der Theater in der Stadt äußert sich auf der Bühne als direktes, körperliches Konkurrenzverhältnis. Doch auch hier liegen die Dinge etwas komplizierter. Darauf wird zurückzukommen sein. Beginnen wir mit einem Blick auf Paris, wo die Opéra-comique auf den Jahrmärkten vor allem von Saint-Germain und Saint-Laurent gegen Ende des 17. Jahrhunderts nach der Vertreibung der italienischen Komödianten durch Ludwig  XIV. als eigenständige Theaterform ihre Bühnenlaufbahn begann.4 Typisch für diese Jahrmarktstheaterstücke ist eine direkte Bezugnahme zum So verzeichnet etwa das sehr hilfreiche Standardwerk Emmett L. Avery (Hg.): The London Stage 1660–1800. A Calendar of Plays, Entertainments & Afterpieces […], Part II, 1700–1729, 2 Teilbde., Carbondale, Illinois 1960, vor allem die Spielpläne von Druy Lane, Lincoln’s in Fields und King’s Theatre, weil deren Programme auch in der Tagespresse regelmäßig angekündigt wurden, nur selten geraten andere Theater wie etwa Bartholomew Fair in den Blick. Einen guten Überblick über die Londoner Theatersituation vermittelt der Sammelband von Robert D. Hume (Hg.): The London Theatre World, 1660–1800, London / Amsterdam 1980. 2 Johann Philipp Praetorius: Der Hamburger Jahr-Marckt Oder der Glückliche Betrug / In einem schertzhafften Sing-Spiele Auf dem Hamburgischen Schau-Platze Vorgestellet, Hamburg 1725, Bl. A1v. 3 Zum Wechsel als ästhetischem Grundprinzip der Hamburger Oper vgl. Bernhard Jahn: Die Sinne und die Oper. Sinnlichkeit und das Problem ihrer Versprachlichung im Musiktheater des nord- und mitteldeutschen Raumes (1680–1740), Tübingen 2005 (= Theatron 45), S. 97 f. 4 Vgl. Maurice Barthélemy: L’opéra-comique des origins à la Querelle des Bouffons, in: Philippe Vendrix (Hg.): L’opéra-comique en France au xviiie siècle, Liège 1992, S. 8–78. Barthélemy diskutiert auch die verschiedenen Vorformen. 1

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Repertoire der Académie Royale de musique.5 Diese Bezugnahme ist entweder schon direkt im Titel zu erkennen, Alain-René Lesages Télémaque von 1715 für das Théâtre de la Foire rekurriert auf André Destouches’ gleichnamige Oper von 1714 für die Académie Royale, oder die Bezugnahme verläuft etwas versteckter, wenn einzelne Szenen aus der Tragédie en musique parodiert werden, so etwa 1713, wenn in Arlekin, roi de Sérindib die Opferungsszene aus Destouches’ Iphigénie en Tauride (1704) parodiert wird,6 und schließlich aber auch schon, wenn die Melodien einzelner Airs aus den hohen Opern neu textiert in die Opéra-comique übernommen werden. Lullys Opern bilden hierbei den primären Melodienspender.7 Ein solcher musikalischer Transfer ist problemlos möglich, weil es in der Tragédie en musique, anders als in der italienischen Oper, keine ausgeprägt virtuosen Arien gibt, sondern eher liedhafte, zweiteilige Formen, die meist nur vom basso continuo begleitet werden. Diese ‚airs‘, zusammen mit den Tanzsätzen aus den Divertissements, konnten als Bausteine ohne großen musikalischen Substanzverlust in die Opéra-comique übertragen und zwischen die Prosadialoge eingeschaltet werden. Auf diese Weise war ein direkter musikalischer Bezug zwischen Théâtre de la Foire und Académie royale de musique herzustellen möglich. Und dies, obwohl in Paris phasenweise ein heftiges ökonomisches Konkurrenzverhältnis zwischen den einzelnen Theatern bestand. Vor allem die Comédie Française und die Oper erwirkten immer wieder Verbote oder Restriktionen, so dass die musikalischen Anteile der Opéra-comiques zum Teil nur vom Publikum gesungen werden durften.8 Hinsichtlich der Texte bzw. der dramatischen Plots scheinen zunächst wenige Berührungspunkte zwischen Opéra-comique und Académie royale de musique zu bestehen. Das Jahrmarktstheater verwendet das komische Figurenpersonal der Commedia dell’arte mit Arlekin an der Spitze,9 während in der Tragédie lyrique in der Regel keine komischen Figuren auftreten. Jedoch ergab sich seit der erfolgreichen Etablierung des Opéra-ballet 1697 durch Campras L’Europe galante auch für die hohe Oper die Möglichkeit, commedia-dell’ arte-Elemente in die Handlung zu integrieren. Das Opéra-ballet wurde trotz oder wegen dieser Integrationsbemühungen seinerseits wieder vom Théâtre de Ebd., S. 41 f. Daniel Heartz: The Beggar’s Opera and opéra-comique en vaudevilles, in: Early Music 27, 1999, S. 42–54, hier S. 45. 7 Vgl. Herbert Schneider: Die Rezeption der Opern Lullys im Frankreich des Ancien régime, Tutzing 1982 (= Mainzer Studien zur Musikwissenschaft 16), S. 233–244. 8 Vgl. Jürgen von Stackelberg: Die dramatische Parodie im 18. Jahrhundert. Zum Pariser Theaterkrieg im 18. Jahrhundert, in: ders. (Hg.): Literarische Rezeptionsformen, Frankfurt am Main 1972, S. 195–204. 9 Heartz: The Beggar’s Opera and opéra-comique en vaudevilles (wie Anm. 6), S. 43. 5 6

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la Foire parodiert.10 Durch das Opéra-ballet, vor allem aber durch Verträge, die zwischen der Opéra und den Jahrmarktstheatern geschlossenen wurden, rückten Théâtre de la Foire und Académie royale de musique im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts noch näher aneinander,11 ohne indes zu einer Institution zu werden. * In einem zweiten Schritt sei nun betrachtet, welche Transformationen das in die spezifisch Pariser Theatersituation eingepasste Théâtre de la Foire erfährt, wenn es in die Theaterkonfiguration anderer Städte übertragen wird. Vor der Analyse der Situation in London soll zunächst ein Blick auf die Hamburger Situation geworfen werden, weil so vielleicht noch deutlicher wird, wie verschieden die Rezeption bzw. Adaption der Opéra-comique im Rahmen eines Kulturtransferprozesses ausfallen konnte. In Hamburg an der Gänsemarktoper wurde die Opéra-comique des Théâtre de la Foire auf zweierlei Weise rezipiert: Entweder als Übersetzung mit Neuvertonung oder in Form einer gänzlichen Neuschöpfung nach dem Pariser Modell. Ersteres ist der Fall bei der 1728 aufgeführten Opera-comique Die verkehrte Welt, nach Lesages Le monde renversé (Paris 1718).12 Schon im Falle der Übersetzung, wo ein enger Bezug zum Ausgangstext besteht, sind die Veränderungen enorm, denn der Übersetzer Johann Philipp Praetorius passte die französische Opéra-comique dem Modell einer italienischen Oper an: Das heißt, er ersetzte die Prosadialoge durch freimadrigalische Verse. Noch deutlicher schließt sich die Vertonung Telemanns an italienische Modelle an, bei aller Affinität des Komponisten zur französischen Musik. Obwohl die Musik größtenteils verloren ist, können wir davon ausgehen, dass vertonte Secco-Rezitative vorlagen und die Arien zumindest teilweise als Da Capo-Arien mit ausgearbeitetem Orchestersatz und virtuosen Herausforderungen für die Sänger konzipiert waren. Denn die Oper war für das ‚normale‘ Ensemble der Hamburger Gänsemarktoper konzipiert, dessen sängerischen Fähigkeiten der Komponist zu entsprechen hatte. Musikalisch blieb vom Modell der Opéra-comique nicht mehr viel übrig, selbst Barthélemy: L’opéra-comique des origins à la Querelle des Bouffons (wie Anm. 4), S. 42. Vgl. Manfred Brauneck: Die Welt als Bühne. Geschichte des europäischen Theaters, Bd. 2, Stuttgart / Weimar 1996, S. 514. 12 Vgl. dazu Wolfgang Hirschmann: Le monde renversé  – Die verkehrte Welt. Zur Adaption und Transformation der Opéra comique auf deutschen Bühnen des frühen 18. Jahrhunderts, in: Carsten Lange u. a. (Hg.): Telemann und Frankreich – Frankreich und Telemann. Bericht über die Internationale Wissenschaftliche Konferenz, Magdeburg, 12. bis 14. März 1998, anlässlich der 14. Magdeburger Telemann-Festtage, Hildesheim u. a. 2009 (=  Telemann-Konferenzberichte XII), S. 238–266. 10 11

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wenn Telemann einige Arien im französischen Stil lancierte, wie die im getreuen Music-Meister überlieferte Aria „Glückselig ist, wer alle Morgen verliebt und doch geruhig ist.“13 Diese starke Annäherung an italienische Opernmodelle, die in Hamburg ja meist auch mit komischen Handlungen verbunden wurden, war der Preis, den ein Theater zu zahlen hatte, wenn es in einer Institution, nämlich der Oper am Gänsemarkt, dramatische Gattungen präsentierte, die am Ursprungsort auf zwei konkurrierende Theaterinstitutionen verteilt waren. Das, was in Paris als bewusster Gegensatz und als Konkurrenz empfunden wurde – die hohe Oper in Form der Tragédie en musique und ihre Parodie in der Opéra-comique –, wurde in Hamburg institutionell vereinigt. Die Strategie der Gänsemarktoper bestand vor allem ab den 1720er Jahren darin, das Theater in Hamburg zu monopolisieren, indem dort alle Formen, die sich in Städten wie Paris, Wien oder London auf mehrere Theater verteilten, in den Spielplan eines Theaters integriert wurden, bei dieser Integration jedoch an Gattungsprofil einbüßten, weil die Integration immer in Richtung italienischer Opernmodelle verlief. Johann Mattheson hat dies bemerkt und kritisiert, wenn er zur verkehrten Welt bemerkte, dass dies ein gutes Komödien-, aber ein schlechtes Opernsujet sei.14 Möglicherweise wurde die verkehrte Welt in einer Schauspielfassung von Johann Ulrich von König schon 1725 in Hamburg durch eine Wanderbühnentruppe gespielt, der exakte Beleg dafür lässt sich bislang nicht erbringen.15 Noch deutlicher wird dieses Bestreben der Gänsemarktoper, alle Theaterformen zu integrieren und damit ein Monopol zu bilden, an Johann P ­ hilipp Praetorius’ Hamburger Jahr-Marckt, einem „schertzhafften Sing-Spiele“, dass immerhin über zehn Jahre auf dem Spielplan blieb.16 Die drei eingangs schon erwähnten Figuren Mutius, Risibilis und Porcius, die für Oper, Komödie und Marionettentheater stehen, bekämpfen sich im ersten Akt und die Oper trägt den Sieg davon. Das ist aber nicht die eigentliche Pointe. Denn, wie die sich anschließende Haupthandlung zeigt, werden Komödie und Marionettentheater in die Oper integriert, die Oper bildet sozusagen ein Gesamttheater, das alle zeitüblichen theatralen Formen in sich vereint. Mit den plattdeutsch sprechenden Figuren Gesche und Lukas und der damit offensiv verknüpften Sexual- und Essensthematik integriert Praetorius zentrale Motive des Marionettentheaters, so, wie es von Porcius gewünscht wird. Die bürgerlichen Figuren,

Georg Philipp Telemann: Der getreue Music-Meister, Hamburg 1728, 13. Lection, S. 49 f. Johann Mattheson: Der musicalische Patriot, Hamburg 1728, S. 174. 15 Hans Joachim Marx / Dorothea Schröder: Die Hamburger Gänsemarkt-Oper. Katalog der Textbücher (1678–1748), Laaber 1995, S. 401. 16 Vgl. die Auflistung ebd., S. 214. 13 14

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der Gastwirt Gleichviel und seine Familie, werden mit der ökonomischen Thematik verbunden und vertreten die Komödie, während die Adligen Reinhold und Rosalinda die hohe Oper repräsentieren, sich vor allem einer idealisier­ ten Liebe widmen und damit massiv in Konflikt mit der ökonomisierten Welt geraten.17 Musikalisch bildet auch beim Hamburger Jahr-Marckt die italienische Oper das Modell: d. h. Rezitative anstatt gesprochenem Prosatext und ausgearbeitete Da Capo-Arien mindestens für die adligen Figuren. Aber das sozialkritische Potential der Komödie bzw. das komische Potential des Marionettentheaters wird ebenfalls aktiviert. Die Kritik am Primat des ökonomischen Diskurses wird im Hamburger Jahr-Marckt mindestens so scharf formuliert wie in der Londoner Beggar’s Opera, so scharf, dass die Nachfolgeoper, Die Hamburgische Schlachtzeit, nach der ersten Aufführung verboten wurde. * Kommen wir nun zu Gays Beggar’s Opera.18 Dass John Gay sich trotz aller englischen Einflüsse an der französischen Opéra-comique orientierte, kann spätestens seit Daniel Heartz’ Aufsatz von 199919 als nachgewiesen gelten, selbst wenn nicht klar ist, ob Gay die Opéra-comique bei seinen Paris-Aufenthalten kennenlernte, bei den zahlreichen Gastspielen der Truppe von Lesage in London, oder ob er nur die seit 1721 erscheinenden Sammelbände des Théâtre de la Foire rezipierte.20 Auf den ersten Blick sieht das, was John Gay und sein Komponist John Christopher Pepusch abliefern, einer französischen Opéra-comique tatsächlich zum Verwechseln ähnlich. Wir finden gesprochene Prosadialoge, die von kurzen liedartigen Musiknummern unterbrochen werden, welche wiederum auf präexistentem musikalischem Material basieren. Einige dieser Musiknummern gehen sogar tatsächlich auf französische Tänze oder Airs zurück.21 Pepuschs Aufgabe bestand lediglich darin, den basso continuo zu den schon vorhandenen Melodien zu komponieren. Im Druck zur dritten Auflage 1729 wird darauf explizit hingewiesen (siehe Abbildung 1).

Vgl. dazu Jahn: Die Sinne und die Oper (wie Anm. 3), S. 319–322. Die differenzierteste Übersicht über die verschiedenen Deutungsaspekte bietet im Moment wohl Uwe Böcker: John Gays „The Beggar’s Opera“ und die sozialhistorischen Kontexte: Satire, Kriminalität, Ballade, Oper, Kommerzialisierung, in: ders. u. a. (Hg.): John Gay’s „The Beggar’s Opera“ 1728–2004. Adaptions and Re-Writings, Amsterdam / New York 2006, S. 33–102. 19 Heartz: The Beggar’s Opera and opéra-comique en vaudevilles (wie Anm. 6). 20 Ebd., S. 49. Ferner Calhoun Winton: John Gay and the London Theatre, Lexington / Kentucky 1993, S. 61. 21 Heartz: The Beggar’s Opera and opéra-comique en vaudevilles (wie Anm. 6), S. 51. 17

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Abb. 1: John Gay / John Christopher Pepusch: Beggar’s Opera, 3. Auflage, London 1729, Titelblatt.22

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Nach dieser Ausgabe wird im Folgenden zitiert: [John Gay / John Christopher Pepusch]: The Beggar’s Opera. As it is Acted at the Theatre-Royal in Lincolns Inn Fields. Written by Mr. Gay. […] The third Edition […], London 1729.

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Selbst dort, wo in den Vorlagen schon Bässe vorhanden sind, wie etwa bei einigen Nummern, die auf Henry Purcell zurückgehen, komponiert er eine neue, in jedem Fall musikalisch wesentlich einfachere Bassstimme.23 So wird etwa Purcells berühmtes „If love’s a sweet passion“ aus The Fairy Queen (siehe Abbildungen 2 und 3) von g-Moll nach e-Moll transponiert, wohl um das hohe g’’ im Mittelteil zu vermeiden, die Bassstimme, gewinnt bei Purcell nach dem Doppelstrich durch das zweimalige Aufgreifen der beiden auftaktigen Achtel der Singstimme ein eigenes melodisches Profil, während sie bei Pepusch lediglich harmonische Stützfunktion besitzt. Wie die musikalische Umsetzung der gedruckten Partitur aussah, bleibt ungewiss, da sich Aufführungsmaterialien nicht erhalten haben. Vermutlich haben die Violinen die Singstimme colla parte verdoppelt, eventuell wurde zusätzlich zum Notentext in der gedruckten Partitur ein Einleitungs- und ein Schlussritornell gespielt. Eigenständige Einwürfe des Orchesters gibt es nur in einem Air.24 Die Ausfüllung der Harmonie zum vollstimmigen Satz dürfte ganz durch den Generalbass, nicht durch zusätzliche Füllstimmen, realisiert worden sein. Es ist in der Forschung schon in den 1920er Jahren detailliert nachgewiesen worden, auf welche Quellen die Airs, die in der Beggar’s Opera verwendet werden, zurückzuführen sind.25 Dabei ist es nun nicht so, wie man in Analogie zu den Pariser Verhältnissen erwarten würde, dass die Airs aus zeitgenössischen Opern stammen, und das würde bedeuten, vor allem aus Opern, die die Royal Academy of Music produzierte. Im Gegenteil: Keine einzige Melodie geht auf eine Oper der Royal Academy of Music zurück. Das berühmteste Händel-Zitat, Air Nr. 20 zu Beginn des 2. Aktes (siehe Abbildung 4), der Marsch aus Händels Rinaldo, war ja schon für eine Opernproduktion 1711, also vor der Gründung der Royal Academy, entstanden. Auch die zweite Air, die mit Händel in Verbindung gebracht wird, Nr. 28, ebenfalls aus dem 2. Akt (siehe Abbildung 5), stammt, wenn die Musik denn von Georg Friedrich Händel ist (HWV 21819), nicht aus einer seiner Opern, sondern als Schauspielmusik aus einer Pastoral Farce von John Gay, The What d’ye Call It, die 1715 aufgeführt worden war.26 Charakteristisch für die verwendeten Vorlage-Melodien ist also gerade nicht ihr Vorkommen in den Opern der Royal Academy, sondern ein hoher Grad von Popularität, am deutlichsten abzulesen an der Verwendung des volksliedhaften Green Sleeves als Nr. 67. Vgl. dazu mit weiteren Beispielen Stephan Sebastian Schmidt: Opera impura. Formen engagierter Oper in England, Trier 2002, S. 44–49. 24 [Gay / Pepusch]: The Beggar’s Opera (wie Anm. 22), Air 59, „Lumps of Pudding“. 25 Vgl. vor allem William Eben Schultz: Gay’s Beggar’s Opera: It’s Content, History and influence, New Haven 1923, S. 306–341. 26 Vgl. ebd., S. 321 f.; Winton: John Gay and the London Theatre (wie Anm. 20), S. 42–50. 23

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Abb. 2: Henry Purcell: The Fairy Queen, „If love’s a sweet passion“ (Purcell: The Fairy Queen, Vocal Score hg. von Anthony Lewis, London o. J., S. 60).

Abb. 3: John Gay / John Christopher Pepusch: Beggar’s Opera, 3. Auflage, London 1729, Nr. 41 „When young at the bar“.

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Abb. 4: John Gay / John Christopher Pepusch: Beggar’s Opera, 3. Auflage, London 1729, Nr. 20: „Let us take the road“.

Abb. 5: John Gay / John Christopher Pepusch: Beggar’s Opera, 3. Auflage, London 1729, Nr. 28: „How cruel are the Traitors“.

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Damit geht im Zuge des Kulturtransfers von Paris nach London eine wesentliche Funktion der Opéra-comique verloren. Denn anders als in Paris die Airs aus den Opern der Academie Royale können in London die Arien aus den italienischen Opern der Royal Academy nicht übernommen werden. Und wie auch? Sie sind musikalisch viel zu komplex, kombinieren in der Regel Höchstanforderungen an die Sänger mit einem ausgearbeiteten Orchestersatz und einem Arienschema, das über einfache Melodiebildungsformeln weit hinaus geht. Die Möglichkeit der direkten musikalischen Parodie, die in Paris gegeben war, konnte in London aufgrund der Verschiedenheit, die zwischen Tragédie en musique und Dramma per musica bestand, nicht realisiert werden. Selbst die von Pepusch komponierte französische Ouverture, die an einer Stelle sogar obligate Oboenpartien aufweist, bildet keine eindeutige Referenz an die Opern der Royal Academy, da auch die Schauspiele des Sprechtheaters schon seit Purcells Zeiten mit französischen Ouverturen eröffnet werden konnten. Musikalisch ist die Beggar’s Opera eine bettelarme Oper,27 und sie kann daher für den musikalisch interessierten und musikalisch gebildeten Theaterbesucher im London des Jahres 1728 keine Alternative zu den italienischen Opern eines Händel oder Bononcini dargestellt haben. Ebensowenig wird sie den Londoner Musikkennern als Prototyp für die herbeigesehnte genuin englische Oper erschienen sein. Dafür war die musikalische Substanz zu dürftig und es wäre schon eher die ab November 1726 in John Richs Linncoln’s Inn Fields Theatre mit einem englischen Libretto aufgeführte Camilla von Giovanni Bononcini eine geeignete Kandidatin gewesen.28 Und ohne Lavinia Fenton, der ersten Darstellerin der Polly, zu nahe treten zu wollen, dürften die Gesangskünste von Faustina Bordoni und Francesca Cuzzoni die Fentons doch bedeutend übertroffen haben. Ja, wird man einwenden, die Angriffe der Beggar’s Opera auf die italienischen Opern werden weniger über die Musik, sondern vor allem über den Text vorgetragen. Schon der Titel – Des Bettlers Oper – wie auch das einleitende, als Prolog fungierende Gespräch zwischen Beggar und Player stellen eine direkte Verbindung zur italienischen Oper her. Der Bettler verweist etwa darauf, dass die Partien für die beiden weiblichen Hauptrollen ausgewogen gestaltet wurden, so dass keine der beiden sich beklagen könne: „As to the parts, I have observ’d such a nice impartiality to our two ladies, that it is impossible for either of them to take offence“ – eine Anspielung auf die Rivalität zwischen Francesca Cuzzoni In der Anzeige eines Notendruckes der Beggar’s Opera in der Hamburger Monatsschrift Unterhaltungen (Bd. 8, 1. Stück, Juli 1769, S. 85) wird die Komposition als „ganz elende Musik“ bezeichnet. 28 Winton Dean: Handel’s Operas 1726–1741, Woodbridge 2006, S. 6. 27

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und Faustina Bordoni –, er verweist ferner darauf, dass seine Oper keine Rezitative habe, und auch keinen Prolog und dass er sich bemüht habe, möglichst viele Gleichnis-Arien mit Schwalben, Motten, Bienen, Schiffen und Blumen einzufügen.29 Vor allem die Handlungsführung am Schluss, die Begnadigung von Macheath unter Hinweis auf die Zwänge der Gattungskonventionen – keine Oper ohne lieto fine – sind deutliche Zeichen: „Play[er]. Why then, friend, this is a down-right deep Tragedy. The catastrophe is manifestly wrong, for an Opera must end happily. Beg[gar]. Your objection, Sir, is very just; and is easily remov’d […] let the prisoner be brought back to his wives in triumph. Play[er]. All this we must do, to comply with the taste of the town.“30

All das sind tatsächlich Anspielungen auf die Londoner Opernpraxis der Royal Academy, wobei man allenfalls darauf hinweisen könnte, dass die dort gespielten italienischen Opern anders als die französischen ihrer Zeit, keine Prologe aufweisen. Doch formulieren diese Anspielungen tatsächlich ein Konkurrenzprogramm? Zunächst einmal ist daran zu erinnern, dass die beiden mit königlichen Theaterpatenten versehenden Londoner Sprechtheater-Bühnen,31 das Drury Lane und das Lincoln’s Inn Fields, die eigentlichen Konkurrenzunternehmen bilden. Sie boten ein Programm, das in den 1720er Jahren neben den im Geschmack des 18. Jahrhunderts bearbeiteten Shakespeare-Dramen klassizistische Tragödie nach dem Vorbild von Addisons Cato, empfindsame Komödien nach französischem Muster und Pantomimen (getanzte Handlungen mit Musik) umfasste.32 Als John Gay 1724 am Drury Lane seine Tragödie The Captives herausbringt, mit sieben Aufführungen zumindest kein Misserfolg,33 lässt sich beobachten, wie die Konkurrenz zwischen den Theatern funktionierte: John Rich am Lincoln’s Inn Fields startete sofort mit einem Gegenprogramm. Für jeden Abend, an dem im Drury Lane The Captives gegeben wurden, setzt Rich an seinem Theater eine [Gay / Pepusch]: The Beggar’s Opera (wie Anm. 22), S. 2 der Introduction. Ebd., S. 59 f. 31 Sprechtheater ist hier ein etwas unpräziser Ausdruck, da, abgesehen von den Schauspiel­ musiken, beide Theater auch rein musikalische Pantomimen im Programm hatten. Sie brachten aber in dieser Zeit keine italienischen Opern. 32 Vgl. zur Londoner Theaterszene neben dem Kalendarium The London Stage (wie Anm. 1) nun auch: Colin Timms / Bruce Wood (Hg.): Music in the London Theatre from Purcell to Handel, Cambridge 2017. Allerdings wird hier auf die Schauspielmusik im Sprechtheater nur am Rande eingegangen. Zu den Pantomimen vgl. John O’Brien: Harlequin Britain. Pantomime and Entertainment, 1690–1760, Baltimore / London 2004 sowie Richard Semmens: Studies in the English pantomime 1712–1733, Hillsdale, NY 2016. 33 Winton: John Gay and the London Theatre (wie Anm. 20), S. 70 f. 29

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erfolgreiche Komödie auf den Spielplan.34 Gays Blankvers-Tragödie liest sich wie ein Opernlibretto, nur eben mit tragischem Ausgang und ohne Arien. Auch hier stehen zwei rivalisierende Frauen im Zentrum, Astarbe, die Königin der Meder, und Cylene, die Gattin des gefangenen persischen Prinzen Sophernes. Jeden Abend standen die Liebhaber des Sprechtheaters also vor der Aufgabe, sich für eine klassizistische Tragödie oder doch lieber für eine der bewährten Restaurationskomödien entscheiden zu müssen.35 Über den Anspielungen auf die Oper, die es in der Beggar’s Opera gibt, darf man jene Anspielungen nicht übersehen, die sich auf das Repertoire des Sprechtheaters beziehen: So ist etwa Polly Peachum, die ungehorsame Tochter, die ohne das Wissen der Eltern Macheath heiratet, ein empfindsames, idealistisches junges Mädchen, das an die alleinseligmachende Macht der Liebe glaubt. Eine typische Figur aus der empfindsamen Komödie, die das romantische Konzept der Liebesheirat vertritt: „I did not marry him (as ’tis the fashion) cooly and deliberately for honour or money. But, I love him.“36 Ihre Mutter schimpft: „Those cursed Play-books she reads have been her Ruin.“37 Polly ist demnach durch die Lektüre von Komödien lebensuntüchtig geworden. Die sentimental comedy war vor allem durch die Werke Richard Steeles in London eingeführt worden, etwa durch The Conscious Lovers, das 1722 auf die Londoner Bühne gelangte. Schon in Steeles The Tender Husband (1705) trat mit Biddy eine junge Frau auf, die durch extensive Lektüre zu einem romantischen Liebeskonzept, freilich um den Preis eines massiven Realitätsverlusts, gelangt war.38 Wenn die Beggar’s Opera eine Parodie des italienischen Dramma per musica darstellt, dann kann sie über die Figur der Polly Peachum ebensosehr auch als Parodie des rührenden Lustspiels gelten. Und Lustspiele dieser Art wurden am Drury Lane wie am Lincoln’s Inn Fields Theater gleichermaßen gespielt, am 14. Januar 1729 etwa lief im Lincoln’s Inn Fields die Beggar’s Opera und im Drury Lane The Tender Husband.39 In all diesen Fällen scheint indes nicht ein Konkurrenzverhältnis, sondern eher eine symbiotische Beziehung vorzuliegen. Um die Beggar’s Opera genießen zu können, mussten sich die Zuschauer sehr gut mit den Spielplänen der Londoner Bühnen und den dort gespielten Stücken auskennen. Erst dann enthüllte sich der anspielungsreiche Witz von John Gays Drama. Ebd. Ebd., S. 67–69. 36 [Gay / Pepusch]: The Beggar’s Opera (wie Anm. 22), S. 10. 37 Ebd., S. 14. 38 Vgl. Shirley Strum Kenny (Hg.): The Plays of Richard Steele, Oxford 1971, hier S. 223 und 233–241. Dabei steht natürlich Cervantes’ Don Quichotte Pate. 39 Avery (Hg.): The London Stage (wie Anm. 1), Bd. 2/2, S. 1008. 34 35

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Vergleicht man die Londoner Theatersituation noch einmal mit Hamburg, dann wird deutlich, dass die Londoner Theaterszene viel stärker ausdifferenziert war. Und diese Ausdifferenzierung schlägt sich in einer Spezialisierung der theatralen Gattungen nieder, für die wiederum einzelne Theater zuständig sind. Die von der Royal Academy of Music produzierten Opern weisen z. B. keinerlei komische Elemente auf, ihre Handlung wird durchgehend von Figuren des höchsten Standes getragen, und die Konflikte stellen Aushandlungsprozesse zwischen den Ansprüchen von Liebe und Politik dar. Durch die vollständige Tilgung der komischen Elemente – es gibt auch keine Intermezzi – entfällt jedoch auch der für die Komödie typische ökonomische Diskurs als strukturbildendes Element. In den Londoner Opern Händels spielt Geld keine Rolle, die Figuren bewegen sich in einer vollkommen unökonomischen Welt und was getauscht wird, sind wie in einem Artusroman des 13. Jahrhunderts Liebe und Ehre. Auf diese Weise entsteht ein wirtschaftsfreier Raum, ein Vakuum, das es in den Hamburger, aber auch generell in den italienischen Opern nicht geben kann, da hier selbst in den Reformopern Zenos oder Metastasios der ökonomische Diskurs über die bei den Aufführungen hinzufügten Intermezzi wieder Eingang findet. Die Londoner Oper überlässt, könnte man sagen, die komische Handlung und damit die Thematisierung des ökonomischen Diskurses dem Sprechtheater. Genau für diese Leerstelle ist die Beggar’s Opera passgenau konzipiert. Schon die erste Szene des ersten Aktes zeigt Peachum als einen Kaufmann, der über seine Rechnungsbücher gebeugt ist und eine Abrechnung vornimmt. Es ist der ökonomische Diskurs, der alles Handeln und alle Moral bestimmt, und damit natürlich auch die Liebe. Das, was in London auf zwei bis drei Theater verteilt und streng getrennt vorgeführt wurde, war in Hamburg an einem Theater in einer Oper zu sehen, im Hamburger Jahr-Marckt beispielsweise. Und noch eine zweite Leerstelle füllt die Beggar’s Opera aus und bildet so ein Komplement zum Dramma per musica Londoner Prägung: Obwohl in diesen Opern immer ein politischer Konflikt das Handlungsmovens bildet, haben die Londoner Opern keine primäre politische Funktion, was sich prima vista schon im Fehlen von Prologen und Epilogen äußert. Das wird noch deutlicher, wenn man Händels Libretti mit ihren Vorlagen und deren Aufführungskontexten vergleicht, also etwa Händels Lotario mit Salvi / Torris Adelaide von 1722 für München. Salvis Libretto ist genau für den spezifischen politischen Anlass konzipiert:40 Es geht um den bayerischen Anspruch auf die Kaiserkrone, der durch Heirat abgesichert werden soll. Eine ähnliche politische Funktion konnte, das hat Dorothea Schröder gezeigt, auch die nichthöfische Oper Hamburgs für 40

Vgl. Bernhard Jahn: Pietro Torri: Adelaide, in: Carl Dahlhaus / Sieghart Döhring (Hg.): Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, Bd. 6, München / Zürich 1997, S. 311 f.

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die Stadt ausfüllen.41 Selbst wenn sich bei Händels Londoner Opern gelegentlich, wie im Falle von Riccardo primo42 durch die Librettowahl eine politische Funktion als Nebeneffekt eingestellt haben mochte, bleibt festzuhalten, dass die Royal Academy of Music nicht als Sprachrohr des Königshauses oder der politischen Parteien eingesetzt wurde, um Kritik an den politischen Verhältnissen zu üben. In einer schon sehr stark ökonomisierten Gesellschaft wie der Londons, und das heißt vor allem einer sehr stark ökonomisierten Politik, wäre das Dramma per musica Londoner Zuschnitts auch kaum das richtige Medium gewesen. Und es ist wieder genau diese Leerstelle, die die Beggar’s Opera füllt mit ihrer geschickten Parallele von Ganovenwelt und Politik. Die zahlreichen Anspielungen etwa auf den Premierminister Robert Walpole sind schon in der älteren Forschung zur Genüge aufgearbeitet worden.43 Dabei sollte allerdings nicht übersehen werden, dass die Hauptkritik den ökonomischen Praktiken des Bürgertums gilt, nicht so sehr dem Adel. Dramma per musica und Beggar’s Opera punkten so betrachtet in ganz verschiedenen Bereichen: Was die Beggar’s Opera leistet, kann das Dramma per musica nicht leisten und umgekehrt. Sinnvoll ist die Beggar’s Opera daher nur als Ergänzung zum Dramma per musica zu genießen, so, wie rund hundert Jahre später Nestroys Wagner-Parodien in Wien die genaue Kenntnis von Wagners Werken voraussetzen. Eine echte Konkurrenzsituation wird für die Royal Academy erst mit der Gründung der Opera of the Nobility 1733 entstehen.

Dorothea Schröder: Zeitgeschichte auf der Opernbühne. Barockes Musiktheater in Hamburg im Dienst von Politik und Diplomatie (1690–1745), Göttingen 1998 (=  Abhandlungen zur Musikgeschichte 2). 42 Vgl. dazu Annette Kreutziger-Herr: Riccardo primo, re d’Inghilterra (HWV 23), in: Arnold Jacobshagen / Panja Mücke (Hg.): Händels Opern, 2 Bde., Laaber 2009 (= Das Händel-Handbuch 2), hier Bd. 2, S. 184–191, bes. S. 187 f. 43 Zum neueren Stand der Forschung vgl. Anna-Christina Giovanopoulos: Robert Walpole und Jonathan Wild: Die satirischen Bezugspersonen von John Gay’s The Beggar’s Opera, in: Böker u. a. (Hg.): John Gay’s The Beggar’s Opera 1728–2004 (wie Anm. 18), S. 147–167. 41

Händels Musik und Programmgestaltung in Londons Kristallpalast, 1859–1874 Natasha Loges (London) Dieser Aufsatz beleuchtet die Funktion gemischter Konzertprogramme im Hinblick auf den historischen Aufführungskontext Händelscher Musik sowie den Kanonisierungsprozess verschiedener anfänglich wenig bekannter Werke.1 Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf den Konzerten im Kristallpalast im Londoner Vorort Sydenham in den Jahren 1859 bis 1874, wobei sowohl die regulären Samstagskonzerte als auch die ‚Selection Days‘ des Triennial Handel Festival berücksichtigt werden. Die Untersuchung zeigt, wie einzelne Nummern aus Händels großen Werken Einzug in die Samstagskonzerte fanden und wie ­Händels Musik für die Aufführungen an den Selection Days, den Herzstücken des Festivals, neu zusammengestellt, aufgeführt und anschließend veröffentlicht wurden. Aufführungsgeschichte – weniger die in der historischen Aufführungspraxis bedachten spezifischen spieltechnischen Nuancen, sondern die eigentliche Biographie eines Werkes auf der Bühne – wird häufig im Prozess des „Kontex­ tualisierens, Inszenierens und Vermittelns“ übersehen, der laut Lydia Goehr einen entscheidenden Anteil daran hat, den Rang eines Werks dem Publikum näherzubringen. Meist rückt die besser erforschte kritische und wissenschaftliche Literatur in den Vordergrund.2 Die im 19. Jahrhundert gängige Praxis, klangliche Vielfalt durch thematisch gemischte Konzertprogramme und die Einbeziehung diverser Genres herzustellen, wird besonders oft als Verstoß gegen die ‚Absichten des Komponisten oder der Komponistin‘ abgetan oder als Versuch verstanden, den scheinbar richtigen Aufführungskontext eines Werks zu finden. Dennoch wird eingeräumt, dass diese Vorstellungen oft nicht mit der Erfahrung des Komponisten oder der Komponistin im Einklang stehen.3 Jedoch ermöglichen derartige Untersuchungen interessante Einblicke in Kanonisierungsprozesse sowie in Kräfteverhältnisse zwischen KomponistInnen (heute und in der Geschichte), MusikerInnen und dem Publikum.4 Wie dieser Aufsatz Ich danke Dr. Anja Bunzel für die Übersetzung dieses Artikels. Lydia Goehr: The Imaginary Museum of Musical Works: An Essay in the Philosophy of Music, Oxford: Oxford University Press 2008, S. 173: „framing, staging and placement“. 3 In Hinblick auf die Aufführung von Liederzyklen, zum Beispiel, siehe Edward Kravitt: The Lied: Mirror of Late Romanticism, New Haven: Yale University Press 1996, S. 22. 4 Zum deutschsprachigen Kunstlied siehe meine eigenen Publikationen: Natasha Loges: Julius Stockhausen’s Early Performances of Franz Schubert’s „Die schöne Müllerin“, in: 19th-Century 1 2

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zeigen wird, herrschte in der Musikkritik des 19. Jahrhundert keine Einigkeit über die flexible Programmgestaltung, aber sie hatte dennoch einen Anteil an der „weitverbreiteten und umfassenden Vertrautheit“, die ein kanonisiertes Werk ausmacht.5 Obwohl eine derartige Flexibilität in der Programmgestaltung – zum Beispiel das Ersetzen oder Neuzusammensetzen von Gesangsnummern oder die Aufführung ausgewählter Ausschnitte eines Werks – heutzutage in der Aufführung Händelscher Werke kaum noch anzutreffen ist, war sie zu Händels Lebzeiten die Norm und hatte auch einen Einfluss auf den kompositorischen Schaffensprozess. Es mag daher nicht überraschen, dass mehrsätzige Werke oft unstimmig erscheinen. So bemerkt Anthony Hicks in Hinblick auf das Oratorium Esther (1718), dass „die Verteilung von Arien und Ensembles unter den verschiedenen SolistInnen willkürlich erscheint, vergleicht man sie mit den sorgfältig zusammengestellten Bauplänen, die man häufig in Opern findet“, und dass „jedes Rezitativ gerade genug Information beinhaltet, um den Zusammenhang zur folgenden Nummer herzustellen, aber es fehlt ein weitreichender Überblick über die Konflikte, die die allgemeine Handlung konstitutieren“.6 Lose Verknüpfungen zwischen den Sätzen eines Werkes sind vorteilhaft für die Programmgestaltung des 19. Jahrhunderts. Schlussendlich schufen MusikerInnen ein Stück Werkidentität, indem sie Fragmente großer Werke auswählten und neu zusammenstellten, die ihnen technisch und geschmacklich am besten passten. Überlegungen zu diesen Praktiken sind in der heutigen Zeit nicht weniger aktuell, da die Programmgestaltung heutzutage in vielerlei Hinsicht von strengen Regeln und wenigen Freiräumen gekennzeichnet ist.7 Music 41, 2018, H. 3, S. 206–224; dies.: The limits of the Lied: Brahms’s Romanzen Op. 33, in: dies. / Katy Hamilton (Hg.): Brahms in the Home and the Concert Hall. Between Private and Public Performance, Cambridge: Cambridge University Press 2014, S. 300–323. 5 Roberta Montemorra Marvin: Handel’s ‚Acis and Galatea‘: A Victorian View, in: Julian Rushton / Rachel Cowgill (Hg.): Europe, Empire, and Spectacle in Nineteenth-Century British Music, Aldershot: Routledge / Ashgate 2017, S. 252: „widespread and multivalent familiarity“. 6 Anthony Hicks: Handel and the Idea of an Oratorio, in: Donald Burrows (Hg.): The Cambridge Companion to Handel, Cambridge: Cambridge University Press 1997, S. 151. Hicks erinnert daran, dass Händel Esther zwei orchestrale Hymnen hinzugefügt hatte, als das Oratorium 1732 aufgeführt wurde, und dass die späteren Oratorien, deren Handlungen kohärenter waren, zu Händels Lebzeiten beim Publikum nicht gut ankamen: „distribution of arias and ensembles among the various soloists seems arbitrary in comparison with the careful patterns generally found in opera“, und „each recitative contains just enough information to generate a context for the next set piece, but a broader view of the conflicts that underlie the drama is lacking“. 7 Percy Young und andere haben die These aufgestellt, dass Händels Musik in England so erfolgreich war, da sie eine Generation anspricht, die „sich selbst imposant ausdrücken wollte“ („desired to express itself monumentally“). Percy M. Young: The Two Branches of the Handel Movement in Nineteenth Century England, in: Bernt Baslet / Siegfried Flesch (Hg.): Bach-­ Händel-Schütz-Ehrung der Deutschen Demokratischen Republik, 1985, Leipzig 1987, S. 195.

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Diese Signifikanz der Programmzusammensetzung des 19. Jahrhunderts in Hinblick auf kompositionsästhetische und -historische Überlegungen wird langsam in der Forschung erkannt.8 Und während es Studien zu Händel-Aufführungen im 19. Jahrhundert sowie zu den Konzerten und führenden musikalischen Figuren des Kristall­ palasts gibt, existiert derzeit noch keine detaillierte Untersuchung der Konzert­ programme.9 Roberta Montemorra Marvin hat untersucht, wie Acis and Galatea an Popularität gewann. Sie zeigt, dass Strenge in Hinblick auf Aufführungspraxis nicht zwangsläufig von länger währendem Erfolg in der Öffentlichkeit gekrönt war; Acis wurde mit Klavierbegleitung, mit Händels Besetzung und manchmal mit Mozarts, Mendelssohns oder Thomas Cookes ‚Begleitungen‘ aufgeführt (letztere im Theatre Royal, Drury Lane, in den 1840er Jahren).10 Sie berichtet auch von „Verletzungen“ ab 1842, zum Beispiel „Einfügungen, Auslassungen, Kurzfassungen und Transpositionen“, die das Werk zu einem „kapriziösen pantomimischen Festumzug“ machten.11 Auf der anderen Seite Zum Beispiel William Weber: The Great Transformation of Musical Taste: Concert Programming from Haydn to Brahms, Cambridge: Cambridge University Press 2009; Christina Bashford: Public Chamber-Music Concerts in London, 1825–50: Aspects of History, Repertory and Reception, Diss., University of London 1996; dies.: The Pursuit of High Culture: John Ella and Chamber Music in Victorian London, Woodbridge: Boydell Press 2007 und Writing (British) Concert History: The Blessing and Curse of Ephemera, in: Notes 64, 2008, H. 3, S. 458–473. Spezifisch zu Händel siehe Simon McVeigh: Handel in Concert: Social, National and Cultural Roles in Later Eighteenth-Century Britain, in: Göttinger Händel-Beiträge 15, 2014, S. 161–176; und, in kleinerem Umfang, ders.: Concert Life in London from Mozart to Haydn, Cambridge: Cambridge University Press 1993. Moderne Programmgestaltung erfährt mehr und mehr Aufmerksamkeit: siehe Jonas Becker: Konzertdramaturgie und Marketing: Zur Analyse der Programmgestaltung von Symphonieorchestern, in: Archiv Für Musikwissenschaft: Beiheft, 2014; Samuel Gilmore, Tradition and Novelty in Concert Programming: Bringing the Artist Back into Cultural Analysis, in: Sociological Forum 8, 1993, H. 2, S. 221–242; und diverse kürzere Beiträge in der Zeitschrift Das Orchester. 9 Einige Ausnahmen sind Colin Eatock: The Crystal Palace Concerts: Canon Formation and the English Musical Renaissance, in: 19th-Century Music 34, 2010, H. 1, S. 87–105; Christina Bashford: Not just ‚G‘: Towards a History of the Programme Note, in: Michael Musgrave (Hg.): George Grove, Music and Victorian Culture, Basingstoke: Palgrave 2003, S. 115–142;  Michael Musgrave:  The Musical Life of the Crystal Palace, Cambridge: Cambridge University Press 1995; Annette Landgraf: Der Kristallpalast und seine Bedeutung für die Aufführung von Händels Musik, in: Händel-Jahrbuch 55, 2009, S. 275–286; und, im weiteren Sinne, Donald James Burrows: Some Aspects of the Influence of Handel’s Music on the English Musician Arthur Sullivan (1842–1900), in: Händel-Jahrbuch 44, 1998, S. 148–171. Ein allgemeiner historischer Abriss des Palasts ist zu finden in Jan Piggott: Palace of the People: The Crystal Palace at Sydenham 1854–1936, London: Hurst 2004. 10 Für Details siehe Marvin: Handel’s ‚Acis and Galatea‘ (wie Anm. 5), S. 249–67. 11 „injuries [from 1842 such as] interpolated matter, omitted songs, abridgments, and trans­ positions“, „capricious pantomimical pageant“; Musical World 17, 10.2.1842, S. 41 f, zitiert nach ebd., S. 251. 8

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ermöglichten diese Maßnahmen die reibungslose Anpassung des Werks an das Londoner Konzertleben. Wie William Weber gezeigt hat, wurde strukturelle und klangliche Vielfalt in Konzerten im 19. Jahrhundert sehr geschätzt, auch wenn sich bestimmte KomponistInnen und Gattungen mehr für Aufführungen im Ganzen eigneten als andere (zum Beispiel Beethoven oder Streichquartette). In längeren Konzerten bemühten sich MusikerInnen um eine geordnete Abfolge von KünstlerInnen und Gattungen, die einzelne oder gepaarte Sätze längerer Werke, Improvisationen, Bravourstücke und eigenständige Arien aus Opern oder Oratorien beinhalten konnte. Die Aufführung von mehrsätzigen komplexen Werken wie Oratorien, Opern und Liederyzklen brachte somit einige praktische und ästhetische Hürden hervor. Außerdem war das Publikum (damals wie heute) meistens nur mit einem kleinen Teil aus dem Schaffen eines Komponisten vertraut und erwartete, diese viel-geliebten Nummern regelmäßig zu hören (man könnte dies mit der Aufführung Beethovenscher Werke im 19. Jahrhundert vergleichen, die sich fast ausschließlich auf seine Sinfonien und Konzerte beschränkte).12 Ähnliche Selektionsprozesse lassen sich auch für andere Figuren der Musikgeschichte feststellen – zum Beispiel Johann Sebastian Bach, Mozart, Haydn, Schubert, Robert Schumann und Brahms, wobei eine gänzlich andere Perspektive auf britische (oder zumindest nicht-deutschsprachige)  KomponistInnen fällt, deren Schaffen nicht in gleichem Maße kanonisiert worden ist.13

Die Auswahl Händelscher Musik für den Kristallpalast Der Kristallpalast, ein erweiterter Umbau der Glas- und Eisenkonstruktion, die 1851 zur Weltausstellung im Hyde Park errichtet worden war, wurde 1854 eröffnet. Er war ein ungewöhnlich wichtiger Austragungsort öffentlicher Musikkultur im Vereinigten Königreich. Fast 50 Jahre lang wurde der britischen Öffentlichkeit dort in marktführenden wöchentlichen Konzerten ein umfangreiches Repertoire nähergebracht, ermöglicht durch hervorragende Ausstattung und Transportverbindungen. Obwohl der Kristallpalast ein Mehrzweckraum Michael Musgrave: The Musical Life of Crystal Palace, Cambridge: Cambridge U. P. 1995, S. 95. 13 Zu Johann Sebastian Bach oder Liszt siehe Isabel Parrott: William Sterndale Bennett and the Bach Revival in Nineteenth-Century England und Michael Allis: Promotion through Performance: Liszt’s Symphonic Poems in the London Concerts of Walter Bache, in: Rachel Cowgill / Julian Rushton (Hg.): Europe, Empire, and Spectacle in Nineteenth-Century British Music, Aldershot: Ashgate 2007, S. 29–44 und 55–76; siehe auch Michael Musgrave: Brahms at the Crystal Palace, in: The American Brahms Society Newsletter 16, 1998, H. 1, S. 6–7. 

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war, wurde er von Beginn an mit Musik in Verbindung gebracht, wenngleich (vorerst) mit Musikinstrumenten.14 Sir Michael Costa, der mit seiner 1832 gegründeten Sacred Harmonic Society der unangefochtene Meister von Aufführungen Händelscher Oratorien war, leitete die musikalischen Aktivitäten für die Eröffnung. Er strebte eine „Amateurstimmung“ an, indem er ein professionelles Orchester aus London einlud und die Sacred Hamonic Society mit AmateursängerInnen aus den wichtigsten Provinzchorgesellschaften erweiterte.15 Der riesige Raum ermöglichte Aufführungen großer Werke wie Mendelssohns Elijah und St Paul, Haydns The Creation, Rossinis Stabat Mater (wenngleich nur eine Auswahl daraus) und Sullivans Te Deum. Die wöchentlichen Samstagskonzerte wurden von August Manns dirigiert, der später auch das Dirigat für die Festivals übernahm.16 Diese Samstagskonzerte bestanden meistens aus einem Eröffnungswerk für Orchester (einer Ouvertüre), gefolgt von einer Auswahl von sich abwechselnden kleineren Vokal- und größeren Instrumentalwerken (Aufführungen vollständiger Sinfonien waren durchaus üblich). Gelegentlich gab es virtuose Soli verschiedener Art, wenn ein Solist oder eine Solistin (zum Beispiel PianistInnen oder ViolinistInnen) anwesend waren. Solche Programme erzeugten eine als zufriedenstellend anerkannte Bandbreite an Klang, Gattung und Stimmung, egal ob es ein reguläres, ein Festivalprogramm oder ein Sonderkonzert zu Ehren einer bestimmten Person war. Neben diesen regelmäßigen Konzerten fand nach dem ersten Probedurchlauf (1857) von 1859 bis 1926 alle drei Jahre ein Händel-Festival (Triennial Handel Festival) statt. Die einzige Ausnahme ist das Jahr 1885, in dem das Festival ein Jahr vorgezogen wurde, um Händels 100. Geburtstag zu würdigen. Der Ablauf wurde auf drei Tage im Juni wie folgt festgelegt: Montag (Messiah), Mittwoch (Selection Day, an dem ein Programm zusammengestellt wurde, das verschiedene Werke beinhaltete) und Freitag (Israel in Egypt). Von 1859 bis 1897 war die Generalprobe ebenfalls öffentlich. Alle drei Konzerttage waren sehr beliebt und zogen mehrere Tausend BesucherInnen an, obwohl die oft erwähnten akustischen Probleme und die schwer zu bewältigende Notwendigkeit, mehrere Tausend MusikerInnen unter ein Dach zu bekommen, erhebliche Herausforderungen mit sich brachten.17 Von den Veranstaltungen wurde sowohl in den Musgrave: The Musical Life of Crystal Palace (wie Anm. 12), S. 4. Die Londoner Industrieausstellung 1851 exponierte nicht weniger als 1800 Musikinstrumente. Eine umfangreiche zweisprachige Studie zum Vermächtnis der Weltausstellung haben Susan Bennett u. a. vorgelegt: Die Weltausstellung von 1851 und ihre Folgen, Berlin / Boston: K. G. Saur 2012. 15 Musgrave: The Musical Life of Crystal Palace (wie Anm. 12), S. 21. 16 Zu Manns siehe Henry Saxe Wyndham: August Manns and the Saturday Concerts: A Memoir and a Retrospective [1909], Cambridge: Cambridge University Press 2013. 17 Nach vielen Veränderungen wurde die Akustik 1868 schließlich für angemessen gehalten. Musgrave: The Musical Life of Crystal Palace (wie Anm. 12), S. 40 f. 14

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allgemeinen als auch in den musikspezifischen Printmedien wie Musical World und Musical Times berichtet. Die Aufführungsgeschichte Händelscher Musik kann mithilfe von Zeitungsberichten und anderen historischen Quellen wie autobiographische Dokumente der Mitwirkenden, Flugblätter und Werbezettel, Festivalführer sowie Programmhefte der Konzerte im Kristallpalast und des Händel-Festivals rekonstruiert werden.18 Sie geben Aufschluss darüber, welche einzelnen Nummern aufgeführt wurden und wie sich die Programme an den Wahltagen des Festivals konkret zusammensetzten. Allerdings sollte bedacht werden, dass diese Quellen nur einen Teil der eigentlichen Veranstaltungen abbilden, da in ihnen keine kurzfristigen Änderungen, Zugaben oder andere Details der jeweiligen Interpretationen festgehalten werden konnten. Trotzdem zeigen sie, dass die Einbindung und Verbreitung von Händels Kantaten und geistlicher Musik in Londons Kristallpalast auf einen äußerst kreativen Prozess zurückgingen. Innerhalb der fünfzehn Jahre von Samstagskonzerten, die dieser Untersuchung zu Grunde liegen, wurden ungefähr sechzig Nummern aus Händels Werken aufgeführt, gelegentlich auch zwei Nummern in ein und demselben Konzert (dann aber nicht aus demselben Werk und auch nicht direkt aufeinanderfolgend).19 Oftmals machten sie den zweiten Programmpunkt aus und folgten einer Eröffnungsouvertüre, die üblicherweise von einem deutschen oder österreichischen Komponisten stammte (Mozart, Weber oder Beethoven, wobei französische Opernkomponisten ebenso zu hören waren). Die beeindruckende Bandbreite an Werken, die über die Jahre zu hören war, schließt die folgenden Beispiele ein (alphabetisch und nach Gattung sortiert): die Kantate Ode for Saint Cecelia’s Day, die Oden Alexander’s Feast und L’Allegro, il Penseroso ed il Moderato, die Opern Alcina, Admeto, Ezio, Flavio, Orlando, Rinaldo und Rodelinda, die Oratorien Athalia, Jephtha, Judas Maccabeus, Samson, Semele, Susanna und Theodora und die Pastorale Acis and Galatea. Nummern aus dem Messiah wurden selten ins Programm genommen. Ursache dafür könnte sein, dass das Oratorium häufig anderswo aufgeführt wurde oder dass es im allgemeinen Verständnis eher zum Festival als zu den Samstagskonzerten gehörte. Nichtsdestotrotz gab es nur wenige Aufführungen kompletter Werke in diesen Jahren. Einzelne Arien mit oder ohne Rezitativ und sowohl in englischer Übersetzung als auch in der Originalsprache, je nach Herkunft des Sängers oder der Sängerin, waren wesentlich üblicher. Die Nummern wurden mit ‚song‘ (Lied), ‚air‘ (Lied), ‚aria‘ (Arie) usw. überschrieben, egal aus welchem Werk sie stammten. Die Werke wurden nicht Diese Programme sind im Royal College of Music, London (Gb-Lcm), der British Library und im Foundling Museum (Gerald Coke Händel-Sammlung, Gb-Lfom) archiviert. 19 Diese Erkenntnisse ergaben sich aus einer Inhaltsanalyse der Programme, die in Gb-Lcm archiviert sind. 18

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immer benannt. Die SängerInnen wurden mit ‚Mr.‘, ‚Mrs.‘, ‚Mdlle‘, ‚Herr‘, ‚Signore‘ usw. betitelt, wobei ihre Nationalität bei der Wahl der Anrede nicht immer berücksichtigt wurde. Die Namen der SängerInnen waren vorrangig, da Händel-SängerInnen öffentlich bekannt waren und mit ganz bestimmten Nummern assoziiert wurden. Eine Rezension des Selection Day von 1865 bemerkt zu Acis’ und Polyphemus’ Arien „Love in her eyes sits playing“ und „O ruddier than the cherry“, dass es unnötig sei, „musikinteressierte Leser und Leserinnen daran zu erinnern, dass Mr. Sims und Mr. [Charles] Santley daran gewöhnt sind, diese vollkommen gegensätzlichen Liebeslieder aufzuführen“.20 SängerInnen wie die Sopranistin Helen Lemmens-Sherrington, die Altistin ­Janet Patey-Whytock und ihr Ehemann, der Bass John Patey, der Bariton Charles Santley und der Tenor George Vernon Rigby waren etablierte und beliebte Figuren auf der Bühne des Kristallpalasts und viele weitere waren ebenso regelmäßig zu hören. Das beliebteste Werk, aus dem einzelne Nummern für die Samstags­konzerte von 1859 bis 1874 entnommen wurden, war, vielleicht unerwarteterweise, Händels erstes dramatisches Werk auf Englisch, Acis and Galatea. Es basiert auf Ovids Metamorphosen und weist Merkmale verschiedener Gattungen auf (Serenata, Maskenspiel, Pastorale und Oratorium). Händel legte das Werk 1739 in zwei verschiedenen Formaten vor: eine dreiaktige italienische und eine englische zweiaktige Version. Es wurde 1788 auch von Mozart arrangiert und es scheint, als wäre Mozarts Version die beliebteste. Polyphemus’ dramatisches Lied „Oh, ruddier than the cherry“ und Acis’ „Love sounds th’alarm“ wurden mindestens dreimal von verschiedenen SängerInnen aufgeführt. Die Rollenverteilung war dabei geschlechtsunabhängig: Acis’ erste Arie „Love in her eyes“ wurde von Lemmens-Sherrington gesungen (sie sang ebenfalls das langsamere „Heart, the seat of soft delight“). Einige Nummern wurden nie ins Programm aufgenommen: Damons drei Lieder, Galateas „As when the dove“ oder ihr kunstvolles Klagelied „Must I my Acis still bemoan“, das Duett „Happy we“, der Chor „Wretched lovers“ oder Polyphemus’ schrilles begleitetes Rezitativ‚ „I rage – I melt – I burn!“ – wahrscheinlich war es zu eng mit der ursprüng­ lichen dramatischen Handlung verbunden. Bemerkenswerterweise war Acis and Galatea so beliebt, dass es zwei Tage vor dem eigentlichen Händel-Festival (19., 21. und 23. Juni 1871) am 17. Juni sowie während des Festivals am 22. Juni mit abendlichem Feuerwerk und Wasserspiel komplett aufgeführt wurde.

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Gb-Lfom, 8462: [Anon.]: The Handel Festival, 28.6.1865: „how Mr. Sims and Mr. [Charles] Santley are accustomed to giving these very oppositely conceived love-songs it is unnecessary to remind our musical readers“.

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Das andere Werk, aus dem regelmäßig einige Nummern zur Aufführung gewählt wurden, ist Samson, ein Oratorium in drei Akten von 1741. „How willing my paternal love“ wurde zweimal von verschiedenen Sängern vorgetragen. Fünfmal wurde „Honour and Arms“ sowohl von englischen als auch von italienischen SängerInnen gesungen (jeweils auf Englisch). „Torments, alas, are not confin’d“ wurde nicht aufgeführt, ebenso wie Micahs wunderschönes „Oh mirror of our fickle state“ – vielleicht waren sie zu düster um als Einzelstücke ohne Kontext für ein Konzert in Frage zu kommen. Es ist besonders interessant, dass Vernon Rigby Samsons Blindheitsarie „Total Eclipse“ für ein Konzert am 21. März 1874 auswählte, auf dem Joseph Joachim das Violinkonzert von Mendelssohn spielte. Außerdem umfasste dieses Konzert eine Ouvertüre von Sullivan, eine Arie von Bellini, Brahms’ Song of Destiny (Schicksalslied op. 54), eine Arie von Weber, eine Beethovensche Sinfonie, ein Madrigal von Gounod, ein Violinsolo von Bach und Brahms’ Haydn-Variationen op. 56. Die Wirkung von Händels dramatischer Klage muss durch das darauffolgende Schicksalslied von Brahms, ein weiteres bewegendes Trauerstück, noch verstärkt worden sein. Anders als die regulären Samstagskonzerte, die voller musikalischer Vielfalt waren, wurden die Aufführungen am ersten und letzten Tag des Händel-Festivals – Messiah und Israel in Egypt – schnell zum unveränderlichen Ritual. Die Konzerte an den Selection Days standen jedoch vor der schwierigen Aufgabe, einerseits Händels Musik respektvoll zu würdigen und andererseits ein zahlreiches Publikum durch ein breites, abwechslungsreiches und unterhaltsames musikalisches Repertoire anzusprechen. Das Konzept der Selection Days mag in Hinblick auf die Programmgestaltung heutiger Musikfestivals vertraut klingen, auch wenn sich die praktische Herangehensweise geändert hat: „Eines der drei Programme ist variabel. Obwohl die Organisatoren das sich daraus ergebende Potential nicht vollständig genutzt haben, so haben sie etwas dafür getan, die öffentliche Vertrautheit mit einem Komponisten zu verbessern, der, wenn überhaupt, halbbekannt ist. Für AmateurInnen und StudentInnen liegt darin der echte Wert dieser Veranstaltung und wir sind deshalb besonders erfreut darüber, dass die Auswahl am nächsten Mittwoch einen großen Anteil an Neuheiten bereithält, da nicht weniger als dreizehn Stücke zum ersten Mal aufgeführt werden.“21

Die Programme für die Selection Days wurden auf ganz verschiedene Weise gestaltet, aber alle versuchten ein Gleichgewicht zwischen der Aufführung eines 21

Gb-Lfom, 6137, unbenannter undatierter Zeitungsausschnitt: „One programme out of the three is variable, and though the managers have not used its opportunities to the best advantage, they have done something to improve public acquaintance with a composer who is, at most, but half known. In this lies, to amateurs and students, the real value of the great gathering, and we are, therefore, glad to find that next Wednesday’s selection includes a large proportion of novelties, no less than thirteen pieces being presented for the first time.“

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kompletten Werks und dem Eindruck eines gemischten Programms zu schaffen. Auf einfachster Ebene wurde der Tag zum Beispiel auf Händels geistliche und weltliche Musik aufgeteilt. So wurden 1874 in der ersten Konzerthälfte Auszüge aus Saul, Samson, Jephtha, Susanna, Theodora und dem Utrecht Jubilate aufgeführt, gefolgt von einer Auswahl aus Acis and Galatea, Dryden’s Ode, Alcina (auf Italienisch), Semele, Alexander’s Feast und Joshua. Oder das Konzert war an das Programm von 1859 angelehnt, welches wichtige Ausschnitte aus Belshazzar, Saul, Samson und Judas Maccabeus beinhaltete. Die einzelnen Nummern waren nicht ineinander verschachtelt (wie zum Beispiel die Werke Schumanns im Liederzyklus Dichterliebe oder im Klavierzyklus Kreisleriana in denselben Jahren), sondern die ausgewählten Stücke wurden in einer anderen Reihenfolge präsentiert als sie jeweils in ihren Originalwerken erschienen. Daraus ergab sich ein bemerkenswerter geordneter Wechsel von Stimmung, Modus, Aufbau und Instrumentation (siehe Tabelle 1). Tabelle 1: Selection Day 1859 Teil 1 Dettingen Te Deum Teil 2 Rezitativ

Rejoice, my countrymen

Belshazzar

Chor

Sing, O ye heavens

Belshazzar

Chor

Envy, eldest born of hell

Saul

Dead March

Samson

Chor

Fix’d in his everlasting seat

Solo & Chor

Return, O God of Hosts

Miss Dolby with Chorus

Samson Samson

Lied

Let the bright Seraphim

Madame Clara ­Novello, trumpet obligato, Mr Harper

Samson

Chor

Let their celestial concerts all unite

Samson

Chor

O Father, whose almighty pow’r

Judas Maccabeus

Rezitativ, Lied und Chor

Sound an alarm

Mr Sims Reeves and Chorus

Judas Maccabeus

Rezitativ und Lied / Air

From mighty kings

Madame Clara Novello

Judas Maccabeus

Duett & Chor

O never bow we down

Judas Maccabeus

Trio & Chor

See the conqu’ring hero comes

Judas Maccabeus

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Im Anschluss an die Lobesmusik im ersten Teil wird die Stimmung durch die schrillen punktierten Rhythmen in „Envy, eldest born of hell“ (aus Saul) verdüstert, wobei der dynamische Bassgang Impulse setzt. Danach erklingt der ehrwürdig scheinende „Dead March“, gefolgt vom feierlich-jubelnden „Fix’d in his everlasting seat“ im Dreiertakt. Die lange lyrische Nummer „Return, O God of Hosts“ wird daraufhin vom energiegeladenen Vorzeigestück im Sopran „Let the bright Seraphim“ abgelöst, gemeinsam mit dem Schlusschor aus Samson, „Let their celestial concerts all unite“. Judas Maccabeus wird dann durch die langsame Nummer „O Father, whose almighty pow’r“ (ebenso im Dreiertakt) eingeführt, die in eine dynamische Fuge übergeht. Als allumfassendes Thema zieht sich Mut durch das vielgeliebte „Sound an alarm“ und das triumphale großangelegte Stück „From mighty kings“ beibehalten. „O never bow we down“ ist ein Glaubensbekenntnis in Moll im Dreiertakt, gefolgt von „See the conqu’ring hero comes“, ein Lied, das sich bis heute in der Tradition der anglikanischen Kirche großer Beliebtheit erfreut. Dieses Programm muss sicher eine durch und durch zufriedenstellende musikalische Erfahrung ermöglicht haben. 1871 wurde ein anderes Konzept genutzt. Die erste Hälfte beinhaltete ein Orgelkonzert, gefolgt von ausgewählten Stücken aus Orlando, Jephtha, Joshua, Alcina, Judas Maccabeus, Ezio, L’Allegro ed Il Penseroso und Athalia, wobei die zweite Hälfte ausschließlich aus Nummern aus Solomon bestand. Der erste Teil folgt dem bereits erwähnten Prinzip, sich ganz verschiedener Gattungen zu bedienen, aber die Herangehensweise an Solomon ist interessant (siehe Tabelle 2). Der ursprüngliche Anfang und Schluss wurden hier beibehalten, aber der Liebesdialog zwischen Solomon und der Königin sowie der Erzählteil (die Entscheidung zwischen den zwei Harlots) wurden weggelassen, wodurch das Werk an emotionalem Ausdruck gewinnt und, je nach Aufführungszusammenhang, viel stilistische Abwechslung bietet. Die Rezeptionsgeschichte kann hier nicht im Detail diskutiert werden, aber die noch auffindbaren Rezensionen zeigen, dass die Programme der Selection Days den Kritikern Gesprächsstoff lieferten, die (wie eine Rezension verlauten ließ), „über den Messiah und Israel in Egypt kein Wort verlieren brauchten“.22 Diese zwei Werke waren als Rituale fest in das Festivalprogramm integriert, wenngleich vielleicht nicht an erster Stelle aus musikalischen Gründen. Der Selection Day hingegen bot Rezensenten die Gelegenheit die LeserInnenschaft an weitere (teilweise unbekanntere) Händelsche Werke heranzuführen und originelle Kritik zu üben. In Bezug auf den Selection Day von 1859 lobte ein Rezensent die Miteinbeziehung des Dettingen Te Deum, da es im Gegensatz zum 22

Gb-Lfom, 8461: [Anon.]: The Handel Festival, nicht identifizierte Zeitung, 1865: „we need say nothing about the Messiah and Israel in Egypt performances“.

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Tabelle 2: Selection Day 1871, Solomon Format

Titel

InterpretIn

Ouvertüre Doppelchor

You harps and cymbals sound

Lied

What though I trace

Madame Patey

Lied

With thee th’unshelter’d moor

Madame Sinico

Chor

May no rash intruder

Doppelchor

From the censer

Rezitativ

Sweep, sweep the string

Madame Patey

Chor

Music, spread thy voice around

Madame Patey

Rezitativ

Now a different measure try

Madame Patey

Solo und Chor

Then at once from rage remove

Madame Patey

Solo und Doppelchor

Draw the tear from hopeless love

Rezitativ

Next the tortured soul release

Madame Patey

Chor

Thus rolling surges rise

Madame Patey

Rezitativ

Thrice happy king

Mr Cummings

Lied

Golden columns

Mr Cummings

Doppelchor

Praise the Lord

Messiah und Israel aufgrund seiner Unbeliebtheit so unwahrscheinlich gewesen wäre, dieses Werk in voller Länge zu hören – was für eine erfrischende Pragmatik. Er zählt dann die einzelnen Programmbestandteile auf, bedauert, dass die Wahl des „Dead March“ ein Fehler war und merkt später an, dass „See the conquering hero comes“‚ „die gedrückte Stimmung auflöste“. Das heißt, er hat offensichtlich das Programm als durchgehend und nicht als Aneinanderreihung einzeln stehender Nummern empfunden.23 Das Programm vom Selection Day am 25. Juni 1862 wurde für die Mischung aus geistlicher und weltlicher Musik gelobt, aber der Rezensent fand, dass „Let their celestial concerts all unite“ ein besserer Abschluss gewesen wäre, da das tatsächlich folgende „Honour and arms“ eine ‚Antiklimax‘ war.24 Derselbe Rezensent thematisiert den „etwas gewaltsamen Übergang“ von „Revenge, Timotheus cries“ (Alexander’s Feast) zu „May no rash intruder“ (Solomon), was darauf hindeutet, dass auch er das Kon Gb-Lfom, 6031: [Anon.]: The Handel Festival, in: The Times, 20.6.1859: „dissipated the gloom“. 24 Gb-Lfom, 8437: Illustrated London News, 5.7.1862. Die Noten sind zu finden in Gb-Lfom, accession number Hc1071. 23

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zert im Ganzen als zusammenhängend erlebte.25 1865 erklärte ein Rezensent, dass es „übertrieben kritisch [wäre], zu versuchen etwas Negatives in einem so großartigen Programm wie dem des ‚Misch-Mittwochs‘ herauszupicken, in dem buchstäblich alle Hauptattraktionen des Festivals auf geschickteste und wirksamste Weise zu Tage treten“.26 Am 27. Juni 1874 erwähnte ein Rezensent der London Illustrated News, dass ihm die „interessante […] vielseitig durchgemischte Auswahl“ gefiel; der Großteil der Rezension ist dann einer Aufzählung der einzelnen Nummern und einem Lobgesang der einzelnen musikalischen Vorträge gewidmet.27 Jedoch werden hier interessanterweise auch schon Spuren des später dominierenden Wunsches nach dem ‚kompletten Werk‘ spürbar, was den Konflikt zwischen älterer und neuerer Denkweise über die ‚richtige‘ Aufführungspraxis andeutet. In Hinblick auf die Aufführung von Israel in Egypt im Jahr 1862 bemerkte ein Rezensent, dass das Hinzufügen verschiedener Nummern „ungerechtfertigt“ („unjustifiable“) sei; er erfreute sich daran, dass „das ganze Oratorium, und nichts als das Oratorium“ von der Sacred Harmonic Society ausgeführt wurde.28 (Auf diese wichtige Rezension soll später noch einmal zurückgekommen werden.) Die Rezension des Selection Day am 28. Juli 1865 in the Illustrated London News war auch eher negativ. Während der Rezensent einräumte, dass sich die Aufführung des Messiah nicht von vorherigen Aufführungen unterschied, argumentierte er wie folgt: „Die Auswahl wurde verständlicherweise mit Blick auf eine leichte und abwechslungsreiche Unterhaltung getroffen. Jedoch kann sie kaum zufriedenstellend gewesen sein für Personen, die etwas mehr von Musik halten. […] Diese Auswahl schafft ein verworrenes Programm, das willkürlich zusammengewürfelte Dinge ohne jede Kohärenz und Kongruenz beinhaltet. Die Einzelwirkung der jeweiligen Stücke wird jedoch mit dem Verlust der Wirkung als großes Ganzes geschmälert; die Position eines Liedes oder eines Chors im Zusammenhang zu dem, was zuvor oder danach zu hören ist, ist doch oftmals ein wichtiger Bestandteil des Grundkonzepts des Komponisten. Es gab von diesen Zusammenhangslosigkeiten und Unstimmigkeiten viele und sie müssen allen außer den nachlässigsten ZuhörerInnen aufgefallen sein.“29 Ebd.: „somewhat violent transition“. Gb-Lfom, 8461 (wie Anm. 22): „it would be hypercritical to endeavour to pick a hole in such a capital programme as that of the ‚miscellaneous‘ Wednesday, in which literally all the chief attractions of the Festival are most skilfully and effectively combined.“ 27 Gb-Lfom, 8446: [Anon.]: The Handel Festival, in: Illustrated London News, 27.6.1874: „interesting […] varied miscellaneous selection“. 28 Gb-Lfom, 8437 (wie Anm. 24). 29 Gb-Lfom, 8438: [Anon.]: The Handel Festival, in: Illustrated London News, 8.7.1865. „The selection was judiciously made for the purpose of producing a light and varied entertainment; but it could hardly have been satisfactory to those who look upon music from a higher point of 25

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Jedoch mochten viele andere die Selection Days genau wegen dieser Vielseitigkeit sowie der Möglichkeit längere weniger bekannte Werke in verdaulichen Formaten zugänglich zu machen und mögliche Schwachstellen auszublenden. Dies ergab sich zum Teil aus der besonders flexiblen und praktischen Beschaffenheit der Musik Händels, wie 1859 zu lesen war: „Da Händel Organisator und Zahlmeister war, richtete sich alles, was er tat, mehr oder weniger nach der Geldfrage. Er schrieb seine Musik nicht um sich selbst oder andere KünstlerInnen zu vergnügen, sondern um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen; er wollte die allgemeine Öffentlichkeit erfreuen, die ständig nach etwas Neuem verlangte, nach etwas, was sie verstehen konnte. Das ist das Geheimnis hinter Händels Vielseitigkeit, Händels Intensität, Händels Unregelmäßigkeit, Händels Klarheit, seinen Nachahmungen, seiner Langform, seiner Kurzform, seiner absoluten Formlosigkeit.“30

Eine Rezension des Selection Days von 1865 erklärte, dass „wenige Komponisten dieses willkürliche Vermischen von Epochen besser vertragen [können] als Händel“.31 Die Programme der Wahltage wurden verblüffenderweise als Grundlage für hübsche Notendrucke von Novello genutzt – ganze neunzehn solcher Drucke entstanden zwischen 1859 und 1912. Diese Praxis war finanziell lukrativ, da dafür vor allem Novellos bereits vorhandene Drucktafeln verwendet wurden. Die durchgehende Paginierung wurde vielleicht noch hinzugefügt, um die Partitur zu vervollständigen und den Anschein zu erwecken, dass ein ‚neues Werk‘ entstanden war. Die Vokalpartitur des Selection Days von 1874 ist vollständig, durchgehend paginiert und beinhaltet eine Übersicht der an der Aufführung beteiligten MusikerInnen sowie von Publikumszahlen. Die umsichtige Auswahl von Rezitativen, Liedern und Chören sorgte dafür, dass das Programm als ein echtes Oratorium empfunden wurde. Die Werke, aus denen die einzelnen Numview. […] It produces a confused performance, consisting of things jumbled together without coherence or congruity. The effect of the various pieces is injured by destroying their effect as parts of a great whole; the position of an air or a chorus, in relation to what goes before or after, being often an important feature in the composer’s design. Of this incongruity and incoherence there were many instances which must have been obvious to all but the most careless listeners“. 30 Gb-Lfom, 6028: Illustrated London News 979/34, 18.6.1859, S. 581, col. 1: „As Handel was manager and paymaster, everything he did pointed more or less to the money question. His music was not written to please himself, or to please artists, but to satisfy the wants of human nature; to please the general mind of a public always craving something new, and something it could understand. Hence the secret of Handel’s variety, Handel’s intensity, Handel’s irregularity, Handel’s lucidity, his plagiarism, his long form, his short form, his no form at all“. 31 Gb-Lfom, 8462: [Anon.]: The Handel Festival, 28.6.1865: „few composers can better stand this arbitrary mixing up of epochs than Handel“.

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mern stammten, wurden nicht in jedem Fall benannt, sodass man teilweise nur den Titel (zum Beispiel ‚Air‘) ohne zusätzliche Information sah. Andererseits beinhalteten Novellos Tafeln aber die Originalnummerierung der einzelnen Stücke, sodass zum Beispiel Nummer 4 auf Nummer 53 in der Partitur folgte. Auf diese Weise wird die Partitur zu einem wertvollen Objekt – ein Erinnerungsstück an ein Konzert, eine Anregung für zukünftige Aufführungen und somit eventuell auch ein selbstständig empfundenes ‚Werk‘. Jedoch lässt diese Praxis auch Zweifel daran aufkommen, dass die Partitur immer schon vor der Aufführung vorliegt oder dass ein Konzert immer vergänglich ist. Im hier dargelegten Fall führten die Konzerte zu Partituren, die die Veranstaltung für jene Menschen dokumentierten, die nicht selbst dem Konzert beiwohnen konnten, die für die anwesenden ZuhörerInnen als Andenken galten und die (für beide Gruppen) einen Ansporn boten, im eigenen Heim die Aufführung zu wiederholen – diesmal mit Klavierbegleitung anstelle der mehreren Tausend MusikerInnen, die an den Konzerten im Kristallpalast mitwirkten. Eigenartigerweise gingen die Rezensenten trotz des bemerkenswerten Grades an künstlerischer Freiheit doch mit einer Mentalität der Werktreue an die Partituren heran. 1859, zum Beispiel, macht ein Rezensent seinem Ärger darüber Luft, dass Sir Michael Costa eine Bassstimme hinzufügte, wo „Händel keine vorgesehen hatte“ und dass „[…] wir bei allem Respekt vor dem Erfolg, den ‚Let the bright Seraphim‘ erntete […] gegen die Gewohnheit protestieren müssen, die Wiederholung des ersten Teils wegzulassen und die Kadenz für Trompete und Gesang zu verlängern, die, wenn sie auch nicht vergleichsweise modern scheint, doch wahrscheinlich eher aus der Feder eines von Händels Notenschreibern stammt als von Händel selbst. Im ersten Fall wird das Konzept des Komponisten untergraben; im anderen Fall liegt eine Verletzung seines Textes vor.“32

Solche Kritik an der Aufführungspraxis erweckt den Eindruck, dass der Rezensent das Hauptanliegen der Selection Days übersah, da es eben gerade die Freiheit im Umgang mit großen Werken war, die diese Programme ausmachte. Diese fragmentarischen Darbietungen von Händels Kompositionen hatten einen wesentlichen Anteil an der Kanonisierung seiner Musik in London. Wie bereits erwähnt, bemerkte 1862 ein Rezensent in Hinblick auf den Erfolg von 32

Gb-Lfom, 6034: [Anon.]: The Handel Festival, in: The Times, 21.6.1859: „where Handel did not intend one […] we must protest against the custom of omitting the repetition of the first part, and equally against the prolongation of the cadence for voice and trumpet, which, if not of comparatively modern origin, is more likely the work of one of Handel’s copyists than of Handel himself. In one instance the design of the composer is frustrated, in the other the purity of his text is injured.“

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Israel in Egypt, dass das Werk „bei der ersten Aufführung erfolglos war“, dass es zu Händels Lebzeiten „nie wirklich bekannt war“, und, besonders wichtig, dass: „[…] erst nach seinem Tod die daraus [aus Israel in Egypt] abgelösten Chöre in die Programme der Provinzfestivals und musikalischen Zusammenkünfte aufgenommen wurden. Als versucht wurde das Werk in voller Länge aufzuführen, musste es entsprechend des öffentlichen Geschmacks mit Chören und Liedern aus anderen Werken des Komponisten versüßt werden. Das wurde vorerst von Händel selbst angeregt, der die SängerInnen seines Theaterensembles dazu brachte, Lieder aus seinen italienischen Opern einzuflechten, die mit dem Thema nichts zu tun hatten; letzten Endes sind solche Entscheidungen von einem offenen und flexiblen Gattungsbegriff abhängig.“33

Schlussendlich gibt es eine anhaltende Spannung zwischen der heutigen Vorstellung von kompletten und korrekten Partituren und der Tatsache, dass diese Partituren nicht unbedingt ausschließlich für eine solche Präsentation gedacht waren und dass das Publikum auch heute noch positiv auf Vertrautheit und Unvorhersehbarkeit im Programm reagiert.34 Diese Spannung wird 1862 im langen Kommentar eines aufmerksamen Rezensenten deutlich: „wir sind überzeugt davon, dass an einem Text eines großen Meisters unter keinen Umständen herumgebastelt werden darf […] zugleich müssen wir zugeben, dass wir lange Folgen von großen und komplizierten Chören mit kaum einer Erlösung durch Melodien in den einzelnen Stimmen irgendwie schwer und ermüdend finden, und dass wir uns wünschen würden, dass Händel selbst Liedern mehr Wichtigkeit beigemessen und mehr davon in seinen Kompositionen einfließen lassen hätte.“35

* Gb-Lfom, 8438: [Anon.]: The Handel Festival, in: Illustrated London News, 8.7.1865: „unsuccessful when first produced“, „it never emerged from obscurity“, „[…] it was not till long after his death that detached choruses taken from it were introduced into the programmes of our provincial festivals and music meetings. When it was attempted to be given as a substantive performance it was found necessary to sweeten it to the public’s taste by mixing up the choruses with airs taken from the composer’s other works. This was done, in the first place, by Handel himself, who got the singers of his theatrical company to sing songs from his Italian operas which had no connection with the subject; such decisions hinge, above all, on an open and fluid concept of genre“. 34 Siehe Stephanie Pitts’ umfangreiche Arbeit zu Publikumseinbindung und -teilnahme sowie Reaktionen auf neue Musik: SPARC, http://www.sparc.dept.shef.ac.uk/ (Zugriff am 8.12.2018). 35 Gb-Lfom, 8437 (wie Anm. 24): „we hold that the text of a great master ought never to be tampered with on any pretext whatever […] at the same time we are obliged to confess that we find a long series of great and elaborate choruses with hardly any relief by the melody of single voices somewhat heavy and fatiguing, and that we could have wished that Handel’s own plan had admitted of the introduction of airs in greater number and of greater importance“. 33

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Die hier untersuchten Konzertprogramme zeigen, wie im Kristallpalast der Spagat zwischen der bei einer Aufführung eines einzelnen Werkes auftretenden Kohärenz und Vorhersehbarkeit einerseits und der Stimmigkeit zwischen MusikerInnen und Publikum andererseits durch Vermittlung glückte. Des Weiteren schwingt hier eine ontologische Spannung mit: die philologisch ‚perfekte‘ Partitur führte nachweislich nicht immer zur erfolgreichsten Aufführung, die von vielen veränderlichen Faktoren bedingt und definiert ist. Am Ende ist der Erfolg einer Aufführung nicht zwangsläufig von der musikalischen Qualität abhängig: die meisten Rezensionen des Händel-Festivals machen auf die schiere Unbeherrschbarkeit und die akustischen Herausforderungen aufmerksam, die die Mitwirkung von Tausenden von MusikerInnen mit sich brachte, während sie zugleich das Festival als Triumph bezeichneten. Der beste Beweis dafür sind die atemberaubenden Zuschauerzahlen von bis zu 20.000 Menschen, von denen jeder Organisator und jede Organisatorin von Festivals klassischer Musik heutzutage nur träumen kann. So kann man diesen Aufführungen die (sicher nur kurzzeitigen) Verstöße gegen die Stimmigkeit zwischen den einzelnen Nummern verzeihen, da sie einen gewissen Grad an Spannung und Unvorhersehbarkeit boten, der auch heute noch Livekonzerte zu einmalig kommunikativen Erlebnissen macht.

„Come, ever-smiling liberty“: Händels Judas Maccabaeus (1747), der Krieg und der Frieden Hanna Walsdorf (Leipzig)

Prolog: Tower Hill, 9. April 1747 Am Morgen des 9. April 1747 wurde der schottische Jakobit Simon Fraser, der 11. Lord Lovat, auf dem Tower Hill in London öffentlich enthauptet. Um den zahlreichen Schaulustigen eine möglichst gute Sicht auf das blutige Geschehen zu bieten, hatte man – wie bei öffentlichen Hinrichtungen üblich – eine mehrstöckige hölzerne Zuschauerplattform errichtet, die an jenem 9. April jedoch unter dem Gewicht von angeblich knapp 1000 Menschen zusammenbrach (siehe Abbildung 1). So gab es mehrere Todesopfer und viele Verletzte,1 noch bevor Lord Lovat gegen 11  Uhr zur Hinrichtungsstätte gebracht wurde und dem Henker sein Trinkgeld gab. Er sollte der letzte Adelige sein, der in Großbritannien enthauptet wurde. Die Fahndung nach seiner Person, seine Verhaftung und der Prozess gegen ihn waren von einem ungeheuren Medieninteresse begleitet worden. Die Gazetten berichteten über jedes noch so kleine Detail, Flugblätter mit informativen und spöttischen Bilddarstellungen kursierten in großer Zahl. Als einer der Anführer des zweiten Jakobitenaufstandes, der am 16. April 1746 in der Schlacht bei Culloden in Schottland mit einem Sieg der englischen Regierungstruppen endgültig niedergeschlagen worden war, hatte sich Lord Lovat der Festnahme wegen Hochverrats zunächst durch Flucht entziehen können. Die Londoner „The whole Execution and Behaviour, Of Simon Lord Lovat, Who was beheaded on Tower-Hill, on Thursday 9 April for High Treason“. Zeitgenössisches Flugblatt, GB-Lbm 1997,0223.1: „Just before Lord Lovat came from the Tower the Scaffolding at the Ship ­A lehouse, near Barking-Alley, which was built from that House in many Stories, and computed to have on it near 1000 Persons, fell entirely down; by which most shocking and melancholy Accident, we hear, eight or ten People were killed on the Spot, and many had their Arms and Legs broke, etc.“ – Unter den Toten waren auch der Tischlermeister, der die Plattform gebaut hatte, und seine Frau; sie hatten unter dem Gerüst Bier verkauft; siehe William Toone: The Chronological Historian: Or, A Record Events, Historical, Political, Biographical, Literary, Domestic and Miscellaneous; Principally Illustrative of the Ecclesiastical, Civil, Naval, and Military History of Great Britain and its Dependencies, from the Invasion of Julius Caesar to the Present Time; in Two Volumes. Second Edition, Vol. 1, London: Longman, Rees, Orme, Brown, and Green 1828, S. 653.

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Abb. 1: [Anon.]: The north west prospect of the Tower of London at the time of Execution of the rebel Lords, in 1746–1747, with a particular View of the falling of a Scaffold, whereby above fifty lost their lives and were disabled at the Execution of Lord Lovat (Anonymer Kupferstich, gedruckt bei J. H. Bunck, London 1747, British Museum, GB -Lbm 1880,1113.3458).

Presse aber hielt das öffentliche Interesse an der Verfolgung und Verhaftung der Rebellenführer nach Kräften aufrecht. Wie bei Bonnie Prince Charlie, dem Heerführer der Jakobiten, vermutete man, dass Lord Lovat sich als Frau verkleidet haben könnte, um der Strafverfolgung zu entgehen, was sich jedoch als Fehlannahme herausstellte. Als man ihn am 17. Juni 1746 schließlich aufgriff, glich er eher einem gewöhnlichen alten Landstreicher – wenngleich die Darstellung Lovats auf dem einschlägigen Flugblatt „The LORD LOVAT as He appear’d at the time He was taken“2 von einer undatierten französischen Vorlage abgekupfert war, die Guillaume de Limoges, einen bekannten Pariser Straßensänger zeigt.3 [Anon.]: The Lord Lovat as He appear’ d at the time He was taken, Darstellung von Simon Fraser, 11th Lord Lovat, als Landstreicher. Anonymer Kupferstich, gedruckt bei Alexander Fraser, 1746, British Museum, GB-Lbm 1903,0408.5, Digitalisat: https://digital.nls.uk/75241358 (Zugriff am 12.12.2018). 3 Girard Audran: Voicy Le Portrait et l’Eloge De ce Chantre fameux Nommé Guillaume de Limoge Autrement le gaillard Boiteux. Porträt des Straßensängers Guillaume de Limoges. Kupfer2

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Bei seiner Ergreifung war Lovat 78 Jahre alt und konnte ohne Hilfe weder laufen noch reiten; in einem Käfig brachte man ihn nach London.4 Für seinen Einzug in den Tower am 15. August 1746  – drei Tage vor der Hinrichtung zweier anderer Rebellenführer – wählte man dann jedoch einen offenen, von sechs Pferden gezogenen Landauer, um seine Ankunft für jedermann sichtbar zu machen. Niemand Geringeres als William Hogarth wurde herbeigeholt, um den inhaftierten Rebellen zu porträtieren. Im Dezember 1746 wurde Lord Lovat wegen Hochverrats angeklagt.5 Sein Prozess begann am 9. März 1747 in Westminster Hall6 und endete mit der Verurteilung zum Tode. Ab dem 19. März wurde ein spöttisches „Funeral Ticket“ zu sechs Pence verkauft.7 Am 2. April erhielten die Sheriffs of London den Vollstreckungsbefehl, am 9. April fand die Hinrichtung statt. Man darf davon ausgehen, dass zum Sound dieses schauerlichen Spektakels die Trommeln der mitwirkenden Soldaten gehörten  – ein klangliches Detail, das für die Entstehungs- und Aufführungsgeschichte von Händels Judas Maccabaeus von großer Bedeutung ist.8 Mit Hilfe zweier Zeitleisten, die am Ende ineinandergreifen, soll dies im Folgenden näher beleuchtet werden: Auf der einen Seite stehen die Ereignisse im Kontext des Jakobiten­ aufstandes 1745/1746 und der Strafverfolgung seiner Anführer; auf der anderen Seite die Entstehungsgeschichte und musikalische Analyse von Händels Oratorium Judas Maccabaeus.

Händels Oratorium Judas Maccabaeus (HWV 63)

I. Entstehungskontext: Der Jakobitenaufstand 1745/1746 In den Jahren 1745 und 1746 wurde Großbritannien durch die jakobitische Rebellion aufgewühlt. Die schottischen Thronprätendenten aus dem katholischen Hause Stuart kämpften um die Wiedererlangung des britischen Throns. Die anglikanische Herrscherfamilie um den Hannoveraner George II. setzte alles stich von Girard Audran, gedruckt bei Philippe II Huart, Paris ca. 1683–1695, Wikimedia Commons. 4 Toone: The Chronological Historian (wie Anm. 1), S. 636. 5 Ebd., S. 647 f. 6 Ebd., S. 651. 7 [Anon.]: A Funiral Ticket for Lord Lovet. […] Price 6 d. Anonyme Druckgraphik, London 1747, National Library of Scotland, GB-En Blaikie.SNPG.17.16, Digitalisat: https://digital. nls.uk/75241367 (Zugriff am 12.12.2018). 8 Siehe hierzu Angelika Rehm / Dieter Rehm: Von Pauken und Trompeten. Handlungsorientierte Materialien zur Instrumentenkunde, Buxtehude: Persen, 2009, S. 8 sowie Werner Bodendorff: Gehör-Gänge. Erzählungen, Würzburg: Königshausen & Neumann 2012, S. 172.

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daran, den Aufstand niederzuschlagen und die gen London ziehenden Rebellentruppen zu stoppen. In der britischen Hauptstadt griff die Angst um sich, die Jakobiten unter Prinz Charles Edward Stuart alias Bonnie Prince Charlie könnten bald in die Stadt einmarschieren, diese verwüsten und das ganze Land ins Chaos stürzen.9 Jedoch gelang es dem Anführer der Regierungstruppen, Prinz William, Duke of Cumberland, die Jakobiten in der Schlacht bei Culloden in Schottland am 16. April 1746 zu schlagen und zur Aufgabe zu zwingen. Doch Ruhe kehrte damit noch nicht ein im Königreich. Der Rebellenführer Charles Edward Stuart setzte sich, als Frau verkleidet, nach Frankreich ab und wurde nie strafrechtlich belangt. Rund 80 seiner Mitstreiter jedoch, allen voran die drei „Rebel Lords“, wurden gefasst und zwischen August 1746 und April 1747 in London öffentlich hingerichtet.10 „In April 1747 the government could be glad of a public entertainment which counterbalanced a reminder of continuing Jacobitism with a recall of the nation’s unity under dedicated and inspiring leadership. The rebellion’s threat to ‚Laws, Religion, Liberty‘ (a potent catch-phrase of the time, echoed in the libretto, Part II) had damaged the larger war effort; the British envoy in the Hague imputed the fall of Flanders to the withdrawal of British troops from the Continent to suppress the rebellion. By April 1747 the British were tired of long, expensive, unsuccessful and confusing for­ eign entanglements, and they were in bad need of some patriotic uplift.“11

Die mediale Berichterstattung sorgte zweifellos dafür, dass der Jakobitenauf­ stand auch im Frühjahr 1747 noch nicht vergessen, sondern den Londonern wie König George  II. versuchte in einer Rede vor dem Parlament am 14. Januar 1746 zu beschwichtigen, als er über „the present unnatural Rebellion, and our security at home“ sprach: „The daring attempt, which the rebels have since made upon this part of my kingdom, has been happily disappointed: and as their precipitate flight, before a small number of my troops, must greatly dis-spirit their followers; so that inviolable duty and loyalty, which have been so universally and steadily shewn by my faithful subjects […] must convince them how vain and ill-grounded their hopes were of any addition of strength from such an enterprize [sic]. I have not only sent a considerable body of our national forces to Scotland, and ordered the Hessian troops in my pay to be landed there; but have also made such a disposition of the rest of my forces by land, as well as by sea, that I hope, by the blessing of God, this Rebellion will in a short time be extinguished […].“ Zitiert aus William Cobbett: The Parliamentary History of England from the Earliest Period to the Year 1803, Bd. XIII, A. D. 1743–1747, London: T. C. Hansard 1812, S. 1395. 10 Eine ausführliche Betrachtung des politischen Kontexts findet sich etwa bei Ruth Smith: The Meaning of Morell‘s Libretto of ‚Judas Maccabaeus‘, in: Music & Letters 79, 1998, Nr. 1, S. 50–71, hier S. 51–57. Siehe auch Iris Fleßenkämper: Judas Maccabaeus – ein Held in der Krise. Zur gesellschaftspolitischen (In-)Stabilität Großbritanniens im 18. Jahrhundert, in: Dominik Höink / Jürgen Heidrich (Hg.): Gewalt – Bedrohung – Krieg. Georg Friedrich Händels ‚Judas Maccabaeus‘. Interdisziplinäre Studien, Göttingen: V&R unipress 2010, S. 29–54. 11 Ebd., S. 57. 9

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der sehr präsent war. Es ist evident und daher auch schon vielfach beschrieben worden, dass Entstehung und Inhalt von Händels Judas Maccabaeus mit diesen Ereignissen in engem Zusammenhang stehen. In welchem Maße dies aber auch für die sechs Aufführungstermine im April 1747 und einige musikalische Gestaltungselemente gilt, möchte ich im Folgenden zeigen. Aus dem ersten Librettodruck zu Judas Maccabaeus im Jahre 1747 und aus einem oft zitierten Brief des Librettisten Thomas Morell aus dem Jahr 1769 lässt sich die Chronologie der Werkentstehung plausibel rekonstruieren. Demnach begegneten sich Morell und Händel bereits 1745 und verabredeten die Zusammenarbeit an Judas Maccabaeus – für ein Oratorium also, das dem Prinzen ­William, Duke of Cumberland zugedacht war, um dessen siegreiche Rückkehr aus Schottland zu würdigen. Morell muss das Libretto spätestens im Januar 1746 fertiggestellt haben, denn eine Arie daraus, „O Liberty, thou choicest treasure“, wurde aus dem Libretto für Judas Maccabaeus herausgenommen und in das Occasional Oratorio integriert, das am 14. Februar 1746 uraufgeführt wurde. Dort ist es sowohl im Libretto als auch in Händels Partiturautograph und der ersten gedruckten Partitur enthalten.12 So sah sich Morell gezwungen, im Librettodruck zu Judas Maccabaeus im Jahr darauf zu erklären, dass „The following Air was design’d, and wrote for this Place, but it got I know not how, into the Occasional Oratorio, and was there incomparably Set, and as finely executed.“13 Das Occasional Oratorio, ein hastig zusammengestelltes Werk, erlebte drei Aufführungen im Februar 1746 und weitere drei im März 1747. Die kompositorische Ausgestaltung von Morells Judas Maccabaeus mag also zurückgestellt worden sein, um den antizipierten Anlass für das Oratorium abzuwarten, wie Winton Dean gemutmaßt hat;14 dieser Anlass trat ja erst mit der siegreichen Schlacht von Culloden am 16. April 1746 ein. Doch auch als die Nachricht vom Sieg über die Jakobiten ihren Weg nach London gefunden hatte, blieb Morells Libretto noch weiter liegen. Händel komponierte stattdessen zunächst einen Song, der im Kontext der Entstehungsgeschichte des Judas Maccabaeus bisher übersehen wurde: „From Scourging Rebellion“, auf der ersten Seite beworben als „A Song on the Victory obtain’d over the Rebels, by His Royal Highness the Duke of Cumberland. The Words by Mr. Lockman. Set by

Vgl. Winton Dean: Handel’s Dramatic Oratorios and Masques, Oxford: Clarendon Press 1990 [OA 1959], S. 461. 13 Thomas Morell: Judas Macchabæus: A Sacred Drama. As it is Perform’ d at the Theatre-Royal in Covent-Garden. The Musick by Mr. Handel, London: John Watts 1747, S. 5. Digitalisat der British Library: http://explore.bl.uk/BLVU1:LSCOP-ALL:BLL01017648603 (Zugriff am 30.11.2018), GB-Lbl Cup.407.kk.26. 14 Dean: Handel’s Dramatic Oratorios and Masques (wie Anm. 12), S. 461 f. 12

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Mr. Handel“15. Öffentlich aufgeführt worden war der Titel, „der von der Schlacht bei Culloden handelt“, in Ranelagh und Vauxhall Gardens (d. h. in öffentlichen Lustgärten bzw. Vergnügungsparks in London) durch den Sänger Mr. Lowe, wie Walsh im General Advertiser vom 26. Mai 1746 vermeldete.16 Händel begann erst am 8. oder 9. Juli 1746 – nach der Verhaftung des letzten Rebellenführers Lord Lovat am 17. Juni – mit der Vertonung von Morells Libretto; am 11. August 1746 vollendete er die Komposition, wie er selbst im Partiturautographen notierte.17 Terminlich hätte eine zeitnahe Uraufführung hervorragend gepasst: Genau eine Woche nach der Fertigstellung der Partitur, am 18. August, wurden auf dem Tower Hill die beiden adeligen Jakobiten William Boyd, 4th Earl of Kilmarnock, und Arthur Elphinstone, 6th Lord Balmerino hingerichtet.18 Die Frage, warum die Uraufführung des Judas Maccabaeus dann aber erst knapp acht Monate später erfolgte, nachdem die Bedrohung durch die heranziehenden schottischen Truppen längst gebannt war, ist bislang nicht zufriedenstellend beantwortet worden  – worauf später noch zurückzukommen sein wird.

Georg Friedrich Händel: „From scourging Rebellion and baffling proud“ HWV 228, Nr. 9 (Amaryllis: consisting of such songs as are most esteemed for composition and delicacy, and sung at the publick theatres or gardens, Vol. 1–2, London: Publish’d according to act of Parliament, by T. J. and sold by M. Cooper, [1746], S. 2). Der Notendruck selbst erschien ohne Angabe von Ort und Jahr, lässt sich durch Walshs Anzeige im General Advertiser jedoch auf 1746 datieren (vgl. die folgende Fußnote). Exemplare der British Library: GB-Lbl Music Collec­ tions G.307.(203.) und G.307.(234.), Digitalisat: https://digital.nls.uk/94615588 (Zugriff am 12.12.2018). 16 General Advertiser Nr. 3613 vom 26. Mai 1746: „New Musick. […] Just publish’ d, Two Songs in Honour of His Royal Highness the Duke of Cumberland, sung by Mr. Beard and Mr. Lowe at Ranelagh and Vauxhall Gardens.“ – Eines davon war „From Scourging Rebellion“, vgl. Editionsleitung der Hallischen Händel-Ausgabe (Hg.): Händel-Handbuch, Bd. 4: Dokumente zu Leben und Schaffen. Auf der Grundlage von Otto Erich Deutsch. Handel – A Documentary Biography, Leipzig: VEB Deutscher Verlag für Musik 1985, S. 402 f. – Der Songtext findet sich auf Georg Friedrich Händel: From scourging Rebellion „A Song on the Victory obtained over the Rebels by His Royal Highness The Duke of Cumberland“, HWV 228–9, http://www.haendel.it/ composizioni/libretti/pdf/hwv_228_9.pdf (Zugriff am 30.11.2018). 17 Georg Friedrich Händel: Judas Maccabaeus. Oratorio in 3 Parts, Autograph, 1746. GB-Lbl R. M.20.e.12.  – Zu Abschriften siehe Donald Burrows / Martha J.  Ronish: A Catalogue of Handel’s Musical Autographs, Oxford: Clarendon Press 1994, S. 130–133 (GB-Lbl RM 20. e. 11 und RM 20. e. 12), S. 139–142 (GB-Lbl RM 20. f. 3), S. 235–243 (GB-Cfm MU MS 259 und 260), S. 253–258 (GB-Cfm MU MS 263), S. 276 (D-Hs MA/1026). 18 [Anon.:] Hinrichtung der Rebel Lords William Boyd, 4th Earl of Kilmarnock, und Arthur Elphinstone, 6th Lord Balmerino (Anonymer Kupferstich, gedruckt bei M. Cooper, London 1746, National Library of Scotland, GB-En Blaikie.SNPG.17.2). Digitalisat: https://digital. nls.uk/75241307 (Zugriff am 12.12.2018). 15

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II. Inner- und außermusikalische Konfliktlinien in HWV 63 Handlung

Thomas Morell entnahm den Stoff für sein Libretto dem apokryphen Ersten Buch der Makkabäer (1 Mak 2–8) und den Antiquitates Judaicae (XII, 6–10) des römisch-jüdischen Geschichtsschreibers Flavius Josephus.19 Er schuf aus seinen Vorlagen einen „sehr eigenständigen Text“, der „eine Reihe von theologischen und gesellschaftlichen Themen behandelt und zu einem komplex strukturierten Ganzen verbindet“.20 Am Beginn des ersten Teils (Nr. 1–17) steht das verwüstete Jerusalem: Der Tempel ist entweiht, die Israeliten sind auf der Flucht und beklagen den Tod von Mattatias, ihrem Anführer und Vater des Judas Macca­baeus – für sich betrachtet, ist das eine ungewöhnliche Art, ein Siegesoratorium zu eröffnen.21 Hohepriester Simon, ein weiterer Sohn des Mattatias, „verkündet die Auserwählung seines Bruders Judas Makkabäus“, der daraufhin dem jüdischen Volk verspricht, es „in bessere Zeiten zu führen“.22 Das Volk steht hinter ihm und ist zum ungleichen Kampf („unequal war“) bereit, an dessen Ende Freiheit („liberty“) und Frieden („peace“) stehen sollen.23 Im zweiten Teil (Nr. 18–28) wird Judas für zwei Siege gefeiert, die er als Heerführer errungen hat. Als ein Bote die Nachricht überbringt, dass Antiochius mit einer ägyptischen Armee eine neue Bedrohung entsandt hat, werden die Israeliten erneut in Verzweiflung gestürzt. Judas ruft sie zu den Waffen und ermutigt sie zusammen mit Simon, mit Gottvertrauen gemeinsam für „laws, religion, liberty“ zu kämpfen. In Teil drei wird das Lichterfest Chanukka vorbereitet, um die Rückeroberung des Tempels zu feiern. Kurz nachdem die Kunde vom Sieg über die feindlichen Heere eingetroffen ist, ziehen Judas und sein Heer im Triumph in Jerusalem ein; Judas gedenkt der Gefallenen, unter denen auch sein Bruder ­Eleazar ist. Die Hoffnung auf dauerhaften Frieden wird bestärkt durch den Vertrag, den der israelitische Gesandte Eupolemus aus Rom überbringt: Den Vgl. Michael Zywietz: Judas Maccabaeus (HWV 63), in: ders. (Hg.): Händels Oratorien, Oden und Serenaten, Laaber: Laaber-Verlag 2010 (= Das Händel-Handbuch 3), S. 394–406, hier S. 394 und 397. 20 Vgl. Johannes Schnocks: Vom frommen Rebellen zum gottgefälligen Heerführer. Judas und Makkabäeraufstand in der Bibel und bei Händel, in: Höink / Heidrich (Hg.): Gewalt – Bedrohung – Krieg (wie Anm. 10), S. 9–28, hier S. 27. 21 Dean: Handel’s Dramatic Oratorios and Masques (wie Anm. 12), S. 462: „There are no celebrations in Act I, which begins with a mourning sequence – not an obvious gambit with which to open a salute to a victor.“ 22 Vgl. Zywietz: Judas Maccabaeus (HWV 63) (wie Anm. 19), S. 397. 23 Vgl. Ruth Smith: Judas Maccabaeus, HWV 63, in: Annette Landgraf / David Vickers (Hg.): The Cambridge Handel Encyclopedia, Cambridge: Cambridge University Press 2009, S. 367– 369, hier S. 367.

19

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Israeliten wird damit die Unabhängigkeit garantiert. Mit einem feierlichen Dankeschor der Israeliten endet Judas Maccabaeus.24 Das Londoner Publikum war offensichtlich bereit, den scheinbar schiefen Vergleich zwischen der historischen und der aktuellen Situation hinzunehmen: Während die Briten unter Cumberland gerade einen Aufstand auf heimischem Boden niedergeschlagen hatten, handelt Händels Oratorium davon, wie die Israeliten unter Judas Maccabaeus einen Aufstand anzetteln. Noch dazu war ja seit Cumberlands Sieg über die Jakobiten zum Zeitpunkt der Uraufführung bereits ein knappes Jahr vergangen, und er war längst wieder in neue Kriegshandlungen auf dem Kontinent involviert – mit mäßigem Erfolg.25 Die Parallelen zwischen der im Oratorium erzählten historischen und der aktuellen Lage waren im April 1747 dennoch nicht überholt, und bei näherem Hinsehen ist die Allegorie auch gar nicht so schief. Die Analogien gehen nämlich sehr viel tiefer als in der Händel-Forschung lange Zeit angenommen, und sie zeugen von Morells „hervorragender Kenntnis“ seiner Vorlagen, wie Johannes Schnocks26 und Ruth Smith überzeugend dargelegt haben. Letztere fasst die Parallelen wie folgt zusammen: „The Jewish nation disrupted from within by apostate Hellenisers = the British nation disrupted from within by Catholic Jacobites. The Hellenising Jews enlisting the support of the foreign, Hellenising, expansionist Syrians = British Jacobites enlisting the support of the foreign, Catholic, expansionist French. The Jewish nation uniting behind the leadership of Judas defeats and repels the armed apostate and foreign element (Hellenised Jews and Syrians) = the British nation uniting behind the leadership of Cumberland defeats and repels the armed apostate and foreign element (Jacobites and their sponsors, the French).“27

Indem Morell sehr bedacht nur wenige historische Namen und Ereignisse einführte, rückte er die Motive von Freiheit, nationaler Einheit und Frieden in den Vgl. Ebd., S. 367 sowie Zywietz: Judas Maccabaeus (HWV 63) (wie Anm. 19), S. 397–98. Vgl. Ruth Smith: Handel’s Oratorios and Eighteenth-Century Thought, Cambridge: Cambridge University Press 1995, S. 213. – Smith schreibt darüberhinaus irrigerweise (ebd.), die ursprüngliche Botschaft von HWV 63 sei durch Ereignisse ersetzt worden, die auf die Zeit der Komposition folgten („Eighteenth-century audiences were also ready to accept a message superseded by events subsequent to the time of composition“). Jedoch ist diese Deutung mit der Chronologie nicht vereinbar: HWV 63 wurde im August 1746, also vier Monate nach der Schlacht von Culloden, fertiggestellt; das Libretto lag indessen tatsächlich schon vor der entscheidenden Schlacht vor, und mit ihm die – von Morell antizipierte – Freude über den Sieg der Engländer. Es erschließt sich nicht, welche dem Abschluss der Komposition nachfolgenden Ereignisse die Botschaft des Werkes verändert haben sollten. 26 Schnocks: Vom frommen Rebellen zum gottgefälligen Heerführer (wie Anm. 20), S. 27. 27 Smith: Judas Maccabaeus, HWV 63 (wie Anm. 23), S. 368. 24 25

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Mittelpunkt der Handlung. Dass die Dramaturgie des Judas Maccabaeus nicht einfach nur eine platte Analogie zu Cumberland und der Niederschlagung des Jakobitenaufstandes herstellt, sondern diese „künstlerische Intention“ transportiere, hat auch schon Jürgen Schläder herausgearbeitet. Judas Macabbaeus sei „kein dramatisches Oratorium, auch wenn es immer wieder behauptet“ werde (insbesondere von und im Anschluss an Winton Dean)28: Es werden darin keine individuellen Figuren gezeichnet oder Argumente ausgetauscht, es gibt weder Diskurs noch Dialog zwischen den Charakteren. Vorherrschend in der Aussagestruktur sind vielmehr Klage, Bitte und Appell; reflexive Momente und Affekte, Intrigen und Konfliktspannungen fehlen.29 Nur drei Solocharaktere haben überhaupt einen Namen: Judas, Simon und Eupolemus, der jedoch nur ein Rezitativ hat; die Israeliten treten als Chor auf, mit anonym aus dem Volk heraustretenden Solistinnen und Solisten. „In dieser eigenartigen Dramaturgie offenbart sich der tiefgreifende Unterschied des Judas Macabbaeus zur dramatischen Konstruktion der Opern, die Händel kom­ ponierte, und zu einer Reihe von Oratorien, in denen die Opernstruktur übernommen ist. […] Eben diesem Standard der zeitgenössischen Opern- und Oratorienkomposition wich Händel konzeptionell aus, weil der weniger auf die Präsentation einer facettenreichen Persönlichkeit zielte, als vielmehr auf die Propagierung eines Prinzips: gemeinschaftliches Handeln und strikter Patriotismus, evoziert von einem charismatisch begabten, aber unkritisch die historische Tradition fortschreibenden Führer. […] Der bedingungslose Patriotismus und das notwendige Opfer für die Nation werden in diesem Oratorium als zentrale politische Tugenden einer Gesellschaft propagiert, die sich unter gewandelten innen- und weltpolitischen Rahmenbedingungen neu formieren und vor allem neu orientieren musste.“30

Vgl. Dean: Handel’s Dramatic Oratorios and Masques (wie Anm. 12), S. 363; auf Seite 365 kommt er gar zu folgender Bewertung: „Judas Maccabaeus is the one Handel oratorio that has been consistently overvalued, particularly in the eighteenth and nineteenth centuries.“ Auf Seite 466 fährt er fort: „It is not that Judas contains no good music. The initial mourning sequence is magnificent, and individual beauties are scattered through all three acts. The disappointment arises from the narrow range of mood, the flat characterization, and the absence of over-all design. […] If the choruses, except when the Jews are in tribulation, tend to  a monotonous heartiness, at least half the airs are pedestrian, and several come near to self-parody.“ – Dass HWV 63 von vornherein nicht als „dramatisches Oratorium“ konzipiert gewesen sein könnte, sondern Händel damit andere Ziele verfolgte, zieht Dean nicht Betracht. 29 Vgl. zu diesem Absatz Jürgen Schläder: Der patriotische Held. Politische Moral und Gesellschaftsentwurf in Judas Maccabaeus, in: Hans Joachim Marx (Hg.): Beiträge zur Musik des Barock. Tanz – Oper – Oratorium, Bericht über die Symposien der Internationalen Händel-Akademie Karlsruhe 1994 bis 1997, Laaber: Laaber-Verlag 1998, S. 295–310, hier S. 302. 30 Ebd., S. 303 und 306. 28

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Nicht einmal eine dramatische Schlachtszene hat Librettist Morell Händel zur effektvollen Vertonung vorgegeben; stattdessen werden Nachrichten von den „siegreichen Kriegstaten“ des Judas Maccabaeus durch Botenberichte übermittelt.31 Musikalisch klar akzentuiert sind anstelle einer Heldenfigur die Schlüsselbegriffe „Nation, Laws, Religion“ und – zuvörderst – „Liberty“.32 Liberty

„Liberty“ bedeutet im Kontext von Händels Oratorium nicht einfach nur „Freiheit“ im Sinne einer „Befreiung aus Knechtschaft oder politischer Unmündigkeit“, sondern „jene in England parlamentarisch verbriefte Freiheit der individuellen Lebensgestaltung, die jeder Engländer im mittleren 18. Jahrhundert als hohes Gut der politisch-gesellschaftlichen Kultur seiner Nation begriff“.33 Der protestantische König Englands wurde „als Garant des Glücks und der Liberty kommuniziert“, d. h. wider die katholische  – jakobitische  – Tyrannei wurde mit der Liberty ein „kollektives Identifikationspotential“ bereitgestellt, „durch das jeder seinen Gehorsam nicht als Arbeit in Demut, sondern als aktives, ‚selbstbestimmtes‘ Handeln im eigenen Interesse […] betrachten sollte und auch […] konnte“.34 Während Winton Dean 1959 nur die drei bzw. vier Arien als „liberty airs“ identifizierte („the second repeated as a duet“), die „liberty“ im Titel führen35, erkannte Jürgen Schläder 1998 sieben Musiknummern, die den Liberty-Gedanken enthalten. In diesen sieben Nummern entfalte Händel, so Schläder, ebendiesen Gedanken in verschiedenen Ausdrucksnuancen, die „von gefühlvoller Besinnlichkeit bis zum tänzerischen Übermut und vom solistischen über den duettierenden bis zum chorischen Klang“ reichten.36 2010 erweiterte Jürgen Heidrich die Liste der Liberty-Nummern noch einmal von sieben auf zwölf Titel (siehe Tabelle 1):37

Vgl. Jürgen Heidrich: Ideenwelt und Herrscherbild: Zur Gattungstypologie und -kontext des Judas Maccabaeus, in: Höink / Heidrich (Hg.): Gewalt – Bedrohung – Krieg (wie Anm. 10), S. 85–99, hier S. 88. 32 Vgl. Ebd., S. 89. 33 Vgl. Schläder: Der patriotische Held (wie Anm. 29), S. 299. 34 Vgl. Friedbert Schmidt: „Conqu’ring hero’s choicest treasure“. Georg Friedrich Händels Oratorium Judas Maccabaeus und seine agitatorische Funktion für das hierarchische England des 18. Jahrhunderts, Berlin: dissertation.de – Verlag im Internet 2009, S. 219. 35 Dean: Handel’s Dramatic Oratorios and Masques (wie Anm. 12), S. 468. 36 Vgl. Schläder: Der patriotische Held (wie Anm. 29), S. 299. 37 Vgl. Heidrich: Ideenwelt und Herrscherbild (wie Anm. 31), S. 90. 31

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Tabelle 1: Liberty-Nummern in Judas Maccabaeus (HWV 63) Nr.

Gattung

Text

1

Chor (Israeliten)

Mourn, ye afflicted children

7

Arie (Judas)

Call forth thy pow’rs

8

Rezitativ (Israelitin)

To Heav’n’s almighty King

8

Arie (Israelitin)

Oh liberty, thou choicest treasure

9

Arie (Israelitin)

Come, ever-smiling liberty

10

Arie (Israelit)

’Tis liberty, dear liberty alone

11

Duett (Israelitin / Israelit)

Come, ever-smiling liberty

13

Rezitativ (Judas)

So will’ d my father

19

Arie (Israelit)

So rapid thy course is

19

Rezitativ (Israelit)

Well may we hope our freedom

27

Chor (Israeliten)

We hear the pleasing dreadful call

39

Rezitativ (Eupolemus)

Peace to my countrymen

Schon im Eröffnungschor (Nr. 1) wird die Liberty-Idee eingeführt, wenn auch „musikalisch unauffällig behandelt“; ebenso „verhalten“, „knapp und unspektakulär“ gestaltet Händel sie in der ersten kurzen Arie des Titelhelden (Nr. 7), „in der von dem großen Ziel der Freiheit des Volkes Israel die Rede ist“. Als dann in Nr. 8 die anonyme Israelitin in ihrem Rezitativ und dann in ihrer Arie „Oh liberty, thou choicest treasure“ den von Judas vorgebrachten Freiheitsgedanken aufgreift  – übrigens bis zur Coda nur von Cembalo und Violoncello begleitet38 –, wird es erst „wirklich spannend“:39 „Hier […] werden musikalische Affekte evoziert, die man als innig-verhaltenen, im Grunde visionär-sehnsuchtsvollen Ton beschreiben könnte. Denn eine förmliche Serie von Freiheitsbekenntnissen folgt unmittelbar danach: Nr. 9 ‚Come, ever-smiling liberty‘, Nr. 10 ‚‘Tis liberty, dear liberty alone‘ und Nr. 11 ‚Come, ever-smiling liberty‘ diesmal als Duett [von Israelitin und Israelit].“40

Dass Händel hier vier Liberty-Nummern direkt aufeinander folgen lässt (Nr.  8–11), sticht unmittelbar ins Auge. Unbestreitbar ist die Übersetzung der argumentativen Zuspitzung in ein Bündel von Arien ohne darauffolgende Rezitative oder Chornummern an sich schon eine musikalisch ungewöhnliche Vgl. Dean: Handel’s Dramatic Oratorios and Masques (wie Anm. 12), S. 471. Vgl. Heidrich: Ideenwelt und Herrscherbild (wie Anm. 31), S. 90–91. 40 Ebd., S. 91. 38 39

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Entscheidung. Ebenso auffällig ist, wer die Freiheitsidee jeweils äußert: Es sind nicht etwa die Solisten Judas und Simon, die den Liberty-Gedanken in ihren Arien und Rezitativen hauptsächlich transportieren, sondern es sind „mehrheitlich die anonym agierenden, gleichsam die Stimme des Volkes repräsentierenden Israeliten“.41 Im weiteren Verlauf des Oratoriums zeigt sich die Liberty-Idee aber nur noch punktuell, jedoch freilich an nicht minder bedeutungsträchtigen Positionen in der Gesamtanlage. Nachdem Judas mit seiner Arie ‚Sound an alarm‘ das Volk zu den Waffen gerufen hat, besinnt sich der Chor der Israeliten erneut auf die Liberty als Ideal, für das es sich zu kämpfen lohnt (Nr. 27 „We hear the pleasing dreadful call“). „Sound an Alarm“

Jene „Sound an alarm“-Arie im zweiten Akt des Oratoriums ist durch ihre kompositorische Gestaltung, insbesondere mit Blick auf die Instrumentierung, im Kontext des Jakobitenaufstandes und der Rebellenhinrichtungen besonders interessant. Aus einem in der Forschung bereits vielfach beachteten Brief von ­Catherine Talbot, den diese am 18. April 1747 an ihre Freundin Elizabeth ­Carter schrieb, ist zu erfahren: „Those oratorios of Handel’s are certainly (next to the hooting of owls) the most solemnly striking music one can hear. I am sure you must be fond of them, even I am who have no ear for music, and no skill in it. In this last oratorio he has literally introduced guns, and they have a good effect.“42

Die genannten „guns“ sind von der Forschung ohne viel Zögern in „Pauken“ übersetzt worden, und der Blick in die Partitur bestätigt dies. Die Briefschreiberin Talbot kann sich mit ihrer Aussage nur auf Judas’ Arie „Sound an alarm“ (Nr. 27) bezogen haben, ist dies doch die erste Nummer im Oratorium, in der Händel Pauken und Trompeten einsetzt: Er wartet damit bis zu Takt 52 der Arie, die bis dahin nur von Cembalo und Kontrabass begleitet gewesen war, und lässt das volle Orchester im psychologisch rechten Moment erklingen, und zwar inklusive des bis dahin noch gar nicht zu hören gewesenen Schlagwerks und dreier Trompeten  – in den Worten Winton Deans ist das ein veritabler coup de théâtre.43 Ebd., S. 90. Zitiert nach Dean: Handel’s Dramatic Oratorios and Masques (wie Anm. 12), S. 471. Auch zitiert im Händel-Handbuch (wie Anm. 16), S. 407. 43 Vgl. Dean: Handel’s Dramatic Oratorios and Masques (wie Anm. 12), S. 471. Siehe auch [Anon.]: Judas Maccabæus, in: The Musical Times 47, 1906, Nr. 758, S. 229–232, hier S. 232: „Trumpets and drums are first introduced in this oratorio in the latter part of the tenor solo 41

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Pauken und Trompeten sind in Händels Zeit nicht zu allererst Orchesteroder Konzertinstrumente, die einfach nur zur perkussiven Akzentuierung markanter Passagen oder zur klanglichen Illustration von Royalty, i. e. dem Auftritt königlicher Figuren verwendet werden. Sie sind in den Ohren der Zeitgenossen noch sehr viel stärker als heute mit der klanglichen Sphäre des Militärs assoziiert. Es ist daher nicht abwegig, dass Händel-Forscher Dean gar die Analogie zu den „outsize drums from the Tower of London“44 herstellte (leider ohne weiterführenden Beleg). Die Pauken und Trompeten, die an dieser Stelle des Oratoriums zum ersten Mal und beim später hinzugefügten Marsch zum zweiten Mal eingesetzt werden, evozieren für das Londoner Publikum des Jahres 1747 eine direkte, klangliche Verbindung zur Hinrichtung der Rebellenführer. Der Chor der Israeliten folgt Judas’ Schlachtruf: „We hear, we hear the pleasing dreadful call. and follow thee to conquest; if to fall, For laws, religion, liberty, we fall.“45

Der Rekurs auf Liberty ist auch hier natürlich nicht zufällig im Libretto platziert. Sie bildet den Antrieb der Israeliten, ihrem Heerführer zu folgen. Durch Händels musikalische Gestaltung des diesem Motiv vorangehenden Schlachtenrufs ist sie zugleich ein klanglicher Verweis auf das tagesaktuelle Geschehen auf dem Tower Hill und auf das Freiheitsversprechen, das mit der Hinrichtung des letzten prominenten Rebellenführers verbunden ist. Für den Abschluss des Oratoriums, das ja gemeinhin als Siegesoratorium zu Ehren des Duke of Cumberland betrachtet wurde, sieht das Libretto einen ebenso wenig triumphierenden Tenor vor wie für den Anfang, als die Israeliten den Tod ihres Anführers Mattatias beklagten. Gegen Ende der Handlung, „nachdem das langersehnte, bereits von den Vätern angemahnte Ziel endlich erreicht wird“, verkündet der Botschafter aus Rom den vertraglich zugesicherten Frieden für das Volk Israel. Jedoch gibt es „keine abschließende Stellungnahme des Helden, keine effektvollen Siegesgesänge der Israeliten“ und keine Feier der Freiheit, die man „unter Opfern“ erkämpft hat.46 Sahen Morell und Händel das Freiheitsversprechen noch nicht eingelöst?

‚Sound an alarm‘. With commendable restraint Handel reserved these instruments until the right psychological moment arrived. […] The scoring is Trumpets 1, 2, and 3, Drums, Hautboys, and Strings.“ 44 Dean: Handel’s Dramatic Oratorios and Masques (wie Anm. 12), S. 471. 45 Zitiert nach Fleßenkämper: Judas Maccabaeus – ein Held in der Krise (wie Anm. 10), S. 47. 46 Vgl. Heidrich: Ideenwelt und Herrscherbild (wie Anm. 31), S. 92.

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III. Zeitleiste: Die erste Aufführungsserie im April 1747 Die Frage, warum die Uraufführung des Judas Maccabaeus erst knapp acht Monate nach der Fertigstellung der Partitur erfolgte, nachdem die Bedrohung durch die heranziehenden schottischen Truppen längst gebannt war, ist – wie anfangs angedeutet – bislang nicht zufriedenstellend beantwortet worden. Ich möchte nun versuchen, die beiden eingangs erwähnten Chronologien zusammenzuführen und in einer tabellarischen Gegenüberstellung (siehe Tabelle 2–4) visualisieren: Auf der einen Seite die Ereignisse im Kontext des Jakobitenaufstandes und der Bestrafung seiner Anführer, auf der anderen Seite die Entstehung und erste Aufführungsserie des Judas Maccabaeus. Tabelle 2: Chronologie I (1746) Händel

Uraufführung des Occasional Oratorio (HWV 62)

1746

Jakobitenaufstand

17. Januar

Schlacht bei Falkirk, Jakobiten unter Prinz Charles Edward Stuart („Bonnie Prince Charlie“) siegen über die Briten

14., 19., 26. Februar 16. April

From Scourging Rebellion (HWV 228, Nr. 9) erscheint im Druck

26. Mai

Komposition des 1. Aktes von Judas Maccabaeus

8./9.–21. Juli

17. Juni

Ende Juli

Komposition des 2. Aktes von Judas Maccabaeus

Entscheidende Schlacht bei ­Culloden: Briten unter dem Duke of Cumberland siegen über die ­A rmee der Jakobiten

Verhaftung von Lord Lovat

Prozess gegen William Boyd, 4th Earl of Kilmarnock und Arthur Elphinstone, 6th Lord Balmerino

25. Juli– 2. August

Fertigstellung des Judas Maccabaeus 11. August 15. August

Inhaftierung von Lord Lovat im Tower of London

18. August

Öffentliche Hinrichtung der Rebellenführer William Boyd, 4th Earl of Kilmarnock und Arthur Elphinstone, 6th Lord Balmerino

„Come, ever-smiling liberty“

91

Tabelle 3: Chronologie IIa (1747) Händel

Datum

Aufführung des Occasional Oratorio (HWV 62)

6. März 9. März

Aufführungen des Occasional Oratorio (HWV 62)

Lord Lovat / Duke of Cumberland

Prozess gegen Lord Lovat beginnt in Westminster Hall

11., 13. März 19. März

Erste Ankündigung der UA von Judas Maccabaeus am 1. April im General Advertiser

28. März

Zweite Ankündigung der UA

30. März

Dritte Ankündigung der UA

31. März

Uraufführung des Judas Maccabaeus Erste Werbeanzeige für das gedruckte Textbuch

1. April

Ankündigung der zweiten Auf­ führung am 3. April Zweite Werbeanzeige für das gedruckte Textbuch

2. April

Zweite Aufführung

3. April

Erste Ankündigung der dritten Aufführung am 8. April

4. April

Zweite Ankündigung der dritten Aufführung, „With Additions“

6. April

Dritte Ankündigung der dritten Aufführung, „With Additions“

7. April

Dritte Aufführung, „With Additions“

8. April

„Funeral Ticket for Lord Lovat“ erscheint

Vollstreckungsbefehl für die Hinrichtung von Lord Lovat

In seiner ursprünglichen Gestalt, d. h. bei den Aufführungen am 1. und 3. April 1747, fehlten noch 7 oder 8 Nummern, die heute als fester Bestandteil des Oratoriums gelten. Eine der „Additions“, die Händel ab der zweiten Werbeanzeige für die dritte Aufführung am 8. April einführte, war die Arie „Oh liberty, thou choicest treasure“ (Nr.  14). Die zweite „Addition“ war interessanterweise der Marsch (Nr. 59) – am Vorabend von Lord Lovats Hinrichtung wurden also zum

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einen der Freiheitsruf und zum anderen der Verweis auf die klangliche Sphäre des Militärs noch einmal musikalisch wie dramaturgisch gegenüber den ersten beiden Aufführungen am 1. und 3. April verstärkt.47 Tabelle 4: Chronologie IIb (1747) Händel

Datum

Lord Lovat / Duke of Cumberland

Erste Ankündigung der vierten Aufführung am 10. April, „With Additions“

9. April

Hinrichtung von Lord Lovat

Vierte Aufführung, „With Additions“

10. April

General Advertiser: Ausführlicher Bericht über die Hinrichtung von Lord Lovat am 9. April

Erste Ankündigung der fünften Aufführung am 13. April, „With Additions“

11. April

General Advertiser: „The Gentleman of the Cumberland Society Establish’d in Honour of His Royal Highness the Duke of Cumberland, are desired to Dine on Wednesday next the 15th Instant, to Celebrate his Birth-Day at the Dolphin Tavern in Tower-Street.“

Fünfte Aufführung, „With Additions“

13. April

Erste Ankündigung der sechsten und letzten Aufführung, „With Additions“, „Being the Last Time of performing this Year“

14. April

London Evening Post: „New Musick. […] In a short Time will be publish’d, Judas Maccabeus. An Oratorio. Compos’d by Mr. Handel.“

„New Musick. […] In a short Time will be publish’d, Judas Maccabeus, an Oratorio, compos’d by Mr. Handel“ 47

Vgl. Dean: Handel’s Dramatic Oratorios and Masques (wie Anm. 12), S. 473 und 475 f; Editionsleitung der Hallischen Händel-Ausgabe (Hg.): Händel-Handbuch (wie Anm. 16), S. 407; zur komplizierten Geschichte der verschiedenen Textbuch- und Partiturausgaben siehe Merlin Channon: Handel’s Early Performances of ‚Judas Maccabaeus‘: Some New Evidence and Interpretations, in: Music & Letters 77, 1996, Nr. 4, S. 499–526, hier S. 500 f, sowie Gabriele Müller-Oberhäuser: „A Valiant Jewish Commander“: Morells Libretto des Judas Maccabaeus im Kontext der englischen Literatur, in: Höink / Heidrich (Hg.): Gewalt – Bedrohung – Krieg (wie Anm. 10), S. 55–84, hier S. 74–75.

„Come, ever-smiling liberty“ Händel

Datum

Sechste und letzte Aufführung, „With 15. April Additions“, „Being the Last Time of performing this Year“

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Lord Lovat / Duke of Cumberland 27. Geburtstag des Duke of Cumberland

„New Musick. […] In a short Time will be publish’d, Judas Maccabeus, an Oratorio, compos’d by Mr. Handel“ 16. April „New Musick. […] In a short Time will be published, Judas Maccabeus, an Oratorio, compos’d by Mr. Handel“

Jahrestag der Schlacht bei Culloden

Besonders augenfällig – und bisher noch nicht beschrieben – ist der Umstand, dass der letzte Termin der ersten Aufführungserie auf den Geburtstag des Widmungsträgers, des Duke of Cumberland fällt – nicht etwa auf den Jahrestag der Schlacht bei Culloden, was nur einen Tag später gewesen wäre. Ich mag angesichts der ineinandergreifenden Zeitleisten nicht an Zufälligkeiten glauben.

Fazit und Epilog „Judas Maccabaeus is a drama of emotion not character; of a nation not individuals; of spiritual development not personal interaction“.48 Das Thema von Judas Maccabaeus ist nicht die Huldigung eines siegreichen Heerführers, sondern es sind höhere Ideale – allen voran Liberty –, die hier beschworen werden. Die Widmung von HWV 63 an den Duke of Cumberland lässt sich mit Johannes Schnocks vielmehr deuten als darauf gerichtet, den Duke, der sich durch unnötige Brutalität den Ruf des „Schlächters von Culloden“ erworben hatte, „mit dem Idealbild eines Heerführers“ zu konfrontieren, der als Person völlig „hinter seine theologisch sanktionierte Rolle zurücktritt, die zudem deutlich an das Volk rückgebunden ist“.49 Die Aufführungstermine im April 1747 und die mit Bedacht platzierten „additions“ ab der dritten Aufführung haben eine, wie ich finde, sehr deutliche Verweiskraft auf die Geschehnisse rund um den niedergeschlagenen Jakobitenaufstand und die Bestrafung seiner Anführer – auf dass die stetig lächelnde Freiheit, die „ever-smiling liberty“, das überwundene Ungemach von nun an dauerhaft überstrahlen möge. Smith: Judas Maccabaeus, HWV 63 (wie Anm. 23), S. 368. Vgl. Schnocks: Vom frommen Rebellen zum gottgefälligen Heerführer (wie Anm. 20), S. 27.

48 49

Handel Opera à la Mode: Samuel Arnold’s Giulio Cesare Pasticcio in Performance Patrick J. Rogers (San Marino, Kalifornien)

“[…] in the inferior parts it was miserably executed, and the effect was absolutely ludicrous.” Mount Edgcumbe, 1825 “There was surprisingly little public reaction to Arnold’s production of Giulio Cesare […].” C. Price, 1991 “Giulio Cesare was a curiosity […] talents […] were being squandered this season.” C. Price, Milhous, Hume, 1995

One gets  a totally different impression of this unusual, backward-looking operatic venture when reading eyewitness accounts. In some ways this 1787 theatrical production defies a facile explanation. Was it intended merely as a vehicle for the two celebrated star singers, Rubinelli and Madam Mara? Or little more than a staged concert-in-costume very similar in repertoire to programs of the Academy of Ancient Music or the Handel Commemorations? Modern scholars, clearly influenced by Mount Edgcumbe’s Musical Reminiscences, suggest the piece was designed simply to bring George III, an avid Handel enthusiast but not an opera-goer, to performances at what was nominally his opera house, the King’s Theatre in the Haymarket (London). Evidently he did attend, as did other members of his family. But I will suggest here that the piece came about for more complex reasons. In any case, the piece seems to have been very popular: it was the most financially successful opera of the season, based on the average box office receipts recorded per performance.1 Paisiello’s opera buffa, Gli Schiavi per Amore, took in £564 more from the 14 performances for which cash receipts were recorded; it also had five other performances that lack data on cash receipts. Receipts are recorded for all performances of Giulio Cesare except the March 1 premiere, a benefit for Carnevale. Similarly, on average more tickets were sold per performance—based on available data—for Giulio Cesare. The command performance on March 17 was practically sold-out; no other performance this season at King’s Theatre came close: 961 tickets were sold, out of 1000 possible. Total receipts for both operas for ‘86–87 were: Gli Schiavi, £2704; Giulio, £2140 (Frederick C. Petty: Italian Opera in London, 1760–1800, Ann Arbor: UMI Research Press 1980, p. 382 f).

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It has been clear for some time that Samuel Arnold’s Giulio Cesare pasticcio deserves an in-depth study with  a rigorous look at surviving original source materials. Partly because previous scholarship has been incomplete and certain minor inaccuracies have unfortunately been perpetuated. Also, it is noteworthy as an example of late 18th Century Handel performance conceived and directed by a leading exponent of his music. Contemporary reviews of the run of eleven performances are interesting in themselves and demonstrate an increasing appreciation for Handel’s operatic music. Audiences seem to revel in the ‘ancient’ style for the music itself, not merely as  a vehicle to showcase singers, and in so doing provide a revealing episode in the evolution of English taste. Finally, the 1787 Pasticcio seems even more relevant today as Handel’s own pasticcios, such as Oreste, are performed and recorded, and prominent performing groups serve up new patchwork confections of Baroque opera, using star singers and new libretti: e.g., The Sorceress of Christopher Hogwood (all Handel), the Metropolitan Opera’s The Enchanted Island (Handel, Vivaldi, Rameau), a recent effort by Sounds Baroque titled Casanova (several composers, including Handel and Bellini). There has even been a Handel pasticcio-film, starring well-known German soprano Edda Moser, titled Pasticcio oder, Die Abenteuer der schönen Unbekannten.2 Handel’s Giulio Cesare in Egitto originally premiered at the King’s Theatre, Haymarket in February 1724 under the composer’s direction. Why not simply revive this most popular of Handel’s operas to attract London audiences and George III in particular? Excerpts from Giulio Cesare were frequently programmed in concerts during the 1780s, and  a few of these garnered special praise. Also, Arnold was eminently qualified to lead such a venture: a prolific theatrical composer and veteran conductor of Handel’s music, he was also beginning to issue the first collected edition of the composer’s works.3 The first installment of this collected edition appeared three months after the Pasticcio opened, and his edition of Giulio Cesare, the first complete publication of the opera, appeared in 1789 and was closely modeled on Handel’s original version. One newspaper report suggests that the original plan may indeed have been to mount a Handel opera in a form close to that intended by the composer.4 Why, Jean-Louis Martinoty dir., Stuttgart: SWF, 1985; 120 min. Thanks to Stefan Kloo, Goethe Institut, Los Angeles for assistance. 3 Originally planned as a uniform set of Handel’s complete works, to be issued in bi-weekly installments, the project was abandoned ten years later due to falling subscriptions. But Arnold did manage to publish full scores of the oratorios, other English choral music, most of Handel’s instrumental music, four operas, along with some of the vocal chamber compositions. 4 Morning Post and Daily Advertiser, Oct. 31, 1786, quoted below in the section, Contemporary Reviews. All newspaper quotations cited herein, except those from the Daily Universal Register (later The Times), were obtained using the 17th and 18th Century Burney Collection Newspa2

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instead, would Arnold agree to assemble a new conglomeration of Handel arias from various print and manuscript sources, make the collection work with a drastically altered Italian libretto, provide incidental instrumental and ballet music, adapt and even re-orchestrate the music as needed to suit the forces available? There are some obvious reasons. For one, Arnold did not have adequate singers at his disposal. Giulio Cesare, as Handel originally wrote it (smaller roles aside) would require a real contralto with expressive power and two fine female sopranos, one of these ‘in travestimento’, for the leading female singers, along with two excellent alto castrati and a baritone or high bass for the male leads. Arnold probably lacked an opera seria bass and a contralto who were up to the task. His ‘seconda donna’, soprano Teresa Schinotti, did not perform trouser roles to my knowledge. His second castrato, Antonio Balelli, was  a soprano. Also, there is some evidence, though far from conclusive, that one or more of the secondary singers did not acquit themselves well in the run of performances. The length of Handel’s original was very likely also a consideration. Arnold’s Pasticcio gives only three arias and one duet to the leading roles, Cesare and Cleopatra; the other four singing characters have only two arias each. Even with intervening recitative, two ballets, and a few instrumental pieces, this would have made for  a much shorter evening’s entertainment. Total performance time of the 1787 Pasticcio, including any interval between the two Acts, was about two and  a half hours.5 Also, Handel’s original libretto was rejected as being offensive and unstageworthy for contemporary audiences—as a result, there were plot revisions, severe truncation of Handel’s libretto, large chunks of new text, new love interests, and adjustments to the ‘Dramatis Personae’: two important figures in the drama became mute roles and one changed sex, probably to facilitate an additional love-interest impossible in the 1724 text. Arnold did retain some music from Handel’s Giulio Cesare. Although no complete score of the 1787 Pasticcio survives, the preponderance of evidence suggests that Arnold kept more of the 1724 opera than has been stated by previous scholars: two choruses, one aria, three accompanied recitatives, and a sinfonia from the Parnassus scene.6 In addition, he is likely to have retained pers online database, Gale North America, https://www.gale.com/c/17th-and-18th-centuryburney-newspapers-collection (accessed 8.12.2018). 5 Charles Beecher Hogan (ed.): The London Stage, 1660–1800, a calendar of plays […], Carbondale: Southern Illinois Univ. Press 1960–1968, pt. 5: 1776–1800, vol. 2, p. 956. Daily Universal Register notice of the second performance, quoted below. 6 No full-length duet from Handel’s original opera was used in the 1787 Pasticcio. Price, Milhous and Hume are  a little misleading on this point (Curtis Alexander Price / Judith Milhous / Robert D. Hume: Italian Opera in Late Eighteenth-Century London; vol. 1: The King’s Theatre Haymarket, 1778–1791, Oxford: Clarendon Press 1995, p. 372). The Pasticcio does

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portions of Handel’s secco recitative, since some of 1724 recitative text is carried over verbatim, or nearly so, into the 1787 Pasticcio. In selecting vocal pieces from other Handel operas—13 arias, a duet, and a chorus—he chose, in fairly equal proportions, from operas of the 1720s and those of the 1730s, beginning with Radamisto (1720), through Deidamia (1740–1741), with a strong preference for pieces that were established concert favorites, as well as a firm eye on the strengths of his singers. Further, as will be shown herein, the overture, incidental instrumental pieces, and about half of the ballet music was certainly by Handel—this information derives from contemporary newspaper accounts of specific performances.

I. Overview: The solo singers and their arias The leading singers were well-known for their mastery of the ‘ancient’ style: soprano Gertrude Mara (1749–1833) and alto castrato Giovanni Rubinelli (1753–1829), who sang Cleopatra and Cesare. Mara reportedly had an extensive range, going up to e in alt. She obviously excelled in florid showpieces requiring considerable agility and mastery of fast ‘fioratura’: her first aria, a bravura piece from the first version of Radamisto, bears this out. She seems to have been equally admired in renderings of slow, cantabile pieces which require great control and expressive power, e.g., “Rendi il sereno”, originally from Sosarme. Rubinelli, based on the music chosen for him by Arnold, and the testimony of a contemporary observer, was not a master of fast, very florid arias.7 Evidently, he seldom ventured outside the styles that suited him best: ‘arie cantabile’, ‘di mezzo carratere’ or ‘parlante’. He compensated with fine articulation and tasteful embellishments, and also an utter mastery of dramatic expression in the accompanied recitative. The great monologue “Alma del Gran Pompeo”, transferred complete from Handel’s original opera, was already a popular concert piece, and Rubinelli’s delivery of it in the 1787 Pasticcio performances evidently exceeded expectations. Both singers were known for sweet pleasing voices, but some thought Mara’s a bit thin, and Rubinelli was criticized for his trill.8 Bernardo Mengozzi (1758–1800),  a Florentine by birth, was primarily  a buffo tenor.9 He had, however, also sung Italian oratorio in Naples and Venice include the final movement from Handel’s Giulio Cesare, “Ritorni omai nel nostro core”, a chorus in da capo form, the B section of which is a brief duet for Cesare and Cleopatra. 7 Richard Edgcumbe (Earl of Mount Edgcumbe): Musical Reminiscences: Containing an Account of the Italian Opera in England from 1773, Fourth ed. London: John Andrews 1834, p. 54. 8 Ibid., p. 52. Theodore Fenner: Opera in London: Views of the Press, 1785–1830, Carbondale: Southern Illinois Univ. Press 1994, p. 162. 9 The Grosses Sängerlexikon lists him as a bass, which can’t be correct.

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before coming to London. He was also a composer of operas and other vocal music. Evidently he exhibited good musicianship and a pleasant but not powerful voice. However, views on the last point varied. The World and Fashionable Advertiser, for example, opined that he had “a sufficient volume of voice” and showed “the best attributes of his art: taste and feeling.”10 He must have had considerable agility to negotiate the energetic, somewhat disjointed passage work in “Da tempeste”, his Act II aria in the Pasticcio. His career in England was brief because the climate gave him problems. He had better luck in Paris, where he joined the Théâtre du Monsieur and from 1795 was Professor of Singing at the Conservatoire. He also had a role in drafting that institution’s Méthode du Chant (eventually issued in 1804). A recent study by Irina Khruleva proposes that his approach to singing was influenced by the Bolognese school and she traces his impact on French singing and vocal pedagogy.11 Mengozzi was married to soprano Anna Benini, who also sang in opera buffa at King’s Theatre. For the last performance, Mengozzi’s role (Tolomeo) was sung an octave higher by castrato Domenico Cremonini. This, ironically, is the range Handel intended for the two arias Arnold assigned to this character: both were originally conceived for, and performed by, sopranos. This register alteration for the role of Tolomeo resulted in a ‘top-heavy’ cast of mostly treble clef singers (two female sopranos, three castrati, and a bass), which was probably a practical expedient. At any rate, the final performance may have been something of an after-thought, since it was announced in the London press as given “By Particular Desire”,12 and it did not retain the Caesar-related ballets featured in all the other performances. Cremonini sang at King’s from 1784–1787, in buffo as well as serious roles, and was evidently a capable musician; two newspapers praised his performance in a work by Paisiello.13 We know much less about secondary soloists, Teresa Schinotti (Nirena) and Antonio Balelli (Achilla). Both were second sopranos, in range as well as in casting, although early in her career Schinotti could be featured as ‘prima buffa’. Both sang in ‘opera seria’ as well as ‘opera buffa’. Schinotti, a Romana, was probably married to singer Giambattista Schinotti, who was  a soloist at King’s 1782–1786, while Signora Schinotti sang  a variety of roles at King’s Theatre during 1783–1794. Some weeks before the Pasticcio opened, a critic The World and Fashionable Adversitiser, Feb. 19, 1787. The Gazetteer and New Daily Advertiser of the same date called his voice “powerful”. 11 Irina A.  Khruleva: Bernardo Mengotstsi i Metod Peniia: Parizhskoi Konservatorii, https:// cyberleninka.ru/article/n/bernardo-mengotstsi-i-metod-peniya-parizhskoy-konservatorii (accessed 8.12.2018). 12 Public Advertiser, Gazetteer and New Daily Advertiser, World and Fashionable Advertiser, June 16, 1787. 13 Gazetteer and New Daily Advertiser, World and Fashionable Advertiser, Feb 19, 1787. 10

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wrote: “Schinotti deserves commendation; her voice is good, [her] taste still better. And, what is best of all, her smiles become her.”14 Her arias in the 1787 Pasticcio are fairly straight-forward, light-hearted, simpler in texture, and require moderate flexibility. An example of her comic repertoire was published in 1791: a Paisiello aria from La Locanda15 presented as “sung by Sigra. Schinotti at the King’s Theatre”. Prior to coming to England, her appearances in Italy were usually under the compound surname “Schinotti Moreschi” (sometimes hyphenated), the latter being her maiden name. Antonio Balelli (or Ballelli), from Faenza, sang a large variety of roles in Italy from 1778. Early in his career, perhaps because he was very young, he sang mostly female roles. From 1785 until 1791 his name appears on the official roster of musicians employed by the Republic of Lucca for its Capella Palatina.16 He was at King’s Theatre for three seasons, 1786–1789; he also appeared in two of Madame Mara’s Concerts in the Hanover Square Rooms in 1787.17 Of his two arias in Giulio Cesare, “Lusinghe soavi” (better known as “Lusinghe piu care”) is similar in character to Schinotti’s pieces, but requires a somewhat better mastery of fast coloratura. His other aria, “Sempre dolci”, is more demanding, requiring excellent legato, fast trills, and good articulation in long sustained phrases. This might have been something of a challenge, because one reviewer commented  a few months before the Pasticcio premiered that Balelli had “a good voice, as far as it extends, but it wants both fullness and compass.”18 The difference between his arias is explained by the fact that they were conceived by Handel for two very different singers: the former for Elizabeth Duparc, and the latter for Anna Strada del Pò. In 1791, Balelli was hired at the court of Maria I of Portugal, and evidently acquitted himself well: he seems to have avoided the censure that three other court castrati, contemporaneous with Balelli, had to endure.19 We know from librettos in Albert Schatz Collection, Library of Congress, that he was singing operatic roles in Florence as late as 1802. Daily Universal Register, Jan. 15, 1787, accessed on microfilm: The Times, Film ed. London: ‘Times’ Publishing Co., Recordak (division of Kodak, Ltd.), [s.l., n.d.]; N 67:5, reel no. 1 (Jan. 1, 1787–June 30, 1787). 15 Giovanni Paisiello: Saria Bella il Maritarsi Sung by Sigra. Schinotti at the King’s Theatre, Pantheon in the Comic Opera of La Locanda, London: G. Goulding and T. Skillern [1791]. Digital copy accessed in Google Books. 16 Luigi Nerici: Storia della Musica in Lucca, Bologna: Forni Editore 1969, pp. 212, 342 and 395. Digital copy accessed in Google Books. 17 Simon McVeigh: The Professional Concert and Rival Subscription Series in London, 1783–1793, in: Royal Musical Association Research Chronicle 1989, no. 22, pp. 1–135, see p. 64 f. 18 Michael Burden: Metastasio on the London Stage, 1728 to 1840: a Catalogue, in: Royal Musical Association Research Chronicle, 2008, no. 40, p. 133. 19 Manuel Carlos de Brito: Opera in Portugal in the Eighteenth Century, Cambridge, U. K.: Cambridge University Press 1989, p. 65. 14

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Odoardo Gattolini is something of a mystery-figure. He appeared in various buffo roles in central Italy in the early to mid-1780s. Besides Curio in Giulio Cesare, his other roles at King’s were in opera buffa: Don Orlando in Cimarosa’s Giannina  e Bernardone and Berto in Paisiello’s Il Tutor Burlato (perhaps an adaptation of his Lo Sposo Burlato, an alternative version of his La Frascatana, or a pasticcio).20 He was certainly a bass or baritone: Don Orlando is a bass part in Cimarosa’s opera, and most of the roles he performed in Italy are scored for bass in the surviving manuscript scores. The Daily Universal Register remarked, a month before the Pasticcio opened, “he reminds us of our old favourite English Buffo, Reinhold; as Gattolini improves in action, the similitude will become more striking”.21 Of the two arias assigned to Gattolini in the Pasticcio, one was intended for a bass, the other for an alto castrato. His Act I aria is an energetic piece requiring deftness in handling disjointed phrases and tricky passage work. His Act II aria, “Agitato da fiere tempeste” from Riccardo Primo, is a demanding coloratura display piece that could strain the resources of the average buffo bass. Other forms of his surname seen in the London press are Cattolini, Gartolini, Gattolirvi, and Gettolini. He was married to Teresa Fini,22 also a singer in opera buffa; she appeared under her married name. Gattolini was not re-engaged for any further season at King’s. This in itself is not a reliable indicator of ability: his vocal prowess may have been incompatible with the English climate. Like Mengozzi, he was originally from Florence. Report of his performances in London seems to have traveled to France; he is mentioned in a favorable way as the predecessor of Morelli, “le premier Basso”.23 But currently there is no The Livigni libretto of La Frascatana was based on La finta semplice o sia Il tutore burlato by Pasquale Mililotti. See Ingrid Schraffl / Marc Niubo: Paisiello’s La Frascatana: Dramaturgical Transformations on its journey through Central Europe, http://www.musau.org/parts/neuearticle-page/view/30#footnote-170649267751356-4 (accessed 10.12.2018). No known score for Paisiello’s Il Tutor Burlato has come to light so far. 21 Daily Universal Register, January 29, 1787. This refers either to Henry Theodore Reinhold (d. 1751) or to his son Frederick Charles (1737–1815), who had pretty much retired by 1785 except for the Lenten oratorios. Both were basses and the former created leading roles for Handel. 22 Vittoria Del Carlo: Pietro Leopoldo di Toscana e il Teatro. Tra Riforma e tentativi di controllo sociale (1765–1790), Thesis, Pisa University 2014/2015, p. 193, https://core.ac.uk/download/ pdf/79619810.pdf (accessed 8.12.2018). 23 A few singers from King’s, including Morelli and Benini, had performed in Versailles during the summer of 1787, Mengozzi being temporarily indisposed. See Barthélemy-FrançoisJoseph Mouffle d’Angerville: Mémoires Secrets pour Servir à l’Histoire de la République des Lettres en France […] ou Journal d’un Observateur […], v. 35[–36], Londres: John Adamson 1789, https://gallica.bnf.fr/services/engine/search/sru?operation=searchRetrieve​&version=1.2​ &collapsing=disabled&query=text%20all%20%22Gatolini%22%20%20and​%20%​2 8​ gallicapublication_date%3E%3D%221750%22%20and%20gallica​publication_date%3C %3D%221800%22%29%20and%20dc.relation%20all%20%22cb39203128​b%22​& rk=​ 20

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evidence that Gattolini actually performed in France, as his compatriot Mengozzi eventually did. Gattolini is the only supporting soloist mentioned in press reviews of the Pasticcio that have come to light (see below regarding the March 24 performance), although Mengozzi and Cremonini are mentioned in notices of other operas performed at King’s during the 1786–1787 season.

II. Mount Edgcumbe’s recollections of the 1787 Giulio Cesare Regarding the quality of the performances, previous scholars have tended to rely exclusively on the brief comments of Richard Edgcumbe (2nd Earl of Mount Edgcumbe, 1764–1839) whose Musical Reminiscences […] of the Italian Opera were first published anonymously in 1825 and later, under the author’s name, expanded to cover a total period of over 60 years, 1773–1834. The Edgcumbe critique is usually quoted without demur or any evaluative comment. After some background on the reason for the 1787 Pasticcio and what it contained, Edgcumbe writes: “This ancient music was particularly suited to Rubinelli, and was familiar to Mara, both of whom sung it incomparably well. Nothing could be finer than the delivery of the famous recitative Alma del gran Pompeo. But in the inferior parts it was miserably executed, and the effect was absolutely ludicrous. It, however, answered the end proposed; The king came two or three times to hear it […].”24

The slapdash opprobrium of the third sentence, heavy-handed and uncharacteristic of the writer, implies that one or more soloists were severely inadequate. But does he mean that in fact? The key words, “parts”, “executed”, and “effect” are all vague—is he necessarily limiting himself to the musical aspects? Does the “effect” which was “absolutely ludicrous” refer rather to the total effect of the piece? If so, how does one account for the consistent praise accorded to set design, solo dancers, Arnold’s musical direction, and management staff, not to mention its success with audiences? Does he mean the “inferior” singing roles in toto were done poorly? In that case, he is casting aspersions against all four of the secondary singers: each had two arias, and none stands out as being particularly “inferior” to the others. Moreover, if George III did attend more than one performance of the Pasticcio,25 I have seen no mention of it in the 42918;4 (accessed 8.12.2018). Thanks to Manuel Erviti, Music Librarian at Univ. of California Berkeley, for bringing this reference to my attention. 24 Mount Edgcumbe: Musical Reminiscences (see note 7), p. 55. 25 The March 17, 1787 performance, see below.

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London press; only one performance was advertised as being “by command of Their Majesties”.26 Then there is the issue of giving unquestioning credence to opinions published, if not written, some 38 years after the performances being described. We learn from Edgcumbe’s Introduction to the Reminiscences,27 that the book came about because he was “induced” to bring together, in a connected and organized way, reactions written in letters to an unnamed friend over a period of years. This suggests that his critiques could have been written down more contemporaneously with the performances, which would give them more weight, assuming that he was always able to refer to his letters when actually composing the Reminiscences. However, the author also stresses the crucial role of memory: having “detailed all I remember” of music and performers, “my memory, naturally very retentive”, “I have more confidence in my memory than my judgment”. He also admits that unwritten recollections would come back to him as he wrote the book, beguiling many hours of “long and tedious confinement”. These remarks suggest that critiques of operas and singers heard decades before compiling the Reminiscences may be less reliable. The enlarged version of the Reminiscences was given an extensive and balanced review soon after publication by British author and music critic Thomas Love Peacock (1785–1866): in his collected works it takes up some 30 pages.28 Peacock, born  a generation or so after Edgcumbe, understandably gives no reaction to the treatment of 18th or very early 19th Century performances. Peacock admits that his musical tastes are different, and that he is less enamored of castrati. He cites instances where the Reminiscences are correct, but is also critical in a few specific areas. Early in the review, he implies that “first impressions”—extolled by Edgcumbe29—may become intensified over time and, as a result, less “useful”. Later Peacock writes: “Lord Mount Edgcumbe’s first impressions make him partial to thin and shrill tones [in singers].” On the quality of Rossini’s opera libretti, Peacock opines that Edgcumbe made a “sweeping condemnation [that] is by no means merited”. Was Edgcumbe similarly at fault by implying that all the secondary soloists in Giulio Cesare were execrable? Peacock also implies that Edgcumbe was severely negligent in dismissing Gli Hogan (ed): The London Stage (see note 5), pp. 956–985. Mount Edgcumbe: Musical Reminiscences (see note 7), pp. [ix]–xvi. 28 Thomas Love Peacock: Lord Mount Edgcumbe’s ‘Musical Reminiscences’, in: Henry Cole ­Peacock (ed.): The Works of Thomas Love Peacock, vol. 9: Critical & Other Essays, London: Constable 1926, pp. 221–252. Peacock’s review was first published in the April 1835 issue of The London Review. 29 Mount Edgcumbe characterized first impressions as “always the most lasting, and not unfrequently [sic] the most correct.” Musical Reminiscences (see note 7), p. xiii. 26 27

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Arabi nelle Galli as “a very poor opera by Pacini”, since the purported London production of 1832 was in fact  a mangled travesty of the Pacini original,30 which included music by Rossini—facts not noted by Edgcumbe.

III. Contemporary reviews of the 1787 Pasticcio London press notices, published before the run started, and immediately after specific performances, provide a fascinating look at the theatrical context of the piece, and most of them have not been referenced by previous scholars. These reports are vivid glimpses into the workings of the King’s Theatre in 1787 and provide a more reliable, multi-faceted look at the Pasticcio in performance. These notices suggest that Edgcumbe may have been right in one sense: the smaller singing roles are seldom if ever mentioned; orchestral players and dancers are named, but only Gattolini of the comprimario singers. This perhaps implies that they didn’t excel as the lead singers did, or didn’t make a strong impression on the audience, but it does not imply that they were all woefully inadequate. About  a month before the ‘86–87 season at King’s commenced, some advance information appeared in the London press on the operas, composers, singers and other creative staff planned for the upcoming season. The Morning Post and Daily Advertiser cited as a coming attraction at King’s “an Opera, as originally composed by Handel, under the direction of Dr. Arnold”.31 Four of the eventual Giulio Cesare cast were listed; Balelli and Gattolini were missing. Announcements of the March 1 premiere appeared as early as January 31. In the following month some newspapers, alluding to the Arnold Pasticcio, included encomiums of Handel and the richness of the original Giulio Cesare, his “chef d’oeuvre in the operatic stile”.32 The February 27 issue of the Morning Herald included this extensive piece of pre-performance hype: “The fame of the Opera of Handel, that is to be performed on Thursday next, has spread through the metropolis, and the demand for boxes has been so very extra­ ordinary, that those subscribers who did not secure their own in time, will be obliged to sit in the Pitt [sic]. It is certain that no Italian Opera ever offered such a delicious feast to the ears of the lovers of harmony. And from the wonderful impression which the execution of the airs by Rubinelli and Mara made yesterday at the rehearsal, we are apt to think that the performance of Giulio Cesare will cause a revolution in favour An anonymous writer also noted the “mutilated form”, the “total omission of the finale”, and the presence of Rossini’s music in this production (Michael Burden [ed.]: London Opera Observed, 1711–1844, London: Pickering & Chatto 2013, v. 5, p. 232). 31 Morning Post and Daily Advertiser, Oct. 31, 1786. 32 Gazetteer and New Daily Advertiser, Feb. 27, 1787. 30

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of Ancient Music, which, as Voltaire says, expresses the softest passions in a clear and perspicuous manner, whereas modern compositions, consist for the greater part of hieroglyphics, intelligible only to connoisseurs and felt by nobody. The selection of the songs from the various productions of Handel was a very happy thought; and the peculiar judgment with which it has been made cannot but reflect the highest credit on the taste and abilities of Dr. Arnold.”

The World and Fashionable Advertiser reviewed the March 1 premiere in some detail. After taking note of prominent absences among the audience, the writer proceeds to mention instrumental pieces used in the Pasticcio, but not listed in the original word book or contemporary advertisements, nor acknowledged by previous scholars: “The Prince [of Wales], the Duke and Duchess of Cumberland, the Richmonds, the Tyrconnels, etc., etc., etc., all lost some very excellent music last night. Music in a selection as judicious, as judiciously varied as could be from Handel’s operas […] The overture was the second grand concerto [Op. 6, no. 2] of Handel. And there were besides; the Dead March in Saul, the march in Scipio, and for the first ballet the minuet in Ariadne [i. e., Arianna in Creta]. The duet at the close of the first act in Riccardo, is less known […] but it is now pronounced by the WORLD, equal to anything in Handel […]. It was encored, and so very properly was Rubinelli in his air from Poro […] and so more properly ought Mara [to have been encored] […]. If Mara exerts herself so astonishingly as she has done of late, the Professional Concerts must ere long fall before her. […] The band and the dancers, especially the Perignon, have our particular praise. Arnold too shall have, as he deserves, an article of good report, for his selection, and for his direction. They both were excellent. If the new music in the dances was, as we believe it was, Barthélémon’s – He too is to be commended. The new scenes, etc. etc. did credit to Gallini.”33

The writer also laments that the audience was not as large as desirable, since it was a benefit for “acting manager” Andrea Carnevale. The review concludes with a laudatory comparison to the original opera of 1724, which “could not boast more in point of execution”, i. e., performance. The Daily Universal Register also reviewed the premiere, and although briefer and less specific about the music, it confirms some details of The World account The World and Fashionable Advertiser, March 2, 1787. The writer’s assumption about François Hippolyte Barthélémon as composer of ballet music for this production may not be correct— this issue will be treated in the section, “Dance Elements”, below. In these quotations from the London press, I have generally modernized spelling, capitalization and punctuation. Typically reviews of the period overuse italic type; I have retained the original italics only when it helps to clarify the sense of a passage. I have opted to give titles of large works in italics, regardless of how such titles appeared in the reviews.

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and adds another Handel item, “See the Conquering Hero Comes” (doubtless an instrumental version) from Judas Maccabaeus. It also provides an explanation for the relatively thin attendance: a debate in Parliament. “[…] the selection of the opera did great credit both to Dr. Arnold and the com­poser, and Mr. Carnevale in bringing it forward, for the amateurs of music were highly gratified with the combination of an excellent band, the masterly performances of Madame Mara and Rubinelli, and the compositions of that great master of music, Handel. When the ear is ravished with the Dead March in Saul, the air of Ariadne, and the ‘Conquering Hero Comes’ […] and every justice is done them by the orchestra, we doubt not of [it] proving a frequent treat to the admirers of the opera. […] so great an obstruction was thrown in the way by the debate in the House of Lords, and we could have wished that this benefit [performance] had been deferred to a more favourable opportunity, as Mr. Carnevale’s assiduity and attention give him every claim to a liberal notice from the public.”34

The Gazetteer and New Daily Advertiser posted a brief review with a differing slant and a cavil about Arnold’s selection of arias: “[Handel’s original opera] abounds with chromatic passages, which require the utmost difficulty in the execution, and which are apt at the same time to astonish, as well as to touch. Perhaps the grandest recitative in music [‘Alma del gran Pompeo’] is in this Opera, and in the management of Rubinelli, it had complete justice. Rubinelli indeed has the advantage in the craft – the songs of Madame Mara have, it is true, great attraction, but we wish Dr. Arnold, in selecting other airs of the great master, had chosen those with which we are less familiar than ‘Dove sei’? etc. We are sensible that the Opera must greatly prosper, and will be one of the richest musical treats that the amateurs have had for years.”35

Both the The World and Daily Universal Register reviewed the second performance of March 3. The World commentator noted apropos the Prince of Wales: “He did not appear till the Enchanting Duo [from Riccardo Primo] […] had been encored. But here, and in the half-half-dozen plaudits at ‘Rendi il sereno al ciglio’ […] he took an especial part. They both, but particularly the Duo, are Handel in his very best manner. […] As for harpsichord accompaniments […], let Arnold again have his praise. And Rubinelli, after Mara. And after them [concertmaster] Cramer, [cellist] Cervetto, and [flautist] Florio. Daily Universal Register, March 3, 1787. On the night of the first performance, the House of Lords had a contentious session on a treaty with France; it went until nearly 1:00 am (Daily Universal Register, March 2, 1787). 35 Gazetteer and New Daily Advertiser, March 2, 1787. 34

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Perignon is miraculous! She rises like gossamer; and falls like lead! Immoveable! […] The crowd was prodigious. Everybody there, except the Duke and Duchess of Cumberland. And everybody very angry at the noise and nonsense in the boxes of Rollan and Du Thè—Both of whom are old enough to know better.”36

This unreserved praise of the instrumental ensemble, including mentioning individual players by name, is rather unusual in an operatic review, and attests to the quality of the band at King’s Theatre. And singling out Arnold’s accompanying at the harpsichord is certainly striking, for as Francois Couperin knowingly observed several decades earlier in his L’art de Toucher le Clavecin, accompanists are the last to be praised at concerts. The Daily Universal Register vividly notes further details on the second performance (quoted here in full): “The Triumph of Caesar was complete—far as depended on fine music—fine execution—and last, not least—a fine house – the pit full to overflowing, was, by Fashion’s thermometer, at extreme heat—every hand paying to Caesar the tribute so justly due. With such a band and such performers – it is ‘passing strange’ – Handel had not long ere this taken possession of the King’s Theatre—but better late than never – so says Carnevale – and so say we. It was reserved for the judicious management of Carnevale, aided by the scientific Arnold, to bring forward the beauties of the immortal Handel—and perhaps there never existed two performers better able to display those beauties than Mara and Rubinelli.—What in the art could be better than the former’s ‘Rendi il sereno’ and ‘Dove sei’?—and the latter’s ‘Verdi prati’? The famous March in Saul is well introduced—and as well conducted by Cramer – no wonder Caesar’s troops are successful with so able a leader. The scenery and decorations well deserve the appellation so modestly omitted in the bills [i. e., advertisements for this production] of ‘magnificent.’—We have often seen at the Opera House – magnificent scenery and decorations—only in the bills. The dances are allusive to the Opera—the first is pretty enough – and the tout ensemble peculiarly picturesque.—The ‘Triumph of Julius Caesar’ [ballet at the conclusion of the Pasticcio] loses its effect from the confined circle it moves in.—To use the sentiment of Dame Ursula, what is  a Fandango without ‘room for one’s motions’? Perignon’s dress was well adapted to the situation, and she and Mozon shared in the triumph of the evening. The Opera is short and sweet—by  a very little past ten the Coffee-room was crowded.”37 The World and Fashionable Advertiser, March 5, 1787. Daily Universal Register, March 5, 1787. This and the following review from the Daily Universal Register are likely the work of Charles Este; Fenner: Opera in London (see note 8), p. 22 f; the other Register reviews could be the work of an unidentified writer whom Fenner styles “Critic A”.

36 37

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At the third performance, there were mishaps with scenery and staging. The Daily Universal Register noted: “That Caesar’s influence ‘has increased, is increasing, and ought not to be diminished’, was the unanimous vote of this evening’s crowded coffee-room […] Caesar’s third triumphal entry was much impeded by the gross neglect of the scene-shifters, whom we should suspect had drunk deep of the stream to forget all their cares. The ashes of Pompey were disturbed by loud and violent knockings. Duncan was waked – and Rubinelli’s ‘Alma gran Pompeo’ shrunk from such loud accompaniments. By drawing up the flat too soon, the famed Parnassian Mount appeared deserted and forlorn […] [eventually] three of the nine [Muses] gained the summit […]. The delightful duet was loudly called for, and most cheerfully given by Mara and Rubinelli. [Dancer] Mozon, keeping  a ‘wary eye’ to her benefit, and on the subscribers, sprang higher than ever into notice.”38

George III and Queen Charlotte did attend the fourth performance on March 17, along with other members of the royal family and nobility. It was quite an occasion, socially as well as artistically. The British Mercury enthused: “The opera […] presented one of the most splendid spectacles we ever witnessed. The presence of the Court gave a grandeur to the rotunda […] the celebrated Duet […] may be considered as the chef d’oeuvre of operatical harmony.”39 The World reviewer, after a brief speculation on the size of the audience, brings up the issue of Handel’s self-borrowings: “With less of curiosity perhaps than loyalty, and probably more of fashion than either, the House was very crowded indeed for the King and Queen […]. All this is well – and as referring to Handel it may be better. For the adoration of his genius is a credit to the country and its taste. […] They who look for Handel copying from himself, may find what they look for here. In the air ‘Affanni del pensier’ [from Ottone] and its resemblance in the [L’Allegro] air ‘Let me wander not unseen’, and again perhaps in the following air from Radamisto [‘Con la strage’] and ‘O ruddier than the cherry’ [from Acis and Galatea].”40

The Italian pieces mentioned above do appear in Act I of the Pasticcio.The reviewer is actually reacting to resemblances of mood, and possibly some motivic similarity between the two pairs of arias, but not to any obvious “copying” or nearly identical repetition of melodic or thematic material. So as comments on Handel’s known practice of self-borrowing, they are not particularly astute,

Daily Universal Register, March 8, 1787. The British Mercury, Vol. 1, p. 15; April 4, 1787. 40 World, March 19, 1787. 38 39

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but they do demonstrate a familiarity with a range of Handel’s choral works in English. The Daily Universal Register noted of the same performance that: “[…] it was the most brilliant house which has attracted our notice for many years […] suffice it to say, all the world were there. Madame Mara, though not recovered of her cold, executed her songs with her usual [?] excellence […]. The opera of Giulio Cesare in Egitto is got up with such judgement, that it cannot fail to have a considerable share in the fashionable entertainments of this place.”41

The Morning Chronicle and London Advertiser noted that at the end of the performance, the Prince of Wales, forbidden to see his mother and sisters except in public, took advantage of the event to make a gallant gesture to them: “[…] the Prince came behind the scenes and threw himself in the way of Her Majesty as she passed—She gave him her hand with an eye which bespoke the fulness of her heart; he respectfully kissed it and then hurried to […] the Princesses, and after a short but tender scene of mutual salutations, assisted in handing them to the [sedan] chairs.”42

But the London Chronicle disputes this account, stating that the Princesses were indeed greeted after the performance, but not the Queen, and that the Prince of Wales “is not prohibited from seeing either his Royal Mother or Sisters”.43 The author of The World review of this performance mentions this courtesy to the Princesses with approbation. As the run proceeded,  a rather disconcerting problem occurred involving the singer Gattolini. This was first noticed by Michael Burden, who suggested that a sketchy newspaper account was alluding to an aria insertion—possibly not by Handel—which the singer had demanded and which was soundly rejected in rehearsal.44 But another interpretation is more likely, especially when considered in light of a minor fracas which occurred in a performance days before. The Gazetteer and New Daily Advertiser relates this colorful incident, which took place at the fifth performance on March 20: “The polite audience of the Opera was never more highly entertained than on Tuesday evening. One of the miserable doubles in the opera, in his attempt to sing an air of our immortal Handel in the opera of Caesar in Egypt, presented such muscular 43 44 41

42

Daily Universal Register, March 19, 1787. Morning Chronicle and London Advertiser, March 20, 1787. London Chronicle, March 20, 1787. Michael Burden: When ‘Giulio Cesare’ was not Handel’s ‘Giulio Cesare’: the opera on the London Stage in 1787, in: Musicorum 14, 2013, pp. 109–122, see p.110.

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disfigurations and torturous strainings, that the company, with all their respect to les manieres, were thrown into a fit of convulsive laughter. The song was so admirably execrable, that it had all the influence of exquisite talent, and the house, in the wickedness of their enjoyment, absolutely encored the poor fellow; when the Italian, turning the joke against his torturers, came forward, and sung it again with the same contortions of features and the same dissonance of tones.”45

The World commented, clearly referring to the same incident: “The cruelty of encoring poor Gattolini is too bad for the World to commemorate. Italy may do such things—London is ashamed of them. If the people yawned and coughed as they do in another place, when a performer is contemptible, the expression had been right, as involuntary and appropriate.”46

It is unclear which aria of Gattolini’s was ridiculed in this manner. Also puzzling is why the Gazeteer would refer to him as a “double”. Possibly because his role—Curio—functions as  a kind of ally and confidante of Caesar’s, so in a sense Curio ‘stands for’ or represents Caesar. Or could it be that, in the newspaper jargon of the period, smaller, less consequential roles were “doubles”? Further, it is also unclear whether Gattolini’s musical rendering was the main problem; there is more emphasis on what is seen as inappropriate behavior on stage: “muscular disfigurations”, “contortions”, etc. In any case, The World provides this sequel to the unfortunate incident, part of its notice of the next repetition, on March 24: “Gattolini, scared by preceding ridicule, sung his scouted song no more. Like mock oratory, once ‘coughed down’ to be silent ever after. ‘So should desert be crowned’ And so much for those solicitous for the ‘Salus Populi’, and the constitution. The pit overflowed, and every box held its proper owners […].”47

We aren’t given any further details on the Gattolini incident and its aftermath, such as other aspects of his performance, audience reaction to the excision, and whether  a replacement aria was given. It does seem clear, however, that the three excerpts quoted above all refer to the same incident on March 20: an unpleasing aria rendition by Gattolini, the mock call for an encore, and the singer’s audacious and fearless compliance. Gazetteer and New Daily Advertiser, March 22, 1787. World, March 22, 1787. 47 World, March 26, 1787. The quotation is taken from John Dryden’s Alexander’s Feast: “His valiant peers were placed around,/Their brows with roses and with myrtles bound:/So should desert in arms be crowned.” Handel’s setting of the Dryden Ode was one of his most popular secular choral works. 45

46

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Michael Burden’s interpretation of the March 24 Gattolini reference conflicts with contextual and other evidence. First, his suggestion that the singer might be trying to insert a non-Handel aria seems unlikely given Arnold’s prominence as  a director and compiler of Handel performances, and George III’s strong preference for Handel over all other composers. The King’s attendance was by some accounts the chief ‘raison d’etre’. The attempt to slip in an aria by another composer would, in  a sense, contradict all the praise of Handel as an opera composer in newspaper notices referring to the upcoming production. Burden leaves open the possibility that the point of contention was a Handel aria that Gattolini preferred because it suited his style. If this were the case, then an alternate Handel aria would hardly have been scornfully rejected (“scouted”) by Arnold. Also, if the ridicule derived from a rehearsal, then the word “preceding”, in the review of the March 24 performance, seems singularly ill-chosen as a description of an event 4–8 weeks in the past. The piece was in rehearsal by February 5, according to a press report and the last rehearsal was probably on the 26th.48 The phrase “preceding ridicule” surely refers to the audience reaction at the preceding performance (March 20), and “ridicule” seems hardly appropriate to describe Arnold’s directive to sing the Handel aria he selected, rather than another of the soloist’s choosing. Burden has opined that the Salus Populi (welfare of the people) reference indicates that Gattolini was trying to insert an aria of his own, rather than Arnold’s, choosing; he does not explain this logic. I would suggest that when the reviewer wrote, “so much for […] Salus populi, and the constitution”, he simply meant that Gattolini’s personal liberty was violated: he was obliged to cut an aria that he had prepared and sung in previous performances. Fear of an adverse reaction constrained him. As second U. S. President John Adams wrote, personal liberty is fundamental to the British constitution and the Salus populi.49 The World gave a brief notice of the March 31 performance noting: “[…] a good house to the best Opera in the world; attraction and applause undiminished […]. The ‘Dove sei’, and the yet more touching air from Sosarme, were given with new grace. The encore of the Duet, this Paper first recommended, continues […].”50

The observation that new beauty was being added to performances of the popular excerpts as the run progressed is echoed in the June review quoted below. It is World and Fashionable Advertiser, February 5, 1787; Morning Herald, February 27, 1787. “[…] liberty is essential to the public good, the salus populi. And here lies the difference between the British constitution and other forms of government namely that liberty is its end, its use, its designation, drift and scope […]”; Charles Francis Adams (ed.): The Works of John Adams, Second President of the United States, v. 3, Boston: Little and Brown 1851, p. 479. 50 World, April 2, 1787. 48 49

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worth considering that “new grace” could mean new or altered embellishments, new cadenzas, different phrasing, expression or vocal color. Evidently audience participation in the music occasionally occurred. The Morning Chronicle and London Advertiser recorded, probably of the April  14 performance: “A correspondent who had the honour of sitting at the last Opera only a few removes from the melodious D. of Q. and of hearing him, in no gentle tone of voice, accompany Rubinelli throughout the finest air in the immortal Handel’s Cesare in Egitto, desires his permission humbly to convey a reprimand in the form of an anecdote […].”51

The writer goes on to relate a similar incident from decades earlier, in which the Earl of Chesterfield was supposedly singing along with the celebrated castrato Bernacchi at the Italian Opera in Paris. The “melodious D. of Q.” is certainly William Douglas, 4th Duke of Queensberry, whose presence is mentioned in an account of an earlier performance of the Giulio Cesare pasticcio.52 The World briefly reviewed the penultimate performance on June 2: “If any new proof were wanting to the irresistible charm of exquisite music, exquisitely sung, here it might be had in the performance of Arnold’s good selection from Handel’s operas. In the never-ceasing encore of the duo from Ricciardo [sic], the encore of Saturday produced from Mara greater wonders than ever. […] If this country should be so impolitic as to let this enchanting singer leave it, Europe cannot furnish such another.”53

IV. Arnold’s selection of music At the outset one might posit the view that there were a number of motives at play—more than one rationale for producing this ersatz Handel opera. Operatic pasticcios drawn from a single composer were rare but not unknown: Handel did it himself in Oreste, Jupiter in Argos, and Alessandro Severo, reusing his own material. Well after Handel had withdrawn from the operatic stage, King’s Theatre had presented Lucio Vero, libretto by J. J. Heidegger, with arias from Handel’s Royal Academy operas. As King’s Theatre manager, Gallini’s primary motivation in 1787 may well have been socio-economic: coaxing George III to attend an opera at King’s, presumably with other members of the Royal Family, could give a boost to attendance, sales, social profile, etc. It would be good for business. Morning Chronicle and London Advertiser May 3, 1787. In the World account of the second performance in the March 5, 1787 issue. 53 June 4, 1787. 51

52

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Arnold’s stake in the venture may have been more complex. He had just undertaken to produce, over a period of years, a new ‘correct’ edition of Handel’s complete works in score on a subscription scheme. A detailed proposal for the edition, titled “Handel’s Subscription”, appeared prominently in London newspapers, listing all persons who had subscribed, as early as January 31, 1787. Some of Handel’s oratorios and other English choral works had already been issued in score, and ostensibly complete, by the successors of John Walsh (J. Randall, H. Wright, Wright and Wilkinson); the Walsh firm had also published Handel’s instrumental music and most of the London operas sans recitative. Arnold’s project was a direct challenge to this pre-existing ‘monopoly’. And it is obvious that the Walsh successors keenly felt the competition that Arnold’s new complete edition would provide. A few weeks later, they began to post advertisements in the London press with extravagant claims of the authenticity and scope of their Handel oeuvre, announcing forthcoming new titles: “All the Compleat Scores of Handel, chiefly new editions, printed in an elegant and correct manner […] his ten Anthems compleat […] his 400 Songs […] and all the Works of that great Author complete, consisting of Oratorios, Lessons, Trios, Operas, Cantatas, &c, &c. Printed by H. Wright, successor to John Walsh […] Proprietor of his valuable manuscripts, the only correct one in being, and being in possession of all the engraved plates of the above Author, can of course sell them on more reasonable terms than anyone whatever. The rest of his scores, consisting of Athalia, Alexander Balus, Simile [sic], Time and Truth, Solomon, Theodore [sic], &c. are in great forwardness, and shall be ready to deliver to the subscribers in the course of the summer.”54

Clearly there was a serious rivalry, an editorial race afoot to be the first to issue these six English oratorios in complete editions, and it is indicative that the first two works that Arnold published in his new collected edition were Athalia (first installment: May 26, 1787), and immediately after the Athalia installments were completed, Theodora. At some point Wright did produce editions of Alexander Balus, Solomon, and Theodora; if complete scores of the other three works were published by Wright, no extant copies are known. Arnold came out with Semele in mid-1788, and Solomon in 1790; the others in 1795. In any case, Arnold was aware that the success of his complete edition project depended, to some extent, on providing a better, more useful alternative to the Wright publications. An edition of Handel’s entire output would necessarily involve issuing works that had heretofore been neglected or issued incomplete, most notably the operas. Promoting Handel’s operas would be key to adding new subscribers World and Fashionable Advertiser, February 10, 1787 (italics by the author.)

54

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and retaining current subscribers. So it seems likely that Arnold welcomed the Pasticcio as a way of generating interest in a range of Handel’s operatic music beyond the arias and other set pieces that continued to be popular in concerts. This suggestion is strengthened by the fact that the 1787 Giulio Cesare included excerpts from less ‘celebrated’ operas: Arianna in Creta, Berenice, Deidamia, Floridante, Partenope, Riccardo Primo. And certainly, Arnold would welcome an opportunity to curry favor with George III, who was heavily supporting the proposed complete edition. Further, Arnold must, to some extent, have been motivated by a sincere regard for Handel’s operatic output; it is difficult to imagine that he would undertake a complete works project, with such an arduous installment schedule, and having so many other musical and theatrical commitments, and not be  a Handel enthusiast. Newspaper accounts suggest that one of Arnold’s associates in the Pasticcio, Andrea Carnevale, acting manager of King’s, was also an admirer of Handel’s operatic music. In any case, the extent of Arnold’s contribution to the design and eventual performance of the Pasticcio was extensive. Some have suggested that, at a fee of £105 (which may or may not have included directing eleven performances), he was markedly overpaid. This view is untenable for a number of reasons. First of all, Arnold may have needed a libretto-assistant, since a wholesale reworking of the Haym libretto of 1724 was required. Although Arnold certainly influenced and may even have sketched out the revised scenario, it is difficult to imagine him doing versification, in either language, much less writing or adapting Italian dialogue for the recitatives. The new plot and altered characters made changes to the aria texts necessary—these would have to be made in metrical Italian that fitted Handel’s vocal lines. Even the English translations of the arias, duet, and choruses were presented in formal rhyming stanzas in the 1787 libretto. On balance it seems unlikely that all this hackwork would be undertaken by the Italian poet employed at the Theatre.55 Arnold’s stipend does not seem so far out of line when one looks at the salaries paid to composers at King’s during the 1770s. These financial records

55

Surviving salary records are incomplete and fail to shed light on this issue. The Italian poet and translator on staff was Carlo Francesco Badini, who was also competent in English. He was paid the same (£150) this season as in the previous season. See Judith Milhous / Robert D. Hume: Opera Salaries in Eighteenth Century London, in: Journal of the American Musicological Society 46, 1993, no. 1, pp. 26–83, see p. 49 f. The 1787 printed libretto lacks a statement of authorship; also, the “Argument” which prefaces the printed libretto, and briefly gives reasons for extensive revisions to the original 1724 text, is unsigned and may not be by Arnold (Giulio Cesare in Egitto, London: D. Stuart, 1787). The MS libretto submitted to the Lord Chamberlain, signed by Gallini, also lacks any statement of authorship (Giulio Cesare in ­Egitto, manuscript, 1787, Henry E. Huntington Library, San Marino, California, Larpent 763).

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are admittedly incomplete, but £100–150 per opera was roughly the range of compensation recorded.56 Arnold must be allowed some consideration for dealing with 16 different operas which had not been performed on the London stage for well over four decades. And all of these works were originally published incomplete: London operatic editions of Handel’s time typically lacked all secco recitative, some of the accompanied recitative, brief choral sections, and short sinfonias. Also, orchestral accompaniments could be incomplete: e.g., missing viola or brass parts. Specifically, to cite examples from music listed in Table 1, the published editions available to Arnold would have lacked: two accompanied recitatives, Parnassus Scene sinfonias, horn parts, and some choral parts from the original Giulio Cesare, as well as the viola parts for “Agitata parto si”, “Con la strage”, (both Radamisto) and “Affanni del pensier” (Ottone). So it seems clear that Arnold would have been forced to either consult manuscript copies or compose any missing parts himself to fill these gaps. Of course, performance copies of “Favorite Songs” or instrumental pieces may have been circulating in the 1780s, and some of those chosen by Arnold had been featured in concert programs of the period, such as the Handel Commemorations and the Concerts of Antient Music. Obtaining access to manuscript full scores of other, less popular pieces would have required the right connections: the relevant material was mostly owned by the Royal family or the aristocracy. The other option for obtaining scores would involve keeping abreast of any library sales that might include Handel manuscripts—something we know he did in compiling oratorio pasticcios.57 In any case, Arnold was unlikely to have had all the required Handel scores in his personal library.58 Once Arnold obtained the manuscript scores required to supplement what was available in print, he still had to compose or adapt the secco recitative,

Ian Woodfield: Opera and Drama in Eighteenth-Century London: The Kings Theatre, Garrick and the Business of Performance, Cambridge Univ. Press 2001, p. 210 f. 57 Samuel Arnold: Omnipotence. A Sacred Oratorio, As it is performed at the Theatre-Royal in the Hay-Market, Set to music by Mr. Handel, London: W. Griffin 1773, preface, p. [i], http://find. galegroup.com.huntington.idm.oclc.org/ecco/infomark.do?&source=gale&prodId=ECCO&​ userGroupName=san91108&tabID=T001&docId=CW3310193735&type=multipage&cont​ ent​Set=ECCOArticles&version=1.0&docLevel=FASCIMILE (accessed 21.8.2018). 58 After Arnold’s death in 1802, his library was sold at auction. The printed sale catalog suggests that he did not own either MS scores, or the incomplete printed scores issued during Handel’s lifetime, of these operas: Alcina, Alessandro, Riccardo Primo, Scipione and Sosarme. Evidently he owned the 1724 Cluer score of Giulio Cesare, but no MS score. On the other hand, Arnold did own a volume of Apollo’s Feast and other unidentifiable collections of opera arias; these may have helped to fill gaps (A Catalogue of the Extensive and Entire Musical Library of the Late Dr. Arnold […], London: White 1803. Digital copy courtesy of Sibley Music Library, Eastman School of Music, Rochester, N. Y.). 56

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choose an overture, provide suitable instrumental pieces, decide on ballet music, write choral parts for the chorus “D’eterno allor” (probably derived from the March in Scipione), and revise, and / or transpose, Handel’s originals as needed. And as we shall see in detail later, he was not adverse to adding parts to Handel’s orchestral accompaniments or making slight adjustments to them, as he thought appropriate to the new context. He might also need, or prefer, to make fresh arrangements of pieces that were written for forces that were not available at King’s, e.g., an instrumental version of “See the Conquering Hero Comes” from Judas Maccabaeus, originally conceived for 3-part boys choir, 4-part mixed voices, organ obligato, horns, flutes, oboes and strings. Fortunately, a close reading of the 1787 libretto, combined with the press accounts quoted above, make it possible to reconstruct accurately all of the Handel pieces used in the Pasticcio, with the exception of the music used in the second ballet sequence. These are listed in tabular form with details; any conclusions by the author that are conjectural or provisional are given in square brackets. The following commentary is ordered according the sequence of items in the Table. No. 1: Two newspaper reviews quoted above mention that the overture was the second “Grand Concerto”. Handel’s Op. 6 concertos were published consistently under that designation up through Arnold’s edition of 1789 (French edi­ tions are the exception); the Op. 3 concertos were usually published as ‘Concerti Grossi’, and were often referred to as Oboe Concertos or Hautboy Concertos, a term Arnold used on the title-page of his edition. No. 2: Perhaps with reduced orchestration: two horn parts rather than the original four. No. 3: This aria, originally written for Anna Strada, probably lies slightly too high for a male soprano: it needs an effortless, seamless cantabile up high A. So it seems likely that no. 3 was transposed down, possibly to G major. It lies higher than Balelli’s other aria, no. 13, which does not go above high G, and was originally written for Elisabeth Duparc, a mezzo-soprano. No. 4: This aria, originally from Lotario, was later used in the 1734 Pastor Fido, sung by  a soprano both times. No doubt sung an octave lower since Mengozzi was a tenor. No. 5: Surely the music for “Sposo ingrato, parto si”, from the first version of Radamisto, was adapted here to fit the new sung text. It fits the vocal part well, in one sense perhaps better: the word “Agitata” allows for a clean, detachè articulation of the two quick pick-up notes of the main theme. “Sposo ingrato” requires an ellison: the last vowel of “Sposo” has to be combined with the first vowel of the following “ingrato” (see Example 1). The MS libretto has text for a B section, which also fits the original aria fairly well:

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Ex. 1: Giulio Cesare, 1787 Pasticcio, no. 5 – Comparison of original aria text set by Handel (Radamisto, first version) with the 1787 aria text. “L’Empia trama in vano ordì; Del mio Nume il nobil core Il mio Amore Tutto in sdegno volgerà.”

But this was omitted from the printed libretto, so perhaps it was not performed; the aria is so elaborate without it. The Radamisto aria was itself a reworking of “Per dar pregio” from Rodrigo; thus it is not surprising that the 1787 text was is some respects  a better ‘fit’. Arnold is certainly more likely to have known, and had access to, scores of the former: Rodrigo was unpublished until Cry­sander, and we know that Arnold’s library, as sold at his death, probably contained the Meares print of Radamisto, which included “Sposo ingrato” in reduced scoring. No. 7: Two press notices mention that the Dead March from Saul was included in the Pasticcio, but they fail to mention where. The stage directions for this scene (“Compagna con sepulchri”) describe some stage business which preceded Caesar’s entrance: “A band of Roman soldiers bearing, among other trophies, the urn in which Pompey’s ashes are deposited. As soon as it is placed

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Tab. 1: Handel Pieces Used in Arnold’s Pasticcio Form

Title/1787 text incipit

Original key

1 Overture

Second Grand Concerto

F

2 Chorus

“Viva il nostro Alcide”*

A

3 Aria

“Voglio amare”

A

[in G?]

4 Aria

“Scherza in mar”

A

Sung an octave lower**

5 Aria

“Agitata, parto, si”

A

6 Aria

“Sempre dolci”

A

7 Acc. Recit.

“Alma del gran Pompeo”

G# Minor

8 Aria

“Affani del pensier”

F Minor

9 Aria

“Con la strage”

D

10 Sinfonia

[Parnassus scene sinfonia]*

F

11 Duet

“T’amo si”

E

12 Ballet

“The Muses on Mt. Parnassus”**

D

13 Aria

“Lusinghe soavi”

G

14 Aria

“Se possono tanto”

E

15 Chorus

“Non trascurate amanti”

G

16 Acc. Recit.

“Che sento? Oh Dio!”

G Minor – C#

17 Aria

“Rendi il sereno”

B

18 Aria

“Da tempeste”

E

Sung an octave lower**

19 Aria

“Verdi prati”

E

[in E-flat ?]

20 Aria

“Agitato da fiere tempeste”

B-flat

Sung an octave lower

21 Acc. Recit.

“Voi che mie fide ancelle”

F Minor

22 Aria

“Dove sei amato bene?”

E

23 Aria

“Se costretto [e] abbandonarmi”

A Minor

24 March

[“See the Conquering Hero”]*

G

25 Chorus

“D’ eterno allor”

G

26 Chorus

“Ritorni omai nel nostro core”*

G

27 Ballet

“The Triumph of Julius Caesar”**

Possibly with reduced orchestration. Except in the final performance.

*

**

1787 changes

[in D- or C-minor?]

Horns & oboes added

in E-flat

[in F or higher ?]

[Without voices]

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Handel Opera à la Mode

Work used

Original incipit (if different)

Singer / s

Notes

Op. 6, no. 2 Giulio Cesare Partenope

Balelli

Lotario

Mengozzi

[Radamisto, 1st version] [“Sposo ingrato, parto, si”]

Mara

Berenice

Schinotti

Giulio Cesare

Rubinelli

Ottone

Rubinelli

Radamisto, 2nd version

Gattolini

[Giulio Cesare]

B section present in MS libretto. [Saul Dead March* before ?]

.

Riccardo Primo

Mara, Rubinelli B section present in MS libretto.

Arianna, Minuet Alessandro

“Lusinghe piu care”

Poro

Balelli Rubinelli

Deidamia Giulio Cesare

Mara

Sosarme

Mara

Giulio Cesare

Mengozzi

Alcina

Rubinelli

Riccardo Primo

Gattolini

Giulio Cesare

Mara

Rodelinda

Mara

[Floridante]

[“Se risolvi abbandonarmi”]

[Transposed to E-flat or D?] B section not translated.

Schinotti

[Judas Maccabaeus]

[?Scipione March, instrumental]

[Scipione, March]

Not present in MS libretto.

Giulio Cesare ?

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in the middle of the scene Caesar enters […].” Since “Alma del gran Pompeo” as written by Handel starts immediately with no instrumental preamble (only a sustained string chord), and the stage set is so sombre, this seems an appropriate spot for the Dead March to cover entrances and urn placement on stage. The March was most likely performed with reduced orchestration (see also the section, “Dance Elements”, below.) No. 8: As originally set in F-minor, this aria would be too high for Rubinelli; it was likely transposed to D-minor or even C-minor. No. 10: Arnold probably used one of the sinfonias Handel wrote for the Parnassus scene, most likely with reduced instrumentation. The Pasticcio libretto uses the same wording for the Parnassus sinfonia as the original 1724 libretto used by Handel: “Sinfonia di vari strumenti”. Not only that, but the stage direction for the vision of Parnassus and the nine Muses, as well as several surrounding lines of recitative are taken almost verbatim from the 1724 libretto, the only difference being Cesare’s use of the exclamation “Numi!” in 1784, vs. “Cieli” in the original Haym text. No. 11: Arnold’s arrangement for the duet survives and will be treated below. No. 12: The World review of the premiere places the Minuet from Arianna here, perhaps repeated with variations if required by the choreography (see also the section, “Dance Elements”, below.) No. 14: Arnold’s arrangement for this aria survives and will be treated below. No. 15: This item is headed “Chorus with Dances” in the English portion of the printed libretto; the Italian portion calls it simply “Coro”. Any dancing here would have been in addition to the featured ballet sequences, “The Muses on Mount Parnassus”, and “The Triumph of Julius Caesar”. No. 18: Composed originally for soprano Francesca Cuzzoni, the aria would have been sung an octave lower by Mengozzi, and possibly transposed down a half or whole step, as it lies rather high and requires quick repeated staccati above the staff. No. 19: Originally in E major. Possibly transposed down as half-step, as was no. 14, another of Rubinelli’s arias that was also originally in E major. No. 20: Sung an octave lower than originally written. The piece seems viable for a capable bass or baritone of the period who was schooled in the florid style. No. 22: Originally written for Senesino, an alto castrato, this might have been transposed up, at least  a half-step, for Mara, although her range was supposedly wide enough to accomodate the original key. No. 23: The printed libretto gives the first line of the aria as “Se costretto è abbandonarmi”, citing Floridante as the source opera; the manuscript libretto reads “Se costretto abbandonarmi”. No doubt they used the music for “Se risolvi abbandonarmi” from the same opera.

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No. 24: There are two likely possibilities here—1) an instrumental version of “See the Conquering Hero Comes” from Judas Maccabaeus, or 2) the March from Scipione in the original instrumental version. The Dead March from Saul is a third possibility, but it seems inappropriate for this scene of triumph and imperial clemency. The Dead March would have very somber associations for the audience, even if they were unfamiliar with the oratorio. At the opening concert of the 1787 Handel Commemoration in Westminster Abbey the Dead March was used as  a kind of prelude, or introductory sinfonia, to Handel’s Funeral Anthem.59 No. 25: Although the printed libretto identifies the source of this chorus as Scipione, no vocal piece with the text “D’eterno allor” appears in that opera. However, the choral text given in the libretto fits the rhythm and tune of the famous March which opens the opera (see Example 2).

Ex. 2: Giulio Cesare, 1787 Pasticcio, no. 25 – Rhythm of Handel’s March from Scipione (Vn I) with choral text from the printed libretto.

No. 26: Perhaps with reduced orchestration—two horn parts rather than the original four.

Morning Chronicle and London Advertiser, May 30, 1787.

59

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No. 27: Music not identified. Probably composed or arranged by Mazzinghi, possibly using  a Handel original. Different ballet sequences were for some reason used in the final performance; the substituted ballets had nothing to do with Julius Caesar. Some of this music may have survived in simple keyboard arrangements (see below under Dance Elements).

V. Arnold’s general treatment of Handel’s originals The surviving evidence suggests that Arnold followed, in the 1787 operatic Pasticcio, the policies he articulated in 1786 for his Handel oratorio pasticcio, Redemption: “In the arrangement of the pieces, care has been taken not to alter the harmony, or to interfere with the melody of the voice part, excepting to divide a note, in order to accommodate particular syllables to such words as are adapted to his Italian airs. Whenever the text could be preserved, it has been preferred.”60

This slight adjustment of the original rhythm of Handel’s vocal lines was necessary in Redemption because new English words with dissimilar meaning had to be superimposed on the original Italian aria text. In the 1787 Pasticcio, the same type of rhythmic alteration might be needed for other reasons. Although no language change was involved, the original aria text might require some modification in meaning or tone to fit the context of the new libretto. Also, it is possible that some of the original wording was deemed inappropriate, or, at any rate, improvable by Arnold’s anonymous librettist because some alterations do not seem mandated by the new libretto. If Arnold respected the contours of Handel’s vocal lines, and tried to keep their original rhythm whenever possible, he obviously did not feel obligated to keep the original vocal register of the arias: three were sung an octave lower than Handel intended. Based on the aria texts given in the 1787 libretto, Arnold mostly respected the da capo form found in the vast majority of arias and choruses chosen.61 However, there are some conflicting indications. Nos. 5 and 11 (“Agitata, parto si” and the Duet from Riccardo Primo) have no B sections in the printed libretto, but do have them in the MS libretto submitted for approval to the Lord Chamberlain on Feb. 28, the day before the premiere. On the other hand, the printed score of the Duet issued in 1787 lacks the B section. Further, no. 14, Samuel Arnold: Redemption: a Sacred Oratorio Selected from the Great and Favourite Works of Mr. Handel, London: J. Bell 1786, p. [i], Preface. 61 The opening chorus, “Viva il nostro Alcide” and the aria “Verdi prati” were not composed by Handel in da capo form. 60

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“Se possono tanto”, has a B section in both printed and MS libretti, but the printed score lacks that section. The printed scores bear different imprints, and the quality of engraving and printing seem somewhat better in the Duet, so perhaps the B section was left out of the “Se possono tanto” edition merely on a publisher’s whim. In any case, it does seem likely that the original middle sections were suppressed in nos. 5 and 11. Since no known performing score has survived,62 we are unable to determine how extensively Arnold respected Handel’s original instrumentation in the 1787 Giulio Cesare. To follow the composer’s instrumentation in all cases would require instruments probably unavailable in the King’s Theatre house orchestra in 1787: specifically organ, additional horns, trombones, gamba, harp, theorba, and (?) trumpets. We cannot be certain about the band available to Arnold in 1787, but two rosters survive of King’s Theatre orchestral personnel from the early 1780s. The later roster, for the 1784–1785 season, shows 38 players plus a harpsichordist. We have no way of knowing if all players on the list were ‘full-time’ members: the size of the orchestral pit could have been a limitation, since Fenner claims it could only hold about 35 players.63 Both rosters contain strings, upper winds, bassoons, harpsichord, and a percussionist.64 The earlier list adds trumpets, the later list horns; possibly trumpets were left out inadvertently from the second list. For the upper winds, the earlier list only mentions flautists and oboe players; the later gives four names under the heading “flutes, oboes, and clarinets”. For the large majority of pieces chosen by Arnold strings, oboes, bassoons, harpsichord, and horns would have been sufficient; the only possible need for trumpets would have been the Dead March from Saul, and flutes could have helped in the Judas Maccabaeus chorus (instrumental version). Whether or not Arnold hired extra players for the Pasticcio is completely conjectural. If he did, two additional hornists would be ideal to add grandeur, volume and support to the opening and closing choruses. This seems more justifiable and effective than, say, adding trombonists just for the Dead March, or hiring harp, gamba, and theorbo for a Parnassus scene sinfonia. Nevertheless, it is certainly possible that he hired several additional players—payment records at King’s during this period are spotty: there are none for chorus members and orchestra, for example. Also, we cannot eliminate the possibility that Arnold opted to make extensive revisions in instrumentation to other pieces, revisions Act I of the Pasticcio performing score was surely part of lot no. 411 in the sale catalog of Arnold’s library: “the 1st Act of Julius Caesar, as compiled by Dr. Arnold”. 63 Fenner: Opera in London (see note 8), p. 247. 64 The orchestral rosters for the 1782–1783 and 1784–1785 seasons can be found in Price / Milhous / Hume: Italian Opera (see note 6), v.1, pp. 286 and 321. The later list shows an increase of five players. 62

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which required additional players. The evidence provided by the two surviving scores which derive from the Pasticcio is inconclusive in this respect: Arnold added oboes and horns to the duet from Riccardo Primo, but did not add other instruments to the string and continuo accompaniment of “Se possono tanto”.

VI. Arnold’s arrangement of “T’amo si” Both arrangements are in  a type of practical score format, with  a range of treble clefs, a C-clef for viola, with vocal part(s), all grouped normally, and a treble and a lone bass staff braced together at the bottom of each system. This treble-bass pairing does double duty: a)  during instrumental ritornellos and interludes it functions as a kind of simplified keyboard reduction, and b) when the vocal part(s) begin, the treble staff is now used for  a vocal line. In both arrangements, the bass line lacks any figuring.65 Arnold usually suppresses Handel’s Adagio marking for measures designed for decorative vocal cadenzas, relying only on fermatas and “ad lib[itu]m” to indicate broadening and improvisational freedom. In the duet arrangement issued by Longman and Broderip66, Arnold kept the original key and the main tempo marking of Andante. But he opted to refashion the beginning: the alto’s opening line, “T’amo si”, coming after the opening ritornello, rather than at the very beginning of the Duet as Handel wrote it. Otherwise, there are only a few minor note changes and a rhythmic change in the vocal parts; most or all of these look like engraving errors. Arnold added two horn parts and two oboe parts. These additional wind parts function in various ways: doubling other parts, enriching the harmony with suspensions, providing simple accompaniment, merely punctuating strong beats, occasionally emphasizing  a rhythmic motif. A prime example of the latter occurs at the beginning: a prominent horn call sounds in a rhythm which mirrors that of the bass and which also suggests, by its melodic shape as well as rhythm, the initial “T’amo si” interjections of both singers. This does not indicate the absence of keyboard continuo in the performances—we know Arnold accompanied at the harpsichord from newspaper accounts and contemporary practice. 66 Georg Frideric Handel: T’amo Si Sarai sung by Madame Mara & Sigr. Rubinelli in the Opera of Giulio Cesare, [London]: Longman and Broderip [1787]. The Yale copy of this arrangement is available at the Internet Archive: https://archive.org/details/RiccardoDuetSArnold3710338​ Yale (accessed 11.12.2018). Thanks to Gilmore Music Library, Yale Univ., and the Bodleian Library, Oxford, for reproductions used during research. Another contemporary edition of this Duet exists, published by Birchall and Andrews, London. Copies survive in the Houghton Library, Harvard Univ., and Sibley Music Library, Rochester, NY. The Birchall edition is more accurate in the vocal parts, but probably less so in the instrumental parts. 65

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In Handel’s original, the Violin III part is identical to that of the Viola; Arnold opts to restrict his violins to playing the upper two parts, leaving the viola section on its own. Perhaps in order to give the singers more liberty to improvise, Arnold eliminated the sustained strings under each singers first ad libitum “T’amo si”. Elsewhere, the violin parts generally are unchanged with two notable exceptions. He adds accompanying violins to bars 38–3967 of Handel’s duet, a passage which originally had only continuo accompaniment. Also, at the initial entrance of both soloists, he marks the change from ad libitum to a tempo by adding a forte triple-stop chord in Violins I and II to emphasize the downbeat of the (resumed) Andante tempo. The viola part is subjected to minor alterations and added doubling, e.g., doubling the bass an octave higher (even abandoning the original viola part for a few bars), and in one passage a divisi doubling of both voices an octave lower. There are two isolated single note changes to the written bass part, possibly intentional, and one omission of a short bass anacrusis. Four notes in the vocal parts are different, most or all of which are engraving errors, and there is also a slight rhythmic error involving three notes in Rubinelli’s part. The closing contrasts with the opening in that the oboes are now restricted to doubling the violins (either both violin parts divisi, or first violin only) and Arnold adds viola doubling the bass and horns to the initial beat of the final ritornello. Recalling the opening of the duet, repeated horn fifths are added to the texture, almost satirically, over the placid, flowing main theme.

VII. Arnold’s arrangement of “Se possono tanto” This arrangement, unnoticed by previous scholars, is preserved in a unique copy now housed in the Russian State Library (aka “Leninka”), Moscow.68 Unlike the Duet arrangement, it was published by Birchall and Andrews “at their Musical Circulating Library, No. 129 New Bond Street [London]”. It is reproduced in Facsimile 1. Consistent with the Pasticcio libretto, one minor change was made to the original sung text: “misero cor” usually becomes “povero cor”.

See p. 6, last bar, of the digital copy at Internet Archive cited above, and the first bar of p. 7. Georg Frideric Handel: Se Possono Tanto sung by Sigr. Rubinelli in the Opera of Giulio Cesare, [London]: Birchall and Andrews [1787]. Only known surviving copy in the Russian State Library, Moscow. Call no. M3 P-ИН/822, legal deposit no. И430606–72. I must acknowledge the kind assistance of T. Kurnavina and other Russian State Library staff who expedited sending this rare edition to me in digital format. Helpful assistance was also given by Huntington Library Manuscripts Curator Olga Tsapina, who more than made up for my lack of Russian.

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Arnold opted to transpose the aria down a half-step, perhaps to accommodate Rubinelli. No instruments are added to the original accompaniment for strings and continuo. He does, however, add a few notes for the Violins (bars 15–16 only) to reinforce the continuo harmony. The arrangement follows one brief variant reading, not in Chrysander’s edition of Poro, but given in the new critical edition (Hallische Händel-Ausgabe, ser. 2, v. 25), and also found in the early editions of Walsh and Cobb (violin parts in bar 28). Arnold adds appropriate dynamics not present in the early printed editions. He omits Handel’s senza and con Cembalo markings, but retains the original Largo tempo designation. There are a few obvious note mistakes and missing accidentals. Interestingly he allows the singer two additional brief rests in a phrase which climbs gradually to a climactic high note—no doubt another concession to Rubinelli. Arnold was obviously working from a score in the original key, probably one of the two printed editions mentioned above. In other respects Arnold was less faithful; indeed he was a bit haphazard in his treatment of rhythm and articulation. In the instrumental opening, Arnold retains Handel’s very short pick-ups in the upper strings, but curiously not in the bass (bars 1–4). He consistently leaves out Handel’s ties over bar lines in the violins, negating the lovely, subtle syncopation. Arnold takes very little trouble over Handel’s articulation: it is altered, simplified or, in a few instances, lacking. Slurs and detaché marks are missing in this printed version, and Handel’s frequently-used staccato dots under slurs are replaced with detaché strokes (bars 35 ff) or with no articulation of any kind (bars 43 f). In at least one case, he added a slur to a leap in the bass that seems unnecessary and possibly unstylistic (bar 61). There is very little slurring in the Violin II and Viola parts. Arnold’s disregard of a register change notated by the composer—the basses are supposed to leap up an octave and immediately leap down a diminished seventh to the leading tone of a secondary dominant chord—definitely weakens the effect intended (see bar 25, where beats 2 and 3 of the bass part should be an octave higher).

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Facs. 1, 1st page: Giulio Cesare, 1787 Pasticcio, no. 14 – Aria from Handel’s Poro, Arnold arrangement, measures 1–10 (courtesy of the Russian State Library, Moscow). Since this is the only known source of Arnold's version of this aria, it is reproduced in facsimile for historical and bibliographical interest. The poor reproduction quality is due to conservation concerns and current state of the printed score.

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Facs. 1, 2nd page: Giulio Cesare, 1787 Pasticcio, no. 14  – Aria from Handel’s Poro, Arnold arrangement, measures 11–28 (courtesy of the Russian State Library, Moscow).

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Facs. 1, 3rd page: Giulio Cesare, 1787 Pasticcio, no. 14 – Aria from Handel’s Poro, Arnold arrangement, measures 29–46 (courtesy of the Russian State Library, Moscow).

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Facs. 1, 4th page: Giulio Cesare, 1787 Pasticcio, no. 14 – Aria from Handel’s Poro, Arnold arrangement, measures 47–62 (courtesy of the Russian State Library, Moscow).

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VIII. Dance elements The ’86–87 season at King’s Theatre began with the ballet forces in something of a decline: the previous season had not been stellar in this respect, and a group of new dancers and choreographers, heralded in the press from late October 1786, failed to appear.69 Nevertheless, the ballets in Giulio Cesare seem to have escaped the harsh criticism given to ballets in other operas during this period at King’s. We know that dancing occurred at least three times in the 1787 Giulio Cesare: formal ballet sequences at the end of each Act (nos. 12, 27), and dancing of some type during “Non trascurate amanti” in Act II (no. 15), a “Chorus with Dances”. The names of the principal dancers, under Ballet Master Monsieur Hus, are listed, along with solo singers and other creative personnel, in the printed libretto. There is no known evidence to suggest precisely when any of them performed, or were specially featured, in the course of the entertainment. Newspaper accounts suggest that the most prominent solos were taken by Mde. Perignon and Mlle. Mozon. These ballet sequences, unlike many other contemporaneous offerings at King’s, were described as “allusive”: i. e., consistent with, or referring to, the action and setting of the drama. One reviewer described them as “being incident to the Opera”, which might suggest some mimed dramatic action, possibly even some slight plot or character development. And although the Giulio Cesare ballets, and especially certain solo dancers, were praised in the press, it is this very factor of being thematic that lead the same reviewer to complain of a lack of variety: “We hope the Ballet-Master will […] present the public, as soon as possible, with an exhibition worthy of the high patronage he receives.”70 Unfortunately no choreography notation or illustrations of dancers in the 1787 Giulio Cesare are known to have survived, although the occasional brief newspaper description can be highly evocative: “she rises like gossamer; and falls like lead”.71 The choreography of the two ballets is uncredited; possibly it was devised by Mons. Hus. However, we can be certain that the first ballet was  a traditional French dance form, since the music chosen was reportedly the Minuet from Handel’s Arianna in Creta, Act I, scene 1. Two reviewers mention the piece as occurring in the Pasticcio, and one of them definitely states that it was used for the first ballet, titled “The Muses on Mount Parnassus”. The music for the second, “The Triumph of Julius Caesar”, could conceivably have been written or arranged by Joseph Mazzinghi or F. H. Barthélémon. There is also an outside possibility that the music used for the second ballet was indeed by Handel, but unrecognized Morning Post and Daily Advertiser, Oct. 31, 1786; Price / Milhous / Hume: Italian Opera (see note 6), p. 512 f. 70 General Advertiser, March 26, 1787. 71 See the World and Fashionable Advertiser review of the March 3 performance quoted above. 69

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by reviewers due to being altered or re-scored by Mazzinghi, Barthélémon, or Arnold. Only one newspaper account weighs in on this point: “we believe” the “new music in the dances” is by Barthélémon.72 If so, it would have been by special arrangement with Arnold and Gallini. On the other hand, Mazzinghi, harpsichordist at King’s from 1784, was actually the house composer of dance music; he had taken over the position of “dance composer-pasticheur” from Barthélémon during the 1785–1786 season.73 Mazzinghi’s three volumes of Favorite Opera Dances Performed at the King’s Theatre, Haymarket for 1787 include no music with these two ballet titles, no music that can be associated with Giulio Cesare, and no Handel arrangements. At present, it is impossible to determine with certainty who was responsible for composing or arranging the ballet music, but Mazzinghi seems most likely given his new responsibilities in this area. Perhaps Arnold decided on the pieces to be used and left the instrumental arranging of them to Mazzinghi. Several years later Mazzinghi published a collection of pianoforte arrangements of overtures, and other instrumental pieces, from Handel’s operas and oratorios;74 included are versions of the Saul Dead March and the Minuet from Arianna.75 In the latter, Mazzinghi alters the piece in interesting ways, some stylistic, some related to effective keyboard idioms. Certain other changes, especially rhythmic changes, may be related to the performing version used in the Pasticcio (no. 12, “The Muses on Mount Parnassus”). One finds consistent alteration of certain rhythmic figures, without changing Handel’s melodic contours, which seem to be an attempt to make the piece more effective for the dancers: e.g., giving  a definite rhythmic value to Handel’s grace notes, strengthening the beginnings of beats with longer note values, replacing short appoggiaturas with longer ones, sometimes changing the ‘Scotch snap’ figure to equal note values (see Example 3). Methodic alterations of this type are rare in Mazzinghi’s other arrangements of dance forms in the overture collection. Even fairly minor changes to Handel’s bass could also be motivated by the need to make the music more balletic: adding slurs to an accompanying, mostly conjunct bass line that a contemporary player would be unlikely to execute legato, adding more energy to the approach of a strong cadence, and keeping up the quarter-note impulse until the final note of a phrase (see bars 12–13, 15, and World and Fashionable Advertiser, March 2, 1787. Price / Milhous / Hume: Italian Opera (see note 6), pp. 321, 507 f, 509. 74 Joseph Mazzinghi: Handel’s Overtures Arranged for the Piano Forte with an Accompaniment Ad Libitum for a Flute or Violin, London: Goulding [n.d.]. Available at the Petrucci Music Library: Overture, Solomon, https://imslp.org/wiki/Special:ImagefromIndex/445131/hfpn (accessed on 8.12.2018). Copies of this collection have been dated as early as 1801. 75 See ibid.: Overture Ariadne, https://imslp.org/wiki/Special:ImagefromIndex/445148/hfpn (accessed on 8.12.2018). 72 73

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Ex. 3: Giulio Cesare, 1787 Pasticcio, no. 12 (Act I Ballet) – Arianna Minuet, measures 1–8. Handel’s Vn I part compared with the top part of J.  Mazzinghi’s pianoforte arrangement (ca. 1801).

Ex. 4: Giulio Cesare, 1787 Pasticcio, no. 12 (Act I Ballet) – Arianna Minuet, measures 12–20. Handel’s bass compared with lowest notated part of J. Mazzinghi’s pianoforte arrangement (ca. 1801).

19 of Example 4). Even a mere octave transposition of one note, as in bar 17 of the present example, makes the bass seem more supportive of gesture and movement. The alterations of Handel’s music in Mazzinghi’s arrangement of the Saul Dead March may also reflect the Pasticcio performances, although in this case the changes seem more stylistic and unconnected to theatrical presentation.76 See ibid.: Overture, Saul, https://imslp.org/wiki/Special:ImagefromIndex/445162/hfpn (accessed 8.12.2018).

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For the last performance on June 16, the dancers dropped the allusive ballets and substituted two of a general nature: 1) a Divertissement, with its “Pas de Deux Russe”, ending Act I, and 2) a “Divertissement Asiatique” to conclude the Pasticcio. Here it is possible to make some tentative identifications. Book I of the 1787 Opera Dances, as arranged by Mazzinghi, begins with an Early Classical style Overture (Allegro) which is headed “Divertissement”, followed by a “Marche”, a Haydn piano sonata movement,77 and a Grave, all in related keys, the last two bearing the names of dancers mentioned in the Giulio Cesare libretto.78 Book II contains an “Air Russe” also headed by the names of two Giulio Cesare dancers, so this is likely the “Pas de Deux Russe”.79 But there are no obvious candidates for the “Divertissement Asiatique” in the 1787 Opera Dances.

IX. Scenery and costumes Gaetano Marinari (1764–1844), a prolific and highly-praised scene painter and decorative artist in London and Dublin, must have found the Giulio Cesare project particularly congenial. A Florentine known for his “classical grandeur of design and bold execution”, he clearly had a deep affinity for subjects derived from Greek and Roman history and mythology.80 The boxes of Crow-Street Theatre, Dublin, were graced by Marinari with paintings depicting 50 different classical subjects.81 He also won special praise for scenes depicting Venice and, for a ballet sequence in the operatic pasticcio Don Giovanni (1794), a convincing stage representation of Hell. London critics of the period were constantly singing his praises: “We never saw an opera at the King’s Theatre decorated with more splendour […] nor filled up with more decorum and propriety. The scenery is uncommonly good – [this] is the best change we ever saw at the Opera.”82 Hob.XVI:37, Presto ma non troppo. The movement is complete, except for one cut of 13 bars, and mostly unaltered, other than occasional changes in register, chordal texture and bass ­accompaniment figures. 78 Joseph Mazzinghi: The Favorite Opera Dances, Performed at the King’s Theatre, Haymarket […] Composed, Selected & Adapted for the Piano Forto [sic], Flute, or Violin by J. Mazzinghi, London 1787, Book I, pp. 2–11. Some of the music which follows in Book I may also have been part of the Divertissement. Photocopies of all three Books of the 1787 Favorite Opera Dances were provided courtesy of the Bodleian Library, Oxford. 79 Joseph Mazzinghi: The Favorite Opera Dances, Book II (see note 78), p. 8 f. 80 Edward Croft-Murray: Decorative Painting in England, 1537–1837, Feltham, Middlesex: Country Life Books 1970, p. 159. 81 This was done in 1810; see John Thomas Gilbert: A History of the City of Dublin, Dublin: McGlashan and Gill 1859, v. 2, pp. 235–237, and Appendix VI. 82 Fenner: Opera in London (see note 8), pp. 247 f and 254. 77

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Contemporary critic Thomas Gilliland credited Marinari with being: “[…] well educated in all the customs of foreign theatres, together with a classical mind, he has displayed some of the finest specimens of scene-painting known to the public. Indeed, he has made the best possible use of grand subjects for the exhibition of the most splendid scenery that adorn a theatre.”83

Unfortunately, no stage settings or back-drops by Marinari have survived.84 Reviews of the Pasticcio contain very few references to costume, none of which provide specifics. It seems safe to assume that there was no attempt at historical accuracy—that trend in British theater performances would come somewhat later, lead by famous Shakespearean actor John Philip Kemble,85 who was reputedly the first to appear in toga on the English stage. But there may well have been some attempt to distinguish between the stage clothing of Roman and that of Egyptian characters in the Pasticcio. Luckily for us, costume designs survive that can be attributed, with some degree of certainty, to Thomas Lupino (fl. 1757–1814), the “Taylor and Inventor of the Dresses”, as he is described in the printed libretto. These watercolor drawings survive in the City of Birmingham Art Gallery (U. K.) and in private collections. They provide an excellent sense of the style that was used for ballet dancers especially, but also possibly for male chorus members, supernumeraries and female soloists, at King’s Theatre during this period.86 Lupino designed and / or executed costumes for close to 90 productions at the King’s Theatre over a number of years.87

X. Conclusion The Giulio Cesare pasticcio of 1787 was in some respects unique—perhaps this partly explains why previous scholars have tended to marginalize it. The present study proposes that, rather than being a nostalgic revisiting of bygone glory, or Croft-Murray: Decorative Painting (see note 80), p. 243. Sybil Rosenfeld: Georgian Scene Painters and Scene Painting, Cambridge University Press 1981, p. 102. 85 Fenner: Opera in London (see note 8), p. 451. 86 Sybil Rosenfeld: A Lupino Collection of Costume Designs, in: Theatre Notebook 30, 1976, nos. 2 & 3, pp. 58–60, plates 2–11. For a possible chorus costume, see plate 2; for female soloists, plates 8 and 9; for other examples of ballet costumes, plates 4 and 11. For a digital reproduction in color of one of these designs, see: Watercolor costume design for a dancer, attributed to Thomas Lupino, http://www.birminghammuseums.org.uk/explore-art/items/1962P30/a-​female-​ figure-raising-a-bow-in-her-left-hand-design-for-costume (accessed 11.1.2019). Thanks to Nadine Lees of the Birmingham Art Museums for assistance. 87 Michael Burden: Stage and Costume Designers Working at the Italian Opera in London: the ­Evidence of the Librettos, in: Theatre Notebook 65, 2011, no. 3, pp. 126–151, see p. 131. 83

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Patrick J. Rogers

merely a veiled attempt to curry Royal favor, it was actually a consequential chapter in the development of British musical culture. Arnold may have welcomed the project as a means of generating interest in his new collected edition of Handel’s works. But in any case, an accurate evaluation of the Pasticcio certainly depends on  a fuller examination of contemporary sources than has been attempted heretofore. And given that so much information is readily available on Arnold, Mara, and Rubinelli, more attention to the supporting creative personnel also seemed crucial: their professional qualifications and experience give the project more credibility, as well as furthering our understanding of it. All this provides a healthy antidote to the loose and sweeping criticism of Mount Edgcumbe. This approach should also counter the notion that the 1787 Giulio Cesare had little impact. One reviewer, following the success of the first month of performances, enthused to the extent of suggesting that Nancy Storace’s88 London debut should be in  a new pasticcio, specially arranged for her by Arnold.89 About two months later, the same newspaper, covering a revival of Virginia at King’s, lamented that Mara and Rubinelli were singing the music of Angelo Tarchi, “when they might have been employed on the best Opera music in the World”, i.e., Handel.90 This sentiment was echoed at least three times in the London press long after the Pasticcio closed, during 1789. One of these, a brief notice of an oratorio pastiche at Drury-Lane Theatre begins: “Perhaps the best opera ever heard was Giulio Cesare, a pasticchio [sic] selected by Dr. Arnold from the various operas of Handel.” Another in the same newspaper even calls for the revival of the Handel-Arnold Giulio Cesare.91 Nearly contemporaneous with these notices, English composer William Shield advertised plans for an English operatic pasticcio, The Choice of Hercules, using “favorite tunes in [Handel’s] Admeto and Rinaldo” and, like the 1787 Giulio Cesare, probably based on the libretto of the same title which Handel set. Although the Shield Choice of Hercules was never produced, the intent was evidently to keep the best of Handel’s operatic music current. Both Admeto and Rinaldo were successful works in Handel’s day, and interestingly neither had been mined by Arnold for his 1787 production. Also, the newspaper report of the Shield project notably attested that Handel considered Admeto “one of his finest compositions”.92 90 91 92 88 89

N. Storace created the role of Susanna in Mozart’s Le Nozze di Figaro. World and Fashionable Advertiser, April 9, 1787. World and Fashionable Advertiser, June 11, 1787. World and Fashionable Advertiser, Jan. 31, 1789, Feb. 28, 1789, and March 10, 1789. From an undated newspaper cutting in the British Library, probably from 1788. See Curtis Alexander Price: Unity, Originality, and the London Pasticcio, in: Harvard Library Bulletin 2, 1991, no. 4, p. 22, n. 19.

Internationale Bibliografie der Händel-Literatur 2017/2018 Zusammengestellt von Michael Meyer (Zürich) Die nachfolgende Bibliografie setzt die im Band XIX abgedruckte fort. Eingang fanden wissenschaftliche Publikationen zu Georg Friedrich Händel des Jahres 2017, die noch nicht in der letzten Bibliografie berücksichtigt werden konnten, sowie solche des Jahres 2018, die zum Zeitpunkt der Zusammenstellung der vorliegenden Bibliografie greifbar waren. Für eine komplette Bibliografie der Händel-Literatur von 1959 bis 2009 siehe die von Hans Joachim Marx verantwortete Veröffentlichung, die 2009 im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen herauskam. Folgende Sammelpublikationen werden im Folgenden abgekürzt zitiert: Göttinger Händel-Beiträge 19, 2018 Laurenz Lütteken / Wolfgang Sandberger (Hg.): Göttinger Händel-Beiträge. Begründet von Hans Joachim Marx, Bd. XIX, redaktionelle Mitarbeit Sarah Hodgson, Göttingen 2018. Händel-Jahrbuch 64, 2018 Georg-Friedrich-Händel-Gesellschaft e. V. / Stiftung Händel-Haus (Hg.): Händel-Jahrbuch, 64. Jahrgang, Kassel u. a. 2018. Transformationen und Metamorphosen 2017 Thomas Seedorf (Hg.): Transformationen und Metamorphosen. Bericht über die Symposien der internationalen Händel-Akademie Karlsruhe 2011 bis 2013, Laaber 2017.

Biografisches, Historisches, Quellenstudien Berghahn, Cord-Friedrich: „Durch Töne binden und vermählen“: Barthold Heinrich Brockes und die Musik, in: Göttinger Händel-Beiträge 19, 2018, S. 33–48. Burrows, Donald: Who was Handel’s tenor soloist in 1751?, in: The Musical Times 158, 2017, Heft 1939, S. 61–71. Cummings, Graham: Handel’s oratorio and concerto organs 1732–1745, in: Journal of the British Institute of Organ Studies 41, 2017, S. 112–131. Emans, Reinmar: Zwischen Zitaten „al mente“ und Sammlung von Exempla classica, in: HändelJahrbuch 64, 2018, S. 135–147. Enßlin, Wolfram: Zwei Originalgenies als Plagiatoren? Carl Philipp Emanuel Bach, Georg Friedrich Händel und ihre Bearbeitungspraxis im Vergleich, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 299–319. Fekete, Miklós: Kastraten, die ‚primi uomini‘ der europäischen Opernbühnen, in: Studia Univer­ sitatis Babeş-Bolyai 62, 2017, S. 49–62. Glover, Jane: Handel in London: The Making of a Genius, London 2018. Kirkendale, Ursula: Georg Friedrich Händel, Francesco Maria Ruspoli e Roma, Lucca 2017. Kleinertz, Rainer: Entlehnung und Erkenntnis. Zu einem methodologischen Problem der Händelforschung, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 83–95. Kreisig, Philipp: Starsängertrias als Londoner Spezifikum: Händels ‚Alessandro‘ und Porporas ‚Il Profimeno‘, in: Transformationen und Metamorphosen 2017, S. 91–126. Landgraf, Annette: Händels Ankläger und seine Verteidiger, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 55–69. Marx, Hans Joachim: On the Authenticity of Christoph Platzer’s Händel Portrait (c. 1710), in: Early Music 45, 2017, S. 459–465. Marx, Hans Joachim: Über das Händel-Porträt aus dem Besitz von Charles Burney, in: Imago ­Musicae 30, 2018, S. 215–219.

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Internationale Bibliografie der Händel-Literatur 2017/2018

Marx, Hans Joachim / Voss, Steffen: Die G .F. Händel zugeschriebenen Kompositionen, 1700–1800/ The Compositions Attributed to Handel, 1700–1800 (HWV, Anh. B.), Hildesheim u. a. 2017. McGeary, Thomas: Händel, not by Hogarth, in: Early Music 45, 2017, S. 467–469. Osthövener, Claus-Dieter: Aufgeklärte Passion. Barthold Heinrich Brockes als Oratoriendichter, in: Göttinger Händel-Beiträge 19, 2018, S. 49–63. Poetzsch, Ute: „Teure Freunde“ – Georg Philipp Telemann und Barthold Heinrich Brockes, in: Göttinger Händel-Beiträge 19, 2018, S. 65–76. Reemtsma, Jan Philipp: „Das abgedruckte Bild von Bäumen und vom Grase“ oder Allerlei Atheismus im Gotteslob. Gedanken bei der Lektüre von Brockes’ Gedichten, in: Göttinger Händel-Beiträge 19, 2018, S. 9–32. Risinger, Mark: Types of Reuse and Adaptation in Handel’s Later Works, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 237–263. Roberts, John H.: Handel’s Fugal Borrowing and the ‚Concerto madrigalesco‘ of Ercole Bernabei, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 265–297. Sandberger, Wolfgang: „Wo deine Wunder-Flöthe klinget“  – Barthold Heinrich Brockes und die Musik. Einführung zum Symposium der Händel-Festspiele 2017, in: Göttinger Händel-Beiträge 19, 2018, S. 1–8. Werner, Edwin: „G. F. HANDEL…By WOLFFGANG“ – Eine Replik zu den Ausführungen von Hans Joachim Marx über das Händel-Portrait im Scenkonstmuseet Stockholm, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 403–413. Werner, Edwin: Fragen zur Authentizität von Porträts Georg Friedrich Händels, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 17–42.

Vokalwerke Beeks, Graydon: Handel’s Reuse of Material from his Italian Psalms in his Cannon Anthems, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 149–154. Burrows, Donald / Keynes, Milton: From St. Lawrence’s to St. James’s: The A major Te Deum (HWV 282) and Handel’s recomposition of Cannons Music for the Chapel Royal, in: HändelJahrbuch 64, 2018, S. 155–164. Chapman, Brian: Carl Linnaeus, Philip Miller and the Librettist of Handel’s ‚Solomon‘, in: The Musical Times 158, 2017, H. 1941, S. 71–74. Clausen, Hans Dieter: Die Opernpartitur als ‚Werk‘, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 367–385. Ćurković, Ivan: The Vocal Duets of G. F. Handel and his Italian Contemporaries (c. 1706–1724), Heidelberg 2017. Eckerson, Sara E.: The Material of the Servant: Theology and Hermeneutics in Handel’s ‚Samson‘, in: Yale Journal of Music and Religion 4, 2018, H. 2, S. 1–32. Gardner, Matthew: Borrowing in ‚Deborah‘: Convenience or Careful Selection?, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 165–178. Gracia-Ventura, Agnès / Ortega Balanza, Maria: The Construction of Femininity in Händel’s ‚Aggrippina‘: From History to Dramatic Opera, in: Kerstin Droß-Krüpe (Hg.): Great Women on Stage. The Reception of Women Monarchs from Antiquity in Baroque Opera, Wien 2017, S. 27–48. Kremer, Joachim: Naturbetrachtung statt Wissenschaft? Händels ‚Neun deutsche Arien‘ HWV 202–210 und ihre „ganz andere Art“, in: Göttinger Händel-Beiträge 19, 2018, S. 77–92. Lee, Jonathan Rodes: From ‚Giuseppe‘ to ‚Joseph‘: A Possible New Borrowing Source for the Music of ‚Joseph and his Brethren‘, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 207–236. Locke, Ralph P.: Alexander der Große und der indische Raja Puru: Zur Exotik in einem Libretto Metastasios und in darauf basierenden Opern von Hasse und Händel, in: Achim Aurnhammer / 

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Barbara Korte (Hg.): Fremde Helden auf europäischen Bühnen (1600–1900), Würzburg 2017, S. 127–144. Martin, Christine: Triumph der Kunst. Remake und Revival in Händels ‚The Triumph of Time and Truth‘, in: Transformationen und Metamorphosen 2017, S. 193–204. Martin, Dieter: Belebte Begriffe. Das Libretto zu ‚Il trionfo del Tempo e del Disinganno‘ und die allegorische Dichtung der Frühen Neuzeit, in: Transformationen und Metamorphosen 2017, S. 161–173. McMahon, Paul: Darkness and Light: Handel’s Rhetorical Vocal Writing in the English Oratorio ‚Samson‘, in: Journal of Music Research online 8, 2018, http://www.jmro.org.au/index.php/ mca2/article/view/198 (Zugriff am 10.12.2018). Mücke, Panja: Entwickelnde Improvisation? Händels Opern zwischen Exzerpt und Entlehnung, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 123–133. Ramer-Wünsche, Teresa: Händels Entlehnungsverfahren unter Berücksichtigung des Affektgehalts in seiner Serenata ‚Parnasso in festa‘ am Beispiel der Übernahmen aus ‚Athalia‘, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 179–195. Rilling, Daniel: Die Rezitative in Händels Opern. Vers – Rhythmus – melodische Gestaltung, Berlin 2018. Roberts, John H.: ‚Tu fedel?‘ ‚tu costante?‘: Two Versions of a Handel Cantata, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 335–366. Scoccimarro, Roberto: Zwischen Spätbarock und „stile moderno“: Händels Entlehnungen aus italienischen Bühnenwerken am Beispiel der Opern ‚Arianna in Creta‘ und ‚Faramondo‘, in: HändelJahrbuch 64, 2018, S. 97–122. Shrock, Dennis: Choral monuments: Studies of eleven choral masterworks, New York 2017. Stanyon, Miranda: The ‚Changes‘, or ‚Plus ça change‘? Newburgh Hamilton’s Early Writings and the Politics of Handel’s Librettos, in: Journal of the Royal Musical Association 142, 2017, S. 221–255. Stephan, Peter: „The heav’nly image see“. Händels ‚Triumph of Time and Truth‘ im Spiegel der barocken Ikonographie, in: Transformationen und Metamorphosen 2017, S. 175–192. Varka, Natassa: „Departed ghosts in living forms appear“: Abiathar, Doeg, and Jennens’s conception of ‚Saul‘, in: Early Music 45, 2017, S. 629–639. Waczkat, Andreas: Händels deutsche Arien HWV 202–210 als „Frühlings-Cantaten“, in: Göttinger Händel-Beiträge 19, 2018, S. 93–102. Waczkat, Andreas: Imitatio und Aemulatio: Die „Brockes-Passion“ HWV 48 als stilprägendes Vorbild der englischen Oratorien?, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 71–81. Wollston, Silas: A continuum of creative refinement: Handel’s reuse of pre-existing material in the ‚Ode for St. Caecilia’s Day‘ and the Twelve Grand Concertos, op. 6, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 197–206.

Instrumentalwerke Reijen, Paul van: Händeliana in einem Amsterdamer Klavierbuch (1752), in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 387–402.

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Rezeption Feuchtner, Bernd: Die dramatisierte Allegorie. Zur szenischen Realisierung von Händels ‚The Triumph of Time and Truth‘ bei den Internationalen Händel-Festspielen Karlsruhe 2013, in: Transformationen und Metamorphosen 2017, S. 205–212. Gartmann, Thomas: Bach und Händel in den deutschen Diktaturen, in: Ders. / Andreas Marti (Hg.): Der Kunst Ausgesetzt. Beiträge des 5. Internationalen Kongresses für Kirchenmusik, ­21.–25. Oktonber 2015 in Bern, Bern u. a. 2017, S. 159–170. Klingberg, Lars: Die Entwicklung der Hallischen Händel-Ausgabe von einer praktischen „Volksausgabe“ zur Kritischen Gesamtausgabe, in: Gabriele Buschmeier / Klaus Pietschmann (Hg.): Beitragsarchiv des Internationalen Kongresses der Gesellschaft für Musikforschung, Mainz 2016 (Hauptsymposion „Musikwissenschaftliche Editionen in Deutschland, 1930–1960“), Mainz 2018, URN: urn:nbn:de:101:1–2018082713074088808839 (Zugriff am 27.11.18). McGuire, Charles Edward: Of programs and prima donnas: Investigating British music with the Musical Festivals Database, in: Notes: Quarterly Journal of the Music Library Association 73, 2017, S. 432–472. Ronge, Julia: Händels Lorbeerkranz. Beethoven rezipiert den „größten Componisten, der je gelebt hat“, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 321–334. Sánchez Madrid, Nuria: La natalidad es musical: Hannah Arendt y ‚El Mesías‘ de Haendel, in: Scherzo: Revista de música 33, 2018, H. 345, S. 92–95. Spiegler, Susanne: Georg Friedrich Händel im Fadenkreuz der SED. Zur Instrumentalisierung seiner Musik in der DDR, Berlin [2017]. Spiegler, Susanne: Georg Friedrich Händel in Zeiten des Kalten Krieges. Facetten seiner Instrumentalisierung in der DDR, in: Händel-Jahrbuch 64, 2018, S. 45–54. T’Hooft, Sigrid: Barockregie heute: Eine Fallstudie anhand der Inszenierung von Händels ‚Imeneo‘ bei den Internationalen Händel-Festspielen in Göttingen im Mai 2016, in: Andrea Sommer-Mathis, Andrea u. a. (Hg.): Spettacolo barocco. Performanz, Translation, Zirkulation, Wien 2018, S. 241–254. Thompson, Simeon: Händels ‚Judas Maccabaeus‘ in der Textbearbeitung von Hermann Burte und der Umgang mit geistlichen Stoffen unter dem Nationalsozialismus, in: Thomas Gartmann / Andreas Marti (Hg.): Der Kunst Ausgesetzt. Beiträge des 5. Internationalen Kongresses für Kirchenmusik, 21.–25. Oktonber 2015 in Bern, Bern u. a. 2017, S. 215–225. Wolff, Christoph: Bach- und Händel-Forschung zwischen Ost und West, in: Gabriele Buschmeier / Klaus Pietschmann (Hg.): Beitragsarchiv des Internationalen Kongresses der Gesellschaft für Musikforschung, Mainz 2016 (Symposiumsbericht „Wege des Fachs – Wege der Forschung?“), Mainz 2018, URN: urn:nbn:de:101:1–2018091112375478970328 (Zugriff am 27.11.2018).

Mitteilungen der Göttinger Händel-Gesellschaft e. V.

Mit dem letzten Vorhang für die Festspieloper Arminio endeten am 21. Mai die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen 2018, die unter dem Motto „Konflikte“ standen. Rund 14.000 Gäste aus aller Welt besuchten die 75 Veranstaltungen zwischen dem 10. und 21. Mai in Göttingen und der Region. Allein die Festspieloper Arminio, in der Inszenierung des Schweizer Regisseurs Erich Sidler und unter der Musikalischen Leitung des Künstlerischen Leiters der Festspiele, Laurence Cummings, lockte mit sechs Vorstellungen sowie der Familienfassung knapp 4.000 Besucher ins Deutsche Theater Göttingen und zum Public Viewing in die Lokhalle Göttingen. Die Gesamtauslastung der Festspiele lag bei 84 %, was einer Steigerung von 14 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr entspricht. 15 Veranstaltungen, darunter auch die Eröffnung mit dem Oratorium Judas Maccabaeus, lagen bei einer Auslastung von über 97 %. Auch neue Formate und Spielstätten waren in diesem Jahr erfolgreich: „Händel ambulant“ mit Übertragung an die Betten des Ev. Krankenhauses Weende und das Konzert des Christ Church Cathedral Choirs in der Basilika St. Cyriakus waren bis auf den letzten Platz besetzt, beim Sonnenuntergangskonzert im Golfund Sportressort Gut Wissmannshof, Staufenberg und in der St. Nicolai-Kirche in Herzberg am Harz begeisterte nicht nur die musikalische Leistung, sondern auch die wunderbare Atmosphäre das zahlreich erschienene Publikum. Das Ensemble La Vaghezza ist der große Gewinner der göttingen händel competition 2018. Sowohl der mit 5.000 € dotierte erste Preis der Göttinger Händel-Gesellschaft e. V. als auch der mit einem Notengutschein im Wert von 1.000 € ausgestattete Bärenreiter Urtext-Preis und der Publikumspreis gingen an die fünf jungen Musikerinnen und Musiker. Als Preisträger-Ensemble spielte La Vaghezza außerdem am 14. Mai im Muthaus der Burg Hardeg in Hardegsen. Acht Ensembles, die aus den zahlreichen Bewerbungen mit Musikerinnen und Musikern aus insgesamt 16 Nationen ausgewählt worden waren, waren gegeneinander angetreten. Eine fünfköpfige Jury aus hochkarätigen Vertretern der Alte Musik-Szene, der Verlags- und Medienwelt traf die Entscheidung. Unter dem Titel „Metropole London – Konflikte und Identitäten eines musikalischen Zentrums“ versammelte das von Prof. Dr. Laurenz Lütteken und Prof. Dr. Wolfgang Sandberger konzipierte Symposium international renommierte Wissenschaftler, um die soziale, ästhetische und kulturelle Identität der musikalischen Metropole zu Zeiten Georg Friedrich Händels zu beleuchten. Den

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Festvortrag hielt Prof. Dr. Andreas Gestrich (London) zum Thema „Händels London. Leben in der Musikmetropole des 18. Jahrhunderts“. Bei der Mitgliederversammlung der Göttinger Händel-Gesellschaft e. V. am 18. Mai wurden André Schüller und Stefan Lipski als Vorstandsmitglieder wiedergewählt. Gerhard Scharner, der seit über 25 Jahren als Gremienmitglied, Berater und Unterstützer die Göttinger Händel-Gesellschaft e. V. und die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen begleitete, wurde im Juni durch den Oberbürgermeister der Stadt Göttingen, Rolf-Georg Köhler, mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Seit 1991 engagiert Gerhard Scharner sich als Mitglied der Göttinger Händel-Gesellschaft e. V., bereits kurze Zeit später wurde er in das beratende Kuratorium der Festspiele berufen. Von 1999 bis 2016 war er aktives Mitglied des Vorstands der Gesellschaft, seit Gründung der Festspiel-GmbH im Jahr 2008 auch in deren Aufsichtsrat tätig. In allen Gremien hat Gerhard Scharner sich in herausragender Weise engagiert. Wir gratulieren ihm ganz herzlich zu der Auszeichnung. Im Rahmen der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen 2017 wurde Lucio Cornelio Silla mit barocker Mimik und Gestik sowie in historischen Kostümen halbszenisch aufgeführt. Die szenische Fassung feierte am 5. Juli 2018 bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen Premiere. Seit dem 16. Oktober ist es amtlich: Mit dem Beginn der Festspielsaison 2021/2022 wird George Petrou in der Nachfolge von Laurence Cummings die Künstlerische Leitung der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen übernehmen. Als international ausgewiesener Händel- und Barockspezialist hat sich der griechische Dirigent weltweit einen Namen gemacht. Der absolute Wunschkandidat des Aufsichtsrates wurde durch die Findungskommission ausgewählt. George Petrou freut sich auf seine zukünftige Arbeit in Göttingen: „Die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen kenne ich schon lange und es ist eine große Ehre für mich, dieses traditionsreiche und international renommierte Barockfestival leiten zu dürfen. Ich hoffe, dass ich dazu beitragen kann, das Festival weiter zu entwickeln und unvergessliche Aufführungen von Händels Musik zu schaffen.“ Der aus Athen stammende George Petrou studierte Klavier am Konservatorium seiner Heimatstadt sowie am Royal College und an der Royal Academy of Music in London. Zahlreiche Auszeichnungen und preisgekrönte Einspielungen belegen seinen außerordentlichen künstlerischen Erfolg. Seit 2012 ist er Künstlerischer Leiter des renommierten Orchesters Armonia Atenea.

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Er wurde zum Mitglied der Royal Academy of Music in London ernannt und von der französischen Regierung mit dem Titel „Chevalier de l’ordre des Arts et des Lettres“ ausgezeichnet. Der aktuellen Festspielleitung war es wichtig, dass die Festspiele auch vom ihr nachfolgenden Leitungsteam erfolgreich geführt werden können. Deshalb hatte Laurence Cummings dem Aufsichtsrat der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen GmbH bereits Anfang 2018 mitgeteilt, dass er seinen bestehenden Vertrag nach dann zehn Jahren an der Spitze des Barockfestivals über das Jahr 2021 hinaus nicht verlängern werde: „Es war und ist mir eine große Freude und Ehre, dieses renommierte Festival leiten, mit einem so großartigen Ensemble wie dem FestspielOrchester Göttingen zusammenarbeiten und Teil des kulturellen Lebens dieser wunderbaren Stadt sein zu dürfen. Nach einer Dekade ist es allerdings an der Zeit, den Taktstock weiterzugeben. Ich möchte das Festival in die besten Hände übergeben, und da der Klassikmarkt extrem lange Planungsvorläufe hat, war es mir wichtig, den Aufsichtsrat frühzeitig in meine Pläne einzubinden.“ Im Oktober folgte das FestspielEnsemble Göttingen einer Einladung des dortigen Ministeriums für Kultur und Tourismus nach Puebla, Mexiko. Elizabeth Blumenstock (Violine), Lisa Weiss (Violine), Phoebe Carrai (Violoncello) und Hanneke van Proosdij (Cembalo) präsentierten im Museo Casa de la Musica de Viena am 30. Oktober 2018 Werke von Händel und seinen Zeitgenossen. Das FestspielEnsemble Göttingen, das sich aus den Stimmführerinnen des FestspielOrchesters Göttingen zusammensetzt, hat in diesem bejubelten Konzert nicht nur Georg Friedrich Händels Musik einmal mehr in die Welt getragen, sondern auch die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen erstmals in Mittelamerika repräsentiert – und das in der Barockstadt Puebla, deren historische Innenstadt zum UNESCO -Welterbe zählt. Der Austausch geht auf einen Mexikobesuch des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil im Jahr 2016 zurück, der den Anstoß zur Kooperation zwischen Göttingen und Puebla gab, um die Verbindung kultureller Institutionen zwischen beiden Ländern zu stärken. „Musikalisch hatte die Aufführung hochklassiges Format. Das FestspielOrchester Göttingen unter dem inspirierenden Dirigenten Laurence Cummings agierte mit warm-homogenem Klang, empfahl sich mit Präzision und feurigem Esprit, sowie feiner Klanggestaltung. Sängerisch war die Produktion ein einziges Fest“, schrieb die Journalistin Elisabeth Richter über das Oratorium Judas Maccebeus für das Online-Medium klassikinfo.de. Wer die Produktion bei den

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Festspielen verpasst hat, kann am Europäischen Tag der Alten Musik (21. März 2019) ganztags den Mitschnitt auf der Internetseite von NDR Kultur abrufen. Im Oktober bereits erschien die CD, die hervorragende Rezensionen im international renommierten Musikmagazin Gramophone und anderen Medien erhielt. „The FestspielOrchester Göttingen under the direction of Laurence Cummings is now one of, if not the, outstanding Baroque orchestras of the modern day, and possibly ever“ lobte das internationale Magazin Bachtrack das Oratorium Judas Maccabaeus, die CD des Mitschnitts erschien im Januar. Die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen 2019 begeben sich auf eine musikalische Entdeckungsreise in die Welt des Hörens. „Magische Saiten“ lautet das Motto. Die Harfenistin Margret Köll, das saitenreiche Ensemble Concerto di Margherita, die Streicher der Akademie für Alte Musik Berlin, der Jazz-Kontrabassist Dieter Ilg oder die Salterio-Virtuosin Franziska Fleischanderl präsentieren die vielfältigsten Saitenklänge. Mit von der Partie sind außerdem die Blockflötenvirtuosen und Echo-Klassik-Preisträger Dorothee Oberlinger und Stefan Temmingh, Coro e Orchestra Ghislieri und der international gefeierte Countertenor Christophe Dumaux. „Gehorcht mir, sanfte Saiten, und helft mein Leid bestreiten“: Unter diesem Motto thematisiert das Symposium Musik und Melancholie in Händels Aufklärung. Für den Festvortrag konnte der Generalsekretär der VolkswagenStiftung Dr. Wilhelm Krull gewonnen werden. Mit einer „Last Night“ klingt das Festival aus – das Göttinger Symphonie Orchester unter der Leitung seines neuen Generalmusikdirektors Nicholas Milton sowie die Sängerinnen und Sänger der Kantorei St. Jacobi werden zu hören sein. Solist ist der renommierte Geiger Daniel Sepec. Im Zentrum des Festspieljahrgangs steht aber wie immer die Oper. Herausragende Sängerinnen und Sänger sind im Deutschen Theater Göttingen zu hören bei Händels frühem Werk Rodrigo. Regie führt Walter Sutcliffe. Der Operndirektor der Nordirischen Staatsoper Belfast erhielt zahlreiche internationale Auszeichnungen. Das Oratorium Saul wird aufgrund der Sanierungsmaßnahmen der Stadthalle in der Blasius-Kirche in Hann. Münden aufgeführt. Tobias Wolff / Wolfgang Sandberger